Bucheffekten: Ein rechtsvergleichender Beitrag zur Reform des deutschen Depotrechts 9783161530128, 9783161532320, 3161530128

English summary: Capital market entities like stocks and bonds are nowadays as rule not kept by investors themselves, bu

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Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einführung
I. Die Mediatisierung der Wertpapierverwahrung
II. Das deutsche Depotrecht in der Kritik
III. Europäische und internationale Rechtsharmonisierung
IV. Stand der Reformdiskussion
V. Ziel und Gang der Untersuchung
Erster Teil: Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung
§ 2 Charakteristika
I. Pyramide von Depotverträgen
1. Intransparentes System
2. Transparentes System
II. Depotgutschrift als Ausweis der Rechtsinhaberschaft
III. „Stückelose“ Verfügungen über Depotwerte
1. Effektengiroverkehr
2. Depotguthaben als Sicherheiten
IV. Immobilisierung und Dematerialisierung
1. Sammelverwahrung
a) Begriff
b) Sammeldepotfähigkeit und -eignung
2. Globalurkunden
a) Begriff
b) Arten
aa) Interimistische Globalurkunde
bb) Technische Globalurkunde
cc) Dauerglobalurkunde
3. Wertrechte
a) Begriff
b) Arten
4. Funktionsverlust des Wertpapiers
§ 3 Rechtliche Ausgestaltung
I. Heterogenität der Verwahrungskonzepte
II. Kategorisierungsansätze
1. Immobilisierung versus Dematerialisierung
2. Natur der Rechtsposition des Anlegers
3. Rechtsträgerschaft an den Basiswerten
a) Direkte Rechtsträgerschaft
b) Indirekte Rechtsträgerschaft
III. Ausgewählte Rechtsordnungen im Überblick
1. Deutschland
2. Schweiz
3. USA
4. England
IV. Terminologische Folgerungen
1. Intermediär
2. Intermediärverwahrte Wertpapiere
3. Indirektes Verwahrsystem
4. Anleger
5. Hinterleger
§ 4 Clearing und Settlement
I. Begriffe
1. Clearing
2. Settlement
3. Verwahrung und Verwaltung (Custody)
II. Institute
1. Zentralverwahrer (CSDs)
a) Begriff und Betätigungsfelder
b) Beispiele
aa) Clearstream Banking AG
bb) Ausländische Zentralverwahrer
2. Internationale Zentralverwahrer (ICSDs)
a) Begriff und Betätigungsfelder
b) Beispiele
aa) Euroclear
bb) Clearstream Banking Luxembourg
3. Lokale und internationale Verwahrer
4. Zentrale Gegenparteien
a) Begriff
b) Funktionen
aa) Reduktion des Gegenparteirisikos
bb) Multilaterales Netting
cc) Post-Trade-Anonymität
c) Beispiele
III. Systeme
1. Abwicklungssysteme
2. Zahlungssysteme
IV. Methoden
1. Brutto- und Netto-Settlement
2. Straight-through Processing (STP)
3. Lieferung gegen Zahlung (Delivery versus Payment – DvP)
4. Actual und Contractual Settlement
5. Finalität
a) Begriff
b) Zivilrechtliche Erfüllung
V. Grenzüberschreitende Abwicklung
VI. Clearing und Settlement in der Europäischen Union
1. Entwicklung bis zum Lamfalussy-Bericht
2. Arbeiten der Giovannini-Gruppe
a) 1. Giovannini-Bericht
b) 2. Giovannini-Bericht
3. Arbeiten der Kommission
a) Kommissionsmitteilung vom 28. Mai 2002
b) Kommissionsmitteilung vom 28. April 2004
4. Initiativen
a) Expertengruppen
b) Code of Conduct
c) CSD-Verordnung
d) TARGET2Securities
§ 5 Risiken und Regelungsaufgaben
I. Leitziele des Depotrechts
II. Risiken in der Wertpapierverwahrung und -abwicklung
1. Gegenparteirisiko
2. Liquiditätsrisiko
3. Operationelles Risiko
4. Verwahrungsrisiko
a) Insolvenz des Verwahrers
b) Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern des Verwahrers
c) Upper-tier attachment
d) Unterbestände (shortfalls)
aa) Unterbestand beim Zentralverwahrer
bb) Unterbestand beim Zwischenverwahrer
e) Verfügungen des Verwahrers über Kundenwerte
5. Rechtliches Risiko
a) Begriff
b) Hauptursachen
aa) Mängel des materiellen Depotrechts
bb) Unsicherheiten bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts
cc) Inkompatibilität von Verwahrungskonzepten
c) Beispiel: Insolvenz der Lehman Brothers International (Europe)
6. Systemisches Risiko
III. Anforderungen an das Depotrecht
1. Interne Verläßlichkeit
a) Kriterien
b) Insbesondere: Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs
2. Internationale Kompatibilität
Zweiter Teil: Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht
§ 6 Girosammelverwahrung im Inland
I. Einführung und Überblick
II. Entwicklung der Girosammelverwahrung
1. Von der Sonder- zur Girosammelverwahrung
a) Giro-Effektendepot der Bank des Berliner Kassen-Vereins
b) Erweiterter Effektengiroverkehr
2. Anerkennung der Sammelverwahrung durch das Depotgesetz 1937
3. Girosammelverwahrung als gesetzliche Regelverwahrform
4. Globalurkunden
a) Entwicklung
b) § 9a DepotG
c) § 10 Abs. 5 AktG
III. Eigentumsverhältnisse
1. Miteigentum nach Bruchteilen
a) Depotgemeinschaft als Bruchteilsgemeinschaft sui generis
b) Bedeutung des Sammeldepotguthabens
2. Clearstream Banking AG als Ermächtigungstreuhänderin
IV. Besitzverhältnisse
1. Sammelverwahrung einzelverbriefender Wertpapiere
a) Die hergebrachte Ansicht: gestufter mittelbarer Mitbesitz
b) Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes
c) Auslieferungsansprüche des Depotkunden
aa) § 7 DepotG
(1) Dogmatische Einordnung
(2) Einseles Kritik
bb) § 7 DepotG i. V. m. §§ 546 Abs. 2, 604 Abs. 4 BGB analog
cc) § 8 DepotG
(1) Zweck und Anwendungsbereich
(2) Dogmatische Einordnung
(3) Herausgabeansprüche des Miteigentümers
(4) Nochmals: Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes
d) Ergebnis
2. Sammelverwahrung von Dauerglobalurkunden
a) Anspruch auf Herausgabe der Urkunde?
aa) Herausgabeanspruch in Ausnahmesituationen?
bb) Allgemeiner verwahrungsrechtlicher Rückforderungsanspruch?
cc) Gesamtherausgabeanspruch der Hinterleger?
dd) Zwischenergebnis
b) Das Problem des ungleichstufigen Mitbesitzes
c) § 9a DepotG als weiterer Schritt zur „Vergeistigung“ des mittelbaren Besitzes?
d) Mittelbarer Besitz kraft Verfügungsmacht?
e) Gutschrift als Besitzsurrogat?
3. Verstoß gegen das sachenrechtliche Publizitätsprinzip?
4. Ergebnis
V. Übertragung von Girosammelanteilen im bisherigen Modell
1. Überblick
2. Ablauf der Abwicklung
3. Eigentumsübertragung nach §§ 929 ff. BGB
a) Dingliche Einigung
aa) Angebot
bb) Annahme
b) Übergabe(surrogat)
aa) § 930 BGB
bb) § 931 BGB
cc) § 929 Satz 1 BGB
(1) Zeitpunkt des Eigentumsübergangs
(2) Notwendigkeit von Buchungen auf der Ebene der Zwischenverwahrer?
(3) Erkennbarkeit der Besitzumstellung?
(4) Konstitutive Wirkung der Depotgutschrift?
4. Finalität
5. Gutgläubiger Erwerb
a) Problemaufriß
b) Maßgebliche Person
c) Gegenstand des guten Glaubens
d) Maßgeblicher Rechtsscheinträger
aa) Mitbesitz
bb) Buchung
(1) Buchungen der Clearstream Banking AG
(2) Buchungen der Depotbanken
cc) Besitzverschaffungsmacht
e) Verlustverteilung
f) Ergebnis
6. Anwendbarkeit von § 24 Abs. 2 DepotG
a) Der Tatbestand im Überblick
aa) Regelungszweck
bb) Voraussetzungen
(1) Erfüllung eines Kommissions- oder Eigenhandelsgeschäfts
(2) Verfügungsbefugnis des Kommissionärs
(3) Kein Eigentumsübergang nach bürgerlichem Recht
cc) Rechtsfolge
b) Direkte Anwendbarkeit
c) Analoge Anwendbarkeit
VI. Übertragung von Girosammelanteilen unter Einbeziehung der Eurex Clearing AG
1. Einführung
2. Ablauf der Abwicklung
3. Eigentumsübertragung nach § 929 Satz 1 BGB
a) Eigenschäfte der Clearing-Mitglieder
aa) Einigung
(1) Angebot
(2) Annahme
bb) Übergabe
cc) Bedingungen
b) Fremdgeschäfte der Clearing-Mitglieder
aa) Eigentumsübertragung unter Einschaltung der Eurex Clearing AG
bb) Eigentumsübertragung ohne Einschaltung der Eurex Clearing AG
4. Gutgläubiger Erwerb
5. Bewertung
VII. Verpfändung von Girosammelanteilen
1. Einführung
2. Bestellung eines Pfandrechts
a) Verpfändung an einen Dritten
aa) § 1205 Abs. 1 Satz 1 BGB
bb) § 1205 Abs. 2 BGB
cc) § 1206 BGB
b) Verpfändung an den kontoführenden Verwahrer
c) Gutgläubiger Erwerb
d) Ergebnis
3. Verwertung eines Pfandrechts
a) Allgemeine Vorschriften
b) Verwertung in der Insolvenz des Verpfänders
aa) § 166 Abs. 3 InsO
bb) § 166 Abs. 1 InsO
4. Vereinbarkeit mit der Finanzsicherheitenrichtlinie
a) Zweck der Richtlinie
b) Anwendungsbereich der Richtlinie
aa) Persönlicher Anwendungsbereich
bb) Sachlicher Anwendungsbereich
(1) Finanzsicherheiten
(2) Maßgebliche Verbindlichkeiten
(3) Besitzgebundene Finanzsicherheiten
c) Vorgaben der Richtlinie
d) Richtlinienkonformität des deutschen Rechts
5. Ergebnis
VIII. Zwangsvollstreckung
1. Vollstreckung wegen einer Geldforderung
2. Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe
3. Ergebnis
IX. Zusammenfassung
§ 7 Sammelschuldbuchforderungen
I. Rechtsentwicklung
1. Vorkonstitutionelle Regelungen
2. Neuordnung des Schuldbuchrechts
3. Schuldtitel der EZB
II. Aufbau und Funktion des Bundesschuldbuchs
III. Sammelschuldbuchforderungen als Wertpapiersammelbestände
1. Die gesetzliche Regelung im Überblick
2. Treuhänderstellung der Wertpapiersammelbank
3. Legitimationsfunktion des Schuldbuchs
4. Bedeutung und Reichweite der Gleichstellungsfiktion
a) „Verdinglichung“ der Sammelschuldbuchforderung?
b) Anwendbarkeit des Sachenrechts
c) Die Opitz’sche Wertrechtslehre
§ 8 Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung
I. Grundlagen
1. Charakteristika und Vorteile gegenseitiger Kontoverbindungen
2. Kontoverbindungen der Clearstream Banking AG
II. Zulässigkeit gegenseitiger Kontoverbindungen
1. Allgemeines
2. Die Voraussetzungen im einzelnen
III. Kompatibilitätsprobleme am Beispiel der Kontoverbindung zur DTC
IV. Sonderformen
1. Zweitverbriefung ausländischer Wertpapiere
2. Globale Aktien
V. Zusammenfassung
§ 9 Verwahrung in Wertpapierrechnung
I. Einführung
II. Rechtsgrundlagen
1. § 22 DepotG
2. Nr. 12 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte
III. Einzelheiten
1. Das Treuhandverhältnis
a) Treuhandabrede
b) Auslieferungsanspruch des Depotkunden
aa) Bedeutung der WR-Gutschrift
(1) Herrschende Auffassung
(2) WR-Gutschrift als notwendiges Element des Erwerbstatbestandes
(3) WR-Gutschrift als abstraktes Schuldanerkenntnis?
bb) Inhalt
cc) Beschränkung auf den Deckungsbestand
dd) Verhältnis zum Anspruch aus dem Anschaffungsgeschäft
c) Verwaltungspflichten des Verwahrers
d) Haftung des Verwahrers
2. Schutz des Deckungsbestandes
3. Insolvenz- und Vollstreckungsschutz
a) Meinungsstand
aa) Rechtsprechung
bb) Schrifttum
b) Rechtslage bei der WR-Gutschrift
c) Ergebnis
4. Treuhandgiroverkehr
a) Tatsächlicher Ablauf
b) Rechtliche Konstruktion
c) Treuwidrige Verfügungen
5. Verpfändung von Depotwerten
a) Bestellung eines Pfandrechts
aa) Verpfändung an einen Dritten
bb) Verpfändung an den kontoführenden Verwahrer
b) Verwertung eines Pfandrechts
6. Pfändung von Depotwerten
IV. Zusammenfassung
§ 10 Internationales Privatrecht
I. Grundlagen
1. Wertpapierrechtsstatut
2. Wertpapiersachstatut
3. Schuldvertragsstatut
4. Zessions- und Zessionsgrundstatut
5. Insolvenzstatut
II. Unionsrechtliche Vorgaben
1. Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie
a) Überblick
b) Anwendungsbereich
aa) Persönlicher Anwendungsbereich
bb) Sachlicher Anwendungsbereich
c) Anknüpfungsmoment
2. Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie
a) Überblick
b) Anwendungsbereich
aa) Persönlicher Anwendungsbereich
bb) Sachlicher Anwendungsbereich
c) Regelungsgegenstände
d) Anknüpfungsmoment
III. Die Sonderanknüpfung des § 17a DepotG
1. Anwendungsbereich
a) Persönlicher Anwendungsbereich
b) Sachlicher Anwendungsbereich
aa) Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile
bb) Eintragung oder Verbuchung mit rechtsbegründender Wirkung
2. Umfang der Verweisung
3. Anknüpfungsmoment
IV. Ergebnis
§ 11 Zusammenfassende Bewertung
Dritter Teil: Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht
§ 12 Organisation der Wertpapierverwahrung und -abwicklung
I. SIX SIS AG (vormals SIS SegaInterSettle AG)
II. SIX x-clear AG (vormals SIS x-clear AG)
III. Swiss Value Chain
§ 13 Rechtslage vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes
I. Rechtsgrundlagen
II. Sammelverwahrung
1. Eigentums- und Besitzverhältnisse
2. Übertragung von Girosammelanteilen
a) Exkurs: Die Effektenkommission
aa) Rechtsverhältnis zwischen Effektenhändler und Kunde
bb) Eigentumsverhältnisse am Kommissionsgut
b) Erwerb vom Berechtigten
c) Erwerb vom Nichtberechtigten
3. Verpfändung
III. Globalurkunden
1. Entwicklung
2. Eigentums- und Besitzverhältnisse
IV. Wertrechte
1. Begriff
2. Rechtsnatur
3. Erscheinungsformen
a) Schuldbuchforderungen
b) Namenaktien mit aufgeschobenem und aufgehobenem Titeldruck
aa) Aufgeschobener Titeldruck
bb) Aufgehobener Titeldruck
cc) Verbuchung
dd) Übertragung
ee) Verpfändung
c) Anlagefondsanteile
d) Geldmarktbuchforderungen
V. Verwahrung von Wertpapieren im Ausland
VI. Konkursschutz
VII. Internationales Privatrecht
VIII. Reformbedarf
1. Kritik des Schrifttums
a) Materielles Recht
b) Internationales Privatrecht
2. Empfehlung der Übernahmekommission im Fall Unaxis
§ 14 Das Bucheffektengesetz
I. Entstehungsgeschichte
1. Entwurf eines Wertpapierverwahrungsgesetzes (WVG)
2. Bericht der technischen Arbeitsgruppe
3. Gang des Gesetzgebungsverfahrens und Inkrafttreten
4. Anpassungen durch das Finanzmarktinfrastrukturgesetz 2016
II. Leitideen
1. Internationale Kompatibilität
2. Orientierung an etablierten Marktpraktiken
3. Technologieneutralität
4. Offene Architektur
5. Beschränkung auf privatrechtliche Fragen
III. Die Bucheffekte als Vermögensobjekt sui generis
1. Begriff und Rechtsnatur
2. Entstehung
3. Untergang
4. Deckungsbestand
5. Konzeptionelle Folgefragen
a) Auswirkungen auf die Verknüpfung von Recht und Urkunde
b) „Suspendierung“ der Rechte an den Basiswerten
IV. Rechte der Kontoinhaber
1. Rechte gegenüber dem Emittenten
2. Allgemeine Rechte gegenüber der Verwahrungsstelle
a) Ausführung von Weisungen
b) Ausstellung einer Depotbescheinigung
3. Rechte in der Liquidation einer Verwahrungsstelle
a) Liquidation der kontoführenden Verwahrungsstelle
aa) Anwendungsbereich
bb) Inhalt und Umfang des Absonderungsrechts
cc) Absonderungsverfahren
dd) Unterbestand
ee) Kontoinhaber und Verwahrungsstelle als Gesamthandsgemeinschaft?
b) Liquidation der Drittverwahrungsstelle
V. Rechte der Verwahrungsstelle
1. Rückbehaltungs- und Verwertungsrecht
2. Nutzungsrecht
VI. Übertragung von Bucheffekten
1. Überblick
2. Der Tatbestand des Art. 24 BEG
a) Voraussetzungen
aa) Weisung
bb) Gutschrift
b) Derivativer oder originärer Rechtserwerb?
c) Übertragung unter Beteiligung mehrerer Verwahrungsstellen
d) Zulässigkeit vorgezogener Gutschriften?
3. Stornierung von Belastungen und Gutschriften
a) Einführung
b) Stornierung von Belastungen
aa) Stornierungsgründe
(1) Fehlen einer Weisung
(2) Mangelhafte Weisung
(3) Fehler bei der Übertragung
bb) Wirkung der Stornierung
c) Stornierung von Gutschriften
aa) Stornierungsgründe
(1) Stornierung der Belastung
(2) Fehlende Entsprechung zwischen Gutschrift und Weisung
bb) Wirkung der Stornierung
cc) Ausschluß der Stornierung
4. Gutgläubiger Erwerb
a) Voraussetzungen
aa) Fehlende Verfügungsbefugnis des Veräußerers
bb) Stornierung der Gutschrift im Effektenkonto des Veräußerers
b) Rechtsfolgen
VII. Bucheffekten als Sicherheiten
1. Konzeptionelle Grundlagen
a) Funktionaler Ansatz
b) Regelungsprinzipien
2. Bestellung einer Sicherheit
a) Sicherheit zugunsten eines Dritten
aa) Gutschrift
bb) Kontrollvereinbarung
b) Sicherheiten zugunsten der Verwahrungsstelle
3. Verwertung einer Sicherheit
4. Rangfolge konkurrierender Rechte
VIII. Zwangsvollstreckung
IX. Grenzüberschreitende Verwahrung
1. Ermächtigung zur Drittverwahrung im Ausland
2. Haftung der inländischen Verwahrungsstelle
3. Rechtsstellung des Anlegers
X. Internationales Privatrecht
XI. Gesamtbewertung
Vierter Teil: Depotrechtsharmonisierung
§ 15 Haager Wertpapierübereinkommen
I. Entstehungsgeschichte
II. Sachlicher Anwendungsbereich
III. Anknüpfungsgegenstände
IV. Anknüpfungsmomente
1. Überblick
2. Die Hauptanknüpfungsregel des Art. 4
a) PRIMA versus Rechtswahlfreiheit
b) Verfügungen unter Beteiligung mehrerer Intermediäre
aa) Das sog. page 37-Problem
bb) Lösungsvorschläge
(1) Stage-by-stage-approach
(2) Super-PRIMA
(3) Lex creationis
cc) Zwischenergebnis
c) Stage-by-stage approach und materielles Recht
aa) Verwahrungskonzepte mit indirekter Rechtsträgerschaft
bb) Verwahrungskonzepte mit direkter Rechtsträgerschaft
cc) Zwischenergebnis
V. Gesamtbewertung
§ 16 Genfer Wertpapierübereinkommen
I. Entstehungsgeschichte
II. Ziel und Methodik
1. Mindestharmonisierung des Depotrechts
2. Funktionaler Ansatz
a) Charakteristika
b) Kritik
3. Verweis auf das Nichtübereinkommensrecht
III. Grundbausteine
1. Rechte des Kontoinhabers
a) Art. 9 im Überblick
b) Analyse
2. Verfügungen über intermediärverwahrte Wertpapiere
a) Überblick
b) Verfügung durch Buchung
aa) Art. 11 im Überblick
bb) Analyse
(1) Möglichkeit des derivativen Rechtserwerbs?
(2) Zulässigkeit vorgezogener Gutschriften?
c) Weitere Verfügungsmethoden
aa) Verfügungsmethoden des Art. 12
(1) Vereinbarung mit dem maßgeblichen Intermediär
(2) Depotvermerk
(3) Abschluß einer Kontrollvereinbarung
bb) Verfügungsmethoden des nationalen Rechts
d) Ermächtigung des Intermediärs
e) Redlicher Erwerb
aa) Grundsätzliche Erwägungen
bb) Art. 18 Abs. 1
(1) Überblick
(2) Analyse
cc) Art. 18 Abs. 2
(1) Überblick
(2) Analyse
f) Rangfolge von Rechten an Depotguthaben
3. Integrität des mediatisierten Verwahrsystems
a) Insolvenzschutz
b) Verbot des upper-tier attachment
c) Pflicht zur Unterhaltung eines ausreichenden Deckungsbestandes
d) Verlustverteilung
4. Sicherungsgeschäfte
IV. Gesamtbewertung
§ 17 Rechtsharmonisierung in der EU
I. Projekt Rechtssicherheit
1. Anlaß und Hintergrund
2. Legal Certainty Group (LCG)
a) Mandat
b) Empfehlungen
aa) Erste Empfehlung 2006
bb) Zweite Empfehlung 2008
II. Vorläufiger Entwurf einer Wertpapierrechtsrichtlinie
1. Entstehungsgeschichte
2. Der Entwurf im Überblick
a) Funktionaler Ansatz
b) Grundbausteine
aa) Rechte des Kontoinhabers
bb) Erwerb von und Verfügungen über kontenverbuchte Wertpapiere
cc) Redlicher Erwerb
dd) Internationales Privatrecht
ee) Sonstiges
III. Weitere Entwicklung
IV. Gesamtbewertung und Ausblick
Fünfter Teil: Depotrechtsreform
§ 18 Ausgangsüberlegungen
I. Dematerialisierung des Effektenwesens?
1. Gründe für eine Dematerialisierung
a) Internationaler Trend
b) Erleichterung des internationalen Effektengiroverkehrs
c) Weitere Rationalisierung des Effektenwesens
d) Funktionsverlust des Wertpapiers
2. Möglichkeit der Ausgabe von Einzelurkunden?
3. Registerführende Stelle
II. Einheitliches Konzept für inlands- und auslandsverwahrte Werte?
III. Beibehaltung gängiger Buchungspraktiken?
IV. Kodifizierung des Depotvertrages?
§ 19 Reformoptionen
I. Erweiterung des Schuldbuchmodells
1. Grundzüge
2. Bewertung
II. Effektengiroverkehr auf der Grundlage von Globalurkunden
1. Grundzüge
2. Bewertung
III. Effektengiroverkehr auf der Grundlage der fiduziarischen Treuhand
1. Grundzüge
2. Bewertung
IV. Übernahme des schweizerischen Bucheffektenmodells
V. Wertpapierfreies Bucheffektenmodell
1. Hauptmerkmale
2. Die Bucheffekte als neuartiges Vermögensobjekt sui generis
a) Begriff
b) Rechtliche Einordnung
3. Entstehung von Bucheffekten
a) Vorfrage: Entstehung unverbriefter Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte
b) Eintragung der Effekten in das Hauptregister
c) Verbuchung auf Depotkonten
4. Erwerb und Verlust von Bucheffekten
a) Erwerb durch Gutschrift
aa) Konstitutive Wirkung der Gutschrift
bb) Derivativer oder originärer Erwerb?
(1) Derivativer Erwerb
(2) Originärer Erwerb
(3) Ergebnis
cc) Stornierung fehlerhafter Buchungen
(1) Belastungsbuchung
(2) Gutschrift
b) Gutgläubiger Erwerb
c) Übertragung durch Abtretung?
5. Bucheffekten als Sicherheiten
a) Funktionaler Ansatz?
b) Methoden
c) Verwertung
6. Integrität des Verwahrsystems
7. Insolvenz
8. Grenzüberschreitende Verwahrung
9. Internationales Privatrecht
10. Gesetzestechnische Umsetzung
§ 20 Schlußwort
Literaturverzeichnis
Materialienverzeichnis
Sachregister
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Bucheffekten: Ein rechtsvergleichender Beitrag zur Reform des deutschen Depotrechts
 9783161530128, 9783161532320, 3161530128

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 225

Ulrich Segna

Bucheffekten Ein rechtsvergleichender Beitrag zur Reform des deutschen Depotrechts

Mohr Siebeck

Ulrich Segna, geboren 1969; Studium der Rechtswissenschaft in Osnabrück; Referendariat in Berlin (Stationen u. a. beim Bundesverfassungsgericht und im Bundesministerium der Justiz); 2001 Promotion; 2002–03 Referent beim Bundesverband deutscher Banken e. V.; 2003–09 Juniorpro­ fessor für Zivilrecht mit dem Schwerpunkt deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.; 2009–14 Assistant chercheur an der Uni­ versität Luxemburg; 2013 Habilitation in Frankfurt a. M.; 2014/2015 Lehrstuhlvertretung an der Universität Heidelberg; seit 2015 Professor an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Recht der Non-Profit-Organisationen.

ISBN  978-3-16-153012-8 / eISBN  978-3-16-153232-0 DOI 10.1628/978-3-16-153232-0 ISSN  0940-9610 / eISSN 2568-8472 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­biblio­ graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­ halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Über­setzung und die Ein­ speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt und auf alterungsbeständiges Werk­druck­ papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Eine Depotkundin stellte an mich die Frage: „Anscheinend handelt es sich beim Sammeldepot um eine recht verwickelte Angelegenheit?“ Ich antwortete mit folgendem Beispiel: „Denken Sie sich, Ihnen und Ihrer Flurnachbarin werden je 5000 Kohlenbriketts angeliefert und es fehlt Ihnen beiden an Kellerraum. Der Hauswirt erbietet sich, die 10.000 Briketts in seinem Kohlenkeller einzulagern und von diesem gemeinsamen Vorrat jeder von Ihnen bis zu 5000 Stück Briketts auf Verlangen auszuhändigen. Sie finden diese Lösung herrlich, haben mit ihrer Nachbarin zusammen einen gut verwahrten Vorrat von 10.000 Briketts; jeder von Ihnen gehört die Hälfte davon, und Sie sind jederzeit in der Lage, ihren Anteil von 5000 Stück je nach Bedarf ganz oder teilweise abzurufen. So liegt das auch beim Wertpapier-Sammeldepot.“ Hierauf die Depotkundin: „Na, das ist aber doch recht einfach. Und darüber zerbrecht Ihr Juristen Euch die Köpfe?“ Ich konnte nur entgegnen: „Ja, Wertpapiere sind schließlich eben keine Briketts.“ (Einführende Anekdote aus dem Vortrag von Georg Opitz „Der stückelose Effektenverkehr, ein Gegenstück zum bargeldlosen Zahlungsverkehr“, gehalten am 4. Februar 1927 an der Uni­ versität Frankfurt am Main, abgedruckt in: Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, 1954, S.  94–115)

Vorwort Die Arbeit hat im Sommersemester 2013 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main als Habilitationsschrift vorgelegen. Aus Anlaß der Veröffentlichung habe ich die neuesten Publikationen zum Thema eingearbeitet und etliche Passagen mit Rücksicht auf die jüngsten Ent­ wicklungen im Bereich der Wertpapierverwahrung und -abwicklung aktualisiert, ohne daß sich freilich die Notwendigkeit gezeigt hätte, etwas an den Hauptthesen und -argumenten der Untersuchung zu ändern. Berücksichtigt wurden insbesonde­ re die Vorgaben der Zentralverwahrer-Verordnung (EU) Nr. 909/2014, die Anpas­ sungen des schweizerischen Rechts durch das am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) und die Änderungen in den Abwick­ lungsabläufen infolge des Anschlusses der Clearstream Banking AG an „TARGET2 Securities (T2S)“. Das Buch befindet sich auf dem Stand 1. November 2017. Die zi­ tierten Internetseiten wurden letztmalig an diesem Tag abgerufen. Die Neunume­ rierung des Wertpapierhandelsgesetzes durch das 2. Finanzmarkt­novel­lie­rungs­ gesetz (2. FiMaNoG) zum 3. Januar 2018 ist bereits eingearbeitet. Mein erster Dank gilt meinem akademischen Lehrer, Prof. Dr. Dres. h. c. Theodor Baums. Er hat das Erstgutachten verfaßt, meinen wissenschaftlichen Werdegang be­ reits seit Osnabrücker Zeiten begleitet und mich jederzeit mit Rat und Tat unter­ stützt. Für die Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Prof. Dr. Peter von Wilmow­ sky, LL.M. Den Mitgliedern der DK-Arbeitsgruppe Depotrecht, allen voran Dr. ­Stefan Saager, danke ich für wichtige Einblicke in die Praxis der Wertpapierverwah­ rung und -abwicklung und viele anregende Diskussionen. Dr. Martin Hess und Dr. Hans Kuhn, LL.M. haben mich mit wertvollen Materialien und Informationen zum schweizerischen Recht versorgt, ohne die diese Untersuchung nicht hätte entstehen können. Die Arbeit wurde mit dem Baker & McKenzie Preis 2013 für Dissertationen und Habilitationen aus dem Bereich des Wirtschaftsrechts sowie mit dem Förderpreis der Stiftung Kapitalmarktrecht für den Finanzstandort Deutschland 2014 ausgezeichnet. Auch dafür bin ich sehr dankbar. In diesem Zusammenhang sei auch Prof. Dr. Horst Hammen erwähnt, der mich bei der Bewerbung um den Förderpreis unterstützt und das Entstehen der Arbeit mit Interesse verfolgt hat. Den studentischen Hilfskräften meines Lehrstuhls, Katharina Knittlmayer und Melih Esmer, danke ich für Ihre wertvolle Hilfe bei der Fahnenkorrektur.

VIII

Vorwort

Der größte Dank gilt meiner Frau Ruth, ohne deren Geduld und fortwährende Ermunterung diese Arbeit niemals fertig geworden wäre. Ihr und unseren Kindern Clara, Conrad und Johann ist dieses Buch gewidmet. Hofheim am Taunus, im März 2018

Ulrich Segna

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655

§  1  Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 §  2  Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §  3  Rechtliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §  4  Clearing und Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §  5  Risiken und Regelungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 34 65 114

Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 §  6  Girosammelverwahrung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §  7  Sammelschuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §  8  Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . §  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §  10  Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §  11  Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153 291 308 321 361 389

Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 §  12  Organisation der Wertpapierverwahrung und -abwicklung . . . . . . . 393 §  13  Rechtslage vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes . . . . . . . . . . 398 §  14  Das Bucheffektengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 §  15  Haager Wertpapierübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 §  16  Genfer Wertpapierübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541

X

Inhaltsübersicht

§  17  Rechtsharmonisierung in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583

Fünfter Teil:  Depotrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 §  18  Ausgangsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 §  19  Reformoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 §  20  Schlußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655

 §  1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Mediatisierung der Wertpapierverwahrung . . . . . . . . . . II. Das deutsche Depotrecht in der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . III. Europäische und internationale Rechtsharmonisierung . . . . . . IV. Stand der Reformdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 2 4 7 8

Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11  §  2 Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Pyramide von Depotverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Intransparentes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Transparentes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Depotgutschrift als Ausweis der Rechtsinhaberschaft . . . . . . . III. „Stückelose“ Verfügungen über Depotwerte . . . . . . . . . . . . 1. Effektengiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Depotguthaben als Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Immobilisierung und Dematerialisierung . . . . . . . . . . . . . . 1. Sammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sammeldepotfähigkeit und -eignung . . . . . . . . . . . . . 2. Globalurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interimistische Globalurkunde . . . . . . . . . . . . . . bb) Technische Globalurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Dauerglobalurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wertrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 13 16 17 18 18 19 21 21 21 22 24 24 25 26 26 27 27

XII

Inhaltsverzeichnis

a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4. Funktionsverlust des Wertpapiers . . . . . . . . . . . . . . . . . 31  §  3 Rechtliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Heterogenität der Verwahrungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . II. Kategorisierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Immobilisierung versus Dematerialisierung . . . . . . . . . . . 2. Natur der Rechtsposition des Anlegers . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsträgerschaft an den Basiswerten . . . . . . . . . . . . . . a) Direkte Rechtsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Indirekte Rechtsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausgewählte Rechtsordnungen im Überblick . . . . . . . . . . . . 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Terminologische Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Intermediär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Intermediärverwahrte Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Indirektes Verwahrsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hinterleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 35 35 37 37 38 39 40 41 43 44 52 58 58 60 61 63 64

  §  4  Clearing und Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Clearing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwahrung und Verwaltung (Custody) . . . . . . . . . . . . . II. Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zentralverwahrer (CSDs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Betätigungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Clearstream Banking AG . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausländische Zentralverwahrer . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Zentralverwahrer (ICSDs) . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Betätigungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Euroclear . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Clearstream Banking Luxembourg . . . . . . . . . . . 3. Lokale und internationale Verwahrer . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zentrale Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 66 66 68 69 70 70 70 71 72 73 75 75 77 77 77 78 79 79

Inhaltsverzeichnis

XIII

b) Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Reduktion des Gegenparteirisikos . . . . . . . . . . . . bb) Multilaterales Netting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Post-Trade-Anonymität . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwicklungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Brutto- und Netto-Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Straight-through Processing (STP) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lieferung gegen Zahlung (Delivery versus Payment – DvP) . . 4. Actual und Contractual Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilrechtliche Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Grenzüberschreitende Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Clearing und Settlement in der Europäischen Union . . . . . . . 1. Entwicklung bis zum Lamfalussy-Bericht . . . . . . . . . . . . 2. Arbeiten der Giovannini-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . a) 1. Giovannini-Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 2. Giovannini-Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeiten der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kommissionsmitteilung vom 28. Mai 2002 . . . . . . . . . b) Kommissionsmitteilung vom 28. April 2004 . . . . . . . . 4. Initiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Expertengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Code of Conduct . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) CSD-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) TARGET2Securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80 81 82 83 84 84 86 87 87 88 89 90 91 91 95 95 99 99 100 101 102 103 103 104 105 105 106 108 111

  §  5  Risiken und Regelungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Leitziele des Depotrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Risiken in der Wertpapierverwahrung und -abwicklung . . . . . 1. Gegenparteirisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Liquiditätsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Operationelles Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwahrungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz des Verwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern des Verwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Upper-tier attachment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114 114 115 116 117 118 119 120 121 121

XIV

Inhaltsverzeichnis

d) Unterbestände (shortfalls) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterbestand beim Zentralverwahrer . . . . . . . . . . bb) Unterbestand beim Zwischenverwahrer . . . . . . . . e) Verfügungen des Verwahrers über Kundenwerte . . . . . . 5. Rechtliches Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hauptursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mängel des materiellen Depotrechts . . . . . . . . . . . bb) Unsicherheiten bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Inkompatibilität von Verwahrungskonzepten . . . . . c) Beispiel: Insolvenz der Lehman Brothers International (Europe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Systemisches Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anforderungen an das Depotrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interne Verläßlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insbesondere: Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs . . . 2. Internationale Kompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123 123 125 129 131 131 132 132 134 139 141 144 145 146 146 147 149

Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151   §  6  Girosammelverwahrung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwicklung der Girosammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . 1. Von der Sonder- zur Girosammelverwahrung . . . . . . . . . . a) Giro-Effektendepot der Bank des Berliner Kassen-Vereins b) Erweiterter Effektengiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung der Sammelverwahrung durch das Depotgesetz 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Girosammelverwahrung als gesetzliche Regelverwahrform . . 4. Globalurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) §  9a DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) §  10 Abs.  5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigentumsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Miteigentum nach Bruchteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Depotgemeinschaft als Bruchteilsgemeinschaft sui generis b) Bedeutung des Sammeldepotguthabens . . . . . . . . . . . 2. Clearstream Banking AG als Ermächtigungstreuhänderin . . IV. Besitzverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153 153 154 154 154 156 158 161 162 162 163 165 167 167 167 168 170 171

Inhaltsverzeichnis

V.

1. Sammelverwahrung einzelverbriefender Wertpapiere . . . . . a) Die hergebrachte Ansicht: gestufter mittelbarer Mitbesitz . b) Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes . . . . . . . . . . c) Auslieferungsansprüche des Depotkunden . . . . . . . . . aa) §  7 DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . (2) Einseles Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) §  7 DepotG i. V. m. §§  546 Abs.  2, 604 Abs.  4 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §  8 DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zweck und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . (2) Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . (3) Herausgabeansprüche des Miteigentümers . . . . (4) Nochmals: Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sammelverwahrung von Dauerglobalurkunden . . . . . . . . a) Anspruch auf Herausgabe der Urkunde? . . . . . . . . . . . aa) Herausgabeanspruch in Ausnahmesituationen? . . . . bb) Allgemeiner verwahrungsrechtlicher Rückforderungsanspruch? . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesamtherausgabeanspruch der Hinterleger? . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Problem des ungleichstufigen Mitbesitzes . . . . . . . c) §  9a DepotG als weiterer Schritt zur „Vergeistigung“ des mittelbaren Besitzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mittelbarer Besitz kraft Verfügungsmacht? . . . . . . . . . e) Gutschrift als Besitzsurrogat? . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verstoß gegen das sachenrechtliche Publizitätsprinzip? . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragung von Girosammelanteilen im bisherigen Modell . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablauf der Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigentumsübertragung nach §§  929 ff. BGB . . . . . . . . . . . a) Dingliche Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übergabe(surrogat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §  930 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) §  931 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §  929 Satz  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zeitpunkt des Eigentumsübergangs . . . . . . . . .

XV 172 172 172 174 174 174 175 178 180 180 181 182 184 185 185 186 186 188 189 190 190 192 193 199 201 202 203 203 204 207 207 208 208 212 212 213 214 215

XVI

Inhaltsverzeichnis

(2) Notwendigkeit von Buchungen auf der Ebene der Zwischenverwahrer? . . . . . . . . . . . . . . . 216 (3) Erkennbarkeit der Besitzumstellung? . . . . . . . . 217 (4) Konstitutive Wirkung der Depotgutschrift? . . . . 218 4. Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 5. Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Maßgebliche Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Gegenstand des guten Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . 225 d) Maßgeblicher Rechtsscheinträger . . . . . . . . . . . . . . . 225 aa) Mitbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 bb) Buchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (1) Buchungen der Clearstream Banking AG . . . . . 226 (2) Buchungen der Depotbanken . . . . . . . . . . . . 228 cc) Besitzverschaffungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 e) Verlustverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 6. Anwendbarkeit von §  24 Abs.  2 DepotG . . . . . . . . . . . . . 233 a) Der Tatbestand im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 bb) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (1) Erfüllung eines Kommissions- oder Eigenhandelsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (2) Verfügungsbefugnis des Kommissionärs . . . . . . 235 (3) Kein Eigentumsübergang nach bürgerlichem Recht 235 cc) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Direkte Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Analoge Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 VI. Übertragung von Girosammelanteilen unter Einbeziehung der Eurex Clearing AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Ablauf der Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3. Eigentumsübertragung nach §  929 Satz  1 BGB . . . . . . . . . 244 a) Eigenschäfte der Clearing-Mitglieder . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (1) Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (2) Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb) Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 cc) Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Fremdgeschäfte der Clearing-Mitglieder . . . . . . . . . . . 249 aa) Eigentumsübertragung unter Einschaltung der Eurex Clearing AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

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bb) Eigentumsübertragung ohne Einschaltung der Eurex Clearing AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verpfändung von Girosammelanteilen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestellung eines Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verpfändung an einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) §  1205 Abs.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §  1206 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verpfändung an den kontoführenden Verwahrer . . . . . . c) Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwertung eines Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwertung in der Insolvenz des Verpfänders . . . . . . . . aa) §  166 Abs.  3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) §  166 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinbarkeit mit der Finanzsicherheitenrichtlinie . . . . . . . a) Zweck der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . bb) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . (1) Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Maßgebliche Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . (3) Besitzgebundene Finanzsicherheiten . . . . . . . . c) Vorgaben der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Richtlinienkonformität des deutschen Rechts . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckung wegen einer Geldforderung . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

250 251 252 253 253 257 257 257 262 264 264 265 267 268 268 269 270 271 272 273 274 274 275 275 276 277 278 280 282 282 282 286 288 289

 §  7 Sammelschuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorkonstitutionelle Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neuordnung des Schuldbuchrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schuldtitel der EZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau und Funktion des Bundesschuldbuchs . . . . . . . . . . .

291 291 291 295 296 297

XVIII

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III. Sammelschuldbuchforderungen als Wertpapiersammelbestände 1. Die gesetzliche Regelung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Treuhänderstellung der Wertpapiersammelbank . . . . . . . . 3. Legitimationsfunktion des Schuldbuchs . . . . . . . . . . . . . 4. Bedeutung und Reichweite der Gleichstellungsfiktion . . . . . a) „Verdinglichung“ der Sammelschuldbuchforderung? . . . b) Anwendbarkeit des Sachenrechts . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Opitz’sche Wertrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . .

297 297 298 300 302 302 304 305

 §  8 Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Charakteristika und Vorteile gegenseitiger Kontoverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontoverbindungen der Clearstream Banking AG . . . . . . . II. Zulässigkeit gegenseitiger Kontoverbindungen . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Voraussetzungen im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kompatibilitätsprobleme am Beispiel der Kontoverbindung zur DTC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweitverbriefung ausländischer Wertpapiere . . . . . . . . . . 2. Globale Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

308 308

  §  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. §  22 DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nr.  12 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte . . . . III. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Treuhandverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Treuhandabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslieferungsanspruch des Depotkunden . . . . . . . . . . aa) Bedeutung der WR-Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . (1) Herrschende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . (2) WR-Gutschrift als notwendiges Element des Erwerbstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) WR-Gutschrift als abstraktes Schuldanerkenntnis? bb) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beschränkung auf den Deckungsbestand . . . . . . . . dd) Verhältnis zum Anspruch aus dem Anschaffungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwaltungspflichten des Verwahrers . . . . . . . . . . . .

308 310 310 310 311 314 316 316 318 320 321 321 323 323 325 326 326 326 327 327 327 328 329 333 334 334 336

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d) Haftung des Verwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz des Deckungsbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insolvenz- und Vollstreckungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtslage bei der WR-Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Treuhandgiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatsächlicher Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Treuwidrige Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verpfändung von Depotwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestellung eines Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verpfändung an einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . bb) Verpfändung an den kontoführenden Verwahrer . . . b) Verwertung eines Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Pfändung von Depotwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

339 340 342 342 342 345 347 349 349 349 351 352 355 355 355 357 357 359 359

§  10  Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wertpapierrechtsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertpapiersachstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schuldvertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zessions- und Zessionsgrundstatut . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Insolvenzstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unionsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art.  9 Abs.  2 Finalitätsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . bb) Sachlicher Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . . . . c) Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art.  9 Finanzsicherheitenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . bb) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . c) Regelungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Sonderanknüpfung des §  17a DepotG . . . . . . . . . . . . . .

361 361 362 363 365 366 367 369 369 369 369 369 370 372 373 373 374 374 375 376 377 378

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1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eintragung oder Verbuchung mit rechtsbegründender Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

378 378 379 379 381 383 385 387

§  11  Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 §  12  Organisation der Wertpapierverwahrung und -abwicklung . . . . . . . I. SIX SIS AG (vormals SIS SegaInterSettle AG) . . . . . . . . . . . . II. SIX x-clear AG (vormals SIS x-clear AG) . . . . . . . . . . . . . . . III. Swiss Value Chain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

393 393 395 396

§  13  Rechtslage vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes . . . . . . . . . . I. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigentums- und Besitzverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragung von Girosammelanteilen . . . . . . . . . . . . . . a) Exkurs: Die Effektenkommission . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsverhältnis zwischen Effektenhändler und Kunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigentumsverhältnisse am Kommissionsgut . . . . . . b) Erwerb vom Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erwerb vom Nichtberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Globalurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigentums- und Besitzverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wertrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Namenaktien mit aufgeschobenem und aufgehobenem Titeldruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

398 398 399 399 401 402 402 403 405 406 407 408 408 410 411 411 413 414 414 416

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aa) Aufgeschobener Titeldruck . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufgehobener Titeldruck . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anlagefondsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geldmarktbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verwahrung von Wertpapieren im Ausland . . . . . . . . . . . . . VI. Konkursschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kritik des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Empfehlung der Übernahmekommission im Fall Unaxis . . .

XXI 416 418 418 419 420 421 421 422 423 426 427 427 427 429 430

§  14  Das Bucheffektengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 1. Entwurf eines Wertpapierverwahrungsgesetzes (WVG) . . . . 433 2. Bericht der technischen Arbeitsgruppe . . . . . . . . . . . . . . 436 3. Gang des Gesetzgebungsverfahrens und Inkrafttreten . . . . . 438 4. Anpassungen durch das Finanzmarktinfrastrukturgesetz 2016 438 II. Leitideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 1. Internationale Kompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 2. Orientierung an etablierten Marktpraktiken . . . . . . . . . . 439 3. Technologieneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 4. Offene Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 5. Beschränkung auf privatrechtliche Fragen . . . . . . . . . . . . 441 III. Die Bucheffekte als Vermögensobjekt sui generis . . . . . . . . . . 442 1. Begriff und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 2. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 3. Untergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 4. Deckungsbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 5. Konzeptionelle Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 a) Auswirkungen auf die Verknüpfung von Recht und Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 b) „Suspendierung“ der Rechte an den Basiswerten . . . . . . 451 IV. Rechte der Kontoinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 1. Rechte gegenüber dem Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . 454 2. Allgemeine Rechte gegenüber der Verwahrungsstelle . . . . . 455 a) Ausführung von Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 b) Ausstellung einer Depotbescheinigung . . . . . . . . . . . . 455

XXII

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3. Rechte in der Liquidation einer Verwahrungsstelle . . . . . . . a) Liquidation der kontoführenden Verwahrungsstelle . . . . aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt und Umfang des Absonderungsrechts . . . . . . cc) Absonderungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Unterbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Kontoinhaber und Verwahrungsstelle als Gesamthandsgemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . b) Liquidation der Drittverwahrungsstelle . . . . . . . . . . . V. Rechte der Verwahrungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rückbehaltungs- und Verwertungsrecht . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Übertragung von Bucheffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Tatbestand des Art.  24 BEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Derivativer oder originärer Rechtserwerb? . . . . . . . . . . c) Übertragung unter Beteiligung mehrerer Verwahrungsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zulässigkeit vorgezogener Gutschriften? . . . . . . . . . . . 3. Stornierung von Belastungen und Gutschriften . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stornierung von Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stornierungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlen einer Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mangelhafte Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fehler bei der Übertragung . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkung der Stornierung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stornierung von Gutschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stornierungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Stornierung der Belastung . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Entsprechung zwischen Gutschrift und Weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkung der Stornierung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausschluß der Stornierung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlende Verfügungsbefugnis des Veräußerers . . . . bb) Stornierung der Gutschrift im Effektenkonto des Veräußerers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

456 456 456 457 458 459 460 462 462 462 464 465 465 466 466 466 468 469 472 475 475 475 476 477 477 477 478 479 481 482 482 483 484 484 485 486 486 487

Inhaltsverzeichnis

b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bucheffekten als Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konzeptionelle Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionaler Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestellung einer Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherheit zugunsten eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . aa) Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kontrollvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherheiten zugunsten der Verwahrungsstelle . . . . . . . 3. Verwertung einer Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rangfolge konkurrierender Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Grenzüberschreitende Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ermächtigung zur Drittverwahrung im Ausland . . . . . . . . 2. Haftung der inländischen Verwahrungsstelle . . . . . . . . . . 3. Rechtsstellung des Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXIII 489 490 490 490 491 493 493 493 495 498 499 501 503 504 504 506 507 510 512

Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 §  15  Haager Wertpapierübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anknüpfungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anknüpfungsmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Hauptanknüpfungsregel des Art.  4 . . . . . . . . . . . . . . a) PRIMA versus Rechtswahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . b) Verfügungen unter Beteiligung mehrerer Intermediäre . . aa) Das sog. page 37-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Stage-by-stage-approach . . . . . . . . . . . . . . . (2) Super-PRIMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Lex creationis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stage-by-stage approach und materielles Recht . . . . . . . aa) Verwahrungskonzepte mit indirekter Rechtsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwahrungskonzepte mit direkter Rechtsträgerschaft cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

517 517 521 523 525 525 527 527 529 530 530 530 531 533 535 535 535 536 538

XXIV

Inhaltsverzeichnis

V. Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 §  16  Genfer Wertpapierübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ziel und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mindestharmonisierung des Depotrechts . . . . . . . . . . . . 2. Funktionaler Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verweis auf das Nichtübereinkommensrecht . . . . . . . . . . III. Grundbausteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte des Kontoinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art.  9 im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfügungen über intermediärverwahrte Wertpapiere . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfügung durch Buchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art.  11 im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Möglichkeit des derivativen Rechtserwerbs? . . . . (2) Zulässigkeit vorgezogener Gutschriften? . . . . . . c) Weitere Verfügungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfügungsmethoden des Art.  12 . . . . . . . . . . . . (1) Vereinbarung mit dem maßgeblichen Intermediär (2) Depotvermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Abschluß einer Kontrollvereinbarung . . . . . . . bb) Verfügungsmethoden des nationalen Rechts . . . . . . d) Ermächtigung des Intermediärs . . . . . . . . . . . . . . . . e) Redlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art.  18 Abs.  1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Art.  18 Abs.  2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rangfolge von Rechten an Depotguthaben . . . . . . . . . . 3. Integrität des mediatisierten Verwahrsystems . . . . . . . . . . a) Insolvenzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot des upper-tier attachment . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflicht zur Unterhaltung eines ausreichenden Deckungsbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

541 541 543 543 545 545 547 548 548 549 549 550 552 552 553 553 554 554 557 558 558 558 559 560 560 561 562 562 563 563 565 567 567 568 571 572 572 573 574

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XXV

d) Verlustverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 4. Sicherungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 IV. Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 §  17  Rechtsharmonisierung in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Projekt Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anlaß und Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legal Certainty Group (LCG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erste Empfehlung 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweite Empfehlung 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorläufiger Entwurf einer Wertpapierrechtsrichtlinie . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Entwurf im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionaler Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundbausteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechte des Kontoinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erwerb von und Verfügungen über kontenverbuchte Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Redlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesamtbewertung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

583 583 583 584 584 585 585 586 588 588 589 589 590 590 591 592 594 595 595 597

Fünfter Teil:  Depotrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 §  18  Ausgangsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dematerialisierung des Effektenwesens? . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gründe für eine Dematerialisierung . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationaler Trend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erleichterung des internationalen Effektengiroverkehrs . . c) Weitere Rationalisierung des Effektenwesens . . . . . . . . d) Funktionsverlust des Wertpapiers . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeit der Ausgabe von Einzelurkunden? . . . . . . . . . 3. Registerführende Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einheitliches Konzept für inlands- und auslandsverwahrte Werte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beibehaltung gängiger Buchungspraktiken? . . . . . . . . . . . . . IV. Kodifizierung des Depotvertrages? . . . . . . . . . . . . . . . . . .

601 601 601 601 602 603 603 605 606 610 611 612

§  19  Reformoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613

XXVI I.

Inhaltsverzeichnis

Erweiterung des Schuldbuchmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Effektengiroverkehr auf der Grundlage von Globalurkunden . . 1. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Effektengiroverkehr auf der Grundlage der fiduziarischen Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Übernahme des schweizerischen Bucheffektenmodells . . . . . . V. Wertpapierfreies Bucheffektenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hauptmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bucheffekte als neuartiges Vermögensobjekt sui generis . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entstehung von Bucheffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorfrage: Entstehung unverbriefter Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eintragung der Effekten in das Hauptregister . . . . . . . . c) Verbuchung auf Depotkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erwerb und Verlust von Bucheffekten . . . . . . . . . . . . . . a) Erwerb durch Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Konstitutive Wirkung der Gutschrift . . . . . . . . . . bb) Derivativer oder originärer Erwerb? . . . . . . . . . . . (1) Derivativer Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Originärer Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stornierung fehlerhafter Buchungen . . . . . . . . . . . (1) Belastungsbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragung durch Abtretung? . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bucheffekten als Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionaler Ansatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Integrität des Verwahrsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Grenzüberschreitende Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Gesetzestechnische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

613 613 614 615 615 616 616 616 619 621 622 622 623 624 625 627 627 629 630 631 631 631 632 632 636 639 640 640 641 642 644 645 645 645 646 647 647 648 650 650

Inhaltsverzeichnis

XXVII

§  20  Schlußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685

Abkürzungsverzeichnis (In das Abkürzungsverzeichnis wurden nur die weniger gängigen Abkürzungen aufgenom­ men. Wegen der übrigen Abkürzungen sei verwiesen auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8.  Aufl., Berlin 2015) ADR American Depositary Receipt AFG Bundesgesetz über die Anlagefonds AFV Anlagefondsverordnung AGB-Banken Allgemeine Geschäftsbedingungen der privaten Banken und der Ge­ nossenschaftsbanken AGB-CBF Allgemeine Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG AGB-FWB Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse AGB-SIS Allgemeine Geschäftsbedingungen der SIX SIS AG AGB-Sparkassen Allgemeine Geschäftsbedingungen der Sparkassen AKV Auslandskassenverein Alabama L. Rev. Alabama Law Review AS Amtliche Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen (Eidge­ nössische Gesetzessammlung) BBl. Bundesblatt (Schweiz) BEHG Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel BEG Bucheffektengesetz BIS Bank for International Settlements BörsO-FWB Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse Bus. Law. The Business Lawyer Can. B. L. J. Canadian Business Law Journal Cardozo L. Rev. Cardozo Law Review CASCADE Central Application for Settlement, Clearing and Depository Expan­ sion CBF Clearstream Banking Frankfurt CBL Clearstream Banking Luxembourg CCP Central Counterparty CESR Committee of European Securities Regulators CPSS Committee on Payment and Settlement Systems CSD Central Securities Depository CSDR Verordnung (EU) Nr.  909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralver­ wahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/ EU und der Verordnung (EU) Nr.  236/2012 (Central Securities Depo­ sitories Regulation)

XXX

Abkürzungsverzeichnis

DKV Deutscher Kassenverein AG Doc. Document DRS Direct Registration System DTC The Depository Trust Company DTCC The Depository Trust & Clearing Corporation Duke J. Comp. & Int. L. Duke Journal of Comparative and International Law Duke L. J. Duke Law Journal DvP Delivery versus Payment ECB European Central Bank ECSDA European Central Securities Depositories Association EGMI Expert Group on Market Infrastructures EMIR Verordnung (EU) Nr.  648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenpartei­ en und Transaktionsregister (European Market Infrastructure Regu­ lation) FinalitätsRL Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zah­ lungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen FinanzsicherheitenRL Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten FinfraG Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Markt­ verhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastruk­ turgesetz) FinfraV Verordnung über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Markt­ verhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastruk­ turverordnung) FMLC Financial Markets Law Committee FISA Federal Intermediated Securities Act (Bucheffektengesetz) FISCO Fiscal Compliance Experts Group FoP Free of Payment FWB Frankfurter Wertpapierbörse Geo. L. J. The Georgetown Law Journal GS-Gutschrift Girosammel-Depotgutschrift GWpÜ Genfer Wertpapierübereinkommen Harv. L. Rev. Harvard Law Review HSC Hague Securities Convention HWpÜ Haager Wertpapierübereinkommen ICSD International Central Securities Depository IOSCO Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions IPRG Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 ISIN International Securities Identification Number JBL The Journal of Business Law JIBFL Butterworths Journal of International Banking and Financial Law JIBLR Journal of International Banking Law and Regulation KAG Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanla­ gengesetz)

Abkürzungsverzeichnis

LCG Loy. L. A. L. Rev. MiFID I

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Legal Certainty Group Loyola of Los Angeles Law Review Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Ände­ rung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates MiFID II Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Än­ derung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU vom 15. Mai 2014 MiFIR Verordnung (EU) Nr.  600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.  648/2012 NBG Nationalbankgesetz NCSD Nordic Central Securities Depository NSCC National Securities Clearing Corporation OTC Over the counter Prel. Doc. Preliminary Document PRIMA Place of the Relevant Intermediary Approach Rec. Recommendation RTGS Real-time Gross Settlement System SBVg Schweizerische Bankiervereinigung SBW Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, Stand: Januar 2015 Sec. Section SECOM Sega-Communications SIS SIX SIS AG SLD Securities Law Directive SLL Securities Law Legislation STP Straight-through processing SWX Swiss Exchange Stan. J. L. Bus. & Fin. Stanford Journal of Law, Business and Finance T2S Target2Securities UCC Uniform Commercial Code UCC L. J. Uniform Commercial Code Law Journal UCLA L. Rev. University of California Law Review Unif. L. Rev. Uniform Law Review USR Uncertificated Securities Regulations WR-Gutschrift Gutschrift in Wertpapierrechnung

§  1  Einführung I.  Die Mediatisierung der Wertpapierverwahrung Aktien, Schuldverschreibungen und sonstige Kapitalmarktwerte (Effekten)1 werden heutzutage in aller Regel nicht von den Anlegern selbst, sondern durch Finanzintermediäre in mehrstufigen Systemen verwahrt und verwaltet, welche die organisatorische Grundlage für die weitgehend automatisierte, sich ausschließlich durch Buchungen auf Depotkonten vollziehende Abwicklung von Effektengeschäften bilden. In seiner einfachsten Form läßt sich ein mediatisiertes Verwahrsystem als dreistufige Pyramide von Depotverträgen darstellen2: An der Spitze der Pyramide steht ein na1  Unter Effekten (Kapitalmarktwerte, Kapitalmarkttitel) werden in dieser Untersuchung alle massenweise ausgegebenen, vertretbaren Wertpapiere verstanden, die der Kapitalbeschaffung und -anlage dienen, ferner alle unverbrieften Rechte mit gleicher Funktion. Für den Effektenbegriff kommt es also nicht darauf an, ob das betreffende Mitgliedschafts- oder Gläubigerrecht in einem Wertpapier verkörpert ist. Es ist heute überwiegend anerkannt (und zieht sich wie ein roter Faden durch diese Untersuchung), daß die herkömmliche Beschränkung des Effektenbegriffs auf umlauffähige Wertpapiere den Gegebenheiten der heutigen Kapitalmärkte nicht mehr gerecht wird. Diesem Befund trägt auch §  2 Abs.  1 Satz  1 WpHG Rechnung, wenn er in den Begriff des Wertpapiers im Sinne des WpHG auch solche übertragbaren Titel einbezieht, über die keine Urkunde ausgestellt sind. Das Schrifttum unterscheidet denn auch zwischen einem allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Wertpapierbegriff und einem kapitalmarktrechtlichen Wertpapierbegriff (Effektenbegriff), der nicht auf die Existenz einer Urkunde, sondern auf die Fungibilität abstellt. In dieser Untersuchung werden die Begriffe „Effekten“ und „Wertpapiere“ synonym gebraucht. Es wird also der kapitalmarktrechtliche Wertpapierbegriff des §  2 Abs.  1 Satz  1 WpHG verwendet, sofern sich nicht aus dem Zusammenhang etwas anderes ergibt. Siehe zur Ausweitung des Effektenbegriffs etwa Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1815–1819; Bergmann, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar, Kap.  36 Rn.  2; traditionelles Begriffsverständnis noch bei Gursky, Wertpapierrecht, S.  13; Schönle, Bank- und Börsenrecht, S.  222 ff. Zu den schillernden Begriffen „Wertrecht“ und „Bucheffekte“ siehe eingehend unten §  2 IV 3. Hingewiesen sei schließlich noch auf das Urteil BGH, NJW 2013, 2739, in dem der IV. Zivilsenat eine Klausel in den von Rechtsschutzversicherern verwendeten AGB, nach der „für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Anschaffung oder Veräußerung von Effekten (z. B. Anleihen, Aktien, Invest­ment­ anteilen)“ kein Rechtsschutz besteht, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des §  307 Abs.  1 Satz  2 BGB für unwirksam erklärt hat. Die Begründung stellt im wesentlichen darauf ab, bei dem Begriff „Effekten“ handele es sich nicht um einen fest umrissenen und daher für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres verständlichen Begriff der Rechtssprache. 2  Anschaulich dazu Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  12 ff.; Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral: Legal Risk and Conflict of Laws, S.  7, 13 ff.; Eidgenössisches Finanzdeparte­ ment, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  7 ff.; siehe ferner Goode, Security Entitlements, JIB-

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§  1  Einführung

tionaler Zentralverwahrer (Central Securities Depository – CSD; in Deutschland: Clearstream Banking AG in Frankfurt am Main), bei dem eine Vielzahl von Emissionen physisch in Sammeldepots hinterlegt oder, soweit über die Emission keine Wertpapiere ausgestellt worden sind, ausschließlich elektronisch erfaßt ist. Die mittlere Ebene der Pyramide besteht aus einer begrenzten Anzahl an Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, für die der Zentralverwahrer auf der Grundlage von Depotverträgen Depotkonten führt. Auf diesen Konten sind sämtliche Effektenbestände verbucht, die der Zentralverwahrer für seine Kunden (Giroteilnehmer) verwahrt und verwaltet. An der Basis der Pyramide stehen die Anleger, die ihre Bestände über ihre Depotbank halten. Schon in nationalen, vor allem aber in grenzüberschreitenden Verhältnissen kann sich ein mediatisiertes Verwahrsystem zu einem komplexen Gebilde mit vier, fünf oder noch mehr Ebenen auswachsen. Nicht selten sind zwischen dem Institut, das für den Anleger das Depotkonto führt, und dem Zentralverwahrer an der Spitze der Pyramide weitere Depotstellen zwischengeschaltet, wie z. B. eine ausländische Korre­ spondenzbank oder einer der beiden internationalen Zentralverwahrer (International Central Securities Depository – ICSD3), Clearstream Banking Luxembourg und Euroclear. Ein mehrstufiges Verwahrsystem besteht also unter Umständen aus einem unübersichtlichen Netzwerk depotvertraglicher Verbindungen, das Verwahrungsstellen in den verschiedensten Ländern miteinander verknüpft4 . Ungeachtet ihrer Ausdehnung ist jedoch allen mediatisierten Verwahrsystemen gemeinsam, daß sich die Rechtszuständigkeit des Anlegers faktisch nur aus seinem Depotkonto ergibt und die Wertpapiere nicht mehr physisch bewegt werden, sondern im Wege des „stückelosen“ Effektengiroverkehrs durch Buchungen auf Depotkonten übertragen werden.

II.  Das deutsche Depotrecht in der Kritik Deutschland zählt zu den Ländern, in denen nach wie vor versucht wird, die Regelungsprobleme der mediatisierten Wertpapierverwahrung mit den herkömmlichen Instrumentarien des Wertpapier-, Schuld- und Sachenrechts zu bewältigen5. So beFL Special Supplement Sept. 1998, 22; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  30 f.; dies., WM 2001, 7, 10 f.; Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 33, 35 f. 3  Siehe die Definition bei CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  87: „A central securities depository that settles trades in international securities and in various domestic securities, usually through direct or indirect (through local agents) links to local CSDs.“ 4  Anschaulich dazu Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), The Law of Cross-Border Securities Transactions, Rn.  3.02, die dort folgenden Vergleich ziehen: „Mathematicians might say that the international holding system is like a Sierpiski gasket or the Mandelbrot set – a geometric monstrosity with self-replicating, fractal geometric patterns that bring order out of apparent chaos“; siehe auch Ooi, Conflict of Laws, Rn.  6.09, die von einem „Holding-Labyrinth“ spricht. 5  Siehe auch die Einschätzung von Kanda, in: de Vauplane (Hrsg.), 20 ans de dématerialisation des titres en France, S.  223, 230 („strong civil law tradition“).

II.  Das deutsche Depotrecht in der Kritik

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ruhen die Girosammelverwahrung von Wertpapieren durch die Clearstream Bank­ ing AG und der auf deren Grundlage abgewickelte Effektengiroverkehr auf einer sachenrechtlichen Konstruktion, die von den deutschen Kreditinstituten bereits in den 1920er Jahren entwickelt6 und dann im Depotgesetz von 1937 verankert wurde. Diese Konstruktion ist insofern noch ganz klassischen Vorstellungen verhaftet, als sie die einzelnen Anleger als Miteigentümer und mittelbare Mitbesitzer der bei der Clear­stream Banking AG zu einem Sammelbestand vereinigten Wertpapiere betrachtet und daran die Annahme knüpft, daß Gegenstand des Effektengiroverkehrs Mit­ eigen­tumsrechte an bestimmten Urkunden sind, die nach den Vorschriften über bewegliche Sachen übertragen werden können. Obwohl eine physische Übergabe der Urkunden nicht stattfindet und es bei der Veräußerung von Wertpapieren in der Regel auch nicht zu einem direkten Kontakt zwischen Veräußerer und Erwerber kommt, sollen also auf die elektronischen Übertragungsvorgänge im Effektengiroverkehr die §§  929 ff. BGB – und auf Verpfändungen von Miteigentumsanteilen die §§  1204 ff. BGB – zur Anwendung kommen, dies auch zu dem Zweck, einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten zu ermöglichen. Eben diese Konstruktion ist in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten7. Konnte Miletzki, als er 1996 dem deutschen Depotrecht attestierte, es habe ein „sicheres und effizientes Wertpapierverwahr- und -abwicklungssystem in Deutschland ermöglicht, das in bestimmten Punkten anderen Rechtskreisen als Vorbild dienen könnte“8, damals noch mit breiter Zustimmung rechnen, so hat sich das Meinungsbild seitdem deutlich gewandelt. Immer häufiger ist der Einwand zu hören, der moderne Effektengiroverkehr habe sich inzwischen weit von der dogmatischen Grundlage im Sachenrecht entfernt9. Die Miteigentumskonstruktion des Depotgesetzes weise zahlreiche Begründungslücken und Inkonsistenzen auf und könne das angestrebte Ziel, Verkehrsschutz durch die Möglichkeit des Rechtsscheinerwerbs zu gewährleisten, in Wahrheit gar nicht erreichen10. Zudem werfe sie im internationalen Verkehr Probleme auf, da sich die grenzüberschreitende Verbuchung von Effekten auf sachenrechtlicher Grundlage kollisionsrechtlich nicht adäquat erfassen lasse11. Als besonders großes Ärgernis gilt vielen die Globalurkunde auf Dauer, die vom Gesetzgeber im Zuge der Depotgesetznovelle 1972 legalisiert wurde (vgl. §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG) und die Verbriefung von Anteils- und Gläubigerrechten in einzelnen 6  Als einer ihrer geistigen Väter kann Georg Opitz gelten, von dem die eingangs wiedergegebene Anekdote stammt. Ausführlich zur Entwicklung in Deutschland unten §  6 II. 7  Das auf der Urkunde beruhende System jedoch ausdrücklich verteidigend Meppen, Inhaberpapier, S.  186 f. 8  Miletzki, WM 1996, 1849, 1851. 9  Bundesministerium der Justiz, Eckpunktepapier zur Reform des Depotrechts vom 29. Mai 2008, Punkt 2. 10  So mit unterschiedlicher Akzentuierung, aber im Tenor übereinstimmend Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  64 ff., 161 ff.; Lehmann, Finanzinstrumente, passim; Kronke, WM 2010, 1625, 1632 f.; kurze rechtspolitische Kritik auch bei Sebastian Mock, in: Großkomm. AktG, §  10 Rn.  23. 11  Wust, Verbuchung, S.  4 48; in diesem Sinne auch Einsele, WM 2001, 7, 16.

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§  1  Einführung

Urkunden seitdem fast vollständig verdrängt hat. An einer solchen Urkunde, so die Kritik, sei mangels Herausgabeanspruchs des Depotkunden ein mittelbarer Mitbesitz überhaupt nicht möglich. Die Anwendung der Verfügungstatbestände des Sachenrechts sei daher von vornherein ausgeschlossen12 . Nun gibt es Einwände gegen die sachenrechtliche Konstruktion des Effektengiroverkehrs nicht erst seit gestern. Schon Hefermehl hat die rechtliche Deutung der Übertragung von Sammelbestandanteilen mit unüberhörbar kritischem Unterton als „Beispiel formaler Konstruktionsjurisprudenz“ bezeichnet, die zwar nach geltendem Recht unvermeidbar sei, aber nicht darüber hinwegtäuschen könne, daß die Übertragung im Effektengiroverkehr „in Wirklichkeit (…) durch Einigung und Umbuchung“ erfolge13. In diesem Sinne hat sich auch Canaris geäußert, als er von der „Lebensfremdheit und Sachwidrigkeit der Besitzkonstruktion“ und davon gesprochen hat, es bleibe de lege lata nichts anderes übrig, als den Übertragungsvorgang „irgendwie in die Kategorien des §§  929 ff. BGB zu pressen“14 . Zu einer gewissen Berühmtheit hat es nicht ohne Grund Zöllners Ausspruch gebracht, die Globalurkunde sei, da sie bloß den Zweck habe, als Unterlage von Buchungsvorgängen zu dienen, „im Grunde nur ein Denkbehelf, eine geistige Krücke, die mit der historischen und praktischen Grundlage des Wertpapierwesens, den Wert an eine dem Inhaber zugängliche und von ihm selbst wenigstens möglicherweise innegehaltene Sache zu knüpfen, nichts mehr zu tun“ habe15. Doch einer so massiven, die Tragfähigkeit der Miteigentumskonstruktion als solche in Frage stellenden Kritik wie heute war das deutsche Depotrecht noch niemals ausgesetzt16. Auch im Ausland ist man offensichtlich nicht (mehr) uneingeschränkt vom deutschen Ansatz überzeugt. Jedenfalls ist es gewiß nicht als Kompliment zu verstehen, wenn dieser Ansatz dort mitunter als „se­ mi-modern“ etikettiert und von „fully modern jurisdictions“ abgegrenzt wird, die sich von der Vorstellung, die Anleger hätten dingliche Rechte an bestimmten Wertpapieren, gelöst haben17.

III.  Europäische und internationale Rechtsharmonisierung Daß der Reformdruck auf das deutsche Depotrecht in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, ist auch auf eine Reihe europäischer und internationaler Initiativen zur Harmonisierung des Rechts der mediatisierten Wertpapierverwahrung zu12 

Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680 ff.; dem folgend Enchelmaier, Übertragung, S.  506. HGB, Anh. §  406 Rn.  326. 14  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2022. 15  Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 255. 16  Verteidigung dieser Konstruktion aber neuerdings bei Scherer/Behrends, DepotG, §  24 Rn.  8; insgesamt positive Bewertung auch bei Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  4 41. 17  Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), The Law of Cross-Border Securities Transactions, Rn.  3.12 ff. 13 Schlegelberger/Hefermehl,

III.  Europäische und internationale Rechtsharmonisierung

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rückzuführen, deren gemeinsames Ziel in der Beseitigung von Rechtsunsicherheiten bei der Übertragung und Verpfändung von Depotguthaben vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr besteht. So hat die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht am 13. Dezember 2002 das Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte in bezug auf intermediärverwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (Haager Wertpapierübereinkommen – HWpÜ) verabschiedet. Es zielt auf eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts ab, indem es Regelungen darüber aufstellt, welche Rechtsordnung auf (Verfügungen über) Wertpapiere, die in verbuchter Form gehalten werden, zur Anwendung kommt. Obwohl dieses Übereinkommen bislang nicht die erhoffte Akzeptanz gefunden hat, ja aus heutiger Sicht als gescheitert gelten muß, gilt es nicht zu Unrecht als „das bedeutendste Projekt zur Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts im Bereich der mediatisiert verwahrten Wertpapiere“18. Es war vor allem Einsele, die das – von ihr als wichtiger Beitrag zur Rechtssicherheit begrüßte – Haager Wertpapierübereinkommen zum Anlaß genommen hat, die sachenrechtliche Konstruktion des Effektengiroverkehrs nochmals grundsätzlich in Frage zu stellen und gravierende Zweifel an der Kompatibilität dieser Konstruktion mit der Hauptanknüpfungsregel des Übereinkommens anzumelden19. Der Ruf nach einer Reform des Depotrechts wurde noch lauter, als am 9. Oktober 2009 von einer diplomatischen Konferenz in Genf das UNIDROIT-Übereinkommen über materiellrechtliche Regelungen für intermediärverwahrte Wertpapiere – kurz: Genfer Wertpapierübereinkommen (GWpÜ)20 – verabschiedet wurde. Zwar beschränkt sich dieses Übereinkommen mit Rücksicht auf die zum Teil erheblichen Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen im Sinne eines „minimali­ stischen“ Ansatzes auf eine Harmonisierung bestimmter Kernaspekte der mediatisierten Wertpapierverwahrung, um die interne Zuverlässigkeit (internal soundness) und internationale Kompatibilität (compatibility) der nationalen Depotrechte zu gewährleisten21. Gleichwohl ist Mülbert der Meinung, für „das konzeptionell auf der Sache Wertpapier aufbauende Depotrecht“ bedeute es „eine Zeitenwende, weil es zum gänzlichen Abschied von allem sachenrechtlichen Denken zwingt“. Vor allem müsse das deutsche Recht, sollte sich Deutschland zur Ratifizierung und Umsetzung des Übereinkommens entschließen, die Vorstellung aufgeben, Wertpapiere könnten durch einen einzigen Akt unmittelbar vom bisherigen Inhaber an seinen Rechtsnachfolger übertragen werden22 . Mit diesem Verständnis des Übereinkommens steht Mülbert nicht allein23. 18  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9413. 19  Einsele, WM 2003, 2349, 2352 ff. 20  UNIDROIT Convention on Substantive Rules for Intermediated Securities, UNIDROIT 2009 – CONF. 11/2 – Doc. 42 (9. Oktober 2009). 21  Siehe vorerst nur Kronke, WM 2010, 1625, 1626. 22  Mülbert, ZBB 2010, 445, 458. 23 Scherer/Löber, DepotG, Anh. 15 unter III und IV (S.  652 ff.); Kronke, WM 2010, 1625, 1631;

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§  1  Einführung

Schließlich erwarten manche, daß auch das von der Europäischen Union im Jahr 2005 ins Werk gesetzte Projekt Rechtssicherheit (Legal Certainty Project) über kurz oder lang eine Aufgabe des sachenrechtlichen Modells des Effektengiroverkehrs erfor­dern wird. Die Bestrebungen der Europäischen Union, das Recht der Wertpapierverwahrung und der Abwicklung von Wertpapiergeschäften über die bereits verabschiedeten Richtlinien hinaus24 zu harmonisieren, gehen auf zwei einflußreiche Berichte der sog. Giovannini-Gruppe zurück 25. Diese hatte das Fehlen eines einheitlichen europäischen Rahmens für Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren als eines der größten Hindernisse im grenzüberschreitenden Verkehr identifiziert (sog. Giovannini-Barriere 13). Dieser Befund veranlaßte die Europäische Kom­mis­ sion, eine Expertengruppe, die Legal Certainty Group, einzusetzen und diese damit zu beauftragen, Vorschläge zum Abbau dieses Hindernisses zu erarbeiten. Aufbauend auf den Empfehlungen der Legal Certainty Group26 und den Ergebnissen eines ersten Konsultationsverfahrens, das zwischen April und Juni 2009 stattfand, hat die Kommission die Ausarbeitung einer „Directive on legal certainty of securities holding and transactions (Securities Law Directive – SLD)“ in Angriff genommen. Im Sommer 2010 waren die Arbeiten so weit fortgeschritten, daß eine baldige Verabschiedung der Richtlinie und mit ihr angesichts der weitgehenden Vergleichbarkeit mit dem Genfer Wertpapierübereinkommen das „Ende allen sachenrechtlichen Denkens im Depotrecht“ erwartet wurde27. Zwar hat die Kommission das Projekt Rechtssicherheit nach einem zweiten Konsultationsverfahren, das im Januar 2011 endete, auf die lange Bank geschoben. Die Frage nach den Auswirkungen eines künftigen europäischen Rechtsakts auf das deutsche Miteigentumskonzept steht aber nach wie vor im Raum.

siehe ferner (zum vorläufigen Konventionsentwurf vom 23. Dezember 2004) Einsele, WM 2005, 1109, 1113 ff.; Saager, Die Bank 4/2005, 22, 23 ff. 24  Siehe zum einen die Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (sog. FinalitätsRL), ABl. L 166 vom 11. Juni 1998, S.  45; zum anderen die Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (sog. FinanzsicherheitenRL), ABl. L 168 vom 27. Juni 2002, S.  43. 25  The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, November 2001; dies., Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, April 2003. 26  Legal Certainty Group, Advice, 28. August 2006; dies., Second Advice of the Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008. 27  Siehe den Titel des Aufsatzes von Mülbert, ZBB 2010, 445 ff. und die Ausführungen zur Secu­ rities Law Directive auf S.  455 ff.; siehe ferner ders., in: Festschrift für Koziol, S.  1055, 1070 ff.; Voß, EWS 2010, 209, 210 f.

IV.  Stand der Reformdiskussion

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IV.  Stand der Reformdiskussion In der Frage, wie eine Reform des Depotrechts aussehen sollte, gehen die Meinungen unter den Kritikern allerdings weit auseinander. In der Überzeugung, daß Besitz und Eigentum im Effektengiroverkehr jede Bedeutung verloren haben, hält Einsele einen radikalen Wechsel zu einem im Ansatz schuldrechtlichen Konzept für die einzig richtige Lösung. Sie befürwortet ein Modell eines Effektengiroverkehrs auf der Grundlage der fiduziarischen Treuhand (Vollrechtstreuhand)28. Dieses Modell lehnt sich an den sog. Treuhandgiroverkehr für Wertpapiere an, die im Ausland angeschafft und verwahrt werden, und weist gewisse Ähnlichkeiten mit dem in Art.  8 des Uniform Commercial Code (UCC) geregelten US-amerikanischen Konzept des secu­ rity entitlement auf. Es ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß die Clear­ stream Banking AG rechtliche Eigentümerin der bei ihr hinterlegten Wertpapiere wird und die Rechtsverhältnisse in der Pyramide jeweils als fiduziarische Treuhand ausgestaltet sind. Nicht minder radikal ist Lehmanns Vorschlag, das Recht der Kapitalmarkttitel vollständig vom allgemeinen Wertpapierrecht abzulösen und zu einem Recht der „Finanzinstrumente“ zu verselbständigen, die durch Eintragung in ein Register begründet – also grundsätzlich nicht in Urkunden verbrieft – werden und nach besonderen, auf ihre Einordnung als unkörperliche Vermögensgegenstände zugeschnittenen Regeln übertragen und verpfändet werden29. Daneben gibt es nicht wenige Stimmen, die Sympathien für das am 1. Januar 2010 in Kraft getretene schweizerische Bucheffektengesetz (BEG) hegen und damit die Überlegung in den Raum stellen, die Rechtsposition des Anlegers als neuartiges Vermögensobjekt sui generis auszugestalten, ohne etwas an den bisherigen Formen der Verbriefung und Verwahrung von Kapitalmarktwerten zu ändern30. Eine solche Lösung scheint auch das (frühere) Bundesministerium der Justiz in Erwägung zu ziehen. In seinem Eckpunktepapier zur Reform des Depotrechts vom 29. Mai 2008 hat es allerdings noch eine weitere Option zur Diskussion gestellt, und zwar, unabhängig von der grundsätzlichen Frage einer Abkehr vom Sachenrecht, die Schaffung eines eigenständigen Übertragungstatbestandes für den Effektengiroverkehr, in dem der Kontobuchung, wie schon jetzt in der Praxis, maßgebliche Bedeutung zukommt31. 28  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  561 ff.; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 14 ff.; dies., RIW 1997, 269, 274; dies., WM 2000, 7, 13. Unterstützung für dieses Modell bei Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  332 ff. 29  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  228 ff.; ähnlich Chun, Cross-Border Transactions, S.  436 ff. 30  Beckmann, Reformbedarf, S.   179; Hanten, Bucheffektengesetz, S.  202 f.; Wust, Verbuchung, S.  452; Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 184 f., 190, 197 ff.; Kronke, WM 2010, 1625, 1634 f.; Mülbert, ZBB 2010, 445, 458; Saager, Die Bank 4/2005, 22, 25. 31  Bundesministerium der Justiz, Eckpunktepapier zur Reform des Depotrechts vom 29. Mai 2008, Punkt 3. Für die Schaffung eines dinglichen Übertragungstatbestandes (unter Beibehaltung des sachenrechtlichen Ansatzes) Scherer/Scherer, DepotG, Anh. 15 unter II 2 (S.  659).

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§  1  Einführung

Diesen Vorschlägen aus jüngerer Zeit steht die aus den 1970er Jahren stammende Empfehlung gegenüber, das bislang für Schuldtitel der öffentlichen Hand reservierte Modell der Sammelschuldbuchforderungen, die nicht in Urkunden verbrieft, sondern durch Eintragung in ein Schuldbuch begründet und dennoch wie Wertpapiersammelbestände im Sinne des Depotgesetzes behandelt werden, auf Emissionen privater Unternehmen auszudehnen32 . Für den vollständigen Übergang auf sog. Wertrechte wird angeführt, daß der Sache nach schon heute ein Handel mit unverbrieften Rechten betrieben werde und mit den – seit 2006 im Bundesschuldenwesengesetz (BSchuWG) enthaltenen – Bestimmungen über das Schuldbuch ein in der Praxis erprobtes Regelwerk zur Verfügung stehe. In den letzten Jahren hat dieser Vorschlag, um den es in der Zwischenzeit still geworden war, weitere Befürworter gefunden33. Dagegen ist Kollers Vorschlag, den Effektengiroverkehr unter Abschaffung des staatlichen Schuldbuchprivilegs auf der Grundlage obligatorischer Globalurkunden für sämtliche Emittenten neu zu ordnen34, bis heute vereinzelt geblieben. Diesen beiden Ansätzen ist gemeinsam, daß sie die sachenrechtliche Grundkonzeption des Effektengiroverkehrs im Kern beibehalten wollen.

V.  Ziel und Gang der Untersuchung Die große Bandbreite der Reformvorschläge macht deutlich, daß trotz einer inzwischen größeren Zahl an Veröffentlichungen zum Depotrecht noch erheblicher Diskussions- und Klärungsbedarf besteht35. An diesem Befund setzt die vorliegende Untersuchung an. Sie geht der Frage nach, ob die mediatisierte Wertpapierverwahrung in Deutschland noch auf einer soliden Grundlage steht, ob und inwieweit die europäischen und internationalen Bestrebungen zur Harmonisierung des Depotrechts ein konzeptionelles Umdenken erfordern und welche rechtspolitischen Folge32  Erstmals im Detail ausgearbeitet wurde dieses Modell von Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  71 ff., 125 ff.; ders., Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S.  34 ff.; ders., WM 1976, 890 ff. 33  Zahn/Kock, WM 1999, 1955 ff.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1684; Schwennicke, AG 2001, 118, 124. Für einen Übergang auf Wertrechte auch Enchelmaier, Übertragung, S.  512 ff., dem allerdings eine gesetzliche Ausgestaltung in Anlehnung an die Vorschriften für Einzelschuldbuchforderungen (insbesondere §  8 Abs.  2 BSchuWG) vorschwebt. 34  Koller, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, S.  1495 ff. 35  Im wesentlichen positive Bewertung des gegenwärtigen Rechtszustandes jedoch bei Scherer/ Scherer, DepotG, vor §  1 Rn.  5. Sehr zurückhaltend auch die im Mai 2000 eingesetzte Regierungskommission Corporate Governance, die sich der Empfehlung, das Modell der Schuldbuchforderungen auf Effekten privater Emittenten zu erweitern, nicht anzuschließen vermochte. Doch hielt sie immerhin für denkbar, „dass der Gesetzgeber, wie bereits bisher, durch einzelne wohlerwogene Schritte eine Anpassung an die veränderten Gegebenheiten und Abläufe erreichen kann“; siehe Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn.  194; zurückhaltend auch Noack, in: Festschrift für Wiedemann, S.  1141, 1143 f.; Kümpel, WM 1982, 730, 738; Mentz/ Fröhling, NZG 2002, 201, 210; Than, in: Festschrift für Schimansky, S.  821, 834 ff.

V.  Ziel und Gang der Untersuchung

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rungen ggf. aus der Reformbedürftigkeit des deutschen Depotrechts gezogen werden sollten. Die Untersuchung ist in fünf Teile gegliedert. Der erste Teil behandelt die Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung. Er stellt zunächst die prägenden Merkmale mehrstufiger Verwahrsysteme dar (unter §  2) und geht anschließend auf die unterschiedlichen nationalen Konzepte der rechtlichen Ausgestaltung solcher Systeme ein. Dabei gilt ein besonderes Augenmerk der Frage, welche Rechtsposition der Anleger mit der Depotgutschrift erwirbt und nach welchen Regeln über diese Position verfügt wird (unter §  3). §  4 befaßt sich mit der praktisch-organisatorischen Seite des Effektengiroverkehrs, dem Clearing und Settlement. Er möchte dem Leser jenen Überblick über die Infrastruktur und die Methoden der Abwicklung von Effektengeschäften verschaffen, der für das Verständnis der in dieser Arbeit behandelten Rechtsfragen unerläßlich ist. Zum Abschluß des ersten Teils werden die Risiken dargestellt, denen die Beteiligten bei der Verwahrung von Wertpapieren und der Abwicklung von Effektengeschäften ausgesetzt sind, um auf dieser Grundlage genauere Aussagen über die Regelungsaufgaben auf dem Gebiet des Depotrechts treffen zu können (unter §  5). Im zweiten Teil wird das deutsche Depotrecht eingehend auf seine interne Zuverlässigkeit (internal soundness) und internationale Kompatibilität (compatibility) untersucht. Nacheinander auf den Prüfstand gestellt werden die Regelungen für die Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland (unter §  6), für die Sammelschuldbuchforderungen der öffentlichen Hand, die trotz ihrer fehlenden Verbriefung wie inländische Wertpapiersammelbestände behandelt werden (unter §  7), für den grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr auf der Grundlage gegenseitiger Kontoverbindungen i. S. von §  5 Abs.  4 DepotG (unter §  8) sowie für das Konzept der sog. Gutschrift in Wertpapierrechnung, auf das bei der Anschaffung und Verwahrung von Wertpapieren im Ausland zurückgegriffen wird (unter §  9). Obwohl der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem materiellen Recht liegt, darf auch ein Blick auf das internationale Privatrecht des Effektengiroverkehrs nicht fehlen. Sedes materiae im deutschen Recht ist §  17a DepotG, der auf die europäische Finalitätsrichtlinie36 zurückgeht (unter §  10). Der zweite Teil schließt mit einer zusammenfassenden Bewertung (unter §  11). Der dritte Teil ist dem schweizerischen Recht gewidmet. Es drängt sich für eine vergleichende Untersuchung geradezu auf, da es bis zum Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes am 1. Januar 2010 weitgehende Übereinstimmungen mit dem deutschen aufwies und daher auch mit vielen jener Unklarheiten und Unstimmigkeiten zu kämpfen hatte, wie sie auch in der hiesigen Reformdiskussion moniert werden. In einem ersten Schritt wird dargestellt, wie die Wertpapierverwahrung und -ab­ wicklung in der Schweiz organisiert ist (unter §  12). Im Anschluß daran wird ein Überblick über die Rechtslage vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes gegeben. 36 

Siehe Fn.  24.

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§  1  Einführung

Denn die Vorzüge dieses Gesetzes wird nur richtig einschätzen können, wer den alten Rechtszustand mitsamt seiner Schwächen vor Augen hat (unter §  13). Den Schwerpunkt des dritten Teils bildet eine Darstellung und Analyse des Bucheffektengesetzes (unter §  14). Der vierte Teil befaßt sich mit den jüngsten Initiativen zur Harmonisierung des Depotrechts auf internationaler und europäischer Ebene: dem Haager Wertpapier­ übereinkommen (unter §  15), dem Genfer Wertpapierübereinkommen (unter §  16) und den Harmonisierungsbemühungen der Europäischen Union, die in der letzten Zeit etwas ins Stocken geraten sind und deren Ausgang sich im Moment kaum abschätzen läßt. Bei der Darstellung und Analyse dieser Initiativen gilt ein besonderes Augenmerk der Frage, was es mit der Behauptung auf sich hat, das traditionelle Miteigentumskonzept des deutschen Rechts sei mit ihnen nicht kompatibel. Im fünften Teil mit dem Titel „Depotrechtsreform“ werden rechtspolitische Folgerungen aus den Ergebnissen der vorherigen Teile gezogen. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, daß der deutsche Gesetzgeber nicht auf zwingende Vorgaben „aus Brüssel“ warten, sondern sich schon heute Gedanken darüber machen sollte, ob und inwieweit das Recht der mediatisierten Wertpapierverwahrung auf eine neue konzeptionelle Grundlage gestellt oder zumindest punktuell ausgebessert werden sollte. Daher wird im fünften Teil erörtert, von welchen grundsätzlichen Überlegungen sich eine Reform des deutschen Depotrechts leiten lassen sollte (unter §  18) und welche Optionen dafür in Betracht kommen (unter §  19).

Erster Teil

Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

§  2  Charakteristika I.  Pyramide von Depotverträgen Wie in der Einführung bereits erwähnt, stellt sich ein mediatisiertes Verwahrsystem in seiner einfachsten Form als Pyramide von Depotverträgen mit drei Ebenen dar: An der Spitze steht ein nationaler Zentralverwahrer, bei dem eine Vielzahl von Emissionen physisch in Sammeldepots hinterlegt oder ausschließlich in Registern erfaßt ist. Die mittlere Ebene besteht aus einer begrenzten Anzahl an Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten1, für die der Zentralverwahrer Depotkonten führt. An der Basis der Pyramide stehen die Anleger, die ihre Bestände über ihre Depotbank halten. Mit dem Bild von der Pyramide ist freilich nicht mehr als eine erste Annäherung erreicht. Die Arbeiten an der Genfer Wertpapierkonvention haben den Blick dafür geöffnet, daß man, um mediatisierte Verwahrsysteme in ihrer ganzen Bandbreite zu erfassen, zwischen intransparenten und transparenten Systemen unterscheiden muß.

1.  Intransparentes System In einem intransparenten System werden alle beim Zentralverwahrer hinterlegten bzw. registrierten Effekten unter dem Namen der angeschlossenen Depotbanken (Giroteilnehmer) verwahrt und verwaltet. Die einzelnen Anleger an der Basis der Pyramide sind dem Zentralverwahrer nicht bekannt. Ihre jeweiligen Namen und Bestände gehen nur aus den für sie von den Depotbanken geführten Konten, nicht aber aus dem Buchungssystem des Zentralverwahrers hervor. Der Anleger an der Basis der Verwahrpyramide taucht mit anderen Worten nur bei „seinem“ depotführenden Institut als Kontoinhaber auf2 . Das spart Arbeits-, Verwaltungs- und Informationskosten auf den verschiedenen Ebenen3. Mit einem intransparenten System in seiner reinsten Form hat man es zu tun, wenn sämtliche Effektenbestände, die eine Depotbank hält, beim Zentralverwahrer ungetrennt auf einem einzigen auf den Namen der Depotbank geführten Sammelkonto (fungible account, omnibus account4) verbucht 1 

In dieser Untersuchung wird der Einfachheit halber von „Depotbank“ gesprochen. Ege, Kollisionsrecht, S.  7; Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 403 f. m. Fn.  51. 3  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  38 f. mit Hinweis auf die Begr. zu §  3 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  94; ferner Caballero/Johansson/Keijser/Vermaas, in: Keijser (Hrsg.), Transnational Securities Law, Rn.  7.43. 4  Siehe die Definition des Begriffs „omnibus account“ bei CESR/ECB, Standards for Clearing and 2 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

sind. In diesem Fall weist das Konto der Depotbank immer nur das Gesamtguthaben in der betreffenden Effektengattung aus. Ob es sich dabei um einen Eigenbestand der Bank (Nostroeffekten) oder um Bestände ihrer Kunden handelt (Loroeffekten), ist aus dem Konto nicht ersichtlich. Intransparente Systeme der reinsten Art bilden heute allerdings die Ausnahme. In der Regel sind die Effektenbestände bei den Zentralverwahrern in segregierter Form verbucht. Von Segregierung (Segregation) spricht man, wenn ein Zwischenverwahrer5 (Depotbank) auf der übergeordneten Verwahrungsebene (Zentralverwahrer) seine Bestände getrennt nach Kundenbeständen (Lorobeständen) und Eigenbeständen (Nostrobeständen) hält und nicht in einem Sammelkonto vermischt6. Die Segregierung ist ein primär aufsichtsrechtliches Konzept7. Sie führt zu einer besseren Überschaubarkeit der Rechtsverhältnisse und soll verhindern, daß Gläubiger des Zwischenverwahrers im Insolvenzfall auf Bestände seiner Kunden zugreifen8. Außerdem dient sie der Beschleunigung des Insolvenzverfahrens, indem sie die unter Umständen langwierige Aufklärung erspart, welche Bestände dem Zwischenverwahrer und welche seinen Kunden gehören9. Allgemein verspricht man sich von ihr einen besseren Schutz der Vermögenswerte der Depotinhaber10. In ihrer Bedeutung für den Kundenschutz sollte die Segregierung aber nicht überschätzt werden11. Denn dieser Schutz hängt in erster Linie von anderen Vorkehrungen ab, namentlich vom Recht des Depotkunden auf Aussonderung seiner Effekten und den Regelungen über die Verlusttragung im Fall eines Unterbestandes (shortfall)12 . Settlement in the EU, Glossary, S.  89: „A single account for the commingled funds or securities of multiple parties.“ 5  Nach der Legaldefinition in §  3 Abs.  2 Satz  1 DepotG ist ein Zwischenverwahrer ein „Verwahrer, der Wertpapiere von einem anderen Verwahrer verwahren läßt“. 6  Hess/Zbinden, in: Zobl/Hess/Schott (Hrsg.), BEG-Kommentar, Art.   12 BEG Rn.  1; Turing, ­Clearing and Settlement, Anm.  6.19, der zutreffend hervorhebt, daß mit Segregierung im hier verstandenen Sinne nicht die Trennung zwischen Eigen- und Kundenbeständen in den eigenen Büchern des Zwischenverwahrers gemeint ist. Siehe auch die Definition bei CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  91: „A method of protecting client assets and positions by holding and designating them separately from those of the carrying firm or broker“. 7  Hess/Zbinden, in: Zobl/Hess/Schott (Hrsg.), BEG-Kommentar, Art.  12 BEG Rn.  2 . 8  Haentjens, Harmonisation of Securities Law, S.  265 f. 9  Hess/Zbinden, in: Zobl/Hess/Schott (Hrsg.), BEG-Kommentar, Art.  12 BEG Rn.  3. 10  Siehe etwa Erwägungsgrund (42) zu Art.  38 CSDR (dazu sogleich im Text); Caballero/Johans­ son/Keijser/Vermaas, in: Keijser (Hrsg.), Transnational Securities Law, Rn.  7.40. 11  Im übrigen ändert auch die Segregierung nichts daran, daß einem Emittenten von Inhaberaktien (ungeachtet der Mitteilungspflichten nach §  20 AktG und §§  33 ff. WpHG) derzeit keine Möglichkeiten zu Gebote stehen, seine Aktionäre zu identifizieren und unmittelbar mit ihnen zu kommunizieren. Das wird sich für börsennotierte Gesellschaften mit Umsetzung der reformierten Aktionärsrechterichtlinie ändern, siehe Art.   3a der Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre, ABl. EU Nr. L 132 vom 20. Mai 2017, S.  1. Ob die Umsetzung zur Abschaffung der Inhaberaktie führen wird, bleibt abzuwarten; Eggers/ de Raet, AG 2017, 464, 469 halten das für „nicht unwahrscheinlich“. 12  SK FinfraG-Hess/Künzi/Peditto/Costantini, Art.  69/73 Rn.  50.

§  2  Charakteristika

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In vielen Ländern ist die Segregierung schon seit längerem Standard, beispielsweise in Deutschland13, Österreich14, Frankreich15, den USA16, den Niederlanden17 und der Schweiz18. Dies hat, was die EU-Mitgliedstaaten betrifft, auch mit sekundärrechtlichen Vorgaben zu tun, die heute in Art.  16 Abs.  8 MiFID II19 und in Art.  2 Abs.  1 lit.  d) der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/59320 zu finden sind. Umsetzungsvorschriften im deutschen Recht sind §  84 Abs.  4 WpHG21 sowie §  10 WpDVerOV22 . Die für unseren Zusammenhang wichtigste Regelung ist allerdings Art.  38 CSDR. Nach Art.  38 Abs.  1 CSDR hat ein Zentralverwahrer die Pflicht, seine Aufzeichnungen und Konten so zu führen, daß die Bestände der Teilnehmer voneinander und ggf. auch von den Eigenbeständen des Zentralverwahrers getrennt sind. Nach Art.  38 Abs.  2 CSDR hat ein Zentralverwahrer es jedem Teilnehmer zu ermöglichen, seine eigenen Wertpapiere von denen seiner Kunden zu trennen. In den folgenden Absätzen wird diese Pflicht konkretisiert, indem festgelegt wird, daß ein Zentralverwahrer seinen Teilnehmern zwei Arten der Kontentrennung anzubieten hat: die sog. Omni13  Nr.  10 Abs.  4 der Bekanntmachung des BAKred über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen vom 21. Dezember 1998: Unterscheidung zwischen Depot A (Eigendepot) und Depot B (Fremddepot). Die Einbuchung im Fremddepot B ist wegen der Fremdvermutung des §  4 Abs.  1 Satz  1 DepotG der Regelfall; zu den Einzelheiten Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/34 ff. 14  Iro, in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg.), Österreichisches Bankvertragsrecht, Rn.  4/64. 15  de Vauplane/Yon, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  193, 204 ff. 16  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  41. 17  Haentjens, Harmonisation of Securities Law, S.  266. 18  Siehe die Artikel 69 und 73 FinfraG, die eng an Art.  38 CSDR angelehnt sind; dazu sogleich im Text. 19  Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU vom 15. Mai 2014, ABl. EU Nr. L 173, S.  349. Vorgängervorschrift war Art.  13 Abs.  7 MiFID I (Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 vom 21. April 2004, S.  1). 20  Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, ABl. EU Nr. L 87 vom 31. März 2017, S.  500. Vorgängervorschrift war Art.  16 Abs.  1 lit.  d) der MiFID-Durchführungsrichtlinie (Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. EU Nr. L 241 vom 2. September 2006, S.  26). 21  In der Fassung des 2. FiMaNoG vom 23. Juni 2017, BGBl. I, S.  1693. 22  Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und -Organisationsverordnung – WpDVerOV) vom 17. Oktober 2017, BGBl. I, S.  3566. Die Verordnung ist an die Stelle der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung vom 20. Juli 2007 (BGBl. I, S.  1432) getreten.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

bus-Kunden-Kontentrennung (Art.   38 Abs.   3 CSDR) und die sog. Einzelkunden-Kontentrennung (Art.  38 Abs.  4 CSDR). Bei der Omnibus-Kunden-Kontentrennung sind die Wertpapiere der Kunden des Teilnehmers auf einem einzigen Depotkonto verbucht. Es wird also beim Zentralverwahrer ein Konto für die Eigenbestände des Teilnehmers und eines für die Bestände von dessen Kunden geführt23. Bei der Einzelkunden-Kontentrennung sind die Bestände der einzelnen Kunden in Einzelkunden-Konten voneinander getrennt. Es werden also beim Zentralverwahrer neben dem Konto mit den Eigenbeständen des Teilnehmers Einzelkonten mit den Positionen der Kunden geführt24 . Die Teilnehmer sind ihrerseits verpflichtet, ihren Kunden zumindest die Wahl zwischen einer Omnibus-Kunden-Kontentrennung und einer Einzelkunden-Kontentrennung einzuräumen und sie über die mit diesen Optionen verbundenen Kosten und Risiken zu informieren (Art.  38 Abs.  5 CSDR). Art.  38 CSDR kennt somit keine generelle Pflicht des Zentralverwahrers, separate Konten für Eigen- und Fremdbestände der Teilnehmer zu führen. Das Bestehen einer solchen Pflicht hängt vielmehr vom Verlangen des jeweiligen Teilnehmers ab, der seinerseits seinen Kunden die Wahl zwischen Omnibus-Kunden-Kontentrennung und Einzelkunden-Kontentrennung lassen muß. Auch im Fall der Einzelkunden-Kontentrennung bleibt es allerdings dabei, daß dem Zentralverwahrer die Identität der einzelnen Anleger verborgen bleibt. Art.  38 CSDR verlangt nicht den Übergang zu einem transparenten Verwahrsystem.

2.  Transparentes System In einem transparenten System sind dem Zentralverwahrer auch die Namen und Effektenbestände der Investoren an der Basis der Pyramide bekannt. Es ist möglich, mit einem Blick in die Bücher des Zentralverwahrers die jeweiligen Anteilseigner zu identifizieren25. Drei Formen transparenter Systeme lassen sich unterscheiden26: (1) Der Zentralverwahrer führt separate Konten auf die Namen der einzelnen Anleger. (2) Die Konten der angeschlossenen Teilnehmer sind in Sub-Konten unterteilt, aus denen die Bestände der einzelnen Anleger ersichtlich sind. (3) Zwischen dem Zen­ tralverwahrer und den angeschlossenen Teilnehmern findet ein permanenter Informationsaustausch hinsichtlich der Zuordnung der Titel statt. Ein transparentes System findet sich beispielsweise in Schweden. Dort hat ein Investor die Wahl, ob er seine Effekten über einen Zwischenverwahrer oder über ein eigenes Konto beim Zentralverwahrer (Euroclear Sweden) halten möchte. Entschei23 

Vgl. SK FinfraG-Hess/Künzi/Peditto/Costantini, Art.  69/73 Rn.  8/9 nebst Schaubild. SK FinfraG-Hess/Künzi/Peditto/Costantini, Art.  69/73 Rn.  10-13 nebst Schaubild. Aus Art.  38 Abs.  4 CSDR folgt aber nicht, daß ein Zentralverwahrer dem Kunden eines Teilnehmers eine direkte Geschäftsbeziehung in Form eines Depotvertrages anbieten muß; siehe Die Deutsche Kredit­ wirtschaft, Vermerk zur Kontentrennung nach Art.  38 CSD-Verordnung, S.  12. 25  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  43. 26  Siehe die Kategorisierung im UNIDROIT-Working Paper zu „Transparent Systems“ vom Oktober 2006, UNIDROIT 2006, Study LXXVIII – Doc. 44, S.  3 f. 24 Vgl.

§  2  Charakteristika

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det er sich für die zweite Alternative, d. h. für die Eröffnung eines sog. owner ­accounts, setzt dies allerdings nicht den Abschluß eines Depotvertrages mit dem Zen­tralverwahrer voraus. Vielmehr muß sich der Anleger an ein Finanzinstitut wenden, das beim Zentralverwahrer als Kontoführer (account operator) zugelassen ist. Denn im transparenten System Schwedens (wie auch dem Finnlands) sind die Aufgaben zwischen den Intermediären so verteilt, daß der Zentralverwahrer die für das Betreiben des Kontensystems erforderliche Infrastruktur zur Verfügung stellt, während die account operators, die über elektronische Schnittstellen auf das System zugreifen können, sich im Auftrag des Zentralverwahrers um die Einrichtung und Führung der Anlegerkonten kümmern27. Dementsprechend ist die Anzahl der von Euroclear Sweden geführten Depotkonten vergleichsweise hoch28. In anderen Spielarten sind transparente Systeme in Spanien, Griechenland, der Tschechischen Republik, Brasilien und China anzutreffen29. Da sie in den in dieser Arbeit untersuchten Rechtsordnungen keine Rolle spielen, können sie jedoch im folgenden vernachlässigt werden.

II.  Depotgutschrift als Ausweis der Rechtsinhaberschaft Unabhängig von der Ausdehnung und Komplexität der Pyramide ist allen mediatisierten Verwahrsystemen gemeinsam, daß sich die Rechtsinhaberschaft des Anlegers jedenfalls faktisch ausschließlich aus seinem Depotkonto ergibt. Um zu ermitteln, wem die Kapitalmarktitel zugeordnet sind, ist es daher (in einer intransparenten Verwahrpyramide) notwendig, die Kette von Depotgutschriften von der Spitze bis zur Basis, d. h. vom Zentralverwahrer bis zum Anleger zurückzuverfolgen30. Dieser Umstand hat das englischsprachige Schrifttum zu der Folgerung geführt, „that it is the account rather than the certificates that is the source of the investor’s entitlement“31. Für das deutsche Recht haben Noack und Zetzsche diese Folgerung dahin zugespitzt, die „Aktie“ sei nicht mehr und nicht weniger als ein Buchungsposten in einer beim 27  UNIDROIT-Working Paper zu „Transparent Systems“,UNIDROIT 2006, Study LXXVIII – Doc. 44, S.  12 f.; für eine Kurzbeschreibung der Nordischen Verwahrsysteme siehe auch Afrell/Wal­ lin-Norman, Unif. L. Rev. 2005, 277 ff. 28  Im Jahr 2015 lag sie bei 3.200.000, siehe ECSDA, CSD Factbook 2015, S.  14 und 54. 29  Siehe die Beispiele im UNIDROIT-Working Paper zu „Transparent Systems“, UNIDROIT 2006, Study LXXVIII – Doc. 44, S.  5 ff. Speziell zum spanischen System Garcimartín, in: Conac/ Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  269, 270 ff. 30  Dechamps, Wertrechte, S.  17; Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), The Law of Cross-Border Securities Transactions, Rn.  3.02; Pleyer/Schleiffer, DB 1972, 77, 80. 31  Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  14; ebenso Goode, in: Oditah (Hrsg.), The Future for the Global Securities Market, S.  112; Gullifer, Legal Problems, Rn.  6 -07; Haentjens, Indirectly Held Securities, S.  17.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

Zentralverwahrer beginnenden Kette. Die Gesamtheit aller Depotbuchungen ergebe das in „Aktien“ zerlegte Grundkapital der Aktiengesellschaft (§  1 Abs.  2 AktG)32 .

III.  „Stückelose“ Verfügungen über Depotwerte 1. Effektengiroverkehr Die mediatisierte Wertpapierverwahrung ist eine Schöpfung der Praxis. Ungeachtet aller Unterschiede in der historischen Entwicklung und rechtlichen Konstruktion diente ihr Aufbau in allen Ländern, die diese Einrichtung kennen, dem Zweck, das massenhafte Effektengeschäft nach dem Vorbild des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu rationalisieren33. Müßten bei jeder Transaktion Wertpapiere körperlich vom Veräußerer an den Erwerber übergeben werden, wäre die millionenfache Abwicklung börslicher und außerbörslicher Geschäfte auch wegen des dann bestehenden Diebstahls-, Fälschungs- und Verlustrisikos nicht unter vertretbarem Aufwand zu bewerkstelligen. Der berühmt-berüchtigte sog. paperwork crunch, der sich in den USA der späten 1960er Jahre zugetragen hat, ist das wohl eindringlichste Beispiel dafür, daß der Versuch, gewaltige Handelsvolumina mit traditionellen Übertragungsformen zu bewältigen, das Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs führen kann34 . Die Deponierung von Kapitalmarkttiteln bei einer zentralen Sammelstelle macht es möglich, über die Titel im Wege des „stückelosen“ Effektengiroverkehrs, d. h. ausschließlich mittels Buchungen auf Depotkonten zu verfügen. Unterhalten die Parteien ihre Konten bei ein und demselben Verwahrer, so erschöpft sich der Übertragungsvorgang in einer Umbuchung vom Konto des Veräußerers auf das Konto des Erwerbers (hausinterne Abwicklung). Lassen die Parteien ihre Bestände durch zwei verschiedene Depotbanken verwahren, so bedarf es einer ganzen Reihe von Bu­ chungen auch auf der Ebene des Zentralverwahrers (teilnehmerübergreifende Abwicklung)35: (1) einer Belastungsbuchung auf dem Konto des Veräußerers, (2) der „Lieferung“ der Titel von der Depotbank des Veräußerers an die Depotbank des Erwerbers durch den Zentralverwahrer in Form korrespondierender Einträge in den Teilnehmerkonten, (3) einer Gutschrift auf dem Konto des Erwerbers36. Sind weitere 32  Noack/Zetzsche, AG 2002, 651, 654. Siehe auch Noack, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel – Grundsatzfragen des Aktienrechts, S.  510, 539 („Buchungsposten auf Konten, die von Finanzintermediären administriert werden“). 33  Siehe für das deutsche Recht Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  15 ff. 34  Näher dazu unten §  3 III 3 m. Fn.  154. 35  Die Übertragung von Wertpapierguthaben von einer Bank auf eine andere unter Vermittlung des Zentralverwahrers wird mitunter auch als „Effektengiroverkehr im engeren Sinne“ bezeichnet, siehe Dechamps, Wertrechte, S.  96. 36  Für die zivilrechtliche Analyse des Übertragungsvorgangs ist allerdings zu beachten, daß die einzelnen Buchungen nicht immer sequentiell ablaufen; siehe dazu unten §  4 IV 4.

§  2  Charakteristika

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Intermediäre in die Abwicklung eingeschaltet, verlängert sich die Buchungskette entsprechend37.

2.  Depotguthaben als Sicherheiten Auch bei der Bestellung von rechtsgeschäftlichen Sicherheiten an Depotguthaben38 findet eine körperliche Bewegung von Urkunden nicht statt. Das gilt für die Bestellung einer Sicherheit in Form der Vollrechtsübertragung39 genauso wie für die Verpfändung, und es gilt auch unabhängig davon, ob das Sicherungsrecht zugunsten des depotführenden Intermediärs oder zugunsten eines Dritten begründet wird. Die Person des Sicherungsnehmers spielt allerdings eine Rolle, soweit es um die Methoden der „stückelosen“ Sicherheitenbestellung geht. So genügt zur Verpfändung von Depotwerten an den kontoführenden Verwahrer im Prinzip eine Vereinbarung zwischen den Parteien, wie sie beispielsweise in Nr.  14 AGB-Banken enthalten ist. Eines wie auch immer gearteten Vollzugsakts bedarf es nicht, da sich die Werte bereits unter der Kontrolle des Verwahrers befinden40. Denn eine Weisung des Depotkunden, die Werte auf ein anderes Konto zu übertragen, braucht der Verwahrer ja nicht auszuführen, falls die Übertragung der Verpfändungsvereinbarung zuwiderliefe. Anders liegt es bei der Verpfändung von Depotwerten an einen Dritten. Hier muß dem Dritten in einer Weise die Kontrolle über die Depotwerte verschafft werden, daß der Verpfänder nicht mehr ohne Zustimmung des Dritten über diese Werte verfügen kann. International sind dafür drei verschiedene Methoden gebräuchlich. Die erste ist die Umbuchung der Depotwerte auf ein Depotkonto des Pfandnehmers. Sie hat 37  Siehe statt vieler Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  17 f. 38  Über die enorme praktische Bedeutung von Depotguthaben als Sicherheiten sind hier nur wenige Worte zu verlieren. Das in Nr.  14 AGB-Banken geregelte Pfandrecht der Bank an den Depotwerten des Kunden ist nur ein Anwendungsfall. Der in der Praxis größte Anteil entfällt auf Sicherheiten, die innerhalb von Clearing- und Settlementsystemen gestellt und gehalten werden. Siehe dazu Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Kuhn (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Teil L Rn.  336 (S.  1711); Benjamin, Interests in Securities, Rn.  4.09 (S.  81); ferner noch unten §  6 VII 1. 39  Nach der Legaldefinition in Art.  2 Abs.  1 b) FinanzsicherheitenRL ist eine „Finanzsicherheit in Form der Vollrechtsübertragung“ die „vollständige Übereignung bzw. Zession eines Finanzaktivums zum Zwecke der Besicherung oder anderweitigen Deckung von Verbindlichkeiten; hierzu gehören auch Wertpapierpensionsgeschäfte.“ 40  In Deutschland erfährt dieser Grundsatz eine Ausnahme, wenn ein Zwischenverwahrer Depotbestände seiner Kunden auf der Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung gemäß §§  12, 12a DepotG an einen Drittverwahrer verpfändet. Bei einer Verpfändung nach §  12 Abs.  2 DepotG sind die verpfändeten Wertpapiere vom Drittverwahrer dem sog. Pfanddepot C, bei einer Verpfändung nach §  12 Abs.  3 DepotG dem sog. Sonderpfanddepot D zuzuführen. Bei einer Verpfändung nach §  12a DepotG sind die Wertpapiere einem Sonderpfanddepot zuzuführen. Siehe Ziffer 6 Abs.  2 der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen vom 21. Dezember 1998.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

für den Pfandnehmer den Vorteil, daß er die ausschließliche Gewalt über das Pfand erlangt und im Verwertungsfall nicht auf die Mitwirkung des Verpfänders und dessen Verwahrers angewiesen ist. Unterhalten die Parteien ihre Konten nicht bei demselben Verwahrer, ist eine Umbuchung allerdings umständlich. Sie ist auch unpraktikabel, wenn der Verpfänder auch weiterhin Erträge aus seinen Wertpapieren ziehen und die damit verbundenen Rechte ausüben können soll. In den meisten Fällen geht eine Verpfändung daher so vonstatten, daß die Wertpapiere im Depot des Verpfänders verbleiben und mittels eines Sperrvermerks als verpfändet gekennzeichnet werden. Das Depot wird dadurch zum Pfanddepot41. Die Teilverpfändung eines Depots wird häufig in der Weise vorgenommen, daß die Werte auf ein Unterkonto des Verpfänders übertragen und anschließend gesperrt werden42 . Dieses Verfahren wird zum Beispiel von der Clearstream Banking AG im Rahmen ihres Systems „Xemac“ praktiziert, das den angeschlossenen Banken die Möglichkeit eröffnet, ihre Wertpapierbestände in einem Sicherheitenpool zu bündeln43. International ist die Methode der Sicherheitenbestellung mittels Sperrvermerks unter der griffigen Bezeichnung „earmarking“ bekannt. Das Genfer Wertpapierübereinkommen verwendet den Ausdruck „designating entry“44 . Die dritte Verpfändungsmethode ist die sog. Kontrollvereinbarung. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung, in der sich der depotführende Intermediär verpflichtet, Weisungen des Depotinhabers in bezug auf den verpfändeten Bestand nicht ohne Zustimmung des Pfandnehmers zu befolgen, oder durch die der Pfandnehmer selbst das Recht erwirbt, dem Intermediär Weisungen in bezug auf das Pfandgut zu erteilen. Eine Kontrollvereinbarung kann als bilateraler Vertrag zwischen dem Verpfänder und seinem Intermediär oder als dreiseitiger Vertrag unter Einschluß des Pfandnehmers ausgestaltet sein45. Im Unterschied zu den beiden erstgenannten Methoden ist sie mit keinerlei Form von Publizität verbunden. Die Sicherheit ist Dritten gegenüber wirksam, sobald die Vereinbarung abgeschlossen ist. Eines nach außen hervortretenden Vollzugsaktes bedarf es nicht. Genauere Aussagen zur praktischen Verbreitung der drei Bestellungsmethoden lassen sich wegen der Divergenzen zwischen den einzelnen Rechtsordnungen und Verwahrsystemen kaum treffen46. In den USA und der Schweiz ist die Bestellung einer Sicherheit durch Kontrollvereinbarung zulässig47, in Deutschland nicht. In den §§  1205 ff. BGB, die in besonderem Maße dem sachenrechtlichen Publizitätsprinzip verpflichtet sind, ist sie nicht vorgesehen. Unterschiede bestehen auch in der Frage, für welche Arten von Verfügungen die verschiedenen Methoden herangezogen wer41 

Hennrich, Aktienverpfändung, S.  70 f. Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  102; Apfelbaum, Verpfändung, S.  60. 43  CBF-Kundenhandbuch, S.  7–12 ff. 44  Siehe Art.  12 Abs.  1 und Abs.  3(b) i. V. m. Art.  1(l) GWpÜ. 45  Siehe die Definition des Begriffs „control agreement“ in Art.  1(k) GWpÜ. 46  So mit Blick auf die EU-Mitgliedstaaten auch die Legal Certainty Group, Second Advice, S.  4 4. 47  Vgl. Art.  25 BEG und UCC §  8-106(d)(2) i. V. m. §  9-314 und §  9-106. 42 

§  2  Charakteristika

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den können. Wie der Blick auf das schweizerische Recht noch zeigen wird, wäre es ein Irrtum anzunehmen, daß eine Vollrechtsübertragung stets die Umbuchung der Werte voraussetzt und die Methoden des earmarking und der Kontrollvereinbarung nur für die Einräumung beschränkter dinglicher (Sicherungs-)Rechte zur Verfügung stehen. Die Vielfalt der Besicherungsmethoden spiegelt sich auch in Art.  1 Abs.  2 FinanzsicherheitenRL wider. Darin heißt es: „‚Bestellung‘ bzw. ‚bestellt‘ im Sinne dieser Richtlinie bedeutet, dass dem Sicherungsnehmer oder seinem Vertreter eine Finanzsicherheit geliefert oder im Wege des Effektengiros gutgeschrieben wurde oder ihnen auf sonstige Weise der Besitz oder die Kontrolle daran verschafft wurde, sofern er den Besitz oder die Kontrolle nicht bereits innehatte. Der Besitzverschaffung gemäß dieser Richtlinie steht nicht entgegen, dass der Sicherungsgeber Anspruch auf Rückgewähr bestellter Sicherheiten im Austausch gegen andere Sicherheiten oder auf Rückgewähr überschüssiger Sicherheiten hat.“

IV.  Immobilisierung und Dematerialisierung Um durch Buchungen auf Depotkonten übertragen werden zu können, müssen Kapitalmarktwerte dem „freien“ Rechtsverkehr entzogen und in ein mediatisiertes Verwahrsystem eingebracht werden. Dafür haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Methoden herausgebildet, die üblicherweise mit den Schlagworten „Immobilisierung“ und „Dematerialisierung“ belegt werden und in denen die schrittweise „Zurückdrängung des Verkörperungselements bei den Wertpapieren“48 zum Ausdruck kommt. Zu diesen Methoden zählen die Sammelverwahrung von Wertpapieren (unter 1), die Hinterlegung einer Globalurkunde (unter 2) und die Einbringung der Kapitalmarktwerte in unverbriefter Form (sog. Wertrechte, unter 3). Mit diesen Methoden geht der Funktionsverlust des Wertpapiers einher (unter 4).

1. Sammelverwahrung a) Begriff Betrachtet man die historische Entwicklung der mediatisierten Wertpapierverwahrung, so stand die Sammelverwahrung von Einzelurkunden am Anfang aller Bemühungen zur Rationalisierung des Effektenwesens. Im Gegensatz zur Sonderverwahrung (Streifbandverwahrung), die für unser Thema keine Rolle spielt und daher in dieser Untersuchung außer Betracht bleibt, ist die Sammelverwahrung dadurch gekennzeichnet, daß vertretbare Wertpapiere für mehrere Hinterleger ungetrennt in einem einheitlichen Bestand verwahrt werden. Die einzelnen Wertpapiere werden also nicht gesondert unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung des Hinterlegers auf48 

Siehe den Titel des Beitrags von Zöllner in der Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

bewahrt (vgl. §  2 DepotG), sondern mit gleichartigen Wertpapieren anderer Depotkunden – und ggf. des Verwahrers selbst – in einem Sammeldepot vermengt. Die Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank wird auch als Girosammelverwahrung (GS-Verwahrung) bezeichnet. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß zentralverwahrte Wertpapierbestände dazu geeignet und in aller Regel auch dazu bestimmt sind, als Grundlage für den Effektengiroverkehr zu dienen49. b)  Sammeldepotfähigkeit und -eignung Unter welchen Voraussetzungen Wertpapiere in Girosammelverwahrung genommen werden können, hängt vom anwendbaren Recht und den Geschäftsbedingungen des Verwahrers ab. In Deutschland stellt sich die Rechtslage wie folgt dar: Vertretbar (fungibel) und damit sammelverwahrfähig sind Wertpapiere, wenn sie im Verkehr nach Stückzahl oder Nennbetrag bestimmt zu werden pflegen und somit gegeneinander austauschbar sind (§  5 Abs.  1 DepotG i. V. m. §  91 BGB)50. Das trifft für alle in- und ausländischen Wertpapiere zu, die gleichartige Rechte verbriefen. Schuldverschreibungen mit unterschiedlicher Laufzeit können daher nicht zusammen in einem Sammeldepot verwahrt werden. Gleiches gilt für Stamm- und Vorzugsaktien. Dagegen schließt eine unterschiedliche Stückelung der Papiere die Sammelverwahrfähigkeit nicht aus. Es ist auch unschädlich, wenn die Urkunden nicht über die gleiche technische Ausstattung verfügen51. Orderpapiere sind fungibel, wenn sie mit einem Blankoindossament versehen sind und somit in sinngemäßer Anwendung von Art.  14 Abs.  2 Nr.  3 WG ohne weiteren Skripturakt wie Inhaberpapiere, d. h. nach den Regeln über bewegliche Sachen (§§  929 ff. BGB), übertragen werden können. Das ist für die auch in Deutschland weit verbreiteten Namensaktien52 seit langem anerkannt53 und für auf den Namen lautende Anteilscheine von Kapitalverwaltungsgesellschaften sogar gesetzlich klargestellt (§  97 Abs 1 KAGB). 49 

Decker/Kümpel, Depotgeschäft, Rn.  8/47. aus internationaler Sicht Wood, Set-off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, Rn.  18-033. 51 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  43. 52  Bis in die 1990er Jahre hinein gab es Namensaktien nur bei einigen Versicherungsgesellschaften und Familienunternehmen. Ab 1998 hat dann auch ein großer Teil der deutschen Publikumsaktiengesellschaften (z. B. DaimlerChrysler, Siemens, Mannesmann, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Deutsche Telekom) von der Inhaber- auf die Namensaktie umgestellt. Die neu aufgekommene Beliebtheit der Namensaktie gab den Anstoß zu den Änderungen der §§  67, 68 AktG durch das Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) vom 18. Januar 2001 (BGBl. I, S.  123). Im Zuge der Aktienrechtsnovelle 2016 (Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes vom 22. Dezember 2015, BGBl. I, S.  2565) hat der Gesetzgeber die Namensaktie als Regelfall eta­ bliert, §  10 Abs.  1 Satz  1 AktG n. F. Eingehend zu den gesellschafts- und depotrechtlichen Aspekten der Namensaktie Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000. Zu den Gründen für die Wiederentdeckung der Namensaktie siehe ferner Noack, DB 1999, 1306 ff. Zu den Neuerungen durch die Aktienrechtsnovelle 2016 Harbarth/von Plettenberg, AG 2016, 145 ff.; Söhner, ZIP 2016, 151 ff. 53  Heute allg. Ansicht, siehe Ziffer IX Abs.  1 Satz  4 AGB-CBF sowie MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  4 4; Heißel/Kienle, WM 1993, 1909, 1910. 50  Ebenso

§  2  Charakteristika

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Die Sammelverwahrfähigkeit der Papiere ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung der Aufnahme in ein Girosammeldepot. Hinzu kommen muß die Sammeldepoteignung, die sich auf die Ausgestaltung der jeweiligen Emission bezieht. Sie ist keine gesetzliche, sondern eine durch verwahrtechnische Belange bedingte Zulassungsvoraussetzung54 . Es sollen nur Bestände in den Tresor übernommen werden, die eine gewisse Größe aufweisen und auch ansonsten so beschaffen sind, daß der Zweck der Girosammelverwahrung, einen rationellen Effektengiroverkehr zu ermöglichen, erreicht werden kann55. Allgemeingültige Kriterien für die Sammeldepoteignung von Wertpapieren lassen sich angesichts der Unterschiede zwischen den einzelnen Emissionen und der stetigen Weiterentwicklung der Verwahrpraxis nicht aufstellen56. Der Girosammelverwahrung kann beispielsweise entgegenstehen, daß die effektiven Stücke nicht den deutschen Druckrichtlinien entsprechen57, die Emission nur noch eine kurze Laufzeit hat oder die Zahl der einzuliefernden Stücke so niedrig ist, daß sich der mit der Verwahrung verbundene Aufwand nicht lohnt58. Schuldverschreibungen, die im Wege der Stückenummernauslosung getilgt werden, verlieren mit Beginn der Auslosung ihre Sammeldepoteignung. In Gruppen oder Serien auslosbare Schuldverschreibungen können hingegen bis zur Tilgung, d. h. während der gesamten Laufzeit der Anleihe, im Tresor verbleiben, sofern aus den einzelnen Gruppen bzw. Serien getrennte Sammelbestände unter Zuteilung besonderer Wertpapierkennummern gebildet worden sind59. Die Frage, ob auch vinkulierte Namensaktien (mit Blankoindossament) in die Giro­sammelverwahrung einbezogen werden können, wird im Schrifttum mitunter unter dem Aspekt der Vertretbarkeit erörtert60, betrifft aber in Wahrheit die Sammeldepoteignung. Diese wird heute überwiegend unter der Voraussetzung bejaht, daß eine zügige Umschreibung des Aktienregisters gewährleistet ist und die Praxis der 54  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  5 Rn.  22. Ob die seit langem übliche Unterscheidung zwischen Sammeldepotfähigkeit und -eignung terminologisch geglückt ist, sei dahingestellt. 55  Brink, Rechtsbeziehungen, S.  45; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  69. 56  Opitz, DepotG, §  5 Anm.  16 (S.  142); Schwarze, in: Die deutschen Wertpapiersammelbanken, S.  59, 63. 57  Gemeinsame Grundsätze der deutschen Wertpapierbörsen für den Druck von Wertpapieren vom 13. Oktober 1991 i. d. F. vom 17. April 2000. Diese Richtlinien gelten grundsätzlich für sämtliche zum Handel an einer deutschen Wertpapierbörse zuzulassenden Wertpapiere, soweit sie in Einzelurkunden ausgedruckt werden. Sie knüpfen an §  8 Abs.  1 Satz  1 BörsZulV an, demzufolge die Druckausstattung der Wertpapiere einen ausreichenden Schutz vor Fälschung bieten und eine sichere und leichte Abwicklung des Wertpapierverkehrs ermöglichen muß. Für Emittenten aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens enthält §  8 Abs.  1 Satz  2 BörsZulV allerdings eine Erleichterung insofern, als die von ihnen ermittierten Wertpapiere nur den Vorschriften des Heimatstaats genügen müssen. 58  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  5 Rn.  22. 59 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.   49; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   5 Rn.  32/33; Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S.  23 f.; ferner Nr.  1 Abs.  1 Satz  2 der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen vom 21. Dezember 1998. 60  Opitz, DepotG, §  5 Anm.  16 (S.  143 unten); Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  23.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

Zustimmungserteilung durch die Gesellschaft einen reibungslosen Ablauf des Effektengiroverkehrs erwarten läßt61. Welche Wertpapiere zur Girosammelverwahrung zugelassen werden, entscheidet die Clearstream Banking AG in eigener Verantwortung62 . Der zusammen mit einer Reihe von Begleitdokumenten (u. a. Emissions­ bedingungen, Satzung der Gesellschaft, üblicherweise auch Verkaufsprospekt) einzureichende Zulassungsantrag wird in der Regel vom emissionsbegleitenden Kredit­ institut gestellt, das auch für die Einlieferung der Urkunden sorgt. Sind die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, werden die Titel zum Valutatag in das Depotkonto des Kreditinstituts eingebucht und die Zulassung über die Mitteilungsmedien der Clearstream Banking AG bekanntgemacht63.

2. Globalurkunden a) Begriff Von allen Methoden, Kapitalmarktwerte in ein mediatisiertes Verwahrsystem einzubringen, ist die Sammelverwahrung effektiver Stücke die am wenigsten rationelle. Denn sie befreit ja nicht von der Notwendigkeit, für jede Emission tausend- oder millionenfach fälschungssichere Urkunden auszudrucken und in einem Tresor zu hinterlegen. Der damit verbundene Zeit- und Kostenaufwand ist umso weniger gerechtfertigt, als die Papiere ohnehin nur als unbewegte Unterlage von Buchungsvorgängen dienen sollen und die Erfahrung lehrt, daß allenfalls ein kleiner Teil der Anleger ein Interesse daran hat, effektive Stücke herausverlangen zu können, um diese anderswo – etwa in einem Streifbanddepot oder Bankschließfach – aufzubewahren. Soweit Emissionen überhaupt noch verbrieft werden, ist die Sammelverwahrung von Einzelwertpapieren daher fast vollständig durch die Hinterlegung von Globalurkunden abgelöst worden. Eine Globalurkunde (global note) ist eine Urkunde, die sämtliche im Rahmen einer Emission begebenen Rechte oder zumindest einen Teil davon zusammenfaßt. An der Verkörperung gleichartiger Mitgliedschafts- oder Forderungsrechte wird zwar festgehalten, doch existiert im Extremfall nur ein einziges, am Computer ausgedrucktes DIN A4-Blatt, das mit den nötigsten Angaben zur Emis­ sion und den Unterschriften der Vorstandsmitglieder des Emittenten versehen ist. Die Druckkosten und der Bedarf an Tresorraum können so um ein Vielfaches reduziert werden.

61  Nr.  1 Abs.  1 Satz  4 der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen vom 21. Dezember 1998; Scherer/Rögner, DepotG, §  5 Rn.  10; Decker/ Kümpel, Depotgeschäft, Rn.  8/85a und 8/85b; Heißel/Kienle, WM 1993, 1909, 1910. 62 Vgl. Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S.  22. 63  Ziffer IX Abs.   4 Satz  1 AGB-CBF. Eingehend zum Zulassungsverfahren das CBF-Kundenhandbuch, S.  5-1 ff.

§  2  Charakteristika

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In Deutschland ist neben dem Begriff „Globalurkunde“ auch der Begriff „Sammel­ urkunde“ gebräuchlich64 . Gemäß §  9a Abs.  1 Satz  1 DepotG65 ist eine „Sammelurkunde“ ein „Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten“. In der Schweiz wird der Begriff „Sammelurkunde“ gelegentlich enger verstanden. Eine „Sammelurkunde“ repräsentiere immer nur einen Teil, eine „Globalurkunde“ sämtliche Einzelrechte einer Emission66. Im gleichen Sinne wird im anglo-amerikanischen Rechtskreis mitunter zwischen jumbo certificates und global certificates unterschieden67. Diese Unterscheidung kann sich zwar auf die eigentliche Bedeutung des Wortes „global“ berufen68. Da sie in die einschlägigen Gesetze und Allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Eingang gefunden hat69 und auch nicht dem Sprachgebrauch der Praxis entspricht70, dürfte sie jedoch eher Verwirrung als Klarheit stiften. Aus diesem Grund wird auch in dieser Arbeit nicht zwischen „Sammelurkunden“ und „Globalurkunden“ unterschieden (und im Einklang mit der Praxis zumeist von „Globalurkunden“ gesprochen), zumal diese Unterscheidung ohnehin nicht ausreicht, um sämtliche Erscheinungsformen der Globalurkunde (Sammelurkunde) zu erfassen. b) Arten Die Praxis unterscheidet nämlich je nach Zweck und Verwendungsdauer drei Arten von Globalurkunden: die interimistische Globalurkunde, die technische Globalurkunde und die Globalurkunde auf Dauer71.

64 MünchKomm-HGB/Einsele,

Depotgeschäft, Rn.  52; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  9a Rn.  3. Eingefügt durch das „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren“ vom 24. Mai 1972, BGBl. I 1972, S.  801 ff. 66  Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §   25 Rn.  26; Rickenbacher, Globalurkunden, S.  130 f. Ebenso die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9392, Begr. zu Art.  973b OR (neu). In den Text des Buch­ effektengesetzes hat diese Differenzierung allerdings keinen Eingang gefunden. Der neue Art.  973b OR verwendet ausschließlich den Begriff der Globalurkunde und stellt in Abs.  2 Satz  1 klar, daß diese „ein Wertpapier gleicher Art wie die durch sie verkörperten Einzelrechte“ ist. 67  Guttman, Modern Securities Transfers, §  1:9. 68  Neben „weltweit“ auch „allumfassend“, „alles einbeziehend“. 69  Siehe neben §  9a DepotG und Art.  973b OR auch Ziff.  20b AGB-SIS, wo ausschließlich von der Globalurkunde die Rede ist. 70  Siehe die Definition des Begriffs „global note“ bei CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  86: „A single physical certificate that certifies part of or the entire issue of a security“. 71  Siehe MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  54; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  9a Rn.  14–17; Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S.  759 ff. (auch mit Hinweisen zur aus­ ländischen Verbriefungspraxis); Than, in: Festschrift für Heinsius, S.  809, 817 ff.; aus dem auslän­ dischen Schrifttum Christoph Brunner, Wertrechte, S.  40 ff.; Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  2.9; Christie/Dosanjh, in: Oditah (Hrsg.), The Future for the Global Securities Market, S.  131, 132 ff.; Goode, in: Oditah (Hrsg.), a. a. O., S.  108, 111. 65 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

aa)  Interimistische Globalurkunde Die nur zum vorübergehenden Gebrauch bestimmte interimistische Globalurkunde (temporary global note) dient dem Zweck, die Börsennotierung einer Neuemission bereits unmittelbar nach Ablauf der Zeichnungs- oder Bezugsfrist zu ermöglichen, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem die Einzelurkunden noch nicht hergestellt und bei der Wertpapiersammelbank eingeliefert sind. Sie verbrieft in der Regel die gesamte Emission und wird zu gegebener Zeit – unter Umständen erst nach mehreren Monaten – durch die effektiven Stücke ersetzt. In Deutschland wurde von dieser Form der Verbriefung erstmals Mitte der 1960er Gebrauch gemacht. Sie hat hierzulande den seit 1927 praktizierten Jungscheingiroverkehr abgelöst und bis in die 1990er Jahre hinein eine bedeutende Rolle bei der Begebung von Anleihen und bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften gespielt72 . Mit dem Siegeszug der Dauerglobalurkunde ist ihre praktische Bedeutung freilich nahezu auf Null gesunken. Ihre gesetzliche Anerkennung hat die interimistische Globalurkunde 1972 in §  9 Abs.  1 Satz  2 Nr.  1 DepotG gefunden. Danach ist der Aussteller ermächtigt, eine von der Wertpapiersammelbank in Verwahrung genommene Sammelurkunde jederzeit und ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten ganz oder teilweise durch einzelne Wertpapiere zu ersetzen. bb)  Technische Globalurkunde Die technische Globalurkunde (semi permanent global note) dient dem Zweck, den Druck von Einzelurkunden insoweit zu ersparen, als nicht mit Auslieferungsverlangen von Anlegern zu rechnen ist. Sie ist aus der Praxis der Wertpapiersammelbanken hervorgegangen, die in den Sammeldepots stillgelegten Wertpapiere mittels Verschweißen in sog. Eisbeständen zusammenzufassen. Auch sie gelangt nur bei Emissionen zum Einsatz, bei denen das Recht der Anleger auf Aushändigung von Wertpapieren nicht nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis – der Satzung oder den Emissionsbedingungen – ausgeschlossen ist. Ist von vornherein eine gewisse Nachfrage nach effektiven Stücken zu erwarten, liegt es nahe, nur den „unbeweglichen Bodensatz“73 einer Emission in einer Globalurkunde zu verkörpern und über den restlichen Teil Einzelurkunden („Wechselgeld“) auszustellen, um Auslieferungsverlangen sofort befriedigen zu können. Möglich ist aber auch, daß die Globalurkunde zunächst die gesamte Emission umfaßt und erst auf Begehren der jeweiligen Rechtsinhaber in Einzelurkunden aufgespalten wird74 . Sedes materiae ist im deutschen Recht §  9 Abs.  3 Satz  1 DepotG. Er erlegt dem Aussteller die Pflicht auf, die Sammelurkunde auf Verlangen durch einzelne Wertpapiere zu ersetzen, und räumt 72 

Than, in: Festschrift für Heinsius, S.  809, 818 ff. mit Beispielen aus der Emissionspraxis. Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  9a Rn.  16. 74  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  4 0 f. mit dem Hinweis, daß diese Variante eine Reduktion des Nennbetrags der Globalurkunde bedingt. 73 

§  2  Charakteristika

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der Wertpapiersammelbank das Recht ein, während des zur Herstellung der Wertpapiere erforderlichen Zeitraums deren Auslieferung zu verweigern. cc) Dauerglobalurkunde Die Globalurkunde auf Dauer (permanent global note) hat den Zweck, die Mitgliedschafts- bzw. Gläubigerrechte für die gesamte Dauer der Emission zu verbriefen. Bei ihr ist das Recht des Anlegers auf Aushändigung von Einzelstücken nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ausgeschlossen. Infolgedessen bekommt der Anleger seinen Wertpapierbestand ausschließlich in Form einer Depotgutschrift zu Gesicht. Er bleibt darauf verwiesen, seine Titel durch sein Finanzinstitut verwahren zu lassen und über sie im Wege des Effektengiroverkehrs zu verfügen. Daher kommt diese Verbriefungsform für ihn einem „Zwangsgiro“ gleich75. Die Dauerglobalurkunde ist der Versuch, die Möglichkeiten der Rationalisierung des Effektenwesens bis an ihre Grenzen auszureizen, ohne auf die verkehrsfördernden und -schützenden Funktionen des Wertpapiers zu verzichten. Die „Konzentration in der Verbriefung“ führt dazu, daß die Verwahrung weitgehend hinter die Verwaltung zurücktritt76. Die Dauerglobalurkunde wird denn auch allgemein als „Vorstufe auf dem Weg zu unverbrieften Bucheffekten“ betrachtet77. Im deutschen Recht hat sie ihre gesetzliche Grundlage in §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG. Diese Bestimmung stellt klar, daß auch von der Wertpapiersammelbank die Auslieferung von einzelnen Wertpapieren nicht verlangt werden kann, wenn der Aussteller nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nicht verpflichtet ist, an die Inhaber der in der Sammelurkunde verbrieften Rechte einzelne Wertpapiere auszugeben. In der Praxis kommen Dauerglobalurkunden auch als „Bis zu“-Globalurkunden vor, und zwar bei der bedingten Kapitalerhöhung78. Dort hat die Ausgabe der Bezugsaktien konstitutive Wirkung in dem Sinne, daß mit ihr das Grundkapital erhöht ist (§  200 AktG). Die Aktienausgabe wird dadurch sichtbar, daß die bei der Clearstream Banking AG hinterlegte „Bis zu“-Globalurkunde sukzessive valutiert wird und die Aktien in das Depotkonto des Anlegers eingebucht werden. Die genaue Anzahl der aktuell verbrieften Aktien ergibt sich aus den Büchern der Clearstream Banking AG.

3. Wertrechte a) Begriff Die radikalste und rationellste Methode, die Übertragung von Kapitalmarktwerten innerhalb eines geschlossenen Systems von Finanzintermediären zu ermöglichen, 75 

Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  9a Rn.  58; Than, in: Festschrift Heinsius, S.  809, 824 f. Christoph Brunner, Wertrechte, S.  38. 77  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/98. 78  Siehe zum folgenden Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, §  199 Rn.  5; Singhof, in: Festschrift für Hoffmann-Becking, S.  1163, 1164; Staake, AG 2017, 188, 190. 76 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

besteht darin, auf die Verbriefung der Anteils- oder Gläubigerrechte ganz zu verzichten und sich auf die Eintragung der Emission in ein vom oder für den Emittenten geführtes Register zu beschränken, um die einzelnen Rechte anschließend auf Depotkonten zu verbuchen. Den Schritt zu einem Zustand vollständiger Papierlosigkeit, den das WpHG in §  2 Abs.  1 Satz  1 vor Augen hat, wenn es von „Wertpapieren“ spricht, über die „keine Urkunden […] ausgestellt sind“, nennt man Dematerialisierung (auch: Entmaterialisierung)79. Es existieren „körperlose“, ausschließlich durch Bucheinträge repräsentierte Rechte, die im anglo-amerikanischen Rechtskreis als uncertificated securities80 oder dematerialised securities81, im deutschen Sprachraum als „Wertrechte“ oder „Bucheffekten“82 bezeichnet werden. Dabei soll der Begriff „Wertrecht“ die enge Verwandtschaft mit dem Wertpapier, der Begriff „Bucheffekte“ in Anlehnung an den aus dem bargeldlosen Zahlungsverkehr bekannten Begriff des Buchgeldes die herausragende Bedeutung der Gutschrift als Ausweis der Berechtigung zum Ausdruck bringen83. Der Begriff des Wertrechts ist allerdings vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. So spricht Opitz von Wertrechten nur dort, wo anstelle der einzelnen Anleger ein Sammelverwahrer wie beispielsweise eine Wertpapiersammelbank als Berechtigte in das Register des Emittenten eingetragen ist und die Rechte treuhänderisch für die Kontoinhaber ausübt. Dementsprechend versteht er unter Wertrechten nur solche „unverbrieft gebliebene[n] Anteils- oder Gläubigerrechte, die einem Sammelverwahrer im Sinne des Depotrechts zur Sammelverwahrung (Sammelverwaltung) anvertraut sind“84 . Ein Teil des Schrifttums engt Opitz’ Definition noch weiter ein, indem er den Wertrechtsbegriff auf unverbriefte, sammelverwaltete Rechte beschränkt, die kraft gesetzlicher Anordnung sammelverwahrten Wertpapieren gleichgestellt sind85. Ein anderer Teil tritt für einen weiteren Wertrechtsbegriff ein, der alle unverbrieften Rechte umfaßt, welche die gleiche Funktion wie Wertpapiere erfüllen. So definiert Stüdemann die – von ihm als Bucheffekten bezeichneten – Wertrechte als Rechte, die „alle allgemeinen und besonderen Merkmale der Effek-

79  Siehe die Definition bei CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Glossary, S.  176: „The elimination of physical certificates or documents of title that represent ownership of securities so that securities exist only as accounting records“; siehe ferner Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  9; Benjamin, Interests in Securities, Rn.  1.88–1.92; Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  2.10; Goode, in: Oditah (Hrsg.), The Future for the Global Securities Market, S.  110; Haentjens, Indirectly Held Securities, S.  18; Ooi, Conflict of Laws, Rn.  6.21–6.24. 80  Siehe UCC §  8-102(a)(18): „a security that is not represented by a certificate“. 81  Siehe statt vieler Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.9; Gullifer, Legal Problems, Rn.  6 -10; Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 357, 359. 82  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1818 und 2045; Stüdemann, Bucheffekten, S.  13 und 58 ff. 83  Siehe die Begriffsanalyse bei Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2044/2045. 84  Opitz, Depotgesetz, §  4 2 Anm.  12 (S.  4 46). 85  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  4 2 Rn.  29; Enchelmaier, Übertragung, S.  502 f.

§  2  Charakteristika

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ten“ aufweisen, „modifiziert um die Eigenschaften, die die unverkörperten von den verkörperten Effekten unterscheiden“86. Dem gleichen Verständnis folgt das schweizerische Kapitalmarktrecht. Wie sich aus Art.  2 lit.  b FinfraG i. V. m. Art.  973c OR ergibt, gelten „nicht verurkundete Rechte“ dort als Wertrechte, wenn sie die gleiche Funktion wie vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere haben. Freilich ist die Terminologie auch in der Schweiz nicht einheitlich. So stellt Brunner dem engen, kapitalmarktrechtlichen Wertrechtsbegriff einen weiten Wertrechtsbegriff gegenüber, um auch körperlose Positionen außerhalb der Kategorie der Kapitalmarkttitel erfassen zu können. Als „Wertrechte im weiten Sinn“ qualifiziert er alle unverkörperten Rechte, „welche bei Finanzintermediären, die der öffentlich-rechtlichen Aufsicht unterstehen, verbucht und durch Umbuchung übertragen werden“87. Daß Brunner auch Miteigentumsrechte an Globalurkunden zu den – wenn auch atypischen – Wertrechten zählt88, macht die Lage nicht übersichtlicher. Da dieser Teil der Arbeit den Zweck verfolgt, die Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung darzustellen, tut er gut daran, den Begriff des Wertrechts möglichst neutral zu fassen und nationale Besonderheiten in der rechtlichen Ausgestaltung so weit wie möglich außer Betracht zu lassen. So läßt sich die deutsche Diskus­sion über diesen Begriff nur vor dem Hintergrund von §  6 Abs.  2 BSchuWG verstehen, der bestimmt, daß die in das Bundesschuldbuch auf den Namen einer Wertpapiersammelbank eingetragenen Sammelschuldbuchforderungen als Wertpapiersammelbestände i. S. des Depotgesetzes gelten. Diese Gleichstellungsfiktion hat in der Schweiz, wo die Dematerialisierung des Effektenverkehrs etwas weiter fortgeschritten ist als hierzulande, keine Parallele. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Diskussion über den Wertrechtsbegriff und die rechtliche Behandlung unverurkundeter Rechte dort einen anderen Verlauf als in Deutschland genommen hat. In Anbetracht dessen sollen im folgenden unter „Wertrechten“ in Anlehnung an Brunner alle unverbrieften Anteils- und Gläubigerrechte verstanden werden, die ihrer Art nach auf Depotkonten verbucht werden können89. Daß diese weite Definition nichts über die Natur der Rechtsposition des Inhabers und die Regeln aussagt, nach denen über diese Position verfügt werden kann, ist kein Mangel, sondern ein Vorzug, weil sich mit ihr „körperlose“ Werte in den unterschiedlichsten Verwahrsystemen erfassen lassen90. Der Begriff „Bucheffekten“ wird zunächst vermieden und an späterer Stelle geklärt. Doch sei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß dieser Begriff im schweizerischen Recht seit Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes mit einer 86 

Stüdemann, Bucheffekten, S.  58. Christoph Brunner, Wertrechte, S.  189. 88  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  195 f. 89  So auch Kreße, WM 2015, 463 f., der die Möglichkeiten der Sammelverwaltung von Wertrechten durch Kreditinstitute untersucht. 90  Kritisch dagegen Costantini, Anknüpfungsgegenstände des internationalen Effektenrechts, S.  31. 87 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

speziellen Bedeutung belegt und vor allem scharf vom Begriff des Wertrechts zu unterscheiden ist. Nach schweizerischem Verständnis ist eine „Bucheffekte“ ein eigenständiges Vermögensobjekt sui generis, das durch Gutschrift auf einem Effektenkonto erworben wird und mit sammelverwahrten Wertpapieren, Globalurkunden oder Wertrechten (!) unterlegt sein kann. Mit Blick auf Brunner, der auch Rechte an Globalurkunden zu den Wertrechten zählt, sei noch einmal klargestellt, daß in dieser Arbeit nur dort von „Wertrechten“ und „Dematerialisierung“ die Rede ist, wo auf die Verbriefung einer Emission vollständig verzichtet wird. Werden noch Wertpapiere – und sei es nur eine einzige Globalurkunde – ausgestellt und bei einem Zentralverwahrer hinterlegt, um fortan als unbewegte Unterlage von Depotbuchungen zu dienen, wird dagegen von „Immobilisierung“ gesprochen91. Im Schrifttum wird der Begriff „Dematerialisierung“ mitunter in einem weiteren Sinne gebraucht, und zwar als Oberbegriff für die schrittweise „Entstückelung“ des Effektenwesens92 . Dagegen ist nichts einzuwenden, solange damit lediglich gesagt werden soll, daß es sich bei der Sammelverwahrung von Wertpapieren, der Hinterlegung einer Globalurkunde und der Einbringung von Wertrechten um drei grundsätzlich austauschbare Techniken handelt, die physische Zirkulation effektiver Stücke durch Buchungsabläufe zu ersetzen93. Auch für die praktische Abwicklung des Effektengiroverkehrs ist es ohne Belang, ob die Depotgutschriften mit Urkunden oder bloßen Registereinträgen unterlegt sind. Gleichwohl empfiehlt es sich schon aus rechtlich-konstruktiven Gründen, zwischen „Immobilisierung“ und „Dematerialisierung“ (i. e. S.) eine klare Trennlinie zu ziehen94. Denn jedenfalls vom theoretischen Ausgangspunkt her können die Grundsätze des Wertpapierrechts nur dann für die Bestimmung der Rechtsposition des Investors und die Erklärung der 91  Siehe die Legaldefinition in Art.  2 Abs.  1 Nr.  3 CSDR: „die zentrale Verwahrung von Wertpapierurkunden bei einem Zentralverwahrer in einer Weise, die es ermöglicht, anschließende Verbuchungen im Effektengiroverkehr vorzunehmen“; ferner CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Glossary, S.  176: „The act of concentrating the location of securities in a depository and transferring ownership by book entry“. Nur in der Formulierung abweichend die Definition der Group of Thirty, Global Clearing and Settlement, S.  134: „Placement of certificated securities and financial instruments in a central securities depository to facilitate book-entry-transfers“. Siehe auch Benjamin, Interests in Securities, Rn.  1.80; Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.9. Abweichend Ooi, Conflict of Laws, Rn.  6.26, die dieses funktionale Verständnis für wenig hilfreich hält und das eigentliche (rechtliche) Charakteristikum der Immobilisierung darin erkennt, daß ein Verwahrer anstelle der einzelnen Investoren dauerhaft in das Register des Emittenten eingetragen wird mit der Folge, daß sich spätere Übertragungen nur auf den Depotkonten der Investoren vollziehen. Aber dieses Verständnis ist ausschließlich auf registrierte Wertpapiere ­anglo-amerikanischer Prägung ausgerichtet und läßt sich daher nicht verallgemeinern. 92  Horn, Europäisches Finanzmarktrecht, S.  116 ff.; ders., in: Festschrift für Hadding, S.  893 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  7 ff.; Druey, SAG 59 (1987), 65; Than, in: Festschrift für Schimansky, S.  821, 828 ff.; Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 125 ff. 93  In diesem Sinne auch die in Fn.  92 genannten Autoren. Siehe auch Benjamin, Interests in Securities, Rn.  1.79 (S.  23): Immobilisierung und Dematerialisierung als „two broad models for electronic settlement“. 94  Das tut auch die CSDR, die in Art.  2 Abs.  1 Nr.  4 unter der „dematerialisierten Form“ die Tatsache versteht, „dass Finanzinstrumente nur in Form von buchmäßigen Aufzeichnungen bestehen“.

§  2  Charakteristika

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Abläufe im Effektengiroverkehr herangezogen werden, wenn tatsächlich noch eine Urkunde existiert95. Bei Wertrechten muß die Anwendbarkeit dieser Grundsätze fingiert werden96. Aber auch aus rechtspolitischer Sicht hat die Unterscheidung ihre Berechtigung. Denn für Länder, die bislang an einem papiergebundenen Effektengirosystem festgehalten haben, stellt sich die Frage, welche praktischen oder rechtlichen Vorteile ein Übergang vom Wertpapier zum Wertrecht haben könnte. b) Arten Die im Wertpapierrecht übliche Unterteilung in Inhaber-, Order- und Rektapapiere läßt sich auf Wertrechte nicht übertragen. Denn bei ihnen ergibt sich die Berechtigung aus einem schlichten Bucheintrag, nicht aus der Innehabung einer mit bestimmten Eigenschaften ausgestatteten Urkunde97. Eine gewisse Annäherung an die wertpapierrechtliche Kategorisierung, die ja danach vorgenommen wird, wie der aus der Urkunde Berechtigte bestimmt wird, ergibt sich aber dann, wenn man nach der Anonymität des Anlegers gegenüber dem Emittenten fragt. Ist der Investor selbst in das Wertrechtsregister des Emittenten eingetragen, wäre demgemäß von Namenswertrechten zu sprechen. Ist anstelle des Anlegers der Zentralverwahrer (oder ein anderer Intermediär) als nominee im Register eingetragen und die Berechtigung des Anlegers nur aus seinem Depotkonto ersichtlich, hätte man es mit Inhaberwertrechten zu tun98. In diesem Sinne unterscheidet man in Frankreich, das sein Recht der valeurs mobilières in den 1980er Jahren als eines der ersten Länder überhaupt auf ein vollständig dematerialisiertes System umgestellt hat, zwischen „titres nominatifs“ und „titres au porteur“99. In Deutschland ist die Unterteilung in Namens- und Inhaberwertrechte der Sache nach im BSchuWG angelegt, das zwischen Einzel- und Sammelschuldbuchforderungen differenziert (§§  6, 7 BSchuWG). Ungeachtet dessen bestand hierzulande aber bislang kein Anlaß, diese gesetzlich vorgegebene und gut eingeführte Terminologie um das in seiner Aussagekraft begrenzte Begriffspaar Namenswertrechte/Inhaberwertrechte zu erweitern.

4.  Funktionsverlust des Wertpapiers Nach der klassischen, auf Heinrich Brunner100 zurückgehenden Definition ist ein Wertpapier eine Urkunde, die ein privates Recht in der Weise verbrieft, daß zur Aus95  Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  10. 96  Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  28. 97  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  190. 98  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  190. 99  Eingehend zu dieser Unterscheidung Haentjens, Harmonisation of Securities Law, S.  96 ff. 100 Die Werthpapiere, in: Endemann (Hrsg.), Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, Zweiter Band, S.  147: „Werthpapier ist eine Urkunde über ein Privatrecht, dessen Verwertung durch die Innehabung privatrechtlich bedingt ist“.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

übung des Rechts die Innehabung der Urkunde erforderlich ist101. Präzisiert man diese Umschreibung, so liegt das charakteristische Merkmal des Wertpapiers im Vorhandensein einer sog. doppelseitigen, d. h. sowohl zugunsten des Berechtigten als auch des Verpflichteten wirkenden Präsentationsklausel102: Der Berechtigte kann das verbriefte Recht nur gegen Vorlage der Urkunde geltend machen, der Verpflichtete nur gegen Vorlage der Urkunde mit befreiender Wirkung leisten. In diesen Eigenschaften zeigt sich die Legitimations- und Liberationsfunktion des Wertpapiers, die bei Inhaber- und indossierten Orderpapieren – den sog. Wertpapieren des öffentlichen Glaubens – durch die der Steigerung der Umlauffähigkeit dienende Transportfunktion („Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier“) und die damit einhergehende Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten ergänzt wird103. Werden Wertpapiere in ein mediatisiertes Verwahrsystem eingebracht, büßen sie diese Funktionen nahezu vollständig ein104 . Denn die Rechtszuständigkeit des Anlegers ergibt sich nicht aus der tatsächlichen Sachherrschaft über ein Papier, sondern einzig und allein aus der Depotgutschrift. Einer physischen Übergabe der Urkunden bedarf es weder zur Übertragung noch zur Verpfändung der Wertpapiere. Sowohl bei der Sammelverwahrung von Einzelstücken als auch bei der Hinterlegung einer Globalurkunde, bei der die „Vorlage“ einzelner Anteile bereits technisch ausgeschlossen ist, bilden die in den Tresoren der Zentralverwahrer lagernden Urkunden nur noch die rechtlich-konstruktive Grundlage reiner Buchungsvorgänge, ohne körperlich als Gegenstand des Rechtsverkehrs in Erscheinung zu treten105. Da von einer „Innehabung“ des Papiers im Sinne des hergebrachten Wertpapierbegriffs keine Rede sein kann, scheidet diese auch als Vertrauenstatbestand im Rahmen des Gutglaubenserwerbs aus. Auch insoweit bleibt nur der Rückgriff auf die Depotgutschrift106. Auch im Verhältnis zum Emittenten kommt den „stillgelegten“ Wertpapieren keinerlei Bedeutung als Legitimationsnachweis zu. Das Inkasso von Zinsen und Divi-

101  Eingehend zum Wertpapierbegriff Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, S.   1 ff.; Zöllner, Wertpapierrecht, S.  1, 15 ff. Siehe auch die Legaldefinition in Art.  965 des schweizerischen OR: „Wertpapier ist jede Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere übertragen werden kann.“ 102  Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  2 Rn.  28/29 und Rn.  231. 103  Zu den Einzelheiten MünchKomm-HGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Rn.  27 ff.; Zöllner, Wertpapierrecht, S.  22 ff. 104  Eingehend zum Funktionsverlust des Wertpapiers bereits Christoph Brunner, Wertrechte, S.  55 ff.; Dechamps, Wertrechte, S.  14 ff.; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, S.  14 ff.; Lütticke, Elektronische Verbriefung, S.  130 ff.; Peters, Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S.  26 ff.; Wust, Verbuchung, S.  218 ff.; Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 131 ff. 105  Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 255; siehe ferner Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2042; Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 399 („Im Bereich der Effekten hat das Wertpapier als Urkunde sein ,Recht auf Leben‘ verwirkt“.); Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 132 f. 106  Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 133.

§  2  Charakteristika

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denden wird vom Zentralverwahrer im Auftrag seiner Kunden besorgt107. Dabei geben sich die Emittenten regelmäßig mit einer schriftlichen Verwahrbestätigung zufrieden, ohne auf der Vorlage der Coupons zu bestehen108. Auch soweit es um die Berechtigung eines Aktionärs zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts geht, reicht bei Inhaberaktien ein vom depotführenden Institut erstellter Nachweis des Anteilsbesitzes aus. Das hat der deutsche Gesetzgeber für börsennotierte Gesellschaften erst vor wenigen Jahren klargestellt (§  123 Abs.  3 Satz  2 AktG109). Die Umschreibung des Aktienregisters bei der Übertragung von Namensaktien setzt ebenfalls nicht die Vorlage der Urkunde voraus. Vielmehr sind gemäß §  67 Abs.  4 AktG die bei der Übertragung mitwirkenden Kreditinstitute verpflichtet, der Gesellschaft die für die Führung des Aktienregisters erforderlichen Angaben zu übermitteln. Sie tun dies, indem sie der Clearstream Banking AG einen Umschreibungsauftrag übermitteln, der dann von dieser an den Emittenten bzw. Registerführer weitergeleitet wird110. Kurzum: Als „Sache für Bestand, Ausübung oder Übertragung des Rechts“111 spielt das zentralverwahrte Wertpapier praktisch keine Rolle mehr. Bei Wertrechten kommt eine Präsentation oder Übergabe ohnehin nicht in Betracht. Hier kann man nicht einmal mehr von „Hinterlegung“ und „Verwahrung“, sondern nur noch „Eintragung“ und „Verwaltung“ sprechen.

107 

Siehe Ziffer XV AGB-CBF. Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  72. 109  Neugefaßt durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Aktienrechts (UMAG) vom 22. September 2005, BGBl. I, S.  2802. 110  Zu den Einzelheiten siehe CBF-Kundenhandbuch, S.  7-1 ff.; Than/Hannöver, in: von Rosen/ Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, S.  279, 289 ff. 111  Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 250 in Fn.  1. 108 

§  3  Rechtliche Ausgestaltung I.  Heterogenität der Verwahrungskonzepte Wie wir gesehen haben, ist allen mediatisierten Verwahrsystemen in funktionaler Hinsicht gemeinsam, daß (verbriefte oder unverbriefte) Finanzwerte auf Depotkonten erfaßt und nach dem Vorbild des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch Umbuchungen übertragen werden. Richtet man den Blick auf die rechtliche Ausgestaltung dieser Systeme in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen, insbesondere darauf, welche Rechtsposition der Kunde mit der Depotgutschrift erwirbt und nach welchen Regeln über diese Position verfügt wird, so zeigt sich allerdings kein einheitliches Bild. Im Gegenteil läßt eine rechtsvergleichende Umschau eine faszinierende Vielfalt an Konzepten erkennen112 , die im wesentlichen auf zwei eng miteinander verwobene Ursachen zurückzuführen ist: Einmal auf die – z. T. durch aufsichtsrechtliche und steuerliche Vorgaben bedingten – Unterschiede in der Emissionspraxis, namentlich die Tatsache, daß beispielsweise in England und den USA registered secu­ rities vorherrschend sind, während in vielen kontinentaleuropäischen Ländern immer noch in großem Umfang Inhaberpapiere ausgegeben werden113; zum anderen auf die unterschiedlichen Rechtstraditionen, d. h. die Prägung der nationalen Verwahrrechte durch die jeweiligen Eigenheiten des Zivil-, Gesellschafts-, Insolvenzund Wertpapierrechts. Diese Prägung ist in Ländern, in denen die mediatisierte Wertpapierverwahrung noch mit Hilfe herkömmlicher Rechtsfiguren und Vorschriften bewältigt wird, naturgemäß besonders stark. Sie ist aber auch in den Ländern nicht zu übersehen, die sich von hergebrachten Vorstellungen mehr oder weniger gelöst und das Depotwesen auf eine spezialgesetzliche Grundlage gestellt haben. Daß die pfadabhängige Entwicklung der Verwahrrechte, die Micheler am Beispiel

112 Siehe Paech, Cross-border issues of securities law, S.  14: „There are as many different legal frameworks as there are jurisdictions“; siehe ferner ders., in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  22, 30 ff. 113 Siehe Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 408 f. mit dem Hinweis, daß die fast ausschließliche Ausgabe von registered shares durch englische und US-amerikanische Gesellschaften Verwahrungskonzepte unter Einschaltung von „Nominees“ begünstigt hat. Zu den steuerlichen Hintergründen siehe etwa Benjamin, Interests in Securities, Rn.  2.06 (S.  32). In Frankreich soll hinter der Abschaffung von Inhaberaktien und -obligationen zum 1. November 1984 das Verlangen nach „totaler fiskalischer Transparenz“ gestanden haben; siehe Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 388; Viandier, AG 1984, 169, 170.

§  3  Rechtliche Ausgestaltung

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des englischen, deutschen und österreichischen Rechts aufgezeigt hat114, nicht nur von Divergenzen im Detail, sondern auch von Unterschieden im Grundsätzlichen beeinflußt worden ist, zeigt sich etwa an den keineswegs einheitlichen Vorstellungen darüber, was ein Wertpapier ausmacht und welche Funktionen es hat115. Wer die Rechtslage genauer betrachtet, wird im übrigen feststellen, daß die Heterogenität der Verwahrungskonzepte kein auf die rechtsvergleichende Perspektive beschränktes Phänomen ist. Nicht selten nämlich gelangen sogar innerhalb ein und derselben Rechtsordnung unterschiedliche Modelle nebeneinander zur Anwendung je nachdem, um welche Art von Effekten es geht und ob diese im In- oder Ausland verwahrt werden.

II. Kategorisierungsansätze 1.  Immobilisierung versus Dematerialisierung Fragt man nun, anhand welcher Kriterien sich die verschiedenen Verwahrungskonzepte kategorisieren lassen, so könnte man zunächst daran denken, die bereits dargestellte Unterscheidung zwischen Immobilisierung und Dematerialisierung aufzugreifen und Verwahrungskonzepte, die an das Vorhandensein von Wertpapieren anknüpfen, von Konzepten abzugrenzen, die auf Wertrechte zugeschnitten sind. Dieser Kategorisierungsansatz scheint sich aus zwei Gründen aufzudrängen: Zum einen, weil die Grundsätze des Wertpapierrechts prinzipiell nur dort zur Anwendung gebracht werden können, wo zumindest noch eine Globalurkunde existiert; zum anderen, weil Wertrechte im Unterschied zu Wertpapieren keinen physischen Lageort im Sinne der lex cartae sitae haben, so daß sich bei der Bestimmung des auf eine grenzüberschreitende Transaktion anwendbaren Rechts die Frage nach einem alternativen Anknüpfungsmoment stellt116. Im alten schweizerischen Recht wurde denn auch strikt zwischen einem „sachenrechtlichen“ und einem „schuldrechtlichen“ Verwahrungskonzept differenziert117: Die Übertragung von (Miteigentumsanteilen an) sammelverwahrten Wertpapieren und Globalurkunden richtete sich nach sachenrechtlichen Regeln, die Übertragung von Wertrechten nach Zessionsrecht. Das auf die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einer Urkunde anwendbare Recht be114 

Micheler, Property in Securities, 2007. wird sich eine Rechtsordnung wie die englische, in der die Eintragung im Register des Emittenten der für den Rechtswerb entscheidende Akt ist und den über registered securities ausgestellten Zertifikate nur die Eigenschaft von Beweisdokumenten zukommt (dazu Benjamin, Interests in Securities, Rn.  2.07), tendenziell leichter damit tun, über kurz oder lang ganz auf die Ausstellung von Dokumenten zu verzichten, als eine Rechtsordnung, in der das Effektengirosystem noch auf Wertpapieren mit Transportfunktion basiert. 116  Siehe vorerst nur Benjamin, Interests in Securities, Rn.  1.92 (S.  26). 117  Favre, Die Berechtigung von Depotkunden an auslandsverwahrten Effekten, S.  27 ff., 35 ff.; Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 32 f. 115  So

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

stimmte sich grundsätzlich nach der lex cartae sitae (Art.  100 Abs.  1 IPRG). Die Abtretung eines Wertrechts unterstand dem von den Parteien gewählten Recht oder, wenn ein solches fehlte, dem auf die Forderung anzuwendenden Recht (Art.  145 Abs.  1 IPRG). Bei näherer Betrachtung erweist sich die Aussagekraft einer Kategorisierung nach der Beschaffenheit der Basiswerte allerdings als begrenzt. Denn zum einen ist es für die praktische Abwicklung des Effektengiroverkehrs prinzipiell ohne Belang, ob Depotgutschriften mit Wertpapieren oder Wertrechten unterlegt sind. Zum anderen sind die rechtlichen Unterschiede zwischen zentralverwalteten Wertpapieren und Wertrechten in vielen Rechtsordnungen längst eingeebnet worden, sei es, daß Wertrechte mittels gesetzlicher Anordnung sammelverwahrten Wertpapieren gleichgestellt wurden (wie z. B. in Deutschland und Österreich), sei es, daß für alle Arten zentralverwalteter Kapitalmarktwerte eigenständige Regeln geschaffen wurden (wie in der Schweiz und den USA). Die Feststellung, daß es neben Ländern, in denen zumindest ein Teil der Effekten noch in Urkunden verbrieft ist118, auch Länder mit einem vollständig dematerialisierten Effektengirosystem gibt119, besagt demnach nicht viel. Auf der Grundlage einer Analyse der Effektengirosysteme Frankreichs, Dänemarks, Norwegens und der USA hat Drobnig diesen Befund schon vor 25 Jahren festgestellt und daraus Schluß gezogen, daß die „rechtlich entscheidende Wende nicht im Übergang von den verbrieften zu den brieflosen Effekten liegt, sondern im Übergang zur Girosammelverwahrung – ohne Rücksicht auf die Form der ,verwahrten‘ Effekten“120. Auch dem Genfer Wertpapierübereinkommen liegt die Überzeugung zugrunde, daß die Funktions- und Konstruktionsweise eines Effektengirosystems nicht von der Form der Basiswerte abhängt (oder abhängen sollte). Nach dem Verständnis des Übereinkommens kommen intermediated securities121 zur Entstehung, „when cer­ tificated or uncertificated securities are brought into the intermediated holding system and are credited to a securities account“122 . Auch im Hinblick auf das interna­tio­ nale Privatrecht besteht mittlerweile Einigkeit darin, daß es nicht sachgerecht ist, Wertpapiere und Wertrechte unterschiedlich zu behandeln, zumal die Anknüpfung an den Belegenheitsort der Wertpapiere den Besonderheiten der mediatisierten Wertpapierverwahrung ohnehin nicht gerecht wird123. 118  Dazu gehören z. B. Belgien, Deutschland, Kanada, Luxemburg, Österreich, die Schweiz und die USA. 119  Dazu gehören z. B. Dänemark, Finnland, Frankreich, Japan, Norwegen und Schweden. Zum Effektengirosystem Japans siehe etwa Kanda, in: Festschrift für Hopt, S.  3105 ff. 120  Drobnig, in: Kreuzer (Hrsg.), Abschied vom Wertpapier?, S.  11, 24. Ebenso Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  10 (Immobilisierung als „key feature of the indirect holding system“). 121  Siehe Art.  1(b) GWpÜ: „securities credited to a securities account or rights or interests in securities resulting from the credit of securities to a securities account“. 122  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  1-19 (Hervorhebung vom Verf.). 123  Zu den Gründen dafür siehe ausführlich unter §  5 II 5 b) bb).

§  3  Rechtliche Ausgestaltung

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2.  Natur der Rechtsposition des Anlegers Viel deutlicher fällt die Heterogenität der Verwahrungskonzepte ins Auge, wenn man den Blick auf die Natur der Rechtsposition des Anlegers und die damit zusammenhängende Frage richtet, ob und wie dessen Bestände in der Insolvenz des Zen­ tralverwahrers oder – praktisch bedeutsamer – des eigenen Intermediärs gegen Gläubigerzugriffe gesichert sind. Die Sammelverwahrung von Wertpapieren wird so gut wie nie als Fall der unregelmäßigen Verwahrung (depositum irregulare) eingeordnet124 . Der Grund dafür liegt darin, daß bei dieser Verwahrungsform „das Eigentum sofort auf den Verwahrer oder einen Dritten übergeht und der Verwahrer nur verpflichtet ist, Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren“ (§  15 Abs.  1 DepotG). Der Hinterleger bleibt also mit einem schuldrechtlichen Herausgabeanspruch zurück und erhält in der Insolvenz des Verwahrers bloß die Insolvenzquote auf den Wert seiner Papiere. Da ein solches Szenario für den Depotkunden „desaströs“ wäre125, wird die Sammelverwahrung typischerweise nach Regeln behandelt, die dem Hinterleger entweder irgendeine Art von Eigentum an den Wertpapieren belassen oder mithilfe einer funktional gleichwertigen Lösung für Insolvenzschutz sorgen. Auch in bezug auf Wertrechte trifft man auf eine ganze Bandbreite an Lösungen, die mal mehr, mal weniger an traditionelle wertpapierrechtliche Vorstellungen angelehnt sind, aber allesamt zum Ziel haben, dem Anleger eine insolvenzsichere Rechtsposition zu verschaffen. Und genau hier, zwischen am klassischen Wertpapiereigentum orientierten Konzepten auf der einen Seite und Konzepten mit einer funktional äquivalenten Alternativlösung auf der anderen Seite, verläuft nach Ansicht von ­Haentjens die Haupttrennlinie126.

3.  Rechtsträgerschaft an den Basiswerten Ein vollständiges Bild von der Heterogenität der Verwahrungskonzepte ergibt sich allerdings erst dann, wenn man noch berücksichtigt, daß hinter den vielfältigen Ansätzen zur Charakterisierung der Rechtsposition des Anlegers zwei unterschiedliche Grundkonzepte stehen127. Die für die Abgrenzung dieser Konzepte maßgebliche Frage lautet: Wer ist rechtlicher Eigentümer bzw. Inhaber der in das Verwahrsystem eingebrachten Kapitalmarktwerte, der Anleger an der Basis der Pyramide oder ein in die Buchungskette eingegliederter Intermediär? Anders gewendet: Wer ist der gegenüber dem Emittenten unmittelbar Berechtigte und folglich als Aktionär bzw. Gläubiger anzusehen? Es waren die Arbeiten am Haager und am Genfer Wertpapierüber124  Für eine Ausnahme in den Niederlanden siehe Haentjens, Harmonisation of Securities Law, S.  136 ff. mit Blick auf Verwahrungsverhältnisse außerhalb des Anwendungsbereichs des Wet giraal effectenverkehr (Wge) von 1977. 125  So die plastische Formulierung von Goode, in: Oditah (Hrsg.), The Future for the Global Securities Market, S.  112, 119. 126  Haentjens, Harmonisation of Securities Law, S.  34. 127 Siehe Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 402.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

einkommen, die den Blick dafür geschärft haben, daß im internationalen Verkehr vor allem dann Rechtsunsicherheiten entstehen, wenn Systeme aufeinandertreffen, die auf diese Frage keine übereinstimmende Antwort geben. a)  Direkte Rechtsträgerschaft In die erste Kategorie fallen jene Konzepte, bei denen der Anleger selbst rechtlicher Inhaber der Kapitalmarktwerte und somit unmittelbar gegenüber dem Emittenten berechtigt ist. Gemeinsam ist diesen Konzepten das Prinzip, daß durch die Einbringung von Effekten in ein Verwahrsystem die Berechtigung des Hinterlegers an den Effekten nicht aufgehoben wird und infolgedessen auch das mitgliedschaftliche oder schuldrechtliche Band zum Emittenten erhalten bleibt. Soweit es um verbriefte Kapitalmarktwerte geht, zeichnen sich diese Konzepte also dadurch aus, daß durch die Sammelverwahrung der Papiere beim Zentralverwahrer das Eigentum des Hinterlegers an den Papieren zwar modifiziert, aber grundsätzlich beibehalten wird. Die Intermediäre fungieren als Verwahrer und Verwalter der Wertpapiere, ohne selbst deren Inhaber zu sein. Sie haben den Anlegern bei der Ausübung aller mit den Effekten verbundenen Rechte behilflich zu sein und sämtliche Erträge (Zinsen, Dividenden usw.) an sie weiterzuleiten, aber selber keine Ansprüche darauf. Die Gewährleistung von Insolvenzschutz bereitet bei diesen Modellen kein grundsätzliches Problem, da die Basiswerte den Anlegern gehören und daher zumindest rechtlich dem Zugriff von Drittgläubigern entzogen sind128. Costantini faßt Modelle dieser Art unter dem Oberbegriff „Look-through-Konzepte“ zusammen129. Für diese Terminologie spricht, daß man in der Tat durch die gesamte Verwahrpyramide „schauen“ muß, um die rechtlichen Inhaber der Effekten zu ermitteln. Doch abgesehen davon, daß der Begriff „Look-through-Konzept“ viel zu sperrig ist, könnte er auch zu dem Mißverständnis verleiten, ein solches „Hindurchschauen“ sei bei jedem Verwahrsystem ohne weiteres möglich. Das ist aber bei intransparenten Systemen, bei denen dem Zentralverwahrer nur seine eigenen Kunden bekannt sind, gerade nicht der Fall130. Daher sollte man besser mit Thévenoz von „direct ownership“-Konzepten131 oder von „Konzepten mit direkter Rechtsträgerschaft“ sprechen132 . Costantinis Kategorisierungsansatz bedarf auch insofern der Präzisierung, als er das entscheidende Kriterium für die Abgrenzung zwischen „Look-through-Konzepten“ und „Not-look-through-Konzepten“ darin erkennt, „ob 128 

Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 405. Costantini, Anknüpfungsgegenstände, S.  23, 50 ff. 130  Das erkennt auch Costantini, Anknüpfungsgegenstände, S.  24, wenn er vorschlägt, innerhalb dieser Gruppe zwischen „Look-through-Konzepten mit fungible accounts“ und „Look-throughKonzepten mit non-fungible accounts“ zu differenzieren. 131  Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 404. 132  In diesem Sinne auch Beeler, Bucheffekten, Rn.  145: Systeme mit unmittelbarer Zuordnung der ausgegebenen Effekten; siehe ferner Born, Kollisionsrecht, S.  28: stufenübergreifende Konstruktion. 129 

§  3  Rechtliche Ausgestaltung

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die Effektengeschäfte durch Übertragung der Rechtsposition gegenüber dem Emittenten erfüllt werden oder nicht“133. Sollte der Begriff „Übertragung“ technisch, also im Sinne eines derivativen Rechtserwerbs zu verstehen sein, wäre dies zu eng. Denn eine „Übertragung“ von Depotwerten kann auch so konstruiert sein, daß die Berechtigung des Veräußerers gegenüber dem Emittenten mit der Ausbuchung der Werte aus seinem Konto erlischt und der Erwerber mit der Gutschrift in seinem Konto originär eine neue Berechtigung erwirbt. b)  Indirekte Rechtsträgerschaft Auf der anderen Seite stehen Konzepte, bei denen die Rechtsträgerschaft an den Kapitalmarktwerten dem Zentralverwahrer oder einem sonstigen in die Verwahrkette eingegliederten Intermediär zugewiesen ist und sich die Rechtsstellung des Anlegers im Prinzip auf Ansprüche gegen den depotführenden Intermediär beschränkt. Hier ist es also einzig und allein der betreffende Intermediär, der in unmittelbarer rechtlicher Beziehung zum Emittenten steht und als Aktionär bzw. Gläubiger in dessen Register verzeichnet ist, sei es unter seinem eigenen Namen oder repräsentiert durch einen Platzhalter (nominee)134 . Für die Vorstellung, der Anleger habe dingliche Rechte an bestimmten über eine Buchungskette gehaltenen Wertpapieren, ist in diesen Konzepten kein Platz. Freilich wird der Anleger so gestellt, als wenn er selbst Aktionär bzw. Gläubiger wäre. Er erhält eine Art wirtschaftliches Eigentum an „seinen“ Kapitalmarktwerten. Dazu wird ihm ein Bündel von Ansprüchen gegen seinen Intermediär eingeräumt, die allesamt darauf gerichtet sind, letztlich ihn in den Genuß aller mit den Werten verbundenen Rechte kommen zu lassen. Dieses Bündel umfaßt insbesondere das Recht auf Auskehrung der Erträge sowie das Recht, über die Ausübung der Mitgliedschafts- bzw. Gläubigerrechte einschließlich des Stimmrechts zu entscheiden. Überdies kann der Intermediär verpflichtet sein, die Kapitalmarktwerte auf Verlangen des Anlegers aus dem Verwahrsystem herauszunehmen und sie beispielsweise in Form von effektiven Stücken an ihn zu übergeben, sofern dies nach Form und Inhalt der Werte möglich ist. Um den Intermediär in die Lage zu versetzen, diese Pflichten gegenüber dem Kontoinhaber zu erfüllen, erhält er seinerseits ein entsprechendes Bündel an Ansprüchen gegen den übergeordneten Intermediär (z. B. den Zentralverwahrer). Eine „Übertragung“ dieses Bündels findet im Effektengiroverkehr nur im untechnischen Sinne statt. Denn die Umbuchung von Depotwerten hat zur Folge, daß die Berechtigung des Veräußerers gegenüber seinem Intermediär erlischt und der Begünstigte originär eine Berechtigung gegen seinen Intermediär erwirbt135. Das Problem des Insolvenzschutzes wird in Konzepten dieser Art typischerweise so gelöst, daß der von einem Intermediär (z. B. in Form von Ansprüchen gegen einen 133 

Costantini, Anknüpfungsgegenstände, S.  51. Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 407. 135  Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 408. 134 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

übergeordneten Intermediär) gehaltene Deckungsbestand der jeweiligen Gattung den Depotkunden zugeordnet und nicht zum haftenden Vermögen des Intermediärs gerechnet wird. Bezüglich dieses Deckungsbestandes wird den Depotkunden eine Art Miteigentumsrecht eingeräumt, das sie im Konkurs des Intermediärs zur Aussonderung berechtigt. Damit dieser Insolvenzschutz nicht ins Leere läuft, gehört die Vermeidung von Unterbeständen (shortfalls) zu den Kardinalpflichten eines Intermediärs. Er muß stets so viele Effekten verfügbar halten, daß die Guthaben der Kunden vollständig abgedeckt sind. Da die Rechtsposition des Anlegers somit auch eine auf den Deckungsbestand des Intermediärs bezogene dingliche Komponente aufweist, wäre es irreführend, wenn nicht unzutreffend, Konzepte dieser Art als „schuldrechtlich“ zu bezeichnen. Costantini faßt sie unter dem Oberbegriff „Not-look-­ through-Konzepte“ zusammen136. Thévenoz verwendet die um einiges griffigere Bezeichnung „multi-tiered entitlement“-Systeme137. In Anlehnung daran könnte man auch von „Konzepten mit indirekter Rechtsträgerschaft“ oder „Konzepten mit stufenweiser Berechtigung“ sprechen138.

III.  Ausgewählte Rechtsordnungen im Überblick Die Unterscheidung zwischen Konzepten mit direkter und indirekter Rechtsträgerschaft sollte nicht überbewertet werden, weil es innerhalb dieser beiden Gruppen jeweils eine große Vielfalt von Systemen mit jeweils eigenen Besonderheiten gibt139. Und es wäre auch gewagt zu behaupten, daß die Trennlinie zwischen Konzepten mit direkter und solchen mit indirekter Rechtsträgerschaft exakt parallel zur Trennlinie zwischen civil law- und common-law-Jurisdiktionen verläuft140. Dies vorausgeschickt, sollen nun vier ausgewählte (Depot-)Rechtsordnungen im Überblick vorgestellt werden. Die Ausführungen zum deutschen und schweizerischen Recht können, da diese Rechtsordnungen im zweiten bzw. dritten Teil der Arbeit eingehend behandelt werden, knapp ausfallen (unter 1 und 2). Etwas mehr Aufmerksamkeit ist dem US-amerikanischen sowie dem englischen Recht zu widmen (unter 3 und 4). 136 

Costantini, Anknüpfungsgegenstände, S.  24, 50 ff. Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 406. 138 Ähnlich Beeler, Bucheffekten, Rn.  145: relative Systeme, welche auf der rein schuldrechtlichen Beziehung zwischen Kontoinhaber und unmittelbarer Verwahrungsstelle aufbauen; ferner Born, Kollisionsrecht, S.  30: stufenweise Konstruktion. 139  Darauf wird zu Recht hingewiesen von Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 409 f. 140  Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 410. Siehe auch (aus japanischer Sicht) Kanda, in: de Vauplane (Hrsg.), 20 ans de dématerialisation des titres en France, S.  223, 229: „With various experiences in a mixed legal system, this author submits that the distinction between common law and civil law traditions is not always helpful in certain areas of the law. In the field of intermediated investment securities, he believes that as a descriptive matter, the distinction does not help to show the current state of legal rules in various countries.“ 137 

§  3  Rechtliche Ausgestaltung

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1. Deutschland Deutschland zählt zu den Ländern, in denen unterschiedliche Verwahrungskonzepte zur Anwendung kommen je nachdem, um welche Art von Effekten es sich handelt und wo diese deponiert sind141. Was die Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland betrifft, ist das deutsche Depotrecht noch ganz klassischen wertpapierrechtlichen Vorstellungen verhaftet: Die Hinterleger bzw. späteren Erwerber werden, wie bereits in der Einführung erwähnt, als Miteigentümer und mittelbare Mitbesitzer der bei der Clearstream Banking AG zu Girosammelbeständen vereinigten Wertpapiere betrachtet. Gegenstand des Effektengiroverkehrs sind somit Miteigentumsanteile an Einzel- oder Globalurkunden einer bestimmten Gattung (§§  6 Abs.  1, 9a Abs.  2 i. V. m. §  24 Abs.  1 DepotG). Die Übertragung und Verpfändung der Miteigentumsanteile – im Sprachgebrauch der Praxis: Girosammelanteile – richtet sich der hergebrachten Lehre zufolge nach den Vorschriften für bewegliche Sachen (§§  929 ff., 1204 ff. BGB), womit grundsätzlich auch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten eröffnet ist. Der Schutz der Anleger in der Insolvenz des Verwahrers ergibt sich zwanglos aus §  47 Satz  1 InsO, der jedem Miteigentümer ein Aussonderungsrecht gewährt. Dieses sachenrechtliche Konzept gilt auch die für unverbrieften Sammelschuldbuchforderungen des Bundes und der Länder. Zwar werden in das Schuldbuch nicht die einzelnen Anleger, sondern die Clearstream Bank­ing AG eingetragen. Auf den ersten Blick scheint also ein Konzept mit indirekter Rechtsträgerschaft vorzuliegen. Doch ordnet das BSchuWG in §  6 Abs.  2 Satz  1 und 2 an, daß die Sammelschuldbuchforderung als Wertpapiersammelbestand „gilt“ und daß die Gläubiger als Miteigentümer nach Bruchteilen „gelten“. Damit soll klargestellt werden, daß die Anleger materiell Inhaber der Schuldbuchforderung sind und die Clearstream Banking AG als bloße Ermächtigungstreuhänderin fungiert, die zu Verfügungen im eigenen Namen ermächtigt ist (§  185 BGB)142 . Hinsichtlich der Verwahrung von Kapitalmarktwerten im Ausland sind zwei Konstellationen zu unterscheiden. Die erste ist die Verwahrung von Wertpapieren im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung zwischen der Clearstream Banking AG und einem ausländischen Zentralverwahrer143. Gemäß §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 ­DepotG ist die Einrichtung einer solchen Verbindung nur zulässig, wenn „dem Hinterleger hinsichtlich des Sammelbestands dieses Verwahrers eine Rechtsstellung eingeräumt wird, die derjenigen nach diesem Gesetz gleichwertig ist“. Der Gesetzgeber hat zwar erkannt, daß es angesichts der Heterogenität der Verwahrungskonzepte unpraktikabel wäre, eine vollständige Übereinstimmung der maßgeblichen Rechtsvorschriften des anderen Staates mit denen des deutschen Depotrechts zu verlangen. Gleichwohl setzt Gleichwertigkeit aus seiner Sicht voraus, „daß der Hinterleger am 141  Das gilt auch für Österreich, dessen Depotrecht weitgehend dem deutschen entspricht. Siehe etwa die Darstellung bei Iro, in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg.), Österreichisches Bankvertragsrecht, 4. Kapitel. 142  Ausführlich dazu unten §  7 III 2. 143  Ausführlich zu sog. CSD-Links unten §  4 V.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

Sammelbestand des ausländischen Verwahrers Miteigentum erwerben muß, das ihn im Konkurs des Verwahrers zur Aussonderung berechtigt und ihn gegen etwaige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Sammelbestand schützt“144 . Der Gesetzgeber hatte also offenbar nur sachenrechtliche Konzepte mit direkter Rechtsträgerschaft im Sinn. Damit hat er §  5 Abs.  4 DepotG einen derart engen Anwendungsbereich zugedacht, daß sich die Frage stellt, ob die von der Clearstream Banking AG mit dem Ausland unterhaltenen Kontoverbindungen ausnahmslos auf einem soliden rechtlichen Fundament stehen145. Anders ist die Rechtslage beim sog. Auslandsgeschäft in Wertpapieren, das nur rudimentär in §  22 DepotG geregelt ist und von den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte näher ausgeformt wird146. Werden Wertpapiere von einer Bank vereinbarungsgemäß im Ausland angeschafft und auch dort verwahrt, so beschränkt sich die Pflicht der Bank darauf, sich nach pflichtgemäßem Ermessen unter Wahrung der Interessen des Kunden das Eigentum oder Miteigentum an den Wertpapieren oder eine andere im Lagerland übliche, gleichwertige Rechtsstellung zu verschaffen und diese Rechtsstellung treuhänderisch für den Kunden zu halten. Darüber erteilt sie dem Kunden eine sog. Gutschrift in Wertpapierrechnung (WR-Gutschrift) unter Angabe des Lagerlandes147. Hier handelt es sich folglich um ein Konzept mit indirekter Rechtsträgerschaft, oder, in den Kategorien der Zivilrechtsdogmatik, eine fiduziarische Treuhand. Die Bank ist Inhaberin der im Ausland hinterlegten Wertpapiere bzw. der gleichwertigen Rechtsposition, der Depotkunde Treugeber. Eines der wesentlichen Elemente dieses Treuhandverhältnisses ist ein schuldrechtlicher Anspruch des Kunden auf Herausgabe der Wertpapiere, der sich gemäß Nr.  12 Abs.  4 SBW allerdings auf den von der Bank im Ausland unterhaltenen Deckungsbestand beschränkt. Obwohl ein solcher Anspruch für den Kunden an sich weniger „sicher“ ist als Eigentum, entspricht es fast allgemeiner Ansicht, daß auch dem treuhänderisch berechtigten Depotkunden in der Insolvenz seiner Bank ein Aussonderungsrecht gemäß §  47 InsO zusteht. Ist die Clearstream Banking AG in die Verwahrkette eingegliedert – was der Fall ist, wenn eine Bank auch ihr Auslandsgeschäft über ihr Clearstream-Konto abwickelt –, kommt es zu einem gestuften Treuhandverhältnis: Die Clearstream Banking AG erwirbt das Eigentum an den Wertpapieren bzw. die gleichwertigen Rechtsstellung und hält diese treuhänderisch für ihre Kunden, die ihrerseits Treuhänderin ihres Kunden ist. Die Eingliederung der Clearstream Bank­ ing AG in die Verwahrkette ermöglicht den sog. Treuhandgiroverkehr. Dieser wird faktisch wie der Effektengiroverkehr abgewickelt, folgt aber nicht sachenrechtlichen Grundsätzen, sondern den Grundsätzen der Giroüberweisung.

144 

Regierungsbegr. in BT-Drucks. 10/1904, S.  10 f. Dazu näher am Beispiel der Kontoverbindung mit dem US-amerikanischen Zentralverwahrer DTC unten §  8 III. 146  Nr.  12 SBW. 147  Nr.  12 Abs.  3 SBW. 145 

§  3  Rechtliche Ausgestaltung

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2. Schweiz In der Schweiz ist am 1. Januar 2010 das Bundesgesetz über Bucheffekten (Bucheffektengesetz – BEG) vom 3. Oktober 2008 in Kraft getreten148. Mit ihm ist die mediatisierte Wertpapierverwahrung erstmals auf eine spezialgesetzliche Grundlage gestellt worden, nachdem sie zuvor mit den allgemeinen Bestimmungen des Zivil-, Wertpapier- und Konkursrechts bewältigt worden war, ergänzt und konkretisiert durch wenige punktuelle Sondervorschriften, Börsenregularien und Allgemeine Geschäftsbedingungen. Bis zu seiner Neuordnung wies das schweizerische Depotrecht weitgehende Ähnlichkeiten mit dem deutschen auf. Bei der Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland griff man auf eine Miteigentumskonstruktion, bei der Auslandsverwahrung auf die Rechtsfigur der Treuhand zurück. Nunmehr verfügt es in Gestalt der „Bucheffekte“ über ein neuartiges Vermögensobjekt sui generis, das im Depotgesetz keine Entsprechung hat. Nach der Legaldefinition in Art.  3 Abs.  1 BEG sind Bucheffekten vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten, die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind und über welche die Kontoinhaber nach den Vorschriften des Bucheffektengesetzes verfügen können. Art.  3 Abs.  2 BEG fügt dem hinzu, daß die Bucheffekte der Verwahrungsstelle und jedem Dritten gegenüber wirksam ist und daß sie dem Zugriff der weiteren Gläubiger der Verwahrungsstelle entzogen ist. Daraus ergibt sich zum einen, daß sich die Rechtsposition des Anlegers nicht in Ansprüchen gegen den eigenen Verwahrer erschöpft, sondern auch die Rechte gegenüber dem Emittenten umfaßt, was durch Art.  13 Abs.  1 BEG noch bekräftigt wird149; zum anderen, daß die Bucheffekte, über die mittels – konstitutiv wirkenden – Bucheintrags verfügt werden kann (Art.  24 BEG), mehr ist als eine schuldrechtliche Forderung. Ausweislich der Botschaft weist sie „alle Merkmale eines Wertpapiers auf, ohne eine körperliche Dimension zu haben und damit Sache im Sinne der schweizerischen Privatrechtsordnung zu sein“150. Die „Pointe“ des neuen Konzepts besteht darin, daß eine Bucheffekte sowohl mit sammelverwahrten Wertpapieren oder Globalurkunden als auch mit Wertrechten unterlegt sein kann. Das Bucheffektengesetz gestaltet die Rechtsposition des Anlegers einheitlich aus, ohne Rücksicht darauf, ob die Finanzinstrumente in körperlicher oder unkörperlicher Form in das Verwahrsystem eingebracht wurden. Es unterscheidet auch nicht danach, ob die Titel in der Schweiz oder im Ausland deponiert sind. Gleichwohl bricht das BEG nicht vollständig mit den hergebrachten Konzeptionen. Das wird z. B. deutlich, wenn man die Eigentumsverhältnissen bei der Girosammelverwahrung, also den Fall betrachtet, daß die Bucheffekten mit sammelverwahrten Wertpapieren oder Globalurkunden unterlegt sind. Unter diesen Umständen, so die Botschaft, werde die sachenrechtliche Beziehung der Hinterleger zu den 148 

AS 2009, S.  3577. Zweifelhafte Klassifizierung daher bei Costantini, Anknüpfungsgegenstände, S.  195, der das Bucheffektenmodell zu den „Not-look-through-Konzepten“ rechnet. 150  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9345. 149 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

Urkunden nicht aufgehoben. Doch könnten die Anleger während der Dauer der mediatisierten Verwahrung daraus keine Rechte ableiten151. Was das bedeutet, wird uns noch beschäftigen152 . An dieser Stelle genügt es festzuhalten: Nach neuem schweizerischen Recht erwirbt der Anleger mit der Depotgutschrift eine Rechtsposition eigener Art, die nicht von der Beschaffenheit der Basiswerte abhängt, mit bestimmten dinglichen Eigenschaften ausgestattet ist und die Rechtsbeziehung zum Emittenten unberührt läßt.

3. USA Die Entwicklung des US-amerikanischen Wertpapierrechts153 ist untrennbar mit der sog. paperwork crisis (auch: paperwork crunch) verknüpft, die von 1967 bis 1970 dauerte und dem amerikanischen Finanzsektor die größten Turbulenzen seit dem Börsencrash von 1929 bescherte154 . Als Hauptursache der Krise wurde die gewaltige Menge an Wertpapieren ausgemacht, und so wurde von vielen die weitgehende oder vollständige Ersetzung des Wertpapiers durch das Wertrecht empfohlen. Diese Empfehlung mündete 1977/1978 in einer Änderung von Art.  8 des Uniform Commercial Code (UCC)155 betreffend investment securities, mit der erstmals Regelungen für un­

151  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9348 f. 152  Und zwar unter §  14 III 5 b). 153  Zum US-amerikanischen Regelungsmodell umfassend Schwarz, Globaler Effektenhandel, §  6 (S.  496 ff.). 154  Die Abwicklung von Effektengeschäften war damals noch extrem aufwendig. Sie erforderte eine Vielzahl von Arbeitsschritten und eine Menge Papierarbeit, die in den back offices der ­Clearinghäuser, Transfer Agents, Registars und Broker manuell erledigt werden mußte. Im August 1967 kam es infolge des starken Anstiegs der Handelsvolumina an der New York Stock Exchange erstmals zu empfindlichen Störungen bei der Geschäftsabwicklung, die schließlich zu chaotischen Zuständen führten. In vielen Maklerbüros begannen sich die Wertpapiere und dazugehörigen Dokumente meterhoch zu stapeln, eine Vielzahl von Transaktionen wurde verspätet, fehlerhaft, überhaupt nicht oder doppelt bearbeitet. Zwischen April und Dezember 1968 stieg die Gesamtsumme der von den NYSE-Mitgliedsunternehmen nicht rechtzeitig erfüllten Lieferverpflichtungen von 2,67 Milliarden US-$ auf über 4 Milliarden US-$. Ende 1969 setzte die zweite Phase der paperwork crisis ein, als es zu einer spürbaren Abnahme des Handelsvolumens kam. Dieser Umstand führte zwar zu einer gewissen Entlastung der back offices, ließ aber auch die Provisionseinnahmen und mit ihnen die Gewinne der Börsenmakler wegbrechen. Die Abnahme der Handelsaktivitäten war einem starken Preisverfall an den Wertpapiermärkten begleitet, den vor allem Unternehmen mit großen Eigenbeständen zu spüren bekamen. Die Folge war ein massiver Kollaps innerhalb des Finanzsektors. Ausführlich dazu Donald, Der Einfluss der Wertpapierabwicklung, S.  101 ff. 155  Der UCC ist ein vom American Law Institute (ALI) und der National Conference of Commis­ sioners on Uniform State Laws (NCCUSL) erarbeitetes Modellgesetz, das von allen Bundesstaaten – wenn auch nicht von allen vollständig – übernommen worden ist. Im vorliegenden Zusammenhang kommt dem Recht des Bundesstaates New York besondere praktische Bedeutung zu, da dort der US-amerikanische Zentralverwahrer Depository Trust Company (DTC) seinen Sitz hat und außerdem eine große Zahl von Banken und Wertpapierhändlern ansässig ist. Im folgenden wird gleichwohl auf die allgemeine Fassung des UCC Bezug genommen.

§  3  Rechtliche Ausgestaltung

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certificated securities geschaffen wurden156. Auch wenn der UCC selbst keine Vorgaben für die Ausgestaltung von Kapitalmarkttiteln enthält157, wurde die Änderung als erster Schritt in Richtung einer certificateless society aufgefaßt158. Zu der erwarteten Dematerialisierung des Effektenwesens kam es jedoch nicht, da die Rechtslage unsicher und verworren blieb. Im Jahr 1988 hatten erst 30 von 50 Bundesstaaten die revidierte Fassung des UCC übernommen. Daß in dem für das Wertpapiergeschäft besonders wichtigen Bundesstaat New York im Jahr 1982 eine ältere Version des UCC verabschiedet worden war, machte die Lage noch komplizierter159. Ein weiteres Hindernis für die Verbreitung unverbriefter Effekten bestand darin, daß in vielen jener Staaten, welche die revidierte Version übernommen hatten, eine Anpassung des Gesellschaftsrechts unterblieben und nach wie vor die Ausgabe von Aktienurkunden vorgeschrieben war160. Auch heute noch ist die Verbriefung von Kapitalmarktwerten (und sei es in einer einzigen Globalurkunde) in den USA die Regel161. Eine vollständige Dematerialisierung hat bislang nur in einigen wenigen Bereichen stattgefunden, namentlich bei den Staatsanleihen, die seit den 1970er Jahren in unverbriefter Form emittiert werden162 . Es ist allerdings zu erwarten, daß das einzelverbriefende Wertpapier über kurz oder lang von der Bildfläche verschwinden wird163. 156  Ausführlich zur Entstehungsgeschichte der Altfassung Aronstein/Haydock/Scott, 93 Harv. L. Rev. (1979–1980), 889 ff.; Aronstein, 10 UCC L. J. (1977–1978), 289 ff. 157  Ob Kapitalmarkttitel auf den Inhaber oder auf den Namen lauten und ob sie in verbriefter oder unverbriefter Form auszugeben sind, richtet sich auch in den USA nach den für das zugrundeliegende Rechtsverhältnis geltenden Bestimmungen, bei Aktien also nach den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des Inkorporationsstaates, bei Regierungsanleihen nach bundesstaatlichen Vorschriften. 158  Aronstein, 31 Bus. Law. (1975–1976), 727. 159  Aronstein, in: Kreuzer (Hrsg.), Abschied vom Wertpapier?, S.  43, 44. 160  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  303. 161  DTC, Assessment of Compliance with the CPSS/IOSCO Recommendations for Securities Settlement Systems, Dezember 2011, S.  15. 162  Rogers, 43 UCLA L. Rev. (1996), 1431, 1443. 163  Nach Angaben des Zentralverwahrers DTC (zu ihm sogleich im Text) sind über 99% der bei ihm hinterlegten Schuldverschreibungen in „book-entry-only“-Form emittiert worden. Damit ist gemeint, daß über diese Emissionen lediglich jeweils eine oder mehrere Dauerglobalurkunden ausgestellt wurden und die Gläubiger keinen Anspruch auf Einzelverbriefung ihrer Anteile haben; siehe DTC, Assessment of Compliance with the CPSS/IOSCO Recommendations for Securities Settlement Systems, Dezember 2011, S.  15. Auch im Bereich der Aktien ist das einzelverbriefende Wertpapier stark rückläufig. So hat Delaware den Verbriefungsanspruch des Aktionärs zum 1. August 2005 insofern abgeschafft, als Gesellschaften mit uncertificated shares nicht mehr verpflichtet – wohl aber berechtigt – sind, ihre Aktionäre auf Wunsch mit Wertpapieren zu versorgen; siehe §  158 General Corporation Law. Die DTC hat in den vergangenen Jahren mehrere Initativen für eine weitere Dematerialisierung gestartet, unter anderem im Mai 2005 eine „No-more-paper“-Kampagne, mit der u. a. das Ziel verfolgt wurde, eine möglichst große Zahl von Emittenten und Namensaktionären zur Inanspruchnahme des „Direct Registration System“ (DRS) zu bewegen. Dieses 1996 in Betrieb genommene System bietet dem Aktionär die Möglichkeit, sich unter eigenem Namen in das Aktienregister eintragen zu lassen, ohne die mit der Aushändigung von Wertpapieren verbundenen Kosten und Risiken in Kauf nehmen zu müssen. Anstelle von Urkunden erhält er vom transfer agent ein kostenloses DRS-Statement, das ihn als Inhaber der Aktien ausweist. Das DRS ist als offenes System konzipiert, d. h. die unverbrieften Anteile können auf Wunsch des Aktionärs auf sein brokerage ac­

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Daß das Effektenwesen in den USA nicht unter dem Druck der riesigen Handelsvolumina zusammengebrochen ist, ist denn auch nicht auf die Revision des UCC von 1977/1978 zurückzuführen, sondern auf den Aufbau eines leistungsfähigen Sammelverwahrsystems und die damit verbundene Immobilisierung der Effekten. Im Jahre 1973 wurde die New Yorker Depository Trust Company (DTC) gegründet, die als die weltweit größte Wertpapiersammelbank gilt. Bei der DTC sind über 90% der in den USA emittierten Wertpapiere hinterlegt164 . Dabei handelt es sich zum allergrößten Teil um die in den USA vorherrschenden registered securities165, die gewisse Ähnlichkeiten mit deutschen Orderpapieren aufweisen166. Registered securities werden grundsätzlich durch Übergabe der Urkunde (delivery) an den Erwerber übertragen167. Ein Indossament (indorsement) ist keine zwingende Voraussetzung für die Übertragung, aber notwendig, um einen gutgläubigen Erwerb zu ermöglichen und die Eintragung im Register des Emittenten zu bewirken168. Die Eintragung ist ebenfalls nicht Teil des Übertragungstatbestandes. Sie hat vielmehr im Verhältnis zum Emittenten Legitimationsfunktion169. Soweit es um die bei der DTC hinterlegten ­registered securities geht, werden freilich nicht die einzelnen Anleger in das Register eingetragen. Eingetragen wird einzig und allein die DTC als nominee, und zwar unter dem Namen „Cede & Co.“. Damit entfällt die Notwendigkeit, das Register des Emittenten bei jeder Übertragung anzupassen. Effektengeschäfte können ausschließlich durch Eintragungen in den Büchern der DTC und der angeschlossenen Finanz­ institute abgewickelt werden. count umgebucht und auf diese Weise in das „indirekte Verwahrsystem“ überführt werden. Die Umbuchung ist beispielsweise dann erforderlich, wenn der Aktionär die Anteile über seinen Broker verkaufen will. Für eine ausführliche Beschreibung des DRS siehe Donald, Der Einfluss der Wertpapierabwicklung, S.  140 ff.; ders., WM 2008, 526, 532 f. Für die jüngsten Dematerialisierungsbemühungen siehe DTCC, Proposal To Fully Dematerialize Physical Securities, Eliminating the Costs and Risks They Incur, White Paper, Juli 2012. 164  DTC, Assessment of Compliance with the CPSS/IOSCO Recommendations for Securities Settlement Systems, Dezember 2011, S.  15. 165  In einer Vielzahl von Bundesstaaten sind Inhaberaktien ausdrücklich verboten. Das gilt auch für Delaware, das die Führungsposition im US-amerikanischen „Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen“ innehat. Siehe §  158 Delaware General Corporation Law, letzter Satz: „A corporation shall not have power to issue a certificate in bearer form.“ Schuldverschreibungen wurden zwar ursprünglich in Form von Inhaberpapieren emittiert, doch hat sich diese Praxis nach dem Zweiten Weltkrieg geändert. Seit 1983 werden in den USA überhaupt keine „bearer bonds“ mehr ausgegeben. Der Grund dafür liegt in einer Änderung des Internal Revenue Code aus dem Jahre 1982, die der Verhinderung von Steuerhinterziehungen diente und nicht registrierte Obligationen mit steuerlichen Nachteilen belegt. Ausführlich dazu Bartos, United States Securities Law, S.  281; ferner Guttman, Modern Securities Transfers, §  1:1; Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S.  757. 166  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  311. 167  UCC §  8-301(a). 168  UCC §  8-303(a)(3) i. V. m. §  8-106(b)(1) bzw. UCC §  8-401(a)(2). 169  UCC §  8-207(a) lautet: „The issuer (…) may treat the registered owner as the person exclu­ sively entitled to vote, receive notifications, and otherwise exercise all the rights and powers of an owner“.

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Da die Praxis der Immobilisierung den Vorzug vor einer Dematerialisierung gegeben hatte, erwies sich die revidierte Version des UCC von 1977/1978 bald als unzureichend. Denn diese Version hatte in erster Linie das „direkte Verwahrsystem“ (direct securities holding system) vor Augen, also die Konstellation, daß der Anleger selbst im Register des Emittenten eingetragen ist. Über das „indirekte Verwahrsystem“ (indi­ rect securities holding system), bei dem der Anleger erst feststellbar ist, wenn man die Kette von Depotgutschriften bis zum einzelnen Kunden zurückverfolgt, enthielt der alte Art.  8 UCC dagegen nur wenige und obendrein schwer verständliche Regelungen. Aber auch die Regelungen über das „direkte Verwahrsystem“ waren alles andere als perfekt. Sie beruhten auf einem als parallelism bezeichneten Regelungsansatz, der darin bestand, die hergebrachten Vorschriften über Wertpapiere so weit wie möglich auf Wertrechte zu übertragen. Dieser Ansatz schlug sich z. B. in UCC §  8-313 a. F. nieder. Er war der fragwürdige Versuch, alle möglichen Formen der Übertragung (transfer) von certificated securities und uncertificated securities in einer einzigen Vorschrift zusammenzufassen und in den Katalog der Übertragungstatbestände auch die Bestellung von Sicherungsrechten einzubeziehen, die ursprünglich in Art.  9 UCC geregelt war. Entsprechend komplex und unübersichtlich war diese Vorschrift geraten170. Der Börsencrash vom 19. Oktober 1987 gab dann den Anlaß für eine abermalige Revision von Art.  8 UCC mit dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren an die Realität des „stückelosen“ Effektengiroverkehrs anzupassen – ein Vorhaben, das als das ambitionierteste seit Schaffung des UCC bezeichnet wurde171. Die Arbeiten begannen 1991 und wurden 1994 abgeschlossen, als eine vom American Law Institute und der National Conference of Com­ missioners on Uniform State Laws eingesetzte Kommission172 eine stark überarbeitete und ergänzte Fassung von Art.  8 UCC vorlegte, die noch im selben Jahr gebilligt und umgehend von den meisten Einzelstaaten umgesetzt wurde. Seit der 1994er Revision verfügen die USA über ein Regelungsmodell, das von vielen für das modernste der Welt gehalten wird173 und dessen Einfluß auf die internationale Rechtsharmonisierung kaum überschätzt werden kann174 . Im August 2004 verabschiedete die Uniform 170  Ausführlich zu den Schwächen der Altregelung Aronstein, 12 Cardozo L. Rev. (1990–1991), 429 ff.; Mooney, 12 Cardozo L. Rev. (1990–1991), 305, 427 („Unfortunately, it is virtually impossible to read 1978 section 8-313 correctly without guidance from prior law and its drafting history“); Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 357, 359 f.; Rogers, 43 UCLA L. Rev. (1996), 1431, 1454 („fairly obscure corner of commercial law“). 171  Mooney/Rocks/Schwartz, 49 Bus. Law. (1993–1994), 1891, 1892. 172  Berichterstatter der Kommission war James Steven Rogers. 173  Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), The law of cross-border securities transactions, S.  58 ff. („fully modern“); Combs, 58 Alabama L. Rev. (2006), 399, 403; Goode, in: Faust/Thüsing (Hrsg.), Beyond Borders, S.  63, 64; Spink, 45 Can. B. L. J. (2007), 167, 177. 174  Zur offenkundigen Prägung des Haager Wertpapierübereinskommens durch das US-amerikanische Recht siehe unten §  15, zum (deutlich geringeren) Einfluß auf das Genfer Wertpapierübereinkommen unten §  16.

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Law Conference of Canada (ULCC) den Uniform Securities Transfer Act (SESTA), der sich eng an Art.  8 UCC anlehnt und wie dieser ein Modellgesetz ist175. Die überarbeitete Fassung von Art.  8 UCC zieht aus der beschriebenen Entwicklung des Effektenwesens die Konsequenz, daß sie regelungstechnisch zwischen dem „direkten“ und dem „indirekten“ Verwahrsystem unterscheidet. Dem liegt die Einschätzung zugrunde, daß diese Systeme nach unterschiedlichen Konzepten verlangen. Obwohl in den USA inzwischen der größte Teil der Effekten im „indirekten Verwahrsystem“ gehalten wird, haben die Schöpfer des reformierten Art.  8 UCC davon Abstand genommen, diese Verwahrungsart in den Mittelpunkt zu stellen und sich hinsichtlich des „direkten Verwahrsystems“ auf bloß ergänzende Regelungen zu beschränken. Denn der Praxis sollten bei der weiteren Entwicklung der Effektenverwahrung nicht die Hände gebunden werden176. Die weitgehend neu gegliederten und stark vereinfachten Kapitel 2, 3 und 4 von Art.  8 UCC beschränken sich seit der Revision (wieder) auf Bestimmungen über die direkte Wertpapierverwahrung. Insoweit wurden die Grundzüge der Verwahrung und Verwaltung von Effekten sowie ihrer Übertragung und Verpfändung im wesentlichen beibehalten177. Die Bestimmungen über unverbriefte Werte wurden allerdings erheblich vereinfacht und weitgehend mit den Bestimmungen über Briefeffekten zusammengeführt178. Die Regelungen über das „indirekte Verwahrsystem“ finden sich im neu eingefügten fünften Teil von Art.  8 UCC (§§  8-501 bis §  8-511). Ihnen liegt die Überzeugung zugrunde, daß die traditionellen Grundsätze über die Übertragung von registered securities nur noch im direkten Verwahrsystem zur Anwendung kommen sollten. Im indirekten Verwahrsystem, in dem sich die Identität des Anlegers erst aus einer Kette von Buchungen ergibt, sollte dagegen ein Konzept zum Tragen kommen, das sich auf die Rechte- und Pflichtenbeziehung zwischen Depotkunde und Intermediär konzentriert179. Die Rechtsstellung eines Depotinhabers sollte als ein Bündel von Rechten begriffen werden, die ausschließlich gegenüber dem depotführenden Intermediär geltend gemacht werden können180. Bei der Umsetzung dieses intermediary-centric approach181, in dem der Endanleger keinerlei eigene, direkt gegen den Emittenten gerichtete Ansprüche oder Recht hat182 , gingen die Verfasser des UCC ausgesprochen pragmatisch vor. Anstatt den Versuch zu unternehmen, die Rechtsstellung des Kunden mit traditionellen Rechtsfiguren wie bailment, agency oder trust zu erfassen, ha175 Ausführlich Rogers, 45 Can. B. L. J. (2007), 49 ff.; Scavone, 45 Can. B. L. J. (2007), 67 ff.; Spink, 45 Can. B. L. J. (2007), 167 ff., dort auch zur Übernahme des SESTA durch die einzelnen kanadischen Provinzen. 176  Prefatory Note zu Revised Art.  8 UCC (1994 Revision), unter II A. 177  Insoweit sei verwiesen auf Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  308 ff. 178  Prefatory Note zu Revised Art.  8 UCC (1994 Revision), unter II B und IV B 3. 179  Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1431, 1455 (1996). 180  Erstmals klar formuliert findet sich diese Idee bei Mooney, 12 Cardozo L. Rev. (1990), 305, 310. 181  Mooney/Rocks/Schwartz, 49 Bus. Law. (1993–1994), 1891, 1895. 182  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  580 f.

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ben sie sich dafür entschieden, mit funktionalen Begriffen zu umschreiben, was es bedeutet, wenn einem Depotkonto (securities account) Finanzwerte (financial assets) gutgeschrieben werden, und der solchermaßen umschriebenen Rechtsposition einen Namen gegeben: security entitlement183. Mit der Gutschrift von Finanzwerten auf seinem Konto erwirbt der Anleger originär ein security entitlement, das sich ausschließlich gegen den eigenen Intermediär richtet. Der Intermediär hält seinerseits ein secu­ rity entitlement gegenüber dem Zentralverwahrer DTC, der, repräsentiert durch seinen Nominee „Cede & Co“, als (direkter) Inhaber der Wertpapiere im Register des Emittenten verzeichnet ist. Die Erfüllung von Effektengeschäften vollzieht sich nicht mittels „Übertragung“, sondern mittels stufenweiser Aufhebung bzw. Neubegründung von security entitlements184 . Für die Vorstellung, ein bestimmter Vermögensgegenstand werde vom Veräußerer zum Erwerber weitergereicht, ist in diesem Konzept kein Platz185. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, daß der Kontoinhaber mit der Gutschrift ein security entitlement auch dann erwirbt, wenn sein Intermediär dafür (noch) keine Deckung erhalten hat186. In der Konsequenz des intermediary-centric approach liegt es, daß der UCC – anders als das deutsche Recht mit seiner WR-Gutschrift − kein gesondertes Konzept für die Auslandsverwahrung benötigt187. Natürlich soll auch im indirekten Verwahrsystem letztlich der Anleger in den Genuß all jener Rechte und Vorteile kommen, die mit dem verbuchten Finanzwert verbunden sind188. Dem dienen UCC §§  8-504 bis 8-508, indem sie dem kontoführenden Intermediär eine Reihe von Pflichten auferlegen. Um zu verhindern, daß die Ansprüche der entitlement holder ganz oder teilweise ins Leere laufen, hat ein Intermediär erstens die (Kardinal-)Pflicht, einen zur Abdeckung aller von ihm begründeten security entitlements ausreichenden Bestand des betreffenden Finanzwerts zu beschaffen und zu unterhalten189. Diese Pflicht ist Folge, nicht Voraussetzung der Begründung eines security entitlement. Zweitens hat ein Intermediär sicherzustellen, daß er alle vom Emittenten auf den Finanzwert geleisteten Zahlungen und Ausschüttungen (z. B. Dividenden) erhält, und alle vereinnahmten Zahlungen und Ausschüttungen an den entitlement holder weiterzuleiten190. Die DTC als eingetragene Berechtigte hat sich also um das Inkasso beim Emittenten zu kümmern und die Erträge auf den Konten der Teilnehmer zu verbuchen, die ihrerseits entsprechende Gutschriften auf den Konten ihrer Kunden vorzunehmen haben. Drittens hat ein Intermediär 183  Siehe zu dieser „first describe it, than name it“-Methode Prefatory Note zu Revised Art.  8 UCC (1994 Revision), unter II C; Rogers, 43 UCLA L. Rev. (1996), 1431, 1450. 184  Siehe UCC §  8-501, cmt. 5; eingehend dazu sowie zum Schutz des entitlement holders vor Gegenrechten (adverse claims) Dritter nach UCC §   8-502 Chun, Cross-Border Transactions, S.  228 ff.; Wust, Verbuchung, S.  239 f. 185  Rogers, 43 UCLA L. Rev. (1996), 1431, 1456; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  539 ff. 186  UCC §  8-501(c). 187  Chun, Cross-Border Transactions, S.  209. 188  UCC §  8-503 cmt. 2; Hakes, 35 Loy. L. A. L. Rev. (2001–2002), 661, 692. 189  UCC §  8-504. 190  UCC §  8-505.

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nach Weisung des Kontoinhabers die mit dem Finanzwert verbundenen Rechte auszuüben oder, sofern der Depotvertrag nichts anderes bestimmt, den Kontoinhaber in die Lage zu versetzen, die Rechte selbst geltend zu machen191. Bei der Ausgestaltung dieser Pflicht war zum einen zu berücksichtigen, daß es Anleger gibt, die kein In­ teresse an der Ausübung des Aktionärsstimmrechts haben und daher von vorn­herein auf die Weiterleitung von proxy-Materialien verzichten192 . Zum anderen gibt es bestimmte Mitgliedschafts- und Gläubigerrechte, deren Geltendmachung von Intermediären weder erwartet noch angeboten wird. Ein Beispiel ist das Einzelklagerecht des Aktionärs, also die Befugnis, Ansprüche der Gesellschaft im Wege der share­ holders’ derivative suit in eigenem Namen zu verfolgen193, ein anderes Beispiel der Anspruch eines Aktionärs auf Schadensersatz wegen Verletzung einer kapitalmarktrechtlichen Norm194 . Bei der Ausübung der Mitgliedschafts- bzw. Gläubigerrechte liegt einer der neuralgischen Punkte des indirekten Verwahrsystems. Das hat sich vor allem beim Aktienstimmrecht gezeigt, dessen Ausübung aufgrund der bloß mittelbaren Berechtigung des Anlegers ein kompliziertes Verfahren erfordert. Das hat in den letzten Jahren häufiger zu Problemen geführt, etwa in Gestalt des over-­ voting195. Viertens ist ein Intermediär zur Ausführung aller Verfügungsaufträge (entitle­ment orders) des Kontoinhabers oder einer anderen legitimierten Person verpflichtet196. Und fünftens kann ein entitlement holder von seinem Intermediär verlangen, ihm eine andere zulässige Form der (direkten) Inhaberschaft an den Finanzwerten zu verschaffen (z. B. durch Bewirkung der persönlichen Eintragung in das ent191 

UCC §  8-506. UCC §  8-506 cmt. 2. 193  Ausführlich dazu Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn.  1126 ff.; Michael Becker, Verwaltungskontrolle, S.  113 ff. Zu UCC §  8-506 paßt es, daß der Revised Model Business Corporation Act (auch) dem beneficial holder einer Aktie die Befugnis zur Erhebung einer derivative action einräumt; siehe §  7.40(2) MBCA. Der offizielle Kommentar versteht unter einem beneficial holder „a person having a direct economic interest in the shares.“ 194  Man denke etwa an die SEC-Rule 10b-5 (17 CFR §  240.10b5), die eine ganze Bandbreite von Manipulations-, Insider- und Täuschungshandlungen im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf von securities umfaßt. Die Ausformung dieser Vorschrift zu einer Anspruchsgrundlage zum Schutz des Investors geht zurück auf den Fall Kardon v. National Gypsum Co., 69 F. Supp.  512 (E.D. Pa. 1946) sowie 73 F. Supp.  798 (E.D.Pa. 1947). Siehe dazu etwa Hazen, The Law of Securities Regulation, Ch. 13 (S.  754 ff.); siehe ferner Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Vol. 7, S.  504; Michael Becker, Verwaltungskontrolle, S.  109 ff.; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  930 ff. 195  Ausführliche Darstellung des Verfahrens der Stimmabgabe nebst Fundamentalkritik am indirekten Verwahrsystem bei Donald, Einfluss der Wertpapierabwicklung, S.  77 ff.; siehe ferner Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  578 ff., 616 ff.; Kahan/Rock, 96 Georgetown L. J. (2008), 1227 ff.; Kurzdarstellung bei Mooney, Law and System for Intermediated Securities, S.  25, der zu folgendem Schluß kommt, „[T]he protection of the entitlement holders’ property and economic interests in the indirect holding system in the United States has proven more successful than the current state of protection for their voting rights“. 196  UCC §  8-507. Gemäß UCC §  8-102(a)(8) ist eine entitlement order eine „notification communicated to a securities intermediary directing transfer or redemption of a financial asset to which the entitlement holder has a security entitlement“. 192 

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sprechende Register), oder die Umbuchung seines Guthabens auf ein Konto bei einem anderen Intermediär zu veranlassen (Depotübertrag)197. Würde sich ein security entitlement in bloßen Ansprüchen gegen den Intermediär erschöpfen, wäre die Rechtsstellung des Kontoinhabers allerdings nicht insolvenzund vollstreckungssicher und damit viel zu schwach. Aus diesem Grund enthält ein security entitlement auch eine dingliche Komponente198. UCC §  8-503(a) stellt klar, daß Finanzwerte, die ein Intermediär unmittelbar oder in Form von eigenen security entitlements bei einem übergeordneten Intermediär unterhält, nicht Eigentum des Intermediärs und dem Zugriff von dessen Gläubigern entzogen sind. Das gilt jedenfalls insoweit, als diese Finanzwerte zur Deckung der security entitlements erforderlich sind. Nach UCC §  8-503(b) vermittelt ein security entitlement dem Kontoinhaber ein anteiliges Eigentumsrecht (pro rata property interest) an den Finanzwerten des Deckungsbestandes, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Kontoinhaber das security entitlement erworben oder zu welchem Zeitpunkt der Intermediär den Deckungsbestand gebildet hat199. Auch wenn also die entitlement holder nicht unmittelbar am Deckungsbestand berechtigt sind, werden sie vollstreckungsund insolvenzrechtlich wie unmittelbar Berechtigte behandelt. Freilich kann auch dieses Eigentumsrecht grundsätzlich nur gegenüber dem kontoführenden Intermediär geltend gemacht werden, und zwar durch Ausübung der in UCC §§  8-505 bis 8-508 geregelten Rechte200. Die Frage, nach welchen Grundsätzen die den Kontoinhabern anteilig als Eigentum zugewiesenen Werte in der Insolvenz des Intermediärs zu verteilen sind und wie eine etwaige Unterdeckung (sog. shortfall) auf die Kontoinhaber umzulegen ist, ist im UCC nicht geregelt. Insoweit kommen, soweit es um die Insolvenz eines registrierten Brokers/Dealers geht, die Vorschriften des Securities Investor Protection Act (SIPA) von 1970 zur Anwendung201, ansonsten die einschlägigen insolvenzrechtlichen Vorschriften202 . Die rechtliche Einordnung des security entitlement bereitet aus kontinentaleuropäischer Sicht Schwierigkeiten203. Die Charakterisierung „als eine Art von wirtschaftlicher Eigentümerstellung“204 ist nicht falsch, greift aber zu kurz, weil sie die dingliche Komponente des security entitlement vernachlässigt. Schon aussagekräftiger ist die Einordnung als „schuldrechtliche Position, der unter bestimmten Umständen ein gewisser dinglicher Schutz zukommt“205. Man kommt dem security entitle­ 197 

UCC §  8-508. Zu ihr ausführlich Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  526 ff. 199 Ein entitlement holder kann also für sich kein Recht auf vorrangige Befriedigung mit der Begründung beanspruchen, er habe sein security entitlement vor bzw. nach allen anderen Kontoinhabern erworben; siehe UCC §  8-503 cmt. 1. 200  UCC §  8-503(c). Zu den Ausnahmen siehe UCC §  8-503(d). 201  15 U.S.C. §§  78aaa−lll; näher dazu Chun, Cross-Border Transactions, S.  243 ff. 202  UCC §  8-503 cmt. 1. 203  Chun, Cross-Border Transactions, S.  247; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  82; Saager, Effektengiroverkehr, S.  160. 204  Einsele, RIW 1997, 269, 271. 205  Wust, Verbuchung, S.  248 im Anschluß an Ooi, Conflict of Laws, Rn.  11.04 („basically con­ 198 

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ment wohl am nächsten, wenn man es als hybride Berechtigung sui generis auffaßt, die sich einerseits aus einem Bündel von schuldrechtlichen Ansprüchen gegen den kontoführenden Intermediär, andererseits aus einem pro rata-Eigentumsrecht in bezug auf den vom Intermediär gehaltenen Deckungsbestand zusammensetzt206. Daß ein security entitlement jedenfalls mehr ist als ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Intermediär, kommt auch in der Definition dieses Begriffs in UCC §  8-102(a)(17) zum Ausdruck. Danach umfaßt ein security entitlement „the rights and property interest of an entitlement holder with respect to a financial asset specified in Part 5“.

4. England Im Unterschied zu den zuvor angeführten Ländern verfügt England über keine spezialgesetzliche Regelung der mediatisierten Wertpapierverwahrung. Welche Rechtsstellung der Anleger mit der Gutschrift von Effekten auf seinem Konto erhält und wie über diese Rechtsstellung verfügt wird, wird vielmehr mit den allgemeinen Instituten des common law zu erfassen versucht. Um die Entwicklung und den derzeitigen Stand des englischen Verwahrrechts zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, daß Aktien (shares) und auf dem inländischen Markt begebene Schuldverschreibungen (debentures) englischer Emittenten ganz überwiegend auf den Namen lauten207. Die Berechtigung gegenüber dem Emittenten ergibt sich bei diesen registered securi­ ties aus dem Register, das entweder vom Emittenten selbst oder einem damit betrauten registrar geführt wird208. Wird dem Inhaber ein Zertifikat über seine Beteiligung bzw. Forderung ausgestellt, so kommt diesem lediglich die Eigenschaft eines Beweisdokuments zu. Es erbringt, wie sec. 768(1) Companies Act 2006 für share certificates unterstreicht, einen prima facie-Beweis für die Berechtigung des Inhabers, und läßt sich daher weder als negotiable instrument im Sinne des englischen Rechts noch als Wertpapier im Sinne der Brunner’schen Definition qualifizieren209. Bis 1996 wurden tractual“, aber „with some measure of protection which normally comes from a property interest“). Von einer „hybriden Rechtsfigur an der Schnittstelle zwischen Schuld- und Sachenrecht“ spricht Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  538. 206  So auch Bjerre/Rocks, The ABCs of the UCC, S.  33; Chun, Cross-Border Transactions, S.  203, 247 f.; Mooney/Rocks/Schwartz, 49 Bus. Law. (1993–1994), 1891, 1894; in der Sache übereinstimmend, aber mit etwas anderer Akzentuierung Rogers, 43 UCLA L. Rev. (1996), 1431, 1518 („sui generis form of property interest“); wohl auch Donald, WM 2008, 526, 530 („dinglicher Anspruch mit schuldrechtlichen Eigenschaften“). 207  Benjamin, Interests in Securities, Rn.  2 .08; Micheler, Property in Securities, S.  19; speziell für Aktien Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, Rn.  27-3 und Enchelmai­ er, Übertragung, S.  522; für Bonds Burn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S.  219, 222. Anderes gilt für internationale Anleihen, die englischem Recht unterstehen. Sie sind in der Regel als Inhaberschuldverschreibungen ausgestaltet und werden in Form einer Globalurkunde einem internationalen Zentralverwahrer anvertraut. 208 Siehe Micheler, Property in Securities, S.  29: „In England, the securities register is the focus point for the acquisition of legal title to securities“. 209  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  216; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  75; Miche­ ler, Property in Securities, S.  23.

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Aktien und Schuldverschreibungen ausnahmslos in Form von Zertifikaten ausgegeben. Zur Übertragung mußte folglich bei allen Emittenten jenes aufwendige Verfahren eingehalten werden, das heute nur noch bei kapitalmarktfernen Gesellschaften zur Anwendung gelangt. Dieses Verfahren läuft im Grundsatz so ab, daß der Veräußerer das Zertifikat zusammen mit einer ordnungsgemäßen, von ihm unterzeichneten Übertragungsurkunde (proper instrument of transfer) an den Erwerber übersendet und der Erwerber diese Dokumente nach Entrichtung der Stempelsteuer an die Gesellschaft weiterleitet. Die Gesellschaft trägt daraufhin den Erwerber in das Regi­ ster ein – wodurch er zum Berechtigten wird – und stellt ihm darüber ein neues Zertifikat aus210. Die zentrale Bedeutung der Register für den Rechtserwerb und die vergleichsweise untergeordnete Rolle der Zertifikate sind der Grund dafür, weshalb die englischen Bemühungen um eine Rationalisierung des Effektenwesens in den vergangenen Jahrzehnten letzten Endes auf eine Dematerialisierung und nicht auf eine Immobilisie­ rung der Effekten hinauslaufen sollten211. Das im April 1979 an der London Stock Exchange eingeführte System „Talisman“212 war der erste nennenswerte Versuch, die Abwicklung von Börsengeschäften in Namensaktien zu vereinfachen. Dieses System litt jedoch unter dem Geburtsfehler, daß es in Anlehnung an das hergebrachte, papiergebundene Modell konzipiert worden war. Es führte zwar zu einer Reduktion der Anzahl der vorzunehmenden Registerumschreibungen, änderte aber nichts an der Notwendigkeit, aus Anlaß einer jeder Umschreibung Übertragungsdokumente und Zertifikate auszustellen und zu versenden213. Als das Handelsvolumen an der London Stock Exchange im Laufe der 1980er Jahre erheblich anstieg – Ursachen dafür waren unter anderem das Privatisierungsprogramm der britischen Regierung und die einschneidenden Deregulierungsmaßnahmen auf den englischen Wertpapiermärkten Ende 1986 („Big Bang“) – und unmittelbar nach dem Börsencrash am 19. Oktober 1987 seinen Höhepunkt erreichte, brach das „Talisman“-System unter der Papiermenge zusammen. Da das Abwicklungsbüro der Börse nicht in der Lage war, die eingehenden Transferdokumente rechtzeitig zu bearbeiten, konnte eine Vielzahl von Geschäften nicht fristgemäß erfüllt werden214 . Das Versagen des „Talisman“-Systems gab den Anstoß für die Überlegung, bei der Abwicklung von Börsengeschäften ganz auf die Bewegung von Papieren zu verzich210  Sections 770–777 Companies Act 2006. Zu den Einzelheiten der Prozedur und den Erleichterungen durch den Stock Transfer Act 1963 siehe Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, Rn.  27-5 ff.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  216 ff.; Mayson, French & Ryan on Company Law, S.  224 f. 211  In diesem Sinne auch Enchelmaier, Übertragung, S.  527. 212  Der Name steht für Transfer Accounting, Lodgement for Investors and Stock Management for Market Makers and Dealers. 213 Ausführlich zur Funktionsweise des Systems Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  243 ff.; Pleyer, Eigentumsrechtliche Probleme, S.  69 ff., 73 ff.; Kümpel, WM 1980, 2 ff. 214  Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, Rn.  27-3; Micheler, Wertpapierrecht, S.  289.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

ten. Nachdem das 1988 in Angriff genommene Projekt „Taurus“ im Jahre 1993 aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen der Börse und ihren Mitgliedern gescheitert war215, nahm die Bank of England die Angelegenheit in die Hand und entwickelte die elektronische Abwicklungsplattform CREST216, die seit dem 15. Juli 1996 in Betrieb ist und vom britisch-irischen Zentralverwahrer Euroclear UK & Ire­ land Ltd. (bis 2007: CRESTCo. Ltd.) getragen wird. Ermöglicht wurde diese Plattform durch den Erlaß der Uncertificated Securities Regulations 1995, in denen den Gesellschaften erstmals die Ausgabe unverbriefter Titel gestattet wurde217. Anders als die deutsche Clearstream Banking AG ist CREST keine Wertpapiersammelbank, sondern ein Computersystem zur Erfassung und Übertragung unverbriefter regis­ tered securities218. Und anders als die US-amerikanische DTC rückt CREST nicht in die Stellung des legal owner der in das System einbezogenen Finanzinstrumente ein; Inhaber der legal titles sind vielmehr die Mitglieder des Systems219. Zum Handel an der London Stock Exchange können nur Titel zugelassen werden, die sich für die Abwicklung durch CREST eignen. Ein Emittent, der den Zugang zum organisierten Kapitalmarkt sucht, muß deshalb (auch) entmaterialisierte Werte ausgeben220. CREST führt, um Namensaktien als Beispiel zu nehmen, für jede Gattung ein „ope­ rator register of members“. Nach den Uncertificated Securities Regulations 2001 bewirkt die Eintragung in diesem Register den Rechtserwerb. Haben zwei Mitglieder an der Börse ein Geschäft abgeschlossen, so werden elektronisch korrespondierende Umbuchungsanweisungen (dematerialised instructions221) an CREST übermittelt. Das System ordnet die Anweisungen einander zu (matching) und führt sie am Abwicklungstag aus, indem es das Konto des Verkäufers belastet und auf dem Konto des Käufers eine Gutschrift vornimmt. Mit der Gutschrift wird der Käufer zum legal owner der Aktien222 . Der Emittent führt zwar – neben dem issuer register of mem­ 215  Die Abkürzung „Taurus“ stand für „Transfer and Automated Registration of Uncertificated Stock“. Eingehend zu diesem System Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  253 ff. 216  Soweit ersichtlich, hat diese Abkürzung keine besondere Bedeutung. Ein Mitglied der Task Force, die nach dem Scheitern des Taurus-Projekt eingesetzt worden war, um eine Lösung für das Abwicklungsproblem zu finden, soll vorgeschlagen haben: „Can‘t Remember Ever Suggesting This“. Nach dem erfolgreichen Start von CREST soll es im Markt geheißen haben: „Can‘t Remember Ever Supporting Taurus“. Siehe Norman, Plumbers and Visionaries, S.  133 in Fn.  18. Umfassend zu CREST Yates/Montagu, Global Custody, Chapter 9. 217  SI 1995/3272. Rechtsgrundlage der Verordnung war sec. 207 Companies Act 1989 (heute: sec. 785 Companies Act 2006). Heute gelten die Uncertificated Securities Regulations 2001 (SI 2001/3755). 218 Gleichwohl wird CREST als CSD angesehen, etwa von Turing, Clearing and Settlement, Anm.  2.18. 219  Benjamin, Interests in Securities, Rn.  9.53. Zu der Möglichkeit des einzelnen Anlegers, eine Vollmitgliedschaft bei CREST zu erwerben, siehe sogleich im Text. 220  Micheler, Wertpapierrecht, S.  290. 221  Sec. 35 USR 2001. 222  Ausführlich dazu Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, Rn.  2712 ff.; Mayson, French & Ryan on Company Law, S.  225 ff. Nach altem Recht – unter Geltung der USR 1995 – hing der Erwerb des legal title noch von der Eintragung im Register des Emittenten ab. Allerdings wurde mit Vollendung der Umbuchung durch CREST ein Trust zwischen dem Verkäufer und

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bers223 – auch selbst ein Verzeichnis über die Zuordnung der Aktien (record of uncer­ tificated shares), doch werden darin die Eintragungen im operator register of mem­ bers nur nachvollzogen224 . Fragt man sich nun, auf welche Weise ein Anleger unverbriefte Werte über CREST halten kann, so sind drei Möglichkeiten zu unterscheiden225: Die erste besteht darin, eine Vollmitgliedschaft bei CREST zu erwerben, um selbst in den Büchern als legal owner eingetragen zu werden226. Diese Möglichkeit steht theoretisch jedem offen, kommt aber für viele Anleger praktisch nicht in Betracht, weil sie einen elektronischen Zugang zum System voraussetzt227. Die zweite Möglichkeit besteht im Erwerb einer „gesponserten“ Mitgliedschaft. Dabei nutzt der Anleger die Vorrichtungen eines Vollmitglieds („Sponsors“), um mit CREST zu kommunizieren. Auch in diesem Fall verfügt er über ein eigenes Konto, auf dem die Bestände unter seinem Namen verbucht werden. Die dritte Option besteht darin, die Werte über ein Depot bei einem Vollmitglied oder gesponserten Mitglied zu halten. Läßt ein Mitglied Bestände seiner Depotkunden bei CREST verbuchen, so geschieht dies üblicherweise auf einem Sammelkonto (omnibus client account). Aus dem Register geht in dieser Kon­ stellation das Mitglied als Aktionär bzw. Gläubiger hervor. Es fungiert insoweit als nominee für seine Kunden. Ob ein Anleger als legal owner der unverbrieften Effekten anzusehen ist, hängt somit davon ab, ob er diese Effekten direkt (als CREST-Mitglied) oder indirekt über ein CREST-Mitglied (z. B. über seinen Broker) hält. Nur im ersten Fall ist er als legal owner einzuordnen und steht er in einer direkten Rechtsbeziehung zum Emittenten228. Hält er die Werte indirekt, so wird die Rechtsstellung, die er mit der Gutschrift auf seinem Depotkonto erwirbt, unter Rückgriff auf das Rechtsinstitut des trust als wirtschaftliches Eigentum (beneficial ownership) qualifiziert229. Die Unterscheidung dem Käufer begründet, der den Käufer zum „beneficial owner“ machte. Siehe zum alten Modell Benjamin, Interests in Securities, Rn.  9.49 ff.; Micheler, Property in Securities, S.  67 ff. 223  Sec. 20(2) i. V. m. paragraph 4 of Schedule 4 USR 2001. In das „issuer register of members“ werden die Namen und Adressen sämtlicher Aktionäre sowie das Datum des jeweiligen Ein- bzw. Austritts eingetragen. Darüber hinaus gibt es Auskunft darüber, welcher Aktionär in welcher Anzahl „certificated shares“ hält. 224  Sec. 20(6) i. V. m. paragraph 5 of Schedule 4 USR 2001. Eingehend zur Bedeutung der verschiedenen Register Mayson, French & Ryan on Company Law, S.  378 ff. 225  Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, Rn.  27-12; Weller/Zahn, in: von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, S.  177, 184. 226  In dieser Hinsicht ist CREST als transparentes System einzuordnen; dazu bereits oben unter §  2 I 2. 227  Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, Rn.  27-12; Yates/Monta­ gu, Global Custody, Anm.  9.3. m. Fn.  2. 228  Gullifer, Legal Problems, Rn.  6 -10. 229 Ausführlich Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  63 ff.; Micheler, Property in Securities, S.  119 ff.; Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  130 ff. Siehe auch Gullifer, Legal Problems, Rn.  6 -17; Beaves, in: Palmer/McKendrick (Hrsg.), Interests in Goods, S.  117 ff., der für den Fall der Hinterlegung von Effekten bei einem global custodian alternativ die Einordnung als bailment für möglich hält.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

von legal ownership und beneficial ownership ist Ausdruck der Tatsache, daß nach englischem Recht zwei verschiedene Personen als owner an einem Vermögenswert berechtigt sein können. Sie hat ihren Ursprung in der dem anglo-amerikanischen Rechtskreis eigenen Differenzierung zwischen zwei Rechtsmassen, dem common law (im engeren Sinne) und dem law of equity230. Ein trust ist dadurch gekennzeichnet, daß ein trustee als legal owner bestimmte Vermögenswerte treuhänderisch zugun­ sten eines beneficiary verwaltet und diesem ein quasi-dingliches Recht am Trustvermögen zusteht, das im Konkurs des trustee zur Aussonderung berechtigt. Für einen Depotkunden bedeutet das: Er hat gegen seinen Broker einen Anspruch auf Herausgabe aller mit den Depotwerten verbundenen Vorteile und ist im Konkurs des Brokers gegen Zugriffe von Drittgläubigern geschützt231. Das gilt nach allgemeiner Ansicht auch dann, wenn der Broker nicht selbst über ein Konto bei CREST verfügt, sondern die Bestände seiner Kunden über einen Zwischenverwahrer hält und daher seinerseits beneficial owner ist. In diesem Fall besteht ein gestuftes Treuhandverhältnis. Der Anleger an der Basis der Pyramide ist aus einem sub-trust berechtigt. Gegenstand dieses sub-trusts ist die Berechtigung, die dem Broker aus dem mit dem übergeordneten Verwahrer bestehenden Trustverhältnis an den Effekten zusteht232 . Unabhängig von der Ausdehnung der Pyramide „nach oben“ erhält der Anleger also mit der Gutschrift ein Bündel von Rechten, die er ausschließlich gegenüber seinem Broker geltend machen kann233. Überträgt er sein Guthaben auf einen anderen Anleger, der sein Konto bei demselben Broker unterhält – um das simple Beispiel einer reinen „Inhouse“-Umbuchung zu nehmen –, so wird der ihn berechtigende sub-trust aufgehoben und zugunsten des erwerbenden Anlegers ein neuer sub-trust begründet234 . Die Ähnlichkeit des Konzepts mit dem US-amerikanischen security entitlement-Modell ist unverkennbar235. Im Detail ist freilich manches umstritten236. Auch hat sich in jüngster Zeit ein gewisses Unbehagen darüber eingestellt, daß das englische Verwahrrecht trotz (oder 230 Dazu Micheler, Wertpapierrecht, S.  274 ff.; Kischel, Rechtsvergleichung, §  5 Rn.  72 ff.; Zwei­ gert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  184 ff. 231  Micheler, Wertpapierrecht, S.  324. 232  So im Grundsatz übereinstimmend Austen-Peters, Custody of Investments, Rn.  4.40; Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  79 f.; Gullifer, Legal Problems, Rn.  6 -17; Micheler, Property in Securities, S.  120 f.; Wood, Set-off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, Rn.  18-029; Goode, JIBFL 1996, 167, 172 f.; Papaspyrou, JIBFL 1996, 430, 433 f. 233  Das betont Goode, JIBFL 1996, 167, 172. Mißverständlich Costantini, Anknüpfungsgegenstände, S.  205, wonach „auch innerhalb des CREST-Systems die Effektengeschäfte durch die Übertragung der Rechtsposition gegenüber dem Emittenten erfüllt werden“ (Hervorhebung vom Verf.). 234  Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  137 f. 235  Eine ausdrückliche Parallele zieht Gullifer, Legal Problems, Rn.  6 -18. 236  Das gilt vor allem für die Frage, ob und wie bei der Begründung von trusts an Effektensammelbeständen dem Erfordernis der Bestimmtheit der trustbefangenen Vermögenswerte (certainty of subject matter) Genüge getan werden kann. Ein Teil der Lehre zieht zur Begründung den vom Court of Appeal entschiedenen Fall Hunter v. Moss ([1994] 1 WLR 452) heran, in dem der Beklagte (Moss) erklärt hatte, für den Kläger (Hunter) einen trust über 50 seiner insgesamt 950 Namensaktien einer bestimmten Gesellschaft zu begründen. Obwohl die 50 Aktien nicht aus dem Bestand aus-

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gerade wegen) der an sich geschätzten Flexibilität des trust einige Lücken aufweist. So hat das bei der Bank of England angesiedelte Financial Markets Law Committee in einem Bericht vom Juli 2004 unter anderem bemängelt, daß das law of equity zwar den gutgläubigen Erwerber eines legal title schützt, nicht aber denjenigen, der ein equitable interest an Effekten in gutem Glauben erwirbt. Auch hat es kritisiert, daß es an klaren Regeln für die Bestellung von Sicherungsrechten an Effektenguthaben und für die Verteilung von Fehlbeständen im Konkurs eines Intermediärs fehlt, und damit auf eine Schwachstelle hingewiesen, die sich im Fall der am 15. September 2008 zusammengebrochenen Lehman Brothers International (Europe) mit Sitz in London noch zum Schaden der Depotkunden bemerkbar machen sollte237. In einer Empfehlung an das britische Finanz- und Wirtschaftsministerium (HM Treasury) vom Mai 2007 hat die Law Commission die vom Financial Markets Law Committee festgestellten Mängel zwar nicht in Abrede gestellt, sich gleichwohl gegen eine gesetzliche Regelung der mediatisierten Wertpapierverwahrung ausgesprochen. Eine solche Regelung, so ihre Begründung, sei nicht sinnvoll, solange die Arbeit der Legal Certainty Group nicht abgeschlossen sei und nicht feststehe, welche Vorgaben die EU den Mitgliedstaaten machen werde238. Ob und wann England seine abwartende Haltung aufgeben wird, ist schwer zu sagen. Daß im Fall einer Reform die Rechtsstellung des Anlegers nach einem völlig neuen Konzept ausgestaltet werden wird, ist allerdings nicht zu erwarten239. Ungeachtet dessen macht sich der Finanzsektor seit einigen Jahren dafür stark, die Dematerialisierung insbesondere von Aktien weiter voranzutreiben und das derzeit noch bestehende Recht des Investors auf Verbriefung seiner Anteile abzuschaffen240. Der neue Companies Act 2006 hält dafür in sec. 786 eine Ermächtigung bereit. Ob die zuständigen Stellen241 davon Gebrauch machen werden, wird sich zeigen.

geschieden worden waren, hielt das Gericht das Treugut für ausreichend bestimmt. Es habe sich bei den Aktien nämlich um intangible assets gehandelt, die identische Rechte enthielten. Um die verbliebenen Zweifel an der Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes auszuräumen, schlägt eine andere Ansicht vor, die einzelnen Hinterleger als co-owner des gesamten Aktienbestandes der betreffenden Gattung zu betrachten. Siehe für die erstgenannte Ansicht Micheler, Property in Securities, S.  126 ff.; für die Gegenansicht Benjamin, Interests in Securities, Rn.  2.82 ff.; Goode, JIBFL 1996, 167, 172. Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  68 ff. hält beide Wege für gangbar. Ausführliche Auseinandersetzung mit dem Problem bei Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  142 ff. 237  FMLC, Issue 3 – Property Interests in Investment Securities, S.  9 ff. Zu den Verteilungsproblemen im Lehman-Fall siehe ausführlich unten §  5 II 5 c). 238  Law Commission, The UNIDROIT Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities, Updated Advice to HM Treasury, Mai 2007, S.  10, Rn.  1.17. 239  Micheler, Property in Securities, S.  139. 240  Mayson, French & Ryan on Company Law, S.  228. 241  Treasury und/oder Secretary of State, sec. 784 Companies Act 2006.

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IV.  Terminologische Folgerungen Nach dieser ersten rechtlichen Orientierung ist es nun möglich und angebracht, einige Schlüsselbegriffe der mediatisierten Wertpapierverwahrung zu klären.

1. Intermediär Für den Begriff „Intermediär“ gibt es keine einheitlich verwendete Definition. Er wird mal weiter, mal enger verstanden je nachdem, um welchen Zusammenhang es geht und aus welchem Blickwinkel er betrachtet wird. Aus ökonomischer Sicht sind Intermediäre spezialisierte Akteure auf Finanzmärkten, deren Aufgabe darin besteht, Austauschprozesse zwischen Kapitalgebern und -nehmern zu ermöglichen oder zu unterstützen und auf diese Weise zu einer effizienten Kapitalallokation beizutragen. Die Gruppe der Akteure, die in diesem Sinne als Mittler zwischen Kapitalanbietern und -nachfragern fungieren, ist dementsprechend groß und heterogen. Sie umfaßt neben Börsen und sonstigen Handelsplattformen beispielsweise auch Banken, Analysten, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die mit ihrem guten Namen für die Verlautbarungen der vom Emittenten oder ihnen selbst an den Kapitalmarkt gerichteten Verlautbarungen bürgen und daher unter dem Oberbegriff Reputations- und Informationsintermediäre zusammengefaßt werden242 . Die Lehrbuchliteratur zum Finanzmarktrecht hat sich dieses weite Begriffsverständnis zu eigen gemacht. So rechnet Nobel zu den Finanzintermediären sämtliche Institutionen und natürlichen Personen, „welche den Kapitalfluss zwischen Schuldnern und Gläubigern in einer Volkswirtschaft erleichtern“243. In der Sache übereinstimmend heißt es bei Zobl/Kramer: „Zwischen den kapitalsuchenden Unternehmen und den Anlegern stehen professionelle Vermittler, die bei der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage vielfältige Funktionen ausüben (sog. Finanzin­ termediäre).“244 Geht es um die Verwahrung und Verwaltung von Kapitalmarktwerten, wird dem Begriff eine engere Bedeutung beigelegt: Intermediär ist, wer Depotkonten für andere führt. Oder, in der ausgefeilteren, aber weniger prägnanten Definition des Haager Wertpapierübereinkommens: „eine Person, die im Rahmen einer geschäftlichen oder anderen regelmäßigen Tätigkeit für fremde oder sowohl für eigene als auch für fremde Rechnung Depotkonten führt und in dieser Eigenschaft tätig ist“245. Die „In242  Ausführlich zu den Typen und Funktionen von Finanzintermediären Bank, Finanzintermediation, in: Gerke/Steiner (Hrsg.), Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, Sp.  836 ff.; Ru­ dolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S.  559 f. Insbesondere zur Rolle der Reputations- und Informationsintermediäre von Hein, Die Rezeption des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, S.  650 ff. m. w. N. 243  Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, §  1 Rn.  148 (S.  38). 244  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1 (Hervorhebung im Original). 245  Art.  1 Abs.  1 lit.  c) HWpÜ. Die Definition ist nahezu identisch mit jener in UCC §  8-102(a)

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termediatisierung“ der Wertpapierverwahrung besteht somit darin, daß zwischen dem Anleger und dem Emittenten eine oder mehrere depotführende Stellen stehen246, die „klassische bipolare Beziehung“ also um deren Rolle erweitert wird247. Auch für die Gruppe der Intermediäre in diesem engeren, auf das Depotgeschäft bezogenen Sinn läßt sich feststellen, daß sie alles andere als homogen ist248. Sie umfaßt nationale und internationale Zentralverwahrer, Clearingorganisationen, Kreditinstitute, Zentralbanken und Finanzdienstleister249. Auf die Rechtsform kommt es grundsätzlich ebensowenig an wie auf das Vorhandensein einer besonderen Lizenz oder Registrierung250. Peter Pöch, ehemaliger Syndikus der Oesterreichischen Kontrollbank AG, des Zentralverwahrers unseres Nachbarlandes, hat den Ausdruck „Intermediär“ als nicht ausreichend funktional kritisiert. Im täglichen Sprachgebrauch werde „jeder Praktiker, der eine anglo-amerikanische Berufsausbildung erhalten hat, an das Verwahrkonzept dieses Rechtsraums denken, das die Gesamtheit von Rechten (bundle of rights, securities entitlement) bedeutet. Dieses Ergebnis kann nicht befriedigen, weil der Entwurf (scl.: der Genfer Wertpapierkonvention) damit in den Köpfen zahlreicher Anwender fälschlicherweise das angloamerikanische Konzept auf Verwahrsy­ steme überträgt, denen es fremd ist.“251 Bei der Legal Certainty Group, der auch Pöch angehörte, scheint diese Kritik Gehör gefunden zu haben. Im Second Advice der Gruppe vom August 2008 wird der Begriff „intermediary“ jedenfalls mit auffälliger Zurückhaltung verwendet. Pöchs Befürchtungen erscheinen allerdings übertrieben. Zwar mag sein, daß man im anglo-amerikanischen Rechtskreis mit dem Begriff „Intermediär“ vor allem Verwahrungskonzepte mit stufenweiser Berechtigung assoziiert. In der internationalen Diskussion über die Harmonisierung des Depotrechts hat sich die Terminologie jedoch inzwischen verselbständigt. Weder das Haager noch das Genfer Wertpapierübereinkommen lassen irgendeinen Zweifel daran, daß sich die Bedeutung dieses Schlüsselbegriffs darauf beschränkt, eine bestimmte, in sich heterogene Gruppe von Finanzmarktakteuren – alle depotführenden Stellen – unter einer möglichst neutralen Bezeichnung zusammenzufassen, und daß mit der Wahl dieses Begriffs die zum Teil erheblichen Unterschiede zwischen den einzelnen Verwahrungskonzepten nicht in Abrede gestellt werden sollten. Gewiß ist der Begriff (14): „ ,Securities intermediary‘ means (i) a clearing corporation; or (ii) a person, including a bank or broker, that in the ordinary course of its business maintains securities accounts for others and is acting in that capacity.“ Siehe ferner die Definition in Art.  1(d) Unidroit-Wertpapierübereinkommen sowie in Art.  2 lit.  d) der durch die Richtlinie (EU) 2017/828 reformierten Aktionärsrechte-Richtlinie. 246  Goode/Kanda/Kreuzer, Hague Securities Convention, Explanatory Report, Anm. Int-18. 247  Noack, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel – Grundsatzfragen des Aktienrechts, S.  510, 539. 248  Norman, Plumbers and Visionaries, S.  14 („heterogeneous bunch“). 249  Zu den wichtigsten Typen von Intermediären ausführlich unten §  4 II. 250  Goode/Kanda/Kreuzer, Hague Securities Convention, Explanatory Report, Anm.  1-10; Paech, WM 2005, 1101, 1104. 251  Pöch, in: Gedächtnisschrift für Gruson, S.  303, 307.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

„Intermediär“ abstrakt252 . Aber der von Pöch und der Legal Certainty Group bevorzugte Terminus „account provider“ (Kontoführer) ist nicht viel anschaulicher, schon gar nicht eleganter. Es besteht daher kein zwingender Grund und wäre in Anbetracht des Sprachgebrauchs der beiden internationalen Übereinkommen sogar problematisch, den Begriff „Intermediär“ ganz beiseitezuschieben. Er wird daher auch im folgenden verwendet. Als Synonyme werden auch die Begriffe „Verwahrer“253, „Verwahrungsstelle“254 und „Depotstelle“ gebraucht.

2.  Intermediärverwahrte Wertpapiere Wer in wertpapierrechtlichen Kategorien denkt, ist es gewohnt, sauber zwischen dem Recht am Papier und dem Recht aus dem Papier zu unterscheiden. In der Welt der mediatisierten Wertpapierverwahrung verliert diese Unterscheidung zwar nicht ihre Bedeutung. Sie reicht hier aber nicht aus, um die ganze Bandbreite möglicher Berechtigungen zu erfassen. Der Blick auf Verwahrungskonzepte mit indirekter Rechtsträgerschaft hat gezeigt, daß es neben Rechten an Wertpapieren auch Rechte in bezug auf Wertpapiere (oder Wertrechte) gibt: Positionen, die eine lediglich mittelbare Berechtigung an zentralverwalteten Effekten zum Inhalt haben. Der Uniform Commercial Code bringt dies dadurch zum Ausdruck, daß er von „security entitlements with respect to a particular financial asset“ spricht255. Auch Joanna Benjamins informative Monographie zum englischen Depotrecht beruht nicht zufällig auf der Ausgangsthese, securities seien nicht dasselbe wie interests in securities256. Die große Bandbreite möglicher Berechtigungen ist auch der Grund für die auf den ersten Blick umständlich erscheinende Definition des Begriffs intermediated securities im Genfer Wertpapierübereinkommen. Intermediated securities sind danach „securities credited to a securities account or rights or interests in securities resulting from a credit of securities to a securities account“257. Diese Definition ist so weit gehalten, daß sie nicht nur Vollrechte an oder in bezug auf Wertpapiere oder Wertrechte umfaßt, sondern auch beschränkte (dingliche) Rechte an Wertpapieren oder Wertrechten bzw. davon abgeleiteten Rechtspositionen, vorausgesetzt, daß diese Rechte ihrerseits durch Depotgutschrift begründet oder dokumentiert werden258.

252  Kritik auch bei Saager, Effektengiroverkehr, S.  172 („sprachlich unschön“); Sauer, Wertpapierguthaben und Wertpapiersicherheiten, S.  112 (für den Begriff „intermediär-verwahrte Wertpapiere“). 253  Siehe §  1 Abs.  2 DepotG: „Verwahrer im Sinne dieses Gesetzes ist, wem im Betrieb seines Gewerbes Wertpapiere unverschlossen zur Verwahrung anvertraut werden.“ 254  Siehe Art.  4 Abs.  1 BEG: „Eine Verwahrungsstelle im Sinne dieses Gesetzes führt auf den Namen von Personen oder Personengesamtheiten Effektenkonten.“ 255  UCC §  8-503(a) (Hervorhebung vom Verf.). 256  Benjamin, Interests in Securities, Rn.  1.01. 257  Art.  1(b) GWpÜ. 258  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  1-13 und 1-15 ff.

§  3  Rechtliche Ausgestaltung

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Peter Pöch hat, von seiner Haltung zum Begriff „Intermediär“ aus konsequent, auch den Begriff „intermediatisierte Wertpapiere“ als zu anglo-amerikanisch geprägt kritisiert und als Alternative den Begriff „kontoverwahrte Wertpapiere“ („ac­ count held securities“) vorgeschlagen259. Aber dieser Begriff, dem auch die Europäische Kommission bei ihren Bestrebungen zu einer Harmonisierung des Depotrechts den Vorzug zu geben scheint260, ist, weil Wertpapiere nicht auf Konten „verwahrt“ werden, sprachlich mißglückt. Die hier interessierenden Wertpapiere zeichnen sich dadurch aus, daß sie auf Konten verbucht sind. Daher könnte man anstatt von „intermediärverwahrten Wertpapieren“ auch von „kontenverbuchten Wertpapieren“261 oder – noch griffiger – von „Bucheffekten“ („Book-entry securities“) sprechen, wie dies die Legal Certainty Group vorgeschlagen hat262 . Dabei ist freilich zweierlei zu bedenken: zum einen, daß der Begriff „Bucheffekte“ in Deutschland bislang überwiegend anders, nämlich als Gegenstück zum Begriff des Wertpapiers („Briefeffekte“) und somit als Synonym zum Begriff des „Wertrechts“ verstanden wurde; und zum anderen, daß sich in der Schweiz eine Gleichsetzung von „Wertrecht“ und „Bucheffekte“ gerade verbietet, weil die „Bucheffekte“ dort als ein Vermögensobjekt sui gene­ ris verstanden wird, das mit sammelverwahrten Wertpapieren, Globalurkunden oder Wertrechten (!) unterlegt sein kann.

3.  Indirektes Verwahrsystem Zurückhaltung ist bei dem Begriff „indirektes Verwahrsystem“ geboten. Denn wie der Blick auf das US-amerikanische Recht gezeigt hat, ist dieser Begriff in einigen Ländern mit einer bestimmten rechtlichen Bedeutung belegt. Er steht dort für ein Konzept mit indirekter Rechtsträgerschaft, d. h. für die Konstellation, daß der Anleger nicht selbst im Register des Emittenten verzeichnet ist, sondern als beneficial ­owner bzw. Inhaber eines security entitlements eine nur mittelbare rechtliche Beziehung zum Emittenten unterhält. Für manche Juristen anglo-amerikanischer Prägung scheint die Tatsache, daß in einer mehrstufigen Verwahrpyramide ein Intermediär und nicht der Investor die Stellung des legal owners einnimmt, so selbstverständlich zu sein, daß abweichende Konzepte entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder mit einem gewissen Befremden betrachtet werden263. Bei der Ausar259 

Pöch, in: Gedächtnisschrift für Gruson, S.  303, 307. European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Member States Working Group, Updated Compilation of the rules and explanatory notes discussed so far prepared by the Services of the Directorate-General Internal Market and Services of 17 September 2010, G2/PhP D(2010), Anm.  24 zu Art.  4; siehe auch das Konsultationsdokument vom 5. November 2010, Background comment zu Principle 3 (S.  7). 261  Kronke, WM 2010, 1625. 262  Legal Certainty Group, Second Advice of the Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008, Rec. 4 (S.  37 ff.). 263  Kaum differenziert auch Haentjens, Indirectly Held Securities, S.  16; Wood, Set-off and Netting, Rn.  18-001 ff. 260 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

beitung des Genfer Wertpapierübereinkommens hat sich allerdings die Überzeugung durchgesetzt, daß der Begriff indirectly held securities am besten vermieden werden sollte, um vorschnellen Assoziationen mit Konzepten nach Art des security entitlement-Modells vorzubeugen264 . Daß der Ausdruck indirect holding system Mißverständnisse zu provozieren geeignet ist, zeigen auch die divergierenden Definitionen in zwei gemeinsamen Dokumenten der Europäischen Zentralbank und des (früheren) Ausschusses der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR). Während die eine Definition unverkennbar von anglo-amerikanischen Vorstellungen geprägt ist265, stellt die andere entscheidend auf die Intransparenz der Verwahrpyramide ab266. Nun kann man natürlich auch mit Blick auf das deutsche Miteigentumskonzept von einem „indirekten Verwahrsystem“ insofern sprechen, als sich die Wertpapiere nicht im unmittelbaren Besitz des Anlegers befinden und sich seine Berechtigung ausschließlich aus den Aufzeichnungen der kontoführenden Bank ergibt267. Alles in allem aber ist dieser Begriff so diffus, daß er nur mit großer Vorsicht verwendet werden sollte268. Auf Vorbehalte muß deshalb auch Noacks Behauptung stoßen, in der börsennotierten Gesellschaft unserer Tage gebe es eigentlich nur „mittelbare“, d. h. „via Intermediäre beteiligte“ Anleger269. 264  Explanatory Notes zur Preliminary Draft Convention on Harmonised Substantive Rules regarding Securities held with an Intermediary vom Dezember 2004, UNIDROIT 2004, Study LXXVIII – Doc. 19, S.  5 in Fn.  42. Siehe demgegenüber noch das Positionspapier der UNIDROIT Study Group zu „Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities“ vom August 2003, UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8. 265  CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the European Union, Glossary, S.  85: „A holding system for securities in which (i) a nominee is reflected as the legal owner of securities on the official register of the issuer and the beneficial owner (or the intermediary through which the latter holds the security) is reflected as the owner of securities on the books of the nominee, or in which (ii) bearer securities are deposited with an intermediary and the intermediary maintains an account reflecting the beneficial owner’s rights and interests in the security (…).“ 266  CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, May 2009, Glossary (S.  233): „A multi-tiered arrange­ment for the custody and transfer of ownership (or similar interests) of securities in which investors are only identified at the level of the intermediary.“ 267  In diesem Sinne Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Kuhn (Hrsg.), Handbuch des internationalen Wirtschaftsrechts, Teil L Rn.  151 (S.  1660); Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 117, 120; Merkt/Roßbach, ZVglRWiss 102 (2003), 33, 36. 268  Vorbehalte auch bei Paech, Cross-border issues of securities law, S.  19 f.; Ullner, Gutschrift, S.  86; Afrell/Wallin-Norman, Unif. L. Rev. 2005, 277, 283; Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007– 2008), 384, 407. Es ist daher mißverständlich, wenn immer wieder behauptet wird, im Laufe der letzten Jahrzehnte habe sich ein Wechsel von der direkten zur indirekten Wertpapierverwahrung vollzogen; so etwa Gullifer, Legal Problems, Rn.  6 -07; Haentjens, Indirectly Held Securities, S.  16; Alexander, JIBFL 2002, 436, 438 f. Besonders fragwürdig Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 689 ff., dessen unreflektierte Übernahme der US-amerikanischen Sicht sogar bis zu der Behauptung geht, Effektengeschäfte seien noch bis in die 1960er Jahre durch physische Übertragung effektiver Stücke erfüllt worden. Das ist jedenfalls bezogen auf Deutschland schlicht unzutreffend. Zur Entwicklung der Girosammelverwahrung siehe unten §  6 II. 269 Siehe Noack, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  63, 64, der allerdings selbst einräumt, daß oft Unklarheit im Spiel ist, wenn Juristen von „mittelbar“ sprechen.

§  3  Rechtliche Ausgestaltung

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4. Anleger Im bisherigen Verlauf der Untersuchung war durchgängig vom „Anleger“ an der Basis der Verwahrpyramide die Rede. Diese Vereinfachung ist zwar üblich, bedarf aber nicht zuletzt deshalb der Erklärung, weil der Begriff „Anleger“ sowohl von der Genfer Wertpapierkonvention als auch in den bisher erschienenen EU-Dokumenten zur Harmonisierung des Wertpapierrechts bewußt vermieden wird. Dies beruht auf der Erkenntnis, daß der „ultimate account holder“ nicht notwendigerweise auch diejenige Person ist, der die aus den Titeln fließenden Erträge zugute kommen und die das damit verbundene wirtschaftliche Risiko trägt. Der Offizielle Kommentar zum Genfer Übereinkommen verweist in diesem Zusammenhang auf die angeblich nicht seltene Konstellation, daß der „letzte“ Depotkunde die Titel für eine andere, hinter ihm verborgene Person hält, z. B. als Beauftragter oder Treuhänder. Da es somit auch Investoren geben könne, deren Berechtigung sich nicht aus einem Depotkonto ergibt und die somit außerhalb des Verwahrsystems stehen, dürfe die Handhabung der Regeln über die mediatisierte Wertpapierverwahrung nicht von der Unterscheidung zwischen Anlegern und sonstigen Kontoinhabern abhängig gemacht werden270. Dieses Bemühen um eine allen denkbaren Fallkonstellationen Rechnung tragende Terminologie erinnert an die schon bei der Vorbereitung der europäischen Aktionärsrechterichtlinie zutage getretene Schwierigkeit, in mehrgliedrigen Verwahrungsketten den „wahren“ Aktionär ausfindig zu machen – eine Schwierigkeit, welche die Richtlinie dadurch zu bewältigen versucht, daß sie als „Aktionär“ diejenige natürliche oder juristische Person bezeichnet, die nach dem anwendbaren Recht als Aktionär anerkannt ist271. Es braucht hier nicht vertieft zu werden, ob das ökonomisch-funktionale Verständnis des Anlegerbegriffs, wie es der UNIDROIT-Konvention zugrundeliegt, die komplexe Realität der Finanzmärkte genauer wiedergibt als das Bild vom „Anleger an der Basis der Verwahrpyramide“. Daß dieses Bild aber so schief nicht sein kann und es durchaus möglich ist, regelungstechnisch zwischen „Anlegern“ und „Kontoinhabern“ zu unterscheiden, belegt das schweizerische Bucheffektengesetz. „Kontoinhaber“ ist nach der Legaldefinition in Art.  5 lit.  b BEG eine Person oder Personengesamtheit, auf deren Namen eine Verwahrungsstelle ein Effektenkonto führt. „AnDas gilt umso mehr, wenn man bedenkt, daß unter einer „mittelbaren“ Beteiligung an einem Unternehmen in der Regel die Beteiligung durch Nießbrauch, Treuhand oder Innengesellschaft verstanden wird; siehe Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  61, S.  1819 ff.; Blaurock, Unterbeteiligung, S.  49 ff. 270  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.   1-37 f. und 9-5 mit der plastischen Formulierung: „Persons on whose behalf an account holder may be acting are strangers to the securities account.“ 271  Art.  2 lit.  c) der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU Nr. L 184 vom 14. Juli 2007, S.  17. Im Zuge der Revision der Aktionärsrechterichtlinie durch die Richtlinie (EU) 2017/828 blieb Art.  2 lit.  c) unverändert. Zu der unter dem Stichwort „ultimate investor“ geführten Diskussion im Vorfeld Noack, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settle­ment, S.  63, 86 ff.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

leger“ ist nach Art.  5 lit.  c BEG ein Kontoinhaber, der nicht Verwahrungsstelle ist – d. h. keine Effektenkonten führt –, oder eine Verwahrungsstelle, die Bucheffekten für eigene Rechnung hält. Vor diesem Hintergrund erscheint es vertretbar, das zugegebenermaßen vergröbernde, aber anschauliche Bild vom „Anleger“ an der Basis der Verwahrpyramide einstweilen beizubehalten und darunter einen Kontoinhaber zu verstehen, der die auf seinem Konto verbuchten Titel für eigene Rechnung hält.

5. Hinterleger Die Begriffe „Anleger“ und „Hinterleger“ decken sich nicht. Denn „Hinterleger“ ist nach dem Sprachgebrauch des Depotgesetzes, wer einem Verwahrer Wertpapiere unverschlossen zur Verwahrung anvertraut, kurz: jeder Depotkunde im Verhältnis zu „seiner“ Depotstelle272 . Im Schrifttum wird zwar mitunter der Eindruck erweckt, als seien nur die Miteigentümer eines Girosammelbestandes und nicht auch die in die Verwahrkette eingegliederten Zwischenverwahrer „Hinterleger“273. Das DepotG differenziert aber in seinen §§  7 und 8 sauber zwischen Miteigentümern oder sonst dinglich Berechtigten auf der einen und Hinterlegern auf der anderen Seite. Es macht den depotvertraglichen Auslieferungsanspruch des Hinterlegers nach §  7 Abs.  1 Satz  1 DepotG nicht davon abhängig, ob dieser auch Eigentümer der Wertpapiere ist274 . Mit anderen Worten: So wie dem Anleger (= Miteigentümer) an der Basis der Verwahrpyramide ein Auslieferungsanspruch gegen seine Depotbank zusteht, hat diese einen Auslieferungsanspruch gegen ihre Vertragspartnerin Clearstream Bank­ ing AG275. Daß der Begriff „Hinterleger“ zu Mißverständnissen einlädt, ist freilich nicht verwunderlich, denn von einer „Hinterlegung“ kann genau genommen nur gesprochen werden, wenn Wertpapiere physisch an den Verwahrer übergeben werden. Nach dem Sprachgebrauch des Depotgesetzes wird ein Depotkunde aber auch durch die Gutschrift von Wertpapieren auf seinem Konto zum „Hinterleger“276. Man sieht bereits hieran, daß sich das DepotG einer antiquierten Terminologie bedient, die das tatsächliche Geschehen auf den Finanzmärkten nur unpräzise abbildet. Erwirbt ein Anleger unverkörperte Wertrechte, erscheint die Bezeichnung als „Hinterleger“ noch weniger passend. Diese Einwände277 sprechen dafür, den Begriff „Hinterleger“ im folgenden nur zu verwenden, wenn dem Gesetzeswortlaut Genüge getan werden muß, und ansonsten wie schon zuvor von „Kontoinhabern“ und „Depotkunden“ zu sprechen. 272 

Opitz, DepotG, §  14 Anm.  6 (S.  228). Siehe etwa Decker/Kümpel, Depotgeschäft, Rn.  8/15, wo von der „Geschäftskette Hinterleger, Zwischenverwahrer und Drittverwahrer“ die Rede ist. 274  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  2 . 275  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  4. Dabei sei unterstellt, daß der Auslieferungsanspruch nicht nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ausgeschlossen ist. 276  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  3. 277  Kritik auch bei Lehmann, Finanzinstrumente, S.  28. 273 

§  4  Clearing und Settlement Dieser Paragraph befaßt sich mit der praktischen Seite des Effektengiroverkehrs, dem Clearing und Settlement. Sein Zweck besteht darin, dem Leser jenen Überblick über die Infrastruktur und Methoden der Abwicklung von Effektengeschäften zu verschaffen, der für das Verständnis der in dieser Arbeit behandelten Rechtsfragen unerläßlich ist. Wer eine Darstellung des Clearing und Settlement in Angriff nimmt, sieht sich allerdings zwei Hindernissen gegenüber: Das erste (und kleinere) besteht in der durchgängig anglisierten Fachterminologie, die so sperrig und schwer zugänglich ist wie ihr Gegenstand und leider auch von Brancheninsidern nicht immer einheitlich verwendet wird278. Das zweite (und größere) Hindernis liegt darin, daß es selbst Experten schwerfällt, die Konstruktions- und Funktionsweise der ausgedehnten und zumal im grenzüberschreitenden Verkehr vielfach miteinander verschlungenen „Rohrleitungssysteme der Finanzmärkte“ zu durchschauen279. Daß an diese Systeme eine Vielzahl unterschiedlichster Institutionen angeschlossen ist, deren Geschäftsfelder sich zum Teil noch überschneiden, macht die Lage nicht übersichtlicher. Immerhin aber hat sich der Sprachgebrauch in den letzten Jahren so weit konsolidiert und hat eine Reihe von Studien so viel Licht auf den Abwicklungssektor geworfen280, daß sich ein für die Zwecke dieser Untersuchung ausreichender Überblick gewinnen läßt. 278  Bericht des Ausschusses des Europäischen Parlaments für Wirtschaft und Währung über Clearing und Settlement in der Europäischen Union v. 6. Juni 2005 (sog. Kauppi-Bericht), A60180/2005 endg., S.  12; Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  5. Von einem vergleichbaren Problem in bezug auf den Begriff „Netting“ berichtet Klaus Peter Berger, Aufrechnungsvertrag, S.  19 ff. 279  Bertschinger, in: Festschrift für Kramer, S.  4 63, 468; siehe auch das bei Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, §  9 Rn.  462 (S.  751) wiedergegebene Zitat von Hebestreit: „Die Welt des Clearing und Settlement ist eine faszinierende, aber letztlich vollkommen abstrakte Welt. Es gibt kaum noch Anschauliches, und von aussen erkennt man in der Regel nicht viel mehr als ein paar formschön gestylte Bildschirme.“ 280  Hervorgehoben sei an dieser Stelle die Pionierarbeit von Norman, Plumbers and Visionaries. Securities Settlement and Europe’s Financial Market, 2007. Sehr informativ auch London Econo­ mics, Securities trading, clearing, central counterparties and settlement in EU 25 – an overview of current arrangements, Report commissioned by the Competition Directorate General of the European Commission, 2005; Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, White Paper, 2005; Lannoo/Levin, The Securities Settlement Industry in the EU, 2001. Sehr hilfreich ferner Tu­ ring, Clearing and Settlement, 2.  Aufl. 2016; Yates/Montagu, The Law of Global Custody, 4.  Aufl. 2016; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  27 ff.; Wust, Verbuchung, S.  62 ff.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

I. Begriffe „Half the battle is mastering the jargon“281. Aus diesem Grund sollen zunächst die wichtigsten Begriffe geklärt werden. Die Phasen des „Clearing“ (dazu unter 1) und „Settlement“ (dazu unter 2) schließen sich unmittelbar an die Handelsphase an. Sie umfassen sämtliche Schritte, die auf die Abwicklung eines an einer Börse oder außerbörslich abgeschlossenen Wertpapiergeschäfts gerichtet sind, also darauf, daß der Käufer die Titel und der Verkäufer den Kaufpreis erhält 282 . Das sog. Custody-Geschäft, die anschließende Verwahrung und Verwaltung der Effekten, wird ebenfalls zu den sog. Nachhandelsaktivitäten (post-trading activities) gerechnet, obwohl es sich auch auf nicht gehandelte Emissionen erstreckt (dazu unter 3)283.

1. Clearing Das Fehlen einer konturenscharfen Terminologie zeigt sich vor allem beim Begriff „Clearing“ (mitunter auch: „Clearance“284)285. Für ihn kursieren derzeit nicht weniger als vier Definitionen. Nach der weitesten von ihnen umfaßt das „Clearing“ ­sämtliche Verarbeitungsschritte zwischen dem Abschluß und der Erfüllung eines Effektengeschäfts286. In die Clearingphase können danach insbesondere fallen: die Erfassung und Abstimmung der Transaktionsdaten, die Versendung von Geschäftsbestätigungen (trade confirmations) an die Vertragsparteien, die Übernahme der Verpflichtungen durch eine zentrale Gegenpartei, die Verrechnung der wechselseitigen Liefer- bzw. Zahlungsverpflichtungen der Handelsteilnehmer, die Prüfung ihrer Depot- und Geldkonten auf Deckung, die Anreicherung der Geschäftsdaten mit abwicklungsbezogenen Informationen (z. B. ISIN, Abwicklungstag), schließlich die 281 

Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  1.18 (S.  7). Dietl/Pauli/Royer, Internationaler Finanzplatzwettbewerb, S.  116; Rudolf/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S.  143, 219; Thomas, Abwicklung von Wertpapiergeschäften, S.  1. 283  Jaskulla, ZEuS 2004, 497, 506 m. Fn.  24; ferner Kieper, Abwicklungssysteme, S.  17; Lannoo/ Levin, The Securities Settlement Industry in the EU, S.  2 ff.; Beck, in: Festschrift für Horn, S.  669, 673. 284  The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, S.  4. 285  Turing, Clearing and Settlement, Anm.  1.2 („bewildering terminology“). 286  So die Definition in Art.  2 lit.  g des schweizerischen FinfraG; siehe ferner The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, Glossary, S.  52; Group of Thir­ ty, Global Clearing and Settlement, Glossary, S.  133; Kieper, Abwicklungssysteme, S.  17 f.; Beck, in: Festschrift für Horn, S.  669, 671 f.; Jaskulla, ZEuS 2004, 497, 504; Lannoo/Levin, The Securities Settle­ment Industry in the EU, S.  3; Löber, The developing EU legal framework, S.  6; Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  9; London Economics-Report, S.  4; siehe auch Kronke/ Haubold, in: Kronke/Melis/Kuhn (Hrsg.), Handbuch des internationalen Wirtschaftsrechts, Teil L Rn.  283 (S.  1697): „Clearing in einem weiteren Sinne“. Bezieht man auch das Settlement in den Begriff des Clearing mit ein (so noch Deutsche Börse Group/Clearstream International, Cross Border Equity Trading, Clearing & Settlement in Europe, Glossary, S.  34), gelangt man sogar zu einer fünften, noch weiteren Definition. 282 

§  4  Clearing und Settlement

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Einleitung des Liefer- bzw. Zahlungsvorgangs durch Versenden entsprechender In­ struktionen an das Abwicklungssystem287. Welche Verarbeitungsschritte vorgenommen werden, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere davon, um welches Finanzinstrument es sich handelt, ob das Geschäft an der Börse oder außerbörslich getätigt wird und ob eine zentrale Gegenpartei eingeschaltet wird288. In der Konsequenz dieser weiten Definition liegt es, daß eine ganze Reihe von Instituten als Erbringer von Clearingdienstleistungen in Betracht kommt, insbesondere Börsen, multilaterale Handelssysteme, zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer und Depotbanken. Bei Geschäften ohne Mitwirkung einer zentralen Gegenpartei wird beispielsweise das Clearing von der Börse im Rahmen der Transaktionsnachbearbeitung eingeleitet und dann vom Zentralverwahrer als Vorstufe des Settlement zu Ende geführt289. Nach einer engeren, sich näher am eigentlichen Wortsinn bewegenden Definition ist unter „Clearing“ nur die Erfassung und Feststellung der eingegangenen Verbindlichkeiten sowie deren allfällige Verrechnung zu verstehen290. Ein dritter, noch engerer Definitionsansatz hebt ausschließlich auf die letztgenannte, als „Netting“ bezeichnete Prozedur ab: „Clearing“ sei die „zentralisierte Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten mit dem Ergebnis, dass nur die zugunsten oder zulasten eines jeden Teilnehmers sich ergebenden Salden gutgeschrieben bzw. belastet werden“291. Dieses Verständnis entspricht der Definition des Begriffs „Clearingstelle“ in der Finalitätsrichtlinie292 . Ist der Kreis potentieller Clearingstellen auch nach diesen beiden Begriffsbestimmungen noch eher weit gefaßt293, so gilt anderes für die vierte und letzte Definition: Sie ordnet nur die Tätigkeit eines zentralen Kontrahenten (Central Counterparty – CCP) als „Clearing“ ein, also „das Betreiben eines Systems zur Sicherung der Erfüllung von Geschäften in Wertpapieren mittels Besicherung 287  Siehe auch die Aufzählung bei Costantini, in: Sethe u. a. (Hrsg.), FinfraG-Kommentar, Art.  61 Rn.  112. 288  Sturm/Thier, in: Sethe u. a. (Hrsg.), FinfraG-Kommentar, Art.  2 lit.  g Rn.  3. 289  Beck, in: Festschrift für Horn, S.   669, 671; siehe ferner Ellis/Toft, The European Equities Post-Trading Industry, S.  52; siehe auch die Übersicht in Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  12, wonach ICSDs, CSDs und Custodians als Anbieter von Clearingleistungen anzusehen sind. 290  CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  8 4; Linner, Wertpapierclearing, S.  47; Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  10. 291 So Büschgen, Börsenlexikon, Stichwort „Clearing (1)“; siehe ferner Bericht des Ausschusses des Europäischen Parlaments für Wirtschaft und Währung über Clearing und Settlement in der Europäischen Union vom 6. Juni 2005 (sog. Kauppi-Bericht), A6-0180/2005 endg., S.  12; Dietl/Pauli/ Royer, Internationaler Finanzplatzwettbewerb, S.   116; Rudolf/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S.  143, 219; Zabel, in: Gedächtnisschrift für Bosch, S.  315, 317. Diesem Verständnis entspricht auch die Definition des Begriffs „Clearingstelle“ in Art.  2 lit.  e) FinalitätsRL. 292  Nach Art.  2 lit.  e) FinalitätsRL ist eine Clearingstelle „eine Organisation, die für die Berechnung der Nettopositionen der Institute, einer etwaigen zentralen Vertragspartei und/oder einer etwaigen Verrechnungsstelle zuständig ist“. 293 Siehe The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, S.  5: „Clearance is a service normally provided by a clearinghouse, a central securities depository (CSD) or an international central securities depository (ICSD)”.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

und Verrechnung der offenen gegenseitigen Verplichtungen“294 . Auch von der Europäischen Kommission wird der Begriff in diesem Sinne verstanden295, was sich vor allem aus der in den letzten Jahren stark gestiegenen Bedeutung zentraler Kontrahenten auch auf den Kassamärkten erklären dürfte. Da sich der – gesetzlich nicht definierte – Begriff „Clearing“ nach alledem als mehrdeutig erweist296, kann man ihn nur unter Vorbehalt mit „Abrechnung“ oder „Berechnung“ übersetzen. Für die vorliegende Untersuchung besteht keine Notwendigkeit, sich auf einen der verschiedenen Definitionsansätze festzulegen. Die besondere Rolle zentraler Kontrahenten im Effektenhandel wird uns ungeachtet dessen noch beschäftigen297.

2. Settlement Demgegenüber hat der Begriff des Settlement in jüngster Zeit vergleichsweise scharfe Konturen gewonnen. Nahezu allgemein versteht man darunter heute die die Geschäftsabwicklung abschließende Erfüllung der wechselseitigen Leistungspflichten, d. h. die – sich ausschließlich elektronisch durch Buchungen auf Konten vollziehende – „Lieferung“ der Effekten an den Erwerber und die Zahlung des Kaufpreises an den Veräußerer298. Dem entspricht auch die Definition in Art.  2 Abs.  1 Nr.  7 CSDR 299. Welcher Zeitraum zwischen dem Abschluß des Handelsgeschäfts und dem Settlement liegt, ist von Markt zu Markt unterschiedlich. Es hängt auch davon ab, ob das 294 So Alfes, Central Counterparty, S.  170 f.; wohl auch Benjamin, Interests in Securities, Rn.  8.01, welche die Tätigkeit eines CCP als „core function of clearing“ bezeichnet; ferner Turing, Clearing and Settlement, Anm.  1.6 und Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  1.26; weiteres Verständnis allerdings dort bei Anm.  8.11: „management of post-trading, pre-settlement exposures, to ensure that trades are settled in accordance with market rules, even if a buyer or seller becomes insolvent prior to settlement“. 295  Mitteilung der Europäischen Kommission „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen“ vom 28. April 2004, KOM(2004) 312 endg., S.  5. 296  Ebenso mit Blick auf das „Clearing“ im bargeldlosen Zahlungsverkehr schon Klaus Peter Berger, Aufrechnungsvertrag, S.  36. 297  Unter II 4. 298  Siehe die Definition in Art.  2 lit.  h FinfraG: „Erfüllung der bei Beschäftsabschluss eingegangenen Verpflichtungen, namentlich durch die Überweisung von Geld oder die Übertragung von Effekten“; ferner The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, S.  5 f.; London Economics-Report, S.  4 f.; Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  9; Dietl/Pauli/Royer, Internationaler Finanzplatzwettbewerb, S.  116; Ege, Kollisionsrecht, S.  12; Kieper, Abwicklungssysteme, S.  18; Wust, Verbuchung, S.  99; Rudolf/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S.  143, 219; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1324; Löber, The developing EU legal framework, S.  6; Jaskulla, ZEuS 2004, 497, 505; Zabel, in: Gedächtnisschrift für Bosch, S.  315, 317 f. 299  Sprachlich ist diese Definition allerdings weniger prägnant als ihr Pendant in Art.  2 lit.  h FinfraG. Die deutschsprachige Fassung der CSDR bedient sich der Begriffe „Lieferung und Abrechnung“ bzw. „Abwicklung“ und versteht darunter „den vollständigen Abschluss eines Wertpapiergeschäfts unabhängig davon, wo es abgeschlossen wird, mit dem Ziel, die Verbindlichkeiten der an diesem Geschäft beteiligten Parteien durch die Übertragung von Geld oder Wertpapieren oder beiden zu erfüllen“.

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Geschäft an der Börse oder over the counter abgeschlossen wird und ob die Titel aus dem In- oder Ausland „herbeigeschafft“ werden müssen. Als EU-Mindeststandard galt bis vor kurzem die Erfüllung spätestens am dritten Geschäftstag nach dem Handelstag (T+3)300. Nach Art.  5 Abs.  2 CSDR, der seit dem 1. Januar 2015 gilt (Art.  76 Abs.  3 CSDR), sind Geschäfte grundsätzlich spätestens am zweiten Geschäftstag nach Geschäftsabschluß zu erfüllen. Für die deutschen Wertpapierbörsen ergab sich daraus kein Anpassungsbedarf, weil die Erfüllung an T+2 dort seit langem gang und gäbe ist. Nicht anders als der Begriff „Clearing“ hat auch der Begriff „Settlement“ einen rein funktionalen Charakter. Er sagt nichts darüber aus, welcher rechtliche Vorgang – z. B. die Übertragung des Eigentums an Wertpapieren oder die Einräumung einer gleichwertigen Rechtsstellung – sich hinter den Buchungsvorgängen verbirgt. Der Begriff ist auch institutionell neutral, denn für ihn ist es einerlei, auf welcher Ebene der Verwahrpyramide die Buchungsvorgänge stattfinden301. In ihrer ClearstreamEnt­scheidung vom 2. Juni 2004 hat sich die Europäische Kommission allerdings für eine Differenzierung zwischen „Primärabrechnung“ (Settlement auf der Ebene des Zentralverwahrers) und „Sekundärabrechnung“ (Settlement auf der Ebene eines Zwischenverwahrers) ausgesprochen302 . Das erinnert an den Vorschlag, zwischen einem „Effektengiroverkehr im engeren Sinne“ (unter Einbeziehung einer Wertpapiersammelbank) und einem „Effektengiroverkehr im weiteren Sinne“ (ohne Einbeziehung einer Wertpapiersammelbank) zu unterscheiden303. Aus kartellrechtlicher Sicht, nämlich für die Abgrenzung der sachlich relevanten Märkte, auf denen sich die Anbieter von Clearing- und Settlementdienstleistungen bewegen, mag diese verfeinerte Terminologie ihre Berechtigung haben304 . Für sie mag vor allem sprechen, daß die Zentralverwahrer als Betreiber von Effektenabwicklungssystemen eine herausgehobene Rolle im Abwicklungssektor spielen. Für die zivilrechtliche Analyse des Effektengiroverkehrs ist die Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Settlement jedoch weder hilfreich noch notwendig.

3.  Verwahrung und Verwaltung (Custody) Unter dem „Custody-Geschäft“ ist das eigentliche Depotgeschäft zu verstehen, d. h. „die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren für andere“ (§  1 Abs.  1 Satz  2 Nr.  5 KWG)305. Allen custodians ist gemeinsam, daß sie Depotkonten für andere füh300  CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Standard 3 (S.  23 ff.). Die Abkürzung „T“ steht für „trade date“. 301  London Economics-Report, S.  4 f. 302 Entscheidung der EU-Kommission vom 2. Juni 2004 in einem Verfahren nach Art.   82 EG-Vertrag (Sache COPM 38.096 – Clearstream [Clearing und Abrechnung]); siehe dazu Martínez Rivero/Bufton, European Commission, Competition Policy Newsletter 2/2004, 49 ff. 303  Dechamps, Wertrechte, S.  96. 304  So in der Tat die Begründung der EU-Kommission (Fn.  302). 305  Beck, in: Festschrift für Horn, S.  669, 673. Siehe auch CESR/ECB, Standards for Clearing and

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ren und sich um die Verwaltung der darauf verbuchten Bestände kümmern306. Der Begriff entspricht damit dem des Intermediärs, der bereits geklärt wurde307. Die physische Verwahrung der Wertpapiere ist zwar nicht per definitionem Zentralverwahrern vorbehalten, in der Praxis aber die Regel308. Zu den typischen Dienstleistungen im Rahmen der Depotverwaltung zählt das Inkasso von Kapitalerträgen, die Weitergabe von Mitteilungen des Emittenten und die Ausübung von Stimm- und Bezugsrechten. Der Umfang der angebotenen Verwaltungsleistungen kann allerdings von Institut zu Institut variieren und hängt nicht zuletzt davon ab, ob man es mit einem Zentralverwahrer oder einer nachgeordneten Depotstelle zu tun hat. Das gilt zumal in bezug auf Zusatzleistungen wie das Sicherheitenmanagement, die Portfolioanalyse oder die Erledigung steuerlicher Angelegenheiten für den Depotinhaber309.

II. Institute 1.  Zentralverwahrer (CSDs) a)  Begriff und Betätigungsfelder Unter den Anbietern von Verwahr- und Abwicklungsdienstleistungen nehmen Zentralverwahrer (Central Securities Depositories – CSDs; in der Sprache von §  1 Abs.  3 DepotG: Wertpapiersammelbanken) eine herausgehobene Position ein310. Denn als zentrale Hinterlegungsstellen für Kapitalmarktwerte bilden sie das Bindeglied zwischen den Emittenten auf der einen sowie den Giroteilnehmern und Investoren auf der anderen Seite. Und als Betreiber von Effektenabwicklungssystemen bilden sie das institutionelle Rückgrat des Effektengiroverkehrs311. Der Kundenkreis von ZentralSettlement in the EU, Glossary, S.  85: „The safekeeping and administration of securities and other financial instruments on behalf of others.“ 306  CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  85: „An entity, often a bank, that safe-keeps securities for its customers and may provide various other services, including clearing and settlement, cash management, foreign exchange and securities lending.“ 307  Oben §  3 IV 1. 308  Das White Paper der Deutschen Börse (The European Post-Trade Market, S.  9 f.) spricht in Anbetracht dessen von custody function, soweit es um die Kontoführung und die Titelverwaltung geht, und von safekeeping function, soweit ein Institut physisch Wertpapiere in seinem Tresor aufbewahrt. 309  Zu diesen sog. value added services siehe Kröpfl, Effizienz, S.  26 ff.; Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  9 f. 310 Treffend Norman, Plumbers and Visionaries, S.  12: „The CSD is the basic building block of a modern settlement infrastructure“. Ferner Wust, Verbuchung, S.  65 („Herzstück der intermediären Wertpapierverwahrung“). 311  Nach der Definition in Art.  2 Abs.  1 Nr.  1 CSDR ist ein Zentralverwahrer „eine juristische Person, die ein Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem nach Abschnitt A Nummer 3 des Anhangs betreibt und die wenigstens eine weitere Kerndienstleistung nach Abschnitt A des Anhangs erbringt“. Zu diesen weiteren Kerndienstleistungen zählen die erstmalige Verbuchung von Wertpa-

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verwahrern setzt sich in der Regel aus einer begrenzten Zahl von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten zusammen312 . Im Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit stehen Effekten, die auf dem jeweiligen Heimatmarkt emittiert und gehandelt werden. Namentlich die größeren Zentralverwahrer sind dank gegenseitiger Kontoverbindungen (sog. CSD-links) und externer Lagerstellen aber auch zur Abwicklung von Geschäften in ausländischen Titeln in der Lage313. Viele Zentralverwahrer bieten ihren Kunden über ihr Kerngeschäft hinaus weitere Dienstleistungen an314 . Dazu gehören beispielsweise das Sicherheitenmanagement, die Portfolioanalyse, die Erledigung steuerlicher Angelegenheiten und die Gewährung kurzfristiger Kredite. Eine typische Zusatzleistung ist auch das Betreiben eines Wertpapierleihsystems, in dem der Zentralverwahrer als Vermittler von Leihgeschäften zwischen den Giroteilnehmern auftritt. Auch gibt es Zentralverwahrer, die in ihrem Heimatland als offizielle Stelle für die Vergabe von Wertpapierkennziffern fungieren. Art und Umfang dieser Zusatzleistungen variieren jedoch stark 315. Auch hinsichtlich ihrer Organisationsform und ihrer Eigentümer weisen die Zentralverwahrer Unterschiede auf316. b) Beispiele Der Begriff „Zentralverwahrer“ soll lediglich zum Ausdruck bringen, daß Effekten bei einer einzigen Stelle konzentriert werden, um über sie durch Umbuchungen auf Depotkonten verfügen zu können. Er sollte nicht zu dem Mißverständnis verleiten, es könne in jedem Land nur ein Institut dieser Art geben317. Tatsächlich aber hat sich die Verwahr- und Abwicklungslandschaft besonders in Europa im Laufe der letzten 20 Jahre dermaßen verändert, daß die meisten Länder nur noch über einen Zentralverwahrer verfügen.

pieren im Effektengiro („notarielle Dienstleistung“) sowie die die Bereitstellung und Führung von Depotkonten auf oberster Ebene („zentrale Kontoführung“). Siehe auch die Definition bei CPSS/ IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Glossary: „An entity that provides securities accounts, central safekeeping services, and asset services, which may include the administration of corporate actions and redemptions, and plays an important role in helping to ensure the integrity of securities issues (that is, ensure that securities are not accidentally or fraudulently created or destroyed or their details changed).“ 312  Zahlenangaben dazu bei ECSDA, CSD Factbook 2015, S.  13 ff. 313  Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  13. 314  Siehe dazu auch die Aufzählung im Anhang der CSDR, Abschnitt B (Nichtbankartige Nebendienstleistungen) und Abschnitt C (Bankartige Nebendienstleistungen). 315  Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  9 ff.; London Economics-Report, S.  9; Russo u. a., Governance of Securities Clearing and Settlement Systems, S.  12; jeweils bezogen auf die CSDs in den EU-Mitgliedstaaten. 316  Russo u. a., Governance of Securities Clearing and Settlement Systems, S.  10 ff., 35 ff. 317  de Carvalho, Cross-Border Securities Clearing and Settlement in the European Union, S.  14. Das folgt auch aus §  1 Abs.  3 Satz  1 DepotG, wonach es in Deutschland mehrere Wertpapiersammelbanken geben könnte (und bis 1990 auch gegeben hat, dazu sogleich im Text).

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aa)  Clearstream Banking AG Ein besonders intensiver Konsolidierungsprozeß hat sich in Deutschland vollzogen. Bis Ende 1989 gab es hierzulande noch sieben Wertpapiersammelbanken i. S. von §  1 Abs.  3 DepotG, von denen sich fast alle aus historischen Gründen „Kassenvereine“ nannten318. Sie hatten die Rechtsform einer Aktiengesellschaft und befanden sich an allen deutschen Börsenplätzen mit Ausnahme von Bremen319. Gründer und Anteilseigner waren Banken. Zum 1. Januar 1990 wurden die an den regionalen Börsenplätzen ansässigen Wertpapiersammelbanken gemäß §  339 Abs.  1 AktG a. F. auf die Frankfurter Kassenverein AG verschmolzen, die danach als Deutscher Kassenverein AG (DKV) firmierte und 77 Kreditinstitute als Aktionäre hatte320. Als der DKV im Jahre 1996 mit dem Auslandskassenverein (AKV)321 verschmolzen wurde, fiel ihm auch das Auslandsgeschäft in Wertpapieren gemäß §  22 Abs.  1 DepotG zu. Im Jahre 1997 gaben die Banken als bisherige Eigentümer des DKV ihre Anteile an die Deut­ sche Börse AG ab. Damit ging die einzige deutsche Wertpapiersammelbank, die nunmehr Deutsche Börse Clearing AG hieß322 , erstmals vollständig in die Trägerschaft der Börse über323. Zum 1. Januar 2000 gründete die Deutsche Börse AG mit dem internationalen Zentralverwahrer Cedel International S.A.324 das Gemeinschaftsunternehmen Clearstream International S.A. mit Sitz in Luxemburg, in das sie ihre Anteile an der Deutsche Börse Clearing AG einbrachte. Im Zuge dieses ersten grenzüberschreitenden Zusammenschlusses europäischer Wertpapierabwickler erhielt die Deutsche Börse Clearing AG ihren heutigen Namen Clearstream Banking AG (CBF)325. Ihre Fortsetzung fand die Umstrukturierung mit der vollständigen Übernahme der Clear­ 318  Die Bezeichnung geht zurück auf den Vorläufer der Wertpapiersammelbanken, den im Jahre 1823 durch zehn Berliner Bankhäuser nach dem Vorbild des Londoner Clearing-Hauses gegründeten Berliner Kassenverein, und erklärt sich daraus, daß dieses Institut zunächst nur mit der Ab­ wicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs befaßt war; ausführlich zur Geschichte des Berliner Kassenvereins Achterberg, in: Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kassenvereine (Hrsg.), Die deutschen Wertpapiersammelbanken, S.  9–34; siehe auch den kurzen historischen Abriß bei Opitz, DepotG, §  1 Anm.  10 (S.  25 f.). 319  Aufzählung bei Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  1 Rn.  67. 320  Jeck, Die Bank 1990, 437, 438. 321  Die Deutscher Auslandskassenverein AG mit Sitz in Frankfurt am Main war im Juli 1970 von den Kassenvereinen gegründet worden, um die Durchführung des Treuhandgiroverkehrs zwischen deutschen Kreditinstituten für auslandsverwahrte Werte zu ermöglichen, das Verfahren der Einführung ausländischer Aktien zum amtlichen Handel an deutschen Wertpapierbörsen zu vereinheitlichen und an einem künftigen internationalen Effektengiroverkehr teilzunehmen. Der AKV unterhielt selbst Depotkonten bei den Kassenvereinen – war also selbst keine Wertpapiersammelbank – und ließ im Unterschied zu diesen auch ausländische Kreditinstitute als Kontoinhaber zu. Seit der Verschmelzung der regionalen CSDs auf den Frankfurter Kassenverein war der AKV eine 100%ige Tochtergesellschaft des DKV; näher dazu Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  24 f.; Delorme, in: Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kassenvereine (Hrsg.), Die deutschen Wertpapiersammelbanken, S.  93, 96 ff.; Heinsius, Kreditwesen 1971, 21 ff. 322  Zu den Gründen der Umfirmierung Manhold, Kreditwesen 1997, 919. 323  Nawrath, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  93, 99. 324  Zu ihm sogleich unter 2 b) bb). 325  Gruppe Deutsche Börse, Geschäftsbericht 1999, S.  67 ff.

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stream International S.A. durch die Deutsche Börse AG im Juli 2002. Seitdem ist auch die Clearstream Banking AG als 100%ige Tochtergesellschaft der Clearstream Interna­ tional S.A. (wieder) voll in die Gruppe Deutsche Börse integriert326. Im Dezember 2010 hat die Deutsche Börse AG ihre Anteile an der Clearstream International S.A. auf die Clearstream Holding AG übertragen, die seitdem als Zwischenholding fungiert327. Infolge dieser Entwicklung, die Merkmale sowohl einer vertikalen als auch einer horizontalen Konsolidierung aufweist328, steht für die Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland ausschließlich die Clearstream Banking AG zur Verfügung. Folgerichtig ist die Clearstream Banking AG auch in die Abwicklung von Geschäften in inlandsverwahrten Papieren einbezogen329, und zwar unabhängig davon, ob das Geschäft an der Frankfurter Wertpapierbörse, an einer der sieben Regionalbörsen oder außerbörslich abgeschlossen wird. Auch auf die Art der Orderausführung (­ Xetra oder Parkett) kommt es nicht an330. Darüber hinaus sind bei der Clearstream Bank­ing AG die Verwahr- und Abwicklungstätigkeiten im Rahmen des grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs auf der Grundlage des §  5 Abs.  4 DepotG und im Rahmen des Treuhandgiroverkehrs für im Ausland verwahrte Wertpapiere konzentriert. Entsprechend weit und internationalisiert ist heute der Kundenkreis des Instituts331. bb)  Ausländische Zentralverwahrer Auch im europäischen Ausland finden sich Beispiele für eine Konsolidierung im Bereich des Clearing und Settlement. So wurde im Jahre 1999 CRESTCo., seit 1996 Betreiber des Abwicklungssystems CREST, durch den Zusammenschluß mit dem Cen­ tral Gilts Office (CGO) und dem Central Money Markets Office (CMO) zum einzigen Abwickler für das Vereinigte Königreich und Irland332 . Der spanische Zentralverwahrer Iberclear ist 2003 aus der Vereinigung des SCLV (Servicio de Compensacion y Liquidacion de Valores) mit der CADE (Central de Anotaciones del Mercado de Deuda Publica) hervorgegangen333. 326 

Gruppe Deutsche Börse, Geschäftsbericht 2002, S.  10 f., 74 ff. CBL, Customer Handbook, S.  1-1 f. 328  Nawrath, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  93, 99 f. Von vertikaler Konsolidierung spricht man, wenn verschiedene Aktivitäten im Rahmen des Wertpapierhandels und der Wertpapierabwicklung (z. B. Trading, Clearing, Settlement) bei einer Organisation oder unter dem Dach einer Organisation zusammengefaßt werden. Unter horizontaler Konsolidierung versteht man den Zusammenschluß oder die Kooperation von Anbietern gleichartiger Dienstleistungen; siehe die Begriffserläuterung im London Economics-Report, S.  13 f. 329  Zur Einbeziehung von CBF kommt es nur dann nicht, wenn das Geschäft zwischen zwei Kunden desselben Kreditinstituts abgeschlossen wurde, also innerhalb dieses Instituts abgewickelt werden kann. 330  London Economics-Report, S.  75 f. Die Frankfurter Wertpapierbörse hat den Parketthandel 2011 eingestellt. 331 Laut ECSDA, CSD Factbook 2015, S.  13 hat CBF 288 Teilnehmer und ist damit innerhalb der EU der CSD mit der größten Teilnehmerzahl. 332  Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  13. 333  Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  13. 327 

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Daß sich die europäische Clearing- und Settlementlandschaft in den letzten Jahren erheblich verändert hat, ist freilich auch auf eine Reihe grenzüberschreitender Zusammenschlüsse zurückzuführen – eine Entwicklung, die eng mit den vielfältigen Kooperations- und Fusionsbestrebungen im Börsenwesen zusammenhängt334 und vor allem von Euroclear, dem älteren der beiden internationalen Zentralverwahrer, in einer Allianz mit der Mehrländerbörse Euronext vorangetrieben worden ist335. So wurden der französische, der niederländische, der britisch-irische und der belgische Zentralverwahrer zwischen 2001 und 2006 nach und nach in die Euroclear-Gruppe integriert336. Zum 31. Oktober 2008 wurde außerdem der nordische Zentralverwahrer NCSD (Nordic Central Securities Depository) übernommen, eine 2004 im Zuge der Übernahme des finnischen Börsenbetreibers HEX durch die schwedische OM-Gruppe gegründete Holdinggesellschaft, unter deren Dach die Zentralverwahrer Finnlands und Schwedens zusammengefaßt sind337. Der erste grenzüberschreitende Zusammenschluß im europäischen Abwicklungssektor, die bereits erwähnte Gründung der Clearstream International S.A. mit Sitz in Luxemburg zum 1. Januar 2000, wurde freilich nicht von Euroclear, sondern dem Erzrivalen Cedel International S.A. und der Deutsche Börse AG ins Werk gesetzt. Als älteste Wertpapiersammelbank der Welt gilt der 1872 gegründete Wiener Giround Cassenverein, ein Vorgänger der 1946 gegründeten Österreichischen Kontroll­ bank (OeKB). Weltweit größter Zentralverwahrer ist, gemessen am Gesamtwert der verwahrten Titel und der Anzahl der abgewickelten Transaktionen, die noch vergleichsweise junge, nämlich erst 1973 errichtete Depository Trust Company (DTC) mit Sitz in New York 338. Später noch gesondert vorzustellen ist der schweizerische Zentralverwahrer SIX SIS AG (zuvor: SIS SegaInterSettle AG), der im Mai 1999 aus dem Zusammenschluß der 1970 gegründeten Schweizerischen Effekten-Giro AG (SEGA) mit der Intersettle AG (Swiss Corporation for International Securities Settle­ ments), die eine Tochtergesellschaft der SEGA und mit der Abwicklung grenzüberschreitender Wertpapiergeschäfte befaßt war, hervorgegangen ist339. 334 

Dazu ausführlich Christoph, Börsenkooperationen und Börsenfusionen, S.  49 ff. allgemein zum Konsolidierungs- und Integrationsprozeß im europäischen Abwicklungssektor Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  13 f.; London Economics-Report, S.  12 ff.; insbesondere zu den Aktivitäten von Euroclear Norman, Plumbers and Visionaries, S.  158 ff. 336  Die Institute heißen heute Euroclear France (vormals Sicovam, Paris), Euroclear Nederland (vormals NECIGEF – Nederlands Centraal Instituut voor Giraal Effectenverkeer BV, Amsterdam), Euroclear UK & Ireland (vormals CrestCo., London) und Euroclear Belgium (vormals CIK – Caisse Interprofessionelle de Dépot et de Virements de Titres/Interprofessionele Effectendeposito- en Girokas, Brüssel). 337 Heute Euroclear Finland (vormals APK – Suomen Arvopaperikeskus Oy, Helsinki) und Euro­ clear Sweden (vormals VPC, Stockholm). 338  Norman, Plumbers and Visionaries, S.  39; Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  12 in Fn.  45. 339  Siehe dazu unten §  12 I. 335  Siehe

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2.  Internationale Zentralverwahrer (ICSDs) a)  Begriff und Betätigungsfelder Die Einrichtung internationaler Zentralverwahrer (International Securities Depositories – ICSDs) begann in den späten 1960er Jahren, als eine starke Zunahme der Emission von Eurobonds zu verzeichnen war. Eurobonds (Euroanleihen) sind festverzinsliche, auf eine voll konvertible Währung lautende Schuldverschreibungen, die unter Federführung eines internationalen Bankenkonsortiums in mehreren Ländern gleichzeitig zum Kauf angeboten und auf dem Eurokapitalmarkt gehandelt werden. Als exterritoriale Anlagetitel, die einer vom Emittenten frei gewählten Rechtsordnung unterstehen, haben sie keinen Heimatmarkt340. Da eine besondere Infrastruktur für die Verwahrung, Verwaltung und Übertragung von Eurobonds nicht exi­ stierte, mußten Geschäfte in diesen Titeln von den Parteien durch effektive Lieferung der Wertpapiere gegen Zahlung erfüllt werden. Das war aufwendig, riskant und teuer und stieß bald an praktische Grenzen. Daraus entstand die Überlegung, internationale Zentralverwahrer einzurichten, die Wertpapier- und Geldkonten für eine Vielzahl von Finanzdienstleistern aus unterschiedlichen Ländern führen und Eurobond-Geschäfte in mehreren Währungen abzuwickeln in der Lage sind341. Seit ihrer Gründung vor mehr als vier Jahrzehnten haben die beiden einzigen ICSDs auf der Welt – Clearstream Banking Luxembourg (CBL) und Euroclear – ihr ursprüngliches Geschäftsfeld jedoch erheblich ausgeweitet. So ist es ihnen heute dank der Einrichtung direkter oder indirekter settlement links zu verschiedenen nationalen Zentralverwahrern möglich, auch Geschäfte in inländischen, d. h. aus bestimmten Heimatmärkten stammenden Aktien und Anleihen abzuwickeln342 . Von den nationalen Wertpapiersammelbanken unterscheiden sich die beiden internationalen Zentralverwahrer in einem wesentlichen Punkt: Sie verwahren selbst keine Wertpapiere. Eurobonds und alle sonstigen auf dem internationalen Markt begebenen Titel werden vielmehr in Form von Dauerglobalurkunden343 bei nach be340  Der Begriff „Eurobond“ bedeutet also nicht, daß Anleihen dieser Art stets auf Euro lauten und der Euromarkt auf das europäische Gebiet beschränkt wäre. Vielmehr soll er sich historisch daraus erklären, daß diese Anleihen zuerst in der Europäischen Gemeinschaft aufkamen. Eingehend zum Begriff und zur Entwicklung des Euromarktes Finsterwalder, Internationale Kapitalmärkte, in: Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S.  1101 ff.; Horn, Das Recht der internationalen Anleihen, S.  7 ff.; Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen, S.  28 ff. 341  Jaskulla, ZEuS 2004, 497, 506; Zabel, in: Gedächtnisschrift für Bosch, S.  315, 323. 342  BIS, Cross-Border Securities Settlements, S.  16; Lannoo/Levin, The Securities Settlement Industry in the EU, S.  7. Die Definition des Begriffs „ICSD“ bei CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  87 lautet denn auch: „A central securities depository that settles trades in international securities and in various domestic securities, usually through direct or indirect (through local agents) links to local CSDs.“ 343  Jedenfalls bei Neuemissionen werden heute offenbar keine Einzelurkunden mehr ausgegeben; CBL, Customer Handbook, S.  7-2 ff. Zur früheren Verbriefungspraxis siehe Benjamin, Interests in Securities, Rn.  1.84 m. Fn.  108; Christie/Dosanjh, in: Oditah (Hrsg.), The Future for the Global Securities Market, S.  131 ff.; Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  94 f.

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stimmten Kriterien ausgewählten Depotbanken hinterlegt, die jeweils als gemeinsamer Verwahrer (common depository, common safekeeper) für beide ICSDs fungieren344 . Diese Praxis hat ihren Grund darin, daß internationale Emissionen in der Regel in beide Systeme einbezogen werden, um einen gegenseitigen „Lieferverkehr“ zu ermöglichen und so die Attraktivität der Titel für Investoren zu erhöhen345. Zwar haben sowohl Clearstream Banking Luxemburg als auch Euroclear längst jene kritische Masse an Kunden erreicht, die es ihnen erlaubt, einen Großteil der Transaktionen rein intern abzuwickeln346. Allerdings haben sie, um ihren Teilnehmern auch im verwahrerübergreifenden Verkehr die Bewegung effektiver Stücke zu ersparen, im Jahr 1980 auf deren Druck eine gegenseitige Kontoverbindung eingerichtet. Über diese elektronische bridge, die als die weltweit aktivste Verbindung zwischen zwei Zentralverwahrern gilt, können Wertpapier- und Geldguthaben von einem System in das andere übertragen werden347. Aus nationalen Märkten stammende Kapitalmarkttitel werden von den internationalen Zentralverwahrern in der Form akzeptiert, in der sie vom heimatlichen Zentralverwahrer zugelassen worden sind. Sie können also in Urkunden verbrieft oder dematerialisiert sein348. Die „Einspeisung“ nationaler Werte in die Systeme der internationalen Zentralverwahrer hat zur Folge, daß (auch) diese Werte durch Belastungen und Gutschriften auf den Teilnehmerkonten übertragen werden können, sei es innerhalb ein und desselben Instituts, sei es über die bridge. Für die Kontoinhaber bringt das zwei Vorteile mit sich: Effektengeschäfte können unter Umständen schneller abgewickelt werden, als dies unter Einbeziehung des nationalen Zentralverwahrers möglich wäre, und der Kaufpreis kann unter Umständen in einer Währung gezahlt werden, für die das nationale Abwicklungssystem nicht eingerichtet ist349.

344  Zu den Einzelheiten siehe CBL, Customer Handbook, S.  7-2 ff. Im einfachsten Fall besteht die Verwahrpyramide also aus vier Ebenen: An der Spitze steht der gemeinsame Verwahrer, dann folgen auf den Zwischenebenen die ICSDs und deren Giroteilnehmer, an der Basis stehen die Anleger; siehe das Schaubild Nr.  1 bei Gullifer, Legal Problems, Rn.  6 -07. 345  Benjamin, Interests in Securities, Rn.  1.84 m. Fn.  107. 346  BIS, Cross-Border Securities Settlements, S.  16. Siehe auch Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  72, der in der Internalisierung grenzüberschreitender Transaktionen sogar die Hauptaufgabe der ICSDs sieht. 347 Die bridge ist nach der Pont Adolphe in Luxemburg benannt, die früher für den Lieferverkehr zwischen beiden Instituten mittels Lkw benutzt wurde. Ausführlich zur Geschichte und Funktionsweise der bridge Norman, Plumbers and Visionaries, S.  54 f.; BIS, Cross-Border Securities Settlements, Annex 4 (S.  58 ff.). 348  Christie/Dosanjh, in: Oditah (Hrsg.), The Future for the Global Securities Market, S.  131, 135. 349  Christie/Dosanjh, in: Oditah (Hrsg.), The Future for the Global Securities Market, S.  131, 134 f.

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b) Beispiele aa) Euroclear Das Abwicklungssystem Euroclear wurde im Jahre 1968 von der US-amerikanischen Geschäftsbank Morgan Guaranty Trust Company of New York (MGT) als Abteilung ihrer Brüsseler Niederlassung gegründet und hat seitdem, was seine Träger betrifft, eine wechselvolle Geschichte erlebt, die hier nicht im Detail wiedergegeben zu werden braucht350. Betreiberin des Systems ist seit Januar 2001 die Euroclear Bank S.A./ N.V. mit Sitz in Brüssel. Sie ist eine Tochtergesellschaft der gleichfalls belgischen Eu­ roclear S.A./N.V., die ihrerseits der Euroclear plc mit Sitz in London gehört, und als solche eine Schwestergesellschaft all jener nationalen Zentralverwahrer, die von der Euroclear-Gruppe im Laufe der letzten Jahre übernommen worden sind: Euroclear France, Euroclear Nederland, Euroclear UK & Ireland, Euroclear Belgium, NCSD351. Teilnehmer des Euroclear-Systems, über das etwa 190.000 Kapitalmarktwerte in mehr als 30 Währungen abgewickelt werden können, sind über 2.000 Banken, Broker und sonstige Finanzdienstleister aus mehr als 80 Ländern352 . Mit der Verwahrung der Wertpapiere sind mehr als 70 Depotstellen in 32 Einzelmärkten betraut353. Den Geschäftsbedingungen von Euroclear zufolge richten sich die Rechte der Teilnehmer an den für sie gehaltenen Effekten nach belgischem Recht354 . bb)  Clearstream Banking Luxembourg Die Ursprünge der Clearstream Banking Luxembourg S.A. reichen in das Jahr 1970 zurück, als 66 Finanzinstitute aus elf europäischen Ländern in der Überzeugung, daß die Abwicklung von Eurobond-Geschäften nicht einem einzigen US-amerikanischen Unternehmen überlassen werden dürfe, die Centrale de Livraison de Valeurs Mobilières (Cedel) in Form einer Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts gründeten355. Im Jahre 1995 wurde die Cedel International S.A. zur Muttergesellschaft der Cedel, die eine Banklizenz erhielt und sich fortan Cedelbank nannte. Zum 1. Januar 2000 kam es zu der bereits erwähnten Gründung der Clearstream International S.A. 350  Ausführliche Darstellung bei Norman, Plumbers and Visionaries, S.  31 ff., 43 ff., 72 ff., 151 ff. und passim; ferner Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  12 in Fn.  45; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  26 f.; Ege, Kollisionsrecht, S.  15 f. 351  Informationen zum Organisationsaufbau unter www.euroclear.com. 352  BIS/CPSS, Payment and settlement systems in selected countries, S.  4 64, 466. 353  BIS/CPSS, Payment and settlement systems in selected countries, S.  4 68. 354  Ausführlich zum Halten von Wertpapieren im Euroclear-System Fontaine, in: Scherer, DepotG, Anh. §  5 unter B (S.  242 ff.); ferner Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  95 ff. 355  Ausführlich dazu Norman, Plumbers and Visionaries, S.  35 ff.; ferner CBL, Customer Handbook, S.  1-1; Bernasconi, Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collat­ eral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  12 f. in Fn.  45; Ege, Kollisionsrecht, S.  15; Horn, Das Recht der internationalen Anleihen, S.  243 f.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

als Gemeinschaftsunternehmen der Cedel International S.A. und der Deutsche Börse AG. Im Zuge dieses Zusammenschlusses wurde die Cedelbank in Clearstream Bank­ ing Luxembourg S.A. umbenannt. Seitdem ist dieser internationale Zentralverwahrer – neben der Clearstream Banking AG in Frankfurt am Main – unter dem Dach der Clearstream International S.A. angesiedelt, die zu 100% der Deutsche Börse AG gehört. Die Clearstream Banking Luxembourg S.A. führt Konten für mehr als 2.500 Kunden aus über 110 Ländern356. Die auf über 50 Länder verteilten Lagerstellen werden auch von der Clearstream Banking AG in Frankfurt am Main für die Drittverwahrung im Ausland nach §  22 Abs.  1 DepotG genutzt, bei welcher der Kontoinhaber eine sog. Gutschrift in Wertpapierrechnung erhält357. Die Rechte der Teilnehmer an den für sie gehaltenen Effekten unterliegen luxemburgischem Recht358.

3.  Lokale und internationale Verwahrer Betrachtet man die übrigen im Depotgeschäft tätigen Institute, so bekommt man es wiederum mit einer Unterscheidung zu tun, die nicht rechtlich vorgegeben, sondern Ausdruck einer bestimmten Rollenverteilung ist. Um diese Unterscheidung zu verstehen, muß man sich in die Lage eines international agierenden Investors versetzen, der sich fragt, über welches Institut er sein Portfolio halten und seine Geschäft ab­ wickeln kann. Ein lokaler Verwahrer (local custodian, local agent) erbringt Depotdienstleistungen auf einem nationalen Markt oder einigen wenigen nationalen Märkten. Seine Hauptfunktion besteht darin, seinen Kunden den Zugang zum betreffenden nationalen Zentralverwahrer zu vermitteln359. Er fungiert also aus Sicht des Anlegers als „Pförtner“ zum Abwicklungssystem360. Im Rahmen der Depotverwaltung kümmert er sich auch um Angelegenheiten, die der Zentralverwahrer nicht wahrnehmen kann oder will, wie etwa die Ausübung von Stimmrechten aus Aktien. Ein global custodian bietet seine Dienstleistungen für eine Vielzahl von (auch ­weniger liquiden) Märkten in unterschiedlichen Ländern an361. Zur Präsenz auf diesen Märkten unterhält er direkte oder indirekte, d. h. über lokale Verwahrer als sub­ 356 Siehe die Angaben unter http://www.clearstream.com/clearstream-en/about-clearstream/ who-we-are (abgerufen am 15. März 2017). 357  CBF-Kundenhandbuch, S.  1-19 ff. 358 Ausführlich Weydert/Lehnert, in: Scherer, DepotG, Anh. §  5 unter A (S.  223 ff.). 359  Siehe das Stichwort „Local agent“ bei CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  87: „A custodian that provides custody services for securities traded and settled in the country in which it is located to trade counterparties and settlement intermediaries located in other countries (non-residents).“ Siehe ferner Norman, Plumbers and Visionaries, S.  14 f. Beck, in: Festschrift für Horn, S.  669, 674. 360  Bertschinger, in: Festschrift für Kramer, S.  4 63, 468. 361 Siehe CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  86: „A custodian that provides its customers with custody services in respect of securities traded and settled not only in the country in which the custodian is located but also in numerous other countries through­ out the world.“

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custodians362 vermittelte Kontoverbindungen zu den betreffenden Zentralverwahrern. Einem Investor eröffnet er dadurch die Möglichkeit, sein international diversifiziertes Portfolio durch ein einziges Institut verwahren und verwalten zu lassen, ohne selbst Depotstellen in der ganzen Welt in Anspruch nehmen zu müssen363. Das Geschäftsfeld der global custodians (z. B. The Bank of New York Mellon, JP Morgan und State Street)364 überschneidet sich somit zum Teil mit dem der internationalen Zentralverwahrer, die ebenfalls ihren Teilnehmern einen (und sei es indirekten) Zugang zu verschiedenen Märkten verschaffen. Allerdings hält sich der Wettbewerb zwischen beiden Gruppen in Grenzen. Denn die Angebotspalette der ICSDs ist weitgehend standardisiert und in erster Linie auf Großhandelskunden ausgerichtet. Demgegenüber wenden sich global custodians vornehmlich an institutionelle Inve­ storen, denen sie ein nach ihren individuellen Bedürfnissen zusammengestelltes Lei­ stungspaket offerieren, das neben der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren auch zahlreiche Zusatzleistungen wie das Liquiditätsmanagement, die Aufbereitung von Marktinformationen und die Portfolioanalyse enthalten kann365. Hinzu kommt, daß die ICSDs auf bestimmten Märkten nicht präsent sind, weil ihnen deren Erschließung nicht lohnend erscheint. Die Reichweite der global custodians, die z. T. über 100 Märkte abdecken, ist deutlich größer366.

4.  Zentrale Gegenparteien Um ein vollständiges Bild von der Rollenverteilung bei der Abwicklung von Effektengeschäften zu bekommen, müssen schließlich noch die zentralen Gegenparteien in den Blick genommen werden. a) Begriff Eine zentrale Gegenpartei (Zentraler Kontrahent, Central Counterparty – CCP) ist eine Einrichtung, die sich als Vertragspartei zwischen die Kontrahenten eines Börsen- oder over the counter-Geschäfts schiebt, d. h. im Verhältnis zum Verkäufer die 362 Siehe CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  92: „A custodian that holds securities on behalf of another custodian. A global custodian, for example, may hold securities through another custodian in a local market. The latter custodian is known as a sub-custodian.“ 363  Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  8; Kröpfl, Effizienz, S.  30. 364  Der Markt für das Global Custody-Geschäft ist durch einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet, der auf die hohen Kosten der Informationstechnologie und signifikante Skaleneffekte zurückzuführen ist. Es wird geschätzt, daß die im Text genannten drei Marktführer zusammen einen Anteil am Weltmarkt von über 40% haben; Lannoo/Levin, The Securities Settlement Industry in the EU, S.  11 f. 365  Benjamin, Interests in Securities, Rn.  10.09 ff.; Lannoo/Levin, The Securities Settlement Industry in the EU, S.  11 f.; dies., Clearing und Settlement in der EU, S.  9; Norman, Plumbers and Vi­ sionaries, S.  15 f., 86 f. Siehe auch die Abbildung bei Manhold, Kreditwesen 1997, 612, 613, ausweislich derer global custodians ein breiteres Leistungsspektrum als CSDs und ICSDs abdecken. 366  Norman, Plumbers and Visionaries, S.  15, 87.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

Rolle des Käufers und im Verhältnis zum Käufer die Rolle des Verkäufers übernimmt367. Bei Einsatz einer zentralen Gegenpartei wird eine aus wirtschaftlicher Sicht einheitliche Transaktion in zwei rechtlich selbständige Verträge aufgespalten. Dies kann einmal in der Weise geschehen, daß im Moment des Geschäftsabschlusses − z. B. mit dem matching von zwei Börsenaufträgen im elektronischen Handelssy­ stem der Börse − unmittelbar ein Vertrag zwischen dem Verkäufer und der Zentralen Gegenpartei sowie ein weiterer, inhaltsgleicher Vertrag zwischen der zentralen Gegenpartei und dem Käufer zustandekommt368. Möglich ist aber auch, daß die zentrale Gegenpartei in ein zunächst zwischen den Handelsteilnehmern begründetes Vertragsverhältnis eintritt mit der Folge, daß dieses im Wege der Novation von zwei inhaltsgleichen Verträgen zwischen den Handelsteilnehmern und der zentralen Gegenpartei abgelöst wird369. b) Funktionen Eine zentrale Gegenpartei hat drei Funktionen. aa)  Reduktion des Gegenparteirisikos Die wichtigste Funktion besteht in der Übernahme und Reduktion des Gegenparteirisikos. An die Stelle des Risikos, daß der auf der Gegenseite stehende Handelsteilnehmer, über dessen Identität und Bonität sich der Geschäftspartner zumindest im anonymen Börsenhandel vor Vertragsschluß nicht vergewissern kann, leistungsunfähig wird, tritt das wesentlich kleinere Risiko des Ausfalls der zentralen Gegenpartei370. Da die von den Handelsteilnehmern herrührenden Erfüllungsrisiken bei ihr kumuliert werden, muß diese nämlich neben einer erstklassigen Finanzausstattung auch über ein ausgeklügeltes Sicherungssystem verfügen, mit dessen Hilfe der Zusammenbruch eines Teilnehmers aufgefangen werden kann. Kernelement dieses Systems ist die Verpflichtung der nach strengen Kriterien ausgewählten Clear­ingMitglieder, zur Deckung ihrer offenen Liefer- bzw. Zahlungsverbindlichkeiten Sicher­heiten in Form von Geld oder Wertpapieren zu hinterlegen. Die Höhe dieser 367  CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Annex H: Glossary, S.  174; ­Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.12. 368  Dieses mitunter auch als Open Offer-Konzept bezeichnete Modell wird z. B. bei den CCP-Sy­ stemen an der Frankfurter Wertpapierbörse (Eurex Clearing AG) und der schweizerischen Börse SWX (SIS x-clear AG) praktiziert; siehe Alfes, Central Counterparty, S.  76 ff.; Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  96 ff.; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1319. Für Termingeschäfte an der EUREX siehe Härle, Die Terminbörsen EUREX und WTB, S.  187 ff. 369  Dieses Konzept ist z. B. bei der US-amerikanischen NSCC (National Securities Clearing Cor­ poration) anzutreffen und wird dort als Novation eingeordnet; DTCC, Central Counterparties, White Paper, S.  18. Zu pauschal, weil für alle CCPs von einer Novation ausgehend Haentjens, Harmonisation of Securities Law, S.  45; Kröpfl, Effizienz, S.  161; The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, S.  5. 370  Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  131; vgl. auch Wilhelmi/Bluhm, in: Wilhelmi u. a. (Hrsg.), Handbuch EMIR, Teil 2 Abschn. B Rn.  10.

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Sicherheiten wird im Rahmen des sog. risk-based-margining täglich neu festgelegt, um Unter- oder Überdeckungen zu vermeiden. Außerdem ist es üblich, daß die Clear­ing-Mitglieder Beiträge zu einem Clearing-Fonds zu leisten haben, auf den die zentrale Gegenpartei in einer bestimmten Reihenfolge zurückgreifen darf, soweit die vom ausgefallenen Mitglied hinterlegten Sicherheiten nicht zur Deckung seiner Verbindlichkeiten ausreichen371. Eine zentrale Gegenpartei stellt somit „ein Instrument der kollektiven Risikokontrolle dar, das mit einem Versicherungsunternehmen vergleichbar ist“372 . Da ein Versagen der Sicherungsvorkehrungen ein systemisches Risiko begründen kann, besteht Einigkeit darin, daß zentrale Kontrahenten einer effektiven öffentlichen Aufsicht unterstehen sollten373. Daß die Tätigkeit eines CCP auch in Deutschland zu den erlaubnispflichtigen Bankgeschäften gerechnet wird, ist vor diesem Hintergrund zu sehen374 . bb)  Multilaterales Netting Ein weiterer Vorteil eines zentralen Kontrahenten besteht in der Erleichterung des (unechten) multilateralen Netting. Der Begriff „Netting“ bezeichnet die Verrechnung wechselseitiger Liefer- und Zahlungsverbindlichkeiten. Die Verrechnung bewirkt, daß bezogen auf die Geschäfte eines bestimmten Zeitraums – das Netting kann z. B. am Ende eines jeden Handelstages oder mehrmals täglich stattfinden – pro Effektengattung und Währung lediglich ein Nettoliefer- bzw. Nettozahlungsanspruch verbleibt. Zwischen den Parteien, also dem jeweiligen Handelsteilnehmer und dem zentralen Kontrahenten, müssen lediglich die aus der Verrechnung resultierenden Spitzen (Salden) tatsächlich ausgeglichen werden. Die Liefer- und Zahlungsinstruktionen, die der zentrale Kontrahent an das Abwicklungssystem übermittelt, sind auf diese Spitzen beschränkt. In der Praxis stellt die Verrechnung gegenseitiger Verbindlichkeiten aus Effektengeschäften nichts Ungewöhnliches dar. Sie kann auch rein bilateral zwischen den Handelsteilnehmern vorgenommen werden. Doch beschränkt sich das Verrechnungspotential in diesem Fall jeweils auf die Ver371  Ausführlich zum Risikomanagement von CCPs Kieper, Abwicklungssysteme, S.  29 ff.; Schön­ holzer, Zentrale Gegenparteien, S.  132 ff.; Turing, Clearing and Settlement, Kap.  17; für einen Überblick DTCC, Central Counterparties, White Paper, S.  5 f.; Eurex Clearing AG, Viele Märkte – ein Clearinghaus, S.  5 ff.; Hess, AJP 2004, 687, 695 ff.; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1337. 372  Wust, Verbuchung, S.  91. 373  CPSS/IOSCO, Recommendations for Central Counterparties, Rec. 14; DTCC, Central Counterparties, White Paper, S.  10. 374  §  1 Abs.  1 Satz  2 Nr.  12 i. V. m. der Legaldefinition §  1 Abs.  31 KWG. Die Bestimmungen wurden durch das Gesetz zur Umsetzung der neu gefaßten Bankenrichtlinie und der neu gefaßten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 17. November 2006 (BGBl. I, S.  2606) in das KWG eingefügt. Eine zentrale Gegenpartei war zunächst definiert als „Unternehmen, das bei Kaufverträgen innerhalb eines oder mehrerer Finanzmärkte zwischen den Käufer und den Verkäufer geschaltet wird, um als Vertragspartner für jeden der beiden zu dienen, und dessen Forderungen aus Kontrahentenausfallrisiken gegenüber allen Teilnehmern an seinen Systemen auf Tagesbasis hinreichend besichert sind“. Inzwischen wird in §  1 Abs.  31 KWG auf die Definition in Art.  2 Nr.  1 EMIR verwiesen.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

bindlichkeiten aus den einzelnen Beziehungen mit anderen Handelsteilnehmern. Durch die Einschaltung eines zentralen Kontrahenten steigt die Anzahl der verrechenbaren Positionen an, weil den Handelsteilnehmern „in einem an sich multilateralen Handelsumfeld“ stets die gleiche Vertragspartei gegenübersteht375. Die Verrechnung bringt pro Gattung und Währung immer nur einen Saldo und nicht eine Vielzahl von Salden hervor, wie dies beim bilateralen Netting der Handelsteilnehmer untereinander der Fall wäre376. Das multilaterale Netting bringt mehrere Vorteile mit sich377. Sein Hauptzweck liegt in der Reduktion des Abwicklungsvolumens und der damit verbundenen Senkung der Transaktionskosten. Es gibt Marktplätze, auf denen die sog. Nettingeffizienz über 95% beträgt, d. h. nur für einen kleinen Bruchteil aller Transaktionen müssen tatsächlich Titel und Geldbeträge umgebucht werden378. Die Abwicklungs- und Zahlungssysteme werden dadurch ebenso entlastet wie die Handelsteilnehmer, die ihre Handelsaktivitäten intensivieren können, ohne ihre Back-Offices ausbauen zu müssen. Für den betreffenden Handelsplatz kann sich das wiederum liquiditätssteigernd auswirken379. Überdies hat das Netting eine weitere Verringerung sowohl des Gegenparteirisikos als auch der von den Handelsteilnehmern zu hinterlegenden Sicherheiten zur Folge, bemessen sich diese doch auch nach der Höhe der offenen Verbindlichkeiten380. Positiv fällt schließlich noch ins Gewicht, daß sich die Eigenmit­tel­ anforderungen an die Handelsteilnehmer vermindern, sofern das einschlägige Aufsichtsrecht vorsieht, daß bloß Saldoverbindlichkeiten mit Eigenmitteln zu unterlegen sind381. cc) Post-Trade-Anonymität Die dritte Funktion eines zentralen Kontrahenten besteht in der Gewährleistung der sog. Post-Trade-Anonymität. Auf Handelsplätzen ohne zentrale Gegenpartei erfahren die Handelsteilnehmer jedenfalls nach Geschäftsabschluß, wer ihr Vertragspart375  Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  160, 189. Der Umstand, daß mit dem „Eintritt“ des CCP als Vertragspartei bei näherem Hinsehen eine Fülle bilateraler Verrechnungsprozesse einhergeht, ist übrigens der Grund dafür, weshalb man es hier mit einem unechten (uneigentlichen) Netting zu tun hat; Berger, Der Aufrechnungsvertrag, S.  27 f., 387; Böhm, Rechtliche Aspekte grenzüberschreitender Nettingvereinbarungen, S.  88. 376  Alfes, Central Counterparty, S.  62 f., der jedoch mißverständlich von einer „Reduzierung der Anzahl der Vertragsverhältnisse“ spricht. 377  Eingehend zu ihnen Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  185 ff. 378  DTCC, Annual Report 2006, S.  16 (Nettingquote bei der NSCC von 98% bezogen auf den Marktwert aller Transaktionen an den US-amerikanischen Börsen); Deutsche Börse Group, Jahresbericht 2003, S.  39 (Nettingquote bei der Eurex Clearing AG von 95% bezogen auf die Zahl der Transaktionen an der FWB). 379  Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  159. Nach Angaben der Deutsche Börse Group (Jahresbericht 2003, S.  39) ist die Liquidität auf XETRA nach Einführung des CCP im Geschäftsjahr 2003 um rund 27% gestiegen. 380  Alfes, Central Counterparty, S.  65. 381  Siehe für die Schweiz Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  186 ff.

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ner geworden ist. In elektronischen Handelssystemen zum Beispiel vollzieht sich zwar der Vertragsschluß anonym − zueinander passende Kauf- und Verkaufsaufträge werden vom System automatisch zusammengeführt −, doch können die Kontrahenten der im Anschluß an das matching übermittelten Bestätigung entnehmen, wer ihnen als Gegenpartei zugeteilt worden ist. Wird eine zentrale Gegenpartei in die Transaktion eingeschaltet, so hat dies zur Folge, daß die Partner des – aus wirtschaftlicher Sicht einheitlichen – Geschäfts hinter dieser Einrichtung „verschwinden“. Ihre Identität wird weder bei der Bestätigung noch während der Abwicklung des Geschäfts preisgegeben. Es taucht stets der zentrale Kontrahent als Vertragspartei auf. Um dies sicherzustellen, geht die Abwicklung in manchen Systemen so vonstatten, daß die als Ergebnis der Verrechnung geschuldeten Effekten nicht unmittelbar vom Depotkonto des Verkäufers auf das Depotkonto des Käufers übertragen werden, sondern erst nach einer Zwischenbuchung auf einem Depotkonto, das der zentrale Kontrahent selbst bei der Wertpapiersammelbank unterhält382 . Der Nutzen der Post-Trade-Anonymität wird darin gesehen, daß die Handelsteilnehmer ihre Handelsstrategien verfolgen können, ohne daß die Konkurrenten durch die elektronische Zuteilung größerer Kauf- oder Verkaufsaufträge davon erfahren. Außerdem wird ihr der Vorteil zugeschrieben, den Einfluß großer Kauf- oder Verkaufsaufträge auf die Preisbildung zu verringern383. Die Frage, wie sich die Post-Trade-Anonymität zur wertpapierhandelsrechtlichen Meldepflicht verhält, wird in Deutschland durch §  22 Abs.  3 WpHG (§  9 Abs.  1 Satz  3 WpHG-alt) beantwortet. Danach gilt die Meldepflicht nach Art.  26 Abs.  1 bis 3 sowie Abs.  6 bis 7 MiFIR auch für inländische zentrale Kontrahenten i. S. des §  1 Abs.  31 KWG hinsichtlich der von ihnen abgeschlossenen Geschäfte384 . c) Beispiele Zentrale Kontrahenten wurden zuerst im Derivatehandel eingesetzt, finden aber inzwischen auch auf den Kassamärkten Verwendung. Namentlich in Europa hat ihre Verbreitung in den letzten Jahren erheblich zugenommen. In dem Maße, in dem die nationalen Kapitalmärkte gewachsen und zusammengewachsen sind, hat sich auch der Nutzen vergrößert, den die Einschaltung eines zentralen Kontrahenten und insbesondere das Netting mit sich bringen385. Als größte Clearinginstitutionen in Europa gelten die LCH.Clearnet Group und die Eurex Clearing AG386. Die LCH.Clearnet Group ist Ende 2003 aus dem Zusammenschluß der zum Euronext-Verbund gehö382  So verhält es sich etwa beim CCP an der Frankfurter Wertpapierbörse; siehe einstweilen nur Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  4, 19 f. Ausführlich dazu unten §  6 VI 2. 383  Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  158. 384  Das war auch schon vor der Klarstellung durch §  9 Abs.  1 Satz  3 WpHG (nunmehr §  22 Abs.  3 WpHG) anerkannt, siehe Alfes, Central Counterparty, S.  68 f. 385  Lannoo/Levin, The Securities Settlement Industry in the EU, S.  9; DTCC, Central Counterparties, White Paper, S.  4. 386  London Economics-Report, S.  29 ff.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

renden Clearnet S.A. und dem London Clearing House (LCH) hervorgegangen, das 1888 gegründet wurde, um in London gehandelte Rohstoffkontrakte zu verrechnen. An der Spitze der Gruppe steht die LCH.Clearnet Group Ltd., die mehrheitlich der London Stock Exchange gehört. Unter dem Dach dieser Holdinggesellschaft sind mehrere Clearinghäuser angesiedelt, darunter die LCH.Clearnet SA und die LCH. Clearnet Ltd.. Die LCH.Clearnet SA ist zentraler Kontrahent der Euronextbörsen, während die LCH.Clearnet Ltd. als CCP für die London Stock Exchange fungiert. Die 1998 gegründete Eurex Clearing AG ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Eurex Frankfurt AG und damit eine Enkelgesellschaft der Eurex Zürich AG, die ihrerseits je zur Hälfte der SWX Swiss Exchange und der Deutsche Börse AG gehört. Ursprünglich auf die Terminbörse Eurex beschränkt, wurde ihre Tätigkeit als zentrale Gegenpartei im März 2003 auf den Aktienhandel an der Frankfurter Wertpapierbörse ausgedehnt, und zwar sowohl auf Geschäfte im elektronischen System Xetra als auch auf dem Parkett387. Mit Blick auf die in dieser Arbeit untersuchten Rechtsordnungen ist ferner die schweizerische SIX x-clear AG zu erwähnen, die (neben LCH.Clearnet Ltd.) als zweite zentrale Gegenpartei an der früheren paneuropäischen Börse virt-x operierte und diese Funktion seit September 2007 für ausgewählte Titel an der SWX Swiss Exchange wahrnimmt. Schließlich ist noch das größte Clear­ inghaus der Welt zu nennen, die 1976 gegründete National Securities Clearing Cor­ poration (NSCC), die seit 1999 als Schwestergesellschaft des Zentralverwahrers DTC zum Verbund der Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) mit Sitz in New York gehört.

III. Systeme Fragt man sich nun, über welche technischen Einrichtungen sich der Effektengiroverkehr vollzieht, so ist zwischen Abwicklungssystemen und Zahlungssystemen zu unterscheiden.

1. Abwicklungssysteme Im deutschen Recht findet sich diese Unterscheidung in §  24b Abs.  1 Satz  1 KWG, der 1999 in das Gesetz eingefügt wurde388 und auf die Finalitätsrichtlinie zurückgeht389. 387  Deutsche Börse Group, Geschäftsbericht 2003, S.  38. Bei den deutschen Regionalbörsen stieß der CCP hingegen auf wenig Gegenliebe. So haben sich die Börsen in Düsseldorf, München und Stuttgart gegen die Einführung eines CCP ausgesprochen; Börsen-Zeitung vom 11. Juli 2002, S.  4 und vom 13. Juli 2002, S.  3. 388  Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften vom 8. Dezember 1999, BGBl. I. S.  2384. 389  RL 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnnungssystemen,

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Nach dieser Vorschrift hat ein Institut die Absicht, ein Zahlungs- oder Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem zu veranstalten, unverzüglich der BaFin und der Bundesbank anzuzeigen und die Teilnehmer zu benennen. Was das Gesetz unter derartigen Systemen versteht, ist seit 2004 in §  1 Abs.  16 KWG definiert390, der im wesentlichen Art.  2 lit.  a) FinalitätsRL entspricht. Danach bezeichnet der Ausdruck „System“ eine förmliche Vereinbarung, die (1) zwischen mindestens drei Teilnehmern getroffen wurde und gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für die Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern vorsieht, (2) dem Recht eines von den Teilnehmern gewählten Mitgliedstaats unterliegt, und (3) als System angesehen wird und der Kommission von dem Mitgliedstaat, dessen Recht maßgeblich ist, gemeldet worden ist, nachdem der Mitgliedstaat sich von der Zweckdienlichkeit der Regeln des System überzeugt hat. Reduziert man diese sperrige Definition391 auf ihren Kern, so zeigt sich das charakteristische Merkmal eines Wertpapierliefer- und -abrechnungssystems: Es dient der Ausführung von Übertragungsaufträgen der Teilnehmer. Unter einem Übertragungsauftrag ist eine Weisung zu verstehen, die auf die Übertragung des Eigentums an Wertpapieren oder eines Anspruchs auf Übereignung von Wertpapieren im Wege der Verbuchung oder auf sonstige Weise gerichtet ist392 . Anders, als die übliche Unterscheidung zwischen Clearing und Settlement nahelegt, unterscheidet die Finalitätsrichtlinie nicht zwischen Wertpapierabrechnungs- und Wertpapierliefersystemen393. Sie geht vielmehr davon aus, daß Effektengeschäfte innerhalb eines einzigen Systems erfüllt werden394 . Die englische Übersetzung der Richtlinie bringt dies deutlicher als die deutsche zum Ausdruck, indem sie auf den Begriff securities settlement systems zurückgreift 395. Auch im schweizerischen Recht findet sich eine bündigere Bezeichnung als in der deutschen Fassung der Finalitätsrichtlinie und in §  24b KWG: Art.  61 Abs.  3 FinfraG verwendet den Begriff „Effektenabwicklungssystem“ und versteht darunter „eine Einrichtung, die gestützt auf einheitliche Regeln und Verfahren, ABl. EG Nr. L 166 vom 11. Juni 1998, S.  45, geändert durch die Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen, ABl. Nr. L 146 vom 10. Juni 2009, S.  37. Näher zum Zweck und wesentlichen Inhalt der Finalitätsrichtlinie unter IV 5 390  Eingefügt durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze vom 5. April 2004, BGBl. I 2004, S.  502. 391 Eingehend zu ihren einzelnen Merkmalen Vereecken, in: Vereecken/Nijenhuis (Hrsg.), Settle­ment Finality in the European Union, S.  7, 23 ff. 392  Siehe die Definition des Begriffs „Übertragungsauftrag“ in Art.  2 lit.  i) 2. Spiegelstrich FinalitätsRL. 393  Kieper, Abwicklungssysteme, S.  39. 394  Siehe demgegenüber die Abgrenzung von securities settlement systems und securities clearing systems in Art.  1(n) und (o) GWpÜ. 395  CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  91; The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, Glossary, S.  55 f.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

Geschäfte mit Effekten und anderen Finanzinstrumenten abrechnet und abwickelt“. Noch kürzer ist der Begriff „Abwicklungssystem“, dessen sich das deutsche Börsengesetz in §  9 Abs.  1 und §  21 bedient. Daß das Aufsichtsrecht auch die Abwicklungssysteme als solche und nicht nur deren Betreiber im Blick hat396, hängt mit dem von diesen Systemen ausgehenden systemischen Risiko zusammen397. Die Gefahr, daß der Ausfall des Abwicklungssy­ stems oder eines seiner Teilnehmer sich nach Art eines Dominoeffekts auf andere Teilnehmer ausbreitet, erhöht sich in dem Maße, in dem die Zahl der Teilnehmer, das Volumen der abgewickelten Geschäfte und der Grad der Vernetzung mit anderen Systemen zunehmen. Zu den in diesem Sinne systemisch bedeutsamen Einrichtungen, von denen zum Teil noch ausführlicher die Rede sein wird, zählen z. B. das Abwicklungssystem „CASCADE“ der Clearstream Banking AG in Frankfurt/Main, die Plattform „Creation“ der Clearstream Banking S.A. in Luxemburg und das vom schweizerischen Zentralverwahrer SIS betriebene System „SECOM“398.

2. Zahlungssysteme Der „Geldtransport“ im Rahmen der Abwicklung von Effektengeschäften vollzieht sich in Zahlungssystemen. Die Finalitätsrichtlinie versteht darunter alle förmlichen Vereinbarungen i. S. von Art.  2 lit.  a), die gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für die Ausführung von Zahlungsaufträgen zwischen den Teilnehmern vorsehen, d. h. von Weisungen der Teilnehmer, „einem Endbegünstigten einen bestimmten Geldbetrag mittels Verbuchung auf dem Konto eines Kreditinstituts, einer Zentralbank oder einer Verrechnungsstelle zur Verfügung zu stellen“. Als Zahlungsauftrag gilt ferner „eine Weisung, die die Übernahme oder Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung im Sinne der Regeln des Systems nach sich zieht“399. In der Definition des schweizerischen Aufsichtsrechts handelt es sich um „Systeme zur Abrechnung und Abwicklung von Zahlungen“ (Art.   19 Abs.   1 NBG), oder – in der Umschreibung der Botschaft zur Revision des Nationalbankgesetzes – um auf einheitlichen Regeln und Verfahren beruhende zentrale Einrichtungen zur wechselseitigen Erfüllung monetärer Forderungen und Verpflichtungen400. Zu den gemäß §  24b KWG angezeigten und der EU-Kommission mitgeteilten Zahlungssystemen zählen z. B. alle Systeme der Deutschen Bundesbank, darunter das seit dem 19. November 2007 betriebene System „TARGET2-Bundesbank“, das einen Teil des recht396  Zur doppelspurigen Aufsicht in der Schweiz nach dem revidierten NBG siehe BSK-BEHG/ Kramer, Art.  10bis Rn.  1–4; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1006 ff.; Kuhn, in: Nobel (Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- und Börsenplatzes Schweiz 2002/2003, S.  89 ff. 397  Näher zu den sog. systemischen Risiken unter §  5 II 6. 398 Siehe dazu in bezug auf die deutschen Systeme Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, §  24b Rn.  11; für die Schweiz Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1013. 399  Art.  2 lit.  i) 1. Spiegelstrich FinalitätsRL. 400  BBl. 2002, S.  6097, 6170.

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lich multiplen, allerdings auf einer einheitlichen technischen Plattform operierenden „TARGET2“-Verbunds der Zentralbanken im Euro-Raum bildet. Aber auch die bereits erwähnten Clearstream-Plattformen „CASCADE“ und „Creation“ rechnen hierher. Denn sie ermöglichen nicht nur die elektronische Übertragung von Kapitalmarkttiteln, sondern unterstützen im Rahmen der Abwicklung auch die Regulierung auf der Geldseite. Ein und dieselbe Plattform kann also sowohl die Merkmale eines Abwicklungs- als auch die eines Zahlungssystems erfüllen401.

IV. Methoden 1.  Brutto- und Netto-Settlement Wie wir bereits gesehen haben, besteht einer der Vorteile eines zentralen Kontrahenten darin, daß er das multilaterale Netting erleichtert – eine Prozedur, die eine erhebliche Reduktion des Abwicklungsvolumens zur Folge hat, weil sich die an den Zen­ tralverwahrer übermittelte Umbuchungsanweisung auf den aus der Verrechnung hervorgehenden Saldo beschränkt. Doch muß man, wie hier zu ergänzen ist, auch im Rahmen des Settlement zwischen Brutto- und Nettoverfahren unterscheiden. Beim sog. Brutto-Settlement wird jeder Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag eines Teilnehmers einzeln ausgeführt. Werden die Aufträge kontinuierlich und auf Echtzeit-Basis bearbeitet, d. h. unmittelbar nach Eingang, handelt es sich um ein sog. Real-Time Gross Settlement-System (RTGS)402 . Werden sie stapelweise am Ende eines bestimmten Zeitabschnitts ausgeführt, spricht man dagegen von „Batch-Verarbeitung“403. Für die Teilnehmer bringen Brutto-Systeme insofern ein hohes Maß an Sicherheit mit sich, als das mit einer jeden Transaktion einhergehende Gegenparteiund Liquiditätsrisiko dank der sofortigen oder doch alsbaldigen Abwicklung auf eine relativ kurze Zeitspanne beschränkt wird. Ein Nachteil ist der höhere Liquiditätsbedarf, der daraus entsteht, daß jeder Auftrag in voller Höhe zu erfüllen ist. Die Teilnehmer müssen vor Beginn des Abwicklungszyklus ausreichend Liquidität vorhalten, um sicherzustellen, daß ihre offenen Verpflichtungen auch unabhängig von der Erfüllung gegenläufiger Geschäfte auf Bruttobasis erfüllt werden können404 .

401  So (für das Geld- und Wertpapierclearing der Eurex Clearing AG) auch Kieper, Abwicklungssysteme, S.  41 f. Im folgenden wird der Einfachheit halber von „Effektenabwicklungssystemen“ oder „Abwicklungssystemen“ gesprochen. 402  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1326; Vereecken, in: Vereecken/Nijenhuis (Hrsg.), Settlement Finality in the European Union, S.  7, 38. Für eine ausführliche Beschreibung dieser Systeme siehe den Report des CPSS, Real-Time Gross Settlement Systems, März 1997. 403  Wechsler, Abwicklung, S.  59 in Fn.  175. „Batch“ bedeutet im Englischen „Stapel“ oder „Stoß“. 404  Wust, Verbuchung, S.  101; ferner Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1327; Vereecken, in: Vereecken/Nijenhuis (Hrsg.), Settlement Finality in the European Union, S.  7, 43.

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Dieser Nachteil entfällt beim sog. Netto-Settlement, bei dem die eingehenden Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge entweder bilateral (zwischen jeweils zwei Parteien) oder multilateral (zwischen sämtlichen Systemteilnehmern) verrechnet werden. Ausgeglichen werden nur noch die Nettopositionen. Geschieht dies zu im vorhinein festgelegten Zeiten – typischerweise am Ende des betreffenden Geschäftstages – spricht man vom „Designated Time Net Settlement“405. Dieses Verfahren bringt unter Umständen das Risiko mit sich, daß die Verrechnung rückgängig gemacht und das gesamte Netting wiederholt werden muß, falls sich beim Ausgleich der Nettopositionen herausstellt, daß ein Teilnehmer seinen Verpflichtungen nicht vollständig nachkommen kann (unwind risk). Eine solche Neuverrechnung, bei der die Positionen des ausgefallenen Teilnehmers außen vor bleiben, kann für einen Teilnehmer eine signifikante und unerwartete Erhöhung seiner Nettoverpflichtungen zur Folge haben, ein Umstand, der seinerseits Liquiditätsprobleme verursachen kann406. Ist ein zentraler Kontrahent in die Abwicklung eingeschaltet, wird dieses Risiko minimiert. Denn durch das von ihm unterhaltene Sicherungssystem ist gewährleistet, daß der Ausfall eines Kontrahenten in der Regel ohne größere Schwierigkeiten aufgefangen werden kann407.

2.  Straight-through Processing (STP) Der Begriff straight-through processing (STP) steht für die vollautomatisierte Abwicklung einer Effektentransaktion. Jeder Geschäftsabschluß im Handelssystem wird sofort auf elektronischem Wege an das Abwicklungssystem weitergeleitet und dort verarbeitet, ohne daß weitere manuelle Eingaben erforderlich sind, um die Erfüllung des Geschäfts zu bewirken408. Mit einem einzigen Mausklick kann gehandelt, verrechnet, bezahlt und geliefert werden409. Das straight-through processing führt zu einer Beschleunigung und Rationalisierung des Settlement und erhöht dessen Sicherheit, weil das Risiko von Fehlern und Verzögerungen, das mit jeder weiteren Dateneingabe durch die Handelsparteien oder die Abwicklungsstelle verbunden wäre, ausgeschaltet wird410. Es ist nicht zuletzt der starke Anstieg der Handelsvolumina in den letzten 20 Jahren, der die Bestrebungen des Finanzsektors erklärt, das ­straight-through processing an allen wichtigen Märkten einzuführen, um so zu einer Verkürzung der Settlementintervalle zu gelangen411. Die elektronische Verknüpfung von Handels- und Abwicklungssystem ist allerdings kostspielig und kann im inter405 

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41 f.

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Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1328. Vereecken, in: Vereecken/Nijenhuis (Hrsg.), Settlement Finality in the European Union, S.  7,

Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1329. Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.41; Benjamin, JIBFL 1998, 388. 409 Siehe Taisch, Finanzmarktrecht, S.  180. 410  CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Standard 2 Anm.  4 4; Schönhol­ zer, Zentrale Gegenparteien, S.  11 f. 411  DTCC, Straight-Through Processing, S.  4. Siehe auch Nawrath, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die 408 

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nationalen Verkehr auf unüberwindliche Hindernisse stoßen412 . An manchen Finanzplätzen ist die Technik allerdings schon so weit ausgereift, daß Effektengeschäfte innerhalb weniger Sekunden abgewickelt werden könnten413.

3.  Lieferung gegen Zahlung (Delivery versus Payment – DvP) Die Abwicklungsmodalität „Lieferung gegen Zahlung“ („Delivery versus Payment“ – DvP) ist durch die Zug um Zug-Erfüllung der geld- und titelseitigen Verpflichtungen der Parteien gekennzeichnet. Sie ist die effektivste Methode zur Ausschaltung des Gegenparteirisikos, also des Risikos, daß der Vertragspartner (Handelsteilnehmer oder zentrale Gegenpartei) bereits bezahlte Titel nicht liefert bzw. bereits gelieferte Titel nicht bezahlt414 . „DvP“ bedeutet nicht unbedingt, daß die zur Geschäftsabwicklung erforderlichen Buchungen auf den Depot- und Zahlungskonten der Vertragspartner simultan vorgenommen werden. Das ist aus technischen Gründen nicht immer möglich, zumal in den Fällen, in denen die Vertragspartner ihre Geldkonten nicht beim Zentralverwahrer, sondern bei der Zentralbank unterhalten und die geldseitigen Buchungen daher in einem anderen System vorgenommen werden415. Für „DvP“ ist vielmehr essentiell, „that the technical, legal and contractual framework ensures that each transfer of securities is final if and only if the corresponding transfer of funds is final“416. Eine Zug-um-Zug-Erfüllung kann z. B. auch dadurch gewährleistet werden, daß die Lieferung der Effekten an den Käufer erst dann in die Wege geleitet wird, wenn die Bezahlung (z. B. durch eine Erklärung der Zentralbank) garantiert ist, und die Wirksamkeit der Übertragung vom Eingang der Gegenleistung abhängig gemacht wird417. In jedem Fall werden die Liefer- bzw. Zahlungsaufträge der Teilnehmer nur unter der Voraussetzung ausgeführt, daß auf ihren Depot- bzw. Zahlungskonten genügend Deckung vorhanden ist. Im übrigen kann der DvP-Modus seinen Zweck nur erreichen, wenn der Zeitpunkt der Unwiderruflichkeit für beide Aufträge übereinstimmend festgelegt ist. Technisch setzt die Erfüllung im DvP-Modus, sofern der Zentralverwahrer nicht auch die Zahlungskonten führt, eine elektronische Schnittstelle zwischen Effektenabwicklungs- und Zahlungssystem Zukunft des Clearing und Settlement, S.  93, 94 f., wonach sich in fast allen börsenrelevanten Märkten eine auf STP ausgerichtete Integration findet. 412  Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.45. 413  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1317. 414  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1330; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  119 f. 415  Wust, Verbuchung, S.  105. 416  CPSS/IOSCO, Recommendations for securities settlement systems, S.  14 (Anm.  3.33). Siehe auch CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Standard 7: „Principal risk should be eliminated by linking securities transfers to funds transfers in a way that achieves delivery versus payment“. Grundlegend BIS, Delivery versus Payment in Securities Settlement Systems, September 1992. 417  Dazu und zu weiteren Möglichkeiten Wust, Verbuchung, S.  105.

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v­ oraus. Die Einrichtung solcher Schnittstellen kann aber an betriebswirtschaftliche und technische Grenzen stoßen, zumal im grenzüberschreitenden Verkehr.

4.  Actual und Contractual Settlement Wer den Effektengiroverkehr aus zivilrechtlicher Sicht durchleuchten will, hat auch zu berücksichtigen, daß die bei teilnehmerübergreifenden Transaktionen erforderlichen Buchungen auf den verschiedenen Ebenen der Verwahrpyramide nicht notwendigerweise sequentiell ablaufen. Vielmehr können die Buchungsvorgänge auf den unteren Ebenen bereits vollständig abgeschlossen sein, bevor die korrespondierenden Eintragungen in den Büchern des Zentralverwahrers vorgenommen werden418. In Deutschland und der Schweiz zum Beispiel entspricht es gängiger Praxis der Banken, Effektengeschäfte jeweils schon am Handelstag auf den Kundenkonten zu verbuchen. Die im Auftrag eines Kunden angeschafften Titel werden unmittelbar nach Geschäftsabschluß (T+0) seinem Depotkonto gutgeschrieben und ab sofort im Depotauszug ausgewiesen, obwohl die „Lieferung“ der Titel an die Bank erst für den Settlementtag (T+2) zu erwarten ist. Zugleich wird das Zahlungskonto des Kunden mit dem Kaufpreis belastet419. Die dem Kunden noch am Handelstag übermittelte Geschäftsabrechnung enthält bei manchen Banken einen Hinweis wie „Wir werden die Titel in Ihr Depot einbuchen“ oder „Valuta 13.01.2017“ (= T+2). Es gibt aber auch Banken, bei denen die Geschäftsabrechnung den Eindruck erweckt, als sei die Gutschrift vorbehaltlos. In allen Fällen soll der Kunde davon ausgehen können, daß die gekauften Titel am Settlementtag in seinem Depot verfügbar sein werden, und zwar unabhängig davon, ob die Bank selbst die Titel von ihrer Gegenpartei erhält420. In der Praxis wird dieses Verfahren der vorgezogenen Depotgutschrift als contrac­ tual settlement bezeichnet. Der Begriff erklärt sich aus der vertraglichen Verpflichtung der Bank gegenüber dem Kunden, ihm die geschuldeten Effekten innerhalb der an dem betreffenden Handelsplatz geltenden Liefer- und Erfüllungsfristen zu verschaffen421. Demgemäß kommt das contractual settlement nur bei Effektengeschäften in Frage, bei denen im Normalfall mit einer Erfüllung am Settlementtag zu rechnen ist422 . Ist die Erfüllung am Settlementtag unsicher, wird empfohlen, auf die Methode 418 

Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  36. Than, Unif. L. Rev. 2005, 263, 268 f. Auf seiten eines verkaufenden Kunden geschieht Entsprechendes: Die Effekten werden am Tag des Geschäftsabschlusses aus dem Depot ausgebucht, der Verkaufserlös dem Zahlungskonto gutgeschrieben. 420  So für die Schweiz das Zirkular 7215 der Schweizerischen Bankiervereinigung vom 27. November 2002. 421  Siehe die Definition bei CPSS, A glossary of terms used in payments and settlement systems, S.  16: „a contractual commitment by a custodian to credit and debit a customer’s cash and securities accounts, as appropriate, on the date on which the customer’s contract with its counterparty pro­ vides for settlement (the contractual settlement date), regardless of whether settlement has actually occurred. Usually these credits and debits are provisional and are reversed if settlement does not occur within an interval established by the custodian.“ 422  Yates/Montagu, Global Custody, Rn.3.54. 419 

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des actual settlement zurückzugreifen, die Effekten also erst im Depot des Kunden zu verbuchen, wenn sie bei der Bank tatsächlich eingegangen sind. Das gilt namentlich bei Geschäften, bei denen Lieferverzögerungen einkalkuliert werden müssen, wie dies z. B. bei Geschäften auf ausländischen Handelsplätzen der Fall sein kann423. Der unvoreingenommene Betrachter mag sich nach den Gründen für das contrac­ tual settlement fragen. Ein Vorteil der vorgezogenen Depotgutschrift wird darin gesehen, daß die Bank den Kunden nur einmal – nach der Ausführung des Kaufauftrags und nicht auch nach dem tatsächlichen Eingang der Titel auf ihrem eigenen Konto – benachrichtigen muß424 . Angeführt wird außerdem, daß dieses Verfahren eine rasche Abwicklung von Effektengeschäften erlaube, weil der Kunde unmittelbar nach der Gutschrift trotz (noch) fehlender effektiver Belieferung über die Titel weiterverfügen kann. Das erhöhe die Marktliquidität, was sich wiederum positiv auf die Stabilität der Abrechnungs- und Abwicklungssysteme auswirke425. Bei der Bewertung des contractual settlement ist allerdings im Auge zu behalten, daß es neben Systemen, in denen mit der vorgezogenen Depotgutschrift bereits der Rechtserwerb auf seiten des Kunden einhergeht, auch Systeme gibt, in denen die vorgezogene Gutschrift nur den ersten Akt eines gestreckten Erwerbstatbestandes darstellt, der erst mit der Umbuchung der Titel auf der Ebene des Zentralverwahrers vollendet wird. In solchen Systemen führt die vorgezogene Verfügungsmöglichkeit letztlich zu Leerverkäufen426.

5. Finalität a) Begriff Der Begriff „Finalität“ steht genau genommen nicht für eine bestimmte Ab­ wicklungsmethode, sondern für eine bestimmte Wirkung eines durch einen Teilnehmer in ein Effektenabwicklungssystem eingegebenen Übertragungsauftrags. Worin diese Wirkung zu bestehen hat, ergibt sich für die EU-Mitgliedstaaten aus der Finalitätsrichtlinie427. Gestützt auf Art.  95 EGV (vormals Art.  100a EGV, jetzt Art.  114 423 

Schweizerische Bankiervereinigung, Zirkular 7215 vom 27. November 2002. Than, Unif. L. Rev. 2005-1/2, 263, 268 f. Nach §  24 Abs.  2 Satz  2 DepotG hat der Kommissionär dem Kommittenten die Verschaffung des Miteigentums an einem Wertpapiersammelbestand unverzüglich mitzuteilen. Obwohl der Wortlaut der Vorschrift darauf hindeutet, daß die Mitteilung nach der Verschaffung des Miteigentums zu machen ist, steht das Schrifttum auf dem Standpunkt, daß die Mitteilung mit der Ausführungsanzeige und Abrechnung verbunden und somit noch vor Eintritt des Eigentumsübergangs abgesendet werden kann. Der Kunde könne nämlich der Anzeige das Datum der Ausführung entnehmen und daraus auf den Zeitpunkt der Belieferung schließen; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  41. 425  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  52; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  480 f. 426  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  481. Näher dazu unter §  5 II 4 d). 427  Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, ABl. Nr. L 166 vom 11. Juni 1998, S.  11, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr.  909/2014 des 424 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

AEUV) über die Befugnis der Gemeinschaft zur Rechtsangleichung im Binnenmarkt hat diese Richtlinie zum Ziel, das in Zahlungs- und Wertpapierabwicklungssystemen auftretende systemische Risiko zu verringern. Sie will insbesondere verhindern, daß im Fall der Insolvenz eines Teilnehmers428 das gesamte System in Mitleidenschaft gezogen wird429. Anlaß und analytische Grundlage der Finalitätsrichtlinie war der sog. Lamfalussy-Bericht an die G 10-Zentralbankpräsidenten von 1990, der sich mit den Risiken in Zahlungssystemen befaßte430. Demgemäß hatte man auch bei der Konzeption der Finalitätsrichtlinie zunächst nur Zahlungssysteme im Visier, bevor man sich mit Rücksicht auf die enge Verknüpfung zwischen Zahlungs- und Wertpapierabwicklungssystemen auch zu deren Einbeziehung entschloß431. Operierten die Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten zum damaligen Zeitpunkt noch fast ausschließlich unabhängig voneinander, so waren die folgenden Jahre durch eine zunehmende internationale Vernetzung gekennzeichnet. Die geänderte Fassung der Richtlinie trägt dieser Entwicklung, die auf die Vorgaben der MiFID I und den Europäischen Verhaltenskodex für Clearing und Settlement zurückgeführt wird432 , dadurch Rechnung, daß sie auch sog. interoperable Systeme433 in ihren Anwendungsbereich einbezieht. Der erste Komplex der äußerst technischen, alles andere als leicht zugänglichen Regelungen der Finalitätsrichtlinie (Art.   3–7) betrifft das materielle Insolvenzrecht und verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Finalität von Zahlungs- und Wert­ papier­übertragungsaufträgen434 sowie von Aufrechnungen (Netting) sicherzustelEuropäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr.  236/2012, ABl. EU Nr. L 257 vom 28. August 2014, S.  1. Die Kurzbezeichnung „Finalitätsrichtlinie“ ist vom englischen Titel der Richtlinie abgeleitet („Directive 98/26/EC on settlement finality in payment and securities settlement systems“). Ausführlich zur Richtlinie Lo Giudice, Euredia 2010, 181 ff. 428  Teilnehmer ist nach Art.  2 f) der Richtlinie ein Institut, eine zentrale Vertragspartei, eine Verrechnungsstelle oder eine Clearingstelle. Diese Begriffe werden ihrerseits in Art.  2 b), c), d) und e) definiert. 429  Erwägungsgründe Nr.  1, 2 und 5 der Richtlinie. 430  BIS, Report of the Committee on Interbank Netting Schemes of the Central Banks of the Group of Ten countries, November 1990. 431  Löber, Clearing and Settlement, S.  16; Micheler, Wertpapierrecht, S.  228 m. Fn.  950; siehe auch Erwägungsgrund Nr.  2 der Richtlinie. 432  Erwägungsgrund 3 der Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen, ABl. Nr. L 146 vom 10. Juni 2009, S.  37. 433  Das sind nach der Legaldefinition in Art.  2 o) „zwei oder mehr Systeme, deren Systembetreiber eine Vereinbarung geschlossen haben, die eine Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den betreffenden Systemen beinhaltet“. 434  Ein Zahlungsauftrag ist nach der Legaldefinition in Art.  2 i) 1. Spiegelstrich FinalitätsRL „eine Weisung eines Teilnehmers, einem Endbegünstigten einen bestimmten Geldbetrag mittels Verbuchung auf dem Konto eines Kreditinstituts, einer Zentralbank oder einer Verrechnungsstelle zur Verfügung zu stellen, oder eine Weisung, die die Übernahme oder Erfüllung einer Zahlungsver-

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len435. Freilich wird der Begriff „Finalität“ in der Richtlinie nicht definiert, ja nicht einmal erwähnt. Was damit gemeint ist, erschließt sich erst aus einer Zusammenschau der Kernbestimmungen dieses Komplexes: Art.  3 Abs.  1 legt fest, daß Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge und Aufrechnungen rechtlich verbindlich und auch im Fall eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer Dritten gegenüber wirksam sind, sofern die Aufträge vor dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung in das System eingebracht wurden. Wurden sie nach diesem Zeitpunkt eingegeben und noch am Tag der Verfahrenseröffnung ausgeführt, sind sie nur dann rechtlich verbindlich und Dritten gegenüber wirksam, wenn der Systembetreiber nachweisen kann, daß er zu dem Zeitpunkt, an dem die betreffenden Aufträge unwiderruflich wurden, weder Kenntnis von der Verfahrenseröffnung hatte noch Kenntnis davon hätte haben müssen. Art.  5 der Richtlinie ordnet an, daß ein Transferauftrag von einem in den Regeln des Systems festzulegenden Zeitpunkt an weder von einem Sy­ stemteilnehmer noch von einem Dritten widerrufen werden kann. Und Art.  7 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens erst im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung – d. h. nach Art.  6 Abs.  1: mit Bekanntgabe des Eröffnungsbeschlusses – eintreten zu lassen und jedweden rückwirkenden Eingriff in die Rechte und Pflichten eines Teilnehmers auszuschließen. Damit soll unter anderem die in einigen Mitgliedstaaten praktizierte „Null-Uhr-Regel“ ausgeschaltet werden. Diese Regel besagt, daß die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf den Beginn des Tages des Eröffnungsbeschlusses zurückwirkt, der Insolvenzschuldner also ex tunc die Verfügungsbefugnis über das dem Insolvenzbeschlag unterliegende Vermögen verliert436. Angewendet auf die Teilnehmer von Zahlungs- und Ab­ wicklungs­systemen hätte sie zur Folge, daß die im Laufe des betreffenden Tages verrechneten Leistungspflichten des insolventen Teilnehmers in voller Höhe wieder aufleben würden und daß alle bereits abgewickelten Zahlungs- und Übertragungsvorgänge, die auf Aufträgen des betreffenden Tages beruhen, rückgängig gemacht werden müßten. Das brächte nicht nur erhebliche praktische Schwierigkeiten mit pflichtung im Sinne der Regeln des Systems nach sich zieht“. Unter einem Übertragungsauftrag versteht Art.  2 i) 2. Spiegelstrich der Richtlinie „eine Weisung eines Teilnehmers, die auf die Übertragung des Eigentums an Wertpapieren oder eines Anspruchs auf Übereignung von Wertpapieren im Wege der Verbuchung oder auf sonstige Weise gerichtet ist“. 435  Die beiden anderen Regelungsbereiche betreffen demgegenüber auch das Kollisionsrecht: Art.  8 legt fest, nach welchem Recht – nämlich nach dem für das System maßgeblichen – im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer die Rechte und Pflichten der Teilnehmer aus der Teilnahme am System bestimmt werden. Art.  9 Abs.  1 will sicherstellen, daß die von einem Teilnehmer gestellten dinglichen Sicherheiten nicht von dessen Insolvenz berührt werden. Und in Art.  9 Abs.  2 findet sich eine Kollisionsregel für die (grenzüberschreitende) Bestellung von Sicherheiten, die dem „Place of the relevant intermediary“-Ansatz (PRIMA) folgt. Ausführliche Darstellung der Richtlinie bei Vereecken, in: Vereecken/Nijenhuis (Hrsg.), Settlement Finality in the European Union, S.  7 ff.; Keller, WM 2000, 1269 ff. 436  Eine solche Regelung existiert z. B. in den Niederlanden; dazu und dem daraus resultierenden Änderungsbedarf van Setten, in: Vereecken/Nijenhuis (Hrsg.), Settlement Finality in the European Union, S.  249, 258 f. und 292.

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sich, sondern könnte auch Liquiditätsengpässe im gesamten System verursachen und im schlimmsten Fall den Zusammenbruch weiterer Teilnehmer nach sich ziehen. Zur Sicherung der Systemstabilität muß daher verhindert werden, daß einem Empfänger Geldbeträge oder Wertpapiere, die ihm bereits auf seinen Konten zur Disposition standen, im nachhinein wieder entzogen werden437. „Finalität“ bedeutet nach alledem die endgültige, unwiderrufliche und unbedingte Übertragung von Geld oder Wertpapieren im Rahmen von Zahlungs- und Effektenabwicklungssystemen438. Was die Festlegung des für den Eintritt der Finalität maßgeblichen Zeitpunkts betrifft, gibt die Richtlinie den Systembetreibern keinerlei Kriterien vor. Angesichts der Unterschiede zwischen den einzelnen Systemen und Abwicklungsmethoden ist das nicht verwunderlich. Die Finalitätsrichtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 11. Dezember 1999 in nationales Recht umzusetzen439. In Deutschland geschah dies − gerade noch fristgemäß − in zwei Schritten440: Den Anfang machte das Überweisungsgesetz vom 21. Juli 1999441, das der Umsetzung der Art.  3 und 5 sowie der Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen442 diente. Durch dieses Gesetz wurde unter anderem ein neuer §  676 über die „Kündigung von Übertragungsverträgen“ in das BGB eingefügt443, eine Regelung, die seit der Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie444 im Herbst 2009 mit geänderter amtlicher Bezeichnung („Aufträge zur Übertragung von Wertpapieren in Systemen“) und gestrafftem Wortlaut in §  675b BGB zu finden ist445. Den zweiten Teil der Umsetzung bildete das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften vom 8. Dezember 1999446. Auf dieses Gesetz geht unter anderem die bereits erwähnte aufsichtsrechtliche Vorschrift des §  24b KWG zurück, ferner die §§  96 Abs.  2, 147 Satz  2 InsO über die Wirksamkeit von Verrechnungen sowie die Kollisionsregel des §  17a DepotG. Ob die Umsetzung der 437 

Micheler, Wertpapierrecht, S.  230 f. Siehe auch die Definition des Begriffs „final settlement“ bei CESR/ECB, Standards for Clear­ ing and Settlement in the EU, Glossary, S.  90: „The discharge of an obligation by a transfer of funds and a transfer of securities that have become irrevocable and unconditional“. 439  Art.  11 Abs.  1 der Richtlinie. 440  Ausführlich dazu Ruzik, Finanzmarktintegration, S.  235 ff. 441  BGBl. I, S.  1642. 442  Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen, ABl. EG Nr. L 43, S.  25. 443  Kritik an der angeblich systematisch verfehlten Plazierung bei den allgemeinen Vorschriften über den Geschäftsbesorgungsvertrag bei MünchKomm-BGB/Heermann, §  675b Rn.  2; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  402 ff. 444  Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. Nr. L 319 vom 5. Dezember 2007, S.  1. 445  Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009, BGBl. I, S.  2355. Zu den Motiven siehe die Regierungsbegr. in BT-Drucks. 16/11643, S.  154 f. 446  BGBl. I, S.  2384. 438 

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Finalitätsrichtlinie in allen Teilen als gelungen bezeichnet werden kann, wird am Beispiel des §  675b BGB und des – vielfach als mißglückt empfundenen – §  17a DepotG noch zu untersuchen sein447. b)  Zivilrechtliche Erfüllung Die Finalität eines Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrags im Sinne der Finalitätsrichtlinie ist nicht mit der zivilrechtlichen Erfüllung einer Zahlungs- bzw. Lieferungsverpflichtung im Sinne des §  362 BGB zu verwechseln. Denn diese tritt jeweils erst in dem Zeitpunkt ein, in dem die Kontrahenten die von ihnen geschuldete Lei­ stung vollständig erbringen (Lieferung bzw. Kaufpreiszahlung). Dieser Zeitpunkt folgt aber der Unwiderruflichkeit der Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge nach, sofern die zur Erfüllung erforderlichen Buchungen auf den Geld- und Effektenkonten der Teilnehmer erst nach Abschluß weiterer Vorbereitungshandlungen (z. B. einer Deckungsprüfung) vorgenommen werden448. Die Finalität der Transferaufträge ist somit eine notwendige, in der Regel aber nicht hinreichende Voraussetzung der Erfüllung. In Anbetracht dessen schlagen manche vor, zwischen Abwicklungsfinalität und zivilrechtlicher Finalität zu unterscheiden449. Für eine Abweichung vom eingeschliffenen Sprachgebrauch der Finalitätsrichtlinie einerseits und des §  362 BGB andererseits gibt es aber keinen triftigen Grund.

V.  Grenzüberschreitende Abwicklung Ein Effektengeschäft kann in verschiedener Hinsicht einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen. Die Parteien können ihren Sitz in unterschiedlichen Ländern haben, der Handelsplatz kann sich aus ihrer Sicht im Ausland befinden, oder es können Effekten eines ausländischen Emittenten Gegenstand des Geschäfts sein. Was die hier interessierende Geschäftsabwicklung betrifft, hat man es mit einem grenzüberschreitenden Sachverhalt zu tun, wenn es zu einer elektronischen Übertragung von Depotwerten über nationale Grenzen kommt. So liegt es beispielsweise, wenn eine inländische Depotbank für ihren Kunden Wertpapiere anschafft, die bei einem ausländischen (Zentral-)Verwahrer hinterlegt sind und zwecks Erfüllung des Geschäfts in das inländische Abwicklungssystem umgebucht werden, um von dort an den Kunden weitergeleitet zu werden. Voraussetzung der grenzüberschreitenden Abwicklung von Effektengeschäften ist, daß der inländische Marktteilnehmer über einen Zugang

447 

Dazu unten §  6 V 5 und §  10 III. Micheler, Wertpapierrecht, S.  233 f. 449 BSK-BankG/Hess/Künzi Peditto, Art.   27 Rn.  30. Siehe auch die Differenzierung bei CPSS, Cross-Border Securities Settlement, S.  52 ff. 448 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

zur ausländischen Infrastruktur verfügt. Im Prinzip lassen sich fünf Zugangsmöglichkeiten unterscheiden450: –  Vergleichsweise simpel ist der Fall, daß die inländische Depotbank über ein eigenes Depotkonto bei dem ausländischen Zentralverwahrer verfügt, bei dem die betreffenden Effekten hinterlegt sind. Früher wurde ausländischen Finanzinstituten eine Fernmitgliedschaft (remote membership) von den Zentralverwahrern in der Regel verwehrt451. Das hat sich mittlerweile geändert452 . Was die Europäische Union betrifft, war schon in der alten Wertpapierdienstleistungsrichtlinie vorgesehen, daß allen von einem Mitgliedstaat zugelassenen Wertpapierfirmen der direkte oder indirekte Zugang zu allen Abwicklungssystemen gewährt werden muß, die den Teilnehmern der betreffenden Märkte zur Verfügung stehen453. Heute findet sich die einschlägige Vorschrift in Art.  37 MiFID II, der Art.  34 MiFID I454 entspricht und den Mitgliedstaaten vorgibt, allen Wertpapierfirmen das Recht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu zentralen Gegenparteien, Clearing- und Abrechnungssystemen einzuräumen. Der Anschluß an einen ausländischen Zentralverwahrer setzt allerdings die Einrichtung einer Schnittstelle zum eigenen System voraus. Er bietet sich daher in der Regel nur für größere Institute und auch nur bei solchen Märkten an, die ein gewisses Abwicklungsvolumen erwarten lassen455. –  Als die zumindest bei Aktiengeschäften am häufigsten gewählte Option gilt die Einschaltung eines lokalen Finanzinstituts (local agent), das seinerseits als Giroteilnehmer an den ausländischen Zentralverwahrer angeschlossen ist456. Auf diese Weise erhält der inländische Marktteilnehmer einen indirekten Zugang zu den Ab­ wicklungs- und Verwahrungsdienstleistungen auf dem betreffenden Markt. Sie hat für ihn den Vorteil, daß er sich die Erfahrungen des lokalen Finanzinstituts zunutze machen kann. Für Institute, die auf einer Vielzahl von Märkten aktiv sind, kann sie

450  Siehe zum folgenden auch The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, S.  7 ff.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  84 ff.; Wust, Verbuchung, S.  114 ff. 451  BIS, Cross Border Securities Settlements, S.  14. 452  Kröpfl, Effizienz, S.  52. 453  Art.  15 Abs.  1 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. Nr. L 141 vom 11. Juni 1993, S.  27. 454  Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. Nr. L 145 vom 30. April 2004, S.  1. 455  Jedenfalls bis in die 1990er Jahre wurde diese Möglichkeit nur selten genutzt, siehe BIS, Cross Border Securities Settlements, S.  14. Laut Haentjens, Harmonisation of Securities Law, S.  48 sind Direktanbindungen auch heute noch nicht sonderlich verbreitet. Neuere Zahlen deuten allerdings darauf hin, daß sich dies zumindest in einigen Ländern geändert hat. Bei der Clearstream Banking AG jedenfalls soll der Anteil an „non-domestic“ participants mittlerweile 41% betragen. Siehe ECS­ DA, CSD Factbook 2015, S.  28. 456  BIS, Cross Border Securities Settlements, S.  15.

§  4  Clearing und Settlement

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jedoch teuer werden, da jeweils eigene Schnittstellen zu den local agents geschaffen und unterhalten werden müssen457. –  Eine weitere Möglichkeit des Zugangs zu ausländischen Märkten besteht in der Einschaltung eines internationalen Zentralverwahrers. Wie bereits erwähnt, beschränkte sich die Geschäftstätigkeit der beiden ICSDs ursprünglich auf die Ab­ wicklung von Eurobondgeschäften. Dank der Einrichtung direkter oder indirekter, d. h. durch Lokalbanken vermittelter Kontoverbindungen zu nationalen Zentralverwahrern sind sie heute aber auch zur Abwicklung von Geschäften in aus bestimmten Heimatmärkten stammenden Kapitalmarktwerten in der Lage. Zudem sind Euro­ clear und Clearstream Banking Luxembourg selbst durch eine Kontoverbindung miteinander verknüpft. Die beiden ICSDs werden vor allem für die grenzüberschreitende Abwicklung von Geschäften in Anleihen genutzt458. –  Die vierte Möglichkeit besteht in der Einschaltung eines global custodian, der über sein Netzwerk von subcustodians über den Zugang zu einer Vielzahl von Zen­ tralverwahrern und Abwicklungssystemen in der ganzen Welt verfügt. Diese Möglichkeit hat – ebenso wie der Anschluß an einen ICSD – den Vorteil, daß ein Marktteilnehmer seine internationalen Geschäfte über eine einzige Stelle abwickeln kann, ohne selbst Depotkonten in der ganzen Welt unterhalten zu müssen. – Die fünfte Variante ist der indirekte Zugang zu einem ausländischen Ab­ wicklungssystem über den eigenen, heimischen Zentralverwahrer. Sie setzt das Bestehen einer Kontoverbindung (eines sog. CSD-Links) zwischen den Zentralverwahrern voraus, die grenzüberschreitende Übertragungen von einem System in das andere ermöglicht. Kennzeichen eines CSD-Links ist, daß ein Zentralverwahrer ein Depotkonto bei einem anderen Zentralverwahrer unterhält, d. h. ihm als Giroteilnehmer angeschlossen ist459. Beruht die Kontoverbindung auf Gegenseitigkeit, führt also der eine Zentralverwahrer ein Depotkonto für den anderen und umgekehrt, handelt es sich um einen bilateralen CSD-Link (vgl. §  5 Abs.  4 DepotG); andernfalls spricht man von einem unilateralen CSD-Link460. Für die Teilnehmer sind CSDLinks attraktiv, weil sie ihre gewohnte Infrastruktur auch für den grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr nutzen können und nicht auf die Dienste eines anderen Verwahrers ausweichen müssen461. Anspruchsvolle CSD-Links sind sogar zur Geschäftsabwicklung in mehreren Währungen und nach dem Modus „Lieferung gegen Zahlung“ in der Lage. Ist der ausländische Zentralverwahrer seinerseits über einen relayed link462 mit einem dritten CSD verbunden, können die darin einbezogenen 457 

Wust, Verbuchung, S.  115. The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the Euro­ pean Union, S.  8. 459  ECSDA, Cross-Border Clearing and Settlement through CSD Links, S.  9. 460  ECSDA, Cross-Border Clearing and Settlement through CSD-Links, S.  9. 461  Lannoo/Levin, The Securities Settlement Industry in the EU, S.  30: „If users are lucky, they can use the links of their local CSD and thus settle their cross-border instructions as if they were an internal, domestic instruction.“ 462  CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  9 0: „A contractual 458 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

Titel sogar über mehrere Grenzen hinweg übertragen werden. Die Einrichtung und Unterhaltung elektronischer „Brücken“ erfordert allerdings komplizierte vertragliche Arrangements463 und einen hohen technischen Aufwand464 . Zwar ist festzustellen, daß die Anzahl der CSD-links in den letzten Jahren stetig zugenommen hat und die bereits bestehenden Verbindungen kontinuierlich ausgebaut wurden465. Davon, daß die Marktteilnehmer ihre internationalen Geschäfte ausnahmslos über ihre ­lokale Wertpapiersammelbank abwickeln können, ist die Praxis jedoch noch weit entfernt. In einer Reihe von Studien wurde bestätigt, daß in der Europäischen Union die Kosten einer grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktion die einer inländischen vor der Einführung von TARGET2Securities (T2S) erheblich überstiegen466. Auch wenn die Schätzungen variieren und die höheren Kosten im internationalen Verkehr sicher nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen waren467, ist kaum von der Hand zu weisen, daß die Fragmentierung der europäischen Abwicklungslandschaft, wie sie in dem Nebeneinander unterschiedlicher Zugangskanäle zum Ausdruck kam, die Abwicklung von Effektengeschäften unnötig kompliziert, unsicher und teuer machte468. Als Kostentreiber hatte sich vor allem erwiesen, daß ein Marktteilnehmer seine Wertpapiergeschäfte in der Regel nicht ausschließlich über „seinen“ Zen­ and technical arrangement that allows two CSDs not directly connected to each other to exchange securities transactions or transfers through a third ore more CSD(s) acting as the intermediary/intermediaries“. 463  Mit „normalen“ Depotverträgen lassen sich diese Arrangements nicht vergleichen. Denn grenzüberschreitende Kontoverbindungen werfen Regelungsfragen besonderer Art auf, die ihre Ursache vor allem in der Betroffenheit mehrerer Rechtsordnungen, den unter Umständen beträchtlichen technischen und operativen Unterschieden zwischen den ohnehin schon komplizierten Settlementsystemen und der dadurch bedingten Erhöhung der mit der Wertpapierabwicklung verbundenen Risiken haben. So bedarf der Klärung, welche Effektengattungen in die Kontoverbindung einbezogen werden sollen, und die Modalitäten der Wertpapierabwicklung wollen ebenso geregelt sein wie die Frage, ob der Link nur für börsliche oder auch für außerbörsliche Geschäfte genutzt werden soll. 464  So sollen die Kosten für die Einrichtung eines CSD-Links nach Auskunft von Werner Seifert, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Börse AG, über 10 Millionen Euro betragen; siehe Norman, Plumbers and Visionaries, S.  139. 465 So waren in die Kontoverbindung zwischen dem französischen CSD (heute: Euroclear ­France) und der Clearstream Banking AG im Jahr 1997 nur 20 ausgewählte Effektengattungen einbezogen. Im Jahr 2003 konnten bereits 538 Gattungen über die Grenze „geliefert“ werden. Entsprechend ist auch die Zahl der grenzüberschreitenden Übertragungen gestiegen. Wickelte die Clear­ stream Banking AG im Jahr 1997 noch 35.900 Transaktionen über ihre CSD-Links ab, so waren es im Jahr 2003 schon 209.000; Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  29. 466  The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the Euro­ pean Union, November 2001, S.  36 ff.; Oxera, Monitoring prices, Juli 2009. Für einen Überblick über weitere Studien siehe die Expert Group on Market Infrastructures (EGMI), Bericht vom 10. Oktober 2011, S.  10 ff. m. N. 467  Zu den sog. Giovannini-Barrieren sogleich unter VI 2 a). 468  Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets, Final Report, 15. Februar 2001, S.  16 f. (zu diesem sog. Lamfalussy-Bericht noch sogleich unter VI 1); Alexander/Eat­ well/Persaud/Reoch, Clearing and Settlement in the EU, S.  17; Lattemann/Neumann, Kreditwesen 2002, 1159.

§  4  Clearing und Settlement

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tralverwahrer und dessen bilaterale Verbindungen abwickeln konnte, sondern auf die Einschaltung eines weiteren Intermediärs in Gestalt eines local agent oder global custodian angewiesen war469. Die im folgenden in den Blick zu nehmenden Bestrebungen der Europäischen Union, für mehr Effizienz im Bereich des Clearing und Settlement zu sorgen, sind vor diesem Hintergrund zu sehen.

VI.  Clearing und Settlement in der Europäischen Union 1.  Entwicklung bis zum Lamfalussy-Bericht Obwohl die Europäische Union bereits seit den 1970er Jahren an der Errichtung eines gemeinsamen Marktes für Finanzdienstleistungen arbeitet, hat sie ihre Rechtssetzungsaktivitäten erst vergleichsweise spät auf den Bereich Wertpapierverwahrung und -abwicklung ausgedehnt470. Der erste größere Schritt auf dem Weg zu einer Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die „Rohrleitungssysteme der Finanzmärkte“ wurde mit der Finalitätsrichtlinie von 1998 getan, von der bereits die Rede war471. Der zweite bedeutende Schritt bestand in der Verabschiedung der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten, mit der gemeinschaftsweite Regelungen für die Bereitstellung von Wertpapier- oder Geldguthaben als Sicherheiten geschaffen wurden472 . Ein umfassendes politisches Programm war hinter diesen Rechtsakten, die lediglich bestimmte Teilaspekte der Wertpapierabwicklung betreffen und weniger dem Abbau von Integrationshindernissen denn der Verringerung des systemischen Risikos in Abwicklungssystemen dienten, allerdings nicht zu erkennen und auch im Aktionsplan der Kommission für den Finanzbinnenmarkt vom Mai 1999 nicht enthalten gewesen473. Daß die Kommission dem Clearing und Settlement in Zukunft größere Aufmerksamkeit schenken würde, wurde dann allerdings im Zuge der Umsetzung des Aktionsplans deutlich, insbesondere im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG, die 2004 von der MiFID I abgelöst werden sollte474 . So wies die Kommission in einer Mitteilung vom November 2000 auf Hindernisse beim Zugang zu ausländischen Clearing- und Settlementeinrichtungen hin, ferner darauf, daß trotz „der Verwischung der Unterschiede zwischen den nationalen Zentralverwahrern und den internationalen Zentralverwahrern (…) 469 

Deutsche Bank Research, EU-Finanzmarkt Spezial Nr.  258, S.  8.

470 Ausführlich Moloney, EC Securities Regulation, 2.  Aufl., S.  876 ff.; Norman, Plumbers and Vi-

sionaries, S.  193 ff.; siehe ferner Löber, EU Legal Framework, S.  7 ff. 471  Oben unter IV 5. 472  Zu dieser Richtlinie ausführlich unten §  6 VII 4. 473  Kommissionsmitteilung vom 11. Mai 1999 „Finanzdienstleistungen: Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan“, KOM(1999) 232, S.  8. 474 Siehe Moloney, EC Securities Regulation, 2.  Aufl., S.  877.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

die grenzübergreifende Abrechnung der Wertpapiergeschäfte mit technischen und rechtlichen Schwierigkeiten konfrontiert“ ist475. Darüber hinaus machte die Kommission auf das Problem aufmerksam, daß mit der – von ihr grundsätzlich begrüßten – Zunahme des Einsatzes zentraler Gegenparteien auch im normalen Aktienhandel eine entsprechende Konzentration des Systemrisikos in den Büchern dieser Parteien einhergeht, und stellte daher die Frage in den Raum, ob die Konsolidierung in diesem Bereich nicht eine stärkere Regulierung und Überwachung auf EU-Ebene rechtfertigen könnte476. Eine deutlich schärfere Kritik an den damaligen Zuständen im Bereich der Wertpapierabwicklung enthielt der Abschlußbericht des Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets vom 15. Februar 2001 (sog. Lamfalus­ sy-Bericht). Obwohl der Ausschuß der Überzeugung war, daß die Konturierung der künftigen europäischen Abwicklungslandschaft in erster Linie den Kräften des Marktes überlassen bleiben sollte, wies er auf eine Reihe drängender Probleme hin, die möglicherweise nur durch eine Intervention der EU gelöst werden könnten. Insbesondere kritisierte der Ausschuß die im Vergleich zu den USA übermäßig erhöhten Kosten für die Abwicklung grenzüberschreitender Wertpapiergeschäfte, die er auf die Fragmentierung der Abwicklungsinfrastruktur zurückführte. Als weitere pro­ blematische Punkte hob er unter anderem Wettbewerbsfragen wie z. B. den offenen und diskriminierungsfreien Zugang zu Abwicklungseinrichtungen sowie die Zuverlässigkeit technischer Verbindungen zwischen Zentralverwahrern hervor. Konkrete Maßnahmen zur Beseitigung dieser Probleme schlug der Lamfalussy-Bericht nicht vor. Vielmehr äußerte er die Hoffnung und Erwartung, daß die Giovannini-Gruppe sich ausführlicher der Frage annehmen werde, ob es eines gemeinschaftsweiten Regelungsrahmens für das Clearing und Settlement bedarf477.

2.  Arbeiten der Giovannini-Gruppe Es war denn auch die Giovannini-Gruppe, die den entscheidenden Impuls für eine umfassende politische Strategie auf dem Gebiet des Clearing und Settlement gegeben hat. Bei dieser Gruppe handelt es sich um ein 1996 eingerichtetes Expertengremium unter dem Vorsitz von Alberto Giovannini, das die Europäische Kommission in Finanzmarktfragen berät und sich darauf konzentriert, Ineffizienzen auf den europäischen Finanzmärkten aufzuspüren und praktische Vorschläge zur Verbesserung der Marktintegration zu unterbreiten478. Nachdem sich die Gruppe zuvor mit den Aus475  Kommissionsmitteilung vom 15. November 2000 „Aktualisierung der Wertpapierdienstlei­ stungsrichtlinie (93/22/EWG)“, KOM(2000)729 endg., S.  21. 476  Kommissionsmitteilung vom 15. November 2000 „Aktualisierung der Wertpapierdienstlei­ stungsrichtlinie (93/22/EWG)“, KOM(2000)729 endg., S.  21 f. 477  Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets, Final Report, 15. Februar 2001, S.  16 f. 478  Löber, EU Legal Framework, S.  33.

§  4  Clearing und Settlement

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wirkungen der Euro-Einführung auf die europäischen Kapitalmärkte sowie mit Integrationshindernissen auf den Repo-Märkten und den Märkten für Staatsanleihen befaßt hatte479, bekam sie von der Kommission den Auftrag, die Abwicklung von (grenzüberschreitenden) Wertpapiergeschäften unter die Lupe zu nehmen. a)  1. Giovannini-Bericht Im November 2001 legte die Giovannini-Gruppe ihren ersten Bericht zum Thema „Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union“ vor. Dieser Bericht enthielt noch keine Empfehlungen an die Kommission, sondern beschränkte sich auf eine umfassende Bestandsaufnahme und Diagnose. Er bestätigte die Einschätzung des Lamfalussy-Berichts, daß die Abwicklungssysteme auf nationaler Ebene in aller Regel reibungslos funktionieren, im grenzüberschreitenden Verkehr jedoch wegen der Fragmentierung der Infrastruktur erhebliche Ineffizienzen bestehen, die zu höheren Transaktionskosten führen480. Als Ursache dieser Fragmentierung identifizierte der Bericht 15 Hindernisse, die als die sog. Giovannini-Barrieren bekannt wurden. Drei Kategorien sind zu unterscheiden481: –  Die erste Kategorie (Barrieren 1–10) umfaßt Hindernisse in bezug auf technische Anforderungen und Marktpraktiken, z. B. die Verschiedenartigkeit der Abwicklungsplattformen und elektronischen Schnittstellen, die durch aufwendige Maßnahmen kompatibel gemacht werden müssen (Barriere 1), Hindernisse bei der Gewährung eines Fernzugangs (remote access) zu einem Abwicklungssystem (Barriere 5), Unterschiede in den Erfüllungsfristen (Barriere 6) und Restriktionen bezüglich der Hinterlegung von Wertpapieren wie namentlich die Verpflichtung, börsengehandelte Emissionen ausschließlich beim Zentralverwahrer des Heimatmarktes zu deponieren (Barriere 9). –  In die zweite Kategorie (Barrieren 11 und 12) fallen steuerliche Hindernisse wie z. B. unterschiedliche Verfahren für den Einzug von Quellensteuern oder zur Gewährung von Steuererleichterungen, durch die Intermediäre davon abgehalten werden, auf grenzüberschreitender Basis zu agieren –  Die dritte Kategorie (Barrieren 13–15) umfaßt verschiedene rechtliche Hindernisse. Als das gravierendste Hindernis für den grenzüberschreitenden Verkehr identifizierte die Giovannini-Gruppe das Fehlen eines gemeinschaftsweiten Rahmens für Rechte an Wertpapieren (Barriere 13). Dabei war sie sich darüber im klaren, daß dieses Hindernis wegen seiner tiefen Verwurzelung in den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten nicht ohne Schwierigkeiten würde beseitigt werden können, 479  Überblick unter http://ec.europa.eu/economy_finance/eu/integrating/giovanni_group/in dex_en.htm. 480  The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the Euro­ pean Union, S.  36 ff. 481  The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the Euro­ pean Union, S.  4 4 ff.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

schon gar nicht durch den Finanzsektor alleine482 . Weitere rechtliche Hindernisse sah die Gruppe in den Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der rechtlichen Behandlung des bilateralen Nettings (Barriere 14) sowie in dem Fehlen einer einheitlichen Kollisionsregel für die Übertragung intermediärverwahrter Wertpapiere oder die Bestellung von Sicherungsrechten daran (Barriere 15). b)  2. Giovannini-Bericht In ihrem zweiten Bericht vom April 2003483 entwickelte die Giovannini-Gruppe eine Strategie zur Beseitigung der von ihr festgestellten 15 Hindernisse. Sie zeigte auf, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um der Fragmentierung der Ab­ wicklungslandschaft ein Ende zu bereiten, in welcher Reihenfolge die einzelnen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden sollten und wer – der Finanzsektor selbst, die Mitgliedstaaten oder öffentliche Einrichtungen wie das Europäische System der Zentralbanken – jeweils dafür zuständig sein sollte. Zugleich legte sie für die Beseitigung der einzelnen Hindernisse genaue und ehrgeizige Zeitvorgaben fest, und zwar je nach Hindernis zwischen zwei und drei Jahren484. Als entscheidende Barrieren (pri­ ority barriers) auf dem Weg zu einem voll integrierten europäischen Markt für Abwicklungsdienstleistungen bezeichnete der Bericht „those relating to restrictions on the location of clearing and settlement and the location of securities (Barriers 2, 5, 9 und 10)“485. Denn erst nach vollständiger Beseitigung dieser Barrieren hätten die Inve­ storen wirklich die Wahl zwischen den verschiedenen Anbietern von Ab­ wicklungsdienstleistungen. Da aber mit einer solchen Wahl keine zusätzlichen operationellen oder rechtlichen Risiken einhergehen dürften, sei es notwendig, zunächst alle anderen Hindernisse zu entfernen. Daher schlug die Giovannini-Gruppe vor, daß der Finanzsektor sich zunächst um die Beseitigung aller Hindernisse in bezug auf technische Anforderungen und Abwicklungspraktiken kümmern sollte (Barrieren 7, 1, 4, 6, 3 und 8), z. B. durch eine Angleichung der Betriebszeiten der Abwicklungssysteme und Settlementperioden sowie die Entwicklung gemeinsamer Standards für den Austausch abwicklungsbezogener Informationen486. Parallel dazu müsse die Beseitigung der Hindernisse im steuerlichen und rechtlichen Bereich (Bar482  The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the Euro­ pean Union, S.  54: „The third type of barriers reflects the existence of different legal rules defining the effect of the operation of a system, including different legal structures concerning securities themselves. This type of barrier is of a different order to the others. Barriers of market regulation and of tax can generally be changed or abolished without affecting basic legal concepts. However, laws about what securities are and how they may be owned form a basic and intimate part of the legal systems of Member States, and to change them will have many ramifications.“ 483  The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, April 2003. 484  Tabellarischer Überblick bei The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settle­ment Arrangements, Annex 2a. 485  The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, S.  5. 486  The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, S.  5 ff.

§  4  Clearing und Settlement

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rieren 11 und 12 bzw. 13 bis 15) in Angriff genommen werden, die allein in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liege487. Was die hier besonders interessierende Giovannini-Barriere 13 (Fehlen eines gemeinschaftsweiten Rahmens für Rechte an Wertpapieren) betrifft, sprach sich die Gruppe für ein EU Securities Account Certainty Project aus. Ziel dieses Projekts sollte sein, binnen eines Zeitraums von drei Jahren einen Vorschlag zu erarbeiten, wie ein gemeinschaftsweiter Rechtsrahmen für intermediärverwahrte Wertpapiere aussehen und in welcher Form er in den einzelnen Mitgliedstaaten Geltung erlangen könnte. Die Giovannini-Gruppe redete also keineswegs dem Erlaß einer Richtlinie oder Verordnung das Wort, sondern empfahl mit Rücksicht auf die tiefe Verwurzelung von Barriere 13 in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen ein behutsameres Vorgehen im Rahmen einer zwar auf EU-Ebene angesiedelten, aber von den Mitgliedstaaten selbst vereinbarten Initiative, die einschlägig ausgewiesene Experten aus Praxis und Wissenschaft zusammenführt. Wie auch die Bezeichnung EU Securities Account Certainty Project verrät, ließ die Giovannini-Gruppe allerdings keinen Zweifel daran, daß im Zentrum aller Überlegungen zur Depotrechtsharmonisierung die Gutschrift auf dem Depotkonto zu stehen habe. Sie müsse in allen Mitgliedstaaten die gleiche (konstitutive) Wirkung haben und dem Anleger die gleiche Art von „Eigentum“ vermitteln488.

3.  Arbeiten der Kommission a)  Kommissionsmitteilung vom 28. Mai 2002 Die Kommission setzte sich mit den Problemen im Bereich der Wertpapierab­ wicklung erstmals in ihrer Mitteilung vom 28. Mai 2002 ausführlicher auseinander, die sie als „ersten Schritt auf dem Weg zur Entwicklung einer Politik für das Clearing und die Abrechnung in der EU“ verstand489. Als Richtschnur ihrer künftigen Politik gab sie zwei Ziele aus: zum einen die Beseitigung der Giovannini-Barrieren, zum anderen die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen und Diskriminierungen im nachbörslichen Umfeld, um für sämtliche Institute, die Abwicklungsdienstleistungen erbringen, ein level playing field zu schaffen: „Sämtliche Märkte, Infrastrukturbetreiber und Marktteilnehmer (…) sollten in der Lage sein, den Zugang zu allen erforderlichen Systemen – unabhängig von ihrer Belegenheit – zu gewähren“490. Was 487 

The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, S.  11 ff. Zu den Einzelheiten The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, S.  13, 15 ff. Siehe insbesondere S.  14: „[T]he objective is that the legal nature of ownership of securities would be the same across the EU, under each and every legal system. This would be so for domestic situations and those involving a cross-border element“. 489  Kommissionsmitteilung „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union. Die wichtigsten politischen Fragen und künftigen Herausforderungen“, KOM(2002) 257 endg. vom 28. Mai 2002, S.  3. 490  Kommissionsmitteilung „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union. Die wich488 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

die Beseitigung der Giovannini-Barriere 13 durch Schaffung einheitlicher Regeln für die Behandlung von Wertpapieren betrifft, äußerte sich die Kommission eher zurückhaltend. Sie brachte zwar die Überlegung ins Spiel, einen sog. „harmonisierten Wertpapierkodex“ zu entwickeln – ohne sich freilich um dessen rechtsquellentheoretische Einordnung zu kümmern –, räumte aber ein, daß die Konzeption einer derartigen Regelung „sicherlich nicht einfach“ wäre und „sicherlich nicht kurzfristig“ herbeigeführt werden könnte491. b)  Kommissionsmitteilung vom 28. April 2004 Nach Auswertung der zu dieser Mitteilung eingegangenen Stellungnahmen und des im April 2003 vorgelegten 2. Giovannini-Berichts veröffentlichte die Kommission im April 2004 eine zweite Mitteilung, in der sie ihre politischen Ziele auf dem Gebiet des Clearing und Settlement genauer definierte und einen aus einer Reihe von Maßnahmen bestehenden Aktionsplan zur Schaffung eines integrierten, effizienten und sicheren Abwicklungsumfelds präsentierte492 . Zwar bekräftigte die Kommission ihre Überzeugung, daß die „endgültige Struktur“ des Abwicklungssektors von den Marktkräften bestimmt werden müsse493. Der gegenwärtige, durch zahlreiche Hindernisse und Wettbewerbsverzerrungen geprägte Zustand dieses Sektors erfordere jedoch eine umfassende politische Strategie, die sich von vier Zielen leiten lassen müsse494: (1) der Liberalisierung und Integrierung der vorhandenen Abwicklungssysteme durch die Beseitigung der Giovannini-Barrieren und die Einführung von Zugangsrechten auf allen Ebenen, (2) der kontinuierlichen Anwendung der Wettbewerbsregeln zur Verfolgung restriktiver Marktpraktiken und Überwachung der weiteren Marktkonsolidierung, (3) der Einführung eines gemeinsamen Regulierungsund Aufsichtsrahmens, der die Stabilität des Finanzsystems und Anlegerschutz gewährleistet und zur gegenseitigen Anerkennung der Systeme führt, und (4) der Anwendung geeigneter Governance-Regeln. Um diese Ziele zu erreichen, schlug die Kommission die folgenden Maßnahmen vor495: (1) die Einsetzung einer Expertengruppe, die sich aus hochrangigen Vertretern der betroffenen privaten und öffentlichen Einrichtungen zusammensetzt und tigsten politischen Fragen und künftigen Herausforderungen“, KOM(2002) 257 endg. vom 28. Mai 2002, S.  13. 491  Kommissionsmitteilung „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union. Die wichtigsten politischen Fragen und künftigen Herausforderungen“, KOM(2002) 257 endg. vom 28. Mai 2002, S.  13. 492  Kommissionsmitteilung „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen“, KOM(2004) 312 endg. vom 28. April 2004. 493  Kommissionsmitteilung „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen“, KOM(2004) 312 endg. vom 28. April 2004, S.  13. 494  Kommissionsmitteilung „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen“, KOM(2004) 312 endg. vom 28. April 2004, S.  9 f. 495  Kommissionsmitteilung „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen“, KOM(2004) 312 endg. vom 28. April 2004, S.  13 ff.

§  4  Clearing und Settlement

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deren Auftrag darin besteht, die Beseitigung jener Giovannini-Barrieren zu überwachen und zu unterstützen, für die der Privatsektor allein- oder mitverantwortlich ist; (2) der Erlaß einer Rahmenrichtlinie, welche die marktgesteuerte Beseitigung der Giovannini-Barrieren durch einen Rechtsrahmen ergänzt, der sicherstellt, daß die Anbieter von Abwicklungsdienstleistungen ihren bevorzugten Abwicklungsort tatsächlich frei wählen können, einheitliche Grundsätze für die Zulassung, Regulierung und Beaufsichtigung von Wertpapierabwicklungssystemen festlegt sowie Wertpapierabwicklungssysteme und zentrale Gegenparteien zum Schutz der Stabilität des Finanzsystems geeigneten Governance-Regelungen unterwirft; (3) die Einsetzung von Expertengruppen, die sich mit den steuerlichen bzw. rechtlichen Hindernissen für die Integration befassen und ggf. Vorschläge zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften und/oder Verfahren unterbreiten; und (4) die Untersuchung und Bekämpfung wettbewerbsbeschränkender Marktpraktiken (z. B. ungerechtfertigte Zugangsverweigerungen oder diskriminierende Preise) durch die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden.

4. Initiativen Mit der Kommissionsmitteilung vom 28. April 2004, zu der 82 Stellungnahmen eingingen496 und die, was die Absicht der Kommission zum Erlaß einer Richtlinie angeht, eine zur Zurückhaltung mahnende Reaktion des Europäischen Parlaments hervorrief497, war der entscheidende Anstoß gegeben für die zahlreichen Initiativen auf dem Gebiet des Clearing und Settlement, die zum Teil noch andauern und die zu überblicken selbst ausgewiesenen Branchenkennern Schwierigkeiten bereiten dürfte. Im folgenden kann es nicht darum gehen, diese Initiativen im einzelnen vorzustellen und zu bewerten. Vielmehr muß ein kurzer Überblick genügen, um deutlich zu machen, in welchem Kontext sich das im vierten Teil dieser Untersuchung ausführlicher zu behandelnde Projekt Rechtssicherheit bewegt. a) Expertengruppen Wie in ihrer zweiten Mitteilung angekündigt, richtete die Kommission im Juli 2004 eine Expertengruppe ein, deren Auftrag darin bestand, die Beseitigung der dem Abwicklungssektor zuzuordnenden Giovannini-Barrieren zu begleiten und zu überwachen, die Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Expert Group (CESAME). Den Vorsitz der Gruppe führte die Kommission, als Berater fungierte Alberto Giovannini. Mitglieder der Gruppe waren etwa 20 Experten aus dem Kreis der Banken, Zentralverwahrer, Börsen und Emittenten, verschiedene öffentliche Institutio496 

Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/05/346 vom 21. März 2005. Europäisches Parlament, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung vom 6. Juni 2005 über Clearing und Settlement in der Europäischen Union (2004/2185(INI)). Berichterstatterin war Piia-Noora Kauppi, weshalb der Bericht auch als Kauppi-Bericht bezeichnet wird. 497 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

nen wie die EZB und CESR hatten Beobachterstatus. In insgesamt 13 Sitzungen befaßte sich die CESAME-Gruppe bis in die abwicklungstechnischen Details hinein mit den einzelnen Giovannini-Barrieren, um daraus bestimmte Empfehlungen abzuleiten. Im November 2008 veröffentlichte die Gruppe einen umfangreichen Bericht, der zu dem Ergebnis gelangte, daß bei der Beseitigung der Giovannini-Barrieren zwar bemerkenswerte Fortschritte erzielt werden konnten, in einigen Punkten jedoch noch Nachholbedarf besteht498. Das Mandat der CESAME-Gruppe lief im Juni 2008 aus. Ihre Arbeiten wurden von der CESAME2-Gruppe fortgesetzt, die im Oktober 2008 erstmals zusammentrat. Zur Beseitigung der im ersten Giovannini-Bericht festgestellten steuerlichen Hindernisse (Barrieren 11 und 12) setzte die Kommission im April 2005 die Fiscal Com­ pliance Experts Group (FISCO) ein, die ein Mandat von zwei Jahren erhielt und im Oktober 2007 ihren Abschlußbericht mit einer Reihe von Empfehlungen vorlegte499. Der Bericht bildete die Grundlage der Empfehlung der Kommission vom 19. Oktober 2009 über Verfahren zur Quellensteuererleichterung500. Um das aus ihrer Sicht größte rechtliche Hindernis, das Fehlen eines gemeinschaftsweiten Rechtsrahmens für die Behandlung von intermediärverwahrten Wertpapieren, aus dem Weg zu räumen, setzte die Kommission Anfang 2005 die dreißigköpfige Legal Certainty Group (LCG) ein, deren Arbeit an späterer Stelle, nämlich im Zusammenhang mit den verschiedenen Harmonisierungsinitiativen auf europäischer und internationaler Ebene, ausführlich darzustellen ist. Im Sommer 2010 rief die Kommission außerdem – wohl auch als Reaktion auf die 2008 ausgebrochene Finanzkrise – eine Expertengruppe für die Infrastruktur der Finanzmärkte (Expert Group on Market Infrastructures – EGMI) ins Leben, die sich aus breiterer Perspektive mit den Stärken und Schwächen des Abwicklungssektors befassen und der Kommission dabei behilflich sein sollte, die Auswirkungen bereits beschlossener oder geplanter gesetzgeberischer Maßnahmen besser einschätzen zu können. Am 10. Oktober 2011 legte die EGMI-Gruppe einen Bericht vor, in dem sie darauf hinwies, daß sie die Probleme im Bereich Wertpapierabwicklung trotz unverkennbarer Fortschritte bei der Beseitigung der Giovan­ nini-Barrieren noch nicht für vollständig gelöst hielt501. b)  Code of Conduct Ihre in der Mitteilung vom 28. April 2004 zum Ausdruck gebrachte Absicht, durch Erlaß einer Rahmenrichtlinie für eine Integrierung und Liberalisierung des Marktes für Abwicklungsdienstleistungen zu sorgen, verfolgte die Kommission zunächst nicht weiter. Vielmehr erklärte der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar 498 http://ec.europa.eu/internal_market/financial-markets/docs/cesame/cesame_report_en.

pdf.

499  Fiscal Compliance Experts Group (FISCO), Second Report, Solutions to Fiscal Compliance Barriers related to Post-trading within the EU. 500  KOM(2009)7924 endg. 501  Abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/system/files/egmi-report-10102011_en.pdf.

§  4  Clearing und Settlement

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McCreevy Anfang Juli 2006 vor der Presse, daß er einer von der Branche selbst initiierten Lösung den Vorzug gäbe. Auf diese Aufforderung hin erarbeiteten die drei wichtigsten Branchenvereinigungen502 in enger Zusammenarbeit mit der Kommis­ sion einen Verhaltenskodex, der am 7. November 2006 von mehr als 60 Börsen, Zentralverwahrern und Clearinghäusern – darunter auch die Deutsche Börse AG, die Clearstream Banking AG, die Eurex Clearing AG sowie Institute aus Nicht-EU-Staaten – unterzeichnet wurde503. Die im Kodex vorgesehenen Maßnahmen betreffen drei Bereiche: (1) die Transparenz von Preisen und Dienstleistungen, (2) den Zugang zu und die Interoperabilität von Abwicklungseinrichtungen und (3) die Entbündelung der Dienstleistungen und getrennte Buchführung. Für jede Gruppe von Maßnahmen wurde im Kodex eine Durchführungsfrist festgesetzt: Preistransparenz war bis Ende 2006 herzustellen, die Maßnahmen zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Abwicklungseinrichtungen und zur Herstellung von Inter­ operabilität mußten bis Ende Juni 2007 abgeschlossen sein, für die komplexeren Aufgaben der Entbündelung der Dienstleistungen und der Trennung der Buchführung wurde eine Frist bis zum 1. Januar 2008 eingeräumt. Zunächst galt der Verhaltenskodex ausschließlich für die Abwicklung von Geschäften in Aktien. Kommissar McCreevy gab den Unterzeichnern jedoch zu verstehen, daß er von ihnen die baldige Ausdehnung auf andere Arten von Finanzinstrumenten erwarte, insbesondere Anleihen und Derivate504 . Durch Einrichtung einer besonderen Beobachtergruppe, der von der Kommission geführten und dominierten Monitoring Group of the Code of Conduct on Clearing and Settlement (MOG), sollte die ordnungsgemäße und rechtzeitige Umsetzung der Kodex-Maßnahmen sichergestellt werden. Der Kodex trägt alle Züge eines Kompromisses. Die Kommission verband mit diesem „hybriden Instrument“505, dessen Wahl als ungewöhnlicher Bruch mit der bisherigen politischen Strategie der Kommission gewertet wurde506, die Hoffnung, ihre Ziele schneller zu erreichen als durch Erlaß einer Richtlinie. Die Abwicklungsbranche war ihrerseits erleichtert, von einer gesetzlichen Intervention (vorerst) verschont zu bleiben, sich freilich auch darüber im klaren, daß sie weiterhin unter Beobachtung steht. Die Depotbanken wurden bei der Entwicklung des Kodexes außen vor gelassen, da man befürchtete, Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bankenszene könnten eine Einigung unmöglich machen507. Was die Herstellung von Preistrans502  Und zwar die Federation of European Securities Exchanges (FESE), die European Association of Central Counterparty Clearing Houses (EACH) und die European Central Securities Depositories Association (ECSDA). 503  European Code of Conduct for Clearing and Settlement of 7 November 2006; ausführlich zur Entstehungsgeschichte und den Hintergründen Moloney, EC Securities Regulation, 2.   Aufl., S.  883 ff.; Norman, Plumbers and Visionaries, S.  244 ff. 504 Siehe Norman, Plumbers and Visionaries, S.  248, wonach Euroclear noch am Tag der Unterzeichnung erklärte, daß alle Zentralverwahrer der Euroclear-Gruppe den Kodex von Beginn an auf sämtliche Arten von Finanzinstrumenten anwenden würden. 505  Moloney, EC Securities Regulation, 2.  Aufl., S.  886. 506  Moloney, EC Securities Regulation, 2.  Aufl., S.  884. 507  Norman, Plumbers and Visionaries, S.  248.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

parenz und die Entbündelung der Dienstleistungen betrifft, hat der Kodex seinen Zweck im großen und ganzen erfüllt. Das Ziel der Gewährleistung eines offenen und diskriminierungsfreien Zugangs zu Abwicklungseinrichtungen wurde jedoch nicht erreicht, wie die Expert Group on Market Infrastructures (EGMI) in ihrem Bericht vom 10. Oktober 2011 feststellte508. Es kann daher nicht überraschen, daß die Kommission zu ihrem ursprünglichen Plan zurückgekehrt ist, die Probleme im Bereich des Clearing und Settlement auf legislatorischem Wege zu lösen. c) CSD-Verordnung Eine der wichtigsten Maßnahmen in diesem Zusammenhang ist die Verordnung (EU) Nr.  909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr.  236/2012 (sog. CSD-Verordnung, engl.: CSDR)509. Sie geht zurück auf einen Vorschlag der Europäischen Kommission vom 7. März 2012510, dem ein zwischen Januar und März 2011 laufendes Konsultationsverfahren vorausgegangen war511. Die Verordnung versteht sich als Teil der in Reaktion auf die Finanzkrise entworfenen Reformagenda zur Erhöhung der Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems. Sie steht damit in einer Reihe mit der sog. Marktinfrastrukturverordnung (EMIR)512 , die für bestimmte außerbörslich („OTC“) gehandelte Derivate die Abwicklung über eine zentrale Gegenpartei vorschreibt513, und der Überarbeitung der MiFID, die mittlerweile zur Verabschiedung der MiFID II514 und der MiFIR 515 geführt hat. Man wird in der Verordnung aber 508  Expert Group on Market Infrastructures, Bericht vom 10. Oktober 2011, S.  29: „The ultimate aim of the Code of Conduct was to offer to market participants the freedom to choose their preferred provider of services separately at each layer of the transaction chain (trading, clearing and settlement) and to make the concept of ‚cross-border‘ redundant for transactions between EU Member States. European capital markets still fall short of this goal.“ 509  ABl. EU Nr. L 257 vom 28. August 2014, S.  1. 510  Vorschlag einer „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Wertpapierabrechnung in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG“, KOM(2012) 73 endg. 511  Siehe http://ec.europa.eu/finance/consultations/2011/csd/index_en.htm. 512  Verordnung (EU) Nr.  6 48/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABl. EU Nr. L 201 vom 27. Juli 2012, S.  1. 513  Sedes materiae sind die Art.  4 ff. EMIR; ausführlich zur Clearingpflicht Achtelik, in: Wilhelmi u. a. (Hrsg.), Handbuch EMIR, Teil 3 Abschnitt B, Rn.  1 ff.; siehe ferner Hartenfels, ZHR 178 (2014), 173 ff. 514  Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. EU Nr. L 173 vom 12. Juni 2014, S.  349. 515  Verordnung (EU) Nr.  600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.  648/2012, ABl. EU Nr. L 173 vom 12. Juni 2014, S.  84.

§  4  Clearing und Settlement

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auch das Eingeständnis sehen müssen, daß die zur Beseitigung der Giovannini-Barrieren und zur Gewährleistung eines ungehinderten Wettbewerbs zwischen Ab­ wicklungs­dienstleistern ergriffenen Maßnahmen nicht die erhoffte Wirkung gezeigt haben516. In Erwägungsgrund 58 der Verordnung heißt es jedenfalls, der Bereich der Nachhandelsgeschäfte sei trotz des Verhaltenskodexes für Clearing und Settlement vom 7. November 2006 „entlang der Landesgrenzen zersplittert, was den grenzüberschreitenden Handel unnötig verteuert“. Die CSD-Verordnung ist, von wenigen Artikeln abgesehen, am 17. September 2014 in Kraft getreten517. Nach Art.  1 Abs.  1 werden in ihr „einheitliche Anforderungen an die Lieferung und Abrechnung von Finanzinstrumenten in der Europäischen Union und Vorschriften für die Organisation und Führung von Zentralverwahrern zur Förderung einer sicheren, effizienten und reibungslosen Lieferung und Abrechnung festgelegt“, wobei die Verordnung unter einem Zentralverwahrer eine juristische Person versteht, die ein Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem betreibt und wenigstens eine weitere Kerndienstleistung nach Abschnitt A des Anhangs erbringt (Art.  2 Abs.  1 Nr.  1 CSDR). Als weitere Kerndienstleistungen werden in Abschnitt A des Anhangs die erstmalige Verbuchung von Wertpapieren im Effektengiro („notarielle Dienstleistung“) sowie die Bereitstellung und Führung von Depotkonten auf ober­ ster Ebene („zentrale Kontoführung“) genannt. Die Verordnung umfaßt sechs Titel mit insgesamt 76 Artikeln sowie einen Anhang. Titel I (Art.  1 und 2) regelt den Gegenstand und den Anwendungsbereich der Verordnung und enthält einen Katalog von Begriffsbestimmungen. Titel II („Wertpapierlieferung und -abrechnung“, Art.  3–9) sieht verschiedene Maßnahmen zur Erhöhung der Abwicklungssicherheit vor und vervollständigt insofern die Bemühungen um eine Beseitigung der marktbezogenen Giovannini-Barrieren. So sieht Art.  5 Abs.  2 CSD-Verordnung eine Harmonisierung der Abwicklungszeiträume vor, indem er festlegt, daß im Fall von Geschäften mit übertragbaren Wertpapieren, die an Handelsplätzen i. S. von Art.  2 Abs.  1 Nr.  42 CSD-Verordnung ausgeführt werden, die Abwicklung spätestens am zweiten Geschäftstag nach dem Handel (T+2) stattzufinden hat. Die Artikel 6 und 7 CSD-Verordnung dienen der Verbesserung der Ab­ wicklungs­disziplin und verpflichten die Zentralverwahrer, Maßnahmen zur Verhinderung gescheiterter Abwicklungen518 und zum Vorgehen gegen gescheiterte Abwicklungen zu treffen. Aus wertpapierrechtlicher Sicht ist Art.  3 Abs.  1 CSD-Verordnung von besonderer Bedeutung. Er bestimmt, daß „jeder Emittent mit Sitz in der Europäischen Union, 516  Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 3.  Aufl., S.  505, konstatiert einen Schwenk vom „industry-led approach“ zu einem „regulatory approach“. 517  Eine dieser − in Art 76 CSDR geregelten − Ausnahmen betrifft Art.  3 Abs.  1 der Verordnung (dazu sogleich noch im Text). 518  Unter einer „gescheiterten Abwicklung“ ist nach Art.  2 Abs.  1 Nr.  15 CSDR „die aufgrund fehlender Wertpapiere oder Barmittel am vorgesehenen Abwicklungstag unterbliebene oder nur teilweise erfolgte Abwicklung eines Wertpapiergeschäfts“ zu verstehen.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

der übertragbare Wertpapiere ausgibt, die zum Handel an Handelsplätzen zugelassen sind bzw. dort gehandelt werden, Sorge dafür [trägt], dass diese Wertpapiere durch Buchungen im Effektengiro erfasst werden, indem die Wertpapiere entweder immobilisiert werden oder von Anfang an in entmaterialisierter Form begeben werden“. Mit dieser nicht auf den ersten Blick verständlichen Regelung soll gewährleistet werden, daß bei einer auf geregelten Handelsplätzen i. S. der MiFID II und der MiFIR gehandelten bzw. zum Handel zugelassenen Emission sämtliche Titel auf Depotkonten erfaßt sind. Es soll verhindert werden, dass noch nebenher einzelne Urkunden im Umlauf sind, die ggf. physisch übergeben werden müßten. Denn dies könnte zur Folge haben, daß die von Art.  5 Abs.  2 CSDR festgelegte Abwicklungsperiode von T+2 nicht eingehalten werden kann, und würde außerdem den zur Sicherung der Integrität der Emission vorgeschriebenen Abgleich der Wertpapierbestände durch den Zentralverwahrer (Art.  37 CSDR) erschweren. Als Aufforderung zum Umstieg auf unverbriefte Effekten ist Art.  3 Abs.  1 CSDR nicht zu verstehen. Vielmehr haben die Mitgliedstaaten, wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und Erwägungsgrund (11) der Verordnung ergibt, nur sicherzustellen, daß eine auf geregelten Handelsplätzen gehandelte Emission vollständig in das Abwicklungssystem eingebracht wird, sei es in Form von Urkunden, sei es in entmaterialisierter Form. Art.  3 Abs.  1 CSDR sieht somit ein Zwangsgiro vor519. Daraus folgt, daß für die betreffende Emission die Ausgabe von Einzelurkunden an die Anleger ausgeschlossen werden muß520. Davon unberührt bleibt die − nach der Börsenzulassungsrichtlinie nur in engen Grenzen gegebene521 − Möglichkeit der Teilzulassung von Wertpapieren einer bestimmten Gattung oder Emission. Das ergibt sich auch aus Art.  37 CSDR, wonach sich die Pflicht eines Zentralverwahrers zum mindestens täglichen Abgleich der Bestände nur auf die an ihn „im Rahmen einer Wertpapieremission oder eines Teils einer Wertpa­pier­ emission“ übermittelten Wertpapiere bezieht. Titel III („Zentralverwahrer“, Art.  10–53) enthält Vorschriften über die Zulassung und Beaufsichtigung von Zentralverwahrern, die Anforderungen an Zentralverwahrer sowie den Zugang zu Zentralverwahrern. Er dehnt das aus dem europäischen Bank- und Kapitalmarktrecht bekannte Institut des „Europäischen Passes“ auf Zentralverwahrer aus (Art.  23 CSDR) und macht diesen Instituten eine Reihe von Vorgaben, die dazu beitragen sollen, „die Integrität des Wertpapierhandels zu gewährlei­ sten und die mit der Aufbewahrung sowie Abwicklung von Wertpapiergeschäften 519 

Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  51 (zu Art.  3 des Verordnungsvorschlags). daraus für manche Mitgliedstaaten resultierende Notwendigkeit von Anpassungen des nationalen Rechts sind der Grund dafür, weshalb Art.  3 Abs.  1 CSDR erst ab dem 1. Januar 2023 (für übertragbare Wertpapiere, die nach diesem Zeitpunkt emittiert werden) bzw. ab dem 1. Januar 2015 (für alle übertragbaren Wertpapiere) gilt. 521  Art.  49 (Aktien) und Art.  56 (Schuldverschreibungen) der Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 vom 6. Juli 2001, S.  1. Die deutsche Umsetzungsvorschrift findet sich in §  7 BörsZulVO. 520  Die

§  4  Clearing und Settlement

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verbundenen Risiken zu verringern und zu beherrschen“ (Art.  36 CSDR). Neben die bereits erwähnte Pflicht der Zentralverwahrer, sich mindestens einmal pro Tag mittels Bestandsabgleichs der Integrität der Emission zu vergewissern (Art.  37 CSDR), treten insbesondere die in Art.  38 CSDR geregelten Vorgaben zur Kontenführung und Kontentrennung, von denen sich der Verordnungsgeber einen besseren Schutz der Vermögenswerte der Teilnehmer und ihrer Kunden verspricht522 . In Titel IV („Erbringung bankartiger Nebendienstleistungen für Teilnehmer eines Zentralverwahrers“, Art.  54–60) geht es im Kern darum, Zentralverwahrern die Erbringung von Bankdienstleistungen (namentlich die Gewährung von Krediten) zu verbieten, denn „Bankdienstleistungen in Ergänzung zur Abrechnung vermehren die Risiken, denen Zentralverwahrer ausgesetzt sind, und erhöhen deshalb die Wahrscheinlichkeit, dass Zentralverwahrer ausfallen oder schweren Belastungen unterliegen“523. Art.  54 Abs.  1 CSDR enthält einen Erlaubnisvorbehalt für bankartige Nebendienstleistungen im Sinne des Abschnitts C des Anhangs. Dazu gehören etwa die Bereitstellung von Geldkonten für Teilnehmer, die Bereitstellung von Übernachtkrediten und die Wertpapierleihe. Titel V (Art.  61–666) soll sicherstellen, daß Verstöße gegen die Verordnung angemessen sanktioniert werden. In Titel VI (Art.  67–76) finden sich unter anderem Übergangs- und Schlußbestimmungen. Im Verordnungsvorschlag der Kommission vom 7. März 2012524 hatte sich auch noch ein Beitrag zur Beseitigung der Giovannini-Barriere 15 befunden, und zwar eine Kollisionsregel, die nach dem Vorbild der bereits in anderen europäischen Rechtsakten enthaltenen „PRIMA“-Regel bestimmte, daß alle Fragen zu Eigen­tums­ aspekten im Zusammenhang mit den von einem Zentralverwahrer gehaltenen Finanzinstrumenten dem Recht des Landes unterliegen, in dem das Konto geführt wird (Art.  46 Abs.  1 des Vorschlags). Für den Fall, daß das Konto der Abrechnung im Rahmen eines Wertpapierabrechnungssystems dient, war vorgesehen, daß das Recht gilt, dem dieses Abrechnungssystem unterliegt (Art.  46 Abs.  2 des Vorschlags). In die endgültige Fassung der Verordnung wurde dieser Vorschlag nicht übernommen. Erwägungsgrund (57) der Verordnung begründet dies damit, die Schaffung einer klaren Kollisionsregel sei „eine bereichsübergreifende Frage, die über den Geltungsbereich dieser Verordnung hinausgeht und in künftigen Gesetzgebungsvorhaben der Union geregelt werden könnte“. d) TARGET2Securities Die CSDR ist auch vor dem Hintergrund von TARGET2Securities (T2S) zu sehen. Bei diesem von der Europäischen Zentralbank im Sommer 2006 angestoßenen Pro522 

Erwägungsgrund (42) der CSD-Verordnung. Zu Art.  38 CSDR siehe bereits unter §  2 I 1. So die Kommission in ihrem Vorschlag einer „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Wertpapierabrechnung in der Europäischen Union und über Zen­ tralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG“, KOM(2012) 73 endg., S.  11. 524  Siehe Fn.  510. 523 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

jekt525 handelt es sich um eine paneuropäische Plattform zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften in Zentralbankgeld, die im Juni 2015 in Betrieb gegangen ist. Die Grundidee von T2S besteht darin, das System TARGET2526, seit November 2007 das gemeinsame Echtzeit-Brutto-Zahlungssystem des Euroraums, um eine Komponente für die Wertpapierabwicklung zu erweitern. Durch die Zusammenführung der bei den angeschlossenen Zentralverwahrern deponierten Wertpapierbestände auf einer einzigen technischen Plattform wird ein gemeinsamer, europaweiter Pool aus Wertpapieren gebildet, der standardisierte Abwicklungsabläufe ermöglicht und es – auch in bezug auf die Preisgestaltung – überflüssig macht, zwischen inländischem und grenzüberschreitendem Settlement zu unterscheiden. Ziel ist es, jede Transaktion nach dem Modus „Lieferung gegen Zahlung“ (DvP) für höchstens 15 Cent abwickeln zu können und dadurch die zum Teil erheblichen Kosten im grenzüberschreitenden Handel spürbar zu senken527. Darüber hinaus soll T2S die Nutzung der Kredit-Facilität bei den Zentralbanken erleichtern, da Geldkonten und Wertpapierbestände auf einer integrierten Plattform sichtbar werden und mittels einfachen Übertrags Sicherheiten gestellt werden können. Mit Hilfe von T2S sollen nicht weniger als sechs der 15 Giovannini-Barrieren aus dem Weg geräumt werden, darunter Barriere 1 (Verschiedenartigkeit der Abwicklungsplattformen und elektronischen Schnittstellen), Barriere 5 (Hindernisse bei der Gewährung eines Fernzugangs zu einem Abwicklungssy­ stem) und Barriere 7 (Unterschiede in den Betriebszeiten von Abwicklungssystemen)528. Dagegen geht es bei T2S nicht um die Schaffung eines gesamteuropäischen Zen­ tral­verwahrers529. Für die Verwahrung und Verwaltung der Wertpapiere sowie die damit zusammenhängenden Dienstleistungen (z. B. Dividendenzahlungen) bleiben die nationalen Zentralverwahrer zuständig530. Gleiches gilt für das Sicherheitenmanagement und den Betrieb eines Wertpapierleihsystems. Die nationalen Zentralverwahrer behalten auch die rechtliche Verantwortung für die Geschäftsabwicklung, nur daß diese auf eine gemeinsame Plattform ausgelagert wird. Im Rahmen der Abwicklung übernimmt T2S insbesondere die Auftragserteilung und -bearbeitung, die Bestandsführung sowie die Regulierung der Geschäfte auf der Wertpapier- und der Geldseite531. Die Bestandskonten der Teilnehmer liegen auf T2S, werden aber von den angeschlossenen Zentralverwahrern in ihren eigenen Abwicklungssystemen − bei der Clearstream Banking AG also im System „CASCADE“ – abgebildet („gespie525  Ausführlich zur Geschichte und den Hintergründen Norman, Plumbers and Visionaries, S.  250 ff.; siehe ferner Athanassiou, JIBLR 2008, 585 ff. 526  TARGET steht für Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System. 527  Godeffroy, ZfgK-Sonderbeilage vom 15. November 2009, S.  1. 528  Siehe die Tabelle bei Turing, Clearing and Settlement, Anm.  1.27 (Table 1.2). 529  Vonderau, ZfgK-Sonderbeilage vom 15. November 2009, S.  3. 530 Siehe dazu und zum folgenden CBF-Kundenhandbuch, S.   1-7; Clearstream Banking AG, TARGET2-Securities (T2S), S.  9 ff. und 27 ff.; Turing, Clearing and Settlement, Anm.  2.22. 531  Zu den Details siehe unter §  6 V 2.

§  4  Clearing und Settlement

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gelt“). Zur Abwicklung der Geldzahlungen hat der Teilnehmer die Möglichkeit, entweder ein eigenes Geldkonto (sog. Dedicated Cash Account – DCA) bei einer an T2S teilnehmenden Zentralbank zu eröffnen oder sich des Geldkontos einer Korrespondenzbank zu bedienen, das mit einer entsprechenden Kreditlinie für diesen Teilnehmer ausgestattet ist532 . Rechtliche Grundlage für die Teilnahme der Zentralverwahrer an T2S ist das T2S Framework-Agreement (TWA), das mittlerweile von 24 Zentralverwahrern unterzeichnet wurde, zu denen auch der schweizerische Zentralverwahrer SIX SIS AG gehört. Die Anbindung der Zentralverwahrer an T2S hat sich in insgesamt fünf Wellen vollzogen533. Die SIX SIS AG wurde in der ersten Welle (Juni 2015) an die Plattform angeschlossen, die Clearstream Banking AG folgte zusammen mit fünf weiteren Zentralverwahrern (darunter der Oesterreichischen Kontrollbank, OeKB) in der vierten Welle im Februar 2017, den Abschluß bildeten im September 2017 die baltischen Zentralverwahrer und der spanische Zentralverwahrer Iberclear. Damit werden nach Abschluß der stufenweisen Migration der Märkte mehr als 99 % des Abwicklungsvolumens im Euro-Währungsgebiet über T2S abgewickelt534.

532 

CBF-Kundenhandbuch, S.  4-2.

533 https://www.ecb.europa.eu/paym/t2s/progplan/html/index.en.html.

534 https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/TAR GET2_Securities/target2_securities.html.

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben I.  Leitziele des Depotrechts Über die Frage, welche Aufgaben eine gesetzliche Regelung der mediatisierten Wertpapierverwahrung erfüllen muß, hatten sich schon die Schöpfer des Depotgesetzes von 1937 tiefere Gedanken gemacht. In der Überzeugung, daß die Funktionsfähigkeit eines „den Bedürfnissen genügenden Kapitalmarktes“ nicht nur von der „Schaffung der erforderlichen Voraussetzungen in der Organisation der Börsen und des börsenmäßigen Handels“, sondern auch von einer „das Vertrauen stärkenden“ Ausgestaltung des Depotrechts abhängt, hoben sie hervor, daß wesentliches Ziel der Neuregelung „der Schutz des Sparers sein [müsse], der seine Ersparnisse in Wertpapieren anlegt“. Zugleich aber wiesen sie darauf hin, „daß die Notwendigkeit des Kundenschutzes mit der Notwendigkeit eines geordneten und beweglichen Wertpapierhandels und mit den berechtigten Belangen der Verwahrer (Bankinstitute) in Einklang zu bringen ist. Insbesondere muß die geplante Neuregelung die banktechnischen Möglichkeiten und Erfordernisse berücksichtigen, da sonst die Wertpapierverwahrung und der Wertpapierhandel in volkswirtschaftlich nicht vertretbarer Weise erschwert und verhindert würde“535. Daß der Gesetzgeber um die schwierige Aufgabe, in diesem Spannungsfeld zu einer ausgewogenen Lösung zu gelangen, nicht zu beneiden ist, war schon damals nicht zu übersehen. Opitz, einer der Väter des deutschen Miteigentumsmodells und ersten Kommentatoren des neuen Depotgesetzes, merkte treffend an, daß die „Vielgestaltigkeit der Vorfälle im bankgeschäftlichen Kommissions- und Verwahrungsgeschäft, das Ineinandergreifen von Einkauf, Verwahrung, Beleihung und Veräußerung, überdies häufig die Mitwirkung mehrerer Bankiers bei der Ausführung ein und desselben Geschäfts […] den Gesetzgeber bei der Ordnung des spröden Stoffs vor eine nicht leichte Aufgabe [stellen]“536. Heute ist das Bewußtsein dafür, was eine gesetzliche Regelung der mediatisierten Wertpapierverwahrung zu leisten hat, stärker ausgeprägt denn je. Die schon dem historischen Gesetzgeber geläufige Einsicht, daß das Depotrecht wie das Finanzmarktrecht insgesamt einem Zieldualismus unterliegt, indem es einerseits dem Schutz des einzelnen Anlegers, andererseits dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts als Institution verpflichtet ist, zählt international längst zum Allge535  Begr. des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 4. Februar 1937, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  16 f. 536  Opitz, DepotG, S. III.

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben

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meingut537. Gesetzlichen Niederschlag hat diese „Janusköpfigkeit“ z. B. in Art.  1 Abs.  2 des schweizerischen Bucheffektengesetzes gefunden. Danach besteht der Zweck des Gesetzes darin, den Schutz der Eigentumsrechte der Anleger zu gewährleisten und zur Rechtssicherheit im internationalen Verhältnis, zur effizienten Abwicklung von Effektengeschäften sowie zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen. Das gestiegene Bewußtsein für die Regelungsaufgaben des Depotrechts ist auch darauf zurückzuführen, daß die Sensibilität für die verschiedenen Risiken, denen die Beteiligten bei der Verwahrung von Wertpapieren und der Abwicklung von Effektengeschäften ausgesetzt sind, in den letzten 30 Jahren signifikant zugenommen hat. Es wäre zu kurz gegriffen, diesen Lernprozeß allein auf das rasante Wachstum und die zunehmende internationale Vernetzung der Finanzmärkte zurückzuführen. Auch der eine oder andere Störfall dürfte seinen Beitrag geleistet haben; man denke etwa an den Börsencrash im Oktober 1987. Er hat der Finanzwelt schmerzhaft vor Augen geführt, welche Schäden das Fehlen leistungsfähiger und sicherer Verwahrund Abwicklungssysteme verursachen kann538, und eine ganze Reihe wichtiger Studien über die Risiken im Bereich des Clearing und Settlement nach sich gezogen539. Diese Studien haben ihrerseits dazu beigetragen, den Blick für die Regelungsaufgaben des Depotrechts zu schärfen540.

II.  Risiken in der Wertpapierverwahrung und -abwicklung Im folgenden wird dargestellt, wie sich die Risiken bei der Wertpapierverwahrung und der Abwicklung von Effektengeschäften kategorisieren lassen, um anschließend (unter III) die Frage beantworten zu können, welchen Anforderungen die rechtliche Ausgestaltung der mediatisierten Wertpapierverwahrung zu genügen hat.

537  Speziell für das Depotrecht Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  19 ff.; der Sache nach ebenso Schwarcz, 50 Duke L. J. (2001) 1541, 1545; zu eng Wust, Verbuchung, S.  252 (Recht der Verwahrung sei „in erster Linie Anlegerschutzrecht“); allgemein für das Kapitalmarktrecht Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, §  1 Rn.  96 ff.; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  24 ff.; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT 2002, S. F 24 ff. 538 Anschaulich Norman, Plumbers and Visionaries, S.  79 ff., der von Geschäften berichtet, deren Abwicklung wegen Überlastung der Systeme um Wochen aufgeschoben werden mußte, und nicht zu Unrecht eine Parallele zu dem berühmten „paperwork crunch“ in den USA in den späten 1960er Jahren zieht. 539  Besonders einflußreich war die Studie der Group of Thirty, Clearance and Settlement Systems in the World’s Securities Markets, 1989; siehe ferner BIS, Delivery versus Payment in Securities Settlement Systems, 1992; dies., Cross-Border Securities Settlements, 1995. 540 Siehe z.  B. die ausdrücklich an die erwähnten Studien anknüpfende Untersuchung von Guynn, Modernizing Securities Ownership, Transfer and Pledging Laws, 1996.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

1. Gegenparteirisiko Unter dem Gegenparteirisiko (counterparty risk, auch: Kreditrisiko, credit risk) versteht man das Risiko eines Handelsteilnehmers, infolge des endgültigen Ausfalls der Gegenpartei einen Nachteil zu erleiden. Hauptfall ist die Insolvenz der Gegenpartei. Das Gegenparteirisiko besteht in der Zeitspanne zwischen Geschäftsabschluß und Erfüllung und kann je nach Stand des Leistungsaustauschs in zwei Formen auftreten541: Das Erfüllungsrisiko (principal risk oder settlement risk) realisiert sich, wenn ein Handelsteilnehmer bereits die ihm obliegende Leistung erbracht, d. h. den Kaufpreis bezahlt bzw. die Titel geliefert hat, ohne bei Fälligkeit oder später die (volle) Gegenleistung zu erhalten. Diese Form des Gegenparteirisikos wird auch „Herstatt-Risiko“ genannt, unter Bezugnahme auf jenes Kölner Bankhaus, durch dessen Schließung am 26. Juni 1974 wegen hoher Verluste aus Devisenspekulationen einige im Ausland ansässige Vertragspartner, die kurz zuvor aufgrund der Zeitverschiebung noch unwiderrufliche Zahlungen an die Bank geleistet hatten, in Mitleidenschaft gezogen wurden542 . Demgegenüber betrifft das Ersatzkostenrisiko (replace­ ment cost risk oder pre-settlement risk) die Konstellation, daß die leistungswillige Partei zwar nicht in Vorleistung getreten ist, aber deshalb einen Nachteil erleidet, weil sie wegen des Ausbleibens der Erfüllung einen erhofften Gewinn nicht realisieren kann oder sich am Markt zu ungünstigeren Konditionen Ersatz beschaffen muß543. Die Höhe des Ersatzkostenrisikos hängt neben dem Abwicklungszeitraum und der Bonität des Kontrahenten auch von der Volatilität des Wertpapierkurses ab544 . Eine Methode zur Eindämmung des Gegenparteirisikos, deren Vor- und Nachteile allerdings sorgfältig gegeneinander abgewogen werden wollen, ist die Einschaltung eines zentralen Kontrahenten545. Das Erfüllungsrisiko (aber nicht das Ersatzkostenrisiko) kann durch den Abwicklungsmodus „Lieferung gegen Zahlung“ ausgeschaltet werden546. Um das Ersatzkostenrisiko so gering wie möglich zu halten, bietet sich eine Verkürzung der Abwicklungsfrist an547. Vor einigen Jahren wurde empfohlen, das Settlement spätestens am dritten Geschäftstag nach Geschäftsabschluß (T+3) 541 Dazu

CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Punkt 2.5. (S.  19). Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.22. 543  Man nehme etwa den Fall, daß Bank A 100.000 Aktien der X-AG zum Stückpreis von 100 Euro von Bank B kauft. Am Settlementtag liefert Bank B die Aktien nicht. Der Kurs ist mittlerweile auf 110 Euro gestiegen. Um ihre eigenen Lieferverpflichtungen gegenüber ihren Kunden erfüllen zu können, muß Bank A die Aktien am Markt nachkaufen. Ihr entsteht ein Schaden in Höhe der Kursdifferenz (10 Euro) multipliziert mit der Anzahl der Aktien (100.000), d. h. in Höhe von 1 Million Euro. Näher dazu Kröpfl, Effizienz, S.  107 ff. Weiteres Beispiel bei Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.23. 544  Wust, Verbuchung, S.  71. 545  CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, Rec. 4. 546  CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, Rec. 7. 547  Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.39. 542 

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben

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stattfinden zu lassen548. In der EU ist diese Empfehlung insoweit überholt, als durch Art.  5 Abs.  2 CSDR die Abwicklung an T+2 vorgeschrieben ist.

2. Liquiditätsrisiko Als Liquiditätsrisiko (liquidity risk) wird das Risiko bezeichnet, daß die Gegenpartei die von ihr geschuldete Leistung nicht bei Fälligkeit, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt vollständig erbringt, so daß es in der Zwischenzeit beim Vertragspartner zu Liquiditätsengpässen kommt, die ihn dazu zwingen, sich das Geld bzw. die Wertpapiere von anderer Seite zu beschaffen. Hierher gehört etwa der Fall, daß ein Käufer, der die geschuldeten Wertpapiere nicht rechtzeitig erhält, sich diese von einem Dritten leihen muß, um nicht seinerseits gegenüber seinen eigenen Kunden in Lieferverzug zu geraten549. Die vorübergehende Leistungsunfähigkeit des Kontrahenten kann in finanziellen Schwierigkeiten – gar einer Insolvenz – ihre Ursache haben, aber z. B. auch auf operationelle Gründe zurückzuführen sein. Man denke etwa an technische Probleme bei der Abwicklung, die eine rechtzeitige Ausführung der Transferaufträge verhindern, oder an eine temporäre Unterdeckung auf den Konten des Kontrahenten infolge von Liefer- oder Zahlungsverzögerungen bei anderen Geschäften, die einen „Kaskadeneffekt“ zur Folge haben550. Das Liquiditätsrisiko bedarf nicht nur wegen der dem Vertragspartner der säumigen Gegenpartei drohenden Nachteile (z. B. in Form von Ertragsausfällen, Refinanzierungskosten oder eines höheren Administrationsaufwands551) der Eindämmung, sondern auch deshalb, weil Liquiditätsprobleme der Teilnehmer ein Risiko für das gesamte Abwicklungssystem nach sich ziehen können552 . Eine gebräuchliche Methode hierfür ist der Betrieb eines Wertpapierleihsystems durch den Zentralverwahrer553. Es ermöglicht dem von der Leistungsverzögerung betroffenen Vertragspartner, sich die betreffenden Effekten kurzfristig woanders zu beschaffen und so eine eigene Leistungsverzögerung zu vermeiden554 . 548 Zuletzt CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, Rec. 3. Siehe ferner Scott/Gelpern, International Finance, Rn.  10-029 ff. mit zusätzlichem Hinweis auf die Situation in den USA, wo sowohl von der Federal Reserve Bank als auch von der SEC der Umstieg auf T+2 empfohlen wurde, bislang allerdings ohne Erfolg. 549  CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Anm.  2 .6 (S.  19); Heller, in: Geiger/Spremann (Hrsg.), Banktopologie, S.  103, 107 f. 550  Ausführlich dazu Wechsler, Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften, S.  83 ff. mit besonderem Blick auf durch gridlocks verursachte Liquiditätsengpässe. Dieser Begriff bezeichnet eine Situation, in der wegen der Unausführbarkeit eines Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrags eines Teilnehmers Aufträge anderer Teilnehmer (oder im Extremfall das gesamte System) blockiert werden. 551  Ausführlich dazu Wechsler, Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften, S.  85 ff. (für das lieferungsseitige Liquiditätsrisiko) und S.  94 (für das zahlungsseitige Liquiditätsrisiko). 552  CPSS/IOSCO, Recommendations for securities settlement systems, S.  4 0. 553  Ausführlich dazu Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  131 ff. 554  Wust, Verbuchung, S.  73; siehe ferner Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.26. Siehe auch CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Cen­ tral Counterparties in the European Union, Rec. 5.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

3.  Operationelles Risiko Unter dem operationellen Risiko (operational risk) versteht man die Gefahr von Verlusten, die durch organisatorische Mängel, technisches oder menschliches Versagen, unzureichende Kontrollvorkehrungen oder externe Ereignisse verursacht werden555. Ein fehlerhaft programmiertes Abwicklungssystem gehört ebenso hierher wie ein plötzlicher Systemabsturz, Fehler bei der manuellen Dateneingabe und -verarbeitung, unzureichend geschulte oder überwachte Mitarbeiter, Naturkatastrophen, Terroranschläge oder Sabotage. Mitunter wird dieser Kategorie auch das Risiko von Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften, vertragliche Vereinbarungen und hausinterne Richtlinien zugeordnet556. Operationelle Probleme können bei allen in den Effektengiroverkehr eingebundenen Instituten und in sämtlichen Bereichen auftreten. Kröpfls Blickwinkel ist zu eng, wenn er nur die Gefahr im Auge hat, daß eine Transaktion aufgrund einer technischen Störung im IT-System oder einer Fehleingabe nicht fristgerecht abgewickelt werden kann557. Denn auch die Depotverwaltung gilt als besonders risikobehaftet. Kommt es dabei zu Fehlern – die Depotbank versäumt es, ihren Kunden auf ein Bezugsrecht oder ein Übernahmeangebot hinzuweisen –, kann der Schaden für den Kunden beträchtlich sein558. Auch wenn manche dem Betriebsrisiko nicht den gleichen Stellenwert einzuräumen scheinen wie dem Gegenpartei- und dem Liquiditätsrisiko559, ist dieses Risiko schon deshalb ernst zu nehmen, weil Störungen im Betriebsablauf nicht anders als finanzielle Engpässe zu Liquiditätsschwierigkeiten bei einzelnen Teilnehmern führen und im schlimmsten Fall das ganze Effektengirosystem ins Wanken bringen können560. Das gilt in besonderem Maße für den internationalen Verkehr, bei dem die Gefahr operationeller Störungen wegen der Anzahl und Komplexität der elektronischen Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen noch zunimmt561. Es ist denn auch vollkommen gerechtfertigt, wenn dem operationellen Risiko von seiten des Aufsichtsrechts und der Aufsichtspraxis mittlerweile große Aufmerksamkeit geschenkt wird562 . Zu einer geradezu massenhaften Verwirklichung des Betriebsrisikos, bedingt durch die hoffnungslose Überlastung der damals noch archaisch anmutenden Abwicklungsinfrastruktur, kam es während der berühmten paperwork crisis in den 555  Wust, Verbuchung, S.   74; CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Anm.  2.9 (S.  20); ausführlich Wechsler, Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften, S.  95 ff. 556  Chan u. a., The Securities Custody Industry, S.  29. 557  Kröpfl, Effizienz, S.  122. 558  Chan u. a., The Securities Custody Industry, S.  29. 559 Siehe Heller, in: Geiger/Spremann (Hrsg.), Banktopologie, S.  103, 107 f., der das Betriebsrisiko nicht erwähnt. 560  CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Anm.  2 .9 (S.  20); Yates/Monta­ gu, Global Custody, Anm.  8.27; Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  91. 561  Linner, Wertpapierclearing, S.  95 f. 562  CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Principle 17; CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, Rec. 11.

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben

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USA der späten 1960er Jahre. Ein vergleichbarer Abwicklungsstau bildete sich infolge des Börsencrashs im Oktober 1987, der, wie bereits erwähnt, für den Finanzsektor der Auslöser war, neben den Zahlungs- auch die Settlementsysteme unter Risikogesichtspunkten genauer unter die Lupe zu nehmen563. Der bislang wohl spektakulär­ste Einzelfall trug sich am 21. November 1985 bei der Bank of New York zu564 . An diesem Tag erlitt das Informationssystem der Bank, einer der bedeutendsten Abwicklungsagenten für US-amerikanische Staatsanleihen, wegen eines Programmfehlers einen Absturz, als die Zahl der ausgegebenen Staatsanleihen erstmals 32.768 überstieg. Folge des Absturzes war, daß das System zwar Lieferungen seitens der Federal Reserve Bank akzeptierte, die auch von der Bank bezahlt wurden, aber nicht mehr in der Lage war, die Titel an die Kunden – darunter andere Banken – weiterzugeben und die Gegenleistung zu vereinnahmen. Im Laufe des Tages häufte sich deshalb bei der Bank ein Fehlbetrag in Höhe von 22,6 Milliarden (!) US-Dollar an. Als der Computerfehler bis zum Ende des Geschäftstages nicht behoben werden konnte, sprang die Federal Reserve Bank of New York über Nacht ein und gewährte der Bank einen Notfallkredit in Höhe des Fehlbetrages. Allein durch diese Maßnahme soll die Geldmenge in den USA um 10% erhöht worden sein565. Um das operationelle Risiko zu begrenzen, bedarf es in erster Linie angemessener organisatorischer Vorkehrungen und Verfahren. Dazu gehören beispielsweise verläßliche und stressresistente IT-Systeme, die regelmäßige Schulung und wirksame Überwachung von Mitarbeitern, hohe Anforderungen an die Depotbuchführung sowie das Vorhandensein eines Notfallplans, der eine Fortführung bzw. Wiederherstellung der Geschäfte und Positionen für den Fall einer ernsthaften Störung des Geschäftsbetriebs erlaubt566. Um das Risiko von Eingabefehlern zu minimieren, empfiehlt sich der Übergang zum straight-through processing, also zur vollautomatisierten Abwicklung einer Effektentransaktion567.

4. Verwahrungsrisiko Das Verwahrungsrisiko (custody risk) hängt nicht unmittelbar mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften zusammen, sondern betrifft in erster Linie den „statischen“ Aspekt des Effektengiroverkehrs. Unter diesen Sammelbegriff fallen sämtliche Risiken, die sich für den Anleger gerade daraus ergeben, daß er seine Effekten 563 

Wechsler, Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften, S.  96 f. Kröpfl, Effizienz, S.  122 f. m. w. N. Weiteres Beispiel bei Wust, Verbuchung, S.  74 in Fn.  224: Fehleingabe einer Order zum Verkauf einer Aktie durch ein japanisches Wertpapierhandelsunternehmen, die sich nicht mehr stornieren ließ und zu einem erheblichen Verlust führte. 565  Chakravorti, Journal of International Financial Markets, Institutions and Money 10 (2000), 9, 15. 566  Siehe dazu insbesondere die Vorgaben in Art.  45 CSDR sowie CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Principle 17; ferner Löber, in: Keijser (Hrsg.), Transnational Securities Law, Rn.  9.73−9.75. 567  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  158 f. 564 Siehe

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

über einen Intermediär hält. Kommt er dadurch zu Schaden, so kann dies ganz verschiedene Ursachen haben: Insolvenz des Intermediärs, Diebstahl von Urkunden, mißbräuchliche Verfügungen über die Depotwerte, Systemabsturz, fehlerhafte Kontenführung, Versäumnisse beim Inkasso von Erträgen oder bei der Weiterleitung von Mitteilungen des Emittenten usw.568 Im folgenden werden nur die für diese Untersuchung wichtigsten Formen des Verwahrungsrisikos angesprochen. a)  Insolvenz des Verwahrers Fällt ein Verwahrer in die Insolvenz und erleidet ein Kunde dadurch einen Ausfall, so kann dies darauf zurückzuführen sein, daß die Depotinhaber nach dem anwendbaren Recht keinen wie auch immer gearteten Insolvenzschutz (z. B. in Form eines Aussonderungsrechts) genießen, d. h. ihre Depotwerte in die Masse fallen, an der sie mit einer womöglich nur niedrigen Dividende partizipieren. Schenkt man Schwarcz Glauben, so hat dieses – für die Anleger äußerst gefährliche – Szenario auch heute noch mehr als nur theoretische Bedeutung. Jedenfalls will es ihm scheinen, als sei das Problem des – von ihm so bezeichneten – intermediary risk bislang nur von den USA und vielleicht einer Handvoll weiterer Staaten befriedigend gelöst worden569. Über diese Einschätzung kann man sich nur wundern. Denn soweit ersichtlich, verfügen die Anleger in allen Staaten mit entwickelten Kapitalmärkten über eine insolvenz­ feste Rechtsstellung. Eine gewisse praktische Bedeutung dürfte eher das Risiko haben, daß es im Einzelfall an klaren Regeln für die angemessen rasche Durchsetzung von Aussonderungsansprüchen fehlt. Das kann für die Kunden die unangenehme Folge haben, daß ihre Depotbestände nach Eintritt des Insolvenzfalles für eine Weile „eingefroren“ werden, d. h. weder veräußert noch als Sicherheiten verwendet werden können570. Auch mag es vorkommen, daß der Insolvenzschutz aus rein faktischen Gründen versagt, sei es, weil die vom insolventen Verwahrer gehaltenen Wertpapierbestände nicht zur Befriedigung der Ansprüche der Depotkunden ausreichen – zu diesem sog. Shortfall-Risiko später571 –, sei es, weil aufgrund operationeller Mängel, z. B. einer undurchsichtigen oder unvollständigen Buchführung, nicht auf Anhieb und zweifelsfrei festgestellt werden kann, welchen Kunden in welchem Umfang die

568  CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Anm.  2 .8 (S.  19 f.); siehe ferner Kröpfl, Effizienz, S.  102 ff.; Dale, JBL 1998, 434, 436; Goode, JIBFL 1996, 167 m. Fn.  7. 569  Schwarcz, 12 Duke J. Comp. & Int. L. (2002), 309, 314 f. unter Berufung (in Fn.  24) auf Bernas­ coni, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  3; zuvor schon wortgleich Schwarcz, Unif. L. Rev. 2001, 283, 287; ders., 50 Duke L. J. (2001), 1541, 1553. Im Bernasconi-Bericht ist aber vom intermediary risk gar nicht die Rede, sondern nur allgemein davon, in den meisten Ländern habe weder die Entwicklung des Sachrechts noch die des Internationalen Privatrechts mit der Entwicklung der Verwahrsysteme Schritt gehalten. 570  Chan u. a., The Securities Custody Industry, S.  33. 571  Unter d).

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben

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Bestände zuzuordnen sind. An warnenden Beispielen für derartige Szenarien herrscht kein Mangel572 . b)  Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern des Verwahrers Des weiteren ist an das Risiko zu denken, daß Gläubiger eines Verwahrers im Wege der Einzelzwangsvollstreckung auf Bestände von Kunden zugreifen, um sich daraus wegen ihrer Forderungen gegen den Verwahrer zu befriedigen. Es versteht sich von selbst, daß die Kunden vor einem solchen Zugriff genauso geschützt werden müssen wie vor Ausfällen in der Insolvenz. Und auch insofern besteht unter den heutigen Gegebenheiten weniger das Problem, daß ein Vollstreckungsschutz der Kunden von vornherein nicht existiert, als vielmehr die Gefahr, daß es an Vorkehrungen fehlt, die diesem Schutz zu praktischer Wirksamkeit verhelfen. Diese Gefahr hängt vor allem damit zusammen, daß Intermediäre die Bestände ihrer Kunden auf höherer Ebene über Konten zu halten pflegen, die auf ihren eigenen Namen geführt werden, so daß der Eindruck entstehen könnte, die Bestände gehörten ihnen selbst. International sind zwei Methoden gebräuchlich, um diese Gefahr einzudämmen573: Die erste ist die Segregierung, also die Verbuchung von Eigen- und Fremdbeständen eines Zwischenverwahrers auf getrennten Konten, von der bereits die Rede war574 . Die zweite Methode, Kundenbestände vor Zugriffen von Gläubigern des Verwahrers zu schützen, besteht in der gesetzlichen Fiktion daß die auf einem Sammelkonto dieses Verwahrers verbuchten Bestände dessen Kunden gehören, solange vom Verwahrer nicht ausdrücklich das Gegenteil erklärt wird. Im deutschen Recht findet sich eine derartige Fremdvermutung in §  4 Abs.  1 und 2 DepotG, der freilich nur Pfand- und Zurückbehaltungsrechte wegen solcher Forderungen im Blick hat, die der Drittverwahrer selbst gegen den Zwischenverwahrer geltend macht. c)  Upper-tier attachment Unter dem upper-tier attachment versteht man den zwangsvollstreckungsrechtlichen Zugriff auf Depotwerte eines Kunden bei einem anderen, in der Verwahrpyramide höher angesiedelten Intermediär als demjenigen, der für den Kunden das Depotkonto führt. Im Unterschied zu der vorhin behandelten Konstellation ist es hier also nicht ein Gläubiger des Intermediärs, sondern ein Gläubiger eines Kunden, der aufgrund eines vollstreckbaren Titels Befriedigung aus den Beständen dieses Kunden sucht; nur tut er dies an der „falschen Adresse“, nämlich bei einem höherstufigen Intermediär, zu dem der Kunde keine depotvertragliche Beziehung unterhält. In Verwahrsystemen, in denen sich die Rechtsposition des Kunden auf Ansprüche gegen 572  Zur sog. „paperwork crisis“ in den USA der späten 1960er Jahre bereits oben §  3 III 1 m. Fn.  154. Zur Insolvenz von Lehman Brothers siehe unter 5 c). 573  CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, Rec. 12 unter C 2. 574  Oben §  2 I.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

den eigenen Intermediär beschränkt, ist eine „Sprungvollstreckung“ schon aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Hier ist auf den übergeordneten Ebenen der Verwahrpyramide keine Rechtsposition dieses Kunden verbucht, in die dessen Gläubiger vollstrecken könnten575. In Systemen mit direkter Rechtsträgerschaft, in denen die Anleger selbst Eigentümer der zentralverwahrten Wertpapiere sind, ist ein uppertier attachment dagegen theoretisch denkbar576. Ist die Verwahrpyramide intransparent, wird ein Zugriff bei einem höherstufigen Intermediär aber in aller Regel deshalb ausscheiden, weil dieser Intermediär keine Kenntnis darüber hat, welchen Anlegern die bei ihm verbuchten Wertpapierbestände letztlich gehören. Würde beispielsweise der Clearstream Banking AG ein gegen einen bestimmten (End-)Anleger ergangener Pfändungsbeschluß zugestellt, könnte sie gar nicht nachvollziehen, welche Girosammelanteile gepfändet wurden. Sie wäre auch nicht in der Lage, auf Verlangen des Gläubigers eine Drittschuldnererklärung gemäß §  840 ZPO abzugeben577. Ungeachtet dessen besteht international Einigkeit darin, daß eine „Sprungvollstreckung“ zum Schutz der übrigen Depotkunden, die Wertpapiere der betreffenden Gattungen(en) halten, und der Funktionsfähigkeit des Effektengirosystems insgesamt ausgeschlossen sein muß578. Sollte es nämlich einem Gläubiger doch einmal gelingen, Depotwerte eines Schuldners bei einem übergeordneten Intermediär zu pfänden, könnte dieser sich gezwungen sehen, die Wertpapiere der betreffenden Gattung(en) im ganzen „einzufrieren“, bis geklärt ist, ob dem Schuldner die gepfändeten Werte tatsächlich zustehen579. Das würde nicht bloß erhebliche Kosten verursachen, sondern alle übrigen Anleger für die Zwischenzeit an einer Veräußerung ihrer Anteile hindern und damit den reibungslosen Ablauf des Effektengiroverkehrs beeinträchtigen. Im Extremfall könnte ein upper-tier attachment sogar ein hohes systemisches 575  Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008, S.  75. 576  Einsele, Unif. L. Rev. 2004, 41, 48. 577  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, §  9 Rn.  48; Kronke, WM 2010, 1625, 1629. 578  Siehe zum folgenden die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapier­ übereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9358; UNIDROIT Study Group on Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper August 2003, UNI­ DROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8, S.  18; The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, S.  14; Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008, Rec. 11 (S.  75 f.); Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  22-2; Gullifer, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  1, 15 f.; Motani, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  253; Kronke, WM 2010, 1625, 1629. 579  Siehe das Beispiel bei Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  22-1 (Example 22-1): „AH holds ABC securities with IM. The latter pools all its account holders’ securities into one single account which is held with the CSD. Upon failure by AH to pay back a loan, its creditor tries to attach AH’s ABC securities. The ABC securities are issued as physical certificates and are in custody with the CSD. The creditor obtains an attachment order against the CSD, ordering that the securities have to be delivered to the creditor. The CSD claims that it is unable to comply with the order as it does not know how many, if any, ABC securities belong to AH, because AH is not an account holder of the CSD and therefore completely unknown to the CSD. However, in order to avoid going against a court order, the CSD blocks all settlement operations of ABC-Securities in its system until the situation is resolved.“

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben

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Risiko nach sich ziehen. In intransparenten Verwahrpyramiden besteht somit die paradoxe Situation, daß die fehlende Kenntnis der höherstufigen Intermediäre von der rechtlichen Zuordnung der Depotbestände zwar einerseits die praktische Wahrscheinlichkeit eines upper-tier attachment verringert, andererseits aber dessen potentielle Gefährlichkeit erhöht580. Ein weiterer Einwand gegen das upper-tier attach­ ment lautet, es könne eine Irreführung des Rechtsverkehrs zur Folge haben. Da das Depotkonto des Schuldners selbst vom Zugriff des Gläubigers unberührt bleibt, könnte bei Dritten der unzutreffende Eindruck entstehen, der Schuldner sei auch weiterhin zu Verfügungen über sein Depotguthaben berechtigt und in der Lage581. d)  Unterbestände (shortfalls) Als weitere und besonders ernst zu nehmende Ausprägung des Verwahrungsrisikos ist das Risiko von Unterbeständen (shortfalls) zu nennen. Sie können in zwei Formen auftreten. aa)  Unterbestand beim Zentralverwahrer Beim Zentralverwahrer entsteht ein Unterbestand, wenn sich ein bestimmter Sammelbestand auf irreguläre Weise verringert mit der Folge, daß auf einmal weniger Wertpapiere vorhanden sind, als zur vollständigen Abdeckung der Teilnehmerguthaben erforderlich wären. Als Ursache für einen solchen Verlust kommen neben höherer Gewalt (z. B. Naturkatastrophen, Terroranschläge) und einer unsachgemäßen Verwahrung von Urkunden vor allem Diebstahl und Unterschlagung in Betracht. Daß ein Zentralverwahrer – wie jeder andere Verwahrer auch – alle ihm zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen zu treffen hat, um Verluste an den bei ihm deponierten Sammelbeständen auszuschließen, darf als so selbstverständlich gelten, daß es in den einschlägigen Standards und Empfehlungen allenfalls am Rande erwähnt wird582 . Sollte dennoch einmal ein Unterbestand eintreten – über die praktische Häufigkeit dieses Phänomens gibt es nur vereinzelte Angaben583 –, so kann dies für die betroffenen Anleger vor allem zur Folge haben, daß sie (zumindest vorübergehend) 580 UNIDROIT Study Group on Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper August 2003, UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8, S.  18. Zur abweichenden Situation in transparenten Systemen siehe Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008, S.  75 f. 581  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  22-2. 582 Siehe CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, Explanatory memorandum zu Rec. 12, Anm.  3. 583 Nach Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  21 hat es in Deutschland seit 1949 keinen einzigen Verlustfall gegeben. Eine andere Einschätzung der Praxisrelevanz des Shortfall-Risikos findet sich bei Francotte, in: International Monetary Fund, Current Developments in Monetary and Financial Law, S.  271, 281: „In practice, however, losses of securities on deposit with a CSD or other intermediaries derive more often from theft, fraud, or physical disappearance of the securities certificates than from the bankruptcy of the depository“.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

nicht in den vollen Genuß der mit den Effekten verbundenen Rechte und Erträge kommen. Darüber hinaus ist denkbar, daß Auslieferungsansprüche nicht vollständig befriedigt werden können. Schließlich laufen die Anleger Gefahr, in der Insolvenz des Zentralverwahrers einen Ausfall zu erleiden. Da es sich bei Zentralverwahrern in aller Regel um beaufsichtigte Institute mit einer erstklassigen Kapitalausstattung handelt, erscheint dieses Szenario allerdings als so unwahrscheinlich, daß es im folgenden vernachlässigt werden kann584 . Freilich müssen die Folgen eines Unterbestandes für die betroffenen Depotinhaber nicht zwangsläufig gravierend sein. Gestohlene Wertpapiere mögen wiedererlangt, zerstörte ohne größeren Aufwand ersetzt werden können. Vielmals wird der Verlust durch eine Versicherung abgedeckt sein585 oder der Zentralverwahrer sich freiwillig um Ausgleich bemühen, um seine Reputation und das Vertrauen seiner Kunden nicht aufs Spiel zu setzen586. Ungeachtet dessen pflegen Zentralverwahrer ihre Haftung gegenüber ihren Kunden auf Verluste zu beschränken, die sie selbst zu vertreten haben587. Im deutschen Recht ergibt sich die Zulässigkeit derartiger Klauseln nicht nur aus dem allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsatz des §  280 Abs.  1 BGB, sondern unmißverständlich auch aus §  7 Abs.  2 Satz  2 DepotG. Er bestimmt, daß „jede schuldhafte Verringerung des Sammelbestandes dem Verwahrer zur Last fällt, während jede andere Verringerung von dem Hinterleger zu tragen ist“588. Da der Hinterleger in die Organisation des Verwahrers typischerweise keinen Einblick hat, trägt der Verwahrer die Beweislast dafür, daß der Verlust am Sammelbestand auf Umständen beruht, die er nicht zu vertreten hat. Differenziert ist hingegen nach deutschem Recht die Frage zu beantworten, wie es sich mit der depotvertraglichen Haftung eines Verwahrers für Schäden verhält, die einem Kunden aus dem Beizug einer ausländischen Depotstelle entstehen. Vertraut die Clearstream Banking AG einem ausländischen Zentralverwahrer im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung (CSD-Link) Wertpapiere zur Verwahrung an, so haftet sie für ein Verschulden dieses Verwahrers nach der zwingenden Regelung in §  5 Abs.  4 Satz  2 DepotG wie für eigenes Verschulden. Damit soll ihr ein Anreiz gegeben werden, bei der Auswahl ihrer ausländischen Kooperationspartner besonders sorgfältig zu verfahren589. Bei der Verwahrung von Wertpapieren in Wertpapierrechnung (WR) beschränkt sich die Haftung der Clearstream Banking AG hingegen auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung der von ihr beauftragen

584  Das Problem der Verlustverteilung im Fall der Insolvenz des Verwahrers ist vor allem im Hinblick auf Zwischenverwahrer relevant; insofern sei verwiesen auf die Ausführungen sogleich unter bb). 585  Siehe die Angaben zum Versicherungsschutz von Euroclear bei Dale, JBL 1998, 434, 448 f.; Francotte, in: International Monetary Fund, Current Developments in Monetary and Financial Law, S.  271, 281. 586  Benjamin, Financial Law, Rn.  19.29. 587  Siehe etwa Ziffer V AGB-CBF; Nr.  47 AGB-SIS. 588  So die Formulierung in der Begr. zu §  7 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  150. 589  RegBegr. in BT-Drucks. 10/1904, S.  7 r. Sp.

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ausländischen Lagerstelle590. Eine derartige Haftungsbegrenzung sieht im Grundsatz auch Art.  33 Abs.  2 BEG vor, freilich ohne einen Unterschied danach zu machen, ob der inländische Zentralverwahrer durch einen technisch anspruchsvollen CSD-Link oder als „einfacher“ Kontoinhaber mit der ausländischen Verwahrungsstelle verbunden ist. Hinter dieser Anlehnung an die Haftung des Beauftragten bei befugter Substitution (Art.  399 Abs.  2 OR) steht die Überzeugung, daß ein inländischer Verwahrer von vornherein nicht zur wirksamen Kontrolle und Beeinflussung eines ausländischen Zentralverwahrers imstande ist und es daher unangemessen wäre, ihn für Pflichtverletzungen dieses Verwahrers wie für eigenes Verschulden haften zu lassen591. Eine auf die Haftung wegen Auswahl- und Überwachungsverschuldens begrenzte Verantwortlichkeit findet sich auch im US-amerikanischen Recht592 sowie in den Verträgen, die der internationale Zentralverwahrer Euroclear mit seinen Kunden abzuschließen pflegt593. bb)  Unterbestand beim Zwischenverwahrer Von einem Unterbestand bei den underlyings ist der Fall zu unterscheiden, daß das Depotguthaben eines Zwischenverwahrers beim Zentralverwahrer in einer bestimmten Wertpapiergattung nicht ausreicht, um die Guthaben seiner eigenen Kunden vollständig abzudecken. Es sind also auf den Depotkonten der Kunden des Zwischenverwahrers mehr Effekten verbucht, als diesem auf seinem Teilnehmerkonto zur Verfügung stehen. Ein Unterbestand beim Zwischenverwahrer kann seine Ursache zum einen in operationellen Problemen oder Fehlbuchungen haben594 . Er ist zum anderen notwendige Folge des contractual settlement, also jener bereits dargestellten Abwicklungsmethode, bei welcher die Depotbank die für den Kunden angeschafften Wertpapiere bereits unmittelbar nach Geschäftsabschluß (T+0) in dessen Depot einbucht, obwohl die „Lieferung“ der Titel durch das Abwicklungssystem erst für den Settlementtag (z. B. T+2) vorgesehen ist. Bei der Depotbank verursacht die vorgezogene Gutschrift auf dem Konto des Kunden zumindest vorübergehend einen Unterbestand, sind doch die aggregierten Kundenguthaben in der Zeitspanne zwischen Geschäftsabschluß und Settlement höher als der Wertpapierbestand der Depotbank beim Zentralverwahrer595. 590 

Ziffer V Abs.  2 AGB-CBF. zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9383. 592  Official Comment zu UCC §  8-504, Anm.  4. 593  Dale, JBL 1998, 434, 448. 594 BSK-BankG/Hess, Art.  37d Rn.  21; FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.  11 FISA Rn.  36; Caballero/Johansson/Keijser/Vermaas, in: Keijser (Hrsg), Transnational Securities Law, Rn.  7.07 und 7.09; Mooney, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  160, 163. 595  FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.   11 FISA Rn.  13; Caballero/Johansson/Keijser/Ver­ maas, in: Keijser (Hrsg), Transnational Securities Law, Rn.  7.08; siehe ferner Francotte, in: International Monetary Fund, Current Developments in Monetary and Financial Law, S.  271, 283. Bei dem auf der Veräußererseite stehenden Zwischenverwahrer wird entsprechend ein Überbestand herbei591  Botschaft

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

Es besteht Einigkeit darin, daß Unterbestände zum Schutz der Depotkunden und der Integrität des Verwahrsystems insgesamt grundsätzlich zu vermeiden sind. Im Prinzip muß ein Zwischenverwahrer jederzeit auf übergeordneter Ebene Depotwerte verfügbar halten, deren Zahl und Gattung mindestens der Summe der in den Depotkonten seiner Kunden ausgewiesenen Guthaben entspricht596. Doch darf man nicht sämtliche Unterbestände über einen Kamm scheren. Denn wie die genannten Beispiele zeigen, gibt es neben unvorhergesehenen und in jedem Fall unerwünschten shortfalls auch solche, die aus wohlerwogenen Gründen für eine gewisse Zeit in Kauf genommen werden597. So wird dem contractual settlement der Vorteil zugeschrieben, daß der Kunde bereits unmittelbar nach Erteilung der Gutschrift über die für ihn angekauften Effekten weiterverfügen kann, obwohl deren „Lieferung“ noch aussteht. Es erlaube eine raschere Abwicklung von Effektengeschäften und verbessere damit die Marktliquidität, was sich wiederum positiv auf die Stabilität der Abwicklungs­ systeme auswirke598. Die US-amerikanische DTCC hat die Möglichkeit eines Depotkunden, ihm gutgeschriebene Effekten trotz noch ausstehender „Lieferung“ sofort weiterveräußern zu können, sogar einmal als „cornerstone of our equity markets“ bezeichnet599. Welche Risiken Unterbestände mit sich bringen, läßt sich, abgesehen von der Verschiedenartigkeit der möglichen Ursachen, auch wegen der Heterogenität der Verwahrungskonzepte nicht pauschal beantworten600. Beim contractual settlement kommt es z. B. entscheidend darauf an, ob der Rechtserwerb des Kunden bereits im Zeitpunkt der vorgezogenen Gutschrift oder erst im Zeitpunkt der „Lieferung“ der Effekten an den Zwischenverwahrer eintritt. Führt die Gutschrift auf dem Kundenkonto schon für sich genommen den Rechtserwerb herbei, wie dies etwa im US-amerikanischen System des security entitlement der Fall ist601, so sind beim Zwischenverwahrer in der Zeitspanne zwischen Gutschrift und Settlement mehr Berechtigungen verbucht, als seinem Guthaben beim Zentralverwahrer entspricht. Das heißt natürlich nicht, daß sich durch die Gutschrift die Anzahl der in das Effektengirosystem eingebrachten Mitgliedschafts- oder Gläubigerrechte erhöht; das ist ohne Zutun des geführt, sofern die Lastschrift auf dem Konto des Veräußerers bereits im Zeitpunkt T+0 vorgenommen wird. 596  Siehe Art.  11 Abs.  1 BEG, §  8-504 UCC und Art.  24 GWpÜ; ferner Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008, Rec. 9. 597 Anschaulich Mooney, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, Überschrift zu 7.2 auf S.  162 („the good, the bad, and the ugly“). Siehe auch Benjamin, Financial Law, Rn.  19.28 mit dem Hinweis, daß der Unterbestand nicht immer auf Umständen beruhen muß, die der Zwischenverwahrer zu vertreten hat. Siehe zu den Vorteilen des contractual settlement bereits oben unter §  4 IV 4. 598  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9354; FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.  11 FISA Rn.  12. 599  Pressemitteilung vom 6. Juli 2007 „DTCC Responds to The Wall Street Journal article, ‚Blame the Stock Vault?‘ “. 600  In gleichem Sinne Costantini, Anknüpfungsgegenstände, S.  144. 601  UCC §  8-501(b)(1).

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Emittenten nicht möglich. Da im indirekten System des security entitlement der Kunde ausschließlich Ansprüche gegenüber seinem Zwischenverwahrer erwirbt, ist vielmehr gemeint, daß der Zwischenverwahrer bis zur „Lieferung“ der Titel mehr Ansprüchen in bezug auf die betreffenden Mitgliedschafts- und Gläubigerrechte ausgesetzt ist, als er aus seinem beim Zentralverwahrer unterhaltenen Deckungsbestand erfüllen könnte602 . Für alle Kunden dieses Zwischenverwahrers, die Effekten der betreffenden Gattung halten, folgt daraus das Risiko, daß ihre Dividenden- und sonstigen Ansprüche nicht vollständig befriedigt werden. Zudem müssen sie damit rechnen, im Konkurs des Zwischenverwahrers einen teilweisen Ausfall zu erleiden. Das zeigt, daß die Vorteile des contractual settlement nicht umsonst zu haben sind. Sie werden mit einer besonderen Ausprägung des Verwahrungsrisikos erkauft603. Tolerabel ist dieses Risiko deshalb, weil beim contractual settlement der Unterbestand in aller Regel kurzzeitiger Natur ist und mit der Umbuchung der Titel durch den Zentralverwahrer am Abwicklungstag beseitigt wird. Zum Problem wird dieses Risiko jedoch, wenn die „Lieferung“ der Titel (z. B. wegen Insolvenz der Gegenpartei oder eines Systemfehlers) wider Erwarten ausbleibt. Um zu verhindern, daß in diesem Fall die Bestände der anderen Kunden betroffen werden, kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht: So kann der Zwischenverwahrer verpflichtet oder freiwillig dazu bereit sein, den Unterbestand unverzüglich durch eine kurzfristige Wertpapierleihe oder einen Nachkauf von Wertpapieren am Markt auszugleichen604 . Bei Geschäften unter Einschaltung eines zentralen Kontrahenten wird das buy-in oder borrowing häufig von diesem übernommen, so daß der Zwischenverwahrer nicht von sich aus tätig zu werden braucht605. Zu denken ist auch an einen unverzüglichen Ausgleich aus dem Eigenbestand des Zwischenverwahrers606. Im Extremfall, d. h. im Konkurs des Zwischenverwahrers, bleibt nichts anderes übrig, als einen nicht beseitigten Unterbestand auf die Kunden umzulegen. In welcher Höhe die Kunden dann einen Ausfall erleiden, hängt davon ab, ob zu ihrer Befriedigung auch die noch nicht erfüllten Lieferansprüche des Zwischenverwahrers und dessen Eigenbestand heran602  Im Schrifttum wird dieses Phänomen mitunter auch als „Überbestand“ unterzeichnet. So spricht Scherer/Löber, DepotG, Anhang 14 unter II 3.2 (S.  652) von der Gefahr „einer Vervielfachung der Anzahl intermediär verwahrter Wertpapiere dergestalt, dass deren Anzahl durch eine Vielzahl von Gutschriften ohne korrespondierende Belastung weit über den tatsächlichen Bestand hinauswächst“. Siehe ferner Scherer/Gallei, JIBLR 2009, 470, 475 („ownership in the same securities could multiply“); Mülbert, ZBB 2010, 445, 457. 603  Francotte, in: International Monetary Fund, Current Developments in Monetary and Financial Law, S.  271, 281 f. 604  Vgl. Art.  11 Abs.  2 BEG; siehe ferner Caballero/Johansson/Keijser/Vermaas, in: Keijser (Hrsg), Transnational Securities Law, Rn.  7.25; Francotte, Clearing and Settlement of Book-Entry Securities Transactions, in: International Monetary Fund, Current Developments in Monetary and Financial Law, S.  271, 282. 605  So für Geschäfte an der SIX Swiss Exchange FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.  11 FISA Rn.  24. 606  Swiss Banking, Zirkular Nr.  7215 „Abwicklung beim Kauf und Verkauf von Effekten“ vom 27. November 2002, S.  2; Caballero/Johansson/Keijser/Vermaas, in: Keijser (Hrsg), Transnational Securities Law, Rn.  7.23.

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gezogen werden dürfen607. Im übrigen muß das anwendbare Recht entscheiden, ob die Verlustumlage proportional nach Maßgabe der im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehenden Guthaben oder – in Anlehnung an den Prioritätsgrundsatz – zu Lasten der Kontoinhaber vorgenommen werden soll, welche die zeitlich letzten Gutschriften erhalten haben. Soweit ersichtlich, ist das letztgenannte Verfahren international ungebräuchlich, weil die Berücksichtigung der Reihenfolge der Belastungen und Gutschriften zu einer praktisch nicht zu bewältigenden Belastung des Insol­venz­ verfahrens führen würde608. In Effektengirosystemen, in denen erst die zeitlich letzte Buchung, also diejenige in den Büchern des Zentralverwahrers, den Rechtserwerb herbeiführt, tritt das Problem des Kundenschutzes in anderer Gestalt auf. Hier kommt der vorgezogenen Gutschrift auf dem Konto des Kunden keine unmittelbare Erfüllungswirkung zu. Was sich hinter dieser Gutschrift verbirgt, ist zunächst nur ein obligatorischer Verschaffungsanspruch gegen den Zwischenverwahrer609. Damit ist die Gefahr einer „Rechtevermehrung“ von vornherein ausgeschlossen610. Allerdings hängt die Vollendung des Rechtserwerbs von einem „entfernten“ Buchungsvorgang ab, über den der Kunde nicht immer gesondert informiert wird und der sich verzögern, im Extremfall sogar ausbleiben kann611. Wird die Gutschrift auf dem Kundenkonto vorbehaltlos erteilt, erzeugt sie jedoch beim Kunden den Rechtsschein, als gehörten die Effekten bereits ihm612 . Als weiterer Nachteil kommt hinzu, daß das „contractual settlement mit aufgeschobenem Erfüllungszeitpunkt“ zu einer Vorleistung des Kunden auf der Geldseite führt; er muß ja bereits am Handelstag den Kaufpreis bezahlen, obwohl der Rechtserwerb erst am Settlementtag stattfinden soll. Das reibt sich mit dem Zug-umZug-Prinzip, das im Verhältnis der Giroteilnehmer untereinander für selbstverständlich gehalten wird, und zeigt, daß man sich auch bei dieser Abwicklungsform Gedanken über den Kundenschutz für den Fall machen muß, daß der Zwischenverwahrer in der Zeitspanne zwischen Geschäftsabschluß und Settlement in Konkurs fällt613. Folgerichtig wird in Deutschland ein Kunde, der gegenüber seine Bank in Vorleistung getreten ist, aber noch nicht das Eigentum an den Wertpapieren erhalten hat, nicht in den Kreis der gewöhnlichen Konkursgläubiger eingereiht, sondern durch ein besonderes Vorrangrecht geschützt. Es besagt, daß sich der Kunde aus den 607 

Das ist z. B. im schweizerischen Recht der Fall, Art.  17 Abs.  1 lit.  c. und Art.  19 Abs.  1 BEG. Siehe Art.  19 Abs.  2 BEG und die dazugehörigen Ausführungen in der Botschaft, BBl. 2006, S.  9364; ferner UCC §  8-503(b). 609  Schweizerische Bankiervereinigung, Schlußbericht „Offene Fragen im Wertpapierbereich“, S.  6. 610 Vgl. Mülbert, ZBB 2010, 445, 457. 611  Siehe die kritischen Anmerkungen der schweizerischen Übernahmekommission in der Empfehlung i. S. Unaxis Holding AG vom 27. Juni 2005, Erw. 5.3.2 und 5.3.3. Näher dazu unten §  13 VIII 2. 612  Brunner, Wertrechte, S.  216, der das contractual settlement denn auch „äusserst bedenklich“ findet. 613  Schweizerische Bankiervereinigung, Schlußbericht „Offene Fragen im Wertpapierbereich“, S.  6 f. 608 

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in der Masse vorhandenen Wertpapieren gleicher Gattung und den zur Masse gehörenden Ansprüchen auf Lieferung solcher Wertpapiere, die zu einer Sondermasse zusammengefaßt werden, vorzugsweise befriedigen kann (vgl. §  32 DepotG). Ein vergleichbares Privileg gibt es im schweizerischen Recht (Art.  16 Nr.  3 i. V. m. Art.  37d BankG bzw. Art.  17 BEG). e)  Verfügungen des Verwahrers über Kundenwerte Einem unter Umständen beträchtlichen Risiko ist ein Depotkunde schließlich dann ausgesetzt, wenn der Verwahrer von seinem Recht Gebrauch macht, über die Depotwerte des Kunden im eigenen Namen zu verfügen (right of use). Man denke etwa an den Fall, daß ein Verwahrer Kundenbestände zur Sicherung eines ihm gewährten Kredits an einen Dritten verpfändet, oder an den Fall, daß ein Verwahrer auf Kundenbestände zurückgreift, um eine offene Lieferverpflichtung aus einem Wertpapierleihgeschäft zu erfüllen. Auch die als rehypothecation bezeichnete Weiterverwendung von Sicherheiten im Wege der Weiterübertragung oder -verpfändung gehört hierher614 . Nun ist die Nutzung von Kundenbeständen durch einen Verwahrer für eigene Zwecke nicht per se anrüchig. Im Gegenteil kann ein Nutzungsrecht aus Effizienzgründen sinnvoll sein und zur Verbesserung der Marktliquidität beitragen615. Und wie sich der Begründung zu §  12 DepotG entnehmen läßt, wäre die Refinanzierung von Krediten, die ein Verwahrer seinen Kunden gewährt, ohne die darin geregelte Ermächtigung zur Verpfändung von Kundenbeständen „in vielen Fällen unmöglich“616. Für den Kunden kann ein Vorteil eines Nutzungsrechts auch in der Zahlung eines Zusatzentgelts durch den Verwahrer bestehen617. Doch ist ein right of use des Verwahrers für den Kunden mit zusätzlichen Risiken verbunden. Überträgt der Verwahrer das Vollrecht auf einen Dritten (outright transfer), tritt nämlich an die Stelle des Eigentumsrechts an den Effekten ein bloßer obligatorischer Anspruch des Kunden gegen den Verwahrer auf Rückübertragung von Effekten gleicher Art und Menge. Der Kunde verliert damit jenen Insolvenzschutz, den er als Eigentümer der Effekten genießt, und wird im Insolvenzfall zum gewöhnlichen Insolvenzgläubiger618. Und im Fall der Weiterverpfändung (repledge) liegt das zusätzliche Risiko darin, daß sich die Wahrscheinlichkeit einer Pfandverwertung erhöht. Welches Ausmaß das mit einem right of use verbundene Risiko annehmen kann, illustriert der Fall der Investmentgesellschaft Olivant. Sie hielt über das am 15. September 2008 zusammengebrochene Bankhaus Lehman Brothers 614  Ausführlich dazu Johansson, Property Rights in Investment Securities, S.  65 ff.; dies., in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  151 ff. 615  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9366; Gullifer, Legal Problems, Rn.  6 -46. 616  Begr. zu §  12 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  193. 617  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9366. 618  Johansson, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  151, 153.

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ein Paket UBS-Aktien im Wert von 1,5 Milliarden Schweizer Franken, das von Leh­ man Brothers in seiner Eigenschaft als sog. Prime Broker an einen Dritten verliehen worden war. Die Folge war, daß Olivant eine ungesicherte Konkursforderung verblieb619. Es wird berichtet, daß die Nutzung von Kundenwerten durch Intermediäre infolge der Lehman-Insolvenz dramatisch abgenommen hat und daß viele Prime Brokerage-Kun­den diesen Vorfall zum Anlaß genommen haben, die Verträge mit ihren Depotstellen neu zu verhandeln und deren Nutzungsrecht erheblich einzuschränken620. In Anbetracht dieses Befundes besteht international Konsens darin, daß ein right of use des Verwahrers zwar im Grundsatz anerkannt, aber in jedem Fall von der ausdrücklichen Einwilligung des Kunden abhängig gemacht werden sollte621. Im europäischen Recht hat diese Überzeugung Ausdruck gefunden in Art.  15 der Verordnung (EU) 2015/2365622 , in Art.  16 Abs.  8 MiFID II sowie in Art.  5 der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission623, im deutschen Recht in §  12 DepotG sowie in §  84 Abs.  6 WpHG (§  34a Abs.  4 WpHG-alt). In das europäische Recht war das Nutzungsrecht des Verwahrers freilich schon früher eingeführt worden, und zwar durch Art.  5 Abs.  1 FinanzsicherheitenRL von 2002. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, „daß der Sicherungsnehmer, soweit bei der Bestellung der Finanzsicherheit vorgesehen, ein Verfügungsrecht über Finanzsicherheiten in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts ausüben kann“. Im Hinblick auf diese Bestimmung sah der deutsche Gesetzgeber keinen Umsetzungsbedarf. Im Genfer Wertpapierübereinkommen ist das right to use collateral securities in Art.  34 geregelt. In der Regel ist das Nutzungsrecht des Verwahrers mit der Verpflichtung gekoppelt, seine Ausübung buchungstechnisch sichtbar zu machen624 . So sieht Art.  12 Abs.  2 BEG vor, daß die Verwahrungstelle über Bucheffekten von Kunden, die bei einer Drittverwahrungsstelle gehalten werden, nur verfügen kann, nachdem sie diese in Ausübung ihres in Art.  22 BEG geregelten Nutzungsrechts in ihr eigenes Effektenkonto übertragen hat. Die Bestimmung ist zwingend (Art.  12 Abs.  3 BEG). 619 

FAZ vom 2. Oktober 2008, S.  19 („UBS-Aktienpaket verschwunden“). Johansson, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  151, 160 m. w. N. 621  Siehe etwa CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, Explanatory memorandum zu Rec. 12, Anm.  6 (S.  69); European Financial Markets Lawyers Group (EFMLG), Harmonisation, S.  23. 622  Verordnung (EU) 2015/2365 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.  648/2012, ABl. EU Nr. L 337 vom 23. Dezember 2015, S.  1. 623  Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, ABl. EU Nr. L 87 vom 31. März 2017, S.  500. 624  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  612 ff. 620 

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Vergleichbare Vorgaben finden sich im deutschen Aufsichtsrecht625 und im europäischen Recht626.

5.  Rechtliches Risiko Zu den Risiken, die bei der Wertpapierverwahrung und -abwicklung auftreten können, zählt des weiteren das rechtliche Risiko. a) Begriff Zum Begriff des rechtlichen Risikos (legal risk) gibt es mehrere Definitionsansätze627. So verstehen die Empfehlungen des (früheren) Ausschusses der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) und der Europäischen Zentralbank zu Effektenabwicklungssystemen und zentralen Kontrahenten in der Europäischen Union vom Mai 2009 darunter „[t]he risk of loss on account of the unexpected application of a law or regulation, or because a contract cannot be enforced.“628

Für die (zivilrechtlichen) Zwecke dieser Untersuchung ist diese Definition zu eng629. Sie dürfte aber auch gar nicht den Anspruch haben, eine vollständiges Bild von den rechtlichen Risiken in der mediatisierten Wertpapierverwahrung zu vermitteln, zumal sich die CESR/EZB-Empfehlungen ausschließlich an Aufsichtsbehörden richten und allein mit Blick auf die spezifischen Gefahrenlagen in Effektenabwicklungs­ systemen und bei zentralen Kontrahenten formuliert wurden. Etwas genauer, ­wenngleich ebenfalls auf Effektenabwicklungssysteme fokussiert, ist die folgende Definition: „[The] risk that a party will suffer a loss because laws or regulations do not support the rules of the securities settlement system, the performance of related settlement arrangements, or the 625  Nr.  10 Abs.  2 lit.  c) der Bekanntmachung des BAKred über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen vom 21. Dezember 1998. 626  Art.   5 Abs.  2 Unterabs. 2 der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, ABl. EU Nr. L 87 vom 31. März 2017, S.  500. 627  Ausführlich dazu (aus allgemeinerer Perspektive) McCormick, Legal Risks in Financial Markets, S.  95 ff. 628  CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, S.  234 (Glossary). Ebenso schon Deutsche Börse Group, The European Post-Trade Market, S.  36 (Glossary). 629  Das gilt auch für die Definition bei Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.28: „Legal risk might be defined as the risk that the legal effect of a transaction or arrangement differs from that intended by one or more of the parties to it“.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

property rights and other interests held through the settlement system. Legal risk also arises if the application of laws and regulations is unclear.“630

Und nach Roy Goode steht der Begriff rechtliches Risiko für „[t]he absence of adequate legal rules in a given law jurisdiction to enable interests in securities to be efficiently and effectively acquired, enforced and transferred, and to be protected against the claims of third parties and given priority over other claimants on the insolvency of an ­issuer or intermediary, or to recognise and enforce such interests where created under the law of another jurisdiction.“631

Auch diese Definition ließe sich noch verfeinern. Sie vermittelt allerdings eine so genaue Vorstellung von den Risiken in der mediatisierten Wertpapierverwahrung, daß sie bei der folgenden Suche nach den Hauptursachen des rechtlichen Risikos als Orientierung dienen kann632 . Ohnehin ist eine genaue Kenntnis dieser Ursachen mindestens ebenso wichtig wie eine ausgefeilte Definition. Denn ansonsten bestünde die Gefahr, daß bei der Eindämmung des rechtlichen Risikos nicht an den wirklich neuralgischen Punkten angesetzt wird633. b) Hauptursachen Als Hauptursachen des rechtlichen Risikos lassen sich ausmachen: Mängel des anwendbaren (materiellen) Depotrechts, Unsicherheiten bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts und die Inkompatibilität von Verwahrungskonzepten. aa)  Mängel des materiellen Depotrechts Ein Mangel des materiellen Depotrechts liegt vor, wenn das anwendbare Recht in wesentlichen Punkten unklar, lückenhaft oder veraltet ist oder wenn es Verfügungen über Depotwerte, d. h. Übertragungen und Verpfändungen, komplizierter und damit fehleranfälliger macht als unbedingt notwendig634 . In den erläuternden Anmerkungen zum ersten Entwurf des Genfer Wertpapierübereinkommens aus dem Jahre 2004 heißt es dazu635: „Legal risk commonly refers to a situation where the applicable law does not provide for a predictable and sound solution. For example, legal risk might arise in scenarios where the relevant factual issue is not ­addressed by the law. Even where there were rules in place, these could be contradictory or give 630 

CPSS, A glossary of terms used in payments and settlement systems, S.  29. Goode, JIBFL 1996, 167 m. Fn.  8. 632  Eine etwas allgemeinere Umschreibung könnte lauten: Unter dem rechtlichen Risiko (legal risk) ist das Risiko zu verstehen, daß durch Unvollkommenheiten des rechtlichen Rahmens der mediatisierten Wertpapierverwahrung ein Schaden verursacht wird. 633 Treffend McCormick, Legal Risks in Financial Markets, Rn.  5.03. 634  Haentjens, Harmonisation of Securities Law, S.  52 f. 635  Explanatory Notes to the Preliminary Draft Convention on Harmonised Substantive Rules regarding Securities Held with an Intermediary, UNIDROIT 2004, Study LXXVII – Doc. 19 (Dezember 2004), S.  7. 631 

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rise to different interpretations. In such a ,gap‘ or ,lack of clarity‘ situation, parties may enter a transaction without knowing about the specific risk they face, which they might than realise later. Or, parties may know the risk beforehand but then have to invest time and money in filling the gap or overcoming the lack of clarity by way of contractual agreements. Legal risk might also refer to situations where the answer provided by the applicable law does not fit the market reality, or where the law unnecessarily complicates or burdens a transaction. Often, legal requirements that are rooted in traditional legal concepts and created to promote legal certainty lose their original purpose when applied to modern securities holding and transfer structures. The consequence of imposing requirements that complicate a transaction can be timeconsuming and costly. Furthermore, a complicated procedure makes each process of perfection of a transaction specifically vulnerable to mistakes. On the other hand, in other cases, the law provides for legal concepts that make the use of specific kinds of transaction that are used in or requested by the practice impossible and thereby creates a barrier.“

Wie die erläuternden Anmerkungen weiter hervorheben, haftet das Risiko, daß das zur Anwendung gelangende Recht Mängel der vorstehend beschriebenen Art aufweist, im Prinzip jeder geschäftlichen Transaktion an. Was aber den Effektengiroverkehr von anderen Bereichen des Wirtschaftslebens abhebt, ist nicht nur der gewaltige Wert der auf verschiedenen Ebenen eines komplexen Systems verbuchten Finanzin­ strumente, sondern auch der von den Anmerkungen betonte Umstand, daß hier nicht selten noch mit Konzepten gearbeitet wird, die an sich für ganz andere Lebenssachverhalte geschaffen worden sind. In manchen Ländern werden zentralverwahrte Kapitalmarktwerte noch nach den hergebrachten Regeln für bewegliche Sachen übertragen und verpfändet, obwohl sie gerade nicht physisch übergeben werden, ja vielleicht nicht einmal mehr in Urkunden verkörpert sind636. Die daraus resultierenden Probleme, von denen am Beispiel des deutschen Miteigentumsmodells noch ausführlich die Rede sein wird, müssen nicht unbedingt unlösbar sein. Sie können jedoch einer effizienten Abwicklung von Wertpapiergeschäften im Wege stehen, und trotz aller Bemühungen, die traditionellen Konzepte mit der Realität des Effektengiroverkehrs in Einklang zu bringen, mag ein Rest von Rechtsunsicherheit verbleiben, der vor allem dann ein kritisches Ausmaß annehmen kann, wenn das Effektengirosystem unter Druck gerät. Rogers benutzt das folgende Bild, um diese Gefahr anschaulich zu machen: „Trying to use those rules for the modern system of securities holding through intermediaries is like trying to use an old electric system for a modern building; it can be done, but it takes a lot of effort and provides little protection against emergencies“637. Der größte anzunehmende Ernstfall ist die Insolvenz eines bedeutenden Marktteilnehmers. Dieses Szenario wird als der entscheidende Test für die Rechtssicherheit eines Effektengirosystems angesehen638. 636  Explanatory Notes to the Preliminary Draft Convention on Harmonised Substantive Rules regarding Securities Held with an Intermediary, UNIDROIT 2004, Study LXXVII – Doc. 19 (Dezember 2004), S.  8. 637  Rogers, 43 UCLA L. Rev. (1996) 1431, 1449. 638  Siehe die Explanatory Notes to the Preliminary Draft Convention on Harmonised Substantive Rules regarding Securities Held with an Intermediary, UNIDROIT 2004, Study LXXVII – Doc. 19 (Dezember 2004), S.  8, wonach das GWpÜ in erster Linie geschaffen wurde, um einen sicheren

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

bb)  Unsicherheiten bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts Im internationalen Verkehr kann sich das rechtliche Risiko, dem die Parteien eines Veräußerungs- oder Sicherungsgeschäfts ausgesetzt sind, noch vervielfachen. Denn bei Sachverhalten mit Auslandsberührung ist es häufig schwierig, wenn nicht unmöglich, das anwendbare Recht ex ante zweifelsfrei zu bestimmen. Welche mißlichen Folgen es haben kann, wenn es an einer klaren und ohne größeren Aufwand zu ermittelnden Kollisionsregel fehlt, läßt sich unschwer ausmalen: Abgesehen davon, daß Unsicherheiten bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts sich häufig in höheren Transaktions- bzw. Kreditkosten niederschlagen werden – es möge etwa ein Kreditgeber als Kompensation höhere Zinsen oder zusätzliche Sicherheiten verlangen639 –, laufen die Parteien Gefahr, die Verfügung nach dem „falschen“ Recht vorzunehmen und im nachhinein mit einer Rechtsordnung konfrontiert zu werden, mit der sie nicht gerechnet haben. Im Extremfall kann sich herausstellen, daß das fragliche (Sicherungs-)Recht aus Sicht der tatsächlich zur Anwendung berufenen Rechtsordnung nicht wirksam erworben wurde640. Dieses Problem stellt sich keineswegs nur bei Geschäften, die offenkundig einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen und bei denen gleich eine ganze Reihe von Rechtsordnungen betroffen ist641. Es tritt bereits in der vergleichsweise simplen Konstellation auf, daß ein englischer Investor über seine Londoner Bank Eurobonds erwirbt, die über Euroclear in Brüssel gehalten werden642 . Gerade in Anbetracht der Divergenz der nationalen Depotrechte muß im internationalen Verkehr für Investoren, Kreditgeber und Systemteilnehmer unter allen Umständen Klarheit über das anwendbare Recht bestehen643. Nun verfügt das internationale Sachenrecht mit der lex rei sitae – in bezug auf Wertpapiere auch: lex cartae sitae – über einen der Verkehrssicherheit dienenden Anknüpfungsgrundsatz, der nahezu weltweit Anerkennung genießt644 . Dieser Grundsatz besagt, daß Rechte an einer Sache dem Recht des Staates unterliegen, in dem sich Rechtsrahmen für den Fall der Insolvenz eines bedeutenden Marktteilnehmers geschaffen wurde („times of stress“); siehe ferner Haentjens, Harmonisation of Securities Law, S.  53. 639  Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 213. 640  Ooi, Shares and other Securities in the Conflict of Laws, Rn.  6.14; Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 213. In diesem Zusammenhang gehört auch das als recharacterisation risk bezeichnete Risiko, daß im Streitfall ein bestimmtes (Sicherungs-)Recht vom Gericht in ein anderes (Sicherungs-)Recht umgedeutet und dann mangels Erfüllung der dafür notwendigen Voraussetzungen für unwirksam erklärt wird. 641  Man denke etwa an den Fall, daß ein deutscher Investor, der ein Depotkonto bei einer niederländischen Bank unterhält, seine durch Euroclear France zentralverwalteten Anteile an einer französischen Aktiengesellschaft an eine schweizerische Bank verpfändet. Weitere (und kompliziertere) Beispiele bei Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 691. 642  Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007-2008), 384, 392. 643  Group of Thirty, Global Clearing and Settlement, S.  47 zu Rec. 15: „Market participants must be able to determine, with certainty and reasonable cost and effort, what law defines and governs their rights to securities, cash, or collateral in a clearing system or other intermediary, what those rights are, and how to perfect and enforce them.“ 644  Siehe etwa Benjamin, Interests in Securities, Rn.  7.13 ff.; Goode, JIBFL 1996, 167, 172.

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die Sache tatsächlich befindet (vgl. Art.  43 Abs.  1 EGBGB645). Das sog. Sachstatut entscheidet über die Rechtswirkungen sachenrechtlicher Tatbestände, also unter anderem darüber, wie sich die Übereignung oder Verpfändung einer Sache vollzieht und unter welchen Voraussetzungen ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten möglich ist. Auch der Rang und die Verwertung von Pfandrechten richten sich nach ihm. Die Anknüpfung an den Lageort der Sache hat den Vorzug, daß dieser meistens bekannt oder zumindest leicht feststellbar ist. Für sie läßt sich außerdem anführen, daß Störungen der Sachherrschaft ihren Schwerpunkt am Belegenheitsort haben und in der Regel auch nur dort mit Hilfe der Rechtsschutzorgane des Belegenheitsstaats abgewehrt werden können. Es liegt nahe, daß diese Rechtsschutzorgane dabei ihr eigenes Recht anwenden, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz der streitenden Parteien646. International kann mittlerweile als unbestritten gelten, daß eine Anknüpfung nach der Situs-Regel den Gegebenheiten in mediatisierten Verwahrsystemen aus mehreren Gründen nicht gerecht wird647: –  Erstens bezeichnet der Lageort der Urkunden keineswegs immer jene Rechtsordnung, die mit dem Sachverhalt am engsten verbunden ist648. Werden Eurobonds eines französischen Emittenten, die auf Konten bei Euroclear in Brüssel verbucht sind, zwischen zwei Euroclear-Teilnehmern übertragen, ist jedenfalls nicht ohne weiteres einzusehen, weshalb dieser Vorgang englischem Recht unterstehen sollte, nur weil eine Globalurkunde bei einer Londoner Bank in Verwahrung gegeben wurde649. Das gilt umso mehr, als die Globalurkunde überhaupt nicht bewegt wird und sich die Transaktion ausschließlich auf den Teilnehmerkonten bei Euroclear widerspiegelt. Wirtschaftlich betrachtet liegen die Depotwerte auf den Konten der Anleger, nicht in den Tresoren der Sammelverwahrer650. In einem Entscheid aus dem Jahre 1976 hat denn auch das schweizerische Bundesgericht eine Verkehrsanschauung dahingehend ausgemacht, „dass ein Wertpapierdepot bei derjenigen Bank gelegen ist, die das Depotkonto führt, wo immer sich die einzelnen Papiere befinden. Der Bankkunde kann in der Regel nur über die kontoführende Bank auf seine Wertpapiere greifen. Hier erteilt er seine Börsenaufträge, und hier lässt er auch die mit der offenen Verwahrung von Wertpapieren üblicherweise verbundenen Verwaltungsarbeiten, wie Inkasso von Coupons und dergleichen, vornehmen“651.

645  Eingefügt durch das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außvertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21. Mai 1999, BGBl. I, S.  1026. Näher dazu Pfeiffer, IPRax 2000, 270 ff. 646 Staudinger/Mansel (2015), Art.  43 EGBGB Rn.  35 (mit Blick auf Grundstücke). 647  Eingehend dazu Ege, Kollisionsrecht, S.  55 ff.; Ooi, Conflict of Laws, Rn.  7.19 ff.; Saager, Effektengiroverkehr, S.  117 ff.; ferner Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 213 ff.; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 710 ff.; Schefold, IPRax 2000, 468, 469 f. 648  Siehe für das deutsche IPR Art.  4 6 EGBGB. 649  Beispiel nach Schefold, IPRax 2000, 468, 470. 650  Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 711. 651  BGE 102 III 106.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

–  Zweitens läßt sich für den Effektengiroverkehr gerade nicht behaupten, daß der Lageort der Urkunden bekannt oder zumindest leicht zu ermitteln ist. Schafft z. B. eine deutsche Bank für ihren Kunden girosammelverwahrte Wertpapiere im Inland an, so enthält die dem Kunden übersandte Geschäftsabrechnung zwar in der Regel Angaben über die Verwahrungsart („Wertpapiere zugunsten Girosammelverwahrung“), nicht aber darüber, wo sich die Wertpapiere effektiv befinden. Handelt es sich um Wertpapiere eines deutschen Emittenten, ist zwar sehr wahrscheinlich, daß die Urkunden bei der Clearstream Banking AG deponiert sind. Geht es um ausländische Titel, die mittels einer gegenseitigen Kontoverbindung in den inländischen Effektengiroverkehr einbezogen worden sind, kann sich die Ermittlung des Belegenheitsortes jedoch schwierig gestalten. Jedenfalls ist nicht gesichert, daß die Depotbank ihrem Kunden die Lagerstelle der Papiere auf Anhieb nennen kann652 . Im Schrifttum fehlt es nicht an weiteren Beispielen dafür, daß der Versuch einer „Durchleuchtung“ einer intransparenten Verwahrpyramide im Sinne eines kollisionsrechtlichen look through approach häufig zum Scheitern verurteilt ist653. –  Drittens werden, wie wir gesehen haben, über viele Emissionen gar keine Wertpapiere mehr ausgestellt und statt dessen Wertrechte in die Effektengirosysteme eingebracht. Wertrechte sind aber nicht greifbar und haben genau genommen auch keinen Situs. Ob es deshalb von vornherein an einer Grundlage für eine entsprechende Anknüpfung fehlt654, ist jedoch nicht so klar, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn immerhin liegt es nicht fern, das Register, in dem die Wertrechte zentral erfaßt sind, als deren „Sitz“ zu betrachten und somit an den Ort der Registerführung anzuknüpfen655. –  Mit dieser Modifikation der lex cartae sitae hängt ein viertes Problem eng zusammen: Diese Regel ist zwar weit verbreitet, wird aber keineswegs einheitlich angewendet656. So vertritt Goode die Ansicht, daß es für die Bestimmung des Belegenheitsortes nicht auf den Lageort der Urkunden, sondern darauf ankomme, wo sich die Übertragung der Titel vollzieht. Anzuwenden sei somit das Recht des Ortes, an dem der maßgebende Bucheintrag vorgenommen wird657. Er beruft sich dazu auf den bekannten englischen Fall Macmillan Inc. v. Bishopsgate Investment Trust plc. Freilich demonstriert dieser Fall, wie uneinheitlich das Meinungsbild in Wirklichkeit ist. Denn obwohl die drei Lord Justices des Court of Appeal bei der Beurteilung dieses Falles658 übereinstimmend davon ausgingen, daß sich die Übertragung von Aktien 652  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  170; Saager, Effektengiroverkehr, S.  119; Bernasconi/Potok/ Morton, in: Potok (Hrsg.), Cross Border Collateral, Anm.  2.70. 653  Besonders plastisch, wenngleich übertrieben Rogers, JIBFL Special Supplement 1998, 47, 48 f. 654 So Schefold, in: Festschrift für Kümpel, S.  4 63, 464; ders., in: Festschrift für Jayme, S.  805, 808. 655  Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), The law of cross-border securities transactions, Rn.  3.19; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 715. 656  Ege, Kollisionsrecht, S.  56; Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 216. 657  Goode, JIBFL 1996, 167, 172. 658  Die in Delaware beheimatete Macmillan Inc. verfügte über eine Mehrheitsbeteiligung an der Berlitz International Inc. mit Sitz in New York. Auf Veranlassung von Robert Maxwell, der indirekt

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nach der lex rei sitae richtet, waren sie sich nicht einig darin, wie der Belegenheitsort zu bestimmen ist. Ein Richter gelangte zu dem Ergebnis, daß die streitgegenständlichen Aktien nicht als begebbare Wertpapiere (negotiable instruments) zu qualifizieren und daher dort belegen seien, wo die Gesellschaft inkorporiert ist659. Ein anderer Richter meinte, der Situs von Aktien befände sich normalerweise an dem Ort, an dem das Aktienregister geführt wird; das sei zumeist, aber nicht notwendig, der Ort der Inkorporation. Anderes solle aber für Aktien gelten, die als Wertpapiere einzuordnen sind; dann sei das Recht des Ortes anzuwenden, an dem sich die Papiere zum Zeitpunkt der Übertragung befinden660. Und nach Ansicht des dritten Richters sind Aktien stets dort belegen, wo die Gesellschaft inkorporiert ist661. Es fehlt auch nicht an Stimmen, die zwar ebenfalls formal an der lex rei sitae festhalten, den Situs der Wertpapiere aber jeweils dort verorten, wo die Rechtsposition des Anlegers ihren Bezugspunkt hat. Belegenheitsort ist danach entweder der Sitz des Sammelverwahrers (bei Konzepten mit direkter Rechtsträgerschaft nach Art des deutschen Miteigentumsmodells) oder der Sitz des Zwischenverwahrers, der für den Anleger das Depotkonto führt (bei Konzepten mit indirekter Rechtsträgerschaft)662 . Ein wieder anderer Vorschlag geht dahin, auf den Ort abzustellen, an dem die Berechtigung des Anlegers verbucht ist663. Auf all diese und weitere Versuche, die Situs-Regel in den Bereich der mediatisierten Wertpapierverwahrung „hinüberzuretten“, ist hier nicht weiter einzugehen. Doch verdient festgehalten zu werden, daß es zu kurz gegriffen wäre, die uneinheitliche Handhabung dieser Regel allein mit Divergenzen der nationalen Kollisionsrechte erklären zu wollen. Vielmehr ist sie zu einem großen Teil auch auf die Heterogenität der Verwahrungskonzepte und damit auf Unterschiede zwischen den nationalen Sachrechten zurückzuführen. In einer Rechtsordnung wie der englischen, in der den Eintragungen im Register des Emittenten entscheidende Bedeutung für den Rechtserwerb zukommt und etwaige Anteilszertifikate lediglich die Funktion von Beweisdokumenten haben, liegt es jedenfalls näher, an den Ort der Registerführung anzuknüpfen als an den Lageort der Dokumente. die Kontrolle über die Macmillan Inc. ausübte, wurden die Aktien ab November 1990 nach und nach treuhänderisch auf die ebenfalls von Maxwell beherrschte Bishopsgate Investment Trust plc und von dort ohne Wissen und Zustimmung der Macmillan Inc. auf drei Banken mit Sitz in London übertragen, um Kredite an andere Gesellschaften der Maxwell’schen Unternehmensgruppe abzusichern. Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob die Weitergabe des Aktienpakets durch die Bishops­ gate Investment Trust plc als „breach of trust“ gegenüber der Macmillan Inc. zu qualifizieren war und dieser aufgrund dessen ein Herausgabeanspruch zustand. Die Macmillan Inc. war der Ansicht, daß diese Frage nach dem für ihr Begehren günstigeren englischen Recht zu entscheiden war. Ausführliche Sachverhaltsschilderung bei Johnson, in: van Houtte (Hrsg.), The Law of Cross-Border Securities Transactions, Rn.  1.14; Ooi, Conflict of Laws, Rn.  1.04 ff.; Kieninger, IPRax 1997, 449, 450. 659  Staughton LJ at [1996] 1 All ER 602a−b. 660  Auld LJ at [1996] 1 All ER 608c−d. 661  Aldous LJ at [1996] 1 All ER 620d, 621g. 662  Siehe (mit Schaubild) Guynn/Marchand, in: van Houtte (Hrsg.), The law of cross-border securities transactions, Rn.  3.19. 663  Benjamin, JIBFL 1998, 85 f. („Record-based approach“); Potok/Moshinsky, JIBFL Special Supplement September 1998, 10, 13.

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–  Von besonderem Gewicht ist der fünfte und letzte Einwand: Nehmen wir einmal an, daß ein Investor sein international diversifiziertes Portfolio, das sich aus einer Vielzahl von über die ganze Welt verstreuten Wertpapieren zusammensetzt – Kreuzer spricht von einem „inhomogenen“ oder „gemischten“ Depot664 – an einen Kreditgeber verpfänden möchte. Bei Anwendung der lex rei sitae müßten die Parteien zunächst den Belegenheitsort der einzelnen Wertpapiere ermitteln – was aus den bereits erwähnten Gründen Schwierigkeiten bereiten kann – und dann die sachrechtlichen Voraussetzungen aller betroffenen Rechtsordnungen erfüllen. Die in Deutschland verwahrten Wertpapiere müßten nach deutschem Recht, die in Italien deponierten Wertpapiere nach italienischem Recht verpfändet werden usw. Ein wirtschaftlich einheitliches Geschäft müßte rechtlich aufgespalten werden, unabhängig davon, ob die jeweilige lex rei sitae durch den Lageort irgendwelcher Urkunden oder vom Sitz eines Registers oder des Emittenten bestimmt wird665. Für die Parteien wäre dieses Ergebnis nicht bloß „unbefriedigend“666, sondern inakzeptabel, weil es ihnen unzumutbar hohe Kosten und Risiken aufbürdete. Das würde erst recht gelten, wenn es sich um ein dynamisches Depot handelt, dem gelegentlich oder ständig Wertpapiere hinzugefügt oder entnommen werden. In diesem Fall wäre es bei realistischer Betrachtung unmöglich, das Depot permanent auf dem laufenden zu halten667. Zu einer unerwünschten Aufspaltung des Sachstatuts könnte es, um ein weiteres Beispiel zu nennen, auch dann kommen, wenn Wertpapiere einer bestimmten Gattung übertragen werden sollen, die in Form mehrerer Globalurkunden in unterschiedlichen Ländern verwahrt werden. Dies war etwa bei den früheren DaimlerChrys­ ler-Aktien der Fall, die zum Teil in Frankfurt am Main und zum Teil in New York hinterlegt waren668. Die Ungeeignetheit der lex rei sitae wäre zu verschmerzen, wenn es gelungen wäre, für den Bereich der mediatisierten Wertpapierverwahrung eine passende und weltweit anerkannte Alternative zu finden. Das ist aber bislang nicht der Fall. Mit Blick auf das Haager Wertpapierübereinkommen einerseits, die Kollisionsregeln in den einschlägigen europäischen Richtlinien andererseits wird man im Gegenteil feststellen müssen, daß die in den späten 1990er Jahren einsetzenden Bemühungen zur Vereinheitlichung des Wertpapierkollisionsrechts an der (auch) auf diesem Gebiet herrschenden Rechtszersplitterung nur wenig zu ändern vermocht haben. Wie an späterer Stelle noch ausführlich dargelegt wird, liegt dem Haager Wertpapierübereinkommen ein „Account Agreement Approach“ zugrunde: Nach der Hauptanknüpfungsregel in Art.  4 Abs.  1 HWpÜ unterliegen die in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ aufgeführten Anknüpfungsgegenstände – dazu gehören auch die Voraussetzungen, unter denen über intermediärverwahrte Wertpapiere verfügt werden kann – der von den 664 

Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 216. Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 217. 666  Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 33, 42. 667  Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 217. 668  Näher dazu Ege, Kollisionsrecht, S.  58. 665 

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Parteien des Depotvertrages (nicht: den Parteien der fraglichen Transaktion) gewählten Rechtsordnung. Diese Rechtswahlmöglichkeit, die nicht zu Unrecht als „Revolution“ im Internationalen Sachenrecht bezeichnet wird669, hat ihr Vorbild im US-amerikanischen Recht670, und sie paßt auch ohne weiteres zu einem Verwahrungskonzept, in dem sich die Rechtsposition des Depotkunden auf Ansprüche gegen den eigenen Intermediär und in bezug auf den von diesem unterhaltenen Deckungsbestand beschränkt. Freilich wurde Art.  4 Abs.  1 HWpÜ erst in einem relativ späten Stadium der Verhandlungen zu einer subjektiven Anknüpfungsregel umgestaltet, nämlich nur wenige Monate vor Verabschiedung des Übereinkommens im Dezember 2002. Zu Beginn schien alles auf eine Übernahme des Place of the Relevant Intermediary Ap­proach hinauszulaufen, der etwa Mitte der 1990er Jahre in die Diskussion eingeführt worden war. Der Grundgedanke dieses Ansatzes – seine verschiedenen Spielarten brauchen hier nicht zu interessieren – besteht in der Anknüpfung an das Konto, auf dem das fragliche Voll- oder Sicherungsrecht verbucht wird. Es gelangt nicht mehr das Recht des Belegenheitsorts zur Anwendung, sondern das am Ort des kontoführenden Intermediärs geltende Recht. Der Umstand, daß sich der europäische Gesetzgeber in mehreren Richtlinien – zu nennen sind vor allem die Finalitätsrichtlinie (Art.  9 Abs.  2) und die Finanzsicherheitenrichtlinie (Art.  9 Abs.  1) – vorerst auf PRIMA als objektivem Anknüpfungsgrundsatz festgelegt hat und bislang kein einziger EU-Mitgliedstaat das Haager Wertpapierübereinkommen gezeichnet hat, ist einer der wesentlichen Gründe für die nach wie vor bestehende Rechtszersplitterung. Hinzu kommt, daß die kollisionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinien von den Mitgliedstaaten nicht durchgängig einheitlich umgesetzt wurden671 und es nationale Kollisionsregeln gibt, die so mißglückt sind, daß sie den Rechtsanwender über ihren Anwendungsbereich und ihre Bedeutung weitgehend im unklaren lassen. Das beste Beispiel dafür ist §  17a DepotG672 . Von Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Wertpapierkollisionsrechts kann nach alledem keine Rede sein. cc)  Inkompatibilität von Verwahrungskonzepten Neben dem Risiko, daß sich das anwendbare Recht nicht ex ante mit ausreichender Sicherheit bestimmen läßt, besteht im grenzüberschreitenden Verkehr auch das Risiko, daß Verwahrsysteme aufeinandertreffen, die nicht in den wesentlichen Punkten kompatibel sind. Worin sich eine solche Inkompatibilität äußern und zu welchen praktischen Problemen sie führen kann, sei an einer Reihe von Beispielen illustriert: −  Als das französische Effektenwesen in den 1980er Jahren vollständig dematerialisiert wurde, mußte eine Ausnahmeregelung für Titel geschaffen werden, die auch 669 

Ege, Kollisionsrecht, S.  149. UCC §  8-110(e). 671  Siehe den Bewertungsbericht der Kommission über die Richtlinie über Finanzsicherheiten (2002/47/EG) vom 20. Dezember 2006, KOM(2006)833 endg., S.  12 f. 672  Näher dazu unten §  10 III. 670 

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zum Handel an Börsen außerhalb Frankreichs bestimmt sind. Mit Rücksicht darauf, daß jedenfalls damals nicht alle ausländischen Zentralverwahrer unverbriefte Werte akzeptierten und nach wie vor die Hinterlegung von Wertpapieren verlangten, wurde dem französischen Zentralverwahrer SICOVAM (heute: Euroclear France) die Möglichkeit eingeräumt, für die betreffenden Gesellschaften Ersatzzertifikate (certi­ ficates représentatifs) auszustellen, die nur im Ausland aufbewahrt werden dürfen673. Die Tatsache, daß Frankreich sich im Bereich der valeurs mobilières von der Verbriefung verabschiedet hat, während andere Länder noch daran festhalten, hat den „Export“ französischer Titel ins Ausland zwar nicht übermäßig behindert, aber doch eine mit gewissen Kosten und Risiken verbundene Behelfslösung notwendig gemacht. −  Im Anhang zum ersten Bericht der Legal Certainty Group vom Juli 2006 wird von Problemen berichtet, die sich bei der Einrichtung einer Kontoverbindung zwischen dem Zentralverwahrer Estlands (Eesti Väärtpaberikeskus – EVK) und dem Zentralverwahrer Litauens (Lietuvos centrinis vertybinių popierių depozitoriumas – LCVDP) gezeigt hatten. So hatte sich herausgestellt, daß estische Depotkunden, die über diese Kontoverbindung litauische – d. h. in Litauen emittierte und dort verwahrte – Aktien hielten, die damit verbundenen Bezugsrechte nur unter großen Schwierigkeiten ausüben konnten. Das hing erstens damit zusammen, daß der estische Zentralverwahrer jedenfalls nach damaligem litauischem Recht nicht berechtigt war, für die (wirtschaftlichen) Eigentümer der Aktien diese Rechte geltend zu machen. Zweitens machten viele litauische Aktiengesellschaften die Wirksamkeit der Zeichnungserklärung offenbar davon abhängig, daß der Aktionär oder sein Bevollmächtigter sich im Inland aufhält. Sollte ein Bevollmächtigter für den Aktionär die Zeichnungserklärung abgeben, setzte das aber wiederum – und drittens – die Vorlage einer notariellen und ins Litauische übersetzten Vollmacht des Aktionärs oder einer amtlichen Übersetzung des Depotvertrages voraus. Daß die estischen Depotkunden von der Ausübung ihrer Bezugsrechte in der Regel absahen, kann angesichts dieser Erschwernisse nicht überraschen674 . −  Thévenoz berichtet von einem ähnlich gelagerten Problem, das sich bei der Ausübung von Stimmrechten aus ausländischen Aktien ergeben hat, die über den US-amerikanischen Zentralverwahrer DTC gehalten werden. Wie bereits dargestellt, entspricht es der amerikanischen Praxis, daß sich die DTC, repräsentiert durch ihren Nominee „Cede & Co“, als rechtlicher Inhaber der in den USA üblichen registered securities in das Register des Emittenten eintragen läßt. Wer wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien ist, geht aus dem Register nicht hervor. Das Verfahren der Erteilung von Stimmrechtsvollmachten (proxies) kann daher nicht unmittelbar zwischen der Gesellschaft und den wirtschaftlichen Eigentümern, sondern muß unter Einbe673  Witz, in: Kreuzer (Hrsg.), Abschied vom Wertpapier?, S.  47, 50; Steuer, WM 1984, 1385, 1389. Siehe auch das Beispiel bei Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007-2008), 384, 400. 674  Legal Certainty Group, Practical examples of legal barriers, Annex to the advice of the Group, July 2006, S.  3 f.

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ziehung der Intermediäre abgewickelt werden675. Im internationalen Geschäft der DTC erwies sich nun als Hindernis, daß manche Rechtsordnungen bzw. Gesellschaftssatzungen die Eintragung von Nominees nicht anerkennen und die Ausübung des Stimmrechts von der vorherigen Mitteilung des wirklichen Aktionärs abhängig machen. Diese Abweichung von heimischen Gewohnheiten hat offenbar hochkomplexe vertragliche Vereinbarungen zwischen der DTC und ihren über die ganze Welt verstreuten subcustodians erforderlich gemacht676. Der Blick auf die Situation in den USA ist insofern besonders lehrreich, als er zeigt, daß Kompatibilitätsprobleme vor allem dort entstehen können, wo ein System mit direkter Rechtsträgerschaft auf ein System mit indirekter Rechtsträgerschaft stößt. In diesem Zusammenhang drängt es sich auf, noch einmal auf §  5 Abs.  4 DepotG zurückzukommen, von dem im ersten Teil bereits kurz die Rede war. Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Wertpapiersammelbank zwecks Aufnahme eines grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs eine gegenseitige Kontoverbindung mit einem ausländischen Zentralverwahrer eingehen darf. Eine dieser Voraussetzungen besteht darin, daß „dem Hinterleger hinsichtlich des Sammelbestands dieses Verwahrers eine Rechtsstellung eingeräumt wird, die derjenigen nach diesem Gesetz gleichwertig ist“ (§  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 DepotG). Obwohl sich der Gesetzeswortlaut also nicht auf ein bestimmtes Konzept festlegt, ist eine Gleichwertigkeit nach Ansicht des Gesetzgebers nur gegeben, wenn der Hinterleger ein Miteigentumsrecht erwirbt, das ihn Konkurs des ausländischen Zentralverwahrers zur Aussonderung berechtigt und ihn gegen etwaige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Sammelbestand schützt677. Mit dem US-amerikanischen Verständnis eines indirekten Verwahrsystems ist die Vorstellung, die Anleger hätten dingliche Rechte an bestimmten bei der DTC deponierten Urkunden, aber schlechterdings unvereinbar. Wie die zwischen der Clearstream Banking AG und der DTC bestehende Kontoverbindung vor diesem Hintergrund zu beurteilen ist und wie sich das hier aufscheinende Kompatibilitätsproblem lösen läßt, wird an späterer Stelle untersucht678. c)  Beispiel: Insolvenz der Lehman Brothers International (Europe) Wie bereits erwähnt, hat das Depotrecht seine härteste Belastungsprobe dann zu bestehen, wenn ein bedeutender Marktteilnehmer in die Insolvenz fällt. Sucht man nach anschaulichen Beispielen dafür, welche gravierenden Folgen Mängel des Depotrechts nach sich ziehen können, wird man sie denn auch am ehesten dort finden, wo sich Krisen größeren Ausmaßes ereignet haben. An dieser Stelle soll über den größten und für das gesamte Finanzsystem mit Abstand folgenreichsten Insolvenzfall aus der jüngeren Vergangenheit berichtet werden, von dem freilich bislang kaum be675 

Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn.  863. Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007-2008), 384, 400 f. 677  RegBegr. in BT-Drucks. 10/1904, S.  10 f. 678  Unten §  8 III. 676 

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

kannt ist, daß er auch eine depotrechtliche Komponente aufweist. Am 15. September 2008 beantragte die in hohem Maße von der Subprime-Krise getroffene Lehman Bro­ thers Holdings Inc., eine nach dem Recht Delawares gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz in New York, Insolvenzschutz nach Chapter 11 des US-amerikanischen Bank­ruptcy Code, nachdem sich alle Hoffnungen auf eine erfolgreiche Sanierung und staatliche Stützung zerschlagen hatten. Der Konkurs der amerikanischen Konzernmutter zog den Zusammenbruch einer ganzen Reihe weiterer Gesellschaften des Lehman-Verbundes nach sich, darunter die Lehman Brothers International (Europe) mit Sitz in London. Auch diese Gesellschaft meldete am 15. September 2008 Insolvenz an. Eines ihrer Hauptgeschäftsfelder war das sog. Prime Brokerage für institutionelle Investoren, vornehmlich Hedgefonds, ein anderes das sog. Private Investment Management (PIM), d. h. die Betreuung vermögender Privatkunden. Die Wertpapierbestände der Kunden in Höhe von 35 Milliarden US-$ wurden nicht von der Gesellschaft selbst verwahrt, sondern waren bei 42 Lagerstellen in der ganzen Welt hinterlegt679. In den Verträgen mit den Kunden – sog. International Prime Brokerage Agreements (IPBA) bzw. sog. Master Custody Agreements (MCA) – war vorgesehen, daß die Kundenbestände über separate (Sammel-)Konten gehalten werden mußten und nicht mit den Eigenbeständen der Gesellschaft vermischt werden durften (sog. Segregierung). Bei der Abwicklung der Lehman Brothers International (Europe) sahen sich die Insolvenzverwalter schon nach kürzester Zeit mit gravierenden Problemen konfrontiert680. Einige institutionelle Investoren drängten aus verständlichen Gründen massiv auf eine sofortige Herausgabe ihrer Vermögenswerte. Die Insolvenzverwalter lehnten eine vorzugsweise Befriedigung aber nicht nur unter Hinweis auf den Grundsatz des par conditio creditorum, sondern auch deshalb ab, weil es ihnen mangels einer ordnungsgemäßen Buchführung bei Lehman Brothers International (Europe) nicht möglich war, den Verbleib und die Zuordnung der Wertpapiere aus angeblich mehr als 28.000 Gattungen lückenlos nachzuvollziehen. So stellte sich unter anderem heraus, daß die elektronischen Bücher der Gesellschaft seit dem 11. September 2008 nicht mehr auf den neuesten Stand gebracht worden waren und manuell aktualisiert werden mußten. Diese ohnehin schon komplizierte und zeitraubende Aufgabe wurde noch dadurch erschwert, daß es schätzungsweise 140.000 failed trades gab, also Wertpapiertransaktionen, die nach der Methode des contractual settlement bereits auf den betreffenden Kundenkonten verbucht worden waren, infolge der Insolvenz der Gesellschaft aber nicht mehr zur endgültigen Abwicklung gelangt waren, so daß 679  Witness Statement of Steven Anthony Pearson – Redacted Version of the Statement before Mr. Justice Blackburne (High Court of Justice, Chancery Division, Companies Court) at a Hearing on 7 October 2008, 6 October 008, Rn.  25, 55. 680  Für ausführliche Informationen über den Verlauf und Stand des Insolvenzverfahrens siehe die ständig aktualisierte Internetseite http://www.pwc.co.uk/services/business-recovery/administrations/lehman.html. Alle nachfolgenden Gerichtsentscheidungen und Dokumente wurden von dieser Seite abgerufen.

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben

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die Buchungen auf den Kundenkonten rückgängig gemacht werden mußten. Die mit der Verwahrung der Wertpapiere betrauten Lagerstellen weigerten sich in einigen Fällen, den Insolvenzverwaltern Auskunft über die bei ihnen deponierten Bestände zu geben681. Erst nach und nach gelang es den Insolvenzverwaltern – die sich, um der verworrenen Lage Herr zu werden, auch direkt an über 1700 Depotkunden gewandt und sie zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufgefordert hatten –, Wertpapierbestände im Wert von 8,9 Milliarden US-$ unter ihre Kontrolle zu bringen und deren Zuordnung zu rekonstruieren. Dabei zeigte sich eine Unterdeckung i. H. von etwa 300 Millionen US-$682 . Damit stellte sich die Frage, nach welchem Modus das vorgefundene Trustvermögen an die beneficial owners ausgekehrt und der Fehlbestand umgelegt werden sollte. Da das englische Recht – das, wie bereits erwähnt, (noch) kein kodifiziertes Depotrecht kennt – keine Antwort darauf bereithält, versuchten die Insolvenzverwalter, mit gerichtlicher Hilfe zu einer praktikablen Lösung zu gelangen. Sie erarbeiteten ein scheme of arrangement683, das detaillierte Bestimmungen über die Art und Weise der Verteilung des trust property an die „Scheme Creditors“ enthielt und Bindungswirkung auch gegenüber den damit nicht einverstandenen Gläubigern entfalten sollte, und stellten am 14. Juli 2009 gemäß Sec. 899 Companies Act 2006 beim High Court of Justice (Chancery Division) einen Antrag auf dessen Genehmigung. In seinem Urteil vom 21. August 2009 nahm Justice Blackburne den Standpunkt ein, eine auf die Verteilung von Trustvermögen gerichtete Vereinbarung sei kein scheme of arran­ gement im Sinne von Sec. 895 des Companies Act und folglich nicht genehmigungsfähig684 . Über die mißlichen Folgen seiner Entscheidung war sich der Richter durchaus im klaren, doch sah er auch mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung keinen Raum für eine extensive Handhabung der gesetzlichen Vorschriften685. Der Court of 681  Witness Statement of Steven Anthony Pearson – Redacted Version of the Statement before Mr. Justice Blackburne (High Court of Justice, Chancery Division, Companies Court) at a Hearing on 7 October 2008, Rn.  87–89. 682  PwC United Kingdom, Lehman Brothers International (Europe) (in administration), Client Assets Update – Strategy for Return of Client Assets – 05/10/09 (unter B). 683  Ausführlich zu diesem Instrument Davies/Worthington, Gower’s Principles of Modern Company Law, Chapter 29; monographisch Chudzick, Schemes of Arrangements mit Gläubigern nach englischen Kapitalgesellschaftsrecht, 2005. 684  Re Lehman Brothers International (Europe) (in administration) [2009] EWCH 2141 (CH). Siehe insbesondere Rn.  69: „In my judgment, the position is wholly different in the case of property which is not, and has never formed, part of the company’s assets and which the company holds as custodian or trustee (either directly or through others) for the clients as beneficial owners. In such a case, which is the position of clients who have entrusted property to LBIE, the obligation of LBIE is to administer the trust according to its terms, and to return the property to the client as beneficiary if that is what the client requests. Part 26 is simply not in point as a means of giving effect to the property rights of the client in question …“. 685  „Given the exceptional problems that the administrators face in dealing with client assets and the very great effort that they have devoted to devising a means, by way of a scheme under Part 26, to bring about a speedy return of those assets, this is not a conclusion which I am happy to reach. But I must set out the law as I see it, not as I might wish it to be“.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

Appeal (Civil Division), der über die Berufung der Insolvenzverwalter zu entscheiden hatte, schloß sich in seinem Urteil vom 6. November 2009 dieser Rechtsauffassung an und unterstrich, daß beneficiaries, die gegen ihren Trustee ihre Eigentumsrechte geltend machen, keine „Gläubiger“ im Sinne von Teil 26 des Companies Act 2006 seien686. Daraufhin versuchten die Insolvenzverwalter mit dem Vorschlag eines claim resolution agreement zwischen Lehman Brothers International (Europe) auf der einen und den Depotkunden auf der anderen Seite zu einer Lösung zu kommen. Dieser Vorschlag, der eine pro rata-Aufteilung des Unterbestandes auf die betroffenen Kunden vorsah687, wurde notgedrungen von über 90% der Kunden angenommen688. Der unzumutbar lange Zeitraum, den die Auskehrung der Depotwerte an die be­ neficial owners in Anspruch nahm689, ist sicherlich auch auf die enormen praktischen Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Depotwerte zurückzuführen. Der Fall Leh­ man Brothers International (Europe) ist aber auch ein klarer Beleg für die Mangelhaftigkeit des englischen Rechts, das keine auf die Besonderheiten der mediatisierten Wertpapierverwahrung zugeschnittene Verlustverteilungsregel kennt, den Gerichten keinen ausreichenden Spielraum für die Entwicklung bzw. Genehmigung einer solchen Regel bietet und daher das Ausweichen auf ein claim resolution agreement erforderlich machte690. Es ist daher kein Wunder, daß in England der Ruf nach dem Gesetzgeber immer lauter wird691.

6.  Systemisches Risiko Zum Abschluß unserer Risikoanalyse ist noch kurz auf das systemische Risiko einzugehen. Was darunter zu verstehen ist, ist bereits an verschiedenen Stellen dieser Untersuchung angeklungen: Gemeint ist das Risiko, daß durch ein plötzliches, unerwartetes Ereignis die Funktionsfähigkeit des Effektengirosystems gestört und womöglich sogar die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährdet wird692 . Als Ursache kommt vor allem der Ausfall eines bedeutenden Marktteilnehmers in Betracht, 686 

Re Lehman Brothers International (Europe) (in administration) [2009] EWCA Civ 1161. in relation to a proposed Claim Resolution Agreement between Lehman Brothers International (Europe) and Eligible Oferees, 24. November 2009, S. I-24. 688  PwC United Kingdom, Lehman Brothers International (Europe) – In Administration, Joint Administrators’ seventh progress report for the period from 15 September 2011 to 14 March 2012 (12 April 2012), S.  45. 689  Ende November 2009 waren vom Gesamtvolumen in Höhe von 35 Milliarden US-$ erst Depotwerte in Höhe von 13,3 Milliarden US-$ zurückgegeben worden, siehe Circular in relation to a proposed Claim Resolution Agreement between Lehman Brothers International (Europe) and Eligible Oferees, 24. November 2009, S. I-8. 690  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  19 Rn.  19. 691  Moss, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  61, 68 in kritischer Abgrenzung zu McFarlane/Stevens, Interests in Securities, a. a. O., S.  33 ff. 692  Eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Definitionsansätzen ist hier nicht angebracht; siehe dazu Schwarcz, 97 Geo. L. J. (2008), 193 ff. Zu Systemrisiken als Gegenstand des Aufsichtsrechts siehe umfassend Kaufhold, Systemaufsicht, S.  19 ff. 687  Circular

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben

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kann er doch dazu führen, daß auch andere Teilnehmer in Zahlungs- bzw. Lieferschwierigkeiten geraten693. Im schlimmsten Fall kann ein solcher Ausfall nach Art eines Dominoeffekts eine ganze Kette von Insolvenzen nach sich ziehen. Zum systemischen Risiko wird man auch das Risiko zu rechnen haben, daß das Effektengirosystem selbst zusammenbricht und dadurch Turbulenzen auf den Finanzmärkten entstehen694 . Ein Effektengirosystem kann somit sowohl Kanal als auch Ursache für die Ausbreitung einer systemischen Krise sein695. Daß gerade von Effektengirosystemen eine hohe Ansteckungsgefahr für die Finanzmärkte ausgeht, bedarf angesichts der gewaltigen Vermögenswerte, die über diese Systeme gehalten, übertragen und als Sicherheiten verwendet werden, keiner weiteren Erklärung696. Und mit der fortgeschrittenen Integration der Finanzmärkte, mit der eine stärkere Vernetzung dieser Systeme einhergegangen ist, hat sich die Wahrscheinlichkeit, daß lokale Störungen auf andere Märkte übergreifen, noch erhöht697. Das systemische Risiko weist aber noch eine weitere Ausprägung auf, denn es kann seinen Auslöser auch außerhalb des unmittelbaren Marktgeschehens haben, zum Beispiel in einem Vertrauensschwund auf seiten der Investoren, der die Liquidität der Märkte ernsthaft gefährdet698.

III.  Anforderungen an das Depotrecht Georg Opitz sah die „vornehmliche Aufgabe“ der depotrechtlichen Regelungen darin, „den Weg zu sichern, der zur Verschaffung des erstrebten Wertpapiereigentums führt, und die Erhaltung des Eigentums an bankmäßig zur Verwahrung anvertrauten Wertpapieren zu gewährleisten“699. Das ist, wie die vorstehende Analyse der Risiken im Bereich der Wertpapierverwahrung und -abwicklung zeigt, eine zwar zutreffende, aber unvollständige Umschreibung. Im folgenden sind die Anforderungen an das Depotrecht daher genauer darzustellen.

693  In diesem Sinne die Definition bei CESR/ECB, Standards for Clearing and Settlement in the EU, Glossary, S.  92: „The risk that the inability of one institution to meet ist obligations when due will cause other institutions to be unable to meet their obligations when due. Such a failure may cause significant liquidity or credit problems and, as a result, could threaten the stability of or confidence in markets.“ Siehe auch (mit Blick auf Zahlungssysteme) Langenbucher, in: Langenbucher/ Gößmann/Werner (Hrsg.), Zahlungsverkehr, §  7 Rn.  9. 694  Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  93. 695  Siehe (mit Blick auf Zahlungssysteme) die Botschaft über die Revision des schweizerischen Nationalbankgesetzes vom 26. Juni 2002, BBl. 2002, S.  6164. 696  Mooney, 12 Cardozo L. Rev. (1990), 305, 315. 697  Yates/Montagu, Global Custody, Anm.  8.29; Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  93. 698  Schönholzer, Zentrale Gegenparteien, S.  93 f. 699  Opitz, DepotG, S. III (Vorwort zur 1. Auflage).

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

1.  Interne Verläßlichkeit a) Kriterien Die erste Anforderung ist interne Verläßlichkeit (internal soundness)700. Die Regelungen für die mediatisierte Wertpapierverwahrung müssen klar, transparent und widerspruchsfrei sein701 und auf die beiden Oberziele des Depotrechts ausgerichtet sein: Sie müssen zum einen den Schutz der Eigentumsrechte der Anleger gewährlei­ sten und zum anderen zur effizienten Abwicklung von Effektengeschäften sowie zur Stabilität des Finanzsystems beitragen. Das bedeutet insbesondere702: Ein Anleger muß sich darauf verlassen können, daß die Depotgutschrift ihm eine insolvenzsichere und nur aus zwingenden Gründen widerrufliche Rechtsstellung vermittelt, daß er in vollem Umfang die Rechte aus den Wertpapieren ausüben kann und daß er über seine Depotwerte in Form der Vollrechtsübertragung oder Verpfändung verfügen kann. Ein Intermediär muß sich darauf verlassen können, daß er in bezug auf bestimmte Depotwerte nur Weisungen des Kontoinhabers oder einer anderen zweifelsfrei berechtigten Person (z. B. eines Sicherungsnehmers) zu befolgen braucht. Zudem muß er die Gewißheit haben, daß die Gutschriften auf seinen eigenen Konten auf höherer Ebene ihm wirksame Ansprüche gegenüber dem übergeordneten Intermediär und ggf. auch den Emittenten vermitteln, so daß er diese an seine eigenen Kunden weiterreichen kann. Ein Sicherungsnehmer muß sich auf die Wirksamkeit seines ordnungsgemäß bestellten Sicherungsrechts gegenüber dem Sicherungsgeber und Dritten sowie darauf verlassen können, das Sicherungsrecht bei Eintritt des Sicherungsfalls nach genau festgelegten Regeln rasch und unbürokratisch verwerten zu können. Im Fall der Konkurrenz mehrerer Sicherungsrechte muß Klarheit über deren Rangfolge bestehen. Ein Emittent muß sich darauf verlassen können, stets nur so vielen Ansprüchen und Rechten ausgesetzt zu sein, wie der Zahl der von ihm ausgegebenen Mitgliedschafts- oder Gläubigerrechte entspricht. Unterbestände müssen zur Sicherung der Integrität und Stabilität des Effektengirosystems grundsätzlich vermieden werden, die Finalität von Übertragungsaufträgen in Wertpapierabwicklungssystemen muß gewährleistet und das upper tier-attachment ausgeschlossen sein. Schließlich setzt die interne Verläßlichkeit noch die Existenz von Regelungen voraus, die es den Parteien ermöglichen, das auf eine Verfügung über Depotwerte anwendbare Recht ex ante zweifelsfrei zu bestimmen.

700 UNIDROIT Study Group on Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper August 2003, UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8, S.  13. 701  In gleichem Sinne mit Blick auf Finanzmarktinfrastrukturen CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Principle 1: „An FMI should have a well-founded, clear, transparent, and enforceable legal basis for each material aspect of its activities in all relevant jurisdictions.“ 702  Siehe zum folgenden die Auflistungen bei UNIDROIT Study Group on Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper August 2003, UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8, S.  15 f.; Paech, Cross-border issues of securities law, S.  21.

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben

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b)  Insbesondere: Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs Bedürfen all diese Anforderungen an dieser Stelle keiner weiteren Begründung mehr, so gilt anderes für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs. Im deutschen Schrifttum ist unbestritten, daß im Effektengiroverkehr für einen Gutglaubensschutz ein unabweisbares Bedürfnis besteht. Ein Ausschluß des gutgläubigen Erwerbs würde die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs in Frage stellen und damit dessen Tod bedeuten703. In der Schweiz dagegen ist auch die Meinung zu hören, der Effektengiroverkehr könne auch ohne die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs auskommen704 . Denn hier habe – rechtssoziologisch betrachtet – ein funktionales Umdenken stattgefunden: Für den Kunden sei nicht mehr der einzelne Verkehrsvorgang, sondern die Funktionsfähigkeit des gesamten Bankwesens entscheidend. Da die Banken einer strengen Aufsicht und Kontrolle unterstellt seien, sei mit größter Wahrscheinlichkeit gewährleistet, daß die im Depotauszug des Kunden aufgeführten Wertpapiere zugunsten der Bank beim Zentralverwahrer auch physisch oder buchmäßig vorhanden sind. Der wegen der Immobilisierung ohnehin verloren gegangenen Übertragungs- und Verkehrsschutzfunktion des Wertpapiers brauche man somit nicht weiter nachzutrauern. Dem entspricht das Argument, die für börsengehandelten Werte gesuchten Konstruktionen zur Ermöglichung des gutgläubigen Erwerbs seien überflüssig, da bei diesen Werten ausschließlich das Verhältnis des Kunden zu seiner Bank und nicht das Verhältnis des Erwerbers zum ursprünglichen Veräußerer von Bedeutung sei705. Daran ist richtig, daß man die praktische Bedeutung des Gutglaubensschutzes nicht überbewerten sollte706. Bei Effektengeschäften über die Börse ist die Wahrscheinlichkeit, daß einmal ein Fall auftritt, in dem es auf diesen Schutz entscheidend ankommt, schon wegen der Anonymität des Börsenhandels gering. In der Regel erlangt weder der Veräußerer noch der Erwerber Kenntnis davon, wer wirtschaftlich hinter dem Geschäft steht. Bei Geschäften unter Einbeziehung eines zentralen Kontrahenten bleibt sogar die Identität der Depotbanken im Verborgenen. Die Undurchschaubarkeit der Buchungsvorgänge tut ihr übriges. Sofern nicht die im System zirkulierenden Berechtigungen mit einer individuellen Kennziffer versehen sind, ist ein tracing, d. h. die Rückverfolgung einer bestimmten Gutschrift zu einer bestimmten Belastungsbuchung, ausgeschlossen707. Selbst in Systemen mit derivativem Rechtserwerb kann aus praktischen Gründen nicht festgestellt werden, von welchem Veräußerer die einem Konto gutgeschriebenen Wertpapiere eigentlich stammen. Das zeigt 703  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2026; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, S.  16; in gleichem Sinne Scherer/Behrends, DepotG, §  24 Rn.  29; Decker/Kümpel, Depotgeschäft, Rn.  8/73; Enchel­maier, Übertragung, S.  513; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  347 ff. 704  Siehe dazu und zum folgenden Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 134. 705  Kleiner, SZW 1995, 290, 293. 706 Ebenso Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR Rn.  98; Micheler, Wertpapierrecht, S.  168; Wust, Verbuchung, S.  161. 707  Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 104.

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Erster Teil:  Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung

sich besonders deutlich bei Geschäften, die auf Netto-Basis abgewickelt werden, bei denen also die wechselseitigen Lieferansprüche der Handelsteilnehmer miteinander verrechnet werden, so daß auf der Ebene des Zentralverwahrers nur ein Spitzenausgleich vorgenommen werden muß708. Auf die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten kann gleichwohl nicht verzichtet werden. Gäbe es keinen gutgläubigen Erwerb, wäre der Anleger gerade wegen der Anonymität und Schnelligkeit des Börsenhandels einem unkalkulierbaren Risiko hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräußerers ausgesetzt, welches das Vertrauen in den Effektengiroverkehr untergraben und damit dessen Funktionsfähigkeit in Frage stellen könnte. Angesichts seiner sensiblen Reaktionen auf nicht klar identifizierte Risikoquellen ist der Kapitalmarkt auf Rechtssicherheit angewiesen, mag ein Schaden auch nur in Ausnahmesituationen zu erwarten sein709. Besonders deutlich zeigt sich die Notwendigkeit eines Gutglaubensschutzes im außerbörslichen Verkehr und bei der Bestellung von Sicherheiten. Zwar mögen Fälle, in denen jemand als Nichtberechtigter verfügt, auch hier eine seltene Ausnahme bilden, nicht zuletzt aufgrund der hohen Sicherheitsstandards, durch die das Risiko unautorisierter Verfügungen niedrig gehalten wird. Trotz allem läßt sich nicht völlig ausschließen, daß beispielsweise ein Mitarbeiter der Depotbank in mißbräuchlicher Weise über Kundenbestände verfügt, ein Depotinhaber Aktien verpfändet, die ihm in Wahrheit nicht gehören, oder es aufgrund eines technischen Defekts zu einer ungewollten Mehrfachverfügung über Depotwerte kommt710. Im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Effektengiroverkehrs ginge es nicht an, das Risiko, daß ein Nichtberechtigter über Depotwerte verfügt, dem Erwerber aufzuerlegen. Das gilt umso mehr, als der berechtigte Depotinhaber die Zuverlässigkeit dessen, den er mit der Verwahrung und Verwaltung seiner Wertpapiere betraut, weitaus besser einschätzen kann als ein potentieller Erwerber. Auch aus diesem Grund wird eine Regel zum Schutz des gutgläubigen Erwerbers auch international überwiegend für unverzichtbar gehalten, mag deren praktische Bedeutung auch gering sein711. Auf einem anderen Blatt steht, ob die traditionellen sachenrechtlichen Regeln über den gutgläubigen Erwerb (noch) ein passendes Modell für den Gutglaubensschutz in mediatisierten Verwahrsystemen abgeben. Zweifel daran bestehen deshalb, weil in diesen Systemen Wertpapiere nicht körperlich übergeben, sondern mittels Buchein708  Siehe UCC §  8-502, Official Comment, Anm.  2: „Because securities trades are typically settled on a net basis by book-entry movements, it would ordinarily be impossible for anyone to trace the path of any particular security, no matter how the interest of parties who hold through intermediaries is described.“ 709 Treffend Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  349. 710  Zum letztgenannten Beispiel Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  349 unter Hinweis auf den Fall OLG Köln, BeckRS 2007, 78. 711  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-2; Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008, Rec. 7 (S.  58 ff.); Brunner, Wertrechte, S.  239; Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 105; Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007-2008), 384, 447.

§  5  Risiken und Regelungsaufgaben

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trags übertragen werden. Mit der hergebrachten Vorstellung, vertrauensbegründender Tatbestand sei der auf dem Besitz der Urkunde beruhende Rechtsschein, ist daher nicht weiterzukommen712 .

2.  Internationale Kompatibilität Die zweite Anforderung ist internationale Kompatibilität (international compatibili­ ty). Die nationalen Regeln für die mediatisierte Wertpapierverwahrung müssen so beschaffen sein, daß sie auch beim Zusammenspiel mit „fremden“ Rechtsordnungen und Verwahrungskonzepten zu rechtssicheren und effizienten Ergebnissen führen713. Da heutzutage ein Großteil der Kapitalmarktwerte über grenzüberschreitende Verwahrketten gehalten wird, kommt dieser Anforderung eine nicht minder große Bedeutung zu als jener der internen Verläßlichkeit. So braucht ein Investor, der bei der DTC in New York verwahrte Aktien US-amerikanischer Gesellschaften erwirbt, nicht anders als beim Erwerb deutscher Aktien Klarheit darüber, welche Rechtsstellung ihm die Gutschrift auf seinem Depotkonto vermittelt. Und auch in diesem Fall muß er sich darauf verlassen können, in der Insolvenz seines Intermediärs gesichert zu sein und die mit den Aktien verbundenen Rechte ausüben zu können. Wie bereits angedeutet wurde und sich bei der Analyse von §  5 Abs.  4 DepotG noch bestätigen wird, treten Kompatibilitätsprobleme vor allem in den Fällen auf, in denen ein Verwahrungskonzept mit direkter Rechtsträgerschaft auf ein Verwahrungskonzept mit indirekter Rechtsträgerschaft trifft.

712 

Zu den daraus resultierenden Problemen siehe unten §  6 V 5.

713 UNIDROIT Study Group on Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Secu-

rities, Position Paper August 2003, UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8, S.  13.

Zweiter Teil

Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht Nach der Aufbereitung der Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung soll im folgenden untersucht werden, ob und inwieweit das deutsche Depotrecht den vorstehend beschriebenen Anforderungen genügt. Wie bereits erwähnt, zählt Deutschland zu den Ländern, in denen unterschiedliche Regelungsmodelle zur Anwendung kommen je nachdem, um welche Art von Effekten es sich handelt und ob diese im In- oder Ausland deponiert sind. Im folgenden werden diese Modelle nacheinander auf ihre Sicherheit abgeklopft: Zu beginnen ist mit einer eingehenden Prüfung der für die Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland konzipierten Miteigentumskonstruktion (unter §  6). Danach soll ein Blick auf die Rechtslage bei den unverbrieften Sammelschuldbuchforderungen geworfen werden. Sie sind zwar kraft gesetzlicher Anordnung Wertpapiersammelbeständen gleichgestellt, werfen aber dogmatische Probleme eigener Art auf (unter §  7). Im Anschluß daran wird es darum gehen, Klarheit über die in §  5 Abs.  4 DepotG geregelten grenzüberschreitenden Girosammelbestände (unter §  8) sowie das ebenfalls für den internationalen Verkehr geschaffene Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung zu gewinnen (unter §  9). In diesem Zusammenhang darf auch ein Blick auf die Kollisionsnorm des §  17a DepotG nicht fehlen (unter §  10). Den Abschluß dieses Teil bildet eine zusammenfassende Bewertung (unter §  11).

§  6  Girosammelverwahrung im Inland I.  Einführung und Überblick Wenn es im folgenden um die Girosammelverwahrung im Inland geht, so ist damit die Verwahrung von Wertpapieren bei der zur Gruppe Deutsche Börse gehörenden Clearstream Banking AG als der seit 1990 einzigen deutschen Wertpapiersammelbank i. S. von §  1 Abs.  3 DepotG gemeint. Der auf Grundlage dieser Papiere durchgeführte Effektengiroverkehr ist insofern national, als die betreffenden Sammelbestände in Deutschland lagern und auch die Konten der Giroteilnehmer im Inland „belegen“ sind. Hinzu kommt, daß der weitaus größte Teil der in diesen Papieren abgewickelten Transaktionen auf Geschäfte entfällt, die auf inländischen Märkten (z. B. an der Frankfurter Wertpapierbörse oder einer der Regionalbörsen) abgeschlossen werden. Doch ist demgegenüber zu bedenken, daß der Kreis der Giroteilnehmer sich seit einiger Zeit auch aus Finanzinstituten mit Sitz im Ausland zusammensetzt und daß in die inländische Girosammelverwahrung auch ausländische Titel einbezogen werden können, sofern sie sammeldepotfähig und -geeignet sind1. Von praktischer Relevanz ist diese Möglichkeit vor allem bei Wertpapieren mit (angestrebter) inländischer Börsennotierung. In Anbetracht dessen erscheint es überholt, jedenfalls aber irreführend, wenn Brink das Charakteristikum des „nationalen Effektengiros“ darin erkennt, daß „inländische Effekten (…) zwischen Inländern im Bereich der Bundesrepublik Deutschland (…) übertragen werden“, und davon das „internationale Effektengiro“ abgrenzt, das „den grenzüberschreitenden Lieferungsverkehr in nationalen oder ausländischen Effekten ebenso wie den nationalen Lieferungsverkehr in ausländischen Werten“ umfasse2 . Gleiches gilt für Dittrich, die meint, der nationale Effektengiroverkehr diene „der Erfüllung der auf inländischen Kapitalmärkten (…) von inländischen Kreditinstituten über inländische und inlandsverwahrte Effekten geschlossenen Handelsgeschäfte“3. Anders, als Dittrich damit suggeriert, ist die Möglichkeit der Eigentumsübertragung nach §§   929 ff. BGB nicht auf Wertpapiere inländischer Emittenten und auch nicht auf Handelsgeschäfte zwischen inländischen Kreditinstituten beschränkt. Der sachenrechtlichen Konzeption der Girosammelverwahrung entspricht es vielmehr, daß grundsätzlich alle in das CASCADE-System einbezoge1 

Siehe zu diesen Voraussetzungen bereits unter §  2 IV 1. Brink, Rechtsbeziehungen, S.  18. 3  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  13. 2 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

nen in- und ausländischen Wertpapiere nach diesen Regeln übereignet werden können, und zwar auch dann, wenn sich zwei ausländische Giroteilnehmer als Geschäftspartei gegenüberstehen4 . Daß die betreffende Transaktion unter derartigen Umständen einen Auslandsbezug aufweist und damit die Frage nach dem anwendbaren Recht im Raum steht, steht auf einem anderen Blatt. Das für die Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland konzipierte Miteigentumsmodell steht im Zentrum der wissenschaftlichen Kritik am deutschen Depotrecht. Bevor im einzelnen der Frage nachgegangen wird, ob und in welchen Punkten diese Kritik berechtigt ist, soll ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Girosammelverwahrung in Deutschland und ihrer rechtlichen Grundlagen gegeben werden. Der nachfolgende historische Abriß wird einen ersten Eindruck vom gegenwärtigen Stand des Depotrechts und seinen wesentlichen Problemfeldern vermitteln, und er wird auch zeigen, daß der Gesetzgeber die Entwicklung des Depotrechts zu fast keiner Zeit aktiv vorangetrieben hat, vielmehr meistens der Praxis hinterhergehinkt ist (unter II). Anschließend werden die Eigentums- und Besitzverhältnisse bei der Girosammelverwahrung geklärt (unter III und IV). Damit ist die Grundlage geschaffen für die Erörterung der schwierigen Frage, ob sich die Vorgänge im Effektengiroverkehr wirklich mit den §§  929 ff. BGB erfassen lassen, wie dies die hergebrachte Ansicht annimmt. Dabei ist, was Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse betrifft, zu unterscheiden zwischen der Übertragung von Girosammelanteilen im alten und im neuen System, d. h. ohne bzw. mit Einbeziehung der Eurex Clearing AG als zentralem Kontrahenten (unter V und VI). Die Tragfähigkeit der Miteigentumskonstruktion hängt weiter davon ab, ob sie eine einfache und rechtssichere Verpfändung von Depotguthaben erlaubt (unter VII) und wie es um die Möglichkeit eines Gläubigers bestellt ist, im Wege der Einzelzwangsvollstreckung auf Depotwerte eines Schuldners zuzugreifen (unter VIII). Abschließend ist ein kurzer Blick auf verschiedene Vorkehrungen zum Schutz des Anlegers zu werfen, namentlich den Schutz vor unberechtigten Verfügungen des Verwahrers und den Schutz in der Insolvenz der Wertpapiersammelbank oder der eigenen Verwahrungsstelle (unter IX).

II.  Entwicklung der Girosammelverwahrung 1.  Von der Sonder- zur Girosammelverwahrung a)  Giro-Effektendepot der Bank des Berliner Kassen-Vereins Die Anfänge der Girosammelverwahrung in Deutschland5 reichen bis in das vorletzte Jahrhundert zurück und sind untrennbar mit der Bank des Berliner Kassen-Ver4 Zutreffend

Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  22 f. und 27 f. Sammeldepot des 1872 gegründeten Wiener Giro- und Kassen-Vereins siehe Heinsius/ Horn/Than, DepotG, §  5 Rn.  1. 5  Zum

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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eins verknüpft6. Gegründet im Jahre 1823 durch zehn Berliner Bankhäuser nach dem Vorbild des Londoner Clearing-Hauses und seit 1850 als Aktiengesellschaft organisiert, hatte dieses Institut die Aufgabe, den ihm als Giroteilnehmer angehörenden Berliner Banken – auswärtige Banken waren von der Mitgliedschaft ausgeschlossen – die Abwicklung ihrer Geschäfte untereinander zu erleichtern7. Zunächst benutzten die Banken die Einrichtungen des Kassen-Vereins nur zur Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Da mit dem Aufschwung der Wirtschaft auch die Börsenumsätze gestiegen waren und die effektive Lieferung der Wertpapiere zunehmend Schwierigkeiten bereitete, wurde am 5. Januar 1882 das Giro-Effektendepot der Bank des Berliner Kassen-Vereins errichtet8. Es diente dem Zweck, das massenhafte Effektenlieferungsgeschäft zu rationalisieren und alle Erschwernisse zu vermeiden, „welche naturgemäß mit der Handhabung größerer Effektenposten verbunden sind“9. An die Stelle des kostspieligen und mit Verlustgefahren verbundenen Hin- und Herbewegens der Wertpapierurkunden trat die stückelose Lieferung in Form von Zu- und Abschreibungen auf den Depotkonten der Giroteilnehmer. Grundlage des Giro-Effektendepots war das Konzept der Sammelverwahrung: Die von den Banken eingelieferten Wertpapiere wurden vom Kassenverein nicht gesondert aufbewahrt, sondern unter Fortbestand des Eigentums des Einlieferers dem Gesamtbestand an Wertpapieren der jeweiligen Gattung hinzugefügt. Der Einlieferer begab sich von vornherein des Rechts, bestimmte Stücke zurückzuverlangen, und konnte über sein Wertpapierguthaben nur mittels Effektenschecks verfügen10. Auf eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung konnte sich die Errichtung des Sammeldepots damals freilich nicht stützen. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kassen-Verein und den Giroteilnehmern, die Verwahrung der Effekten und die Abwicklung des Effektengiroverkehrs waren vielmehr in einer Geschäftsordnung geregelt11. Obwohl die Giroteilnehmer nur ihre Eigenbestände und nicht auch die Wertpapiere von sonstigen Banken und Privatkunden in die Sammelverwahrung geben 6  Ausführlich zur Geschichte der Bank des Berliner Kassen-Vereins Achterberg, in: Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kassenvereine (Hrsg.), Die deutschen Wertpapiersammelbanken, 1974, S.  9–34. 7  Opitz/Schultz, Effektengiroverkehr und Sammeldepots, in: Opitz, Sammelband III, S.  45, 46. 8  Dem war im Jahre 1869 die Gründung des „Liquidationsvereins für Zeitgeschäfte an der Berliner Fondsbörse“ vorausgegangen, der Zeitgeschäfte im Wege der Skontrierung abwickelte. Wegen technischer Mängel dieses Systems und der einsetzenden Wirtschaftskrise wurde diese Einrichtung 1874 aufgegeben. Näher dazu Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  5 Rn.  2 m. w. N.; Brink, Rechtsbeziehungen, S.  23 f. 9  Petition der Bank des Berliner Kassenvereins an den Hohen Reichstag vom 15. Januar 1896, zitiert nach Buxbaum, Anlegerschutz, S.  282 f. 10  Zu den verschiedenen Formen der Verfügung (Anweisung zur Aushändigung von Wertpapieren in natura, Übertragung oder Verpfändung an einen anderen Effektengirokontoinhaber) und den hierzu verwendeten weißen, roten und grünen Effektenschecks siehe Opitz/Schultz, Effekten­ giroverkehr und Sammeldepots, in: Opitz, Sammelband III, S.  45, 48. 11 Näher zu deren Inhalt Opitz/Schultz, Effektengiroverkehr und Sammeldepots, in: Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  45, 47 f.; Metze, ZHR 90 (1927), 376, 401 f.

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konnten, erwies sich das Sammeldepot wirtschaftlich rasch als Erfolg12 . Das Reichsgericht gab der Entwicklung der Sammelverwahrung bereits 1888 einen kräftigen Schub mit der Bestätigung, daß das Eigentum der Einlieferer von Wertpapieren mit der Maßgabe fortbesteht, daß zwischen mehreren Einlieferern von Wertpapieren derselben Gattung ein Gemeinschaftsverhältnis zustandekommt13. Diese Einordnung setzte sich alsbald auch im Schrifttum durch, wenngleich bis zum Inkrafttreten des Depotgesetzes 1937 umstritten bleiben sollte, zu welchem Zeitpunkt das Miteigentum zur Entstehung gelangt14 . b)  Erweiterter Effektengiroverkehr Der endgültige Durchbruch gelang dem Rechtsinstitut der Girosammelverwahrung in den 1920er Jahren15. Die durch die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg verursachte Flut von Wertpapieren kleinster Stückelung, die auch durch die nachfolgenden Wertanpassungen nicht gebändigt wurde, zwang die Banken zu einer weiteren Vereinfachung des Verwahr- und Liefergeschäfts. Die Kosten der Aufbewahrung und Verwaltung, besonders aber die bei Ein- und Auslieferung der Effekten, hatten trotz einiger Rationalisierungsmaßnahmen wie der Einführung von Buchungs- und Rechenmaschinen16 eine Größenordnung erreicht, die in keinem Verhältnis mehr zum Wert der Papiere stand17. Daher griffen die Berliner Banken im Jahre 1925 die Anregung18 auf, den bislang ihren Eigenbeständen vorbehaltenen Effektengiroverkehr auf Kundenpapiere zu erweitern und die Einrichtung eines Ferngiroverkehrs zwischen den großen Börsenplätzen in Deutschland in die Wege zu leiten. Ungeachtet des organisatorischen Aufwands, den die Umsetzung dieses Vorhabens mit sich brachte, waren dabei zunächst die rechtlichen Bedenken gegen die Einbeziehung der Kundenbestände in das Sammeldepot auszuräumen und das Mißtrauen vieler Lokalbanken und Depotkunden gegen diese Form der Wertpapierverwahrung zu überwinden.

12  Zahlenangaben zur Bedeutung des Effekten-Giro-Depots für den Berliner Finanzplatz bei Bux­baum, Anlegerschutz, S.  283 f. 13  Siehe RGZ 21, 33, 38: „Die Bestimmungen (scl.: der Geschäftsordnung der Bank des Berliner Kassenvereins) weisen auf ein Fortbestehen des Eigentums des Einlieferers von Wertpapieren mit der Maßgabe hin, daß, wenn mehrere Mitglieder des Giro-Effektendepots Wertpapiere einer und derselben Gattung, welche Papiere also nach §  8 der Geschäftsbedingungen zusammengelegt und vermischt werden, eingeliefert haben, zwischen den mehreren Einlieferern ein Gemeinschaftsverhältnis nach Maßgabe des Betrages der eingelieferten Stücke besteht und solange bestehen bleibt, als im Depot gleichnamige Stücke mehrerer Einlieferer sich befinden.“ 14  Siehe dazu sogleich unter c) m. Fn.  36. 15  Ausführliche Darstellung bei Buxbaum, Anlegerschutz, S.  367–402. 16  Siehe freilich das Plädoyer von Lichtenhein, Bank-Archiv 22 (1922/23), S.  88, 89, der das Verbesserungspotential noch nicht für ausgeschöpft hielt und u. a. die Einführung von Schicht- und Nachtarbeit vorschlug. 17  Metze, ZHR 90 (1927), 376. 18  Siehe etwa Lichtenhein, Bank-Archiv 22 (1922/23), S.  88, 89; weitergehender Vorschlag bei Doetsch, Bank-Archiv 23 (1923/24), S.  7 f.

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Einen maßgeblichen Beitrag zur Klärung der mit der Erweiterung des Effektengiroverkehrs verbundenen Rechtsfragen leisteten Hans Schultz und Georg Opitz, die daher nicht ohne Grund als „juristische Väter“ dieser Einrichtung bezeichnet werden19. In ihrem im Namen der Deutschen Bank erstatteten Rechtsgutachten20 gelangten sie zu dem Ergebnis, daß ein Depotkunde, der durch Vermittlung seiner Bank seine Effekten im Sammeldepot hinterlegen läßt, eine ebenso gesicherte Rechtsstellung erhält wie bei der Sonderverwahrung. Unter Hinweis auf die erwähnte Entscheidung des Reichsgerichts und das depotrechtliche Schrifttum führten sie zur Begründung aus, daß an die Stelle des Alleineigentums an den eingelieferten Stücken nicht zwingend ein nur persönlicher Anspruch des Depotinhabers zu treten brauche. Vielmehr sei das Sammeldepot als Gemeinschaft nach Bruchteilen gemäß §§  741 ff. BGB i. V. m. einer analogen Anwendung des §  419 HGB a. F.21 einzuordnen. Der Depotinhaber genieße daher zivil- und strafrechtlichen Eigentumsschutz, und im Konkurs seines Verwahrers könne er seinen Miteigentumsanteil nach §  43 KO (heute: §  47 InsO) aus der Masse aussondern. Freilich handele es sich beim Sammeldepot um eine Bruchteilsgemeinschaft besonderer Art, für die in erster Linie die vertragliche Vereinbarung zwischen Hinterleger und Verwahrer, die gesetzlichen Vorschriften hingegen nur insoweit maßgebend seien, als sich nicht aus der Natur des Sammeldepots etwas anderes ergebe22 . Darüber hinaus legten Schultz und Opitz in ihrem Gutachten eingehend dar, daß das Depotgesetz vom 5. Juli 189623, das nur in seinen er­ sten beiden Paragraphen Vorschriften über die Verwahrung von Wertpapieren enthielt und im übrigen das Recht der Effektenkommission regelte, der Erweiterung des Effektengiroverkehrs nicht entgegenstehe24 .

19  Brief der Filiale Frankfurt der Deutsche Bank AG an Opitz vom 11. Dezember 1925, zitiert nach Buxbaum, Anlegerschutz, S.  393 m. Fn.  61. 20  Schultz/Opitz, Sammeldepots beim Kassenverein, in: Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  1 ff. 21  Die Vorschrift lautete: „§  419 Sammellagerung. (1) Im Falle der Lagerung vertretbarer Sachen ist der Lagerhalter zu ihrer Vermischung mit anderen Sachen von gleicher Art und Güte nur befugt, wenn ihm dies ausdrücklich gestattet ist. (2) Der Lagerhalter erwirbt auch in diesem Falle nicht das Eigentum des Gutes; aus dem durch die Vermischung entstandenen Gesamtvorrat kann er jedem Einlagerer den ihm gebührenden Anteil ausliefern, ohne daß er hierzu der Genehmigung der übrigen Beteiligten bedarf. (3) Ist das Gut in der Art hinterlegt, daß das Eigentum auf den Lagerhalter übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren, so finden die Vorschriften dieses Abschnitts keine Anwendung.“ 22  Schultz/Opitz, Sammeldepots beim Kassenverein, in: Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  1, 2–5. 23  Gesetz, betreffend die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wertpapiere vom 5.  Juli 1896 i. d. F. vom 21. November 1923, RGBl. 1896, S.  183; 1923 I, S.  1119, abgedr. bei Opitz, ­DepotG, Anlage 1 (S.  457 ff.). 24  Schultz/Opitz, Sammeldepots beim Kassenverein, in: Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  1, 12–19.

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Nachdem sich die Berliner Banken über das Verfahren der Erweiterung des Effektengiroverkehrs verständigt hatten25, gelang es ihnen, im Rahmen einer breit angelegten Aufklärungskampagne die Vorbehalte vieler Lokalbanken und Privatkunden gegen die Sammelverwahrung auszuräumen26. Dazu trug nicht unwesentlich die Ankündigung der Banken bei, es werde eine „erhebliche Erhöhung der Depot- und Effektenkommissionsgebühren unumgänglich sein“, sollte es bei der bisherigen Praxis des Verwahr- und Liefergeschäfts bleiben27. Die Bereitschaft eines großen Teils der Kunden, seine Papiere in das Sammeldepot umlegen zu lassen28, bestärkte die Banken in ihrer Überzeugung, daß der Zeitpunkt für die Erweiterung des Effektengiroverkehrs gekommen war, auch wenn der Erfolg des Vorhabens bis zuletzt unsicher blieb und es nach wie vor nicht an Kritikern mangelte29. Der Startschuß für die Girosammelverwahrung wurde am 1. Dezember 1925 gegeben, als der Kassenverein zunächst zwölf ausgewählte Bankwerte zur Einlieferung in sein Depot aufrief30. Am 2. Januar 1926 folgte eine Reihe von Industriepapieren31. Da ab 1922 auch in Frankfurt am Main, Dresden, Essen und Köln Effektengirobanken gegründet worden waren32 , konnte am 1. November 1926 der interurbane Effektengiroverkehr aufgenommen werden – ein Schritt, den Metze als „Krönung“ des stückelosen Effektenverkehrs bezeichnete33. Als später auch noch in Stuttgart, München, Hamburg, Leipzig und Breslau Sammeldepots geschaffen wurden, wurde das Gironetz entsprechend ausgedehnt.

2.  Anerkennung der Sammelverwahrung durch das Depotgesetz 1937 Der Umstand, daß auch der erweiterte Effektengiroverkehr zunächst auf rechtsgeschäftlicher Grundlage abgewickelt wurde, vermochte das Bedürfnis nach Rechtssicherheit allerdings nicht vollständig zu befriedigen. Ungeachtet aller Bemühungen um eine juristische Absicherung der Sammelverwahrung und eine sachgerechte Anpassung der Geschäftsbedingungen der Kassenvereine und Depotbanken34 blieb ins25 Dazu

Buxbaum, Anlegerschutz, S.  370–376. anschaulich Buxbaum, Anlegerschutz, S.  376–382; siehe auch Beseler, Bank-Archiv 25 (1925/26), 15, 17. 27  Rundbrief der Berliner Banken an ihre Kunden vom 21. Oktober 1925, zitiert nach Buxbaum, Anlegerschutz, S.  378. 28 Nach Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  5 Rn.  5 sollen Anfang 1926 etwa drei Viertel der Depotkunden der Girosammelverwahrung zugestimmt haben. Buxbaum, Anlegerschutz, berichtet auf S.  381 in Fn.  38, daß sich bei der Deutschen Bank die Mehrzahl der Kunden mit der Sammelverwahrung einverstanden erklärt hatte. 29  Siehe etwa M. Eichholz, Bank-Archiv 26 (1926/27), 97 ff., der den Großbanken vorwarf, „mit erheblichem wirtschaftlichen Druck“ die Girosammelverwahrung erzwingen zu wollen und der Meinung war, die angestrebte Rationalisierung erfolge auf Kosten der Sicherheit des Wertpapier­ eigentums der Privatanleger; dazu auch Buxbaum, Anlegerschutz, S.  392 f. 30  Zu den Gründen für diese Auswahl Beseler, Bank-Archiv 25 (1925/26), 15, 16. 31  Buxbaum, Anlegerschutz, S.  395. 32  Näher dazu Beseler, Bank-Archiv 25 (1925/26), 15, 17. 33  Metze, ZHR 90 (1927), 376, 378. 34  Zur Neufassung der Geschäftsbedingungen Buxbaum, Anlegerschutz, S.  395–402. 26  Dazu

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besondere bei der zentralen Frage der Eigentumsverhältnisse am Sammelbestand einiges umstritten. Daß zwischen den Hinterlegern von Wertpapieren derselben Gattung eine Miteigentumseigenschaft nach Bruchteilen entsteht und das Sondereigentum an den eingelieferten Stücken nicht auf den Sammelverwahrer übergeht, wurde zwar nur vereinzelt in Zweifel gezogen35. Lebhaft diskutiert wurde jedoch darüber, zu welchem Zeitpunkt und auf welcher Grundlage die Miteigentumsgemeinschaft zwischen den Hinterlegern zur Entstehung gelangt. Während die Vertreter der sog. Vermengungstheorie den Standpunkt einnahmen, daß der Hinterleger mit der tatsächlichen Einverleibung der Stücke in den Sammelbestand kraft Gesetzes Miteigentum nach den §§  947, 948 BGB erwirbt, gingen die Vertreter der sog. Vertragstheorie von einer Umwandlung des bisherigen Sondereigentums in Miteigentum kraft vertraglicher Vereinbarung aus36. Bedenkt man, daß eine feste Rechtsgrundlage schon damals als unverzichtbare Voraussetzung eines funktionsfähigen Effektengiroverkehrs betrachtet wurde37 und die knappen Vorschriften des Depotgesetzes 1896 nur mehr einen kleinen Ausschnitt des tiefgreifend veränderten Systems der Wertpapierverwahrung und -abwicklung abbildeten, erschien der Entschluß des Gesetzgebers, das Depotrecht auf ein neues Fundament zu stellen und im Zuge dessen auch das Institut der Sammelverwahrung anzuerkennen, nur als eine Frage der Zeit. Ganz so, wie man es auch von Gesetzgebungsvorhaben jüngeren Datums im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts kennt, stand er bei der Schaffung des Depotgesetzes vom 5. Februar 193738 vor der Aufgabe, die schutzwürdigen Belange der Anleger auf der einen mit denjenigen der Verwahrinstitute auf der anderen Seite in Einklang zu bringen, ohne das volkswirtschaftliche Interesse an einem effizienten Wertpapierhandel aus den Augen zu verlieren. Freilich stellt die Gesetzesbegründung klar, daß „der Kundenschutz in ausreichendem Umfange das Hauptziel der im Entwurf geplanten Verbesserung des geltenden Bankdepotrechts“ darstellte39. Dieses Ziel sollte im wesentlichen auf zweierlei Weise erreicht werden: einmal durch Regelungen, die dem Hinterleger das Eigentum an den in Sammelverwahrung genommenen Wertpapieren belassen, zum anderen durch Bestimmungen, die einen möglichst schnellen Eigentumserwerb des Kunden beim Anschaffungsgeschäft sicherstellen40. 35 

Nachweise bei Metze, ZHR 90 (1927), 376, 383 in Fn.  6. Siehe den Überblick bei Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  5 Rn.  7 und Opitz/Schultz, Effektengiroverkehr und Sammeldepots, in: Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  45, 51 f.; ausführlich (unter Parteinahme für die Vertragstheorie) Metze, ZHR 90 (1927), 376, 383–397 m. w. N. 37 Siehe Opitz, DepotG, S. III in seinem dort wiedergegebenen Vorwort zur 1. Auflage seines Kommentars: „Die depotrechtliche Regelung sah und sieht hiernach ihre vornehmliche Aufgabe darin, den Weg zu sichern, der zur Verschaffung des erstrebten Wertpapiereigentums führt, und die Erhaltung des Eigentums an bankmäßig zur Verwahrung anvertrauten Wertpapieren zu gewärlei­ sten.“ 38  Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 4. Februar 1937, RGBl. I, S.  171. Das Gesetz ist am 1. Mai 1937 in Kraft getreten. 39  Deutscher Reichsanzeiger Nr.  29 vom 5. Februar 1937, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  17. 40  Deutscher Reichsanzeiger Nr.  29 vom 5. Februar 1937, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  16. 36 

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Wirft man einen kurzen Blick auf die wichtigsten Neuerungen, die das DepotG 1937 mit sich gebracht hat41, so fallen neben §  1 Abs.  3 DepotG, der den Begriff der Wertpapiersammelbank definiert, und §  3 DepotG, der sich der Drittverwahrung annimmt, vor allem die §§  5 bis 9 DepotG ins Auge, in denen die Sammelverwahrung geregelt ist. Als Zentralvorschrift ist hier rasch §  6 Abs.  1 Satz  1 DepotG ausgemacht42: Er stellt klar, daß Inhaber von Wertpapieren derselben Art untereinander eine Miteigentumsgemeinschaft nach Bruchteilen bilden, und schiebt damit der Sammelverwahrung eine materiellrechtliche Grundlage unter. Doch reicht der Gehalt dieser Bestimmung darüber noch hinaus: Mit „dem Ziel einer möglichst weitgehenden Sicherung des Hinterlegers“43 entscheidet sie nämlich auch den Streit zwischen der Vermengungs- und der Vertragstheorie im Sinne einer dritten Lösung, derzufolge sich die bisherige Eigentumsposition des Berechtigten bereits mit dem Eingang der Stücke beim Sammelverwahrer in Miteigentum umwandelt, und zwar kraft Gesetzes unabhängig vom Willen der Beteiligten. Wie wichtig dem Gesetzgeber das Anliegen des Kundenschutzes war, zeigt überdies §  5 Abs.  1 Satz  1 und 2 DepotG a. F. Diese Vorschrift sah mit Rücksicht auf die Rechtsfolge des §  6 Abs.  1 Satz  1 DepotG vor, daß der Verwahrer ihm übergebene Stücke nur aufgrund einer ausdrücklichen und schriftlichen Ermächtigung des Hinterlegers, die weder in den Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen durfte, in Sammelverwahrung nehmen durfte. Maßgebend für diese Regelung, die sowohl für die Hausals auch für die Girosammelverwahrung galt44, war das Bestreben, dem Depotkunden den Inhalt seiner Erklärung klar vor Augen zu führen45. Auch das Depotgesetz 1937 blieb der in §  2 geregelten Sonderverwahrung als Leitbild verhaftet. Nun wären die neuen Vorschriften über die Sammelverwahrung von Wertpapieren für sich allein nur ein halber Schritt auf dem Weg zur gesetzlichen Absicherung des erweiterten Effektengiroverkehrs gewesen. Denn zu dessen zügiger Abwicklung bedarf es auch einer Regelung, die den Kommissionär beim Anschaffungsgeschäft berechtigt, sich von seiner Pflicht zur Übereignung bestimmter Stücke (vgl. §  3 DepotG 1896, §  18 DepotG 1937) dadurch zu befreien, daß er dem Kommittenten einen Miteigentumsanteil an einem Sammelbestand verschafft. Die Brücke von der Rationalisierung des Verwahrungsgeschäfts zur Rationalisierung auch des Lieferungsge­ schäfts wurde mit §  24 DepotG geschlagen. Diese Regelung, die Opitz als „Krönung“ des Sammeldepotgedankens bezeichnet hat46, bringt deutlicher als jede andere Vor41 

Synopse der Bestimmungen der Depotgesetze 1896 und 1937 bei Opitz, DepotG, S.  461 f. Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  1 („zentrale Vorschrift für das Sammelverwahrverhältnis“). 43  Begr. zu §  6 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  149. 44  Die Sammelverwahrung bei den Wertpapiersammelbanken war nach §  5 Abs.  1 Satz  3 DepotG a. F. allerdings insofern erleichtert, als nicht für jedes Verwahrgeschäft eine gesonderte Ermächtigung erforderlich war. 45  Begr. zu §  5 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  120. 46  Opitz, DepotG, §   24 Anm.  2 (S.  311); zur Bedeutung von §  24 DepotG siehe auch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1990; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  1. 42 Ebenso

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schrift des Depotgesetzes den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Girosammelverwahrung gegenüber der Haussammelverwahrung zu begünstigen. Während die Bank den Erfüllungsanspruch ihres Kunden nämlich ohne weiteres dadurch befriedigen kann, daß sie ihm Miteigentum an einem Sammelbestand einer Wertpa­ piersammelbank verschafft (§  24 Abs.  1 1. Halbsatz DepotG), braucht sich der Kunde mit der „Lieferung“ eines Miteigentumsanteils an einem Sammeldepot eines anderen Verwahrers nur dann zufriedenzugeben, wenn er dem im einzelnen Fall ausdrücklich und schriftlich zustimmt (§  24 Abs.  1 2. Halbsatz DepotG). Diese Differenzierung erklärt sich einmal aus dem Bestreben, den stückelosen Wertpapierhandel zu fördern, dessen Vorteile sich nur voll ausschöpfen lassen, wenn die Haussammelverwahrung so weit wie möglich zugunsten der Girosammelverwahrung zurückgedrängt wird47. Nicht anders als bei §  5 DepotG a. F. stand bei der Schaffung des §  24 DepotG aber auch der Gedanke des Kundenschutzes Pate; auch wenn die Gesetzesbegründung sich näherer Ausführungen hierzu enthält48, beruht die Vorschrift offenbar auf der Überzeugung, daß die Verwahrung von Wertpapieren bei einer Wertpapiersammelbank ein höheres Maß an Sicherheit bietet als die Verwahrung bei einem anderen Institut49. Zu einem in sich stimmigen Gesamtkonzept wollten §  5 DepotG a. F. und §  24 DepotG sich jedoch nicht fügen. Denn es gab keinen überzeugenden Grund dafür, die Einlieferung von Wertpapieren in die Sammelverwahrung von einer ausdrücklichen und schriftlichen Ermächtigung des Kunden abhängig zu machen, bei der Einräumung von Miteigentum im Rahmen eines Anschaffungsgeschäfts dagegen auf eine solche Ermächtigung zu verzichten50.

3.  Girosammelverwahrung als gesetzliche Regelverwahrform Die Legalisierung der Sammelverwahrung und die Schaffung des §  24 DepotG durch das DepotG 1937 haben entscheidend dazu beigetragen, daß sich die Girosammelverwahrung tatsächlich als Regelform der Wertpapierverwahrung etablieren konnte51. Doch erst im Zuge des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 26. Juli 199452 zog der Gesetzgeber daraus die Konsequenz, die Girosammelverwahrung auch rechtlich als Regelverwahrform anzuerkennen. Seither legt §  5 Abs.  1 Satz  1 Halbsatz 1 DepotG als Grundsatz fest, daß ein Verwahrer vertretbare Wertpapiere einer Wertpapiersammelbank übergeben darf, ohne hierzu einer Ermächtigung des 47  Begr. zu §  24 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  309; siehe auch Anm.  2 der Kommentierung von Opitz (S.  311). 48  Siehe die Begr. zu §  24 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  309. 49  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1991. 50  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  4 sprechen sogar von einer willkürlichen Unterscheidung. 51 Nach Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  5 Rn.  14 wurden in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts etwa 60–70% der Börsenpapiere bei Wertpapiersammelbanken verwahrt. 52  Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften, BGBl. I, S.  1749.

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Kunden zu bedürfen. In Sonderverwahrung nach §  2 Abs.  1 DepotG sind Wertpapiere nur zu nehmen, wenn der Hinterleger dies verlangt (§  5 Abs.  1 Satz  1 Halbsatz 2 DepotG). Eine ausdrückliche und schriftliche Ermächtigung des Kunden, die für jedes Verwahrungsgeschäft gesondert erteilt werden muß und weder in den Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen darf, verlangt das heutige Depotrecht nur noch für die Haussammelverwahrung durch den Verwahrer selbst oder einen Dritten (§  5 Abs.  1 Satz  2 und 3 DepotG). Die Regierungsbegründung53 rechtfertigt die Umkehrung des Regel-/Ausnahme-Verhältnisses in den §§  2 und 5 DepotG damit, daß sich das Leitbild der Altregelungen infolge des Vordringens der Girosammelverwahrung überholt habe. Auch erscheine der mit der Einholung schriftlicher Ermächtigungen verbundene Aufwand für die Kreditinstitute verzichtbar. Eine Gefährdung der Rechte der Depotkunden sei praktisch ausgeschlossen, zumal die Erfahrung gezeigt habe, daß bei Wertpapiersammelbanken ein hoher Sicherheitsstandard gewährleistet sei. Zudem sei zu berücksichtigen, daß schon das geltende Depotrecht die Gleichwertigkeit von Sonder- und Girosammelverwahrung anerkenne, wenn es einem Einkaufskommissionär in §  24 Abs.  1 1. Halbsatz DepotG die Befugnis einräumt, seine Pflicht zur Eigentumsverschaffung durch Gutschrift eines Miteigentumsanteils an einem Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank zu erfüllen.

4. Globalurkunden a) Entwicklung Globalurkunden wurden in Deutschland erstmals vom Staat verwendet, und zwar bei der dritten und vierten Folge der Schatzanweisungen des Deutschen Reiches von 1938. Den Anlegern wurde damals eine Wahlmöglichkeit eingeräumt: Sie konnten entweder den gezeichneten Betrag auf ihren Namen in das Reichsschuldbuch eintragen lassen, die Auslieferung effektiver Stücke verlangen oder ihren Bestand in Form von Globalurkunden bei einer Wertpapiersammelbank verwahren lassen. Auf diese Weise wurde der Druck von 600.000 Schuldverschreibungen mit rund 12 Millionen Zinsscheinen erspart54 . Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Globalurkunden im Rahmen der Wertpapierbereinigung eingesetzt. Dabei handelte es sich freilich nicht um eine Maßnahme zur Rationalisierung des Effektenverkehrs, sondern eine zeitlich befristete Notlösung für den Ersatz zerstörter oder in Verlust geratener Wertpapiere55. Zu regelmäßiger Verwendung, und zwar sowohl bei der Emission von Aktien als auch von Anleihen, gelangten Globalurkunden erst ab Mitte der 1960er Jahre, als mit 53 

Siehe zum folgenden BT-Drucks. 12/6679, S.  85 f. Than, in: FS Heinsius, S.  809, 812 m. w. N. 55  Näher dazu Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  9a Rn.  4. Ihre gesetzliche Grundlage fand die Sammelverbriefung kraftlos gewordener Wertpapiere in §  9 des Gesetzes zur Bereinigung des Wertpapierwesens (Wertpapierbereinigungsgesetz – WBG) vom 19. August 1949 (WiGBl. S.  295); nebst Begr. abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  539 ff. 54 

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der Einlieferung interimistischer Globalurkunden der seit 1927 praktizierte Jung­ schein­giroverkehr weitgehend verdrängt wurde56 und die Kassenvereine dazu übergingen, bis zu 50% einer Emission in Form von technischen Globalurkunden hereinzunehmen57. Mit der bis dahin praktizierten Bildung sog. Eisbestände, durch die sich zwar der mit der Depotverwaltung verbundene Arbeitsaufwand, nicht aber der Bedarf an Tresorraum reduzieren läßt, ließ sich der stetige Anstieg des Emissionsvolumens nicht mehr rationell bewältigen58. b)  §  9a DepotG Ebenso wie der Sammelverwahrung von Wertpapieren fehlte allerdings auch der Globalurkunde zunächst die gesetzliche Grundlage. Sie wurde erst im Zuge der Depotgesetznovelle vom 24. Mai 197259 mit der Einfügung von §  9a DepotG geschaffen. §  9a Abs.  1 Satz  1 DepotG versteht unter einer Sammelurkunde „ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten“, und schreibt dem Verwahrer vor, eine solche Urkunde einer Wertpapiersammelbank zur Verwahrung zu übergeben, sofern nicht der Hinterleger nach §  2 Satz  1 DepotG die gesonderte Aufbewahrung verlangt60. Damit stützt das Gesetz zum einen die Verwendung von Globalurkunden rechtlich ab; zum anderen stellt es klar, daß Globalurkunden nur girosammelverwahrfähig sind. Für die Zulassung auch der Haussammelverwahrung sah der Gesetzgeber kein praktisches Bedürfnis61. §  9a Abs.  2 DepotG ordnet an, daß für die Verwahrung einer Globalurkunde die §§  6 bis 9 DepotG sowie die sonstigen Vorschriften des Depotgesetzes über die Sammelverwahrung und Sammelbestandteile sinngemäß gelten, soweit nicht in Abs.  3 – dazu sogleich – etwas anderes bestimmt ist. Damit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, daß für die Sammelurkunde hinsichtlich der Entstehung, Berechnung, Übertragung und Aufhebung der Miteigentumsanteile „die gleichen bewährten Grundsätze wie bei einem nur aus Wertpapieren über Einzelrechte gebil56 Siehe Than, in: Festschrift für Heinsius, S.  809, 818 ff., wonach dieses Verfahren erstmals bei der Einführung junger Aktien der Waggonfabrik Uerdingen AG an der Rheinisch-Westfälischen Börse zu Düsseldorf am 23. April 1964 eingesetzt wurde. 57  Delorme, Wertpapiersammelbanken, S.  45 ff.; Than, in: Festschrift für Heinsius, S.  809, 813 f. 58  Eisbestände wurden in der Weise gebildet, daß Aktien getrennt nach Mantel und Bogen in Blöcken von zumeist 100 Urkunden versiegelt wurden. Die Dividendenscheine wurden nicht mehr getrennt, sondern blieben in den „eingefrorenen“ Paketen. Die Dividende wurde von der Gesellschaft bzw. ihrer Zahlstelle gegen Vorlage eines vom Kassenverein erstellten Nummernverzeichnisses der versiegelten Dividendenscheinbögen gezahlt; näher dazu Than, in: FS Heinsius, S.  809, 813. 59  Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren, BGBl. I, S.  801. 60  In seiner ursprünglichen Fassung machte §  9a Abs.  1 Satz  1 DepotG die Übergabe der Sammel­ urkunde an die Wertpapiersammelbank in Anlehnung an §  5 DepotG a. F. von einer Ermächtigung des Hinterlegers abhängig. Im Zuge des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 26. Juli 1994 (BGBl. I, S.  1749) wurde diese Schutzvorkehrung fallengelassen; siehe dazu schon oben unter c). 61  BT-Drucks. VI/2231, S.  4 l. Sp.

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deten Sammelbestand gelten“62 . Auf diesen unmißverständlich zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers wird zurückzukommen sein, wenn es um die hoch umstrittene Frage geht, ob sich der Effektengiroverkehr auf der Grundlage von Globalurkunden überhaupt mit den §§  929 ff. BGB erfassen läßt. Obwohl §  9a in erster Linie deshalb in das Depotgesetz eingefügt wurde, um die Verwendung interimistischer Globalurkunden abzusichern63, muß aus Sicht der heutigen Emissionspraxis §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG als Kernstück der Bestimmung angesehen werden. Denn diese Regelung bildet das Fundament für die Dauerglobalurkunde64 . Nach §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG kann auch von der Wertpapiersammelbank die Auslieferung von einzelnen Wertpapieren nicht verlangt werden, wenn der Aussteller „nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis“ nicht verpflichtet ist, an die Inhaber der in der Sammelurkunde verbrieften Rechte einzelne Wertpapiere auszugeben. Damit wird klargestellt, daß die Auslieferungsansprüche nach den §§  7 und 8 DepotG immer, aber auch nur dann ausgeschlossen sind, wenn der Emittent zulässigerweise auf die Einzelverbriefung der Rechte verzichtet65. Ob er das darf, ist keine depotrechtliche, von §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG beantwortete Frage, sondern beurteilt sich nach dem Rechtsverhältnis zwischen ihm und seinen Gläubigern bzw. Aktionären. Bei Schuldverschreibungen sind folglich die Ausgabebedingungen maßgebend. Zwar ergibt sich aus §  793 BGB, daß eine Inhaberschuldverschreibung in einer „Urkunde“ verbrieft werden muß. Eine Klausel in den Emissionsbedingungen, wonach über den Gesamtbetrag der Emission eine Globalurkunde ausgestellt und vom Druck einzelner Wertpapiere abgesehen wird, ist jedoch nach allgemeiner Ansicht zulässig und hält insbesondere einer Angemessenheitskontrolle nach §  307 BGB stand66. Bei der Emission von Anleihen hat sich die Dauerglobalurkunde denn auch vergleichsweise rasch durchgesetzt, nachdem bis zur Depotgesetznovelle 1972 nur Kassenobligationen, d. h. festverzinsliche Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von nicht mehr als vier Jahren, in dieser Form verbrieft worden waren67. Wurden 1972 erst 18 Prozent der Emissionen in Form von Dauerglobalurkunden ausgegeben, so stieg dieser Anteil 1973 bereits auf 49 Prozent und bis 1980 auf 85 Prozent68.

62 

BT-Drucks. VI/2231, S.  4 r. Sp. BT-Drucks. VI/2231, S.  3 l. Sp. 64  Than, in: FS Heinsius, S.  809, 824. 65  Siehe – mit teilweise unterschiedlicher Akzentuierung – BT-Drucks. VI/2231, S.  5; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2133; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  9a Rn.  55; Than, in: FS Heinsius, S.  809, 824. 66  Siehe statt vieler Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2134; Than, in: FS Heinsius, S.  809, 827– 832. Ob und inwieweit Anleihebedingungen einer AGB-Kontrolle unterliegen, braucht hier nicht vertieft zu werden; siehe dazu nur Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, §  37 Rn.  30 ff.; Leh­ mann, Finanzinstrumente, S.  354 ff. 67  Than, in: FS Heinsius, S.  809, 821. 68  Delorme, Kreditwesen 1980, 604, 610. 63 

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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c)  §  10 Abs.  5 AktG Als Mittel zur Verbriefung von Aktien vermochte sich die Dauerglobalurkunde allerdings erst ab 1994 durchzusetzen. Bis dahin war die ganz h. M. davon ausgegangen, daß die Gesellschaft zwar grundsätzlich berechtigt ist, über sämtliche Aktien oder einen Teil davon eine Globalurkunde auszustellen, jeder Aktionär aber „nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis“ einen unentziehbaren Anspruch auf Ausstellung von Einzelurkunden über seine Beteiligung hat, um seine Mitgliedschaftsrechte umfassend ausüben und die Aktien auf direktem Wege, d. h. ohne Einschaltung der die Globalurkunde verwahrenden Bank, veräußern zu können69. Durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. August 199470 wurde §  10 AktG dann in einem ersten Schritt um einen neuen Abs.  5 mit folgendem Wortlaut ergänzt: „In der Satzung kann der Anspruch auf Einzelverbriefung der Aktien ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.“ Diese Ergänzung sollte die Herabsetzung des Mindestnennbetrags einer Aktie von 50 DM auf 5 DM durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 26. Juli 199471 flankieren. Der Druck von Einzelurkunden hätte bei vielen Gesellschaften unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht, die im Extremfall sogar den Börsenwert der Aktien hätten übersteigen können. Auch wurde befürchtet, daß besonders bei niedrigem Nennwert formale Rechtspositionen erzeugt werden, die ein nicht unerhebliches Störpotential in sich bergen und die Aktionäre zu schikanösen Forderungen ermuntern könnten72 . Die Begründung des Initiativentwurfs weist außerdem auf die Situation bei börsennotierten Gesellschaften hin, wo die Auslieferung effektiver Einzelstücke praktisch keine Bedeutung mehr habe. Angesichts der Praxis des Effektengiroverkehrs bestehe „kein Anlaß, die Satzungsautonomie durch einen ungeschriebenen Satz über die Unentziehbarkeit des Anspruchs auf Aushändigung von Einzelstücken einzuschränken“73. Über die Reichweite des neuen §  10 Abs.  5 AktG herrschte allerdings von Anfang an Unsicherheit. Denn der Bestimmung ließ sich nicht mit der wünschenswerten Klarheit entnehmen, ob sie den Gesellschaften auch die Ausgabe einer einzigen Globalurkunde über das gesamte Grundkapital unter vollständigem Ausschluß des Verbriefungsanspruchs der Aktionäre erlaubte. Sowohl im Schrifttum als auch in der Praxis setzte sich schließlich die – durch den Wortlaut und die Materialien gestützte74 – Deutung durch, daß §  10 Abs.  5 AktG a. F. nur den Ausschluß des Anspruch auf 69  RGZ 79, 174, 177; 85, 327, 330 f.; AG Köln, WM 1993, 2010; Eckardt in Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff (Hrsg.), AktG, §  10 Rn.  5 u. 10–14; a. A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2135. 70  BGBl. I, S.  1961. 71  BGBl. I, S.  1749. 72 Siehe Seibert/Köster/Kiem, Die kleine AG, Rn.  30 und Seibert, DB 1999, 267, jeweils unter Hinweis auf den Fall AG Köln, WM 1993, 2010: Dort hatte ein Aktionär den Umtausch einer Globalurkunde über Aktien zum Nennbetrag von 50.000 DM in Einzelurkunden zum Nennbetrag von jeweils 100 DM verlangt. Das Gericht gab der Klage statt. Die Druckkosten hatte die Gesellschaft zu tragen. 73  BT-Drucks. 12/6721, S.  6. 74  BT-Drucks. 12/6721, S.  6, dokumentiert bei Seibert/Köster/Kiem, Die kleine AG, Rn.  313.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Einzelverbriefung deckte, jeder Aktionär aber einen unentziehbaren Anspruch auf Ausstellung zumindest einer Mehrfachurkunde über seine Anteile behielt75. Der zweite und entscheidende Schritt zur Dauerglobalurkunde auch bei Aktien wurde mit der Änderung des §  10 Abs.  5 AktG durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. April 1998 (KontraG)76 getan. Die Bestimmung lautet seitdem: „In der Satzung kann der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.“ Anlaß der Änderung war zum einen die bevorstehende Einführung des Euro und die damit verbundene Umstellung der Nennbeträge. Um den damit für die Emittenten verbundenen Aufwand möglichst gering zu halten, sollte ihnen die Möglichkeit eröffnet werden, die Kosten für die Umstempelung oder den Neudruck und Umtausch der Aktienurkunden zu vermeiden. Zum anderen wollte der Gesetzgeber ein weiteres Mal der Zurückdrängung der Aktienurkunde im Effektengiroverkehr und internationalen Wertpapierhandel Rechnung tragen. Eine vom Bundesjustizministerium der Justiz durchgeführte Umfrage in Wissenschaft und Praxis hatte nämlich ein „gewandeltes Verständnis der Aktie als Wertpapier“ erkennen lassen und eine „überraschend breite“ Zustimmung zu dem Vorschlag ergeben, auch den Anspruch des Aktionärs auf Ausstellung einer Mehrfachurkunde über seinen jeweiligen Anteil zur Disposition der Satzung zu stellen77. In seiner heutigen Fassung läßt §  10 Abs.  5 AktG keinen Zweifel daran, daß das Recht des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils bereits in der Gründungssatzung oder – trotz des damit verbundenen Eingriffs in die Mitgliedschaft – nachträglich im Wege der Satzungsänderung eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann78. Ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit ist dennoch verblieben, da sich der Bestimmung nicht eindeutig entnehmen läßt, ob die Gesellschaft sogar vollständig auf die Verkörperung der Aktienrechte verzichten darf. Die überwiegende Ansicht verneint das79. Schon aus dem Wortlaut des §  10 Abs.  5 AktG n. F. ergebe sich, daß jeder Aktionär ein satzungsfestes Recht auf Ausstellung zumindest einer Globalurkunde über sämt­ liche Aktienrechte behalten habe. Außerdem hätten sowohl die gegenwärtigen als auch die künftigen Aktionäre ein schutzwürdiges Interesse an einer Verbriefung: die gegenwärtigen Aktionäre, weil diese ihnen die Übertragung und Geltendmachung ihrer Mitgliedsrechte erleichtere; die zukünftigen, weil sie sonst nicht gutgläubig erwerben könnten und damit der Verkehrsschutz, den man gerade mit dem Erwerb 75 

830.

76 

Blanke, BB 1994, 1505, 1511; Seibert, DB 1999, 267; Than in Festschrift für Schimansky, S.  821,

BGBl. I, S.  786. des Rechtsausschusses zum RegE des KonTraG, BT-Drucks. 13/10038, S.  25 = ZIP 1998, 487, 488. 78  Siehe statt vieler Hüffer/Koch, AktG, §  10 Rn.  12. 79  Hüffer/Koch, AktG, §  10 Rn.  11; Vatter, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, §  10 Rn.  83; Mülbert, in: Festschrift für Nobbe, S.  691, 697; Blanke, BB 1994, 1505, 1511; Modlich, DB 2002, 671 f.; Seibert, DB 1999, 267, 268; zweifelnd Enchelmaier, Übertragung, S.  518. 77  Bericht

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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von Aktien verbinde, auf der Strecke bliebe80. Schließlich und vor allem aber stehe der Wille des Gesetzgebers der Annahme entgegen, der Verbriefungsanspruch des Aktionärs sei durch die Änderung des §  10 Abs.  5 AktG vollständig beseitigt worden. In der Tat sprechen die Materialien zum KonTraG für diese Lesart. Dort heißt es nämlich: „Damit (scl.: der Änderung des §  10 Abs.  5 AktG) wird nicht der Schritt zum Wertrecht vollzogen, denn der Ausschluß der Verbriefung betrifft lediglich den jeweiligen Anteil der Aktionäre. Von einer etwaigen einschränkenden Satzungsbestimmung unberührt bleiben dagegen die Ausstellung und Hinterlegung einer die Gesamtheit der Mitgliedschaftsrechte verkörpernden Globalurkunde“81. Der Frage, ob sich §  10 Abs.  5 AktG ein unentziehbares (Rest-)Recht eines jeden Aktionärs auf Ausstellung einer Globalurkunde über sämtliche Anteile entnehmen läßt, braucht an dieser Stelle allerdings nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn die in den Effektengiroverkehr einbezogenen Aktienemissionen – und nur sie sind für diese Untersuchung von Interesse – sind ausnahmslos in bei der Clearstream Banking AG hinterlegten Globalurkunden verbrieft. Festzuhalten bleibt jedoch, daß auch der Gesetzgeber des KonTraG nicht vollständig von der verbrieften Aktie abrücken wollte, wertpapierrechtlich also „formal alles beim alten“ geblieben ist82 . Die These Miche­ lers, das Effektengiro habe sich von seinem körperlichen Ursprung gelöst und zu einem selbständigen Übertragungssystem entwickelt, das nach Regeln funktioniert, die nicht aus den hinterlegten Papierdokumenten abgeleitet werden müssen83, wird sich an diesem Befund messen lassen müssen84 .

III. Eigentumsverhältnisse 1.  Miteigentum nach Bruchteilen a)  Depotgemeinschaft als Bruchteilsgemeinschaft sui generis Wie bereits hervorgehoben, folgt das DepotG in den §§  5 ff. einem Konzept der direkten Rechtsträgerschaft, indem es das Eigentum an den bei der Clearstream Banking AG hinterlegten Wertpapieren – und damit auch die Berechtigung gegenüber dem 80 

Modlich, DB 2002, 671, 672. des Rechtsausschusses zum RegE des KonTraG, BT-Drucks. 13/10038, S.  25 = ZIP 1998, 487, 488. 82 So Seibert, DB 1999, 267, 269 mit der Ergänzung, daß der rechtstechnisch wesentlich aufwendigere Schritt zur Aktie als Wertrecht vielleicht konsequent wäre, sich in der Praxis aber möglicherweise gar nicht mehr als notwendig erweisen werde. Siehe auch Rieger, in: Festschrift für Peltzer, S.  339, 345, der den Schritt zum Wertrecht „faktisch“ für bereits vollzogen hält. Auf einem anderen Blatt steht, ob §  10 Abs.  5 AktG der Emission neuartiger Wertrechte entgegensteht; verneinend Kre­ ße, WM 2015, 463, 465; ders., ZHR 179 (2015), 821, 824 f. 83  Micheler, Wertpapierrecht, S.  132 und öfter. 84  Dazu näher unter V 6 c). 81  Bericht

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Emittenten – den Anlegern an der Basis der Verwahrpyramide zuweist. Genauer gesagt stehen die Wertpapiere eines Sammelbestandes im Miteigentum der daran beteiligten Anleger. Diese bilden untereinander eine Gemeinschaft nach Bruchteilen, wobei für die Bestimmung des Bruchteils der Nennbetrag, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag die Stückzahl maßgebend ist (§  6 Abs.  1 DepotG). Allerdings handelt es sich dabei um eine Bruchteilsgemeinschaft sui generis, auf welche die Vorschriften der §§  1008 ff. BGB überhaupt nicht und die Vorschriften der §§  741 ff. BGB nur insoweit anwendbar sind, als sich nicht aus den §§  5 bis 9a DepotG und den Besonderheiten der Sammelverwahrung etwas anderes ergibt85. Eine dieser Besonderheiten liegt im Fehlen vertraglicher Beziehungen zwischen den Miteigentümern: „Eine wesentliche Charaktereigenschaft des Sammeldepots ist es, daß die Teilnehmer der Gemeinschaft nicht von vornherein zusammentreten, um eine Gemeinschaft untereinander zu vereinbaren, sondern jeder einzelne tritt an den Verwahrer seines Depots heran, schließt mit ihm den Verwahrungsvertrag auf der Grundlage des Sammeldepots und überläßt es dem Verwahrer, für ihn die Rechte aus der Gemeinschaft wahrzunehmen“86. Eine weitere Besonderheit ist der ständige Wechsel in der Zusammensetzung der Sammeldepotgemeinschaft, der dieser den Charakter einer Zufallsgemeinschaft verleiht87. Um diese beiden Unterschiede zur gewöhnlichen Miteigentumsgemeinschaft geht es, wenn vom Sonderinstitut des „depotrechtlichen Miteigentums“ gesprochen wird88. b)  Bedeutung des Sammeldepotguthabens Inwieweit die §§  741 ff BGB mit Rücksicht auf die Besonderheiten des depotrechtlichen Miteigentums modifiziert oder verdrängt werden, braucht an dieser Stelle nicht untersucht zu werden89. Mit Blick auf die später vorzunehmende Analyse der Übertragungsvorgänge bedarf jedoch der Klärung, über was im Rahmen des Effektengiroverkehrs verfügt wird. Diese Frage mag auf den ersten Blick überraschen, scheint die Antwort doch auf der Hand zu liegen: Verfügt wird über Miteigentumsanteile an Wertpapieren. Diese Sicht stünde in der Tat voll in Einklang mit dem sachenrechtlichen Spezialitätsprinzip, das auch für das Miteigentum gilt und insofern besagt, daß eine Bruchteilsberechtigung immer nur an einem bestimmten Gegenstand bestehen kann. Dingliches Miteigentum gibt es nur an einzelnen Sachen, nicht an einer Sachgesamtheit. Das gilt auch dann, wenn nach dem Entstehungsgrund – z. B. durch gemeinschaftlichen Erwerb oder Vermischung – „eine“ zusammengefaßte Gemein85  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  16; Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  11; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2115. 86  Schultz/Opitz, Sammeldepots beim Kassenverein, in: Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  1, 5. 87  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  16 u. 31. 88  Kümpel, WM 1980, 422, 433. 89  Dazu eingehend Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  18–30.

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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schaft an mehreren Gegenständen entstanden ist90. Bezogen auf die Girosammelverwahrung bedeutet das: Das Miteigentum bezieht sich auf jede einzelne Urkunde eines Sammelbestandes. Dem Anleger steht also an jeder Urkunde „seines“ Sammelbestandes ein seiner individuellen Beteiligung entsprechender Miteigentumsanteil zu91. Einem Miteigentümer ist es jedoch verwehrt, sich bei einer Verfügung auf Miteigentumsrechte an bestimmten einzelnen Wertpapieren zu beschränken und den übrigen Teil der zum Sammelbestand gehörenden Wertpapiere auszusparen. Ganz oder teilweise über die Papiere verfügen kann er nur in der „gebundenen“ Form, daß sich die Verfügung gleichmäßig auf sämtliche Miteigentumsanteile erstreckt, also gewissermaßen auf die Summe der Miteigentumsrechte, die man als Depotguthaben zu bezeichnen pflegt92 . Denn nur wenn eine Verfügung alle Wertpapiere des Sammelbestandes erfaßt, ist gewährleistet, daß dem Miteigentümer an den Stücken des Bestandes stets eine einheitliche Miteigentumsquote zusteht und es nicht zu einer vollkommen unübersichtlichen Zersplitterung der Eigentumsverhältnisse an den Wertpapieren kommt. Wegen dieser Bindung ist §  747 Satz  1 BGB, der jedem Teilhaber das Recht zur Verfügung über seinen Anteil einräumt, auf die Sammeldepotgemeinschaft jedenfalls nicht uneingeschränkt anwendbar. Die Vorschrift paßt zwar insofern, als (auch) ein depotrechtlicher Miteigentümer über seine Miteigentumsrechte frei verfügen und auf diese Weise der Sammeldepotgemeinschaft neue Mitglieder aufdrängen kann. Aber aus den geschilderten praktischen Gründen haben bei der Girosammelverwahrung die einzelnen Miteigentumsquoten nicht die eigenständige rechtliche Bedeutung, wie §  747 Satz  1 BGB sie voraussetzt93. Freilich sollte man das Bemühen um eine korrekte dogmatische Erfassung des depotrechtlichen Miteigentums nicht bis zu der Aussage treiben, der Miteigentümer habe nicht an jedem einzelnen Wertpapier des Sammelbestandes, sondern nur am gesamten Sammelbestand einen Miteigentumsanteil, weshalb er auch nur über seinen Anteil an diesem Sammelbestand und nicht über seinen ideellen Anteil an den einzelnen Wertpapieren verfügen könne94. Für eine derart weitgehende, im Ergebnis doch auf die Anerkennung von Miteigentum an einer Sachgesamtheit hinauslaufende Verselbständigung des Sammeldepotguthabens besteht aus praktischer Sicht kein Bedürfnis. Sie ist auch weder mit dem sachenrechtlichen Spezialitätsprinzip 90 MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  741 Rn.  33 und §  1008 Rn.  3; Schnorr, Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, S.  110; jeweils m. w. N. 91 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  72 m. w. N. 92  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2115; Baumbach/Hopt, HGB, §  6 DepotG Rn.  2; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §  406 Rn.  282; Kümpel, WM 1980, 422, 425 f., 432; Rögner, Depotgeschäft, in: Huber (Hrsg.), Bankrecht, Rn.  781; Reitz, Börsengeschäfte, S.  187 f. Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 205. 93 Für eine nur eingeschränkte Anwendbarkeit daher MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  1008 Rn.  31; Kümpel, WM 1980, 422, 425 f.; für Unanwendbarkeit Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2115; für uneingeschränkte Anwendbarkeit hingegen Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  22. 94  Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.75 unter Hinweis auf BGH, NJW 1975, 1259, 1261, wo es heißt: „Bei dieser Verwahrungsart hat der Kunde jedoch keine Rechte an einem konkreten Einzelstück, sondern lediglich Miteigentum am Sammelbestand (§  6 DepotG).“

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

noch mit dem Wortlaut von §  6 Abs.  1 Satz  1 DepotG zu vereinbaren, demzufolge mit dem Zeitpunkt des Eingangs beim Sammelverwahrer für die bisherigen Eigentümer Miteigentum nach Bruchteilen „an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art“ entsteht. Angesichts dieser unmißverständlichen Regelung geht es ebensowenig an, die Sammeldepotgemeinschaft dogmatisch als Gesamthandsgemeinschaft zu qualifizieren95, wenngleich wegen der Gebundenheit der Anteilsinhaber bei Verfügungen über ihre Miteigentumsrechte nicht zu leugnen ist, daß die Sammeldepotgemeinschaft gewisse Züge einer Gesamthandsgemeinschaft aufweist96.

2.  Clearstream Banking AG als Ermächtigungstreuhänderin Ausweislich ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist die Clearstream Banking AG „berechtigt und, falls der Kunde die Rechte oder die erforderlichen Maßnahmen aufgrund der Girosammelverwahrung nicht selbst ausüben kann, auch verpflichtet, Dritten gegenüber alle Rechte eines Eigentümers geltend zu machen, soweit sie dies für erforderlich hält oder eine entsprechende Weisung des Kunden vorliegt“97. Aus der Formulierung „Rechte eines Eigentümers“ läßt sich schließen, daß die Clear­ stream Banking AG beim Inkasso von Zinsen und Dividenden, bei der Bogenerneuerung sowie bei allen sonstigen von ihr geschuldeten Verwaltungshandlungen – die Ausübung des Stimmrechts aus Aktien gehört nicht dazu – im eigenen Namen auftreten will. Ihre formelle Legitimation hierzu ergibt sich aus dem unmittelbaren Besitz der Wertpapiere. Was ihre materielle Legitimation betrifft, so wird die Clear­ stream Ban­king AG allgemein als nach §  185 BGB ermächtigte Treuhänderin eingeordnet98. Dem ist im Grundsatz zuzustimmen. Für ein Treuhandverhältnis ist charakteristisch, daß der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt oder eine Rechtsmacht einräumt, von denen dieser nur nach Maßgabe einer schuldrechtlichen Abrede Gebrauch machen darf99. Mit diesem Fall einer über die schuldrechtlichen Bindungen im Innenverhältnis hinausgehenden Rechtsmacht nach außen hat man es auch hier zu tun, wobei angesichts der Tatsache, daß die Clearstream Banking AG nicht das Eigentum an den Wertpapieren erhält, sondern nur die Befugnis, die Rechte aus diesen Papieren im eigenen Namen auszuüben, in der Tat nur die Annahme einer Ermächtigungstreuhand in Betracht kommt. Keine vollständige Klarheit besteht allerdings in der Frage, wer der Clearstream Banking AG die Ermächtigung nach §  185 BGB erteilt und ihr gegenüber als Treuge95 

Schulze-Osterloh, Prinzip der gesamthänderischen Bindung, S.  147 ff. Näher zur Kritik Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2116. 97  Ziffer XVI Abs.  4 Satz  1 AGB-CBF. 98 So im Ausgangspunkt übereinstimmend Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.   2036; Heinsius/ Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  31; Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  14 (S.  157 f.); Brink, Rechtsbeziehungen, S.  59; Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  118 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  553 ff. 99  Siehe statt vieler MünchKomm-BGB/Schubert, §  164 Rn.  50. 96 

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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ber anzusehen ist. Nach Büchner ist dies der „dominus rei“, d. h. der Anleger als Miteigentümer der Wertpapiere. Die Ermächtigung könne entweder durch die Bank als Bote an die Wertpapiersammelbank weitergeleitet werden, oder der Anleger könne die Bank bevollmächtigen, in seinem Namen die Wertpapiersammelbank zu ermächtigen100. Doch überzeugt das schon deshalb nicht, weil die Giroteilnehmer weder bei Abschluß des Depotvertrages mit der Clearstream Banking AG noch zu irgendeinem Zeitpunkt danach als Bote oder Vertreter der Rechtsinhaber handeln101. Mit der hierarchischen Stufung der Verwahrpyramide ist allein die Annahme vereinbar, daß die Ermächtigung von den einzelnen Giroteilnehmern erteilt wird und diese auch Partner des jeweiligen Treuhandverhältnisses sind102 . Richtig ist allerdings, daß die Ermächtigung der Clearstream Banking AG in jedem Fall auf eine Einwilligung des Rechtsinhabers zurückgeführt werden können muß, denn er ist der Berechtigte i. S. von §  185 Abs.  1 BGB. Diese Einwilligung ist im Depotvertrag des Anlegers mit seiner Bank enthalten, aufgrund dessen diese ebenfalls zur Verwaltung der Wertpapiere verpflichtet und ermächtigt ist103.

IV. Besitzverhältnisse Steht ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten über die rechtliche Bedeutung des Sammeldepotguthabens schon angesichts der eindeutigen lex lata außer Zweifel, daß die Anleger die Stellung von Miteigentümern einnehmen, so verhält es sich vollständig anders hinsichtlich der Besitzverhältnisse bei der Girosammelverwahrung. Hier ist man sich nur in der Selbstverständlichkeit einig, daß die Clearstream Banking AG als Inhaberin der tatsächlichen Sachherrschaft unmittelbare Fremdbesitzerin der in ihrem Tresor lagernden Urkunden im Sinne des §  854 BGB ist104 . Ob auch die Giroteilnehmer und Anleger als (mittelbare) Besitzer der Wertpapiere anzusehen sind, ist dagegen umstritten und wird namentlich von einem Teil des neueren Schrifttums in Abrede gestellt. Damit sind wir bei einem der Kernprobleme des deutschen Miteigentumsmodells angelangt, denn es liegt auf der Hand, daß der Effektengiroverkehr nicht ohne weiteres nach sachenrechtlichen Regeln abgewickelt werden kann, sollte der Veräußerer keinen Besitz an den Wertpapieren haben105. Zu beginnen ist mit 100 

Büchner, Treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S.  93 m. Fn.  2. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2037; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  554. 102  Ob dieses Treuhandverhältnis konstruktiv vom Depotvertrag zu trennen ist oder darin enthalten ist, ist aus praktischer Sicht ohne Belang. Das wird auch von Canaris (Bankvertragsrecht, Rn.  2012 u. 2037) eingeräumt, auch wenn er sich grundsätzlich für eine klare terminologische Trennung ausspricht. 103  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  555. 104  Siehe statt vieler Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1679; Einsele, WM 2001, 7, 11. 105 Ebenso Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  66: Es gehe letztlich „auch um die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Effektengiroverkehrs auf sachenrechtlicher Grundlage“. 101 

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dem einfacheren, in der Praxis freilich mittlerweile sehr seltenen Fall der Sammelverwahrung einzelverbriefender Wertpapiere (sogleich unter 1). Größere Probleme bereitet die Klärung der Besitzlage bei der Sammelverwahrung von Dauerglobalurkunden (unter 2).

1.  Sammelverwahrung einzelverbriefender Wertpapiere a)  Die hergebrachte Ansicht: gestufter mittelbarer Mitbesitz Nach der hergebrachten und auch heute noch überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum besteht bei der Girosammelverwahrung einzelverbriefender Wertpapiere gestufter mittelbarer Mitbesitz im Sinne der §§  868, 871 BGB106: Die Clearstream Banking AG als Drittverwahrerin (§  3 Abs.  1 DepotG) ist unmittelbare Fremdbesitzerin der Urkunden (§  854 BGB), die Giroteilnehmer als Zwischenverwahrer (§  3 Abs.  2 DepotG) sind mittelbare Fremdbesitzer erster Stufe107, die Anleger mittelbare Eigenbesitzer (Oberbesitzer) zweiter Stufe. Die Clearstream Banking AG besitzt also die Wertpapiere für die Giroteilnehmer, die ihrerseits ihren eigenen Depotkunden (den Anlegern) den Besitz vermitteln. Ist dieses „Besitzmittlungsgebäude“ um weitere Intermediäre aufgestockt, besteht dementsprechend mittelbarer Mitbesitz dritten, vierten oder noch höheren Grades. b)  Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes Die Prüfung der Standfestigkeit dieses „Besitzmittlungsgebäudes“ ist schon insofern kein leichtes Unterfangen, als das Wesen und die Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes seit jeher umstritten sind. Die Meinungsverschiedenheiten beginnen schon bei der grundsätzlichen Frage, ob der mittelbare Besitz als tatsächliche oder fiktive Sachherrschaft anzusehen108 oder als bloßes Rechtsverhältnis zu charakterisieren ist109. Einig ist sich das Schrifttum immerhin darin, daß sich der Legaldefinition in 106  BGHZ 207, 23, 28 (Rn.  15/16); BGH, ZIP 1997, 1102, 1103; OLG Karlsruhe, WM 1999, 2451, 2455; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  33; Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  14; MünchKommBGB/Joost, §  868 Rn.  83; Soergel/Stadler, BGB, §  868 Rn.  11; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §  406 Rn.  281, 317; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2020; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/14; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.101; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.76; Apfelbaum, Verpfändung, S.  57 ff.; Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  32; Ek­ kenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  183; Dechamps, Wertrechte, S.  38; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  122 ff.; Geier, BKR 2010, 144, 145; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1679 f.; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1549 f.; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  8; Modlich, DB 2002, 671, 674; Schaper, AG 2016, 889, 891. 107  Das gilt natürlich nur hinsichtlich der Kundenbestände; hinsichtlich ihrer Eigenbestände (Nostrobestände) sind die Depotbanken mittelbare Eigenbesitzer. 108  Von tatsächlicher, wenn auch gelockerter („vergeistigter“) Sachherrschaft sprechen Staudinger/Gutzeit (2012), BGB, §  868 Rn.  5; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, §  16 Rn.  9; von fingiertem Besitz, der lediglich in einigen Beziehungen der Sachgewalt gleichgestellt ist, spricht Wie­ ling, Sachenrecht, S.  228 f. 109 MünchKomm-BGB/Joost, §  868 Rn.  5 f.

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§  868 BGB zwei Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes entnehmen lassen: der unmittelbare Fremdbesitz des Besitzmittlers und das Besitzmittlungsverhältnis (Besitzkonstitut)110. Zwischen dem Besitzmittler (Unterbesitzer) und dem mittelbaren Besitzer (Oberbesitzer) muß ein konkretes, auf eine bestimmte Sache bezogenes111 Rechtsverhältnis bestehen, das den Besitzmittler „auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet“. Nach h. M. kann von einem Besitz „auf Zeit“ nur die Rede sein, wenn dem mittelbaren Besitzer gegen den Besitzmittler ein Herausgabeanspruch zusteht112 . In einem mehrstöckigen „Besitzmittlungsgebäude“ muß danach jeder mittelbare Besitzer einen Herausgabeanspruch gegen seinen Besitzmittler haben113. Der Herausgabeanspruch darf zwar betagt, bedingt oder von der Ausübung eines Gestaltungsrechts abhängig, aber nicht völlig ausgeschlossen sein114 . Das soll sich zum einen aus der von §  868 BGB geforderten zeitlichen Begrenzung der Besitzberechtigung, zum anderen aus §  870 BGB ergeben, wonach der mittelbare Besitz durch Abtretung des Herausgabeanspruchs auf einen anderen übertragen wird. Damit könne nur die Abtretung eines tatsächlich bestehenden Herausgabeanspruchs gemeint sein115. Ob der Herausgabeanspruch auf die Herausgabe an den mittelbaren Besitzer oder einen Dritten gerichtet ist, soll dagegen gleichgültig sein116. Ebensowenig ist es nach der h. M. von Belang, ob sich der Anspruch aus einem wirksamen Vertrag zwischen Besitzmittler und mittelbarem Besitzer oder aus gesetzlichen Vorschriften wie z. B. §  812 BGB oder §  985 BGB ergibt. Unverzichtbar sei aber in jedem Fall der natürliche Wille des Besitzmittlers, den Besitz in Anerkennung einer Herausgabepflicht für den mittelbaren Besitzer auszuüben117. 110  BeckOK BGB/Fritzsche, §  868 Rn.  3; Staudinger/Gutzeit (2012), BGB, §  868 Rn.  13; Wester­ mann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, §  16 Rn.  5. 111  Dem Bestimmtheitsgrundsatz kommt beim mittelbaren Besitz eine doppelte Bedeutung zu, denn er gilt hier sowohl für den Inhalt des Besitzmittlungsverhältnisses als auch für den Gegenstand des Besitzes: Zum einen muß es sich um ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis handeln, aus dem sich bestimmte Rechte und Pflichten bezüglich der Sache ergeben. Zum anderen muß sich dieses Verhältnis auf eine oder mehrere gegenständlich bestimmte Sachen beziehen. Mittelbarer Besitz an einer Sachgesamtheit oder einem nur quotenmäßig bestimmten Anteil einer größeren Menge ist also unmöglich; siehe statt vieler MünchKomm-BGB/Joost, BGB, §  868 Rn.  14; Westermann/Gursky/ Eickmann, Sachenrecht, §  17 Rn.  3. Zweifelhaft daher die Position von Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  48 ff., wonach Bezugsobjekt des mittelbaren Besitzes ein ideeller Bruchteil an dem gesamten Sammelbestand und nicht der gesamte Sammelbestand als solcher ist. 112  BGHZ 10, 81, 87; Soergel/Stadler, BGB, §  868 Rn.  10; Staudinger/Gutzeit (2012), BGB, §  868 Rn.  23; Baur/Stürner, Sachenrecht, §  7 Rn.  43; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, §  17 Rn.  8; Voigt, Funktion mittelbaren Besitzes, S.  78 ff.; ebenso MünchKomm-BGB/Joost, §  868 Rn.  15, der allerdings nicht auf den Aspekt der Sachherrschaft, sondern den des Besitzes „auf Zeit“ abstellt; a. A. (und von seiner Haltung zum Wesen des mittelbaren Besitzes aus konsequent) Wieling, Sachenrecht, S.  231 ff.; ders., AcP 184 (1984), 439, 445 ff.; dem folgend Brand, ZBB 2015, 40, 44 f. 113 Staudinger/Gutzeit (2012), BGB, §  871 Rn.  2 . 114  BGHZ 10, 81, 87. 115  Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, §  17 Rn.  8. 116 MünchKomm-BGB/Joost, §  868 Rn.  16; Soergel/Stadler, BGB, §  868 Rn.  10. 117  BGHZ 85, 263, 265; BGH, NJW 2005, 359, 364 – FlowTex; BGH, NJW 1955, 499; MünchKomm-BGB/Joost, §  868 Rn.  15; Palandt/Herrler, BGB, §  868 Rn.  6/7; Soergel/Stadler, BGB, §  868

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Überprüft man anhand dieser Merkmale die hergebrachte Annahme, bei der Girosammelverwahrung einzelverbriefender Wertpapiere bestehe gestufter mittelbarer Mitbesitz, so ergeben sich insoweit keine Bedenken, als zwischen der Clearstream Banking AG und den Giroteilnehmern sowie zwischen den Giroteilnehmern und deren Kunden jeweils konkrete Rechtsverhältnisse in Form von Depotverträgen bestehen, aus denen sich das Recht zum Besitz der Wertpapiere und die Pflicht zu ihrer Verwahrung und Verwaltung ableitet. Nicht zweifelhaft ist weiter, daß die Clear­ stream Banking AG und die Giroteilnehmer die Bestände ihrer jeweiligen Kunden mit Fremdbesitzerwillen verwahren. Daß die Clearstream Banking AG als unmittelbare Fremdbesitzerin der Wertpapiere keine Kenntnis darüber hat, ob die Giroteilnehmer die Bestände für sich selbst oder für ihre Kunden halten und wer diese Kunden sind, ist unschädlich118. c)  Auslieferungsansprüche des Depotkunden Der Streit über die Tragfähigkeit der Besitzkonstruktion dreht sich denn auch ausschließlich um die Frage, ob den Anlegern und Giroteilnehmern ein Herausgabeanspruch gegen ihren jeweiligen Besitzmittler zusteht, wie die h. M. dies verlangt. aa)  §  7 DepotG (1)  Dogmatische Einordnung Nach hergebrachter Ansicht ergibt sich dieser Herausgabeanspruch aus §  7 Abs.  1 DepotG119. Danach kann der Hinterleger verlangen, daß ihm aus dem Sammelbestand Wertpapiere in Höhe des Nennbetrags, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag in Höhe der Stückzahl der für ihn in Verwahrung genommenen Wertpapiere ausgeliefert werden; die von ihm eingelieferten Stücke kann er nicht zurückfordern. Dogmatisch handelt es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch aus dem Depotvertrag, der eine Abwandlung des Rückforderungsrechts des Hinterlegers gemäß §  695 BGB darstellt und an die Stelle des Anspruchs des Teilhabers auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft gemäß §  749 Abs.  1 BGB tritt120. Daraus lassen sich zwei für die folgenden Überlegungen wichtige Aussagen ableiten121: Zum einen setzt der AuslieRn.  10; Staudinger/Gutzeit (2012), BGB, §  868 Rn.  16; Baur/Stürner, Sachenrecht, §  7 Rn.  45. Grundsatzkritik an dieser Aufassung bei Bömer, Besitzmittlungswille und mittelbarer Besitz, passim, der den mittelbaren Besitz als objektives Zuordnungsverhältnis von Besitzfolgen begreift. 118  Vgl. MünchKomm-BGB/Joost, §  871 Rn.  2; Staudinger/Gutzeit (2012), BGB, §  871 Rn.  2 . 119  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.   2021a, 2125; Apfelbaum, Verpfändung, S.  59; Dechamps, Wertrechte, S.  40; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  122 ff.; Eder, NZG 2004, 107, 110 f.; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  13. Insoweit zustimmend Habersack/Mayer, WM 2000, 1687, 1680. 120  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2119; Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  25 (S.  165 f.); Kümpel, WM 1980, 422, 432. In der Formulierung abweichend Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  1, wonach der Aufhebungsanspruch des Miteigentümers gemäß §  749 Abs.  1 BGB durch §  7 Abs.  1 DepotG abgewandelt wird. 121 Siehe Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2119; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  4; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §  406 Rn.  289.

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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ferungsanspruch aus §  7 Abs.  1 DepotG einen wirksamen Depotvertrag voraus. Ob der Hinterleger zugleich Miteigentümer der Wertpapiere ist, ist ohne Belang, und es spielt auch keine Rolle, ob seine Beteiligung am Sammelbestand durch tatsächliche Einlieferung von Urkunden oder durch Übertragung eines Miteigentumsanteils zustande gekommen ist122 . Zum anderen richtet sich dieser Anspruch ausschließlich gegen den Vertragspartner des Hinterlegers, d. h. den depotführenden Verwahrer. Bei der Girosammelverwahrung besteht folglich eine „Anspruchskette“123: Möchte ein Anleger seinen Wertpapierbestand ganz oder teilweise aus dem Effektengirosy­ stem herausnehmen, hat er sein Auslieferungsbegehren an seine Depotbank zu richten, die dann ihrerseits der Clearstream einen entsprechenden Auslieferungsauftrag zu erteilen hat124 . Mit der Auslieferung der Wertpapiere aus der Girosammelverwahrung wandelt sich das Miteigentum an diesen Papieren in Alleineigentum des bisherigen Miteigentümers um125. (2)  Einseles Kritik Im älteren Schrifttum wurde zwar mitunter die hochgradige Künstlichkeit der mithilfe dieses Auslieferungsanspruchs gestützten Besitzkonstruktion bemängelt126, deren Tragfähigkeit jedoch nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. So blieb es Einsele vorbehalten, in ihrer 1995 erschienenen Habilitationsschrift127 und einer Reihe von Folgebeiträgen128 die ersten fundamentalen Einwände gegen diese Konstruktion vorzubringen. Nach Einseles Auffassung läßt sich der für die Annahme eines Besitzmittlungsverhältnisses erforderliche Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers gegen den Besitzmittler nicht aus §  7 Abs.  1 DepotG ableiten. Einseles Argumentation beruht auf der Prämisse, daß sich bei der Übereignung nach §§  929, 931 BGB der abgetretene Herausgabeanspruch auf den zu übereignenden Gegenstand beziehen muß129. Der Auslieferungsanspruch nach §  7 Abs.  1 DepotG sei jedoch nicht dazu geeignet, die erforderliche Korrelation zwischen dem Miteigentumsrecht des Depot­ inhabers und dem Gegenstand seines Herausgabeanspruchs herzustellen, denn er beziehe sich nicht auf den Miteigentumsanteil, sondern auf einzelne, bislang noch nicht individualisierte Urkunden in Höhe der dem Hinterleger zustehenden Menge. Der Auslieferungsanspruch ähnele insofern dem auf die Rückgewähr von Sachen gleicher Art, Güte und Menge gerichteten Anspruch des Hinterlegers bei der unregelmäßigen Verwahrung (§  700 Abs.  1 Satz  2 und 3 BGB bzw. für Wertpapiere §  15 122 

Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  2/3. Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  86. 124  Ziffer X AGB-CBF. 125  So in Weiterentwicklung von §  6 Abs.  1 DepotG Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  65; Canaris, Bankvertragsrecht Rn.  2123. 126  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2022. 127  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  80 ff. 128 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  93; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht, §  9 Rn.  18; dies., WM 2001, 7, 11. 129  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  80 unter Hinweis auf RGZ 69, 36, 43. 123 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Abs.  1 DepotG), der kein Besitzmittlungsverhältnis zwischen den Vertragsparteien begründen könne130. Einsele greift mit ihrer Kritik einen bereits in den 1970er Jahren von Koller erhobenen Einwand auf, geht aber in ihren Schlußfolgerungen darüber hinaus. Auch Koller meint, daß ein Anspruch auf Auslieferung bislang noch nicht individualisierter Wertpapiere keinen mittelbaren Besitz zu begründen vermag. Doch werde die dafür notwendige Sachherrschaft durch das Recht der mit der Wertpapiersammelbank depotvertraglich verbundenen Hinterleger begründet, unter bestimmten Umständen, etwa im Fall der Auflösung der Wertpapiersammelbank oder ihrer Funktionsunfähigkeit, gemeinsam die Herausgabe des Sammelbestandes an alle mittelbaren Mitbesitzer oder einen von ihnen benannten neuen Besitzmittler zu fordern131. Einsele hält diesen Stützungsversuch nicht für überzeugend. Der von Koller herangezogene Kollektivanspruch sei kein für eine Eigentumsübertragung nach §  931 BGB geeigneter Herausgabeanspruch, weil auch er nicht das besitzrechtliche Pendant zum Miteigentum darstelle. Entweder habe der Miteigentümer einen Anspruch auf Einräumung von unmittelbarem Mitbesitz an der im Miteigentum stehenden Sache, oder er könne eigenständig einen Anspruch nach den §§  1011, 432 BGB auf Herausgabe der ganzen Sache an alle Miteigentümer geltend machen, ohne auf die Mitwirkung der übrigen Miteigentümer angewiesen zu sein. Der mittelbare Mitbesitz eines Miteigentümers sei aber nicht in der Weise beschränkt oder beschränkbar, daß alle Miteigentümer gemeinsam die Herausgabe der Sache an alle fordern müßten. Dies sei auch praktisch schwer vorstellbar, zumal dann, wenn ein Miteigentümer seine Mitwirkung verweigert132 . Damit kommt Einsele schon für den Fall der Sammelverwahrung von Ein­zel­ urkunden zu dem Ergebnis, daß ein mittelbarer Mitbesitz der Hinterleger an den Wertpapieren mangels Herausgabeanspruchs nicht besteht133. Einseles und Kollers Argumentation ist schon im Ansatz methodisch angreifbar. Beide lassen außer Acht, daß der Gesetzgeber mit den §§  5 bis 8 DepotG Sondervorschriften über die Sammelverwahrung geschaffen hat, die nicht ohne weiteres an allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen gemessen werden dürfen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Schöpfer des Depotgesetzes 1937 ausgerechnet für diese Verwahrform von dem allgemeinen verwahrungsrechtlichen und auch bei der Sonderverwahrung (§  2 DepotG) selbstverständlichen Grundsatz des mittelbaren Besitzes des Hinterlegers abrücken wollten. Im Gegenteil ging ihre Absicht dahin, die Rechtslage bei der Sammelverwahrung so weit wie möglich derjenigen bei der Sonderverwahrung anzugleichen. Sie wollten den Anlegern eine insolvenzsichere Rechtsstellung verschaffen und die Anwendung der sachenrechtlichen Verfügungstatbestände einschließlich der Bestimmungen über den gutgläubigen Erwerb ermög130 

Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  84 f. Koller, DB 1972, 1857, 1861; dem im Grundsatz folgend Wust, Verbuchung, S.  138 f. 132 Eingehend Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  85 ff. 133  So wohl auch – mit allerdings kaum nachvollziehbarer Argumentation – Düring, Eigentumsübertragung an depotverwahrten Wertpapieren, S.  111. 131 

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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lichen, was notwendigerweise den Besitz der Anleger an den Wertpapieren voraussetzt. Diesen Willen hat der Gesetzgeber in der Folge mehrfach bestätigt, insbesondere im Zuge der bereits erwähnten Depotgesetznovelle 1972 und der Neuordnung des Schuldbuchrechts durch das Bundeswertpapierverwaltungsgesetz134 . Aus einer Zusammenschau der §§  6 Abs.  1 und 7 Abs.  1 DepotG ist daher zu schließen, daß die Anleger als Miteigentümer und mittelbare Mitbesitzer des Sammelbestandes anzusehen sind135. Dagegen läßt sich auch nicht der von Einsele gezogene Vergleich zur unregelmäßigen Verwahrung anführen. Denn in §  15 Abs.  1 stellt das DepotG klar, daß die dem Schutz des Hinterlegers dienenden §§  2 bis 17a DepotG auf diese Form der Verwahrung gerade nicht anzuwenden sind. Der Umstand, daß der Hinterleger bei der unregelmäßigen Verwahrung mit einem schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr von Wertpapieren derselben Art zurückbleibt, der anerkanntermaßen kein Besitzmittlungsverhältnis zu begründen vermag, läßt angesichts der auch vom DepotG betonten Unterschiede zwischen den Verwahrformen keinerlei Rückschlüsse auf die Besitzlage bei der Sammelverwahrung zu136. Abgesehen davon trifft es nicht zu, daß der Auslieferungsanspruch des §  7 Abs.  1 DepotG „weder mit der Struktur des mittelbaren Besitzes noch mit dem Wesen des Mitbesitzes vereinbar“ ist137. Richtig ist sicherlich, daß dieser Anspruch, da nicht auf bestimmte Urkunden bezogen, nicht einer konsequenten Umsetzung der Dogmatik des mittelbaren Besitzes entspricht138. Denn mit dem Rationalisierungszweck der Sammelverwahrung wäre es unvereinbar, wenn ein Hinterleger die Auslieferung genau jener Stücke verlangen könnte, die er eingeliefert hat. Aus der Tatsache, daß der Hinterleger jederzeit die Auslieferung effektiver Stücke in der ihm gebührenden Menge verlangen kann, ergibt sich aber, daß der Verwahrer den Sammelbestand nur „auf Zeit“ besitzt, wie §  868 BGB dies verlangt. Das allgemeine sachenrechtliche Prinzip, wonach ein Besitzmittlungsverhältnis einen auf eine bestimmte Sache bezogenen Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers voraussetzt, wird bei der Sammelverwahrung durch §  7 Abs.  1 DepotG modifiziert, aber nicht vollständig aufgegeben. Es gilt der von Opitz so bezeichnete „Grundsatz der gelockerten Identität“ zwischen Eigentums- und Besitzobjekt einerseits und Herausgabeanspruch andererseits139. Der Einwand, dieser Grundsatz sei „dogmatisch nicht haltbar“140, ist seinerseits dogmatisch fragwürdig, weil er verkennt, daß der Gesetzgeber die §§  868 ff. BGB durch die Sonderregeln des Depotgesetzes überlagert sehen will. Alles 134 

Siehe die RegBegr. in BT-Drucks. 14/7010, S.  15 f. Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  13. 136  Apfelbaum, Verpfändung, S.  59. 137 So Koller, DB 1972, 1857, 1861. 138  Apfelbaum, Verpfändung, S.  57; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680. 139  Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  25 (S.  166). Zu formalistisch Wust, Verbuchung, S.  136 f., der diesen Grundsatz als dogmatisch nicht haltbar bezeichnet. Nicht überzeugend auch Micheler, Wertpapierrecht, S.  178 f., derzufolge das Depotgesetz die Rechte der Eigentümer sammelverwahrter Wertpapiere vollständig von ihrer Rechtsbeziehung zu den verwahrten Papierdokumenten ablöst. 140  Wust, Verbuchung, S.  137. 135 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

in allem also sprechen die überzeugenderen Gründe für die Annahme, daß der depotvertragliche Auslieferungsanspruch des Hinterlegers aus §  7 Abs.  1 DepotG sehr wohl zur Begründung mittelbaren Besitzes des Depotkunden geeignet ist141. bb)  §  7 DepotG i. V. m. §§  546 Abs.  2, 604 Abs.  4 BGB analog Ein großer Teil des Schrifttums ist der Ansicht, ein Depotkunde könne den Auslieferungsanspruch aus §  7 Abs.  1 DepotG analog §§  546 Abs.  2142 , 604 Abs.  4 BGB auch direkt gegenüber dem Drittverwahrer geltend machen143. Soweit für diese Ansicht überhaupt eine Begründung gegeben wird, erschöpft diese sich regelmäßig in einem Hinweis auf die Rechtslage beim gewöhnlichen Verwahrungsvertrag144, wo die entsprechende Anwendung der §§  546 Abs.  2, 604 Abs.  4 BGB in der Tat anerkannt ist145. Die Situation bei der Überlassung einer gemieteten oder geliehenen Sache an einen Dritten läßt sich aber nicht mit der Situation bei der Girosammelverwahrung vergleichen. Ein wesentlicher Unterschied besteht zunächst darin, daß ein Mieter bzw. Entleiher einem Dritten den Gebrauch der Sache nur mit Zustimmung des Vermieters bzw. Verleihers überlassen darf (vgl. §§  540 Abs.  1 Satz  1, 603 Satz  2 BGB), während es einem Verwahrer kraft Gesetzes gestattet ist, die Wertpapiere unter seinem Namen einem anderen Verwahrer zur Verwahrung anzuvertrauen (§  3 Abs.  1 Satz  1 DepotG). Schon aus diesem Grund läßt sich kaum behaupten, daß das Schutzbedürfnis eines Wertpapieranlegers demjenigen eines Vermieters oder Verleihers entspricht146. Das gilt um so mehr, als die Überführung von Wertpapieren in die Sammelverwahrung anders als die Vermietung oder Verleihung einer Sache mit dem Verlust des Alleineigentums und der kompensatorischen Zuweisung eines Miteigentumsrechts verbunden ist147. Gewichtiger ist jedoch ein weiterer, erstmals von Zöllner formulierter Einwand: Die Annahme von Direktansprüchen der einzelnen Anleger gegen die Wertpapiersammelbank wäre kaum mit der hierarchischen Stufung der Verwahrpyramide und 141 Ebenso Apfelbaum, Verpfändung, S.  57 ff.; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  124; Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  415 f.; Reitz, Börsengeschäfte, S.  189 ff.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  199 ff.; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  13; Eder, NZG 2004, 107, 111; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680. 142  §  556 Abs.  2 BGB a. F. 143  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2163; Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  25 (S.  166 f.); Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.103; Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  184; Apfelbaum, Verpfändung, S.  63 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.84; Eder, NZG 2004, 107, 110; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 205; wohl auch Horn, WM Sonderbeilage 2/2002, S.  8. 144  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2163; Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  25 (S.  166 f.). 145  Siehe statt vieler Palandt/Sprau, BGB, §  691 Rn.  1. 146  In diese Richtung auch Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  4, wonach die Annahme eines Direktanspruchs „in ihrem Schutzbemühen über den Rahmen der gesetzlichen Regelung hinausschießt“. 147  Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  29.

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dem Rationalisierungszweck der Girosammelverwahrung zu vereinbaren148. Aus dem Verwahrungsbuch der Wertpapiersammelbank gehen ausschließlich die Depotbestände der Giroteilnehmer hervor. Ein Anleger, der die Auslieferung von Wertpapieren verlangt, müßte seine Berechtigung daher auf andere Art und Weise nachweisen. Praktisch unmöglich wäre dieser Nachweis zwar nicht. Man könnte z. B. daran denken, vom Anleger die Vorlage einer aktuellen Depotbescheinigung seiner Bank zu verlangen. Bei dieser Argumentation geriete allerdings aus dem Blick, daß die Wertpapiersammelbank nur mit einer begrenzten Anzahl von Kunden, nämlich den im Depotgeschäft tätigen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten zu tun haben will149. Im übrigen würde ein schuldrechtlicher Auslieferungsanspruch unmittelbar gegen die Wertpapiersammelbank nach dem eindeutigen Wortlaut der §§  546 Abs.  2, 604 Abs.  4 BGB die Beendigung des Verwahrungsverhältnisses zur Depotbank voraussetzen150. Ob das zu §  7 DepotG paßt, erscheint zweifelhaft, wenn man bedenkt, daß der Hinterleger nach dieser Vorschrift auch die Umlegung der Wertpapiere in ein Streifbanddepot verlangen, d. h. den Auslieferungsanspruch in einer Weise geltend machen kann, daß das Verwahrungsverhältnis fortbesteht151. Abgesehen von diesen grundsätzlichen Einwänden wäre ein Direktanspruch des einzelnen Anlegers gegen die Wertpapiersammelbank aus §  7 Abs.  1 DepotG i. V. m. §§  546 Abs.  2, 604 Abs.  4 BGB analog auch gar nicht geeignet, die These vom mittelbaren Mitbesitz des Anlegers zu stützen. Denn weder besteht zwischen dem Anleger und der Wertpapiersammelbank ein konkretes Rechtsverhältnis, das die Wertpapiersammelbank „auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet“ (vgl. §   868 BGB)152 , noch kann angesichts der hierarchischen Stufung der Verwahrpyramide von einem entsprechenden Besitzmittlungswillen der Wertpapiersammelbank ausgegangen werden153. Einsele meint zwar, der Wertpapiersammelbank einen „generellen Willen“ zur Befriedigung der Auslieferungsansprüche des Eigentümers unterstellen zu können154 . Ob ein solcher „genereller Wille“ genügt, ist aber mehr als fraglich. Im übrigen sprechen die Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG

148 Treffend Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 264 f.; zustimmend MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  84; dies., Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  78; dies., WM 2001, 7, 11; Düring, Eigentumsübergang, S.  115 f.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  233 ff.; Wust, Verbuchung, S.  129. 149  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  78. 150  Siehe denn auch Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/15 und Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.84, nach denen in der Erhebung des Auslieferungsanspruchs zugleich die Kündigung des Depotverhältnisses liegt. Insoweit auch Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.104, die allerdings fälschlicherweise davon ausgeht, daß sich der Rückforderungsanspruch aus §§  546 Abs.  2, 604 Abs.  4 BGB analog gegen die Depotbank als Zwischenverwahrer richtet. 151  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  11. 152  Apfelbaum, Verpfändung, S.  6 4 f. 153  Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 265; siehe auch Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs, S.  52; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  10. 154  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  78.

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gerade nicht für die Annahme, daß sich deren Besitzmittlungswille auch auf die einzelnen Anleger erstreckt155. cc)  §  8 DepotG Mitunter wird behauptet, daß sich der zur Begründung mittelbaren Besitzes erforderliche Herausgabeanspruch auch aus §  8 DepotG ergibt156. (1)  Zweck und Anwendungsbereich §  8 DepotG ordnet an, daß die für Ansprüche des Hinterlegers geltenden Vorschriften des §  6 Abs.  2 Satz  1 und des §  7 DepotG sinngemäß auf Ansprüche eines jeden Miteigentümers oder sonst dinglich Berechtigten anzuwenden sind. Damit die Sammelverwahrung den ihr zugedachten Rationalisierungszweck erfüllen kann, muß sichergestellt sein, daß ein Miteigentümer oder sonst dinglich Berechtigter – unter diesen Begriff fällt in erster Linie der Pfandnehmer – etwaige Herausgabeansprüche nur mit den gleichen Modifikationen geltend machen kann wie ein Hinterleger den depotvertraglichen Auslieferungsanspruch aus §  7 Abs.  1 DepotG. Dementsprechend soll §  8 DepotG gewährleisten, „daß auch außerhalb schuldrechtlicher Verwahrungsverhältnisse keine Ansprüche dinglicher Natur zur Entstehung gelangen, die im Hinblick auf den Verpflichteten (Sammelverwahrer) als auch im Hinblick auf den Anspruchsumfang (vgl. §  7 Abs.  2) den besonderen gesetzlichen Rahmen des Sammeldepotverhältnisses sprengen“157. Ausweislich der Materialien wollte der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung vor allem Fälle erfassen, in denen es sich beim Hinterleger und Miteigentümer um verschiedene Personen handelt. So hatte er zum einen den Fall vor Augen, daß ein Hinterleger ihm nicht gehörende Wertpapiere zur Sammelverwahrung einliefert mit der Folge, daß nach §  6 Abs.  1 Satz  1 DepotG das Miteigentum in der Person des bisherigen Eigentümers entsteht; und zum anderen den Fall, daß ein Hinterleger, der zunächst als Eigentümer der Stücke Miteigentümer am Sammelbestand geworden ist, sein Miteigentum später ohne Mitwirkung des Sammelverwahrers an einen Dritten veräußert158. Blickt man auf die Beispiele in der Kommentarliteratur, reicht die praktische Relevanz von §  8 DepotG freilich weiter. So soll die Bestimmung auch für den Fall von Bedeutung sein, daß über die eingelieferten Wertpapiere überhaupt kein Verwahrungsvertrag geschlossen wurde oder dieser Vertrag nichtig ist, ferner für den Fall, daß ein Hinterleger aufgrund seines Miteigentums einen Herausgabean155  Siehe etwa Ziffer IX Abs.  4 AGB-CBF, wonach CBF durch die Erteilung der GS-Gutschrift ein Besitzmittlungsverhältnis (nur) „mit dem Kunden“ begründet. 156  Eder, NZG 2004, 107, 110 f.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680; Horn, WM-Sonderbeilage Nr.  2/2002, S.  13. 157  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  8 Rn.  1. 158  Siehe die Begr. zu §  8 DepotG (abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  151), wonach derartige Fälle in der früheren Praxis häufig vorgekommen sein sollen.

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spruch unmittelbar gegen den Drittverwahrer geltend macht159. Ob mit diesen Beispielen tatsächlich die wichtigsten Anwendungsfälle des §  8 DepotG genannt sind, sei dahingestellt. Jedenfalls ist zu unterstreichen, daß diese Bestimmung nach ihrem Wortlaut (Ansprüche eines „jeden“ Miteigentümers oder sonst dinglich Berechtigten) sämtliche Konstellationen umfaßt, in denen jemand aufgrund eines dinglichen Rechts die Auslieferung von Wertpapieren aus dem Sammelbestand verlangt. Ob der Miteigentümer zugleich Hinterleger ist und als solcher nach §  7 Abs.  1 DepotG die Auslieferung von Wertpapieren verlangen kann, spielt keine Rolle160. (2)  Dogmatische Einordnung Bereitet es somit keine größeren Schwierigkeiten, den Zweck und Anwendungsbereich des §  8 DepotG zu erschließen, so gilt das Gegenteil für die dogmatische Einordnung dieser Vorschrift. Das Meinungsbild im Schrifttum ist unübersichtlich, und auch die Rechtsprechung hat es bislang – wohl auch mangels passender Gelegenheit – nicht vermocht, der Vorschrift scharfe Konturen zu verleihen161. Um Klarheit zu gewinnen, sollte man sich zunächst vor Augen halten, daß §  8 DepotG Ansprüche nicht gewährt, sondern voraussetzt162 . Der Wortlaut und die Materialien sind in dieser Hinsicht eindeutig163. Aus diesem Grund ist es zumindest ungenau, wenn im Schrifttum ständig von den „Ansprüchen aus §§  7, 8 DepotG“ gesprochen wird164 . Erst recht geht es nicht an, §  8 DepotG als eigenständige Anspruchsgrundlage aufzufassen, zumal diese Bestimmung weder Aufschluß über die Natur des Auslieferungsanspruchs noch über den Anspruchsgegner gibt. Einsele vermag denn auch nicht überzeugend zu begründen, weshalb es sich bei §  8 DepotG um einen schuldrechtlichen Auslieferungsanspruch handeln soll, der eine Modifikation des Anspruchs des Miteigentümers auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft gemäß §§  741 ff. BGB darstellt und sich „nur gegen den Verwahrer, nicht aber gegen den Drittverwahrer“ richtet165. Bei dieser Ansicht bleibt vor allem im dunkeln, in welchem Schuldverhältnis der Auslieferungsanspruch eigentlich seine Grundlage 159 

Quassowski/Schröder, Bankdepotgesetz, §  8 Anm.  2; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  8 Rn.  4. Quassowski/Schröder, Bankdepotgesetz, §  8 Anm.  2; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  8 Rn.  3. 161  Siehe BGHZ 161, 189, 191, wo undifferenziert von einem „gesetzlichen“ Herausgabeanspruch „gemäß §§  7, 8 DepotG bzw. §  695 Satz  1, §  985 BGB“ die Rede ist; nicht weiterführend auch OLG Köln, ZIP 2004, 1703, 1704. 162  Erfreulich klar schon Quassowski/Schröder, Bankdepotgesetz, §  8 Anm.  1; ferner Heinsius/ Horn/Than, DepotG, §  8 Rn.  1; Philipp, WM 1965, 214, 219; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  123. 163  Siehe die Begr. zu §  8 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  151. 164  Siehe etwa Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  57; Eder, NZG 2004, 107, 111; Haber­ sack/Mayer, WM 2000, 1678, 1679 f.; Koller, DB 1972, 1857, 1861. Unklar auch Düring, Eigentumsübergang, S.  110, die von einem dinglichen Auslieferungsanspruch des „Hinterlegers“ spricht. 165 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  86; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht, §  9 Rn.  16; dem folgend Wust, Verbuchung, S.  132. Vom „Auslieferungsanspruch gemäß §  8 DepotG“ spricht auch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2120, der diese Bestimmung als Ersatz für den Anspruch auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft nach §§  749 ff. BGB und als sachgemäße Abwandlung des dinglichen Herausgabeanspruchs gemäß §  985 BGB begreift. Siehe ferner Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550 („dinglicher Herausgabeanspruch“). 160 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

hat. Der Anspruch des Miteigentümers auf Aufhebung der Gemeinschaft gemäß §  749 Abs.  1 BGB wurzelt an sich in der Bruchteilsgemeinschaft der Miteigentümer als Sonderverbindung166 und richtet sich folglich gegen die anderen Teilhaber167. Da Einsele „den Verwahrer“ für den richtigen Anspruchsgegner hält und damit ausdrücklich nicht den Drittverwahrer als unmittelbarem Besitzer der Wertpapiere meint, scheint sie die Grundlage des schuldrechtlichen Auslieferungsanspruchs hingegen im Depotvertrag zwischen Hinterleger und Verwahrer zu sehen. Das verträgt sich aber nicht mit der Tatsache, daß §  8 DepotG auch die Fälle abdecken soll, in denen der dinglich Berechtigte nicht zugleich der Hinterleger, d. h. mit dem auf Auslieferung in Anspruch genommenen Verwahrer gerade nicht durch einen wirksamen Depotvertrag verbunden ist. Es sind also im Anwendungsbereich dieser Bestimmung durchaus Konstellationen denkbar, in denen es „den“ Zwischenverwahrer aus Sicht des dinglich Berechtigten gar nicht gibt168. (3)  Herausgabeansprüche des Miteigentümers Die Frage kann also nur lauten, um welche allgemeinen, außerdepotgesetzlichen Ansprüche es bei §  8 DepotG geht und wie diese Ansprüche durch diese Bestimmung modifiziert werden. Insoweit könnte man zunächst an §  1011 i. V. m. §§  985, 432 Abs.  1 BGB denken, wonach jeder Miteigentümer berechtigt ist, im Wege der gesetzlichen Prozeßstandschaft die Herausgabe der Sache an alle Miteigentümer zu verlangen. Doch geht es in den hier interessierenden Konstellationen gerade nicht um die Herausgabe des ungeteilten Sammelbestandes an die gesamte Depotgemeinschaft, sondern um die Auslieferung einer bestimmten Zahl von Urkunden an einen bestimmten Miteigentümer, d. h. um die ausschließlich im Eigeninteresse des Miteigentümers liegende Geltendmachung von Rechten aus dem Eigentumsbruchteil, die von §  1011 BGB nicht erfaßt wird169. Wer untersucht, ob diese Vorschrift durch §  8 DepotG modifiziert oder verdrängt wird, forscht am falschen Objekt, weil beide Regelungen genau genommen nichts miteinander zu tun haben. Die Behauptung, der

166  Zur umstrittenen Einordnung der Bruchteilsgemeinschaft als gesetzliches Schuldverhältnis siehe MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  741 Rn.  34/35 m. w. N. 167 MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  749 Rn.  18. 168  Man nehme etwa den eingangs erwähnten Fall, daß ein Hinterleger seine Depotwerte an seiner Depotbank und dem Zentralverwahrer vorbei auf einen Dritten überträgt (z. B. gemäß §§  398, 413 BGB mit der Folge, daß das Miteigentum an den Urkunden entsprechend §  952 Abs.  2 BGB auf den Erwerber übergeht). Möchte nun dieser Erwerber seine Titel aus dem Effektengirosy­ stem herausnehmen, so leuchtet jedenfalls nicht auf Anhieb ein, weshalb er dieses Begehren ausschließlich bei der Depotbank des Veräußerers sollte geltend machen können und weshalb diese Bank verpflichtet sein sollte, sich um die Herausgabe von Urkunden an eine ihr unbekannte Person zu kümmern. 169 Vgl. Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  30 (S.  170 f.) und in allgemeinerem Zusammenhang MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  1011 Rn.  1, 4.

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Anspruch aus §  1011 i. V. m. §§  985, 432 Abs.  1 BGB könne nur nach Maßgabe der §§  7, 8 DepotG geltend gemacht werden170, ist jedenfalls schief171. Schon eher liegt es nahe, in §  8 DepotG eine Modifikation des §  749 Abs.  1 BGB zu sehen, der jedem Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft das Recht gibt, jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen172 . Insoweit ist zweierlei zu bedenken: Zum einen ist für das Prinzip der jederzeitigen Aufhebbarkeit der Bruchteilsgemeinschaft im ganzen bei der Sammelverwahrung kein Platz. Der Anspruch, den §  8 DepotG vor Augen hat, hat demgemäß einen anderen Inhalt als der Aufhebungsanspruch des Teilhabers. Er ist auf die Herausgabe einer bestimmten Menge von Wertpapieren gerichtet, nicht auf die vollständige Teilung der Miteigentumsgemeinschaft in Natur (§  752 BGB). Zum anderen paßt §  749 Abs.  1 BGB auch im Hinblick auf den Anspruchsgegner nicht. Denn zur Debatte steht hier nicht eine Auslieferungspflicht der anderen Teilhaber, sondern die Auslieferungspflicht eines Verwahrers. Von §  749 Abs.  1 BGB in seiner ursprünglichen Gestalt bliebe damit nicht mehr übrig als das Recht des Miteigentümers, jederzeit seine Zugehörigkeit zur Depotgemeinschaft zu beenden. Wer gleichwohl an der Auffassung festhält, der Aufhebungsanspruch des Teilhabers werde durch §  8 DepotG lediglich abgewandelt und nicht vollständig verdrängt, muß sich mit der vom Gesetz nicht einmal andeutungsweise beantworteten Frage auseinandersetzen, welchen Verwahrer der Miteigentümer auf Auslieferung von Wertpapieren in Anspruch nehmen kann. Das Schrifttum geht, sofern es sich mit dieser Frage überhaupt befaßt, allgemein davon aus, daß der Auslieferungsanspruch sich unmittelbar gegen die Wertpapiersammelbank richtet, die insoweit kraft Gesetzes als Repräsentantin aller Miteigentümer fungiere173. Schließlich fehlt es nicht an Stimmen, die §  8 DepotG als Modifikation des dinglichen Herausgabeanspruchs des Eigentümers aus §  985 BGB auffassen174 . Einige behaupten sogar, ein Hinterleger könne, statt von seiner Depotbank nach §  7 Abs.  1 170  So LG München, WM 1951, 296, 298; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 205 (mit unzutreffendem Verweis auf Kümpel und Einsele in Fn.  48). 171  Insoweit wie hier MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  86. Ob jeder Miteigentümer in dem (theoretischen) Fall, daß sich der Sammelbestand bei einem Dritten befindet, auf der Grundlage des §  1011 i. V. m. §§  985, 432 BGB die Herausgabe an die Depotgemeinschaft oder die Wertpapiersammelbank verlangen kann, steht auf einem anderen Blatt; bejahend LG München, a. a. O.; Kümpel, WM 1980, 422, 430, 432. 172  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   8 Rn.   1/2; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §   406 Rn.  285, 292; Philipp, WM 1965, 214, 219; siehe ferner Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  123. Unentschieden Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  88, wonach es sich bei dem „Anspruch“ aus §  8 DepotG einerseits um den depotrechtlich umgestalteten Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft, andererseits um eine besondere Ausprägung des dinglichen Herausgabeanspruchs gemäß §  985 BGB handeln soll. 173  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  8 Rn.  4; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §  4 06 Rn.  292; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  88; Philipp, WM 1965, 214, 219. 174  Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  19 (S.  161) und Anm.  30 (S.  170 f.); Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.103; Kümpel/Decker, Depotrecht, Rn.  8/52a; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  193; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  8; Geier, BKR 2010, 144, 149 in Fn.  51.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

DepotG die Auslieferung von Wertpapieren zu verlangen, sich unter Hinweis auf seine Miteigentümerstellung auch direkt an die Wertpapiersammelbank wenden175. Daran ist im Ansatz richtig, daß sich grundsätzlich jeder unberechtigte Besitzer die Vindikation gefallen lassen muß, der unmittelbare genauso wie der mittelbare176. Solange aber zwischen dem Hinterleger und seiner Bank ein wirksamer Depotvertrag besteht, aufgrund dessen die Bank dem Hinterleger gegenüber zum Besitz der Wertpapiere berechtigt ist, kann die Wertpapiersammelbank dem auf §  985 BGB gestützten Auslieferungsverlangen des Hinterlegers ein von diesem Vertrag abgeleitetes eigenes Recht zum Besitz entgegenhalten (§  986 Abs.  1 Satz  1 2. Alt. BGB). Dem bereits erwähnten Interesse der Wertpapiersammelbank, im Regelfall nur Auslieferungswünschen des Zwischenverwahrers als ihrem Vertragspartner entsprechen zu müssen, ist damit vollständig Genüge getan177. Praktische Relevanz dürfte §  8 DepotG damit, wenn überhaupt, nur in den Fällen haben, in denen ein Miteigentümer, der nicht zugleich Hinterleger ist, den Herausgabeanspruch aus §  985 BGB geltend macht. Wie bereits erwähnt, scheint der Gesetzgeber denn auch vor allem an diese Fälle gedacht zu haben178. Daß der Anspruch aus §  985 BGB nur auf die Einräumung von Mitbesitz am gesamten Sammelbestand gerichtet sein könne und daher im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle spiele, wird man dieser Annahme nicht entgegenhalten können179. Denn bei den durch §  8 DepotG geregelten Fällen geht es gerade nicht um die Einräumung von Mitbesitz am Sammelbestand, sondern im Gegenteil um die Herausgabe einzelner Stücke aus dem Sammelbestand an den Miteigentümer oder sonst dinglich Berechtigten. (4)  Nochmals: Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes Der vorstehende Überblick über den Meinungsstand zur dogmatischen Einordnung des §  8 DepotG mag an dieser Stelle genügen. Denn bei allen Bemühungen, dieser rätselhaften Bestimmung auf den Grund zu gehen, darf man nicht aus den Augen verlieren, daß in einem mehrstöckigen „Besitzmittlungsgebäude“, wie es hier zur Überprüfung steht, jeder mittelbare Besitzer einen Herausgabeanspruch gegen sei­ nen Besitzmittler haben muß. Besitzkonstitut und Herausgabeanspruch müssen sich in der Weise entsprechen, daß sich beide gegen dieselbe Person richten180. Selbst 175  So ausdrücklich Apfelbaum, Verpfändung, S.  6 4 f., der §  8 DepotG freilich als eigenständige Anspruchsgrundlage versteht; wohl auch Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  31. Siehe auch Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  123, die meint, daß sich die von §  8 DepotG erfaßten Ansprüche als dingliche Ansprüche erga omnes richten, so daß der Anleger sie auch gegen die Wertpapiersammelbank erheben kann. Doch ist das ungenau: §  8 DepotG spricht nicht von „dinglichen Ansprüchen“, sondern von den Ansprüchen „dinglich Berechtigter“. 176 Das ist inzwischen nahezu unumstritten, siehe Staudinger/Gursky (2013), §   985 Rn.  43 m. w. N. 177  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/15 und 8/53; zust. Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  123. 178  Siehe nochmals die Begr. zu §  8 DepotG (abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  151), wo ausdrücklich vom „Herausgabeanspruch“ die Rede ist. 179 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  86. 180 Treffend Apfelbaum, Verpfändung, S.  65.

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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wenn man also davon ausginge, daß einem Anleger als Miteigentümer gemäß §  8 DepotG i. V. m. §  749 Abs.  1 BGB oder §  985 BGB ein Auslieferungsanspruch unmittelbar gegen die Wertpapiersammelbank zusteht, wäre ein solcher Anspruch gar nicht geeignet, die These vom gestuften mittelbaren Mitbesitz der Depotkunden zu stützen. Insofern gelten die gleichen Überlegungen wie für den – oben abgelehnten – schuldrechtlichen Auslieferungsanspruch gemäß §  7 Abs.  1 DepotG i. V. m. §§  546 Abs.  2, 604 Abs.  4 BGB analog. Soweit man hingegen davon ausginge, daß es bei §  8 DepotG zumindest auch um Herausgabeansprüche des Miteigentümers gegen den eigenen Verwahrer geht181, sprächen keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, auch diese Ansprüche nach dem die Girosammelverwahrung kennzeichnenden Grundsatz der „gelockerten Identität“ als zur Begründung mittelbaren Besitzes geeignet anzusehen182 . d) Ergebnis Damit ist im Ergebnis festzuhalten, daß gegen die hergebrachte Annahme, bei der Girosammelverwahrung einzelverbriefender Wertpapiere bestehe gestufter mittelbarer Mitbesitz der Anleger und Giroteilnehmer, keine durchschlagendenden dogmatischen Bedenken bestehen. Der zur Begründung mittelbaren Besitzes erforderliche Herausgabeanspruch des jeweiligen mittelbaren Besitzers gegen seinen Besitzmittler ergibt sich aus §  7 Abs.  1 DepotG.

2.  Sammelverwahrung von Dauerglobalurkunden Sind die Mitgliedschafts- bzw. Gläubigerrechte in einer Dauerglobalurkunde verbrieft, läßt sich das Bestehen von Herausgabeansprüchen entlang der Verwahrkette nicht mit §  7 Abs.  1 DepotG begründen. Denn bei der Dauerglobalurkunde ist der Anspruch auf die Ausgabe effektiver Stücke nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ausgeschlossen. §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG zieht daraus die Konsequenz, daß auch von der Wertpapiersammelbank die Auslieferung einzelner Wertpapiere nicht verlangt werden kann. Die Vertreter der hergebrachten Ansicht tun sich bei der Dauerglobalurkunde denn auch sichtlich schwer damit, eine tragfähige dogmatische Stütze für ihre Besitzkonstruktion zu finden.

181  Siehe etwa die Begr. zu §  7 DepotG (abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  150), wo es heißt, der Hinterleger habe, sofern er Miteigentümer ist, neben dem schuldrechtlichen Anspruch aus §  7 Abs.  1 DepotG noch „den aus dem Miteigentum folgenden Anspruch auf Herausgabe der ihm gebührenden Wertpapiere“. 182  Dagegen wiederum Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  8 4.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

a)  Anspruch auf Herausgabe der Urkunde? aa)  Herausgabeanspruch in Ausnahmesituationen? Das gilt zum Beispiel für Becker, der sich in seiner Dissertation als einer der ersten mit den Besitzverhältnissen bei der Verwahrung einer Dauerglobalurkunde befaßt hat. Ausgehend von der Prämisse, daß §  931 BGB und nicht §  929 Satz  1 BGB die Grundnorm der Rechtsübertragung im Effektengiroverkehr bildet, geht er der Frage nach, ob dieser Übertragungsmodus – Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs – auch bei der Dauerglobalurkunde zur Verfügung steht. Dabei weist er zunächst auf den anerkannten Lehrsatz hin, wonach das Bestehen von Einwendungen, die der unmittelbare Besitzer dem Herausgabebegehren des mittelbaren Besitzers entgegenzusetzen vermag, einer Übereignung nach §  931 BGB nicht entgegensteht, sofern diese Einwendungen sich jedenfalls theoretisch als überwindbar darstellen. Daran anknüpfend nennt Becker zwei Konstellationen, in denen trotz §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG ein Auslieferungsanspruch gegeben sein soll: Zum einen sei die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck nicht anwendbar, wenn eine einzige Person den gesamten in der Dauerglobalurkunde verbrieften Sammelbestand erworben habe. In diesem Fall könne der Alleininhaber die Auslieferung der Globalurkunde verlangen183. Zum anderen sei die Bestimmung bei Vorliegen besonders gravierender Umstände überwindbar, zum Beispiel bei schwerwiegenden Mängeln in der Durchführung des Verwahrverhältnisses oder bei wesentlichen, in absehbarer Zeit nicht zu beseitigenden Funktionsstörungen des Effektengiroverkehrs. In derartigen Ausnahmesituationen hätten die Depotkunden gegen den Emittenten und die Wertpapiersammelbank einen Anspruch darauf, daß ihnen durch die Auslieferung einzelner Wertpapiere die Aufhebung der Zwangsgemeinschaft ermöglicht wird184 . Beckers Begründungsansatz ähnelt der bereits erwähnten Lösung Kollers, wonach bei der Sammelverwahrung einzelverbriefender Wertpapiere die Giroteilnehmer das Recht behalten, im Fall der Auflösung oder Funktionsunfähigkeit der Wertpapiersammelbank gemeinsam die Herausgabe des Sammelbestandes an alle mittelbaren Besitzer oder einen von ihnen benannten Besitzmittler zu fordern185. Eine Stellungnahme zu Beckers Ansatz hat mit der Feststellung zu beginnen, daß der durch §  9 Abs.  3 Satz  2 DepotG angeordnete Anspruchsausschluß sich nur auf die Auslieferung von Einzelurkunden bezieht und nichts darüber aussagt, ob und unter welchen Voraussetzungen von der Wertpapiersammelbank die Herausgabe der Globalurkunde verlangt werden kann. Die gelegentlich aufgestellte Behauptung, daß §  9 Abs.  3 Satz  2 DepotG auch die Dauerglobalurkunde selbst meint, wenn er von „ein-

183  Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs, S.  53 f.; im Ansatz ebenso Reitz, Börsengeschäfte, S.  195. 184  Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs, S.  54 unter Verweis auf Heinsius/Horn/ Than, DepotG, §  9a Rn.  56. 185  Koller, DB 1972, 1857, 1861.

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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zelnen Wertpapieren“ spricht186, ist weder mit dem Wortlaut der Bestimmung, die ganz bewußt zwischen der „Sammelurkunde“ und „einzelnen Wertpapieren“ unterscheidet, noch mit ihrer Bezugnahme auf §  7 Abs.  1 DepotG zu vereinbaren187. Würde der Anspruchsausschluß auch die Dauerglobalurkunde als solche erfassen, hätte dies außerdem die merkwürdige Konsequenz, daß diese Urkunde von der Wertpapiersammelbank überhaupt nicht herausverlangt werden könnte188. Gerade in dem von Becker angeführten Beispiel der Vereinigung aller Miteigentumsanteile in der Hand einer Person muß es für diese Person jedoch eine Möglichkeit geben, die Globalurkunde aus der Sammelverwahrung herauszunehmen. Daß eine solche Konstellation in der Praxis nicht vorkommt, wird man jedenfalls seit der Einführung der Regeln über den Ausschluß von Minderheitsaktionären (sog. Squeeze-out, §§  327a ff. AktG)189 nicht mehr behaupten können190. Ein auf die Herausgabe der Globalurkunde an den Alleinaktionär gerichteter Anspruch, auf welche Grundlage auch immer man ihn stützen will, vermag jedoch schon deshalb keinen mittelbaren Besitz (auch) der anderen Anteilsinhaber zu begründen, weil er erst in dem Moment entsteht, in dem sich sämtliche Anteilsrechte in der Person eben dieses Aktionärs vereinigen. Vorher ist dieser Anspruch weder „bedingt“ noch „einredebehaftet“, sondern schlicht und einfach nicht existent191. Selbst wenn dies anders wäre, könnte dieser Individu­ alanspruch nicht sämtlichen Mitgliedern der Depotgemeinschaft die tatsächliche Sachherrschaft über das Papier vermitteln, zumal für die meisten dieser Mitglieder in der Regel nur eine theoretische Chance besteht, alleiniger Anteilseigner und damit Inhaber des Herausgabeanspruchs zu werden192 . Auch Beckers Vorschlag, den Miteigentümern bei Vorliegen besonders schwerwiegender Umstände einen Anspruch auf Auslieferung von Einzelstücken zu gewähren, vermag die Annahme gestuften mittelbaren Mitbesitzes nicht zu stützen. Zwar mag im Hinblick auf §  749 Abs.  2 Satz  1 BGB einiges dafür sprechen, daß die Anteilsinhaber auch bei der Hinterlegung einer Dauerglobalurkunde das Recht behalten, ihre Miteigentumsgemeinschaft aus wichtigem Grund aufzuheben. Daß ein zur Aufhebung aus wichtigem Grund berechtigender Fall (z. B. die Funktionsunfähigkeit der Wertpapiersammelbank) jemals eintreten wird, ist jedoch ziemlich unwahrscheinlich193. Außerdem kann man einen Anspruch, der auf die Auslieferung einzelner, nach der Aufhebung der Gemeinschaft erst noch herzustellender Stücke gerichtet ist, 186  Hirte/Knof, WM 2008, 7, 11 f.; vorsichtiger Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 209, die diese Annahme für nicht fernliegend halten. 187  Insoweit wie hier Christian Berger, WM 2009, 577, 580. 188  Mülbert, in: Festschrift für Nobbe, S.  691, 702 in Fn.  51. 189  Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG) vom 20. Dezember 2001, BGBl. I, S.  3822. 190 Zutreffend Eder, NZG 2004, 107, 113; anders noch Dechamps, Wertrechte, S.   42; Ricken­ bacher, Globalurkunden und Bucheffekten, S.  155. 191  Nicht überzeugend z. B. Eder, NZG 2004, 107, 113, der von einem bedingten Herausgabe­ anspruch spricht. 192  Apfelbaum, Verpfändung, S.  80; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  73. 193  Noch entschiedener Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  9a Rn.  56 („nicht zu erwarten“).

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

nicht als Anspruch ansehen, der eine gegenwärtige Sachherrschaft über die bis dahin allein vorhandene Dauerglobalurkunde begründet. Es fehlt an der Kongruenz von Gegenstand des mittelbaren Besitzes und Gegenstand des Herausgabeanspruchs194 . Der von Becker erwogene Auslieferungsanspruch des Miteigentümers in „Krisenzeiten“ hilft hier auch deshalb nicht weiter, weil er sich gerade nicht gegen die eigene Depotbank, sondern den Emittenten und die Wertpapiersammelbank richten soll195. Aus diesem Grund paßt dieser Anspruch auch nicht zu Beckers Behauptung, daß im Effektengiroverkehr der Anspruch des Kunden gegen die Depotbank Gegenstand der Abtretung nach §  931 BGB ist196. bb)  Allgemeiner verwahrungsrechtlicher Rückforderungsanspruch? Ebenfalls keine tragfähige Stütze bildet der Begründungsansatz Kümpels und De­ ckers. In der Überzeugung, daß das Bestehen eines Herausgabeanspruchs „für die depotgeschäftliche Verwahrung begriffsnotwendig und daher unverzichtbar“ sei, gehen sie davon aus, daß dem Depotkunden der allgemeine verwahrungsrechtliche Rückforderungsanspruch aus §  695 BGB zusteht. Dieser Anspruch sei auf die Verschaffung mittelbaren Mitbesitzes an der Globalurkunde gerichtet und daher auch nicht durch §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG ausgeschlossen197. Daran ist richtig, daß §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG nur dem Verlangen nach der Auslieferung einzelner Wertpapiere entgegensteht, nicht aber Ansprüche in bezug auf die Globalurkunde als solche erfaßt. Richtig ist weiter, daß bei der Sammelverwahrung von Dauerglobalurkunden ein Rückgriff auf §  695 BGB in der Tat möglich ist. Die Notwendigkeit einer dem Grundsatz der „gelockerten Identität“ Rechnung tragenden Modifikation des allgemeinen Rückforderungsanspruchs (vgl. §  7 DepotG) besteht hier jedenfalls insofern nicht, als die herauszugebende Sache wie bei der gewöhnlichen Verwahrung mit der hinterlegten identisch wäre198. Ob sich aus §  695 BGB auch ein Anspruch auf die Verschaffung mittelbaren Mitbesitzes an der Globalurkunde ableiten läßt, ist jedoch nicht so selbstverständlich, wie Kümpel und Decker suggerieren199. Auch bleibt unklar, wie ein erst auf die künftige (!) Verschaffung mittelbaren Mitbesitzes gerichteter

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Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  75. Nicht weiterführend daher auch Wust, Verbuchung, S.  142, der für den Fall einer schwerwiegenden Funktionsstörung des Effektengiroverkehrs von einem Anspruch auf Herausgabe der Sam­ melurkunde an alle Miteigentümer bzw. Hinterleger ausgeht und die Wertpapiersammelbank als Anspruchsgegner anzusehen scheint. 196  Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs, S.  54. 197  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/100a. Dem folgend BGHZ 161, 189, 191 f.; Reitz, Börsengeschäfte, S.  195. 198  Apfelbaum, Verpfändung, S.  82. 199  Ihr Verweis auf die Entscheidung RGZ 69, 36, 41 geht fehl. Denn mit §  695 BGB hat sich das RG in diesem Fall gar nicht auseinandergesetzt. Vielmehr hat es unter anderem festgestellt, daß einem Miteigentümer gegen einen anderen Miteigentümer ein Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes zusteht, wenn dieser ihm den Mitbesitz widerrechtlich vorenthält. 195 

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Anspruch zugleich einen aktuellen (!) mittelbaren Mitbesitz des Depotkunden an der Dauerglobalurkunde begründen können soll. cc)  Gesamtherausgabeanspruch der Hinterleger? Mülbert hält es für genügend, „dass die Gesamtheit der Hinterleger einen Gesamt­ herausgabeanspruch (…) hat. Hiernach kommt dem einzelnen Hinterleger ein von der Geltendmachung der parallelen Ansprüche durch alle anderen Hinterleger abhängiger Anspruch gegen seine Depotbank zu, allein bzw. zusammen mit den anderen Depotbanken die Globalurkunde von der Wertpapiersammelbank (CBF) zurückzufordern und der Gesamtheit aller Hinterleger herauszugeben“200. Auch mit diesem Ansatz läßt sich das traditionelle „Besitzmittlungsgebäude“ nicht zuverlässig abstützen. Denn abgesehen davon, daß man sich fragt, worin der Rückforderungsanspruch des einzelnen Hinterlegers gegen die Depotbank seine Grundlage hat und unter welchen Voraussetzungen er geltend gemacht werden kann – möglicherweise denkt auch Mülbert an §  695 BGB, ohne freilich diese Bestimmung zu erwähnen –, erscheint die parallele Geltendmachung individueller Rückforderungsansprüche durch eine Vielzahl von Hinterlegern in den meisten Fällen dermaßen unwahrscheinlich, daß die Annahme einer tatsächlichen Sachherrschaft der Hinterleger über die Urkunde auf eine bloße Fiktion hinausliefe. Ein konzertiertes Vorgehen sämtlicher Anteilsinhaber ist in der Praxis, wenn überhaupt, nur bei börsenfernen Aktiengesellschaften mit überschaubarem Mitgliederkreis vorstellbar, und dort auch höchstens dann, wenn die Globalurkunde aus der Girosammelverwahrung herausgenommen werden soll, um die damit verbundenen Kosten einzusparen. In diesem Zusammenhang ist auch folgendes zu bedenken: Die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere ist ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft, soweit diese Tätigkeit gewerbsmäßig oder in einem Umfang betrieben wird, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§  1 Abs.  1 Satz  1, Satz  2 Nr.  5 KWG). Nach Auffassung der BaFin ist ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nur dann nicht erforderlich, wenn eine Inhaberglobalaktie durch eine „kleine Aktiengesellschaft für einen kleinen Kreis von Aktionären“ verwahrt wird. Die Behörde hält eine Aktiengesellschaft für „klein“, wenn sie nicht an der Börse notiert ist (vgl. §  3 Abs.  2 AktG) und weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Und der Aktionärskreis gilt als klein, wenn er nicht mehr als 100 Aktionäre umfaßt201. Im Gesetz finden sich für diese willkürlich gezogenen Grenzen zwar keinerlei Anhaltspunkte202 . Sie zeigen jedoch, daß bei einer „großen“ Aktiengesellschaft die Eigenverwahrung einer Globalurkunde durch die Gesellschaft selbst oder einen bestimmten Aktionär aus aufsichtsrechtlichen Gründen ausscheidet. Da 200 

Mülbert, in: Festschrift für Nobbe, S.  691, 702 in Fn.  51. Aktiengesellschaften und Verwahrung von Inhaberglobalaktien, Schreiben vom 15. November 2001, Geschäftszeichen VII 4 – 71.51 (5517). 202  Zu Recht kritisch denn auch Noack, in: Festschrift für Wiedemann, S.  1141, 1146. 201  Kleine

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die Haussammelverwahrung einer Globalurkunde durch ein Kreditinstitut ebenfalls ausgeschlossen ist (§  9a Abs.  1 Satz  1 DepotG), steht einer großen Gesellschaft als einzige im Grundsatz zulässige Alternative zur Girosammelverwahrung somit nur die Sonderverwahrung zur Verfügung. Insoweit besteht aber wiederum ein praktisches Hindernis, denn die Sonderverwahrung setzt nach §  9a Abs.  1 Satz  1 DepotG die Zustimmung aller Aktionäre voraus, die sich bei einer Publikumsgesellschaft kaum wird erreichen lassen. Bei einer börsennotierten Gesellschaft kommt die Sonderverwahrung ohnehin nicht in Betracht. Apfelbaum hat im übrigen zu Recht darauf hingewiesen, daß man den Aktionären nach der Verkehrsauffassung schwerlich eine tatsächliche Sachherrschaft über die Globalurkunde attestieren kann, wenn sie lediglich zwischen der Girosammelverwahrung bei der Clearstream Banking AG und der Sonderverwahrung durch ein Kreditinstitut wählen können, ihnen aber die Möglichkeit der Eigenverwahrung der Globalurkunde aus rechtlichen Gründen verwehrt ist203. dd) Zwischenergebnis Die vorstehenden Überlegungen dürften gezeigt haben, daß bei der Sammelverwahrung einer Dauerglobalurkunde keine Herausgabeansprüche entlang der Verwahrkette bestehen, die nach allgemeinem sachenrechtlichen Verständnis geeignet wären, einen mehrstufigen mittelbaren Mitbesitz der Anleger und Giroteilnehmer an der Urkunde zu begründen204 . Von den im Schrifttum diskutierten Herausgabeansprüchen wirken die meisten reichlich konstruiert. Sie betreffen entweder Ausnahmekonstellationen und/oder sind praktisch nicht durchsetzbar. Auch der für die Praxis allein relevante Herausgabeanspruch im Fall der Vereinigung sämtlicher Anteile in der Hand einer Person (Stichwort: Squeeze-out) ist nicht in der Lage, jedem einzelnen Hinterleger die tatsächliche Sachherrschaft über das Papier zu vermitteln. b)  Das Problem des ungleichstufigen Mitbesitzes Habersack und Mayer haben noch einen weiteren Einwand gegen die Annahme mittelbaren Mitbesitzes der Hinterleger vorgebracht. Er betrifft die Konstellation, daß auf dem Clearstream-Konto eines Teilnehmers sowohl Fremd- als auch Eigenbestände verbucht sind, der Teilnehmer die Globalurkunde also sowohl für seine Kunden als auch für sich selbst besitzen will. Ein solches Nebeneinander von mittelbarem Eigen- und Fremdbesitz an ein und derselben Sache halten Habersack/Mayer für un-

203 

Apfelbaum, Verpfändung, S.  84. Einen mittelbaren Besitz verneinend denn auch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2021a, 2125; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  127; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  72 ff.; dies., WM 2001, 7, 13; Peters, Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S.  30 f.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680 f.; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 210; H. P. Westermann, RabelsZ 49 (1985), 214, 227; für die Schweiz Christoph Brunner, Wertrechte, S.  49. 204 

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möglich205. Zur Begründung verweisen sie auf die Entscheidung BGHZ 85, 263: Eine Bausparkasse hatte als Sicherheit für ein Bauspardarlehen eine Briefgrundschuld über 90.000 DM erhalten. Nach teilweiser Tilgung des Darlehens trat sie einen Teil der Grundschuld an die Beklagte ab, ohne daß ein Teilgrundschuldbrief gebildet wurde. Stattdessen wollte die Bausparkasse hinsichtlich des noch valutierten Teils der Grundschuld Eigenbesitzerin des Grundschuldbriefs bleiben und hinsichtlich des nicht mehr valutierten Teils den Besitz für die Beklagte vermitteln. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs war die Teilgrundschuld nicht wirksam an die Beklagte abgetreten worden, da diese weder durch Übergabe noch durch einen Übergabeersatz Besitz an dem ungeteilten Grundschuldbrief erlangt habe (§§  1192 Abs.  1, 1154 Abs.  1 Satz  1, 1117 Abs.  1 Satz  2 BGB). In den Gründen seines Urteils stellt der V. Zivilsenat zunächst klar, daß sich der Besitz als tatsächliche oder vergeistigte Sachherrschaft stets auf die ganze Sache als solche – und nicht einen ideellen Bruchteil daran – bezieht. Es sei daher nicht möglich gewesen, das Verwahrungsverhältnis auf einen ideellen Teil des Grundschuldbriefs zu beschränken. Nach Meinung des Senats hätte die Beklagte aber auch dann keinen mittelbaren Mitbesitz erlangt, wenn die Erklärung der Bausparkasse dahin zu verstehen gewesen wäre, daß sie den gesamten Stammbrief zugleich für sich selbst und die Beklagte besitzen wollte. Denn ein ungleichstufiger Mitbesitz sei nicht anzuerkennen. Eigen- und Fremdbesitzwille ließen sich nicht gleichzeitig verwirklichen. Der Eigenbesitz des Besitzmittlers verhindere eine Herrschaftsbeziehung des Oberbesitzers zur Sache. Um der Beklagten den Besitz an dem Grundschuldbrief zu mitteln, hätte die Bausparkasse ihren Eigenbesitzwillen aufgeben müssen206. Es sei dahingestellt, ob diesem Urteil des Bundesgerichtshofs zu folgen ist 207. Für die Klärung der Besitzverhältnisse bei der Verwahrung einer Globalurkunde, auf die einzugehen der BGH keinen Anlaß hatte, gibt es jedenfalls nichts her208. Eine Globalurkunde ist, indem sie eine Vielzahl selbständiger Einzelrechte zusammenfaßt, von vornherein auf eine Beteiligung mehrerer Personen angelegt. In Anbetracht dessen ist der Vergleich mit der Rechtslage beim Grundschuldbrief schon im Ansatz fragwürdig. Gewiß kann auch eine Grundschuld unterschiedlichen Personen zustehen, wenn über sie im Wege der Teilabtretung verfügt worden ist. Mit der Ausstellung eines Teilgrundschuldbriefs sieht das Gesetz für diesen Fall jedoch ein gesondertes Verfahren vor, das für die nicht auflösbare Dauerglobalurkunde nicht zur Verfügung steht und im Rechtsverkehr auch gar nicht benötigt wird, gehen doch die einzelnen Berechtigungen aus Eintragungen in Depotkonten hervor209. Aus diesem 205 

Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680 f. Dem folgend Apfelbaum, Verpfändung, S.  82. BGHZ 85, 263, 264 ff. 207  Baur/Stürner, Sachenrecht, §  7 Rn.  80 und §  37 Rn.  4 4; Brand, ZBB 2015, 40, 46; siehe ferner Staudinger/Gutzeit (2012), BGB, §  866 Rn.  21. 208  So auch Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  60 f.; Wust, Verbuchung, S.  140 f.; Chris­ tian Berger, WM 2009, 577, 580 f.; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  15; Eder, NZG 2004, 107, 113. 209 Zutreffend Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  61; Christian Berger, WM 2009, 577, 581. 206 

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Grund läßt sich auch das sachenrechtliche Publizitätsprinzip nicht der Anerkennung eines ungleichstufigen Mitbesitzes an einer Dauerglobalurkunde entgegenhalten. Denn anders als in dem vom BGH entschiedenen Grundschuldbrief-Fall geben im Effektengiroverkehr die jeweiligen Besitzmittler durch Erteilung entsprechender Gutschriften nach außen zu erkennen, in welchem Umfang sie sich der Herrschaftsposition eines Oberbesitzers unterwerfen210. Und schließlich: Bedenkt man, welch große Bedeutung dem Eigenhandel in der Bankpraxis zukommt, wäre es geradezu absurd, die Beurteilung der Besitzverhältnisse davon abhängig zu machen, ob eine Depotbank auch auf eigene Rechnung Aktien hält oder nicht211. Entgegen der einseitig-formalistischen Argumentation von Habersack/Mayer sind bei der Verwahrung einer Dauerglobalurkunde also gleich mehrere Sachgründe ersichtlich, die eine von der Rechtslage beim Grundschuldbrief abweichende Beurteilung rechtfertigen, ja erzwingen. c)  §  9a DepotG als weiterer Schritt zur „Vergeistigung“ des mittelbaren Besitzes? Geblieben ist damit allerdings das Problem, daß den Depotkunden kein Herausgabeanspruch zusteht, der die These vom gestuften mittelbaren Mitbesitz untermauern könnte. Doch wäre es voreilig, daraus zu folgern, daß eine Übertragung des Bruchteilseigentums an der Globalurkunde nach §§  929 ff. BGB in Ermangelung jeglichen Besitzes der Anleger nicht in Betracht kommt212 . Denn diese Folgerung ließe außer acht, daß der Gesetzgeber bei der Anerkennung der Dauerglobalurkunde im Zuge der Depotgesetznovelle 1972 an dem mehrgeschossigen „Besitzmittlungsgebäude“ bei der Girosammelverwahrung nicht rütteln wollte213. Mit der Anordnung, daß für die Verwahrung einer Globalurkunde die §§  6 bis 9 DepotG sowie die sonstigen Vorschriften des Depotgesetzes über die Sammelverwahrung und Sammelbestandteile sinngemäß gelten, soweit nicht in §  9a Abs.  3 DepotG etwas anderes bestimmt ist (§  9a Abs.  2 DepotG), wollte er sicherstellen, daß für die Sammelurkunde auch hinsichtlich der Übertragung der Miteigentumsanteile „die gleichen bewährten Grundsätze wie bei einem nur aus Wertpapieren über Einzelrechte gebildeten Sammelbestand“ zur Anwendung kommen214 . Bekräftigt hat der Gesetzgeber diese Intention im Zuge der bereits erwähnten Änderung des §  10 Abs.  5 AktG durch das KonTraG, indem er klarstellte, daß an der Ausstellung und Hinterlegung einer die Gesamtheit

210  Christian Berger, WM 2009, 577, 580 f., der freilich einräumt, daß das Publizitätsmerkmal beim mittelbaren Besitz ohnehin gelockert, wenn nicht gar konstruiert erscheint. 211  Dazu tendierend aber Apfelbaum, Verpfändung, S.  82. 212  So aber Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1682; dem folgend Noack, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Rn.  73. 213  Daß der Wille des Gesetzgebers zur respektieren ist, wird auch betont von BGHZ 207, 23, 29 (Rn.  16); siehe ferner Sebastian Mock, in: Großkomm. AktG §  10 Rn.  112; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  207 ff. 214  BT-Drucks. VI/2231, S.  4 r. Sp.

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der Mitgliedschaftsrechte verkörpernden Globalurkunde festgehalten und nicht der Schritt vom Wertpapier zum Wertrecht vollzogen werden sollte215. In diesem Sinne vertritt Horn die Ansicht, daß §  9a DepotG lediglich „einen weiteren Schritt zur Vergeistigung des mittelbaren Besitzes bedeutet, indem nunmehr auch die Ansprüche nach §§  7 und 8 DepotG abgeschnitten sind“. Auch wenn durch die Anerkennung der Globalurkunde das Wertpapierelement im Effektenverkehr zurückgedrängt worden sei, halte die Bestimmung daran fest, daß Gegenstand des Effektengiroverkehrs Wertpapiere sind und daß die Wertpapierinhaber die Stellung von Miteigentümern und mittelbaren Besitzern innehaben. Mit der Globalurkunde liege ein taugliches Besitzobjekt vor, und es bestehe auch kein Zweifel daran, daß die Vorstellung, der Sammelverwahrer besitze die Globalurkunde für die Wertpapierinhaber, bei allen Teilnehmern am Girosammelverkehr vorhanden ist216. d)  Mittelbarer Besitz kraft Verfügungsmacht? Horns Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers und der am Effektengiroverkehr Beteiligten geht zwar in die richtige Richtung, bleibt aber auf halbem Wege stehen. Denn wenn es zutrifft, daß den Depotkunden kein Anspruch auf Herausgabe der Globalurkunde als solche zusteht, es aber gleichwohl bei der Anwendbarkeit der §§  929 ff. BGB bleiben soll, dann sollte man noch einen Schritt weiter gehen und fragen, ob die Depotkunden nicht irgendeine andere Form von Herrschaft ausüben, die es rechtfertigt, von mittelbarem Besitz zu sprechen. Wo die Suche nach einer Antwort auf diese Frage anzusetzen hat, liegt mehr oder weniger auf der Hand: an der Depotgutschrift, mit welcher das depotführende Institut zu erkennen gibt, daß es die betreffenden Titel für den Kunden hält, sowie an der Rechtsmacht des Kunden, das Institut zur Umbuchung der Titel zu veranlassen. Auch wenn der Kunde die Globalurkunde selbst niemals zu Gesicht bekommt, steht doch außer Frage, daß das depotführende Institut ihn mit der Gutschrift als Oberbesitzer anerkennt und daß es aufgrund des Depotvertrages verpflichtet ist, seinen Weisungen in bezug auf die Depotwerte zu befolgen. Es ist allein der Kunde, der darüber entscheidet, wie mit seinem Guthaben zu verfahren ist. Man trifft also auch bei der Girosammelverwahrung auf jene Unterordnung einer Person unter den Willen einer anderen Person, wie sie für den mittelbaren Besitz charakteristisch ist. In Anbetracht dieses Befundes ist zu erwägen, von einem mittelbaren Besitz kraft Verfügungsmacht und einer dadurch begründeten Herrschaft über die Globalurkunde auszugehen, wobei dann noch die genaue dogmatische Verortung dieser Verfügungsmacht zu klären wäre. Es war Dechamps, der diese Möglichkeit der Rechtsfortbildung erstmals zur Diskussion gestellt hat217. Doch hat sich die Einsicht, daß die „reale und und greifbare 215  Bericht des Rechtsausschusses zum RegE des KonTraG, BT-Drucks. 13/10038, S.  25 = ZIP 1998, 487, 488. Siehe dazu bereits oben II 4 c). 216  Horn, WM- Sonderbeilage 2/2002, S.  16. 217  Dechamps, Wertrechte, S.  43. Auf der gleichen Linie jetzt auch Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  211 ff.

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Sachherrschaft über die Sache selbst (…) aufgrund der Gestaltung des modernen Effektengiroverkehrs der elektronisch ausgeübten Besitzerstellung Platz gemacht“ hat, bislang nicht durchsetzen können218. Möglicherweise bahnt sich in dieser Frage jedoch ein Meinungsumschwung an, nachdem vor einigen Jahren auch der Bankrechtssenat des Bundesgerichtshofs, wenn auch in anderem Zusammenhang, die Idee eines auf Umbuchung gerichteten „Herausgabeanspruchs“ aufgegriffen hat219. In seinen beiden in der Begründung über weite Strecken wortgleichen Urteilen vom 30. November 2004 hat der Senat entschieden, daß eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kreditinstituts, wonach dieses für die Übertragung von Wertpapieren in ein anderes Depot ein besonderes Entgelt verlangen darf, gegen §  307 Abs.  1 Satz  1 und Abs.  2 Nr.  1 BGB verstößt und damit nichtig ist220. Gemäß §  307 Abs.  3 BGB unterliegen der richterlichen Inhaltskontrolle am Maßstab des §  307 Abs.  1 und 2 BGB sowie der §§  308, 309 BGB nur solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Eine kontrollfähige Abweichung von Rechtsvorschriften liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht vor, wenn der Klauselverwender sich ein Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung ausbedingt, wohl aber dann, wenn er Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten auf den Kunden abwälzt221. Es fehlt nicht an Stimmen, nach denen es sich bei der Übertragung von Wertpapieren von einem Depot in ein anderes jedenfalls dann um eine vertragliche – und folglich entgeltfähige – Zusatzleistung der Bank handelt, wenn sie im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung vorgenommen wird222 . Der Bankrechtssenat des Bundesgerichtshofs ist anderer Meinung. Er sieht in einem Wertpapierübertrag die „Erfüllung des gesetzlichen Herausgabeanspruchs des Kunden“, der sich aus „§§  7, 8 DepotG bzw. §  695 Satz  1, §  985 BGB“ ergebe. Im Effektengiroverkehr werde „die Besitzverschaffung mittels Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft durch die Umbuchung von Girosammel-Depotgutschriften ersetzt“, und zwar „unabhängig davon, ob herausgabefähige einzelne Wertpapiere existieren oder durch eine Sammelurkunde im Sinne des §  9a DepotG ersetzt sind. Insbesondere wenn die Ausgabe einzelner Wertpapiere gemäß §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG ausgeschlossen ist, kann der – auf die Verschaffung eines mittelbaren Mitbesitzes an der Sammelurkunde gerichtete (…) – Herausgabeanspruch nur durch eine Umbuchung bei der die Sammelurkunde verwahrenden Wertpapiersammelbank erfüllt werden“223. Der Herausgabeanspruch des Kunden, so der Senat weiter, werde nicht erst mit Beendigung des De218  Siehe aber neuerdings Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  6 4 f., von dem auch das Textzitat stammt. 219  Siehe zu dieser Rechtsprechung auch Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  214 ff. 220  BGHZ 161, 189 u. BGH, WM 2005, 274. Zustimmend Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  5 Rn.  56. 221  BGHZ 161, 189, 191 m. w. N. 222  LG Nürnberg-Fürth, ZIP 2003, 129; Steuer, in: Festschrift für Hadding, S.  1169, 1183 ff. 223  BGHZ 161, 189, 191 f.; dem folgend BGHZ 207, 23, 28 (Rn.  15).

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potvertrages fällig, sondern könne bereits während der laufenden Geschäftsbeziehung geltend gemacht werden224 . Nachdem der Senat mit dieser Argumentation die Kontrollfähigkeit der Entgeltklausel bejaht hatte, ging er zur eigentlichen Angemessenheitsprüfung über, deren negatives Ergebnis mit der Einordnung des Depotübertrags als gesetzlich geschuldete Basisleistung freilich vorgezeichnet war. Denn nach ständiger Rechtsprechung gehört es zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts, daß jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können225. Gegen eine Abwälzung der Kosten eines Depotübertrags auf den Kunden spricht nach Auffassung des Senats entscheidend, daß das Kreditinstitut mit der „stückelosen“ Erfüllung des gesetzlichen Herausgabeanspruchs in erster Linie ein eigenes Interesse verfolge, während sich die Vorteile für den Kunden lediglich als „Nebeneffekt“ darstellten. Es seien die Kreditinstitute und nicht deren Kunden, die zwecks Rationalisierung des Effekten- und Depotgeschäfts den Effektengiroverkehr eingeführt und dadurch „ihren personellen und sachlichen Aufwand im Verhältnis zu einer körperlichen Bewegung konkreter Wertpapierurkunden wesentlich verringert“ hätten. Hinter dem „Rationalisierungsinteresse der Kreditinstitute, das für die Erfüllung des Herausgabeanspruches durch Umbuchung auf ein anderes Depot anstatt durch effektive Auslieferung entscheidend“ sei, müsse das „Interesse des Kunden, seine Dispositionsbefugnis über den Depotbestand auszuüben und ihn auf ein anderes Depot übertragen zu lassen“, zurücktreten226. War eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Kunden damit nach Ansicht des Senats indiziert, so vermochte er keine Gründe zu erkennen, welche die Klausel bei der gebotenen umfassenden Abwägung der berechtigten Interessen aller Beteiligten gleichwohl nicht als unangemessen erscheinen lassen227. Der methodische Ansatz des Bundesgerichtshofs bei der Kontrolle formularmäßiger Entgeltklauseln ist nicht unproblematisch. Denn gerade im Bereich der Finanzdienstleistungen ist eine trennscharfe Abgrenzung zwischen gesetzlich geregelten Hauptleistungspflichten und darüber hinausgehenden Sonderleistungen nicht immer möglich, da viele der hier anzutreffenden Vertragstypen keine besondere gesetzliche Ausprägung gefunden haben228. Das gilt auch für den Depotvertrag, der sich ja aus Elementen des Dienst- und des Verwahrungsvertrags zusammensetzt und durch die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte näher ausgestaltet wird. Daß der BGH insbesondere bei den gesetzlich nicht geregelten Verträgen zu den „Rechtsvor224 

BGHZ 161, 189, 191 f. BGHZ 161, 189, 193. 226  BGHZ 161, 189, 193 ff. 227  BGHZ 161, 189, 195. 228  Ähnlich die Kritik bei MünchKomm-BGB/Wurmnest, §  307 Rn.  194. Allgemein zu den – aus seiner Sicht fragwürdigen – Leitlinien des BGH bei der Kontrolle von Nebenentgelten Stoffels, in: Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft, AGB in der Kreditwirtschaft, S.  89, 103 f. m. w. N. zur Kritik an der Rechtsprechung. 225 

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schriften“ im Sinne des §  307 Abs.  3 Satz  1 BGB auch Rechte und Pflichten zählt, die sich durch ergänzende Auslegung oder aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses ergeben229, ist zwar verständlich, da ansonsten bei diesen Verträgen eine materielle Inhaltskontrolle nur in sehr eingeschränktem Umfang stattfinden könnte230, macht die Abgrenzung aber nicht einfacher. Und so hält sich auch die Überzeugungskraft der Urteile zur Entgelterhebung beim Depotübertrag in Grenzen, weil das Bestehen eines gesetzlichen Herausgabeanspruchs des Depotkunden vom BGH nur behauptet, aber nicht begründet wird. Wo eine saubere dogmatische Herleitung angebracht gewesen wäre, begnügt er sich mit einem Hinweis auf die „§§  7, 8 DepotG bzw. §  695 Satz  1, §  985 BGB“, ohne zu problematisieren, inwieweit und ggf. mit welchen Modifikationen diese Vorschriften bei der Girosammelverwahrung von Wertpapieren überhaupt anwendbar sind. Zu pauschal ist deshalb auch die Behauptung, daß der Herausgabeanspruch des Depotkunden nach den im heutigen Massengeschäft geltenden Börsenusancen in der Regel ohne körperliche Bewegung von Urkunden erfüllt wird. Denn das trifft, wie wir bereits gesehen haben, zumindest für den auf die Auslieferung einzelner Wertpapiere gerichteten Anspruch aus §  7 Abs.  1 DepotG nicht zu. Für einen Anspruch auf „Herausgabe durch Umbuchung“ gibt diese Bestimmung nichts her231. Aber selbst wenn man über diese Ungereimtheit hinwegsieht, ist es alles andere als eine Selbstverständlichkeit, die Umbuchung von Girosammelanteilen im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung als Erfüllung eines gesetzlichen Herausgabeanspruchs zu begreifen. Im Bereich des Zahlungsverkehrs wird eine derartige Konstruktion jedenfalls nur vertreten, soweit es um den – mit dem Anspruch auf Auslieferung von Wertpapieren vergleichbaren – Anspruch des Kontoinhabers auf Auszahlung von Bargeld geht. Dieser Anspruch soll sich aus dem mit dem Zahlungsdiensterahmenvertrag (§  675f Abs.  2 BGB; bis 31. Oktober 2009: Girovertrag, §§  676f–676h BGB a. F.) verbundenen, davon aber rechtlich zu trennenden unregelmäßigen Verwahrungsvertrag ergeben (§  700 Abs.  1 BGB). Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß die Bank das jederzeit in Bargeld umwandelbare Kontoguthaben für den Kunden bis zur Abhebung „aufbewahren“ soll232 . Dagegen wurde die Ausführung eines Überweisungsauftrags bislang auch vom BGH als zusätzliche Dienstlei­ stung des Kreditinstituts betrachtet, für die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Entgelt vorgesehen werden kann233. Als die Banküberweisung noch nicht ausdrücklich im BGB geregelt war, wurde der Überweisungsauftrag als Weisung des 229 

BGHZ 150, 269, 274 f.; 136, 261, 264. Nobbe, WM 2008, 185, 186 f. 231  Berechtigte Zweifel auch bei Krüger/Bütter, WuB IV C. §  307 BGB 1.05; a. A. Wust, Verbuchung, S.  128. 232  BGHZ 206, 305 Rn.  33 sowie (zum alten Recht) BGHZ 131, 60, 63 f. und 133, 10, 14; siehe ferner Peterek, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  8.22-8.25; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, §  3 Rn.  6; Gößmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  70 Rn.  3. 233  BGHZ 161, 189, 194 („unzweifelhaft“). 230 

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Kunden im Rahmen des Girovertrags interpretiert (§§  675 Abs.  1, 665 BGB)234 . Nach der Neuordnung des Überweisungsrechts durch das Überweisungsgesetz vom 21. Juli 1999 beruhte die Überweisung auf einem eigenständigen Vertragsverhältnis zwischen dem Überweisenden und dem Kreditinstitut, dem Überweisungsvertrag (§§  676a-676c BGB a. F.). Mit der Umsetzung des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie zum 31. Oktober 2009 wurde die Unterscheidung zwischen Giround Überweisungsvertrag beseitigt und das frühere Auftragsmodell wieder eingeführt. Wie sich aus §  675f Abs.  2 und Abs.  3 Satz  2 BGB ergibt, bildet jetzt der an die Stelle des Girovertrags getretene Zahlungsdiensterahmenvertrag die Grundlage für die Ausführung einzelner und aufeinander folgender Zahlungsvorgänge, die jeweils durch einen Zahlungsauftrag ausgelöst werden. In Übereinstimmung mit der Rechtslage vor Inkrafttreten des Überweisungsgesetzes wird dieser Auftrag als Weisung i. S. von §  665 BGB verstanden235. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH seine Rechtsprechung zur Entgeltfähigkeit von Banküberweisungen einerseits und Barauszahlungen andererseits mit Rücksicht auf die neue Rechtslage ändern wird236. Was das Depotgeschäft betrifft, steht jedenfalls der Vorschlag im Raum, die Einordnung des Depotvertrags als gemischttypischen Vertrag ernster als der BGH zu nehmen und bereits de lege lata schärfer zwischen der verwahrungs- und der dienstvertraglichen Seite des Vertrags zu differenzieren. Danach wäre in Anlehnung an die Rechtslage im Zahlungsverkehr nur das Verlangen des Kunden auf Auslieferung von Urkunden als Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs zu qualifizieren. Der Auftrag zur Umbuchung von Wertpapieren in ein anderes Depot wäre als rechtsgeschäftliche Weisung einzuordnen, die ihre Grundlage nicht in §  7 Abs.  1 DepotG hat, sondern im Depotvertrag237. Dafür spräche zum einen, daß bei wirtschaftlicher Betrachtung kein Unterschied zwischen einer Giroüberweisung und einer „stückelosen“ Wertpapierübertragung besteht. Entgegen der einseitigen, ausschließlich auf das Rationalisierungsinteresse der Banken abstellenden Argumentation des Bundesgerichtshofs geht es im Wertpapierverkehr genauso wie im Zahlungsverkehr auch um das Interesse des Kunden, seine Vermögenswerte schnell und sicher auf ein anderes Konto übertragen zu können, wobei als Begünstig234  Siehe den historischen Rückblick bei Toussaint, Das Recht des Zahlungsverkehrs im Überblick, Rn.  252 m. w. N. 235 Palandt/Sprau, BGB, §  675f Rn.  17; Werner, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  7.203; Grundmann, WM 2009, 1109, 1114. 236  Zu bedenken ist dabei, daß (auch) Ein- und Auszahlungen nach neuem Recht Zahlungsdienste sind (§  1 Abs.  2 Nr.  1 ZAG), für deren Erbringung gemäß §  675f Abs.  4 Satz  1 BGB ein Entgelt vereinbart werden kann. Ein Teil des Schrifttums schließt daraus, daß die frühere Rechtsprechung sich erledigt hat und die AGB-mäßige Vereinbarung von Postenentgelten für Barein- und Barauszahlungen zulässig ist; siehe etwa Strube, in: Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft, AGB in der Kreditwirtschaft, S.  115, 128 f.; Fornasier, WM 2013, 205, 209; Kropf/Habl, BKR 2015, 316, 321; Zweifel bei Palandt/Sprau, BGB, §  675f Rn.  18a; Schmieder, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  47 Rn.  26a. Höchstrichterlich ist die Frage noch nicht entscheiden, siehe BGH, NJW 2015, 1440. 237 So Krüger/Bütter, WuB IV C. §  307 BGB 1.05.

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ter neben einem Dritten auch der Kunde selbst in Betracht kommt238. Zum anderen sollte man folgendes bedenken: Soweit es um Übertragungsaufträge der Giroteilnehmer an die Wertpapiersammelbank geht, ist, soweit ersichtlich, bislang noch niemand auf den Gedanken gekommen, diese Aufträge als Geltendmachung eines gesetzlichen Herausgabeanspruchs aufzufassen. Zwar war die rechtliche Einordnung der früher gebräuchlichen roten Wertpapierschecks von Anfang an umstritten. Im Laufe der Zeit setzte sich jedoch die Deutung als Weisung i. S. von §  665 BGB durch, dies aufgrund der zutreffenden Erwägung, daß diese Schecks ihrer Funktion nach dem Überweisungsauftrag des Zahlungsverkehrs entsprachen239. Für die heute ausschließlich auf elektronischem Wege erteilten Übertragungsaufträge der Giroteilnehmer gilt nichts anderes – eine Ansicht, die sich jetzt auch auf den neuen §  675b BGB berufen kann240. Weder aus dogmatischer noch aus praktischer Sicht besteht Anlaß, Übertragungsauftrage gewöhnlicher Depotkunden anders als die von Giroteilnehmern zu behandeln. Daß der BGH sich trotzdem an einem „gesetzlichen Herausgabeanspruch“ festklammert, wird man nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie auf seinen aus den Urteilsgründen sprechenden Unwillen zurückführen können, den Banken die Abwälzung der bei Depotumlegungen entstehenden Kosten zu ermöglichen. Vielmehr scheint der Bankrechtssenat mit Kümpel/Decker der Überzeugung zu sein, daß im Effektengiroverkehr, soll dieser nach sachenrechtlichen Regeln ablaufen, ohne einen solchen Anspruch nicht auszukommen ist241. Aber das trifft nicht zu. Denn die Anwendbarkeit der §§  929 ff. BGB läßt sich, um auf Dechamps zurückzukommen, auch dadurch erreichen, daß man an die Stelle eines Anspruchs auf Herausgabe der Globalurkunde die auf dem Depotvertrag beruhende Rechtsmacht des einzelnen Kunden setzt, im Effektengiroverkehr über seine Anteile an der Urkunde zu verfügen242 . Diese Behelfslösung hat den Vorteil, daß sie nicht das schiefe Bild von der „Herausgabe durch Umbuchung“ bemühen und auf gesetzliche Bestimmungen wie §  7 DepotG oder §  695 BGB zurückgreifen muß, die auf ganz andere Sachverhalte zugeschnitten sind243, sondern an den unbestreitbaren Befund anknüpft, daß der Verwahrer mit der Gutschrift seinen Willen bekundet, die Wertpapiere für den Depotkunden zu halten und mit ihnen nach dessen Weisungen zu verfahren. Zwar vermittelt die Rechtsmacht des Kontoinhabers, über sein Depotguthaben zu verfügen und den Verwahrer zu entsprechenden Umbuchungen zu veranlassen, keine 238 

Steuer, in: Festschrift für Hadding, S.  1169, 1184 f. Heinsius/Horn/Than, §  6 DepotG Rn.  77; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2013; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §  406 Rn.  312; Brink, Rechtsbeziehungen, S.  97 f.; Büchner, Treuhand­ rechtliche Organisation, S.  110 f. 240  Zu dieser Bestimmung näher unter 4. 241  Siehe den Verweis in BGHZ 161, 189, 192 auf Kümpel, in: Hellner/Steuer, BuB Rn.  8/100b. 242  Dechamps, Wertrechte, S.   43; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  212; im Ergebnis auch Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, §  37 Rn.  77 a. E. 243  Siehe auch BGHZ 161, 189, 192, wo es heißt, daß auch urkundlich nicht verkörperte Wert­ rechte nur durch eine depotmäßige Umbuchung „herausgegeben“ werden können. 239 

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Herrschaft über die Globalurkunde als Sache, wie sie von den §§  868 ff. BGB vorausgesetzt wird. Mit Rücksicht auf den Willen des Gesetzgebers ist es jedoch gerechtfertigt, diese Rechtsmacht als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs zu betrachten und mit dieser Begründung von einem mittelbaren Besitz der Depotkunden an der Globalurkunde auszugehen244 . e)  Gutschrift als Besitzsurrogat? Nun hat auch diese Lösung den Nachteil, im Grundsatz an der zu Recht als künstlich und lebensfremd kritisierten Konstruktion des gestuften mittelbaren Besitzes festzuhalten. Es stellt sich daher die Frage, ob man die Möglichkeiten der Rechtsfortbildung nicht noch weiter ausschöpfen und die Depotgutschrift sogar als Besitzsurrogat qualifizieren kann. Diese Idee geht auf Fabricius zurück. In seinem Beitrag „Zur Theorie des stückelosen Effektengiroverkehrs mit Wertrechten aus Staatsanleihen“ hat er schon in den frühen 1960er Jahren die These aufgestellt, im Effektengiroverkehr werde der nach §§  929 ff. BGB erforderliche Besitz durch die Buchung ersetzt. Sie sei „das gemeinsame Element, das die gleiche Behandlung von Anteilen an der Schuldbuchforderung sowie von Sammelbestandanteilen von Wertpapieren ermöglicht“245. Aus dieser Erkenntnis folgerte Fabricius zum einen, daß der Umbuchung von Sammelbestandanteilen gestaltende Funktion zukomme, da sich mit ihr der Wechsel in der Person des Hinterlegers vollziehe; zum anderen, daß der Anwendung der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§§  932 BGB, 366 HGB) im Effektengiroverkehr keine Schwierigkeiten entgegenstünden, da der normalerweise durch den Besitz der beweglichen Sache erzeugte Rechtsschein hier – wie beim Grundbuch – mit dem Buchungsbesitz verknüpft sei246. Im Schrifttum sind Fabricius’ Überlegungen zunächst auf methodische Vorbehalte gestoßen. So hat Zöllner die Anwendbarkeit der §§  932 BGB, 366 HGB zwar als wünschenswert, die Gleichsetzung von Fahrnisbesitz und Buchung als Vertrauensgrundlage jedoch als „wohl allzu frei“ bezeichnet, da sie sich jedenfalls nicht dem Gesetz entnehmen lasse247. In der Folge haben sich allerdings mehrere Stimmen zu Wort gemeldet, die dem Gedanken des Buchungsbesitzes offener gegenüberstehen. So spricht Dechamps in ausdrücklicher Anlehnung an Fabricius davon, „daß die Depotbuchungen beim Eigentumserwerb im Effektengiroverkehr den Besitz in seinen Funktionen ersetzen“, ohne freilich daraus den Schluß zu ziehen, daß die Rechtsfigur des mittelbaren Besitzes vollständig durch die Depotbuchungen verdrängt wird 248. 244  In diese Richtung auch Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  65, der allerdings an der Vorstellung festhält, daß dem Hinterleger „zumindest der allgemeine verwahrungsrechtliche Anspruch (§  695 BGB) auf Herausgabe der verwahrten Rechtsposition“ zusteht; ferner Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550. 245  Fabricius, AcP 162 (1963), 456, 482. 246  Fabricius, AcP 162 (1963), 456, 482. 247  Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 262. 248  Dechamps, Wertrechte, S.  73 f.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Gleiches gilt für Karsten Schmidt, der zwar einerseits meint, bei der Umbuchung handele es sich „de facto“ um ein im BGB nicht geregeltes, mit übergabeähnlicher Publizitätswirkung ausgestattetes Übergabesurrogat, andererseits aber daran festhält, daß die Übergabe im Rechtssinne in der Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses zu sehen ist249. Canaris ist der Ansicht, daß bei der Globalurkunde mangels Herausgabeanspruchs kein Besitz des Hinterlegers besteht und deshalb nichts anderes übrig bleibt, als in Anlehnung an die Grundsätze zur Übereignung besitzloser Sachen eine Übertragung von Miteigentumsanteilen durch schlichte Einigung zuzulassen. „In Wahrheit“ freilich würden solche Anteile durch Einigung und Umbuchung übertragen250. Am bislang konsequentesten sind Fabricius’ Überlegungen von Lenenbach und Kunz weiterentwickelt worden. Sie sprechen sich offen dafür aus, den Gedanken des Buchungsbesitzes nicht erst für den Fall des gutgläubigen Erwerbs, sondern bereits für den Normalfall des Erwerbs vom Berechtigten fruchtbar zu machen und die Umbuchung auch rechtlich als Übergabesurrogat aufzufassen, so daß der einschlägige Übertragungstatbestand „Einigung und Umbuchung“ lautet251. Nur so ließe sich „ohne realitätsferne juristische Winkelzüge“ erklären, wie Miteigentumsanteile an einer Globalurkunde übertragen werden, wenn der Anspruch auf Auslieferung von Wertpapieren ausgeschlossen ist252 . Der Vorschlag, die Depotgutschrift bereits de lege lata als Besitzsurrogat und die Umbuchung dementsprechend als Übergabesurrogat anzuerkennen, betrifft mit der (konstitutiven?) Wirkung der Gutschrift und ihrer Eignung als Rechtsscheinträger im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs zwei dogmatische Kernfragen des Miteigentumsmodells, die uns noch beschäftigen werden. An dieser Stelle ist lediglich zu erörtern, ob diesem Schritt, wie Zöllner meint, grundsätzliche methodische Bedenken entgegenstehen. Daß im Effektengiroverkehr die Depotgutschrift in nahezu jeder Hinsicht die Funktion des Besitzes übernimmt, wird sich kaum bestreiten lassen253. Nur sie gibt Auskunft über die Höhe der dem Depotkunden zustehenden Anteile, und nur sie vermittelt ihm eine Art „Sachherrschaft“ über den verbuchten Wertpapierbestand, indem sie den Willen des Verwahrers manifestiert, mit diesem Bestand ausschließlich nach den Weisungen des Depotkunden zu verfahren. Ebensowenig wird man in Abrede stellen können, daß eine Übereignung durch Einigung und Umbuchung sich stark an §  929 Satz  1 BGB anlehnt254 . Für die Anerkennung der (Um-) Buchung als Besitz- bzw. Übergabesurrogat spricht außerdem, daß den Eintragungen im Verwahrungsbuch wegen der strengen Vorschriften über die Depotprüfung eine verhältnismäßig starke Richtigkeitsgewähr zukommt255. Der sondergesetzliche 249 MünchKomm-BGB/Karsten

Schmidt, §  747 Rn.  21. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2021a und 2022. 251  Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.192; Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  417 ff. 252  Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.192. 253  Sehr deutlich Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2027; siehe ferner Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  91; Pleyer/Schleiffer, DB 1972, 77, 80. 254  Dechamps, Wertrechte, S.  76. 255  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2027. 250 

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Übertragungstatbestand des §  24 Abs.  2 DepotG zeigt im übrigen, daß schon dem geltenden Depotrecht die Vorstellung, ein bloßer Buchungsakt könne sachenrechtliche Wirkungen entfalten, nicht fremd ist. Ob sich damit genügend Anhaltspunkte finden, um eine Rechtsfortbildung mit gesetzlichen Wertungen im Interesse des Rechtsverkehrs zu rechtfertigen, erscheint entgegen Lenenbach und Kunz gleichwohl zweifelhaft. Denn zum einen sollte man die Aussagekraft von §  24 Abs.  2 DepotG nicht überschätzen, unterscheidet diese Bestimmung doch ausdrücklich zwischen dem Eigentumserwerb durch Eintragung des Übertragungserwerbs im Verwahrungsbuch und dem Eigentumserwerb „nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts“256. Zum anderen dürfte eine vollständige Loslösung von der besitzrechtlichen Konstruktion der h. M. kaum dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Er hat jedenfalls im Zuge der Modernisierung des Schuldbuchrechts durch das Bundeswertpapierverwaltungsgesetz zu erkennen gegeben, die traditionellen Pfade nicht verlassen zu wollen257.

3.  Verstoß gegen das sachenrechtliche Publizitätsprinzip? Zum Abschluß dieses Abschnitts ist noch auf einen grundsätzlichen Einwand gegen die Besitzkonstruktion einzugehen, der unlängst von Lehmann vorgebracht worden ist. Er hält der h. M. vor, sie erreiche nicht das von ihr selbst gesteckte Ziel, mit Hilfe des mittelbaren Besitzes die Publizität der Rechtsverhältnisse zu sichern. Die einzige nach außen sichtbare Wirkung dieses über mehrere Stufen verwässerten Besitzes bestehe darin, daß die Wertpapiersammelbank auf Anweisung des Hinterlegers ihren Besitzmittlungswillen auf einen anderen Erwerber richtet. Ein solcher Wechsel des Besitzmittlungswillens sei jedoch nur für die Beteiligten, nicht aber für „die Öffentlichkeit“ erkennbar. Unter diesen Umständen könne der Besitz die ihm zugedachte Publizitätsaufgabe nicht erfüllen258. Mit diesem Einwand wird aber das sachenrechtliche Publizitätsprinzip überspannt259. Der h. M. geht es mit ihrer Besitzkonstruktion nicht um die Gewährleistung von Publizität im Sinne einer „Öffentlichkeit“ der Rechtsverhältnisse, sondern um nicht mehr und nicht weniger als die Anwendbarkeit der §§  929 ff. BGB. Insoweit darf aber nicht übersehen werden, daß der Grundsatz, eine Rechtsänderung müsse nach außen in Erscheinung treten, in diesen Vorschriften nur mit erheblichen Einschränkungen verwirklicht ist260. Schon die §§  929 Satz  2, 930 und 931 BGB zeigen, daß das BGB nicht durchgängig auf die Offenkundigkeit des Veräußerungsakts für Dritte abstellt, sondern auch Übertragungstatbe-

256 Anders

Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  419. Dies folgerichtig bedauernd Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.193. 258  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  369. 259 Ebenso Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  361 ff. 260 Staudinger/Wiegand (2016), §  929 Rn.  55 ff.; Brehm/Berger, Sachenrecht, §  1 Rn.  4 4; Wieling, Sachenrecht, S.  41; Wilhelm, Sachenrecht, Rn.  33 ff. 257 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

stände ohne sichtbares Vollzugselement kennt261. Auch die unter §  929 Satz  1 BGB fallende Übereignung durch Einigung und Besitzumstellung vollzieht sich typischerweise ohne eine Form von Publizität. Aus der Konzeption der §§  929 ff. BGB geht hervor, daß Publizitätsinteressen zurückzutreten haben, wenn anderweitige, vom Gesetzgeber höher eingeschätzte Interessen einer Kundbarmachung der Rechts­ änderung gegenüber Dritten entgegenstehen262 . Was den Effektengiroverkehr betrifft, bei dem die einzelnen Rechtsänderungen immerhin durch für die Beteiligten einsehbare Buchungsvorgänge vollzogen werden, wäre es sogar geradezu absurd, aus dem sachenrechtlichen Publizitätsprinzip die Notwendigkeit einer „Öffentlichkeit“ der Eigentumsübertragungen abzuleiten.

4. Ergebnis Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß die Annahme, die Kontoinhaber auf den verschiedenen Stufen der Verwahrpyramide seien mittelbare Mitbesitzer im Sinne der §§  868, 871 BGB, keinen durchgreifenden Bedenken begegnet, soweit es um die Sammelverwahrung einzelverbriefender Effekten geht. Der nach allgemeinen Regeln erforderliche Herausgabeanspruch des einzelnen Kontoinhabers gegen seinen Verwahrer als Besitzmittler ergibt sich aus §  7 Abs.  1 DepotG. Daß dieser Anspruch auf die Auslieferung bislang noch nicht individualisierter Stücke gerichtet ist, ist gemäß dem Grundsatz der „gelockerten Identität“ zwischen Besitz- und Herausgabegegenstand unschädlich. Nicht so einfach liegen die Dinge bei der in der Emissionspraxis vorherrschenden Dauerglobalurkunde. Bei ihr ist der Anspruch auf Auslieferung einzelner Wertpapiere per definitionem ausgeschlossen. Den Depotkunden steht auch kein Anspruch auf Herausgabe der Globalurkunde als solche zu, der nach allgemeinen sachenrechtlichen Vorgaben geeignet wäre, einen mittelbaren Besitz zu begründen. Doch wäre es voreilig, daraus den Schluß zu ziehen, daß die hergebrachte Besitzkonstruktion bei der Dauerglobalurkunde nicht trägt und Miteigentumsanteile an solchen Urkunden daher nicht nach sachenrechtlichen Regeln übertragen werden können. Mit Rücksicht auf den Willen des Gesetzgebers, der die „bewährten Grundsätze“ der Sammelverwahrung auch bei der Globalurkunde angewendet wissen will, ist es vielmehr geboten, nach einer anderen Stütze für die Besitzkonstruktion zu suchen. Dabei bietet es sich an, die auf dem Depotvertrag beruhende Rechtsmacht des Kontoinhabers, mittels Umbuchungsanweisung an den Verwahrer über seine Depotwerte zu verfügen, als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs zu betrachten und mit dieser Begründung von einem mittelbaren Besitz an der Globalurkunde auszugehen. Zu dem gleichen Ergebnis kommt der BGH mit seiner Annahme, dem Depotinhaber stehe ein Anspruch auf „Herausgabe durch Umbuchung“ zu. 261 

Brehm/Berger, Sachenrecht, §  1 Rn.  4 4. (2016), vor §§  929-931 Rn.  23.

262 Staudinger/Wiegand

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Eine Alternativlösung besteht darin, die Depotgutschrift sogar als Besitzsurrogat zu begreifen. Mit dieser Lösung dürften die Möglichkeiten der Rechtsfortbildung allerdings bis zum äußersten ausgeschöpft sein.

V.  Übertragung von Girosammelanteilen im bisherigen Modell 1. Überblick Hat sich schon die Klärung der Besitzverhältnisse am Girosammelbestand als Herausforderung erwiesen, so gilt dies erst recht für die juristische Deutung der Übertragung von Girosammelanteilen. Auch insoweit sehen sich sämtliche Ansätze, das Miteigentumsmodell in den Rahmen des Sachenrechts einzupassen, mit dem Vorwurf konfrontiert, vom angestrebten Ergebnis her zu argumentieren und formale Konstruktionsjurisprudenz von hochgradiger Künstlichkeit zu betreiben263. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, daß dieser Vorwurf schon in dem herkömmlichen (und einfacheren) Fall der Anteilsübertragung, nämlich derjenigen ohne Einbeziehung eines zentralen Kontrahenten264, nicht einer gewissen Berechtigung entbehrt, und daß die Abwicklung von Wertpapiergeschäften im deutschen Recht nicht in allen Punkten so klar geregelt ist, wie dies im Interesse der Rechtssicherheit zu wünschen wäre. Um die rechtliche Konstruktion der Übertragung von Girosam­mel­ anteilen auf ihre Schwachstellen hin abklopfen zu können, ist es notwendig, sich zunächst Klarheit über den tatsächlichen Ablauf einer Wertpapiertransaktion zu verschaffen (sogleich unter 2). Sodann ist zu untersuchen, ob und wie sich die Übertragung von Girosammelanteilen unter Vermittlung der Clearstream Banking AG in das System der §§  929 ff. BGB einordnen läßt (unter 3). Davon streng zu unterscheiden ist die Frage, ob bei der Abwicklung den Vorgaben der europäischen Finalitätsrichtlinie Genüge getan ist, d. h. ab einem bestimmten Zeitpunkt die Unwiderruflichkeit der von den Giroteilnehmern an CASCADE übermittelten Übertragungsaufträge sichergestellt ist (unter 4). Im Anschluß daran ist das Miteigentumsmodell seiner wohl härtesten Belastungsprobe auszusetzen: der Untersuchung, wie es um die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von Girosammelanteilen bestellt ist (unter 5). Schließlich ist noch der sondergesetzliche Übertragungstatbestand des §  24 Abs.  2 DepotG in Augenschein zu nehmen, von dem heute ganz überwiegend angenommen wird, daß er gegenüber den §§  929 ff. BGB subsidiär ist und daher im Effektengiroverkehr keine praktische Rolle spielt (unter 6).

263 Schlegelberger/Hefermehl, 264 

HGB, Anh. §  406 Rn.  326. Zur Anteilsübertragung unter Einschaltung eines zentralen Kontrahenten siehe unter V.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

2.  Ablauf der Abwicklung Der typische Ablauf einer Wertpapiertransaktion sei anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht: Ein Depotkunde beauftragt seine Bank, die ein in CASCADE geführtes Depotkonto bei der Clearstream Banking AG unterhält und als direkte TARGET2-Teilnehmerin am Geldverrechnungsverkehr über die Deutsche Bundesbank teilnimmt265, mit dem Kauf von Wertpapieren, die zur Abwicklung über TARGET2­ Securities (T2S)266 geeignet sind. Die Bank führt den Auftrag als Kommissionärin aus, indem sie auf der elektronischen Handelsplattform XETRA der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) ein entsprechendes Ausführungsgeschäft mit einem anderen Handelsteilnehmer abschließt. Unmittelbar nach Zustandekommen des Ausführungsgeschäfts durch das Matching, d. h. die automatische Zusammenführung der von den Handelsteilnehmern eingegebenen Kauf- bzw. Verkaufsaufträge267, wird den Kontrahenten durch XETRA eine sog. Ausführungsbestätigung übermittelt268. Zusätzlich erhalten sie eine sog. Geschäftsbestätigung269, in denen die wesentlichen Handelsdaten (Wertpapier, Stückzahl, Kurs, Vertragsparteien) um weitere Angaben (z. B. Provision, Courtage) ergänzt sind. Diese Geschäftsbestätigung wird vom Sy­ stem XONTRO Trade (vormals BÖGA 270) erstellt, das an allen deutschen Börsen zum Einsatz kommt und auch für die Weiterleitung der Geschäfte zur Regulierung an die Clearstream Banking AG genutzt wird. Es bildet die elektronische Schnittstelle zwischen Handels- und Abwicklungssystem und dient außerdem als Medium zur Erfüllung der Meldepflichten nach Art.  26 und 27 MiFIR und §  22 WpHG271. Nach §  4 Abs.  1 AGB-FWB sind Börsengeschäfte grundsätzlich am zweiten Erfüllungstag nach dem Tag des Geschäftsabschlusses zu erfüllen (T+2). Als Erfüllungstag gilt nach §  33 Abs.  2 AGB-FWB jeder Börsentag sowie die zusätzlich von der Geschäftsführung bestimmten Tage, die ausschließlich der Erfüllung von Börsengeschäften dienen. Unmittelbar gilt die Lieferfrist von zwei Erfüllungstagen zwar nur für Geschäfte der Handelsteilnehmer untereinander. Über Nr.  3 Abs.  1 SBW, der bestimmt, daß das Ausführungsgeschäft der Bank den für den Wertpapierhandel am Ausführungsplatz geltenden Rechtsvorschriften und Geschäftsbedingungen (Usancen) unterliegt, strahlt sie jedoch auch auf das Kommissionsverhältnis zwischen der Bank und dem auftraggebenden Kunden aus. Auch der Kunde darf somit erst für den 265  Giroteilnehmer, die nicht selbst über ein TARGET2-Zahlungskonto verfügen, können am Geldverrechnungsverkehr nur über eine Korrespondenzbank teilnehmen, die direkt an TARGET2 angeschlossen ist. 266  Zum Zweck und zu den Merkmalen dieser Plattform siehe unter §  4 VI 4 d). 267  Die dogmatische Erklärung des Vertragsschlusses ist hoch umstritten; eingehend dazu Alfes, Central Counterparty, S.  77 ff.; Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  314 ff.; Rinker, Vertragsschluß, Rn.  213 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  4.65 ff.; siehe ferner Kümpel, WM-Sonderbeilage 4/1991, S.  4 ff. (zum Vorgängersystem IBIS). 268  §  2 Abs.  1 Satz  2 AGB-FWB. 269  §  2 Abs.  3 AGB-FWB. 270  Abkürzung für „Börsengeschäftsabwicklung“. 271  Eingehend zu diesem System Ruland, Effekten, S.  178 f.

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zweiten Tag nach Geschäftsabschluß mit der „Lieferung“ der Titel rechnen. Im tatsächlichen Geschehen zwischen Handels- und Erfüllungstag spiegelt sich diese Rechtslage jedoch nur unvollkommen wider. Das wird deutlich, wenn man die einzelnen Abwicklungsschritte in unserem Beispiel betrachtet: 1.  Unmittelbar nach Geschäftsabschluß an der Börse (T+0) erteilt die mit dem Ankauf der Wertpapiere beauftragte Bank ihrem Kunden eine vorgezogene Depotgutschrift, die auch ab sofort im Depotauszug ausgewiesen wird. Das Zahlungskonto des Kunden belastet sie mit dem Kaufpreis. Außerdem übermittelt die Bank dem Kunden noch am selben Tag eine Geschäftsabrechnung, welche die nach §  384 Abs.  2 Halbsatz 1 HGB vorgeschriebene Ausführungsanzeige des Kommissionärs in sich aufnimmt. Manche Banken weisen ihre Kunden in der Geschäftsabrechnung ausdrücklich darauf hin, daß die Depotgutschrift erst am zweiten Tag nach Geschäftsabschluß (T+2) wirksam werden soll, etwa durch einen Zusatz wie „Valuta 10.02.2017“. Es gibt aber auch Banken, die auf einen solchen Hinweis verzichten, so daß beim Kunden der unzutreffende Eindruck entstehen kann, er habe das Miteigentum bereits am Handelstag erworben. Das Verfahren der vorgezogenen Depotgutschrift wird von der Kreditwirtschaft hartnäckig verteidigt, weil es für die Bank den Vorteil hat, daß der Kunde nur einmal, nämlich nach der Ausführung des Kaufauftrags, und nicht auch nach der Verschaffung des Miteigentums benachrichtigt werden muß, wie dies an sich durch §  24 Abs.  2 Satz  2 DepotG vorgeschrieben ist272 . 2.  Ist der verkaufende Handelsteilnehmer seinerseits im Auftrag eines Depotkunden tätig – wovon im folgenden ausgegangen werden soll –, nimmt auch er unmittelbar nach dem Abschluß des Ausführungsgeschäfts (T+0) die Buchungen auf den Konten des Kunden vor: Die Titel werden aus dem Depotkonto ausgebucht, und dem Zahlungskonto wird der Verkaufserlös gutgeschrieben, dies allerdings mit Valuta T+2. 3.  Nach Handelsschluß (T+0) werden alle abgeschlossenen Börsengeschäfte mittels XONTRO Trade an die Clearstream Banking AG übermittelt und als Lieferin­ struktionen in das System CASCADE-LION273 eingestellt. 4.  Von CASCADE-LION werden die Lieferinstruktionen als Delivery versus Payment (DvP)-Instruktionen an T2S weitergeleitet274 . Die Abwicklung im einzelnen hängt davon ab, welches Lieferfreigabeverfahren der Teilnehmer gewählt hat275. Beim Positivverfahren werden alle Lieferinstruktionen als gesperrt in CASCADELION eingestellt und sind vom Kunden einzeln freizugeben. Auch eine teilweise Freigabe ist möglich. Beim Negativverfahren werden alle Lieferinstruktionen als freigegeben in das System eingestellt und müssen vom Teilnehmer vor Beginn des nächsten Settlementzyklus gesperrt werden, falls sie nicht ausgeführt werden sollen. 272 Siehe

Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  41; Than, Unif. L. Rev. 2005, 263, 268 f. LION steht für Lieferfreigabe online. 274  Siehe dazu und zum folgenden CBF-Handbuch, S.  3-6 (Feb. 2017). 275  Das kommt auch in Ziffer XX Abs.  3 AGB-CBF zum Ausdruck, wonach die Ausführung von Lieferinstruktionen zusätzlich von Freigaben des Kunden abhängig sein kann. 273 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

5.  An T2S übermittelte Übertragungsaufträge werden in unterschiedlichen Settlementzyklen verarbeitet. T2S bietet eine sequentielle Nachtverarbeitung (Nighttime Settlement – NTS) mit zwei Zyklen sowie bis zu zwei Echtzeit-Verarbeitungsläufe (Real-time Settlement – RTS) an276. Der erste Zyklus der Nachtverarbeitung (First NTS Cycle – FNTC) beginnt gegen 20 Uhr und endet gegen 22:20 Uhr, der zweite Zyklus (Last NTS Cycle – LNTC) beginnt nach Ende des ersten und endet gegen 00:00 Uhr. Instruktionen, die im Night-time Settlement nicht abgewickelt werden können, werden automatisch in das Real-time Settlement vorgetragen. Die zeitliche Einteilung der Settlementzyklen erfolgt nach Geschäftstagen. Der Tageswechsel auf den jeweils nächsten Geschäftstag findet um ca. 18:45 Uhr statt. Wird in unserem Beispiel der Übertragungsauftrag am Abend des ersten Geschäftstages nach dem Handelstag (T+1) in den ersten, gegen 20 Uhr beginnenden Nachtverarbeitungs­zy­ klus übernommen, so gelangt dieser Auftrag somit aus Sicht von T2S an T+2 zur Abwicklung, weil gegen 18:45 Uhr ein neuer Geschäftstag beginnt. Findet die Umbuchung der Titel auf den Depotkonten der Teilnehmer um 22:10 Uhr statt, so ist dies der Zeitpunkt des Besitzübergangs und damit der Erfüllungszeitpunkt. In der Umsatzvollanzeige im CASCADE-System werden sowohl der Erfüllungstag als auch (sekundengenau) die Systemzeit ausgewiesen, zu der die Umbuchung stattgefunden hat277. Der angegebene Erfüllungstag ist dabei jeweils der T2S-Geschäftstag der Buchung. Bei Übertragungsaufträgen, die im Night-time Settlement vor Mitternacht zur Abwicklung gelangen, kommt es somit zu einer Abweichung zwischen T2S-Geschäftstag und Kalendertag. Wird der Auftrag im Night-time Settlement nach Mitternacht oder im Real-time Settlement abgewickelt, entspricht der angegebene Erfüllungstag stets dem Kalendertag278. 6.  Um die Abwicklung nach dem Modus „Lieferung gegen Zahlung“ sicherzustellen279, wird vor Beginn der Verarbeitung überprüft, ob die Depotkonten und die für die T2S-Abwicklung vorgesehenen Geldkonten (Dedicated Cash Accounts – DCA280) der Teilnehmer genügend Deckung aufweisen. Der Teilnehmer muß die für die Abwicklung seiner Aufträge voraussichtlich erforderliche Zentralbankliquidität, die er mit Hilfe eines von der Clearstream Banking AG bereitgestellten Berechnungstools (Cash Forecast) ermitteln kann, auf sein DCA übertragen. Dies geschieht durch Übermittlung eines entsprechenden Dispositionsauftrags an TARGET2. Ist der angeforderte Geldbetrag auf dem RTGS-Hauptkonto des Teilnehmers vorhanden, er276 

277 

aus“.

Siehe dazu und zum folgenden CBF-Kundenhandbuch, S.  1-7 ff. Siehe auch Ziffer XXI Abs.  1 Satz  4 AGB-CBF, wo es heißt: „Die T2S-Buchungszeit weist CBF

278  Siehe das Beispiel im CBF-Kundenhandbuch, S.  1-10 oben: Angenommen, ein Auftrag mit Buchungsvaluta 10. Februar 2017 wird am Vorabend im NTS um 22:10:45 Uhr abgewickelt. Obwohl die Erfüllung (kalendarisch) am 9. Februar 2017 um 22:10:45 Uhr stattfindet, weist die Umsatz­voll­ anzeige den 10. Februar 2017 als Erfüllungstag aus. 279  Siehe Ziffer XXI Abs.  2 Satz  1 AGB-CBF. 280  Dedicated Cash Accounts sind Konten, die im Zahlungssystem TARGET2 geführt werden und mit einem sog. RTGS-Konto verknüpft sind.

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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hält die Clearstream Banking AG darüber eine Bestätigung. Der von TARGET2 bestätigte Geldbetrag kann dem vom Kunden angefragten entsprechen, aber auch niedriger oder höher sein, und wird für das Night-time Settlement dem DCA des Kunden gegen 19 Uhr (an T+1) gutgeschrieben281. 7.  Nach Abschluß des jeweiligen Abwicklungsablaufs (T+2) erhält jeder Teilnehmer ein sog. Clearing and Settlement Statement (MT 536), in dem alle abgewickelten Geschäfte ausgewiesen werden, sowie ein sog. Statement of Pending Stock Exchange Transactions (MT 537), aus dem alle nicht zur Abwicklung gelangten Geschäfte hervorgehen282 .

3.  Eigentumsübertragung nach §§  929 ff. BGB Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum vollzieht sich die rechtsgeschäftliche Übertragung von Girosammelanteilen nach den Vorschriften für bewegliche Sachen (§§  929 ff. BGB), und zwar unabhängig davon, ob sich der Sammelbestand aus einzelnen Wertpapieren oder einer Globalurkunde zusammensetzt. Zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber muß somit eine dingliche Einigung im Sinne des §  929 Satz  1 BGB zustandekommen, und es muß eine Übergabe stattfinden oder ein Übergabesurrogat vorliegen. Anknüpfend an die vorstehende Darstellung der tatsächlichen Abläufe bei der Abwicklung eines Börsengeschäfts ist im folgenden der Frage nachzugehen, ob sich die Vorgänge im Effektengiroverkehr tatsächlich mit den §§  929 ff. BGB erfassen lassen. a)  Dingliche Einigung Die größten Schwierigkeiten bereitet die Konstruktion der dinglichen Einigung. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß weder die Clearstream Banking AG noch die Depotbanken, obwohl sie das Ausführungsgeschäft an der Börse im eigenen Namen abschließen, Durchgangseigentum an den Wertpapieren erwerben sollen. Vielmehr soll das Miteigentum direkt vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger übergehen283. Da diese Anleger aber nicht unmittelbar miteinander in Kontakt treten, kann die dingliche Einigung nur unter Vermittlung der Depotbanken und der Clearstream Banking AG zustande gebracht werden. Damit steht die Frage im Raum, wie insoweit die Rollen zwischen diesen Intermediären verteilt sind.

281 

Siehe das CBF-Kundenhandbuch, S.  4-2 f. nebst Abbildung 4.1. Siehe die Abbildung im CBF-Kundenhandbuch, S.  3-6. 283  Für eine ausführliche Begründung MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  99–102; siehe ferner Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/342; Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar, 38. Kap. Rn.  30; abw. Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, §  37 Rn.  82, nach dessen Ansicht es bei der Bank des Käufers zu einem Durchgangserwerb kommt. 282 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

aa) Angebot Nach der heute weit überwiegenden Ansicht erteilt der Kunde mit der Verkaufsorder seiner Bank die konkludente Ermächtigung, über seine Miteigentumsanteile im eigenen Namen zu verfügen (§  185 BGB). Es ist somit die Bank, die als legitimierte Nichteigentümerin die Übereignungsofferte abgibt und Partei der dinglichen Einigung wird. Die entsprechende – wiederum konkludente – Willenserklärung ist in der Freigabe der Lieferliste zu sehen, mit der die Anweisung an die Clearstream Bank­ ing AG verbunden ist, die Girosammelanteile auf das Konto der Käuferbank umzubuchen (T+1)284 . Früher wurde auch die Ansicht vertreten, daß die Übereignungsofferte von der Wertpapiersammelbank auf der Grundlage einer ihr von der Verkäuferbank erteilten Ermächtigung nach §   185 BGB abgegeben wird. Diese Ansicht vermochte sich allerdings nicht durchzusetzen285. bb) Annahme Im Mittelpunkt des Streits über die Konstruktion der dinglichen Einigung steht die Frage, wer auf der Erwerberseite die Annahme des Einigungsangebots der Verkäuferbank erklärt: die Clearstream Banking AG oder die Käuferbank? Diese Frage ist nicht bloß von theoretischem Interesse, denn sie entscheidet darüber, auf wessen Gutgläubigkeit es im Rahmen der §§  932 BGB, 366 HGB ankommt286. Nach teilweise vertretener Ansicht287 wird die Einigungsofferte von der Käuferbank als verdeckter Stellvertreterin des Erwerbers angenommen. Die konkludente Annahmeerklärung der Käuferbank liege darin, daß sie sich vorbehaltlos den mittelbaren Mitbesitz an den Wertpapieren einräumen läßt. Die Rolle der Clearstream Banking AG beschränkt sich nach dieser Ansicht auf die einer Empfangsbotin, also auf die Entgegennahme und Weiterleitung der Übereignungsofferte an die Käuferbank. Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß die Clearstream Banking AG in der Regel nicht erkennen könne, ob mit der Umbuchungsanweisung eines Giroteilnehmers eine Einigungsofferte verbunden sei. Eine solche Anweisung könne auf die Erfüllung einer Lieferverpflichtung, aber auch auf einen schlichten Depotübertrag ohne Eigentumsübergang oder sogar eine Verpfändung gerichtet sein. Der Zweck der Umbuchung sei jeweils nur dem anweisenden und dem begünstigten Giroteilnehmer bekannt288. Diese Situ284  Insoweit übereinstimmend MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.   103; Heinsius/ Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  89; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2017 f.; Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  150; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/338; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.145; Rögner, in: Huber (Hrsg.), Bankrecht, Rn.  781; Wust, Verbuchung, S.  144. 285 Siehe noch Brink, Rechtsbeziehungen, S.   93; Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  111. 286  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  60. 287 Scherer/Behrends, DepotG, §   24 Rn.   68; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/338 f.; Dechamps, Wertrechte, S.  51 ff.; Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  151; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  11; wohl auch Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §  406 Rn.  322. 288  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/339.

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ation sei für die Tätigkeit eines Boten charakteristisch, der vom Inhalt und Sinn der übermittelten Erklärung keine Vorstellung zu haben brauche289. Daß die Käuferbank als verdeckte Stellvertreterin ihres Kunden handeln und so entgegen dem kommissionsrechtlichen Grundsatz des §  384 Abs.  2 HGB einen direkten Übergang der Girosammelanteile herbeiführen kann, begründet (auch) diese Ansicht mit der Rechtsfigur des Geschäfts für den, den es angeht290. Deren Voraussetzungen seien im anonymen Effektengiroverkehr erfüllt, da dem Veräußerer die Person des Erwerbers gleichgültig sei und die mit dem Ankauf beauftragte Bank den Willen habe, die Wertpapiere unmittelbar für den Kunden zu erwerben291. Der Zugang der Annahmeerklärung der Käuferbank bei der Verkäuferbank sei nach den Gepflogenheiten im massenhaften Effektenverkehr (der „Verkehrssitte“) nicht zu erwarten und daher gemäß §  151 BGB entbehrlich. Der Zeitpunkt der Eigentumsübertragung auf den Kommittenten fällt nach dieser Ansicht mit der Erlangung des mittelbaren Mitbesitzes durch die Kommissionärin zusammen, d. h. mit dem Wirksamwerden der Girosammelgutschrift auf dem Depotkonto der Käuferbank (T+2)292 . Gegen die Heranziehung der Grundsätze über das Geschäft für den, den es angeht, ist nichts einzuwenden. Ein solches Geschäft ist dadurch gekennzeichnet, daß der Handelnde nicht zu erkennen gibt, ob er für sich oder einen anderen handelt, aber aufgrund einer Vollmacht für einen anderen handeln will und es dem Geschäftsgegner gleichgültig ist, mit wem das Geschäft zustande kommt293. Rechtsfolge ist, daß die Wirkungen des Rechtsgeschäfts wie bei der gewöhnlichen Vertretung allein und unmittelbar den Vertretenen treffen. Anerkannt ist diese auf einer teleologischen Reduktion des §  164 Abs.  2 BGB beruhende Durchbrechung des stellvertretungsrechtlichen Offenkundigkeitsprinzips vor allem bei den sog. Bargeschäften des täglichen Lebens. Ob dazu auch massenhaft abgeschlossene Wertpapiergeschäfte gehören, sei dahingestellt. Die Voraussetzungen des verdeckten Geschäfts für den, den es angeht, sind jedenfalls auch hier erfüllt294: Das Interesse der Verkaufskommissionärin richtet sich ausschließlich auf eine sichere und vertragsgemäße Ab­ wicklung der Effektentransaktion. Ob die Einkaufskommissionärin oder deren Kunde das Eigentum erwerben soll, ist für sie uninteressant, zumal sie die Wertpapiere gemäß dem Modus „Lieferung gegen Zahlung“ nur liefern muß, wenn sie im Gegenzug den Kaufpreis erhält. Die Anonymität des Erwerbers – dessen Identität freilich aufgrund des Kommissionsverhältnisses objektiv bestimmbar ist – zählt sogar geradezu zu den Wesensmerkmalen der über den Börsenhandel ausgeführten Effektenkommission. Der Wille der Einkaufskommissionärin, die Wertpapiere unmittelbar für den Kunden zu erwerben, ergibt sich aus ihrer kommissionsrechtlichen 289 

Dechamps, Wertrechte, S.  53. Insofern übereinstimmend die Gegenauffassung, siehe dazu sogleich im Text. 291  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/343. 292  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/338. 293  BGHZ 154, 276, 279 = WM 2003, 973; MünchKomm-BGB/Schubert, §  164 Rn.  127. 294  Siehe dazu etwa Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  116 ff.; Saager, Effektengiroverkehr, S.  55. 290 

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Verpflichtung, dem Kommissionär möglichst schnell das Eigentum am Kommis­ sions­gut zu verschaffen, und kommt in der vorgezogenen Gutschrift auf dem Depotkonto des Kunden und der Einziehung des Kaufpreises (zzgl. Provision) noch am Handelstag (T+0) zum Ausdruck. Es ist nicht zu erkennen, daß die Heranziehung der Grundsätze über das Geschäft für den, den es angeht, die Gefahr einer Aushöhlung der konkursrechtlichen Spezialregelung des §  32 Abs.  1 Nr.  1 DepotG und insbesondere einer Benachteiligung solcher Kommittenten mit sich bringt, deren Auftrag noch nicht zur Vornahme eines entsprechenden Deckungsgeschäfts geführt hatte295. Und es wäre auch keineswegs methodisch bedenklich, wenn bei der Anwendung dieser Grundsätze kein Raum mehr für den gesetzlichen Eigentumserwerb nach §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG bliebe296. Denn es handelt sich bei dieser Regelung um einen Auffangtatbestand, der nur dann eingreift, wenn das Miteigentum nicht schon nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf den Kommittenten übergegangen ist. Es geht daher nicht an, aus ihr ein Argument gegen einen Direkterwerb des Kommittenten abzuleiten297. Zu verneinen wäre ein Direkterwerb nach alledem nur, wenn das Rechtsinstitut des Geschäfts für den, den es angeht, schon aus allgemeinen dogmatischen Erwägungen abzulehnen wäre. Auf dieses Grundsatzproblem kann hier jedoch nicht näher eingegangen werden298. Auf Bedenken stößt allerdings die Einordnung der Clearstream Banking AG als Empfangsbotin der Käuferbank. Ein Empfangsbote zeichnet sich dadurch aus, daß er seinem Auftraggeber eine bereits fertige Erklärung eines Dritten übermittelt. Er fungiert als unselbständige Empfangseinrichtung des Adressaten und hat im Unterschied zum Vertreter keinerlei Entscheidungsfreiheit299. Für den Zugang der von einem Empfangsboten entgegengenommenen Erklärung ist folglich der Zeitpunkt maßgebend, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Übermittlung der Erklärung an den Adressaten zu erwarten ist300. Eine Übermittlung des Übereignungsangebots der Veräußererbank an die Erwerberbank durch die Clearstream Banking AG findet aber tatsächlich nicht statt. Wie wir bereits gesehen haben, liegt das Übereignungsangebot in der Freigabe der Lieferliste und der damit verbundenen Umbuchungsanweisung an die Clearstream Banking AG. Welche Geschäfte von der Veräußererbank freigegeben und aufgrund dessen von der Clearstream Banking AG abgewickelt worden sind, erfährt die Erwerberbank jedoch erst nach dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, nämlich dann, wenn ihr das Clearing und Settlement State­ment zur Verfügung gestellt wird. 295 

So aber Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1981. So aber wiederum Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1981. 297  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  116. 298  Generelle Ablehnung der Rechtsfigur bei Flume, Allgemeiner Teil, S.  772 ff.; in die gleiche Richtung auch Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1981. Dagegen jedoch MünchKomm-BGB/Schu­ bert, §  164 Rn.  128; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  49 Rn.  50. 299 MünchKomm-BGB/Schubert, §  164 Rn.  70/71. 300  BGH, NJW-RR 1989, 757, 758. 296 

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Es ist auch zu bezweifeln, daß sich die Tätigkeit der Clearstream Banking AG in der technischen Übermittlung der Übereignungsofferte und der Umbuchung der Girosammelanteile erschöpft. Man darf nämlich nicht außer acht lassen, daß die Clear­ stream Banking AG bei der Abwicklung im DvP-Modus den betreffenden Zyklus erst in Gang setzt, nachdem sie sich der Freigabe der Geschäfte vergewissert und die Depot- und Zahlungskonten der Teilnehmer auf das Vorhandensein ausreichender Deckung überprüft hat301. Es sind dies Aufgaben, die von einer gewissen Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit geprägt sind, so daß gute Gründe dafür sprechen, die Clearstream Banking AG mit der überwiegenden Ansicht im Schrifttum als Vertreterin der Käuferbank zu betrachten302 . Das Übereignungsangebot der Veräußererbank wird danach in dem Zeitpunkt wirksam, in dem es der Clearstream Banking AG zugeht (§  164 Abs.  3 BGB), d. h. bereits mit Freigabe der Lieferliste. Die konkludente Annahme dieses Angebots durch die Clearstream Banking AG ist in der Umbuchung der Titel zu sehen. Des Zugangs der Annahmeerklärung bedarf es gemäß §  151 BGB nicht. Die Vollmacht der Clearstream Banking AG zur Entgegennahme der Übereignungsofferte und zur Abgabe der Annahmeerklärung ergibt sich aus dem durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG konkretisierten Depotvertrag mit der Käuferbank 303, die, wie bereits erwähnt, ihrerseits als verdeckte Stellvertreterin des Erwerbers agiert. Dem Einwand der Gegenansicht, die Clearstream Banking AG könne in der Regel nicht erkennen, ob mit der Umbuchungsanweisung eines Giroteilnehmers eine Einigungsofferte verbunden sei, läßt sich entgegenhalten, daß Lieferlisten nur zur Erfüllung von Börsengeschäften eingesetzt werden und ihre Freigabe folglich immer auf eine Eigentumsübertragung gerichtet ist304 . Im Ergebnis sprechen somit die überzeugenderen Gründe für die Annahme, daß das Übereignungsangebot der Verkäuferbank von der Clearstream Banking AG als Vertreterin der Käuferbank angenommen wird, und zwar konkludent durch Umbuchung der Girosammelanteile. Daß diese Konstruktion – wie auch die der Gegenansicht – kompliziert und stark vom angestrebten Ergebnis bestimmt ist, läßt sich natürlich nicht abstreiten305. 301  Nach Ziffer XX Abs.  2 Satz   2 AGB-CBF führt die Clearstream Banking AG „die Aufträge beider Kunden aus, soweit Depotbestand und Guthaben zur Erfüllung ausreichen“. 302 So Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   6 Rn.  84; Canaris, Bankvertragrecht, Rn.  2019, 2025; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §   72 Rn.   102; Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs, S.  48; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  59 ff.; dies., WM 2001, 7, 12 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.147; Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  404 ff.; Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  89; Sabine Mock, Bucheffekte, Rn.  260; ­Saager, Effektengiroverkehr, S.  53; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  294 ff.; Wust, Verbuchung, S.  145 f.; Koller, DB 1972, 1905; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 206. 303  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  8 4. 304  Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  4 05. 305 Treffend Schlegelberger/Hefermehl, Anh. §   406 Rn.  326, der die rechtliche Deutung der Übertragung von Sammelanteilen als ein Beispiel „formaler Konstruktionsjurisprudenz“ bezeichnet.

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b) Übergabe(surrogat) Das Zustandekommen der dinglichen Einigung ist nicht der einzige neuralgische Punkt des Miteigentumsmodells. Ebenfalls nicht abschließend geklärt ist, welcher der Tatbestände der §§  929 ff. BGB im Effektengiroverkehr zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit ist nicht verwunderlich, hat sich doch bereits gezeigt, daß schon die (Vor-)Frage nach den Besitzverhältnissen bei der Girosammelverwahrung nicht einheitlich beantwortet wird. aa)  §  930 BGB Zu Recht vereinzelt geblieben ist die Ansicht, daß sich die Übereignung von Miteigentumsanteilen im Effektengiroverkehr nach §  930 BGB vollzieht306. Dieser Tatbestand vereinfacht die Übertragung des Eigentums, indem er anstelle der nach §  929 Satz  1 BGB erforderlichen Übergabe die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber genügen läßt. Von allen anderen Tatbeständen der §§  929 ff. BGB unterscheidet er sich dadurch, daß der Veräußerer den Besitz an der Sache behält, der sich allerdings aufgrund des Besitzkonstituts von Eigen- in Fremdbesitz umwandelt307. Ist der Veräußerer – was für die Anwendung des §  930 BGB ausreicht308 – mittelbarer Besitzer der Sache, erlangt er durch die Übereignung mittelbaren Fremdbesitz erster Stufe, der Erwerber mittelbaren Eigenbesitz zweiter Stufe309. Der unmittelbare Fremdbesitzer verbleibt in seiner Besitzposition und braucht von der Übereignung nichts zu wissen310. Werden im Rahmen der Abwicklung eines Börsengeschäfts unter Vermittlung der Clearstream Banking AG Girosammelanteile übertragen, kann freilich keine Rede davon sein, daß zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Erwerber „ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt“311. Selbst in der vergleichsweise simplen Konstellation, daß die Handelsteilnehmer das Börsengeschäft auf eigene Rechnung abschließen und die Ab­ wicklung sich daher auf eine einzige Umbuchung auf ihren Clearstream-Konten beschränkt, ist kein Raum für die Annahme, daß der Erwerber seinen mittelbaren Besitz vom Veräußerer ableitet und dieser den Willen hat, die Wertpapiere nunmehr für den Erwerber zu besitzen. Der Weg über §  930 BGB ist allenfalls dann gangbar, wenn der Auftrag eines Kunden zum Ankauf von Wertpapieren an der Börse unmittelbar gegen die beauftragte Bank ausgeführt wird312 , ferner dann, wenn die Bank auf den Abschluß eines Deckungsgeschäfts an der Börse verzichtet und den Lieferan306 So

Deichmann, Effekten-Zentralsammeldepots, S.  70. §  930 Rn.  6. 308  BGHZ 111, 142, 145 f.; Soergel/Henssler, BGB, §  930 Rn.  7. 309 MünchKomm-BGB/Oechsler, §  930 Rn.  8. 310  BGH, NJW 1964, 397, 398; Palandt/Herrler, BGB, §  930 Rn.  7. 311  Dechamps, Wertrechte, S.  69; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  95 f. 312  Gemäß Nr.  1 Abs.  2 Satz  2 SBW ist dies nur im Rahmen des elektronischen Handels und auch nur dann möglich, wenn die die Bedingungen des Börsenhandels dies zulassen. 307 MünchKomm-BGB/Oechsler,

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spruch des Kunden stattdessen aus dem eigenen Anteil am Sammelbestand erfüllt313. In diesen Fällen wird die Clearstream Banking AG nicht in die Geschäftserfüllung einbezogen, und die Einkaufskommissionärin als erststufige mittelbare Besitzerin kann ihrem Kunden bezüglich des übertragenen Girosammelanteils zweitstufigen mittelbaren Besitz einräumen. Die Anwendung des §  930 BGB hat allerdings den Nachteil, daß ein gutgläubiger Erwerb des Kunden im Verhältnis zu seiner Bank gemäß §  933 BGB nicht möglich ist314 . Denn eine „Übergabe“ der Sache i. S. des §  933 BGB setzt voraus, daß der Veräußerer seinen Besitz vollständig zugunsten des Erwerbers aufgibt315. Die Verschaffung zweitstufigen mittelbaren Besitzes genügt dafür nicht. bb)  §  931 BGB Ein Teil des Schrifttums ist der Meinung, daß im Effektengiroverkehr die Übergabe durch die Abtretung desjenigen Herausgabeanspruchs ersetzt wird, der dem veräußernden Kunden als mittelbarem Besitzer zweiter Stufe gegen seine Depotbank als Besitzmittlerin zusteht (§  931 BGB)316. Den Vollzug der Übereignung muß man sich danach so vorstellen, daß die Abtretung mit der dinglichen Einigung verbunden wird: Die Abtretungsofferte wird von der nach §  185 BGB ermächtigten Bank des Kunden konkludent mit der Freigabe der Lieferliste erklärt und von der Wertpapiersammelbank für den Erwerber angenommen317. §  931 BGB paßt in der hier interessierenden Konstellation aber aus mehreren Gründen nicht: So ist erstens schon zweifelhaft, ob in dem praktisch wichtigsten Fall der Dauerglobalverbriefung ein Herausgabeanspruch des Kunden existiert, der Gegenstand einer Abtretung sein könnte. Dieser Einwand ließe sich freilich, wie wir gesehen haben, dadurch überwinden, daß man die Rechtsmacht des Kunden, mittels Anweisung an die Bank über sein Depotguthaben zu verfügen, als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs auffaßt. Zweitens geht §  931 BGB davon aus, daß der (un)mittelbare Besitzer, gegen den sich der Herausgabeanspruch richtet, auch nach der Abtretung noch (un)mittelbarer Besitzer ist. Anders formuliert: Es darf sich nichts an der Person des Anspruchsgegners ändern. Daher kommt diese Form der Eigentumsübertragung von vornherein nur in Betracht, wenn der Veräußerer und der Erwerber Kunden derselben Depot313 

Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  36. Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs, S.  63. 315 MünchKomm-BGB/Oechsler, §  933 Rn.  4; Baur/Stürner, Sachenrecht, §  52 Rn.  18. 316  Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs, S.  54, 62 f.; Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 265. 317  Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs, S.  62 f. Mißverständnis dieses An­satzes bei Dechamps, Wertrechte, S.  63, der meint, daß die übereignende Bank ihren Herausgabeanspruch gegen die Wertpapiersammelbank mit Einwilligung des veräußernden Depotkunden an die erwerbende Bank abtritt. Unklar auch Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 207, die sich mit den Möglichkeiten der Eigentumsübertragung außerhalb des Effektengiroverkehrs befassen und der Ansicht sind, daß der Hinterleger seinen gegen die Wertpapiersammelbank (!) gerichteten Herausgabeanspruch nach §§  7 und 8 DepotG gemäß §  931 BGB abtreten kann. 314 

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bank sind, nicht aber, wenn Girosammelanteile unter Vermittlung der Clearstream Banking AG übertragen werden mit der Folge, daß die auf der Seite des Veräußerers stehende Bank aus ihrer Position als Besitzmittlerin ausscheidet318. Drittens ist zu bedenken, daß die Abtretung des Herausgabeanspruchs sich typischerweise ohne jede Publizität und ohne Kenntnis des Dritten (Besitzmittlers) vollzieht. Der Effektengiroverkehr zeichnet sich aber gerade dadurch aus, daß die Besitzmittler an der Eigentumsübertragung mitwirken und es ohne Depotgutschrift als nach außen hervortretendem Akt keinen Rechtserwerb geben soll319. Und viertens hätte der Weg über §  931 BGB den Nachteil, daß der Erwerber die Miteigentumsanteile nicht frei von Rechten Dritter erwerben könnte. Das ergibt sich aus §  936 Abs.  3 BGB320. cc)  §  929 Satz  1 BGB Die h. M. ordnet die Übertragung von Girosammelanteilen im Rahmen des Effektengiroverkehrs als Fall des §  929 Satz  1 BGB ein321. Sie knüpft dabei an die weit verbreitete, wenngleich nicht unbestrittene Auffassung an, daß eine Übergabe im Sinne dieser Vorschrift auch in der Form vorgenommen werden kann, daß der Veräußerer seinen Besitzmittler anweist, künftig ausschließlich für den Erwerber zu besitzen, und der Besitzmittler dieser Anweisung nachkommt322 . Die Übertragung von Girosammelanteilen setzt danach (neben der dinglichen Einigung) voraus, daß bezüglich dieser Anteile (1) die mit dem Verkauf der Wertpapiere beauftragte Depotbank das Besitzmittlungsverhältnis zu ihrem Kunden beendet323, (2) die Clearstream Banking AG auf Anweisung dieser Bank ihren Besitzmittlungswillen auf die Depotbank des Erwerbers umstellt und (3) diese Bank ein Besitzmittlungsverhältnis zum Erwerber begründet. Ausgehend von der hier nicht abermals zu problematisierenden Prämisse, daß bei der Girosammelverwahrung gestufter mittelbarer Mitbesitz der Depotin318  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  91; Saager, Effektengiroverkehr, S.  56 f.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  309; a. A. Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  108, 127. 319  Dechamps, Wertrechte, S.  6 4 f.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  309. 320  Dechamps, Wertrechte, S.  6 4. 321 BGHZ 160, 121, 124; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   6 Rn.  35; Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  29 (S.  169); Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2020; MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  747 Rn.  21; Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, §  37 Rn.  89; Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar, 38. Kap. Rn.  30; Klanten, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  105; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/336; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.144 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn.  855; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  128 ff.; Saager, Effektengiroverkehr, S.  57; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  301 ff.; Wust, Verbuchung, S.  146 f.; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 206. Siehe auch BGH, NJW 1999, 1393 (für Investmentanteile). 322 MünchKomm-BGB/Oechsler, §  929 Rn.  66; Palandt/Herrler, §  929 Rn.  16; Westermann/Gur­ sky/Eickmann, Sachenrecht, §  38 Rn.  4. Ablehnend etwa Wieling, Sachenrecht, S.  299 m. w. N. zur Gegenansicht. 323  Grundsätzlich setzt die Übergabe voraus, daß der Veräußerer den mittelbaren Besitz an der Sache vollständig verliert, siehe zuletzt BGH, DStR 2010, 985, 987. Doch kann ein Miteigentümer auch einen Teil seines Miteigentums durch Verschaffung des Mitbesitzes übertragen und selbst Mitbesitzer bleiben, siehe Dechamps, Wertrechte, S.  63.

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haber besteht, sieht die h. M. diese Voraussetzungen in der Praxis als erfüllt an. In der Tat wird die Anwendung von §  929 Satz  1 BGB dem tatsächlichen Geschehen im Effektengiroverkehr eher gerecht als die Anwendung von §  930 oder §  931 BGB. Wie sich aus Ziffer XXI Abs.  1 AGB-CBF ergibt, entspricht sie auch dem Willen der beteiligten Institute. Nimmt man die Übergabekonstruktion der h. M. in ihren Einzelheiten näher in Augenschein, zeigen sich allerdings einige Unklarheiten. Diese betreffen keineswegs nur dogmatische Randprobleme324, sondern auch Aspekte, die für die Rechtssicherheit im Effektengiroverkehr von erheblicher Bedeutung sind. (1)  Zeitpunkt des Eigentumsübergangs Für die Beteiligten muß zweifelsfrei erkennbar sein, zu welchem Zeitpunkt das Miteigentum auf den Erwerber übergeht. Meistens wird gesagt, dieser Zeitpunkt werde durch den Abschluß des Buchungsvorgangs bei der Wertpapiersammelbank markiert325. Das trifft zu: Dieser Vorgang ist der zeitlich letzte und entscheidende Akt im Rahmen der Geschäftsabwicklung, weil in ihm die Annahme des Übereignungsangebots der Veräußererbank zum Ausdruck kommt und erst durch ihn die Buchungskette zum Erwerber geschlossen wird. Bei der Abwicklung von Wertpapiergeschäften auf der T2S-Plattform wird der Zeitpunkt der Umbuchung sekundengenau im CASCADE-System ausgewiesen. Im Schrifttum wird mit Blick auf den Abwicklungsmodus „Lieferung gegen Zahlung“ die Ansicht vertreten, die Umbuchung der Titel vom Clearstream-Konto der Veräußerer- auf das Konto der Erwerberbank sei eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung des Eigentumsübergangs. Hinzu kommen müsse der Abschluß der Geldregulierung – also der Eingang der Gegenleistung −, der als aufschiebende Bedingung (§  158 BGB) der Be­ sitzumstellung auf die Erwerberbank aufzufassen sei326. Das ist eine mögliche, aber keineswegs zwingende Deutung. Denn beim Modus „Lieferung gegen Zahlung“ wird schon technisch sichergestellt, daß die Umbuchung der Titel – und damit auch der Besitzübergang – erst stattfindet, wenn die Zahlung des Kaufpreises garantiert 324  Nebensächlich ist zum Beispiel die Diskussion darüber, auf welche Weise das Besitzmittlungsverhältnis zwischen der Clearstream Banking AG und der begünstigten Bank zustandekommt. Nach einer Ansicht begründet die Wertpapiersammelbank mit der Umbuchung im Wege des Insichgeschäfts ein besonderes Besitzmittlungsverhältnis in Gestalt eines Sammelverwahrungsvertrags (§§  688, 181 BGB); siehe Opitz/Schultz, Effektengiroverkehr und Sammeldepots, in: Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  45, 59 und dem folgend Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/337; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.151; Eder, NZG 2004, 107, 112. Nach der überzeugenderen, weil weniger gekünstelten Gegenansicht liegt dem Besitzmittlungsverhältnis die bereits bestehende Kontoverbindung zugrunde, so daß zur Übergabe die bloße – sich in der Umbuchung manifestierende – Willensänderung genügt; so Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  85 und Dechamps, Wertrechte, S.  61. Canaris (Bankvertragsrecht, Rn.  2020) hält beide Deutungen für vertretbar. 325  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  87; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/70; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  105. 326 Siehe (jeweils zum früheren Geldverrechnungsverkehr) Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/337c; Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  126; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  304 f.; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 207.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

ist. Der Annahme einer aufschiebenden Bedingung, die den Übertragungsvorgang noch komplizierter macht, als er ohnehin schon ist, bedarf es daher nicht. Sie wird auch von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG nicht gefordert327. (2)  Notwendigkeit von Buchungen auf der Ebene der Zwischenverwahrer? Aus der Tatsache, daß der Abschluß des Buchungsvorgangs bei der Clearstream Ban­ king AG den Zeitpunkt der Eigentumsübertragung markiert, dürfte sich erklären, weshalb die Bedeutung der Buchungen auf der Ebene der Depotbanken bei der juri­ stischen Analyse des Effektengiroverkehrs häufig vernachlässigt oder unterschätzt wird. Es wird sogar behauptet, diese Buchungen seien für die dingliche Abwicklung gar nicht erforderlich328. Aber das trifft nicht zu. Solange die Käuferbank ihrem Kunden keine Depotgutschrift erteilt, kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie ihm den Besitz an den Wertpapieren mitteln will. Ohne die Begründung eines solchen Willens erlangt der Kunde aber keinen mittelbaren Besitz zweiter Stufe, wie dies für die Eigentumsübertragung nach §  929 Satz  1 BGB erforderlich ist. Die Übergabe ist erst und nur dann vollendet, wenn zwischen der Clearstream Banking AG und dem Erwerber eine geschlossene Kette von Besitzmittlungsverhältnissen besteht329. Insofern gilt aber sowohl auf der Ebene der Clearstream Banking AG als auch auf der Ebene der Giroteilnehmer, daß es ohne Depotgutschrift als nach außen hervortretendes Vollzugselement keine Besitzeinräumung geben soll, obwohl es sich bei der Umstellung bzw. Begründung des Besitzmittlungswillens an sich um einen rein voluntativen Akt handelt. Daß Mahler die Depotgutschrift auf der Ebene der Käuferbank für verzichtbar hält, ist womöglich darauf zurückzuführen, daß er diese Bank als „Geheißperson des Erwerbers“ einordnet. Nun werden unter dem Stichwort „Geheißerwerb“ in der Tat Konstellationen diskutiert, in denen es für die Übergabe genügt, daß der Besitz an der Sache der Geheißperson des Erwerbers und nicht diesem selbst übertragen wird. Fungiert – wie hier – die Mittelsperson des Erwerbers als dessen Besitzmittler, liegt ein Fall des (echten) Geheißerwerbs aber nicht vor330. 327 

Siehe Ziffer XXI Abs.  1 Satz  3 und Abs.  2 AGB-CBF. Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  127, wo es heißt: „Für die dingliche Abwicklung des Wertpapiergeschäfts ist es nicht erforderlich, dass auch eine Buchung auf den von den Zwischenverwahrern für den Veräußerer bzw. Erwerber geführten Wertpapierkonten erfolgt. Denn bereits durch die Besitzumstellung auf Seiten der Wertpapiersammelbank als unmittelbarer Besitzer wird der mittelbare Besitz des Veräußerers beendet und neuer mittelbarer Besitz zugunsten der Geheißperson des Erwerbers begründet. Das Eigentum geht bereits im Zeitpunkt der Umbuchung in den Systemen von der Wertpapiersammelbank auf den Erwerber über und alle mit dem Eigentum verbundenen Schutzrechte stehen von diesem Zeitpunkt an dem Erwerber zu“. 329  Wust, Verbuchung, S.  147. 330  Beim (echten) Geheißerwerb wird die Sache von einer oder an eine Mittelsperson (Geheißperson) übergeben, die weder Besitzdiener (§  855 BGB) noch Besitzmittler (§  868 BGB) ist, sondern allein auf Weisung des Veräußerers oder Erwerbers handelt. Im Effektengiroverkehr kann man allenfalls von einem unechten Geheißerwerb sprechen. Siehe allgemein dazu MünchKomm-BGB/ Oechsler, §  929 Rn.  67 ff. 328 Siehe

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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(3)  Erkennbarkeit der Besitzumstellung? Mit Blick auf die Praxis der vorgezogenen Depotgutschrift stellt sich allerdings die weitere Frage, welche Anforderungen das Sachenrecht an die Erkennbarkeit eines Besitzwechsels stellt und ob die Buchungsvorgänge im Effektengiroverkehr diesen Anforderungen genügen. In einem Urteil vom November 1963, das die Übereignung von Holz durch antizipiertes Besitzkonstitut (§  930 BGB) betraf – die Parteien des Kaufvertrages hatten zusätzlich einen Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen, aufgrund dessen der Verkäufer für den Käufer im eigenen Namen die Messerung des Holzes besorgen sollte –, hat der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, die Aktualisierung des Besitzmittlungsverhältnisses durch den Veräußerer müsse zwar nicht für jeden Dritten, wohl aber für den Erwerber erkennbar sein331. Das Schrifttum hat diese Aussage aufgegriffen und sieht in der objektiven Erkennbarkeit des Besitzmittlungswillens für den mittelbaren Besitzer eine allgemeine Voraussetzung des mittelbaren Besitzes332 . Ob diese Voraussetzung aus Gründen der Rechtssicherheit wirklich notwendig ist, kann hier nicht erörtert werden333. Im Effektengiroverkehr besteht an der objektiven Erkennbarkeit des Besitzmittlungswillens jedenfalls insoweit kein Zweifel, als es um das Verhältnis zwischen der Clearstream Banking AG und der Erwerberbank geht. Denn der Buchungszeitpunkt, zu dem die Clearstream Banking AG ihren Besitzmittlungswillen von der Veräußerer- auf die Erwerberbank umstellt, wird im System sekundengenau ausgewiesen und kann von der Erwerberbank zu (fast) jeder Zeit online abgefragt werden. Weniger klar ist die Situation, was das Verhältnis zwischen der Erwerberbank und ihrem Kunden betrifft. Erteilt die Bank ihrem Kunden eine vorgezogene Depotgutschrift und weist sie diese ausdrücklich als vorläufig aus, wird für den Kunden hinreichend deutlich, dass und zu welchem Zeitpunkt – nämlich erst im Zeitpunkt der „Lieferung“ der Titel – er mittelbarer Besitzer werden soll. Erteilt die Bank ihrem Kunden eine vorbehaltlose Gutschrift, wird für diesen zwar erkennbar, daß er mittelbarer Besitzer an den Wertpapieren werden soll, es bleibt aber im dunkeln, daß dies erst im Zeitpunkt der „Lieferung“ geschehen soll. Da ein objektiv nicht dokumentierter Vorbehalt des Besitzmittlers unbeachtlich ist, wird man in einem solchen Fall davon ausgehen müssen, dass der Kunde bereits mit Erteilung der vorgezogenen Depotgutschrift mittelbaren Mitbesitz an dem für seine Depotbank bei der Clearstream Banking AG verbuchten Wertpapierbestand erhält, falls ein solcher zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden ist334 . Das ändert allerdings nichts daran, daß der Eigentumserwerb erst mit der „Lieferung“

331 

BGH, NJW 1964, 398.

332 MünchKomm-BGB/Joost,

§  868 Rn.  17; Palandt/Herrler, BGB, §  868 Rn.  7; Staudinger/Gut­ zeit (2012), BGB, §  868 Rn.  25. 333  Bei der Übereignung nach §  930 BGB wird eine nach außen erkennbare Ausführungshandlung heute überwiegend nicht mehr für erforderlich gehalten; siehe Baur/Stürner, Sachenrecht, §  51 Rn.  31. 334  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  306 f.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

der Titel an die Depotbank (T+2) stattfindet, denn erst in diesem Zeitpunkt kommt die nach §  929 Satz  1 BGB erforderliche dingliche Einigung zustande. (4)  Konstitutive Wirkung der Depotgutschrift? Die vorstehenden Überlegungen führen zu der Frage, was es mit der häufig aufgestellten Behauptung auf sich hat, im Effektengiroverkehr komme den Depotgutschriften keine rechtsbegründende Wirkung zu, sondern lediglich die Funktion, die Umstellung bzw. Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses – und damit die Übergabe nach §  929 Satz  1 BGB – nach außen zu verlautbaren335. In letzter Zeit ist über diese Frage vor allem im Zusammenhang mit der Kollisionsregel des §  17a DepotG diskutiert worden. Denn deren Anwendungsbereich ist auf Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandteile beschränkt, die „mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden“. Träfe es zu, daß Girosammelgutschriften diese „rechtsbegründende Wirkung“ abgeht, liefe §  17a DepotG weitgehend leer. Der Verständlichkeit der Diskussion nicht gerade förderlich ist es, daß im Schrifttum keine einheitlichen Vorstellungen über den Begriff „rechtsbegründende Wirkung“ herrschen. So spricht Franz den Depotgutschriften diese Wirkung mit der Begründung ab, daß bei der Übereignung nach §§  929 ff. BGB neben die Übergabe bzw. ein Übergabesurrogat stets die dingliche Einigung der Parteien treten müsse. Ein vollendeter Eigentumserwerb (eine Rechtsbegründung) liege erst dann vor, wenn beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt seien336. Wäre der Begriff wirklich so zu verstehen, hätte man es im Effektengiroverkehr, von Ausnahmebestimmungen wie §  24 Abs.  2 DepotG abgesehen, aber so gut wie nie mit „rechtsbegründenden“ Gutschriften zu tun. In welche Verlegenheit sich Franz mit seinem viel zu engen Verständnis des Begriffs „rechtsbegründende Wirkung“ bringt, zeigt denn auch sein fragwürdiger Vorschlag, dieses Merkmal in §  17a DepotG einfach zu „überlesen“337. In Anbetracht dessen kann die Frage nur lauten, ob es sich bei der Buchung um ein notwendiges Element des rechtsgeschäftlichen Erwerbstatbestandes handelt, wie dies zum Beispiel bei der Grundbucheintragung der Fall ist, die im Zusammenwirken mit der dinglichen Einigung die gewünschte Rechtsänderung herbeiführt (vgl. §  873 Abs.  1 BGB)338. Dagegen scheint zu sprechen, daß es für §  929 Satz  1 BGB grundsätzlich irrelevant ist, wie die Umstellung des Besitzmittlungswillens nach außen in Erscheinung tritt. Von einer wirksamen Anteilsübertragung wäre etwa auch dann auszugehen, wenn die Clearstream Banking AG auf einen entsprechenden Auftrag hin dem Überweisenden und dem Begünstigten mitteilt, der Anteil stünde jetzt dem 335 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.   198; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   6 Rn.  35; Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar, 38. Kap. Rn.  30; Scherer/Behrends, DepotG, §  24 Rn.  63; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.152; Than, in: Festschrift für Kümpel, S.  543, 553; Koller, DB 1972, 1905, 1907. 336  Franz, Überregionale Effektentransaktionen, S.  97. 337  Franz, Überregionale Effektentransaktionen, S.  112. 338  Zur konstitutiven Wirkung der Grundbucheintragung siehe statt vieler MünchKomm-BGB/ Kohler, §  873 Rn.  93.

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letzteren zu. Eine spätere Umschreibung auf den Konten der Teilnehmer hätte in diesem Fall nur berichtigenden Charakter339. Bei der Abwicklung von Börsengeschäften finden Rechtsübertragungen außerhalb des Buchungssystems aber niemals und im außerbörslichen Verkehr nur ganz ausnahmsweise statt. Die durch eine Lieferinstruktion veranlaßte Umbuchung der Girosammelanteile ist normalerweise der einzige Weg, um die – und sei es nur fiktive – Sachherrschaft über die zentralverwahrten Papiere zu erlangen340. Wenn es in den AGB der Clearstream Banking AG heißt, daß Girosammelanteile im „Girosammelverkehr“ durch Einigung und Übergang des Mitbesitzes übertragen werden341, dann ist das in dem ausschließenden Sinne zu verstehen, daß andere Formen der Übergabe nicht zur Verfügung stehen342 . Erweist sich die Umbuchung somit zumindest aus faktischen Gründen als unverzichtbares Element der Anteilsübertragung, so greift zu kurz, wer diesen Vorgang lediglich als „Folge eines geänderten Besitzmittlungswillens“ betrachtet343. Die Umstellung des Besitzmittlungswillens vollzieht sich nicht separat und selbständig neben den Buchungen, sondern durch diese Buchungen. Es sprechen daher gute Gründe für die Annahme, daß den Buchungen der Clearstream Banking AG konstitutive Bedeutung für den Rechtsübergang zukommt. Die Behauptung, Eintragungen im Depotbuch hätten nach deutschem Recht nur ausnahmsweise, nämlich im Fall des §  24 Abs.  2 DepotG, rechtsbegründende Wirkung344, stößt vor diesem Hintergrund auf gravierende Bedenken. Was die Buchungen der Depotbanken auf den Konten der Erwerber betrifft, kann man dagegen nur in einem sehr eingeschränkten Sinne von einer konstitutiven Wirkung sprechen345. Zwar ist auch die Gutschrift durch die Depotbank ein notwendiges Element des Erwerbstatbestandes insofern, als aus ihrem Fehlen geschlossen werden muß, daß die Bank noch keinen Besitzmittlungswillen zugunsten des Erwerbers gebildet hat346. Für die Unerläßlichkeit dieser Gutschrift spricht zudem, daß sie – wie 339 So

Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2047. Dechamps, Wertrechte, S.  73 f. 341  Ziffer XXI Abs.  1 AGB-CBF. 342  Dies wird bestätigt durch Ziffer XX Abs.  1 AGB-CBF, wo ausschließlich von der Übertragung „im Wege der Verbuchung zwischen Depots zweier Kunden“ die Rede ist. 343  So aber Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 720. 344  Einsele, WM 2001, 7, 15. 345  Ohne jede Einschränkung für eine konstitutive Wirkung Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  129; Horn, in: Festschrift für Hadding, S.  893, 898 f.; Schefold, IPrax 2000, 468, 475. Schief ist es, wenn mitunter behauptet wird, daß grundsätzlich nur den Buchungen von Clear­ stream, nicht aber den Buchungen der Depotbanken die Bedeutung einer Verlautbarung des Eigentumsübertragungswillens zukommt (so MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  198; dies., WM 2001, 7, 15). Zwar ist den Buchungen der Clearstream die Besonderheit eigen, daß in ihnen die – von der Clearstream als Stellvertreterin der Erwerberbank konkludent erklärte – Annahme des Übereignungsangebots zu erblicken ist. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch um die für die Übergabe nach §  929 Satz  1 BGB erforderliche Änderung bzw. Begründung des Besitzmittlungswillens. Insoweit besteht zwischen den Buchungen auf den unterschiedlichen Ebenen der Verwahrpyramide kein Unterschied. 346  Iro, in: Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht, Band II, Rn.  4/114. 340 Zutreffend

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

die Belastungsbuchung auf dem Konto des Veräußerers und die Buchungen durch die Clearstream Banking AG – der Individualisierung und Konkretisierung des Übertragungsgegenstandes und damit der Wahrung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes dient347. Da die Depotbanken die Gutschriften auf den Erwerberkonten bereits am Handelstag (T+0) zu erteilen pflegen, obwohl das jeweilige Besitzmittlungsverhältnis erst mit „Lieferung“ der Titel durch die Clearstream Bank­ ing AG zustandekommen soll, kann man aber nur mit dieser Einschränkung sagen, daß sich die Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses durch die Gutschrift selbst vollzieht. Bis zum Abwicklungstag (T+2) hat eine vorgezogene Gutschrift einen die Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses bloß vorbereitenden Charakter.

4. Finalität Im Rahmen der Abwicklung von Wertpapiergeschäften ist scharf zwischen zivilrechtlicher Erfüllung und Finalität zu unterscheiden348. Unter zivilrechtlicher Erfüllung (im engeren Sinne) ist gemäß §  362 Abs.  1 BGB der Zeitpunkt zu verstehen, in dem die Partei eines Wertpapiergeschäfts die von ihr geschuldete Leistung erbringt, d. h. die Wertpapiere übereignet bzw. den Kaufpreis zahlt. Finalität tritt hingegen in dem Moment ein, in dem ein von einem Teilnehmer in ein Abwicklungssystem (hier: CASCADE) eingebrachter Übertragungsauftrag in dem Sinne rechtlich verbindlich wird, daß er weder von dem Teilnehmer noch von einem Dritten widerrufen werden kann. Wie bereits ausgeführt, ist die Finalität ein wichtiges Instrument zur Eindämmung des systemischen Risikos. Indem sichergestellt wird, daß Übertragungsaufträge eines Teilnehmers ab einem bestimmten Zeitpunkt als endgültig und unwiderruflich zu behandeln sind, werden die übrigen Teilnehmer und das System selbst insbesondere für den Fall, daß der Teilnehmer unmittelbar nach Auftragserteilung in die Insolvenz fällt, davor geschützt, daß bereits in die Abwicklung übernommenen oder womöglich schon abgeschlossenen Transaktionen im nachhinein die Grundlage entzogen wird. In der Diskussion über die Tragfähigkeit der Miteigentumskonstruktion und den Zustand des deutschen Depotrechts allgemein hat der Aspekt der Finalität bislang keine nennenswerte Rolle gespielt. Soweit das Schrifttum diesem Aspekt überhaupt Beachtung geschenkt hat, hat es sich hauptsächlich mit der Frage der ordnungsgemäßen Umsetzung der europäischen Finalitätsrichtlinie in das deutsche Recht befaßt. Manche waren der Meinung, §  676 BGB a. F.349 habe nicht den Vorgaben der Richt347 

Horn, in: Festschrift für Hadding, S.  893, 899. CBF-Kundenhandbuch, S.  1-8. 349  Eingefügt durch das Überweisungsgesetz vom 21. Juli 1999, BGBl. I, S.  1642. Die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut: „§  676 Kündigung von Übertragungsverträgen. Die Kündigung eines Geschäftsbesorgungsvertrags, der die Weiterleitung von Wertpapieren oder Ansprüchen auf Herausgabe von Wertpapieren im Wege der Verbuchung oder auf sonstige Weise zum Gegenstand hat (Übertragungsvertrag), ist nur wirksam, wenn sie dem depotführenden Unternehmen des Begün­ stigten so rechtzeitig mitgeteilt wird, dass die Kündigung unter Wahrung der gebotenen Sorgfalt 348 

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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linie entsprochen und sei obendrein an systematisch falscher Stelle, nämlich im Geschäftsbesorgungsrecht des BGB statt im Depotgesetz, platziert gewesen350. Im Sommer 2009 sind diese Einwände allerdings hinfällig geworden. Denn der Gesetzgeber hat die Umsetzung des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie351 zum Anlaß genommen, die Regelung des §  676 BGB a. F. inhaltlich zu straffen und mit geänderter amtlicher Bezeichnung („Aufträge zur Übertragung von Wertpapieren in Systemen“) in §  675b BGB unterzubringen. Darin heißt es nunmehr: „Der Teilnehmer an Wertpapierlieferungs- und Abrechnungssystemen kann einen Auftrag, der die Übertragung von Wertpapieren oder Ansprüchen auf die Herausgabe von Wertpapieren im Wege der Verbuchung oder auf sonstige Weise zum Gegenstand hat, von dem in den Regeln des Systems bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr widerrufen.“

§  675b BGB entspricht im Ergebnis §  676 Satz  3 BGB a. F., bildet das rechtliche Geschehen in Abwicklungssystemen aber insofern genauer ab, als er von einem „Auftrag“ zur Übertragung von Wertpapieren und nicht mehr von einem „Übertragungsvertrag“ spricht352 . Es handelt sich bei dieser Bestimmung um eine sprachlich unschöne, aber inhaltlich korrekte und auch hinsichtlich ihrer systematischen Stellung nicht zu beanstandende Umsetzung von Art.  5 FinalitätsRL353. Im Depotgesetz wäre diese Bestimmung ein Fremdkörper, da sie keinerlei Bezug zu den darin geregelten verwahrungs- und kommissionsrechtlichen Fragen aufweist, vielmehr einen spezifisch geschäftsbesorgungsrechtlichen Gehalt hat. Zu beachten ist allerdings, daß §  675b BGB nur den Widerruf des Übertragungsauftrags durch den auftraggebenden Teilnehmer selbst und nicht auch den Widerruf durch einen Dritten regelt. Doch ist dies unschädlich, da als widerrufsberechtigter Dritter ohnehin nur der Insolvenzverwalter des insolventen Teilnehmers in Betracht kommt. Insoweit wird §  675b BGB jedoch durch §  116 Satz  3 InsO ergänzt. Er bestimmt in Abweichung von der Grundregel des §  115 Abs.  1 InsO, daß Aufträge zur Übertragung von Wertpapieren nicht noch vor der Verbuchung auf dem Depot des Begünstigten berücksichtigt werden kann. Die Wertpapiere oder die Ansprüche auf Herausgabe von Wertpapieren sind in diesem Fall an das erstbeauftragte Unternehmen zurückzuleiten. Im Rahmen von Wertpapierlieferungs- und Abrechnungssy­ stemen kann ein Übertragungsvertrag abweichend von Satz  1 bereits von dem in den Regeln des Systems bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr gekündigt werden.“ 350  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  4 02 ff. 351  Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009, BGBl. I, S.  2355. Zu den Motiven siehe die RegBegr. in BT-Drucks. 16/11643, S.  154 f. 352  Ungenau daher Palandt/Sprau, BGB, §  675b Rn.  3. 353 Nach wie vor kritisch zur systematischen Stellung allerdings MünchKomm-BGB/Heer­ mann, §  675b Rn.  2. Lehmann, Finanzinstrumente, S.  406 meint, zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie hätte die vom Kunden seiner Depotbank gemäß §  185 Abs.  1 BGB erteilte Ermächtigung zur Verfügung über die Depotwerte im eigenen Namen unwiderruflich ausgestaltet werden müssen. Aber diese Annahme geht fehl. Denn auf das Verhältnis zwischen Kunde und Depotbank erstreckt sich der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht. Der Kunde einer Depotbank ist kein Systemteilnehmer im Sinne der Richtlinie.

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durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen, sondern mit Wirkung für die Masse fortbestehen. Aus dem Wortlaut von Art.  5 FinalitätsRL und von §  675b BGB ergibt sich, daß es Sache des Systembetreibers ist, den Zeitpunkt der Unwiderruflichkeit von Übertragungsaufträgen der Teilnehmer festzulegen. Weder das europäische noch das deutsche Recht enthalten dafür nähere Vorgaben, was angesichts der Unterschiede zwischen den einzelnen Abwicklungssystemen und -methoden auch nicht verwunderlich ist. Was die Clearstream Banking AG betrifft, gelten für die Finalität von Übertragungsaufträgen, die auf der T2S-Plattform zur Ausführung gebracht werden, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegten Regelungen354 . Danach ist ein Übertragungsauftrag in dem Zeitpunkt unwiderruflich, in dem T2S diesen Auftrag als „matched“ anzeigt355.

5.  Gutgläubiger Erwerb a) Problemaufriß Die Schwierigkeiten, den Effektengiroverkehr in das System der §§  929 ff. BGB einzuordnen, setzen sich fort, wenn es um die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten geht. Denn wer die Anwendbarkeit der §§  932 BGB, 366 HGB zu begründen versucht, stößt auf das Problem, daß die Übertragung von Girosam­mel­ anteilen zwar als Veräußerung i. S. des §  929 BGB aufgefaßt werden kann, es aber fraglich ist, ob auch ein Rechtsscheintatbestand vorliegt, der das Vertrauen auf das Eigentum bzw. die Verfügungsbefugnis des Veräußerers zu rechtfertigen vermag. Mit dem traditionellen sachenrechtlichen Ansatz, demzufolge „Voraussetzung für den gutgläubigen Erwerb des Eigentums an einer beweglichen Sache […] neben dem guten Glauben der auf dem Besitz beruhende Rechtsschein [ist]“356, glaubt die hergebrachte Ansicht jedenfalls nicht zum Ziel kommen zu können. Das Haupthindernis sieht sie darin, daß sammelverwahrte Wertpapiere im mittelbaren Mitbesitz der Anleger stehen. Der bloße Mitbesitz an einer Sache stelle jedoch keine taugliche Rechtsscheingrundlage dar, da er nur eine Vermutung für das Miteigentum als solches begründe, aber nichts über die Größe des Miteigentumsanteils aussage. Wegen seiner Vieldeutigkeit sei er als Vertrauenstatbestand ungeeignet357. Die hergebrachte Ansicht hält es daher für geboten, im Wege der Rechtsfortbildung auf die Eintragung im

354 

CBF-Kundenhandbuch, S.  1-8. Ziffer IV Abs.  4 Satz  2 AGB-CBF. 356  So die Formulierung im Leitsatz des Urteils BGHZ 10, 81. 357  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.   2026; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  116; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.   6.188; Dechamps, Wertrechte, S.  89 f.; Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  436; Koller, DB 1972, 1857, 1860 f. Allgemein zur fehlenden Aussagekraft des Mitbesitzes MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  747 Rn.  20; MünchKomm-BGB/Oechsler, §  932 Rn.  22; Palandt/Herrler, BGB, §  932 Rn.  1. 355 

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Verwahrungsbuch gemäß §  14 DepotG – kurz: die Depotgutschrift – als zusätzlichen oder alleinigen Rechtsscheinträger abzustellen358. In den letzten Jahren ist diese Lösung allerdings zunehmend in die Kritik geraten. So haben sich mehrere Stimmen zu Wort gemeldet, die den Verteidigern des Miteigentumsmodells einen Bruch mit zentralen sachenrechtlichen Prinzipien vorwerfen und einen gutgläubigen Erwerb von Girosammelanteilen de lege lata für ausgeschlossen halten359. Die Anerkennung der Buchung als Rechtsscheinträger kranke an dem fundamentalen Fehler, dem deutschen Recht nicht zugrunde zu liegen, und könne daher nur als Vorschlag de lege ferenda verstanden werden360. Dem steht ein anderer Teil des Schrifttums gegenüber, der zwar ebenfalls methodische Vorbehalte gegen die Rechtsfortbildung „Buchung als Rechtsscheinträger“ anmeldet, diese Lösung aber auch gar nicht für erforderlich hält, da der Schutz des Rechtsverkehrs bereits innerhalb des von den §§  929 ff. BGB gezogenen Rahmens gewährleistet werden könne. Abzustellen sei nicht auf die Buchung, sondern die Besitzverschaffungsmacht, d. h. „die Fertigkeit des Veräußerers, die Wertpapiersammelbank oder die Girobank zu veranlassen, den Käufer als Gläubiger des Herausgabeanspruchs zu akzeptieren, oder, wo dies angesichts des Fehlens einer solchen Forderung nicht möglich ist, die Buchung umzustellen“361. Dieser Ansatz scheint eine konsequente Fortführung der oben angestellten Überlegung zu sein, die dem Depotkunden zukommende Rechtsmacht, den Verwahrer zu einer Umbuchung zu veranlassen, als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs zu begreifen. Dieser Überblick über den Meinungsstand deutet darauf hin, daß die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von Girosammelanteilen alles andere als gesichert ist. Sollte dieser Befund sich im folgenden bestätigen, wäre dies ein klarer Hinweis auf die Reformbedürftigkeit des deutschen Depotrechts362 . Denn für die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs ist die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs unverzichtbar363. Zwar mögen Fälle, in denen ein Nichtberechtigter über Girosammelanteile verfügt, auch dank der hohen Sicherheitssstandards bei Banken und Ab­ 358  Buchung als zusätzlicher Rechtsscheinträger neben dem Mitbesitz: Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  116; Wieling, Sachenrecht, S.  397; Wust, Verbuchung, S.  153; Koller, Gutachten, S.  1504; ders., DB 1972, 1905, 1909; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  12; Eder, NZG 2004, 107, 112. Buchung als alleiniger Rechtsscheinträger: Heinsius/ Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  91; Canaris, Bankvertragrecht, Rn.  2027; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §  406 Rn.  327; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/76; Dechamps, Wertrechte, S.  120; Reitz, Börsengeschäfte, S.  230 ff. 359 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  113–119; dies., Wertpapierrecht, S.  161–198; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht, §  9 Rn.  32–35; dies., WM 2001, 7, 13; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1682 f. 360  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  4 27 f. 361  Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S.  245 f.; dem folgend Apfelbaum, Verpfändung, S.  90 ff. 362  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.   97, spricht von der „entscheidenden Bewährungsprobe“ der h. M. 363  Siehe dazu bereits oben §  5 III 1 b).

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wicklungssystemen äußerst selten auftreten. Soweit es um Veräußerungen über die Börse geht, ist die praktische Bedeutung des Gutglaubensschutzes auch deshalb gering, weil die Identität von Veräußerer und Erwerber im Verborgenen bleibt und sich auch buchungstechnisch nicht nachvollziehen läßt, auf welchem Konto die unberechtigt übertragenen Anteile letztlich verbucht worden sind. Gleichwohl lassen sich Fälle, es denen es ausnahmsweise doch auf den Schutz des redlichen Erwerbers ankommt, nicht völlig ausschließen364 . Es möge etwa ein Mitarbeiter der Depotbank in mißbräuchlicher Weise über Bestände eines bestimmten Kunden verfügen, oder es möge die Depotbank die Clearstream Banking AG anweisen, Bestände der Kunden auf einen anderen Giroteilnehmer zu übertragen, ohne auf den Depotkonten der betroffenen Kunden entsprechende Lastschriften vorzunehmen365. b)  Maßgebliche Person Um der Frage nachgehen zu können, ob und auf welcher Rechtsscheingrundlage ein gutgläubiger Erwerb von Girosammelanteilen in Betracht kommt, muß man sich zunächst Klarheit darüber verschaffen, auf wessen Gutgläubigkeit es im Effektengiroverkehr ankommt. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, welche Funktion man den Depotbanken und der Clearstream Banking AG beim Zustandekommen der dinglichen Einigung beimißt. Wie bereits ausgeführt, verfügt eine Depotbank über die auf ihrem Clearstream-Konto verbuchten Girosammelanteile im eigenen Namen. Soweit es um Anteile eines Kunden geht, tut sie dies auf der Grundlage einer Ermächtigung gemäß §  185 Abs.  1 BGB. Mit der Umbuchungsanweisung der Depotbank an die Clearstream Banking AG verbindet sich das Angebot zur Übereignung der Anteile. Es ist an denjenigen gerichtet, den es angeht. Die Annahme dieses Angebots wird nach hier vertretener Auffassung von der Clearstream Banking AG als Vertreterin der Käuferbank erklärt, die ihrerseits, sofern sie nicht auf eigene Rechnung handelt, als verdeckte Stellvertreterin ihres Kunden agiert. Gemäß §  166 Abs.  1 BGB kommt es somit für den redlichen Erwerb auf die Gutgläubigkeit der Clearstream Banking AG im Zeitpunkt der Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses an366. Die Frage, ob auch die Depotbank des Erwerbers und der Erwerber selbst gutgläubig sein müssen, wird vom Schrifttum zumeist vernachlässigt. Sie dürfte zu verneinen sein367. Denn es bestehen erhebliche Zweifel, ob die Voraussetzungen des §  166 364 

Siehe zum folgenden Wust, Verbuchung, S.  153. Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  18, die freilich der Ansicht sind, daß in diesem Fall eine Rechtsveränderung überhaupt nicht eintritt. 366  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2029; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  91; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  116; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  366; Wust, Verbuchung, S.  153. Im Ergebnis ebenso Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/76 und Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  12, die allerdings die Clearstream Banking AG als Empfangsbotin der Käuferbank einordnen. Daß es trotzdem auf ihre Gutgläubigkeit ankommt, soll sich aus einer analogen Anwendung von §  166 Abs.  1 BGB ergeben (m. E. zweifelhaft). 367  Dechamps, Wertrechte, S.  141; Wust, Verbuchung, S.  153 f.; a. A. Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/76; Reitz, Börsengeschäfte, S.  226; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  12. 365 Vgl.

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Abs.  2 BGB im Effektengiroverkehr erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift kann sich bei der Vertretung kraft Vollmacht der Vollmachtgeber in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen, wenn der Vertreter „nach bestimmten Weisungen“ des Vollmachtgebers gehandelt hat. Zwar ist der Begriff der „bestimmten Weisung“ weit auszulegen. Es genügt, wenn der Vertreter im Rahmen seiner Vollmacht ein bestimmtes Geschäft abschließt, zu dessen Vornahme ihn der Vollmachtgeber veranlaßt hat368. In einem Effektengirosystem, das durch die massenweise Verarbeitung von Übertragungsaufträgen, Übereignungsangebote zugunsten desjenigen, den es angeht und dadurch gekennzeichnet ist, daß dem Veräußerer die Person des Erwerbers in der Regel gleichgültig ist (und umgekehrt), kann man aber schwerlich davon sprechen, daß die Clearstream Banking AG bzw. die Depotbank des Erwerbers zu einem „bestimmten“ (Übereignungs-)Geschäft veranlaßt werden. c)  Gegenstand des guten Glaubens Der gute Glaube der Clearstream Banking AG kann sich grundsätzlich nur auf die Verfügungsbefugnis der Depotbank beziehen, nicht auch darauf, daß die Depotbank die zu übertragenden Anteile auf eigene Rechnung hält und damit über eigene Anteile verfügt369. Denn die Clearstream Banking AG geht im Prinzip davon aus, daß es sich bei den von ihr verwahrten Wertpapieren um Kundenbestände der angeschlossenen Giroteilnehmer handelt370. Das entspricht der Fremdvermutung des §  4 DepotG, derzufolge einem Dritten, dem von einem Verwahrer Wertpapiere anvertraut werden, als bekannt gilt, daß die Wertpapiere dem Verwahrer nicht gehören. Damit ist der gute Glaube des Dritten an das Eigentum des Verwahrers ausgeschlossen, nicht jedoch der gute Glaube an dessen Verfügungsbefugnis371. Der gutgläubige Erwerb von Girosammelanteilen im Effektengiroverkehr richtet sich folglich nach §  366 Abs.  1 HGB i. V. m. §  932 BGB. d)  Maßgeblicher Rechtsscheinträger aa) Mitbesitz Fragt man nun nach dem maßgeblichen Rechtsscheinträger im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs, so ist als erstes auf die Behauptung zurückzukommen, der Mitbesitz an einer Sache stelle keine geeignete Rechtsscheingrundlage dar, da er zwar für das Miteigentum als solches spreche, aber nichts über die konkrete Miteigentumsquote aussage372 . Es sei dahingestellt, ob dieser Behauptung in dieser Allgemeinheit zu fol368 MünchKomm-BGB/Schubert,

§  166 Rn.  95 m. w. N.; Flume, Das Rechtsgeschäft, S.  875. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  99 f.; Reitz, Börsengeschäfte, S.  227; a. A. Wust, Verbuchung, S.  154. 370 Vgl. Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S.  15. 371 Scherer/Löber, DepotG, §  4 Rn.  7. 372  Siehe die Nachweise in Fn.  357. 369 

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gen ist373. Auf den Effektengiroverkehr läßt sie sich jedenfalls nicht übertragen. Denn hier geht es um mittelbaren Mitbesitz, der in der Depotgutschrift zum Ausdruck kommt. Die Depotgutschrift erlaubt aber sehr wohl Rückschlüsse auf die Größe des Miteigentumsanteils am Sammelbestand. In ihrer prinzipiellen Eignung als Vertrauenstatbestand unterscheidet sie sich nicht wesentlich von einer Grundbucheintragung374 . Im Effektengiroverkehr hat man es also gerade nicht mit einer Konstellation zu tun, in dem es dem Mitbesitz an hinreichender Aussagekraft hinsichtlich der Beteiligungsquote des Veräußerers mangelt. Das gilt jedenfalls dann, wenn man – wie diese Untersuchung – den Standpunkt einnimmt, daß es ohne Buchung keinen mittelbaren Besitz des Depotkunden geben soll und es sich daher bei der Buchung um ein notwendiges Element des Übertragungstatbestandes gemäß §  929 Satz  1 BGB handelt375. Lassen sich also Mitbesitz und Gutschrift rechtskonstruktiv gar nicht voneinander trennen376, ist die Frage, ob die Gutschrift als alleiniger oder zusätzlicher Rechtsscheinträger neben dem Mitbesitz herangezogen werden kann, falsch gestellt. Zu fragen ist vielmehr, ob eine Depotgutschrift eben deshalb als geeigneter Rechtsscheinträger angesehen werden kann, weil sie Ausdruck des mittelbaren Mitbesitzes am Sammelbestand ist. bb) Buchung (1)  Buchungen der Clearstream Banking AG Diese Frage ist zunächst für die Depotgutschriften der Clearstream Banking AG zu beantworten. Da es nämlich im Effektengiroverkehr auf deren Gutgläubigkeit ankommt, liegt es in der Tat nahe, mit einem großen Teil des Schrifttums die Eintragungen in ihrem Verwahrungsbuch, d. h. die Gutschriften auf den Depotkonten der einzelnen Giroteilnehmer, als taugliche Rechtscheingrundlage anzusehen. Am erforderlichen Rechtsschein fehlt es danach, wenn das Depotkonto des veräußernden Giroteilnehmers keine ausreichende Deckung aufweist. Wie soeben erwähnt, läßt sich 373 Kritisch

Wieling, Sachenrecht, S.  393 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn.  1005 ff. Dechamps, Wertrechte, S.  134; i. E. auch Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  344 (gestützt auf die von ihm befürwortete Anerkennung eines ideellen Bruchteilsbesitzes). Daß es sich bei der Grundbucheintragung um einen mit öffentlichem Glauben ausgestatteten Rechtsscheintatbestand handelt, steht der prinzipiellen Eignung der Depotgutschrift als Vertrauenstatbestand nicht entgegen; siehe dazu sogleich unter bb) bei Fn.  378. 375  In die gleiche Richtung MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  1008 Rn.  31, demzufolge die Publizitätsfunktion des mittelbaren Besitzes durch die Eintragung im Depotbuch nicht ersetzt, sondern erst möglich gemacht wird; ähnlich auch Reitz, Börsengeschäfte, S.  233 (Depotgutschrift als spezialgesetzlich vorgesehener besitzrechtlicher Verlautbarungstatbestand). 376 Anders, aber nicht überzeugend Dechamps, Wertrechte, S.   117: „Damit haben Depotbuchungen im Gegensatz mit Mitbesitz genau das, was für einen Vertrauenstatbestand notwendig ist und das mittelbarem Mitbesitz fehlt, nämlich Signifikanz für die Quote des Miteigentums am Sammelbestand“. Mehr in Richtung der hier vertretenen Auffassung allerdings ders., a. a. O., S.  118: Den Depotbuchungen kommt beim Besitzübergang somit eine konstitutive Funktion zu. Folge dieses rechtsgestaltenden Charakters der Buchungen ist, daß zwingend die ‚Besitzlage‘ der ‚Buchlage‘ entspricht.“ 374 

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für die Eignung der Depotgutschrift als Rechtsscheinträger anführen, daß allein sie Auskunft über die Größe des vom jeweiligen Teilnehmer gehaltenen Anteils gibt. In der täglichen Praxis ist sie der maßgebliche Anhaltspunkt für die Verfügungsbefugnis des Teilnehmers. Die Clearstream Banking AG führt keinen Übertragungsauftrag aus, ohne sich vorher vergewissert zu haben, daß das Depotkonto des Auftraggebers ausreichende Deckung aufweist. Eine Weisungsberechtigung Dritter bezüglich des Guthabens wird nicht anerkannt377. Daß es sich bei dem Verwahrungsbuch nicht um ein mit öffentlichem Glauben ausgestattetes Register handelt, ist unschädlich. Denn wegen der laufenden Kontrollen der Buchungen durch die Clearstream Banking AG selbst und die angeschlossenen Giroteilnehmer sowie wegen der strengen Vorschriften über die Depotprüfung (§  29 Abs.  2 KWG) kommt auch den Depotbuchungen der Clearstream Banking AG ein hohes Maß an Richtigkeitsgewähr zu378. Der neuralgische Punkt dieses Ansatzes liegt woanders, und zwar in dem Umstand, daß die Clearstream Banking AG bei der Umbuchung der Girosammelanteile auf die Käuferbank auf einen Rechtsschein vertraut, den sie zuvor, bei der Übertragung der Anteile auf die jetzige Verkäuferbank, selbst gesetzt hat. Während Hager dies für eine „zumindest zweischneidige Vorstellung“ hält379, meint Dechamps sogar, damit „würde das Rechtsinstitut eines Vertrauensschutzes überspannt und ad absurdum geführt“380. Bei näherer Betrachtung wiegt dieses „Konfusionsproblem“ jedoch nicht sonderlich schwer. Denn unter den Bedingungen des massenweisen, weitgehend automatisierten Effektengiroverkehrs wird die Clearstream Banking AG bei der Weiterübertragung regelmäßig keine Kenntnis davon haben, ob und ggf. aus welchem Grund die Depotgutschrift auf dem Konto der veräußernden Bank fehlerhaft war bzw. es an deren Verfügungsbefugnis fehlt. Ihre Beteiligung an der Entstehung des Rechtsscheintatbestandes vermag daher den Rechtsschein nicht von vornherein zu zerstören381. Einen Bruch mit zentralen sachenrechtlichen Prinzipien kann man diesem Ansatz ebenfalls nicht vorwerfen. Insbesondere kann man ihm nicht entgegenhalten, es mangele der Buchung wegen des Bankgeheimnisses an der allgemeinen Erkennbarkeit und Offenkundigkeit382 . Zu diesem Einwand ist das Notwendige bereits gesagt worden: Er beruht auf einer unhaltbaren Überdehnung des Publizitätsprinzips. Nicht auf die Erkennbarkeit der Buchung für die „Allgemeinheit“ kommt es an, sondern es genügt die Erkennbarkeit für den Erwerber bzw. dessen Vertreter – eine 377 

Dechamps, Wertrechte, S.  116. Canaris, Bankvertragrecht, Rn.  2027; eingehend zur Zuverlässigkeit der Depotbuchungen Dechamps, Wertrechte, S.  121 ff. 379  Hager, Verkehrsschutz, S.  326. 380  Dechamps, Wertrechte, S.  142. 381  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  175; Koller, DB 1972, 1905, 907. 382  So aber MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  119; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1682 f.; Enchelmaier, Übertragung, S.  511; Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  72; siehe ferner für das österreichische Recht Iro, in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg.), Österreichisches Bankvertragsrecht, Rn.  4/120. 378 

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Voraus­setzung, die in der hier interessierenden Konstellation ohne Zweifel gegeben ist383. Nicht durchschlagend ist auch Einseles Einwand, angesichts der vollständigen Automatisierung der Buchungsabläufe beim Zentralverwahrer seien keine natürlichen Personen vorhanden, die einen guten bzw. bösen Glauben entfalten könnten384 . Das mag streng genommen zutreffen, geht aber an dem anerkannten Grundsatz vorbei, daß die von einer EDV-Anlage abgegebenen Willenserklärungen dem sie betreibenden Rechtssubjekt zugerechnet werden385. Im übrigen ist folgendes zu bedenken: Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von Girosammelanteilen erschien dem Gesetzgeber sowohl bei der Schaffung des Depotgesetzes 1937 als auch bei der Einfügung des §  9a DepotG im Jahr 1972 als Selbstverständlichkeit386. Auch hinter der gesetzlichen Gleichstellung von Sammelschuldbuchforderungen mit Wertpapiersammelbeständen durch §  6 Abs.  2 BSchuWG steht die Absicht, den Weg zur Anwendbarkeit der §§  932 BGB, 366 HGB zu eröffnen387 Eine Anerkennung der Buchung als Rechtsscheinträger stellt vor diesem Hintergrund keinen Bruch, sondern eine dem Willen des Gesetzgebers Rechnung tragende Modifikation sachenrechtlicher Prinzipien dar388. In Anbetracht der oben angestellten Überlegungen zur Funktion der Depotgutschrift sprechen aus methodischer Sicht sogar gute Gründe für die Auffassung, daß es sich bei der Anerkennung der Depotgutschrift als Rechtsscheinträger gar nicht um Rechtsfortbildung handelt, sondern daß sich dieser Schritt noch innerhalb des von den §§  932 BGB, 366 HGB gezogenen Rahmens bewegt. Ungeachtet dessen bestehen an der Zulässigkeit einer solchen Rechtsfortbildung keine Zweifel. Sie läßt sich mit einem unabweisbaren Bedürfnis des Rechtsverkehrs und damit rechtfertigen, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbers von Girosammelanteilen als selbstverständlich vorausgesetzt hat389. (2)  Buchungen der Depotbanken Lassen sich somit die grundsätzlichen Bedenken gegen die Anerkennung der Depotbuchung als Rechtsscheinträger ausräumen, so fragt sich allerdings, ob den Eintragungen in den Verwahrungsbüchern der Depotbanken in gleichem Maße Vertrauen 383 

Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  439; Horn, WM-Sonderbeilage Nr.  2/2002, S.  15. Depotgeschäft, Rn.  118. 385  Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  439 m. N. aus dem zivilrechtlichen Schrifttum. 386  Das wird auch eingeräumt von Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  197. 387  Siehe die Begr. zur Vorgängerbestimmung in §  2 der zweiten Verordnung über die Behandlung von Anleihen des Deutschen Reichs im Bank- und Börsenverkehr vom 18. April 1942 (RGBl. I, S.  183), in der es hieß: „Daher richten sich die Rechtsverhältnisse an einem solchen Sammelbestande von Reichsanleihen nach sachenrechtlichen Grundsätzen, auch wenn zum Sammelbestande Schuldbuchforderungen gehören; insbesondere finden bei der Übertragung der Anteile am Sammelbestande die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb Anwendung“; siehe Pfundtner/Neu­ bert, Das neue deutsche Reichsrecht, b 73, S.  8 (zitiert nach Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  197). 388  Canaris, Bankvertragrecht, Rn.  2026. 389  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2026. 384 MünchKomm-HGB/Einsele,

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entgegengebracht werden kann wie den Buchungen der Clearstream Banking AG. Auch wenn die vorstehenden Ausführungen den Effektengiroverkehr „im engeren Sinne“ vor Augen haben, darf diese Frage nicht vollständig aus der Betrachtung ausgeblendet werden, da auch bei hausinternen Übertragungen, etwa der Abwicklung eines außerbörslichen Geschäfts zwischen Kunden derselben Depotbank, ein Bedürfnis nach Verkehrsschutz besteht. Sähe man nur die Buchungen bei der Clear­ stream Banking AG als geeignete Rechtsscheinträger an, wären sämtliche Verfügungen, an denen diese nicht beteiligt ist, vom Gutglaubensschutz ausgenommen. Da dies den reibungslosen Handel mit Sammeldepotanteilen beeinträchtigen könnte, sieht das Schrifttum auch die Buchungen der Depotbanken überwiegend als geeignete Rechtsscheinträger an. Zwar deuteten die §§  5 Abs.  1 Satz  3, 9a und 24 DepotG darauf hin, daß der Gesetzgeber dem Geschäftsgebaren der Wertpapiersammelbanken ein gesteigertes Vertrauen geschenkt habe. Die Gründe, die für das hohe Maß an Zuverlässigkeit ihrer Depotbuchungen angeführt werden, würden jedoch grundsätzlich auch für Buchungen der Depotbanken gelten, auch wenn diese im Effektengiroverkehr keine neutrale und vermittelnde Stellung einnehmen und bei ihnen, da sie neben Kunden- auch Eigenbestände verwalten, die Gefahr von Interessenkollisionen höher zu veranschlagen sei390. In der Tat ist gegen die grundsätzliche Anerkennung der Buchungen der Depotbanken als Rechtsscheinträger nichts einzuwenden. Allerdings ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen, die sich aus der Praxis der vorgezogenen Depotgutschrift ergibt. Bei der dinglichen Einigung im Rahmen einer hausinternen Übertragung fungiert die Depotbank als Vertreterin des Erwerbers. Für den redlichen Erwerb vom Nichtberechtigten kommt es somit auf ihren guten Glauben an (§  166 Abs.  1 BGB). Auf eine von ihr erteilte vorgezogene Depotgutschrift darf die Depotbank aber nicht vertrauen, denn in diesem Fall weiß sie ja selbst, daß der veräußernde Kunde die Girosammelanteile (noch) nicht zu Eigentum erworben hat. Einen verläßlichen Schluß auf das Eigentum dieses Kunden läßt die vorgezogene Depotgutschrift gerade nicht zu391. Die Lage ist in dieser Konstellation keine andere als in dem Fall, in dem die Depotbank die Übertragungsanweisung eines Kunden ausführt, obwohl auf dessen Konto keine ausreichende Deckung vorhanden ist. Auch hier scheidet ein gutgläubiger Erwerb mangels Rechtsscheintatbestand und Redlichkeit der Depotbank aus392 . Als Fallgruppe, in welcher die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eine gewisse praktische Relevanz hat, bleibt damit die Verfügung eines Nichtberechtigten (z. B. eines falsus procurator) über Werte eines Depotkunden. In 390  So mit unterschiedlicher Akzentuierung Dechamps, Wertrechte, S.  145 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  173 f. (die freilich die Gleichstellung von Buchungen der Wertpapiersammelbank und der Depotbanken im Ergebnis für problematisch hält); Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  134 f.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  378 ff.; Wust, Verbuchung, S.  155; Koller, Gutachten, S.  1504. 391 Vgl. Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs, S.  19. 392  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  371; Wust, Verbuchung, S.  155 f.

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diesem Fall sind aber hohe Anforderungen an die Redlichkeit der Depotbank zu stellen, da sie gerade bei einem Übertragungsauftrag durch eine andere Person als den Depotinhaber zu einer besonders sorgfältigen Prüfung von deren Legitimation verpflichtet ist393. cc) Besitzverschaffungsmacht Kommen nach alledem sowohl die Buchungen der Clearstream Banking AG als auch die der Depotbanken als Rechtsscheinträger in Betracht, so ist der Vollständigkeit halber noch auf den Vorschlag einzugehen, im Rahmen der §§  932 BGB, 366 HGB statt dessen auf die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers abzustellen. Hager versteht darunter „die Fertigkeit des Veräußerers, die Wertpapiersammelbank oder die Girobank zu veranlassen, den Käufer als Gläubiger des Herausgabeanspruchs zu akzeptieren, oder, wo dies angesichts des Fehlens einer solchen Forderung nicht möglich ist, die Buchung umzustellen“394 . Dieser Vorschlag knüpft an die inzwischen weit verbreitete Überzeugung an, daß die eingangs zitierte Formulierung des Bundesgerichtshofs, nach der objektive Voraussetzung des gutgläubigen Erwerbs „der auf dem Besitz beruhende Rechtsschein“ ist395, den rechtfertigenden Grund für das Vertrauen des Erwerbers auf das Eigentum bzw. die Verfügungsbefugnis des Veräußerers nur unvollkommen zum Ausdruck bringt. Wie namentlich die Fälle des Ge­heiß­ erwerbs lehrten, stelle nicht der Besitz als statische Form der Herrschaftsausübung das vertrauensbegründende Element dar, sondern die Fähigkeit des Veräußerers, dem Erwerber oder einer von ihm eingeschalteten Geheißperson den Besitz an der Sache zu verschaffen. Rechtsscheinbasis sei somit genau genommen die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers396. In der Verlagerung des Akzents vom bisherigen Besitz bzw. Guthaben auf die Fähigkeit des Veräußerers, die Buchung zugunsten des Erwerbers herbeizuführen, sieht Hager den Vorteil, daß der Zwang zur Rechtsfortbildung entfällt und der „von der h. M. mit gutem Grund für unerläßlich erachtete Verkehrsschutz durch das gängige dogmatische Instrumentarium verbürgt werden“ kann397. In der Tat kann dieser Ansatz für sich in Anspruch nehmen, sich bruchlos in das System der §§  932 ff. BGB einzufügen und zu seiner Rechtfertigung nicht auf ein „unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs“ verweisen zu müssen. Er versteht sich zudem als konsequente Fort393  Wust, Verbuchung, S.  156. Zu weitgehend Horn, WM-Sonderbeilage Nr.  2/2002, S.  12, der bei einer hausinternen Übertragung einen gutgläubigen Erwerb generell für ausgeschlossen hält. 394  Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S.  325 ff.; diesem Ansatz folgend Apfelbaum, Verpfändung, S.  90 ff.; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  124 ff.; wohl auch Iro, in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg.), Österreichisches Bankvertragsrecht, Band II, Rn.  4/120. 395  Siehe nochmals BGHZ 10, 81 (Leitsatz). 396  BeckOK BGB/Kindl, §  932 Rn.  9; MünchKomm-BGB/Oechsler, §  932 Rn.  6; Staudinger/Wie­ gand (2016), vor §§  932-936 Rn.  12; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, §  45 Rn.  6; Wie­ ling, Sachenrecht, S.  396; Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S.  245, 288 ff.; ders., in: Festgabe 50 Jahre Bundesgerichtshof, S.  777, 800; der Sache nach auch BGHZ 56, 123, 129 f. 397  Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S.  328.

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führung der oben angestellten Überlegung, die Rechtsmacht des Depotkunden, den Verwahrer zu einer Umbuchung zu veranlassen, als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs zu qualifizieren. Allerdings bietet der Topos von der Besitzverschaffungsmacht nur in den Fällen eine brauchbare Alternative, in denen es auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers selbst ankommt. Nur dann kann und muß er über den Umstand hinweghelfen, daß ein Erwerber an die seinen Vertragspartner legitimierende Buchung allenfalls abstrakt glauben kann, weil er in das Verwahrungsbuch der vermittelnden Bank keinen Einblick hat398. In den hier interessierenden Fällen, in denen die Redlichkeit des als „Kopfstelle“ fungierenden (Zentral-)Verwahrers maßgeblich ist, führt er dagegen nicht weiter399. Denn typischerweise vertraut ein solcher Verwahrer nicht auf die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers. Vielmehr führt er einen Übertragungsauftrag nur unter der Voraussetzung aus, daß auf dem Konto des Veräußerers ausreichende Deckung vorhanden ist. Damit ist freilich noch nicht gesagt, daß der Gedanke der Besitzverschaffungsmacht bei Verfügungen über Girosammelanteile keine Rolle spielt. Denn möglicherweise läßt er sich nutzbar machen, soweit es um den gutgläubigen Pfandrechtserwerb geht. Darauf ist zurückzukommen400. e) Verlustverteilung Was die Verteilung des durch den gutgläubigen Erwerb entstehenden Rechtsverlusts betrifft, wird man mit der h. M.401 zu differenzieren haben: Betrifft die unberechtigte Verfügung einen bestimmten Miteigentümer – ein Scheinerbe veräußert Wertpapiere des Erblassers, eine Depotbank nimmt eine Veruntreuung zu Lasten eines bestimmten Kontos vor –, so ist der Verlust in voller Höhe von diesem Miteigentümer zu tragen. Opitz meint zwar, eine rechtswidrige Verfügung des Zwischenverwahrers betreffe stets sämtliche Kunden dieses Verwahrers, weil der Sammeldepotanteil „als ideeller Bruchteil nur in der Vorstellungswelt in bezug auf das Ganze sein Dasein“ und „keinen sinnfälligen bestimmten Inhalt außerhalb des Ganzen“ habe402 . Doch verliert er bei seinem Blick auf dieses „Ganze“ die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Miteigentumsanteile aus den Augen. Eine Verfügung über Miteigentumsanteile eines bestimmten Kunden läßt sich mit einer Verfügung über sonderverwahrte Wertpapiere vergleichen, bei der niemand auf den Gedanken kommt, den Rechtsverlust auf sämtliche Hinterleger umzulegen403. Den Verlust allein dem betroffenen 398 Vgl.

Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S.  327. Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  367, der auch hier „vor allem“ die Buchungsveranlassungsmacht der veräußernden Depotbank als maßgebenden Rechtsscheintatbestand ansieht. 400  Siehe unter VII 2 c). 401  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.   2030; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/77; MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  747 Rn.  22; Brink, Rechtsbeziehungen, S.  103 ff.; Dechamps, Wertrechte, S.  146 ff.; Micheler, Wertpapierrecht, S.  218 ff.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  380 ff.; Koller, DB 1972, 1905, 1907 f. 402  Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  37 (S.  179). 403 Treffend Koller, DB 1972, 1905, 1907. 399 Anders

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Miteigentümer zuzuweisen ist auch angemessen, weil nur er in der Lage ist, mit Hilfe seiner Kontoauszüge seine Bestände zu kontrollieren und ggf. Schadensersatzansprüche gegen die Depotbank geltend zu machen404 . Daß ein Depotkunde unbefugte Verfügungen über seine Bestände nicht verhindern kann, ist zwar richtig, rechtfertigt aber ebenfalls nicht die „Sozialisierung“ des Rechtsverlusts, zumal es beim gutgläubigen Erwerb allgemein nicht darauf ankommt, ob der Eigentümer die unbefugte Verfügung hätte verhindern können. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, daß der gutgläubige Erwerb auch an gestohlenen, verlorengegangenen oder sonst abhanden gekommenen Wertpapieren möglich ist (§  935 Abs.  2 BGB)405. Anders ist zu entscheiden, wenn eine Depotbank unbefugt über Miteigentumsanteile verfügt, ohne ein bestimmtes Kundenkonto zu belasten406. Zu denken ist etwa an den Fall, daß eine Depotbank einen größeren Anteil überträgt, als ihrem bei der Clearstream Banking AG mit den Beständen ihrer Kunden vermengten Nostrobestand entspricht. Hier bleibt nichts anderes übrig, als den Verlust anteilig auf sämtliche Kunden dieser Depotbank umzulegen, die Wertpapiere der betreffenden Gattung halten. Den Verlust in diesen Fällen einem beliebigen Miteigentümer aufzubürden, wäre willkürlich und kommt daher nicht in Betracht407. Zu Recht hält die h. M. auch eine analoge Anwendung von §  7 Abs.  2 Satz  1 DepotG, die eine Umlegung des Verlusts auf sämtliche Miteigentümer der betreffenden Gattung zur Folge hätte, für ausgeschlossen. Diese Vorschrift beruht auf dem Gedanken, daß alle am Sammelbestand beteiligten Hinterleger eine Gefahrengemeinschaft bilden408. Verringert sich infolge eines Verlusts am Sammelbestand die den Hinterlegern gebührende Menge an Wertpapieren, muß sich deshalb jeder von ihnen eine Kürzung seines Auslieferungsanspruchs gefallen lassen. Dieser Gedanke paßt aber nicht, wenn die Ursache für den Verlust in der Sphäre eines bestimmten Zwischenverwahrers gesetzt wird. Es wäre unbillig, das Risiko unautorisierter Verfügungen auch solchen Miteigentümern aufzubürden, die mit diesem Zwischenverwahrer in keinerlei Verbindung stehen409. Damit bleibt in der Tat nur die Möglichkeit, den Verlust ausschließlich den Kunden dieses Zwischenverwahrers zuzuweisen und den in §  7 Abs.  2 Satz  1 DepotG niedergelegten Gedanken der Risikogemeinschaft entsprechend zu modifizieren. Allein diese Lösung entspricht im übrigen auch internationalen Vorstellungen (vgl. Art.  26 GWpÜ).

404 

Koller, DB 1972, 1905, 1907. Micheler, Wertpapierrecht, S.  219 f.; a. A. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  192 zumindest für die Risikoverteilung de lege ferenda. 406  Dazu, daß auch in dieser Konstellation ein gutgläubiger Erwerb möglich sein muß, überzeugend Dechamps, Wertrechte, S.  147 f.; Koller, DB 1972, 1905, 1907 f. 407  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2030. 408  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  7 Rn.  16. 409  Dechamps, Wertrechte, S.   148; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  389; Koller, DB 1972, 1905, 1908. 405 

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f) Ergebnis Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, daß die Behauptung, auf der Grundlage des heute praktizierten Effektengiroverkehrs sei ein gutgläubiger Erwerb von Girosammelanteilen nicht gewährleistet410, nicht zutrifft. Dogmatisch ist es möglich, die Eintragungen in den Verwahrungsbüchern der Clearstream Banking AG und der Depotbanken als tauglichen Rechtsscheinträger anzusehen. Da sich in einer Gutschrift der mittelbare Mitbesitz des Depotkunden manifestiert und sie zugleich genaue Rückschlüsse auf die Höhe der Berechtigung erlaubt, hat man es im Effektengiroverkehr gerade nicht mit einer Konstellation zu tun, in dem es dem Mitbesitz an hinreichender Aussagekraft hinsichtlich der Miteigentumsquote mangelt. Aus diesem Grund läßt sich die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr auch nicht einfach mit der Behauptung in Frage stellen, ein mittelbarer Mitbesitz zweiter Stufe sei „weit davon entfernt, jene Aufgaben zu erfüllen, die dem Besitztatbestand beim Erwerb dinglicher Rechte zukommen soll“411. Man kann sogar mit guten Gründen die Ansicht vertreten, daß sich die Anerkennung der Depotbuchung als Rechtsscheinträger noch innerhalb des von den §§  932 BGB, 366 HGB gezogenen Rahmens bewegt und es sich dabei gar nicht um Rechtsfortbildung handelt. Ungeachtet dessen sind die methodischen Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung erfüllt. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von Girosammelanteilen liegt im Interesse der Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs und kann sich auch auf den Willen des Gesetzgebers berufen, der die Anwendbarkeit der §§  932 BGB, 366 HGB seit jeher als Selbstverständlichkeit ansieht.

6.  Anwendbarkeit von §  24 Abs.  2 DepotG Es bleibt zu untersuchen, welche Rolle der sondergesetzliche Erwerbstatbestand des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG bei der Übertragung von Girosammelanteilen spielt. Nach dieser Bestimmung geht das Miteigentum an den Wertpapieren mit der Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs auf den Kommittenten über, soweit der Kommissionär verfügungsberechtigt ist und das Miteigentum nicht schon früher nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts auf den Kommittenten übergangen ist. a)  Der Tatbestand im Überblick aa) Regelungszweck §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG stellt das Pendant zu §  18 Abs.  3 DepotG dar und hat wie dieser den Zweck, eine sichere und schnelle Verschaffung des (Mit-)Eigentums an 410 MünchKomm/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  108-113; dies., WM 2001, 7, 13; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1682 f. 411  So (für das schweizerische Recht) Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 396.

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den angekauften Wertpapieren zu gewährleisten412 . Beiden Vorschriften liegt das Bestreben zugrunde, „dem Schwebezustand zwischen dem Erwerb der Stücke und der Übertragung des Eigentums auf den Kommittenten (…) ein möglichst schleuniges Ende zu bereiten“413. Da bei der Girosammelverwahrung kein Eigentum an bestimmten Stücken besteht, kommt eine Übereignung durch Absendung eines Stükkeverzeichnisses hier natürlich nicht in Betracht. Mit der Eintragung eines Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch – gemeint ist die Depotgutschrift414 – wurde daher eine „besondere depotrechtliche Übertragungsart“ geschaffen, die dem Modus des §  18 Abs.  3 DepotG insofern entspricht, als sie den Eigentumsübergang an eine sichtbare Handlung innerhalb des Geschäftsbereichs des Kommissionärs knüpft415. Nach §  24 Abs.  2 Satz  2 DepotG hat die Bank dem Kunden die Verschaffung des Miteigentums unverzüglich mitzuteilen, damit dieser alsbald Gewißheit über den spätesten Zeitpunkt des Eigentumserwerbs erlangt. Anders als im Fall des §  18 Abs.  3 DepotG bedarf es hier der Statuierung einer solchen Pflicht, weil es sich bei der Depotgutschrift um einen internen Vorgang handelt, der sonst nicht notwendigerweise zur Kenntnis des Kommittenten gelangt416. Ebenso wie §  18 Abs.  3 DepotG ist §  24 Abs.  2 DepotG gegenüber Kommittenten, die nicht selbst gewerbsmäßig Bankgeschäfte betreiben, zwingend (§  28 DepotG). Die von manchen Banken geübte Praxis, die von §  24 Abs.  2 Satz  2 DepotG geforderte Mitteilung mit der nach §  384 Abs.  2 Halbsatz 1 HGB vorgeschriebenen Ausführungsanzeige sowie der Geschäftsabrechnung zu verbinden und bereits vor dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs an den Kunden zu versenden, ist vor diesem Hintergrund kritisch zu sehen. Das gilt erst recht dann, wenn in der Mitteilung ein ausdrücklicher Hinweis darauf fehlt, daß der Kunde das Miteigentum erst im Zeitpunkt der „Lieferung“ der Titel an die Bank (T+2) erwerben soll417. bb) Voraussetzungen Der gesetzliche Eigentumserwerb durch Depotgutschrift hat drei Voraussetzungen418: (1)  Erfüllung eines Kommissions- oder Eigenhandelsgeschäfts Erste Voraussetzung ist, daß die Gutschrift in Erfüllung eines von den §§  18 bis 31 DepotG erfaßten Geschäfts über die Anschaffung von Wertpapieren vorgenommen wird. Ein Eigentumserwerb nach §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG kommt somit nur im Rahmen eines Kommissions- oder Eigenhandelsgeschäfts in Betracht. Gemäß §  26 412 

Opitz, DepotG, §  24 Anm.  2 (S.  310). So RGZ 104, 119, 120 zu §  3 DepotG 1896. 414  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  19. 415  Opitz, DepotG, §  24 Anm.  4 (S.  312). 416 Scherer/Behrends, DepotG, §  24 Rn.  91; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1996. 417  Kritisch auch Scherer/Behrends, DepotG, §  24 Rn.  91; keine Bedenken dagegen bei Heinsius/ Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  41. 418  Ausführlich zu ihnen Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  24–39. 413 

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Satz  3 DepotG greift die Bestimmung auch bei einem Auftrag zum Umtausch von Wertpapieren oder zur Geltendmachung eines Bezugsrechts auf Wertpapiere ein. Depotgutschriften, die außerhalb solcher Rechtsverhältnisse erteilt werden, fallen nicht unter §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG. Man denke etwa an einen schlichten Depotübertrag, d. h. die Übertragung von Girosammelanteilen von einem Kunden auf einen anderen aufgrund eines entsprechenden Auftrags. Da hier weder ein Anschaffungsgeschäft im Sinne der §§  18, 31 DepotG noch ein Fall des §  26 DepotG vorliegt, kann der Empfänger das Miteigentum an den Wertpapieren nur nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts erwerben, auch wenn der betreffende Verwahrer eine Belastungsbuchung und eine Depotgutschrift vornimmt419. (2)  Verfügungsbefugnis des Kommissionärs Ebenso wie bei §  18 Abs.  3 DepotG hängt der Eigentumserwerb nach §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG zweitens von der Verfügungsberechtigung des Kommissionärs ab. Die Depotgutschrift hat also nur dann miteigentumsübertragende Wirkung, wenn der Kommissionär das Anschaffungsgeschäft entweder aus seinem Eigenbestand erfüllt oder ihm vom Berechtigten eine entsprechende Verfügungsmacht eingeräumt worden ist. Lieferansprüche des Kommissionärs gegen andere Handelsteilnehmer können die Verfügungsberechtigung nicht ersetzen. Erst wenn diese Lieferansprüche erfüllt werden, ist die Verfügungsberechtigung gegeben420. Die fehlende Verfügungsberechtigung der Bank kann auch nicht durch den guten Glauben des Kommittenten ersetzt werden. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut von §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG, wonach der Eigentumsübergang ausdrücklich an die Verfügungsbefugnis der Bank geknüpft ist. Abgesehen davon setzt die Anwendung der §§  932 ff. BGB, 366 HGB eine rechtsgeschäftliche Übereignung voraus, an der es im Fall des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG gerade mangelt421. (3)  Kein Eigentumsübergang nach bürgerlichem Recht Drittens und schließlich macht §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG den Eigentumserwerb durch Depotgutschrift davon abhängig, daß das Eigentum nicht schon früher nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts auf den Kommittenten übergegangen ist. Allgemeiner Ansicht zufolge kommt in diesem negativen – und im Grunde selbstverständlichen – Tatbestandsmerkmal die Subsidiarität dieses sondergesetzlichen Übertragungstatbestandes gegenüber den §§  929 ff. BGB zum Ausdruck422 . 419 

Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  25. Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  27; siehe auch OLG München, WM 1970, 973, 974. Soweit Scherer/Behrends, DepotG, §  24 Rn.  43 behauptet, ein wirksamer Eigentumsübergang nach §  24 Abs.  2 DepotG sei theoretisch auch ohne entsprechende Umbuchungen beim Zentralverwahrer möglich, da die Zustimmung auch dem Kommittenten gegenüber erklärt werden könne, ist das in der Tat nur Theorie. 421  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  26. 422  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  35; Scherer/Behrends, DepotG, §  24 Rn.  30; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  48; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  12. 420 

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cc) Rechtsfolge Sind die Tatbestandsmerkmale des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG erfüllt, geht mit der Eintragung des Übertragungsvermerks das Miteigentum auf den Kommittenten über. Es handelt es sich also um einen Fall des derivativen Rechtserwerbs kraft Gesetzes. Eines Übereignungswillens der Depotbank bedarf es ebensowenig wie der Kenntnisnahme der Depotgutschrift durch den Depotkunden. Da eine Depotgutschrift i. S. von §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG bereits für sich genommen den Rechtserwerb herbeiführt, wird ihr allgemein konstitutive Wirkung beigemessen423, dies häufig auch in bewußter Abgrenzung zur Gutschrift bei der Übertragung von Girosammelanteilen nach §  929 Satz  1 BGB, die eine bloß deklaratorische Wirkung haben soll, da sie den Besitzmittlungswillen der Depotbank nur nach außen verlautbart424 . b)  Direkte Anwendbarkeit Nach heute allgemeiner Ansicht kommt dem Sondertatbestand des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG bei der Übertragung von Girosammelanteilen im Rahmen des Effektengiroverkehrs keine praktische Bedeutung zu. Meistens wird dies damit begründet, die Voraussetzungen dieses Tatbestandes seien nicht erfüllt, da das Miteigentum schon früher nach §  929 Satz  1 BGB auf den Erwerber übergehe425. Wer sich noch einmal die Buchungsabläufe bei der Abwicklung eines Kommissionsgeschäfts vor Augen hält, dem werden jedoch Zweifel an dieser Begründung kommen. Denn wie bereits mehrfach ausgeführt wurde, pflegt die mit dem Ankauf der Wertpapiere beauftragte Bank ihrem Kunden bereits unmittelbar nach Abschluß des Ausführungsgeschäfts (T+0) eine vorgezogene Depotgutschrift zu erteilen, die erst in dem Zeitpunkt Rechtswirkung entfalten soll, in dem der Bank die Wertpapiere durch das CASCADE-System „geliefert“ werden. Es ist also bereits eine Depotgutschrift auf dem Konto des Kommittenten vorhanden, wenn die Bank den mittelbaren Besitz an den Wertpapieren erlangt und der Eigentumserwerb nach §  929 Satz  1 BGB vollendet wird. Für die Annahme, der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb trete früher ein als der gesetzliche nach §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG, ist unter diesen Umständen kein Raum. Denn mit der „Lieferung“ der Wertpapiere erwirbt die Bank auch die Verfügungsberechtigung, womit alle Voraussetzungen des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG erfüllt sind. Man kann also höchstens behaupten, daß rechtsgeschäftlicher und gesetzlicher Eigentumserwerb zeitlich zusammenfallen426. 423 

BGHZ 5, 27, 33 = NJW 1952, 1012, 1015; Opitz, DepotG, §  24 Anm.  4 (S.  312). Depotgeschäft, Rn.  198; dies., WM 2001, 7, 15. 425 Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §   406 Rn.   325; Decker/Kümpel, Depotgeschäft, Rn.  8/345; Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  84 f.; Saager, Effektengiroverkehr, S.  49; Wust, Verbuchung, S.  143; Than, in: Festschrift für Kümpel, S.  543, 547; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201. Anders noch Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 263, der §  24 Abs.  2 DepotG als „in der Praxis gänzlich vorherrschende Form des Eigentumsübergangs an Sammeldepotanteilen“ betrachtet. 426 So Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  37. 424 MünchKomm-HGB/Einsele,

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Die Frage ist allerdings, ob eine vorgezogene Depotgutschrift überhaupt die Anforderungen an einen „Übertragungsvermerk“ i. S. des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG erfüllt. Diese Vorschrift will einen Beitrag zur Rechtssicherheit leisten, indem sie die Verschaffung des Miteigentums an den bloßen Bucheintrag knüpft. Eine vorgezogene Depotgutschrift genügt diesem Zweck aber jedenfalls dann nicht, wenn sie vorbehaltlos erteilt wird, also keinen Hinweis darauf enthält, daß das Miteigentum erst zu einem späteren Zeitpunkt auf den Kunden übergehen soll. Eine solche Gutschrift läuft der Absicht des Gesetzgebers, die Feststellung des Eigentumsübergangs zu erleichtern, klar zuwider. Sie leistet sogar einen Beitrag zur Rechtsunsicherheit, da sie beim Kunden den unzutreffenden Eindruck erwecken kann, er habe die Wertpapiere bereits am Handelstag erworben. Zweifel an der Vereinbarkeit mit §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG bestehen aber auch im Fall der Erteilung einer valutierten Gutschrift. Darunter ist eine Gutschrift zu verstehen, die mit einer bestimmten Wertstellung (Datumsangabe) versehen wird, mit der zum Ausdruck gebracht wird, daß das Eigentum erst zu diesem Zeitpunkt auf den Kunden übergehen soll. Zwar wird der Kunde hier immerhin darüber in Kenntnis gesetzt, daß die Gutschrift zunächst ins Leere geht und für welchen Tag er den Eigentumserwerb erwarten darf. Und in der Regel kann sich der Kunde auf den Eigentumserwerb an diesem Tag auch verlassen. Der von §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG intendierte Schutz wird aber auch bei einer valutierten Gutschrift insofern relativiert, als das Miteigentum eben nicht schon „mit der Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs“, sondern erst zu einem späteren, im Konto nicht mehr gesondert ausgewiesenen Zeitpunkt auf den Kunden übergeht. Gegen die Aussage, §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG stehe der Vordatierung einer Gutschrift nicht entgegen427, sind also Bedenken anzumelden. Die besseren Gründe sprechen für die Annahme, daß eine vorgezogene Gutschrift nicht als „Übertragungsvermerk“ i. S. des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG aufgefaßt werden kann, weil sie den Zweck dieser Vorschrift, einen schnellen und sicheren Übergang des Miteigentums zu ermöglichen, nicht erreichen kann (und soll)428. Zweifel an der Anwendbarkeit des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG bestehen noch aus einem anderen Grund. Nach seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung betrifft §  24 DepotG das Verhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent. Wie sich aus den Materialien ergibt, hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung des §  18 Abs.  3 DepotG den kommissionsrechtlichen Regelfall vor Augen, daß der Kommissionär das Kommissionsgut zunächst selbst zu Eigentum erwirbt, um es anschließend an den Kommittenten weiterzugeben429. Man könnte nun argumentieren, daß dies 427 So Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  24 Rn.  22, welche die hinausgeschobene Wertstellung als aufschiebende Bedingung des Eigentumsübergangs ansehen (§§  163, 158 Abs.  1 BGB analog). Einschränkend Scherer/Behrends, DepotG, §  24 Rn.  56, der zwar eine Buchung mit hinausgeschobener Wertstellung für zulässig hält, eine unter einer Bedingung erteilte Gutschrift „in dem Sinne, dass die Wirkung des Abs.  2 von dem Eintritt der Bedingung abhängig ist“, aber nicht für möglich hält. 428 Ähnlich Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  12 mit der Begründung, daß dem Kommissionär zur Zeit der Vornahme des Übertragungsvermerks noch die Verfügungsberechtigung fehlt. 429  Begr. zu §  18 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  261: „Wenn damit der Entwurf ebenso

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angesichts der engen Verwandtschaft zwischen beiden Tatbeständen auch für §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG gilt430. Bei der Übereignung von Girosammelanteilen nach §  929 Satz  1 BGB wird aber von der h. M. mit Hilfe der Rechtsfigur des Geschäfts für den, den es angeht, ein direkter Eigentumserwerb des Kunden konstruiert. Die Käuferbank als Einkaufskommissionärin erwirbt danach kein (Durchgangs-)Eigentum, das sie an ihren Kunden weiterleiten müßte. Im Effektengiroverkehr entsteht also erst gar nicht jener Schwebezustand zwischen Lieferung und Weitergabe des Kommis­ sionsguts, den §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG zum Schutz des Kunden abkürzen soll. Das Ziel der schnellen Verschaffung des Miteigentums wird hier durch die Anwendung des allgemeinen zivilrechtlichen Instrumentariums erreicht, das gegenüber dem depotrechtlichen Sondertatbestand überdies den Vorteil hat, einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten zu ermöglichen. Daraus könnte man schließen, daß §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG von vornherein nicht zur Anwendung kommt, wenn das Eigentum direkt vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht431. Dieser Schluß wird der Sache nach auch von denen gezogen, die meinen, daß diesem Sondertatbestand im Effektengiroverkehr keine praktische Bedeutung zukommt432 . Wie dem auch sei: Zumindest im Ergebnis dürfte das Schrifttum richtig liegen mit seiner Einschätzung, daß der Sondertatbestand des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG im Effektengiroverkehr nicht zur Anwendung kommt. Das liegt aber nicht daran, daß das Miteigentum „schon früher“ nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts auf den Kommittenten übergeht. Die Zweifel an der Anwendbarkeit des §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG rühren eher daher, daß eine vorgezogene Depotgutschrift schwerlich als „Übertragungsvermerk“ im Sinne dieses Tatbestandes qualifiziert werden kann und der Kunde des Schutzes durch diesen Tatbestand nicht bedarf, wenn das Miteigentum direkt vom Veräußerer auf ihn übergeht. c)  Analoge Anwendbarkeit Micheler vertritt die Ansicht, daß §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG auf die Übertragungsvorgänge im Effektengiroverkehr zwar nicht direkt, wohl aber analog anwendbar ist. Zugrunde liegt dem Michelers Überzeugung, der Effektengiro habe sich schrittweise, nämlich zum einen durch die Ersetzung der Sonder- durch die Sammelverwahrung als gesetzliche Regelverwahrform und zum anderen durch die Anerkennung der wie das bisherige Recht davon ausgeht, daß der Kommissionär erst seinerseits das Eigentum an den Wertpapieren auf den Kunden zu übertragen hat, so erfordert die Rechtssicherheit einen nach außen hin in Erscheinung tretenden und schnellstens erfolgenden Übertragungsakt“. 430 Siehe Quassowski/Schröder, DepotG, §   24 Rn.  8, wo ausschließlich Konstellationen aufgeführt werden, in denen die Bank originär oder derivativ zunächst selbst Eigentümerin der Girosammelanteile wird. 431 So Brink, Rechtsbeziehungen, S.  92, allerdings mit unzutreffendem Verweis auf Heinsius/ Horn/Than, DepotG, §  5 Rn.  59; siehe auch Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  326. 432  Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.206; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/345; siehe auch Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  150, demzufolge §  24 DepotG leerläuft.

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Globalurkunde, zu einem unkörperlichen, d. h. nicht länger auf dem Besitz von Wertpapieren aufbauenden Übertragungssystem entwickelt, in dem Miteigentumsanteile durch Buchung statt durch Besitzübertragung übereignet werden. In diesem eigenständigen System, das nicht durch bewußte gesetzgeberische oder vertragliche Gestaltung entstanden, sondern das Ergebnis einer graduellen Loslösung von tradierten sachenrechtlichen Grundsätzen sei, würden die Regeln des Wertpapierrechts entsprechend angewendet, obwohl die Vorschriften des Depotgesetzes die Vorstellung, daß Papierdokumente zur Übertragung verwendet werden müssen, überwunden hätten. Die Rechtfertigung dafür liegt laut Micheler darin, daß der Gesetzgeber das Interesse des Kapitalmarktes an der besonderen Umlauffähigkeit bestimmter Rechte im Depotgesetz normativ anerkannt habe. Die Regel, daß das Recht im System durch die Buchung erworben wird, ergebe sich aus §  24 DepotG. Diese Bestimmung sei, auch wenn sie an sich nur den Rechtserwerb bei der Einkaufskommission und beim Eigenhändlergeschäft regele, angesichts der Entwicklung des Effektengiros zu einem unkörperlichen Übertragungssystem analogiefähig433. Michelers Ansatz ist mit dem geltenden Depotrecht nicht zu vereinbaren. Das gilt sowohl für die Analogie zu §  24 DepotG als auch für die These von der schrittweisen Entstehung eines unkörperlichen Übertragungssystems im Grundsätzlichen. An der Analogiefähigkeit von §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG bestehen schon deshalb Zweifel, weil diese Bestimmung keinen gutgläubigen Erwerb ermöglicht und damit einer der zentralen Anforderungen an einen Generaltatbestand für die Übertragung von Girosammelanteilen nicht gerecht wird. Daß der gutgläubige Erwerber mit der Buchung Eigentümer wird, auch wenn der Veräußerer nicht verfügungsbefugt war434, läßt sich mit §  24 Abs.  2 Satz  1 DepotG nicht überzeugend begründen. Außerdem handelt es sich bei dieser Bestimmung um eine auf das Verhältnis zwischen Kommissionär und Kommittent zugeschnittene Sondervorschrift, die sich nicht einfach unter Hinweis darauf verallgemeinern läßt, daß es in anderen Fällen ebenfalls um die Übertragung von Girosammelanteilen im Wege der Umbuchung geht435. Und was die von Micheler behauptete Entwicklung des Effektengiros zu einem unkörperlichen Übertragungssystem betrifft, wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber bei der Anerkennung der Globalurkunde die „bewährten Grundsätze“ des Sachenrechts beibehalten wissen wollte. Die Einführung des §  9a DepotG taugt somit nicht als Beleg für die Verselbständigung des Effektengiros zu einem nach eigenen Regeln ablaufenden Übertragungssystem.

433  Micheler, Wertpapierrecht, S.  149 ff., 161 ff. und insb. 187 f.; siehe auch dies., in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  129, 150 ff. 434 So Micheler, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  129, 167. 435  Iro, in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg.), Österreichisches Bankvertragsrecht, Band II, Rn.  4/111.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

VI.  Übertragung von Girosammelanteilen unter Einbeziehung der Eurex Clearing AG Werden Girosammelanteile unter Einbeziehung der Eurex Clearing AG als zentraler Gegenpartei übertragen, wird die schon in der hergebrachten Variante des Effektengiroverkehrs unübersichtliche Rechtslage noch komplizierter, weil eine weitere Institution in die sachenrechtliche Konstruktion eingebaut werden muß436.

1. Einführung An der Frankfurter Wertpapierbörse wurde das Modell einer zentralen Gegenpartei (Zentraler Kontrahent, Central Counterparty – CCP) in Gestalt der Eurex Clearing AG am 27. März 2003 eingeführt, und zwar sowohl für den elektronischen Handel über das System XETRA als auch für den Parketthandel. In der Startphase waren in dieses Modell 60 Aktien aus dem DAX und MDAX einbezogen. Am 10. April 2003 wurde es auf sämtliche deutschen girosammelverwahrten Aktien ausgedehnt, die auf XETRA gehandelt werden können437. Im Zuge einer schrittweisen Leistungserweiterung wurden am 16. Juni 2005 auch ausgewählte girosammelverwahrte Aktien aus Belgien, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Österreich und der Schweiz in die Abwicklung über die Eurex Clearing AG aufgenommen438. Als XETRA im November 2009 um das Marktsegment „XETRA International Market (XIM)“ erweitert wurde, wurden auch alle in diesem Segment abgeschlossenen Geschäfte über europäische Aktien in das CCP-Modell einbezogen439. Worin sich der Wertpapierhandel unter Einbeziehung eines zentralen Kontrahenten vom klassischen Wertpapierhandel an der Börse unterscheidet, wurde bereits ausführlich dargestellt440: Mit dem zentralen Kontrahenten schiebt sich eine weitere Vertragspartei zwischen den verkaufenden und den kaufenden Handelsteilnehmer. Der zentrale Kontrahent nimmt also im Verhältnis zum Verkäufer die Rolle des Käufers und im Verhältnis zum Käufer die Rolle des Verkäufers ein. Für die Erfüllung des Geschäfts – Lieferung bzw. Bezahlung der Wertpapiere – ist dem jeweiligen Han­dels­ teilnehmer folglich allein der zentrale Kontrahent verantwortlich441. Für die Han­ 436 

Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.165. Börsenzeitung vom 27. März 2003, S.  3. 438  Eurex-Rundschreiben 092/05 zur Einführung des CCP-Release 2.0 vom 13. Juni 2005. 439  Dabei bestand die Besonderheit, daß das abschließende Settlement nicht von der Clear­stream Banking AG, sondern vom Zentralverwahrer des jeweiligen Heimatmarktes durchgeführt wurde. Gedeckt war dies durch eine Bestimmung in der Börsenordnung (heute: §  108 Abs.  2 Satz  1 BörsOFWB), die vorsieht, daß die Erfüllung der an der FWB abgeschlossenen Börsengeschäfte entweder über die Clearstream Banking AG oder eine andere, durch die BörsO anerkannte Wertpapiersammelbank erfolgt. Inzwischen hat die Deutsche Börse den Handel in dem Marktsegment „XETRA International Market (XIM)“ wieder eingestellt. 440  Oben §  4 II 4. 441  Das wird klargestellt durch Kap. V Ziffer 2.1 Abs.  2 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG. 437 

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dels­teilnehmer hat das angesichts der erstklassigen Finanzausstattung des zentralen Kontrahenten und des von ihm unterhaltenen Sicherungssystems den Vorteil, daß das in der Zeitspanne zwischen Geschäftsabschluß und Erfüllung bestehende Gegenparteirisiko erheblich reduziert wird. Anders als an manchen ausländischen Handelsplätzen vollzieht sich das Einschieben des zentralen Kontrahenten an der Frankfurter Wertpapierbörse nicht durch Novation, d. h. die Ersetzung des zwischen den Handelsteilnehmern abgeschlossenen Vertrags durch zwei spiegelbildliche Verträge mit der Eurex Clearing AG, sondern in der Weise, daß mit der Orderausführung zwei Verträge zustandekommen, ein Vertrag zwischen dem verkaufenden Handelsteilnehmer und dem CCP sowie ein inhaltsgleicher Vertrag zwischen dem CCP und dem kaufenden Handelsteilnehmer442 . Ein weiteres Ziel der Einschaltung eines zentralen Kontrahenten bestand darin, die Anzahl und das Volumen der über die Clearstream Banking AG tatsächlich abzuwickelnden Transaktionen zu reduzieren und dadurch eine Senkung der Ab­ wicklungs­kosten zu erreichen. Mit der Einführung des CCP-Modells wurde daher die Möglichkeit des (unechten) multilateralen Nettings verbunden. Dabei werden sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten eines Clearing-Mitglieds aus den Geschäften eines Börsentages in einer bestimmten Wertpapiergattung gegeneinander aufgerechnet. Die Aufrechnung bewirkt, daß für das Clearing-Mitglied bezüglich Zahlung und Lieferung jeweils nur eine Nettoforderung bzw. -verbindlichkeit gegenüber der Eurex Clearing AG verbleibt. Auf den Depot- und Zahlungskonten der Clearing-Mitglieder müssen somit nur im Umfang der sich aus dem Netting ergebenden Salden Umbuchungen vorgenommen werden. Das Settlement auf der Ebene des Zentralverwahrers wird auf einen Spitzenausgleich beschränkt443. Nach Angaben der Deutschen Börse hat die hohe Akzeptanz des zentralen Kontrahenten bei den Handelsteilnehmern dazu geführt, daß das Abwicklungsvolumen bereits in den ersten neun Monaten seines Einsatzes um 95% verringert werden konnte. Die Liquidität in CCP-fähigen Aktien soll im Laufe des Jahres 2003 um durchschnittlich 27% gestiegen sein444 . Im März 2005 wurde sogar von einer durchschnittlichen Liquiditätssteigerung von 50% seit März 2003 und einem Rückgang der impliziten Handelskosten um 500 Millionen Euro berichtet445.

442  §  2 Abs.  2 Satz  1 AGB-FWB. Ausführlich zum Vertragsschluß im CCP-Modell Alfes, Central Counterparty, S.  76 ff.; Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  277 ff.; Reitz, Börsengeschäfte, S.  67 ff.; Ha­ bersack/Ehrl, ZfpW 2015, 312, 317 ff. 443  Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  4. 444  Deutsche Börse Group, Geschäftsbericht 2003, S.  39. 445  Pressemitteilung der Deutschen Börse vom 9. März 2005; siehe auch die Notiz in Kreditwesen 2005, 257.

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2.  Ablauf der Abwicklung Betrachtet man nun den Ablauf der Abwicklung eines CCP-Geschäfts im einzelnen, so zeigen sich noch einige weitere Besonderheiten, die sich nicht unerheblich auf die sachenrechtliche Konstruktion des Übertragungsvorgangs auswirken. 1.  Wie bereits erwähnt, sind Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse – und damit auch solche unter Einschaltung der Eurex Clearing AG – grundsätzlich am zweiten Erfüllungstag nach dem Tag des Geschäftsabschlusses zu erfüllen. Soweit es um Geschäfte über den Ankauf von Wertpapieren geht, welche die Handelsteilnehmer (Clearing-Mitglieder, Depotbanken446) nicht für sich selbst, sondern für Rechnung ihrer Kunden abschließen, hat die Einführung des zentralen Kontrahenten nichts daran geändert, daß die angeschafften Wertpapiere in der Regel bereits unmittelbar nach Geschäftsabschluß (T+0) in das Depot des betreffenden Kunden eingebucht werden (vorgezogene Depotgutschrift). Auf der Ebene der Zwischenverwahrer müssen grundsätzlich in vollem Umfang der für die einzelnen Kunden ausgeführten Wertpapiergeschäfte Belastungs- und Gutschriftsbuchungen vorgenommen werden. Denn die Verrechnung der wechselseitigen Liefer- und Zahlungsansprüche betrifft nur das Verhältnis zwischen Depotbank und CCP, nicht auch das Verhältnis zwischen Depotbank und Kunde. Etwas anderes gilt nur, wenn auch in diesem Verhältnis Aufrechnungsmöglichkeiten bestehen, etwa weil der Kunde selbst gegenläufige Geschäfte in einer bestimmten Wertpapiergattung abgeschlossen hat447. 2.  Am Ende des Handelstages (T+0) werden die vom System XONTRO Trade übermittelten Geschäftsdaten vom CCP als offene Lieferpositionen in das sog. Brutto­liefermanagement (BLM) eingestellt448. Dabei handelt es sich um eine von der Eurex Clearing AG bereitgestellte Funktionalität zur Anzeige und Bearbeitung offener Kassamarktgeschäfte. Hinsichtlich der Freigabe der Geschäfte können die Handelsteilnehmer (Clearing-Mitglieder) wie bei der Geschäftsabwicklung ohne CCP zwischen einem Positiv-Verfahren und einem Negativ-Verfahren wählen. Beim Positiv-Verfahren werden alle Geschäfte als gesperrt in das Bruttoliefermanagement eingestellt und müssen einzeln zur Aufrechnung freigegeben werden. Beim NegativVer­fahren werden alle Geschäfte als zur Aufrechnung freigegeben eingestellt und müssen vom Clearing-Mitglied gesperrt werden, falls sie von der Aufrechnung ausgenommen werden sollen449. Das Netting ist also für die Clearing-Mitglieder nicht verpflichtend450. Ein Clearing-Mitglied hat auch die Möglichkeit, einzelne Geschäfte von der Verrechnung auszunehmen und für die Bruttoverarbeitung zu kennzeichnen. Auch in bezug auf die Lieferfreigabe eröffnen die Eurex-Geschäftsbedin446  Im folgenden werden diese Begriffe synonym gebraucht, d. h. es wird davon ausgegangen, daß die Handelsteilnehmer über eine direkte Clearing-Mitgliedschaft bei der Eurex Clearing AG verfügen und als Giroteilnehmer an die Clearstream Banking AG angeschlossen sind. 447  Wust, Verbuchung, S.  151. 448  CBF-Kundenhandbuch, S.  3-29. 449  Kap. I Abschn. 1 Ziffer 1.3.1 Abs.  1 (c) der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG. 450  Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  343.

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gungen den Clearing-Mitgliedern die Wahl zwischen dem Positiv- und dem Negativverfahren451. 3.  Am Abend des ersten Geschäftstages nach dem Handelstag (T+1, ca. 18 Uhr) rechnet die Eurex Clearing AG die Forderungen und Verbindlichkeiten eines Clear­ ing-Mitglieds aus den freigegebenen Geschäften pro Wertpapiergattung gegeneinander auf. Anschließend übermittelt sie der Clearstream Banking AG hinsichtlich der ermittelten Spitzen jeweils einen Liefer- und einen dazu passenden Matchauftrag452 . Den ihr eigenes Konto betreffenden Auftrag erteilt sie im eigenen Namen, den das Konto des Clearing-Mitglieds betreffenden als dessen Vertreter auf der Grundlage einer entsprechenden Vollmacht453. Die Notwendigkeit des Matching folgt daraus, daß CCP-Geschäfte von der Clearstream Banking AG abwicklungstechnisch wie OTC-Geschäfte (Wertpapierübertrag gegen Zahlung von Euro) behandelt werden454 . Bei diesen Geschäften soll durch den frühzeitigen Abgleich von Lieferauftrag (Verkäufer bzw. Auftraggeber) und Matchauftrag (Käufer bzw. Empfänger) sichergestellt werden, daß die Abwicklungsmodalitäten den Vereinbarungen zwischen den Kontrahenten entsprechen. Da die Eurex Clearing AG beide Auftragsseiten übermittelt, können ihre Instruktionen sofort als einander zugeordnet („matched“) in den Auftragsbestand von CASCADE eingestellt werden. Zusätzlich übermittelt der CCP der Clearstream Banking AG Lieferinstruktionen für die im Bruttoliefermanagement zur Bruttoverarbeitung gekennzeichneten Geschäfte455. 4.  Die vom CCP übermittelten Aufträge werden von der Clearstream Banking AG am gleichen Abend (T+1) an die T2S-Plattform weitergeleitet456. Das weitere Verfahren entspricht dem bei Nicht-CCP-Geschäften, d. h. die Abwicklung findet regelmäßig im Rahmen der Nachtverarbeitung (Night-time Settlement – NTS), ansonsten in Echtzeit (Real-time Settlement – RTS) statt, wobei der Zeitpunkt der Umbuchung sekundengenau im System ausgewiesen wird457. Die Umbuchung der Spitzen geht so vonstatten, daß die Aktien vom Depotkonto des lieferpflichtigen Clearing-Mitglieds auf das Depotkonto der Eurex Clearing AG und von dort auf das Depotkonto des zu beliefernden Clearing-Mitglieds übertragen werden. Der Grund für diese Zwischenbuchung liegt nur in zweiter Linie darin, daß sich die Eurex Clearing AG als Vertragspartner zwischen den verkaufenden und den kaufenden Handelsteilnehmer schiebt458. In erster Linie geht es um die Gewährleistung der sog. Post-Trade-Anonymität. Die Zwischenbuchung führt dazu, daß der zu beliefernde Handelsteilnehmer 451 

Kap. I Abschn. 1 Ziffer 1.4.2 Abs.  2 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG. CBF-Kundenhandbuch, S.  3-29. 453  Siehe Kap. I Abschn. 1 Ziffer 1.4.2 Abs.  3 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG; ferner Micheler, Wertpapierrecht, S.  193 f. 454  CBF-Kundenhandbuch, S.  3-4. 455  CBF-Kundenhandbuch, S.  3-29. 456  CBF-Kundenhandbuch, S.  3-5. 457  Siehe die Darstellung oben V 2. 458  Wie sogleich (unter 3) zu zeigen ist, ist auch das CCP-Modell auf einen direkten Übergang der Miteigentumsanteile vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger ausgerichtet. 452 

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die jeweiligen Wertpapiere immer vom Konto des CCP gutgeschrieben bekommt und ihm der „wirtschaftliche Verkäufer“ verborgen bleibt. 5.  Nach dem Ende des Abwicklungsablaufs (T+2) erhalten der CCP und die Clear­ ing-Mitglieder ein sog. Clearing and Settlement Statement (MT 536), aus dem sich ergibt, welche (Netto-)Lieferaufträge ausgeführt wurden, sowie ein sog. Statement of Pending Stock Exchange Transactions (MT 537), aus dem alle nicht zur Abwicklung gelangten Aufträge hervorgehen. Entsprechend erhalten die Clearing-Mitglieder auch vom CCP zwei Reports: Der sog. Ist-Lieferreport (Settled Delivery Report) weist alle Geschäfte aus, die ganz oder teilweise beliefert wurden. Auch Geschäfte zwischen Kunden derselben Bank sind in diesem Report enthalten. Der sog. Fail-Report listet alle Geschäfte auf, bei denen die Abwicklung fehlgeschlagen ist459.

3.  Eigentumsübertragung nach §  929 Satz  1 BGB Obwohl die Eurex Clearing AG als Vertragspartnerin zwischen die Handelsteilnehmer tritt und es bei der Übertragung der Salden zu einer Zwischenbuchung auf ihrem Clearstream-Konto kommt, soll sie kein Durchgangseigentum an den Wertpapieren erwerben. Überhaupt sollte bei der Einführung des CCP an der Frankfurter Wertpapierbörse nicht an dem Grundsatz gerüttelt werden, daß im Effektengiroverkehr das Miteigentum direkt vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger übergeht460 – eine Entscheidung, die in den Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG freilich nur unvollkommen Ausdruck gefunden hat461 und mit der in Kauf genommen wurde, daß sich die schon im bisherigen Modell beträchtlichen Konstruktionsprobleme noch verschärfen. Denn schon wegen der Verlängerung des Übertragungsweges um die Zwischenbuchung bei der Eurex Clearing AG können die §§  929 ff. BGB bei der Abwicklung von CCP-Geschäften allenfalls mit erheblichen Modifikationen zur Anwendung kommen. Das gilt umso mehr, als auf der Ebene der Depotbanken die Geschäfte mit den einzelnen Kunden (Anlegern) grundsätzlich in vollem Umfang durch Gutschriften zu erfüllen sind. Die folgenden Ausführungen können sich daher nicht auf die Übertragung der Spitzen beschränken, sondern müssen auch der Frage nachgehen, wie sich die (Brutto-)Erfüllung der Verschaffungsansprüche der einzelnen Anleger rechtlich erklären läßt. Um die Darstellung so übersichtlich wie möglich zu halten, soll zunächst untersucht werden, wie sich die Übertragung der Spitzen bei Eigengeschäften der Clearing-Mitglieder vollzieht. Anschließend kann die kompliziertere Konstellation, die Übertragung bei Fremdgeschäften der Clear­ ing-Mitglieder, in den Blick genommen werden. 459 

Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  4. Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  4 u. 19. Dem Beitrag liegt ein für den Bundesverband deutscher Banken und die Deutsche Börse AG erstattetes Rechtsgutachten zugrunde, das der Klärung der (von Horn ohne Einschränkung bejahten) Frage diente, ob sich das Modell des CCP in die sachenrechtliche Konstruktion des Effektengiroverkehrs einpassen läßt. 461  Kap. V Ziffer 1.4.2 Abs.  4 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG. 460 

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a)  Eigenschäfte der Clearing-Mitglieder aa) Einigung (1) Angebot Für das bisherige Modell der Übertragung von Girosammelanteilen wurde festgestellt, daß das Übereignungsangebot von der veräußernden Depotbank abgegeben wird. Es ist in der Freigabe der Lieferliste zu sehen, mit der die Anweisung an die Clearstream Banking AG verbunden ist, die Girosammelanteile auf das Konto der Käuferbank umzubuchen. Wie dargestellt, wird im CCP-Modell der (auf den Saldo beschränkte) Umbuchungsauftrag nicht von der lieferpflichtigen Bank, sondern von der Eurex Clearing AG als deren Vertreterin erteilt. Deren Vollmacht umfaßt ausdrücklich auch die Freigabe der Lieferinstruktionen gegenüber der Abwicklungsstelle462 . Dies legt die Annahme nahe, daß die Eurex Clearing AG zusammen mit Umbuchungsauftrag auch das Übereignungsangebot im Namen der lieferpflichtigen Bank abgibt. Im Schrifttum herrscht dagegen die Ansicht vor, daß das Übereignungsangebot von der lieferpflichtigen Bank selbst abgegeben wird463. An einer überzeugenden – und von allen Stimmen geteilten – Begründung dafür fehlt es jedoch. Zwar besteht im CCP-Modell eine Parallele zum bisherigen System insoweit, als die Clearing-Mitglieder die in das Bruttoliefermanagement eingestellten Transaktionen einzeln zur Abwicklung freizugeben haben (Positivverfahren) bzw. von der Abwicklung ausnehmen können (Negativverfahren). Hat sich ein Clearing-Mitglied für das Negativverfahren entschieden, wird jedoch die Lieferung automatisch für alle Transaktionen freigegeben. Das Clearing-Mitglied tätigt keine Eingaben, die sich als Übereignungsangebot deuten ließen464 . Aber auch in der Freigabe einer einzelnen Transaktion bei Wahl des Positivverfahrens kann kein Angebot zur dinglichen Einigung gesehen werden, weil zu diesem Zeitpunkt mangels Verrechnung noch gar nicht feststeht, ob und in welcher Höhe eine Lieferpflicht des Clearing-Mitglieds hinsichtlich einer bestimmten Wertpapiergattung besteht465. Aus diesem Grund kann man auch nicht behaupten, daß „in der Übermittlung der Wertpapier-Bruttoumsätze“ zugleich die Einigungsofferte der veräußernden Bank liegt466. Das gilt umso mehr, als eine „Über462  Siehe nochmals Kap. I Abschn. 1 Ziffer 1.4.2 Abs.  3 der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG. 463  Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.   426; Wust, Verbuchung, S.  149; Habersack/Ehrl, ZfpW 2015, 312, 346; Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  19. 464  Reitz, Börsengeschäfte, S.  209. 465  Nicht überzeugend daher Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  4 26. Das gilt erst recht für Wust, Verbuchung, S.  149, nach dessen Verständnis die veräußernde Depotbank bereits mit dem Abschluß des Handelsgeschäfts ein (auf den Ausgleich der Spitzen beschränktes) Übereignungsangebot an die zentrale Gegenpartei übermittelt. 466  So aber Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/339a; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.   18.203. Ähnlich, aber ebenfalls ungenau Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.176 und Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  19, nach denen das Übereignungsangebot der Bank in der „Weiterreichung der Buchungsinformationen“ zu sehen ist.

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mittlung“ der Bruttoumsätze (an den CCP?) durch die veräußernde Bank genau genommen gar nicht stattfindet. Von einer „Übermittlung“ kann man nur in dem Sinne sprechen, daß die einzelnen Geschäfte vom Clearing-Mitglied im Bruttoliefermanagement zur Verrechnung freigegeben werden müssen. Es bleibt also dabei: Die überzeugenderen Gründe sprechen für die Annahme, daß das Angebot zur dinglichen Einigung von der Eurex Clearing AG als Vertreterin der lieferpflichtigen Bank abgegeben wird467. (2) Annahme Uneinheitlich ist das Meinungsbild auch in der Frage, wer auf der Erwerberseite die Annahme des Übereignungsangebots erklärt und in welcher Handlung die Annahmeerklärung zu sehen ist. Nach einer Ansicht wird die Annahme von der zentralen Gegenpartei als Stellvertreterin des erwerbenden Clearing-Mitglieds erklärt, und zwar – hier gehen die Meinungen wiederum auseinander – konkludent durch Weiterleitung der Buchungsinformationen an die Clearstream Banking AG468 bzw. durch Versenden des Ist-Lieferreports469. Nach einer anderen Ansicht ist die zentrale Gegenpartei als Empfangsbotin des erwerbenden Clearing-Mitglieds einzuordnen und wird die Annahme von diesem selbst erklärt, wobei sich die Vertreter dieser Ansicht allerdings nicht einig sind, ob die (konkludente) Annahmeerklärung in der vorbehaltlosen Entgegennahme des Soll-Lieferreports470 oder des Ist-Lieferreports471 zu sehen ist. Beide Ansichten stimmen darin überein, daß die Clearstream Banking AG nicht in das Zustandekommen der dinglichen Einigung eingebunden ist, obwohl sie auch hier Aufgaben wahrnimmt, die für die Geschäftsabwicklung von zentraler Bedeutung und von einer gewissen, auf das Vorliegen einer Stellvertretung hindeutenden Selbständigkeit geprägt sind, z. B. die Depotdeckungsprüfung und die Umbuchung der Salden472 . Auch wenn die Eurex Clearing AG bei der Übermittlung der Lieferaufträge an die Clearstream Banking AG über keinen Entscheidungsspielraum verfügt, spricht gegen die Annahme einer Botenstellung wiederum der Umstand, daß sie sich von jedem Clearing-Mitglied eine Vollmacht zur Erteilung aller Instruktionen geben läßt, die zur fristgemäßen Erfüllung aller Liefer- und Zahlungsverpflichtungen im Namen sowie mit Wirkung für und gegen das Clearing-Mitglied erforderlich sind. Zwar be467 So – jedenfalls im Ergebnis – auch Reitz, Börsengeschäfte, S.   210 f.; ferner Alfes, Central Counterparty, S.  180 f., nach dessen Ansicht die Einigungsofferte allerdings nicht in der Lieferin­ struktion, sondern in der Erstellung der Ist-Lieferliste zu sehen ist. 468  Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  4 26 ff. 469 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.   105; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht, §  9 Rn.  27; Alfes, Central Counterparty, S.  179 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.176; Wust, Verbuchung, S.  149; Habersack/Ehrl, ZfpW 2015, 312, 347 f. 470  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.   8/339a; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18/203. 471  Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  19 ff. 472 Vgl. Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  4 27.

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zieht sich diese Vollmacht unmittelbar nur auf Instruktionen „gegenüber der jeweiligen Abwicklungsstelle“473. Man kann ihr jedoch auch das Einverständnis der Parteien darüber entnehmen, daß es zur wirksamen Eigentumsübertragung keiner separaten Annahmeerklärung des Erwerbers mehr bedarf. Nicht zufällig übermittelt die Eurex Clearing AG denn auch zu jeder Lieferinstruktion den passenden Matchauftrag, damit die Aufträge sofort – d. h. ohne weiteres Zutun des Empfängers – als einander zugeordnet („matched“) in den Auftragsbestand von CASCADE eingestellt werden können. Es bestehen somit genügend Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Eurex Clearing AG im Rahmen der dinglichen Einigung als Stellvertreterin (auch) des erwerbenden Clearing-Mitglieds fungiert und damit ein erlaubtes Insichgeschäft vorliegt474 . In der Konsequenz dieser Überlegungen liegt es, die (konkludente) Annahmeerklärung bereits in der Übermittlung des Matchauftrags an die Clearstream Banking AG zu sehen. Denn schon in diesem Vorgang kommt mit hinreichender Deutlichkeit der Wille der Eurex Clearing AG zum Ausdruck, die betreffenden Girosammelanteile für die Empfängerbank als Eigentum entgegenzunehmen. Er entspricht damit noch am ehesten der Umbuchung der Titel durch die Wertpapiersammelbank, die im bisherigen System als stillschweigende Annahmeerklärung gewertet wird475. Demgegenüber hat die Versendung des Ist-Lieferreports an das Clear­ingMitglied, die von einem Teil des Schrifttums als Annahmeerklärung gedeutet wird, im Rahmen der Übereignung die Bedeutung einer aufschiebenden Bedingung476. bb) Übergabe Spielt somit im CCP-Modell die Clearstream Banking AG beim Zustandekommen der dinglichen Einigung keine Rolle, so gilt anderes für die Übergabe der Wertpapiere. Denn in Höhe des sich aus der Verrechnung ergebenden Saldos müssen ja Girosammelanteile auf das Depotkonto des zu beliefernden Clearing-Mitglieds umgebucht werden. Erst mit der Gutschrift am zweiten Tag nach Geschäftsabschluß erlangt das zu beliefernde Clearing-Mitglied den mittelbaren Mitbesitz an den Wertpapieren. Die der Anonymisierung des Wertpapierumlaufs dienende Zwischenbuchung auf dem Depotkonto der Eurex Clearing AG ändert daran nichts. Zwar ließe sich die Übergabe auch so konstruieren, daß das zu beliefernde Clearing-Mitglied bereits im Zeitpunkt dieser Zwischenbuchung, d. h. schon vor dem Wirksamwerden der Gutschrift auf seinem eigenen Konto, den mittelbaren Besitz erlangt. Dazu müßte man annehmen, daß die Eurex Clearing AG für die Zeitspanne zwischen Erhalt und Weitergabe der Wertpapiere zur Besitzmittlerin des zu beliefernden Clear­ingMitglieds wird. Das ist aber nicht gewollt. Denn es hätte zur Folge, daß das liefer473 

AG.

Siehe nochmals Kap. I Abschn. 1 Ziffer 1.4.2 Abs.  3 Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing

474  Ähnliche Argumentation bei Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  4 28; Reitz, Börsengeschäfte, S.  211 ff. 475 Treffend Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  4 29 f. 476  Dazu unter cc).

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pflichtige Clearing-Mitglied seinen mittelbaren Besitz schon vor der endgültigen Abwicklung der Transaktion verliert, und widerspräche damit dem Prinzip „Lieferung gegen Zahlung“. In den Clearing-Bedingungen ist denn auch im Gegenteil vorgesehen, daß die Eurex Clearing AG bei der Lieferung als Besitzmittlerin des lieferpflichtigen Clearing-Mitglieds fungiert477. Dieses behält, solange die Anteile noch nicht wirksam auf dem Konto des erwerbenden Clearing-Mitglieds verbucht sind, den mittelbaren Besitz, der zusätzlich durch die zentrale Gegenpartei vermittelt wird. Das Besitzmittlungsgebäude wird also auf der Veräußererseite um eine Etage aufgestockt478. Das nach §  868 BGB erforderliche konkrete Rechtsverhältnis ist in der Clearing-Vereinbarung mit der Eurex Clearing AG zu sehen479. Daß diese Konstruktion in aller Deutlichkeit zeigt, wie gekünstelt das Festhalten an der Vorstellung eines gestuften mittelbaren Besitzes der Kontoinhaber ist, läßt sich nicht bestreiten480. Viel einfacher würde sich die Übergabe gestalten, wenn man die Gutschrift als Besitz- und die Umbuchung entsprechend als Übergabesurrogat betrachtete. Die Regelungen in den Geschäftsbedingungen der Eurex Clearing AG und der Clearstream Banking AG, die sich mit dem Besitzübergang durch Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses befassen, wären dann obsolet481. Zu weit geht jedoch die Behauptung, der temporäre mittelbare Besitz des CCP sei für den Vorgang der Eigentumsübertragung irrelevant482 . Denn nach der Zwischenbuchung kann nur noch er und nicht mehr das veräußernde Clearing-Mitglied die Weiterleitung der Anteile auf das Konto des erwerbenden Clearing-Mitglieds veranlassen483. cc) Bedingungen Einzugehen ist noch auf die Bedeutung von Kap. I Abschn. 1 Ziffer 1.4.2 Abs.  4 (b) der Clearing-Bedingungen. Darin ist festgelegt, daß das Eigentum an den Wertpapieren erst übergehen soll, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: (1) Die an der Wertpapierübertragung beteiligte Abwicklungsstelle – hier: die Clearstream Banking AG – hat, sofern erforderlich, alle Buchungen bezüglich der von der Eurex Clearing AG verrechneten Transaktionen auf die Depotkonten der zu beliefernden Clear­ingMitglieder vorgenommen. (2) Die entsprechende Geldzahlung wurde von der Abwicklungsstelle vorgenommen. (3) Den Clearing-Mitgliedern wurde von der Eurex Clearing AG der Ist-Lieferreport zugestellt, in dem die einzelnen tatsächlich belieferten Transaktionen aufgelistet sind. Nach verbreiteter Auffassung handelt es sich bei diesen drei Voraussetzungen jeweils um aufschiebende Bedingungen der dinglichen 477 

Kap. I Abschn. 1 Ziffer 1.4.2 Abs.  4 (a) der Clearing-Bedingungen der Eurex Clearing AG. Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  435; Wust, Verbuchung, S.  150. 479  Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  20. 480  Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  435. 481  Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  434. 482  Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.169. 483  Alfes, Central Counterparty, S.  179. 478 

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Einigung i. S. von §  158 Abs.  1 BGB484. Darüber läßt sich streiten. Was die erste Voraussetzung betrifft, so ist in der Umbuchung des Saldos auf das Konto des zu beliefernden Clearing-Mitglieds die nach §  929 Satz  1 BGB erforderliche Übergabe zu sehen. Die Umbuchung ist ein notwendiges Element des dinglichen Rechtsgeschäfts, nicht bloß eine diesem Geschäft beigefügte Bedingung. Das gilt unabhängig davon, ob man die Umbuchung als Mittel zur Verlautbarung der Besitzumstellung oder als Übergabesurrogat begreift485. Daß es sich bei der Vornahme der Geldzahlung um eine aufschiebende Bedingung der dinglichen Einigung handelt, versteht sich ebenfalls nicht von selbst, mag die Parallele zum Eigentumsvorbehalt beim gewöhnlichen Warenkauf auch diese Einordnung nahelegen. Jedenfalls wird der Abschluß der Geld­regulierung bei der Geschäftsabwicklung im bisherigen Modell zumeist als aufschiebende Bedingung der Besitzumstellung und damit als Wirksamkeitsvoraussetzung der Übergabe aufgefaßt486. Was dagegen die dritte Voraussetzung – die Zustellung der Ist-Lieferliste – betrifft, führt an der Qualifizierung als aufschiebende Bedingung der dinglichen Einigung kein Weg vorbei. Denn nach der hier vertretenen Ansicht folgt dieser Akt der von der Eurex Clearing AG bereits durch die Übermittlung des Matchauftrags an die Clearstream Banking AG zustande gebrachten dinglichen Einigung zeitlich nach487. b)  Fremdgeschäfte der Clearing-Mitglieder Damit sind wir bei der Frage angelangt, wie sich die Übertragung der Girosam­mel­ anteile bei Geschäften vollzieht, welche die Clearing-Mitglieder im Auftrag ihrer Kunden vornehmen. Hier ergeben sich zusätzliche Begründungsschwierigkeiten aus dem Umstand, daß ein Clearing-Mitglied von der Clearstream Banking AG wegen der Beschränkung des Settlement auf den Saldo unter Umständen weniger Girosammelanteile gutgeschrieben bekommt, als es im Verhältnis zu seinen Kunden Verschaffungsansprüche zu erfüllen hat. Es sind also „in diesen Rechtsbeziehungen […] quantitativ mehr Übereignungen von Girosammeldepotanteilen (Bruttoliefer­ an­ sprüche) vorzunehmen als auf der vorhergehenden ersten Stufe“488. Das CCP-Modell basiert aber genauso wie das bisherige System des Effektengiroverkehrs auf der Annahme, daß ein bestimmter Miteigentumsanteil direkt vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger übergeht. Das führt zu der Notwendigkeit, zwischen Eigentumsübertragungen unter Einschaltung des zentralen Kontrahenten und Eigen484 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  105 a. E.; Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar, 38. Kap. Rn.  31; Alfes, Central Counterparty, S.  181 f.; Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  432 f.; Reitz, Börsengeschäfte, S.  222 ff. 485  Micheler, Wertpapierrecht, S.  196. 486  Siehe die Nachweise in Fn.  326. Das wird auch von Alfes, Central Counterparty, S.  182 eingeräumt, der dem Abschluß der Geldverrechnung eine „Doppelrolle“ beimißt. 487 Insoweit wie hier Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.   433; a. A. (und vom dort vertretenen Standpunkt aus konsequent) Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  21; Habersack/Ehrl, ZfpW 2015, 312, 348 f. 488  Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  4.

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tumsübertragungen zwischen Kunden ein und desselben Clearing-Mitglieds zu unterscheiden. aa)  Eigentumsübertragung unter Einschaltung der Eurex Clearing AG Soweit es um Eigentumsübertragungen unter Einschaltung der Eurex Clearing AG, d. h. hinsichtlich der aus der Verrechnung hervorgegangenen Spitzen geht, ist wie bei der Abwicklung von Eigengeschäften der Clearing-Mitglieder davon auszugehen, daß das Angebot zur dinglichen Einigung von der Eurex Clearing AG abgegeben wird. Sie handelt dabei als Vertreterin des lieferpflichtigen Clearing-Mitglieds, das seinerseits vom Verkäufer zur Veräußerung der Anteile im eigenen Namen ermächtigt worden ist (§  185 BGB). Auch auf der Erwerberseite tritt die Eurex Clearing AG als Stellvertreterin auf, indem sie mit Wirkung für das zu beliefernde Clearing-Mitglied, das seinerseits als verdeckter Stellvertreter seines Kunden agiert, die Annahme des Übereignungsangebots erklärt. Um einen direkten Rechtsübergang vom verkaufenden auf den erwerbenden Anleger zu begründen, muß man allerdings annehmen, daß sowohl das Angebot als auch die Annahmeerklärung von der Eurex Clearing AG für den abgegeben werden, den es angeht. Daß die Voraussetzungen des Geschäfts für den, den es angeht, im Effektengiroverkehr vorliegen, wurde bereits ausgeführt. Hinsichtlich der Übergabe an den erwerbenden Anleger bestehen keine nennenswerten Besonderheiten: Sie setzt die Umbuchung des Saldos durch die Clearstream Bank­ing AG und die Weiterverbuchung der Werte durch das belieferte Clearing-Mitglied voraus. bb)  Eigentumsübertragung ohne Einschaltung der Eurex Clearing AG Auf der Ebene der Clearing-Mitglieder müssen grundsätzlich in vollem Umfang der An- und Verkäufe Buchungen auf den Konten der betreffenden Kunden vorgenommen werden. Soweit es um die Anteile geht, die nicht durch die Clearstream Banking AG geliefert werden und daher durch interne Umbuchungen bereitgestellt werden müssen, ist der zentrale Kontrahent nicht in die dingliche Einigung gebunden. Die Übertragung von Girosammelanteilen zwischen Kunden desselben Clearing-Mitglieds muß vielmehr in Anlehnung an die Grundsätze beim Kompensationsgeschäft konstruiert werden. Danach kommt die dingliche Einigung in Form eines Insichgeschäfts zustande: Das Clearing-Mitglied ist aufgrund des Verkaufsauftrags des Kunden als ermächtigt anzusehen, ein Übereignungsangebot an den Erwerber abzugeben, welches es sodann in konkludenter Befreiung vom Verbot des §  181 BGB als Stellvertreter des Erwerbers annimmt489. Die Übergabe wird dadurch bewerkstelligt, daß das Clearing-Mitglied in entsprechendem Umfang seinen Besitzmittlungswillen vom Veräußerer auf den Erwerber umstellt. Daß sich die Besitzumstellung durch das 489  Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.177; Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  431; Wust, Verbuchung, S.  151.

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Clearing-Mitglied somit auch auf Bestände bezieht, an denen es schon zuvor erststufigen mittelbaren Besitz hatte, während die Clearstream Banking AG ihren Besitzmittlungswillen nur im Umfang des Spitzenausgleichs von der Veräußerer- auf die Erwerberseite umstellt, ist sachenrechtlich unproblematisch. Denn eine Mitwirkung des Besitzmittlers erster Stufe an der Änderung des Besitzmittlungswillens auf der zweiten Stufe ist nicht erforderlich. Der Besitzmittler erster Stufe muß irgendwelche Einzelheiten der Besitzmittlung auf der zweiten Stufe nicht in seinen eigenen Willen aufnehmen; er braucht diese nicht einmal zu kennen490.

4.  Gutgläubiger Erwerb Da das auf den Spitzenausgleich beschränkte Übereignungsangebot von der Eurex Clearing AG nicht nur abgegeben, sondern auch als Stellvertreterin der Empfängerbank angenommen wird, kommt es im Rahmen der §§  932 BGB, 366 HGB auf ihre Gutgläubigkeit an (§  166 Abs.  1 BGB)491. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Übergabe der Girosammelanteile, also die Umbuchung des Saldos durch die Clearstream Bank­ ing AG. Daß die Übereignung unter einer aufschiebenden Bedingung – der Zustellung der Ist-Lieferliste – steht, ändert daran nichts492 . Hinsichtlich des Rechtsscheintatbestandes kann im CCP-Modell nicht unmittelbar auf das Guthaben der lieferpflichtigen Bank bei der Clearstream Banking AG abgestellt werden, weil die Eurex Clearing AG in das Konto der lieferpflichtigen Bank keinen Einblick hat. In Anlehnung an den Gedanken der Besitzverschaffungsmacht kann man allerdings die Zwischenbuchung auf dem Konto der Eurex Clearing AG als Rechtsscheinträger heranziehen. Denn diese Zwischenbuchung rechtfertigt das Vertrauen, daß auf dem Clear­ stream-Konto der lieferpflichtigen Bank ein ausreichendes Guthaben vorhanden war und daß über dieses Guthaben verfügt werden darf. Damit ist die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs grundsätzlich auch bei Transaktionen unter Einschaltung der Eurex Clearing AG eröffnet493. Nun kommt es auf diese Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nur an, soweit das Netting aus Sicht derjenigen Bank, die unberechtigt über Bestände eines Kunden verfügt, hinsichtlich der betreffenden Gattung einen negativen Saldo ergeben hat. Denn nur in diesem Fall kommt es ja zu einer Abbuchung auf ihrem Clear­streamKonto. Hat das Netting aus Sicht der unberechtigt veräußernden Bank einen ausgeglichenen oder positiven Saldo ergeben, stellt sich die Frage des gutgläubigen Er490 

Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  18 f. Jens H. Kunz, Rechtsprobleme, S.  4 40 ff.; Reitz, Börsengeschäfte, S.  236; Wust, Verbuchung, S.  158; im Ergebnis ebenso Scherer/Rögner, DepotG, §  5 Rn.  75 und Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, S.  19, die freilich §  166 BGB analog anwenden wollen. 492  Vgl. allgemein MünchKommBGB/Oechsler, §  932 Rn.  37. 493 Überzeugend Wust, Verbuchung, S.  158; a. A. Reitz, Börsengeschäfte, S.  236 ff., der aber zu kurz greift, wenn er entscheidend auf den mangelnden Einblick der Eurex Clearing AG in das CBf-Konto der lieferpflichtigen Bank abstellt. 491 

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werbs in anderer Form494 . Denn in diesem Fall bleibt die Bank mittelbare Besitzerin des unberechtigt veräußerten Girosammelanteils. Die verrechneten Kaufaufträge ihrer Kunden muß sie durch hausinterne Umbuchungen erfüllen. Das bedeutet, daß die anderen Clearing-Mitglieder und deren Kunden auf die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nicht angewiesen sind. Denn sie erhalten die ihnen zustehenden Anteile ja nicht aus dem Bestand der unberechtigt veräußernden Bank, sondern durch ordnungsgemäße Umbuchungen im Rahmen des Spitzenausgleichs oder der hausinternen Abwicklung. Anders liegt es hinsichtlich der Kunden, die ihr Konto ebenfalls bei der unberechtigt veräußernden Bank unterhalten und diese mit Kauf von Wertpapieren der betreffenden Gattung beauftragt haben. Da die Bank ihre Verschaffungsansprüche durch hausinterne Übertragungen zu erfüllen hat, stellt sich das Problem des gutgläubigen Erwerbs für sie – zumindest theoretisch – sehr wohl. Es wurde bereits dargelegt, daß die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs grundsätzlich auch bei Übertragungen zwischen Kunden derselben Bank gegeben ist. Die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs werden aber häufig nicht erfüllt sein, weil die als Vertreterin der Kunden agierende Bank bösgläubig ist oder es an einem geeigneten Rechtsscheinträger fehlt495.

5. Bewertung Auf der Grundlage der vorstehenden Analyse könnte man zu dem Schluß gelangen, daß sich die bisherige sachenrechtliche Konstruktion des Effektengiroverkehrs mit gewissen Modifikationen, aber im Kern unverändert auf die Übertragung von Girosammelanteilen unter Einbeziehung der Eurex Clearing AG übertragen läßt und daß in diesem Modell insbesondere an dem Grundsatz eines direkten Anteilsübergangs vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger festgehalten werden kann496. Wie gesehen, muß man dazu aber scharf zwischen Eigentumsübertragungen unter Mitwirkung der Eurex Clearing AG (hinsichtlich der Spitzen) und Eigentumsübertragungen zwischen Kunden ein und derselben Depotbank unterscheiden (hinsichtlich der Anteile, die nicht durch die Clearstream Banking AG geliefert werden und durch hausinterne Umbuchungen bereitgestellt werden müssen). Juristisch läßt sich eine solche Unterscheidung mit einigem Begründungsaufwand konstruieren, praktisch läuft sie auf eine Fiktion hinaus. Zwar können die Clearing-Mitglieder dem ihnen nach Abschluß des Abwicklungsablaufs (T+2) übersandten Ist-Lieferreport entnehmen, welche einzelnen Geschäfte zur Abwicklung gelangt sind. Auch auf der Ebene der Clear­ing-Mitglieder läßt sich im Normalfall genau nachvollziehen, welche Kaufund Verkaufsaufträge sich hinter den einzelnen Buchungen verbergen. Und man kann auch sagen, daß bei regulärem Verlauf der Abwicklung am Ende des betreffen494 

Siehe zum folgenden Wust, Verbuchung, S.  159 f. Siehe nochmals Wust, Verbuchung, S.  155 f., 159 sowie oben V 5. 496 So Horn, WM-Sonderbeilage 2/2002, 17 ff.; Wust, Verbuchung, S.  148 ff.; Will, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.203; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.166 ff. 495 

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den Zyklus alle beteiligten Clearing-Mitglieder und Anleger genau so viele Miteigentumsanteile verloren bzw. erhalten haben, wie sie verlieren bzw. erhalten sollten. Aus welchem Bestand die einem Depotkonto gutgeschriebenen Girosammelanteile stammen, läßt sich objektiv aber gar nicht feststellen. Das gilt im Grunde schon für den Effektengiroverkehr in seiner hergebrachten Variante, erst recht aber für das Modell des zen­tralen Kontrahenten. Aufgrund des Netting ist es nicht möglich, die einzelnen Belastungsbuchungen und Gutschriften auf den Konten der Clearing-Mitglieder und Anleger in dinglicher Hinsicht einander zuzuordnen497. Ein „Tracing“, eine genaue Rückverfolgung einer Gutschrift hin zu einer korrespondierenden Belastungsbuchung, ist aus praktischen Gründen ausgeschlossen. Die Annahme, im Effektengiroverkehr werde im Sinne von §  929 Satz  1 BGB ein bestimmter Miteigentumsanteil von einem bestimmten Eigentümer auf einen bestimmten Erwerber übertragen, kommt unter diesen Umständen einem „juristischen Blindflug“ gleich. Diese Feststellung hat auch Auswirkungen auf den gutgläubigen Erwerb. Nach Wusts Einschätzung geht mit der Einführung eines zentralen Kontrahenten rechtskonstruktiv eine Verringerung des Verkehrsschutzes einher. Er begründet dies mit der Konzentration des Verkehrsschutzes bei denjenigen Erwerbern, die ebenfalls über die unberechtigt veräußernde Depotbank am Effektengiroverkehr teilnehmen. In diesem Zusammenhang könne die Institution des gutgläubigen Erwerbs nur sehr eingeschränkt Verkehrsschutz gewährleisten, da ihre Voraussetzungen in den meisten nach dem alten System erfaßten Fällen nicht erfüllt seien498. Aus theoretischer Sicht mag diese Einschätzung richtig sein. Aus praktischer Sicht spielt sie keine Rolle, da sich objektiv nicht feststellen läßt, wer von wem erworben hat. Abgesehen davon ist es mehr als fragwürdig, wenn das Niveau des Verkehrsschutzes de lege lata vom Zufall abhängt, nämlich davon, wie viele Kunden der nichtberechtigt veräußernden Depotbank gleichzeitig Wertpapiere kaufen bzw. verkaufen und ob das Netting aus Sicht dieser Depotbank einen positiven, ausgeglichenen oder negativen Saldo ergibt499.

VII.  Verpfändung von Girosammelanteilen 1. Einführung Ebenso wie die Übertragung richtet sich auch die Verpfändung von Girosammelanteilen nach den Vorschriften über bewegliche Sachen, d. h. den §§  1204 ff. BGB500. Daß ein Miteigentumsanteil Gegenstand eines Pfandrechts sein kann, wird in §  1258 497 In diesem Sinne auch Lehmann, Finanzinstrumente, S.   430; Micheler, Wertpapierrecht, S.  195; Wust, Verbuchung, S.  158. 498  Wust, Verbuchung, S.  160. 499 Zutreffend Wust, Verbuchung, S.  161. 500  So im Grundsatz übereinstimmend die h. M., siehe BGHZ 207, 23 Rn.  26; Canaris, Bankver-

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BGB vorausgesetzt und folgt bereits daraus, daß es sich auch beim Miteigentum um Eigentum im Rechtssinne handelt, über das, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, nach allgemeinen Regeln verfügt werden kann501. Ein Pfandrecht an einem Miteigentumsanteil wird vom Gesetz als Sach- und nicht als Rechtspfand, ein Pfandrecht an einem Girosammelanteil dementsprechend als Pfandrecht an den Urkunden des Sammelbestandes behandelt502 . Für die Verpfändung von Inhaberpapieren ist die Anwendung der §§  1204 ff. BGB in §  1293 BGB ausdrücklich klargestellt. Orderpapiere wie z. B. Namensaktien können entweder nach den Vorschriften über die Verpfändung von Rechten (§§  1273 ff. BGB) oder gemäß §  1292 BGB durch Einigung und Übergabe des mit einem offenen oder verdeckten Pfandindossament versehenen Papiers verpfändet werden503. Da Orderpapiere nur dann in die Girosammelverwahrung einbezogen werden können, wenn sie blankoindossiert sind, werden sie genauso verpfändet wie Inhaberpapiere504 . Erforderlich ist also auch hier – neben der Einigung –, daß der Gläubiger nach Maßgabe der §§  1205 ff. BGB Besitz an den Papieren erlangt. Ob sich der Sammelbestand aus einzelverbriefenden Wertpapieren zusammensetzt oder bei der Clearstream Banking AG lediglich eine Globalurkunde hinterlegt ist, ist für die Praxis unerheblich505 und macht, wie noch zu zeigen ist, auch aus rechtlicher Sicht keinen Unterschied. Wer sich noch einmal die zahlreichen Kontroversen rund um die Besitzverhältnisse und die Anwendbarkeit der §§  929 ff. BGB im Effektengiroverkehr in Erinnerung ruft, wird nicht überrascht sein, daß auch die Möglichkeit der Verpfändung von Girosammelanteilen nach sachenrechtlichen Regeln schon im Grundsatz umstritten ist. Die Anwendbarkeit der §§  1204 ff. BGB wird konsequenterweise vor allem von denjenigen in Abrede gestellt, die einen mittelbaren Besitz des Anlegers am Sammelbestand verneinen und ihm damit auch die Fähigkeit absprechen, einem Pfandgläubiger in irgendeiner Form Besitz daran zu verschaffen. So bleibt nach Einseles Auffassung einem Depotkunden nichts anderes übrig, anstelle seines Miteigentumsanteils seinen Auslieferungsanspruch gegen die Depotbank aus §  7 Abs.  1 DepotG zu verpfänden (§§  1274 Abs.  1, 1280 BGB)506. Daß dieser Ausweg allerdings versperrt ist, wenn die Werte in einer Dauerglobalurkunde verbrieft sind, problematisiert sie nicht507. Nach anderer Ansicht kommt in diesem Fall allein die Verpfändung des tragsrecht, Rn.  2032; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §  365 Rn.  330; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/71; Wust, Verbuchung, S.  162 ff.; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1549 ff. 501  Vgl. statt vieler MünchKomm-BGB/Karsten Schmidt, §  1008 Rn.  1. 502 Soergel/Habersack, BGB, 13.  Aufl. 2001, §  1258 Rn.  1; siehe ferner Gursky, JZ 1997, 1154, 1163, der meint, der Miteigentumsanteil würde „im Wege der Fiktion wie eine individualisierbare Anzahl konkreter Wertpapiere behandelt“. 503  Siehe statt vieler Palandt/Wicke, BGB, §  1292 Rn.  2–5. 504  Wust, Verbuchung, S.  162 f.; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1551. 505  Wust, Verbuchung, S.  163. 506 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  127; dies., Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  127 ff. 507 Kritisch denn auch Lehmann, Finanzinstrumente, S.   443; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1684; Nodoushani, WM 2007, 289, 296.

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verbrieften Rechts gemäß §§  1273 ff. BGB in Betracht, bei Aktien also die Verpfändung der Mitgliedschaft. Eine auf die Verpfändung des Bruchteilseigentums gerichtete Einigung sei entsprechend umzudeuten508. Wozu diese Kontroverse führt, zeigt die Empfehlung an die Praxis, das Pfandrecht vorsorglich auf alle drei Bezugsobjekte zu erstrecken509. Die aus dieser Empfehlung sprechende Rechtsunsicherheit gibt zu denken, weil die Verpfändung sammelverwahrter Wertpapiere in der Praxis über das AGB-Pfandrecht der Banken (Nr.  14 AGB-Banken) hinaus eine erhebliche Rolle spielt. Von großer Bedeutung ist sie zum Beispiel im Lombardkreditgeschäft der Banken510. In Art.  18.1. 2. Spiegelstrich der ESZB-Satzung ist vorgesehen, daß Kreditinstitute und andere Marktteilnehmer, die bei der EZB oder einer nationalen Zentralbank des Eurosy­ stems unter Inanspruchnahme der sog. Spitzenrefinanzierungsfazilität511 Kredit aufnehmen, ausreichende Sicherheiten zu stellen haben. Für notenbankfähige Sicherheiten im Eurosystem gilt seit dem 1. Juli 2007 ein einheitlicher Rahmen („einheitliches Sicherheitenverzeichnis“), der marktfähige und nicht marktfähige Sicherheiten umfaßt. Marktfähige Sicherheiten müssen bei einem im Europäischen Wirtschaftsraum beheimateten Zentralverwahrer hinterlegt und im Effektengiroverkehr übertragbar sein512 . Bei der Eurex Clearing AG bildet die Verpflichtung der Clearing-Mitglieder, börsentäglich zur Abdeckung des für jedes Clearing-Mitglied ermittelten Gesamtrisikos (margin) Sicherheiten in Geld oder Wertpapieren zu stellen, eine zentrale Stütze des von ihr betriebenen Sicherungssystems513. Auch im Rahmen von M&A-Transaktionen ist die Verpfändung sammelverwahrter Wertpapiere von Bedeutung514 . Besonderes Aufsehen erregte die Verpfändung eines 40%-Anteils an der Axel Springer AG durch eine zum Konzern des Medienunternehmers Leo Kirch gehörende Gesellschaft an die Deutsche Bank AG515.

508  Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1684; siehe ferner Soergel/Habersack, §  1293 Rn.  5; Apfel­ baum, Verpfändung, S.  87 f.; Stupp, DB 2006, 655, 658. Selbst zu dieser Möglichkeit kritisch Beck­ mann, Reformbedarf, S.  96 ff. 509  Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  188; in die gleiche Richtung Nodous­ hani, WM 2007, 289, 296. 510  Bintz, Sicherheiten, S.  33 f.; Wittig, in: Festschrift für Kümpel, S.  587; Nodoushani, WM 2007, 289. 511  Diese hat den früheren Lombardkredit der Zentralbanken abgelöst. 512  Zu den Einzelheiten Löber, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  5.382 ff. 513  Siehe dazu an dieser Stelle nur Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  24 f. 514  Apfelbaum, Verpfändung, S.  19; Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  187. 515  Die Deutsche Bank AG hatte am 20. Mai 1998 mit der später als PrintBeteiligungs GmbH firmierenden Gesellschaft einen Darlehensvertrag über 1,4 Milliarden DM geschlossen und sich zur Sicherheit die Anteile an der Axel Springer AG verpfänden lassen. Nachdem die Kirch-Gruppe im Juni 2002 zusammengebrochen war, verwertete die Deutsche Bank AG das Pfandrecht in der Weise, daß sie das Aktienpaket zu dem im freihändigen Verkauf festgesetzten Mindestgebot von rund 667,3 Millionen € erwarb. Dadurch konnte sie sich im Hinblick auf den damals noch offenen Kreditbetrag von etwa 718 Millionen € weitgehend schadlos halten. Siehe Apfelbaum, Verpfändung, S.  21 sowie die Angaben in BGHZ 166, 84 – Kirch gegen Deutsche Bank/Breuer.

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Wertpapiere des Kapitalmarkts eignen sich deshalb besonders gut als Pfand, weil sie vergleichsweise leicht verwertet werden können und weil bei der Bestellung des Pfandrechts − anders als z. B. bei der Verpfändung von GmbH-Anteilen − keine Formvorschriften zu beachten sind516. Bei Aktien hat die Verpfändung gegenüber der Sicherungsübereignung für den Pfandgeber den Vorteil, daß er Inhaber der in der Urkunde verkörperten Mitgliedschaft bleibt. Ihm stehen auch weiterhin alle Rechte eines Aktionärs zu, insbesondere das Stimmrecht und der Anspruch auf den Bilanzgewinn. Dem entspricht es, daß die Verpfändung von Namensaktien ohne Änderungen im Aktienregister der Gesellschaft vonstatten geht517. Im Depotgesetz spiegelt sich die praktische Bedeutung der Verpfändung von Girosammelanteilen in zwei Vorschriften wider: §  12 DepotG räumt der Depotbank die Möglichkeit ein, Depotwerte eines Kunden an einen anderen Verwahrer zu verpfänden. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, der Bank die Refinanzierung eines dem Kunden gewährten Kredits zu erleichtern. Die Verpfändung setzt eine ausdrückliche Ermächtigung des Kunden voraus, die nach §  12 Abs.  2 bis 4 DepotG in unterschiedlichem Umfang erteilt werden und somit für den Kunden in unterschiedlichem Maße risikobehaftet sein kann518. Die Regelung entspricht der auch international geteilten Überzeugung, daß ein Recht des Verwahrers, über Depotwerte eines Kunden im eigenen Namen und zu eigenen Zwecken zu verfügen, grundsätzlich sinnvoll ist, aber zum Schutz des Kunden von seiner ausdrücklichen Einwilligung abhängig gemacht werden sollte519. Als Ergänzung regelt §  12a DepotG die Verpfändung von Kundenwerten als Sicherheit für eigene Verbindlichkeiten des Verwahrers aus Börsengeschäften. Durch diese im Zuge des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes in das Depotgesetz eingefügte Bestimmung sollen auch kleinere und mittlere Institute, die nicht über umfangreiche Eigenbestände verfügen, in die Lage versetzt werden, im Rahmen der Ausführung von Kundenaufträgen ausreichende Sicherheiten bei einer Börse, deren Träger oder einer Abwicklungsstelle wie der Eurex Clearing AG zu hinterlegen520. Ihre Notwendigkeit ergab sich aus der begrenzten Reichweite des §  12 DepotG, der ausschließlich die Verpfändung von Kundenwerten an einen Verwahrer zwecks Besicherung eines Rückkredits erlaubt521. Auch im Rahmen des §  12a DepotG setzt die Verpfändung eine ausdrückliche Ermächtigung des Kunden voraus. Davon abgesehen ist die Verpfändung dem Verwahrer nur gestattet, sofern aus einem 516 

Wust, Verbuchung, S.  161. Nodoushani, WM 2007, 289, 290 f. 518  Das Gesetz unterscheidet zwischen der regelmäßigen Verpfändungsermächtigung, der beschränkten Verpfändungsermächtigung und der unbeschränkten Verpfändungsermächtigung; zu den Einzelheiten MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  24-30. 519 Siehe CESR/ECB, Recommendations for Securities Settlement Systems and Recommendations for Central Counterparties in the European Union, Explanatory memorandum zu Rec. 12, Anm.  6 und ferner die Begr. zu §  12 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  193 ff., derzufolge an der Notwendigkeit einer Verpfändungsbefugnis des Verwahrers „kein Zweifel bestehen“ kann. 520  Zu den Motiven im einzelnen siehe die RegBegr. in BT-Drucks. 12/6679, S.  87 f. 521 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  29. 517 

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inhaltsgleichen Geschäft des Kunden mit dem Verwahrer Verbindlichkeiten des Kunden bestehen.

2.  Bestellung eines Pfandrechts Geht man nun der Frage nach, ob die §§  1204 ff. BGB eine rechtssichere Verpfändung von Girosammelanteilen ermöglichen, so ist zwischen der Verpfändung an einen Dritten und der Verpfändung an den kontoführenden Verwahrer zu unterscheiden. a)  Verpfändung an einen Dritten Für die Verpfändung von Girosammelanteilen an einen Dritten kommen theoretisch drei Möglichkeiten in Betracht: §  1205 Abs.  1 Satz  1, §  1205 Abs.  2 und §  1206 BGB. aa)  §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB Eine Verpfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB setzt die Übergabe der Pfandsache an den Gläubiger voraus. Der Verpfänder muß den Besitz an der Sache willentlich und erkennbar aufgeben und der Gläubiger ihn in gleicher Weise erlangen522 . Ist der Verpfänder mittelbarer Besitzer, so genügt es für die Übergabe, wenn er den unmittelbaren Besitzer anweist, mit dem Gläubiger ein neues Besitzmittlungsverhältnis zu begründen, und der unmittelbare Besitzer dieser Anweisung nachkommt. Um eine Verpfändung nach §  1205 Abs.  2 BGB handelt es sich dabei nicht, weil der mittelbare Besitz des Verpfänders nicht im technischen Sinne auf den Pfandgläubiger übertragen, sondern aufgegeben wird und für den Erwerber neuer mittelbarer Besitz begründet wird523. Kommen die für den Begriff der Übergabe in §  929 Satz  1 BGB entwickelten Grundsätze somit auch im Rahmen des §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB zur Anwendung, so kann auch bei der Verpfändung von Girosammelanteilen die Übergabe durch Umstellung des Besitzvermittlungsverhältnisses, d. h. dadurch vollzogen werden, daß die Anteile vom Konto des Verpfänders auf ein Konto des Pfandgläubigers umgebucht werden524. Unterhalten der Verpfänder und der Pfandgläubiger ihre Konten bei demselben Verwahrer, hat es mit einer hausinternen Umbuchung sein Bewenden. Unterhält der Pfandgläubiger sein Konto bei einer anderen Depotbank, bedarf es zur Übergabe der Einschaltung aller übergeordneten Verwahrer einschließlich der Wertpapiersammelbank 525. 522 Soergel/Habersack,

BGB, §  1205 Rn.  16 m. w. N. ganz h. M., siehe Soergel/Habersack, BGB, §  1205 Rn.  25; Staudinger/Wiegand (2009), §  1205 Rn.  24; Apfelbaum, Verpfändung, S.  59 f.; Nodoushani, WM 2007, 289, 294. 524  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2033; Schlegelbeger/Hefermehl, Anh. §  4 06 Rn.  330; Hein­ sius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  96; Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  33 (S.  172 f.); Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  118; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  415; Wust, Verbuchung, S.  163; a. A. Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  172 f., der darin eine Umgehung von §  1205 Abs.  2 BGB sieht. 525  Wust, Verbuchung, S.  163 f. 523  Inzwischen

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Ein Verstoß gegen das sachenrechtliche Publizitätsprinzip liegt in dieser Form der Verpfändung nicht. Zwar sind die Anforderungen an die Publizität des Bestellungsakts bei der Verpfändung gegenüber den §§  929 ff. BGB verschärft. Der Grund dafür liegt im Sicherungszweck des Pfandrechts. Er erfordert, daß dem Verpfänder die Verfügungsgewalt über die Sache in einer Weise entzogen wird, daß interessierte Dritte, insbesondere weitere Kreditgeber, erkennen können, daß die Sache dem Kreditgeber nicht mehr als Sicherheit dienen kann. Dem entspricht es, daß das BGB eine Verpfändung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts nicht anerkennt526. Dem so verstandenen Publizitätsprinzip wird aber auch bei der Verpfändung von Girosammelanteilen mittels Umbuchung auf ein Konto des Gläubigers Genüge getan. Denn mit der Umbuchung werden die Werte der Verfügungsgewalt des Verpfänders entzogen. Eine Täuschung Dritter durch eine unsichtbare Aushöhlung der Kreditunterlage ist ausgeschlossen. Daß es sich bei der Verpfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB um einen bankinternen Vorgang handelt, der „nach außen nicht sichtbar“ wird, ist unschädlich, weil ein Gläubiger sich anhand eines aktuellen Depotauszugs des Schuldners Gewißheit darüber verschaffen kann, welche Wertpapiere ihm (noch) als Sicherheit zur Verfügung stehen527. Im Hinblick auf das Publizitätsprinzip ist daher die Umbuchung der Anteile der körperlichen Übergabe der Wertpapiere gleichzuachten. Nicht nur bei der Übertragung, sondern auch bei der Verpfändung von Girosammelanteilen wird die Besitzverschaffung funktionell durch die Umbuchung ersetzt528. Und ebenso wie bei der Übertragung hat die Gutschrift auf dem Konto des Erwerbers auch bei der Verpfändung konstitutive Wirkung in dem Sinne, daß sich die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses durch die Gutschrift selbst vollzieht, nicht unabhängig von und zeitlich vor ihr. In Konflikt mit dem Publizitätsprinzip geriete man nur, wenn man eine Pfandrechtsbestellung durch bloße Einigung und damit ein besitzloses Pfandrecht zuließe529. Zu einer solchen Notlösung braucht man aber selbst dann nicht zu greifen, wenn nur eine Dauerglobalurkunde existiert und dem Verpfänder deshalb kein Anspruch auf Auslieferung einzelner Urkunden zusteht, der nach allgemeinem sachenrechtlichen Verständnis zur Begründung mittelbaren Besitzes geeignet wäre. Denn auch bei Fehlen eines Auslieferungsanspruchs vermag der Verpfänder dem Gläubiger den Besitz an der Urkunde dadurch zu verschaffen, daß er seine Bank zur Umbuchung der Anteile veranlaßt und damit eben jenen Anspruch aus

526 Staudinger/Wiegand (2009), §  1205 Rn.  10; Soergel/Habersack, BGB, §  1205 Rn.  2; Baur/Stür­ ner, Sachenrecht, §  55 Rn.  16. 527  Nicht überzeugend daher Lehmann, Finanzinstrumente, S.  438 ff., der auch im Hinblick auf die §§  1205 ff. BGB von einem überzogenen Verständnis des Publizitätsgrundsatzes ausgeht. 528  Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  32 (S.  172); Christoph Brunner, Wertrechte, S.  241; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  415. 529  Insoweit zutreffend Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  127; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1684.

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dem Depotvertrag geltend macht, der nach hier vertretener Auffassung als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs qualifiziert werden kann530. In der Praxis ist die Umbuchung der Girosammelanteile vom Depot des Verpfänders in ein Depot des Pfandgläubigers allerdings die Ausnahme. Denn in der Regel soll der Verpfänder auch weiterhin die Erträge aus dem verpfändeten Guthaben ziehen und alle damit verbundenen Rechte ausüben können. Bei Aktien z. B. soll er die Dividenden erhalten sowie stimm- und bezugsberechtigt sein. Auch buchungstechnisch muß daher der Anschein einer Sicherungsübereignung vermieden und dafür gesorgt werden, daß der Verpfänder gegenüber dem Emittenten weiterhin als Rechts­ inhaber gilt531. In der Regel geht eine Verpfändung zugunsten eines Dritten daher so vonstatten, daß die Wertpapiere im Depot des Schuldners bleiben und auf eine Weise als verpfändet gekennzeichnet werden, daß der Verpfänder nicht mehr ohne Zustimmung des Dritten über die Wertpapiere verfügen kann. Dementsprechend kann die Verpfändung eines gesamten Depots dadurch vollzogen werden, daß das Depot vom Kreditinstitut durch Anbringung eines entsprechenden Vermerks gesperrt und die Verpfändung gegenüber dem Gläubiger bestätigt wird. Dieses Verfahren des ear­ marking entspricht der Einrichtung eines Sperrdepots, wobei allerdings durch die Sperre nicht bloß die Verfügungsbefugnis des Depotinhabers zugunsten des Gläubigers eingeschränkt wird, sondern der Gläubiger auch ein beschränktes dingliches Recht an den Depotwerten erwirbt532 . Bei der Teilverpfändung eines Depots werden die verpfändeten Titel üblicherweise auf ein Unterkonto des Verpfänders übertragen und anschließend gesperrt533. Diese Techniken sind nicht bloß weniger aufwendig als eine Umbuchung, sondern spiegeln auch genauer wider, daß der Verpfänder Rechts­inhaber bleibt, sein Recht aber mit einem beschränkten dinglichen Recht belastet ist534. Das Verfahren der Übertragung auf ein Unterkonto wird z. B. bei Verpfändungen mithilfe des von der Clearstream Banking AG betriebenen Systems „Xemac“ praktiziert. Dabei handelt es sich um einen speziellen Service zur Verwaltung von Wertpapiersicherheiten. Einem Kunden, der diesen Service in Anspruch nimmt, richtet die Clearstream Banking AG auf der CASCADE-Plattform ein Unterkonto ein („Zentraler Sicherheitenpool – Unterkonto 550“), auf dem der Kunde seine Wertpapierbestände je nach Bedarf bündeln und als Sicherheiten heranziehen kann. Über „Xemac“ 530  Siehe dazu oben IV 2 d); ferner Christian Berger, WM 2009, 577, 582; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550. Nicht überzeugend Hennrich, Aktienverpfändung, S.  129 f., der sich im Hinblick auf die Dauerglobalurkunde gezwungen sieht, im Wege der Rechtsfortbildung eine Pfandrechtsbestellung durch schlichte Einigung zuzulassen. 531  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  4 20; Nodoushani, WM 2007, 289, 295. 532 Das Schrifttum unterscheidet denn auch zwischen Sperrdepots und Pfanddepots, siehe Hennrich, Aktienverpfändung, S.  68 ff.; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/206a; Nodoushani, WM 2007, 289, 296. 533  Eine in der Praxis weniger gebräuchliche Alternative besteht darin, daß der Verpfänder bei der Bank des Pfandnehmers ein Konto einrichtet, um es anschließend zu verpfänden. Siehe Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  102 m. Fn.  294. 534  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  241.

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können z. B. Termingeschäfte an der Eurex und Kreditgeschäfte mit der Europäischen Zentralbank oder der Deutschen Bundesbank abgesichert werden535. Von welchen Voraussetzungen diese Institute die Wirksamkeit von Verpfändungen über „Xemac“ abhängig zu machen pflegen, zeigen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank. Danach erwirbt die Bundesbank ein Pfandrecht an den betreffenden Wertpapieren, wenn (1) die Clearstream Banking AG der Weisung des verpfändenden Kreditinstituts nachgekommen ist, die Wertpapiere zukünftig ausschließlich für die Bundesbank zu besitzen, (2) die Clearstream Banking AG die Wertpapiere dergestalt ausgesondert hat, daß ihre Verpfändung zugunsten der Bundesbank im Depotsystem eindeutig gekennzeichnet und sichergestellt ist, daß das verpfändende Kreditinstitut auf sie ohne Zustimmung der Bundesbank nicht mehr einwirken kann, und (3) die Clearstream Banking AG der Bundesbank den Beleihungswert der Wertpapiere mitgeteilt hat536. Ob den Anforderungen an eine Übergabe i. S. von §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB auch in diesen Fällen Genüge getan ist, erscheint auf den ersten Blick zweifelhaft. Denn die Wertpapiere werden ja lediglich als verpfändet gekennzeichnet, bleiben aber im Depot des Verpfänders und damit in gewisser Weise in seinem Herrschaftsbereich. Die Situation scheint damit derjenigen bei der Anbringung eines Pfandzeichens an einer beweglichen Sache zu entsprechen, die anerkanntermaßen nicht zur Begründung eines Pfandrechts genügt, weil es an der Herstellung tatsächlicher, die Einwirkung des Verpfänders ausschließender Sachherrschaft fehlt537. Der Zweck eines Sperrvermerks bzw. der Übertragung auf ein Unterkonto besteht aber gerade darin, Verfügungen des Kontoinhabers über das Pfandgut zum Nachteil des Pfandgläubigers auszuschließen. Daß der depotführende Verwahrer, sei es aus Versehen oder im kollusiven Zusammenwirken mit dem Verpfänder, sich über die von ihm eingerichtete Sperre hinwegsetzt und auf Weisung des Verpfänders die Wertpapiere ausbucht, vermag der Gläubiger zwar nicht zu verhindern, ist aber höchst unwahrscheinlich. Das gilt vor allem in den Fällen, in denen der Verwahrer als dritte Partei in die Verpfändungsvereinbarung einbezogen ist538. Die Situation entspricht damit eher derjenigen bei der Verpfändung beweglicher Sachen, die sich in einem von einem Dritten angemieteten Raum befinden. Hier ist den Anforderungen an eine Übergabe jedenfalls dann Genüge getan, wenn dem Gläubiger vom Verpfänder sämtliche Schlüssel zu diesem Raum ausgehändigt werden. Es genügt aber auch, wenn der Verpfänder die Schlüssel an den Vermieter zurückgibt mit der Maßgabe, bezüglich der Pfandsachen ausschließlich den Weisungen des Gläubigers zu folgen. Denn auch in 535 

536 

Die Einzelheiten werden beschrieben im CBF-Kundenhandbuch, S.  7-12 ff. Abschnitt V Nr.  8 Abs.  2 AGB-Bundesbank, Bankrechtliche Regelungen 5 (Stand: 6. Februar

2017). 537 MünchKomm-BGB/Damrau, §  1205 Rn.  10; Staudinger/Wiegand (2009), §  1205 Rn.  15 unter Hinweis auf RGZ 77, 201, 208 f. 538 Siehe Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.   18.33, wonach der Abschluß einer dreiseitigen Verpfändungsvereinbarung, in der alle mit der Verpfändung zusammenhängenden Fragen geregelt werden, offenbar gängige Praxis ist.

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diesem Fall kann sich der Verpfänder nicht mehr eigenmächtig Zutritt verschaffen und sind die Pfandsachen vollständig in den Herrschaftsbereich des Gläubigers übergegangen539. Diese Überlegungen sprechen dafür, auch in den Sperrvermerks- bzw. Unterkontofällen von einer Übergabe i. S. von §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB auszugehen540. Ein Verstoß gegen das sachenrechtliche Publizitätsprinzip liegt auch hier nicht vor, weil interessierte Kreise – und nur um diese geht es, nicht um „die Öffentlichkeit“ – in der Regel aus dem Depotauszug erkennen können, welche Werte verpfändet sind und welche nicht. Schon wegen des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes ist buchungstechnisch auf eine genaue Kennzeichnung der verpfändeten Titel zu achten. Wird der Depotbestand bis zu einer bestimmten Wertquote verpfändet – wogegen keine grundsätzlichen Bedenken bestehen –, ist auch insoweit ein klarer Hinweis erforderlich541. Demgegenüber geht das Schrifttum in den hier interessierenden Fällen fast allgemein von der Einschlägigkeit des §  1205 Abs.  2 BGB aus542 . Es scheint diesen Modus auch deshalb für passender als den nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB zu halten, weil er nicht die Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen dem Verwahrer und dem Pfandgläubiger voraussetzt543. In der Tat zeichnet sich die Übergabe nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB gerade dadurch aus, daß der Gläubiger den mittelbaren Besitz an den Wertpapieren nur und erst dann erwirbt, wenn zwischen ihm und dem Verwahrer ein Rechtsverhältnis besteht oder zustandekommt, vermöge dessen der Verwahrer gegenüber dem Gläubiger „auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist“ (vgl. §  868 BGB). Der Depotvertrag zwischen dem Verpfänder und seinem Verwahrer scheidet als Grundlage der Besitzmittlung aus, denn an diesem Vertrag ist der Gläubiger nicht beteiligt. Ein Rechtsverhältnis der von §  868 BGB geforderten Art liegt aber jedenfalls in den Fällen vor, in denen der Verwahrer in die Verpfändungsvereinbarung einbezogen wird und damit auch gegenüber dem Gläubiger die Verpflichtung übernimmt, den gesperrten Wertpapierbestand für ihn und nicht länger für den Verpfänder zu halten. Dem steht es gleich, wenn die Verpfändung über ein vom Verwahrer betriebenes Sicherheitenverwaltungssystem vorgenommen wird, an das die Parteien als Nutzer angeschlossen sind. Denn auch in diesem Fall besteht in Gestalt der Nutzungsvereinbarung ein Rechtsverhältnis zwischen dem Verwahrer 539  Vgl.

Soergel/Habersack, BGB, §  1205 Rn.  19; Baur/Stürner, Sachenrecht, §  55 Rn.  17. Vgl. (für die Verpfändung nach Art.  900 Abs.  3 ZGB) Christoph Brunner, Wertrechte, S.  241, 255 f.; anders Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  421 ff. (Fall des §  1206 Alt.  2 BGB). 541  Zu den Einzelheiten aus Sicht des schweizerischen Rechts Christoph Brunner, Wertrechte, S.  255 f. 542  Apfelbaum, Verpfändung, S.  60; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  119 f.; Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  147 f.; Wust, Verbuchung, S.  164; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1552 f.; unentschieden BGHZ 207, 23 Rn.  26 („Verpfändung an einen Dritten nach §  1205 Abs.  1 Satz  1, Abs.  2 BGB“); nicht ganz klar auch Sebastian Mock, in: Großkomm. AktG §  10 Rn.  114. Anders Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  421 ff., der die Verpfändung mittels Umbuchung in ein Pfanddepot oder Anbringung eines Sperrvermerks als Form des Pfandhaltervertrags gemäß §  1206 Alt.  2 BGB auffaßt. 543  Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  148. 540 

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und dem Pfandgläubiger, das alle der von §  868 BGB geforderten Merkmale aufweist. So erscheint es durchaus möglich, Verpfändungen zugunsten der Deutschen Bundesbank über „Xemac“ unter §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB zu subsumieren. Denn wie bereits erwähnt, soll die Bundesbank ein Pfandrecht nur unter der Voraussetzung erwerben, daß die Clearstream Banking AG auf Weisung des verpfändenden Kre­dit­ instituts ihren Besitzmittlungswillen auf die Bundesbank umstellt und die Wertpapiere in ihrem System entsprechend aussondert. Die Anforderungen an eine Übergabe i. S. von §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB sind damit ohne Einschränkung erfüllt. Als Zwischenergebnis kann nach alledem festgehalten werden, daß sich viele, wenn nicht die meisten Fälle der Verpfändung von Girosammelanteilen an einen Dritten bereits mit §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB erfassen lassen. bb)  §  1205 Abs.  2 BGB Nach teilweise vertretener Auffassung ist die Verpfändung von Girosammelanteilen an einen Dritten ausschließlich auf dem Weg über §  1205 Abs.  2 BGB möglich. Das soll vor allem in den Fällen gelten, in denen von einer Umbuchung der Anteile auf ein Konto des Pfandnehmers abgesehen wird544 . Ein anderer Teil des Schrifttums formuliert zurückhaltender und meint, daß der Modus des §  1205 Abs.  2 BGB jedenfalls als Alternative zu dem nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB zur Verfügung steht545. Nach §  1205 Abs.  2 BGB kann die Übergabe der im mittelbaren Besitz befindlichen Sache dadurch ersetzt werden, daß der Eigentümer den mittelbaren Besitz auf den Pfandgläubiger überträgt und die Verpfändung dem Besitzer anzeigt. Die Übertragung des mittelbaren Besitzes richtet sich nach §  870 BGB. Erforderlich ist also, daß der Verpfänder seinen Anspruch auf Herausgabe der Sache an den Pfandgläubiger abtritt. Bei Girosammelanteilen bedeutet das: Abzutreten ist der Auslieferungsanspruch des Hinterlegers gegen die Depotbank gemäß §  7 Abs.  1 DepotG. Ist dieser Anspruch ausgeschlossen, kommt stattdessen die Abtretung des depotvertraglichen Anspruchs auf Umbuchung des Depotguthabens in Betracht546. Mit §  8 DepotG ist hier schon deshalb nicht zum Ziel zu kommen, weil dieser keine eigenständige Anspruchs544  Apfelbaum, Verpfändung, S.   60 f., 63; Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.   173; Nodoushani, WM 2007, 289, 295 f.; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550. Auch die früheren AGB der Clearstream Banking AG gingen in Nr.  43 Abs.  1 von der Einschlägigkeit des §  1205 Abs.  2 BGB aus. Diese Bestimmung war freilich mißverständlich formuliert, denn sie machte die Verpfändung vom „Übergang“ des Mitbesitzes auf den Pfandgläubiger abhängig und verwies hierfür auf Nr.  8 Abs.  1 der früheren AGB-CBF, wo der Besitzübergang durch Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses (!) geregelt war. Das spricht für die Annahme, daß in Nr.  43 Abs.  1 der früheren AGB-CBF in Wahrheit eine Verpfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB gemeint war; a. A. Mahler und Hoffmann (a. a. O.), nach deren Interpretation die Bedeutung der Bestimmung darin lag, zu beschreiben, wie im Anschluß an eine bereits rechtswirksam erfolgte Verpfändung zu verfahren ist. 545  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2034; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, Anh. §  4 06 Rn.  330; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/71; Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  187; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  416 ff. 546 Ähnlich Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  173.

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grundlage darstellt547. Es wird empfohlen, Verpfändungsverträge grundsätzlich so zu formulieren, daß der Verpfänder sämtliche ihm zustehenden Herausgabeansprüche an den Pfandgläubiger abtritt548. Die nach §  1205 Abs.  2 BGB außerdem erforderliche Anzeige der Verpfändung gegenüber dem Besitzer dient als Ersatz für die bei der Abtretung des Herausgabeanspruchs fehlende Publizität. Sie hat den Zweck, die Erkennbarkeit der Verpfändung zu sichern und dem Besitzer die Möglichkeit zu nehmen, sich durch Rückgabe der Sache an den Eigentümer von seiner Herausgabeverpflichtung gegenüber dem Pfandgläubiger zu befreien (vgl. §  407 Abs.  1 BGB)549. Zur wirksamen Verpfändung von Girosammelanteilen durch einen (End-)Anleger bedarf es lediglich einer Anzeige an die Depotbank als in der Verwahrpyramide unmittelbar übergeordneter Besitzmittlerin. Eine Anzeige an die Clearstream Banking AG ist nicht erforderlich und ginge auch ins Leere, weil dem Anleger gegen die Wertpapiersammelbank keine Herausgabeansprüche zustehen und diese ohnehin nur Weisungen der mit ihr vertraglich verbundenen Depotbanken zu befolgen pflegt550. Die Verpfändungsanzeige enthält regelmäßig das Gesuch an die Depotbank, den Zugang der Anzeige gegenüber dem Gläubiger zu bestätigen und ihr AGB-Pfandrecht für die Dauer der Verpfändung hinter das Pfandrecht des Gläubigers zurücktreten zu lassen551. Bestehen nach alledem keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, die Verpfändung von Girosammelanteilen an einen Dritten statt nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB nach §  1205 Abs.  2 BGB vorzunehmen, so fragt sich allerdings, ob es zur Wirksamkeit der Verpfändung noch eines weiteren Vollzugsakts wie etwa einer Umbuchung der Anteile oder der Anbringung eines Sperrvermerks auf dem Depotkonto des Verpfänders bedarf. Vom Schrifttum wird diese Frage einhellig verneint. Bankinterne Vorgänge wie eine Umbuchung oder das earmarking dienten nur der Manifesta­tion der bereits eingetretenen Rechtsänderung und hätten daher bloß deklaratorische Bedeutung552 . Daran ist de lege lata nicht zu rütteln. Nach dem unmißverständlichen Wortlaut des §  1205 Abs.  2 BGB setzt die Pfandrechtsbestellung neben der Einigung nur die Abtretung des Herausgabeanspruchs und die Verpfändungsanzeige voraus. Es würde die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreiten, in diesen Tatbestand noch das Erfordernis eines wie auch immer gearteten Buchungsakts hineinzulesen. Daraus folgt, daß eine Umbuchung bzw. ein Verpfändungsvermerk eine unter547  Nur im Ergebnis ebenso Nodoushani, WM 2007, 289, 295, der §  8 DepotG als dinglichen Herausgabeanspruch qualifiziert, der nicht vom Miteigentum getrennt und daher nicht abgetreten werden könne. 548  Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550; siehe auch das Formular bei Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Anh. 3 zu §  93 nebst Erl. 2. 549 Soergel/Habersack, BGB, §  1205 Rn.  26; Staudinger/Wiegand (2009), §  1205 Rn.  27. 550 OLG Karlsruhe, WM 1999, 2451, 2455; Wust, Verbuchung, S.   165; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550. 551 Siehe Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §   93 Rn.  93 und Anh. 3 zu §  93 nebst Erl. 3; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550. 552  Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.  177; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  4 28; Wust, Verbuchung, S.  165; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1552 f.

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schiedliche, nämlich entweder eine rechtsbegründende oder deklaratorische Bedeutung haben kann je nachdem, ob die Verpfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 oder nach §  1205 Abs.  2 BGB vorgenommen wird553. Man mag darüber streiten, ob dies unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ein befriedigender Befund ist. Das Genfer Wertpapierübereinkommen betrachtet jedenfalls neben der Umbuchung auch den Depotvermerk als unverzichtbares Element des betreffenden Verfügungstatbestands (vgl. Art.  12 GWpÜ). cc)  §  1206 BGB Schließlich kommt für die Verpfändung von Girosammelanteilen an einen Dritten noch die Möglichkeit des §  1206 Alt.  2 BGB in Betracht. Danach genügt anstelle der Übergabe der Sache die Einräumung qualifizierten mittelbaren Mitbesitzes. Dazu bedarf es einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen dem depotführenden Verwahrer (Besitzmittler) auf der einen und dem Verpfänder bzw. dem Verpfänder und dem Gläubiger auf der anderen Seite, durch die der Verwahrer sich verpflichtet, die Pfandsache nur an den Verpfänder und den Gläubiger gemeinschaftlich herauszugeben. Diese schuldrechtliche Vereinbarung wird häufig Pfandhaltervertrag genannt. Das ist jedoch irreführend, weil der Verwahrer gar nicht wissen muß, daß Zweck der Vereinbarung eine Pfandbestellung ist554 . In der Praxis wird von der Verpfändung nach §  1206 Alt.  2 BGB kein Gebrauch gemacht. Das dürfte weniger daran liegen, daß diese Form der Verpfändung die vertragliche Einbeziehung des Verwahrers voraussetzt; denn diese kommt auch bei Verpfändungen nach §  1205 Abs.  1 und Abs.  2 BGB vor. Der entscheidende Grund dafür eher darin zu sehen sein, daß der Weg über §  1206 Alt.  2 BGB für den Gläubiger weniger sicher ist. Da nämlich der Verwahrer das Pfand nur gemeinsam an den Verpfänder und den Gläubiger herausgeben muß und der Gläubiger zur Geltendmachung des Herausgabeanspruchs dementsprechend auf die Mitwirkung des Verpfänders angewiesen ist, könnte er bei der Verwertung des Pfandrechts auf unnötige Schwierigkeiten stoßen555. b)  Verpfändung an den kontoführenden Verwahrer Für die Verpfändung von Girosammelanteilen an den kontoführenden Verwahrer genügt eine dingliche Verpfändungsabrede. Sie kann im Rahmen einer individualvertraglichen Vereinbarung getroffen werden oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein (vgl. Nr.  14 AGB-Banken). Einer Übergabe der Wertpapiere 553  Daß bei der Sammelverwahrung die Verpfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB derjenigen nach §  1205 Abs.  2 BGB bis zur Ununterscheidbarkeit angenähert ist und dadurch das sachenrechtliche System überspielt wird, wie Lehmann (Finanzinstrumente, S.  4 40) behauptet, trifft also zumindest nach der hier vertretenen Auffassung nicht zu. 554  Vgl. ausführlich zu den Einzelheiten MünchKomm-BGB/Damrau, §  1206 Rn.  8 –11. 555  Wust, Verbuchung, S.  166; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550; anders Hennrich, Aktienverpfändung, S.  120, demzufolge der Verpfändung nach §  1206 BGB „in der Praxis die größte Bedeutung zukommen“ dürfte.

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bedarf es gemäß §  1205 Abs.  1 Satz  2 BGB nicht, weil diese sich bereits im Besitz des Verwahrers befinden. Daß es sich dabei ggf. um mittelbaren Besitz handelt, ist unerheblich. Erforderlich ist allein, daß der Verwahrer eine bessere Besitzposition in dem Sinne innehat, daß ihm der Besitz von der übergeordneten Depotstelle und nicht vom Verpfänder selbst vermittelt wird556. Eine Anzeige der Verpfändung gegenüber der übergeordneten Depotstelle ist nicht erforderlich557. Auch muß das verpfändete Guthaben nicht als gesperrt gekennzeichnet werden. So ist das antizipiert vereinbarte Pfandrecht nach Nr.  14 AGB-Banken insofern verdeckt, als es sich automatisch auf alle Wertpapiere erstreckt, an denen eine inländische Geschäftsstelle der Bank im Rahmen der Geschäftsverbindung Besitz erlangt. Seine Wirksamkeit hängt nicht von einem gesonderten Buchungsakt ab. Dem Kontoinhaber wird die ausschließliche Dispositionsmacht über das Guthaben schon dadurch genommen, daß der Verwahrer Weisungen des Kontoinhabers, die sein Pfandrecht beeinträchtigen könnten, aus eigenem Interesse nicht befolgen wird. Freilich ist der Verwahrer bei einem individualvertraglich vereinbarten Pfandrecht nicht daran gehindert, den betreffenden Bestand in seinem System mit einer elektronischen Sperre zu versehen, um Verfügungen des Kontoinhabers zu seinem Nachteil auch technisch auszuschließen558. Im übrigen steht es den Parteien frei, die Verpfändung statt nach §  1205 Abs.  1 Satz  2 BGB nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 oder §  1205 Abs.  2 BGB vorzunehmen. Bei der Verpfändung von Girosammelanteilen durch einen Giroteilnehmer an die Clearstream Banking AG scheint z. B. eine Verpfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB gewollt zu sein559. c)  Gutgläubiger Erwerb Der gutgläubige Erwerb eines Pfandrechts vom Nichtberechtigten richtet sich nach §  1207 i. V. m. §§  932, 934, 935 BGB und §  366 HGB. Nicht anders als bei der Übertragung nach §  929 Satz  1 BGB sieht ein Teil des Schrifttums sich auch hier vor das Problem gestellt, daß der bloße Mitbesitz am Sammelbestand angeblich nichts über die Miteigentumsquote des Berechtigten aussagt und daher als Rechtsscheinträger auszuscheiden hat. Um gleichwohl die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs zu eröffnen, hält diese Auffassung es für geboten und methodisch zulässig, im Wege der Rechtsfortbildung die Eintragungen in den Verwahrungsbüchern der Clearstream 556  Mahler, Rechtsgeschäftliche Verfügungen, S.   155 f.; Wust, Verbuchung, S.  165; Hoffmann, WM 2007, 1547, 1550; allgemein RGZ 118, 250, 253; Staudinger/Wiegand (2009), §  1205 Rn.  20. 557  Wust, Verbuchung, S.  165. 558  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  412. 559  Siehe Ziffer XXVII Abs.  2 AGB-CBF, wo es heißt: „Zur Bestellung des Pfandrechts an Wertpapieren weist der Kunde CBF an, alle Wertpapiere eines Depots als Pfandgläubigerin zu besitzen und sicherzustellen, dass der Kunde ohne Zustimmung der CBF nicht mehr auf diese einwirken kann. Diese Weisung wird ebenfalls erteilt, in dem der Kunde die CBF anweist, Wertpapiere in ein Pfanddepot des Kunden als Unterdepot umzubuchen und sicherzustellen, dass der Kunde ohne Zustimmung der CBF nicht mehr auf alle in dem Pfanddepot verbuchten Wertpapiere einwirken kann. (…)“

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Banking AG und der Depotbanken als maßgebliche Vertrauensgrundlage anzuerkennen560. Daß diese Auffassung zumindest von ihrem argumentativen Ansatz her nicht überzeugt, wurde bereits dargelegt: Im Effektengiroverkehr hat man es gerade nicht mit einer Konstellation zu tun, in der es dem Mitbesitz an hinreichender Aussagekraft hinsichtlich der Berechtigung des Verfügenden mangelt. Denn hier geht es um mittelbaren Mitbesitz, der sich in der Depotgutschrift manifestiert. Diese erlaubt aber sehr wohl Aufschluß über die Miteigentumsquote des Kunden. Auch in bezug auf den gutgläubigen Pfandrechtserwerb lautet die entscheidende Frage somit nicht, ob die Depotgutschrift anstelle des Mitbesitzes oder neben ihm als Rechtsscheinträger herangezogen werden kann. Sie lautet: Eignet sich die Depotgutschrift eben deshalb als Vertrauensgrundlage, weil in ihr der mittelbare Mitbesitz des Depotinhabers zum Ausdruck kommt? Diese Frage ist zu bejahen, denn es gibt keinen Grund, sie für die Verpfändung anders zu beantworten als für die Übertragung. Am erforderlichen Rechtsschein fehlt es danach, wenn das Depotkonto des Verpfänders keine ausreichende Deckung aufweist. Der Rückgriff auf die Gutschrift im Konto des Verpfänders bietet allerdings nur in den Fällen eine Lösung, in denen der Pfandgläubiger bzw. sein Vertreter auch Einblick in dieses Konto hat. Er scheint somit insbesondere bei der Verpfändung von Girosammelanteilen an den depotführenden Verwahrer selbst in Betracht zu kommen. In dieser Konstellation ist ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb jedoch ausgeschlossen. Denn bei einer Verpfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  2 BGB ist ein gutgläubiger Erwerb nur möglich, wenn der Pfandnehmer den Besitz an der Pfandsache auf Veranlassung des Verpfänders erhalten hat (§§  1207, 932 Abs.  1 Satz  2 BGB)561. Bei der Verpfändung von Girosammelanteilen an einen depotführenden Verwahrer ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, da der Verwahrer den (mittelbaren) Besitz an den verpfändeten Wertpapieren in aller Regel von dritter Seite erlangt haben wird562 . Da der Ansatz, auf die Gutschrift im Konto des Verpfänders abzustellen, in den Fällen nicht weiterhilft, in denen der Pfandnehmer bzw. sein Vertreter diese Gutschrift (und sei es in Form eines Kontoauszugs) gar nicht zu Gesicht bekommt, sollte man erwägen, den Akzent generell auf die Besitzverschaffungsmacht des Verpfänders zu verlagern563. Als Vertrauensgrundlage ist danach nicht „ein bloßer Zustand des äußeren Habens auf seiten des Verfügenden“564 anzusehen, sondern die Rechtsmacht des Verpfänders, dem Pfandnehmer den Besitz an der Pfandsache zu verschaffen. Werden auf Veranlassung des Verpfänders die verpfändeten Anteile auf das Konto des Pfandnehmers umgebucht bzw. zu dessen Gunsten gesperrt, darf dieser davon ausgehen, daß die Verfügung in Ordnung geht. Die Umbuchung bzw. Sperrung ist derjenige Akt, durch den sich aus Sicht des gutgläubigen Pfandnehmers die 560 

Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2035; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/71. BGB, §  1207 Rn.  6. 562 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  125; Apfelbaum, Verpfändung, S.  76 f. 563  So überzeugend Apfelbaum, Verpfändung, S.  72 ff. 564  Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, §  45 Rn.  6. 561 Soergel/Habersack,

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angenommene Rechtsmacht des Nichtberechtigten bewährt565. Schon im Zusammenhang mit der Übertragung von Girosammelanteilen wurde betont, daß dieser Ansatz den Vorteil hat, sich bruchlos in das System der §§  932 ff. BGB einzufügen566. Für ihn spricht außerdem, daß er sich auf sämtliche in der Praxis vorkommenden Sicherungsgeschäfte anwenden läßt und nicht dem Einwand ausgesetzt ist, daß der Pfandnehmer an die den Verpfänder legitimierende Buchung in vielen Fällen höch­ stens abstrakt glauben kann567. Und schließlich sei noch einmal unterstrichen, daß dieser Ansatz konsequent an die oben angestellte Überlegung anknüpft, die dem Depotkunden zustehende Rechtsmacht, den Verwahrer zu einer Umbuchung zu veranlassen, als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs zu qualifizieren. d) Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß ein Girosammelanteil nach den Regeln über die Verpfändung beweglicher Sachen (§§  1204 ff. BGB) verpfändet werden kann. Auf die Verpfändung des verbrieften Rechts – bei Aktien: der Mitgliedschaft – nach den §§  1273 ff. BGB muß selbst dann nicht ausgewichen werden, wenn die betreffende Emission in einer Dauerglobalurkunde verkörpert ist. Denn auch in diesem Fall ist der Verpfänder aufgrund seines depotvertraglichen Anspruchs auf Umbuchung seines Guthabens in der Lage, dem Pfandnehmer den Besitz an der Sache zu verschaffen. Was die Verpfändung von Girosammelanteilen an einen Dritten betrifft, sind nach hier vertretener Auffassung die Anforderungen an eine Übergabe i. S. von §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB sowohl bei der Umbuchung auf ein Konto des Pfandnehmers als auch dann erfüllt, wenn die Anteile im Depot des Verpfänders verbleiben und darin als gesperrt gekennzeichnet werden, so daß der Verpfänder nicht mehr ohne Zustimmung des Pfandnehmers über die Werte verfügen kann. Alternativ kommt auch eine Verpfändung nach §  1205 Abs.  2 BGB in Betracht. Äußerlicher Vollziehungsakt ist in dieser Variante die Verpfändungsanzeige an den depot­führenden Verwahrer. Interne Vorgänge wie das earmarking oder die Umbuchung der Anteile in ein Unterdepot dienen nur der Manifestation der bereits eingetretenen Rechtsänderung. Auch ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb vom Nichtberechtigten ist möglich. Als Rechtsscheinträger im Rahmen des §  1207 BGB ist die Besitzverschaffungsmacht anzusehen, die sich in der Fähigkeit des Verpfänders ausdrückt, seinen Verwahrer zur Umbuchung der Anteile bzw. Sperrung des eigenen Depots zu veranlassen. Alles in allem also stellen sich bei der Verpfändung von Girosammelanteilen weniger Konstruktionsprobleme als bei der Übereignung.

565 Vgl.

Apfelbaum, Verpfändung, S.  75. Hennrich, Aktienverpfändung, S.  130 f., der die Anknüpfung an die Rechtsmacht zur Verschaffung der Buchung als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung qualifiziert. 567 Vgl. Hager, Verkehrsschutz, S.  327. 566 Einschränkend

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3.  Verwertung eines Pfandrechts a)  Allgemeine Vorschriften Die Verwertung eines nach den §§  1204 ff. BGB bestellten Pfandrechts an Depotwerten richtet sich nach den §§  1228 ff. BGB. Da Gegenstand des Pfandrechts der Anteil eines Miteigentümers ist, ist zunächst die Sondervorschrift des §  1258 BGB zu beachten. Sie bestimmt in Abs.  2 Satz  1, daß der Pfandgläubiger nach Eintritt der Pfandreife die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft verlangen kann, ohne der Zustimmung der anderen Miteigentümer zu bedürfen. Bei der Girosammelverwahrung wird dieser Aufhebungsanspruch nach allgemeiner Ansicht in sinngemäßer Anwendung der §§  7 Abs.  1, 8 DepotG durch einen Anspruch auf Auslieferung einzelner Urkunden aus dem Sammelbestand ersetzt. Im übrigen soll §  1258 Abs.  3 BGB Anwendung finden, so daß sich das Pfandrecht an den ausgelieferten Wertpapieren fortsetzt, die der Pfandgläubiger sodann nach den allgemeinen Vorschriften verwerten kann568. Auf diese Möglichkeit braucht hier indes nicht näher eingegangen zu werden569, denn sie ist bei Kapitalmarktwerten unpraktikabel und bei der Dauerglobalurkunde von vornherein ausgeschlossen. Von praktischer Bedeutung ist daher allein die zweite Verwertungsmöglichkeit, der Verkauf des Miteigentumsanteils570. Sie bleibt, wie §  1258 Abs.  4 BGB klarstellt, von §  1258 Abs.  1 bis 3 BGB unberührt. Bei Wertpapieren, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, kommt insbesondere der freihändige Verkauf in Betracht. Das Recht des Pfandgläubigers zum freihändigen Verkauf ergibt sich bei Inhaberpapieren aus §  1221 BGB, bei Orderpapieren aus §  1295 BGB. Einer raschen und unbürokratischen Verwertung des Pfandrechts stehen jedoch nach den allgemeinen Vorschriften mindestens zwei Hindernisse entgegen: Zum einen ist der freihändige Verkauf nur durch einen dazu ermächtigten Handelsmakler (§  93 HGB)571 oder eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person möglich. Zum anderen muß die Vorschrift des §  1234 BGB eingehalten werden. Das 568  BeckOK BGB/Schärtl, §  1258 Rn.  1; MünchKomm-BGB/Damrau, §  1258 Rn.  9; Soergel/Ha­ bersack, BGB, §  1258 Rn.  1; einschränkend Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  8 Rn.  6, nach denen eine Anwendung des §  1258 Abs.  3 BGB ausgeschlossen ist und der Pfandgläubiger nur einen Anspruch auf Bestellung eines Ersatzpfandrechts an den ausgelieferten Urkunden hat. 569  Insbesondere kann offenbleiben, wie sich der Auslieferungsanspruch des Pfandgläubigers dogmatisch begründen läßt und gegen welchen Verwahrer er sich richtet. Eingehende Überlegungen dazu bei Apfelbaum, Verpfändung, S.  288 f.; siehe ferner MünchKomm-BGB/Damrau, §  1258 Rn.  9 (Auslieferungsanspruch direkt gegen die Wertpapiersammelbank). 570  Wust, Verbuchung, S.  169. 571  §  34 BörsG a. F. sah vor, daß ein Kursmakler zur Vornahme von Verkäufen und Käufen befugt ist, die von einem dazu öffentlich ermächtigten Handelsmakler zu bewirken sind. Mit der Neufassung des Börsengesetzes durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz wurden die Aufgaben des Kursmaklers zum 1. Juli 2002 vom Skontroführer übernommen. Weil die Stellung des Skontroführers weitgehend derjenigen des Kursmaklers entspricht, wird im Schrifttum mit guten Gründen vertreten, daß die Zulassung zum Skontroführer der öffentlichen Ermächtigung eines Handelsmaklers gleichsteht. Siehe dazu ausführlich Wittig, in: Festschrift für Kümpel, S.  587, 602 ff., der außerdem zu der weitgehenden Folgerung gelangt, daß analog §  1221 BGB auch eine Verwertung im Wege des freihändigen Verkaufs über das elektronische Handelssystem der Börse zulässig ist.

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bedeutet, daß der Pfandgläubiger dem Eigentümer den Verkauf vorher anzudrohen hat und der Verkauf nicht vor dem Ablauf eines Monats nach der Androhung erfolgen darf. Beide Vorschriften haben ihren guten Zweck: §  1221 BGB will gewährlei­ sten, daß beim freihändigen Verkauf auch wirklich der Marktpreis erzielt wird; und §  1234 BGB will den Gläubiger in die Lage versetzen, die Berechtigung der Pfandverwertung zu überprüfen und ggf. dagegen vorzugehen572 . Den Bedürfnissen der Finanzmärkte, auf denen die Möglichkeit der schnellen und von Formalitäten weitgehend befreiten Verwertung von Sicherheiten von größter Bedeutung ist, werden sie jedoch nicht gerecht. §  1259 BGB sieht daher für „gewerbliche Verpfändungen“573 von Wertpapieren, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, erhebliche Erleichterungen vor. Sind sowohl der Eigentümer als auch der Pfandgläubiger Unternehmer, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen, können sie schon bei der Verpfändung vereinbaren, daß der freihändige Verkauf auch durch den Pfandgläubiger selbst oder einen beliebigen Dritten vorgenommen werden darf. Darüber hinaus können sie in Abweichung vom Verbot des §  1229 BGB vereinbaren, daß dem Pfandgläubiger bei Fälligkeit der Forderung das Eigentum an der Sache zufallen soll (§  1259 Satz  1 BGB). In diesem Fall gilt die Forderung in Höhe des am Tag der Fälligkeit geltenden Börsen- oder Marktpreises als von dem Eigentümer berichtigt (§  1259 Satz  2 BGB). Vereinbarungen i. S. von §  1259 Satz  1 BGB können individualvertraglich oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen werden574 . Ob in einer Verfallvereinbarung eine aufschiebend bedingte Übereignung oder ein bindendes Übereignungsangebot des Eigentümers zu sehen ist, zu dem dann bei Fälligkeit noch eine einseitige, ggf. auch nur konkludente Annahmeerklärung des Pfandgläubigers hinzukommen muß, ist mangels ausdrücklicher Festlegung durch Auslegung zu ermitteln575. Dem Pfandgläubiger kann auch die Wahl zwischen freihändigem Verkauf und Aneignung gelassen werden576. Die Vorgaben der §§  1233 ff. BGB gelten für all diese Vereinbarungen nicht (§  1259 Satz  3 BGB). §  1259 BGB wurde im Zuge der Umsetzung der FinanzsicherheitenRL in das BGB eingefügt. Da die Bedeutung dieser Richtlinie weit über die Verwertung von Pfandrechten an Wertpapieren hinausgeht, wird von ihr noch gesondert die Rede sein577. b)  Verwertung in der Insolvenz des Verpfänders In der Insolvenz des Verpfänders stellt sich die Frage, inwieweit die allgemeinen Vorschriften über die Verwertung eines Pfandrechts von den Vorschriften des Insolvenzrechts verdrängt werden. Diese Frage ist gerade mit Blick auf §  1259 BGB von Rele572 MünchKomm-BGB/Damrau,

§  1234 Rn.  1. §  1259 Rn.  3. 574  BeckOK BGB/Schärtl, §  1259 Rn.  9. 575  BeckOK BGB/Schärtl, §  1259 Rn.  13. 576  BeckOK BGB/Schärtl, §  1259 Rn.  10. 577  Unten 4. 573 MünchKomm-BGB/Damrau,

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

vanz, denn ein vertraglich vereinbartes Recht zum freihändigen Verkauf der Wertpapiere nützt dem Pfandgläubiger nicht viel, wenn es nicht auch in der Insolvenz des Verpfänders durchgesetzt werden kann578. Außer Zweifel steht, daß ein Gläubiger, der sich Girosammelanteile seines Schuldners hat verpfänden lassen, nach Maßgabe der §§  166 bis 173 InsO zur abgesonderten Befriedigung aus den Anteilen berechtigt ist (§  50 Abs.  1 InsO). Gemäß §  173 Abs.  1 InsO bleibt das Recht des Gläubigers zur Verwertung des Pfandes jedoch nur soweit unberührt, wie nicht der Insolvenzverwalter zur Verwertung berechtigt ist. Ginge die Befugnis zur Verwertung verpfändeter Girosammelanteile im Insolvenzfall auf den Insolvenzverwalter über, hätte dies für den Gläubiger die nachteilige Konsequenz, daß er nicht länger über den Zeitpunkt und die Art der Verwertung der Anteile bestimmen könnte, also über jene Faktoren, die einen erheblichen Einfluß auf die Werthaltigkeit der Sicherheit haben können579. Wie weit die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters reicht, bestimmt sich bei Pfandrechten an beweglichen Sachen – und damit auch bei Pfandrechten an Sammeldepotanteilen – nach §  166 InsO580. aa)  §  166 Abs.  3 InsO Nach §  166 Abs.  3 InsO sind bestimmte Arten von Sicherheiten von vornherein von der Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters ausgenommen. Dazu zählen Sicherheiten zugunsten von Teilnehmern an Abwicklungssystemen i. S. des §  1 Abs.  16 KWG zur Sicherung von Ansprüchen aus dem System (Nr.  1), Sicherheiten zugunsten der Europäischen Zentralbank oder zugunsten der Zentralbank eines EU-Mitgliedstaats oder eines Vertragsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums (Nr.  2), schließlich Finanzsicherheiten i. S. des §  1 Abs.  17 KWG (Nr.  3). §  166 Abs.  3 Nr.  1 InsO geht auf Art.  9 Abs.  1 FinalitätsRL zurück. Darin ist festgelegt, daß Rechte an Sicherheiten, die im Rahmen eines Abwicklungssystems an einen Systemteilnehmer geleistet wurden, durch ein Insolvenzverfahren gegen den Sicherungsgeber „nicht berührt“ werden. Damit soll insbesondere klargestellt werden, daß es Sache des Sicherungsnehmers bleiben muß, über das Ob, Wann und Wie der Befriedigung aus der Sicherheit zu entscheiden. Die Immunisierung der Sicherungsrechte von Systemteilnehmern gegen die Wirkungen des Insolvenzverfahrens dient der Verringerung des systemischen Risikos. Würde nämlich den Systemteilnehmern in der Insolvenz des Sicherungsgebers die Möglichkeit der eigenhändigen und raschen Verwertung der ihnen gestellten Sicherheiten genommen, könnte dies im Extremfall den Ausfall weiterer Teilnehmer nach sich ziehen und die Stabilität des ganzen Systems gefährden581. Da nur Kreditinstitute Teilnehmer von Abwicklungssystemen sein können, 578  Treffend die Begr. in der Botschaft zu Art.  31 Abs.  2 des schweizerischen Bucheffektengesetzes, BBl. 2006, S.  9315, 9381. 579  Wust, Verbuchung, S.  171; Christian Berger, ZIP 2007, 1533. 580  Insoweit unumstritten, siehe Christian Berger, WM 2009, 577, 582 ff.; Hirte/Knof, WM 2008, 49, 50. 581  Anschaulich die Feststellung von Padoa-Schioppa: „Because its function is to provide for

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beschränkt sich die Bedeutung von §  166 Abs.  3 Nr.  1 InsO auf den Interbankenverkehr582 . Gleiches gilt für §  166 Abs.  3 Nr.  2 InsO, der ebenfalls auf Art.  9 Abs.  1 FinalitätsRL beruht. Denn auch bei den von dieser Vorschrift erfaßten Sicherheiten zugunsten einer Zentralbank geht es ausschließlich um Geschäfte mit Kreditinstituten als Sicherungsgeber583. Mit §  166 Abs.  3 Nr.  3 InsO wurde Art.  4 FinanzsicherheitenRL in deutsches Recht umgesetzt. Diese Bestimmung sieht vor, daß im Verwertungsbzw. Beendigungsfall der Sicherungsnehmer jede in Form eines beschränkten dinglichen Rechts bestellte Finanzsicherheit vereinbarungsgemäß selbst verwerten kann. Auch die Bedeutung von §  166 Abs.  3 Nr.  3 InsO reicht nicht nennenswert über den Interbankenverkehr hinaus. Jedenfalls erfaßt auch diese Vorschrift nicht das gewöhnliche Darlehen an ein Unternehmen, das mit der Verpfändung von Wertpapieren besichert wird584 . bb)  §  166 Abs.  1 InsO Liegt keiner der Fälle des §  166 Abs.  3 InsO vor, beantwortet sich die Frage nach der Befugnis zur Verwertung verpfändeter Girosammelanteile nach §  166 Abs.  1 InsO. Danach darf der Insolvenzverwalter eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten, wenn er die Sache in seinem Besitz hat. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit §  148 Abs.  1 InsO zu lesen, der bestimmt, daß der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen sofort in Besitz und Verwaltung zu nehmen hat. Sie ist daher so zu verstehen, daß es auf den Besitz des Insolvenzschuldners bzw. vorläufigen Insolvenzverwalters im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ankommt585. Bei unmittelbarem Besitz an der zu verwertenden Sache ist ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters unzweifelhaft gegeben. Ob und unter welchen Umständen auch mittelbarer Besitz genügt, ist dagegen umstritten. Es ist kein Zufall und hat auch mit den unklaren Besitzverhältnissen bei der Dauerglobalurkunde zu tun, daß von dieser Kontroverse auch Pfandrechte an sammelverwahrten Wertpapieren betroffen sind. An dieser Stelle soll diese Kontroverse nicht noch einmal aufgegriffen werden586, sondern es mit einem Hinweis auf das BGH-Urteil vom 24. September 2015587 sein Bewenden haben, in dem der IX. Zivilsenat eine Reihe grundsätzlicher Aussagen zum Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters bei verpfändeten Aktien getroffen hat, an denen sich die Praxis orientieren wird. Der Senat hat erstens klargestellt, daß security when it is most needed, unworkable collateral does more harm than no collateral“; zitiert nach Vereecken, in: Vereecken/Nijenhuis (Hrsg.), Settlement Finality in the European Union, S.  60 m. Fn.  88. 582 MünchKomm-InsO/Tetzlaff, §  166 Rn.  92. 583  Wust, Verbuchung, S.  172. 584  Siehe einstweilen nur Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, §  166 Rn.  45; näher zur Umsetzung der FinanzsicherheitenRL unter 4. 585 MünchKomm-InsO/Tetzlaff, §  166 Rn.  14 m. w. N. 586  Siehe ausführlich Wust, Verbuchung, S.  173 ff.; Bitter/Alles, KTS 2013, 113. 587  BGHZ 207, 23 – Schmid/MobilCom; dazu Bitter, ZIP 2015, 2249.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

§  166 Abs.  1 InsO im Fall des mittelbaren Besitzes an verpfändeten globalverbrieften Aktien direkt – und nicht nur entsprechend – zur Anwendung kommt588. Mit Blick auf den Zweck der Norm, den Gläubigern den Zugriff auf die wirtschaftliche Einheit des Schuldnerunternehmens zu verwehren und dem Insolvenzverwalter die Chance auf einen möglichst hohen Verwertungserlös zu belassen, hat er sich zweitens dafür ausgesprochen, das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters davon abhängig zu machen, ob die verpfändete Sache „im maßgeblichen Zeitpunkt zur wirtschaftlichen Einheit des Schuldnerunternehmens gehört“589. Davon sei − so der Senat drittens – auszugehen, wenn der fragliche Aktienbesitz nicht allein der Vermögensanlage dient, sondern eine Unternehmensbeteiligung repräsentiert. Das sei in Anlehnung an §  271 Abs.  1 Satz  3 HGB im Zweifel der Fall, wenn die Beteiligung 20 % des Nennkapitals der Gesellschaft überschreitet590. Im Rahmen des §  166 Abs.  1 InsO tritt der BGH somit für einen funktional-teleologischen Besitzbegriff591 ein. Indem er in diese Vorschrift das Merkmal der wirtschaftlichen Zugehörigkeit eines Aktienpakets zum Schuldnervermögen hineinliest, spricht er sich im Interesse der Rechtssicherheit für eine typisierende Betrachtung aus592 , wie sie – wenngleich zum Teil mit abweichenden Schwellenwerten – auch von einigen Stimmen im Schrifttum befürwortet wird593. Die Urteilsbegründung zeigt, daß für den BGH letztlich die mit den Mitgliedschaftsrechten verbundenen Einflußmöglichkeiten des Schuldners entscheidend sind, nicht seine formelle Besitzposition594 .

4.  Vereinbarkeit mit der Finanzsicherheitenrichtlinie Abschließend ist noch zu untersuchen, ob und inwieweit die Regelungen des deutschen Rechts zur Bestellung und Verwertung von Pfandrechten an Depotguthaben mit den Vorgaben der Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten595 in Einklang stehen. 588 

BGHZ 207, 23 Rn.  19 ff. BGHZ 207, 23 Rn.  22. 590  BGHZ 207, 23 Rn.  29 ff. mit Hinweis (bei Rn.  33) auf Häcker, Abgesonderte Befriedigung, Rn.  439. 591  Insoweit übereinstimmend Hirte/Knof, WM 2008, 49, 51 ff. 592  Siehe ausdrücklich BGHZ 207, 23 Rn.  22. 593  Etwa von Bitter/Alles, KTS 2013, 113, 144 ff., insb. 148 ff. (5 %-Grenze in Anlehnung an §  21 WpHG-alt); in die gleiche Richtung Hirte/Knof, WM 2008, 49, 54 f. (Verwertungsrecht des Insol­ venz­verwalters bei größeren Aktienpaketen, dagegen Verwertungsrecht des Sicherungsnehmers bei Aktienmengen ohne strategische oder finanzielle Bedeutung). Generell gegen ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters (und für ein Verwertungsrecht des Sicherungsnehmers) Wust, Verbuchung, S.  173 ff.; Christian Berger, WM 2009, 577, 584 f.; ferner Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  126; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn.  6.837; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/ Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 126; Primozic/Voll, NZI 2004, 363, 365; Wimmer, ZInsO 2004, 1, 4. 594  Bitter, ZIP 2015, 2249, 2251. 595  ABl. L 168 vom 27. Juni 2002, S.  43, zuletzt geändert durch die sog. Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive – BRRD) 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014, ABl. EU Nr. L 173 vom 12. Juni 2014, S.  190. 589 

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a)  Zweck der Richtlinie Die Finanzsicherheitenrichtlinie ist aus dem Aktionsplan der Europäischen Kommission für Finanzdienstleistungen hervorgegangen596. Sie war von den Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2003 in nationales Recht umzusetzen597. Im Rahmen der Bemühungen um die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen wurde ihr eine Schlüsselrolle beigemessen598. Mit der Richtlinie „sollte eine gemeinschaftsweite Regelung für die Bereitstellung von Wertpapieren und Barguthaben als Sicherheit in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts oder im Wege der Vollrechtsübertragung, einschließlich Wertpapierpensionsgeschäften (Repos), geschaffen werden“599. Die Notwendigkeit einer Rechtsvereinheitlichung im Bereich der Finanzsicherheiten ergab sich aus Sicht der Kommission daraus, daß grenzüberschreitende Sicherungsgeschäfte, deren Bedeutung in den 1990er Jahren stetig angestiegen war (und auch danach weiter ansteigen sollte), infolge der Rechtszersplitterung in Europa mit erheblichen Risiken behaftet waren. Unterschiede bestanden zum Beispiel bei den formalen Voraussetzungen einer Sicherheitenbestellung und -verwertung sowie im Hinblick auf die rechtliche Anerkennung bewährter und von den Aufsichtsbehörden geförderter Risikomanagementpraktiken. Der fünfte Erwägungsgrund nennt als Beispiele die bilaterale Aufrechnung infolge Beendigung („close out netting“) sowie das vereinbarungsgemäße Nachschießen oder Austauschen von Sicherheiten („variation margin“, „substitution“). Beträchtliche Unsicherheiten gab es auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht, denn häufig war es den Parteien nicht möglich, ex ante zweifelsfrei festzustellen, nach welcher Rechtsordnung sich die Bestellung und Verwertung der Sicherheit richtet. Das Fehlen einheitlicher Mindeststandards für grenzüberschreitende Sicherungsgeschäfte verursachte erhebliche Kosten und Verzögerungen, die häufig auch durch die Notwendigkeit bedingt waren, besonders heikle Fragen durch Rechtsgutachten klären zu lassen. Die Finanzinstitute bevorzugten daher im Inland belegene Sicherheiten, selbst bei Geschäften mit ausländischen Vertragspartnern, bei denen an sich auch genügend Sicherheiten im Ausland zur Verfügung standen600. Mit der Finanzsicherheitenrichtlinie wollte der Europäische Gesetzgeber die im grenzüberschreitenden Sicherungsverkehr auftretenden Hindernisse beseitigen und so einen weiteren, über die als nicht ausreichend empfundene Finalitätsrichtlinie hinausgehenden Beitrag 596 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte Schlaegel, Finanz-Sicherheiten, S.   44 ff.; für einen Überblick über die Richtlinie siehe Morton, Euredia 2003, 11 ff. 597  Siehe Art.  11 der Richtlinie. In Deutschland wurde die Richtlinie mit mehr als dreimonatiger Verspätung umgesetzt, und zwar durch das am 9. April 2004 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze, BGBl. I, S.  502. Auführlich zur Umsetzung Ruzik, Finanzmarktintegration, S.  425 ff., 464 ff.; Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  101 ff.; Kieper, ZInsO 2003, 1109 ff.; Kollmann, WM 2004, 1012 ff. 598  Löber, BKR 2001, 118. 599  Erwägungsgrund (3). 600  Zum Vorstehenden ausführlich Löber, BKR 2001, 118 f.

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zur Integration des Finanzmarkts und zur Stabilität des Finanzsystems in der Gemeinschaft leisten601. Für regelungsbedürftig hielt er in erster Linie die – unter dem Gesichtspunkt der Systemstabilität in der Tat viel bedeutenderen – Sicherheiten zur Minimierung von Risiken aus Finanzmarktgeschäften zwischen professionellen Akteuren. Sicherheiten, die von einem Privatkunden ihm Rahmen eines „klassischen“ Kreditgeschäfts an eine Bank geleistet werden, konnten dagegen nach seiner Einschätzung vernachlässigt werden. b)  Anwendungsbereich der Richtlinie Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist dementsprechend beschränkt, und zwar sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht. aa)  Persönlicher Anwendungsbereich Gemäß Art.  1 Abs.  2 müssen sowohl der Sicherungsnehmer als auch der Sicherungsgeber einer der in lit.  a) bis e) aufgeführten Kategorien angehören. Es können also nur bestimmte Vertragsparteien Finanzsicherheiten im Sinne der Richtlinie vereinbaren. Dazu zählen insbesondere öffentlich-rechtliche Körperschaften (mit bestimmten Ausnahmen), Zentralbanken, die Europäische Zentralbank, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, beaufsichtigte Finanzinstitute, zentrale Vertragsparteien sowie Verrechnungs- und Clearingstellen. Damit geht der Anwendungsbereich der Finanzsicherheitenrichtlinie über den der Finalitätsrichtlinie hinaus, die ausschließlich Sicherheiten erfaßt, die von Teilnehmern im Rahmen eines Zahlungs- oder Abwicklungssystems oder an eine Zentralbank geleistet werden602 . Gemäß Art.  1 Abs.  2 lit.  e) sind grundsätzlich auch sonstige juristische Personen, Einzelkaufleute und Personengesellschaften in den Anwendungsbereich der Finanzsicherheitenrichtlinie einbezogen, sofern auf der anderen Seite eine Einrichtung im Sinne der lit.  a) bis d) steht. Insoweit ist die Umsetzung der Richtlinie für die Mitgliedstaaten aber nicht verpflichtend. Die „opt out-Regelung“ des Art.  1 Abs.  3 räumt ihnen die Möglichkeit ein, den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie auf die in lit.  a) bis d) genannten Einrichtungen des Finanzsektors zu beschränken603. Auf Sicherungsgeschäfte unter Beteiligung natürlicher Personen, die nicht Einzelkaufleute sind, kommt die Richtlinie von vornherein nicht zur Anwendung. Etwas vergröbernd kann man also sagen: Die Vorgaben der Richtlinie gelten zwingend für den Interbankenverkehr und fakultativ für den Verkehr mit Geschäftskunden, während das Privatkundenkreditgeschäft vollständig außen vor bleibt604 . Ob und in welchem Um601 

Erwägungsgrund (3). Siehe Art.  1 lit.  c, 9 Abs.  1 FinalitätsRL. 603 Zu den Hintergründen dieser Kompromißlösung siehe Löber, The developing EU legal frame­work for clearing and settlement, S.  22. 604  Ege, Kollisionsrecht, S.  92; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 124. 602 

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fang der Gesetzgeber von der Möglichkeit des opt out Gebrauch machen sollte, war (nicht nur) in Deutschland hoch umstritten605. Mit §  1 Abs.  17 KWG wurde eine Lösung gefunden, die auf den ersten Blick wie ein Teil-opt out aussieht606. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, daß der Gesetzgeber über die Vorgaben der Richtlinie sogar hinausgegangen ist607. bb)  Sachlicher Anwendungsbereich (1) Finanzsicherheiten Die Richtlinie gilt ausschließlich für Finanzsicherheiten. Darunter sind gemäß Art.  1 Abs.  4 lit.  a) eine Barsicherheit, Finanzinstrumente oder Kreditforderungen zu verstehen. Der Begriff „Barsicherheit“ ist mißverständlich. Gemeint ist nicht Bargeld, sondern gemäß Art.  2 Abs.  1 lit.  d) „ein in beliebiger Währung auf einem Konto gutgeschriebener Betrag oder vergleichbare Geldforderungen, beispielsweise Geldmarkt-Sichteinlagen“. Unter den in Art.  2 Abs.  1 lit.  e) definierten Begriff „Finanzinstrumente“ fallen insbesondere Aktien, Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte und unverbriefte Schuldtitel, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, ferner alle anderen üblicherweise gehandelten Titel, die zum Erwerb solcher Aktien, Schuldverschreibungen oder anderer Wertpapiere durch Zeichnung, Kauf oder Austausch berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, unter Einschluß von Fondsanteilen und Geldmarktinstrumenten. Keine Finanzinstrumente im Sinne der Richtlinie sind Unternehmensbeteiligungen in Form von GmbH-Anteilen oder in Form von nicht auf dem Kapitalmarkt gehandelten Aktien608. Kreditforderungen wurden im Zuge der Änderung durch die Richtlinie 2009/44/EG vom 10. Juni 2009 in den Anwendungsbereich der Finanzsicherheitenrichtlinie einbezogen. Damit sollte der erheblichen Bedeutung Rechnung getragen werden, die Kreditforderungen zwischenzeitlich für die Besicherung von Finanzmarktgeschäften erlangt hatten. So hatte die Europäische Zentralbank mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 Kreditforderungen als eine zulässige Art von Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems anerkannt, nachdem zuvor schon einige Mitgliedstaaten den Katalog der Vermögenswerte, die als Sicherheit im Sinne der Richtlinie dienen können, entsprechend erweitert hatten. Die Ergänzung von Art.  1 Abs.  4 lit.  a) war notwendig geworden, um innerhalb der Gemeinschaft gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, und diente auch dem Zweck, die Heranziehung von Kreditforderungen als Sicherheiten 605  Siehe ausführlich Schlaegel, Finanz-Sicherheiten, S.  102 ff. (auch mit einem kurzen Überblick über die Diskussion in anderen Mitgliedstaaten); Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 124 ff.; Flöther/Bräuer, DZWiR 2004, 89 ff.; Kieper, ZInsO 2003, 1109 ff.; Kollmann, WM 2004, 1012 ff.; Wimmer, ZInsO 2004, 1 ff.; aus österreichischer Sicht ­Kathrein, ÖBA 2004, 172, 179. 606 So Kollmann, WM 2004, 1012, 1016. 607  Siehe dazu sogleich im Text unter bb) (2). 608  Kieper, ZInsO 2003, 1109, 1111.

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weiter zu fördern609. Kreditforderungen, bei denen der Schuldner ein Verbraucher im Sinne der Verbraucherkreditrichtlinie610 oder ein kleines Unternehmen oder Kleinstunter­nehmen im Sinne der Kommissionsempfehlung vom 6. Mai 2003611 ist, können gemäß Art.  1 Abs.  4 lit.  c) vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden, sofern es sich bei dem Sicherungsnehmer oder Sicherungsgeber nicht um eine nationale Zentralbank, die Europäische Zentralbank oder eine andere der in Art.  1 Abs.  2 lit.  b) genannten Einrichtungen handelt. (2)  Maßgebliche Verbindlichkeiten Der sachliche Anwendungsbereich wird des weiteren dadurch eingegrenzt, daß nur bestimmte Verbindlichkeiten durch eine Finanzsicherheit im Sinne der Richtlinie besichert werden können, und zwar die in Art.  2 Abs.  1 lit.  f ) definierten „maßgeblichen Verbindlichkeiten“. Es sind dies Verbindlichkeiten, die „ein Recht auf Barzahlung und/oder Lieferung von Finanzinstrumenten begründen“. Aus Art.  1, der den Gegenstand der Richtlinie umschreibt, geht diese Restriktion zwar nicht hervor. Sie ergibt sich aber daraus, daß die Richtlinie in mehreren zentralen Bestimmungen (ausschließlich) auf den Begriff der „maßgeblichen Verbindlichkeit“ Bezug nimmt612 . Sie folgt außerdem aus dem Zweck der Richtlinie, die einen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems leisten will und der es deshalb nicht um die Erleichterung von Sicherungsgeschäften allgemein, sondern solcher Geschäfte geht, mit denen spezifische Risiken aus Finanzmarkttransaktionen abgesichert werden sollen613. Es ist denn auch überwiegend anerkannt, daß Rückzahlungsverbindlichkeiten aus gewöhnlichen Darlehensverträgen keine „maßgeblichen Verbindlichkeiten“ im Sinne der Richtlinie sind. Mit Verbindlichkeiten, die „ein Recht auf Barzahlung“ begründen, sind vielmehr Verbindlichkeiten aus Finanz(termin)geschäften gemeint, die anstelle der Lieferung von Finanzinstrumenten einen Barausgleich vorsehen. In der englischen Fassung der Richtlinie, in der von einem „right to cash settlement“ die Rede ist, kommt dies genauer zum Ausdruck. Unter Verbindlichkeiten, die ein Recht auf Lie609  Siehe den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen vom 17. März 2008, S.  2 f.; ferner den Bewertungsbericht der Kommission über die Richtlinie über Finanzsicherheiten (2002/47/EG) vom 20. Dezember 2006, KOM(2006)833 endg., S.  6 ff. 610  Art.  3 lit.  a) der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. Nr. L vom 22. Mai 2008, S.  66. 611  Art.  1 und Art.  2 Abs.  2 und 3 der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. Nr. L vom 20. Mai 2003, S.  36. 612  Siehe Art.  4 Abs.  1 lit.  a), b) und c), Art.  5 Abs.  2 , Art.  8 Abs.  3, ferner die Erwägungsgründe (16) und (17). 613  Schlaegel, Finanz-Sicherheiten, S.  60 ff.; Kieper, ZInsO 2003, 1109, 1111; Wimmer, ZInsO 2004, 1, 2.

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ferung von Finanzinstrumenten begründen, sind z. B. Lieferverpflichtungen aus Wertpapierpensionsgeschäften sowie aus Future-Kontrakten und Optionen zu verstehen614 . Vor diesem Hintergrund zeigt sich, daß der deutsche Gesetzgeber in §  1 Abs.  17 Satz  1 KWG über die Vorgaben der Richtlinie hinausgegangen ist. Dieser Definition läßt sich nämlich im Umkehrschluß entnehmen, daß es im Interbankenverkehr auf die Art der gesicherten Verbindlichkeit nicht ankommen soll. Weil die Ziele der Richtlinie durch diese Ausweitung des Anwendungsbereichs nicht konterkariert werden, ist sie europarechtlich als unbedenklich anzusehen615. (3)  Besitzgebundene Finanzsicherheiten Schließlich ergibt sich aus Art.  1 Abs.  5 Satz  1, daß die Richtlinie nur für besitzgebundene Finanzsicherheiten gilt, bei denen die Besitzverschaffung schriftlich nachgewiesen werden kann. Auch diese Formulierung ist ungenau. Mit „Besitzverschaffung“ ist nicht die Einräumung des unmittelbaren oder mittelbaren Besitzes, sondern in einem allgemeineren, funktionalen Sinne die Bereitstellung der Finanzsicherheit gemeint616. Der Begriff „Bereitstellung“, der auch vom deutschen Gesetzgeber bei der Abfassung des §  1 Abs.  17 Satz  1 KWG gewählt wurde, deckt sich wiederum mit dem der „Bestellung“, wie er in Art.  2 Abs.  2 umschrieben wird. Danach liegt eine „Bestellung“ vor, wenn dem Sicherungsnehmer oder seinem Vertreter eine Finanzsicherheit geliefert oder im Wege des Effektengiros gutgeschrieben wird oder ihnen auf sonstige Weise der Besitz oder die Kontrolle daran verschafft wird, sofern der Sicherungsnehmer den Besitz oder die Kontrolle nicht bereits innehatte. Damit nicht zu verwechseln ist der Begriff „Bestellung“, wie er in Art.  1 Abs.  5 Satz  6 der Richtlinie verwendet wird. Danach gilt die Richtlinie für solche Finanzsicherheiten, deren „Bestellung“ schriftlich oder in rechtlich gleichwertiger Form nachgewiesen werden kann. Hier ist der Abschluß der Sicherungsvereinbarung gemeint617. Auch in dieser Hinsicht ist die englische Fassung der Richtlinie präziser als die deutsche. Sie spricht in Art.  2 Abs.  2 von „provision of financial collateral“, in Art.  1 Abs.  5 Satz  6 hingegen vom „financial col­ lateral arrangement“. Unklar ist weiter, was es mit dem Erfordernis der „schriftlichen Nachweisbarkeit“ der Besitzverschaffung auf sich hat. Ihm ist Genüge getan, wenn das betreffende Sicherungsgeschäft schriftlich, durch elektronische Aufzeichnung oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger so dokumentiert wird, daß es jeder-

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Kieper, ZInsO 2003, 1109, 1111. Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 127 f.; siehe ferner Schlaegel, Finanz-Sicherheiten, S.  108 und Obermüller/Hartenfels, BKR 2004, 440, 444, die auf die geringe praktische Bedeutung dieser Ausweitung hinweisen. 616  von Wilmowsky, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bankund Kapitalmarktrecht, §  89 Rn.  46. 617  Schlaegel, Finanz-Sicherheiten, S.  71 f. Berechtigte Kritik an der sprachlichen Unvollkommenheit der deutschen Fassung auch bei von Wilmowsky, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, §  89 Rn.  46; Kathrein, ÖBA 2004, 172, 174 in Fn.  17. 615 

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zeit identifiziert und nachvollzogen werden kann618. Was die hier interessierenden „im Effektengiro übertragbaren Wertpapiere“ betrifft619, reicht es für den Nachweis der Besitzverschaffung auf jeden Fall aus, wenn die Wertpapiere dem maßgeblichen Konto gutgeschrieben wurden oder ein entsprechendes Guthaben in solchen Wertpapieren besteht (Art.  1 Abs.  5 Satz  3). c)  Vorgaben der Richtlinie Der Schwerpunkt der Finanzsicherheitenrichtlinie liegt im materiellen Recht. Nach Art.  3 Abs.  1 Satz  1 ist es einem Mitgliedstaat untersagt, die Wirksamkeit der Bestellung einer Finanzsicherheit von der Erfüllung bestimmter Formerfordernisse abhängig zu machen. Dazu zählen z. B. die notarielle Beurkundung des Sicherungsgeschäfts, die Verwendung besonderer Vertragsformulare, die Eintragung in ein besonderes öffentliches oder privates Register oder die Bekanntmachung in einer Zeitung oder einem anderen Publikationsorgan620. Es versteht sich, daß das Verbot des §  3 Abs.  1 Satz  1 sich nicht auf jene Vollzugsakte erstreckt, die erforderlich sind, um dem Sicherungsnehmer den Besitz am Sicherungsgegenstand bzw. die Kontrolle darüber zu verschaffen (z. B. Depotgutschrift, Anbringung eines Verpfändungsvermerks). Art.  3 Abs.  2 hat daher bloß klarstellende Funktion. Art.  4 enthält Vorgaben für die Verwertung von Finanzsicherheiten in Form eines beschränkten dinglichen Rechts. Er will dem Sicherungsnehmer eine rasche und unbürokratische Befriedigung aus der Sicherheit ermöglichen. Dementsprechend verpflichtet er die Mitgliedstaaten sicherzustellen, daß Finanzinstrumente im Verwertungs- bzw. Beendigungsfall vereinbarungsgemäß durch Verkauf oder Aneignung und anschließende Verrechnung ihres Werts mit den maßgeblichen Verbindlichkeiten verwertet werden können (Art.  4 Abs.  1 lit.  a)621. An weitere Voraussetzungen darf die Verwertung nicht geknüpft werden. Vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen zwischen den Parteien bedarf es insbesondere keiner Verkaufsandrohung, keiner Auktion und keines Verstreichens einer zusätzlichen Wartefrist (Art.  4 Abs.  4). Nach Art.  5 Abs.  1 haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, daß der Inhaber eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts bereits vor dem Verwertungsfall wie ein Eigentümer über die Finanz618  Das folgt aus einer Zusammenschau von Art.  1 Abs.  5 Satz  2 , Art.  2 Abs.  3 und Erwägungsgrund (10) der Richtlinie. 619  Nach der Definition in Art.  1 Abs.  1 lit.  g) FinanzsicherheitenRL sind damit Finanzsicherheiten in Form von Finanzinstrumenten gemeint, bei denen die Eigentumsverhältnisse durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem von einem Intermediär oder für den Intermediär selbst geführten Depotkonto nachgewiesen werden. 620  Siehe Erwägungsgrund (10) mit weiteren Beispielen. 621  Nach Art.  4 Abs.  3 a. F. waren Mitgliedstaaten, die eine Aneignung nicht zulassen, nicht zu deren Anerkennung verpflichtet. Da kein Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hatte, wurde die Regelung im Zuge der Überarbeitung von 2009 gestrichen; siehe Art.  2 Abs.  7 lit.  c) der Richtlinie 2009/44/EG. Rechtspolotisch war Art.  4 Abs.  3 a. F. ohnehin umstritten; siehe von Wilmowsky, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, §  89 Rn.  54.

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sicherheit verfügen kann, sofern dies in der Sicherungsvereinbarung vorgesehen ist. Mit diesem Verfügungsrecht, das der Erhöhung der Liquidität an den Finanzmärkten dient, erkennt die Richtlinie an, daß ein Sicherungsnehmer ein Interesse daran haben kann, den Sicherungsgegenstand seinerseits als Sicherheit einzusetzen oder mit ihm Handel zu treiben622 . Macht der Sicherungsnehmer von seinem Verfügungsrecht Gebrauch, hat er dem Sicherungsgeber zum Fälligkeitstermin Sicherheiten derselben Art zurückzugewähren. Sofern dies zwischen den Parteien vereinbart ist, kann er wahlweise auch den Wert der Sicherheiten gegen die maßgeblichen Verbindlichkeiten aufrechnen oder die Sicherheiten an Zahlungs statt verwenden (Art.  5 Abs.  2). In seiner vollen Bedeutung erschließt Art.  5 sich erst, wenn man sich die Rechtslage bei der Vollrechtsübertragung vor Augen hält, der es immanent ist, daß der Sicherungsnehmer als rechtlicher Eigentümer zumindest im Außenverhältnis über die Sicherheit verfügen kann623. Durch Art.  5 werden Pfandrechte an Wertpapieren und Sicherheiten in Form von Vollrechten einander angenähert, so daß es für das Sicherheitenmanagement des Sicherungsnehmers nicht länger darauf ankommt, nach welcher Form ihm die Sicherheiten bestellt wurden624 . Nach Art.  6 haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, daß Sicherheiten auch im Wege der Vollrechtsübertragung bestellt werden können. Damit soll das Risiko ausgeschaltet werden, daß eine Vollrechtsübertragung nach dem Recht eines Mitgliedstaates in die Bestellung eines beschränkten dinglichen Rechts umgedeutet und dann möglicherweise mangels Erfüllung der dafür notwendigen Voraussetzungen für unwirksam erklärt wird (recharacterisation risk)625. Art.  6 wurde vor allem mit Blick auf jene Rechtsordnungen in die Richtlinie eingefügt, in denen „transfer of title“-Vereinbarungen nicht durch Gesetz oder Rechtsprechung anerkannt waren626. Art.  7 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die vertraglich vereinbarte Aufrechnung infolge Beendigung (close-out netting) als wirksam und insolvenzfest anzuerkennen. Art.  8 regelt die Freistellung der von der Richtlinie erfaßten Finanzsicherheiten von bestimmten insolvenzrechtlichen Bestimmungen wie insbesondere den sog. „NullUhr-Rege­lungen“, wonach die Wirkungen der Insolvenzeröffnung auf den Beginn des betreffenden Tages zurückverlegt werden. Der Schutz erstreckt sich auch auf Nachschuß- und Austauschsicherheiten (Art.  8 Abs.  3). In der Kollisionsnorm des Art.  9 nimmt sich die Richtlinie schließlich der Frage des auf die Bestellung und Verwertung einer Finanzsicherheit anwendbaren Rechts an. In Anknüpfung an Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL folgt das Gemeinschaftsrecht auch hier dem „Place of the Rele­ vant Intermediary Approach“ (PRIMA): Die Bestellung und Verwertung unterliegt dem Recht des Landes, in dem das maßgebliche Konto geführt wird. 622  von Wilmowsky, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bankund Kapitalmarktrecht, §  89 Rn.52. 623  Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, S.  225. 624  Wust, Verbuchung, S.  293; Löber, BKR 2001, 118, 122. 625  Erwägungsgrund (13). 626  Löber, BKR 2001, 118, 122.

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d)  Richtlinienkonformität des deutschen Rechts Das deutsche Recht genügt den Vorgaben der Richtlinie fast ohne Einschränkung. Im Hinblick auf Art.  3 Abs.  1 Satz  1 bestand kein Umsetzungsbedarf, weil Formerfordernisse der von dieser Vorschrift untersagten Art in den §§  1204 ff. BGB ohnehin nicht vorgesehen sind. Insbesondere steht die nach §  1205 Abs.  2 BGB notwendige Anzeige der Verpfändung gegenüber dem Besitzmittler nicht mit der Richtlinie in Konflikt627. Denn wie bereits erwähnt, hat die Anzeige den Zweck, die Publizität der Verpfändung zu sichern und dem Besitzmittler die Möglichkeit abzuschneiden, sich durch Rückgabe der Sache an den Verpfänder von seiner Herausgabeverpflichtung gegenüber dem Pfandgläubiger zu befreien. Sie ist somit ein notwendiges Element der „Bereitstellung“ des Pfandes insofern, als erst durch sie der Gläubiger die vollständige Kontrolle über das Pfand erlangt. Die Verpfändungsanzeige als Formerfordernis aufzufassen wäre auch deshalb fragwürdig, weil es sich dabei nach h. M. um eine formfreie (!) empfangsbedürftige Willenserklärung handelt628. Den von Art.  4 aufgestellten Vorgaben für die Verwertung einer Finanzsicherheit in Form eines beschränkten dinglichen Rechts hat der Gesetzgeber mit einer ganzen Reihe von Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Insolvenzordnung Rechnung getragen, unter anderem mit der Einfügung des §  1259 BGB sowie der Anpassung des §  166 Abs.  3 InsO629. Von beiden Vorschriften war bereits die Rede. In §  1259 BGB, der die Verwertung eines Pfandes, das einen Börsen- oder Marktpreis hat, von den Restriktionen der §§  1229, 1233 ff. BGB freistellt, ist der Gesetzgeber sogar über die Vorgaben der Richtlinie hinausgegangen. Denn die Vorschrift gelangt nicht bloß zwischen Einrichtungen des Finanzsektors i. S. von Art.  1 Abs.  2 der Richtlinie zur Anwendung, sondern im Verkehr zwischen Unternehmern i. S. von §  14 BGB. Europarechtliche Bedenken gegen diese überschießende Umsetzung bestehen nicht630. Keinen Anpassungsbedarf sah der Gesetzgeber im Hinblick auf das durch Art.  5 vorgeschriebene Recht des Pfandnehmers, über die Pfandsache bereits vor Eintritt der Fälligkeit wie ein Eigentümer zu verfügen. Er begründete dies damit, daß es den Parteien schon nach geltendem Recht freistehe, ein unregelmäßiges (irreguläres) Pfandrecht zu vereinbaren, kraft dessen der Gläubiger berechtigt ist, die ihm zu Sicherungszwecken überlassenen Sachen durch Aneignung oder Veräußerung zu verwenden und an ihrer Stelle gleichartige Sachen zurückzugewähren631. Nun mag zutreffen, daß das irreguläre Pfandrecht in Rechtsprechung und Schrifttum im 627  Ruzik, Finanzmarktintegration, S.   471 f.; für die Drittschuldneranzeige nach §  1280 BGB Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  115; Kollmann, WM 2004, 1012, 1018; zweifelnd von Wilmowsky, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, §  89 Rn.  4 4. 628 Palandt/Wicke, BGB, §  1205 Rn.  7. 629  Siehe ferner die Ergänzung von §  21 Abs.  2 sowie die Anpassung von §  223 Abs.  1 InsO. 630  Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  140; Kieper, ZInsO 2003, 1109, 1119. 631 Begr. des Entwurfs der Bundesregierung eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze vom 29. Oktober 2003, BT-Drucks. 15/1853, S.  11 f.

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Grundsatz anerkannt ist632 . Da dieses Recht bislang nur am Beispiel von Sonderfällen wie dem Flaschenpfand oder der Mietkaution diskutiert worden und nicht in allen wesentlichen Einzelheiten geklärt ist – das gilt etwa für die Zulässigkeit von Verfallvereinbarungen i. S. des §  1229 BGB –, wäre jedoch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung wünschenswert gewesen, zumal gerade im Bereich der Finanzsicherheiten ein hohes Maß an Rechtsklarheit vonnöten ist633. Auch die von Art.  6 geforderte Anerkennung der Wirksamkeit von Vollrechtsübertragungen zu Sicherungszwecken bedurfte nach Ansicht des Gesetzgebers keiner Umsetzung in das deutsche Recht634 . In der Tat ist die Sicherungsübereignung mittlerweile so fest im deutschen Recht verankert, daß von einer gesetzlichen Regelung abgesehen werden konnte. Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit wiegen hier jedenfalls weniger schwer als im Hinblick auf das irreguläre Pfandrecht635. Der in Art.  7 vorgeschriebenen Verpflichtung, das Liquidations-Netting als wirksam und insolvenzfest anzuerkennen, ist der deutsche Gesetzgeber durch eine Ergänzung von §  96 und §  104 InsO nachgekommen636. §  96 Abs.  2 InsO nimmt Verfügungen über Finanzsicherheiten i. S. des §  1 Abs.  17 KWG vom Aufrechnungsverbot des §  96 Abs.  1 InsO aus und schützt sie damit in gleicher Weise wie die Verrechnung von Zahlungs- oder Übertragungsaufträgen, die in ein Abwicklungssystem eingebracht wurden. Und in §  104 Abs.  1 Satz  3 Nr.  6 InsO (bis 28. Dezember 2016: §  104 Abs.  2 Satz  2 Nr.  6 InsO) ist bestimmt, daß Finanzsicherheiten i. S. des §  1 Abs.  17 KWG als Finanzleistungen gelten, die dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß §  103 InsO entzogen sind. Art.  8 der Richtlinie wurde durch eine Ergänzung des §  81 Abs.  3 und des §  130 Abs.  1 InsO in das deutsche Recht umgesetzt637. Nach §  81 Abs.  3 Satz  2 InsO ist eine Verfügung des Schuldners über Finanzsicherheiten i. S. des §  1 Abs.  17 KWG unbeschadet der Regelungen über die Insolvenzanfechtung (§§  129 bis 147 InsO) wirksam, wenn sie am Tag der Eröffnung erfolgt und der andere Teil nachweist, daß er die Eröffnung des Verfahrens weder kannte noch kennen mußte. 632  Die Gesetzesbegründung verweist insoweit u. a. auf BGHZ 127, 138 ff.; Soergel/Habersack, BGB, §  1204 Rn.  30 ff. m. w. N.; siehe ferner Baur/Stürner, Sachenrecht, §  55 Rn.  5. 633  Ebenfalls kritisch Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  143 ff.; Herring/Christea, ZIP 2004, 1627, 1630; Keller, BKR 2003, 481; Kieper, ZInsO 2003, 1109, 1114 f.; Kollmann, WM 2004, 1012, 1019 f.; zurückhaltender Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 131. Anders als in Deutschland wurden in den Niederlanden auch fundamentale Einwände gegen das Nutzungsrecht des Pfandgläubigers geltend gemacht; siehe Westrik, ZVglRWiss 105 (2006), 325, 332 ff. 634 Begr. des Entwurfs der Bundesregierung eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze vom 29. Oktober 2003, BT-Drucks. 15/1853, S.  12. 635  Keine Einwände gegen das Absehen von einer gesetzlichen Regelung denn auch bei Koll­ mann, WM 2004, 1012, 1018; kritischer Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  145 ff., der Zweifel daran anmeldet, ob die in der Praxis anzutreffenden Vollrechtsübertragungen (z. B. im Rahmen von Wertpapierpensionsgeschäften) pauschal als Sicherungsübereignungen angesehen werden können. 636  Ausführlich dazu Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  127 ff. 637  Ausführlich dazu Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  116 ff.

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Und in §  130 Abs.  1 Satz  2 InsO werden Margensicherheiten von der Anfechtung wegen kongruenter Deckung ausgenommen. An der korrekten Umsetzung der Richtlinie bestehen insoweit Zweifel, denn Art.  8 Abs.  3 will lediglich verhindern, daß die Bestellung einer Finanzsicherheit allein deswegen als unwirksam angesehen oder rückgängig gemacht werden kann, weil sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde. Unter den Anfechtungstatbeständen knüpft jedoch nur die Anfechtung wegen inkongruenter Deckung (§  131 InsO) allein an ein Zeitmoment an, während im Rahmen des §  130 Abs.  1 Satz  1 InsO auch ein subjektives Moment (Kenntnis des Gläubigers von Zahlungsunfähigkeit bzw. Eröffnungsantrag) erforderlich ist638.

5. Ergebnis Für die Verpfändung von Girosammelanteilen fällt die Untersuchung des Miteigentumsmodells insgesamt etwas günstiger aus als für die Übertragung. Die §§  1205 ff. BGB bieten für die Verpfändung eine geeignete Grundlage, auch wenn man darüber streiten kann, ob und in welchen Konstellationen der Tatbestand des §  1205 Abs.  1 Satz  1 oder jener des §  1205 Abs.  2 BGB einschlägig ist. Gemäß §  1207 BGB ist auch ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb möglich. Der Abgleich der Vorschriften über Bestellung und Verwertung eines Pfandrechts mit den Vorgaben der Finanzsicherheitenrichtlinie hat keine Beanstandungen ergeben.

VIII. Zwangsvollstreckung Abschließend ist noch zu untersuchen, ob das deutsche Recht im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung in girosammelverwahrte Wertpapiere Lücken und Unklarheiten aufweist. Dabei ist zwischen der Vollstreckung wegen einer Geldforderung (unter 1) und der Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe zu unterscheiden (unter 2).

1.  Vollstreckung wegen einer Geldforderung Die Zwangsvollstreckung in Girosammelanteile wegen einer Geldforderung richtet sich nicht nach den Vorschriften über bewegliche Sachen, sondern nach den Vorschriften über sonstige Vermögensrechte (§  857 Abs.  1, 828 ff. ZPO)639. Die Pfändung ist somit durch Zustellung eines Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner zu be638  Zu den damit verbundenen Auslegungsproblemen näher Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/ Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 129 f. 639 BGHZ 160, 121, 124; BGH, NJW-RR 2008, 494, 495; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   6 Rn.  50; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, §  857 Rn.  73; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  132; Wust, Verbuchung, S.  178; Erk, Rpfleger 1991, 236.

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wirken (§  829 ZPO). Drittschuldner sind bei der Miteigentumsgemeinschaft an sich die übrigen Miteigentümer640. Auf die Sammelverwahrung von Wertpapieren läßt sich dieser Grundsatz aber schon aus praktischen Gründen nicht übertragen. Denn eine Zustellung an die übrigen Miteigentümer würde hier wegen deren Vielzahl und Anonymität auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Die h. M. läßt denn auch zu Recht die Zustellung an denjenigen (Zwischen-)Verwahrer genügen, der für den Schuldner das Depotkonto führt641. Um diese Modifikation des §  829 ZPO zu begründen, muß man nicht zu der gekünstelt wirkenden Konstruktion einer stillschweigenden Ermächtigung des Sammelverwahrers durch den Miteigentümer zum Empfang von Zustellungen greifen642 . Sie ergibt sich vielmehr unmittelbar aus der rechtlichen Sonderstellung der Sammeldepotgemeinschaft und dem Zweck des §  829 ZPO. Bei der Sammeldepotgemeinschaft als einer verwahrungstechnisch bedingten Zufallsgemeinschaft wird die Bindung der Teilhaber untereinander nahezu vollständig durch die jeweilige Beziehung zwischen dem Anleger und seinem Verwahrer ersetzt. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, daß an die Stelle des Anspruchs gegen die übrigen Miteigentümer auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft gemäß §  749 BGB der Anspruch gegen den Verwahrer auf Auslieferung einzelner Wertpapiere gemäß §  7 Abs.  1 DepotG tritt. Die Zustellung eines Pfändungsbeschlusses an die übrigen Miteigentümer wäre in diesem System ein Fremdkörper. Sie würde auch ihren Zweck verfehlen, weil ein Pfandrecht an einem Sammelanteil die Anteile der übrigen Teilhaber nicht berührt und diese auch gar nicht die Möglichkeit hätten, Verfügungen des Schuldners über seinen Anteil zum Nachteil des Gläubigers zu unterbinden. Auch könnten sie keine Drittschuldnererklärung gemäß §  840 ZPO abgeben. Zu ­alldem ist allein der depotführende Verwahrer in der Lage643. Aus diesen Gründen bedarf es auch nicht der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die unmittelbar besitzende Wertpapiersammelbank644, erst recht nicht der Zustellung an den Emittenten645. Das Risiko eines sog. upper tier attachment, d. h. der Pfändung der Rechtsposition des Anlegers auf einer übergeordneten Ebene der Verwahrpyramide, ist (nur) bei diesem Verständnis des §  829 ZPO ausgeschlossen646. 640  Siehe statt vieler Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, §  857 Rn.  11; MünchKommZPO/Smid, §  857 Rn.  3. 641  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  50; Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  36 (S.  175); Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  119; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/79; Beckmann, Reformbedarf, S.  102; Kunst, Zwangsvollstreckung in Wertpapiere, S.  166 f.; Wust, Verbuchung, S.  179 f. 642  So Baumbach/Hopt/Kumpan, HGB, §  6 DepotG Rn.  2 . 643  Kunst, Zwangsvollstreckung in Wertpapiere, S.  167; Wust, Verbuchung, S.  179. 644  Kunst, Zwangsvollstreckung in Wertpapiere, S.  167; Wust, Verbuchung, S.  179; a. A. Quas­ sowski/Schröder, Bankdepotgesetz, §  8 Anm. C 3; Apfelbaum, Verpfändung, S.  298; wohl auch Udo Becker, JuS 2005, 232, 235, bei dem allerdings unklar bleibt, ob er ausschließlich die Wertpapiersammelbank oder auch die Depotbank des Schuldners als Drittschuldner ansieht. 645  Unzutreffend daher Lehmann, Finanzinstrumente, S.  451, der verkennt, daß das Miteigentum an der Urkunde und nicht das in dieser verbriefte Recht Gegenstand der Pfändung ist. 646  Vgl. MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  130.

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Nach allgemeiner und zutreffender Auffassung ist anstelle der Pfändung des Mit­ eigentumsanteils auch die Pfändung des schuldrechtlichen Auslieferungsanspruchs des Hinterlegers gegen den depotführenden Verwahrer aus §  7 Abs.  1 DepotG zulässig (§§  846, 847, 829 ZPO)647. Wegen der weitgehenden Verdrängung einzelverbriefender Wertpapiere durch Dauerglobalurkunden tendiert die praktische Bedeutung dieser Möglichkeit mittlerweile freilich gegen Null. Daher rückt die Frage in den Vordergrund, ob auch der ebenfalls aus dem Depotvertrag abzuleitende Anspruch auf Umbuchung des Depotguthabens Gegenstand einer Pfändung sein kann. Sie ist, wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluß vom 16. Juli 2004 bestätigt hat648, zu bejahen, und zwar in konsequenter Fortführung der oben angestellten Überlegung, wonach dieser Anspruch als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs zu qualifizieren ist649. Die Pfändung des depotvertraglichen Auslieferungs- bzw. Umbuchungsanspruchs hat allerdings gegenüber der Pfändung des Miteigentumsanteils den Nachteil, daß sie noch kein Pfandrecht an dem Gegenstand selbst begründet. Erst mit der Herausgabe an den Gerichtsvollzieher verwandelt sich das Pfändungspfandrecht an dem Anspruch in ein Pfändungspfandrecht an den ausgelieferten Urkunden bzw. umgebuchten Sammelanteilen. Ein nach §   857 ZPO begründetes Pfandrecht an dem Miteigentumsanteil geht daher einem Pfandrecht an dem schuld­ recht­lichen Auslieferungs- bzw. Umbuchungsanspruch im Range vor650. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt in der Pfändung eines Sammelanteils zugleich eine Pfändung des Auslieferungsanspruchs als Teil der Rechtsposition des Schuldners, auch wenn dies im Pfändungsbeschluß nicht ausdrücklich erwähnt wird651. Bieten die Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts, auch wenn sie auf die Frage nach dem „richtigen“ Drittschuldner i. S. des §  829 ZPO keine eindeutige Antwort geben, somit eine im großen und ganzen ausreichende Grundlage für die Pfändung von Girosammelanteilen, so läßt sich das für die Verwertung gepfändeter Anteile nur mit erheblichen Einschränkungen sagen. Ein Teil des Schrifttums geht lapidar von der Anwendbarkeit des §  847 ZPO aus und hält neben der Überweisung des Anteils zur Einziehung eine Anordnung des Vollstreckungsgerichts für erforderlich, eine dem Anteil entsprechende Zahl von Wertpapieren an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben. Diese Wertpapiere könnten sodann vom Gerichtsvollzieher nach den Vorschriften über die Verwertung gepfändeter Sachen verwertet werden, d. h. entweder im Wege des freihändigen Verkaufs (§  821 ZPO) oder (bei Wertpapieren, die keinen Börsen- oder Marktpreis haben) im 647  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  6 Rn.  50; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/79a; Kunst, Zwangsvollstreckung in Wertpapiere, S.  167. 648  BGHZ 160, 121, 126. Näher zu diesem Beschluß sogleich unter 2. 649  Zu kurz gegriffen sind daher die Ausführungen bei MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  131 und Apfelbaum, Verpfändung, S.  300. 650 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  131; Kunst, Zwangsvollstreckung in Wertpapiere, S.  167; allgemein dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, §  847 Rn.  6. 651  BGHZ 160, 121, 126; siehe ferner Kunst, Zwangsvollstreckung in Wertpapiere, S.  167.

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Wege der öffentlichen Versteigerung (§  814 ZPO)652 . Allerdings geht diese Auffassung an den heutigen Gegebenheiten vorbei, beruht sie doch auf der längst überholten Annahme, daß ein Sammelbestand sich stets aus einzelnen Urkunden zusammensetzt, die je nach Bedarf an den Gläubiger bzw. Gerichtsvollzieher herausgegeben werden können. Zudem hat sie den Nachteil, daß die Auslieferung einzelner Urkunden umständlich ist und der mit der Einrichtung des Girosammelsystems verbundenen Intention widerspricht, über die zentralverwahrten Wertpapiere rationell durch Bucheinträge verfügen zu können. Mit Rücksicht auf die Dauerglobalurkunde kommt man heute jedenfalls nicht mehr um die Suche nach einer Möglichkeit herum, auch die Verwertung gepfändeter Girosammelanteile ausschließlich durch Buchungsvorgänge abzubilden. Wust hat denn auch unlängst darauf hingewiesen, daß anstelle der Einziehung und Verwertung einzelner Urkunden die Verwertung des Miteigentumsanteils selbst in Betracht kommt, und zwar auf dem Weg über §§  857 Abs.  1, 844 ZPO. Die Einziehung des Miteigentumsanteils sei mit besonderen Schwierigkeiten i. S. des §  844 Abs.  1 ZPO verbunden, da sie bei der Dauerglobalurkunde ausgeschlossen und in den Fällen der Einzelverbriefung zumindest unzweckmäßig sei. Daher könne das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers eine andere Art der Verwertung anordnen, nämlich regelmäßig den freihändigen Verkauf des Miteigentumsanteils auf einem geeigneten börslichen oder außerbörslichen Markt, ausnahmsweise auch die öffentliche Versteigerung. Der Erwerber erlange den Miteigentumsanteil durch entsprechende Umbuchungen nach den Grundsätzen des Effektengiroverkehrs. Die aus der Anordnung des Vollstreckungsgerichts herzuleitende Befugnis des Gerichtsvollziehers, den Verwahrer zur Umbuchung anzuweisen, entspreche dabei der Befugnis, die Herausgabe der Wertpapiere nach §  847 ZPO zu verlangen653. Damit dürfte in der Tat ein praktisch gangbarer und dogmatisch gut begründbarer Weg aufgezeigt sein. Gegen ihn läßt sich jedenfalls nicht einwenden, daß die Übertragung des Miteigentumsanteils nach einem freihändigen Verkauf oder einer öffentlichen Versteigerung die Einräumung des unmittelbaren Besitzes an der Sache voraussetzt654 . Zwar wird unter einer „Ablieferung“ i. S. des §  817 Abs.  2 ZPO grundsätzlich die körperliche Übergabe der Sache verstanden. Doch genügt ausnahmsweise auch die Einräumung mittelbaren Besitzes, sofern sich die Sache wegen ihrer Beschaffenheit nicht am Versteigerungsort befindet655. Mit einem solchen Fall hat man es auch hier zu tun. Dabei ist auch zu bedenken, daß es gerade nicht um die Pfändung und Verwertung bestimmter Urkunden, sondern um die Pfändung und Verwertung eines Miteigentumsanteils geht, bei dem eine „Ablieferung“ ohnehin nur in 652  Opitz, DepotG, §§  6, 7, 8 Anm.  36 (S.  175 f.); Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  120; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/79. 653  Wust, Verbuchung, S.  181 ff.; ähnliche, wenngleich weniger ausgefeilte Überlegungen bereits bei Kunst, Zwangsvollstreckung in Wertpapiere, S.  168; siehe ferner Erk, Rpfleger 1991, 236, 237 f. 654  So aber Apfelbaum, Verpfändung, S.  299 f. 655 MünchKomm-ZPO/Gruber, §  817 Rn.  11 m. w. N.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Form der Verschaffung mittelbaren Besitzes in Betracht kommt656. So wenig dieser Umstand einer öffentlichen Versteigerung entgegensteht, so wenig bildet er ein Hindernis für einen freihändigen Verkauf des Anteils. Aus §  808 ZPO, der die Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen betrifft, läßt sich schon deshalb kein Gegenargument ableiten, weil diese Vorschrift auf die Pfändung von Girosammelanteilen nicht anwendbar ist657.

2.  Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe Auch soweit es um die Vollstreckung eines Titels zur Herausgabe von girosammelverwahrten Wertpapieren geht, hält das deutsche Recht keine klaren und vollständigen Regelungen bereit. Zu welchen Behelfslösungen dieser Befund zwingt, zeigt der Beschluß des IXa. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2004658. Ihm lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Schuldnerin war rechtskräftig verurteilt worden, an den Gläubiger 47.171 Aktien der V-AG zu übertragen. Die – in einer Globalurkunde verbrieften – Aktien waren auf einem von einer Stadtsparkasse geführten Depotkonto der Schuldnerin verbucht. Der Gläubiger erwirkte zunächst einen Pfändungsbeschluß gegen die Schuldnerin, wonach deren Anteilsrecht als Aktionärin gegenüber der V-AG und der Stadtsparkasse als Drittschuldnerin gepfändet wurde. Anschließend beantragte er beim Amtsgericht, gemäß §  857 Abs.  4 ZPO die Verwertung der gepfändeten Anteilsrechte der Schuldnerin dahingehend anzuordnen, daß die Stadtsparkasse die Aktien auf das Depotkonto des Gläubigers zu übertragen habe. Hilfsweise beantragte er, ihm die Anteilsrechte zur Einziehung zu überweisen.

Die Anträge wurden vom Amtsgericht zurückgewiesen, die sofortige Beschwerde beim Landgericht hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung beider Gerichte lagen die Voraussetzungen des §  857 Abs.  4 ZPO nicht vor, weil der Gläubiger die Pfändung der Anteilsrechte nicht wegen einer Geldforderung, sondern zur Durchsetzung des te­ norierten Übertragungsanspruchs betrieben habe. Aus diesem Grund hätte schon der Pfändungsbeschluß gegen die Schuldnerin nicht erlassen werden dürfen. Für den Gläubiger bestand damit die Gefahr, daß sein Herausgabeanspruch ins Leere läuft. Der mit der Rechtsbeschwerde angerufene Bundesgerichtshof hielt das zu Recht für inakzeptabel. Zwar stimmte er den unteren Instanzen darin zu, daß §  857 ZPO auf Fälle der vorliegenden Art nicht paßt, weil er im Abschnitt über die Zwangsvoll­ streckung wegen Geldforderungen steht, während die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen gesondert in den §§  883 ff. ZPO geregelt ist659. Mit §  883 Abs.  1 ZPO, der gemäß §  884 ZPO entsprechend gilt, wenn der Schuldner 656 Überzeugend Wust, Verbuchung, S.   182 f. Konsequenterweise ablehnend Beckmann, Reformbedarf, S.  106, der einen mittelbaren Besitz an sammelverwahrten Wertpapieren für nicht begründbar hält. 657  Das verkennt Apfelbaum, Verpfändung, S.  300. 658  BGHZ 160, 121. 659  BGHZ 160, 121, 123 f.

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

287

eine bestimmte Menge vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zu leisten hat, glaubt der Bundesgerichtshof hier freilich ebenfalls nicht weiterkommen zu können. Das Hindernis sieht er darin, daß sammelverwahrte Wertpapiere nicht beim Schuldner „weggenommen“ und dem Gläubiger „übergeben“ werden können660. Aus der Tatsache, daß die Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts der „Entwicklung des Wertpapiermarktes zu globalverbrieften und sammelverwahrten Wertpapieren“ nicht Rechnung tragen, müsse jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß ein auf die Übertragung solcher Wertpapiere gerichteter Titel ins Leere geht. Vielmehr sei eine analoge Anwendung des §  886 ZPO geboten. Sie läuft nach den Vorstellungen des Bundesgerichtshofs darauf hinaus, daß der Gläubiger den auf einen „Eigentumswechsel durch eine Umbuchung“ gerichteten Herausgabeanspruch des Schuldners gegen seine Depotbank pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen muß. Für die Vollstreckung entsprechend §  886 ZPO komme es nicht auf den Gewahrsam an der Sammelurkunde, sondern darauf an, daß die Depotbank den „für die Eigentumsübertragung noch notwendigen Akt der Übergabe durch Umbuchung zwischen den Depots ebenso leicht vollziehen kann wie sie einzelverbriefte Wertpapiere herausgeben könnte“661. In der Pfändung des „Anteilsrechts“ der Schuldnerin auch gegenüber der Stadtsparkasse als Depotführerin liege zugleich eine Pfändung „des Herausgabeanspruchs gemäß §§  7, 8 DepotG als Teil der Rechtsposition der Schuldnerin“662 . Im Schrifttum gehen die Meinungen über den BGH-Beschluß auseinander. Während die einen in ihm einen praxisgerechten Beitrag zur Rechtsklarheit sehen663, wird er von anderen als Beleg für das Versagen des Zwangsvollstreckungs- und materiellen Depotrechts gewertet664 . In beiden Einschätzungen liegt ein Körnchen Wahrheit. Richtig ist, daß der Bundesgerichtshof eine Lösung gefunden hat, die dem Gläubiger zur effektiven Durchsetzung seines Titels verhilft und für die Depotbank keinen Zweifel daran läßt, daß und wie sie an der „Herausgabe“ der Wertpapiere mitzuwirken hat. In einer Rechtsordnung, die Girosammelanteile als selbständige Vermögensobjekte anerkennt, muß der Gläubiger einen auf die Übertragung solcher Anteile gerichteten Titel auch realisieren können, ohne von der Mitwirkungsbereitschaft der Depotbank des Schuldners abhängig zu sein665. Richtig ist aber auch, daß die Lösung des Bundesgerichtshofs mit den Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts nicht ohne weiteres zu vereinbaren ist und auch in depotrechtlicher Hinsicht Zweifel zurückläßt. §  886 ZPO hat den Fall vor Augen, daß sich die herauszugebende Sache im Gewahrsam eines Dritten befindet, und will dem Gläubiger die Möglichkeit 660 

BGHZ 160, 121, 124 f. BGHZ 160, 121, 125. 662  BGHZ 160, 121, 126. 663  Pamp, EWiR §  886 ZPO 1/05, 95; Walker/Wrobel, LMK 2004, 236. 664  Beckmann, Reformbedarf, S.  106 ff.; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  452 ff.; Einsele, WuB I G 3.-1.04, die allerdings dem Beschluß im Ergebnis zustimmt. 665  In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Depotbank offenbar die Umbuchung verweigert, weil sie sich nicht sicher war, ob in der Verteilung des Schuldners zur Übertragung der Aktien zugleich eine Anweisung an sie enthalten war; siehe BGHZ 160, 121, 123. 661 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

eröffnen, auch von diesem Dritten die Herausgabe zu verlangen und den Herausgabeanspruch notfalls zwangsweise durchzusetzen666. In Fällen der vorliegenden Art soll jedoch nicht ein Anspruch des Schuldners gegen den Gewahrsamsinhaber, d. h. den Zentralverwahrer, der Pfändung und Überweisung unterworfen sein, sondern der Anspruch des Schuldners gegen die depotführende Bank als Zwischenverwahrerin. Mit der entsprechenden Anwendung des §  886 ZPO entfernt sich der Bundesgerichtshof weit von der gesetzlichen Regelung der §§  883 ff. ZPO, derzufolge auf die Sache dort zugegriffen werden soll, wo sie sich tatsächlich befindet667. Eine weitere – und größere – Schwäche des Beschlusses liegt darin, daß dem Bundesgerichtshof keine überzeugende Verortung des von ihm angenommenen Anspruchs auf einen „Eigentumswechsel durch eine Umbuchung“ gelingt. Der Hinweis auf den „Herausgabeanspruch gemäß §§  7, 8 DepotG“ ist zu pauschal und geht auch in der Sache fehl, weil in §  7 DepotG nur der Anspruch des Depotkunden auf die Auslieferung von Einzelurkunden geregelt ist und §  8 DepotG keine Anspruchsgrundlage darstellt. Sind die Aktien – wie auch für den vom BGH entschiedenen Fall anzunehmen ist – in einer Dauerglobalurkunde verbrieft, kommt ein Rückgriff auf §  7 DepotG ohnehin nicht in Betracht. Dann gibt es keinen Auslieferungsanspruch des Schuldners, den der Gläubiger pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen könnte. Um seine Behelfskonstruktion auch materiellrechtlich abzusichern, hätte der Bundesgerichtshof den Anspruch des Depotkunden auf einen „Eigentumswechsel durch eine Umbuchung“ stattdessen aus dem Depotvertrag mit der Bank ableiten müssen668.

3. Ergebnis Damit kann als Ergebnis festgehalten werden, daß die Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts für die Pfändung von Girosammelanteilen wegen einer Geldforderung eine im großen und ganzen ausreichende Grundlage abgeben, auch wenn sie auf die Frage nach dem „richtigen“ Drittschuldner i. S. des §  829 ZPO keine eindeutige Antwort geben. Für die Verwertung gepfändeter Anteile läßt sich das dagegen nur mit erheblichen Einschränkungen sagen. Das zeigt sich vor allem, wo es um Anteile an einer Globalurkunde geht. Auch soweit es um die Vollstreckung eines Titels zur Herausgabe von girosammelverwahrten Wertpapieren geht, hält das deutsche Recht keine klaren und vollständigen Regelungen bereit. Zwar lassen sich für die hier interessierenden Fälle praktikable und halbwegs vertretbare Lösungen finden. Alles in allem aber kann man dem Bundesgerichtshof nicht widersprechen, wenn er feststellt, daß die Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts der „Entwicklung des Wertpapiermarktes zu globalverbrieften und sammelverwahrten Wertpapieren“ nicht Rechnung tragen. 666 MünchKomm-ZPO/Gruber,

§  886 Rn.  1. Depotgeschäft, Rn.  133. 668  So auch Einsele, WuB I G 3.-1.04. 667 MünchKomm-HGB/Einsele,

§  6  Girosammelverwahrung im Inland

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IX. Zusammenfassung Die sachenrechtliche Konstruktion der Girosammelverwahrung und des Effekten­ giroverkehrs wird häufig als hochgradig gekünstelt und lebensfremd kritisiert669. Diese Kritik entbehrt sicherlich nicht einer gewissen Berechtigung. Das eigentliche Problem liegt aber woanders: in einem bedenklichen Mangel an Rechtsklarheit und -sicherheit. Bei eingehender Untersuchung offenbart das Miteigentumsmodell des Depotgesetzes so viele Schwächen, daß man ihm nur mit erheblichen Einschränkungen interne Verläßlichkeit (internal soundness) attestieren kann670. Zwar hat dieses Modell in der Praxis bislang ohne nennenswerte Beanstandungen funktioniert. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es in einer ganzen Reihe wesentlicher Punkte unklar, lückenhaft und umstritten ist und zum Teil mit Annahmen operiert, die sich entweder nicht überzeugend begründen lassen oder bei einem Abgleich mit den tatsächlichen Verhältnissen im Effektengiroverkehr als fragwürdige Fiktion herausstellen. Soweit gesagt wird, der „moderne Effektengiroverkehr“ habe sich „inzwischen weit von der dogmatischen Grundlage im Sachenrecht entfernt“671, so ist das insofern richtig, als der Mangel an Rechtsklarheit und -sicherheit zu einem nicht geringen Teil auf die schrittweise Weiterentwicklung der Girosammelverwahrung und des Effektengiroverkehrs seit Inkrafttreten des Depotgesetzes von 1937 zurückzuführen ist. Einer schweren Belastungsprobe wurde die Tragfähigkeit der Miteigentumskonstruktion vor allem durch die Legalisierung der Dauerglobalurkunde im Jahr 1972 ausgesetzt, die das einzelverbriefende Wertpapier mittlerweile fast vollständig verdrängt und nur noch den Zweck hat, als Grundlage von Buchungsvorgängen zu dienen. Einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Rechtsunsicherheit hat aber auch die Einführung des zentralen Kontrahenten an der Frankfurter Wertpapierbörse im Jahr 2003 geleistet. Denn dadurch ist die ohnehin schon schwierige Anwendung der §§  929 ff. BGB auf den Effektengiroverkehr noch komplizierter geworden. Der schwächste Punkt des Miteigentumsmodells liegt nicht in der Annahme, die Depotbanken und Anleger seien mittelbare Mitbesitzer ersten bzw. zweiten Grades des bei der Clearstream Banking AG deponierten Sammelbestandes. Zwar ist diese Annahme bei der Dauerglobalurkunde problematisch, weil dem Depotkunden in diesem Fall kein Anspruch auf Auslieferung einzelner Wertpapiere zusteht, der nach allgemeinem sachenrechtlichen Verständnis zur Begründung einer tatsächlichen Sachherrschaft über den Sammelbestand geeignet wäre. Immerhin aber ist es methodisch möglich – und im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers auch geboten –, die aus dem Depotvertrag folgende Rechtsmacht des Kunden, seinen Verwahrer zur 669 

Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2022; Wust, Verbuchung, S.  253. In diesem Sinne auch Chun, Cross-Border Transactions, S.  194 f. 671  Bundesministerium der Justiz, Eckpunktepapier zur Reform des Depotrechts vom 29. Mai 2008, Punkt 2. 670 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Umbuchung seines Guthabens zu veranlassen, als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs anzuerkennen. Der eigentlich neuralgische Punkt des Miteigentumsmodells liegt woanders, nämlich in der Konstruktion der Anteilsübertragung nach §  929 Satz  1 BGB im allgemeinen und der Annahme eines direkten Eigentumsübergangs vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger im besonderen. Es stellt dem deutschen Recht kein gutes Zeugnis aus, daß schon in der zentralen Frage nach der Rolle der an der Übertragung mitwirkenden Intermediäre beim Zustandekommen der dinglichen Einigung (Bote? Stellvertreter?) keine Einigkeit besteht – ein Befund, der sich auch auf die Frage auswirkt, auf wessen Gutgläubigkeit es im Rahmen der §§  932 BGB, 366 HGB ankommt. Umstritten ist auch die (konstitutive?) Wirkung der Depotgutschrift, ja sogar die Frage, ob zur Vollendung des Rechtserwerb des Anlegers die Umbuchung der Girosammelanteile durch die Clearstream Banking AG genügt oder es auch einer Depotgutschrift auf dem Konto des Anlegers selbst bedarf. Die Schwierigkeiten, den Effektengiroverkehr in den Rahmen des Sachenrechts einzupassen, werden besonders deutlich, soweit es um Geschäfte unter Einschaltung der Eurex Clearing AG geht. Gerade bei ihnen zeigt sich, daß die Annahme eines direkten Eigentumsübergangs auf eine Fiktion hinausläuft, weil sich unter den Bedingungen des Effektengiroverkehrs objektiv gar nicht feststellen läßt, wer von wem erwirbt. Dies ist auch der Grund dafür, weshalb der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten nicht die große praktische Bedeutung zukommt, die ihr überwiegend beigemessen wird. Die Behauptung, auf der Grundlage des heute praktizierten Effektengiroverkehrs sei ein gutgläubiger Erwerb von Girosammelanteilen nicht gewährleistet, trifft allerdings nicht zu. Denn die Eintragungen in den Verwahrungsbüchern der Clearstream Banking AG und der Depotbanken sind als taugliche Rechtsscheinträger anzusehen, weil sich ihnen der mittelbare Mitbesitz des jeweiligen Kontoinhabers manifestiert und sie genaue Rückschlüsse auf die Höhe der Berechtigung erlauben. Bei der Abwicklung von Effektengeschäften unter Einschaltung der Eurex Clearing AG ist stattdessen hinsichtlich der durch die Clearstream Banking AG umzubuchenden Lieferspitzen die Zwischenbuchung auf dem Konto der Eurex Clearing AG als Rechtsscheinträger heranzuziehen. Bedenklich ist allerdings, daß im Modell des zentralen Kontrahenten das Niveau des Verkehrsschutzes letztlich vom Zufall abhängt, nämlich davon, wie viele Kunden der nichtberechtigt veräußernden Depotbank gleichzeitig Wertpapiere kaufen bzw. verkaufen und ob das Netting für diese Depotbank einen positiven, ausgeglichenen oder negativen Saldo ergibt. Etwas günstiger fällt der Untersuchungsbefund aus, soweit es um die Verpfändung von Girosammelanteilen geht. Das ist insofern nicht überraschend, als sowohl die Parteien des Sicherungsgeschäfts als auch der Verpfändungsgegenstand zweifelsfrei feststehen. Zu denken gibt es allerdings, daß keine Klarheit darüber besteht, ob sich die Verpfändung von Girosammelanteilen an einen Dritten nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 oder §  1205 Abs.  2 BGB richtet. Ein Mangel an Rechtsklarheit und -sicherheit hat sich schließlich auch im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung in Girosammelanteile gezeigt.

§  7  Sammelschuldbuchforderungen Mit den Sammelschuldbuchforderungen wendet sich die Untersuchung nun jenen in die Girosammelverwahrung durch die Clearstream Banking AG einbezogenen Kapitalmarkttiteln zu, mit denen der Schritt vom Wertpapier zum Wertrecht vollzogen wird. Sammelschuldbuchforderungen zeichnen sich dadurch aus, daß sie nicht in Urkunden verkörpert sind und dennoch wie Wertpapiersammelbestände im Sinne des Depotgesetzes behandelt werden. Sie unterliegen den Bestimmungen des Sachenrechts, obwohl tatsächlich keine Sachen vorhanden sind672 . Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem „Paradoxon ersten Ranges“673 ist im folgenden vor allem deshalb angezeigt, weil von manchen empfohlen wird, das bislang für Schuldtitel der öffentlichen Hand reservierte Konzept der Sammelschuldbuchforderungen de lege ferenda auf Kapitalmarkttitel privater Emittenten auszudehnen und auf diese Weise ein vollständig dematerialisiertes Effektenwesen zu schaffen674 . Zu beginnen ist mit einem Blick auf die historische Entwicklung des Schuldbuchrechts (unter I) sowie auf den Aufbau und die Funktion des Bundesschuldbuchs (unter II). Auf dieser Grundlage kann anschließend die rechtliche Behandlung der Sammelschuldbuchforderungen in ihren wesentlichen Einzelheiten geklärt und rechtspolitisch bewertet werden (unter III).

I. Rechtsentwicklung 1.  Vorkonstitutionelle Regelungen Die Rechtsentwicklung im Bereich der Schuldbuchforderungen – nach traditionellem Verständnis handelt es sich dabei um „nach den Normen des Privatrechts zu beurteilende Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand, die durch Eintragung in ein besonderes Register (Schuldbuch) begründet werden“675 – reicht bis in das vorletzte 672  Eben diese Gleichstellung mit sammelverwahrten Wertpapieren macht nach h. M. das Wesen der Wertrechte aus. Der Begriff ist allerdings schillernd, siehe dazu bereits oben §  2 IV 3. 673  Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 258. 674  Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  71 ff., 125 ff.; ders., Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S.  34 ff.; ders., WM 1976, 890 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  2.56; Habersack/ Mayer, WM 2000, 1678, 1684; Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1963 ff.; damit sympathisierend Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  10. 675  Brink, Rechtsbeziehungen, S.  29.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Jahrhundert zurück676. Schon das Reichsschuldbuchgesetz vom 31. März 1891677 sah nach dem Vorbild des Preußischen Staatsschuldbuchgesetzes vom 20. Juli 1883678 die Möglichkeit vor, Schuldverschreibungen des Reichs in auf den Namen eines bestimmten Gläubigers lautende Buchschulden umzuwandeln. Die Umwandlung setzte einen Antrag des Inhabers voraus und erfolgte gegen Einlieferung der Schuldverschreibungen durch Eintragung in das Schuldbuch (§  1 RSchbG). Umgekehrt konnte eine Schuldbuchforderung jederzeit auf Antrag des Gläubigers in eine Briefschuld rückumgewandelt werden679. Im Zuge der Neufassung des Reichsschuldbuchgesetzes vom 31. Mai 1910680 wurden originäre Einzelschuldbuchforderungen eingeführt, d. h. Buchschulden, die ohne Ausgabe effektiver Stücke durch Eintragung in das Schuldbuch begründet werden (§  2 RSchbG). Die Notwendigkeit des Drucks zahlreicher Einzelurkunden und der Vorlegung von Zinsscheinen und Urkundenbögen bei Fälligkeit war damit entfallen681. Der mit dieser Maßnahme verbundene Fortschritt war jedoch aus zwei Gründen noch unvollkommen: Zum einen war die Verkehrsfähigkeit der Schuldbuchforderungen stark eingeschränkt, weil sich ihre Übertragung nach Zessionsrecht (§§  398 ff. BGB) richtete, so daß nicht die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs gegeben war. Ein Erwerber von Schuldbuchforderungen konnte sich nicht darauf verlassen, daß der Zedent nicht bereits anderweitig über den Anteil verfügt hatte. Hinderlich war zum anderen, daß Schuldbuchforderungen und (verbriefte) Inhaberschuldverschreibungen des Reichs nicht ohne weiteres in einem gemeinsamen Sammeldepot verwaltet werden konnten682 . Die verkehrsfeindliche Ausgestaltung der Schuldbuchforderungen entsprach freilich der Absicht des Gesetzgebers. Er wollte diese Forderungen im Interesse des Staates und der beteiligten Gläubiger dem Börsenhandel sowie der Spekulation entziehen und auf diese Weise vor Kursschwankungen bewahren. Dadurch sollte auch das Risiko unüberlegter Verkäufe bei Kursschwankungen eingedämmt und das Ausmaß möglicherweise erforderlicher Kursstützungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand verringert werden. Die Schuldbuchforderung war damit nur für an einer dauerhaften Kapitalanlage interessierte Gläubiger geeignet683. Die sog. zweckgebundenen Kapitalforderungen, z. B. die Ansprüche der Kriegsgeschädigten nach dem sog. Kriegsschädenschlußgesetz vom 30. März 1928684, wurden ausschließlich in Form 676  Ausführlich dazu Brink, Rechtsbeziehungen, S.  29 ff.; Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  156 ff.; Lütticke, Elektronische Verbriefung, S.  179 ff.; Stüdemann, Bucheffekten, S.  62 ff.; Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1956 ff. 677  RGBl. I, S.  321. 678  Gesetzes-Sammlung für die königlichen Preußischen Staaten, S.  120. 679  Daher rührt die Bezeichnung als „fakultative Schuldbuchforderung“, siehe Saalfrank, WM 1960, 1138, 1139. 680  RGBl. I, S.  8 40, abgedr. bei Meder/Ernst, Schuldbuchrecht, S.  109 ff. 681  Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1957. 682  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2052. 683  Meder/Ernst, Schuldbuchrecht, S.  14 f. 684 Gesetz zur endgültigen Regelung der Liquidations- und Gewaltschäden (Kriegsschädenschlußgesetz) vom 30. März 1928, RGBl. I, S.  120.

§  7  Sammelschuldbuchforderungen

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von Schuldbuchforderungen begründet. Eine Umwandlung dieser „obligatorischen Buchschuldanleihen“685 in Schuldverschreibungen war kraft Gesetzes ausgeschlossen686. Die Praxis setzte sich indes über die Absicht des Gesetzgebers hinweg, indem sie im November 1928 für die Forderungen aufgrund des Kriegsschädenschlußgesetzes einen Giroverkehr einrichtete. Im November 1930 wurden auch die aufgrund der Polenschäden-Verordnung vom 14. Juli 1930687 eingetragenen Reichsschuldbuchforderungen in den Giroverkehr einbezogen, ab 1938 schließlich auch Reichsanleihen688. Dies geschah dadurch, daß die Wertpapiersammelbanken sich anstelle der bisherigen Gläubiger in das Reichsschuldbuch eintragen ließen und die von ihnen treuhänderisch gehaltenen „Sammelbestände“ anschließend auf den Konten der betreffenden Kunden verbuchten. Die „Zusammenfassung vieler kleiner Forderungen in einige wenige große Forderungen im Reichsschuldbuch“689 und deren Eingliederung in das Effektengirosystem brachte zwei Vorteile mit sich: Sie hatte zum einen eine erhebliche Erleichterung des Schuldendienstes zur Folge, weil die Zinsen und Rückzahlungsbeträge fortan am Fälligkeitstag nur auf die Wertpapiersammelbanken und nicht mehr auf eine unüberschaubare Anzahl einzelner Gläubiger verteilt werden mußten. Zum anderen wurde es möglich, Forderungsanteile durch Umbuchungen auf Depotkonten zu übertragen, ohne daß es dazu einer Umschreibung im Schuldbuch bedurfte690. Ein gutgläubiger Erwerb war allerdings weiterhin ausgeschlossen, weil die Anteilsübertragung im sog. Schuldbuchgiroverkehr (auch: Treuhandgiroverkehr) nach wie vor den §§  398 ff. BGB unterstand691. Als schuldrechtliche Position erforderte die Sammelschuldbuchforderung auch in organisatorisch-technischer Hinsicht eine Sonderbehandlung, insbesondere eine getrennte Depotbuchführung und die Verwendung besonderer Schuldbuchschecks zur Übertragung der Anteile692 . Das änderte sich Anfang der 1940er Jahre, als der Gesetzgeber sich dazu entschloß, den Schuldbuchgiroverkehr auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Dies geschah in einem ersten Schritt mit der auf der Grundlage von §  42 Abs.  1 DepotG693 erlasse685 

Stüdemann, Bucheffekten, S.  64 f. Meder/Ernst, Schuldbuchrecht, S.  12. 687  RGBl. II, S.  957. 688  Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  157. 689  So die anschauliche Formulierung in der Amtl. Begr. zur Verordnung über die Verwaltung und Anschaffung von Reichsschuldbuchforderungen vom 5. Januar 1940, RGBl. I, S.  30, abgedr. bei Opitz, Depotgesetz, S.  519 ff. 690  Dazu näher Opitz, Depotgesetz, §  4 2 Anm.  4; siehe ferner Brink, Rechtsbeziehungen, S.  31; Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  157 f. 691  Zwar war das Reichsschuldbuchgesetz durch die VO über die Änderung des Reichsschuldbuchgesetzes vom 17. November 1939 (RGBl. I, S.  2298) u. a. um einen §  11a ergänzt worden, wonach sich der Rechtsverkehr auf die Eintragung im Schuldbuch verlassen konnte. Weil das Schuldbuch nur den Kassenverein als Berechtigten auswies, kam dieser Regelung jedoch für den Schuldbuch­ giroverkehr keine Bedeutung zu; siehe Brink, Rechtsbeziehungen, S.  32. 692 Siehe Meder/Ernst, Schuldbuchrecht, S.  19, die denn auch von einem „Fremdkörper im Gefüge der sachenrechtlich geregelten Geschäfte der Wertpapiersammelbanken“ sprechen. 693  In ihrer damaligen Fassung lautete die Bestimmung: „Der Reichsminister der Justiz kann im 686 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

nen sog. Sammelverwaltungsverordnung vom 5. Januar 1940694 . Zwei weitere Schritte wurden mit der sog. Ersten Sammeldepotverordnung vom 31. Dezember 1940695 und der sog. Zweiten Sammeldepotverordnung vom 18. April 1942696 getan. Der Inhalt dieser Verordnungen, soweit er hier von Interesse ist, läßt sich in vier Punkten zusammenfassen697: Erstens wurde den Wertpapiersammelbanken die Sammelverwaltung von Reichsschuldbuchforderungen gestattet, d. h. es wurde ihnen erlaubt, „Reichsschuldbuchforderungen ein und derselben Art, die ihnen als Treuhändern für andere Kreditinstitute (als Zwischenverwalter oder für eigene Rechnung) zur Sammelverwaltung anvertraut sind, gemeinsam mit ihren Reichsschuldbuchforderungen derselben Art und solchen Dritter [zu] verwalten“ (§  1 SammelverwaltungsVO). Zweitens wurde den Wertpapiersammelbanken die Befugnis eingeräumt, die ihnen zur Sammelverwahrung anvertrauten Schuldverschreibungen des Reichs in auf ihren Namen lautende Reichsschuldbuchforderungen umwandeln zu lassen (§  1 Erste SammeldepotVO). Drittens wurde bestimmt, daß eine durch Eintragung in das Reichsschuldbuch begründete Sammelschuldbuchforderung als Teil des Sammelbestandes des Verwahrers im Sinne des Depotgesetzes gilt und dem zum Sammelbestand gehörenden Schuldverschreibungen gleichsteht (§  2 Erste SammeldepotVO). Mit dieser gesetzlichen Fiktion sollte die Eingliederung der Schuldbuchforderungen in den Effektengiroverkehr einschließlich der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs abgesichert und allgemein klargestellt werden, daß es im Hinblick auf die Berechtigung des Depotkunden nicht länger darauf ankommt, ob sich der Sammelbestand aus Wertpapieren oder einer Schuldbuchforderung zusammensetzt. Damit war zugleich die lästige Notwendigkeit entfallen, im Rahmen der Depotbuchführung zwischen Anteilen an Wertpapiersammelbeständen und solchen an Schuldbuchforderungen zu unterscheiden698. Und viertens wurde festgelegt, daß diese Grundsätze auch für jene Schuldbuchforderungen gelten, für die Schuldverschreibungen nicht ausgeliefert werden können (§  2 Zweite SammeldepotVO). Die Frage nach der Sammelverwaltungsfähigkeit obligatorischer Schuldbuchforderungen war damit in positivem Sinne entschieden699.

Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister und dem Reichsminister der Finanzen die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes für Fälle vorschreiben, in denen Kaufleute als Treuhänder für Dritte Wertpapiere besitzen oder erwerben oder Beteiligungen oder Gläubigerrechte ausüben oder erwerben oder in öffentliche Schuldbücher oder sonstige Register eingetragen sind.“ 694  Verordnung über die Verwaltung und Anschaffung von Reichsschuldbuchforderungen vom 5. Januar 1940, RGBl. I, S.  30. 695  Verordnung über die Behandlung von Anleihen des Deutschen Reichs im Bank- und Börsenverkehr vom 31. Dezember 1940, RGBl. I, S.  21. 696  Zweite Verordnung über die Behandlung von Anleihen des Deutschen Reichs im Bank- und Börsenverkehr vom 18. April 1942, RGBl. I, S.  183. 697  Eingehende Darstellung bei Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  4 2 Rn.  8 –21; für einen kurzen Überblick Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1958 ff. 698  Meder/Ernst, Schuldbuchrecht, S.  28 f. 699  Meder/Ernst, Schuldbuchrecht, S.  20.

§  7  Sammelschuldbuchforderungen

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Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte dieses unübersichtliche Konglomerat vorkonstitutioneller Regelungen noch über mehr als fünf Jahrzehnte in Kraft bleiben. So wurde durch §  1 des Anleihe-Gesetzes vom 29. März 1951700 klargestellt, daß die reichsrechtlichen Vorschriften über Schuldurkunden des Reichs und Reichsschuldbuchforderungen sinngemäß auch für die Schuldurkunden der Bundesrepublik Deutschland sowie für die in das Bundesschuldbuch eingetragenen Forderungen gelten. Dazu gehörten auch die Anleihen und Buchschulden der Bundesbahn und der Bundespost701. Durch Art.  2 der Depotgesetznovelle 1972702 wurde der Anwendungsbereich der vorkonstitutionellen Verordnungen schließlich noch auf unverbriefte Anleihen der Länder erweitert, für die bis dahin keine vergleichbaren Regelungen existiert hatten703. Der Bund hat, seit er sich Finanzierungsmittel am Kapitalmarkt beschafft, von der Möglichkeit der Begebung unverbriefter Anleihen in zunehmendem Umfang Gebrauch gemacht. Waren im Jahre 1971 noch für knapp 25% des Emissionsbetrages Urkunden ausgedruckt worden, wurde ab Mitte 1972 auf die Ausgabe effektiver Stücke vollkommen verzichtet704 . Seit Auslaufen der Postanleihe von 1968 im Juni 1988 ist keine verbriefte Anleiheforderung der Bundesrepublik mehr im Umlauf705. Die 1969 erstmals aufgelegten Bundesschatzbriefe wurden von Anfang an als reine Schuldbuchforderungen begeben706.

2.  Neuordnung des Schuldbuchrechts Erst durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Bundeswertpapierverwaltungsgesetz (BWpVerwG) vom 11. Dezember 2001707 wurde das Schuldbuchrecht auf eine neue Grundlage gestellt. Um das Schuldenmanagement des Bundes effizienter zu gestalten und neueren Entwicklungen im Schuldbuchwesen Rechnung zu tragen, insbesondere der soeben erwähnten Abschaffung verbriefter Schuldtitel und der Führung des Bundesschuldbuchs in elektronischer Form708, wurden die vorkonstitutionellen Regelungen über Schuldbuchforderungen in einem einzigen Gesetz zusammengefaßt und sprachlich gestrafft, ohne daß jedoch sachliche Änderungen vorgenommen wurden (§§  6 bis 11 BWpVerwG)709. Die bisherige „Bundesschuldenverwal700 

BGBl. I, S.  218. Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  42 Rn.  6. 702  BGBl. I, S.  801. 703  Siehe die RegBegr. in BT-Drucks. VI/2231, S.  5. 704 Siehe Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  48 f., mit einer Übersicht für die Jahre 1958 bis 1973. 705  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/112 in Fn.  3. 706  Peters, WM 1976, 890, 893. 707  Gesetz zur Neuordnung des Schuldbuchrechts des Bundes und der Rechtsgrundlagen der Bundesschuldenverwaltung – Bundeswertpapierverwaltungsgesetz (BWpVerwG) – vom 11. Dezember 2001, BGBl. I, S.  3619. 708  Nach Angaben von Schlitzberger, Kreditwesen 2004, 359, 360 wird das Schuldbuch seit 1965 in elektronischer Form geführt. 709  Zu den Motiven im einzelnen siehe die RegBegr. in BT-Drucks. 14/7010, S.  11 ff. 701 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

tung“ mit Sitz in Bad Homburg v.d.H. wurde in „Bundeswertpapierverwaltung“ umbenannt und von einer weisungsunabhängigen zu einer weisungsabhängigen Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen umfunktioniert. Grund dafür war, daß der Gesetzgeber keine Rechtfertigungsgründe mehr sah, welche die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Ministerialfreiheit dieser Behörde hätten ausräumen können (vgl. §  2 Abs.  3 BWpVerwG)710. Seine heutige Gestalt hat das Schuldbuchrecht durch das Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz vom 12. Juli 2006711 erhalten. Um ein Schuldenmanagement aus einer Hand zu gewährleisten, wurden durch dieses Gesetz die Aufgaben der Bundeswertpapierverwaltung im Bereich des Schuldenwesens mit Wirkung zum 1. August 2006 auf die am 19. September 2000 gegründete Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main übertragen712 . Die Bundeswertpapierverwaltung wurde aufgelöst. Die Regelungen über das Bundesschuldbuch und die Schuldbuchforderungen blieben nahezu unverändert und sind nunmehr in den §§  4 bis 9 des Bundesschuldenwesengesetzes (BSchuWG)713 zu finden. Anders als noch unter dem BWpVerwG kann jedoch heute die Einzelschuldbuchfähigkeit einer Forderung in den Emissionsbedingungen ausgeschlossen werden (§  7 BSchuWG).

3.  Schuldtitel der EZB Neben dem Bund und den Ländern verfügt auch die Europäische Zentralbank (EZB) über die Möglichkeit der Emission unverbriefter Schuldtitel714 . Gemäß Art.  18.1 1. Spiegelstrich des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank vom 7. Februar 1992715 ist die EZB befugt, zur Erreichung der Ziele des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und zur Erfüllung seiner Aufgaben Offenmarktgeschäfte zu tätigen. Davon umfaßt ist der Kauf und Verkauf von auf Euro oder sonstige Währungen lautenden Forderungen und börsengängigen Wertpapieren. Gemäß Art.  2 Abs.  2 des am 30. Dezember 1998 in Kraft getretenen EZB-Gesetzes716, mit dem das Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der EZB vom 18. September 1998717 über deren Sitz in deutsches Recht umgesetzt wurde, gelten für die von der EZB emittierten und in ihrem elektronisch geführten Schuldbuch eingetragenen Schuldtitel die auf vergleichbare Schuldtitel des 710 

RegBegr. in BT-Drucks. 14/7010, S.  11. Gesetz zur Modernisierung des Schuldenwesens des Bundes (Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz), BGBl. I, S.  1466. 712  RegBegr. in BT-Drucks. 16/1336, S.  11. 713 Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes (Bundesschuldenwesengesetz – BSchuWG), eingeführt durch Art.  1 des Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetzes. 714  Eingehend dazu Zahn/Kock, WM 1999, 1955 ff. 715  ABl. Nr. C 191, S.  68. 716  Gesetz zu dem Abkommen vom 18. September 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-land und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der Europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 1998, BGBl. II, S.  2995. 717  BGBl. II, S.  2996. 711 

§  7  Sammelschuldbuchforderungen

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Bundes anwendbaren Vorschriften, soweit nichts anderes vereinbart ist. Die folgenden Ausführungen zu den Stärken und Schwächen des Schuldbuchrechts sind daher auch im Lichte ihrer Bedeutung für die Kapitalaufnahme durch die EZB zu lesen.

II.  Aufbau und Funktion des Bundesschuldbuchs Das Bundesschuldbuch wird von der Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH in elektronischer Form geführt. Gemäß §  5 Abs.  2 BSchuWG besteht es zwingend aus zwei Abteilungen: einer Abteilung für Sammelschuldbuchforderungen i. S. des §  6 BSchuWG sowie einer Abteilung für Einzelschuldbuchforderungen i. S. des §  7 BSchuWG. Für sonstige Verbindlichkeiten des Bundes und seiner Sondervermögen i. S. des §  4 BSchuWG können weitere Abteilungen eingerichtet werden. Gemäß §  5 Abs.  1 Satz  1 BSchuWG dient das Bundesschuldbuch „der Begründung, Dokumentation und Verwaltung von Schuldbuchforderungen sowie der Dokumentation und Verwaltung der sonstigen Verbindlichkeiten“. Daraus ergibt sich, daß den Eintragungen von Sammel- und Einzelschuldbuchforderungen in das Bundesschuldbuch konstitutive Wirkung zukommt718. Das wird durch §  5 Abs.  3 BSchuWG, der die bisherigen §  7 Abs.  1 Satz  5 und Abs.  3 Satz  1 BWpVerwG zusammenfaßt, noch unterstrichen. Er bestimmt, daß eine Schuldbuchforderung als Sammelschuldbuchforderung oder Einzelschuldbuchforderung durch die Eintragung in die jeweilige Abteilung „begründet“ wird und daß durch die Eintragung eine gesetzlich vorgeschriebene Form „als beachtet gilt“. Damit ist insbesondere die Form des §  793 BGB gemeint, der bei der Schuldverschreibung auf den Inhaber die wirksame Eingehung des Leistungsversprechens von der Errichtung einer vom Emittenten unterzeichneten Urkunde abhängig macht719. Die Verbuchung des Forderungsrechts in einem Register genügt dafür an sich nicht, weil damit keine tatsächliche Basis für die Anwendbarkeit des Mobiliarsachenrechts geschaffen wird720.

III.  Sammelschuldbuchforderungen als Wertpapiersammelbestände 1.  Die gesetzliche Regelung im Überblick Nach §  6 Abs.  1 BSchuWG können der Bund und seine Sondervermögen Schuldverschreibungen dadurch begeben, daß Schuldbuchforderungen bis zur Höhe des Nenn­betrages der jeweiligen Emission auf den Namen einer Wertpapiersammelbank 718 

RegBegr. in BT-Drucks. 16/1336, S.  14. RegBegr. in BT-Drucks. 16/1336, S.  15. 720 MünchKomm-BGB/Habersack, §  793 Rn.  5. 719 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

in das Bundesschuldbuch eingetragen werden (Sammelschuldbuchforderung). Ansprüche auf Ausreichung verbriefter Schuldurkunden sind ausgeschlossen, es sei denn, die Emissionsbedingungen sehen solche Ansprüche ausdrücklich vor (§  6 Abs.  3 BSchuWG). Die zentrale Regelung über die rechtliche Behandlung von Sammelschuldbuchforderungen, die zunächst in §  2 Abs.  1 der sog. Ersten SammeldepotVO von 1940 und nach deren Aufhebung in §  8 Abs.  2 BWpVerwG enthalten war, findet sich nunmehr in §  6 Abs.  2 BSchuWG. Danach „gilt“ die Sammelschuldbuchforderung als Wertpapiersammelbestand (Satz  1). Die Gläubiger der Sammelschuldbuchforderung „gelten“ als Miteigentümer nach Bruchteilen, wobei sich der jeweilige Anteil nach dem Nennbetrag der für den Gläubiger in Sammelverwaltung genommenen Schuldbuchforderung bestimmt (Sätze 2 und 3). Die Wertpapiersammelbank „verwaltet die Sammelschuldbuchforderung treuhänderisch für die Gläubiger, ohne selbst Berechtigte der Sammelschuldbuchforderung zu sein“ (Satz  4). Satz  5 räumt der Wertpapiersammelbank die Möglichkeit ein, die Sammelschuldbuchforderung für die Gläubiger gemeinsam mit ihren eigenen Anteilen zu verwalten. Und in Satz  6 ist bestimmt, daß auf Sammelschuldbuchforderungen die Vorschriften des Depotgesetzes entsprechend anzuwenden sind. Zu beachten ist schließlich noch §  6 Abs.  7 BSchuWG. Er gibt der Wertpapiersammelbank das Recht, vom Schuldner für die auf ihren Namen eingetragenen Sammelschuldbuchforderungen bei Fälligkeit die Zahlung der Zinsen und des Kapitals zu verlangen (Satz  1), und stellt klar, daß der Schuldner durch die Zahlung an die Wertpapiersammelbank gegenüber den Gläubigern der Sammelschuldbuchforderung befreit wird (Satz  2).

2.  Treuhänderstellung der Wertpapiersammelbank Im älteren Schrifttum herrschte noch eine gewisse Unsicherheit darüber, ob die Wertpapiersammelbank im Konzept der Sammelschuldbuchforderung als Vollrechtstreuhänderin (fiduziarische Treuhänderin) oder Ermächtigungstreuhänderin einzuordnen ist. So dachte Schröder noch ganz in den Kategorien der Vollrechtstreuhand, als er meinte, die Rechte und Pflichten des Gläubigers aus der Schuldbuchforderung habe allein die Wertpapiersammelbank, während die einzelnen Anleger an deren Schuldbuchforderung beteiligt und aus dem der Sammelverwaltung zugrundeliegenden Treuhandverhältnis berechtigt seien. Zwar sprach Schröder bereits von der Wertpapiersammelbank als der „formell“ berechtigten Gläubigerin. Trotz der von ihm betonten Ähnlichkeit mit der Sammelverwahrung von Wertpapieren zog er daraus aber nicht den Schluß, daß die Schuldbuchforderung materiell den Anlegern selbst zusteht721. Auch Opitz versuchte die Rechtsstellung der Anleger und der Wertpapiersammelbank noch von der fiduziarischen Treuhand her zu bestimmen. Er vertrat die Auffassung, als Gläubiger „im Sinn der Beziehung zum Schuldner“ sei nur derjenige anzusehen, der im Schuldbuch als Gläubiger eingetragen ist. Das sei die 721 

Schröder, DJ 1940, 229, 232.

§  7  Sammelschuldbuchforderungen

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Wertpapiersammelbank. Sie sei „Herr der Forderung im Sinn der Innehabung“. „Im Sinn der Vermögenszugehörigkeit“ sei aber nur der Depotkunde der Berechtigte. Er sei „Herr des Vermögens, das sich in der Forderung gestaltet“. Die Wertpapiersammelbank habe nur die tatsächliche Gewalt über die Schuldbuchforderung, sei aber nicht ihr Eigner722 . Mit der Unterscheidung zwischen „Innehabung“ und „Vermögenszugehörigkeit“ der Forderung wollte Opitz letztlich auf die Feststellung hinaus, daß der Anleger als wirtschaftlicher „Eigner“ der Forderung Insolvenz- und Voll­ streckungsschutz genießt, obwohl in das Schuldbuch die Wertpapiersammelbank als Gläubigerin eingetragen ist. Diese Einordnungsversuche vermochten schon damals nicht zu überzeugen723. Die aus ihnen sprechende Rechtsunsicherheit war aber insofern nicht verwunderlich, als sie im mißverständlichen Wortlaut von §  2 Abs.  1 der Ersten SammeldepotVO geradezu angelegt war. Darin war nämlich von zwei Gläubigern die Rede: von der Wertpapiersammelbank, die als Gläubigerin in das Schuldbuch eingetragen wird, und dem „bisherigen Gläubiger“, der mit der Eintragung ­einen Anteil an der „Reichsschuldbuchforderung der Wertpapiersammelbank“ (!) erwirbt und dadurch zum „Anteilsgläubiger“ wird. Nach geltendem Recht ist für die Annahme einer Vollrechtstreuhand von vorn­ her­ein kein Raum. Das ergibt sich bereits aus §  6 Abs.  2 Satz  2 BSchuWG, wonach „die Gläubiger“ der Sammelschuldbuchforderung als Miteigentümer nach Bruchteilen gelten. Auch der Wortlaut des §  6 Abs.  2 Satz  4 BSchuWG, wonach die Wertpapiersammelbank die Sammelschuldbuchforderung treuhänderisch für die Gläubiger verwaltet, ohne selbst Berechtigte der Forderung zu sein, läßt keinen Zweifel daran, daß die Anleger selbst und nicht die Wertpapiersammelbank materiell-rechtlich Inhaber der Schuldbuchforderung sind724 . Die Gläubiger bilden untereinander nach Maßgabe ihrer jeweiligen Beteiligung eine Bruchteilsgemeinschaft i. S. der §§  741 ff. BGB, deren Gegenstand die von der Wertpapiersammelbank verwaltete Sammelschuldbuchforderung im ganzen ist. Man hat es hier also, um auf die im ersten Teil entwickelte Kategorisierung zurückzukommen, mit einem Verwahrungskonzept mit direkter Rechtsträgerschaft zu tun. Die von der fiduziarischen Treuhand bekannten Probleme im Hinblick auf die Insolvenz- und Vollstreckungsfestigkeit des Treuguts stellen sich nicht. Denn aus der Miteigentümerstellung der Anteilsinhaber folgt ohne weiteres, daß sie in der Insolvenz ihrer Depotbank oder der Wertpapiersammelbank ihre Anteile aussondern (§  47 InsO) und sich gegen Zugriffe von Drittgläubigern im Rahmen der Zwangsvollstreckung mit der Drittwiderspruchsklage gemäß §  771 ZPO zur Wehr setzen können725. 722  Opitz, Von der Girosammelverwahrung zur Girosammelverwaltung, in: Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  384, 414. 723  Für eine eingehende Diskussion Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  159 ff. 724  RegBegr. in BT-Drucks. 14/7010, S.  15 (zur Vorgängervorschrift des §  8 Abs.  2 BWpVerwG). 725  Unumstritten, siehe Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   42 Rn.  25; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/115; Lendermann, in: Hopt/Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, §  6 BSchuWG Rn.  4.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Allerdings besteht im Konzept der Sammelschuldbuchforderung die Besonderheit, daß die Wertpapiersammelbank als formell legitimierte Gläubigerin das Recht und die Pflicht hat, die Rechte der Anteilsgläubiger aus der Forderung im eigenen Namen gegenüber dem Schuldner geltend zu machen, und daß der Schuldner mit befreiender Wirkung an die Wertpapiersammelbank leisten kann (§   6 Abs.   7 ­BSchuWG). Der Wertpapiersammelbank wird also zusätzlich zu ihrer Legitimation aufgrund der Eintragung dasjenige Maß an Rechtsmacht über das Treugut eingeräumt, das sie zu dessen Verwaltung benötigt. Die heute nahezu einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum geht daher zu Recht davon aus, daß die Wertpapiersammelbank als Ermächtigungstreuhänderin einzuordnen ist726. Daß es sich dabei um eine Ermächtigungstreuhand i. S. von §  185 BGB handelt, ist freilich nicht so selbstverständlich, wie in aller Regel angenommen wird. Denn zumindest nach heutiger Rechtslage beruht die Einziehungsberechtigung der Wertpapiersammelbank nicht auf einer rechtsgeschäftlichen Einwilligung der Anteilsinhaber, sondern der gesetzlichen Anordnung in §  6 Abs.  7 BSchuWG727. Praktische Bedeutung kommt dieser Randfrage nicht zu, zumal sich von der Rechtsstellung der Wertpapiersammelbank, der als Bindeglieder fungierenden Zwischenverwahrer und der Anteilsinhaber ohnehin erst dann ein vollständiges Bild ergibt, wenn man die einschlägigen gesetzlichen Regelungen und die jeweiligen Depotverträge zusammen in den Blick nimmt728. An diesen Befund anknüpfend hat Büchner treffend festgestellt, daß der sog. Schuldbuchgiroverkehr auf drei rechtlichen Elementen beruht: der Ermächtigungstreuhand, der Depotgemeinschaft sowie dem Giro- und Bankvertrag729.

3.  Legitimationsfunktion des Schuldbuchs In der Konsequenz der Treuhandkonstruktion liegt es, daß sich die Übertragung von Anteilen an der Sammelschuldbuchforderung außerhalb des Schuldbuchs vollzieht. Das Schuldbuch kann unrichtig sein, die materielle Rechtslage von der formellen abweichen, ohne daß sich jedoch daraus für die Wertpapiersammelbank die Notwendigkeit ergäbe, sich bei der Verwaltung der Forderung mit einer unter Umständen unüberschaubaren Anzahl einzelner Gläubiger auseinanderzusetzen. Den Einträgen im Schuldbuch wird denn auch gelegentlich eine den Einträgen im Aktienre726  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   42 Rn.   25; MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  9; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn 2056; Lendermann, in: Hopt/Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, §  6 BSchuWG Rn.  7; Scherer/Löber, DepotG, §  42 Rn.  8; Klanten, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  67; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/113; Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  164 ff.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  17; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  104 ff.; Wessely, WM 1969, 1094, 1099; siehe auch die RegBegr. in BT-Drucks. 14/7010, S.  15. 727  So wohl auch Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/113; zum alten Recht zurückhaltender Wessely, WM 1969, 1094, 1099. 728  In gleichem Sinne Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  4 2 Rn.  23. 729  Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  169.

§  7  Sammelschuldbuchforderungen

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gister ähnelnde Legitimationswirkung beigemessen (vgl. §  67 Abs.  2 AktG) und die Wertpapiersammelbank als formell berechtigte Gläubigerin mit dem in das Aktienregister eingetragenen Nichtaktionär verglichen730. Dieser Vergleich liegt in der Tat nahe. Er sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß zwischen dem Schuldbuch und dem Aktienregister erhebliche Unterschiede bestehen. Zum einen ist das Aktienregister nach seiner gesetzlichen Konzeption auf Aktualität und Vollständigkeit angelegt. Auch wenn sich dieses Leitbild in der Realität nicht immer verwirklichen läßt731, ist es vom Gesetzgeber im Zuge der Änderungen des §  67 AktG durch das Risikobegrenzungsgesetz nochmals bekräftigt worden732 . Den Regelungen über das Schuldbuch liegt ein solches Leitbild nicht zugrunde, jedenfalls nicht in dem Sinne, daß das Schuldbuch mit dem Anspruch ausgestattet wurde, jederzeit in möglichst vollständigem Umfang Auskunft über die aktuelle materielle Zuordnung der Sammelschuldbuchforderung zu geben. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber in §  6 BSchuWG bewußt in Kauf genommen, daß die formelle und die materielle Rechtslage in der Regel auseinanderklaffen, ja das Schuldbuch sich aus materiell-rechtlicher Sicht in einem Zustand der permanenten Unrichtigkeit befindet733. Zum anderen reichen die Eintragungswirkungen beim Aktienregister weiter als beim Schuldbuch. Nach heute h. M. begründet die Eintragung im Aktienregister die unwiderlegbare Vermutung der Aktionärseigenschaft. Grundsätzlich ist nur der Eingetragene gegenüber der Gesellschaft als Aktionär berechtigt und verpflichtet. Ob die Registerlage der materiellen Rechtslage entspricht, ist ohne Belang, und zwar selbst dann, wenn die Gesellschaft Kenntnis von der materiellen Nichtberechtigung des Eingetragenen hat734 . Was dagegen die Eintragung der Wertpapiersammelbank in das Schuldbuch betrifft, wäre es aus den soeben dargelegten Gründen schon im Ansatz verfehlt, daran die unwiderlegbare Vermutung der Gläubigerstellung der Wertpapiersammelbank zu knüpfen. Auch kann keine Rede davon sein, daß aufgrund der Eintragung ausschließlich die Wertpapiersammelbank zur Ausübung der Gläubigerrechte legitimiert ist735. Zwar sollen grundsätzlich alle Zahlungen über die Wertpapiersammelbank abgewickelt werden. Daraus folgt aber nicht, daß einem Anteilsinhaber die Aktivlegitimation fehlt, sollte es einmal zu einem Zahlungsausfall kommen. Sonst wäre auch die Regelung des §  6 Abs.  6 BSchuWG nicht zu erklä730  Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.   164  ff.; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/113; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.153; Lendermann, in: Hopt/Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, §  6 BSchuWG Rn.  7. 731  Zum Problem der freien Meldebestände siehe U. H. Schneider/Müller-von Pilchau, AG 2007, 181 ff. 732  RegBegr. in BT-Drucks. 16/7438, S.  13. 733 Fragwürdig daher die Bemerkung bei Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.   165, wonach der formell legitimierte und der materielle Gläubiger „in der Regel“ ein und dieselbe Person sein werden. 734 Spindler/Stilz/Cahn, AktG, §  67 Rn.  31/32; Hüffer/Koch, AktG, §  67 Rn.  13/14; jeweils m. w. N. 735  So aber Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  166; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  119.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

ren, derzufolge der Schuldner der Sammelschuldbuchforderung dem Gläubiger nur solche Einwendungen entgegenhalten kann, die sich aus der Eintragung ergeben, die Gültigkeit der Eintragung betreffen oder dem Schuldner unmittelbar gegen den Gläubiger zustehen. Wäre der Anteilsinhaber von vornherein nicht aktivlegitimiert, bedürfte es auch nicht der Regelung des §  6 Abs.  7 Satz  2 BSchuWG, in der die schuldbefreiende Wirkung der Zahlung an die Wertpapiersammelbank ausgesprochen wird.

4.  Bedeutung und Reichweite der Gleichstellungsfiktion a)  „Verdinglichung“ der Sammelschuldbuchforderung? Gemäß §  6 Abs.  2 Satz  1 BSchuWG „gilt“ die Sammelschuldbuchforderung als Wertpapiersammelbestand. Es war Opitz, der sich (in bezug auf die Vorgängerbestimmungen in den Sammeldepotverordnungen von 1940 und 1942) als erster Gedanken über die Bedeutung dieser Gleichstellungsfiktion gemacht und aus ihr die These von der „Sachwerdung“ des Anteils an der unverbrieften Schuldbuchforderung abgeleitet hat. Auch wenn aus dem Anteil kein körperlicher Gegenstand geworden sei, müsse er kraft gesetzlicher Anordnung zu den Sachen gerechnet und §  90 BGB weiter als bisher verstanden werden. Zu den Sachen seien fortan neben körperlichen Gegenständen auch andere Gegenstände zu zählen, die den körperlichen Gegenständen gleichgestellt sind736. In einem Urteil aus dem Jahr 1952 hat der Bundesgerichtshof mit der Fiktion ganz ähnliche Vorstellungen verbunden, als er feststellte, die Schuldbuchforderung sei durch sie „zur beweglichen Sache geworden, und zwar mindestens soweit es sich um ihre verwahrungsrechtliche Behandlung handelt“737. Die Regierungsbegründung zu §  8 Abs.  2 BWpVerwG (heute: §  6 Abs.  2 BSchuWG) geht nicht ganz so weit. Sie spricht von einer „Verdinglichung der an sich nur nach Zessionsrecht übertragbaren Forderung, so dass über die dematerialisierte Sammelschuldbuchforderung wie über Schuldverschreibungen nach sachenrechtlichen Grundsätzen verfügt werden kann“738. Auch im neueren Schrifttum ist nicht selten von einer „Verdinglichung“ der Sammelschuldbuchforderung die Rede739. Demgegenüber hält Canaris all diese Vorstellungen für einen methodologischen Anachronismus. Die Bedeutung der Gleichstellungsfiktion liege nicht darin, die Sammelschuldbuchforderung zur „beweglichen Sache“ zu machen oder zu „verdinglichen“, sondern beschränke sich 736  Opitz, Die gesetzliche Bestätigung der Wertrechtslehre, in: Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  455, 460. Siehe ferner ders., DepotG, §  42 Anm.  12 (S.  4 47 f.), wo die Gleichstellungsfiktion als Bestätigung der „dinglichen Rechtsnatur“ bzw. des „sachenrechtlichen Charakters“ des Wertrechts für den Bereich des Schuldbuchgiroverkehrs aufgefaßt wird. 737  BGHZ 5, 27, 31; ebenso OLG München, WM 1970, 973, 974; Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  189 f.; Koller, DB 1972, 1905, 1906. 738  BT-Drucks. 14/7010, S.  15. 739 MünchKomm-BGB/Habersack, vor §  793 Rn.  32; Scherer/Löber, DepotG, §  4 2 Rn.  10; Ekken­ ga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  9; Chun, Cross-Border Transactions, S.  177; zuvor schon Schönle, Bank- und Börsenrecht, S.  303.

§  7  Sammelschuldbuchforderungen

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darauf, die sinngemäße Anwendbarkeit der Rechtssätze über bewegliche Sachen anzuordnen740. Canaris ist darin Recht zu geben, daß das Gesetz mit einer Fiktion keine Aussage über Tatsachen, sondern eine Rechtsfolgenanordnung trifft. Es wird festgelegt, daß die für einen bestimmten Tatbestand geltenden Regeln auch auf einen bestimmten anderen Tatbestand anzuwenden sind741. Die Formulierung des Bundesgerichtshofs, die Sammelschuldbuchforderung werde kraft gesetzlicher Fiktion zur „beweglichen Sache“, geht daher zu weit. Trotz der Gleichstellung mit einem Wertpapiersammelbestand behält die Sammelschuldbuchforderung ihren Charakter als schuld­ recht­liche Forderung. Entgegen Canaris ist es jedoch methodisch nicht falsch, von einer „Verdinglichung“ dieser Forderung zu sprechen, solange damit bloß gesagt werden soll, daß die von den einzelnen Gläubigern gehaltenen Anteile wie Miteigentumsrechte an einem Wertpapiersammelbestand behandelt werden, so daß über diese Anteile nach sachenrechtlichen Grundsätzen verfügt werden kann und sie dem Inhaber eine insolvenz- und vollstreckungssichere Rechtsposition vermitteln742 . Die rechtliche Bedeutung der Gleichstellungsfiktion wird auch von denjenigen nicht grundlegend verkannt, die neben einem „fiktiven Miteigentum“ auch von einem „fiktiven Mitbesitz“ an der Sammelschuldbuchforderung ausgehen743. Gewiß kann es an einer Forderung keinen Besitz im Sinne einer tatsächlichen Sachherrschaft geben. Aus §  6 Abs.  2 Satz  4 BSchuWG ergibt sich aber, daß der Gesetzgeber Sammelschuldbuchforderungen so behandelt wissen will, „als ob“ an ihnen Besitz bestünde744 . Wenn §  6 Abs.  2 Satz  6 BSchuWG die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Depotgesetzes – und damit auch der sachenrechtlichen Vorschriften des BGB – anordnet, ist das somit dahin zu verstehen, daß auf Verfügungen über Anteile an einer Sammelschuldbuchforderung die gleichen Grundsätze zur Anwendung zu bringen sind wie auf Verfügungen über Anteile an einem Wertpapiersammelbestand, soweit dem nicht die fehlende Verkörperung der Sammelschuldbuchforderung entgegensteht. Ungeachtet des Streits über die rechtliche Bedeutung der Gleichstellungsfiktion folgt aus §  6 Abs.  2 BSchuWG die Notwendigkeit, scharf zwischen der in das Schuldbuch eingetragenen Sammelschuldbuchforderung als solcher und den im Effektengirosystem zirkulierenden Miteigentumsanteilen an dieser Forderung zu unterscheiden. Davon sollte auch nicht der Umstand ablenken, daß im Schrifttum nach wie vor nicht geklärt ist, was eigentlich unter einem „Wertrecht“ zu verstehen ist. Mitunter entsteht der Eindruck, als sei damit der Miteigentumsanteil an einer Sammelschuld740 

Canaris, Bankvertragsrecht, Rn 2053; dem folgend Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  2.52. Ausführlich dazu Larenz, Methodenlehre, S.  262 ff. 742  In diesem Sinne die RegBegr. zum BWpVerwG in BT-Drucks. 14/7010, S.  15 f. 743  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  4 2 Rn.  31; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  117 f.; Wessely, WM 1969, 1094, 1097. 744  Siehe BT-Drucks. 14/7010, S.  16, wo von der „Rolle der Wertpapiersammelbank als unmittelbarer Besitzer kraft Fiktion“ die Rede ist; dazu kritisch Lendermann, in: Hopt/Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, §  6 BSchuWG Rn.  5. 741 

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buchforderung gemeint745. Doch hatte Opitz, der den Begriff des „Wertrechts“ ent­ wickelt und seiner noch gesondert zu erörternden Wertrechtslehre zugrundegelegt hat, ihn seinerzeit anders verstanden, nämlich als Sammelbezeichnung für alle unverbrieften Anteils- und Gläubigerrechte, die einem Sammelverwahrer im Sinne des Depotrechts zur Sammelverwaltung anvertraut sind. Opitz’ Aufmerksamkeit galt demnach der zentralverwalteten Unterlage der Miteigentumsrechte – im vorliegenden Zusammenhang also: der Sammelschuldbuchforderung –, denn sein Bestreben war es, ein passendes Gegenstück zum Begriff des sammelverwahrten Wertpapiers zu finden. Folgerichtig heißt es bei ihm weiter: „Bei der Sammelverwahrung der Wertpapiere ist der Bankdepotkunde Teilhaber und Bruchteilseigentümer an den im Sammelbestand vereinigten Wertpapieren, bei der Wertrechtssammelverwaltung ist der Depotkunde Teilhaber und bruchteilsweiser Inhaber des vom Sammelverwalter verwalteten Rechts“746. Entscheidendes Bezugsobjekt ist die Sammelschuldbuchforderung auch bei denjenigen, die den Begriff des „Wertrechts“ enger als Opitz fassen und auf solche unverbrieften, sammelverwalteten Rechte beschränken wollen, die kraft gesetzlicher Anordnung sammelverwahrten Wertpapieren gleichgestellt sind747. b)  Anwendbarkeit des Sachenrechts Da auf Anteile an einer Sammelschuldbuchforderung die Rechtssätze über Miteigentumsanteile an sammelverwahrten Wertpapieren entsprechende Anwendung finden, richtet sich ihre Übertragung nach den §§  929 ff. BGB und ihre Verpfändung nach den §§  1204 ff. BGB748. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs ist gemäß §§  932, 1207 BGB, 366 HGB gegeben749. Insoweit gelten, auch was die tatsächlichen Abläufe bei der Geschäftsabwicklung betrifft, die gleichen Grundsätze wie für Verfügungen über Miteigentumsanteile an sammelverwahrten Wertpapieren. Daß „an die Stelle des bei Buchrechten nicht möglichen Besitzes“ die Depotgutschrift zu treten hat750 und die Anteilsübertragung sich demgemäß nicht durch Einigung und Besitzübertragung, sondern analog §  929 BGB durch Einigung und Buchung vollzieht751, ist eine mögliche, aber keineswegs zwingende Annahme. Denn wie soeben ausgeführt, stellt es keine Überdehnung der Gleichstellungsfiktion des §  6 Abs.  2 BSchuWG dar, wenn man neben einem fiktiven Miteigentum auch von einem fiktiven mittelbaren 745 Siehe Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/115, bei denen von der „Gleichstellung der Anteilsrechte (Wertrechte) mit GS-Anteilen an effektiven Sammelbeständen“ die Rede ist. 746  Opitz, DepotG, §  4 2 Anm.  12 (S.  4 46). 747  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   42 Rn.   29; MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  6. 748  LG Konstanz, WM 1988, 818, 819; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  4 2 Rn.  32 und 35. 749  Angesichts der geringen praktischen Relevanz dieser Möglichkeit sind allerdings Zweifel an der Behauptung angebracht, daß hier die entscheidende Bedeutung der Anwendung sachenrechtlicher Vorschriften liegt; so etwa Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  42 Rn.  32. 750  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/115a. 751  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.   2055; dem folgend Lendermann, in: Hopt/Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, §  6 BSchuWG Rn.  5; Scherer/Löber, DepotG, §  42 Rn.  10.

§  7  Sammelschuldbuchforderungen

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Mitbesitz der Anleger an der Sammelschuldbuchforderung ausgeht. Das hat auch der Bundesgerichtshof anerkannt, und zwar in einem Fall, in dem es um die Verpfändung von Bundesanleihen ging752 . Folge der entsprechenden Anwendung sachenrechtlicher Vorschriften ist unter anderem die Nichtgeltung von §  1280 BGB. Zur wirksamen Verpfändung einer Bundesanleihe genügt daher eine Anzeige gegenüber dem depotführenden Verwahrer (vgl. §  1205 Abs.  2 BGB). Eine Anzeige gegenüber der Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH ist nicht erforderlich und wäre auch sinnlos, da in das Bundesschuldbuch ja die Clearstream Banking AG als ermächtigte Treuhänderin eingetragen ist753. Auch in bezug auf die Pfändung gelten für Anteile an einer Sammelschuldbuchforderung die gleichen Grundsätze wie für Miteigentumsanteile an Wertpapieren, also die §§  857, 828 ff. ZPO754 . Im übrigen ist die Reichweite der Gleichstellungsfiktion jeweils mit Blick auf die fragliche Norm gesondert zu bestimmen. Im Zweifel ist aber die Anwendbarkeit der Vorschriften über bewegliche Sachen zu bejahen755. Unvermeidliche Konsequenz der entsprechenden Anwendung sachenrechtlicher Vorschriften ist, daß fast alle Unklarheiten und Schwierigkeiten, die bei der Analyse des Effektengiroverkehrs auf der Grundlage verbriefter Sammelbestände zutage getreten sind, auf den sog. Schuldbuchgiroverkehr durchschlagen. Das gilt insbesondere für die Schwierigkeit, einen direkten Rechtsübergang vom Veräußerer auf den Erwerber zu konstruieren und die Rolle der einzelnen Intermediäre beim Zustandekommen der dinglichen Einigung zu bestimmen (Bote? Stellvertreter?), aber auch für das Problem des geeigneten Rechtsscheinträgers im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs. c)  Die Opitz’sche Wertrechtslehre Unter dem Stichwort „Wertrechtslehre“ wird im Schrifttum die Frage diskutiert, ob die vom Gesetzgeber für Schulden der öffentlichen Hand reservierte Gleichstellungsfiktion bereits de lege lata auf andere unverbriefte Kapitalmarktwerte ausgedehnt werden kann. Begründet wurde die „Wertrechtslehre“ von Opitz. Ihr Kern besteht in der Annahme, daß „unverbrieft geliebene Anteils- oder Gläubigerrechte“, die „einem Sammelverwahrer im Sinne des Depotrechts zur Sammelverwahrung (Sammelverwaltung) anvertraut sind“756, auch dann als Sachen im Rechtssinne zu behandeln sind, wenn es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung fehlt. In 752 

BGH, ZIP 1996, 588, 589. Vgl. LG Konstanz, WM 1988, 818, 819. Mißverständlich BGH, ZIP 1996, 588: Dort heißt es einerseits (in Leitsatz 1), daß es zur wirksamen Verpfändung der Anzeige „an die Depotbank“ bedarf, und andererseits (auf S.  589), daß die Verpfändung „der Wertpapiersammelbank“ hätte angezeigt werden müssen. 754  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  4 2 Rn.  35; Erk, Rpfleger 1991, 236, 237. 755 Insoweit wie hier Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.   2057; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/115a. 756  So die Definition bei Opitz, DepotG, §  4 2 Anm.  12 (S.  4 46). 753 

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der Sammelverwaltungsverordnung von 1940 und den beiden Sammeldepotverordnungen von 1940 und 1942 sah Opitz dementsprechend nicht die gesetzliche Grundlage, sondern die Bestätigung seiner „Wertrechtslehre“. Ein entscheidender Schritt wurde seiner Meinung nach mit §  2 der Zweiten Sammeldepotverordnung von 1942 getan. Mit dieser Bestimmung sei klargestellt worden, daß es „sich auch bei den Anteilen an reinen, d. h. nicht umwandelbaren, Schuldbuchforderungen um Girosammeldepot, um Verwahrung und Hinterlegung, um Eigentum und Besitz (Walt)“ handelt. Die Verordnung habe „eine Art Transsubstantiation“ vorgenommen. Zwar sei aus einem Forderungsrecht kein körperlicher Gegenstand geworden, doch müsse der sammelverwahrte Anteil an einer Reichsschuldbuchforderung zu den Sachen gerechnet und dem Sachbegriff in §  90 BGB ein umfassenderer Inhalt gegeben werden757. Seine oben bereits erwähnte These von der „Sachwerdung“ des Anteils wollte Opitz also nicht nur auf Forderungsrechte im unmittelbaren Anwendungsbereich der reichsrechtlichen Verordnungen angewendet wissen, sondern auch auf andere sammelverwaltete Wertrechte übertragen, die er als „freie Wertrechte“ bezeichnete. Unter dem „freien Wertrechtsgiro“ verstand Opitz demgemäß den stückelosen Effektengiroverkehr, „der ohne eine entsprechende depotrechtliche Regelung von der Praxis gehandhabt wird“. Paradigma dieses „freien Wertrechtsgiro“ war für ihn der Jungscheingiroverkehr758. Daß die Opitz’sche Wertrechtslehre sich nicht durchsetzen konnte759, ist in erster Linie auf das brüchige dogmatische Fundament zurückzuführen, auf dem sie beruht. Die „Sachwerdung“ des unverbrieften Rechts leitete Opitz aus der treuhänderischen Verwaltung durch den Sammelverwahrer und damit letztlich aus seiner Annahme ab, daß dem Depotkunden als Treugeber das Widerspruchsrecht gemäß §  771 ZPO und das Aussonderungsrecht gemäß §  43 KO (heute: §  47 InsO) zusteht. Diese Begründung trägt jedoch nicht. Denn auch eine Forderung kann Gegenstand eines echten, dem Treugeber Insolvenz- und Vollstreckungsschutz gewährenden Treuhandverhältnisses sein, ohne deswegen gleich als Sache i. S. des §  90 BGB qualifiziert werden zu müssen. Die Rechtsnatur des Treuguts bleibt durch die Begründung eines Treuhandverhältnisses unberührt, mag man unter bestimmten Voraussetzungen auch von einer „Verdinglichung“ der Rechtsposition des Treugebers sprechen. Es ist daher unverständlich, warum aus der treuhänderischen Bindung des Sammelverwahrers „die Verwandlung eines obligatorischen in ein dingliches Recht folgen soll“760. Methodisch fragwürdig ist es auch, die gesetzlichen Vorschriften über Sammelschuldbuchforderungen als bloße Bestätigung der These von der „Sachwerdung“ 757  Opitz, Die gesetzliche Bestätigung der Wertrechtslehre, in: Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S.  455, 459 f. 758  Opitz, DepotG, §  4 2 Anm.  12 (S.  450). 759 Ablehnend Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  28; Brink, Rechtsbeziehungen, S.  71 ff.; Büchner, Treuhandrechtliche Organisation, S.  171 ff.; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  250 ff.; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  99 ff.; Fabricius, AcP 162 (1963), 456, 464 ff.; Pleyer/Schleiffer, DB 1972, 77, 79. 760  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2046.

§  7  Sammelschuldbuchforderungen

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sammelverwalteter Wertrechte aufzufassen. Da nämlich der Gesetzgeber die rechtliche Behandlung von Forderungen als Sachen nur für einen eng begrenzten Bereich, den Verkehr mit sammelverwalteten Schuldbuchtiteln der öffentlichen Hand, vorgesehen hat, ist e contrario davon auszugehen, daß die Gleichstellungsfiktion für andere unverbriefte Rechte nicht gelten soll. Das gilt umso mehr, als §  42 DepotG die Anwendbarkeit des Depotgesetzes auf Fälle, in denen Kaufleute als Treuhänder für Dritte Wertpapiere, Beteiligungen oder Gläubigerrechte erwerben oder ausüben oder in öffentliche Schuldbücher oder sonstige Register eingetragen sind, von einer besonderen Verordnung abhängig macht. Von dieser Ermächtigung hat das (heute) zuständige Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bislang keinen Gebrauch gemacht. In dem einzigen relevanten Fall – eben dem BSchuWG – hat der Gesetzgeber die Regelungskompetenz an sich gezogen761. Der Ausdehnung der Gleichstellungsfiktion auf andere unverbriefte Rechte steht damit ein unüberwindliches Hindernis entgegen762 . Erst recht verbietet sich die Annahme, der Gesetzgeber habe mit dieser Fiktion eine Erweiterung des Sachbegriffs in §  90 BGB beabsichtigt763. Schließlich ist folgendes zu bedenken: Solange der Gesetzgeber in §  10 Abs.  5 AktG bzw. §  793 BGB an der Notwendigkeit der Verbriefung festhält, und sei es auch nur in der Form, daß er die Ausstellung einer Dauerglobalurkunde verlangt, ist an eine weite Verbreitung der „Wertrechtslehre“ ohnehin nicht zu denken764 . Eine Erweiterung des Schuldbuchmodells auf Aktien und Schuldverschreibungen privater Emittenten kommt damit nur de lege ferenda in Betracht. Ob sie sich rechtspolitisch empfiehlt, ist im letzten Teil der Untersuchung zu erörtern765.

761 

Vgl. Scherer/Löber, DepotG, §  42 Rn.  4. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2048/2049, der eine Unterstellung anderer unverbriefter Rechte unter die Regeln des Sachenrechts und des Depotgesetzes unter der Voraussetzung für möglich hält, daß das fragliche Recht im Fall seiner Verbriefung sachen- bzw. depotrechtlichen Grundsätzen unterläge. Einer „schrankenlosen Gleichstellung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung“ redet Canaris allerdings nicht das Wort, um dem argumentum e contrario aus §  42 DepotG zu entgehen. 763  Fabricius, AcP 162 (1963), 456, 465. 764  Siehe auch MünchKomm-BGB/Habersack, vor §  793 Rn.  35: Der Gesetzgeber habe im Zuge der Änderung des §  10 Abs.  5 AktG durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 25. März 1998 (BGBl. I, S.  590) den Übergang zum Wertrecht explizit abgelehnt und einer Rechtsfortbildung damit die Grundlage entzogen. 765  Siehe unten §  19 I. 762 Anders

§  8  Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung I. Grundlagen 1.  Charakteristika und Vorteile gegenseitiger Kontoverbindungen Die grenzüberschreitende Girosammelverwahrung von Wertpapieren beruht auf gegenseitigen Kontoverbindungen (bilateralen CSD-Links) i. S. von §  5 Abs.  4 DepotG, die von der Clearstream Banking AG zu einer Reihe von ausländischen Zentralverwahrern unterhalten werden. Diese Kontoverbindungen unterscheiden sich wesentlich von jenen Depotbeziehungen, wie sie zwischen Zentralverwahrern und ihren gewöhnlichen Girokunden bestehen. Mit der Einrichtung eines CSD-Links wird nämlich die Verknüpfung zweier Abwicklungssysteme bezweckt. Kontoverbindungen zwischen Zentralverwahrern verursachen daher nicht nur einen hohen technischen, sondern auch nicht unerheblichen juristischen Aufwand. Sie werfen Regelungsprobleme besonderer Art auf, die ihren Grund in der Betroffenheit mehrerer Rechtsordnungen, den unter Umständen beträchtlichen technischen und operationellen Unterschieden zwischen den Abwicklungssystemen und der dadurch bedingten Erhöhung der Abwicklungsrisiken haben766. So muß in der Vereinbarung mit dem ausländischen Kooperationspartner beispielsweise geklärt werden, welche Effektengattungen in die Kontoverbindung einbezogen werden sollen, nach welchen Modalitäten die Abwicklung vorgenommen werden soll767 und ob die Verbindung nur für das Settlement von Börsengeschäften oder auch für außerbörsliche Transaktionen zur Verfügung stehen soll. Die hinter der Einrichtung einer gegenseitigen Kontoverbindung stehende Idee ist einfach: Die inländische Girosammelverwahrung soll auf den beim ausländischen Kooperationspartner hinterlegten Bestand ausgedehnt werden – man spricht von der Bildung „grenzüberschreitender Sammelbestände“768 –, um die Voraussetzungen für einen grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr zu schaffen. Die ausländischen Wertpapiere sollen im Heimatland des Emittenten verbleiben, aber über eine elektronische Schnittstelle in das System der Clearstream Banking AG übertragen werden 766 Siehe auch CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Principle 20 („FMI links“) nebst Erläuterungen. 767  Speziell zu den mit der Gewährleistung von „Delivery versus payment (DvP)“ verbundenen Schwierigkeiten Turing, Clearing and Settlement, Anm.  15.49 ff. 768  Decker/Kümpel, Depotgeschäft, Rn.  8/58.

§  8  Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung

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können769. Geschäfte, die an inländischen Börsen über die ausländischen Papiere geschlossen werden, sollen in der gleichen Form und innerhalb der gleichen Frist erfüllt werden können wie Geschäfte über inlandsverwahrte Wertpapiere, d. h. durch Erteilung einer Girosammel-Depotgutschrift am zweiten Erfüllungstag nach Geschäftsabschluß (T+2)770. Soweit das ausländische Recht und die Usancen am betreffenden Börsenplatz dies zulassen, soll die Kontoverbindung auch für die Lieferung deutscher Kapitalmarktwerte ins Ausland genutzt werden können771. Der Möglichkeit, Girosammelanteile innerhalb kurzer Zeit über die Grenze zu buchen, wird vor allem mit Blick auf Arbitragegeschäfte eine große praktische Bedeutung beigemessen. Bei einer Wertpapierarbitrage nutzt der Arbitrageur gewinnbringend zufällige Kursunterschiede eines Papiers an verschiedenen Börsenplätzen aus, indem er beispielsweise das Papier an einer ausländischen Börse billig kauft und gleichzeitig an einer inländischen Börse zu einem höheren, die Anschaffungskosten übersteigenden Preis verkauft772 . Da Arbitragegeschäfte über kurz oder lang zu einem Ausgleich der Kursdifferenzen zwischen den Börsenplätzen führen, sind sie ein wichtiges und erwünschtes Instrument der Marktpflege773. Sie funktionieren aber nur, wenn das im Ausland abgeschlossene Kaufgeschäft innerhalb der Fristen abgewickelt werden kann, die für die Erfüllung des inländischen Verkaufsgeschäfts gelten, und auf die physische Lieferung der Wertpapiere vom Ausland ins Inland verzichtet werden kann774 . Die gleichzeitige Börsennotierung von Wertpapieren im In- und Ausland war denn auch ein wichtiger Grund für die Einrichtung vieler CSDLinks775. Für die Handelsteilnehmer hat ein CSD-Link außerdem den Vorteil, daß sie sämtliche Geschäfte in den einbezogenen Gattungen über ihr Clearstream-Konto laufen lassen können. Da sie über ihre lokale Infrastruktur Zugang zu den Verwahrund Abwicklungsdienstleistungen des ausländischen Zentralverwahrers erhalten, entfällt für sie die Notwendigkeit, selbst ein Konto bei diesem Zentralverwahrer zu unterhalten oder über einen ausländischen Zwischenverwahrer indirekt Zugang zu dessen System zu suchen.

769  In der heutigen Praxis werden die Wertpapiere ausschließlich beim Zentralverwahrer im Heimatland des Emittenten verwahrt. Früher war es üblich, einen Teil der Emission in Form effektiver Stücke beim ausländischen Kooperationspartner zu hinterlegen, um etwaige Auslieferungsbegehren im Ausland befriedigen zu können. Diese sog. „Handbestände“ sind jedoch inzwischen abgeschafft. Siehe Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  142 m. Fn.  230. 770  Siehe Ziffer IX Abs.  4 Satz  6 AGB-CBF sowie §  9 Abs.  2 AGB-FWB. 771  Than, in: WM-Festgabe für Hellner, S.  85, 90. 772  Büschgen, Börsenlexikon, Stichwort „Wertpapierarbitrage“. 773  Kümpel, WM 1985, 1381, 1383. 774 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  184; Kübler, WM 1986, 1305, 1308; Kümpel, WM 1985, 1381, 1383. 775  Turing, Clearing and Settlement, Anm.  15.44.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

2.  Kontoverbindungen der Clearstream Banking AG Die Clearstream Banking AG unterhält zur Zeit 12 gegenseitige Kontoverbindungen zu den Zentralverwahrern in den folgenden Ländern776: Belgien (Euroclear Belgium, Brüssel), Dänemark (VP Securities), Finnland (Euroclear Finland, Helsinki), Frankreich (Euroclear France, Paris), Italien (Monte Titoli S.p.A., Mailand), Luxemburg (LuxCSD), Malta (Malta MSE), Niederlande (Euroclear Netherlands, Amsterdam), Österreich (Oesterreichische Kontrollbank AG – OeKB, Wien), Schweiz (SIX SIS AG, Olten), Spanien (Iberclear, Madrid) und USA (Depository Trust Company – DTC, New York777). Die meisten Kontoverbindungen unterstützen die Wertpapierabwicklung nach dem Modus „Lieferung gegen Zahlung“ (DvP), wenn auch zum Teil begrenzt auf bestimmte Wertpapiergattungen. Die übrigen Verbindungen sind als „FoP“-Links (Lieferung ohne Zahlung) ausgestaltet. Die Kontoverbindung zwischen der Clearstream Banking AG und ihrer Schwestergesellschaft Clearstream Banking Luxembourg stellt keine Kontoverbindung i. S. von §  5 Abs.  4 DepotG dar. Denn über diese Verbindung wird das sog. Auslandsgeschäft in Wertpapieren abgewickelt, bei dem der Kunde statt einer Girosammel-Depotgutschrift eine sog. Gutschrift in Wertpapierrechnung erhält778. Da die Clearstream Banking Luxembourg Wertpapiere nicht selber verwahrt, sondern sich hierzu ihres weltweiten Netzes von Lagerstellen bedient, ist auch zweifelhaft, ob dieses Institut überhaupt als „ausländischer Verwahrer“ qualifiziert werden kann779.

II.  Zulässigkeit gegenseitiger Kontoverbindungen 1. Allgemeines Von der Praxis wurde die Internationalisierung des Effektengiroverkehrs durch Einrichtung von Kontoverbindungen zwischen den nationalen Zentralverwahrern schon bei der Gründung des Auslandskassenvereins (AKV) im Jahr 1970 angestrebt780. Allerdings sollten noch 15 Jahre vergehen, bis der Gesetzgeber dafür eine gesetzliche 776 

Siehe die Übersicht im CBF-Kundenhandbuch, S.  1–22. am 23. Dezember 1992 geschlossene Rahmenvertrag zwischen dem (damaligen) Deutschen Kassenverein und der (damaligen) DTC in New York sah zunächst nur eine einseitige Kontoverbindung, nämlich die Eröffnung eines Depotkontos des Kassenvereins bei der DTC zwecks Abwicklung von Geschäften in US-amerikanischen Namensaktien vor. Erst 1998 gab die SEC der DTC anläßlich der Notierung der DaimlerChrysler-Aktie die Erlaubnis, ein Depot beim deutschen Zentralverwahrer zu eröffnen; siehe Gruson, AG 2004, 358, 374 m. Fn.  158; Karolyi, DaimlerChrysler AG, the First Truly Global Share, Journal of Corporate Finance 9 (2003), 409, 412 f.; ferner Than, in: WM-Festgabe für Hellner, S.  85, 93. 778  Näher dazu unter §  9. 779  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  146 f.; Saager, Effektengiroverkehr, S.  102. 780  Heinsius, Kreditwesen 1971, 21, 24 f. 777  Der

§  8  Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung

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Grundlage schuf. Mit der Neufassung des §  5 Abs.  4 DepotG781 im Zuge der Depotgesetznovelle vom 17. Juli 1985782 ermächtigte er die (damals noch sieben) deutschen Wertpapiersammelbanken, unter bestimmten Voraussetzungen einem ausländischen Verwahrer im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung, die zur Aufnahme eines grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs vereinbart wird, Wertpapiere zur Sammelverwahrung anzuvertrauen. Leitend bei der Formulierung des §  5 Abs.  4 DepotG war die Überzeugung, daß die Beteiligung einer inländischen Wertpapiersammelbank an einem grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr nicht zu einer Gefährdung der Rechte der deutschen Hinterleger führen darf783. Aus diesem Grund macht die Vorschrift die Zulässigkeit einer gegenseitigen Kontoverbindung von vier Voraussetzungen abhängig, die kumulativ erfüllt sein müssen und gewährleisten sollen, daß bei der grenzüberschreitenden Girosammelverwahrung im wesentlichen das bei der inländischen Girosammelverwahrung bestehende Schutzniveau erreicht wird. Die Prüfung und Entscheidung, ob eine Kontoverbindung diese Voraussetzungen erfüllt, wurde nicht einer staatlichen Stelle übertragen, sondern der Wertpapiersammelbank überlassen. Dem liegt die Einschätzung zugrunde, daß sie die Bonität ihres ausländischen Kooperationspartners und das Niveau des Hinterlegerschutzes in dessen Sitzstaat ebenso zuverlässig beurteilen kann wie eine Behörde784. Üblicherweise wird vor der Aufnahme einer gegenseitigen Kontoverbindung ein rechtsvergleichendes Gutachten eingeholt785. Für die Clearstream Banking AG ist der Anreiz, das Vorliegen der Voraussetzungen des §  5 Abs.  4 DepotG sorgfältig zu prüfen, auch deshalb hoch, weil sie für ein Verschulden des ausländischen Zentralverwahrers stets wie für eigenes Verschulden haftet, d. h. gemäß §  276 Abs.  1 Satz  1 BGB für Vorsatz und jede Fahrlässigkeit786. Die bei der Einschaltung eines Drittverwahrers an sich gegebene Möglichkeit, die eigene Haftung auf das Auswahlverschulden zu beschränken (§  3 Abs.  2 Satz  2 DepotG), ist bei der grenzüberschreitenden Girosammelverwahrung ausdrücklich ausgeschlossen (§  5 Abs.  4 Satz  2 DepotG).

2.  Die Voraussetzungen im einzelnen §  5 Abs.  4 DepotG zielte zunächst allein darauf ab, Arbitragegeschäfte zu ermöglichen787. Dementsprechend ließ er die Bildung grenzüberschreitender Sammelbestände nur für Wertpapiere zu, die sowohl im Inland als auch im Sitzstaat des ausländi781  Die bisherige Regelung in §  5 Abs.  4 DepotG, die dem Reichsminister der Justiz eine Ermächtigung zur Einschränkung der Sammelverwahrung einräumte, war durch Art.  129 Abs.  3 GG gegenstandslos geworden. 782  Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren sowie anderer wertpapierrechtlicher Vorschriften, BGBl. I, S.  1507. 783  RegBegr. in BT-Drucks. 10/1904, S.  7, 10. 784  RegBegr. in BT-Drucks. 10/1904, S.  7. 785  Than, in: WM-Festgabe für Hellner, S.  85, 89. 786  Siehe BT-Drucks. 10/1904, S.  7 und 13/8444, S.  82. 787  RegBegr. in BT-Drucks. 10/1904, S.  7 und 11.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

schen Verwahrers zum amtlichen Handel an einer Börse zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr oder einen vergleichbaren geregelten Markt einbezogen sind (§  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  4 DepotG a. F.). Die Praxis zeigte sich aber schon bald unzufrieden mit dieser aus ihrer Sicht übermäßigen, auch unter dem Gesichtspunkt des Kundenschutzes nicht zu rechtfertigenden Restriktion788, die um so hinderlicher erschien, als sie in den Ländern, in denen ebenfalls die Voraussetzungen für einen grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr geschaffen worden waren, keine Parallele hatte. Auf Vorschlag der Börsensachverständigenkommission wurde §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  4 DepotG daher durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 26. Juli 1994789 erstmals gelockert und die Börsennotierung in einem der betroffenen Länder für ausreichend erklärt790. Aber auch dieser erweiterte Rahmen erwies sich als noch zu eng, da außerbörslich („over the counter“) gehandelte Wertpapiere nach wie vor von der grenzüberschreitenden Girosammelverwahrung ausgenommen waren. Geschäfte in diesen Titeln mußten unter größerem Aufwand über den (damaligen) Auslandskassenverein abgewickelt werden. Aus diesem Grund wurde §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  4 DepotG im Zuge der Handelsrechtsreform 1998791 abermals neu gefaßt. Seitdem läßt diese Regelung es genügen, wenn die Wertpapiere vertretbar und von den beteiligten Sammelverwahrern im Rahmen ihrer gegenseitigen Kontoverbindung zur Sammelverwahrung zugelassen sind. Rechtspolitisch war die Beschränkung auf börsennotierte Titel in der Tat fragwürdig, weil das depotrechtliche Schutzniveau nicht von der Anknüpfung an einen bestimmten Markt abhängt792 . Bei der Auslegung des Begriffs „vertretbare Wertpapiere“ sind die Vorgaben der für den ausländischen Verwahrer geltenden Rechtsordnung zu respektieren, die regelmäßig mit dem Wertpapierrechtsstatut übereinstimmen wird. Anders als nach §  5 Abs.  1 Satz  1 DepotG müssen die Effekten nicht in Urkunden verbrieft sein. Der Begriff umfaßt auch unverbriefte Rechte, sofern sich diese durch eine für Kapitalmarktpapiere typische Umlauffähigkeit auszeichnen793. Nach §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  1 DepotG setzt die Zulässigkeit einer gegenseitigen Kontoverbindung voraus, daß der ausländische Verwahrer in seinem Sitzstaat die Aufgaben einer Wertpapiersammelbank wahrnimmt und einer öffentlichen Aufsicht oder einer anderen für den Anlegerschutz gleichwertigen Aufsicht unterliegt. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte sich das Geschäftsfeld des ausländischen Zentral788  Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 218 f.; Jeck, Die Bank 1990, 437, 440; positiver noch das Urteil von Keßler, Die Bank 1985, 443, 445. 789  Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1994, BGBl. I, S.  1749. 790  Überdies wurde der Kreis der einbeziehungsfähigen Wertpapiere auf Anteile von Investmentgesellschaften erweitert. Zu den Motiven im einzelnen siehe die RegBegr. in BT-Drucks. 12/6679, S.  86 f. 791 Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG) vom 22. Juni 1998, BGBl. I, S.  1474. 792  Siehe die RegBegr. in BT-Drucks. 13/8444, S.  82. 793  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  141.

§  8  Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung

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verwahrers im wesentlichen auf die Wertpapierverwahrung und -verwaltung beschränken, so daß Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern des Verwahrers, die den Sammelbestand beeinträchtigen könnten, von vornherein ausgeschlossen sind. Zumindest muß sichergestellt sein, daß im Falle von Verlusten in einem anderen Geschäftsbereich des Verwahrers ein Zugriff der Gläubiger auf den Wertpapierbestand ausgeschlossen ist794 . Außerdem dürfen nach §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  3 DepotG dem Anspruch der Wertpapiersammelbank gegen den ausländischen Verwahrer auf Auslieferung der Wertpapiere keine Verbote des Sitzstaats dieses Verwahrers entgegenstehen. Diese Regelung hat insbesondere öffentlich-rechtliche Verbringungsverbote wie beispielsweise devisenrechtliche Beschränkungen vor Augen795. Ihre Bedeutung war schon immer als gering einzuschätzen, weil die grenzüberschreitende Girosammelverwahrung auf der Idee beruht, daß die Wertpapiere des Sammelbestandes ganz oder allenfalls bis auf kleine Handbestände, die zur Befriedigung von Auslieferungsverlangen benötigt werden, in ihrem Heimatland verbleiben796. Die zentrale Vorkehrung zum Schutz der Anleger ist in §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 DepotG enthalten. Danach muß dem Hinterleger hinsichtlich des Sammelbestandes des ausländischen Zentralverwahrers eine Rechtsstellung eingeräumt werden, die derjenigen nach dem Depotgesetz gleichwertig ist. Die Regierungsbegründung797 weist darauf hin, daß angesichts der Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtssystemen zwar nicht eine völlige Übereinstimmung der maßgeblichen Vorschriften des anderen Staates mit den Vorschriften des deutschen Depotrechts verlangt werden könne. Zu verlangen sei aber, „daß die beiden Rechtssysteme in den für die Rechtsstellung des Hinterlegers maßgeblichen Fragen im Ergebnis gleichwertig sind“. Das bedeute, „daß der Hinterleger am Sammelbestand des ausländischen Verwahrers Miteigentum erwerben muß, das ihn im Konkurs des Verwahrers zur Aussonderung berechtigt und ihn gegen etwaige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Sammelbestand schützt“798. Auch dürften „vom Verwahrer keine Pfand- oder Zurückbehaltungsrechte hinsichtlich des Sammelbestandes wegen der Ansprüche gegen den Zwischenverwahrer aus anderen Geschäften als der Verwahrung der Wertpapiere geltend gemacht werden können“.

794 

RegBegr. in BT-Drucks. 10/1904, S.  10. RegBegr. in BT-Drucks. 10/1904, S.  11. 796  Keßler, Die Bank 1985, 443, 445. 797  Siehe zum folgenden BT-Drucks. 10/1904, S.  10 f. 798 So der Sache nach auch CPSS/IOSCO, Principles for financial markets infrastructures, Anm.  3.20.7. 795 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

III.  Kompatibilitätsprobleme am Beispiel der Kontoverbindung zur DTC Wer mit der Regierungsbegründung die Auffassung vertritt, „daß der Hinterleger am Sammelbestand des ausländischen Verwahrers Miteigentum erwerben muß“, wird unabhängig von der Frage, welcher Rechtsordnung die Übertragung von (Rechten an) im Ausland belegenen Wertpapieren unterliegt, zu der Feststellung gelangen müssen, daß nicht alle der von der Clearstream Banking AG unterhaltenen gegenseitigen Kontoverbindungen von §  5 Abs.  4 DepotG gedeckt sind. Das gilt namentlich für die Kontoverbindung zum US-amerikanischen Zentralverwahrer DTC. Denn das US-amerikanische Recht gewährt dem Anleger keine dinglichen Rechte an sammelverwahrten Wertpapieren. Mit der Gutschrift erhält dieser vielmehr ein Bündel an Ansprüchen gegen den kontoführenden Intermediär in Gestalt eines security en­ titlement. Werden Wertpapiere, die bei der DTC hinterlegt sind, über die gegenseitige Kontoverbindung nach Deutschland umgebucht, so schreibt die DTC dem Konto der Clearstream Banking AG eine entsprechende Anzahl von security entitlements gut. Die Clearstream Banking AG leitet die Werte anschließend an die mit ihrem System verbundene Depotbank und diese die Werte ggf. an ihren Kunden weiter. Zwar geht die Clearstream Banking AG in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Einklang mit der Gesetzesbegründung davon aus, daß die Gutschrift auch in den Fällen des §  5 Abs.  4 DepotG Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren ausweist und daß durch die Erteilung der Gutschrift ein Besitzmittlungsverhältnis mit dem Kunden begründet wird799. Beruht das ausländische Verwahrsystem auf einem Konzept mit indirekter Rechtsträgerschaft, ist der Erwerb von Miteigentum jedoch ausgeschlossen800. Da die DTC, die unter dem Namen Cede & Co. als legal owner der Wertpapiere in das Register des Emittenten eingetragen ist, der Clearstream Banking AG nur ein security entitlement einräumen kann und will, hat letztere von vornherein keine Möglichkeit, einer Depotbank oder deren Kunden ein dingliches Recht an den Wertpapieren zu verschaffen: Nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet. So eng wie in der Regierungsbegründung darf §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 DepotG allerdings nicht verstanden werden. Diese Vorschrift verlangt nicht zwingend die Einräumung von Miteigentum, sondern läßt „hinsichtlich des Sammelbestandes“ des ausländischen Verwahrers den Erwerb einer „gleichwertigen Rechtsstellung“ genügen. Sie ist daher so auszulegen, daß im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung auch der Erwerb einer relativen Rechtsposition ausreicht, sofern diese – wie ein security entitlement – ihrem Inhaber Insolvenz- und Vollstreckungsschutz gewährt801. Doch bleibt auch bei diesem Verständnis des §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 DepotG 799 

Ziffer IX Abs.  4 Satz  6 AGB-CBF. Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  473. 801 So Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/62; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  145; Saager, Ef800 Anders

§  8  Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung

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das Problem, daß ein der Clearstream Banking AG gutgeschriebenes security entitle­ ment sich nicht im Zuge der Umbuchung in ihr System in ein Miteigentumsrecht an den Wertpapieren „verwandeln“ kann. Ist das ausländische Verwahrsystem nicht selbst sachenrechtlich strukturiert, kommt die Erfüllung eines Wertpapiergeschäfts durch Verschaffung von Miteigentum schon aus rechtskonstruktiven Gründen nicht in Betracht802 . Wenn aber ein Anleger, dem von seiner deutschen Depotbank bei der DTC verwahrte Wertpapiere gutgeschrieben werden, kein Miteigentumsrecht an diesen Papieren erwirbt, welche Rechtsstellung erwirbt er dann? Aus Sicht des deutschen Rechts803 ist zunächst an den (originären) Erwerb einer insolvenz- und vollstrekkungssicheren Rechtsposition nach den treuhandrechtlichen Grundsätzen der Gutschrift in Wertpapierrechnung zu denken804 . Dagegen spricht aber, daß dem Anleger in den Fällen des §  5 Abs.  4 DepotG gerade keine Gutschrift in Wertpapierrechnung, sondern eine Girosammel-Depotgutschrift erteilt wird und daß zwischen ihm und der Bank bezüglich der gutgeschriebenen Wertpapiere kein Treuhandverhältnis zustandekommt805. Entsprechendes gilt für das Verhältnis zwischen der Depotbank und der Clearstream Banking AG. Dem Zweck und Wortlaut des §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 DepotG („gleichwertige Rechtsstellung“) sowie dem Willen der Beteiligten, dem Kunden auch im grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr Miteigentum und Mitbesitz zu verschaffen, wird wohl am ehesten die Annahme gerecht, daß das Rechtsinstitut des security entitlement im Zuge der Umbuchung in das CASCADESys­tem der Clearstream Banking AG inhaltlich unverändert nach Deutschland „importiert“ und so weit wie möglich den Bestimmungen des deutschen Sachenrechts unterworfen wird806. Das bedeutet: Mit der Depotgutschrift auf ihrem Clear­streamKonto erwirbt die deutsche Depotbank eine anteilige Mitberechtigung an dem von der Clearstream Banking AG gehaltenen security entitlement. Bei dieser Mitberechtigung handelt es sich ebenfalls um ein security entitlement i. S. von UCC §  8-501 ff., also um ein auf den Bestand der Clearstream Banking AG bezogenes und begrenztes „pro rata property interest“. Leitet die Depotbank die Werte an ihren Kunden weiter, fektengiroverkehr, S.  100; wohl auch Than, in: Guynn, Modernizing Securities Ownership, S.  73, 75; anders Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  270 f. und 473, der aber mit seiner Annahme, der Anleger verfüge immer über „echtes“ depotrechtliches Miteigentum nach Bruchteilen an den im Ausland verwahrten Wertpapieren, über das Ziel hinausschießt. 802 Treffend Wust, Verbuchung, S.   215 f.; im Ergebnis ebenso Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  145; Ege, Kollisionsrecht, S.  190; Einsele, WM 2005, 1109, 1111. Fragwürdig ist dagegen die von Einsele an anderer Stelle aufgestellte Behauptung, die Voraussetzungen des §  5 Abs.  4 DepotG seien nicht erfüllt, weil Sammelbestände, die so unterschiedlichen rechtlichen Regeln wie dem Recht des security entitlement einerseits und dem Recht des Miteigentums andererseits unterlägen, nicht gegeneinander austauschbar seien; siehe MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  189. 803  Zur Kollisionsregel des §  17a DepotG siehe ausführlich unten §  10 III. 804  Dazu unter §  9. 805  Wust, Verbuchung, S.  216. 806 Vgl. das Ergebnis der Interpretation von §   17a DepotG bei Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  95 ff.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

so erwirbt dieser mit der Gutschrift seinerseits ein security entitlement, das sich auf den von der Depotbank gehaltenen Deckungsbestand bezieht. Dem deutschen Kunden wird also letztlich über die Buchungskette ein „property interest“ an den von der DTC verwahrten Wertpapieren vermittelt. Im Hinblick auf Verfügungen und Verwaltungsmaßnahmen werden die anteiligen Mitberechtigungen grundsätzlich wie Miteigentumsanteile an inlandsverwahrten Wertpapieren behandelt807. Eine Anwendung der §§  929 ff. BGB kommt allerdings nicht in Betracht. Denn ein security entitlement wird nicht übertragen, sondern auf jeder einzelnen Verwahrstufe gelöscht bzw. neu begründet. Das muß konsequenterweise auch im grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr gelten. Die „Übertragung“ von Guthaben ist somit in Anlehnung an jene Grundsätze vorzunehmen, wie sie auch im sog. Treuhandgiroverkehr zur Anwendung kommen808. Am Beispiel der Kontoverbindung zwischen der Clearstream Banking AG und der DTC zeigt sich somit, daß das Zusammentreffen unterschiedlicher materiellrechtlicher Verwahrungskonzepte zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen kann, vor allem was die Rechtsstellung des Depotkunden betrifft809. Diese Rechtsunsicherheiten sind nicht nur auf die noch ausführlich zu behandelnden Schwierigkeiten bei der kollisionsrechtlichen Erfassung grenzüberschreitender Wertpapiergeschäfte zurückzuführen. Sie haben ihren Grund auch darin, daß im internationalen Effektengiroverkehr unter Nutzung von CSD-Links von seiten der Clearstream Banking AG und der Depotbanken ausnahmslos Girosammel-Depotgutschriften erteilt werden, obwohl die Verschaffung von Miteigentum in bestimmten Fällen nicht in Betracht kommt.

IV. Sonderformen 1.  Zweitverbriefung ausländischer Wertpapiere Von der grenzüberschreitenden Girosammelverwahrung zu unterscheiden ist die sog. Zweitverbriefung ausländischer Wertpapiere. Auf dieses Verfahren wird bei der inländischen Börseneinführung von Aktien zurückgegriffen, die nicht direkt bei der 807  Jedenfalls in der Formulierung weitergehend Scherer/Rögner, DepotG §  5 Rn.  164: „Aus der Sicht des deutschen Rechts erfolgt hier die Begründung von anteiligem Miteigentum (§  6 DepotG) an den der deutschen Depotbank über die Clearstream Banking AG zustehenden Rechte“. Etwas zurückhaltender aber ders. bei Rn.  178, wo es heißt, daß das dingliche Recht des Depotkunden „einem anteiligen Miteigentum weitestgehend entspricht“. 808 So auch Dittrich, Effektengiroverkehr, S.   145 m. Fn.  253; Ege, Kollisionsrecht, S.  41; siehe auch ders. auf S.  191, wo als Ausweg ein Rückgriff auf den gesetzlichen Erwerbstatbestand des §  24 Abs.  2 DepotG erwogen wird. Ausdrücklich a. A. – und von seinem Standpunkt aus konsequent − Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  273 (Übertragung nach §§  929 ff. BGB bzw. §  24 Abs.  2 DepotG). 809  So auch Wust, Verbuchung, S.  216.

§  8  Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung

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Clearstream Banking AG verwahrt und auch nicht über eine Kontoverbindung zur Girosammelverwahrung zugelassen werden können, z. B. weil sie nach hiesigem Verständnis nicht als vertretbare Wertpapiere i. S. von §  1 Abs.  1 DepotG anzusehen sind. Um Geschäfte in diesen Aktien gleichwohl im Inland durch Erteilung von Girosammelgutschriften erfüllen zu können, werden sie mittelbar in die inländische Girosammelverwahrung einbezogen. Das geschieht in zwei Schritten810: Auf Antrag des Kreditinstituts, das die Zulassung der Aktien zum inländischen Börsenhandel betreibt, richtet die Clearstream Banking AG bei einer Lagerstelle im Heimatmarkt ein Treuhandkonto ein, auf dem der Bestand in den ausländischen Originalwertpapieren auf ihren Namen verbucht wird. Über diesen Bestand wird sodann ein Inhaber-Sammelzertifikat ausgestellt und bei der Clearstream Banking AG hinterlegt. Rechtlich stellt sich diese Sonderform der grenzüberschreitenden Verwahrung als hybrides Gebilde dar, und zwar als Verknüpfung der fiduziarischen Treuhand mit der traditionellen Miteigentumskonstruktion811: Die Clearstream Banking AG wird formell Inhaberin der auf dem ausländischen Treuhandkonto verbuchten Originalwertpapiere. Sie nimmt also selbst die Stellung einer Aktionärin ein und läßt sich ggf. als nominee in das Aktienregister des Emittenten eintragen. Wirtschaftliche Eigentümer der Originalwertpapiere sind die Anleger, denen die Clearstream Banking AG, soweit dies nach den einschlägigen gesetzlichen und statutarischen Bestimmungen möglich ist, alle ihr als formeller Aktionärin zustehenden Rechte vermittelt. Das Inhaber-Sammelzertifikat, das deutschem Recht unterliegt und als Dauerglobalurkunde i. S. von §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG zu qualifizieren ist, verbrieft die Rechte der Anleger gegenüber der Clearstream Banking AG aus dem Treuhandverhältnis (Anspruch auf Auskehrung der Erträge, auf Ermöglichung der Stimmrechtsausübung, ggf. auch auf Auslieferung von Originalwertpapieren usw.)812 . Inländische Börsengeschäfte in den ausländischen Aktien werden durch Verschaffung von Miteigentum am Inhaber-Sammelzertifikat erfüllt. Da der Anleger also gerade nicht Rechte an dem im Ausland deponierten Deckungsbestand erwirbt813, soll es sich dabei um eine Leistung an Erfüllungs statt nach §  364 Abs.  1 BGB handeln814 . Abgesehen von dieser Besonderheit bestehen aber keine rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede zur 810 

CBF-Kundenhandbuch, S.  3–27 f. eine ausführliche Beschreibung Brink, Rechtsbeziehungen, S.  117 ff.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  452 ff. 812 Die Einzelheiten sind in den Zertifikatsbedingungen geregelt. Vgl. dazu das Beispiel bei Than, in: WM-Festgabe für Hellner, S.  85, 87 in Fn.  20 (Börseneinführung der Namensaktien der Battle Mountain Gold Company, Houston, Texas). 813  Der Begriff der „Zweitverbriefung“ ist daher in der Tat mißverständlich, siehe etwa Wust, Verbuchung, S.  210. 814  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  139 f.; wohl auch Wust, Verbuchung, S.  211, der von einer Leistung an Erfüllungs statt „gemäß §  364 Abs.  2 BGB“ spricht. Aber das ist zweifelhaft: Denn bei der Erfüllung im Inland schuldet der Einkaufskommissionär, sofern die Wertpapiere zur Girosammelverwahrung bei der Clearstream Banking AG zugelassen sind, von vornherein nur die Verschaffung von Miteigentum an diesem Sammelbestand (Nr.  11 SBW). Ein solcher Fall liegt auch bei der Hinterlegung eines Inhaber-Sammelzertifikats vor. 811 Für

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Übertragung von Miteigentumsanteilen an Urkunden, die unmittelbar in die inländische Girosammelverwahrung einbezogen sind815. Das Verfahren der Zweitverbriefung ausländischer Wertpapiere wurde von den deutschen Wertpapiersammelbanken bereits vor der Einrichtung des Auslandskassenvereins im Jahre 1970 praktiziert, um die Einführung von Namensaktien insbesondere britischer, italienischer, spanischer und US-amerikanischer Gesellschaften in den inländischen Börsenhandel zu ermöglichen. In seinen Anfängen war es allerdings noch ziemlich aufwendig, weil über jede einzelne ausländische Aktie ein Inhaberzertifikat ausgestellt werden mußte. Zudem war es uneinheitlich, denn diese Zertifikate wurden nicht von einer einzigen Stelle in einer mehr oder weniger standardisierten Form ausgegeben, sondern entweder von einer Wertpapiersammelbank – zumeist dem Frankfurter Kassenverein – oder einem deutschen Emissionshaus. Die Originalaktien lagen entweder in einem Streifbanddepot im Inland oder in einem auf die deutsche Depotbank oder die Wertpapiersammelbank lautenden Sonderdepot (Konsignationsdepot) im Ausland816. Dank der Konzentration des Auslandsgeschäfts beim Kassenverein und der gesetzlichen Anerkennung der Globalurkunde konnte das Verfahren der Zweitverbriefung dann aber in den 1970er Jahren erheblich vereinfacht werden817. Zwar eröffnet auch dieses Verfahren die Möglichkeit von Arbitrageschäften818. Wegen der Notwendigkeit, bei der Clearstream Banking AG ein Inhaber-Sammelzertifikat zu hinterlegen, und seiner doch etwas gewundenen Rechtskonstruktion mutet es jedoch wie eine Behelfslösung an. Aus der Praxis war jedenfalls schon früh die Einschätzung zu vernehmen, daß „die Probleme des grenz­ überschreitenden Effektenverkehrs auf die Dauer nur mit Hilfe eines internationalen Effekten-Giroverkehrs gelöst werden können, an den sämtliche im internationalen Effektengeschäft tätige Institute aller Länder angeschlossen sind“819. Infolge der zunehmenden Vernetzung der Zentralverwahrer durch CSD-Links ist die Bedeutung der Zweitverbriefung in den letzten Jahren denn auch stetig zurückgegangen.

2.  Globale Aktien Ein weiterer Sonderfall ist die globale Aktie (global share). Mit diesem Begriff wird eine Aktie bezeichnet, die direkt und gleichzeitig an in- und ausländischen Börsen815 

Brink, Rechtsbeziehungen, S.  123; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  140. Brink, Rechtsbeziehungen, S.  117; Bruns, Zur Problematik einer rationelleren Abwicklung grenzüberschreitender Effektengeschäfte, S.  7. 817  Ausführlich zur Entwicklung Than, in: WM-Festgabe für Hellner, S.  85, 86 ff.; siehe ferner Heinsius, Kreditwesen 1971, 21, 24. 818  Der auf dem ausländischen Treuhandkonto verbuchte Deckungsbestand an Originalwertpapieren und der im System der Clearstream Banking AG verbuchte Bestand an Girosammelanteilen können entsprechend erhöht bzw. reduziert werden. Die Bestandsveränderungen wurden früher auf einer sog. Allonge und werden heute durch einen Depotauszug dargestellt, der als Bestandteil des Inhaber-Sammelzertifikats anzusehen ist. Siehe Than, in: Festschrift für Heinsius, S.  809, 833; CBF-Kundenhandbuch, S.  3–27. 819  Heinsius, Kreditwesen 1971, 21, 24. 816 

§  8  Grenzüberschreitende Girosammelverwahrung

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plätzen notiert ist820. Das Konzept der globalen Aktie wurde anläßlich der Fusion der Daimler Benz AG und der Chrysler Corporation im Jahr 1998 entwickelt821 und danach von einer Reihe weiterer deutscher Unternehmen übernommen. Ihm liegt die Idee zugrunde, den in verschiedenen Ländern ansässigen Aktionären ein Wertpapier zur Verfügung zu stellen, das jeweils das gleiche Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft verbrieft822 . Vor der Einführung der globalen Aktie konnten deutsche Aktien nur unter Zwischenschaltung sog. American Depositary Receipts (ADR) an der New Yorck Stock Exchange (NYSE) notiert werden. Einer der Gründe dafür lag darin, daß damals fast alle deutschen Gesellschaften Inhaberaktien ausgegeben hatten, während an der NYSE ausschließlich Namensaktien zum Handel zugelassen werden können. Ein weiteres Hindernis bestand darin, daß das Grundkapital einer deutschen Aktiengesellschaft auf einen Nennbetrag in Euro lauten muß (§  6 Abs.  1 AktG), an der NYSE gehandelte Aktien dagegen in US-Dollar denominiert sein müssen823. Man suchte daher nach einer Lösung, welche die Notierung und den zeitzonenunabhängigen Handel deutscher Aktien an allen wichtigen internationalen Aktienmärkten ermöglicht und die mit ADR-Programmen verbundenen Nachteile vermeidet, insbesondere die bei diesen Programmen anfallenden Umtauschgebühren und die vergleichsweise hohen Übertragungsgebühren beim Handel mit großen Stückzahlen824 . Im Konzept der globalen Aktie sind alle nicht einzelverbrieften Anteile in Globalurkunden verbrieft, von denen jeweils eine in jedem Land verwahrt wird, in dem das Unternehmen an der Börse notiert ist. Im Fall DaimlerChrysler war z. B. unter anderem eine Globalurkunde bei der Depository Trust Company (DTC) in New York und eine bei der Clearstream Banking AG deponiert. Die Globalurkunden sind mit variabler Valuta ausgestellt, so daß sie jeweils Aktien bis zum Gesamtbetrag der Emission verbriefen können. Verringert sich die Anzahl der in einer Urkunde verbrieften Aktien, soll dies durch eine entsprechende Erhöhung der in der anderen Urkunde verbrieften Aktien ausgeglichen werden können. Dies soll die Möglichkeit eröffnen, Aktien grenzüberschreitend von einer Sammelurkunde zur anderen zu übertragen825. Diese Möglichkeit ist allerdings nicht in dem technischen Sinne zu verstehen, daß eine bestimmte Rechtsposition von einem System in das andere umgebucht und im Zuge dessen ihr Trägerdokument wechseln könnte. Die Idee ist vielmehr, daß ein Aktienkauf an der Frankfurter Wertpapierbörse durch Verschaffung von Miteigentum an der bei der Clearstream Banking AG verwahrten Globalurkunde erfüllt wird, während ein US-amerikanischer Anleger, der seinen Broker mit dem Ankauf von Aktien an der NYSE beauftragt, ein security entitlement in bezug auf die 820 

Gruson, AG 2004, 358, 359. dazu Gruson, AG 2004, 358 ff.; zu den Reaktionen des Kapitalmarkts auf die Einführung der globalen Aktie durch DaimlerChrysler siehe Karolyi, Journal of Corporate Finance 9 (2003), 409 ff. 822  Gruson, AG 2004, 358, 360. 823  Ege, Kollisionsrecht, S.  22. 824  Gruson, AG 2004, 358, 360 m. Fn.  24. 825  Gruson, AG 2004, 358, 362. 821  Ausführlich

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bei der DTC deponierte Globalurkunde erwirbt. Obwohl sich die Buchungsvorgänge bei einer grenzüberschreitenden „Übertragung“ globaler Aktien äußerlich nicht von denen im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung unterscheiden826, hat man es hier folglich mit zwei rechtlich voneinander getrennten Sammelbeständen zu tun, an denen jeweils nur die Depotgemeinschaft des betreffenden Zentralverwahrers beteiligt ist. Die Belastungs- und Gutschriftsbuchungen auf den Konten der Zentralverwahrer dienen lediglich dazu, die Valuta der Globalurkunden durch eine Art Tausch anzupassen, und werden daher nicht zu Unrecht mit einem System kommunizierender Röhren verglichen827. Im Zuge einer grenzüberschreitenden Veräußerung ist der derivative Erwerb eines Miteigentumsanteils an der bei der Clearstream Banking AG hinterlegten Urkunde nach §§  929 ff. BGB ausgeschlossen. In Betracht kommt allerdings ein Rechtserwerb nach §  24 Abs.  2 DepotG828.

V. Zusammenfassung Dittrich hält den Effektengiroverkehr auf der Grundlage gegenseitiger Kontoverbindungen für die modernste und zugleich unkomplizierteste Form des Effektengiroverkehrs mit Auslandsberührung829. Die Idee, die diesem Konzept zugrundeliegt, ist in der Tat bestechend einfach: Ausländische Wertpapiere sollen beim Zentralverwahrer ihres Heimatlandes verbleiben und trotzdem in den über CASCADE abge­ wickelten Effektengiroverkehr einbezogen werden können. Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, geht dieses Konzept jedoch nicht problemlos auf, wenn das deutsche Miteigentumsmodell auf ein Verwahrungskonzept trifft, in dem eine direkte Berechtigung von Anlegern an zentralverwahrten Effekten nicht vorgesehen ist. Insbesondere soweit es um die Kontoverbindung zwischen der Clearstream Ban­ king AG und der DTC geht, ist unklar, welche Rechtsposition ein deutscher Anleger mit der Depotgutschrift erwirbt. Im Hinblick auf den Wortlaut und den Zweck von §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 DepotG wird man wohl vom Erwerb eines security entitlement auszugehen haben. Unter dem Aspekt des Insolvenzschutzes ist diese Berechtigungsform dem Miteigentum des deutschen Sachenrechts gleichwertig. Eine direkte dingliche Berechtigung an den bei der DTC hinterlegten Wertpapieren vermittelt sie dem Anleger jedoch nicht, obwohl dieser nicht anders als im inländischen Effektengiroverkehr eine Girosammel-Depotgutschrift erhält.

826  Für „Übertragungen“ zwischen der Clearstream Banking AG und der DTC wird offenbar der zwischen diesen Einrichtungen bestehende CSD-Link genutzt, siehe Gruson, AG 2004, 358, 374 f. 827  Ege, Kollisionsrecht, S.  4 2 828  Ege, Kollisionsrecht, S.  43. 829  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  140.

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung I. Einführung Wertpapiergeschäfte werden von einer Bank grundsätzlich im Inland erfüllt (Nr.  10 SBW). Sind die Wertpapiere zur Girosammelverwahrung bei der Clearstream Bank­ ing AG zugelassen, geschieht dies in der Weise, daß die Bank dem Kunden durch Erteilung einer Girosammel-Depotgutschrift (GS-Gutschrift) Miteigentum an dem betreffenden Girosammelbestand verschafft (Nr.  11 Satz  1 SBW)830. Ob sich der Girosammelbestand aus in- oder ausländischen Wertpapieren zusammensetzt, ist ohne Belang. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Wertpapiere bei der Clear­stream Banking AG deponiert oder über eine gegenseitige Kontoverbindung i. S. von §  5 Abs.  4 DepotG in die Girosammelverwahrung einbezogen sind. Das geht zwar nicht ausdrücklich aus Nr.  11 Satz  1 SBW hervor, ergibt sich jedoch aus dem Zweck einer gegenseitigen Kontoverbindung, die beim ausländischen Kooperationspartner hinterlegten Wertpapiere in den über die Clearstream Banking AG abgewickelten Effektengiroverkehr einzugliedern. Schließlich spielt auch keine Rolle, ob der Girosammelbestand aus verbrieften Effekten besteht oder wie im Fall der unverbrieften Sammelschuldbuchforderungen auf einer gesetzlichen Fiktion beruht. Eine Erfüllung „im Inland“ liegt immer dann vor, wenn die Bank ihre „Lieferverpflichtung“ durch Erteilung einer Girosammel-Depotgutschrift erfüllt. Von der Erfüllung „im Inland“ ist das sog. Auslandsgeschäft in Wertpapieren zu unterscheiden. Davon spricht man, wenn Wertpapiere von einer Bank vereinbarungsgemäß im Ausland angeschafft und aufbewahrt werden831. Für die Anschaffung „im Ausland“ kommt es nicht darauf an, wo der schuldrechtliche Verpflichtungsvertrag geschlossen wird oder ob der Verkäufer seinen Sitz im Ausland hat. Entscheidend ist vielmehr, wo die Wertpapiere usancegemäß dem Käufer zur Verfü830 Sind die Wertpapiere nicht zur Girosammelverwahrung zugelassen, verschafft die Bank dem Kunden das Alleineigentum; die Wertpapiere werden dann in Streifbandverwahrung genommen (Nr.  11 Satz  2 und 3 SBW). 831  Gemäß Nr.  12 Abs.  1 SBW schafft die Bank Wertpapiere im Ausland an, wenn sie (1) als Kommissionärin Kaufaufträge in in- oder ausländischen Wertpapieren im Ausland ausführt, (2) dem Kunden im Wege eines Festpreisgeschäfts ausländische Wertpapiere verkauft, die im Inland weder börslich noch außerbörslich gehandelt werden, oder (3) als Kommissionärin Kaufaufträge in ausländischen Wertpapieren ausführt oder dem Kunden ausländische Wertpapiere im Wege eines Festpreisgeschäfts verkauft, die zwar im Inland börslich oder außerbörslich gehandelt, üblicherweise aber im Ausland angeschafft werden.

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gung gestellt werden. Das ist bei ausländischen Wertpapieren, die nicht zum regulierten Markt an einer inländischen Börse zugelassen sind, im allgemeinen eine Stelle im Ausland832 . Die im Ausland angeschafften Wertpapiere werden üblicherweise auch im Ausland aufbewahrt, und zwar entweder von einer eigenen ausländischen Geschäftsstelle der Bank oder einem anderen in- oder ausländischen Verwahrer (Nr.  12 Abs.  2 Satz  1 und 2 SBW). Praktischer Regelfall ist die Auslandsaufbewahrung unter Einschaltung der Clearstream Banking AG. Diese unterhält kein eigenes Lagerstellennetz, sondern bedient sich der über die ganze Welt verteilten Lagerstellen ihrer Schwestergesellschaft Clearstream Banking Luxembourg833. Der Kunde erhält beim Auslandsgeschäft eine sog. Gutschrift in Wertpapierrechnung (WR-Gutschrift). Diese auf Opitz zurückgehende Bezeichnung lehnt sich an den Begriff der laufenden Rechnung an834 . Mit ihr soll dem Kunden signalisiert werden, daß er kein dingliches Recht an den Wertpapieren, sondern nur die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers erlangt und für ihn ein schuldrechtlicher Anspruch verbucht wird. Beim Auslandsgeschäft ist es nämlich die Bank bzw. die Clearstream Banking AG, die das Allein- oder Miteigentum an den Wertpapieren oder eine andere im Lagerland übliche, gleichwertige Rechtsstellung erwirbt, um diese Rechtsstellung treuhänderisch für ihren Kunden zu halten. Man hat es hier also mit einem Konzept mit indirekter Rechtsträgerschaft zu tun. Im folgenden soll dieses Konzept auch deshalb auf seine Tragfähigkeit überprüft werden, weil es Einseles Reformvorschlag eines Effektengiroverkehrs auf der Grundlage der fiduziarischen Treuhand als Vorbild dient835. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei auf die Frage zu richten, ob bei der Verwahrung in Wertpapierrechnung ein dem Standard der inländischen Girosammelverwahrung entsprechender Schutz des Depotkunden gewährleistet ist. Die weit auseinander klaffenden Bewertungen des WR-Modells im Schrifttum deuten darauf hin, daß in dieser Hinsicht noch Klärungsbedarf besteht836.

832 Vgl.

Ziganke, WM 1961, 226, 230. CBF-Kundenhandbuch, S.  1–19 f. 834  Opitz, DepotG, §  15 Anm.  7 (S.  246). 835 Ausführlich Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  561 ff.; siehe ferner dies., RIW 1997, 269, 274; dies., WM 2000, 7, 13; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 14 ff. 836  Siehe einerseits Lehmann, Finanzinstrumente, S.  57, der meint, die Position des Anlegers sei im Auslandsgeschäft „wesentlich schwächer“ als im inländischen Effektengiroverkehr, andererseits die positive Bewertung bei Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/132. 833 

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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II. Rechtsgrundlagen 1.  §  22 DepotG Das Depotgesetz befaßt sich mit dem Auslandsgeschäft in Wertpapieren nur in einer einzigen Vorschrift. Gemäß §  22 Abs.  1 Satz  1 DepotG braucht der Kommissionär, wenn die Wertpapiere vereinbarungsgemäß im Ausland angeschafft und aufbewahrt werden, dem Kommittenten das Stückeverzeichnis erst auf dessen Verlangen zu übersenden. Gemäß §  22 Abs.  1 Satz  2 DepotG kann der Kommittent die Übersendung jederzeit verlangen, es sei denn, daß ausländisches Recht der Übertragung des Eigentums an den Wertpapieren durch Absendung des Stückeverzeichnisses entgegensteht oder daß der Kommissionär nach §  19 Abs.  1 DepotG zur Aussetzung der Übersendung berechtigt ist. Diese rudimentäre Regelung spricht zwar nur von der Übersendung des Stückeverzeichnisses, ist aber als genereller Dispens des Kommissionärs von der Pflicht zur Eigentumsverschaffung zu verstehen. Sofern und solange der Kommissionär das Stückeverzeichnis nicht zu übersenden braucht, braucht er dem Kommittenten das Eigentum an den Wertpapieren auch nicht auf andere Weise zu übertragen837. Da, soweit ersichtlich, neben dem deutschen nur das österreichische Recht eine Eigentumsübertragung durch Absendung des Stückeverzeichnisses kennt (§  13 DepG), entfällt die Pflicht des Kommissionärs zur Eigentumsverschaffung praktisch so gut wie immer. Daß §  22 DepotG ausschließlich das – in der Regel deutschem Recht unterliegende838 – Kommissionsverhältnis zwischen Bank und Kunde behandelt und depotrechtliche Fragen vollständig außen vor läßt, ist damit zu erklären, daß sich die Anschaffung und Aufbewahrung von Wertpapieren im Ausland der Regelungskompetenz des deutschen Gesetzgebers entzieht. Wegen der Maßgeblichkeit der ausländischen Rechtsordnung ist er daran gehindert, die Rechtsbeziehungen zwischen den am Auslandsgeschäft Beteiligten, den Übergang des Eigentums an den angeschafften Wertpapieren und die Pflichten des Auslandsverwahrers abschließend zu regeln839. Auch heute noch läßt sich §  22 DepotG mit der Erwägung rechtfertigen, daß die Verschaffung von (Mit-)Eigentum an den auslandsverwahrten Effekten für die Bank 837  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   22 Rn.   13; MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  208. Das bedeutet freilich nicht, daß der Kommittent überhaupt keine Möglichkeit hat, das Eigentum an den Wertpapieren übertragen zu erhalten. Das Schrifttum billigt ihm nämlich die Möglichkeit zu, die Vereinbarung über die Verwahrung im Ausland in Analogie zu §  695 BGB zu kündigen und z. B. die Lieferung der Papiere ins Inland zu verlangen; dann entfällt der Tatbestand des §  22 DepotG; siehe Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  22 Rn.  21. 838  Siehe die Rechtswahlklauseln in Nr.  6 Abs.  1 AGB-Banken bzw. Nr.  6 Abs.  1 AGB-Sparkassen. 839  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  22 Rn.  1; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  139; Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 214. In Nr.  12 Abs.  2 Satz  3 SBW ist folgerichtig festgelegt, daß die Verwahrung der Papiere den Rechtsvorschriften und Usancen des Verwahrungsorts und den für den oder die ausländischen Verwahrer geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt.

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häufig zu aufwendig und vielfach sogar unmöglich wäre. Vor allem in den Fällen, in denen das zur Anwendung berufene ausländische Recht – auf der Grundlage der lex rei sitae: das Recht des Lageorts der Wertpapiere – die Eigentumsübertragung durch Übersendung des Stückeverzeichnisses nicht kennt und den Erwerb einer direkten Berechtigung des Anlegers an sammelverwahrten Effekten auch sonst nicht vorsieht, würde die Übersendung des Stückeverzeichnisses „nicht den vom Kommittenten erstrebten Zweck erfüllen, sondern nur eine bloße Förmlichkeit ohne praktische Bedeutung sein“840. Das gilt auch, soweit es um Effekten geht, bei denen die Ausstellung bzw. Übertragung der Urkunde nicht zugleich den Erwerb des verbrieften Rechts bedeutet. Man denke etwa an Länder wie die USA, in denen Aktienzertifikate lediglich die Funktion von Beweisdokumenten haben und der Erwerb der materiellen Rechtsstellung eines Aktionärs die Umschreibung des Aktienregisters voraussetzt841. Mitunter wird zur rechtspolitischen Rechtfertigung des §  22 DepotG auch das angeblich fehlende Interesse des Anlegers an einem sofortigen Eigentumserwerb angeführt. Der Anleger sei in erster Linie darauf aus, die erworbenen Wertpapiere im Ausland handeln zu können, um so an der Ertragskraft des Unternehmens partizipieren oder Kurs-, Zins- und Währungsschwankungen ausnutzen zu können. Auf die Ausübung der persönlichen Mitwirkungsrechte, etwa des Stimmrechts in der Hauptversammlung, lege er dagegen erfahrungsgemäß keinen Wert842 . Diese pauschale Einschätzung mag in den 1970er Jahren zutreffend gewesen sein. Sie dürfte jedoch, zumindest was institutionelle Investoren betrifft, von der Entwicklung der letzten Jahre, die durch eine zunehmende Internationalisierung der Wertpapierportfolios und damit zusammenhängende Bemühungen zur Erleichterung der grenz­ überschreitenden Stimmrechtsausübung843 geprägt waren, überholt worden sein. Jedenfalls muß, wie noch zu zeigen sein wird, der Anleger auch im WR-Konzept in die Lage versetzt werden, das mit „seinen“ ausländischen Aktien verbundene Stimmrecht nach seinen Vorstellungen auszuüben. Richtig ist allerdings nach wie vor, daß die Interessen des Anlegers einem sofortigen Eigentumserwerb entgegenstehen kön­ nen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn das maßgebliche ausländische Recht für einen solchen Eigentumserwerb ein besonderes zeit- und kostenaufwendiges Verfahren wie z. B. die Umschreibung im Register des Emittenten vorsieht844 .

840 

Begr. zu §  22 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, S.  303. Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 216. 842  Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 215. 843  Eine Beleg ist die kürzlich reformierte Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften vom 11. Juli 2007, ABl. EU Nr. L 184, S.  17. 844  Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 215. 841 

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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2.  Nr.  12 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Da §  22 DepotG keine Aussage zu den mit dem Auslandsgeschäft verbundenen depotrechtlichen Fragen trifft und sich auch nicht dazu äußert, ob die inländische Depotbank als Einkaufskommissionärin wenigstens ihrerseits das Eigentum an den Wertpapieren erwerben muß, blieb es den Banken überlassen, diese Lücke zu schließen. Bereits Ende 1960 wurden die „Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren“ von den privaten Banken eingeführt und wenig später von den öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Kreditinstituten übernommen845. Ab dem 1. Januar 1973 galt einheitlich für das gesamte Bankgewerbe eine Neufassung, die zum 1. Januar 1995 zusammen mit den Regelungen über das Inlandsgeschäft in die seitdem verwendeten „Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte“ übernommen wurde846. Nach Nr.  12 Abs.  3 Satz  1 SBW ist die Bank verpflichtet, sich nach pflichtgemäßem Ermessen unter Wahrung der Interessen des Kunden das Eigentum oder Miteigentum an den Wertpapieren oder eine andere im Lagerland übliche, gleichwertige Rechtsstellung zu verschaffen und diese Rechtsstellung treuhänderisch für den Kunden zu halten. Gemäß Nr.  12 Abs.  3 Satz  2 SBW erteilt sie dem Kunden darüber eine WR-Gutschrift unter Angabe des Lagerlandes der Wertpapiere. Aus diesen Klauseln ergibt sich, daß die Bank die Rechte an den im Ausland verwahrten Wertpapieren zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung des Kunden hält. Es liegt ein fiduziarisches Treuhandverhältnis vor, eine sog. Vollrechtstreuhand. In Nr.  12 Abs.  4 Satz  1 SBW ist festgelegt, daß eine WR-Gutschrift dem Kunden „Auslieferungsansprüche“ gegen die Bank vermittelt, deren Bestand und Umfang allerdings auf den von der Bank im Ausland unterhaltenen Deckungsbestand beschränkt ist. Gemäß Nr.  12 Abs.  4 Satz  2 SBW besteht der Deckungsbestand aus den im Lagerland für den Kunden und für die Bank verwahrten Wertpapieren derselben Gattung. Diese Regelungen geben freilich kein vollständiges Bild ab insofern, als sie auf ein einstufiges Treuhandverhältnis zugeschnitten sind, nämlich die Grundkonstellation, daß die Bank selbst formal-rechtlich Inhaberin der Wertpapiere wird und diese Rechtsstellung als Treuhänderin ihrem Kunden weitervermittelt. Wie bereits erwähnt, pflegen die Banken jedoch auch beim Auslandsgeschäft in weitem Umfang die Dienste der Clearstream Banking AG als Zwischenverwahrerin in Anspruch zu nehmen, wozu sie nach Nr.  12 Abs.  2 Satz  2 SBW ausdrücklich berechtigt sind. In diesem Fall besteht ein zweistufiges Treuhandverhältnis: auf der ersten Stufe ein Treuhandverhältnis zwischen der Clearstream Banking AG – die formal, und sei es über einen weiteren Zwischenverwahrer, den Wertpapierbestand hält – und der Bank, auf der zweiten Stufe ein Treuhandverhältnis zwischen der Bank und dem Kunden847. In Anlehnung an den mehrfach gestuften mittelbaren Besitz bei der Girosammelverwahrung wird folgerichtig beim Auslandsgeschäft von einem Treuge845 

Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  22 Rn.  25. Abgedr. bei Ziganke, WM 1961, 226, 228. Bunte, AGB-Banken, SBW Rn.  1. 847  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/168; Coing, WM 1977, 466, 468; Paul, WM 1975, 2, 5. 846 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

ber der ersten Stufe (Bank) und einem Treugeber der zweiten Stufe (Kunde) gesprochen848. Das Treuhandverhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden wird durch die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte ausgeformt, das Treuhandverhältnis zwischen der Clearstream Banking AG und der Bank durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG849.

III. Einzelheiten Auch wenn das Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung, soweit ersichtlich, in der Praxis bislang reibungslos funktioniert hat, wirft es eine Reihe dogmatischer Fragen auf, die bis heute nicht abschließend geklärt sind und die keineswegs nur Nebensächlichkeiten, sondern zentrale Aspekte wie die Rechtsnatur der WR-Gutschrift und den Schutz des Depotkunden in der Insolvenz des Verwahrers betreffen. Diese Rechtsunklarheit ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die gesetzlich nicht geregelte fiduziarische Treuhand trotz erheblicher Fortschritte in der wissenschaftlichen Durchdringung850 noch immer als „rätselhaftes Rechtsinstitut“851 gelten muß, dem es in mancherlei Hinsicht an scharfen Konturen mangelt.

1.  Das Treuhandverhältnis a) Treuhandabrede Ein fiduziarisches Treuhandverhältnis besteht aus zwei Elementen: der obligatorischen Treuhandabrede, die den Zweck der Treuhand sowie die Rechte und Pflichten der Parteien festlegt, sowie einem (in der Regel dinglichen) Rechtsgeschäft, durch das dem Treuhänder in einer Weise Rechtsmacht über das Treugut eingeräumt wird, daß er es nach Maßgabe der obligatorischen Treuhandabrede für den Treugeber verwahren und verwalten kann852 . Beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren liegt die obligatorische Treuhandabrede in der Vereinbarung über die Anschaffung und Aufbewahrung der Wertpapiere im Ausland, die gemäß den Sonderbedingungen für 848 

Brink, Rechtsbeziehungen, S.  133 f.; Paul, WM 1975, 2, 5. Siehe Ziffer XII Abs.  1 AGB-CBF, die nahezu wörtlich Nr.  12 SBW entspricht. 850  Siehe aus jüngerer Zeit Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, 2006; Geibel, Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht, 2008; Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997; Löhnig, Treuhand, 2006; Henssler, AcP 196 (1996), 37 ff.; klassisch Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, 1973; Siebert, Das rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnis, 1933. 851  Siehe etwa Geibel, Treuhandrecht, S.  1; Karsten Schmidt, in: Festschrift für Wiegand, S.  933, 962 (mit Bezug auf das Treuhandkonto); in gleichem Sinne Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  7. 852 Zur „zweiaktigen“ Struktur rechtsgeschäftlicher Treuhandverhältnisse siehe MünchKomm-BGB/Schubert, §  164 Rn.  50; Coing, Treuhand, S.  106; ders., WM 1977, 466, 467 f.; Geibel, Treuhandrecht, S.  63 f. 849 

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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Wertpapiergeschäfte zwischen der Bank und dem Kunden geschlossen wird853. Vom Schrifttum wird diese Vereinbarung als Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. von §  675 Abs.  1 BGB qualifiziert. Anders als der Depotvertrag bei der Inlandsverwahrung soll dieser Vertrag allerdings nur dienstvertragliche und nicht auch verwahrungsrechtliche Elemente enthalten. Denn beim Auslandsgeschäft, so die gängige Begründung, könne der Kunde mangels abweichender Abrede nicht erwarten, daß die Bank die Aufbewahrung der Wertpapiere selbst übernimmt. Die typische Leistung eines Verwahrers solle von vornherein und ausschließlich von der ausländischen Lagerstelle erbracht werden854. Im Hinblick auf Nr.  12 Abs.  2 Satz  1 SBW, wonach die Bank die im Ausland angeschafften Wertpapiere im Ausland „verwahren lassen“ wird, liegt dieses Verständnis in der Tat nahe, und so ist es konsequent, wenn die ausländische Lagerstelle vom Schrifttum weder als Erfüllungsgehilfin (§  278 BGB) noch als Sub­ stitutin (§  664 Abs.  1 Satz  1 und 2 BGB) der inländischen Bank eingeordnet wird855. Ist die Clearstream Banking AG in die Verwahrung eingeschaltet, verträgt sich dieses Verständnis allerdings nicht ohne weiteres mit der Annahme, daß die Clearstream Banking AG mit dem ausländischen Institut durch einen Verwahrungsvertrag verbunden ist856 und als Erfüllungsgehilfin der inländischen Bank agiert857. Denn die Einschaltung der Clearstream Banking AG ändert ja nichts daran, daß die Aufbewahrung der Wertpapiere von vornherein und ausschließlich von der ausländischen Lagerstelle vorgenommen werden soll. Wie auch immer man zu der Frage, ob die in die Verwahrkette eingegliederten Institute als Erfüllungsgehilfen zu qualifizieren sind oder nicht, stehen mag: Das Urteil über die Angemessenheit der Haftungsregelung in Nr.  19 Abs.  2 SBW sollte davon nicht abhängig gemacht werden858. b)  Auslieferungsanspruch des Depotkunden aa)  Bedeutung der WR-Gutschrift (1)  Herrschende Auffassung Aus Nr.  12 Abs.  4 Satz  1 SBW geht hervor, daß die WR-Gutschrift dem Depotkunden „Auslieferungsansprüche“ vermittelt859. Nach bislang herrschender Auffassung ist 853 

Coing, WM 1977, 466, 468. Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18/168; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/125; Coing, WM 1977, 466, 468 und 471 f.; siehe ferner Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2155. 855  Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18/169; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/176. 856 So Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  158, die diese Annahme sogar für „unproblematisch“ hält. 857  Beule, in: Höche/Piekenbrock/Siegmann (Hrsg.), BuB, Rn.  7/188; dem folgend Bunte, AGBBanken, SBW Rn.  162. 858  Dazu näher unter d). 859  Vgl. entsprechend Ziffer XII Abs.  1 Satz  6 AGB-CBF für das Verhältnis zwischen der Clear­ stream Banking AG und der Teilnehmerbank. 854 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

damit der Anspruch des Kunden (Treugebers) gegen die Depotbank (Treuhänderin) gemäß §§  675 Abs.  1, 667 BGB auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten gemeint860. Dieser Anspruch, der vom Kunden grundsätzlich jederzeit geltend gemacht werden könne, entstehe, sobald die Bank das Eigentum an den für den Kunden angeschafften Wertpapieren bzw. die vom ausländischen Recht gewährte gleichwertige Rechtsstellung erlangt. Ist die Clearstream Banking AG in den Anschaffungsvorgang eingeschaltet, werde der Auslieferungsanspruch in dem Moment begründet, in dem die Bank ihrerseits einen Herausgabeanspruch gegen die Clearstream Bank­ ing AG erwirbt. Das sei „spätestens“ der Fall, wenn die Clearstream Banking AG der Bank eine entsprechende WR-Gutschrift erteilt. Dagegen reiche ein bloßer Verschaffungsanspruch der Bank gegen ihren Kontrahenten aus dem Ausführungsgeschäft zur Begründung eines Auslieferungsanspruchs des Kunden nicht aus. Solange nämlich die Erfüllung dieses Anspruchs noch aussteht, habe die Bank aus der Geschäftsführung nichts erlangt, was sie an den Kunden herausgeben könnte861. Diese Ausführungen entsprechen dem Grundsatz, daß der Herausgabeanspruch des Auftraggebers aus §  667 BGB erst entsteht, wenn der Beauftragte den herausgabepflichtigen Vorteil tatsächlich erlangt und nicht mehr bloß in Aussicht hat862 . Der Bedeutung der WR-Gutschrift werden sie aber nicht vollauf gerecht. (2)  WR-Gutschrift als notwendiges Element des Erwerbstatbestandes §  667 BGB enthält dispositives Recht; er kann von den Vertragsparteien abbedungen oder an die Besonderheiten der Auftragsausführung angepaßt werden863. So liegt es hier: Aus Nr.  12 Abs.  3 Satz  2 und Abs.  4 Satz  1 SBW864 (Auslieferungsansprüche „aus“ der WR-Gutschrift) ist zu schließen, daß die „Lieferung“ der Effekt an die Bank eine zwar (möglicherweise865) notwendige, aber jedenfalls nicht hinreichende Voraussetzung für das Entstehen des Auslieferungsanspruchs darstellt. Eine weitere Vor­aussetzung ist die Erteilung der WR-Gutschrift. Mitunter wird gesagt, diese Gutschrift diene lediglich der „buchhalterischen Erfassung und Dokumentation“ des gegenüber dem Verwahrer bestehenden Herausgabeanspruchs866. Das wird aber der entscheidenden Bedeutung nicht gerecht, welcher der WR-Gutschrift für die Ab860  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/125; Beule, in: Höche/Piekenbrock/Siegmann (Hrsg.), BuB, Rn.  7/120; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  148; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  81; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.106; Wust, Verbuchung, S.  189; Coing, WM 1977, 466, 469; allgemein zum Herausgabeanspruch des Treugebers Coing, Treuhand, S.  151 f. 861  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/134. 862 Staudinger/Martinek/Omlor (2017), §  667 Rn.  10. 863 Staudinger/Martinek/Omlor (2017), §  667 Rn.  3. 864  Vgl. entsprechend Ziffer XII Abs.  1 Satz  5 und 7 AGB-CBF. 865  Dazu näher sogleich im Text. 866  Beule, in: Höche/Piekenbrock/Siegmann, BuB, Rn.  7/120; dem folgend Bunte, AGB-Banken, SBW Rn.  114 und wohl auch LG Darmstadt, WM 1984, 332, 335 (WR-Gutschrift als „Beleg“ für das Halten eines Deckungsbestandes). Aus österreichischer Sicht Iro, in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg.), Öster­reichisches Bankvertragsrecht, Band II, Rn.  4/76.

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

329

grenzung des Treuguts und damit für die Frage zukommt, auf welchen Bestand sich die Auslieferungspflicht des Verwahrers und das Aussonderungsrecht des Kunden nach §  47 InsO beziehen867. Nicht anders als die GS-Gutschrift ist daher die WR-Gutschrift als notwendiges Element des Erwerbstatbestandes zu qualifizieren868. Das liegt für die von der Clearstream Banking AG erteilten WR-Gutschriften, die unmittelbar rechtserzeugend wirken sollen869, auf der Hand, gilt aber auch für die vorgezogenen WR-Gutschriften der Depotbanken zugunsten ihrer Kunden, die aus technisch-organisatorischen Gründen bereits am Handelstag erteilt werden und erst mit Eingang der Wertpapiere bei der Depotbank zu echten WR-Gutschriften erstarken sollen870. (3)  WR-Gutschrift als abstraktes Schuldanerkenntnis? Ein Teil des Schrifttums871 mißt der WR-Gutschrift in Anlehnung an die Rechtslage im Geldgiroverkehr die Wirkung eines abstrakten Schuldversprechens bzw. -anerkenntnisses i. S. der §§  780, 781 BGB bei. Nach dieser Auffassung kommt dem Herausgabeanspruch aus dem Treuhandverhältnis gemäß §§  675 Abs.  1, 667 BGB neben dem selbständigen Auslieferungsanspruch aus dem Schuldversprechen bzw. -anerkenntnis keine nennenswerte Bedeutung zu. Mit der Einordnung der WR-Gutschrift als abstraktes Schuldversprechen bzw. -anerkenntnis soll wie bei der Geldüberweisung ein zugunsten des Depotkunden wirkender Einwendungsausschluß erreicht werden. Insbesondere soll die Wirksamkeit der WR-Gutschrift, d. h. der Erwerb einer quasidinglichen Rechtsposition durch den Kunden, nicht davon abhängen, ob der Gutschrift eine wirksame Belastungsbuchung gegenübersteht872 bzw. die Depotbank auf höherer Ebene Deckung erhalten hat873. Im Fall von Gutschriften ohne belastende Gegenbuchungen seien die Bestände, welche die Bank eigentlich als Eigen867 Vgl. Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  22 Rn.  35; Einsele, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 15. 868  So wohl auch BGH, ZIP 1988, 699, 701, wonach der Verschaffungsanspruch des Kunden mit der Gutschrift „entsteht“. Unklar Scherer/Behrends, DepotG, §  22 Rn.  59, wo es heißt: „Auch zur Begründung des Treuhandverhältnisses nach Nr.  12 Abs.  2 der Sonderbedingungen ist sie (scl.: die Gutschrift) nicht notwendig. Die hierzu erforderliche Vereinbarung zwischen den Parteien kommt schon durch die Ausführung des Wertpapierauftrags unter Zugrundelegung der Sonderbedingungen zustande. Sie konkretisiert sich im Hinblick auf die Wertpapiere durch die Verbuchung bei der Depotbank, ohne dass es einer Verlautbarung gegenüber dem Depotkunden bedarf. Der Depotkunde ist also auch dann zur Aussonderung berechtigt, wenn die Depotbank vor Erteilung der GS-Gutschrift insolvent wird, die ausländische Rechtsstellung zugunsten des Depotkunden aber bereits in ihren Büchern vermerkt hat.“ 869  Wust, Verbuchung, S.  203. 870  Zu den Buchungsabläufen im sog. Treuhandgiroverkehr näher unter 4 a). 871 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  211; dies., Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  416 f.; Scherer/Behrends, DepotG, §  22 Rn.  59; Brink, Rechtsbeziehungen, S.  130 f.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  453. 872  Einsele, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 18 f.; siehe ferner dies., Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  564 ff. 873  Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  459.

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bestände halten wollte, insoweit den Kunden zuzuweisen. Und im Fall einer Unter­ deckung – die Bank hat mehr Gutschriften erteilt als in den Büchern des höherstufigen Intermediärs für sie verbucht sind – sei die Bank aufgrund des Treuhandverhältnisses gegenüber dem Kunden verpflichtet, diesen Fehlbestand durch Erwerb einer entsprechenden Anzahl an Rechten auszugleichen. Sollte gleichwohl zu einem Zeitpunkt ein Fehlbestand vorliegen, folge aus der Gefahrengemeinschaft der Anleger eine verhältnismäßige Reduktion der Anteile, die sie an dem Gesamtbestand ihrer Bank halten874 . Mit der Einordnung der WR-Gutschrift als abstraktes Schuldversprechen bzw. -anerkenntnis verfolgt diese Auffassung ein berechtigtes Anliegen: Sie will für einen Schutz des Rechtsverkehrs sorgen, der funktionell dem gutgläubigen Erwerb bei der Übereignung beweglicher Sachen entspricht. Für einen solchen Schutz läßt sich anführen, daß der Kunde in die Buchungsvorgänge „hinter den Kulissen“ keinen Einblick hat und insbesondere nicht wissen kann, ob seiner Gutschrift eine korrespondierende Belastungsbuchung gegenübersteht875. Daß für ein solchen Schutz ein praktisches Bedürfnis besteht, zeigt anschaulich ein im Jahr 2005 vom OLG Köln entschiedener Fall, der hier nur vereinfacht und verkürzt wiedergegeben zu werden braucht876: Ein Depotkunde (V) hatte seine Depotbank (D) angewiesen, 43.000 in Kanada verwahrte Aktien auf das Konto eines anderen Kunden (E) bei derselben Bank zu übertragen. Erst Monate nach der Umbuchung stellte sich im Rahmen eines routinemäßigen Lagerstellenabgleichs her­ aus, daß das Konto des V keine ausreichende Deckung aufgewiesen hatte. V hatte nämlich vor der Umbuchungsanweisung an D schon anderweitig über die Aktien verfügt, doch hatte D es versäumt, auf dem Konto des V eine entsprechende Belastungsbuchung vorzunehmen. Nach Aufdeckung dieses Versäumnisses im Rahmen des Lagerstellenabgleichs hatte D diese Bela­ stungs­buchung nachgeholt und die Gutschrift auf dem Konto des E mit der Begründung storniert, das Konto des V habe nicht genügend Deckung aufgewiesen. Dagegen wandte sich E mit seiner Klage auf Rückgängigmachung der Stornobuchung.

Das OLG Köln erklärte die Stornobuchung auf dem Konto des E für unzulässig und stellte klar, daß angesichts der „rechtserzeugenden Wirkung“ der WR-Gutschrift der Empfänger einer solchen Gutschrift ein Recht an dem von der Depotbank gehaltenen Deckungsbestand auch dann erwirbt, wenn das Konto des Anweisenden (hier V) nicht ausreichend Deckung aufweist. Für den Rechtserwerb genüge es, wenn sich die Wertpapiere im Deckungsbestand der Bank befinden877. Auch der Bank müsse einleuchten, daß sie ihre eigenen Versäumnisse bei der Ausführung vorangegangener Übertragungsaufträge nicht auf den Empfänger abwälzen kann und daß dieser sich auf die Rechtswirkung der WR-Gutschrift verlassen können muß. Insbesondere 874 

Einsele, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 18 f. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  565; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 18. 876 OLG Köln, BeckRS 2007, 00078; ausführliche Wiedergabe des Sachverhalts bei Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  456. 877  OLG Köln, BeckRS 2007, 00078, unter II 3. 875 

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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müsse der Empfänger davor geschützt werden, daß die Gutschrift ohne seine Zustimmung wegen Mängeln im Deckungsverhältnis zwischen der Bank und ihrem Auftraggeber rückgängig gemacht werden kann878. Vor dem Hintergrund dieser überzeugenden Ausführungen wäre es konsequent gewesen, wenn das OLG Köln die Frage der Qualifikation der WR-Gutschrift als abstraktes Schuldversprechen nicht offengelassen, sondern zumindest für den hier vorliegenden Fall einer schlichten WR-Übertragung bejaht hätte879. Beim Geldgiroverkehr erklärt sich die Einordnung der Gutschrift als abstraktes Schuldversprechen aus dem Zweck der Überweisung, die Zahlung mit Bargeld zu ersetzen. Sie beruht dort auf der Erwägung, daß eine Kontogutschrift für den Gläubiger nur dann akzeptabel ist, wenn er für seine Forderung gegen den Schuldner (den Überweisenden) eine Position erhält, die ihm ein dem Eigentum an Bargeld vergleichbares Maß an Sicherheit bietet880. Es besteht daher Einigkeit darin, daß der Überweisungsempfänger vor Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis zwischen der Bank und dem Überweisenden geschützt werden muß und die Bank die Gutschrift z. B. nicht mit der Begründung rückgängig machen können soll, sie habe vom Überweisenden bzw. der letzten Zwischenbank keine Deckung erhalten881. Zwar mahnt der BGH, was die Übertragung der Grundsätze der Giroüberweisung auf andere Bereiche des Rechtsverkehrs betrifft, zur Zurückhaltung882 . Im Hinblick auf das Bedürfnis nach Rechtssicherheit besteht aber zwischen der Giroüberweisung und dem Fall eines schlichten WR-Übertrags kein nennenswerter Unterschied. Auf den sog. Treuhandgiroverkehr883 lassen sich diese Überlegungen nicht uneingeschränkt übertragen. Vor allem ginge hier die Behauptung zu weit, die Wirksamkeit der WR-Gutschrift hänge nicht davon ab, ob die Depotbank auf höherer Ebene Deckung erhalten hat884 . Ein genereller Wille der Bank, dem Kunden mit der WR-Gutschrift einen einwendungsfreien Auslieferungsanspruch zu verschaffen, läßt sich hier nicht feststellen885. Vielmehr belegt die Praxis der vorgezogenen WR-Gutschrift, daß der Kunde eine quasidingliche Rechtsposition erst erwerben soll, wenn seine Bank das Treugut aus dem Deckungsgeschäft erlangt886. Die Annahme, die WR-Gutschrift führe unabhängig von der Lieferung der Effekten an die Bank zum Erwerb einer treuhandrechtlichen Mitberechtigung, schösse auch über das Ziel hinaus, denn sie stellte den Kunden im Auslandsgeschäft besser, als er im Fall der Anschaffung von Wertpapieren im Inland – also bei Erteilung einer GS-Gutschrift – 878 

OLG Köln, BeckRS 2007, 00078, unter II 4. Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  453 f. 880  BGHZ 103, 143, 147. 881  Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.   410 und 427; Meder, in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, §  4 4 Rn.  26. 882  BGH, NJW-RR 1999, 680, 681. 883  Dazu näher unter 4. 884 So Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  459 (aber vorsichtiger auf S.  454 oben). 885  So auch Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  82. 886  So auch OLG Köln, BeckRS 2007, 00078, unter II 1; Wust, Verbuchung, S.  190. 879 

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stünde, wo der Rechtserwerb unbestrittenermaßen von der „Lieferung“ der Titel an die Depotbank abhängt. Auch läßt sich diese Annahme in der Praxis gar nicht konsequent durchhalten. Sie versagt nämlich in den Fällen, in denen die Depotbank Effekten der betreffenden Gattung noch gar nicht in ihrem Bestand hat887. Das Bestehen eines einwendungsfreien Lieferanspruchs aus der WR-Gutschrift ist zum Schutz des Kunden auch nicht zwingend notwendig888. Denn solange die Bank dem Kunden nicht das wirtschaftliche Eigentum an den Effekten verschafft hat, steht ihm der ursprüngliche Herausgabeanspruch aus dem Kommissionsverhältnis (§  384 Abs.  2 Halbsatz 2 HGB) bzw. Verschaffungsanspruch aus dem Festpreisgeschäft (§  433 Abs.  1 Satz  1 BGB) zu. Das Risiko einer ordnungsgemäßen Erfüllung durch den Vertragspartner liegt bis zum Eingang der Wertpapiere bei der Bank. Für das Kommissionsgeschäft wird das in Nr.  9 Satz  1 SBW sogar ausdrücklich unterstrichen. Soweit die für den Kunden angeschafften Wertpapiere noch nicht an die Bank geliefert wurden, greift im übrigen §  392 Abs.  2 HGB ein, der bestimmt, daß Forderungen aus dem Ausführungsgeschäft, auch wenn sie nicht abgetreten sind, im Verhältnis zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär oder dessen Gläubigern als Forderungen des Kommittenten gelten. Daraus folgt insbesondere, daß der Kunde in der Insolvenz der Bank deren Anspruch auf Lieferung der Wertpapiere aussondern kann889. Und was Schäden und Nachteile betrifft, die nach Erteilung der WR-Gutschrift am Deckungsbestand entstehen, ist in Nr.  12 Abs.  4 Satz  1 SBW klar geregelt, daß diese anteilig vom Kunden zu tragen sind890. Insofern unterscheidet sich die Risikoverteilung bei der Auslandsverwahrung nicht wesentlich von derjenigen bei der inländischen Girosammelverwahrung, wo der Depotkunde ebenfalls damit rechnen muß, daß die Bank wegen eines Fehlbestands nicht zur vollständigen Befriedigung seines Auslieferungsanspruchs in der Lage ist (vgl. §  7 Abs.  2 Satz  1 DepotG). Alles in allem also geht die These von der Einordnung der WR-Gutschrift als ab­ straktes Schuldversprechen bzw. -anerkenntnis in dieser Allgemeinheit zu weit. Denn die vorgezogene WR-Gutschrift bewirkt noch keinen Rechtserwerb und erstarkt zu einer echten WR-Gutschrift erst in dem Moment, in dem die Depotbank auf ihrem Clearstream-Konto Deckung erhält.

887 

Das wird auch konzediert von Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  459. schützenswertes Interesse des Kunden verneinend Iro, in: Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht, Rn.  4/76. 889  Umstritten ist, ob auch das Surrogat der Forderung – bei der Einkaufskommission also das Kommissionsgut – unter §  392 Abs.  2 HGB fällt. Auf diesen Streit, der von Bedeutung ist, wenn der Lieferanspruch der Bank bereits von der Gegenpartei erfüllt wurde, die Bank die Wertpapiere aber noch nicht dem Kunden gutgeschrieben hat (so daß noch kein Treuhandverhältnis zustandegekommen ist), kann hier jedoch nicht weiter eingegangen werden. Die Anwendung von §  392 Abs.  2 HGB verneinend etwa BGHZ 79, 89, 94; BGH, NJW 1974, 456, 457; a. A. Baumbach/Hopt, HGB, §  392 Rn.  7; Canaris, Handelsrecht, §  30 Rn.  82; ders., in: Festschrift für Flume, S.  371, 410 und 424. 890  Zu dieser Auslegung MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  222. 888  Ein

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bb) Inhalt Schaut man nun auf den Inhalt des „Auslieferungsanspruchs“ aus der WR-Gutschrift, so zeigt sich, daß diese Bezeichnung zu eng und mißverständlich ist. Aus §  667 BGB folgt der Grundsatz, daß der Treuhänder das Treugut in dem Zustand herauszugeben hat, in dem es sich im Zeitpunkt der Beendigung der Treuhand rechtlich und tatsächlich befindet. Der „Auslieferungsanspruch“ des Depotkunden kann also zunächst darauf gerichtet sein, daß die Bank ihm (oder nach seiner Weisung einem Dritten) genau die Rechtsposition überträgt, die sie selbst gegenüber dem ausländischen Verwahrer bzw. der Clearstream Banking AG innehat891. Das kann das Allein- oder Miteigentum an den Wertpapieren bzw. die im Lagerland übliche gleichwertige Rechtsstellung, aber auch ein Anspruch aus einem Treuhandverhältnis sein. Ohne weiteres unter §  667 BGB subsumieren läßt sich zum Beispiel der Fall der Depotumlegung, d. h. der Auftrag des Kunden an die Bank, sein WR-Guthaben auf ein Depotkonto bei einer anderen Bank zu übertragen. §  667 BGB ist allerdings dispositiv. Er kann durch vertragliche Abrede abgeändert werden, wobei eine solche Abrede nicht ausdrücklich getroffen zu werden braucht, sondern sich auch aus dem Zweck des Treuhandverhältnisses ergeben kann. Beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren soll der Kunde, wie die Bezeichnung „Auslieferungsanspruch“ deutlich macht, grundsätzlich auch die Möglichkeit haben, die Werte außerhalb des mediatisierten Verwahrsystems zu halten. Daher kann sein Anspruch auch auf die Auslieferung effektiver Stücke oder darauf gerichtet sein, daß die Bank ihm auf andere Weise die unmittelbare Rechtsposition verschafft, indem sie z. B. darauf hinwirkt, daß der Kunde selbst als (Namens-)Aktionär in das Aktienregister der Gesellschaft eingetragen wird. Der „Auslieferungsanspruch“ des Kunden kann also qualitativ von der Rechtsposition, welche die Bank als Treuhänderin innehat, abweichen892 . Die Auslieferung effektiver Stücke kommt freilich nur in Betracht, sofern die von der Bank bzw. der Clearstream Banking AG treuhänderisch gehaltene Rechtsposition einen solchen Anspruch umfaßt. Sie ist ausgeschlossen, wenn die ausländischen Titel in einer Dauerglobalurkunde verbrieft oder vollständig dematerialisiert sind. Die Verschaffung der unmittelbaren Rechtsposition kann auch daran scheitern, daß das ausländische Verwahrsystem eine direkte Partizipation von Anlegern nicht zuläßt893. Welchen Inhalt der „Auslieferungsanspruch“ des Kunden hat, hängt somit von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere der Art des Wertpapiers und der Ausgestaltung des ausländischen Verwahrsystems894 . 891 

Coing, WM 1977, 466, 469. Coing, WM 1977, 466, 469 f.; wohl auch Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  159; siehe ferner Brink, Rechtsbeziehungen, S.  129. 893  Iro, in: Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht, Rn.   4/80; Wust, Verbuchung, S.  189. 894  Zu allgemein daher Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/142 und Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  83, bei denen nur von einem Anspruch auf Eigentumsverschaffung die Rede ist. 892 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

cc)  Beschränkung auf den Deckungsbestand Aus §  667 BGB ergibt sich, daß sich der Anspruch des Treugebers auf Herausgabe des Treuguts auf das beschränkt, was der Treuhänder tatsächlich innehat. Nr.  12 Abs.  4 Satz  1 SBW vollzieht diesen Grundsatz nach, indem er festlegt, daß die Bank die Auslieferungsansprüche des Kunden aus der ihm erteilten WR-Gutschrift nur aus dem von ihr im Ausland unterhaltenen Deckungsbestand zu erfüllen braucht895. Nur klarstellenden Charakter hat auch Nr.  12 Abs.  4 Satz  3 SBW, der bestimmt, daß der Empfänger einer WR-Gutschrift anteilig alle wirtschaftlichen und rechtlichen Nachteile und Schäden trägt, die den Deckungsbestand als Folge von höherer Gewalt, Aufruhr, Kriegs- und Naturereignissen oder durch sonstige von der Bank nicht zu vertretende Zugriffe Dritter im Ausland oder im Zusammenhang mit Verfügungen von hoher Hand des In- oder Auslands treffen sollten. Die am Deckungsbestand wirtschaftlich beteiligten Anleger bilden insoweit eine Gefahrengemeinschaft, aber keine Bruchteilsgemeinschaft i. S. des §  741 BGB. Denn die Auslandsaufbewahrung ist in einem solchen Maße von den auf eine teilbare Leistung gerichteten Auslieferungsansprüchen der einzelnen Treugeber geprägt, daß von einer schlichten Teil­ gläubigerschaft i. S. von §  420 BGB auszugehen ist896. In der Konsequenz von Nr.  12 Abs.  4 SBW liegt es, daß die Bank keine Pflicht zum Ausgleich eines von ihr nicht zu vertretenden Fehlbestandes trifft897. Ein Verschulden des ausländischen Verwahrers braucht sie sich nicht als eigenes zurechnen zu lassen898. AGB-rechtliche Bedenken gegen Nr.  12 Abs.  4 SBW bestehen nach allgemeiner und zutreffender Auffassung nicht899. Denn diese Klausel bürdet dem Kunden lediglich Risiken auf, die er auch als Eigentümer der Wertpapiere zu tragen hätte. Sie entspricht damit nicht nur dem auftragsrechtlichen Grundsatz, daß die mit der Geschäftsführung typischerweise verbundenen Risiken vom Auftraggeber zu tragen sind, sondern auch der in §  7 Abs.  2 Satz  1 DepotG zum Ausdruck kommenden Wertung. dd)  Verhältnis zum Anspruch aus dem Anschaffungsgeschäft Zu den ältesten und meistdiskutierten Problemen bei der Auslandsaufbewahrung zählt die Frage, wie sich der Herausgabeanspruch aus der WR-Gutschrift zu dem Lieferanspruch aus dem Anschaffungsgeschäft verhält. Auslöser der Diskussion waren die bis Ende 1994 geltenden „Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren“ (in der Fassung vom 1. Januar 1973). In deren Nr.  1 Abs.  2 Satz  4 war 895 

Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/139; Wust, Verbuchung, S.  198. DepotG, §  22 Rn.  63; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/133; Paul, WM 1975, 2, 4. 897  Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  156. 898  Näher dazu unter d). 899  Bunte, AGB-Banken, SBW Rn.  116; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  156; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  253; Wust, Verbuchung, S.  199 f.; Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 226 ff.; aus österreichischer Sicht Iro, in: Apathy/ Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht, Rn.  4/78. 896 Scherer/Behrends,

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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noch bestimmt, daß das Recht des Kunden auf Verschaffung des Eigentums nach Maßgabe des §  22 Abs.  1 Satz  2 DepotG unberührt bleibt. Aus dieser Formulierung wurde zum Teil geschlossen, daß die Bank mit der WR-Gutschrift lediglich eine Leistung erfüllungshalber erbringt (§  364 Abs.  2 BGB). Der originäre Lieferanspruch, d. h. der Anspruch aus der Effektenkommission gemäß §  384 Abs.  2 Halbsatz 2 Alt.  2 HGB bzw. aus dem Festpreisgeschäft gemäß §  433 Abs.  1 Satz  1 BGB, werde lediglich suspendiert mit der Folge, daß dem Kunden seine Geltendmachung verwehrt sei, solange er sich aus dem auftragsrechtlichen Herausgabeanspruch befriedigen kann900. In einem Urteil vom 1. Februar 1988 nahm der Bundesgerichtshof sogar den Standpunkt ein, der Kommittent könne nach §  22 DepotG „grundsätzlich jederzeit“ die Übersendung des Stückeverzeichnisses verlangen901. Diese Auffassung hatte die merkwürdige Konsequenz, daß der Erfüllungsanspruch aus dem Anschaffungsverhältnis gegebenenfalls über Jahre hinweg unerfüllt bleiben konnte902 . Ihre eigentliche Schwäche bestand jedoch darin, daß nach ihr die WR-Gutschrift selbst in den Fällen als bloße Leistung erfüllungshalber anzusehen war, in denen das ausländische Recht eine Eigentumsverschaffung durch Absendung des Stückeverzeichnisses nicht zuläßt und daher ein der Suspendierung fähiger Eigentumsverschaffungsanspruch des Kunden von vornherein nicht existiert903. In den seit 1995 geltenden Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte ist nicht mehr vorgesehen, daß die WR-Gutschrift das Recht des Kunden auf Verschaffung des Eigentums nach Maßgabe von §  22 DepotG unberührt läßt. Daraus wird mehr und mehr der Schluß gezogen, daß es sich bei der WR-Gutschrift um eine Leistung an Erfüllungs statt handelt (§  364 Abs.  1 BGB)904. Doch ist auch diese Auffassung angreifbar. Denn eine Leistung an Erfüllungs statt liegt nur vor, wenn dem Schuldner die Befugnis eingeräumt wird, das Schuldverhältnis (im engeren Sinn) durch eine andere als die ursprünglich geschuldete Leistung zum Erlöschen zu bringen905. Nr.  12 Abs.  3 SBW ist aber so zu verstehen, daß die Bank zumindest in den Fällen, in denen sie dem Kunden die volle Rechtsstellung ohnehin nicht zu verschaffen vermag, von vornherein nur dazu verpflichtet ist, sich selbst das Eigentum an den Wertpapieren bzw. die gleichwertige Rechtsstellung zu verschaffen und dem Kunden darüber eine WR-Gutschrift zu erteilen. Mit anderen Worten: Bereits mit Abschluß des Vertrags zwischen Bank und Kunde wird in Form der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte vereinbart, daß sich die primäre Leistungspflicht der Bank auf eine Buchung beschränken soll, die dem Kunden wirtschaftlich die Stellung eines Wert900 

Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 223. BGH, ZIP 1988, 699, 701. 902  Kritisch daher schon Brink, Rechtsbeziehungen, S.  130; Coing, WM 1977, 466, 470; Ziganke, WM 1971, 983, 985. 903  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  417 f. 904  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/137; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  83 f.; Wust, Verbuchung, S.  190; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  158. 905 Palandt/Grüneberg, BGB, §  364 Rn.  1. 901 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

papierinhabers vermittelt. Da die Bank von Anfang an nichts anderes schuldet als eine WR-Gutschrift, ist diese als Erfüllung i. S. von §  362 Abs.  1 BGB und nicht als bloße Leistung an Erfüllungs statt aufzufassen906. Als überholt erweist sich vor diesem Hintergrund die Annahme, die Lieferungspflicht der inländischen Bank verwandele sich mit Erteilung der WR-Gutschrift in eine begrenzte Gattungsschuld, so daß der Kunde Erfüllung nur aus dem im Ausland unterhaltenen Deckungsbestand verlangen könne907. Denn bei dem Anspruch, bezüglich dessen sich der Kunde auf den Deckungsbestand verweisen lassen muß, handelt es sich nicht um den mit der WR-Gutschrift erlöschenden Lieferanspruch aus dem Anschaffungsverhältnis, sondern einzig und allein um den Herausgabeanspruch aus dem Treuhandverhältnis908. Die Interessen des Kunden sind durch diese Konstruktion vollauf gewahrt, zumal er durch die WR-Gutschrift wirtschaftliches Eigentum an den Wertpapieren und damit mehr erhält als einen schuldrechtlichen Anspruch gegen seine Bank 909. Obsolet ist auch Nr.  12 Abs.  5 SBW. Diese vor allem für Festpreisgeschäfte gedachte Klausel bestimmt, daß die Bank dem Kunden nicht zur Rückerstattung des Kaufpreises verpflichtet ist, soweit dieser nach Maßgabe von Nr.  12 Abs.  4 SBW Nachteile und Schäden am Deckungsbestand zu tragen hat. Ausgehend von der Annahme, daß dem Kunden auch nach der WR-Gutschrift der Eigentumsverschaffungsanspruch aus dem Kaufvertrag gemäß §  433 Abs.  1 Satz  1 BGB verbleibt, verlagert sie die Vergütungsgefahr auf den Kunden, um die Bank vor der Rechtsfolge des §  326 Abs.  1 Satz  1 BGB (§  323 Abs.  1 BGB a. F.), d. h. davor zu bewahren, im Fall einer von ihr nicht zu vertretenden Unmöglichkeit der Auslieferung aus dem Deckungsbestand ihren Anspruch auf die Gegenleistung zu verlieren910. Da aber die WR-Gutschrift als Erfüllung der primären Leistungspflicht der Bank aus dem Anschaffungsverhältnis anzusehen ist, ist Nr.  12 Abs.  5 SBW überflüssig911. c)  Verwaltungspflichten des Verwahrers Die Auslieferungspflicht steht in Nr.  12 SBW zwar im Vordergrund, stellt aber nicht die Hauptpflicht der Depotbank dar. Diese besteht vielmehr darin, die Wertpapiere für den Kunden treuhänderisch zu halten und zu verwalten912 . Auch bei der Auslandsaufbewahrung treffen die Depotbank eigene Pflichten bezüglich der Verwaltung des für den Kunden gehaltenen Wertpapierbestandes. Zwar bestimmt Nr.  14 Abs.  2 SBW lapidar, daß die in Nr.  14 Abs.  1 SBW genannten Pflichten (Einlösung von 906 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.   212 m. Fn.  785; dies., Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  417 ff.; Scherer/Behrends, DepotG, §  22 Rn.  43; wohl auch schon Brink, Rechtsbeziehungen, S.  130 f.; dazu neigend auch Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  254. 907 So aber Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §   72 Rn.  155; Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 224 f.; Ziganke, WM 1961, 226, 234 f. 908  Wust, Verbuchung, S.  198 f. 909  Coing, WM 1977, 466, 470. 910  Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/141; Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 228. 911  Wust, Verbuchung, S.  199. 912 Scherer/Behrends, DepotG, §  22 Rn.  61.

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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Zins-, Gewinnanteil- und Ertragscheinen sowie von rückzahlbaren Wertpapieren bei deren Fälligkeit, Gutschrift des eingezogenen Gegenwerts, Bogenerneuerung) bei im Ausland verwahrten Wertpapieren dem ausländischen Verwahrer obliegen913. Diese Klausel zieht aber nur die Konsequenz daraus, daß die inländische Bank zu den meisten dieser Maßnahmen faktisch nicht in der Lage wäre, da die Wertpapiere sich ja nicht in ihrer Hand befinden914 . Sie ist dagegen nicht so aufzufassen, daß die inländische Bank nicht selber Verwaltungsaufgaben zu erledigen hätte915. So kann schon im Hinblick auf §  667 BGB kein Zweifel daran bestehen, daß die inländische Bank ihrerseits zur Weiterleitung aller Erträge aus den Wertpapieren an den Kunden verpflichtet ist. In den Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren war insoweit noch vorgesehen, daß die Gutschrift von Zinsen, Gewinnanteilen und sonstigen Erlösen unter dem Vorbehalt des Eingangs und der Verfügungsbeschränkungen steht, unter denen der Gegenwert bei der Bank eingeht (Nr.  4 Abs.  4). In die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte wurde diese Klausel nicht übernommen, ohne daß sich jedoch dadurch die Rechtslage geändert hätte; denn sie brachte lediglich zum Ausdruck, was sich bereits aus §  667 BGB ergibt916. Nach Nr.  14 Abs.  4 SBW sind die Erträge in der ausländischen Währung gutzuschreiben, sofern der Kunde ein Konto in dieser Währung unterhält; ansonsten ist ihm eine Gutschrift in Euro zu erteilen. Nr.  14 Abs.  3 SBW trifft in Satz  2 eine Sonderregelung für die Auslosung von im Ausland verwahrten Schuldverschreibungen917. Nr.  15 Abs.  1 SBW sieht vor, daß die Bank den Kunden über die Einräumung von Bezugsrechten zu benachrichtigen hat, wenn hierüber eine Bekanntmachung in den „Wertpapier-Mitteilungen“ erschienen ist, und daß sie ausländische Bezugsrechte gemäß den im Ausland geltenden Usancen bestens verkaufen darf, soweit sie bis zum Ablauf des vorletzten Tages des Bezugsrechtshandels keine andere Weisung des Kunden erhalten hat918. Nr.  20 Abs.  1 SBW regelt den Umgang der Banken mit Auskunftsverlangen aus dem Ausland, bei denen es zu einem Konflikt mit dem Bankgeheimnis kommt. In einigen Ländern sind Aktiengesellschaften berechtigt oder sogar verpflichtet, bestimmte Informationen über die Aktionäre am Ende der Verwahrkette einzuholen. Vielfach werden auch von ausländischen Finanzaufsichtsbehörden, Börsen oder anderen mit der Überwachung des Marktgeschehens betrauten Stellen Auskunftsverlangen an die deutschen Kreditinstitute übermittelt, etwa im Zuge von Ermittlungen wegen Insiderhandels 913 

Entsprechend Ziffer XVI Abs.  3 Satz  1 AGB-CBF. Ziganke, WM 1961, 226, 236. 915  So wohl auch Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  162; zumindest mißverständlich Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/125, nach denen bei der Auslandsaufbewahrung eine verwahrungs- oder verwaltungsmäßige eigene Tätigkeit der inländischen Depotbank von vornherein ausscheidet. 916  Bunte, AGB-Banken, SBW Rn.  126. 917  Zum Hintergrund Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/274. 918  Siehe auch Ziffer XVI Abs.  3 Satz  4 AGB-CBF, wonach CBF dem Kunden Bezugsrechte, Teilrechte und ähnliche Rechte im Ausland zur Verfügung stellen wird. 914 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

oder Kursmanipulation. In seinen Sätzen 1 und 2 hebt Nr.  20 Abs.  1 SBW noch einmal hervor, daß im Ausland aufbewahrte Wertpapiere regelmäßig einer ausländischen Rechtsordnung unterliegen und daß sich die Rechte und Pflichten der Bank oder des Kunden daher nach dieser Rechtsordnung richten, die auch die Offenlegung des Namens des Kunden vorsehen kann. Nach Nr.  20 Abs.  1 Satz  3 SBW wird die Bank entsprechende Auskünfte erteilen, soweit sie dazu verpflichtet ist, und den Kunden darüber informieren. Die Klausel schützt die Bank davor, in jedem einzelnen Fall zwischen der Einhaltung des Bankgeheimnisses und dem Risiko von Sanktionen, die sich im Fall der Nichterfüllung der Auskunftspflicht gegen das gesamte Institut richten könnten, abwägen zu müssen919. Die Ausübung des Stimmrechts aus zum Deckungsbestand gehörenden ausländischen Aktien ist in den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte nicht geregelt. Insbesondere haben die deutschen Kreditinstitute davon abgesehen, das in §  135 AktG geregelte Banken- oder Depotstimmrecht auf ausländische Aktien zu erstrekken920. Dafür waren zwei Erwägungen ausschlaggebend921: Zum einen wollten die Banken das Risiko vermeiden, bei amerikanischen Aktien aufgrund des Auftragsstimmrechts als beneficial owner der Aktien angesehen zu werden und auch hinsichtlich der für die Kunden verwalteten Bestände den kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten gegenüber der Gesellschaft und der SEC zu unterliegen. Zum anderen ist es wegen des großen Aufwands unüblich, daß inländische Kreditinstitute als Bevollmächtigte ihrer Kunden auf ausländischen Hauptversammlungen auftreten. Mitunter ist die Stimmrechtsvertretung durch Banken auch nach dem maßgeblichen ausländischen Recht ausgeschlossen oder nicht mit den ausländischen Gepflogenheiten zu vereinbaren. Mangels abweichender Vereinbarung hat daher die Bank weder das Recht noch die Pflicht922 , das Stimmrecht des Kunden in der Hauptversammlung der ausländischen Gesellschaft wahrzunehmen. Aufgrund ihrer Stellung als Treuhänderin ist sie jedoch verpflichtet, dem Kunden auf Verlangen – etwa durch Erteilung einer entsprechenden Vollmacht – die Ausübung des Stimmrechts zu ermöglichen, soweit dies nach den maßgeblichen ausländischen Rechtsvorschriften und den Gesellschaftsstatuten zulässig ist923. Demgemäß übt auch die Clearstream Banking AG das Stimmrecht aus in Wertpapierrechnung verwahrten Aktien grundsätzlich nur 919 Vgl.

Bunte, AGB-Banken, SBW Rn.  165. §  135 AktG gilt nur für die Ausübung von Stimmrechten aus Aktien deutscher Gesellschaften; siehe statt vieler Hüffer/Koch, AktG, §  135 Rn.  4 m. w. N. 921 Eingehend Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/282c; Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 251 f. 922  Was Aktien deutscher Gesellschaften betrifft, war ein Kreditinstitut nach §  135 Abs.  10 AktG a. F. verpflichtet, den Auftrag eines Aktionärs zur Ausübung des Stimmrechts in einer Hauptversammlung anzunehmen, wenn es für den Aktionär Aktien der Gesellschaft verwahrt oder es an seiner Stelle in das Aktienregister eingetragen ist und sich gegenüber den Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts erboten hat. Im Zuge der Änderung des Aktiengesetzes durch das ARUG (Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. Juli 2009, BGBl. I, S.  2479) wurde dieser Kontrahierungszwang komplett gestrichen. 923  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  22 Rn.  4 6. 920 

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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aufgrund einer gesonderten Vereinbarung mit dem Kunden aus, wobei sie sich je nach Weisung entweder der Clearstream Banking Luxembourg oder eines Dritten bedient924 . d)  Haftung des Verwahrers Bei der Sammelverwahrung von Wertpapieren im Inland haftet die Depotbank für ein Verschulden des Zwischenverwahrers (Drittverwahrers) grundsätzlich wie für eigenes Verschulden (§  3 Abs.  2 Satz  1 DepotG). Dagegen beschränkt sich ihre Haftung bei der Verwahrung von Wertpapieren im Ausland auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung des von ihr beauftragten Verwahrers oder Zwischenverwahrers (Nr.  19 Abs.  2 Satz  1 SBW)925. Etwas anderes gilt jedoch bei der Zwischenverwahrung durch die Clearstream Banking AG oder einen anderen inländischen Zwischenverwahrer sowie bei der Verwahrung durch eine eigene ausländische Geschäftsstelle der Bank. In diesen Fällen haftet die Bank – wie bei der Inlandsverwahrung – für deren Verschulden (Nr.  19 Abs.  2 Satz  2 SBW). AGB-rechtlich gilt die in Nr.  19 Abs.  2 Satz  1 SBW geregelte Haftungsbeschränkung als unbedenklich. Zur Begründung wird in aller Regel das formale Argument angeführt, beim Auslandsgeschäft habe die inländische Bank lediglich die Aufgabe eines Verwalters, nicht auch die eines Verwahrers. Da ihr Pflichtenkreis von vornherein auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung des ausländischen Verwahrers beschränkt sei und nicht auch die Aufbewahrung der Wertpapiere als solche umfasse, sei der ausländische Verwahrer nicht als ihr Erfüllungsgehilfe i. S. von §  278 BGB einzuordnen. Von einem Verstoß gegen §  309 Nr.  7 b) BGB könne daher von vornherein keine Rede sein926. Stimmig ist diese Begründung nicht. Denn sie läuft auf die nicht gerade naheliegende Annahme hinaus, daß der Pflichtenkreis der inländischen Bank sich um die Verwahrung der Wertpapiere erweitert, sobald die Clearstream Banking AG oder ein anderer inländischer Zwischenverwahrer in die Verwahrkette eingegliedert wird. Jedenfalls wird, um den Ausschluß der Haftungsbeschränkung in Nr.  19 Abs.  2 Satz  2 SBW zu erklären, vertreten, daß die Clearstream Banking AG bzw. der andere inländische Zwischenverwahrer als Erfüllungsgehilfen der inländischen Bank tätig werden927. Richtigerweise aber sollte man die in Nr.  19 Abs.  2 Satz  1 SBW vorgesehene Haftungsbeschränkung auf die culpa in eligendo et instruendo unabhängig davon als wirksam ansehen, ob der ausländische Endverwahrer und die als Zwischenglieder fungierenden Institute als Erfüllungsgehilfen der inländischen Bank anzusehen sind 924 

CBF-Kundenhandbuch, S.  1–20. Vgl. entsprechend Ziffer V Abs.  2 AGB-CBF und Nr.  3 Abs.  2 AGB-Banken. 926  Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.   18/169; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  419 f.; Wust, Verbuchung, S.  200; siehe auch schon Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2155; Coing, WM 1977, 466, 471 f.; aus österreichischer Sicht Iro, in: Apathy/Iro/Koziol (Hrsg.), Österreichisches Bankvertragsrecht, Rn.  4/78. 927  Bunte, AGB-Banken, SBW Rn.  162. 925 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

oder nicht928. Denn es ist nicht unangemessen, wenn die inländische Bank nicht für Fehler eines ausländischen Verwahrers einstehen will, auf dessen Organisationsbereich sie keinen Einfluß hat und dessen Geschäftsgebaren sie allenfalls in eingeschränktem Maße kontrollieren kann. Das gilt umso mehr, als der Verbleib ausländischer Wertpapiere in ihrem Heimatstaat in der Regel auch im Interesse des Kunden liegt. Häufig könnten ausländische Titel ohne Beiziehung von ausländischen Verwahrern entweder gar nicht oder jedenfalls nicht zu vertretbaren Kosten über Depotstellen im Inland gehalten werden. Die Beschränkung der Haftung der inländischen Bank auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung des ausländischen Verwahrers ist denn auch nichts Ungewöhnliches und beispielsweise auch in Art.  33 Abs.  2 BEG vorgesehen. Aus §  5 Abs.  4 Satz  2 DepotG folgt nichts anderes. Denn diese Bestimmung betrifft ausschließlich die Haftung einer inländischen Wertpapiersammelbank für ein Verschulden der ausländischen Wertpapiersammelbank im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung. Sie ist also auf die Bildung grenzüberschreitender Girosammelbestände und damit auf Verwahrungskonstellationen zugeschnitten, die nach dem Willen des Gesetzgebers in keinerlei Hinsicht hinter dem für die inländische Girosammelverwahrung geltenden Schutz zurückbleiben sollen.

2.  Schutz des Deckungsbestandes Auch wenn die inländische Depotbank dem Kunden nicht die volle Rechtsstellung an den ausländischen Wertpapieren zu verschaffen braucht, hat sie als seine Treuhänderin die Pflicht, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß die Wertpapiere des Deckungsbestandes möglichst den gleichen Schutz genießen wie im Inland drittverwahrte Wertpapiere929. Aus diesem Grund lassen sich die deutschen Depotbanken von ihren ausländischen Vertragspartnern sog. Drei-Punkte-Erklärungen (Kundenschutzerklärungen) geben. Deren Zweck besteht vor allem darin, die Fremdvermutung des §  4 Abs.  1 DepotG auf den ausländischen Deckungsbestand auszudehnen. In der Erklärung bestätigt der ausländische Verwahrer, davon Kenntnis genommen zu haben, daß es sich bei den für die Depotbank verbuchten Werten um Kundenbestände handelt, und versichert, das Depot mit dem Zusatz „Kundendepot“ zu führen (Ziffer 1). Darüber hinaus verpflichtet er sich, Pfand-, Zurückbehaltungsund ähnliche Rechte an den Depotwerten nur wegen solcher Forderungen geltend zu machen, die sich aus deren Anschaffung, Verwaltung und Verwahrung ergeben, und die Depotbank unverzüglich zu benachrichtigen, falls von dritter Seite Pfändungsoder sonstige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bezüglich der Werte eingeleitet oder diese von anderen Eingriffen betroffen werden (Ziffer 2). Schließlich sichert der ausländische Verwahrer zu, die Werte innerhalb der Grenzen des Landes, in dem 928  Zu einem gleichartigen Problem in bezug auf die Haftungsverhältnisse im mehrgliedrigen Akkreditivverkehr Segna, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar, 10. Kap. Rn.  33/34. 929  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  22 Rn.  36.

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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sich seine Lagerstelle befindet, selbst zu verwahren, und die Werte nur mit Zustimmung der Depotbank einem Dritten zur Verwahrung anzuvertrauen oder in ein anderes Land zu verbringen (Ziffer 3). Dem Schutzzweck der Drei-Punkte-Erklärung entspricht es, daß sie von demjenigen ausländischen Verwahrer abzugeben ist, der den Deckungsbestand als unmittelbarer Besitzer verwahrt, ggf. aber auch von allen weiteren ausländischen Verwahrern in der Kette. In Ziffer XII Abs.  2 AGB-CBF heißt es demgemäß: „CBF verpflichtet den ausländischen Verwahrer, eine Drei-Punkte-Erklärung abzugeben. (…) Ist der ausländische Verwahrer ein Zwischenverwahrer, stellt CBF sicher, dass dieser den Drittverwahrer seinerseits verpflichtet, eine entsprechende Erklärung abzugeben.“ Von den Kreditinstituten wird im Interesse der Rechtsklarheit und -einheitlichkeit seit 1976 eine Standardfassung der Drei-Punkte-Erklärung verwendet, welche die Zustimmung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen gefunden hat930. Mit den meisten ausländischen Lagerstellen konnte diese Standardfassung problemlos vereinbart werden. Bei einigen Ländern bedurfte es allerdings geringfügiger Anpassungen, weil bestimmte Vorgaben des jeweiligen nationalen Rechts einer Verwendung des Standardtextes entgegenstanden931. So ergab sich im Hinblick auf Österreich das Problem, daß sich die österreichischen Banken bei einer Neufassung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Jahr 1970 das Recht vorbehalten hatten, im Inland ausgestellte Wertpapiere ohne Einschränkung aus ausländischen Drittverwahrern anzuvertrauen. Diese Befugnis ließ sich nicht mit Ziffer 3 der Standardfassung der Drei-Punkte-Erklärung vereinbaren, wonach die Werte innerhalb der Grenzen des jeweiligen ausländischen Staates verwahrt werden müssen. Auch sah man für den Fall der Verwahrung in einem Drittstaat Nr.  2 der Standardfassung der Drei-Punkte-Erklärung in Frage gestellt, wonach die Werte nur insoweit zum Gegenstand von Pfand- oder Zurückbehaltungsrechten gemacht werden dürfen, als es um Forderungen geht, die gerade aus der Anschaffung, Verwaltung oder Verwahrung dieser Werte entstanden sind932 . Für eine zusätzliche Abschirmung des Deckungsbestandes zum Schutz der Kunden sorgt das Aufsichtsrecht. Nr.  3 Abs.  4 der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferungsverpflichtungen vom 21. Dezember 1998 geht über die Vorgaben der Drei-Punkte-Erklärung hinaus, indem er die deutschen Kreditinstitute auch dazu anhält sicherzustellen, daß der ausländische Verwahrer wegen einer Forderung gegen das inländische Kreditinstitut, die keinen Bezug zur Anschaffung, Verwaltung oder Verwahrung der Wertpapiere aufweist, ein Pfandrecht an den Wertpapieren nur aufgrund einer für das einzelne Geschäft erteilten Ermächtigung des Kunden erwerben kann. Mit anderen Worten 930 

Abdruck bei Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 258 f. (Anhang, Anlage 2). dazu Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 232 ff.; Beule, in: Höche/Piekenbrock/Siegmann (Hrsg.), BuB, Rn.  7/132 ff. 932  Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 232 f. nebst Anhang, Anlage 3 (S.  259). 931  Ausführlich

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

hat die inländische Bank den wirtschaftlich dem Kunden gehörenden Deckungsbestand so zu behandeln, als ob er im Eigentum des Kunden stünde, so daß eine Verpfändung an einen anderen Verwahrer nur unter den Voraussetzungen des §  12 DepotG zulässig wäre933.

3.  Insolvenz- und Vollstreckungsschutz Einer der neuralgischen Punkte des WR-Konzepts liegt in der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Depotkunden in der Insolvenz des inländischen Verwahrers ein Aussonderungsrecht gemäß §  47 InsO zusteht und er sich gegen Voll­ streckungsmaßnahmen von Gläubigern des Verwahrers in den Deckungsbestand mit der Drittwiderspruchsklage gemäß §  771 ZPO zur Wehr setzen kann. Zwar wird die Rechtsposition des Kunden vom Schrifttum allgemein als insolvenz- und vollstreckungssicher angesehen934 . Über die Begründung dieses Ergebnisses besteht jedoch keine Einigkeit. Als endgültig geklärt kann die Insolvenz- und Vollstreckungsfestigkeit von WR-Guthaben auch deshalb nicht gelten, weil es noch keine Grund­ satz­entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage gibt. a) Meinungsstand aa) Rechtsprechung In der Befürchtung, der Begriff der Treuhand könnte ansonsten „völlig ins Unbestimmte zerfließen“, hatte das Reichsgericht ein Aussonderungs- und Interventionsrecht des Treugebers bekanntlich nur hinsichtlich solcher Güter anerkannt, die unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers in das Vermögen des Treuhänders übertragen werden935. Mithilfe dieses Unmittelbarkeitsprinzips grenzte es die sog. echten Treuhandverhältnisse von den sog. unechten oder uneigentlichen Treuhandverhältnissen ab, von Fällen also, in denen „jemand einen Gegenstand nur für Rechnung und im Interesse eines anderen als stiller Stellvertreter für diesen von einem Dritten erworben hat und infolge des Vertretungsverhältnisses dem anderen nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung des erworbenen Gegenstandes zusteht“936. Insolvenz- und Vollstreckungsschutz gewährte das Reichsgericht mit anderen Worten nur bei der sog. Übertragungstreuhand, nicht auch bei der sog. Er933 Vgl.

Ziganke, WM 1961, 226, 233 f. (zu den alten Richtlinien für die Depotprüfung). Depotgeschäft, Rn.   219; Heinsius/Horn/Than, DepotG, §   22 Rn.  4 4; Scherer/Behrends, DepotG, §  22 Rn.  56; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  152; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/131; Brink, Rechtsbeziehungen, S.  131 f.; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  85; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  484; Saager, Effektengiroverkehr, S.  90; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  254 ff.; Wust, Verbuchung, S.  195 ff.; Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 229 f.; Paul, WM 1975, 2, 3 f. 935  RGZ 84, 214, 216 ff.; 91, 12, 14; 133, 84, 87. Für einen ausführlichen Überblick über die Rechtsprechung siehe Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  51 ff. 936  RGZ 133, 84, 87. 934 MünchKomm-HGB/Einsele,

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werbstreuhand937. Der Bundesgerichtshof, der ebenfalls zu betonen pflegt, das Rechtsinstitut der Treuhand dürfe „die aus Gründen der Rechtssicherheit unbedingt gebotenen klaren Konturen“ nicht verlieren938, hat das Unmittelbarkeitsprinzip übernommen939 und bis heute nicht ausdrücklich aufgegeben940. Nun liegt auf der Hand, daß die uneingeschränkte Geltung dieses Prinzips in einigen der wichtigsten Anwendungsfälle der Treuhand zu inakzeptablen Ergebnissen führen würde. Das gilt namentlich für Treuhand- und Anderkonten, für die ja geradezu typisch ist, daß die eingehenden Geldbeträge nicht vom Treugeber, sondern von Dritten stammen. Der Bundesgerichtshof hat denn auch schon in seinem Urteil vom 5. November 1953 zu erkennen gegeben, daß es bei der Einzahlung oder Überweisung von Geldern auf ein Girokonto, das offenkundig der Verwaltung fremder Gelder zu dienen bestimmt ist, im Hinblick auf die Anerkennung als „echtes“ Treugut nicht auf die Herkunft der Mittel ankommen soll941. Das überzeugt: Ist nach außen erkennbar, daß jemand einen Vermögenswert für einen anderen erwirbt und diesen Wert im Interesse des anderen für eine gewisse Zeit halten soll, besteht kein Grund, diesen Fall anders zu behandeln als den der unmittelbaren Übergabe des Treuguts vom Treugeber an den Treunehmer. Denn hier wie dort steht fest, dass der Treuhänder für fremde Rechnung handelt und die Chancen und Risiken des Treuguts beim Treugeber liegen. In beiden Fällen gehört das Treugut wirtschaftlich betrachtet zum Vermögen des Treugebers. Im „Vereinskassierer-Urteil“ vom 7. April 1959 hat das Gericht diese Ausnahme vom Unmittelbarkeitsprinzip dann erstmals ausdrücklich anerkannt. Darüber hinaus hat es das Vorliegen einer Treuhand „im Rechtssinne“ auch für den Fall bejaht, daß Gelder auf ein Sonderkonto eingezahlt werden, das zwar nicht ausdrücklich als „Treuhandkonto“ bezeichnet ist, bei dem sich aber aus anderen Umständen herleiten läßt, daß es ausschließlich für die Verwaltung von Fremdgeldern durch eine Vertrauensperson eingerichtet worden ist und benutzt wird. Es ging um ein auf den Namen eines Vereinskassenwarts angelegtes Postscheckkonto, auf das nur für den Verein bestimmte Beträge gelangten und das von einem Gläubiger des Kassenwarts gepfändet wurde. Die Urteilsbegründung stellt maßgeblich darauf ab, daß die den Zahlungen zugrunde liegenden Forderungen nicht in der Person des Kassenwarts, sondern unmittelbar in der Person des Vereins entstanden waren. Unter dem Gesichtspunkt des „Anvertrauens“ bedeute es keinen Unterschied, ob ein Verein das für ihn bestimmte Geld selbst vereinnahmt und dann dem Kassenwart zur Verwaltung übergibt oder ob dieser kraft seines Amtes das Geld von Dritten in Empfang nimmt oder 937  So die heute gebräuchlichere Terminologie, siehe etwa MünchKomm-HGB/Karsten Schmidt, vor §  230 Rn.  52 ff. 938  BGH, NJW 2002, 3253, 3254. 939  BGH, NJW 1959, 1223, 1224 f. 940  Siehe BGHZ 155, 227, 231 = NJW 2003, 3414, 3415 sowie BGH, NJW 1971, 559, 560, wo die Tauglichkeit des Unmittelbarkeitsprinzips jeweils ausdrücklich offengelassen wird. 941 BGHZ 11, 63 = NJW 1954, 190; ausführlich zu diesem Urteil Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  89 ff.

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überwiesen erhält942 . Aus dieser Rechtsprechung war die folgende Linie herauszulesen: Bei offenen Treuhandkonten rechtfertigt sich der Insolvenz- und Vollstrekkungsschutz des Treugebers aus der Publizität, während es bei verdeckten Treuhandkonten auf die Vermögenstrennung ankommt943. Diese Linie behielt der Bundesgerichtshof auch in seinem Urteil vom 16. Dezember 1970 bei, wobei er erstmals ausdrücklich offen ließ, ob am Unmittelbarkeitsgrundsatz festzuhalten sei944. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Treuhandkonten ist durch eine gewisse Beliebigkeit und Inkonsistenz gekennzeichnet945. In einem Urteil vom 19. November 1992 hat der IX. Zivilsenat noch den Eindruck erweckt, daß die Offenkundigkeit des Treuhandverhältnisses das entscheidende Kriterium für den Schutz des Treugebers darstelle946. In der Folgezeit hat er dann allerdings mehrfach den Standpunkt eingenommen, daß die Offenkundigkeit des Treuhandverhältnisses für diesen Schutz nicht zwingend erforderlich ist. So hat er in einem Urteil vom 1. Juli 1993 klargestellt, daß der Offenlegung der treuhänderischen Bindung nur in anderem Zusammenhang Bedeutung zukomme: Sie entscheide darüber, ob der kontoführenden Bank ein vertragliches Pfandrecht an dem Kontoguthaben sowie ein Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht für eigene Ansprüche gegen den Kontoinhaber zusteht. Bei einem offenen Treuhandkonto sei beides stillschweigend abbedungen. Was hingegen das Aussonderungs- und Widerspruchsrecht des Treugebers angehe, verlange die Rechtsordnung generell nicht, daß die Vermögensverhältnisse des Schuldners für seine Gläubiger ohne weiteres durchschaubar sein müßten. Einem Mißbrauch des Rechtsinstituts der Treuhand zum Nachteil der Gläubiger sei wie bei der stillen Zession und der Sicherungsübereignung durch strenge Anforderungen an den tatsächlichen Nachweis einer Aussonderung von Vermögensgegenständen zu begegnen947. Als klare Absage an ein wie auch immer zu verstehendes Offenkundigkeitsprinzip war auch der folgende Satz im Urteil vom 8. Februar 1996 zu verstehen: „Schon wegen der auf dem Treuhandvertrag beruhenden Beschränkung der Rechtsmacht des Verwaltungstreuhänders im Innenverhältnis ist die von ihm gehaltene Forderung dem Vermögen des Treugebers zuzuordnen“948. Bemerkenswert an dieser Formulierung war, daß derselbe Senat drei Jahre zuvor noch Wert auf die Feststellung gelegt hatte, die „echte“ Treuhand weise eine schuldrechtliche und eine dingliche Komponente auf, weshalb es verfehlt sei, das Aussonderungsrecht allein aus der „quasi-dinglichen“ Rechtsstellung des Treugebers oder nur der schuldrechtlichen Treuhandabrede herzuleiten949. 942 

BGH, NJW 1959, 1223, 1225; ausführlich zu diesem Urteil Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  92 ff. Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  95. 944  BGH, NJW 1971, 559, 560; ausführlich dazu Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  95 ff. 945  Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  98 ff. 946  BGH, NJW-RR 1993, 301; siehe auch Henssler, AcP 196 (1996), 37, 56. 947  BGH, NJW 1993, 2622; zuvor schon BGH, NJW 1991, 101. 948  BGH, WM 1996, 662. 949  BGHZ 155, 227, 232 f. = NJW 2003, 3414, 3415. Von der „Zwei-Komponenten-Theorie“ des IX. Zivilsenats spricht Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  61. 943 Vgl.

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Zu unterstreichen bleibt, daß nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Aussonderungs- und Interventionsrecht des Treugebers nicht besteht, sofern das Treuhandkonto nicht ausschließlich für die Verwaltung fremder Gelder verwendet wird. Zwar schadet es nicht, wenn auf einem Konto Gelder mehrerer Treugeber verbucht sind. Doch muß ein Konto immer als Ganzes von der Treuhandbindung erfaßt sein. Dient ein Konto in erster Linie als Privat- oder Geschäftskonto des Treuhänders, kann die gelegentliche Abwicklung von Treuhandaufträgen nicht zur Entstehung insolvenz- und vollstreckungssicheren Treuguts führen950. „Gemischten“ Eigen- und Treuhandkonten bleibt nach dieser Rechtsprechung, die sich als Bekenntnis zu einem Bestimmtheits- oder Vermögenstrennungsgrundsatz verstehen läßt951, die Anerkennung versagt. Das auf einem Treuhandkonto verbuchte Geld verliert seine Eigenschaft als Treugut aber nicht dadurch, daß es vom Treuhänder mit Zustimmung des Treugebers von Fall zu Fall für die Tilgung eigener Schulden herangezogen wird952 . bb) Schrifttum Im Schrifttum wird der Unmittelbarkeitsgrundsatz ganz überwiegend abgelehnt953. Gegen ihn wird nicht nur eingewandt, daß er bei Treuhandkonten versagt954, sondern auch angeführt, daß er sich durch ein bloßes Hin- und Herschieben des Treuguts leicht umgehen lasse. Das könne beispielsweise in der Form geschehen, daß der Treuhänder das von dritter Seite erworbene Treugut zunächst im Wege des Insichgeschäfts nach §§  930, 181 BGB auf den Treugeber überträgt, um es von diesem sogleich gemäß §  929 Satz  2 BGB zurückübereignet zu bekommen955. Einige Stimmen kritisieren den Unmittelbarkeitsgrundsatz auch als zu formalistisch und vermissen eine sachliche Rechtfertigung für die aus ihm folgende Differenzierung zwischen der Übertragungstreuhand einerseits sowie der Erwerbs- und Vereinbarungstreuhand andererseits. Der Weg, auf dem das Treugut zum Treuhänder gelangt, könne für den Insolvenz- und Vollstreckungsschutz des Treugebers nicht entscheidend sein956. In der Frage, welches Kriterium stattdessen den Ausschlag für die Anwendbarkeit von §  47 InsO und §  771 ZPO geben soll, gehen die Meinungen allerdings auseinan-

950 

BGH, NJW 1971, 559, 560; NJW-RR 2003, 1375, 1376. §  47 Rn.  358a, 392a. 952  BGH, WM 1996, 662, 663. 953 MünchKomm-InsO/Ganter, §  47 Rn.  357; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §   49 Rn.  64 m. Fn.  103; Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  75 ff., 106 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  427; Armbrüster, DZWiR 2003, 485, 487; Gaul, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, S.  521, 555; Gernhuber, JuS 1988, 355, 361; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 54 f.; Karsten Schmidt, in: Festschrift für Wiegand, S.  933, 947 f. 954  Schon für entscheidend hält diesen Einwand Henssler, AcP 196 (1996), 37, 55. 955 MünchKomm-InsO/Ganter, §  47 Rn.  357; ferner Heinsius, in: Festschrift für Henckel, S.  387, 393. 956  Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  80. 951 MünchKomm-InsO/Ganter,

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der957. Nicht durchsetzen konnte sich der Vorschlag, den Schutz des Treugebers von der Offenkundigkeit des Treuhandverhältnisses im Sinne einer Erkennbarkeit der Vermögenszuordnung für die Gläubiger des Treuhänders abhängig zu machen958. Gegen diesen Vorschlag wurde insbesondere der auch vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 1. Juli 1993959 formulierte Einwand erhoben, es komme im Voll­ streckungsrecht auch sonst nicht darauf an, ob die Gläubiger davon ausgehen dürfen, daß ein bestimmter Gegenstand zum Vermögen des Schuldners gehört und ihrem Vollstreckungszugriff unterliegt. Wie die Beispiele der Sicherungsübereignung und des Eigentumsvorbehalts zeigten, müßten Gläubiger stets damit rechnen, daß ein Gegenstand, der dem äußeren Anschein nach im Eigentum des Schuldners steht, haftungsrechtlich einem anderen zugeordnet ist. Im übrigen gehe es in vielen Treuhandkonstellationen um Forderungsrechte, bei denen das Merkmal der Publizität ohnehin keine Bedeutung habe960. Auch Karsten Schmidt hat sich inzwischen vom Offenkundigkeitsprinzip distanziert. Eine abgeschwächte Form dieses Prinzips steckt jedoch in seiner Aussage, die Offenkundigkeit des Treuhandverhältnisses sei zwar keine notwendige, aber eine hinreichende Voraussetzung, um Treugeberrechte im Verhältnis zu Dritten anzuerkennen961. Die größte Teil des Schrifttums sieht das entscheidende Kriterium für den Schutz des Treugebers in der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Treuguts962 . Die Anwendung der §§  47 InsO, 771 ZPO setzt danach voraus, daß das Treugut, soweit es sich um vertretbare Gegenstände handelt, vom Vermögen des Treuhänders getrennt gehalten wird. In bezug auf Treuhandkonten heißt das: Nur ein ausschließlich für die Verwaltung von Fremdgeldern verwendetes Konto, sei es offen oder verdeckt, kann ein Aussonderungs- und Widerspruchsrecht des Treugebers begründen963. Allfälligen Mißbräuchen der Treuhand will diese Ansicht ebenso wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 1. Juli 1993964 durch strenge Anforderungen an den Nachweis der Treuhandabrede vorbeugen. In den praktischen Auswirkungen sollen diese Anforderungen vielfach einem Offenkundigkeitsprinzip nahekommen965. Der Gesetzgeber hat den Gedanken der Bestimmtheit des Treuguts bei der Ausgestaltung von §  292 InsO aufgegriffen. Die Bestimmung regelt – wenn auch nur rudimentär – 957 

Für eine ausführliche Auseinandersetzung Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  141 ff. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  280; ders., NJW 1973, 825, 832; einschränkend noch ders. in Festschrift für Flume, S.  371, 410 ff. 959  Siehe Fn.  947. 960  Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  144 ff.; Blaurock, Unterbeteiligung, S.   248; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 56 f.; Einsele, JZ 1990, 1005, 1012. 961  Karsten Schmidt, in: Festschrift für Wiegand, S.  933, 958. 962  Blaurock, Unterbeteiligung, S.   248; Coing, Treuhand, S.  179; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  427; Grundmann, Treuhandvertrag, S.  315 ff.; Gaul, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, S.  521, 555; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 58 ff.; mit diesem Ansatz symphatisierend MünchKommInsO/Ganter, §  47 Rn.  358a. 963  Henssler, AcP 196 (1996), 37, 58. 964  Siehe Fn.  947. 965  Henssler, AcP 196 (1996), 37, 58 f.; Armbrüster, DZWiR 2003, 485, 487. 958 

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die Rechtsstellung des Treuhänders bei der Restschuldbefreiung und schreibt ihm unter anderem vor, die durch die Abtretung der Lohnansprüche des Schuldners erlangten Beträge sowie sonstige Leistungen des Schuldners oder Dritter „von seinem Vermögen getrennt zu halten“. Bitter hält auch diesen Ansatz für unvollkommen. Wenn jeder auf einen bestimmten Gegenstand gerichtete Anspruch bereits ein Aussonderungs- und Drittwiderspruchsrecht auslösen würde, bestünde genau jene von der Rechtsprechung beschworene Gefahr, daß der Begriff der Treuhand ins Unbestimmte zerfließt. Es bleibe deshalb die Notwendigkeit, auch bei den auf einen bestimmten Gegenstand gerichteten Ansprüchen zwischen solchen zu unterscheiden, die in Insolvenz und Zwangsvollstreckung ein Vorrecht des Gläubigers begründen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist966. Dieser Aufgabe stellt sich Bitter, indem er der Vorschrift des §  392 Abs.  2 HGB ein verallgemeinerungsfähiges Konzept der Rechtszuordnung bei der Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung entnimmt967. Dieses Konzept läuft in Verbindung mit einer funktionell-teleologischen Interpretation der §§  47 InsO, 771 ZPO auf das Ergebnis hinaus, daß der Treugeber dann einem dinglichen Rechtsinhaber gleichzustellen ist, „wenn seine Rechtsstellung aufgrund der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung in der für die Vermögenszuordnung maßgeblichen Sicht einem dinglichen Rechtsinhaber ähnelt. Dies ist der Fall, wenn er als Gläubiger eines schuld­ rechtlichen Anspruchs auf Übertragung einer Sache (Treugut) die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache trägt“968. Die Bestimmtheit des Treuguts ist für Bitter eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Schutz des Treugebers. Hinzukommen muß das Element der Gefahrtragung (bei Forderungen: des Bonitätsrisikos), das nach Bitter nur bei den sog. Herausgabeansprüchen wie beispielsweise §  667 BGB, nicht aber bei sog. Verschaffungsansprüchen erfüllt ist969. b)  Rechtslage bei der WR-Gutschrift Eine eingehende Auseinandersetzung mit diesem Grundsatzproblem der Treuhand kann und muß an dieser Stelle nicht geleistet werden. Festzuhalten bleibt zunächst, daß der Bundesgerichtshof bei Treuhandgirokonten eine Ausnahme vom Unmittelbarkeitsprinzip macht. Die dahinter stehenden Erwägungen lassen sich ohne Ab­ striche auf die Situation beim Auslandsgeschäft übertragen. Auch hier würde die uneingeschränkte Geltung des – typischerweise nicht erfüllten – Unmittelbarkeitsprinzips zu inakzeptablen Ergebnissen führen. Die vom Reichsgericht beschworene Gefahr, daß der Treuhandbegriff „ins Unbestimmte zerfließt“, besteht beim Auslandsgeschäft um so weniger, als die treuhänderische Bindung der inländischen (Zwischen-)Verwahrer hier sogar offenkundig ist. Denn in der Drei-Punkte-Erklä966 

Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  181 f. Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  189 ff., 264 ff. 968  Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  324. 969  Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  319 f., 521. 967 

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rung bestätigt ja der ausländische Verwahrer, davon Kenntnis genommen zu haben, daß es sich bei den Wertpapieren des Deckungsbestandes um Kundenbestände handelt. Zudem verpflichtet er sich, das Depot mit dem Zusatz „Kundendepot“ oder einer vergleichbaren Bezeichnung zu führen. Pfand-, Zurückbehaltungs- und ähnliche Rechte an den Wertpapieren des Deckungsbestandes kann er nur wegen solcher Forderungen geltend machen, die sich aus deren Anschaffung, Verwaltung und Verwahrung ergeben. Ist die Clearstream Banking AG in die Verwahrkette eingegliedert, tritt ihr Treuhandverhältnis zu den einzelnen Banken durch die Verbuchung der Wertpapiere auf Treuhandgirokonten (sog. 6er-Konten) eindeutig in Erscheinung970. Aus den Büchern der Banken ergibt sich wiederum, welche Werte sie treuhänderisch für ihre Kunden halten971. Aufgrund der Verbuchung der einzelnen WR-Bestände auf Depotkonten ist auch an der Bestimmtheit des Treuguts nicht zu zweifeln. Im depotrechtlichen Schrifttum wird denn auch das Aussonderungs- und Interventionsrecht des Depotkunden zumeist unter Hinweis darauf bejaht, daß bei der Verwahrung von Wertpapieren im Ausland das Treuhandverhältnis klar abgegrenzt und offenkundig ist972 . Problematisch ist allerdings, daß der Bundesgerichtshof ein Aussonderungs- und Widerspruchsrecht des Treugebers nur unter der Voraussetzung anerkennt, daß das betreffende Treuhandkonto ausschließlich für die Verwaltung fremder Vermögenswerte bestimmt ist. Wäre dieser Rechtsprechung uneingeschränkt zu folgen, müßte eine Depotbank Eigen- und Kundenbestände beim ausländischen Zwischenverwahrer bzw. bei der Clearstream Banking AG über unterschiedliche Konten halten. Das scheint in der Praxis zumindest nicht durchgängig der Fall zu sein. In seiner Rigorosität ist das vom Bundesgerichtshof vertretene Vermögenstrennungsprinzip jedoch angreifbar973. Richtig, ja geradezu selbstverständlich ist zwar die hinter ihm stehende Erwägung, daß eine Aussonderung nur in Betracht kommt, wenn die auszusondernden Gegenstände bestimmt oder bestimmbar sind974 . Wie soeben dargelegt, ist bei der Auslandsaufbewahrung von Wertpapieren die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Treuguts aber schon aufgrund der internen Aufzeichnungen der Depotbank gegeben. Eine eindeutige Zuordnung der von der Bank gehaltenen Eigen- und Kundenbestände ist auch dann möglich, wenn diese Bestände auf nächsthöherer 970 Vgl.

4 a).

971 

Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  22 Rn.  4 4; näher zu den sog. 6er-Konten sogleich unter

Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  429. Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  22 Rn.  4 4; Scherer/Behrends, DepotG, §  22 Rn.  56; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  152; Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/129; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.109; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  84 f.; Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 229 f.; Paul, WM 1975, 2, 3 f.; auf die Bestimmtheit des Treuguts abstellend MünchKomm/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  218/219; dies., Wertpapierrecht, S.  429. 973 Ablehnend Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  280; Hadding/Häuser, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  37 Rn.  2; Karsten Schmidt, in: Festschrift für Wiegand, S.  933, 961 f. Im Grundsatz zustimmend jedoch Geibel, Treuhandrecht, S.  243 f. 974  Vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1375, 1376. 972 

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Ebene ungetrennt auf einem Sammelkonto verbucht sind975. Der Bundesgerichtshof hält das Vermögenstrennungsprinzip auch nicht konsequent durch, wenn er gemischten Eigen- und Treuhandkonten generell die Anerkennung versagt, gegen die Vermischung von Werten verschiedener Treugeber auf einem einzigen Konto aber keine Bedenken hat976. Beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren ist ein striktes Vermögenstrennungsprinzip umso weniger gerechtfertigt, als der von der Depotbank auf übergeordneter Ebene gehaltene Deckungsbestand die „gemeinschaftliche Rechtszuständigkeit geradezu auf der Stirn“ trägt977. Ein Insolvenz- und Vollstreckungsschutz des Depotkunden wäre auch dann zu bejahen, wenn man das ausschlaggebende Kriterium für die „Verdinglichung“ seiner Rechtsposition mit Bitter darin sähe, ob er als Inhaber eines schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs gemäß §§  675 Abs.  1, 667 BGB zugleich die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache zu tragen hat. Denn aus Nr.  12 Abs.  4 SBW ergibt sich zweifelsfrei, daß von der Bank nicht zu vertretende Verluste am Deckungsbestand anteilig zu Lasten der Depotkunden gehen. c) Ergebnis Im Ergebnis sprechen damit überzeugende Gründe für die Annahme, daß dem Depotkunden in der Insolvenz seiner Depotbank ein Aussonderungsrecht gemäß §  47 InsO zusteht und er sich gegen Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern der Depotbank mit der Drittwiderspruchsklage gemäß §  771 ZPO zur Wehr setzen kann. In Anbetracht der Rechtsprechung zu sog. „gemischten“ Eigen- und Treuhandkonten, zu deren ausdrücklicher Anerkennung der Bundesgerichtshof sich noch nicht durchgerungen hat, ist dieses Ergebnis jedoch nicht so klar, wie vom depotrechtlichen Schrifttum häufig suggeriert wird978. Es bleibt somit ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit, das solange bestehen bleiben wird, wie nicht ein klärendes Wort in dieser Frage gesprochen wird, entweder vom Bundesgerichtshof oder vom Gesetzgeber.

4. Treuhandgiroverkehr a)  Tatsächlicher Ablauf Wie bereits erwähnt, halten die Depotbanken die Bestände zur Deckung der von ihnen erteilten WR-Gutschriften in der Regel nicht direkt bei ausländischen Verwahrern, sondern über die Clearstream Banking AG. Die Zwischenschaltung der inländi975 

Wust, Verbuchung, S.  196. Bitter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  33 Rn.  106. 977  Vgl. für das offen ausgewiesene Gemeinschafts(giro)konto Karsten Schmidt, in: Festschrift für Hadding, S.  1093, 1109. 978  Zu skeptisch allerdings MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  219, die es für „sehr zweifelhaft“ hält, ob nach ständiger Rechtsprechung bei der WR-Gutschrift die Voraussetzungen einer Treuhand im Rechtssinne erfüllt sind. 976 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

schen Wertpapiersammelbank ermöglicht den sog. Treuhandgiroverkehr. Mit ihren bei der Clearstream Banking AG verbuchten WR-Guthaben können die Giroteilnehmer Lieferverpflichtungen aus Geschäften erfüllen, die sie in der betreffenden Wertpapiergattung mit anderen Teilnehmern geschlossen haben, ohne daß es der Mitwirkung des ausländischen Verwahrers bedarf. Da sich die Clearstream Banking AG für das WR-Geschäft des Lagerstellennetzes der Clearstream Banking Luxembourg bedient, wird der Treuhandgiroverkehr nicht über das System CASCADE, sondern auf der Plattform Creation abgewickelt. Für die Giroteilnehmer werden auf dieser Plattform sog. 6er-Konten geführt, die dem CASCADE-Hauptkonto des jeweiligen Teilnehmers zugeordnet sind, deutschem Recht unterliegen und auch technisch als eigenständiger Kontenkreis neben den übrigen luxemburgischen Konten geführt werden979. Hinsichtlich der Lieferinstruktionen und Abwicklungsmodalitäten bestehen zwischen dem Treuhandgiroverkehr und dem Effektengiroverkehr in girosammelverwahrten Gattungen keine wesentlichen Unterschiede980. Insbesondere stellt die Clearstream Banking AG auch im Rahmen des Treuhandgiroverkehrs sicher, daß die Umbuchung der Depotwerte Zug um Zug gegen Zahlung des Gegenwerts erfolgt981. Anzumerken ist weiter, daß die Banken auch bei der Anschaffung von Wertpapieren im Ausland vorgezogene Gutschriften zu erteilen pflegen, die erst im Zeitpunkt der „Lieferung“ der Wertpapiere durch die Clearstream Banking AG zu „echten“ WR-Gutschriften erstarken sollen. Während der Zwischenzeit soll der Depotkunde über das Guthaben nicht verfügen und insbesondere nicht den sofortigen Weiterverkauf der Wertpapiere verlangen können. In Ziffer 6.1 der Verlautbarung des Bundesaufsichtsaufsichtsamts für das Kreditwesen über „Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften der Kreditinstitute“ vom 23. Oktober 1995982 war zwar festgelegt, daß schwebende Wertpapierkassageschäfte nur insoweit vor Erfüllung gebucht werden können, als es sich um Kommissionsgeschäfte oder um im Inland abgewickelte Eigen- und Festpreisgeschäfte handelt. Für im Ausland abgewikkelte Eigen- und Festpreisgeschäfte war dagegen vorgeschrieben, daß sie erst im Zeitpunkt ihrer Erfüllung bilanzwirksam gebucht werden dürfen. Doch hatte das Aufsichtsamt der Gleichstellung von Transaktionen, die über Euroclear oder Cedel (heute: Clearstream Banking Luxembourg) abgewickelt werden, mit Inlandsgeschäften nicht widersprochen983. Auch die (heutige) BaFin scheint gegen die Praxis der vorgezogenen WR-Gutschrift keine Einwände zu haben984 . 979 

CBF-Kundenhandbuch, S.  2–6. Zu den Einzelheiten siehe CBF-Kundenhandbuch, S.  3–10 f. nebst Schaubild. 981  Ziffer XXII Abs.  2 AGB-CBF. 982  Diese Verlautbarung wurde am 20. Dezember 2005 durch die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) der BaFin ersetzt. Die MaRisk äußern sich zu Fragen der Buchung nicht mehr. 983 Siehe Kümpel/Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/135 m. Fn.  3 unter Hinweis auf ein Schreiben des BAKred vom 23. Oktober 1995 (I 4-42-3/86). 984 Vgl. Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  151. 980 

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b)  Rechtliche Konstruktion In Ziffer XXII Abs.  1 AGB-CBF heißt es, daß im Treuhandgiroverkehr „Ansprüche des Kunden gegen CBF auf Herausgabe von Wertpapieren“ durch Umbuchung „übertragen“ werden. Diese Formulierung ist nicht wörtlich zu nehmen, denn eine Rechtsübertragung im technischen Sinne findet im Treuhandgiroverkehr nicht statt. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, die Umbuchung von Depotwerten rechtlich als Abtretung des Auslieferungsanspruchs aus der WR-Gutschrift aufzufassen. Mit dieser Konstruktion ließen sich jedoch nur hausinterne Umbuchungen erfassen. Sie paßt nicht, wenn der erwerbende Anleger sein Konto bei einer anderen Depotbank als der verkaufende Kunde unterhält, weil sie in diesem Fall nicht erklären könnte, weshalb es zu einem Wechsel in der Person des Anspruchsschuldners kommt985. Das Schrifttum nimmt denn auch zu Recht an, daß sich der Treuhandgiroverkehr in Anlehnung an die klassischen Grundsätze der Giroüberweisung vollzieht986. Danach ist in dem Auftrag eines Kunden zum Verkauf seiner Wertpapiere zugleich ein Auftrag zur Umbuchung zu sehen, der als Weisung im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrags aufzufassen ist (§§  675 Abs.  1, 665 BGB). Die Depotbank führt diese Weisung aus, indem sie das Konto des Kunden belastet – und so dessen Auslieferungsanspruch zum Erlöschen bringt – und ihrerseits der Clearstream Bank­ ing AG die Weisung erteilt, die Werte auf das Konto der Käuferbank umzubuchen. Mit der WR-Gutschrift erwirbt diese Bank originär einen Auslieferungsanpruch gegen die Clearstream Banking AG. Die Gutschrift hat rechtserzeugende Wirkung insofern, als die Clearstream Banking AG mit ihr zum Ausdruck bringt, die Werte nunmehr als Treuhänderin für die Käuferbank zu halten und auf Verlangen an sie herauszugeben987. Leitet die Käuferbank die Werte mittels WR-Gutschrift an ihren Kunden weiter, erwirbt dieser seinerseits originär einen Auslieferungsanspruch gegen die Bank 988. Eine vorgezogene Gutschrift entfaltet erst mit der „Lieferung“ der Werte an die Depotbank ihre Wirkung. Da im Treuhandgiroverkehr Auslieferungsansprüche begründet und nicht übertragen werden, hängt die Wirksamkeit des Rechtserwerbs grundsätzlich nicht vom Vorliegen einer wirksamen Belastungsbuchung ab. Wenn mitunter gesagt wird, Gegenstand des Treuhandgiroverkehrs sei der 985 MünchKomm-HGB/Einsele,

Depotgeschäft, Rn.  221. Im Grundsatz übereinstimmend MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  221; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 17; Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar, 38. Kap. Rn.  58; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18/217; Brink, Rechtsbeziehungen, S.  135 f.; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  161; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  4 48 ff.; Wust, Verbuchung, S.  202; Kümpel/ Decker, Depotgeschäft, Rn.  8/357 (anders aber wohl dies. bei Rn.  8/135, wo von einer „Weiterübertragung nach zessionsrechtlichen Grundsätzen“ die Rede ist); für Abtretung dagegen Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  6.185. 987  Wust, Verbuchung, S.   203; Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18/217. 988  Wie bereits oben III 1 b) dd) dargelegt, ist die WR-Gutschrift als Erfüllung des Verschaffungsanspruchs aus dem Kommissionsverhältnis bzw. Kaufvertrag und nicht als bloße Leistung an Erfüllungs statt aufzufassen. 986 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Lieferanspruch der verkaufenden Depotbank gegen die Clearstream Banking AG aus §  667 BGB989, so ist das folglich ungenau und jedenfalls nicht im Sinne eines derivativen Rechtserwerbs zu verstehen. c)  Treuwidrige Verfügungen Da im Treuhandgiroverkehr keine Miteigentumsrechte übertragen, sondern schuldrechtliche Ansprüche gegen die Clearstream Banking AG bzw. Depotbank begründet werden, steht ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten i. S. der §§  932 BGB, 366 HGB hier von vornherein nicht zur Debatte990. Gleichwohl muß auch für das WR-Konzept die Frage beantwortet werden, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn eine Depotbank ohne wirksame Ermächtigung und damit in treuwidriger Weise über Kundenbestände verfügt. Dazu muß man sich noch einmal vor Augen halten, welcher Vermögenswert im Rechtsverhältnis zwischen Depotkunde und Depotbank das Treugut darstellt: Es handelt sich um die Berechtigung, die der Depotbank gegenüber der Clearstream Banking AG als übergeordnetem Verwahrer zusteht. Bei dieser Berechtigung handelt es sich ihrerseits um eine treuhandrechtliche Position, wobei die Berechtigung, die der Clearstream Banking AG an den auslandsverwahrten Effekten oder in bezug auf diese zusteht, das Treugut bildet991. Es ist daher richtig, wenn gesagt wird, daß eine Depotbank, wenn sie der Clearstream Banking AG einen Umbuchungsauftrag erteilt, formal-rechtlich immer als Berechtigte verfügt992 . Die ihr gegenüber der Clearstream Banking AG zustehende Berechtigung begründet im Verhältnis zum Depotkunden jene „überschießende Rechtsmacht“, wie sie für die fiduziarische Treuhand charakteristisch ist993. Daraus sollte man aber nicht vorschnell den Schluß ziehen, es sei aus Sicht des Erwerbers gleichgültig, ob die veräußernde Bank von ihrem Kunden zur Übertragung der Werte beauftragt wurde oder ob sie treuwidrig gehandelt hat994. Denn es ist immerhin eine kurze Überlegung wert, ob und inwieweit sich jene Erwägungen, die im Schrifttum zum Schutz des Treugebers vor treuwidrigen Verfügungen des Treuhänders angestellt werden, auf den Treuhandgiroverkehr übertragen lassen. Das Problem treuwidriger Verfügungen zählt neben der bereits behandelten Frage des Insolvenz- und Vollstreckungsschutzes des Treugebers zu den Streitpunkten im Recht der fiduziarischen Treuhand995. Der aktuelle Meinungsstand stellt sich in groben Strichen wie folgt dar: Der Bundesgerichtshof pflegt in ständiger Rechtsprechung darauf zu verweisen, daß der fiduziarische Treuhänder im eigenen Namen handelt und über 989 

Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  161. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  4 40. 991 Vgl. Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  136, 143. 992  Wust, Verbuchung, S.  204. 993 Vgl. Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  136. 994  So aber Wust, Verbuchung, S.  204; dem folgend Binder, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar, 38. Kap. Rn.  58. 995 Ausführlich Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  453 ff.; Geibel, Treuhandrecht, S.  4 4 ff., 300 ff. 990 

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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ein eigenes Recht verfügt. Ein im Innenverhältnis zum Treugeber bestehendes Verfügungsverbot habe keine dingliche Wirkung (§  137 BGB). Die Verfügungen des Treuhänders müßten deshalb auch bei einem Verstoß gegen das Verfügungsverbot grundsätzlich als wirksam anerkannt werden. Das erfordere schon die Rechtsklarheit. Schutz gegen den Dritten könne der Treugeber nur nach §§  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  266 StGB oder §  826 BGB erlangen. Ansonsten sei er auf einen Schadensersatzanspruch gegen den Treuhänder verwiesen996. Im Schrifttum sind die Meinungen geteilt. Während einige Autoren die formale Sicht des Bundesgerichtshofs für richtig halten997, weisen andere auf die funktionale Vergleichbarkeit des Treuhänderhandelns mit dem Handeln eines Stellvertreters hin und treten dafür ein, die zum Vollmachtsmißbrauch entwickelten Grundsätze sinngemäß auf Verfügungen eines Treuhänders zu übertragen. Danach ist eine Verfügung des Treuhänders nicht nur in den Fällen der Kollusion (§  138 BGB), sondern auch dann unwirksam, wenn der erwerbende Dritte von dem Treueverstoß weiß oder sich dieser ihm aufgrund massiver Verdachtsmomente aufdrängen muß998. An der Übertragbarkeit dieser Diskussion auf den Treuhandgiroverkehr könnte man deshalb zweifeln, weil hier keine Übertragung von Treugut im technischen Sinne stattfindet999. Beauftragt eine Depotbank die Clearstream Banking AG, ein bestimmtes WR-Guthaben auf das Konto einer anderen Depotbank umzubuchen, so erwirbt ja diese Depotbank nicht genau jene Berechtigung, die der beauftragenden Depotbank gegenüber der Clearstream Banking AG zustand (und im Verhältnis zwischen dieser Depotbank und deren Kunden das Treugut bildete), sondern originär eine neue Berechtigung gegenüber der Clearstream Banking AG. In Rede steht daher nicht die Unwirksamkeit „der“ treuwidrigen Verfügung, sondern in Rede steht die Unwirksamkeit eines mehraktigen „Übertragungs“vorgangs, der sich aus dem Erlöschen der Berechtigung der überweisenden Depotbank und der Begründung einer Berechtigung zugunsten der erwerbenden Depotbank zusammensetzt. Doch dürfte diese Besonderheit der Heranziehung der allgemeinen Grundsätze über treuwidrige Verfügungen nicht von vornherein entgegenstehen. Denn unabhängig von der Art und Weise der Übertragung des Treuguts (sei es in einem technischen oder untechnischen Sinne) geht es in allen Fällen der fiduziarischen Treuhand um dasselbe Sachproblem, den Schutz des Treugebers vor einer eigenmächtigen Ausnutzung der „überschießenden Rechtsmacht“ durch den Treuhänder1000. 996 

BGH, NJW 1968, 1471. Henssler, AcP 196 (1996), 37, 67 ff. 998  Siehe etwa MünchKomm-HGB/Karsten Schmidt, vor §  230 Rn.  69; Blaurock, Unterbeteiligung, S.  127 ff.; für eine entsprechende Anwendung der §§  932 ff., 892 f. BGB Bitter, Rechtsträgerschaft, S.  483 ff. 999  So wohl auch Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  568, die meint, daß die Rechtsprechung zu treuwidrigen Verfügungen im Treuhandgiroverkehr „letztlich praktisch kaum relevant“ sei. Wohl anders dagegen dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 23 f. 1000  In gleichem Sinne Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  191, der de lege ferenda für ein 997 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

Auf die Frage, ob man im Fall einer treuwidrigen Verfügung durch den Treuhänder dem Treugeber Schutz nur in den vom Bundesgerichtshof gezogenen engen Grenzen gewähren oder die Grundsätze über den Vollmachtsmißbrauch zur Anwendung bringen sollte, braucht hier gleichwohl nicht noch einmal in aller Ausführlichkeit eingegangen zu werden. Denn zum einen wird man in Zweifel ziehen dürfen, daß der Unterschied zwischen beiden Auffassungen wirklich so groß ist, wie vom Schrifttum mitunter suggeriert wird1001. Zum anderen dürften Fälle, in denen eine Bank in treuwidriger Weise über Kundenbestände verfügt und der Erwerber den Treueverstoß kennt oder dieser für ihn evident ist, in der Praxis so gut wie nie auftreten. Jedenfalls wird, wer einer Heranziehung der Grundsätze über den Vollmachtsmißbrauch zuneigt, zu berücksichtigen haben, daß an die Offenkundigkeit des Mißbrauchs schon allgemein strenge Anforderungen zu stellen sind, und das muß erst recht für den Treuhandgiroverkehr gelten, wo sich der Verkehrsschutz nicht anders als im inländischen Effektengiroverkehr „auf das Vertrauen [gründet], das die Banken in unserem Wirtschaftsleben genießen“1002 . Der Empfänger einer WR-Gutschrift darf grundsätzlich auf die Redlichkeit der Buchungsstellen vertrauen. Eine Einschränkung des Grundsatzes, daß im Treuhandgiroverkehr formal-rechtlich immer ein Erwerb vom Berechtigten gegeben ist, kommt allenfalls dann in Betracht, wenn sich ihm aufgrund aller ihm bekannten Umstände ein treuwidriges Handeln der verfügenden Bank aufdrängen muß. In aller Regel also kann es dem Erwerber gleichgültig sein, ob die veräußernde Bank von ihrem Kunden zur Übertragung der Werte beauftragt wurde oder ob sie treuwidrig gehandelt hat. Das Risiko einer treuwidrigen Übertragung des Treuguts trägt grundsätzlich der davon betroffene Kunde oder, falls kein bestimmtes Depotkonto als belastet individualisiert werden kann, anteilig alle Kunden, die von der veräußernden Bank WR-Gutschriften der jeweiligen Wertpapiergattung erhalten haben. Die Sicherheit der Kundenwerte hängt somit vollständig von der Integrität der depotführenden Bank ab1003. Das ist bei der Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland nicht anders. Denn auch dort ist der Kunde dem Risiko ausgesetzt, daß die Bank ohne seine Ermächtigung über seine Depotwerte verfügt und ein Dritter aufgrund der Regelung des §  366 Abs.  1 HGB das Eigentum daran erwirbt. Es läßt sich daher nicht behaupten, daß die Gefahr des Verlusts von Depotwerten aufgrund einer eigenmächtigen Verfügung der Bank im WR-Konzept nennenswert erhöht wäre1004 .

Folgerecht (droit de suite) des Treuhänders im Fall einer treuwidrigen Verfügung über das Treugut plädiert und dieses auf alle Formen der Übertragung des Treuguts erstreckt wissen will. 1001  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  569. 1002  Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 267. 1003  Wust, Verbuchung, S.  204. 1004  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  570.

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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5.  Verpfändung von Depotwerten a)  Bestellung eines Pfandrechts aa)  Verpfändung an einen Dritten Da es sich bei dem Auslieferungsanspruch aus dem Treuhandverhältnis um einen schuldrechtlichen − wenn auch in insolvenz- und vollstreckungsrechtlicher Hinsicht „verdinglichten“ − Anspruch handelt, richtet sich seine Verpfändung nach den Vorschriften über die Forderungsverpfändung (§§  1273 ff. BGB). Die Verpfändung des Anspruchs an einen Dritten setzt somit neben der nach §§  1274 Abs.  1, 398 BGB erforderlichen Einigung eine Verpfändungsanzeige an den depotführenden Verwahrer voraus (§  1280 BGB). Nicht anders als bei der Verpfändung nach §  1205 Abs.  2 BGB ist die Verpfändungsanzeige an den Schuldner ein notwendiges Element des Verfügungstatbestandes. Sie soll die Verpfändung nach außen kenntlich machen und dem Schuldner die Möglichkeit nehmen, mit befreiender Wirkung an den Verpfänder zu leisten (§  407 BGB)1005. In der Praxis wird auch bei der Verpfändung eines Auslieferungsanspruchs aus einer WR-Gutschrift das Depotkonto des Verpfänders gesperrt1006. Äußerlich unterscheidet sich die Verpfändung eines solchen Anspruchs damit nicht von der Verpfändung eines Girosammelanteils1007. Ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb vom Nichtberechtigten ist allerdings ausgeschlossen. Bei mehrfacher Verpfändung ein- und desselben Guthabens gilt daher das Prioritätsprinzip: Sofern die Beteiligten keine andere Rangordnung vereinbart haben, genießt der erste Sicherungsnehmer den Vorrang. Etwas anderes soll nach Einsele aber dann gelten, wenn die Werte für den Pfandgläubiger auf einem gesonderten Pfanddepot verbucht werden. Unter diesen Umständen sei anzunehmen, daß der Intermediär gegenüber dem Pfandgläubiger eine eigene Einstandspflicht in Form eines Schuldanerkenntnisses übernimmt, das seinem Inhalt nach auf die Verschaffung eines Pfandrechts an den Werten gerichtet ist. Daher treffe den Intermediär in dem Fall, daß der verpfändete Bestand nicht zur Befriedigung der Rechte konkurrierender Pfandgläubiger ausreicht, die Pflicht, den Pfandgläubigern entsprechende Sicherheiten zu beschaffen. Im Extremfall der Insolvenz des Intermediärs bedeute das, daß bei Verpfändungen unter Umbuchungen der Verlust verhältnismäßig auf die Gläubiger verteilt werden muß, die ein Pfandrecht an dem betreffenden Bestand erworben haben. Konkurrieren hingegen Verpfändungen unter bloßer Abtretungsanzeige mit solchen unter Umbuchungen, so erwerbe ein Gläubiger, zu dessen Gunsten keine Umbuchung erfolgt ist, nur dann ein Pfandrecht, wenn seiner Pfandrechtsbestellung zeitliche Priorität zukomme. Daher könne auch

1005 MünchKomm-BGB/Damrau, §  1280 Rn.  1 und 4; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, §  136 Rn.  2. 1006  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  164; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  471. 1007  Wust, Verbuchung, S.  205.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

nur ein solcher Pfandgläubiger in der Insolvenz des Intermediärs an der verhältnismäßigen Verlustverteilung teilnehmen1008. Hinter diesen Überlegungen steht die zutreffende Erwägung, daß es einem Verwahrer ohne weiteres möglich ist, sich vor der Umbuchung von Depotwerten in ein Pfanddepot des Bestehens konkurrierender Pfandrechte zu vergewissern und ggf. die Umbuchung zu verweigern. In Anlehnung an den im Rahmen der §§  932, 1207 BGB entwickelten Gedanken der Besitzverschaffungsmacht könnte man daher die Ansicht vertreten, daß ein Gläubiger, dem auf Veranlassung (auch) des Depotinhabers bestimmte Depotwerte gutgeschrieben werden, sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darauf verlassen können muß, daß die Depotwerte nicht bereits an eine andere Person verpfändet wurden. Die Frage ist nur, ob sich dieses Ergebnis bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts erreichen läßt. Das erscheint zweifelhaft. Jedenfalls ist §  1207 BGB, in den sich der Gedanke der Besitzverschaffungsmacht bruchlos einfügen läßt, auf das Rechtspfand nicht entsprechend anwendbar, selbst in den Fällen nicht, in denen zur Verpfändung des Rechts die Übergabe einer Sache erforderlich ist (vgl. §  1274 Abs.  1 Satz  2 BGB). De lege lata können Pfandrechte an Rechten nur ausnahmsweise gutgläubig erworben werden, nämlich in dem engen Rahmen, in dem ein gutgläubiger Erwerb des verpfändeten Rechts selbst zulässig ist1009. Diesen Rahmen auf die Verpfändung von Ansprüchen aus WR-Gutschriften zu erweitern, dürfte sich methodisch kaum rechtfertigen lassen, auch wenn dem Schutz des Rechtsverkehrs bei der Verpfändung von Depotwerten ein besonders hohes Gewicht zukommt. Einseles Überlegungen sind aber noch aus anderen Gründen angreifbar. So kann man einem Verwahrer, der zugunsten eines Gläubigers Depotwerte auf ein Pfandkonto umbucht, mangels konkreter Anhaltspunkte nicht einfach den Willen zur Abgabe eines Schuldanerkenntnisses unterstellen. Auch wird nicht recht klar, weshalb einem redlichen Gläubiger mit einem bloßen Anspruch auf Verschaffung (!) eines Pfandrechts an den Depotwerten gedient sein sollte und zu welchem Zeitpunkt, unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise der Verwahrer diesen Verschaffungsanpruch zu erfüllen hat. Schließlich wird man in Zweifel ziehen müssen, daß das von Einsele behandelte Szenario der mehrfachen Verpfändung ein- und desselben Guthabens unter mehrfachen Verpfändungsanzeigen bzw. Umbuchungen überhaupt von praktischer Relevanz ist. Denn wie bereits erwähnt, wird ein Depotkonto im Fall der Verpfändung des Auslieferungsanspruchs üblicherweise gesperrt. Eine spätere, das Pfandrecht des ersten Sicherungsnehmers beeinträchtigende Umbuchung der Werte auf ein Pfanddepot ist damit technisch ausgeschlossen. Und eine mehrfache Umbuchung eines Guthabens auf verschiedene Pfanddepots ist ohnehin schwer vorstellbar. 1008 

Einsele, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 21 f. Siehe z. B. §§  405, 892, 1138, 2366 BGB, Art.  16 Abs.  2 WG, §  16 Abs.  3 Satz  1 GmbHG; ferner MünchKomm-BGB/Damrau, §  1273 Rn.  7; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, §   135 Rn.  8. 1009 

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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bb)  Verpfändung an den kontoführenden Verwahrer Zur Verpfändung an den kontoführenden Verwahrer genügt eine Verpfändungsabrede zwischen Depotkunde und Verwahrer. Eine Verpfändungsanzeige nach §  1280 BGB ist nicht erforderlich. Der Umstand, daß es sich bei dem kontoführenden Verwahrer (Pfandgläubiger) zugleich um den Schuldner des Auslieferungsanspruchs handelt, steht einer Verpfändung nicht entgegen1010. Wie sich aus Nr.  14 Abs.  3 Satz  2 AGB-Banken ergibt, erstreckt sich das AGB-Pfandrecht der Bank nicht auf Wertpapiere, welche die Bank im Ausland für den Kunden verwahrt. Soweit es um in Wertpapierrechnung verwahrte Wertpapiere geht, bringt diese Klausel aber nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, weil die im Ausland deponierten Wertpapiere bzw. die gleichwertige Rechtsstellung formal-rechtlich ohnehin nicht dem Kunden, sondern entweder der Clearstream Banking AG oder der Bank selbst zustehen1011. Daß eine Verpfändung auslandsverwahrter Wertpapiere über Nr.  14 AGB-Banken in der Regel daran scheitern wird, daß diese Klausel nicht die Vorgaben der ausländischen Rechtsordnung erfüllt, mag zwar grundsätzlich zutreffen, trifft aber im vorliegenden Zusammenhang nicht den entscheidenden Punkt1012 . Um so deutlicher ist zu unterstreichen, daß nach allgemeiner Ansicht auch der obligatorische Auslieferungsanspruch des Kunden aus der WR-Gutschrift nicht dem AGB-Pfandrecht unterliegt. Ob sich dieses Verständnis von Nr.  14 AGB-Banken mit der Befürchtung rechtfertigen läßt, die ausländische Rechtsordnung könnte der Bank die Rechtsstellung eines fremdnützigen Treuhänders absprechen, falls diese mit dem Treugut eigene wirtschaftliche Interessen verbindet1013, mag hier offenbleiben. Jedenfalls wird den Banken zu Recht geraten, über die Verpfändung des Auslieferungsanspruchs aus einer WR-Gutschrift eine gesonderte Absprache zu treffen1014 . b)  Verwertung eines Pfandrechts Nach Eintritt der Pfandreife ist der Pfandgläubiger gemäß §  1282 BGB zur Einziehung des verpfändeten Auslieferungsanspruch berechtigt. Der Verwahrer kann in diesem Fall nur noch an ihn mit befreiender Wirkung leisten. Würde der Verwahrer den verpfändeten Anspruch durch Auslieferung von Wertpapieren im Inland erfüllen, so hätte dies zur Folge, daß der Depotkunde das Eigentum an den Wertpapieren erwirbt und das Pfandrecht des Gläubigers sich kraft dinglicher Surrogation an ihnen fortsetzt (§  1287 BGB). Sodann könnte der Pfandgläubiger die Wertpapiere nach den allgemeinen Vorschriften verwerten (§§  1228 ff. BGB). In der Regel wird ein sol1010 MünchKomm-BGB/Damrau,

§  1273 Rn.  5. Wust, Verbuchung, S.  205. 1012  Das wird verkannt von Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  164 und Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 250. 1013  So wohl Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 251. 1014  Heinsius/Horn/Than, DepotG, §  22 Rn.  49; Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, §  72 Rn.  164. 1011 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

ches Verfahren jedoch weder im Interesse des Schuldners noch des Gläubigers liegen. Denn die Auslieferung ausländischer Wertpapiere im Inland ist aufwendig und auch nicht sinnvoll, wenn die Papiere zwecks Verkauf umgehend wieder ins Ausland verbracht werden müßten. Im übrigen kommt diese Art der Verwertung nur in Betracht, wenn der Verwahrer seinerseits einen Anspruch auf Herausgabe effektiver Stücke hat1015. Das ist aber mittlerweile eher die Ausnahme als die Regel. Man wird daher dem Pfandgläubiger das Recht zugestehen müssen, das verpfändete WR-Guthaben als solches zu verwerten. Ist der kontoführende Verwahrer selbst der Pfandgläubiger, sollte ihm eine Verwertung unmittelbar aus dem jeweiligen Deckungsbestand, d. h. seinem eigenen Depotkonto bei der übergeordneten in- oder ausländischen Verwahrungsstelle möglich sein1016. Die allgemeinen Vorschriften zum Schutz des Schuldners vor einer Verschleuderung seines Vermögens müssen allerdings auch in diesen Fällen eingehalten werden. So kann auch im Rahmen von §  1284 BGB der private freihändige Verkauf des Pfandes vor Eintritt der Pfandreife nicht wirksam vereinbart werden. Hat das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis, bleibt es demnach bei dem Grundsatz, daß der freihändige Verkauf nur durch einen dazu ermächtigten Handelsmakler oder eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person bewirkt werden kann1017. Etwas anderes gilt gemäß §§  1279 Satz  2, 1259 BGB nur bei „gewerblichen Verpfändungen“, bei denen sowohl auf der Seite des Verpfänders als auch der des Pfandgläubigers ein Unternehmer, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen steht. Bei ihnen kann schon bei der Verpfändung der freihändige Verkauf durch den Pfandgläubiger selbst oder einen beliebigen Dritten vereinbart werden. Alle diese Vorschriften wird man bei der Verwertung von WR-Guthaben zumindest entsprechend anzuwenden haben1018. Statt selbst den Auslieferungsanspruch einzuziehen, kann der Pfandgläubiger auch den Weg über die Zwangsvollstreckung in den Anspruch wählen (§§  1282 Abs.  2, 1277 BGB). Hierzu bedarf er eines vollstreckbaren Titels. Die Pfändung des Auslieferungsanspruchs richtet sich nach den für die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte geltenden Vorschriften (§§  828 ff. ZPO) und ist durch Zustellung eines Pfändungsbeschlusses an den kontoführenden Verwahrer als Drittschuldner zu bewirken (§  829 ZPO). Mit der Pfändung erläßt das Vollstrekkungsgericht in aller Regel zugleich die Anordnung, wie das Recht zu verwerten ist1019. Insoweit stellen sich die gleichen Probleme wie bei der Einziehung gemäß 1015 Vgl.

Wust, Verbuchung, S.  206. Nach Angaben von Hellner, in: Festschrift für Heinsius, S.  211, 251 lassen die Depotbanken sich das Recht zur Pfandverwertung unmittelbar aus dem Deckungsbestand in der Regel bereits bei der Pfandrechtsbestellung einräumen. 1017  Das folgt aus §§  1277 Satz  2 , 1245 Abs.  2 , 1235 Abs.  2 , 1221 BGB; siehe MünchKomm-BGB/ Damrau, §  1284 Rn.  1; Brünink, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher (Hrsg.), Kreditsicherung, §  12 Rn.  129. 1018  So im wesentlichen auch schon Wust, Verbuchung, S.  207 f., der für eine analoge Anwendung plädiert. 1019 MünchKomm-BGB/Damrau, §  1277 Rn.  4. 1016 

§  9  Verwahrung in Wertpapierrechnung

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§  1282 BGB: Eine Verwertung des Auslieferungsanspruchs gemäß §  847 ZPO wird häufig daran scheitern, daß die „Herausgabe“ von Wertpapieren an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher von vornherein nicht in Betracht kommt oder jedenfalls viel zu aufwendig und umständlich wäre. Da die Einziehung des Auslieferungsanspruchs daher in aller Regel „mit Schwierigkeiten verbunden“ ist, sollte das Vollstreckungsgericht gemäß §  844 ZPO eine andere Art der Verwertung anordnen dürfen, und zwar den freihändigen Verkauf der Buchposition bzw. der ausländischen Effekten selbst1020.

6.  Pfändung von Depotwerten Da im WR-Konzept Auslieferungsansprüche des Depotinhabers immer nur gegenüber dem kontoführenden Verwahrer bestehen, können sie auch nur bei ihm gemäß §§  828 ff. ZPO gepfändet werden. Insbesondere ist es einem Gläubiger nicht möglich, mit einem gegen den Depotinhaber erwirkten Titel in den vom kontoführenden Verwahrer im eigenen Namen gehaltenen Deckungsbestand zu vollstrecken. Das international geächtete upper tier attachment, der Vollzug einer Vollstreckungsmaßnahme bei einer dem kontoführenden Verwahrer übergeordneten Depotstelle, ist im WR-Konzept per se ausgeschlossen1021.

IV. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß das vom Depotgesetz vernachlässigte Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung immer noch in einigen wesentlichen Punkten umstritten ist. Nicht abschließend geklärt sind zum Beispiel die Rechtsnatur der WR-Gutschrift und der Inhalt des durch diese Gutschrift begründeten „Auslieferungsanspruchs“, vor allem aber die Frage, ob die im Kern schuldrechtliche Rechtsposition des Depotkunden als insolvenzsicher eingestuft werden kann. Zwar sprechen gute Gründe für die Annahme, daß man es auch beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren mit einer „echten“ Vollrechtstreuhand zu tun hat, so daß dem Depotkunden in der Insolvenz seines Verwahrers gemäß §  47 InsO ein sich auf die Deckungsmasse beziehendes Aussonderungsrecht zusteht. In Anbetracht der Rechtsprechung zu sog. „gemischten“ Eigen- und Treuhandkonten, zu deren ausdrücklicher Anerkennung der Bundesgerichtshof sich noch nicht durchgerungen hat, ist dieses Ergebnis jedoch nicht so eindeutig, wie vom depotrechtlichen Schrifttum häufig suggeriert wird. Hier ist nach wie vor ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit zu verzeichnen, das solange bestehen bleiben wird, wie nicht der Bundesgerichtshof 1020  1021 

Ausführlich und überzeugend Wust, Verbuchung, S.  206. Einsele, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 24.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

oder der Gesetzgeber ein klärendes Wort spricht. Ungeachtet dessen wird die Behauptung, die Position des Anlegers sei im Auslandsgeschäft „wesentlich schwächer“ als im inländischen Effektengiroverkehr1022 , dem Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung nicht gerecht. Denn obwohl sich die Position des Anlegers in diesem Konzept grundsätzlich auf schuldrechtliche Ansprüche gegen die Depotbank beschränkt, wird er nicht zuletzt dank der „Verdinglichung“ seiner Position im Ergebnis so gestellt, als ob er selbst Eigentümer der im Ausland lagernden Wertpapiere wäre.

1022 So

Lehmann, Finanzinstrumente, S.  57.

§  10  Internationales Privatrecht In einer Untersuchung, die der Frage gewidmet ist, ob und in welcher Hinsicht im deutschen Depotrecht Reformbedarf besteht, darf ein zumindest kurzer Blick auf das internationale Privatrecht der intermediärverwahrten Wertpapiere nicht fehlen. Denn das sachenrechtliche Modell der Girosammelverwahrung und des Effekten­ giroverkehrs wird nicht allein mit der Begründung kritisiert, es könne einen (ggf. gutgläubigen) Rechtserwerb nach den §§  929 ff. bzw. §§  1204 ff. BGB in Wahrheit nicht gewährleisten. Ihm wird auch vorgehalten, international inkompatibel zu sein, da sich die direkte Übertragung dinglicher Rechte an sammelverwahrten Wertpapieren kollisionsrechtlich nicht adäquat erfassen lasse1023. Kritisiert wird aber auch das deutsche internationale Privatrecht der intermediärverwahrten Wertpapiere selbst, genauer: die im Zuge der Umsetzung der Finalitätsrichtlinie in das DepotG eingefügte Kollisionsregel des §   17a, die von vielen als mißlungen empfunden wird1024 . Im folgenden sind zunächst die Grundlagen des Wertpapierkollisionsrechts darzustellen (unter I) und die unionsrechtlichen Vorgaben zu klären (unter II). Sodann ist zu untersuchen, was es mit der starken Kritik an §  17a DepotG im einzelnen auf sich hat (unter III).

I. Grundlagen Effektengeschäfte können in verschiedener Hinsicht einen grenzüberschreitenden Charakter aufweisen1025: Es möge etwa der Veräußerer, der Erwerber oder eines der in die Transaktion eingeschalteten Kreditinstitute seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, es möge ein inländisches Kreditinstitut im Auftrag eines Kunden an einer ausländischen Börse Aktien erwerben und dem Kunden darüber eine WR-Gutschrift erteilen, oder es möge ein Clearstream-Teilnehmer an einen anderen Teilnehmer im Ausland deponierte Wertpapiere verpfänden, die über eine gegenseitige Kontoverbindung i. S. von §  5 Abs.  4 DepotG in die inländische Giro1023 

Einsele, WM 2001, 7, 16; Wust, Verbuchung, S.  411 f. im Tenor übereinstimmend MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  200; dies., WM 2001, 2415, 2421 ff.; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  498; Saager, Effektengiroverkehr, S.  145; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 720. 1025 Vgl. Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  21. 1024  So

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

sammelverwahrung einbezogen sind. Welcher Rechtsordnung die verschiedenen schuldrechtlichen Beziehungen im Rahmen des Effektenhandels und der Effektenverwahrung (Kommissionsverhältnis zwischen Anleger und Bank, Ausführungsgeschäft zwischen den Handelsteilnehmern usw.) unterliegen, kann im folgenden außer Betracht bleiben. Von Interesse sind allein jene Kollisionsnormen, welche die dinglichen Aspekte des Effektengiroverkehrs betreffen, also darüber entscheiden, nach welcher Rechtsordnung sich Verfügungen über intermediärverwahrte Wertpapiere richten. Insoweit ist zunächst zwischen dem Wertpapierrechtsstatut und dem Wertpapiersachstatut zu differenzieren (unter 1 und 2). Da man es im Bereich der intermediärverwahrten Wertpapiere nicht immer mit sachenrechtlichen, sondern häufig auch mit im Kern schuldrechtlichen Berechtigungsformen zu tun hat, spielen hier außerdem das Schuldvertragsstatut sowie das Forderungsstatut eine Rolle (unter 3 und 4). Schließlich ist noch auf das Insolvenzstatut einzugehen, das die anderen, für den „normalen“ Geschäftsverkehr relevanten Statute überlagern kann (unter 5).

1. Wertpapierrechtsstatut Das Wertpapierrechtsstatut (auch: Hauptstatut) ist maßgebend für alle Fragen, die das in der Urkunde verbriefte Recht betreffen. Es entscheidet über die Entstehung, den Inhalt und den Untergang des verbrieften Rechts, die Notwendigkeit einer Verbriefung sowie darüber, ob die ausgestellte Urkunde überhaupt ein Wertpapier (oder ein bloßes Beweisdokument) darstellt und um welche Art von Wertpapier (Inhaber-, Order- oder Rektapapier) es sich handelt. Nach dem Wertpapierrechtsstatut bestimmen sich ferner die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Übertragung des Rechts. Nach ihm richtet sich zum Beispiel, ob das verbriefte Recht durch Übereignung des Papiers übertragen werden kann und ob der Rechtserwerb von weiteren Voraussetzungen wie z. B. der Eintragung in ein Register abhängt. Ob das Recht „aus dem Papier“ dem Recht „an dem Papier“ folgt, ist also eine Frage des Wertpapierrechtstatuts1026. Somit ist dieses Statut – und nicht das Wertpapiersachstatut – maßgebend dafür, welche Bedeutung der Urkunde im Rechtsverkehr für das verbriefte Recht zukommt1027. Das Wertpapierrechtsstatut ist das Statut des verbrieften Rechts. Je nachdem, ob die Urkunde die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft (Aktie) oder eine Forderung (Schuldverschreibung) verkörpert, ist Wertpapierrechtsstatut folglich das Gesellschaftsstatut bzw. das Schuldstatut1028.

1026 

Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  715; Lorenz, NJW 1995, 176, 177. Saager, Effektengiroverkehr, S.  109; Wust, Verbuchung, S.  258. 1028 MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  194; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  703 ff. 1027 

§  10  Internationales Privatrecht

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2. Wertpapiersachstatut Dem Wertpapiersachstatut unterliegen alle Rechtsfragen, welche die dinglichen Rechtsverhältnisse am Papier betreffen, unabhängig davon, ob es um rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Tatbestände geht1029. Es entscheidet darüber, nach welchen Regeln sich die Übertragung oder Verpfändung des Papiers vollzieht, sowie über sämtliche dinglichen Rechte und Pflichten, die sich aus dem Erwerb oder Verlust des Eigen­tums oder eines beschränkten dinglichen Rechts am Papier ergeben. Insbesondere ist das Wertpapiersachstatut maßgebend für die Voraussetzungen, den Rang und die Verwertung von Pfandrechten an Wertpapieren sowie die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten. Es beantwortet auch die Frage, ob eine dingliche Verfügung abstrakt oder kausal ist. Nach dem Wertpapiersachstatut ist ferner zu beurteilen, ob ein (ggf. mehrfach gestufter) mittelbarer Besitz an der Urkunde möglich ist1030 und welche Wirkungen dem Besitz zukommen, ob also z. B. zugun­ sten des Besitzers eine Eigentumsvermutung spricht1031. Bei Inhaber- und blankoindossierten Orderpapieren ist der Bezug zum Wertpapiersachstatut eng, da das verbriefte Recht durch Übereignung der Urkunde nach Maßgabe dieses Statuts übertragen wird. Wie bereits erwähnt, ist das Wertpapiersachstatut, was die Rechtsübertragung durch Übereignung angeht, allerdings nur kraft Verweisung des Hauptstatuts berufen. Es lebt insoweit von der „Gnade“ des Hauptstatuts, das die Verknüpfung des Rechts aus dem Papier mit dem Recht am Papier grundsätzlich jederzeit wieder lösen kann1032 . Wertpapiersachstatut ist nach der traditionellen lex rei sitae (bei Wertpapieren auch: lex cartae sitae) die Rechtsordnung des Staates, in dem sich das Wertpapier zum Zeitpunkt der Vollendung des fraglichen Tatbestandes tatsächlich befindet. Die Situs-Regel zählt, jedenfalls was Rechte an Grundstücken betrifft, zu den ältesten Kollisionsregeln überhaupt und ist in einer Vielzahl von Ländern seit langem anerkannt1033. Vom Bundesgerichtshof wurde ihr gewohnheitsrechtlicher Rang beigemessen1034, bevor sie 1999 in Art.  43 EGBGB gesetzlich verankert wurde1035. Von einer gesonderten Regelung des Wertpapiersachstatuts hat der Gesetzgeber seinerzeit Abstand genommen, weil er dafür kein Bedürfnis gesehen hat1036. Angesichts der verschiedenen internationalen Harmonisierungsinitiativen auf dem Gebiet des Wertpapierrechts wäre eine solche Regelung auch voreilig gewesen1037. Für die An1029 MünchKomm-BGB/Wendehorst,

Art.  43 EGBGB Rn.  195. Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  698 f. 1031  Vgl. BGH, NJW 1994, 939, 940 und dazu Lorenz, NJW 1995, 176, 177. 1032 Staudinger/Mansel (2015), Anh. zu Art.  43 EGBGB Rn.  35. 1033 Staudinger/Mansel (2015), Art.  43 EGBGB Rn.  9 0; v. Bar/Mankowski, IPR I, §  7 Rn.  4 2. 1034  BGHZ 39, 173, 174; 100, 321, 324. 1035  Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21. Mai 1999, BGBl. I, S.  1026; ausführlich zur Kodifikation des internationalen Sachenrechts Pfeiffer, IPrax 2000, 270 ff. 1036  RegBegr. in BT-Drucks. 14/343, S.  14 f. 1037  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  33. Siehe auch die Einschätzung von Kreuzer, in: Henrich 1030 

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knüpfung des Sachstatuts an den Lageort wird in erster Linie der Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes angeführt: Der Lageort einer Sache sei meistens bekannt oder zumindest leicht zu ermitteln. Bei Geltung der lex rei sitae könne sich jedermann darauf verlassen, daß über die Sache nur nach Maßgabe des Lageortsrechts verfügt werden kann und der inländische Rechtsverkehr nicht mit Belastungen einer Sache konfrontiert wird, die dem inländischen Recht unbekannt sind. Die Geltung des Lageortsrechts entspreche auch den Erwartungen der Beteiligten. Die internationale Verbreitung des Grundsatzes sichere überdies den internationalen Entscheidungseinklang und damit die Anerkennung ausländischer Urteile im Belegenheitsstaat1038. Aus diesem Schutzzweck der lex rei sitae, deren Funktion nicht von ungefähr mit der des Publizitätsprinzips im materiellen Sachenrecht verglichen wird1039, wird überwiegend gefolgert, daß eine abweichende Rechtswahl nicht zulässig ist1040. Ob und inwiefern dieser strikte Ausschluß von Parteiautonomie, der bei Grundstücken seine Berechtigung haben mag, auch bei beweglichen Sachen gerechtfertigt ist, braucht hier nicht diskutiert zu werden1041. An dieser Stelle ist lediglich daran zu erinnern, daß und aus welchen Gründen eine uneingeschränkte Anwendung der lex rei sitae im Bereich der mediatisierten Wertpapierverwahrung nicht in Betracht kommt1042: Erstens bezeichnet der Lageort der Urkunden keineswegs immer jene Rechtsordnung, die mit dem Sachverhalt am engsten verbunden ist; man denke etwa an den Fall, daß eine deutsche Bank an eine andere deutsche Bank italienische Wertpapiere verpfändet, die über eine gegenseitige Kontoverbindung mit dem italienischen Zentralverwahrer in die inländische Girosammelverwahrung einbezogen sind. Zweitens läßt sich für die mediatisierte Wertpapierverwahrung gerade nicht behaupten, daß der Lageort der Urkunden bekannt oder zumindest leicht zu ermitteln ist. Das gilt vor allem bei grenzüberschreitenden Verwahrketten. Drittens werden über viele Emissionen gar keine Wertpapiere mehr ausgestellt und statt dessen unverbriefte (Wert-)Rechte in die Effektengirosysteme eingebracht, die streng genommen keinen „Situs“ haben. Viertens wird die Situs-Regel, obgleich weltweit verbreitet, keineswegs einheitlich angewendet. Und fünftens vermag die lex rei sitae vor allem dort keine Rechtssicherheit zu gewährleisten, wo es um Verfügungen über sog. heterogene Depots geht, die sich aus einer Vielzahl von Werten womöglich aus der ganzen Welt zusammensetzen. Bei Anwendung dieses Grundsatzes müßten die Parteien zunächst den Belegenheitsort der einzelnen Wertpapiere ermitteln und dann (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Sachen- und Immaterialgüterrechts, 37, 50 f. 1038 MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.   43 EGBGB Rn.  4; von Hoffmann/Thorn, IPR, §  12 Rn.  9 (S.  513). 1039  Kropholler, IPR, S.  520. 1040  BGH, NJW 1997, 461, 462; Palandt/Thorn, Art.  43 EGBGB, Rn.  2; v. Bar, IPR II, §  7 Rn.  752; von Hoffmann/Thorn, IPR, §  12 Rn.  10. 1041  Bestritten wird das etwa von Kropholler, IPR, S.  558 f. und Flessner, in: Festschrift für Koziol, S.  125, 132 ff. 1042  Ausführlich dazu bereits oben §  5 II 5 b) bb).

§  10  Internationales Privatrecht

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die sachrechtlichen Voraussetzungen aller betroffenen Rechtsordnungen erfüllen. Das wird vielmals praktisch unmöglich sein, jedenfalls aber das betreffende Geschäft mit unzumutbar hohen Kosten und Risiken belasten.

3. Schuldvertragsstatut Für schuldrechtliche Berechtigungsformen an Wertpapieren, die durch vertragliche Ansprüche des Depotinhabers gegen den kontoführenden Verwahrer gekennzeichnet sind, ist, soweit es um die Begründung, den Inhalt und das Erlöschen der Berechtigung geht, das Schuldvertragsstatut maßgeblich. Die Rechtsposition des Empfängers einer WR-Gutschrift unterliegt somit dem Recht, dem auch der Depotvertrag und die Treuhandabrede unterliegen1043. Das Schuldvertragsstatut bestimmt sich für Verträge, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen werden, nach den Art.  3 ff. Rom I-VO1044 . Für Verträge, die vor diesem Stichtag geschlossen wurden, gelten die Anknüpfungsregeln der Art.  27 ff. EGBGB a. F. fort. Nach Art.  3 Abs.  1 Rom I-VO (Art.  27 Abs.  1 EGBGB a. F.) besteht im Rahmen des Schuldvertragsstatuts grundsätzlich Rechtswahlfreiheit. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der deutschen Kreditinstitute und der Clearstream Banking AG sehen die Geltung deutschen Rechts vor1045. Zur Anwendung deutschen Rechts gelangte man für die Verwahrung in Wertpapierrechnung aber auch dann, wenn es an einer entsprechenden Rechtswahlvereinbarung fehlte. Denn „die für den Vertrag charakteristische Leistung“, auf die es in diesem Fall nach der objektiven Anknüpfungsregel des Art.  4 Abs.  2 Rom I-VO (Art.  28 Abs.  2 EGBGB a. F.) ankäme, ist in dem jeweiligen Treuhandverhältnis vom inländischen Kreditinstitut bzw. der Clearstream Banking AG und nicht vom Depotkunden zu erbringen1046. An der Maßgeblichkeit des Schuldvertragsstatuts ändert auch der Umstand nichts, daß der Rechtsposition des Kunden aus der WR-Gutschrift ein quasi-dinglicher Insolvenz- und Vollstreckungsschutz zukommt. Dieser Schutz resultiert nämlich aus der Treuhandabrede mit dem Verwahrer und nicht aus der lex rei sitae1047. Dem Schuldvertragsstatut unterliegt auch der Treuhandgiroverkehr unter Vermittlung der Clearstream Banking AG. Denn die Umbuchung von WR-Guthaben ist rechtlich nicht als Forderungsübertragung zu deuten – zu derartigen Fällen sogleich unter 4 –, sondern als sukzessive Aufhebung bzw. Neubegründung von Ansprüchen gegen den jeweiligen Intermediär1048.

1043 

Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  742; Wust, Verbuchung, S.  262. (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. EU Nr. L 177 vom 4. Juli 2008, S.  6. 1045  Nr.  6 Abs.  1 AGB-Banken, Nr.  6 Abs.  1 AGB-Sparkassen bzw. Ziffer VII Abs.  1 AGB-CBF. 1046  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  434. 1047  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  433 f.; Wust, Verbuchung, S.  263. 1048  Ege, Kollisionsrecht, S.  52. 1044  Verordnung

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

4.  Zessions- und Zessionsgrundstatut Für die Abtretung einer Forderung war bislang gemäß Art.  33 Abs.  2 EGBGB a. F., der als Minus auch die Verpfändung regelte, das Zessionsstatut (auch: Forderungsstatut) maßgebend, also das Recht, dem die übertragene bzw. verpfändete Forderung unterliegt. Nach h. M. entschied das Forderungsstatut nicht nur über die in dieser Bestimmung genannten, das Verhältnis zum Schuldner betreffenden Teilfragen (Übertragbarkeit der Forderung, befreiende Wirkung einer Leistung durch den Schuldner usw.), sondern über sämtliche Aspekte des dinglichen Verfügungsgeschäfts, z. B. auch über das Rangverhältnis konkurrierender Abtretungen bzw. Verpfändungen1049. Ebenso wie der Treuhandgiroverkehr richtete sich folglich auch die Abtretung bzw. Verpfändung des schuldrechtlichen Anspruchs aus einer WR-Gutschrift nach deutschem Recht1050. Die Anknüpfung an das Forderungsstatut war zwingend, für eine abweichende Rechtswahl aus Gründen des Schuldnerschutzes kein Raum1051. Ob auch im Rahmen der Rom I-VO von der Maßgeblichkeit des Forderungsstatuts für das dingliche Verfügungsgeschäft insgesamt auszugehen ist, ist umstritten. Grund dafür ist der Wortlaut von Art.  14 Abs.  1 Rom I-VO. Er weicht von Art.  33 Abs.  1 EGBGB a. F. insofern ab, als das Zessionsgrundstatut, d. h. das Vertragsstatut, dem das Kausalgeschäft zwischen Zedent und Zessionar unterliegt, für das „Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar“ und nicht mehr bloß für deren „Verpflichtungen“ maßgebend sein soll. Nach Erwägungsgrund (38) der Verordnung sollte mit dem Begriff „Verhältnis“ klargestellt werden, daß Art.  14 Abs.  1 Rom I-VO „auch auf die dinglichen Aspekte des Vertrags zwischen Zedent und Zessionar anwendbar ist, wenn eine Rechtsordnung dingliche und schuldrechtliche Aspekte trennt“. Es wird denn auch die Ansicht vertreten, daß die in Deutschland bislang favorisierte selbständige Anknüpfung der Forderungsabtretung hinfällig geworden ist mit der Folge, daß die Parteien das auf die Abtretung anwendbare Recht grundsätzlich frei wählen können und nur hinsichtlich der in Art.  14 Abs.  2 Rom I-VO (Art.  33 Abs.  2 EGBGB a. F.) aufgeführten Fragen zwingend das Forderungsstatut zur Anwendung kommt1052 . Dementsprechend soll jetzt auch bei der Verpfändung einer WR-Gutschrift Rechtswahlfreiheit bestehen1053. Nach der Gegenansicht hat Art.  14 Abs.  1 Rom I-VO an der bisherigen Anknüpfung an das Forderungsstatut nichts geändert1054 .

1049  BGH, NJW 1999, 940; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  150 m. w. N. zum früheren Meinungsstand. 1050  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  4 42 f. 1051  v. Bar, IPR II, §  4 Rn.  566. 1052 MünchKomm-BGB/Martiny, Art.  14 Rom I-VO Rn.  24; Palandt/Thorn, Art.  14 Rom I-VO Rn.  3; Einsele, WM 2009, 289, 297 f.; Flessner, IPRax 2009, 35, 38. 1053  Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, §  9 Rn.  94; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  151 f. 1054  Mankowski, IHR 2008, 133, 150.

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5. Insolvenzstatut Schließlich ist im Bereich der mediatisierten Wertpapierverwahrung noch das Insolvenzstatut von Bedeutung. Das gilt besonders im Hinblick auf die Anerkennung, den Rang und die Verwertung von Sicherheiten, die sich Gläubiger des Insolvenzschuldners an dessen Depotwerten haben einräumen lassen. Insolvenzstatut ist nach europäischem wie nach autonomem deutschen Insolvenzkollisionsrecht grundsätzlich das Recht des Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird; die Maßgeblichkeit der lex fori concursus folgt aus Art.  7 Abs.  1 EuInsVO1055 bzw. §  335 InsO. Was die mediatisierte Wertpapierverwahrung betrifft, sind jedoch einige vorrangige Sonderanknüpfungen zu beachten. So ist in Art.  12 Abs.  1 EuInsVO festgelegt, daß für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechte und Pflichten der Mitglieder eines Zahlungs- oder Abwicklungssystems oder eines Finanzmarkts ausschließlich das Recht des Mitgliedstaates maßgebend ist, das für das betreffende System oder den betreffenden Markt gilt. Wie sich aus Erwägungsgrund (27) der Verordnung (in ihrer ursprünglichen Fassung) ergibt, soll mit dieser Sonderanknüpfung verhindert werden, daß im Fall der Insolvenz eines ausländischen Geschäftspartners die systembzw. marktspezifischen Mechanismen zur Abwicklung und Absicherung von Transaktionen ausgehebelt werden. Es soll das Risiko einer Kollision der betroffenen Rechtsordnungen ausgeschaltet werden, das bei Anwendung der lex fori concursus unweigerlich aufträte1056. Große Bedeutung kommt Art.  12 Abs.  1 EuInsVO allerdings nicht zu, denn der persönliche Anwendungsbereich der Verordnung ist begrenzt1057: Nach Art.  1 Abs.  2 gilt sie nicht für Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen, Kreditinstituten, Wertpapierfirmen und Organismen für gemeinsame Anlagen. Der Grund für diese Ausnahmen wurde nicht in der mangelnden Relevanz der grenzüberschreitenden Tätigkeit solcher Unternehmen gesehen, sondern im Gegenteil darin, daß sie wegen der erheblichen Auswirkungen von Insolvenzen in diesem Bereich und der teilweise weitreichenden Eingriffsbefugnisse der nationalen Aufsichtsbehörden spezieller Regelungen bedürfen1058. Solche gesonderten „sektoralen“ Regelungen gibt es denn auch längst. Sie finden sich z.  B. in der Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten1059 sowie der Solvency II-Richtlinie1060. In diesen Rechtsakten wird das insol1055  Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl. EU Nr. L 141 vom 5. Juni 2015, S.  19. Die EuInsVO in ihrer ursprünglichen Fassung (Verordnung [EG] Nr.  1346/2000 vom 29. Mai 2000, ABl. Nr. L 160 vom 30. Juni 2000, S.  1) wurde mit Wirkung ab 26. Juni 2017 aufgehoben. 1056  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Anm.  120/121. 1057 Ausführlich dazu Hennrich, Aktienverpfändung, S.  146 f.; Kieper, Abwicklungssysteme, S.  175 ff.; jeweils m. w. N. Siehe ferner Ege, Kollisionsrecht, S.  80 f.; Ooi, Conflict of Laws, Rn.  12.112. 1058  Siehe Erwägungsgrund (9) der ursprünglichen Fassung, Erwägungsgrund (19) der Neufassung sowie Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Anm.  120. 1059  Art.  24 und 31 der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. Nr. L 125 vom 5. Mai 2001, S.  15.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

venzrechtliche Universalitätsprinzip, demzufolge sich die Wirkungen eines inländischen Insolvenzverfahrens auf die ganze Welt erstrecken, etwas strenger durchgehalten als in der EUInsVO, wenn auch zum Schutz des Geschäftsverkehrs durch eine Reihe von Einzelausnahmen gelockert1061. Soweit es um die Teilnahme an Zahlungsund Wertpapierabwicklungssystemen geht, ist ferner die Finalitätsrichtlinie von 1998 zu beachten, deren Regelungen von denen der zuvor genannten Richtlinien unberührt bleiben1062 . Das gilt nicht zuletzt für Art.  8, demzufolge im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer eines Systems die Rechte und Pflichten, die sich aus der Teilnahme des betreffenden Teilnehmers an diesem System oder in Verbindung damit ergeben, durch das für das System maßgebliche Recht bestimmt werden. Diese Anknüpfungsregel bedarf der Präzisierung, denn aus ihr geht nicht eindeutig hervor, ob die gesamte Rechtsordnung, der das System unterliegt, oder nur das Insolvenzrecht dieser Rechtsordnung zur Anwendung berufen wird1063. Klarheit schafft Erwägungsgrund (17): Die Richtlinie soll festlegen, welches Insolvenzrecht für die Rechte und Pflichten des betreffenden Teilnehmers maßgeblich ist. Art.  8 FinalitätsRL besagt und bezweckt somit das gleiche wie der etwas jüngere Art.  9 Abs.  1 EuInsVO a. F. (nunmehr: Art.  12 Abs.  1), dem er denn auch als Regelungsvorbild diente. Er hat aber einen viel weiteren Anwendungsbereich als dieser insofern, als er sich auf alle Arten von Systemteilnehmern und damit gerade auch auf den Fall erstreckt, daß ein an ein System angebundenes (ausländisches) Kreditinstitut oder Wertpapierunternehmen in Insolvenz fällt. Seine Bedeutung ist daher um ein Vielfaches höher als die von Art.  9 Abs.  1 EuInsVO a. F. (= Art.  12 Abs.  1 n. F.). Art.  8 FinalitätsRL wurde durch Art.  102 Abs.  4 EGInsO a. F. in deutsches Recht umgesetzt. Im Zuge der Schaffung eines deutschen autonomen internationalen Insolvenzrechts1064 wurde diese – zwischenzeitlich leicht umformulierte – Bestimmung nach §  340 Abs.  3 InsO überführt. Die ersten beiden Absätze von §  340 InsO enthalten, in Umsetzung der Vorgaben der beiden Sanierungs- und Liquidationsrichtlinien, ebenfalls von der lex fori concursus abweichende Sonderanknüpfungen für Geschäfte auf organisierten Märkten i. S. von §  2 Abs.  11 WpHG, Pensionsgeschäfte i. S. von §  340b HGB und Netting-Vereinbarungen1065. 1060  Art.  291 lit. c) der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. EU Nr. L 335 vom 17. Dezember 2009, S.  1. Vorgängerregelung war Art.  25 lit. c) der Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, ABl. Nr. L 100 vom 20. April 2001, S.  28. 1061  Siehe den Überblick bei Keller, BKR 2002, 347, 349 ff. 1062  Keller, BKR 2002, 347, 351 unter Hinweis auf Erwägungsgrund (26) der Richtlinie 2001/24/ EG. 1063  Ege, Kollisionsrecht, S.  78. 1064  Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14. März 2003, BGBl. I, S.  345. 1065  RegBegr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 23. Oktober 2002, BT-Drucks. 15/16, S.  19 f.

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II.  Unionsrechtliche Vorgaben Auch die hier vor allem interessierende Kollisionsregel des §  17a DepotG geht auf die Finalitätsrichtlinie zurück, und zwar auf deren Art.  9 Abs.  2.

1.  Art.  9 Abs.  2 Finalitätsrichtlinie a) Überblick In Art.  9 Abs.  2 der Finalitätsrichtlinie1066, auf deren Zweck und wesentlichen Inhalt hier nicht abermals eingegangen zu werden braucht1067, hat das europäische Recht erstmals die Konsequenz aus der Erkenntnis gezogen, daß die lex rei sitae im Bereich der mediatisierten Wertpapierverwahrung kein brauchbares Anknüpfungskriterium darstellt. In der Überzeugung, daß der „richtige“ Belegenheitsort zentralverwahrter Wertpapiere vielmehr dort zu finden ist, wo die (Sicherungs-)Rechte an den Wertpapieren letztlich zugunsten des Erwerbers verbucht werden, wurde in die Richtlinie eine alternative Anknüpfungsregel aufgenommen, die sich als Ausprägung des PRIMA-Ansatzes (Place of the Relevant Intermediary Approach) verstehen läßt1068. In seiner aktuellen Fassung lautet Art.  9 Abs.  2 wie folgt: „Wird Teilnehmern, Systembetreibern oder Zentralbanken der Mitgliedstaaten oder der Europäischen Zentralbank eine dingliche Sicherheit in Form von Wertpapieren, einschließlich Rechten an Wertpapieren, gemäß Absatz 1 geleistet und ist deren Recht an diesen Wertpapieren, das auch durch einen etwaigen Bevollmächtigten, Beauftragten oder sonstigen Dritten in ihrem Namen ausgeübt werden kann, mit rechtsbegründender Wirkung in einem Register eingetragen oder auf einem Konto oder bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht, das sich in einem Mitgliedstaat befindet, so bestimmen sich die Rechte dieser natürlichen oder juristischen Personen als dinglich gesicherte Gläubiger an diesen Wertpapieren nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats.“

b) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist in mehrfacher Hinsicht beschränkt: aa)  Persönlicher Anwendungsbereich In persönlicher Hinsicht umfaßt sie ausschließlich die Parteien systembezogener Sicherungsgeschäfte1069. Der Sicherungsnehmer muß Systemteilnehmer i. S. von Art.  2 lit.  f ), der Systembetreiber, Zentralbank eines Mitgliedstaats oder die Europäische 1066  Für eine ausführliche Darstellung und Analyse dieser Regelung siehe Born, Kollisionsrecht, S.  87 ff.; Ege, Kollisionsrecht, S.  63 ff.; Wust, Verbuchung, S.  280 ff. 1067  Dazu bereits oben §  4 IV 5. 1068 Insoweit unumstritten, siehe MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.   43 EGBGB Rn.  226; Wust, Verbuchung, S.  280. 1069  Ege, Kollisionsrecht, S.  65.

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Zentralbank sein. Indirekte Teilnehmer, die lediglich unter Vermittlung eines direkten Teilnehmers Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträge in das System einbringen können, sind vom Anwendungsbereich der Richtlinie grundsätzlich ausgenommen. Gemäß Art.  2 lit.  f ) kann ein Mitgliedstaat jedoch entscheiden, daß ein indirekter Teilnehmer für die Zwecke der Richtlinie als Teilnehmer zu betrachten ist, wenn dies unter dem Gesichtspunkt des Systemrisikos gerechtfertigt ist. Auch der Sicherungsgeber muß Systemteilnehmer sein. Das ergibt sich aus einer Zusammenschau von Art.  9 Abs.  1 erster Spiegelstrich, Art.  2 lit.  m) und Erwägungsgrund (9). Sie zeigt, daß die Richtlinie nur solche Sicherheiten erfaßt, die von einem Teilnehmer zur Absicherung seiner im Rahmen des Systems entstandenen Verpflichtungen geleistet werden1070. Da Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL sich somit von vornherein nicht auf Sicherheiten erstreckt, die in keinem Zusammenhang mit der Teilnahme an einem System stehen1071, hat er rechtspolitische Kritik auf sich gezogen1072 . bb)  Sachlicher Anwendungsbereich Eine wesentliche Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs von Art.  9 Abs.  2 ergibt sich zunächst daraus, daß diese Anknüpfungsregel nur dingliche Sicherheiten an Wertpapieren bzw. Rechten an Wertpapieren erfaßt. Unter „Wertpapieren“ sind gemäß Art.  2 lit.  h) alle in Anhang I Abschnitt C der MiFID genannten Fi­nanz­ instrumente zu verstehen. Der in Art.  2 lit.  m) definierte Begriff „dingliche Sicherheit“ umfaßt sowohl beschränkte dingliche Sicherungsrechte (insbesondere Pfand­rechte) als auch Sicherheiten in Form der Vollrechtsübertragung, wie sie etwa im Rahmen von Wertpapierpensionsgeschäften gestellt zu werden pflegen. Vollrechtsübertragungen, die der Erfüllung von Wertpapierverkäufen dienen, also gerade nicht zu Sicherungszwecken vorgenommen werden, sind von Art.  9 Abs.  2 nicht erfaßt. Ohne weiteres nachvollziehbar ist diese Beschränkung nicht, wenn man bedenkt, daß ab­ wicklungs­technisch kein Unterschied zwischen Vollrechtsübertragungen mit und ohne Sicherungszweck besteht und daß auch bei der Erfüllung von Wertpapierverkäufen systemische Risiken drohen1073. Es ist denn auch kein Zufall, daß während des Gesetzgebungsverfahrens heftig um die Reichweite von Art.  9 Abs.  2 gerungen wurde1074 und daß die Kommission, nachdem sie zunächst einer eng am Wortlaut haftenden Interpretation den Vorzug zu geben schien, den Mitgliedstaaten unter Hinweis auf den Sinn und Zweck der Richtlinie eine weite Umsetzung empfahl1075. Eine weitere wesentliche Beschränkung des Anwendungsbereichs scheint sich daraus zu ergeben, daß Art.  9 Abs.  2 nur dingliche Sicherheiten erfaßt, die „mit rechts1070 

Ege, Kollisionsrecht, S.  67. Irreführend daher das Beispiel bei MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  227. 1072  Keller, WM 2000, 1269, 1274; Schefold, IPRaX 2000, 468, 473; ders., in: Festschrift für Kümpel, S.  463, 467. 1073  Zu Recht kritisch Ege, Kollisionsrecht, S.  68. 1074  Haag/Peters/Schneider, in: Vereecken/Nijenhuis (Hrsg.), Settlement Finality, S.  209, 238. 1075  Keller, WM 2000, 1269, 1274 m. Fn.  41. 1071 

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begründender Wirkung“ in einem Register eingetragen oder auf einem Konto oder bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht sind. Allerdings ist das Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ nicht wörtlich zu nehmen. Nach Erwägungsgrund (2) besteht das Ziel der Finalitätsrichtlinie darin, „das mit der Teilnahme an Wertpapierliefer- und abrechnungssystemen verbundene Risiko zu vermindern“. In Anbetracht dieses Ziels und eingedenk der Verschiedenartigkeit der Verwahrungskonzepte in den einzelnen Mitgliedstaaten wäre es ein merkwürdiges Ergebnis, hinge die Reichweite von Art.  9 Abs.  2 maßgeblich davon ab, ob einer Kontobuchung – der Begriff ist weit zu verstehen und umfaßt sowohl Depotgutschriften als auch Sperrvermerke1076 – im juristisch-technischen Sinne konstitutive oder lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt1077. Im Gegenteil muß man, um der Richtlinie zu größtmöglicher Wirksamkeit zu verhelfen, das Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ funktional verstehen und es genügen lassen, wenn eine Buchung im Rahmen des Rechtserwerbs zumindest faktisch eine die physische Übergabe von Urkunden ersetzende Funktion erfüllt1078. Für diese Auslegung spricht auch Erwägungsgrund (19) der Richtlinie, demzufolge Art.  9 Abs.  2 nur für ein Register, Konto oder zentrales Verwahrsystem gelten soll, welches das Eigentum an den betreffenden Wertpapieren bzw. das Recht auf Lieferung oder Übertragung der Wertpapiere „belegt“. Für eine weite Interpretation des Merkmals der „rechtsbegründenden Wirkung“ streiten überdies die anderen Sprachfassungen von Art.  9 Abs.  2. So lautet der entsprechende Passus in der englischen Fassung der Richtlinie: „(…) is legally recorded on a register, account or centralised deposit system (…)“. In der französischen Version heißt es: „(…) est inscrit légalement dans un registre, un compteau auprès d’un système de dépôt cen­ tralisé (…)“. Vor diesem Hintergrund bestehen Zweifel, ob Art.  9 Abs.  2 präzise ins Deutsche übersetzt worden ist1079. Daß eine Wortlautauslegung, die sich ausschließlich an der deutschsprachigen Fassung des europäischen Rechtsakts orientiert und einen vergewissernden Seitenblick auf die fremdsprachigen Fassungen unterläßt, zu erheblichen Verwirrungen führen kann, ist auch aus anderen Zusammenhängen bekannt1080. Nur bei einem funktionalen Verständnis von Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL 1076 

Vgl. (mit Bezug auf §  17a DepotG) Hennrich, Aktienverpfändung, S.  176. eine weite Auslegung denn auch MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  225; Born, Kollisionsrecht, S.  93 ff.; Ege, Kollisionsrecht, S.  75 f.; Franz, Überregionale Effektentransaktionen, S.  102 ff.; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  164 f.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  816 f.; Wust, Verbuchung, S.  321 ff.; Haag/Peters/Schneider, in: Vereecken/Nijenhuis (Hrsg.), Settle­ment Finality, S.  209, 240 f.; unentschieden Than, in: Festschrift für Kümpel, S.  543, 552. Daß Art.  9 Abs.  2 aus sich heraus und nicht unter Berücksichtigung der sachrechtlichen Besonderheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten auszulegen ist, wird verkannt von Einsele, WM 2001, 7, 15 f. 1078  Wust, Verbuchung, S.  324. 1079  Wust, Verbuchung, S.  322. 1080 Siehe Fleischer, RabelsZ 75 (2011), 700, 713 unter Hinweis auf den Fall BGH, NZG 2008, 300 (DaimlerChrysler/Schrempp), in dem sich der BGH in bezug auf die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität von zukunftsbezogenen Umständen mit der Auslegung des Merkmals der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ in Art.  1 Abs.  1 der Durchführungsrichtlinie zur Marktmißbrauchsrichtlinie (RL 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003, ABl. Nr. L 339 vom 24. Dezember 2003, 1077 Für

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wird im übrigen deutlich, worin die eigentliche Bedeutung des Merkmals der „rechtsbegründenden Wirkung“ liegt: Es dient der Klarstellung, daß Bucheinträge ohne übergabeersetzende Funktion – ein Beispiel sind Eintragungen in das Aktienregister gemäß §  67 AktG – nicht von der Richtlinie erfaßt sind1081. Umstritten ist schließlich, ob Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL nur im Insolvenzfall gilt oder es sich bei ihm um eine generell zur Anwendung gelangende Kollisionsregel handelt1082 . Die praktische Relevanz dieser Kontroverse dürfte sich in Grenzen halten, denn die Frage, welches Recht für die Anerkennung und Verwertbarkeit einer dinglichen Sicherheit maßgeblich ist, wird ja typischerweise nur und erst dann aktuell, wenn der Sicherungsgeber insolvent wird. Ungeachtet dessen sprechen die überzeugenderen Gründe für eine weite Auslegung der Bestimmung. Die Überschrift von Abschnitt IV der Richtlinie („Schutz der Rechte der dinglich gesicherten Gläubiger vor den Auswirkungen einer Insolvenz des Sicherheitsleistenden“), dessen einzige Vorschrift Art.  9 bildet, scheint zwar für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf den Insolvenzfall zu sprechen. Sie bezieht sich aber in erster Linie auf die materiellrechtliche Regelung des Art.  9 Abs.  1 und allenfalls in zweiter Linie auf Art.  9 Abs.  2. Das gilt auch und erst recht für Erwägungsgrund (18) der Richtlinie, demzufolge bei Insolvenz eines Teilnehmers die von ihm geleisteten dinglichen Sicherheiten von der Anwendung des Insolvenzrechts auf den insolventen Teilnehmer nicht berührt werden sollten. Demgegenüber ist in Erwägungsgrund (20), der sich eindeutig auf Art.  9 Abs.  2 bezieht, von einer Beschränkung des Anwendungsbereichs auf den Insolvenzfall nicht die Rede. Für eine weite Auslegung spricht außerdem das Ziel der Finalitätsrichtlinie, systemische Risiken zu verringern. Es erfordert, daß auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens Klarheit darüber besteht, nach welchem Recht sich die Anerkennung und Verwertbarkeit einer Sicherheit bestimmt1083. Der deutsche Gesetzgeber hat denn auch bei der Umsetzung von Art.  9 Abs.  2 in §  17a DepotG von einer Beschränkung auf den Insolvenzfall abgesehen1084 . c) Anknüpfungsmoment Gemäß Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL bestimmen sich die Rechte des Sicherungsnehmers nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Sicherungsrecht mit rechtsbegrünS.  70) auseinandergesetzt hat, ohne zu berücksichtigen, daß die anderen Sprachfassungen der Richtlinie das Wort „Wahrscheinlichkeit“ gar nicht verwenden. Allgemein zum Problem der Sprachenvielfalt in der EU Koch, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2009, S.  51 ff. 1081  Wust, Verbuchung, S.  323 f. 1082  Für eine Beschränkung auf den Insolvenzfall Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  58; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  162 f.; Schefold, IPRax 2000, 468, 472 f.; etwas zurückhaltender ders., in: Festschrift für Kümpel, S.  463, 468; a. A. Born, Kollisionsrecht, S.  103 f.; Ege, Kollisionsrecht, S.  70 f.; Franz, Überregionale Effektentransaktionen, S.  118 f.; wohl auch Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 716 f.; unentschieden Wust, Verbuchung, S.  287. 1083 Überzeugend Ege, Kollisionsrecht, S.  70 f. 1084  RegBegr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 14/1539, S.  16.

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dender Wirkung in einem Register eingetragen oder auf einem Konto oder bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht ist. Mit diesen verschiedenen Anknüpfungsalternativen, die sich unschwer als Ausprägungen des PRIMA-Ansatzes interpretieren lassen1085, trägt die Richtlinie der Tatsache Rechnung, daß es auf der einen Seite Abwicklungssysteme gibt, in denen der Erwerb eines Vollrechts oder beschränkten dinglichen Rechts auch mit Wirkung gegenüber Dritten die Eintragung in ein besonderes Register voraussetzt – ein Beispiel ist das englische System CREST –, und auf der anderen Seite Systeme wie die Plattform CASCADE der Clearstream Banking AG, in denen der Rechtserwerb ausschließlich durch Depotbuchungen vollzogen oder dokumentiert wird. Vor diesem Hintergrund kommt der Differenzierung zwischen Buchungen auf Konten und Buchungen in einem zentralen Verwahrsystem keine nennenswerte Bedeutung zu1086. Aus Art.  9 Abs.  2 geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, daß als maßgeblich immer das Konto bei demjenigen Intermediär anzusehen ist, der die Buchung unmittelbar zugunsten des Sicherungsnehmers vornimmt. Denn nur durch dieses Konto wird das Recht des Sicherungsnehmers „belegt“1087. Es ist daher keineswegs so, daß Art.  9 Abs.  2 zwangsläufig und generell zum Intermediär des Sicherungsnehmers führt. Vielmehr wird in einer Vielzahl von Fällen das Konto des Sicherungsgebers maßgeblich sein. So sei daran erinnert, daß bei der Verpfändung von Aktien in aller Regel auf eine Umbuchung auf ein Konto des Sicherungsnehmers verzichtet und statt dessen nur eine Eintragung auf dem Konto des Sicherungsgebers vorgenommen wird, etwa in Form eines Sperrvermerks1088. Leider fehlt in Art.  9 Abs.  2 ein Hinweis darauf, anhand welcher Kriterien der Ort der Registerbzw. Kontoführung zu bestimmen ist. Dafür wird die Bestimmung zu Recht kritisiert1089. In dem vorläufigen Entwurf einer europäischen Wertpapierrechtsrichtlinie von 2010 ist daher eine Kollisionsregel enthalten, die in diesem Punkt für mehr Rechtsklarheit sorgen soll1090. Dieser Entwurf ist von der Kommission jedoch nicht weiterverfolgt worden1091.

2.  Art.  9 Finanzsicherheitenrichtlinie a) Überblick §  17a DepotG geht zwar ursprünglich auf Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL zurück, ist aber auch an den Vorgaben von Art.  9 FinanzsicherheitenRL zu messen. Für eine geson1085 MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  226; zurückhaltend Ooi, Conflict of Laws, Rn.  12.81. 1086 Ausführlich Ege, Kollisionsrecht, S.  72 ff. 1087 MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  226; Born, Kollisionsrecht, S.  126. 1088  Hennrich, Aktienverpfändung, S.  167 f.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  819 f. 1089 MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  226; Ooi, Conflict of Laws, Rn.  12.14; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  820 f. 1090  EU Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Member States Working Group, Second Discussion Paper, 5. März 2010, S.  12 f. m. Fn.  18. 1091  Siehe dazu unten §  17 III.

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derte Umsetzung dieser ebenfalls auf „PRIMA“ beruhenden Kollisionsregel sah der deutsche Gesetzgeber keine Notwendigkeit, da §  17a DepotG den Anforderungen der 9 FinanzsicherheitenRL Finanzsicherheitenrichtlinie bereits entspreche1092 . Art.   trägt die amtliche Überschrift „Internationales Privatrecht“ und lautet wie folgt: „(1) Die in Absatz 2 genannten Regelungsgegenstände im Hinblick auf im Effektengiro übertragbare Wertpapiere unterliegen dem Recht des Landes, in dem das maßgebliche Konto geführt wird. Der Verweis auf das Recht eines Landes ist als Sachnormverweisung zu verstehen, d. h. es wird jegliche Vorschrift ausgeschlossen, die für die jeweilige Rechtsfrage auf das Recht eines anderen Staates verweist. (2) Die von Absatz 1 erfassten Regelungsgegenstände sind: a) Rechtsnatur und dingliche Wirkung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren; b) Anforderungen an eine in jeder Hinsicht wirksame Bestellung eines Sicherungsrechts an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren und die Besitzverschaffung an solchen Wertpapieren sowie generell die für die absolute Wirksamkeit der Bestellung und Besitzverschaffung erforderlichen Rechtshandlungen; c) die Frage, ob das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren durch das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte eines Dritten verdrängt werden oder diesem gegenüber nachrangig sind oder ein gutgläubiger Erwerb eingetreten ist; d) Schritte, die zur Verwertung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren nach Eintritt des Verwertungs- bzw. Beendingungsfalls erforderlich sind.“

b) Anwendungsbereich aa)  Persönlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich von Art.  9 wird durch den Anwendungsbereich der Finanzsicherheitenrichtlinie im ganzen bestimmt und geht damit deutlich über den von Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL hinaus. Die Finanzsicherheitenrichtlinie enthält, grob gesprochen, gemeinschaftsweite Regelungen für alle Sicherungsgeschäfte im Interbankenverkehr, nicht bloß für solche im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Zahlungs- oder Wertpapierabwicklungssystem. Sie kommt zur Anwendung, wenn sowohl der Sicherungsnehmer als auch der Sicherungsgeber einer der in Art.  1 Abs.  2 lit.  a) bis e) aufgeführten Kategorien angehört. Dazu gehören insbesondere öffentlich-rechtliche Körperschaften, Zentralbanken, die Europäische Zentralbank, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, beaufsichtigte Finanzinstitute, zentrale Vertragsparteien sowie Verrechnungs- und Clearingstellen. Gemäß Art.  1 Abs.  2 lit.  e) sind grundsätzlich auch sonstige juristische Personen, Einzelkaufleute und Personengesellschaften in den Anwendungsbereich der Finanzsicherheitenrichtlinie einbezogen, sofern auf der anderen Seite eine Einrichtung im Sinne der lit.  a) bis d) steht. Insoweit räumt Art.  1 Abs.  3 den Mitgliedstaaten aber die Möglich1092 RegBegr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze, BT-Drucks. 15/1853, S.  12.

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keit ein, den Anwendungsbereich der Richtlinie im Wege des „opting out“ auf die in Abs.  2 lit.  a) bis d) genannten Einrichtungen des Finanzsektors zu beschränken. bb)  Sachlicher Anwendungsbereich In sachlicher Hinsicht umfaßt Art.  9 FinanzsicherheitenRL „im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“. Nach der Legaldefinition in Art.  2 Abs.  1 lit.  g) sind darunter „Finanzsicherheiten in Form von Finanzinstrumenten“ zu verstehen, „bei denen die Eigentumsverhältnisse durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem von einem Intermediär oder für den Intermediär selbst geführten Depotkonto nachgewiesen werden“. Damit ist zunächst einmal gesagt, daß die Richtlinie auf Wertpapiere, die vom Anleger unmittelbar, d. h. nicht über einen oder mehrere Intermediäre gehalten werden, keine Anwendung findet1093. Aus der Definition in Art.  2 Abs.  1 lit.  g) folgt ferner, daß auch unverbriefte Anteils- und Gläubigerrechte als „im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“ anzusehen sind, sofern sie auf dem Kapitalmarkt gehandelt und in ein Register eingetragen bzw. auf einem Depotkonto verbucht werden können1094 . Eine Kontroverse über die Reichweite von Art.  9 hat sich allerdings an dem Merkmal entzündet, daß der Registereintrag bzw. die Buchung dem Nachweis der „Eigentumsverhältnisse“ dienen muß. Bedeutet das, daß diese Kollisionsregel ausschließlich Sicherheiten an „echten“ sachenrechtlichen Berechtigungen erfaßt, aber nicht zur Anwendung gelangt, wenn das Sicherungsgut aus schuldrechtlichen Ansprüchen besteht (Bsp.: Verpfändung einer WR-Gutschrift)1095? Diese Frage ist klar zu verneinen. Die Richtlinie würde ihren Zweck, durch Schaffung einer gemeinschaftsweiten Regelung die Rechtssicherheit im Bereich der Finanzsicherheiten zu erhöhen, weitgehend verfehlen, hinge der Anwendungsbereich von Art.  9 davon ab, ob das Recht eines Mitgliedstaats dem Anleger das (Mit-)Eigentum an den zugrundeliegenden Wertpapieren oder eine im Kern schuldrechtliche Berechtigung gewährt. Aus Art.  2 Abs.  1 lit.  e) und g) geht denn auch hervor, daß grundsätzlich alle möglichen Arten von Berechtigungen an girosammelverwahrten Kapitalmarktwerten Gegenstand eines Sicherungsgeschäfts im Sinne der Richtlinie sein können. Insbesondere fallen auch (Sicherheiten an) WR-Gutschriften in den Anwendungsbereich von Art.  9, da auch diese im Kern schuldrechtlichen Berechtigungen auf Kapitalmärkten gehandelt und mittels Umbuchung „übertragen“ werden1096. Die deutsche Übersetzung von Art.  2 Abs.  1 lit.  g) ist insofern ungenau: Statt vom Nachweis der „Eigentumsverhältnisse“ müßte hier vom Nachweis der „Rechtsinhaberschaft“ die 1093 

Das wird bestätigt durch Erwägungsgrund (8) der Richtlinie. Siehe die Defintion des Begriffs „Finanzinstrumente“ in Art.  2 Abs.  1 lit.  e); ferner Ege, Kollisionsrecht, S.  93. 1095 So Wust, Verbuchung, S.  296. 1096  Born, Kollisionsrecht, S.  154 ff.; Ege, Kollisionsrecht, S.  94 f.; Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  89 f.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  832 ff.; Herring/Christea, ZIP 2004, 1627, 1633. 1094 

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Rede sein. Die englische Fassung der Richtlinie, die den Ausdruck „title“ verwendet, erweist sich auch in dieser Hinsicht als präziser1097. c) Regelungsgegenstände Welche Regelungsgegenstände der Anknüpfung nach Art.  9 Abs.  1 Satz  1 Finanz­ sicherheitenRL unterliegen, wird in Abs.  2 abschließend aufgezählt. Im Vergleich mit dem „eher kryptischen“ Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL ist darin ein erheblicher Zugewinn an Rechtsklarheit zu sehen1098. Gleichwohl erklärt sich die Aufzählung nicht in allen Punkten von selbst. Vor allem fragt sich, welche Reichweite die Finanzsicherheitenrichtlinie für sich beansprucht, wenn sie in Art.  9 Abs.  2 lit.  a) auch die „Rechtsnatur und dingliche Wirkung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren“ zu den von Art.  9 Abs.  1 Satz  1 erfaßten Regelungsgegenständen zählt. Schefold hat aus dieser Formulierung geschlossen, daß künftig nicht mehr das Wertpapierrechtsstatut, sondern die nach Art.  9 Abs.  1 Satz  1 zur Anwendung berufene Rechtsordnung über die Frage entscheidet, ob ein im Wege des Effektengiro übertragbares Wertpapier vorliegt1099. Aber diese Interpretation, die wiederum auf die mißverständliche deutschsprachige Fassung der Richtlinie zurückzuführen sein dürfte, ist fragwürdig. Auch bei der Auslegung von Art.  9 Abs.  2 lit.  a) ist die Definitionsnorm des Art.  2 Abs.  1 lit.  g) zu beachten. Aus ihr ergibt sich zum einen, daß die Frage, welche (verbrieften oder unverbrieften) Kapitalmarktwerte in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, also als Finanzsicherheit i. S. von Art.  2 Abs.  1 lit.  a) in Betracht kommen, gemeinschaftsautonom und abschließend von der Richtlinie selbst beantwortet wird1100. Zum anderen folgt aus Art.  2 Abs.  1 lit.  g), daß die Wendung „im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“ als „Sicherheiten an im Effektengiroverkehr übertragbaren Wertpapieren“ zu lesen ist. Daraus wiederum ist zu schließen, daß das nach Art.  9 Abs.  1 Satz  1 zur Anwendung berufene Recht lediglich die Rechtsnatur des Sicherungsrechts bestimmen soll, nicht aber die rechtliche Einordnung der zugrundeliegenden Wertpapiere als solche1101. Zur Bestätigung dieser Lesart läßt sich abermals die präzisere englischsprachige Fassung der Richtlinie heranziehen1102 . Auch Art.  9 Abs.  2 lit.  c) ist in seiner deutschsprachigen Version mißglückt, wenn er 1097  Danach lautet Art.  2 Abs.  1 lit.  g) wie folgt: „ ,book entry securities collateral‘ means financial collateral provided under a financial collateral arrangement which consists of financial instruments, title to which is evidenced by entries in a register or account maintained by or on behalf of an intermediary.“ 1098  Ege, Kollisionsrecht, S.  95. 1099  Schefold, in: Festschrift für Jayme, S.  805, 814; wohl auch Haubold, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap.  32 Rn.  295. 1100  In gleichem Sinne Ege, Kollisionsrecht, S.  95 f. 1101  Hennrich, Aktienverpfändung, S.   170 in Fn.  181; Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  89; wohl auch Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Kuhn (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Teil L Rn.  201 und 211. 1102  In dieser Fassung beginnt Art.  9 Abs.  2 wie folgt: „The matters referred to in paragraph 1 are: (a) the legal nature and proprietary effects of book entry securities collateral … “.

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das heikle Problem der Rangfolge konkurrierender Sicherungsrechte nur mit Bezug auf dingliche Berechtigungen an Wertpapieren („Eigentum oder sonstige dingliche Rechte“) dem Anwendungsbereich von Art.  9 Abs.  1 unterstellt. Um auch Sicherungsrechte an schuldrechtlichen Berechtigungen zu erfassen, sollte die Bestimmung im Einklang mit den anderen Sprachfassungen weit ausgelegt werden1103. d) Anknüpfungsmoment Art.  9 Abs.  1 Satz  1 FinanzsicherheitenRL verweist hinsichtlich der in Abs.  2 aufgeführten Regelungsgegenstände auf das Recht des Landes, in dem das maßgebliche Konto geführt wird. Maßgeblich ist nach Art.  2 Abs.  1 lit.  h) das Register oder Depotkonto, in dem der maßgebliche Eintrag bzw. auf dem die maßgebliche Buchung vorgenommen wird, aufgrund derer der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt. Die Finanzsicherheitenrichtlinie wählt damit eine Formulierung, in der die Anlehnung an das PRIMA-Prinzip klarer als in der Finalitätsrichtlinie zum Ausdruck kommt und die überdies den Vorzug hat, auf das mißverständliche Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ der Registereintragung bzw. Kontobuchung zu verzichten1104 . In der Sache stimmen beide Kollisionsregeln überein: Maßgeblich ist in mehrgliedrigen Verwahrketten das Konto, aus dem sich letztlich das Sicherungsrecht zugunsten des Sicherungsnehmers ergibt. Je nach Art des Sicherungsrechts und der Form seiner Bestellung ist also entweder das Konto des Sicherungsnehmers oder – wie in den Sperrvermerksfällen – das Konto des Sicherungsgebers maßgeblich1105. Nicht anders als in der Finalitätsrichtlinie findet sich auch in der Finanzsicherheitenrichtlinie keinerlei Hinweis darauf, anhand welcher Kriterien der Ort der Kontoführung zu bestimmen ist. Im Richtlinienvorschlag der Kommission war zwar eine detaillierte Definition des Orts der Kontoführung enthalten1106. Von einer Übernahme in den endgültigen Richtlinientext wurde aber mit Rücksicht auf die parallel laufenden Beratungen über das Haager Wertpapierübereinkommen abgesehen, um den Mitgliedstaaten und der Kommission nicht die Hände zu binden1107.

1103 Überzeugend Ege, Kollisionsrecht, S.  97. Die englische Fassung von Art.  9 Abs.  2 lit.  c) lautet z. B.: „whether a person’s title to or interest in such book entry securities collateral is overridden by or subordinated to a competing title or interest, or a good faith acquisition has occurred“. 1104  Ege, Kollisionsrecht, S.  99. 1105  Zutreffend MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  231; Born, Kollisionsrecht, S.  172; Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  86; ungenau Wust, Verbuchung, S.  298: maßgebend sei das Depotkonto des Verfügungsempfängers. 1106  Art.  10 Abs.  2 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten vom 27. März 2001, KOM(2001) 168 endg. 1107  Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr.  32/2002 vom 5. März 2002, vom Rat festgelegt am 5. März 2002, ABl. Nr. C 119 E vom 22. Mai 2002, S.  12, 25. Zu Versuchen, trotz Fehlens einer gesetzlichen Definition zu einer rechtssicheren Anknüpfung zu gelangen, siehe Ege, Kollisionsrecht, S.  101 f.; Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  86 f.; Schefold, in: Festschrift für Jayme, S.  805, 815.

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III.  Die Sonderanknüpfung des §  17a DepotG Nach der Klärung der unionsrechtlichen Vorgaben kann nunmehr die Kollisionsregel des §  17a DepotG in den Blick genommen werden, mit welcher der „Place of the Relevant Intermediary Approach“ Eingang in das deutsche Kollisionsrecht gefunden hat1108. Danach unterliegen Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden, dem Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Regi­ ster geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt. §  17a DepotG wurde durch das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften vom 8. Dezember 19991109 in das DepotG eingefügt und diente der Umsetzung von Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL. Im Zuge der Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie wurde auf eine Anpassung von §  17a DepotG verzichtet. Der Gesetzgeber sah dafür keinen Bedarf, weil diese Bestimmung den Anforderungen dieser Richtlinie bereits entspreche1110. Daß §  17a DepotG eine korrekte Umsetzung der europäischen Richtlinien darstellt, trifft aber, wie sich zeigen wird, nur mit Einschränkungen zu.

1. Anwendungsbereich a)  Persönlicher Anwendungsbereich Was den persönlichen Anwendungsbereich betrifft, bestehen gegen die Richtlinienkonformität von §  17a DepotG keine Bedenken. Denn diese Bestimmung enthält keinerlei Beschränkungen hinsichtlich des erfaßten Personenkreises und setzt insbesondere nicht voraus, daß die Transaktionsparteien Systemteilnehmer, Zentralbanken oder sonstige Einrichtungen des Finanzsektors sind. In diesem Punkt geht §  17a DepotG deutlich über Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL und selbst über die weiter gefaßte Vorgabe in Art.  9 FinanzsicherheitenRL hinaus1111. Die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs entspricht der in den Materialien zum Ausdruck gekommenen Absicht des Gesetzgebers, eine allgemeine Kollisionsnorm für Verfügungen über girosammelverwahrte Wertpapiere zu schaffen1112 . 1108  Man kann darüber streiten, ob das DepotG der systematisch richtige Ort für eine solche Regelung ist. Nach Ansicht mancher wäre eine Ergänzung der EGBGB-Vorschriften zum interna­ tionalen Sachenrecht vorzugswürdig gewesen, siehe Ege, Kollisionsrecht, S.  106 f.; Schefold, IPRax 2000, 468, 474. 1109  BGBl. I, S.  2384. 1110  RegBegr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze, BT-Drucks. 15/1853, S.  12. 1111 MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  241. 1112  Hennrich, Aktienverpfändung, S.  173.

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b)  Sachlicher Anwendungsbereich Zweifel an der korrekten Umsetzung der beiden europäischen Richtlinien bestehen jedoch im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich von §  17a DepotG. Er umfaßt „Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden“. aa)  Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile Aus dem Wortlaut von §  17a DepotG ist zunächst zu schließen, daß diese Bestimmung sämtliche Arten von Verfügungen unabhängig davon erfaßt, ob sie einen Sicherungszweck haben oder nicht. Insbesondere fallen unter §  17a DepotG auch Vollrechtsübertragungen im Rahmen von Veräußerungsgeschäften. Auch in diesem Punkt ist der Gesetzgeber zulässigerweise über die unionsrechtlichen Vorgaben hinausgegangen. Problematisch ist jedoch die Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs auf Verfügungen über „Wertpapiere und Sammelbestandanteile“. Sie soll nämlich so zu verstehen sein, daß §  17a DepotG lediglich „sachenrechtliche“ Verfügungen und nicht auch Verfügungen über „schuldrechtliche Ansprüche“ wie etwa WR-Gutschriften und vergleichbare Rechtspositionen erfaßt1113. Für die Herausnahme schuldrechtlicher Berechtigungsformen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift scheint zwar zu sprechen, daß Verfügungen darüber bislang nicht der lex rei sitae, sondern dem Schuldvertragsstatut bzw. Forderungsstatut unterlagen. Folglich stellten sich hier auch nicht die mit der Anknüpfung an die lex rei sitae verbundenen Probleme1114 . Der Rechtssicherheit wäre es jedoch abträglich, wenn eine Verfügung über ein heterogenes Depot keiner einheitlichen Anknüpfung unterläge und für jedes im Depot enthaltene Papier erst einmal geklärt werden müßte, ob eine Übertragung oder Verpfändung als sachenrechtlich oder schuldrechtlich zu qualifizieren ist1115. Wie bereits ausgeführt, sehen die einschlägigen europäischen Richtlinien eine Beschränkung auf „sachenrechtliche“ Verfügungen denn auch nicht vor. Vor allem die Finanzsicherheitenrichtlinie läßt keinen Zweifel daran, daß es aus Sicht des Unionsrechts keine Rolle spielt, ob das Recht eines Mitgliedstaats eine dingliche oder schuldrechtliche Berechtigung der Anleger bzw. Intermediäre an den zentralverwahrten Wertpapieren vorsieht. Als Finanzsicherheit im Sinne dieser Richtlinie kommen grundsätzlich alle verschiedenen Arten von Berechtigungen an zentralver1113  Siehe die RegBegr. in BT-Drucks. 14/1539, S.  16. Dort ist zwar mißverständlich von „Wert­ rechtsgutschriften“ die Rede, doch ergibt sich aus dem Zusammenhang, daß damit nur WR-Gutschriften gemeint sein können. Für eine enge Auslegung von §  17a DepotG auch MünchKomm-HGB/ Einsele, Depotgeschäft, Rn.  196; Staudinger/Mansel (2015), Anh. zu Art.  43 EGBGB Rn.  69; Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  80; Franz, Überregionale Effektentransaktionen, S.  86; Wust, Verbuchung, S.  310. 1114  Wust, Verbuchung, S.  310. 1115 MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  241 u. 243.

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wahrten Wertpapieren in Betracht, sofern sie auf Kapitalmärkten gehandelt und mittels Umbuchung „übertragen“ werden1116. Ein Teil des Schrifttums hält es denn auch für zulässig und geboten, §  17a DepotG richtlinienkonform dahin auszulegen, daß er auch schuldrechtliche Berechtigungsformen wie Gutschriften in Wertpapierrechnung erfaßt1117. So wünschenswert dieses Ergebnis auch sein mag, leicht begründen läßt es sich nicht. Denn auch im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung, zu der die nationalen Gerichte aufgrund von Art.  288 Abs.  3 AEUV (= Art.  249 Abs.  3 EG) i. V. m. Art.  4 Abs.  3 EUV (= Art.  10 EG) verpflichtet sind, bestimmt der mögliche Wortsinn zugleich den Ausgangspunkt und die Grenze der Auslegung1118. §  17a DepotG bezieht sich nur auf „Wertpapiere und Sammelbestandanteile“. Für eine richtlinienkonforme Auslegung, derzufolge darunter auch schuldrechtliche Rechtspositionen zu verstehen sind, ist angesichts dieses eindeutigen Wortlauts kein Raum1119. Dagegen dürfte eine analoge Anwendung von §  17a DepotG auf WR-Gutschriften noch im Rahmen des methodisch Vertretbaren liegen. Aus dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung folgt auch das Recht und die Pflicht der Gerichte, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, mithilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Instrumentarien fortzubilden1120. Zwar hat der Gesetzgeber im Zuge der Umsetzung der Finalitätsrichtlinie unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß der Anwendungsbereich von §  17a DepotG auf Wertpapiere und Sammelbestandanteile beschränkt sein soll, weil aus seiner Sicht nur insoweit ein Bedürfnis für eine von der lex rei sitae abweichende Anknüpfung bestand. Das deutet darauf hin, daß die Bestimmung keine planwidrige Regelungslücke aufweist, die Vor­aussetzungen einer Analogie also nicht erfüllt sind. Doch liegt die Annahme nicht fern, daß der Gesetzgeber im Zuge der späteren Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie deren Reichweite verkannt und deshalb von einer Anpassung des 1116 Siehe

Ege, Kollisionsrecht, S.  93 f. sowie die Ausführungen unter 1 b) bb). Art.  43 EGBGB Rn.  243; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  181; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  920 ff.; Herring/Christea, ZIP 2004, 1627, 1633; einschränkend Schlaegel, Finanzsicherheiten-Richtlinie, S.  159 (Einbeziehung von WR-Gutschriften in den Anwendungsbereich von §  17a DepotG nur, soweit sie als Sicherheiten verwendet werden); großzügiger Born, Kollisionsrecht, S.  251 unter Hinweis darauf, daß es um die Auslegung einer Kollisionsnorm geht und damit die begriffliche Autonomie des Kollisionsrechts in Rede steht. 1118  BGHZ 179, 27, 34 – Quelle; Wulf-Henning Roth/Jopen, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, §  13 Rn.  46/47. 1119  Insoweit wie hier MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  196. Nicht zu folgen ist Einsele allerdings, soweit sie annimmt, die für Wertpapierübertragungen maßgebliche Kollisionsnorm – also §  17a DepotG bzw. die lex rei sitae – solle auch die Frage regeln, ob die mit dem Kauf von (ausländischen) Wertpapieren beauftragte Bank ihrem Kunden (Mit-)Eigentum nach dem DepotG zu verschaffen hat. Denn diese Frage betrifft das schuldrechtliche Anschaffungsverhältnis zwischen Bank und Kunde und damit das nach allgemeinen Regeln anzuknüpfende Schuldvertragsstatut. Selbst wenn man annähme, daß §  17a DepotG auch WR-Gutschriften erfaßt, hätte dies keineswegs zur Folge, daß §  22 Abs.  1 DepotG bei der Anschaffung von Wertpapieren im Ausland nicht zur Anwendung käme und die beauftragte Bank doch zur Eigentumsverschaffung verpflichtet wäre. 1120  BGHZ 179, 27, 35 – Quelle; Wulf-Henning Roth/Jopen, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, §  13 Rn.  48. 1117 MünchKomm-BGB/Wendehorst,

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§  17a DepotG abgesehen hat1121. Aus den Materialien geht jedenfalls die Absicht des Gesetzgebers hervor, die Finanzsicherheitenrichtlinie auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht korrekt umzusetzen1122 . Das ist ihm aber mangels zutreffender Einschätzung des Anwendungsbereichs der Richtlinie nicht gelungen. Es sprechen somit gute Gründe für die Annahme, daß §  17a DepotG auf WR-Gutschriften wenn auch nicht direkt, so doch jedenfalls entsprechend anzuwenden ist1123. bb)  Eintragung oder Verbuchung mit rechtsbegründender Wirkung Seinem Wortlaut nach erfaßt §  17a DepotG nur Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, „die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden“. Wie kein anderes hat dieses wörtlich aus der deutschen Fassung von Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL übernommene Tatbestandsmerkmal Verwirrung über den Anwendungsbereich von §  17a DepotG gestiftet. Ein Teil des Schrifttums behauptet jedenfalls lapidar, die praktische Bedeutung dieser Kollisionsregel sei gerade wegen dieses Merkmals äußerst gering1124 . Denn rechtsbegründende Registereintragungen im Zusammenhang mit Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile kenne das deutsche Recht nicht. Das gelte auch mit Blick auf die wie Wertpapiersammelbestände behandelten Sammelschuldbuchforderungen, denn Anteile daran würden außerhalb des Schuldbuchs nach den Regeln des Effektengiroverkehrs übertragen; im Schuldbuch bleibe stets die Clear­ stream Banking AG als ermächtigte Treuhänderin eingetragen. Und rechtsbegründende Kontobuchungen im eigentlichen Sinn gebe es im deutschen Recht nur in den Fällen des §  24 Abs.  2 DepotG. In der Praxis des Effektengiroverkehrs spiele diese Bestimmung aber keine große Rolle, da das Eigentum an den Wertpapieren in der Regel schon früher rechtsgeschäftlich nach den §§  929 ff. BGB auf den Kommittenten übergehe. Daher laufe §  17a DepotG in den Grundfällen des nationalen und internationalen Effektengiroverkehrs leer. Diese Auslegung ist aus zwei Gründen angreifbar. So ist zum einen daran zu erinnern, daß man über die Frage, ob einer Buchung im Rahmen einer Anteilsübertragung nach §  929 Satz  1 BGB oder einer Verpfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB konstitutive Wirkung zukommt, durchaus geteilter Meinung sein kann. Wer behauptet, die Umbuchung von Girosammelanteilen stelle sich lediglich als Folge eines geänderten Besitzmittlungswillens dar, nicht aber als notwendiges Element des Erwerbstatbestandes, übersieht, daß sich die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses in der Regel nicht separat und selbständig neben den Buchungen, sondern 1121 

In diese Richtung Ege, Kollisionsrecht, S.  112 f. Siehe nochmals die RegBegr. in BT-Drucks. 15/1853, S.  12. 1123  Wohl für eine direkte Anwendung Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Kuhn (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Rn. L 320. 1124  Siehe zum folgenden MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  198; dies., WM 2001, 7, 15; Rentsch, Haager Wertpapierübereinkommen, S.  64; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 720; ders., BKR 2003, 562, 564; Schefold, IPRax 2000, 468, 475; Than, in: Festschrift für Kümpel, S.  543, 553. 1122 

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durch die Buchungen selbst vollzieht. Eine Buchung hat somit rechtsbegründende Wirkung zumindest in dem Sinne, daß es ohne sie keine Übergabe und folglich keinen wirksamen Rechtserwerb geben soll1125. Von diesem Verständnis scheint auch der Gesetzgeber ausgegangen zu sein. Jedenfalls geht aus der Begründung zu §  17a DepotG eindeutig hervor, daß er auch und vor allem „sachenrechtliche Verfügungen“ im Sinne der §§  929 ff., 1204 ff. BGB und keineswegs nur die Ausnahmefälle des §  24 Abs.  2 DepotG in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift einbezogen wissen wollte. Schon aus diesem Grund kann man dem Gesetzgeber nicht unterstellen, er habe eine Kollisionsregel geschaffen, die im praktischen Regelfall des Effektengiroverkehrs ins Leere läuft. Die entscheidende Bedeutung des Merkmals der „rechtsbegründenden Wirkung“ sah der Gesetzgeber denn auch woanders: Es soll eine klare Linie ziehen zwischen (rechtsbegründenden) Gutschriften im Rahmen des Effektengiroverkehrs und (nicht rechtsbegründenden) Gutschriften im Rahmen der Streifbandverwahrung, bei der von vornherein kein Bedürfnis für eine Abweichung vom traditionellen Grundsatz der lex rei sitae besteht1126. Zum anderen – und das ist hier entscheidend –, verstößt ein enges, ausschließlich an den Eigenheiten des deutschen materiellen Rechts orientiertes Verständnis von §  17a DepotG, demzufolge diese Kollisionsregel im Normalfall des Effektengiroverkehrs praktisch leerläuft, gegen das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung. Wie bereits dargelegt, wäre es in Anbetracht des Zwecks der Finalitätsrichtlinie und der Verschiedenartigkeit der nationalen Verwahrungskonzepte verfehlt, die Reichweite von Art.  9 Abs.  2 – und damit auch von §  17a DepotG – davon abhängig zu machen, ob einer Registereintragung oder Buchung im juristisch-technischen Sinne konstitutive oder lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt. Vielmehr ist das Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ funktional zu verstehen. Es genügt, wenn eine Eintragung oder Buchung1127 im Rahmen des Rechtserwerbs zumindest faktisch eine die Übergabe von Urkunden ersetzende Funktion erfüllt. Das Merkmal umfaßt mit anderen Worten auch Buchungen, die nur der Dokumentation eines materiellrechtlich wirksamen Rechtserwerbs dienen1128. Dieses Verständnis wird gestützt durch die anderen Sprachfassungen der Finalitätsrichtlinie, in denen der Ausdruck „rechtsbegründende Wirkung“ gar nicht verwendet wird. Das gilt auch für die Finanzsicherheitenrichtlinie, die für besitzgebundene Finanzsicherheiten gilt und es für den Nachweis der Besitzverschaffung ausreichen läßt, „wenn im Effektengiro übertragbare Wertpapiere dem maßgeblichen Konto gutgeschrieben wurden“ (Art.  1 1125  Keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit von §  17a DepotG denn auch bei Horn, in: Festschrift für Hadding, S.  893, 899; Keller, WM 2000, 1269, 1281. 1126  BT-Drucks. 14/1539, S.  16; siehe ferner Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  101. Mißverständnis der einschlägigen Passage in der Gesetzesbegründung bei Hennrich, Aktienverpfändung, S.  177. 1127  Hennrich, Aktienverpfändung, S.  176 betont zu Recht, daß der Begriff „Buchung“ im vorliegenden Zusammenhang weit zu verstehen ist und z. B. auch die bei Pfandrechtsbestellungen gebräuchlichen Sperrvermerke umfaßt. 1128 MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  246; Staudinger/Mansel (2015), Anh. zu Art.  43 EGBGB Rn.  70; Born, Kollisionsrecht, S.  239 ff.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  919.

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Abs.  5 Satz  3 FinanzsicherheitenRL). Nur mit einem funktionalen Verständnis des Merkmals „rechtsbegründende Wirkung“ läßt sich im übrigen auch dem von Einsele erhobenen Einwand begegnen, bei §  17a DepotG handele es sich um einen logischen Zirkelschluß. Dieser soll darin bestehen, daß sich die Frage, ob einer Eintragung bzw. Buchung rechtsbegründende Wirkung zukommt, eigentlich erst nach der Ermittlung der anwendbaren Rechtsordnung beantworten läßt1129. Ein Zirkelschluß liegt in §  17a DepotG aber nicht, denn für die Ermittlung des anwendbaren Rechts genügt es, rein tatsächlich nach der Registereintragung bzw. Buchung zu suchen, die den Verfügungsempfänger als solchen ausweist1130. Nach alledem ist der Anwendungsbereich von §  17a DepotG nicht so schmal, wie teilweise behauptet wird. Eine richtlinienkonforme und am Willen des Gesetzgebers orientierte Auslegung dieser Norm führt zu dem Ergebnis, daß sie in direkter – und nicht bloß analoger – Anwendung sachenrechtliche Verfügungen über Wertpapiere oder Girosammelanteile nach §§  929 ff. bzw. §§  1204 ff. BGB unabhängig davon erfaßt, ob den Kontobuchungen im juristisch-technischen Sinn konstitutive oder deklaratorische Wirkung zukommt1131.

2.  Umfang der Verweisung Unklar und umstritten ist auch der Umfang der von §  17a DepotG angeordneten Verweisung. Die Materialien deuten darauf hin, daß der Gesetzgeber die Differenzierung zwischen Wertpapierrechtsstatut (Hauptstatut) und Wertpapiersachstatut für „Wertpapiere in Form von Sammelurkunden“ und für „Buchrechte“ zugunsten einer Anknüpfung an den Buchungsort aufgeben und sie nur bei „Wertpapieren im engeren Sinne“, bei denen ein „effektives Stück“ existiert, beibehalten wollte1132 . Dieser verunglückte Passus führt aber bloß in die Irre. An der Trennung zwischen Wertpapierrechtsstatut und Wertpapiersachstatut ist auch im Rahmen von §  17a DepotG festzuhalten. Würde man das Wertpapierrechtsstatut ebenfalls an den Buchungsort anknüpfen, hätte dies zur Folge, daß sich die auf das verbriefte Recht anwendbare Rechtsordnung und damit möglicherweise auch der Inhalt des verbrieften Rechts mit jeder grenzüberschreitenden Übertragung änderte. Der Emittent müßte damit rechnen, daß sich die Rechte und Pflichten aus der Emission nach verschiedenen Rechts1129 MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  200; dies., WM 2001, 2415, 2421; dem folgend Martini, Wertpapierverpfändung, Rn.  197. 1130  Born, Kollisionsrecht, S.  281 f.; Ege, Kollisionsrecht, S.  124. 1131 Ebenso Ege, Kollisionsrecht, S.  114; Saager, Effektengiroverkehr, S.  142 f.; Wust, Verbuchung, S.  322 ff.; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Kuhn (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Teil L Rn.  202 (S.  1676); Rögner, ZBB 2006, 98, 101; im Ergebnis auch Hennrich, Aktienverpfändung, S.  179 f., der freilich für eine „richtlinienkonforme Rechtsfortbildung im Wege einer analogen Anwendung des §  17a DepotG“ auf Buchungen mit bloß deklaratorischem Charakter plädiert. Siehe ferner Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  100, die jedoch der fragwürdigen Ansicht ist, daß sich das Merkmal der „rechtsbegründenden Wirkung“ ausschließlich auf Registereintragungen und nicht auch auf Kontobuchungen bezieht. 1132  BT-Drucks. 14/1539, S.  15 r. Sp.

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ordnungen richten – ein offenkundig unsinniges Ergebnis, das über das Ziel von §  17a DepotG weit hinausschösse und auch mit dem Wortlaut der Bestimmung, in der nur von „Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile“ die Rede ist, nicht zu vereinbaren wäre1133. Nach teilweise vertretener Ansicht enthält §  17a DepotG über seinen auf „Verfügungen“ beschränkten Wortlaut hinaus eine Anknüpfungsregel für das gesamte Wertpapiersachstatut. Das nach dieser Vorschrift anwendbare Recht entscheide nicht nur über die Voraussetzungen und Wirkungen einer Verfügung, sondern auch über die Art und den Inhalt der Berechtigung des Anlegers bzw. Sicherungsnehmers an den Wertpapieren1134 . Aber das läßt sich in dieser Allgemeinheit nicht halten. So muß zumindest die Frage, ob die Anleger dingliche (Miteigentums-)Rechte am Sammelbestand haben oder lediglich eine mittelbare Berechtigung daran erwerben können, auch weiterhin der lex rei sitae unterliegen. Einer Kollisionsregel, derzufolge das Recht am Buchungsort darüber entscheidet, ob eine Gutschrift ein dingliches Recht an einem ausländischen Sammelbestand vermittelt und welchen Inhalt dieses Recht hat, steht schon das Hindernis entgegen, daß eine inländische Depotbank dem Anleger nicht mehr Rechte verschaffen kann, als ihr selbst vom ausländischen Zentralverwahrer bzw. unmittelbar übergeordneten Zwischenverwahrer zur Verfügung gestellt werden. Sofern und solange das für den ausländischen Zentralverwahrer maßgebliche Recht nicht den am Ende der Buchungskette stehenden Anleger, sondern z. B. den Zentralverwahrer selbst als Eigentümer der Wertpapiere betrachtet, ist die inländische Depotbank nach dem Grundsatz „nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet“ auf die Einräumung einer indirekten Berechtigung an den Wertpapieren verwiesen1135. Selbst wenn das Recht am Buchungsort vorsehen sollte, daß der Anleger mit der Gutschrift das (Mit-)Eigentum am ausländischen Sammelbestand erwirbt, wäre dieser jedenfalls an einer direkten Durchsetzung seiner Herausgabeund sonstigen dinglichen Ansprüche gegenüber dem ausländischen Zentralverwahrer gehindert, wenn das für diesen maßgebliche Recht eine direkte Berechtigung der Anleger nicht anerkennt1136. Den ausländischen Verwahrer zu verpflichten, dingliche Rechte jeweils in dem Umfang anzuerkennen, wie er von den einzelnen nach der PRIMA-Regel ermittelten Rechtsordnungen gewährt wird, geht schon deshalb nicht an, weil dann ein einheitlicher Sammelbestand im Extremfall zahllosen, für den Verwahrer nicht einmal erkennbaren Rechtsordnungen unterläge. Eine solche Rechtszersplitterung wäre praktisch nicht zu bewältigen und würde die Funktionsfähigkeit 1133  Im Ergebnis ebenso Franz, Überregionale Effektentransaktionen, S.  156; Saager, Effektengiroverkehr, S.  146; Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok (Hrsg.), Cross border collateral, Rn.  12.28. 1134  Hennrich, Aktienverpfändung, S.  181 f.; Saager, Effektengiroverkehr, S.   147 ff.; der Sache nach auch MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  242, wonach §  17a DepotG eine Anknüpfung für das gesamte Wertpapierdepotstatut enthält. 1135  Wust, Verbuchung, S.  315 f.; siehe ferner Ege, Kollisionsrecht, S.  190. 1136  Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Kuhn (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Teil L Rn.  212 (S.  1679).

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der Girosammelverwahrung in Frage stellen1137. Es besteht somit eine Abhängigkeit der Rechtsnatur einer Depotgutschrift vom Recht am ausländischen Belegenheitsort, die im materiellen Recht begründet liegt und sich durch das Kollisionsrecht nicht überwinden läßt1138. Das deutsche Recht trägt dieser Abhängigkeit Rechnung, indem es, soweit es um die Verwahrung in Wertpapierrechnung geht, von vornherein nur die Gewährung einer indirekten Berechtigung an den im Ausland verwahrten Wertpapieren vorsieht, und in den Fällen des §  5 Abs.  4 DepotG anstelle der Verschaffung von Miteigentum die Einräumung einer funktional gleichwertigen Rechtsposition genügen läßt1139. Die unionsrechtlichen Vorgaben erfordern allerdings, den Regelungsgegenstand von §  17a DepotG gleichwohl nicht auf die Voraussetzungen und Wirkungen von Verfügungen zu beschränken, sondern in gewissem Umfang auch auf den Inhalt der verbuchten Rechte zu erstrecken. Denn der Anknüpfung nach Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL unterliegen zwar nicht die Rechte von Intermediären bzw. Anlegern allgemein, aber doch die „Rechte“ von Systemteilnehmern bzw. Zentralbanken als „dinglich gesicherte Gläubiger“. Gleiches gilt für Art.  9 FinanzsicherheitenRL, in dem sich die Wendung „Rechtsnatur und dingliche Wirkung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren“ ebenfalls nur auf Sicherungsrechte bezieht. §  17a DepotG ist daher richtlinienkonform dahin auszulegen, daß er auch die Rechtsnatur von Sicherungs­ rechten an (Rechten an) sammelverwahrten Wertpapieren sowie die Voraussetzungen und Wirkungen solcher Sicherungsrechte erfaßt. Soweit sich ein Sicherungsrecht im Einzelfall durch die Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Zentralverwahrer verwirklichen läßt, darf dies aber nicht die rechtliche Einheitlichkeit des Sammelbestandes beeinträchtigen. So können z. B. Herausgabeansprüche aufgrund des Sicherungsrechts auch im Verwertungsfall nur innerhalb der von lex rei sitae gezogenen Grenzen ausgeübt werden1140. Im Ergebnis liegt somit ein gespaltenes Wertpapiersachstatut vor1141.

3. Anknüpfungsmoment Die von §  17a DepotG erfaßten Verfügungen unterliegen „dem Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befin1137 

Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  76; Wust, Verbuchung, S.  327; Haubold, RIW 2005, 656, 659. Wust, Verbuchung, S.  315; Haubold, RIW 2005, 656, 660. 1139  Daß die dinglichen Rechte der Anleger niemals weiter reichen können, als die für den ausländischen Zentralverwahrer maßgebliche Rechtsordnung zuläßt, wurde in der RegBegr. zu §  5 Abs.  4 DepotG allerdings verkannt. Im übrigen ist ungeklärt, welche Rechtsstellung der Anleger in den Fällen erwirbt, in denen die Verschaffung von Miteigentum am Sammelbestand ausscheidet. Siehe zu diesen Problemen bereits unter §  8 III 1. 1140  Ausführlich und überzeugend Wust, Verbuchung, S.  329 f. 1141  Wust, Verbuchung, S.  330; siehe ferner Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  95 ff. 1138 

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det, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt“1142 . Nicht anders als bei Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL und Art.  9 FinanzsicherheitenRL sollte man sich auch bei §  17a DepotG vor dem Mißverständnis hüten, daß diese Kollisionsregel stets das für das Konto des Verfügungsempfängers maßgebliche Recht zur Anwendung beruft. Zwar besteht Einigkeit darin, daß in den Fällen, in denen auf mehreren Verwahrebenen Buchungen in Richtung des Verfügungsempfängers vorgenommen werden, das Konto am Ende der Buchungskette, also das des Verfügungsempfängers, entscheidend ist. Denn es ist dieses Konto, aus dem sich „unmittelbar“ dessen Berechtigung ergibt. Alle Zwischenbuchungen sind kollisionsrechtlich außer Betracht zu lassen1143. In richtlinienkonformer Auslegung erfaßt §  17a DepotG aber auch Verfügungen, bei denen auf eine Umbuchung der Depotwerte auf das Konto des Verfügungsempfängers verzichtet und die Verfügung stattdessen auf dem Konto des Verfügenden kenntlich gemacht wird, z. B. – wie häufig bei Verpfändungen – durch Anbringung eines Sperrvermerks. In diesen Fällen kommt es auf das Konto des Verfügenden an1144 . Bemerkenswert ist, daß §  17a DepotG sich anders als die Finalitäts- und die Finanzsicherheitenrichtlinie um eine Präzisierung des Ortes der Kontoführung bemüht, indem er darauf abstellt, in welchem Staat „sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet“. Diese Präzisierung geht freilich nicht so weit, daß sie irgendwelche Kriterien dafür vorgäbe, wie die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle im Fall einer auf mehrere Stellen verteilten Kontoführung zu bestimmen ist1145. Nach der Gesetzesbegründung soll es insbesondere darauf ankommen, „welche Zweig- oder Hauptstelle die Depotverwahrerklärung oder die Depotauszüge in eigenem Namen gegenüber den Depotkunden abgibt“. Die Gesetzesbegründung verweist insoweit auf Regelungsvorbilder im amerikanischen Recht1146. Hinter der Anknüpfung an den Ort des für den Verfügungsempfänger buchenden Verwahrers steht eine unmittelbar einleuchtende Idee: Auch auf eine Verfügung über ein „heterogenes Depot“ soll eine einzige Rechtsordnung Anwendung finden, deren Verfügungsvoraussetzungen die Parteien in der Regel ohne Schwierigkeiten ermitteln können1147. Der deutsche Gesetzgeber scheint aber bei der Ausdehnung des Anwendungsbereichs von §  17a DepotG auf alle Arten von Verfügungen übersehen zu haben, daß diese Idee nicht in allen Fällen aufgeht. Soweit es um Sicherungsgeschäfte geht, bei denen sich die Parteien typischerweise kennen, dürfte die Ermittlung der 1142  Nach zutreffender Auffassung handelt es sich hierbei für den gesamten Anwendungsbereich von §  17a DepotG um eine Sachnormverweisung; ausführlich Ege, Kollisionsrecht, S.  126. 1143  Dittrich, Effektengiroverkehr, S.  104 f.; Haubold, RIW 2005, 656, 657; Keller, WM 2000, 1269, 1281 f. 1144  Zutreffend MünchKomm-BGB/Wendehorst, Art.  43 EGBGB Rn.  247; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  183; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  924; ungenau Schefold, in: Festschrift für Kümpel, 463, 474 („Recht des Verfügungsempfängers“). 1145  Hennrich, Aktienverpfändung, S.  183. 1146  BT-Drucks. 14/1539, S.  16. 1147  BT-Drucks. 14/1539, S.  16.

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anwendbaren Rechtsordnung in der Tat keine Schwierigkeiten bereiten. Anders liegt es bei Transaktionen im anonymen Massenverkehr. Das läßt sich an folgendem Beispiel illustrieren1148: Eine deutsche Depotbank, die ein Konto bei der Clearstream Banking AG unterhält, kauft im Auftrag eines Kunden auf einem ausländischen Börsenplatz Aktien, die in dem betreffenden Land sammelverwahrt werden und in die internationale Girosammelverwahrung nach §  5 Abs.  4 DepotG einbezogen sind. Gemäß §  17a DepotG unterliegt das dingliche Verfügungsgeschäft vollständig deutschem Recht. Das kann der ausländische Vertragspartner der deutschen Depotbank aber nicht erkennen, denn er weiß ja nicht, in wessen Auftrag diese Depotbank die Aktien gekauft hat und auf welchem Konto die Titel letztlich verbucht werden. Bei Börsengeschäften, die unter Einschaltung eines zentralen Kontrahenten abgeschlossen werden, spitzt sich dieses Problem noch zu. Es ist zu Recht angemerkt worden, daß die Anknüpfung an das Konto des Verfügungsempfängers den Veräußerer unter solchen Umständen zu einem „juristischen Blindflug“ zwingt1149. Man mag nun einwenden, daß dieses Problem im anonymen Massenverkehr zu vernachlässigen ist, weil hier meistens alles „glatt“ läuft. Gerade bei grenzüberschreitenden Geschäften kann sich aber doch einmal die Frage stellen, inwieweit sich Buchungsfehler oder sonstige Mängel auf das Verfügungsgeschäft auswirken, und dann kann es für den Veräußerer wie auch für die an der Abwicklung beteiligten Intermediäre mißlich sein, keine Klarheit über das anwendbare Recht zu haben1150. Zuzugeben ist allerdings, daß die Anknüpfung an das Konto des Verfügungsempfängers gegenüber der Anknüpfung an das Konto des Verfügenden das kleinere von zwei Übeln darstellt. Während es nämlich „für den Verfügenden ‚nur‘ um den Rechtsverlust geht, hat der Verfügungsempfänger in aller Regel eine Gegenleistung für die Wertpapiere erbracht und daher ein besonders schützenswertes Interesse an einem wirksamen Rechtserwerb“1151.

IV. Ergebnis Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß die starke rechtspolitische Kritik an §  17a DepotG berechtigt ist, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Erstens ist diese Bestimmung zu eng gefaßt insofern, als sie ausschließlich Verfügungen über „Wertpapiere und Sammelbestandanteile“ und nicht auch Verfügungen über relative Rechtspositionen wie z. B. WR-Gutschriften erfaßt. Das widerspricht zumindest den Vorgaben der Finanzsicherheitenrichtlinie, die sich auf alle Arten von Berechtigungen an inter1148 

In Anlehnung an Wust, Verbuchung, S.  337. Ege, Kollisionsrecht, S.  123; Saager, Effektengiroverkehr, S.  151; Wust, Verbuchung, S.  337. 1150  Siehe auch Wust, Verbuchung, S.  337 mit der zutreffenden Ergänzung, daß die Anwendung deutschen Rechts auf die Buchungen eines ausländischen Abwicklungssystems Funktionsstörungen zur Folge haben kann. 1151  Ege, Kollisionsrecht, S.  123. 1149 

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

mediärverwahrten Wertpapieren bezieht, sofern sie auf Kapitalmärkten gehandelt und mittels Umbuchung „übertragen“ werden. Einer richtlinienkonformen Auslegung von §  17a DepotG dahingehend, daß er auch auf Verfügungen über schuldrechtliche Berechtigungsformen direkt anzuwenden ist, steht der klare Wortlaut der Bestimmung entgegen. Vertretbar erscheint es jedoch, §  17a DepotG auf WR-Gutschriften analog anzuwenden. Zweitens ist §  17a DepotG insofern mißglückt, als er in wortgetreuer Umsetzung von Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL auf die „rechtsbegründende Wirkung“ der Registereintragung bzw. Kontobuchung abhebt. Diese Wendung hat einen Teil des Schrifttums zu der Annahme verleitet, daß §  17a DepotG für den Normalfall des nach §§  929 ff. BGB ablaufenden Effektengiroverkehrs keine nennenswerte Bedeutung zukommt. Diese Annahme trifft aber nicht zu. Eine richtlinienkonforme und am Willen des Gesetzgebers orientierte Auslegung dieser Norm führt vielmehr zu dem Ergebnis, daß sie alle sachenrechtliche Verfügungen über Wertpapiere oder Girosammelanteile nach §§  929 ff. bzw. §§  1204 ff. BGB unabhängig davon erfaßt, ob den Kontobuchungen konstitutive oder deklaratorische Wirkung zukommt. Drittens geht aus §  17a DepotG nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, ob er über seinen auf „Verfügungen“ beschränkten Wortlaut hinaus eine Anknüpfungsregel für das gesamte Wertpapiersachstatut oder nur für einen Teil davon enthält. Und viertens hat der Gesetzgeber bei der Ausdehnung des Anwendungsbereichs von §  17a DepotG auf alle Arten von Verfügungen übersehen, daß die Anknüpfung an den Ort des für den Verfügungsempfänger buchenden Verwahrers im anonymen, über mehrere Zwischenstationen ablaufenden Massenverkehr gerade keine Rechtssicherheit gewährleistet, sondern aus Sicht des Verfügenden auf einen „juristischen Blindflug“ hinausläuft. Gerade hier zeigt sich, daß eine Kollisionsregel, nach der das anwendbare Recht nur einmal am Ende der Buchungskette und nicht gesondert auf jeder Verwahrstufe ermittelt wird, nicht dazu taugt, einer Miteigentumskonstruktion wie der deutschen im internationalen Verkehr zur Durchsetzung zu verhelfen. Diese Regel paßt besser zu Konzepten wie der WR-Gutschrift oder dem US-amerikanischen se­ curity entitlement, bei denen dem Anleger ausschließlich Rechte gegen den depotführenden Intermediär zustehen1152 . Aus diesem ernüchternden Befund folgt, daß §  17a DepotG unabhängig davon, ob es zu einer grundlegenden Reform des deutschen Depotrechts kommen wird, der Überarbeitung bedarf1153.

1152 

1153 

Haubold, RIW 2005, 656, 660. In gleichem Sinne Bintz, Sicherheiten, S.  150.

§  11  Zusammenfassende Bewertung In der Gesamtschau präsentiert sich das deutsche Depotrecht in keinem befriedigenden Zustand. Denn es weist eine ganze Reihe von Lücken, Unklarheiten und Ungereimtheiten auf, die keineswegs nur Nebensächlichkeiten, sondern zentrale Anforderungen an das Recht der mediatisierten Wertpapierverwahrung betreffen. Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung brauchen an dieser Stelle bloß in Erinnerung gerufen zu werden: –  Bei der Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland ist schon die elementare, da über die Anwendbarkeit der §§  929 ff. BGB entscheidende Frage nach dem mittelbaren Besitz der Anleger umstritten. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Dauerglobalurkunde. Beträchtliche Schwierigkeiten bereitet auch die Konstruktion der Anteilsübertragung nach §  929 Satz  1 BGB im allgemeinen und eines direkten Eigentumsübergangs vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger im besonderen. Das liegt nicht zuletzt daran, daß über die Rolle der an der Übertragung mitwirkenden Intermediäre beim Zustandekommen der dinglichen Einigung (Bote? Stellvertreter?) keine Klarheit besteht. Dieser Befund wirkt sich auch auf die Frage aus, auf wessen Gutgläubigkeit es im Rahmen der §§  932 BGB, 366 HGB ankommt. Umstritten ist auch die (konstitutive?) Wirkung der Depotgutschrift, ja sogar die Frage, ob zur Vollendung des Rechtserwerb des Anlegers die Umbuchung der Girosammelanteile durch die Clearstream Banking AG genügt oder es auch einer Depotgutschrift auf dem Konto des Anlegers selbst bedarf. Kein Konsens besteht weiter in der Frage, ob de lege lata ein gutgläubiger Anteilserwerb vom Nichtberechtigten möglich ist und was ggf. als Rechtsscheinträger fungiert. Die Schwierigkeiten, den Effektengiroverkehr in den Rahmen des Sachenrechts einzupassen, nehmen noch zu, wenn Geschäfte unter Einschaltung der Eurex Clearing AG in ihrer Eigenschaft als zentraler Kontrahent abgewickelt werden. – Im Hinblick auf die grenzüberschreitende Girosammelverwahrung auf der Grundlage gegenseitiger Kontoverbindungen ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß der Anleger mit der Gutschrift wie im inländischen Effektengiroverkehr das Miteigentum an dem betreffenden Sammelbestand erwirbt. Diese Idee geht jedoch nicht auf, wenn das deutsche Miteigentumsmodell auf ein Verwahrungskonzept trifft, in dem eine direkte Berechtigung von Anlegern an zentralverwahrten Effekten nicht vorgesehen ist. Insbesondere soweit es um die Kontoverbindung zwischen der Clearstream Banking AG und der DTC geht, ist unklar, welche Rechtsposition ein deutscher Anleger mit der Depotgutschrift erwirbt.

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Zweiter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im deutschen Recht

–  Auch das für die Anschaffung und Verwahrung von Wertpapieren im Ausland geschaffene, auf die Rechtsfigur der fiduziarischen Treuhand zurückgreifende Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung ist in einigen wesentlichen Punkten umstritten. Das gilt insbesondere für die Rechtsnatur der WR-Gutschrift, den Inhalt des durch diese Gutschrift begründeten „Auslieferungsanspruchs“ sowie die Frage, ob die Rechtsposition des Depotkunden als insolvenzsicher eingestuft werden kann. – Schließlich ist die Kollisionsregel des §  17a DepotG aus verschiedenen, hier nicht nochmals aufzuzählenden Gründen mißglückt. Alles in allem ist also festzustellen, daß das deutsche Recht den beiden Hauptanforderungen an das Recht der mediatisierten Wertpapierverwahrung (interne Zuverlässigkeit und internationale Kompatibilität) nur in eingeschränktem Maße gerecht wird. Welche Konsequenzen aus diesem Befund zu ziehen sind, soll im fünften Teil dieser Arbeit untersucht werden.

Dritter Teil

Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht „Rechtsvergleichend angelegten Arbeiten verspricht das schweizerische Privatrecht in aller Regel reiche Erträge“. Diese auf das allgemeine Vertragsrecht bezogene Feststellung Fleischers1 gilt auch und in besonderem Maße für das Depotrecht. Denn in Gestalt des am 1. Januar 2010 in Kraft getreten Bucheffektengesetzes hat die Schweiz, in der bis dahin keine dem deutschen Depotgesetz vergleichbare Kodifikation des Depotrechts existiert hatte, der mediatisierten Wertpapierverwahrung eine neue Rechtsgrundlage gegeben, von der nicht wenige meinen, sie könne als Vorbild für eine Reform des deutschen Depotrechts dienen2 . Diese Meinung kommt nicht von ungefähr. Die Entwicklung zum stückelosen Effektengiroverkehr ist in der Schweiz, auch wenn sie dort einige Jahrzehnte später eingesetzt hat, über weite Strecken ähnlich verlaufen wie in Deutschland. Bis zu seiner Reform wies das schweizerische Depotrecht zahlreiche Gemeinsamkeiten mit dem deutschen Depotrecht auf3. So ist es kein Zufall, daß es auch mit vielen jener Probleme und Ungereimtheiten zu kämpfen hatte, wie sie aus der hiesigen Reformdiskussion bekannt sind. Das Bucheffektengesetz ist der auch aus deutscher Sicht interessante Versuch, die rechtlichen Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung an die rasante Entwicklung auf diesem Gebiet anzupassen, ohne mit den bisherigen Formen der Emission und Verwahrung von Kapitalmarktwerten vollständig zu brechen. Mit dem Gesetz wurde ein neues Vermögensobjekt sui generis in das schweizerische Recht eingeführt: die Buch­ effekte, die Merkmale sowohl einer schuldrechtlichen Forderung als auch einer Sache aufweist und der alle funktionellen Eigenschaften eines Wertpapiers zukommen, ohne Sache im Sinne der schweizerischen Privatrechtsordnung zu sein. Bucheffekten entstehen, wenn Kapitalmarktwerte, in welcher Form auch immer, in ein Verwahrsystem eingebracht und auf Depotkonten verbucht werden. Für sie gilt eine einheitliche Regelung unabhängig davon, ob das unterliegende Recht ein Wertpapier, eine Globalurkunde oder ein Wertrecht ist. Die folgenden Ausführungen haben das Ziel, das Bucheffektenmodell des schweizerischen Rechts vorzustellen und auf seine Stärken und Schwächen zu untersuchen. 1 

Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  629. Bundesministerium der Justiz, Eckpunktepapier zur Reform des Depotrechts vom 29. Mai 2008, Punkt 2; Beckmann, Reformbedarf, S.  179; Hanten, Bucheffektengesetz, S.  202 f.; siehe ferner Wust, Verbuchung, S.  452. 3  Das betont auch Druey, SAG 1987, 65, 66. 2 Siehe

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Dazu wird in einem ersten Schritt dargestellt, wie die Wertpapierverwahrung und -abwicklung in der Schweiz organisiert ist (dazu sogleich unter §  12). Im Anschluß daran wird ein Überblick über die Rechtslage vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes gegeben. Denn die Vorzüge dieses Gesetzes wird nur zuverlässig einschätzen können, wer den alten Rechtszustand mitsamt seiner Schwächen vor Augen hat (unter §  13). Den Hauptteil dieses Abschnitts bildet eine ausführliche Darstellung und Analyse des Bucheffektengesetzes (unter §  14).

§  12  Organisation der Wertpapierverwahrung und -abwicklung I.  SIX SIS AG (vormals SIS SegaInterSettle AG) Einziger Zentralverwahrer der Schweiz ist die SIX SIS AG mit Hauptsitz in Olten, dem „Fort Knox“ der Schweiz, wo sich angeblich einer der größten und modernsten Wertpapiertresore der Welt befindet4 . Die SIX SIS AG gehört zur SIX Group, die über ihre Tochtergesellschaften die gesamte Infrastruktur des Finanzplatzes Schweiz betreibt5. Vor ihrer Integration in die SIX Group trug die SIX SIS AG den Namen SIS SegaInterSettle AG, die im Mai 1999 aus dem Zusammenschluß der Schweizerischen Effekten-Giro AG (SEGA) mit der Intersettle AG (Swiss Corporation for International Securities Settlements) hervorgegangen war. Die SEGA war im Juni 1970 als Gemeinschaftsunternehmen von 175 Mitgliedsinstituten der Schweizerischen Bankiervereinigung gegründet worden mit dem Ziel, ein gesamtschweizerisches Girosammeldepot einzurichten und auf diese Weise die Abwicklung inländischer Wertpapiergeschäfte zu vereinfachen6. Die Aufgabe der im März 1988 als Schwestergesellschaft der SEGA gegründeten Intersettle entsprach demgegenüber weitgehend derjenigen des früheren deutschen Auslandskassenvereins (AKV). Sie bestand zum einen darin, Brokern, ausländischen Verwahrern und sonstigen Finanzdienstleistern, die nicht Kunden der SEGA werden konnten, einen mittelbaren Zugang zum schweizerischen 4  Siehe die Selbsteinschätzung unter https://www.six-securities-services.com/de/home/custody/ domestic-custody/services/vault-services.html (abgerufen am 15. April 2017). 5 Die SIX Group ist im August 2008 durch einen Zusammenschluß der SWX Group, der Tele­ kurs Group und der SIS Group entstanden. Dementsprechend erstreckt sich die Geschäftstätigkeit dieser Gruppe auf die Bereiche Wertpapierhandel (frühere SWX Group), Finanzinformationen/ Zahlungsverkehr (frühere Telekurs Group) und Wertpapierdienstleistungen (frühere SIS Group). Zu den unter dem Dach der SIX Group zusammengefaßten Gesellschaften gehören neben den im Text vorgestellten Unternehmen des Abwicklungssektors unter anderem auch die SIX Swiss Exchange AG, welche die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange betreibt, und die SIX Interbank Clearing AG, die im Auftrag der Schweizerischen Nationalbank das Interbank-Zahlungssystem SIC (für Zahlungen in Schweizer Franken) und im Auftrag der Schweizer Finanzinstitute das Interbank-Zahlungssystem euroSIC (für Transaktionen in Euro) betreibt. Umfassender Überblick über die SIX Group bei Taisch, Finanzmarktrecht, S.  258 ff. 6 Die Vorgeschichte der SEGA reicht bis in das Jahr 1959 zurück, als die Einrichtung eines zentralen Girosammeldepots erstmals von einigen Großbanken erwogen wurde; ausführlich zur Entstehungsgeschichte und Entwicklung der SEGA Schlegel, Die schweizerische Effekten-Giro AG, S.  13 ff.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Effektengirosystem zu eröffnen7. Zum anderen sollte Intersettle die Abwicklung von Geschäften erleichtern, die ausländische – und regelmäßig im Heimatland des Emittenten verwahrte bzw. verwaltete – Effekten zum Gegenstand haben8. Technisch wurden die SEGA und die Intersettle jedoch als Einheit behandelt. So waren seit 1994 auch die Kunden der Intersettle an das von der SEGA im Oktober 1993 eingeführte – und bis heute verwendete – System „SECOM“ (SEga-COMmunications) angeschlossen, das die vollautomatische Abwicklung von Effektengeschäften ermöglicht9. Anders als die SEGA, wo die Geldseite ausschließlich über die Teilnehmerkonten bei der Schweizerischen Nationalbank abgewickelt wurde, führte die Intersettle selbst Geldkonten in Schweizer Franken und Fremdwährungen, um Teilnehmern ohne SNB-Konto einen indirekten Anschluß an das „Swiss Interbank Clearing System“ (SIC)10 zu verschaffen11. Seit dem Zusammenschluß der SEGA und der Intersettle im Mai 1999 befinden sich die nationale und die grenzüberschreitende Wertpapierverwahrung in der Schweiz in einer Hand. Die SIX SIS AG besitzt eine Banklizenz nach Schweizer Recht und unterliegt der Aufsicht der Eidgenössischen Finanzaufsicht (FINMA). Ihr sind etwa 400 Banken, Wertpapierhändler und sonstige Finanzdienstleister aus der Schweiz und dem Ausland als Giroteilnehmer angeschlossen. Über ein ausgedehntes Netzwerk von subcustodians vermittelt das Unternehmen seinen Kunden Zugang zu über 60 Märkten in der ganzen Welt12 . Zudem unterhält es direkte Kontoverbindungen zu einer Reihe von Zentralverwahrern, darunter Clearstream Banking Frank­ furt (CBF), Clearstream Banking Luxembourg (CBL), Österreichische Kontrollbank (OeKB), Euroclear UK & Ireland und Euroclear (Brüssel)13.

7  Nach den AGB der SEGA konnten Firmen, die nicht dem Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen von 1934 (BankG) unterstehen, nur ausnahmsweise zur Teilnahme am Effektengirosy­ stem der SEGA zugelassen werden. Einzige Ausnahme war Intersettle, die so als Verbindungsglied zwischen ihren ausländischen Kunden und der SEGA fungieren konnte; siehe Christoph Brunner, Wertrechte, S.  11 m. Fn.  25. Im Mai 1994 erlangte die Intersettle allerdings den Status einer Bank. 8  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  14 f.; Kroll, JIBFL 1993, 95, 96. 9 Ausführlich Haene, Das Effektenabwicklungssystem SECOM, 2009; ferner Kroll, JIBFL 1993, 95 ff. 10  Das 1987 eingerichtete SIC dient der Abwicklung des bargeldlosen Interbankenzahlungsverkehrs in Schweizer Franken und wird heute im Auftrag der Schweizerischen Nationalbank von der SIX Interbank Clearing AG betrieben. Voraussetzung der Teilnahme am SIC sind die Eröffnung eines Girokontos bei der Schweizerischen Nationalbank und der Abschluß eines Ergänzungsvertrages mit der SIX Interbank Clearing AG. Zu den Teilnehmern gehören schweizerische Banken und Effektenhändler sowie ausländische Finanzinstitute; vgl. Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1350 ff. 11  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  17; Kroll, JIBFL 1993, 95, 96. 12 Die SIX SIS AG versteht sich selbst als Internationaler Zentralverwahrer (ICSD). In der Regel wird diese Bezeichnung aber nur für Euroclear (Brüssel) und Clearstream Banking Luxembourg verwendet. 13 https://www.six-securities-services.com/de/home/custody/international_custody/crossborder-settlement/csd-direct-links.html.

§  12  Organisation der Wertpapierverwahrung und -abwicklung

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II.  SIX x-clear AG (vormals SIS x-clear AG) Die SIX x-clear AG, eine Schwestergesellschaft der SIX SIS AG, nahm 2003 ihre Tätigkeit als zentrale Gegenpartei an der paneuropäischen Börse virt-x auf14 . Mittlerweile bietet sie ihre Dienste auf verschiedenen Handelsplätzen an, z. B. an der SIX Swiss Exchange15, der London Stock Exchange, der Bayerischen Börse und diversen alternativen Handelssystemen – eine Entwicklung, die nicht zuletzt auf die Bemühungen der Europäischen Kommission zurückzuführen ist, durch Beseitigung von Markt­ zutrittsbarrieren für internationalen Wettbewerb im Bereich der Wertpapierab­ wicklung zu sorgen. Daß diese Bemühungen Früchte zu tragen beginnen, zeigt sich daran, daß die SIX x-clear AG sich für Transaktionen an der SIX Swiss Exchange und der London Stock Exchange als ernstzunehmender Konkurrent des englischen Clear­ing­hauses LCH.Clearnet etablieren konnte. Ebenso wie die SIX SIS AG verfügt auch die SIX x-clear AG, die bis zur Gründung der SIX Group im August 2008 als SIS x-clear AG firmierte, über eine Banklizenz, so daß sie der Aufsicht durch die Eidgenössische Finanzaufsicht (FINMA) untersteht. Zudem hat die britische Financial Services Authority (FSA) sie als Recognised Overseas Clearing House (ROCH) anerkannt. Nicht anders als die Eurex Clearing AG, die den zentralen Kontrahenten an der Frankfurter Wertpapierbörse stellt, unterscheidet auch die SIX x-clear AG zwischen Individual-Clearing-Members (ICM) und General-Clearing-Members (GCM). Individual-Clear­ing-Members sind nur zum Clearing eigener Geschäfte berechtigt. General-Clearing-Members sind berechtigt, Clearingdienste für eigene Transaktio14 Siehe Hess, AJP 2004, 687, 693. An der virt-x, die als Recognised Investment Exchange (RIE) der Aufsicht der britischen FSA unterstand, wurden neben den im Swiss Market Index (SMI) vertretenen Aktien der am höchsten kapitalisierten Schweizer Gesellschaften rund 300 Blue Chips aus 15 europäischen Ländern in sechs Währungen und Fondsanteile gehandelt. Die Verschiebung des Handels der SMI-Titel von der SWX in Zürich nach London war deshalb möglich, weil an der virt-x kein eigenständiges Kotierungsverfahren stattfand, sondern (nur) eine Handelszulassung („admission to trading“) für Werte erteilt wurde, die bereits an einer anderen Börse kotiert sind. Die SMI-Titel waren also, auch wenn sie ausschließlich an der virt-x gehandelt wurden, an der SWX kotiert, die sonstigen europäischen Werte zumindest an einer Börse ihres Heimatmarkts. Technisch wurde virt-x von Zürich aus betrieben, und zwar auf der von der SWX zur Verfügung gestellten Handelsplattform Elektronische Börse Schweiz (EBS). Die Transnationalität von virt-x setzte sich bei der Abwicklung fort. Für das Settlement standen drei Zentralverwahrer zur Verfügung: SIS, Euroclear Brüssel und Euroclear UK & Ireland (bis Juli 2007: CRESTCo). Seit Mai 2003 konnten die virt-x-Teilnehmer außerdem zwischen zwei CCPs wählen, SIS x-clear und LCH.Clearnet. Im Zuge der Gründung der SIX Group wurde die virt-x Ltd., die zu 100% der (damaligen) SWX Swiss Exchange gehörende Betreibergesellschaft von virt-x, in SWX Europe Ltd. umbenannt. Ab April 2009 wurde der Handel an der SWX Europe beendet und an die SIX Swiss Exchange übertragen. Zur Entstehung und den Hintergründen von virt-x siehe Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, §  9 Rn.  379 ff. (S.  727 ff.); Schönholzer, in: Nobel (Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- und Börsenplatzes Schweiz 2001, S.  139 ff.; Nobel/Blair/Schönholzer, SZW 2001, 217 ff. 15  Die SWX ist Ende 1995 aus dem Zusammenschluß der Wertpapierbörsen von Zürich, Basel und Genf hervorgegangen und seitdem die einzige Effektenbörse der Schweiz; zur Entwicklung der Börsen in der Schweiz siehe Blanchard, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S.  910 f.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

nen und solche von Handelsteilnehmer ohne eigene Clearing-Lizenz (Non-Clearing-Members – NCM) in Anspruch zu nehmen.

III.  Swiss Value Chain Der Zentralverwahrer SIX SIS AG und das Clearinghaus SIX x-clear AG bilden zusammen mit der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange und der SIX Interbank Clearing AG die wichtigsten Glieder der Wertschöpfungskette des Finanzplatzes Schweiz (Swiss Value Chain), die sämtliche Schritte einer Wertschriftentransaktion umfaßt und für sich in Anspruch nimmt, weltweit einzigartig zu sein16. Technisch betrachtet stellt sich die Swiss Value Chain als Online-Verknüpfung der Handelsplattform der SIX Swiss Exchange, des Wertpapierabwicklungssystems SECOM und des Zahlungssystems SIC dar. Geschäftsabschlüsse an der Börse werden – ggf. nach Eintritt der zentralen Gegenpartei und Verrechnung – im Namen und Auftrag der Kontrahenten17 vollautomatisch im Wege des straight-through processing (STP) an das ­SECOM-System weitergeleitet und dann endgültig und unwiderruflich nach dem Modus „Lieferung gegen Zahlung“ abgewickelt. Mit einem einzigen Mausklick kann also, ohne daß weitere manuelle Eingriffe nötig oder erwünscht wären, gehandelt, verrechnet, bezahlt und geliefert werden18. Rein technisch, so wird behauptet, wäre die SIS sogar zur Geschäftsabwicklung innerhalb weniger Sekunden in der Lage19. Die derzeitige Praxis sieht allerdings anders aus und orientiert sich an den Gepflogenheiten in der Europäischen Union. Im Herbst 2014 wurde die in der Schweiz bis dahin übliche Erfüllungsfrist von T+3 auf T+2 verkürzt, um die Abwicklung von Wertpapiergeschäften an die Vorgaben der CSDR anzupassen20. Bei der Verbuchung der Geschäfte ist auch bei den meisten Schweizer Banken das sog. contractual settlement gebräuchlich21: Die für einen Kunden angeschafften Effekten werden von der Bank noch am Handelstag (T+0) vorbehaltlos in das Depot des Kunden eingebucht und in der Regel ab sofort im Depotauszug ausgewiesen. Auf der Ebene des Zentralverwahrers wird die Umbuchung allerdings erst am zweiten Arbeitstag nach 16 

SIS-Group, Medienmappe, S.  2. Ziff.  13.2 Absatz 1 des Handelsreglements der SIX Swiss Exchange: „Die Börse übermittelt Informationen über Abschlüsse im Namen der beteiligten Teilnehmer oder Beauftragten an die zentrale Gegenpartei oder, falls es sich um nicht CCP-fähige Effekten handelt, direkt an die entsprechende Settlement-Organisation.“ 18 Vgl. Taisch, Finanzmarktrecht, S.  264. 19  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1317. 20  SIX Swiss Exchange, Q&A Implementation of T+2 standard settlement cycle on Swiss market of 2 September 2014 (unter Punkt 2.1). 21  Empfehlung der Übernahmekommission i. S. Unaxis Holding AG vom 27. Juni 2005, Erw. 5.3.2; BSK-BankG/Hess/Zbinden, Art.  16 Rn.  32/32a; siehe ferner die Darstellung bei Sabine Mock, Bucheffekte, Rn.  100 ff. 17  Siehe

§  12  Organisation der Wertpapierverwahrung und -abwicklung

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Geschäftsabschluß vorgenommen. Das Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes hat an dieser Praxis nichts geändert.

§  13  Rechtslage vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes Auch wenn sich das schweizerische Verwahrrecht mit Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes tiefgreifend verändert hat, sprechen mehrere Gründe dafür, im folgenden zumindest in groben Strichen nachzuzeichnen, nach welchen Regeln und Grundsätzen Kapitalmarktwerte zuvor verwahrt, übertragen und als Sicherheiten zur Verfügung gestellt wurden. Zum einen lassen sich die Vorzüge des Bucheffektengesetzes nur richtig einschätzen, wenn man den alten Rechtszustand mitsamt seiner Schwächen vor Augen hat. Zum anderen wird es aus rechtsvergleichender Perspektive interessant sein zu sehen, welche Gemeinsamkeiten das alte schweizerische Depotrecht mit dem deutschen aufwies, mit welchen dogmatischen Problemen es zu kämpfen hatte und wie Lehre und Praxis diese Probleme zu lösen versuchten. Zu bedenken ist schließlich, daß das Bucheffektengesetz nicht vollständig an die Stelle des alten Rechtsrahmens getreten ist. Es regelt nur Fragen der Mediatisierung und knüpft an die hergebrachten Formen der Emission und Verwahrung von Kapitalmarktwerten an22 .

I. Rechtsgrundlagen Ein besonders markanter Unterschied zwischen dem deutschen und dem schweizerischen Recht bestand bis zum Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes darin, daß es in der Schweiz keine dem Depotgesetz vergleichbare Kodifikation des Verwahrrechts gab23. Der rechtliche Rahmen der Girosammelverwahrung ergab sich vielmehr aus den allgemeinen Bestimmungen des Wertpapierrechts24, des Sachenrechts25 und des Rechts des Hinterlegungsvertrags26, ferner aus den Vorschriften des Schuldbetrei22 Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9340 u. 9391. 23  Siehe zum folgenden auch Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 31 f. 24  Das Wertpapierrecht ist in der Schweiz in der 5. Abteilung (Art.  965–1186) des Obligationenrechts (SR 220) vom 30. März 1911 geregelt. 25  Geregelt in den Art.  6 41–977 des Zivilgesetzbuchs (SR 210) vom 10. Dezember 1907. 26  Geregelt im 19. Titel (Art.  472–491) der 2. Abteilung („Die einzelnen Vertragsverhältnisse“) des Obligationenrechts.

§  13  Rechtslage vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes

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bungs- und Konkursgesetzes27. Interpretiert, konkretisiert und ergänzt wurden diese Rechtsgrundlagen durch verschiedene Börsenregularien, Allgemeine Geschäftsbedingungen – namentlich der SIS und der Depotbanken – und eine Reihe von Rechtsgutachten. Gesetzliche Spezialvorschriften gab es nur vereinzelt. Die wichtig­ sten waren die anläßlich der Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 16. Dezember 1994 in das Bankengesetz28 aufgenommenen Art.  16 und 37b (heute: Art.  37d), durch die das Institut der Absonderung im Konkurs eine umfassende, für alle Arten von Depotwerten geltende Sonderregelung erfahren hat29. Demgegenüber war die Aufnahme einer Definition des Begriffs „Wertrechte“ in das neue Börsengesetz von 199530 nur von nachrangiger Bedeutung. Denn mit ihr wurde das Konzept des Wertrechts zwar gesetzlich anerkannt, aber nicht inhaltlich ausgestaltet31.

II. Sammelverwahrung 1.  Eigentums- und Besitzverhältnisse Die Sammelverwahrung32 von Wertpapieren beruhte auf der vom Berner Ordinarius Peter Liver in zwei gutachtlichen Stellungnahmen33 auf ihre Tauglichkeit geprüften Rechtsfigur des labilen und modifizierten Miteigentums. Rechtsprechung, Lehre und Praxis gingen einhellig davon aus, daß die Deponenten an den in ein Sammeldepot eingelieferten Wertpapieren einer Gattung34 Miteigentum erwerben, und zwar im 27 

Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), SR 281.1. vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG), SR 952.0. 29 AS 1995, S.   1227. Die Bestimmungen sind am 1. Januar 1997 in Kraft getreten. Art.  37b BankG wurde im Zuge der Änderung des Bankengesetzes vom 3. Oktober 2003 (AS 2004, S.  2767) zu Art.  37d. Weil die konkursrechtlichen Sonderbestimmungen für einzelverbriefte Effekten, Globalurkunden und Wertrechte gleichermaßen gelten, werden sie unten (unter VI) zusammengefaßt dargestellt. 30  Art.  2 a) des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG) vom 24. März 1995, SR 954.1. Näher zum Begriff des Wertrechts unter IV. 31  Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 32 (Legaldefinition ohne materiellen Gehalt). 32  Auch in der Schweiz unterscheidet man zwischen der Sonderverwahrung, der Haussammelverwahrung und der Drittsammelverwahrung; siehe Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  7 ff. 33  Liver, Gutachten für die Schweizerische Bankiervereinigung über das Effekten-Giro-Sammeldepot-System vom 19. Juli 1963; ders., Ergänzungsgutachten für die Schweizerische Bankiervereinigung über das Effekten-Giro-Sammeldepot-System vom 15. Juli 1969. Für die Überlassung der beiden Gutachten sei an dieser Stelle Hans Kuhn herzlich gedankt. 34  Ebenso wie in Deutschland sind auch in der Schweiz nur vertretbare Wertpapiere zur Sammelverwahrung geeignet, also Inhaberpapiere und blankoindossierte Ordrepapiere; Meier-Hayoz/ von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  16. 28 Bundesgesetz

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Verhältnis der von ihnen hinterlegten Titel zum jeweiligen Gesamtbestand35. Als la­ bil wurde das Miteigentum deshalb bezeichnet, weil jeder Hinterleger das Recht besaß, von seinem Verwahrer die jederzeitige Herausgabe einer dem Miteigentumsanteil entsprechenden Anzahl von Wertpapieren zu verlangen, ohne hierzu der Mitwirkung und Zustimmung der anderen Miteigentümer zu bedürfen (Art.  484 Abs.  2 und 3 OR)36; als modifiziert deshalb, weil man annahm, daß zwischen den Hinterlegern im Unterschied zur „gewöhnlichen“ Miteigentumsgemeinschaft keine Rechtsbeziehungen bestehen und von den sachenrechtlichen Vorschriften über das Miteigentum nur die wenigsten auf die Sammeldepotgemeinschaft passen37. Wie in Deutschland wurde großer Wert auf die Beachtung des sachenrechtlichen Spezialitätsprinzips gelegt, demzufolge es dingliche Rechte nur an einzelnen Sachen, nicht an Sachgesamtheiten geben kann38. Auf welcher Grundlage – Gesetz, Depotvertrag oder beides zusammen – und in welchem Zeitpunkt das Miteigentum zur Entstehung kam, war allerdings bis zuletzt umstritten39. 35  BGE 112 II 406, 414 f.; ZK-ZGB/Zobl, Art.  727 Rn.  94b; Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  13; Baerlocher, in: Schweizerisches Privatrecht, Band VII/1, S.  647, 689; Mei­ er-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 393 („Miteigentum sui generis“). 36 Siehe statt vieler BGE 112 II 406, 415; ZK-ZGB/Zobl, Art.   727 Rn.  94d; BSK-OR I/Koller, Art.  484 Rn.  7; ferner Grathwohl, Organisation der Girosammelverwahrung, S.  116, der auf die funktionelle Vergleichbarkeit von Art.  484 Abs.  2 und 3 OR mit §  7 Abs.  1 DepotG hinweist. Im Fall der unberechtigten Vorenthaltung der Wertpapiere stand jedem Miteigentümer daneben die Vindikationsklage – in der Terminologie des schweizerischen Rechts: Eigentumsklage – aus Art.  641 Abs.  2 ZGB zu, die auch direkt gegen die SEGA/SIS gerichtet werden konnte. Ein obligatorischer Herausgabeanspruch des Hinterlegers unmittelbar gegen den Zentralverwahrer wurde hingegen überwiegend abgelehnt; siehe Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  11; Schlegel, Die schweizerische Effekten-Giro AG, S.  107 ff.; Egger, in: Forstmoser (Hrsg.), Rechtsprobleme der Bankpraxis, S.  109, 115 f.; einschränkend Guggenheim, Die Verträge der schweizerischen Bankpraxis, S.  76 f. (Restitutionsanspruch der Depotbank geht analog Art.  401 OR auf den Kunden über, sobald dieser seine Pflichten aus dem Hinterlegungsvertrag erfüllt hat). 37  Im Detail bestand allerdings auch hier keine Einigkeit. Nach Christoph Brunner, Wertrechte, S.  21 f. m. Fn.  83 waren mit Ausnahme von Art.  646 ZGB sämtliche Vorschriften über das Miteigentum unanwendbar, etwa die Art.  647 ff. ZGB über die Nutzung und Verwaltung, Art.  648 Abs.  2 ZGB über die (an die Zustimmung aller Miteigentümer gebundene) Verfügungsbefugnis eines Miteigentümers, Art.  649 ZGB über die Kostentragung, Art.  649b/c ZGB über den Ausschluß aus der Gemeinschaft und Art.  650/651 ZGB über die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft. Weniger strikt Schlegel, Die schweizerische Effekten-Giro AG, S.  90 ff. 38  Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 393. 39  Nach verbreiteter Meinung im Schrifttum entstand das Miteigentum im Zeitpunkt der Ver­ mengung. Als Grundlage dafür wurde jedoch nicht der gesetzliche Tatbestand des Art.  727 ZGB (Verbindung und Vermischung beweglicher Sachen) angesehen, sondern die hintereinandergeschalteten Depotverträge. Die darin jeweils enthaltene (und sich in der Regel aus den einschlägigen AGB ergebende) Ermächtigung des Verwahrers zur Haus- oder Drittsammelverwahrung wurde als Einwilligung des Hinterlegers i. S. von Art.  484 Abs.  1 OR interpretiert, das Girosammeldepot also als Vermengungsdepot i. S. des Lagergeschäfts eingeordnet. Auf diese Weise gelangte man zu einem auf vertraglicher Grundlage beruhenden, die allgemeinen Normen des ZGB über das Miteigentum verdrängenden Entstehungstatbestand. Gangbar war dieser Weg nur, weil man Art.  484 Abs.  1 OR trotz seiner Stellung im Abschnitt über das Lagergeschäft (Art.  482–486 OR) als Bestimmung des allgemeinen Hinterlegungsvertragsrechts auffaßte. Nur bei fehlender Zustimmung des Depotkunden oder mangelhafter vertraglicher Grundlage wurde analog Art.  727 ZGB die Entstehung von

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Auch was die Besitzverhältnisse am Girosammelbestand betrifft, entsprach die Rechtslage in der Schweiz derjenigen in Deutschland: Das Girosammelsystem wurde allgemein als mehrstufige Besitzmittlungspyramide angesehen (Art.  920 ZGB)40. In dieser Pyramide ist der Zentralverwahrer unmittelbarer unselbständiger Besitzer der in seinem Tresor lagernden Titel. Die Giroteilnehmer sind hinsichtlich ihrer Eigenbestände selbständige mittelbare Mitbesitzer, hinsichtlich der Kundenbestände unselbständige mittelbare Mitbesitzer erster Stufe. Die an der Basis der Verwahrungspyramide stehenden Anleger sind selbständige mittelbare Mitbesitzer zweiter Stufe. Zwar wurde auch vom schweizerischen Schrifttum gegen dieses Gebilde eingewendet, der Besitz des Anlegers an den sammelverwahrten Papieren sei bis zur Unkenntlichkeit verdünnt. Anders als in Deutschland wurde die Standfestigkeit der Besitzmittlungspyramide, soweit ersichtlich, aber von niemandem grundsätzlich in Frage gestellt41.

2.  Übertragung von Girosammelanteilen Zu den wenigen miteigentumsrechtlichen Vorschriften, die anerkanntermaßen auch auf die Girosammeldepotgemeinschaft Anwendung fanden, zählte Art.  646 Abs.  3 ZGB. Danach hat jeder Miteigentümer „für seinen Anteil die Rechte und Pflichten eines Eigentümers, und es kann dieser Anteil von ihm veräussert und verpfändet und von seinen Gläubigern gepfändet werden“. Wie sich aus dieser Regelung ergibt, stellt der Miteigentumsanteil ein selbständiges Vermögensobjekt dar, auf das diejenigen Normen anwendbar sind, die für die im Miteigentum stehenden Sachen gelten. Die Übertragung von Girosammelanteilen richtete sich folglich nach den gleichen Regeln wie die Übertragung der sammelverwahrten Wertpapiere selbst42 . Bevor diese Regeln rekapituliert werden, soll ein kurzer Blick auf die schuldrechtliche Beziehung zwischen Bank und Kunde im Effektenhandel geworfen werden. Miteigentum kraft Gesetzes angenommen; so ZK-ZGB/Zobl, Art.  727 Rn.  94d; Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  14/15; Grathwohl, Organisation der Girosammelverwahrung, S.  116 ff.; Jenny, Vermengung von Wertpapieren, S.  62 ff.; Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 126; dem folgend die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9326 f. Nach Schlegel, Die schweizerische Effekten-Giro AG, S.  82 ff., 85 entstand das Miteigentum zwar ebenfalls auf depotvertraglicher Grundlage, aber bereits mit der Einlieferung der Wertpapiere zur Hinterlegung. Wieder anders Baerlocher, in: Schweizerisches Privatrecht, Band VII/1, S.  647, 689, der von einem doppelten Entstehungsgrund (Gesetz und Vertrag) ausging und als maßgebenden Zeitpunkt den Abschluß des Vertrages ansah, d. h. die Ermächtigung zur Vermengung. Für Eigentumsentstehung ex lege im Zeitpunkt der Vermengung hingegen Liver, in: Schweizerisches Privatrecht, Band V/1, S.  58 f.; Christoph Brunner, Wertrechte, S.  20 f. (Art.  727 ZGB analog). 40  Liver, in: Schweizerisches Privatrecht, Band V/1, S.   386; Christoph Brunner, Wertrechte, S.  22 f.; Schlegel, Die schweizerische Effekten-Giro AG, S.  95, 99 f.; Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 33; Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 396. 41 Siehe Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 396, der trotz seines Einwandes die Feststellung trifft, ein Besitz des Veräußerers existiere natürlich (!) auch bei der Sammelverwahrung. 42  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  23 f.; Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 395.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

a)  Exkurs: Die Effektenkommission aa)  Rechtsverhältnis zwischen Effektenhändler und Kunde Beauftragt ein Kunde einen Effektenhändler mit dem Kauf oder Verkauf von Kapitalmarktwerten, so kommt auch nach schweizerischem Verständnis in aller Regel ein Kommissionsvertrag (Art.  425 ff. OR) zustande43. Von einer gewöhnlichen Stellvertretung ist nach Meinung des Bundesgerichts nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen Vereinbarung oder besonderer Anhaltspunkte auszugehen44 . Anders als in Deutschland kommt in der Schweiz aber nicht der einfachen Effektenkommission, sondern der Effektenkommission mit Selbsteintritt die größte praktische Bedeutung zu45. Die zivilrechtliche Grundlage dafür bildet Art.  436 OR: Danach ist der Kommissionär zum Selbsteintritt befugt, sofern es um den Ein- oder Verkauf von Waren, Wechseln und Wertpapieren geht, die einen Börsen- oder Marktpreis haben. Auch börsengesetzlich stehen dem Selbsteintritt keine grundsätzlichen Bedenken entgegen: Art.  11 Abs.  1 lit.  b. BEHG verpflichtet den Effektenhändler zur bestmöglichen Erfüllung des Kundenauftrags (best execution)46, legt ihn aber nicht auf eine bestimmte Form der Ausführung fest. Die Verhaltensregeln für Effektenhändler erkennen denn auch das Recht zum Selbsteintritt unter der Voraussetzung an, daß der Selbsteintritt nach den Regeln des betreffenden Marktes zulässig ist und dem Kunden nicht zum Nachteil gereicht47. Meldet der Effektenhändler dem Kunden die Ausführung des Auftrags – die Pflicht zur Ausführungsanzeige ergibt sich aus Art.  426 Abs.  1 Alt.  2 OR –, ohne eine andere Person als Kontrahenten namhaft zu machen, so besteht gemäß Art.  437 OR die (widerlegliche) Vermutung des Selbsteintritts48. Durch den Selbsteintritt wird ein vertraglicher Mischtatbestand geschaffen, der Elemente des Kommissionsrechts (z. B. Anspruch auf Provision und Auslagenersatz, Sorgfalts-, Treue-, Rechenschaftsund Ablieferungspflicht) und des Kaufrechts (z. B. Gewährleistungspflicht) enthält49. Je nach Art der Auftragsausführung ist zwischen dem echten und dem technischen Selbsteintritt zu unterscheiden. Vom echten Selbsteintritt spricht man, wenn der Ef43  Siehe statt vieler BSK-OR I/Lenz/von Planta, Art.  4 25 Rn.  2; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1215. Zwar können nach dem Wortlaut von Art.  425 Abs.  1 OR nur bewegliche Sachen oder Wertpapiere Gegenstand einer Einkaufs- oder Verkaufskommission sein. Unverbriefte Titel werden jedoch Wertpapieren gleichgestellt. 44  BGE 41 II 571, 573. 45  BSK-OR I/Lenz/von Planta, Art.  436 Rn.  6; Urs Philipp Roth, in: Hertig u. a. (Hrsg.), BEHG, Art.  11 Rn.  124; Rüegg, Effektenbörsenauftrag, S.  78; Nobel, in: Festschrift für Giger, S.  527, 535. Der Selbsteintritt wird u. a. mit dem Bankgeheimnis begründet und soll auch verhindern, daß der Kunde von seinem Recht Gebrauch macht, das Abschlußdokument mit der effektiven Gegenpartei einzusehen; siehe Watter, in: Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1994, S.  181, 183 f. 46  Zur Doppelfunktion von Art.  11 BEHG als aufsichts- und zivilrechtliche Norm Zobl/Kra­ mer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  796 m. w. N. 47  Art.  5 Abs.  2 der Verhaltensregeln für Effektenhändler bei der Durchführung des Effektenhandelsgeschäftes, Richtlinien der SBVg vom 22. Januar 1997. 48  Näher dazu BSK-OR I/Lenz/von Planta, Art.  437 Rn.  3. 49  Einzelheiten bei Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1231–1234 m. w. N.

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fektenhändler die Titel direkt aus dem Eigenbestand (Nostrobestand) liefert bzw. die Titel für den Eigenbestand übernimmt. Um einen technischen Selbsteintritt handelt es sich, wenn der Effektenhändler gegenüberstehende Kundenaufträge intern kompensiert (Internalisierung) oder über die Börse ausführt, ohne die jeweilige Gegenpartei namhaft zu machen (vgl. Art.  437 OR)50. Die SIX Swiss Exchange kann für einzelne Handelssegmente eine Börsenpflicht vorsehen, die den Teilnehmer dazu verpflichtet, während der Handelszeit Aufträge ausschließlich im Auftragsbuch auszuführen51. Soweit die Börsenpflicht reicht, sind der echte Selbsteintritt und die Internalisierung, die früher vor allem bei den großen Banken üblich war52 , grundsätzlich ausgeschlossen53. Zulässig (und der Regelfall) ist im Rahmen der Börsenpflicht allein der technische Selbsteintritt in der Variante des Art.  437 OR, der im übrigen auch bei vielen außerbörslichen (OTC)-Geschäften praktiziert wird. Dagegen werden Kundenaufträge über im Ausland gehandelte Effekten in der Regel nach den Grundsätzen der einfachen Kommission ohne Selbsteintritt i. S. der Art.  425 ff. OR ausgeführt54 . Unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Ausführung des Kundenauftrags ist die Frage, ob eine einfache Kommission oder eine Kommission mit Selbsteintritt vorliegt, nicht von wesentlicher Bedeutung. Denn in allen Fällen muß der Effektenhändler dem Kunden den effektiv bezahlten bzw. erlösten Kurs abrechnen. Eine Benachteiligung des Kunden durch einen sog. Kursschnitt ist verboten. Beim echten Selbsteintritt sind jedoch Handelsgewinne aus Kursschwankungen zulässig; es ist dem Effektenhändler grundsätzlich nicht verwehrt, aus Eigenbeständen Wertpapiere abzugeben, die zu einem früheren Zeitpunkt zu einem günstigeren Preis gekauft wurden55. bb)  Eigentumsverhältnisse am Kommissionsgut Da das schweizerische Recht keine den §§  18, 24 DepotG vergleichbaren Sondertatbestände kennt, beurteilt sich die Frage, nach welchen Regeln, zwischen welchen Parteien und zu welchem Zeitpunkt das Eigentum an den Wertpapieren auf den Kunden übergeht, nach den allgemeinen Vorschriften. Bei der Einkaufskommission besteht der Grundsatz, daß der Kommissionär zunächst selbst das Eigentum an den geliefer50 BSK-OR I/Lenz/von Planta, Art.   436 Rn.  2 u. 6; Urs Philipp Roth, in: Hertig u. a. (Hrsg.), BEHG, Art.  11 Rn.  124; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1225; Thalmann, in: Liber amicorum für Bühler, S.  27, 40. Die Terminologie ist jedoch uneineinheitlich; abweichend etwa Christoph Brunner, Wertrechte, S.  229 in Fn.  41 und Rüegg, Effektenbörsenauftrag, die zwischen dem formalen, wirtschaftlichen und fiktiven Selbsteintritt unterscheiden. 51  Ziffer 4.5 Abs.  1 des Handelsreglements der SIX Swiss Exchange. Die Einzelheiten sind in „Weisung 3: Handel“ vom 30. Juni 2016 geregelt. 52  Boemle/Gsell, Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, Stichwort „Selbstkontrahieren im Effektenhandel“ (S.  951 f.). 53  So wohl auch BSK-OR I/Lenz/von Planta, Art.  436 Rn.  6a. 54  Urs Philipp Roth, in: Hertig u. a. (Hrsg.), BEHG, Art.  11 Rn.  127/128; ders., in: Festschrift für Kleiner, S.  1, 18 und 21. 55  BSK-OR I/Lenz/von Planta, Art.  436 Rn.  6; Urs Philipp Roth, in: Hertig u. a. (Hrsg.), BEHG, Art.  11 Rn.  129; Nobel, in: Festschrift für Giger, S.  527, 535 und 537 ff.

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ten Sachen erwirbt und der Kommittent erst in dem Moment das Eigentum daran erlangt, in dem der Kommissionär seiner Ablieferungspflicht aus Art.  400 Abs.  1 Alt.  2 OR nachkommt. Besteht zwischen den Kommissionsparteien ein besonderes Rechtsverhältnis wie beispielsweise ein Hinterlegungs- oder Depotvertrag, können sie allerdings die Übertragung des unmittelbaren Besitzes durch ein (antezipiertes) Besitzeskonstitut (Art.  924 Abs.  1 ZGB) ersetzen und so die Voraussetzung dafür schaffen, daß der Kommittent direkt mittelbarer Besitzer und Eigentümer des Kommissionsguts wird56. Im Effektengeschäft bereitet die Annahme eines entsprechenden Parteiwillens in der Regel keine Probleme57. Das gilt für die schlichte Einkaufskommission ebenso wie für den Fall des Selbsteintritts58. Bei der Verkaufskommission ohne Selbsteintritt läßt sich das Schrifttum von der Erwägung leiten, daß das Eigentum so lange wie möglich beim Kunden verbleiben und dem Effektenhändler nur das Mindestmaß an Rechten zugestanden werden sollte, das er zur pflichtgemäßen Ausführung seines Auftrags benötigt. Folgerichtig geht es davon aus, daß der Effektenhändler kein Zwischeneigentum an den Wertpapieren erwirbt. Aus dem Kommissionsvertrag soll sich lediglich die Ermächtigung des Effektenhändlers ergeben, dem Erwerber im eigenen Namen das Eigentum an den Wertpapieren zu verschaffen (Art.  425 Abs.  2 i. V. m. Art.  396 Abs.  2 OR)59. In der Konsequenz dieser Ansicht liegt es, einen Zwischenerwerb des Effektenhändlers auch bei der Verkaufskommission mit Selbsteintritt zu verneinen. Dafür spricht auch, daß der Kunde in der Regel den Fall des Selbsteintritts nicht von der regulären Kommission unterscheiden kann. Vielmehr wird er die allgemeine Vorstellung haben, daß der Effektenhändler die Titel „für ihn verkauft“60. Unter diesen Umständen ist anzunehmen, daß sein Wille auf die Übertragung des Eigentums an die Gegenpartei gerichtet ist61. Zobl/Kramer halten diese Auffassung für fraglich. Sie begründen ihre Skepsis mit Art.  436 Abs.  3 OR, der bestimmt, daß das Geschäft für den Fall des Selbsteintritts „im Übrigen“, d. h. soweit es nicht um die in Art.  436 Abs.  2 OR geregelten Abrechnungsmodalitäten geht, als Kaufvertrag zu behandeln ist62 . Art.  436 Abs.  3 OR läßt aber keine Rückschlüsse auf die dingliche Rechtslage zu. Sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrer systematischen Stellung bezieht sich die Vorschrift allein auf die obligatorische Seite des Geschäfts. 56 

Hofstetter, Schweizerisches Privatrecht VII/6, S.  204. Nach BSK-OR I/Lenz/von Planta, Art.  434 Rn.  2 ist der Eigentumserwerb des Kunden soweit wie möglich zu vermuten, da er das wirtschaftliche Risiko der Transaktion trägt; siehe ferner Wat­ ter, in: Festgabe zum Schweizerischen Juristentag, S.  181, 187. 58  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1219, 1236. 59  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.   1221; allgemein BSK-OR I/Lenz/von Planta, Art.  434 Rn.  4; Hofstetter, Schweizerisches Privatrecht VII/6, S.  204; Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, S.  376; a. A. noch BK-Gautschi, Art.  434 OR Rn.  2a. 60  Vgl. für das deutsche Recht Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1999. 61  Watter, in: Festgabe zum Schweizerischen Juristentag, S.  181, 187 f. 62  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  1238. Bei dem dort genannten Gesetzeszitat („Art.  436 II OR“) dürfte es sich um ein Redaktionsversehen handeln. 57 

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b)  Erwerb vom Berechtigten Wie bereits erwähnt, richtete sich die Übertragung von Girosammelanteilen im alten System nach den gleichen Regeln wie die Übertragung der sammelverwahrten Wertpapiere selbst (vgl. Art.  646 Abs.  3 ZGB). Eine wirksame Übereignung von Girosammelanteilen setzte somit dreierlei voraus63: –  den Abschluß eines gültigen Verpflichtungsgeschäfts64, –  die Übertragung des Besitzes an der Urkunde auf den Erwerber (Art.  967 Abs.  1 OR i. V. m. Art.  714 Abs.  1, 922–924 ZGB), und –  die Verfügungsmacht des Veräußerers, deren Fehlen allerdings mit Hilfe der Bestimmungen über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten (Art.  714 Abs.  2 i. V. m. Art.  935 ZGB) überwunden werden konnte. Damit stand man auch in der Schweiz vor dem Problem, eine Besitzübertragung annehmen zu müssen, obwohl eine körperliche Bewegung von Wertpapieren im Effektengiroverkehr gerade unterbleibt. Das Schrifttum behalf sich mit einem Rückgriff auf die im Sachenrecht anerkannten Traditionssurrogate, wobei es zwischen verschiedenen Konstellationen differenzierte: So ging es in dem Fall, daß eine Depotbank die von ihrem Kunden veräußerten Wertpapiere im Wege des Selbsteintritts selbst erwirbt, von einer – im schweizerischen Recht nicht explizit geregelten – Besitzwandlung (brevi manu traditio) aus, also davon, daß die Bank ihren mittelbaren, unselbständigen Besitz in mittelbaren, selbständigen Besitz umwandelt65. Der Erwerb von Wertpapieren durch einen Kunden aus dem Eigenbestand der Bank wurde als Fall des Besitzkonstituts (Art.  924 Abs.  1 ZGB) betrachtet, d. h. als Fall, in dem die Bank aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses (Depotvertrag) von einer selbständigen zu einer unselbständigen Besitzerin wird66. Teilnehmerinterne Umbuchungen – ein Kunde veräußert Wertpapiere an einen anderen Kunden derselben Bank – wurden ebenso als Fall des Besitzkonstituts oder als Fall der Besitzanweisung eingeordnet, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der mittelbare Besitzer den unmittelbaren Besitzer anweist, künftig einer anderen Person den Besitz zu vermitteln67. Auf die Besitzanweisung griff man schließlich auch zurück, um teilnehmerübergreifende Übertragungen zu erklären. Angewiesener Dritter i. S. von Art.  924 Abs.  1 Alt.  1 ZGB war danach der Zentralverwahrer als unmittelbarer Besitzer der Wertpapiere68. Für all diese Konstellationen ging das Schrifttum davon aus, daß der Besitz 63 

Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  2 Rn.  155 ff. Im schweizerischen Recht gilt das Kausalitätsprinzip, d. h. die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts hängt von der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäft ab; siehe dazu BSK-ZGB II/Schwander, Art.  714 Rn.  3; Liver, in: Schweizerisches Privatrecht, Band V/1, S.  320 f.; Tuor/Schnyder/Jörg Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, S.  906 m. N. zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung. 65  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  24. 66 Berner Kommentar/Stark, Art.  924 Rn.  4 4a; Rey, Grundlagen des Sachenrechts, Rn.   1725; Christoph Brunner, Wertrechte, S.  24. 67  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  24 f. 68  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  25. 64 

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und damit auch das Eigentum im Zeitpunkt des Abschlusses des Besitzvertrages auf den Erwerber übergehen. Bei teilnehmerinternen Übertragungen war somit auf den Zeitpunkt der internen Umbuchung, bei teilnehmerübergreifenden Transaktionen auf den Abschluß des Buchungsvorgangs beim Zentralverwahrer abzustellen69. Obwohl über die Börse ausgeführte Kaufaufträge auch in der Schweiz in der Regel schon am Abschlußtag (T+0) auf dem Konto des auftraggebenden Kunden verbucht werden, bestand Einigkeit darin, daß das Miteigentum erst am Settlementtag (früher: T+3) auf den Kunden übergeht70. c)  Erwerb vom Nichtberechtigten Ein mit dem deutschen Ansatz vergleichbarer Lösungsweg wurde auch bei der Frage des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten beschritten. Dieser richtet sich bei Inhaberpapieren nach Art.  714 Abs.  2 i. V. m. Art.  933 und 935 ZGB, bei Orderpapieren nach Art.  1006 Abs.  2, Art.  1112 bzw. Art.  1152 Abs.  2 OR. Der gute Glaube muß sich auf die Verfügungsbefugnis des Veräußerers beziehen. Rechtsscheinbasis ist der Besitz an der Urkunde, bei Orderpapieren zusätzlich die (lückenlose) Indossamentenkette71. Auch in der Schweiz ist sich das Schrifttum, soweit es sich überhaupt mit dieser Frage auseinandersetzt, darin einig, daß der mittelbare Mitbesitz an einer Sachgesamtheit keine geeignete Rechtsscheinbasis abgibt, weil er nichts über die Größe des Miteigentumsanteils aussagt72 . Um gleichwohl den gutgläubigen Erwerb von Girosammelanteilen zu ermöglichen, wurde vorgeschlagen, die Depotbuchung im Wege der Rechtsfortbildung als Rechtsscheintatbestand anzuerkennen. Nach diesem zumindest im Ausgangspunkt mit der deutschen Konzeption übereinstimmenden Ansatz ist von einer – ggf. gegen den Kunden wirkenden – Bösgläubigkeit der Erwerberbank auszugehen, wenn der Veräußerer im Buchungssystem der Bank bzw. (bei einer teilnehmerübergreifenden Transaktion) des Zentralverwahrers nicht buchmäßig eingetragen ist bzw. wenn die Bank nicht auf die Richtigkeit der Eintragung vertrauen darf73. Daß sich gegen diese Form der Rechtsfortbildung methodische Vorbehalte geltend machen ließen, wurde eingeräumt. Ein Problem wurde insbesondere darin gesehen, daß der Effektengiroverkehr in der Schweiz eine reine Erscheinung der Praxis war. Mit dem Hinweis auf den mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers ließ sich die Aufwertung der Depotbuchung zum Rechtsscheinträger daher nicht rechtfertigen74 . Es fehlte denn auch nicht an Stimmen, welche die Um69 So Christoph Brunner, Wertrechte, S.  25 f. mit dem Hinweis, daß dem Buchungsvorgang an sich bloß beweismäßige Bedeutung zukomme, die Erfüllung nach dem präsumtiven Parteiwillen aber erst bei Vornahme der Umbuchungen eintreten solle. Einschränkend Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 34, der den Buchungen durch die Depotbanken bzw. den Zentralverwahrer bloß deklaratorische Bedeutung beimaß. 70  Bertschinger, AJP 1995, 426, 429. 71  Zu den Einzelheiten Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  4 Rn.  11 ff. 72  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  31 f.; Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 396. 73  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  33 ff. 74  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  36.

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stellung vom einen zum anderen Publizitätsmittel für die vornehmliche Aufgabe des Gesetzgebers hielten75. Vereinzelt wurde auch bestritten, daß der Effektengiroverkehr auf die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten überhaupt angewiesen ist, und die in diesem Zusammenhang bemühten Konstruktionen für „überflüssig“ erklärt76.

3. Verpfändung Die Verpfändung von Girosammelanteilen77 richtete sich nach den Vorschriften über das Fahrnispfand. Sie setzte den Abschluß eines formlosen Pfandvertrages zwischen Schuldner und Pfandgläubiger sowie die Übertragung des Besitzes an den Wertpapieren auf den Pfandgläubiger voraus (Art.  884 Abs.  1 ZGB). Über das Problem, daß eine körperliche Übergabe sammelverwahrter Wertpapiere ausscheidet, half sich das schweizerische Recht auch in diesem Zusammenhang durch einen Rückgriff auf Traditionssurrogate hinweg. So wurde die Verpfändung von Girosammelanteilen zugunsten der Depotbank als Fall der Besitzwandlung (brevi manu tra­ ditio) aufgefaßt, d. h. als Umwandlung des mittelbaren unselbständigen Besitzes er­ ster Stufe in mittelbaren Pfandbesitz. Der Depotinhaber blieb mittelbarer Besitzer zweiter Stufe, allerdings mit der Modifikation, daß seinem Verfügungsrecht und Herausgabeanspruch nunmehr das Pfandrecht der Bank entgegenstand78. Zur Verpfändung an einen Dritten bedurfte es einer Anweisung an die Depotbank, die Wertpapiere künftig für diesen Gläubiger zu besitzen (Besitzanweisung, Art.  924 Abs.  1 ZGB). Insoweit stand man auch in der Schweiz vor der Frage, ob die Wirksamkeit des Besitzübergangs von der Anzeige an die Girozentrale (SIS) abhing oder (nur) die Depotbank des Verpfänders als „Dritte“ i. S. von Art.  924 Abs.  2 ZGB anzusehen war. Das Meinungsbild im Schrifttum war geteilt79. Mit der Frage, welche buchungstechnischen Anforderungen an die Verpfändung von Girosammelanteilen zu stellen waren, pflegte sich das Schrifttum nicht auseinanderzusetzen. Die einzige Ausnahme 75 

Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 398. Kleiner, SZW 1995, 290, 293; in die gleiche Richtung Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 134, die meinten, man brauche der (wegen der Entmaterialisierung der Wertpapiere) verlorengegangenen Übertragungs- und Verkehrsschutzfunktion nicht nachzutrauern, weil für den Kunden nicht der Besitz an den Wertpapieren, sondern das Vertrauen in die eigenen Bank im Vordergrund stehe und er sich in aller Regel darauf verlassen könne, daß die für ihn verbuchten Wertpapiere auch tatsächlich bei der Girosammelstelle vorhanden sind. 77 Nach BK-Zobl, Art.   884 ZGB Rn.  131 konnte der Kunde alternativ seinen obligatorischen oder dinglichen Herausgabeanspruch gegen die Bank verpfänden. 78 BK-Zobl, Art.  884 ZGB Rn.  132 u. 681; Oftinger/Bär, Anhang zu Art.  9 01 ZGB, Rn.  6; Chri­stoph Brunner, Wertrechte, S.  249. 79  Eine Anzeige an die depotführende Bank hielten mit guten Gründen für ausreichend Liver, Gutachten für die Schweizerische Bankiervereinigung über das Effekten-Giro-Sammeldepot-Sy­ stem vom 19. Juli 1963, S.  11; BK-Zobl, Art.  884 ZGB Rn.  132 u. 700; a. A. ZK-Oftinger/Bär, Anh. zu Art.  901 ZGB, Rn.  6; Grathwohl, Die eigentumsrechtliche Organisation der Girosammelverwahrung, S.  142. 76 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

bildete Brunner. Er forderte mit guten Gründen einen nach außen tretenden Zuordnungsakt in Form eines buchmäßigen Verpfändungsvermerks und einer entsprechenden Anmerkung im Depotauszug, da es ansonsten an der sachenrechtlich erforderlichen Spezifikation des Verfügungsgegenstandes fehle80.

III. Globalurkunden 1. Entwicklung Die Globalurkunde hat sich in der Schweiz erst verhältnismäßig spät als Instrument der Rationalisierung im Effektenwesen durchgesetzt. Bis in die 1990er Jahre kam sie praktisch nur bei Privatplazierungen von Notes und Warrants zum Einsatz81. Dies hatte seinen Grund nicht etwa in zivilrechtlichen Restriktionen für die Emission von Aktien und Anleihensobligationen82 , sondern in börsenrechtlichen Vorgaben. Bis zum Inkrafttreten des BEHG galten für die damaligen Präsenzbörsen in Zürich, Basel und Genf die gesetzlichen Vorschriften des jeweiligen Heimatkantons. Da das Basler Börsengesetz und das Zürcher Wertpapiergesetz sowie die darauf beruhenden Kotierungsbestimmungen an den Wertpapierbegriff des Art.  965 OR83 anknüpften, konnten an den dortigen Börsen nur in effektiven Einzelstücken lieferbare Emissionen zum Handel zugelassen werden. Nur an der Genfer Börse wäre der Handel mit globalverbrieften Titeln kotierungsrechtlich möglich gewesen84 . Um den Rationalisierungswünschen der Praxis entgegenzukommen, erließ die Schweizerische Zulassungsstelle85 im Herbst 1991 eine Richtlinie, welche die Kotierung von Valoren in Form technischer Globalurkunden erlaubte, bei denen jeder Investor das Recht behält, jederzeit die Auslieferung von Einzelstücken zu verlangen. Die Vereinbarkeit mit den kantonalen Rechtsgrundlagen begründete sie damit, auch bei dieser Verkörperungsform existiere ein Wertpapier, da „eine Urkunde – wenn auch lediglich eine einzige – zur Verbriefung der Einzelrechte vorhanden ist“86. Das war einerseits ein 80  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  249 ff., 253 (bezogen auf die Verpfändung zugunsten der depotführenden Bank). 81  Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 128. 82  Die neuere Lehre geht davon aus, daß Anleihensobligationen (Art.  1156 ff. OR) nicht in einzelnen Wertpapieren verbrieft werden müssen, sondern auch als Wertrechte (und folglich auch in Form von Globalurkunden) ausgegeben werden können; so ausdrücklich Christoph Brunner, Wertrechte, S.  46 f.; Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S.   23 ff. m. Nachw.; implizit auch BSK-Wertpapierrecht/Watter, Art.  1156 OR Rn.  2; zur Rechtslage bei Aktien siehe unter IV 3 b). 83  „Wertpapier ist jede Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere übertragen werden kann.“ 84  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  4 2; Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 128. 85  Die Schweizerische Zulassungsstelle war seit Mitte 1991 das offizielle Kotierungsorgan der Börsen von Basel, Genf und Zürich; Christoph Brunner, Wertrechte, S.  42 in Fn.  187. 86 Erläuterungen zur Richtlinie betreffend Kotierbarkeit von technischen Globalurkunden vom 18. November 1991, zitiert nach Henckel von Donnersmarck, Kotierung, S.  211.

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klarer Bruch mit dem bisherigen Verständnis des Wertpapierbegriffs, andererseits inkonsequent, denn mit dieser Begründung hätten auch in Dauerglobalurkunden verbriefte Titel für kotierungsfähig erklärt werden können87. Weil dauerglobalverbriefte Rechte nach wie vor vom Börsenhandel ausgeschlossen waren, blieb die Rechtslage unbefriedigend. Das änderte sich erst am 15. Mai 1995, als eine neue Richtlinie der Schweizer Zulassungsstelle in Kraft trat, in der auch der vollständige Verzicht auf den Druck effektiver Stücke für zulässig erklärt wurde88. Ausgelöst und ermöglicht wurde dieser Durchbruch durch den Umstand, daß der Kanton Zürich zwischenzeitlich sein Wertpapiergesetz geändert und im Zuge dessen unverbriefte, massenweise handelbare Titel den Wertpapieren gleichgestellt hatte, was eine entsprechende Anpassung der einschlägigen Börsenreglemente zur Folge hatte89. Hinzu kam, daß die Bundesversammlung der Schweiz am 24. März 1995 das neue, an die Stelle der kantonalen Erlasse tretende BEHG verabschiedet hatte90, mit dem Wertrechte ebenfalls als Handelsgegenstände anerkannt wurden91. Es erschien daher nur konsequent, auch die Dauerglobalverbriefung von Valoren zuzulassen. Heute ergibt sich die kotierungsrechtliche Zulässigkeit der Verbriefung von Kapitalmarkttiteln in Dauerglobalurkunden indirekt aus Art.  17 Abs.  1 des Kotierungsreglements (KR) der SIX Swiss Exchange vom 1. Januar 2016. Er bestimmt in Satz  1, daß Effekten im Zeitpunkt der Kotierung in Übereinstimmung mit dem für den Emittenten geltenden Recht ausgegeben worden sein müssen, und stellt in Satz  2 klar, daß sich auch die Form der Effekten nach dem auf sie und den Emittenten anwendbaren Recht richtet. Die Einzelheiten (z. B. Inhalt und Form der Globalurkunde, Anpassung bei der Ausübung von Options- oder Wandelrechten usw.) sind in der auf der Grundlage von Art.  17 KR erlassenen „Richtlinie betr. Ausgestaltung von Effekten“ vom 4. April 2013 geregelt. Diese Richtlinie schreibt in Art.  10 auch vor, daß Globalurkunden auf Dauer bei einer von der SIX Swiss Exchange anerkannten Sammelverwahrungsorganisation zu hinterlegen sind. Außerdem gibt sie in Art.  15 dem Federführer bzw. der Hauptzahlstelle einer Emission von Obligationen und Derivaten auf, vertragliche Vorkehrungen für den Druck von Einzelurkunden zu treffen. Dabei soll ausschließlich der Federführer bzw. die Hauptzahlstelle das Recht haben, den Druck und die Auslieferung von Einzelurkunden zu veranlassen, wenn dies für notwendig oder nützlich erachtet wird oder wenn aufgrund von in- oder ausländischen Rechtsvorschriften die Vorlage von Einzelurkunden für die Durchsetzung von Rechten verlangt wird, z. B. im Fall des Konkurses oder der Sanierung des Emittenten. Wie diese Vorschrift erkennen läßt, kommen Dauerglobalurkunde in der heuti87  Kritisch denn auch Christoph Brunner, Wertrechte, S.  43 f.; Henckel von Donnersmarck, Kotierung, S.  211 f. 88  Richtlinie betreffend die Kotierbarkeit von Globalurkunden vom 28. März 1995. 89  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  45; Henckel von Donnersmarck, Kotierung, S.  212 f. 90  Das Gesetz ist am 1. Februar 1997 in Kraft getreten. Die Aufhebung der kantonalen Erlasse ist in Art.  48 BEHG geregelt. 91  Siehe den früheren Art.  2 lit.  a . BEHG; näher dazu unter 4.

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gen Praxis hauptsächlich bei der Emission von Anleihensobligationen zum Einsatz. Die Ausgabe von Einzelurkunden ist hier die absolute Ausnahme92 . Aber auch kotierte Inhaberaktien93 werden in Dauerglobalurkunden zusammengefaßt94.

2.  Eigentums- und Besitzverhältnisse Auch die Girosammelverwahrung von Globalurkunden beruhte im alten schweizerischen Recht auf einem sachenrechtlichen Konzept: Die Anleger waren Miteigentümer der Urkunde im Verhältnis der von ihnen gehaltenen Rechte zum Gesamtbestand. Die Miteigentumskonstruktion war ausdrücklich in den einschlägigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Börsenregularien verankert95 und trotz aller Unterschiede in der dogmatischen Begründung auch im Schrifttum anerkannt96. Ob die Giroteilnehmer und Endkunden auch als mittelbare Mitbesitzer der Globalurkunde erster bzw. zweiter Stufe angesehen werden konnten – daß die SIS unmittelbare unselbständige Besitzerin der bei ihr hinterlegten Globalurkunden ist, stand und steht außer Frage –, wurde allerdings wie in Deutschland nicht einheitlich beurteilt. Die Antwort auf diese Frage fiel in der Schweiz deshalb schwerer, weil dort, wie bereits angemerkt, weder für die Sammelverwahrung einzelverbriefter Effekten noch für diejenige von Globalurkunden eine spezielle Grundlage existierte. Das Argument, das Bestehen einer mehrstufigen Besitzleiter entspreche dem Willen des Gesetzgebers, schied daher von vornherein aus97. Ein Teil des Schrifttums hielt ungeachtet dessen die sachenrechtlichen Regeln über die Übereignung und Verpfändung auch im Fall der Globalverbriefung für anwendbar und ging damit stillschweigend vom Bestehen einer mehrstufigen Besitzmittlungspyramide aus98. Kritik an dieser Auffassung wurde namentlich von Brunner geübt. Seiner Meinung nach setzt ein Besitzmittlungsverhältnis auch nach schweizerischem Recht einen Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers gegen seinen Besitzmittler voraus. Da ein solcher Herausgabeanspruch bei der Dauerglobalurkunde aber „offen-

92  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  4 6; Bösch, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Reform des Schuld­ verschreibungsrechts, S.  189, 192. 93  Zur rechtstatsächlichen Verbreitung von Inhaberaktien in der Schweiz siehe Spoerlé, Inhaberaktie, Rn.  47 ff. 94  Huber/Hodel/Staub Gierow, Praxiskommentar zum Kotierungsrecht der SWX, Art.  22 Rn.  5. 95  Und ist dies teilweise auch heute noch, siehe Art.  6 Abs.  1 Satz  2 der „Richtlinie betr. Ausgestaltung von Effekten“ vom 4. April 2013. 96 Ausführlich Christoph Brunner, Wertrechte, S.   50 ff.; ferner Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  545; Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 34 f.; Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 128. 97  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  50 in Fußn.  229. 98  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  545; Huber/Hodel/Staub Gierow, Praxiskommentar zum Kotierungsrecht der SWX, Art.  22 Rn.  2; Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  26; Rickenbacher, Globalurkunden und Bucheffekten, S.  196 f.; Kuhn, in: Baums/ Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 35.

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kundig“ nicht bestehe, gebe es auch keinen mittelbaren Besitz99. Was die technische Globalurkunde betrifft, machte Brunner sich den Einwand Einseles zu eigen, der Anspruch des Anlegers auf jederzeitige Auslieferung von Einzelstücken könne nicht die tatsächliche Sachherrschaft über die Globalurkunde substituieren, weil die Einzelurkunde nicht genau das Korrelat des Miteigentumsrechts an der Globalurkunde darstelle100. Die Übereignung von Girosammelanteilen mittels Besitzübertragung war bei dieser Sichtweise ausgeschlossen. Unter Rückgriff auf die Grundsätze über die Übereignung besitzloser Sachen hielt Brunner allerdings eine Übertragung durch schlichte (formfreie) Einigung über den Eigentumsübergang für zulässig101.

IV. Wertrechte 1. Begriff Anders als das deutsche Recht verfügt das schweizerische seit Mitte der 1990er Jahre über eine Legaldefinition des Begriffs „Wertrecht“. Sie war zunächst in Art.  2 lit.  a BEHG enthalten, der den Begriff „Effekten“ definierte und darunter „vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere, nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion (Wertrechte) und Derivate“ verstand. Seinem in Art.  1 umschriebenen Zweck gemäß, die Anleger zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Effektenmärkte zu gewährleisten102 , folgte das BEHG in Art.  2 lit.  a einem weiten Effektenbegriff und einem engen Wertrechtsbegriff: Um als Effekten eingeordnet zu werden, müssen Forderungs- und Mitgliedschaftsrechte vereinheitlicht und zum massenweisen Handel geeignet, aber nicht in Urkunden verkörpert sein. Um als Wertrechte eingeordnet zu werden, müssen (unverbriefte) Forderungs- und Mitgliedschaftsrechte die gleiche Funktion wie vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere aufweisen. Indem das BEHG den Effektenbegriff − im Sinne einer Empfehlung von Canaris103 – auf unverbriefte Kapitalmarktwerte ausdehnte104, präsentierte es sich fortschrittlicher als das deutsche WpHG, das zwar ebenfalls nach Art eines funktionalen Ansatzes Wertrechte als Handelsobjekte aner99 

Christoph Brunner, Wertrechte, S.  47 ff. Christoph Brunner, Wertrechte, S.  49 unter Berufung auf Einsele, Wertpapierrecht als Schuld­ recht, S.  80 ff., 88. 101  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  53 f. m. Nachw. zur Rechtslage in Deutschland; dem folgend Bösch, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S.  189, 192. 102  Dazu BSK-BEHG/Watter, Art.  1 Rn.  9 –14. 103  Bankvertragsrecht, Rn.  1818; der Sache nach auch schon Stüdemann, Einführung von Buch­ effekten, S.  58 ff. 104  Art.  2 lit.  a BEHG war mit Rücksicht darauf abgefaßt worden, daß der zivilrechtliche Wertpapierbegriff die an den Börsen gehandelten Forderungs- und Beteiligungsrechte seit einiger Zeit nicht mehr zu erfassen vermochte; Botschaft BEHG, BBl. I 1993, S.  1395. 100 

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kennt, aber am Oberbegriff des Wertpapiers festhält105. Der Definition in Art.  2 lit.  a BEHG fehlte allerdings von Anfang an die nötige Trennschärfe, weil unklar blieb, wann nicht verurkundete Rechte die gleiche Funktion aufweisen wie Wertpapiere106. Heute stellt sich die Begriffslage – um einen Teil der Ausführungen zur weiteren Entwicklung des schweizerischen Rechts vorwegzunehmen107 – wie folgt dar: Art.  2 lit.  a BEHG wurde zum 1. Januar 2016 aufgehoben. An seine Stelle ist Art.  2 lit.  b FinfraG getreten, der unter Effekten „vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere, Wertrechte, Derivate und Bucheffekten“ versteht. Diese Definition erweckt den Eindruck, als sei das problematische Merkmal der Funktionsgleichheit aus dem schweizerischen Recht verschwunden. Das ist aber nicht der Fall. Denn zum einen war mit Art.  2 lit.  b FinfraG keine materielle Änderung des Effektenbegriffs beabsichtigt108, und zum anderen findet sich das Merkmal der Funktionsgleichheit heute in Art.  973c OR, der im Zuge der Umstellung auf das Bucheffektenmodell in das Gesetz eingefügt wurde und bei der Auslegung von Art.  2 lit.  b FinfraG nicht außen vor gelassen werden darf109. Die Frage, wann unverbriefte Rechte die gleiche Funktion aufweisen wie Wertpapiere, stellt sich also nach wie vor. Da die klassischen Funktionen des Wertpapiers (Legitimationsfunktion, Transportfunktion usw.) bei Wertrechten mangels Verkörperung nicht zum Tragen kommen, wird man darauf abstellen müssen, ob es sich um Rechte handelt, die gestützt auf eine gemeinsame rechtliche Grundlage (z. B. die Statuten) in einer Vielzahl ausgegeben werden und vertretbar sind110. Solche Rechte werden regelmäßig auch vereinheitlicht und zum massenweisen Handel geeignet sein, wie dies von Art.  2 lit.  b FinfraG verlangt wird. Dieses Kriterium ist gemäß Art.  2 Abs.  1 FinfraV111 bei Wertpapieren, Wertrechten, Derivaten und Bucheffekten erfüllt, die in gleicher Struktur und Stükkelung öffentlich angeboten oder bei mehr als 20 Kundinnen und Kunden platziert werden, sofern sie nicht für einzelne Gegenparteien besonders geschaffen werden. In Anlehnung an die Unterscheidung zwischen Effekten und sonstigen (nicht zum massenweisen Handel geeigneten) Wertpapieren stellt das Schrifttum dem engen Wertrechtsbegriff mitunter einen weiten Wertrechtsbegriff gegenüber. So plädiert Brunner dafür, diesen Begriff auch für Entmaterialisierungsbestrebungen außerhalb 105  Vgl. den Wertpapierbegriff in §  2 Abs.  1 Satz  1 WpHG: „Wertpapiere im Sinne dieses Gesetzes sind, auch wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind, alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind, insbesondere (…).“ 106  Siehe BSK-Wertpapierrecht/Pöschel/Maizar, Art.  973c OR Rn.  23 mit der (m. E. zweifelhaften) Folgerung, bei Art.  2 lit.  a BEHG habe es sich gar nicht um eine Legaldefinition des Wertrechtsbegriffs gehandelt. 107  Dazu ausführlich unter §  14 I. 108  Siehe die Botschaft zum FinfraG, BBl. 2014, S.  7513, wonach sich die geltende Definition in der Praxis bewährt hat. 109  SK FinfraG-Favre/Kramer, Art.  2 lit.  b Rn.  2/3. 110 BSK-Wertpapierrecht/Pöschel/Maizar, Art.  973c OR Rn.  32. 111 Verordnung über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effektenund Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturverordnung, FinfraV) vom 25. November 2015.

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des Effektenwesens, etwa im Bereich des Zahlungs- und Kreditverkehrs, offen zu halten. Seiner Meinung nach ist ein Wertrecht, abgesehen von der fehlenden Verkörperung des betreffenden Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechts, lediglich durch zwei weitere notwendige Merkmale gekennzeichnet: die Möglichkeit der Verbuchung in einem geschlossenen, einer öffentlich-rechtlichen Aufsicht unterstehenden System von Finanzintermediären und die Übertragbarkeit im technischen Sinn112 . Bislang hat sich dieser differenzierende Ansatz Brunners aber nicht durchsetzen können.

2. Rechtsnatur Wenn bei Wertrechten – wie bereits erwähnt – die Funktionen des Wertpapiers nicht zum Tragen kommen, so liegt das auch daran, daß Wertrechte nach schweizerischem Verständnis in all ihren Erscheinungsformen113 als rein obligatorische Rechte ohne dinglichen Charakter zu qualifizieren sind114 . Daraus folgt nach allgemeiner, inzwischen in Art.   973c Abs.   4 OR kodifizierter Auffassung: Die Übertragung von Wertrechten richtet sich nach zessionsrechtlichen Grundsätzen (Art.  164 ff. OR), ihre Verpfändung nach den Vorschriften über die Forderungsverpfändung (Art.  899 f. ZGB). Sowohl die Übertragung als auch die Verpfändung bedürfen somit der Schriftform115. Der Depotbuchung kam jedenfalls nach früherer Auffassung nur deklaratorische Bedeutung zu116, der gutgläubige Erwerb von Depotwerten vom Nichtberechtigten war ausgeschlossen117. Der – soweit ersichtlich – einzige Versuch, im Wege der Rechtsfortbildung zu einer wirklichen Funktionsgleichheit von Wertpapieren und Wertrechten zu gelangen, wurde von Brunner unternommen118. In der Überzeugung, daß das Zessionsrecht auf Übertragungen innerhalb eines geschlossenen Sy­ stems von Finanzintermediären nicht passe, trat er dafür ein, der Buchung, die faktisch die Funktion des Besitzes übernommen habe, konstitutive Bedeutung für den Rechtsübergang beizumessen. Auf diese Weise werde nicht nur die Gefahr mehrfacher oder unerwünschter Verfügungen außerhalb des Girosystems ausgeschlossen und stets eine exakte Rechtszuordnung gewährleistet, sondern auch ein Rechts112 

Christoph Brunner, Wertrechte, S.  187 ff. Zu ihnen unter c). 114 BSK-Wertpapierrecht/Pöschel/Maizar, Art.  973c Rn.  43; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  540; Rickenbacher, Globalurkunden, S.  220 ff.; Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 129; insoweit übereinstimmend Christoph Brunner, Wertrechte, S.  200; a. A. Handschin, Papierlose Wertpapiere, S.  21 f., der „papierlose Urkunden“ als Sachen im Sinne des ZGB einordnet, die durch gültiges Grundgeschäft und körperliche Übergabe des papierlosen Erklärungsträgers (?) oder Be­ sitz­anweisung übertragen werden. 115 Schriftlicher Abtretungsvertrag (Art.   165 Abs.  1 i. V. m. Art.  11 ff. OR) bzw. schriftlicher Pfandvertrag (Art.  900 Abs.  1 ZGB i. V. m. Art.  11 ff. OR); siehe statt vieler Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 35 f. m. Fn.  20; zu den Behelfslösungen des Praxis siehe unter 3 b) dd) und ee). 116  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  546. 117  Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  540; Zobl, SZW 2001, 105, 108. 118  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  201 ff. 113 

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scheintatbestand geschaffen, der dort, wo dafür ein Bedürfnis besteht, die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eröffne119. Dabei ging es Brunner nicht darum, „Wertrechte in direkter Analogie unter die Regeln des Sachenrechts zu zwängen“. Sein Anliegen bestand vielmehr darin, die von ihm angenommene Gesetzeslücke durch rechtliche Aufwertung der Buchung zu einer selbständigen, mit hinreichender Publizität ausgestatteten Übertragungsform zu schließen120. Obwohl diese Ansicht ihre Meriten hatte, konnte sie sich nicht durchsetzen121.

3. Erscheinungsformen Wertrechte sind in der Schweiz in mehreren Erscheinungsformen anzutreffen, deren praktische Bedeutung im Laufe der Zeit teils zu-, teils abgenommen hat. a) Schuldbuchforderungen Nur noch von historischem Interesse sind die in das „Eidgenössische Schuldbuch“ eingetragenen Schuldbuchforderungen. Bei dem „Eidgenössischen Schuldbuch“ handelte es sich um ein im Jahre 1939 eingerichtetes Staatsschuldbuch122 , „in das zum Zwecke dauernder Anlage Forderungen aus der Geldaufnahme oder aus einer Schuldübernahme für Rechnung der Bundesverwaltung und der Bundesbahnverwaltung eingetragen werden“ konnten123. Es wurde – zuletzt in elektronischer Form – von der Schweizerischen Nationalbank geführt124 . Schuldbuchforderungen waren reine Buchforderungen125. Sie entstanden mit der Eintragung im Schuldbuch126 und konnten nicht nachträglich in (verbriefte) Schuldverschreibungen umgewandelt werden127. Der über die Eintragung ausgestellten Bescheinigung kam nur die Eigenschaft eines Beweismittels zu; sie war weder übertragbar noch verpfändbar128. ­Anders als das deutsche Recht kannte (und kennt) das schweizerische Recht keine Sammelschuldbuchforderungen, die sammelverwahrten Wertpapieren gesetzlich gleichgestellt und damit im Wege des Effektengiros übertragbar sind. Es beschränkte sich auf Einzelschuldbuchforderungen, die auf den Namen des jeweiligen Gläubigers in das 119 

Christoph Brunner, Wertrechte, S.  214, 217. Christoph Brunner, Wertrechte, S.  212, 218 f. 121  Zustimmend aber zuletzt die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9328 sowie Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 36. 122  Grundlagen waren das Bundesgesetz über das eidgenössische Schuldbuch vom 21. September 1939 (SchuldbuchG, SR 612.1) und die darauf gestützte Verordnung über das eidgenössische Schuldbuch (SchuldbuchVO, SR 612.11) vom 28. Dezember 1939. 123  Art.  1 SchuldbuchG. 124  Art.  11 SchuldbuchG, Art.  1 und 2 SchuldbuchVO. 125  Kesselring, in: Boemle/Gsell, Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, Stichwort „Schuldbuch, eidgenössisches“ (S.  941 f.); Christoph Brunner, Wertrechte, S.  110. 126  Art.  2 Abs.  1 SchuldbuchG. 127  Art.  4 SchuldbuchG. 128  Art.  2 Abs.  3 SchuldbuchG. 120 

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Schuldbuch eingetragen wurden129. Zwar konnte jeder Gläubiger über seine Schuldbuchforderung nach den Regeln des Zessionsrechts frei verfügen130. Zum massenweisen Handel waren Schuldbuchforderungen aber nicht geeignet, weshalb sie auch nicht unter den (engen) Begriff des Wertrechts i. S. von Art.  2 lit.  a. BEHG a. F. fielen131. Praktisch gab es für sie keinen Markt132 . Die verkehrsfeindliche Ausgestaltung der Schuldbuchforderungen beruhte auf einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers. Ihm ging es zum einen darum, diesen aus dem Handel gezogenen Teil der Bundesobligationen vor Kursschwankungen zu bewahren und so die Finanzierung der damals stark wachsenden Bundesschuld zu erleichtern. Von dem Wegfall physischer Wertpapiere und den damit verbundenen Manipulationsmöglichkeiten (z. B. beim Abschneiden der Coupons) versprach er sich zum anderen eine Vereinfachung des Schuldendienstes133. Beide Erwägungen verloren aber im Laufe der Zeit an Überzeugungskraft. Daß durch das Schuldbuch dem Markt für Bundesobligationen Liquidität entzogen wurde, hielt man zunehmend für einen Mangel, nicht für einen Vorteil. Auch stellte sich, nachdem in Gestalt der SEGA ein nationaler Zentralverwahrer gegründet und die Globalurkunde auch in der Schweiz heimisch geworden war, heraus, daß sich der Schuldendienst mit Hilfe moderner Verwahrungstechniken ebenso effizient gestalten ließ wie beim Schuldbuch134 . Auch in Anbetracht der stetig abnehmenden Bedeutung des Schuldbuchs135 war es daher nur eine Frage der Zeit, bis der Gesetzgeber vor der Wahl stand, entweder die Schuldbuchforderungen in das Effektengirosystem einzugliedern136 oder das Schuldbuch zu schließen. Im Zuge der Revision des Nationalbankgesetzes 2002 fiel die Entscheidung, das staatliche Schuldbuchsystem abzuschaffen137. Mit Wirkung zum 129  Die Einzelheiten waren in Art.  8 –16 SchuldbuchVO geregelt. Freilich enthielt das schweizerische Recht insoweit eine Gleichstellungsregel, als Schuldbuchforderungen „hinsichtlich Schuldverhältnis und Sicherheit“ wie verbriefte Schuldverschreibungen der Eigenossenschaft behandelt wurden (Art.  3 SchuldbuchG). 130  Art.  6 SchuldbuchG. Der Eintrag des Erwerbers im Schuldbuch war für die Übertragung nicht konstitutiv, siehe Christoph Brunner, Wertrechte, S.  111. 131  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  111 f. 132  Kesselring, in: Boemle/Gsell, Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, Stichwort „Schuldbuch, eidgenössisches“ (S.  941 f.); Christoph Brunner, Wertrechte, S.  111 (Forderung praktisch nicht übertragbar). Siehe auch Art.  6 Abs.  1 SchuldbuchVO, der vorsah, daß Schuldbuchforderungen nicht kotiert werden. 133  Siehe dazu und zu den weiteren Beweggründen die Botschaft zum SchuldbuchG, BBl. 1938 I, S.  497 ff. 134  Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes vom 26. Juni 2002, BBl. 2002, S.  6097, 6275. 135  In der Zeit zwischen 1990 und Ende 2001 sank der Betrag der eingetragenen Schuldbuchforderungen von 1,4 Milliarden CHF oder 9 % der ausstehenden Obligationenschuld auf 67 Millionen CHF oder 0,1 % der Schuld. Ende 2001 waren im Schuldbuch noch 22 Gläubiger eingetragen; Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes vom 26. Juni 2002, BBl. 2002, S.  6097, 6276. 136 Entsprechende Vorschläge bei Christoph Brunner, Wertrechte, S.   112; Rickenbacher, Globalurkunden, S.  226. 137  Auch der Kanton Bern, der als einziger Kanton im Jahre 1975 ein ebenfalls von der Schweizerischen Nationalbank geführtes kantonales Schuldbuch eingerichtet hatte, beabsichtigt, das

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1. Mai 2004 wurde das Schuldbuchgesetz aufgehoben. Die noch offenen Schuldbuchforderungen wurden von der Schweizerischen Nationalbank in (verbriefte) Schuldverschreibungen umgewandelt und für den letzten eingetragenen Gläubiger kostenlos verwahrt138. Es läßt sich also beobachten, daß die Rechtsentwicklung in der Schweiz im Hinblick auf Schuldbuchforderungen in eine andere Richtung verlaufen ist als in Deutschland: Denkt man hierzulande darüber nach, das Konzept der Sammelschuldbuchforderungen auf private Emittenten auszudehnen, hat man in der Schweiz kein Bedürfnis für einen Ausbau des Schuldbuchmodells gesehen. Die Schuldbuchforderung ist dort vollständig von der Globalurkunde auf Dauer verdrängt worden. b)  Namenaktien mit aufgeschobenem und aufgehobenem Titeldruck Die größte praktische Bedeutung unter den Wertrechten kommt heute den Namenaktien mit aufgeschobenem und aufgehobenem Titeldruck zu. aa)  Aufgeschobener Titeldruck Das auf eine Initiative der SEGA (heute: SIS) zurückgehende, in Zusammenarbeit mit Vertretern schweizerischer Großbanken und Publikumsgesellschaften entwikkelte Konzept des aufgeschobenen Titeldrucks wurde in den 1980er Jahren entwikkelt, um auch Namenaktien139 in das schweizerische Effektengirosystem einbeziehen zu können. Es beruht auf der Prämisse, daß Namenaktien von der Sammelverwahrung ausgeschlossen sind, weil die Eintragung in das Aktienbuch (§  686 Abs.  2 OR140) das Alleineigentum am Papier voraussetzt141. Den naheliegenden Weg, Namenaktien blankoindossiert in Sammeldepots zu legen und Bankbestätigungen als Erwerbsnachweise gegenüber der Gesellschaft ausreichen zu lassen, hielt man nicht für gangbar142 . Infolgedessen war die Verwahrung und Verwaltung von Namenaktien aufwendig und teuer, die Abwicklung von Börsengeschäften wegen der Notwendigkeit einer physischen Übergabe umständlich und dermaßen zeitraubend, daß die in den Börsenregularien festgelegten Lieferfristen häufig überschritten wurden143. Schuldbuch auslaufen zu lassen; Kesselring, in: Boemle/Gsell, Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, Stichwort „Schuldbuch, eidgenössisches“ (S.  941 f.); zu den Einzelheiten der Errichtung Rickenbacher, Globalurkunden, S.  226 f. 138  Art.  58 Abs.  1 des revidierten Bundesgesetzes über die Schweizerische Nationalbank (Nationalbankgesetz – NBG) vom 3. Oktober 2003, SR 951.11. 139  Nach Art.  622 Abs.  1 Satz  1 OR lauten Aktien entweder auf den Namen oder auf den Inhaber. 140  Bis 1. Juli 1992: Art.  685 Abs.  2 OR. 141  Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50 unter Hinweis auf Benz, Aktienbuch und Aktionärswechsel, S.  60 ff.; Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  17; Henckel von Donners­marck, Kotierung, S.  216. 142  Kritisch dazu Christoph Brunner, Wertrechte, S.  124 ff.; Zweifel auch bei Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 130 in Fn.  120. 143  Kocher-Wolfensberger, Namenaktien mit aufgeschobenem Titeldruck, S.   5 ff.; Forstmoser/ Lörtscher, SAG 1987, 50.

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Die seit den 1970er Jahren von vielen Publikumsgesellschaften praktizierte Ausgabe couponloser Einweg-Aktienzertifikate144 vermochte dieses – wegen der stetig wachsenden Bedeutung der Namenaktie immer dringlicher werdende – Problem nur teilweise zu lösen. Um die Rationalisierungsvorteile des Effektengiros auch für Namenaktien nutzbar zu machen, kam man daher auf die Idee, dem Aktionär zwar das Recht auf Aushändigung von Wertpapieren zu belassen, die Verbriefung aber in den Statuten aufzuschieben145, d. h. Wertpapiere nur und erst dann auszudrucken, wenn der Aktionär dies ausdrücklich verlangt oder die Aktien aus dem Girosystem zurückgezogen werden. An die Stelle eines Ordrepapiers sollte ein Wertrecht treten146. Dabei stand und fiel der Erfolg dieses Modells mit der – mittlerweile durch die Praxis bestätigten – Annahme, daß nur die geringste Teil der Anleger Wert auf den Besitz verbriefter Aktientitel legt147. Nach eingehender Prüfung der durch das Modell des aufgeschobenen Titeldrucks aufgeworfenen Rechtsfragen148 wurden 1988 erstmals unverbriefte Namenaktien als Wertrechte in das Girosystem der SEGA überführt149. Schon bald danach setzte sich die Überzeugung durch, daß die Teilnahme am SEGA-Namenaktienmodell zur obligatorischen Kotierungsvoraussetzung erklärt werden sollte, um das mit diesem Modell verbundene Rationalisierungspotential so weit wie möglich auszuschöpfen150. Die Zürcher Börse setzte denn auch im Juli 1990 eine Zulassungsbestimmung in Kraft, derzufolge Börsengeschäfte in Namenaktien zwingend über die SEGA abzuwickeln waren151. In das Kotierungsreglement der Schweizerischen Zulassungsstelle – diese war, wie bereits erwähnt, ab Mitte 1991 das gemeinsame Kotierungsorgan der Börsen von Basel, Genf und Zürich – wurde dann eine vergleichbare Bestimmung aufgenommen152 .

144  Diese Zertifikate verbrieften jeweils den gesamten Aktienbestand eines Aktionärs. Bei jeder Übertragung wurde das Zertifikat des bisherigen Aktionärs entwertet und nach der Eintragung des neuen Aktionärs in das Aktienregister ein neues Zertifikat ausgedruckt; siehe Christoph Brunner, Wertrechte, S.  121 m. Fn.  74; Meier-Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, §  16 Rn.  293. 145  Musterklausel bei Böckli, Schweizer Aktienrecht, §  4 Rn.  116. 146  Wegen des fortbestehenden Anspruchs auf Ausstellung eines Wertpapiers werden Namenaktien mit aufgeschobenem Titeldruck freilich nicht zu den „reinen“ Wertrechten gezählt; MeierHayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  33. 147 Nach Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rn.  39 werden nur 1–3% der in das Namenaktiensystem integrierten Werte effektiv ausgedruckt. 148 Dazu Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50 ff. 149  Die erste AG war der Schweizerische Bankverein (heute UBS); Haeberli, in: Boemle/Gsell, Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, Stichwort „SIS Namenaktien-Modell“ (S.  961). 150  Hintergrund war die Tatsache, daß einige börsennotierte Gesellschaften im Frühling 1989 dazu übergegangen waren, das Namenaktienmodell ohne Einbeziehung der SEGA zu verwirklichen; Henckel von Donnersmarck, Kotierung, S.  217. 151  Henckel von Donnersmarck, Kotierung, S.  217 f. 152  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  122 mit Fußn.  78.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

bb)  Aufgehobener Titeldruck In seiner ursprünglichen Form warf das Namenaktienmodell der SEGA kein aktienrechtliches Problem auf, weil dem Aktionär das Recht auf die Aushändigung von Wertpapieren belassen wurde153. Beginnend mit der Swisscom AG im Jahr 1998 haben allerdings zahlreiche Gesellschaften – darunter offenbar auch solche mit Inhaberaktien – den Schritt gewagt, das Modell des aufgeschobenen Titeldrucks durch ein Modell des aufgehobenen Titeldrucks zu ersetzen154 . Sie haben den Anspruch auf Druck und Auslieferung von Urkunden in ihren Statuten ausdrücklich ausgeschlossen und verweisen ihre Aktionäre auf das Recht, von der Gesellschaft die Ausstellung einer Bescheinigung über ihren Anteil zu verlangen155. Diese Entmaterialisierungsvariante läuft für die Aktionäre auf ein Zwangsgiro hinaus, weil sie keine Möglichkeit mehr haben, ihre Aktien außerhalb des SIS-Systems zu halten und zu übertragen. Das neuere Schrifttum hat dagegen keine Bedenken und hält selbst den nachträglichen, d. h. nicht schon in der Gründungssatzung vorgesehenen Ausschluß des Verbriefungsanspruchs für unproblematisch. Dem Interesse des Aktionärs, seine Mitgliedschaft gegenüber Dritten beweisen zu können, werde mit dem unentziehbaren Anspruch auf Aushändigung einer schlichten Beweisurkunde Genüge getan, seinem Interesse an gesteigerter Verkehrsfähigkeit der Anteile mit dem gleichfalls unentziehbaren Anspruch auf ein Übertragungssystem, das ihm den wertpapierähnlichen freien Verkehr erlaubt156. cc) Verbuchung Ebenso wie Girosammelanteile werden auch unverbriefte Namenaktien mit aufgeschobenem oder aufgehobenem Titeldruck auf den verschiedenen Ebenen der Verwahrungspyramide verbucht: bei der SIS pro Teilnehmerbank, bei der Teilnehmerbank pro Aktionär157. Daneben tritt die Eintragung des Aktionärs im Aktienbuch der Gesellschaft. Sie begründet gegenüber der Gesellschaft die – nach schweizerischem Verständnis widerlegbare – Vermutung der Mitgliedschaft (Art.  686 Abs.  4 OR)158, hat aber, was die materielle Berechtigung betrifft, nur deklaratorische Bedeutung. Die Eintragung bewirkt nicht den Rechtsübergang, sondern setzt ihn voraus159. 153 

Siehe die Beurteilung von Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50, 51 f. die Aufzählung bei Huber/Hodel/Staub Gierow, Praxiskommentar zum Kotierungsrecht der SWX, Art.  23/24 Rn.  5. 155  Musterklausel bei Böckli, Schweizer Aktienrecht, §  4 Rn.  118. 156  Böckli, Schweizer Aktienrecht, §  4 Rn.  113 u. Rn.  119; der Sache nach ebenso Christoph Brun­ ner, Wertrechte, S.  129 f.; Huber/Hodel/Staub Gierow, Praxiskommentar zum Kotierungsrecht der SWX, Art.  23/24 Rn.  5; differenzierend noch Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50, 52, wonach auf wohlerworbene Rechte Rücksicht zu nehmen ist; aus heutiger Sicht (nach Inkrafttreten des BEG) siehe Spoerlé, Inhaberaktie, Rn.  116 ff. 157  Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50, 51. 158 Zur Legitimationswirkung des Aktienbuchs siehe Böckli, Schweizer Aktienrecht, §   6 Rn.  320 ff. 159  Ebenso wie im deutschen Recht finden Verfügungen über die Aktie außerhalb des Aktien154  Siehe

§  13  Rechtslage vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes

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Namenaktien können erst dann in das SIS-System eingebucht werden, wenn alle noch vorhandenen Aktienurkunden von der Gesellschaft annulliert worden sind; verkörperte Titel nimmt die SIS nicht entgegen160. Im Rahmen ihrer Buchführung unterscheidet die SIS für jeden Giroteilnehmer drei Arten von Sammelbeständen: Der „eingetragene Bestand“ umfaßt alle Titel, bei denen die Eintragung des Teilnehmers bzw. seiner Kunden im Aktienbuch vollzogen ist. Namenaktien, die von dem bisherigen Aktionär veräußert, aber noch nicht auf einen Neuerwerber oder Treuhänder eingetragen sind, fallen in den „disponiblen Bestand“161. Dem „disponiblen Bestand statisch“ werden alle Namenaktien zugeordnet, für die auch nach Ablauf einer bestimmten Frist kein Gesuch auf Eintragung eines Neuerwerbers oder Treuhänders gestellt worden ist. dd) Übertragung Daß Wertrechte nach Zessionsrecht übertragen werden und ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten ausgeschlossen ist162 , wurde bei der Schaffung des SEGA-Namenaktienmodells als gegeben hingenommen. Über das Problem, daß eine Zession zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf (Art.  165 Abs.  1 i. V. m. Art.  11 ff. OR), half sich die Praxis hinweg, indem sie eine standardisierte, einmalig vom Kunden pro Bank und Depot zu unterzeichnende Ermächtigung entwickelte, durch welche die Bank in die Lage versetzt wurde, sämtliche Formalitäten für den Kunden zu erledigen163. Das einem Erwerber kotierter Namenaktien zugestellte Formular enthielt unter anderem den Auftrag des Kunden an die Bank, für die von ihm erworbenen und noch zu erwerbenden Namenaktien schweizerischer Gesellschaften die Eintragung in das jeweilige Aktienbuch zu veranlassen, sowie die Ermächtigung der Gesellschaft, die Aktien im Fall ihrer späteren Weiterveräußerung im Namen des Inhabers zu zedieren bzw. zu indossieren. Die teilnehmerübergreifende Übertragung kotierter Namenaktien setzte sich aus einer Kette von Zessionen zusammen: Mit seinem Verkaufsauftrag löste der Kunde die Zession der Aktien auf seine Depotbank aus; die SEGA (SIS) übertrug sodann die Aktien als Bevollmächtigte von dieser Bank auf die Depotbank des Erwerbers; diese übertrug schließlich die Aktien auf ihren Kunden164 . Um das Risiko von Mehrfachverfügungen auszuschließen wurde empfohlen, die Gültigkeit der Zession statutarisch von der Anzeige an die Gesellschaft buchs statt; BGE 90 II, 164, 171 ff.; Meier-Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, §  16 Rn.  285. 160  Anh. 1 A, Ziff.  3 AGB-SIS. 161  Zum Problem der sog. Dispoaktien, das auch im Zuge der jüngsten Aktienrechtsrevision nicht vollständig gelöst wurde, siehe Böckli, Schweizer Aktienrecht, §  6 Rn.  152 ff.; Vogt/Schiwow/ Wiedmer, AJP 2009, 1359, 1367 ff.; von der Crone/Ender, in: Watter (Hrsg.), Die „grosse“ Schweizer Aktienrechtsrevision, S.  135 ff. 162  Siehe dazu oben b). 163 Eingehend Christoph Brunner, Wertrechte, S.  159 f. 164  Zu den Einzelheiten Schweizerische Bankiervereinigung, Zirkular Nr.  787 D vom 22. Oktober 1987, S.  1 f.; Christoph Brunner, Wertrechte, S.  160 ff.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

abhängig zu machen165. Zum Schutz des Effektengirosystems wurde außerdem eine Satzungsbestimmung empfohlen, derzufolge Namenaktien nur unter Mitwirkung der Depotbank übertragen werden können166. Auf diese Weise wurde immerhin ein gewisses Maß an Verkehrsschutz erreicht, das den Nachteil des Zessionsrechts, keinen gutgläubigen Forderungserwerb vom Nichtberechtigten zu kennen, erträglich erscheinen ließ. ee) Verpfändung Auch was die Verpfändung von Namenaktien betrifft, griff man auf eine statutarische Lösung zurück, um unerwünschte Mehrfachverfügungen auszuschließen. Den Gesellschaften wurde empfohlen, in ihren Statuten vorzusehen, daß unverurkundete Namenaktien nur zugunsten der depotführenden Bank verpfändet werden können167. Wollte ein Aktionär seine Namenaktien an eine andere Bank verpfänden, mußte er daher die Werte zunächst in ein Depot bei dieser Bank übertragen, um dann mit dieser Bank den schriftlichen Pfandvertrag abzuschließen. Zur Verpfändung an einen Dritten mußte er die Aktien aus dem Effektengirosystem zurückziehen, d. h. die Auslieferung effektiver Stücke verlangen, um anschließend die Verpfändung nach den für Wertpapiere geltenden Vorschriften (Art.  901 Abs.  2 ZGB) vorzunehmen168. Von Brunner wurde dieses Verfahren zu Recht als für den Kunden nachteilig kritisiert. Insbesondere merkte er zutreffend an, daß das Argument, der Aktionär könne jederzeit den Ausdruck seiner Titel verlangen, jedenfalls dann ins Leere läuft, wenn er die bei einer erneuten Einbuchung in das Effektengirosystem entstehenden beträchtlichen Kosten zu tragen hat169. Dieser Einwand drängt sich erst recht auf, soweit es um Namenaktien mit aufgehobenem Titeldruck geht, denn bei ihnen kommt die Herausnahme aus dem Effektengirosystem durch Auslieferung effektiver Stücke von vornherein nicht in Betracht.

165  Schweizerische Bankiervereinigung, Zirkular Nr.  787 D vom 22. Oktober 1987, Anhang a Ziffer 2; Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50, 56 mit Musterklausel auf S.  59; Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 130. Gegen die Zulässigkeit derartiger Klauseln Christoph Brunner, Wertrechte, S.  145 f. unter Hinweis auf abschließenden Charakter der aktienrechtlichen Bestimmungen über die Übertragung kotierter Namenaktien. 166  Schweizerische Bankiervereinigung, Zirkular Nr.  787 D vom 22. Oktober 1987, Anhang a Ziffer 3 Satz  1; insoweit zustimmend Christoph Brunner, Wertrechte, S.  166. Die Gefahr außerbörslicher Mehrfachverfügungen ist heute allerdings nicht so groß, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn nach Art.  685f Abs.  1 Satz  2 OR gehen die Rechte in diesem Fall erst dann auf den Erwerber über, wenn dieser bei der Gesellschaft ein Gesuch um Anerkennung als Aktionär eingereicht hat. 167  Schweizerische Bankiervereinigung, Zirkular Nr.  787 D vom 22. Oktober 1987, Anhang a Ziffer 3 Satz  2; Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50, 56 mit Musterklausel auf S.  59 f. 168  Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50, 54. 169  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  167 f.

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c) Anlagefondsanteile Mit dem Bundesgesetz über die Anlagefonds vom 18. März 1994 (Anlagefondsgesetz – AFG)170 wurde das Konzept des aufgeschobenen Titeldrucks auf das Recht der kollektiven Kapitalanlagen ausgedehnt. Um der allgemeinen Tendenz zur Dematerialisierung von Wertpapieren Rechnung zu tragen, wurde in das Gesetz eine Bestimmung aufgenommen, derzufolge der Anleger die Aushändigung eines Anteilscheins verlangen kann (Art.  23 Abs.  4 AFG a. F.). Damit sollte klargestellt werden, daß Anteile an Anlagefonds im Unterschied zum früheren Recht171 nicht unbedingt in einem Wertpapier verkörpert sein müssen, der Anleger aber das unabdingbare Recht auf Verurkundung in einem Wertpapier behält172 . Für den Fall, daß der Anleger einen Anteilschein wünscht, sah Art.  24 Abs.  2 der Verordnung über die Anlagefonds (Anlagefondsverordnung – AFV) vom 19. Oktober 1994173 vor, daß die Depotbank seine Rechte in nennwertlosen, als Ordre- oder Inhaberpapiere ausgestalteten Wertpapieren im Sinne von Art.  965 OR zu verurkunden hat. Einen Ausschluß des Verbriefungsanspruchs, über den die Aufsichtsbehörde zu entscheiden hatte, ließ Art.  2 Abs.  2 lit.  a. AFV allein für solche Fonds zu, deren Anlegerkreis ausschließlich gleichwertige, professionelle Marktteilnehmer (z. B. Versicherungen und Pensionskassen) umfaßt. Im Zuge der Revision des Rechts der Investmentfonds durch das Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz – KAG174), das zum 1. Januar 2007 an die Stelle des Anlagefondsgesetzes getreten ist, ist der gesetzliche Anspruch des Anlegers auf Auslieferung eines Anteilscheins abgeschafft worden175. Nach neuem Recht kann die Verbriefung des Anteilscheins nur verlangt werden, sofern das Fondsreglement dies vorsieht176. Damit ist auch in diesem Bereich neben das Konzept des aufgeschobenen Titeldrucks das Konzept des auf­ gehobenen Titeldrucks getreten. d) Geldmarktbuchforderungen Zu den Wertrechten werden ferner Geldmarktbuchforderungen gezählt177. Dabei handelt es sich um kurzfristige, festverzinsliche und in einem Register eingetragene Forderungen gegen inländische Schuldner178. Geldmarktbuchforderungen wurden 170 

SR 951.31 (alt). Siehe die Verbriefungspflicht in Art.  20 Abs.  2 des Bundesgesetzes über die Anlagefonds vom 1. Juli 1966, abgedr. bei Forstmoser (Hrsg.), AFG, Band II, Ziff. I–5.1. 172  Forstmoser, in: Forstmoser (Hrsg.), AFG, Art.  23 Rn.  58–61. 173  SR 951.311 (alt). 174  SR 951.31. Für einen Überblick über das KAG Giger/Härtsch, in: Baker & McKenzie Zürich (Hrsg.), Entwicklungen im schweizerischen Wirtschaftsrecht 2006/2007, S.  45 ff. 175  Siehe BSK-KAG/Rehm, Art.  11 Rn.  17. 176  Das ergibt sich auch aus Art.  108 Abs.  2 der Verordnung vom 22. November 2006 über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagenverordnung – KKV). 177  Ausführlich zum folgenden Christoph Brunner, Wertrechte, S.  113 ff. 178  Die Laufzeit beträgt in der Regel zwischen drei und zwölf Monaten. Die Verzinsung erfolgt auf Diskontbasis, d. h. die Buchforderungen werden unter pari emittiert und zum Nennwert zu171 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

erstmals 1979 von der Schweizerischen Eidgenossenschaft emittiert und nehmen seither einen festen Platz auf dem schweizerischen Geldmarkt ein179. Ende 1990 wurde die Verwaltung der Geldmarktbuchforderungen auf die (heutige) SIS übertragen, um den Handel im Sekundärmarkt zu ermöglichen. Für jede Forderungsserie führt die SIS ein Hauptregister, in dem die Eigen- und Kundenbestände der Giroteilnehmer ungetrennt verbucht sind. Die im Hauptregister eingetragenen Giroteilnehmer führen ihrerseits für ihre eigenen Buchforderungen und die ihrer Kunden Unterregister180. Der Handel in Geldmarktforderungen läuft nicht über die Börse, sondern wird von den Banken selbst veranstaltet. Die Übertragung solcher Forderungen richtet sich nach Zessionsrecht und kann nur innerhalb des SIS-Systems erfolgen181.

V.  Verwahrung von Wertpapieren im Ausland Wie bereits erwähnt, unterhält die SIS Kontoverbindungen zu ausländischen subcus­ todians, mit denen sie ihren Kunden den Zugang zu über 60 Märkten in der ganzen Welt eröffnet. Die Ermächtigung der SIS zur Verwahrung von Wertpapieren im Ausland ergibt sich ausdrücklich aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Entsprechend behalten sich auch die schweizerischen Banken gegenüber ihren Kunden das Recht zur Aufbewahrung bei einer ausländischen Depotstelle vor182 . Nach altem Recht galt der Grundsatz, daß dem Anleger das Eigentum an den Wertpapieren bzw. die Rechtsträgerschaft an den Wertrechten zustehen soll, sofern dies nach der ausländischen Rechtsordnung möglich ist183. Soweit es z. B. um in Österreich hinterlegte Effekten geht, ging man demgemäß davon aus, daß der Anleger das Miteigentum am Sammelbestand erwirbt184 . In Fällen, in denen die ausländische Rechtsordnung eine direkte Rechtsträgerschaft des Anlegers nicht zuläßt, wurde angenommen, daß die Berechtigung an den Effekten treuhänderisch von der SIS gehalten wird. Wie beim deutschen Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung bestand damit ggf. ein zweistufiges Treuhandverhältnis: Dem Anleger stand eine treuhandrechtliche Berechtigung gegenüber der Depotbank zu, der Depotbank eine treuhandrechtliche Berechtigung gegenüber der SIS. Als Treugut wurde der jeweilige Deckungsbestand auf nächsthöherer Ebene angesehen185. In ausdrücklicher Anlehnung an die Rechtsrückgezahlt. Siehe Thomann, in: Boemle u. a. (Hrsg.), Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lexikon der Schweiz, Stichwort „Geldmarkt-Buchforderungen des Bundes (GMBF)“ (S.  480). 179  Siehe www.snb.ch → Glossar, Stichwort „Geldmarktbuchforderungen“. 180  Zur rechtlichen Bedeutung der Haupt- und Unterregister Christoph Brunner, Wertrechte, S.  116 f. 181  Zu den Einzelheiten Christoph Brunner, Wertrechte, S.  119 f. 182  Siehe z. B. Art.  10 des Depotreglements der Credit Suisse AG. 183  Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  117 ff. 184  Zobl, SZW 2001, 105, 118 m. Fn.  111. 185  Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  134 ff.

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lage in Deutschland wurde dem Anleger ein Anspruch gegenüber der Depotbank auf Eigentumsverschaffung zugebilligt, soweit das ausländische Recht dem nicht entgegensteht186.

VI. Konkursschutz Der Schutz des Depotkunden im Konkurs des Verwahrers richtete sich vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes nach Art.  16 i. V. m. Art.  37d a. F. des Bankengesetzes187. Diese auf einen Vorschlag der Schweizerischen Bankiervereinigung188 zurückgehenden Sonderbestimmungen waren anläßlich der Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)189 vom 16. Dezember 1994 in das Bankengesetz eingefügt worden, um für das Depotgeschäft der Banken einen besonderen Absonderungstatbestand zu schaffen, durch den das in Art.  242 SchKG geregelte Verfahren der Aussonderung vereinfacht und auf alle Arten von Depotwerten ausgedehnt wird190. Art.  37d Abs.  1 BankG a. F. bestimmte, daß Depotwerte i. S. von Art.  16 BankG bei der Liquidation der Bank nicht zur Liquidationsmasse gezogen, sondern unter Vorbehalt sämtlicher Ansprüche der Bank gegenüber dem Deponenten zu dessen Gunsten abgesondert werden. „Absonderung“ bedeutet nach schweizerischer, zuvor schon im revidierten Anlagefondsgesetz verwendeter Terminologie (vgl. Art.  16 AFG a. F.) Ausscheidung von Depotwerten des Kunden von Amts wegen. Über die Absonderung wird vom Konkursverwalter sofort entschieden, ohne daß der Depotkunde von sich aus Vorkehrungen treffen müßte191. Aus diesem Grund ist das bankgesetzliche Absonderungsrecht wesentlich kundenfreundlicher als das allgemeine konkursrechtliche Aussonderungsrecht, das vom Berechtigten im Wege der Aussonderungsklage gemäß Art.  242 Abs.  2 SchKG geltend gemacht werden muß192 . Ergänzend dazu stellte Art.  37d Abs.  2 BankG a. F. für die Fälle der Drittverwahrung eine Fremdvermutung auf, bei deren Ausgestaltung §  4 Abs.  1 DepotG als Vorbild gedient hatte193. 186 

Zobl, SZW 2001, 105, 118. vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz – BankG), SR 952.0. 188  Schweizerische Bankiervereinigung, Schlussbericht der Arbeitsgruppe „Offene Fragen im Wertpapierbereich“ vom August 1988, S.  14 ff. 189  SR 281.1. 190  Die Bestimmungen sind am 1. Januar 1997 in Kraft getreten. Art.  37d BankG war bis zur Änderung des Bankengesetzes vom 3. Oktober 2003 (AS 2004, S.  2767) Art.  37b. 191 BSK-BankG/Hess, Art.  37d Rn.  2; Bertschinger, AJP 1995, 426, 432. 192 Vgl. Christoph Brunner, Wertrechte, S.  286; Zobl, in: Festschrift für Heini, S.  543, 555. 193  Die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut: „Ist die zu liquidierende Bank selber Deponentin bei einem Dritten, so wird vermutet, die Depotwerte seien Bestände ihrer Kunden; sie werden gemäss Absatz 1 abgesondert.“ 187 Bundesgesetz

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Als vom Absonderungsrecht des Depotkunden erfaßte Depotwerte galten (und gelten194) gemäß Art.  16 BankG bewegliche Sachen und Effekten der Depotkunden (Nr.  1), bewegliche Sachen, Effekten und Forderungen, welche die Bank für Rechnung der Depotkunden fiduziarisch innehat (Nr.  2) sowie frei verfügbare Lieferan­ sprüche der Bank gegenüber Dritten aus Kassageschäften, abgelaufenen Termingeschäften, Deckungsgeschäften oder Emissionen für Rechnung der Depotkunden (Nr.  3). Art.  16 Nr.  1 BankG erstreckt sich auf alle Depotwerte, die dem Kunden gehören. Der Begriff „Effekten“ ist wie in Art.  2 lit.  b FinfraG (früher: Art.  2 lit.  a. BEHG) zu verstehen, umfaßt also neben (global-)verbrieften Kapitalmarktwerten, die bereits unter den Begriff der „beweglichen Sachen“ fallen, auch Wertrechte wie z. B. Namenaktien mit aufgeschobenem oder aufgehobenem Titeldruck195. Zwar fallen Namenaktien mit aufgeschobenem oder aufgehobenem Titeldruck im Fall des Konkurses der depotführenden Bank von vornherein nicht in die Konkursmasse, da die Rechtszuständigkeit bei ihnen ohnehin den jeweiligen Aktionären zusteht und eine „eigentumsmäßige Einverleibung“ in das Vermögen der Bank in Ermangelung von Wertpapieren nicht in Betracht kommt196. Gleichwohl hat die Einbeziehung von Wertrechten ihren guten Sinn, verfolgen die bankgesetzlichen Sondervorschriften doch den Zweck, Depotwerte jedweder Art einem einheitlichen und gegenüber den allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften vereinfachten Absonderungsregime zu unterstellen. Wären Wertrechte nicht in den Anwendungsbereich von Art.  16 Nr.  1 BankG einbezogen, müßte im Streitfall zwischen der Konkursverwaltung und dem Kunden wie schon zuvor nach den Regeln des Prätendentenstreits verfahren werden197. Art.  16 Nr.  2 BankG bezieht sich auf alle beweglichen Sachen, Effekten und Forderungen, welche die Bank als Vollrechtstreuhänderin für ihre Kunden hält. Mit dieser Regelung wurde eine viel kritisierte Lücke geschlossen198. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre in der Schweiz ist ein Treuhandverhältnis als einfacher Auftrag i. S. der Art.  394 ff. OR oder zumindest als auftragsähnliches Verhältnis zu qualifizieren. Damit findet grundsätzlich auch die Vorschrift des Art.  401 OR Anwendung199. Sie bestimmt in Abs.  1, daß Forderungsrechte, die der Beauftragte für Rechnung des Auftraggebers in eigenem Namen gegen Dritte erworben hat, auf den Auftraggeber übergehen, sobald dieser allen Verbindlichkeiten aus dem Auftragsverhältnis nach-

194 In seiner heutigen (durch das Bucheffektengesetz reformierten) Fassung sieht Art.   37d BankG vor, daß Depotwerte gemäß Art.  16 nach den Artikeln 17 und 18 BEG abgesondert werden. 195  Vgl. BSK-BankG/Hess/Zbinden, Art.  16 Rn.  16b; Kleiner, in: Bodmer/Kleiner/Lutz (Hrsg.), BankG, Art.  16 Rn.  10 (September 2010). 196 Vgl. Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50, 63. 197 Vgl. Christoph Brunner, Wertrechte, S.  276, der denn auch der Ansicht ist, daß die bankgesetzlichen Vorschriften für Wertrechte eine gewisse Vereinfachung darstellen; wohl a. A. Zobl, in: Festschrift für Heini, S.  543, 550, nach dessen Auffassung „ein Aussonderungsverfahren sensu technico“ bei Wertrechten nicht stattfindet. 198  Bertschinger, AJP 1995, 426, 428 f. 199  Insoweit unumstritten, siehe BGE 99 II 393, 396; 115 II 468, 471.

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gekommen ist. Gemäß Art.  401 Abs.  2 OR gilt diese Legalzession auch gegenüber der Masse, wenn der Beauftragte in Konkurs gefallen ist. Und Art.  401 Abs.  3 OR gewährt dem Auftraggeber ein Aussonderungsrecht, das sich auf alle beweglichen Sachen erstreckt, die der Beauftragte für Rechnung des Auftraggebers zu Eigentum erworben hat. In Rechtsprechung und Lehre war und ist nun umstritten, welche Vermögenswerte von der Legalzession bzw. dem Aussonderungsrecht erfaßt werden. Unter Berufung auf den Gesetzeswortlaut vertritt das Bundesgericht den Standpunkt, daß Art.  401 OR „sich nur auf Sachen und diesen gleichgestellte Vermögenswerte [bezieht] die der Beauftragte von Dritten erworben hat, nicht hingegen auf solche, die ihm der Auftraggeber überlassen hat, im Treuhandverhältnis mithin namentlich nicht auf das ursprüngliche Treugut“200. Überdies hatte das Bundesgericht in der betreffenden Entscheidung die Frage aufgeworfen, „ob die Anwendung der Norm nicht auf diejenigen Fälle zu beschränken sei, in welchen die Treuhandschaft sich weitestgehend in einem blossen Auftrag erschöpft mit dem Ziel, dem Treugeber raschmöglichst die durch den Treuhänder erworbenen Rechte zu verschaffen, dagegen für echte Treuhandverhältnisse, in denen die volle Rechtsmacht bis zur Beendigung der fiducia beim Treuhänder verbleiben soll, abzulehnen sei“201. Mit Art.  16 Nr.  2 BankG sollten alle Zweifel hinsichtlich der Reichweite des Aussonderungsrechts beseitigt und dem Depotkunden ein umfassender Schutz zugebilligt werden. Ob die Bank die Vermögenswerte von einem Dritten erworben oder vom Treugeber übertragen bekommen hat, spielt keine Rolle202 . Durch Art.  16 Nr.  3 BankG wird das Absonderungsrecht schließlich noch auf Lieferansprüche der Bank gegenüber Dritten aus bestimmten, für Rechnung der Kunden abgeschlossenen Geschäften erstreckt. Einer der wichtigsten Anwendungsfälle ist das contractual settlement, das sich dadurch auszeichnet, daß ein Depotkunde, der seine Bank mit dem Kauf von Wertpapieren beauftragt, dieser gegenüber in Vorleistung zu treten hat: Er hat bereits am Abschlußtag den Kaufpreis zu zahlen, obwohl die Erfüllung auf der Wertpapierseite erst am Abwicklungstag (auch in der Schweiz: T+2) eintreten soll. Aufgrund der auch in der Schweiz gebräuchlichen Praxis der vorgezogenen Depotgutschrift wird beim Kunden der Anschein erweckt, er erwerbe die Wertpapiere bereits am Abschlußtag, obwohl die Depotbank (noch) nicht über die zur Deckung erforderlichen Bestände verfügt. Es war nicht zuletzt die Schweizerische Bankiervereinigung, die mit Nachdruck darauf hingewiesen hatte, daß in dieser Praxis ein Widerspruch gegen das in Art.  184 OR verankerte Zug-um-Zug-Prinzips liegt. Das zeitliche Auseinanderfallen zwischen geld- und depotseitiger Erfüllung verschärfe sich dort, wo Lieferverzögerungen eintreten203. Art.  16 Nr.  3 BankG trägt 200 

BGE 117 II 429, 431. 117 II 429, 430. Inzwischen hat das Bundesgericht diese Zweifel als nicht stichhaltig bezeichnet, siehe BGE 130 III 312, 316. 202  Zobl, in: Festschrift für Heini, S.  543, 552. 203  Schweizerische Bankiervereinigung, Schlussbericht der Arbeitsgruppe „Offene Fragen im Wertpapierbereich“ vom August 1988, S.  5 ff. 201  BGE

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

diesem Problem dadurch Rechnung, daß er dem Depotkunden auch für den Fall ein Absonderungsrecht gewährt, daß die Depotbank im Zeitraum zwischen Abschlußund Abwicklungstag in Konkurs fällt204 .

VII.  Internationales Privatrecht Vor der Modernisierung durch das Bucheffektengesetz gab es im schweizerischen Recht keine besonderen Kollisionsregeln für die mediatisierte Wertpapierverwahrung. Es kam deshalb grundsätzlich darauf an, ob es um Verfügungen über Wertpapiere oder Wertrechte ging. Für die Übertragung des (Mit-)Eigentums an Wertpapieren war gemäß Art.  100 Abs.  1 IPRG205 die lex cartae sitae maßgebend, also das Recht des Belegenheitsstaates. Eine Rechtswahl war nur in dem engen Rahmen von Art.  104 IPRG zulässig und konnte Dritten nicht entgegengehalten werden206. Freilich entsprach es auch in der Schweiz einer weit verbreiteten Überzeugung, daß die Anknüpfung an die lex cartae sitae bei girosammelverwahrten Wertpapieren aus verschiedenen Gründen nicht paßt. Kritisiert wurde unter anderem, daß der Lageort der Papiere den Parteien häufig nicht bekannt oder nur schwer zu ermitteln ist. Auch sei es unpraktikabel, wenn auf die Übertragung eines Depots ggf. mehrere Rechtsordnungen zur Anwendung kommen. Es ist denn auch kein Zufall, daß auch in der Schweiz über alternative Anknüpfungskonzepte etwa nach Art des aus dem europäischen Recht bekannten Place of the Relevant Intermediary Approach (PRIMA) diskutiert wurde207. Die Verpfändung von Girosammelanteilen richtete sich nach der Sonderanknüpfung in Art.  105 IPRG. Maßgeblich ist danach das von den Parteien des Verpfändungsvertrags gewählte Recht, wobei auch hier die Einschränkung gilt, daß die Rechtswahl Dritten nicht entgegengehalten werden kann208. Daraus konnte sich eine Spaltung der Verpfändungswirkung in ein Innen- und ein Außenverhältnis erge-

204 BSK-BankG/Hess/Zbinden,

Art.  16 Rn.  33; Bertschinger, AJP 1995, 426, 429. Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG), SR 291. 206 BSK-IPR/Fisch, Art.  105 Rn.  18; Zobl, SZW 2001, 105, 110. 207  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  104 ff.; Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  257 ff.; Girsberger/Hess, AJP 2006, 992, 995 f.; Zobl, SZW 2001, 105, 112 ff. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der Entscheid BGE 102 III 94, in dem das Bundesgericht die Zwangsvollstreckung in Wertpapiere, die bei einer ausländischen Korrespondenzbank hinterlegt sind, am Sitz der depotführenden Bank des Schuldners in der Schweiz für zulässig erklärte. Nach Einschätzung des Gerichts (a. a. O. S.  106) „entspricht es (…) der Verkehrsanschauung, dass ein Wertpapierdepot bei derjenigen Bank gelegen ist, die das Depotkonto führt, wo immer sich die einzelnen Papiere befinden“. 208  Die von der Situs-Regel abweichende Anknüpfung in Art.  105 IPRG beruht auf der Erwägung, daß Forderungen und andere Rechte keinen eigentlichen Situs haben. Außerdem sollte den Parteien bei der Verpfändung mehrerer Rechte die Möglichkeit einer einheitlichen Anknüpfung (Sammelanknüpfung) gegeben werden; siehe BSK-IPR/Fisch, Art.  105 Rn.  2. 205 

§  13  Rechtslage vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes

427

ben209. Fehlte eine Rechtswahl, unterstand die Verpfändung dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Pfandgläubigers (Art.  105 Abs.  2 IPRG). Da Wertrechte nach schweizerischem Verständnis als schuldrechtliche Ansprüche zu qualifizieren sind, deren Übertragung sich nach Zessionsrecht richtet, war die auf die Abtretung anwendbare Rechtsordnung grundsätzlich nach Art.  145 IPRG zu bestimmen. Danach untersteht eine Abtretung durch Vertrag im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar dem Recht, welches auf das der Abtretung zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft anwendbar ist (Art.  145 Abs.  4 IPRG). Im Außenverhältnis ist – vorbehaltlich einer Rechtswahl der Parteien, die zu ihrer Wirksamkeit allerdings der Zustimmung des Schuldners bedarf – das Recht maßgebend, dem die abgetretene Forderung untersteht (Art.  145 Abs.  1 IPRG). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wurde zum Teil für „Wertrechte mit Beteiligungscharakter“ wie z. B. unverbriefte Aktien gemacht. Für deren Übertragung sollte wegen des engen Zusammenhangs mit dem Gesellschaftsstatut Art.  154 IPRG maßgebend sein210. Die Verpfändung von Wertrechten richtete sich wiederum nach der Sonderanknüpfung in Art.  105 IPRG, in erster Linie also nach dem von den Parteien gewählten Recht. Wurde keine Rechtswahl getroffen, war die Frage nach dem anwendbaren Recht nach Art.  105 Abs.  2 IPRG zu beantworten. Die Norm unterscheidet zwischen der Verpfändung von Forderungen und Wertpapieren, die sich nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Pfandgläubigers richtet, und der Verpfändung anderer Rechte, die dem auf diese anwendbaren Recht untersteht. Ob Wertrechte als „Forderungen“ oder „andere Rechte“ zu qualifizieren sind, war bis zuletzt umstritten211.

VIII. Reformbedarf 1.  Kritik des Schrifttums a)  Materielles Recht Im schweizerischen Schrifttum bestand weitgehend Einigkeit darin, daß die früheren materiellrechtlichen Regelungen nicht ausreichten, um die notwendige Rechtssicherheit im Effektengiroverkehr zu gewährleisten212 . Was die Sammelverwahrung 209 

Zobl, SZW 2001, 105, 110. Christoph Brunner, Wertrechte, S.  105 f.; Zobl, SZW 2001, 105, 111; jeweils m. w. N. 211  Die wohl h. M. ordnete Wertrechte als „Forderungen“ ein mit der Begründung, sie erfüllten die gleichen wirtschaftlichen Funktionen wie Wertpapiere, weshalb eine gleichartige Anknüpfung sinnvoll sei; so Zobl, SZW 2001, 105, 111; dem folgend Girsberger/Hess, AJP 2006, 992, 995; i. E. auch Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  282 ff.; a. A. Bertschinger, Securities Lending, S.  206 f.; der Gegenansicht zuneigend Christoph Brunner, Wertrechte, S.  108 f., allerdings mit der Erwägung, bereits de lege lata an das Recht des „rechtsinhabernächsten“ Intermediärs anzuknüpfen. 212  Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  25 Rdnr.  39; Kocher-Wolfensberger, Namenaktien mit aufgeschobenem Titeldruck, S.  36 ff.; Peter V. Kunz, in: Emmenegger (Hrsg.), Anlage210 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

von einzelverbriefenden Wertpapieren und Globalurkunden betrifft, wurde wie in Deutschland der Einwand erhoben, das in den Tresoren des Zentralverwahrers liegende Papier spiele für die Übertragung von Girosammelanteilen nur noch aus rechtlich-konstruktiven Gründen eine Rolle213. Der mittelbare Besitz des Veräußerers an dem Papier sei „bis zur Unkenntlichkeit verdünnt“ und „weit davon entfernt, jene Aufgabe zu erfüllen, die dem Besitztatbestand beim Erwerb dinglicher Rechte zukommen soll – nämlich Rechtsscheinbasis für das Vertrauen eines Erwerbers in die Verfügungsmacht des Veräusserers zu sein“214 . Faktisch vollziehe sich die Übertragung durch reine Buchungsvorgänge. Welche Bedeutung den einzelnen Buchungen – auch und gerade im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs – zukomme, müsse aber vom Gesetzgeber festgelegt werden: „Nur durch Gesetz und nicht durch selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft kann die Umstellung vom einen zum anderen Publizitätsmittel vollzogen werden, vom Schutz des Vertrauens auf den Besitz einer Ur­ kunde zum Schutz des Vertrauens auf Eintragungen und Buchungen“215. Als ungenügend abgesichert galt auch das Konzept der Wertrechte. Der schweizerische Gesetzgeber war sich bei der Schaffung des Börsengesetzes darüber im klaren, daß „der internationale Trend zur Entmaterialisierung der Beteiligungsrechte und die Abkehr von eigentlichen Schuldurkunden (…) im Verkehr mit blossen Wertrechten eine gewisse Rechtsunsicherheit mit einem entsprechenden Handlungsbedarf für das schweizerische Recht geschaffen“ hatte216. Doch hatte er, wie bereits erwähnt, aus dieser zutreffenden Einschätzung lediglich die Konsequenz gezogen, in Gestalt von Art.  2 lit.  a. BEHG eine bloße Definitionsnorm in das BEHG aufzunehmen, mit der das Konzept der Wertrechte zwar gesetzlich anerkannt, aber nicht inhaltlich ausgestaltet wurde. Der Verkehr mit Namenaktien mußte daher weiterhin nach dem in den 1980er Jahren entworfenen SEGA-Modell abgewickelt werden, das freilich nichts anderes war als der Versuch, die an sich unpassenden Vorschriften des Zessionsrechts so weit wie möglich auszuhebeln und Wertrechte sammelverwahrten Wertpapieren anzunähern. Böckli sah denn auch „trotz aller inzwischen gemachten positiven Erfahrungen die Rechtssicherheit nicht wirklich vollständig gewährleistet, weil die Meinungen der Juristen nach wie vor zu wesentlichen Fragen auseinandergehen und in wichtigen Punkten neue Zweifel aufgetaucht sind“217. Diese Zweifel betrafen insberecht, S.  25, 40 f.; Druey, SAG 1987, 65, 70; Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50, 64; Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 398; Kuhn, in: Nobel (Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- und Börsenplatzes Schweiz 2005, S.  125, 130 f.; etwas zurückhaltender Christoph Brunner, Wertrechte, S.  302 (neue gesetzliche Regelungen wären „zu begrüßen“, auch wenn die Praxis mit dem bisherigen Rechtszustand leben könnte); gegen die Notwendigkeit neuer gesetzlicher Regelungen Kleiner, SZW 1995, 290, 295. 213  Zobl/Lambert, SZW 1991, 117, 132. 214  Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 396 (Hervorhebung im Original). 215  Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 398 (Hervorhebung im Original); ebenso Kocher-Wol­ fensberger, Namenaktien mit aufgeschobenem Titeldruck, S.  38. 216  Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG) vom 24. Februar 1993, BBl. I 145, S.  1369, 1374. 217  Böckli, Schweizerisches Aktienrecht, §  4 Rn.  121.

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sondere die (deklaratorische oder konstitutive?) Bedeutung der Buchung sowie die damit zusammenhängende Frage, ob das verkehrsfeindliche Zessionsrecht bereits de lege lata durch die Anerkennung der Buchung als Rechtsscheinbasis hätte überwunden werden können. Wie die bisherigen Ausführungen deutlich gemacht haben dürften, war es vor allem das Verdienst Brunners, in seiner maßstabsetzenden Dissertation nicht nur auf diese Zweifel aufmerksam gemacht218, sondern auch ein ganzes rechtsfortbildendes Programm zu ihrer Beseitigung präsentiert zu haben. Seine vielen bedenkenswerten Vorschläge stießen jedoch bis zuletzt kaum auf Widerhall. Bei aller Kritik wurde vom schweizerischen Schrifttum nicht übersehen, daß die Praxis anscheinend mit dem alten Rechtszustand leben konnte und es keine einzige Gerichtsentscheidung gab, die das alte System grundsätzlich in Frage gestellt hätte. Andererseits fehlte es aber auch an Entscheidungen, in denen Tragfähigkeit dieses Systems im wesentlichen bestätigt worden wäre. Das wurde gerade im Hinblick auf grenzüberschreitende Transaktionen und im Verkehr mit ausländischen institutionellen Investoren und Aufsichtsbehörden als klarer Nachteil für den Finanzplatz Schweiz empfunden219. b)  Internationales Privatrecht Auch was das internationale Privatrecht der mehrstufigen Wertpapierverwahrung betrifft, wurden verschiedene Mängel konstatiert. So wurde erstens kritisiert, daß für sammelverwahrte Wertpapiere einerseits und Wertrechte andererseits unterschiedliche Anknüpfungsregeln galten. Es sei daher schwierig gewesen, die Anknüpfung nicht rein vertragsrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit Transaktionen und Sicherungsgeschäften im voraus zu bestimmen220. Zweitens herrschte, wie bereits erwähnt, auch in der Schweiz die Überzeugung vor, daß die Anknüpfung an die lex cartae sitae bei girosammelverwahrten Wertpapieren nicht paßt221. Als hinderlich wurden drittens auch die schwierigen Qualifikationsprobleme angesehen, welche die Differenzierung zwischen sachen- und schuldrechtlichen Formen der Wertpapierverwahrung mit sich brachte. In der Tat war in Rechtsprechung und Lehre bis zuletzt umstritten, welches Recht dazu berufen ist, über die Rechtsnatur des Rechts des Anlegers zu entscheiden. Das Spektrum der Meinungen reichte von der Anknüpfung an die lex fori über die Anknüpfung an den Ausstellungsort der Urkunde bzw. des Wertrechts bis hin zur Anwendung der Rechtsordnung, der das verbriefte bzw. unverbriefte Recht selbst untersteht222 . 218  Siehe auch Böckli, Schweizerisches Aktienrecht, §  4 Rn.  121 in Fn.  170 mit dem zweischneidigen Kompliment, Christoph Brunners Untersuchung habe „einen bemerkenswerten Beitrag zur allgemeinen Verunsicherung geleistet“. 219  Thévenoz, Unif. L. Rev. 2005-1/2, 301, 304. 220  Girsberger/Hess, AJP 2006, 992, 996. 221  Siehe oben VII. 222  Favre, Berechtigung von Depotkunden, S.  222 ff.; Girsberger/Hess, AJP 2006, 992, 996; jeweils m. Nachw. zum Meinungsstand.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

2.  Empfehlung der Übernahmekommission im Fall Unaxis Daß auch die Praxis ihre Probleme mit dem alten Recht hatte, zeigt die Empfehlung der Übernahmekommission223 vom 27. Juni 2005 in der Sache Unaxis. Die Übernahmekommission hatte zu prüfen, ob die Victory Industriebeteiligung AG mit Sitz in Wien gemäß Art.  32 Abs.  1 BEHG a. F. (seit 1. Januar 2016: Art.  135 Abs.  1 FinfraG) verpflichtet war, den Aktionären der Unaxis Holding AG mit Sitz in Pfäffikon ein öffentliches Angebot zum Kauf ihrer an der Schweizer Börse kotierten Namenaktien zu unterbreiten. Nach Art.  32 Abs.  1 BEHG a. F. (Art.  135 Abs.  1 FinfraG) ist angebotspflichtig, wer „direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die er bereits besitzt, den Grenzwert von 33⅓ Prozent der Stimmrechte einer Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, überschreitet“. Für das Überschreiten des Grenzwertes sind „sämtliche Beteiligungspapiere zu berücksichtigen, die im Eigentum der erwerbenden Person stehen oder ihr auf andere Weise Stimmrechte vermitteln, unabhängig davon, ob die Stimmrechte ausübbar sind oder nicht“224 . Die Übernahmekommission vertritt denn auch die Ansicht, daß unter einem „Erwerb“ im Sinne von Art.  32 Abs.  1 BEHG a. F. (Art.  135 Abs.  1 FinfraG) grundsätzlich der Eigentumserwerb, d h. der Vollzug des zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts zu verstehen ist225. Unstreitig war nun, daß die Victory im April 2005 die Schwelle von 33⅓ Prozent der Stimmrechte überschritten hatte. Die entscheidende und von der Übernahmekommission zu klärende Frage war aber, wann der Aktienerwerb stattgefunden hatte. Die Generalversammlung der Unaxis hatte nämlich am 26. April 2005 die Aufhebung der in ihren Statuten enthaltenen Opting-out-Klausel beschlossen226. Der Be223  Die heute in Art.  126 FinfraG geregelte Kommission für öffentliche Kaufangebote (Übernahmekommission – UEK) wird von der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) bestellt und setzt sich aus sachverständigen Vertretern der Effektenhändler, der kotierten Gesellschaften und der Anleger zusammen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Einhaltung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote (Art.  125 ff. FinfraG) im Einzelfall zu überprüfen. Näher dazu Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, §  9 Rn.  64 ff. (S.  663) und §  10 Rn.  477 ff. (S.  906 ff.). 224  Das ergibt sich heute aus Art.  34 Abs.  2 der Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturverordnung-FINMA, FinfraV-FINMA) vom 3. Dezember 2015, AS 2015, 5509. 225  Empfehlung i. S. Netstal-Maschinen AG vom 17. August 2001, Erw. 1.1; Empfehlung i. S. Swiss International Airlines AG vom 28. April 2005, Erw. 3.2; ebenso BSK-BEHG/Hofstetter/Heuber­ ger, Art.  32 Rn.  23 m. Hinweisen zu den Ausnahmen; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn.  420. 226 Nach schweizerischem Übernahmerecht (Art.   125 Abs.  3 FinfraG = Art.  22 Abs.  2 BEHG a. F.) können die Gesellschaften vor der Kotierung ihrer Beteiligungspapiere in ihren Statuten festlegen, daß ein Übernehmer nicht zu einem öffentlichen Kaufangebot verpflichtet ist. Nach der Kotierung ist das opting out zulässig, sofern mit ihm keine Benachteiligung der Aktionäre im Sinne von Art.  706 OR verbunden ist (Art.  125 Abs.  4 FinfraG = Art.  22 Abs.  3 BEHG a. F.). Alternativ läßt das schweizerische Übernahmerecht ein opting up zu: Nach Art.  135 Abs.  1 Satz  2 FinfraG (Art.  32 Abs.  1 Satz  2 BEHG a. F.) können die Zielgesellschaften in ihren Statuten den Grenzwert bis auf 49 Prozent der Stimmrechte anheben.

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schluß der Generalversammlung – das Opting-in – war noch am gleichen Tage zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet worden. Eine Angebotspflicht der Victory bestand daher jedenfalls dann nicht, wenn sie die maßgebliche Beteiligungsschwelle schon vor dem 26. April 2005 überschritten hatte. Die Übernahmekommission sah sich daher vor die Aufgabe gestellt, den Modus und den Zeitpunkt der Übertragung von Kapitalmarktwerten in mediatisierten Sy­ stemen genauer unter die Lupe zu nehmen und nahm den Fall zum Anlaß für eine rechtspolitische Stellungnahme. In Übereinstimmung mit der Lehre kritisierte sie, daß die traditionellen Übertragungskonzepte, d. h. die Besitzübertragung durch Besitzanweisung bzw. (bei Wertrechten) die schriftliche Abtretung, im Geschäftsverkehr nicht sauber gehandhabt würden, weil es dort faktisch auf die Bankbuchung ankomme. Die Realität der Wertpapiermärkte und die rechtlichen Vorstellungen klafften weit auseinander227. Problematisch sei auch das System des sog. „contractual settlement“. Denn die vorbehaltlose Einbuchung der Wertpapiere in das Depot des Anlegers unmittelbar nach Geschäftsabschluß (T+0) verursache bei der Verwahrungsstelle des Anlegers, sofern dieser die Titel erst drei Tage nach Geschäftabschluß (T+3) von der SIS gutgeschrieben werden, einen Unterbestand. Daraus ergebe sich für den Anleger „das Risiko, daß die Titel zwar in seinem Depot eingebucht sind, die Bank selber aber noch gar nicht über diese Titel verfügt und somit dem Anleger auch nicht das Eigentum daran verschaffen kann“228. Angesichts dieser Unwägbarkeiten stellte sich die Übernahmekommision die Frage, „ob es sinnvoll ist, für die Besitz- und Eigentumsübertragung und somit für den Erwerb im Sinne von Art.  32 Abs.  1 BEHG auf die für den Hinterleger von aussen nicht überblickbaren Besitzverhältnisse bei den Verwahrungsstellen abzustellen“. Es sei „zu überlegen, ob nicht aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit vielmehr auf die Einbuchung bei der Verwahrungsstelle des Erwerbers in dessen Depot abgestellt werden sollte. Der Erwerber wäre demnach in seinem Vertrauen in die Buchung in sein Depot zu schützen und das übertragene Recht würde als erworben gelten, sobald die auf dem Konto des Erwerbers erforderlichen Bucheinträge vorbehaltlos abgeschlossen sind“229. Im Ergebnis konnte die Übernahmekommission die Frage, ob es für den „Erwerb“ i. S. von Art.  32 Abs.  1 BEHG a. F. auf den Zeitpunkt der Einbuchung der A­k­ tien in das Depot der Victory durch ihre Depotbank oder das spätere (und für die Victory nicht erkennbare) Settlement bei der SIS ankam, offenlassen. Denn es stellte sich her­aus, daß beide Buchungsakte vor der Aufhebung der Opting-out-Klausel am 26. April 2005 stattgefunden hatten. Gleichwohl ist der Fall ein bemerkenswertes Beispiel für die Schwierigkeiten im Umgang mit dem alten Recht, zumal auch die Erwägungen der Übernahmekommission selbst nicht frei von Ungereimtheiten sind. Bedenkt man nämlich, daß es im Unaxis-Fall um den Erwerb kotierter Na227 

Empfehlung i. S. Unaxis Holding AG vom 27. Juni 2005, Erw. 5.3.1. Empfehlung i. S. Unaxis Holding AG vom 27. Juni 2005, Erw. 5.3.2. 229  Empfehlung i. S. Unaxis Holding AG vom 27. Juni 2005, Erw. 5.3.3. 228 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

menaktien, also um unverbriefte Titel ging, wird deutlich, wie schief und mißverständlich es ist, in diesem Zusammenhang von „Besitz- und Eigentumsübertragung“ und „Besitzverhältnissen“ bei den Verwahrungsstellen zu sprechen.

§  14  Das Bucheffektengesetz I. Entstehungsgeschichte 1.  Entwurf eines Wertpapierverwahrungsgesetzes (WVG) Der entscheidende Anstoß, das schweizerische Depotrecht auf eine klare gesetzliche Grundlage zu stellen, ging im Herbst 2001 von der Schweizerischen Bankiervereini­ gung und der SIS aus. Er bestand in der Einsetzung einer Arbeitsgruppe von Finanzmarktjuristen, die den Zürcher Ordinarius und Rechtsanwalt Hans Caspar von der Crone damit beauftragte, den Entwurf eines „Bundesgesetzes über die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren und Bucheffekten (Wertpapierverwahrungsgesetz – WVG)“ zu erarbeiten. Im Januar 2003 legte von der Crone seinen zusammen mit Franz J. Kessler und Andreas Gersbach verfaßten Entwurf dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) vor. Da der Entwurf nicht Gesetz geworden ist, braucht er hier nicht im Detail vorgestellt zu werden230. Ein kurzer Blick auf seinen Inhalt ist gleichwohl aufschlußreich. Denn der Entwurf stellte den auch aus deutscher Sicht bemerkenswerten Versuch dar, der mehrstufigen Wertpapierverwahrung ein praktikables, sicheres und international kompatibles Fundament zu geben, ohne die Rechtsposition des Anlegers nach einem neuen Konzept auszugestalten. Im Gegenteil trug er sogar deutlich konservative Züge, indem er vorsah, die für sammelverwahrte Wertpapiere und Globalurkunden entwickelte Miteigentumskonstruktion auf Wertrechte auszudehnen. Der Entwurf eines Wertpapierverwahrungsgesetzes umfaßte 30 Artikel, die auf sieben Kapitel verteilt waren. In bezug auf die Sammelverwahrung sollte klargestellt werden, daß Wertpapiere gleicher Gattung im labilen und modifizierten Miteigentum der daran beteiligten Einlieferer stehen und der Einlieferer einen jederzeitigen dinglichen Anspruch auf Herausgabe einer dem eigenen Anteil entsprechenden Zahl von Wertpapieren hat, der sich gegen denjenigen richtet, bei dem die Papiere liegen, aber primär über die eigene Verwahrungsstelle geltend zu machen ist (Art.  7 WVG-E). Der persönliche Anwendungsbereich der konkursrechtlichen Sonderbestimmungen der Art.  16/37d BankG sollte über die Banken hinaus auf alle Verwahrungsstellen i. S. des WVG erweitert werden (Art.  10 Abs.  1 WVG-E). Für die Verwahrung von Globalurkunden sollte die Miteigentumskonstruktion ebenfalls ausdrücklich anerkannt 230 Eingehend von der Crone/Kessler/Gersbach, in: Nobel (Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- und Börsenplatzes Schweiz 2002/2003, S.  135 ff.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

werden (Art.  11 Abs.  2 WVG-E). In der Überzeugung, daß die Anleger nicht zur Teilnahme an einem System von Verwahrungsstellen gezwungen werden sollten und der Wunsch nach effektiven Stücken etwa in Krisenzeiten durchaus legitim sein kann, sprachen sich die Entwurfsverfasser dafür aus, den Berechtigten auch für diesen Fall einen Anspruch auf Auslieferung separater Wertpapiere einzuräumen (Art.   13 WVG-E)231. Die gleiche Rechtsstellung – Miteigentum, Verbriefungsanspruch, Absonderungsrecht im Konkurs – sollten die Inhaber solcher Wertrechte erhalten, die durch Eintragung im Hauptregister einer Zentralverwahrungsstelle232 begründet werden. Mit der Eintragung, so der Vorschlag des Entwurfs, sollten die Wertrechte zu sog. Buch­ effekten erstarken, die über die gleichen dinglichen Eigenschaften wie Wertpapiere verfügen (Art.  14 Abs.  1 WVG-E). Zu diesem Zweck sollte in das WVG eine unverkennbar an §  6 Abs.  2 BSchuWG angelehnte Fiktion aufgenommen werden, derzufolge Bucheffekten den sammelverwahrten Wertpapieren gleichgestellt sind (Art.  18 Abs.  1 WVG-E)233. Hinsichtlich der technischen Handhabung der Bucheffekten ging der Vorschlag dahin, daß der Zentralverwahrer neben dem öffentlichen Hauptregi­ ster, welches ähnlich wie das Grundbuch für Grundstücke das Bestehen von Bucheffekten dokumentiert, ein nicht öffentliches Teilnehmerregister führt, aus dem sich die Zuordnung der Bucheffekten zu den einzelnen Berechtigten ergibt. Entsprechend sollten auch die nachgelagerten Verwahrungsstellen jeweils zur Führung eines Teilnehmerregisters verpflichtet werden (Art.  15 WVG-E). Die erforderliche Abstimmung der verschiedenen Register sollte durch Art.  16 WVG-E gewährleistet werden, wonach jede beteiligte Verwahrungsstelle sicherzustellen hat, daß die Summe der in den Teilnehmerregistern verzeichneten Bucheffekten stets der Gesamtsumme im Hauptregister entspricht. Auch die Übertragung sollte für alle vom WVG erfaßten Rechte gemeinsam geregelt werden. Als wesentliche Neuerung sah der Entwurf vor, an die Stelle der traditionellen Übertragungsformen (Übereignung des Wertpapiers bzw. Zession des 231  Siehe den Kommentar zu Art.  13 WVG-E, Anm.  2 . Dem unbefangenen Betrachter drängt sich hier die Frage auf, ob der Verbriefungsanspruch zwingend ausgestaltet oder in Anlehnung an §  9a Abs.  3 Satz  2 DepotG von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis abhängig sein sollte. Der Wortlaut von Art.  13 WVG-E und der Kommentar lassen keine eindeutige Antwort auf diese Frage zu. 232  Siehe die sperrige Legaldefintion in Art.  3 lit.  e. WVG-E: „jede Verwahrungsstelle, die über die entsprechende aufsichtsrechtliche Genehmigung sowie die erforderlichen persönlichen und organisatorischen Merkmale verfügt, um im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit im Sinne dieses Gesetzes das Hauptregister für eine Bucheffekte zu führen, die zudem in dieser Funktion tätig ist und zu diesem Zweck einer angemessenen Aufsicht untersteht; sowie die entsprechenden, einer angemessenen Aufsicht unterstellten ausländischen Institute.“ 233  Auf eine dogmatische Diskussion des Grundsatzes des numerus clausus sachenrechtlicher Institute läßt sich der Kommentar nicht ein: Dem Gesetzgeber stehe es frei, jederzeit formell neue sachenrechtliche Institute einzuführen. Ob es sich bei der Bucheffekte um ein neues Institut handele, könne freilich offen bleiben, da das WVG „lediglich die Wirkungen der Bucheffekten in Anlehnung an das sachverwandte Institut des Wertpapiers“ regele; Kommentar zu Art.  3 WVG-E Anm.  8 sowie zu Art.  18 WVG-E Anm.  1.

§  14  Das Bucheffektengesetz

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Wertrechts) die Buchung zu setzen. Sie sollte von einem bloß faktischen Vorgang zum Verfügungsgeschäft aufgewertet werden (Art.  22 Abs.  1 WVG-E). Der Rechtsübergang hätte danach zweierlei vorausgesetzt: (1) ein gültiges Grundgeschäft 234, (2) die Umbuchung der Titel auf das Konto des Erwerbers. Die Entwurfsverfasser waren sich darüber im klaren, daß eine Übertragung bei diesem Ansatz theoretisch erst mit Abschluß der letzten Buchung als vollendet betrachtet werden könnte, und das auch nur unter der Voraussetzung, daß alle vorgeschalteten Buchungen frei von Fehlern sind. Mit Blick auf die Praxis des contractual settlement hielten sie es jedoch für angebracht, das Vertrauen des Erwerbers in die „letzte Buchung“ zu schützen. Ganz im Sinne der Überlegungen der Übernahmekommission im Fall Unaxis schlugen sie daher vor, den Rechtsübergang bereits mit der (vorbehaltlosen) Gutschrift der Titel im Effektenkonto des Erwerbers eintreten zu lassen (Art.  22 Abs.  2 WVG-E). Das Verlangen nach systematischer Reinheit habe hier hinter das Bedürfnis nach Praktikabilität und Rechtssicherheit zurückzutreten. Für den Fall, daß sich die Buchung im nachhinein als fehlerhaft erweist, sei eine einfach zu handhabende Ausgleichsregelung vorzusehen, die dem Erwerber einen Anspruch gegen seine Verwahrungsstelle auf Realersatz gewährt (vgl. Art.  23 WVG-E)235. Einheitliche Regelungen sollten schließlich auch für die Bestellung von Sicherungsrechten an sammelverwahrten Wertpapieren, Globalurkunden oder Bucheffekten geschaffen werden. Nach Art.  24 Abs.  1 WVG-E sollte die Wirksamkeit einer gewöhnlichen Verpfändung davon abhängig gemacht werden, daß im Depot des Pfandschuldners die Verpfändung und im Depot des Pfandgläubigers eine entsprechende Pfandberechtigung eingetragen wird. Aber auch für die Sicherungsübereignung und das irreguläre Pfandrecht, also diejenigen Sicherungsrechte, bei deren Begründung ein Eigentümerwechsel stattfindet, sollte eine besondere Form der Publizität eingeführt werden: Nach Art.  24 Abs.  2 WVG-E sollte die Wirksamkeit der Sicherheitenbestellung zum einen von der Übertragung der Titel in das Depot des Sicherungsnehmers, zum anderen davon abhängig gemacht werden, daß im Depot des Sicherungsnehmers eine Sicherheits-Rückübertragungsverpflichtung und im Depot des Sicherungsgebers eine Sicherheits-Rückübernahmeberechtigung vermerkt wird. Zwecks Erhöhung der Verkehrssicherheit war überdies eine Vorschrift geplant, derzufolge die Belastung der Titel mit einem Sicherungsrecht aus dem De­ pot­auszug hervorgehen muß (Art.  24 Abs.  3 WVG-E)236.

234 

den.

Die Geltung des Kausalitätsprinzips sollte in Art.  21 WVG-E ausdrücklich klargestellt wer-

235  Kommentar zu Art.  22 WVG-E, Anm.  5; von der Crone/Kessler/Gersbach, in: Nobel (Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- und Börsenplatzes Schweiz 2002/2003, S.  135, 150 ff. Als nachträglich erkannte Fehlbuchung sollte offenbar auch der Fall gelten, daß die Verwahrungsstelle keine Deckung für die gutgeschriebenen Titel erhält, weil die Lieferung durch die Gegenpartei wider Erwarten ausbleibt. 236  Kommentar zu Art.  24 WVG-E, Anm.  3.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

2.  Bericht der technischen Arbeitsgruppe Nachdem es den WVG-Entwurf erhalten hatte, setzte das Eidgenössische Finanzdepartement eine technische Arbeitsgruppe ein mit dem Auftrag, den Entwurf zu überarbeiten und seine Kompatibilität mit der schweizerischen Rechtsordnung und dem Haager Wertpapierübereinkommen zu überprüfen237. Die Arbeitsgruppe legte am 15. Juni 2004 ihren Bericht vor, der den ausführlich kommentierten Entwurf eines „Bundesgesetzes über die Verwahrung und Übertragung von Bucheffekten (Bucheffektengesetz – BEG)“ enthielt238. Dieser Entwurf beschränkte sich nicht auf punktuelle Verbesserungen des Wertpapierverwahrungsgesetzes, sondern präsentierte in Gestalt der Bucheffekte ein völlig neues Konzept. Zwar hielt die Arbeitsgruppe den WVG-Entwurf prinzipiell für geeignet, als Grundlage für eine gesetzliche Regelung des Depotrechts zu dienen. Das läßt sich daraus ersehen, daß verschiedene Ideen und Elemente des Entwurfs in das BEG eingeflossen sind. Mit dem eher konservativen Ansatz des WVG-Entwurfs vermochte sich die Gruppe aber nicht anzufreunden. Auch wenn sie die Ansicht teilte, daß es für die Frage, welche Rechte der Anleger hat und wie er sie ausübt, nicht von Bedeutung sein kann, ob die Mediatisierung durch Hinterlegung von Wertpapieren in Sammelverwahrung, Hinterlegung einer Globalurkunde oder durch den Eintrag von Wertrechten in ein Register begründet wird, konnte sie sich mit der gesetzlichen Anerkennung der Miteigentumskonstruktion und deren Ausdehnung auf Wertrechte nicht anfreunden239. Die Tauglichkeit dieser Konstruktion sei bereits bei Globalurkunden zweifelhaft, weil der Anleger keine der ihm gesetzlich zustehenden Befugnisse eines Miteigentümers auch tatsächlich ausüben könne. Bei Wertrechten, die nach den Grundsätzen des schweizerischen Zivilrechts nicht Gegenstand dinglicher Rechte sein könnten, könne sie noch weniger überzeugen. Einen weiteren Nachteil sah die Arbeitsgruppe darin, daß die Miteigentumskonstruktion von einer direkten Rechtsbeziehung zwischen dem Anleger und den sammelverwahrten Papieren ausgeht. Diese Vorstellung sei aber von der Realität mediatisierter Verwahrsysteme weit entfernt und dort, wo physische Titel nicht mehr vorhanden sind, nicht länger aufrechtzuerhalten. Diese Überzeugung macht plausibel, weshalb die Arbeitsgruppe zu dem Schluß kam, daß die Bedeutung und Regelungsprobleme der Immobilisierung bzw. Entmate­ rialisierung einerseits und der Mediatisierung andererseits klar auseinanderzuhalten seien und sich eine gesetzliche Regelung des Depotrechts deshalb nicht auf eine Ko237  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9337 f. 238  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der vom Eidgenössischen Finanzdepartement eingesetzten technischen Arbeitsgruppe zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Verwahrung und Übertragung von Bucheffekten (Bucheffektengesetz) und zur Ratifikation des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte an Intermediär-verwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung (Haager Wertpapierübereinkommen) vom 15. Juni 2004. 239  Siehe dazu und zum folgenden Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  31 f.

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difizierung der Konzepte Sammelverwahrung, Globalurkunde und Wertrecht beschränken könne. Und so entschied sie sich für ein neuartiges Regelungsmodell, „welches unabhängig davon, ob das unterliegende Recht als Wertpapier, Globalurkunde oder Wertrecht ausgestaltet ist, sowohl die Rechtsbeziehungen zwischen Anleger und Intermediär als auch die Modalitäten der Übertragung einheitlich regelt“240. In das Zentrum dieses Modells stellte sie die Bucheffekte als Vermögensobjekt sui generis. In ihrem Bericht sprach sich die technische Arbeitsgruppe außerdem für eine rasche Ratifikation des Haager Wertpapierübereinkommens aus. Darüber hinaus unterbreitete sie verschiedene Vorschläge zur Anpassung und Ergänzung des bisherigen Rechts. So regte sie an, das von der Praxis bei Namenaktien eingeführte System des aufgeschobenen oder aufgehobenen Titeldrucks durch eine Änderung des Art.  622 OR abzusichern und auch für Inhaberaktien zuzulassen241. Nicht minder bemerkenswert ist die Empfehlung der Arbeitsgruppe, in den allgemeinen Teil des Wertpapierrechts (Art.  965 ff. OR) Regelungen über die Sammelverwahrung von Wertpapieren, die Globalurkunde und Wertrechte aufzunehmen (Art.  973a bis 973c OR-neu). Die Arbeitsgruppe war zu der Überzeugung gelangt, daß diese Konzepte aus Gründen der Verständlichkeit und Vollständigkeit in knapper Form und in Anlehnung an die überlieferte Lehre und Praxis kodifiziert werden sollten242 . Verständlich wird dies vor dem Hintergrund des Prinzips der offenen Architektur, auf dem das BEG basiert243: Es gelangt zur Anwendung, wenn Wertpapiere oder Wertrechte in Form eines Bucheintrags über einen regulierten Finanzintermediär gehalten werden, schließt alternative Verwahrungsformen, z. B. die Verwahrung durch den Emittenten selbst, aber nicht aus. Der von der technischen Arbeitsgruppe erarbeitete Entwurf eines Bucheffektengesetzes wurde einem ausgewählten Kreis von 25 Experten (interessierte Personen, Verbände und Organisationen) zur Stellungnahme zugeleitet und von ihnen einhellig begrüßt. Insbesondere das Konzept der Bucheffekte fand uneingeschränkte Unterstützung. Soweit an dem Entwurf Kritik geübt wurde, konzentrierte diese sich auf die Bestimmungen über die Stornierung von Belastungen und Gutschriften (Art.  27 und 28 BEG) und die Rangfolge konkurrierender Rechte (Art.  30 BEG). Von der Universität Lausanne wurde die Frage nach der Vereinbarkeit des Konzepts der Bucheffekte mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie gestellt. In drei Stellungnahmen wurde kritisiert, der Entwurf berücksichtige einseitig und ohne hinreichenden Grund die Interessen der Verwahrungsstellen244 . 240 

Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  32. Art.  622 Abs.  1 OR n. F., der wie folgt lautet: „Die Aktien lauten auf den Namen oder auf den Inhaber. Als Bucheffekten im Sinne des Bucheffektengesetzes vom 3. Oktober 2008 ausgegebene Aktien werden aktienrechtlich entweder als Namen- oder Inhaberaktien ausgestaltet.“ 242  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  9 0. 243  Näher dazu sogleich unter 3 d). 244  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9338; FISA & HSC Commentary/Kuhn, Prel. Cmts FISA Rn.  17. 241  Siehe

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3.  Gang des Gesetzgebungsverfahrens und Inkrafttreten 2005 wurden das Eidgenössische Finanzdepartement und das Bundesamt der Justiz vom Bundesrat beauftragt, auf der Grundlage des Entwurfs der technischen Arbeitsgruppe eine Gesetzesvorlage für die Bundesversammlung zu erarbeiten. Unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen wurde der Entwurf eines Bucheffektengesetzes an verschiedenen Stellen angepaßt. Außerdem wurde er um den Vorschlag ergänzt, zwecks Umsetzung des Haager Wertpapierübereinkommens in das IPRG ein neues Kapitel über intermediärverwahrte Wertpapiere aufzunehmen (Art.  108a bis 108d IPRG). Mit Botschaft vom 15. November 2006 wurde der überarbeitete Entwurf vom Bundesrat der Bundesversammlung zugeleitet245. Am 3. Oktober 2008 wurde der Entwurf von beiden Kammern der Bundesversammlung (Nationalrat und Ständerat) verabschiedet, ohne daß dem noch eine intensive, geschweige denn kontroverse Diskussion vorausgegangen wäre246. Das Bucheffektengesetz247 ist am 1. Januar 2010 in Kraft getreten.

4.  Anpassungen durch das Finanzmarktinfrastrukturgesetz 2016 Durch das am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Finanzmarktinfrastrukturgesetz248 wurde das BEG an mehreren Stellen geändert, dies auch zu dem Zweck, zu einer Reihe von Auslegungsfragen Stellung zu beziehen, die sich in den ersten Jahren der Gesetzesanwendung gezeigt und zu einem nicht unerheblichen Maß an Rechtsunsicherheit geführt hatten249. So wurde Art.  3 BEG um einen neuen Abs.  1bis ergänzt, um klarzustellen, dass eine (inländische) Verwahrungsstelle im grenzüberschreitenden Verkehr ihrem Kunden nicht mehr Rechte weitergeben kann, als sie selber gegenüber der (ausländischen) Drittverwahrungsstelle hat250. Darüber hinaus wurden die Art.  24, 25 und 26 BEG angepaßt, um jeden Zweifel daran auszuschließen, daß die dort geregelten Verfügungsmethoden sowohl für die Übertragung von Vollrechten als auch für die Bestellung von Teilrechten eingesetzt werden können251. Auf diese – und einige weitere – Änderungen wird zurückzukommen sein252 . 245  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9315. 246  Zu den Einzelheiten FISA & HSC Commentary/Kuhn, Prel. Cmts FISA Rn.  18/19. 247  Veröffentlicht in AS 2009 3577, in der Systematischen Sammlung des Bundesrechts zu finden unter der Nr.  957.1. 248  Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effektenund Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturgesetz, FinfraG) vom 19. Juni 2015, AS 2015, S.  5339. 249  Ausführlich dazu Steiner, GesKR 2016, 335 ff. 250  Botschaft zum Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturgesetz, FinfraG) vom 3. September 2014, BBl. 2014, S.  7622 f. 251  Botschaft zum Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturgesetz, FinfraG) vom 3. September 2014, BBl. 2014, S.  7623 ff. 252  Siehe insbesondere unter III 1 und IX (Ergänzung von Art.  3 BEG), unter VII 1 und 2 (Ände-

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II. Leitideen Dem BEG liegen fünf Leitideen zugrunde, die in ausformulierter Form zwar nur in dem Bericht der technischen Arbeitsgruppe zum Ausdruck kommen253, der Sache nach aber auch in den Gesetzestext und die dazugehörige Botschaft eingeflossen sind.

1.  Internationale Kompatibilität Die erste dieser Leitideen ist internationale Kompatibilität. In Anbetracht des Befundes, daß auch der Finanzplatz Schweiz international stark verflochten ist und ein großer Teil der bei schweizerischen Finanzintermediären verbuchten Wertpapiere im Rahmen grenzüberschreitender Verwahrketten gehalten wird, hielt der Gesetzgeber es für angezeigt, Regelungen zu erlassen, die nicht nur einen reibungslosen internationalen Effektengiroverkehr ermöglichen, sondern auch international verständlich sind. In diesem Sinne wurde bei der Ausarbeitung des Gesetzes auf den Stand der Harmonisierungsinitiativen auf internationaler und europäischer Ebene (UNI­ DROIT, Legal Certainty Project der EU) ebenso geachtet wie auf eine Übereinstimmung mit internationalen Standards. Ein besonderes Augenmerk galt ferner der Anpassung des schweizerischen Rechts an die europäische Finanzsicherheitenrichtlinie, der von der Expertengruppe zwar keine rechtliche, aber doch faktische Verbindlichkeit für die Schweiz beigemessen wurde: Auch wenn die Schweiz als Nichtmitgliedstaat der EU nicht zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet sei, sei es schwer vorstellbar, „daß ausgerechnet der Finanzplatz Schweiz diesem Mindeststandard nicht in allen Punkten genügt“254 .

2.  Orientierung an etablierten Marktpraktiken Des weiteren verfolgte der Gesetzgeber die Absicht, die Kompatibilität des Bucheffektengesetzes mit den national und international anerkannten Praktiken der Wertpapierverwahrung und -abwicklung sicherzustellen und kostspielige Eingriffe in die zum großen Teil aus komplexen IT-Einrichtungen bestehenden Systeme so weit wie möglich zu vermeiden. Der Bericht der technischen Arbeitsgruppe verglich die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die mediatisierte Wertpapierverwahrung „mit Fundierungsarbeiten an einer massiven Stahlkonstruktion, die teilweise auf einem weichen, sandigen oder sumpfigen Boden steht“. Auf das bereits Bestehende müsse bei einer nachträglichen Fundierung Rücksicht genommen werden. Die rung der Art.  24−26 BEG), unter VII 3 (Änderung von Art.  31 BEG) sowie unter VII 4 (Streichung von Art.  30 Abs.  3 BEG). 253  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.   32 ff.; siehe ferner FISA & HSC Commentary/Kuhn, Prel. Cmts FISA Rn.  20–30. 254  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  33.

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Finanzintermediäre sollten daher „nur dann zu Umbauten ihrer Verwahrungs- und Abwicklungssysteme gezwungen werden, wenn ein triftiger Grund für eine Praxisänderung gegeben ist und die Kosten mit dem Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen“255. Zu den Marktpraktiken, die vom BEG nicht angetastet wurden, zählt insbesondere das contractual settlement, d. h. die Einbuchung gekaufter Effekten in das Kundendepot im Zeitpunkt T+0 trotz noch ausstehender Lieferung der Titel auf übergeordneter Ebene.

3. Technologieneutralität Drittens war dem Gesetzgeber an einer gesetzlichen Regelung gelegen, die so offen und flexibel ist, daß sie künftigen technischen Entwicklungen im Bereich der Wertpapierverwahrung und -abwicklung nicht im Wege steht und auch unter veränderten Rahmenbedingungen praktisch anwendbar bleibt. Die technische Arbeitsgruppe war der Überzeugung, daß die Triebkräfte, welche die verschiedenen Formen der mediatisierten Wertpapierverwahrung hervorgebracht haben, auch heute noch wirksam sind. Aus diesem Grund hielt sie es nicht für sinnvoll, „das heute typische Verwahrungssystem mit einer zentralen Verwahrungsstelle an der Spitze, spezialisierten Unterverwahrungsstellen auf einer mittleren Ebene und Intermediären (Banken, Effektenhändler) auf einer untersten Ebene“ im BEG abzubilden256. Begriffe wie „Zentralverwahrer“ oder „Wertpapiersammelbank“ werden denn auch vom Gesetz bewußt vermieden. Es spricht allgemeiner von „Verwahrungsstellen“ und „Drittverwahrungsstellen“. Eine „Verwahrungsstelle“ im Sinne des Gesetzes ist eine Stelle, die auf den Namen von Personen oder Personengesamtheiten Effektenkonten führt (Art.  4 Abs.  1 BEG). Unter einer „Drittverwahrungsstelle“ ist eine Verwahrungsstelle zu verstehen, die für andere Verwahrungsstellen Effektenkonten führt (Art.  5 lit.  a. BEG).

4.  Offene Architektur Viertens ist das BEG als offenes, durchlässiges System mit einem beschränkten persönlichen und sachlichen Geltungsbereich konzipiert257. Es gelangt zur Anwendung, wenn eine Verwahrungsstelle i. S. von Art.  4 BEG einem Depotkonto Bucheffekten gutschreibt, schließt alternative Verwahrungsformen und -konzepte aber nicht aus. Der von ihm geregelte Bereich der mediatisierten Wertpapierverwahrung kann betreten und wieder verlassen werden258. Wertpapiere können, soweit dies nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis möglich und zulässig ist, auch weiterhin von 255 

Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  33. Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  33. 257  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9348. 258  Steiner/Büchi, GesKR 2007, 73. 256 

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einer anderen Einrichtung als einer Verwahrungsstelle (z. B. vom Emittenten), in einem geschlossenen Depot bei einer Verwahrungsstelle oder vom Anleger selbst aufbewahrt werden259. Demgemäß trifft das BEG – in Übereinstimmung mit dem Genfer Wertpapierübereinkommen – Vorsorge dafür, daß Kapitalmarktwerte in das Bucheffektensystem überführt (Art.  6), aber auch aus diesem System wieder herausgenommen werden können (Art.  8). Als Teil dieser offenen Architektur versteht sich auch die Befugnis des Emittenten, die den Bucheffekten als „Unterlage“ dienenden sammelverwahrten Wertpapiere, Globalurkunden oder Wertrechte jederzeit und ohne Zustimmung der Depotinhaber auf eigene Kosten in eine der beiden anderen Formen umzuwandeln (Art.  7 Abs.  1)260. Was mit diesem Konzept zwangsläufig einherging, war der Verzicht des schweizerischen Gesetzgebers auf eine vollständige Entmaterialisierung der Wertpapiere. Zwar stehe, so die auffallend lakonische Feststellung der Botschaft, außer Frage, daß eine Entmaterialisierung Effizienz- und Ko­ stenvorteile auf ihrer Seite habe; es bestehe allerdings kein Grund, die Entscheidung darüber nicht den Depotinhabern und Emittenten zu überlassen261.

5.  Beschränkung auf privatrechtliche Fragen Das fünfte und letzte Konstruktionsprinzip des Bucheffektengesetzes ist seine Beschränkung auf privatrechtliche und die Ausklammerung aufsichtsrechtlicher Fragen. Ausweislich des Berichts der technischen Arbeitsgruppe erschöpft sich der Zweck des Gesetzes darin, „klare, transparente und verlässliche privatrechtliche Grundlagen für die mediatisierte Wertpapierverwahrung und die Übertragung dieser Wertpapiere zu schaffen“. Soweit aus Gründen des Anleger- und Funktionsschutzes zusätzliche Regulierungen notwendig sein sollten, seien diese auf der Grundlage der einschlägigen Ermächtigungen durch die zuständigen Behörden, insbesondere die Eidgenössische Bankenkommission (heute: Eidgenössische Finanzaufsicht) oder, sofern es um Effektenabwicklungssysteme geht, die Schweizerische Nationalbank zu erlassen. Der Bericht rechtfertigt diese dem BEG zugrundeliegende Trennung von privatem Finanzmarktrecht und Finanzmarktaufsichtsrecht mit dem Vorteil der Flexibilität: Neue Entwicklungen und spezifische Bedürfnisse könnten so rascher und genauer erfaßt werden262 .

259  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9340. 260  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9350. 261  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9350. 262  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  34.

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III.  Die Bucheffekte als Vermögensobjekt sui generis 1.  Begriff und Rechtsnatur Nach Art.  3 Abs.  1 BEG sind Bucheffekten vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber einem Emittenten, die einem Effektenkonto263 bei einer Verwahrungsstelle gutgeschrieben sind (lit.  a) und über die der Kontoinhaber nach den Vorschriften des Bucheffektengesetzes verfügen kann (lit.  b). Art.  3 Abs.  2 BEG bestimmt, daß die Bucheffekte der Verwahrungsstelle und jedem Dritten gegenüber wirksam und dem Zugriff der Gläubiger der Verwahrungsstelle entzogen ist. Aus diesen zwei prägnanten Absätzen lassen sich vier für das Verständnis des Bucheffektenmodells elementare Aussagen ableiten: –  Erstens ergibt sich aus Art.  3 Abs.  1 BEG, daß als Bucheffekten nur fungible Forderungs- und Mitgliedschaftsrechte in Betracht kommen, die in ein Verwahrsystem eingebracht und auf Effektenkonten verbucht werden können. Das ist nur bei solchen Forderungs- und Mitgliedschaftsrechten der Fall, die in zur Sammelverwahrung geeigneten Wertpapieren oder Globalurkunden verbrieft oder als Wertrechte im Hauptregister einer Verwahrungsstelle eingetragen sind (vgl. Art.  6 Abs.  1 BEG). Zum massenweisen Handel müssen die Rechte aber nicht geeignet sein264 . – Zweitens folgt aus Art.  3 Abs.  1 BEG, daß zwischen dem Anleger und dem Emittenten eine unmittelbare rechtliche Beziehung besteht. In bewußter Abgrenzung zum US-amerikanischen security entitlement-Modell erschöpft sich die Rechtsstellung des Anlegers nicht in Ansprüchen gegen die Verwahrungsstelle. Vielmehr umfaßt sie grundsätzlich auch das betreffende Forderungs- oder Mitgliedschaftsrecht gegenüber dem Emittenten, das freilich in der Regel nur mit Hilfe der Verwahrungsstelle ausgeübt werden kann265. Daß die Entstehung von Bucheffekten die Rechte des Anlegers gegenüber dem Emittenten unberührt läßt, geht ausdrücklich auch aus Art.  13 Abs.  1 BEG hervor. Der in Art.  5 lit.  c. BEG definierte Begriff des Anlegers ist formal zu verstehen: Gemeint ist ein Kontoinhaber, der nicht Verwahrungsstelle ist, 263  Darunter ist ein von einer Verwahrungsstelle geführtes Konto zu verstehen, dem Bucheffekten gutgeschrieben werden können; Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9343. 264  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9345; Dalla Torre/Germann, GesKR 2009, 573 f.; ungenau Wiegand, in: Festschrift für Koziol, S.  1125, 1128, wonach die betreffenden Rechte Effekten i. S. von Art.  2 lit.  a. BEHG a. F. sein müssen. 265  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9345; BSK-Wertpapierrecht/Pulver/Meyer Bahar, Art.  13 BEG Rn.  14; Beeler, Bucheffekten, Rn.  213 ff.; Spoerlé, Inhaberaktie, Rn.  206; Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 43 f.; Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 103. Unzutreffend Costantini, Anknüpfungsgegenstände, S.  195 ff. und Hanten, Bucheffektengesetz, S.  51, nach deren Ansicht die Bucheffekte funktional dem US-amerikanischen security entitlement entspricht; fragwürdig auch Lanz/Favre, GesKR 2009, 548, 551 (Bucheffekte als Berechtigung sui generis gegenüber der Verwahrungsstelle).

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oder eine Verwahrungsstelle, die Bucheffekten für eigene Rechnung hält. Ob der Anleger i. S. des Art.  5 lit.  c. BEG auch der wirtschaftliche Berechtigte ist oder die Buch­ effekten (etwa als Treuhänder) für eine andere Person hält, bestimmt sich nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis und ist für die Anwendbarkeit des Bucheffektengesetzes ohne Belang266. –  Daraus folgt drittens, daß eine Verwahrungsstelle hinsichtlich der für ihre Kunden gehaltenen (Fremd-)Bestände nicht selbst Rechtsträgerin ist, sondern die betreffenden Rechte gegenüber dem Emittenten nur vermittelt267. Bucheffekten werden zwar durch Gutschriften auf den einzelnen Ebenen der Verwahrpyramide repräsentiert, rechtszuständig ist aber nur der jeweilige Anleger am Ende der Buchungskette. Nur er ist der materiell berechtigte Gläubiger bzw. Aktionär. Mit anderen Worten besteht pro Buchungskette nur eine einzige materielle Rechtsposition „Bucheffekte“268. Ansonsten ergäbe die Definition in Art.  3 Abs.  1 BEG keinen Sinn und wäre auch nicht zu erklären, weshalb das Bucheffektengesetz regelungstechnisch sauber zwischen „Anlegern“ und „Kontoinhabern“ unterscheidet. Diese Unterscheidung zeigt sich besonders deutlich an Art.  13 BEG: Abs.  1 stellt, wie bereits erwähnt, klar, daß die Entstehung von Bucheffekten die Rechte der „Anleger“ gegenüber dem Emittenten unberührt läßt. Und Abs.  2 sieht vor, daß die „Kontoinhaber“ ihre Rechte an Bucheffekten nur über ihre Verwahrungsstelle ausüben können, sofern das Buch­ effektengesetz nichts anderes bestimmt. –  Viertens ergibt sich aus der in Art.  3 Abs.  2 BEG angeordneten Drittwirkung, daß die Bucheffekte etwas anderes, stärkeres ist als eine schuldrechtliche Forderung. Sie ist ein neuartiges Vermögensobjekt, „das alle Merkmale eines Wertpapiers auf[weist], ohne eine körperliche Dimension zu haben und damit Sache im Sinne der schweizerischen Privatrechtsordnung zu sein“269. Die Botschaft bezeichnet die Bucheffekte als Vermögensgegenstand sui generis270. Das Schrifttum hat sich dieser dogmatischen Einordnung alsbald angeschlossen271. Es sieht in der Bucheffekte „eine Art von Hybrid zwischen Sache und Forderung“, das funktionell einem Wertpapier entspreche272 . In einem Urteil vom 10. Januar 2012, in 266 

Vgl. FISA & HSC Commentary/Graham-Siegenthaler, Art.  5 FISA Rn.  9. zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9357; BSK-Wertpapierrecht/Pulver/Meyer Bahar, Art.  13 BEG Rn.  16. 268  Hanten, Bucheffektengesetz, S.  50; unklar Steiner, GesKR 2016, 335, 339. 269  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9345. 270  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9345. 271 BSK-Wertpapierrecht/Peter V. Kunz, Art.  3 Rn.  5; ders., in: Emmenegger (Hrsg.), Anlagerecht, S.  25, 44; Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 44 ff.; Lanz, in: Reutter/Werlen (Hrsg.), Kapitalmarkttransaktionen IV, S.  189, 195; Bärtschi, AJP 2009, 1071, 1072; Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 103; Hess/Stöckli, SJZ 106 (2010), 153; dies., Anwaltsrevue 2010, 115; von der Crone/Bilek, SZW 2008, 193, 196; Wiegand, in: Festschrift für Koziol, S.  1125, 1137. 272  Peter V. Kunz, in: Emmenegger (Hrsg.), Anlagerecht, S.  25, 44. 267  Botschaft

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dem es um die Pflicht zur Herausgabe von Bucheffekten geht, hat sich auch das Bundesgericht diese Sicht zu eigen gemacht273. Nun ist bei Juristen häufig eine gewisse Ratlosigkeit im Spiel, wenn sie die Floskel sui generis gebrauchen274 . Bei der Bucheffekte trifft diese Charakterisierung aber ins Schwarze. Denn als neuartiges Vermögensobjekt, das sich weder als dingliches Recht an einem sammelverwahrten Wertpapier noch als bloßes Bündel von Ansprüchen gegen die Verwahrungsstelle einordnen läßt275, sondern irgendwo dazwischen (oder daneben) anzusiedeln ist, ist sie insofern von eigener Art, als sie ihre Ausformung von den Spezialregeln des Bucheffektengesetzes erfährt. Ebenso wie im Fall des security entitlement US-amerikanischer Prägung erschließt sich die volle Bedeutung der Charakterisierung als Recht sui generis allerdings erst bei einer Gesamtschau der BEG-Vorschriften276.

2. Entstehung Die Entstehung von Bucheffekten setzt nach Art.  6 Abs.  1 BEG zweierlei voraus: Zum einen die Hinterlegung von Wertpapieren oder Globalurkunden bei einer Verwahrungsstelle bzw. die Eintragung von Wertrechten im Hauptregister einer Verwahrungstelle, zum anderen die Gutschrift der Titel in einem oder mehreren Effektenkonten. Kurz gesagt: Die emittierten Titel müssen inaktiviert und die Inaktivierung durch Gutschrift manifestiert werden277. Mit „Hinterlegung“ ist die physische Einlieferung von Wertpapieren oder Globalurkunden, d. h. die Übertragung des unmittelbaren Besitzes (Art.  922 Abs.  1 ZGB) auf die Verwahrungsstelle gemeint278. Genauerer Erklärung bedarf, was es mit dem Hauptregister für Wertrechte auf sich hat und wie sich dieses Register zum Wertrechtebuch verhält, das der Emittent nach Art.  973c Abs.  2 OR (neu) zu führen hat. Die Eintragung im Hauptregister ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Bucheffektengesetzes. Dieses Register hat die Funktion, Publizität hinsichtlich der in einem Verwahrsystem zirkulierenden Bucheffekten zu schaffen, die auf der Grundlage von Wertrechten begründet wurden. Es soll sicherstellen, daß nicht mehr Bucheffekten geschaffen werden, als Wertrechte ausgegeben 273 

BGE 138 III, 137, 139. Wiegand, in: Festschrift für Koziol, S.  1125, 1127 in Fn.  14; siehe auch dens., in: Festschrift für Canaris, S.  1105, 1122 f. (Zusatz sui generis helfe nicht wirklich weiter). 275  M. E. unhaltbar daher Hanten, Bucheffektengesetz, S.  179 ff., welche die Bucheffekte als obligatorisches Recht gegenüber dem kontoführenden Intermediär qualifiziert, dem in einzelnen ­Aspekten durch das BEG dingliche Rechtswirkungen zuerkannt wurden. Daß Art.  3 Abs.  1 BEG unter Bucheffekten vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten (!) versteht, fällt dabei unter den Tisch. 276  In diesem Sinne auch Wiegand, in: Festschrift für Koziol, S.  1125, 1137, der darauf hinweist, daß mit begrifflichen Qualifikationen wenig gewonnen ist und die vom Gesetzgeber verliehenen Eigenschaften entscheidend sind. 277  Zellweger-Gutknecht, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S.  87, 94 f. 278  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9348. Siehe auch FISA & HSC Commentary/Ammann, Art.  6 FISA Rn.  18: Eintragung im Hauptregister als Äquivalent zur Hinterlegung von Urkunden. 274 Treffend

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wurden279. Art.  6 Abs.  2 BEG bestimmt demgemäß, daß (1) für jede Emission eine einzige Verwahrungsstelle das Hauptregister führt, (2) die einzutragenden Informationen sich auf das Notwendigste beschränken, und zwar auf Angaben über die Emission (z. B. ISIN-Nummer) sowie die Anzahl und Stückelung der Wertrechte, und daß (3) das Hauptregister öffentlich ist280. Ändert sich die Anzahl der Wertrechte – z. B. durch Aufstockung einer Emission –, ist dies im Hauptregister nachzutragen. Die Rechtszuständigkeit an den Bucheffekten wird hingegen nicht im Hauptregi­ ster eingetragen. Sie ergibt sich ausschließlich aus den Effektenkonten281. Ebensowenig sagt das Hauptregister etwas darüber aus, ob die in das System eingebrachten Wertrechte wirksam entstanden sind282 . Darüber gibt allein das Wertrechtebuch des Emittenten Auskunft. In dieses nichtöffentliche Buch sind die Anzahl und Stückelung der ausgegebenen Wertrechte sowie die Gläubiger einzutragen (Art.  973c Abs.  2 OR)283. Die Eintragung wirkt konstitutiv (Art.  973c Abs.  3 OR). Sie tritt im Rahmen der Begebung an die Stelle der bei verbrieften Titeln erforderlichen Übergabe einer Urkunde284 . Auch das Wertrechtebuch hat jedoch nicht die Aufgabe, stets die aktuellen Anteilsinhaber bzw. Gläubiger zu verzeichnen. Ein Wechsel in der Rechtszuständigkeit setzt nicht eine entsprechende Anpassung des Wertrechtebuchs voraus. Vielmehr ergibt sich aus diesem Buch nur der erste Nehmer der Wertrechte, z. B. der Lead Manager einer Emission in Form der Festübernahme. Er kann mittels Buchauszugs gegenüber der SIS den Nachweis führen, daß die Wertrechte zur Entstehung gelangt sind. Sind aber die Wertrechte erst einmal in das SIS-System eingebucht worden (und damit zur Grundlage von Bucheffekten geworden), vollziehen sich alle späteren Übertragungen außerhalb des Wertrechtebuchs, auch wenn der Lead Manager als Gläubiger eingetragen bleibt. Das Wertrechtebuch wird erst wieder geöffnet, wenn die Wertrechte durch Ausbuchung aus dem SIS-System herausgenommen werden. Erst dann sind die neuen Gläubiger nach Maßgabe ihrer Schlußguthaben auf ihren Effektenkonten im Wertrechtebuch einzutragen285. Solange die Wertrechte als 279  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9349; Bärtschi, AJP 2009, 1071, 1074 m. Fn.  39. 280  Siehe auch die Übergangsbestimmung in Art.  35 Abs.  1 BEG: „Emittenten von Wertrechten, die einem durch eine Verwahrungsstelle geführten Effektenkonto gutgeschrieben sind, haben innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes bei einer Verwahrungsstelle das Hauptregister einzurichten und die Wertrechte darin eintragen zu lassen.“ 281  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9349. 282 Siehe Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 110, wonach scharf zwischen der Schaffung von Wertrechten und der Schaffung von Bucheffekten gestützt auf Wertrechte zu unterscheiden ist. 283  Auf die Führung eines separaten Wertrechtebuchs kann verzichtet werden, soweit sich die verlangten Angaben aus der Buchhaltung des Schuldners ergeben; Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl 2006, S.  9394. 284  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9394. 285  Insoweit übereinstimmend Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 112; Steiner/Büchi, GesKR 2007, 73, 76 f. Aus der Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9394 ergibt sich m. E. nichts anderes. Dort heißt es: „Der

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Grundlage von Bucheffekten dienen, kann man also in Anlehnung an die Sammelverwahrung von Wertpapieren von einer „Immobilisierung“ der Wertrechte in dem Sinne sprechen, daß das Wertrechtebuch nicht berührt werden darf286. Bei Namenaktien mit aufgeschobenem und aufgehobenem Titeldruck wird die Funktion des Hauptregisters vom sog. Depot-Aktienregister bei der SIS übernommen. Bucheffekten entstehen durch eine Sollbuchung auf dem Depot-Aktienregister und eine entsprechende Habenbuchung auf dem Effektenkonto des Teilnehmers. Die Funktion des Wertrechtebuchs wird dem nach Art.  686 Abs.  1 OR vorgeschriebenen Aktienbuch zugewiesen. Hierzu ist es notwendig, daß das Aktienbuch nicht nur Auskunft über die Anzahl der emittierten Namenaktien und der Aktionäre, sondern auch darüber gibt, welcher Anteil des Kapitals in Form von Wertrechten emittiert wurde und über welchen Anteil Wertpapiere ausgestellt wurden287. Gegen diese Praxis scheint auf den ersten Blick zu sprechen, daß der Eintragung im Aktienbuch nur deklaratorische Bedeutung zukommt288. Sie begründet im Verhältnis zur Gesellschaft die widerlegbare Vermutung, daß die eingetragene Person Aktionär ist. Für den Erwerb der Mitgliedschaft ist sie jedoch weder notwendig noch hinreichend. Das ergibt sich auch aus Art.  685f Abs.  1 Satz  1 OR, der bestimmt, daß im Fall des börslichen Erwerbs kotierter Namenaktien die Rechte „mit der Übertragung“ auf den Erwerber übergehen. Bei genauerer Betrachtung bestehen jedoch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dem Aktienbuch die Funktion des Wertrechtebuchs zuzuweisen, sofern es die Minimalanforderungen des Art.  973c Abs.  2 OR erfüllt289. Jedenfalls ist es mit der gesetzlichen Konzeption nicht unvereinbar, bei der Ersteintragung von Namenaktien im Rahmen einer Emission von einer (im Hinblick auf die Entstehung der Wertrechte) konstitutiven Wirkung auszugehen, allen späteren Änderungen dagegen eine bloß deklaratorische Wirkung beizumessen. Daran anknüpfend, unterscheidet das Schrifttum mitunter zwischen einem statischen und einem dynamischen Wertrechtebuch-Modell: Im bereits beschriebenen statischen Modell, wie es zum Beispiel bei der Emission unverbriefter Anleihen zum Einsatz kommt, wird das Wertrechtebuch unmittelbar nach der Emission geschlossen. Im dynami-

Buch­eintrag tritt bei Wertrechten also sowohl bei der Begebung wie auch bei der Übertragung an die Stelle der Übertragung des Besitzes an der Urkunde“ (Hervorhebung vom Verf.). Dieser Passus dürfte sich aber nur auf Wertrechte beziehen, die nicht auf Effektenkonten verbucht sind (und somit nicht als Grundlage von Bucheffekten dienen). Gemäß Art.  973c Abs.  4 OR bedarf es zu ihrer Übertragung einer schriftlichen Abtretungserklärung. 286  Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 112. 287  SwissBanking, Bucheffektengesetz – Antworten auf offene Fragen, Frage 3. 288 Vgl. Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 110. 289  Siehe auch die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9394, wonach als Wertrechtebuch insbesondere die Buchhaltung des Schuldners gilt, soweit sich daraus die geforderten Angaben ergeben. Zu weit geht jedenfalls ihrer Formulierung nach die Behauptung von Steiner/Büchi, GesKR 2007, 73, 75 f., bei Namenaktien sei das Wertrechtebuch schon in Gestalt des Aktienbuchs gegeben.

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schen Modell, wie es bei unverbrieften Namenaktien praktiziert wird, wird das Wertrechtebuch, da mit dem Aktienbuch verknüpft, ständig aktualisiert290.

3. Untergang Der Untergang von Bucheffekten ist in Art.  8 BEG geregelt. Getreu der „offenen Architektur“ des Bucheffektengesetzes gibt Art.  8 Abs.  1 BEG den Kontoinhabern das Recht, von ihrer Verwahrungsstelle jederzeit die Auslieferung von Wertpapieren gleicher Zahl und Gattung zu verlangen, wie ihrem Effektenkonto Bucheffekten gutgeschrieben sind. Allerdings liegt es in der Natur der Sache, daß ein solcher Anspruch nur besteht, wenn bei der Verwahrungsstelle oder einer Drittverwahrungsstelle tatsächlich Wertpapiere hinterlegt sind (lit.  a) oder der Kontoinhaber nach Art.  7 Abs.  2 BEG einen Anspruch auf Ausstellung von Wertpapieren hat (lit.  b)291. Ein Anspruch auf Auslieferung einer Globalurkunde ist nach der Botschaft allenfalls denkbar, wenn dem Kontoinhaber alle darin verbrieften Einzelrechte zustehen oder er einen Anspruch auf Verbriefung in Teil-Globalurkunden hat292 . Die von der Verwahrungsstelle auszuliefernden Wertpapiere müssen den Usanzen des Marktes entsprechen, auf dem diese Wertpapiere gehandelt werden (Art.  8 Abs.  2 BEG). Damit es nicht zu einer Verdopplung von Effekten kommt, hat die Verwahrungsstelle sicherzustellen, daß sich die Auslieferung der Wertpapiere in einer entsprechenden Bela­ stung des Effektenkontos niederschlägt (Art.  8 Abs.  3 BEG). Mit der Belastung gehen die Bucheffekten unter. Die dinglichen Rechte des Kontoinhabers an den Wertpapieren „leben wieder auf“293. Nicht in Art.  8 BEG geregelt ist der Fall, daß ein Anleger die „Auslieferung“ von Wertrechten verlangt, etwa weil der Emittent, der nicht selbst Verwahrungsstelle ist, für seine Aktionäre die Emittenten„verwahrung“ anbietet. In entsprechender Anwendung von Art.  8 Abs.  1 lit.  b. i. V. m. Art.  7 Abs.  2 BEG muß der Anleger auch unter solchen Umständen seine Wertrechte aus der mediatisierten Wertpapierverwahrung herausnehmen können, vorausgesetzt, die Gesellschaftsstatuten oder Ausgabebedingungen lassen das zu. Im Fall der Herausnahme ist das Hauptregister entsprechend

290 

FISA & HSC Commentary/Graham-Siegenthaler, Art.  973c CO, Rn.  49 und 51. Art.  7 Abs.  2 BEG lautet: „Die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber können vom Emittenten jederzeit verlangen, für die Bucheffekten, die durch Hinterlegung einer Globalurkunde oder durch Eintragung von Wertrechten in ein Hauptregister entstehen, Wertpapiere gleicher Zahl und Gattung auszustellen, sofern die Ausgabebedingungen oder Gesellschaftsstatuten es vorsehen. Sie tragen dafür die Kosten, es sei denn, die Ausgabebedingungen oder Gesellschaftsstatuten bestimmen etwas anderes.“ 292  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9351. 293  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9351. Zur „Suspendierung“ und dem späteren „Wiederaufleben“ der dinglichen Rechte ausführlich unter 5. 291 

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anzupassen. Sollte das Wertrechtebuch des Emittenten geschlossen worden sein, muß es geöffnet und auf den neuesten Stand gebracht werden294 .

4. Deckungsbestand Art.  11 BEG trifft Vorkehrungen zur Verhinderung von Unterbeständen (shortfalls) und zählt damit zu den zentralen Bestimmungen zum Schutz der Depotkunden und des mediatisierten Verwahrsystems insgesamt. Er beruht auf der unumstrittenen Einsicht, daß Unterbestände, sei es beim Zentralverwahrer oder einem untergeordneten Verwahrer, grundsätzlich zu vermeiden sind, weil sie für die Kunden das Risiko mit sich bringen, ihre Mitgliedschafts- bzw. Gläubigerrechte nicht in vollem Umfang ausüben zu können und im Konkurs des Verwahrers einen Ausfall zu erleiden. Gemäß Art.  11 Abs.  1 BEG hat jede Verwahrungsstelle bei sich selber oder einer Drittverwahrungsstelle Bucheffekten verfügbar zu halten, deren Zahl und Gattung mindestens der Summe der in den Effektenkonten ihrer Kontoinhaber als Guthaben ausgewiesenen Bucheffekten entspricht. Für den Zentralverwahrer bedeutet das in erster Linie, daß er die bei ihm hinterlegten Wertpapiere und Globalurkunden gegen Verlust und Zerstörung zu sichern und darauf zu achten hat, daß zwischen den Angaben im Hauptregister und der Zahl der in das System eingespeisten Wertrechte keine Diskrepanz besteht. Die untergeordneten Verwahrer haben sicherzustellen, daß die Guthaben ihrer Kunden immer vollständig durch verfügbare Bucheffekten auf übergeordneter Ebene abgedeckt sind. Ist die Menge der verfügbaren Bucheffekten kleiner als die Summe der Effektenguthaben, muß die Verwahrungsstelle unverzüglich den Unterbestand ausgleichen, indem sie Bucheffekten in entsprechender Zahl erwirbt (Art.  11 Abs.  2 BEG). Ob die Verwahrungsstelle den Unterbestand verschuldet hat, ist für diese zivilrechtliche Pflicht ohne Belang. „Erwerb“ i. S. von Art.  11 Abs.  2 BEG kann die Eindeckung am Markt, aber auch die Beschaffung von Bucheffekten im Wege der Wertpapierleihe bedeuten295. Der Begriff „unverzüglich“ ist auf den ersten Blick mißverständlich, denn er suggeriert, daß die Verwahrungsstelle jeden Unterbestand ohne schuldhaftes Zögern ausgleichen muß. Das ist, wie sich aus Art.  11 Abs.  3 BEG ergibt, aber nicht der Fall. Diese Bestimmung stellt klar, welche Bucheffekten als verfügbar gelten, und nimmt dabei Rücksicht auf die Abwicklungsmodalität des contractual settlement, die bei der Verwahrungsstelle, die einem Kunden Bucheffekten gutschreibt, bevor sie selbst Deckung erhält, zwangsläufig zu einem vorübergehenden Unterbestand führt. Da in diese Praxis nicht eingegriffen werden sollte, erklärt Art.  11 Abs.  3 lit.  c. BEG auch frei verfügbare Ansprüche auf Lieferung von Bucheffekten durch andere – auch ausländische296 – Verwahrungsstellen während der Frist für anrechenbar, die auf 294 

FISA & HSC Commentary/Ammann, Art.  8 FISA Rn.  8; Steiner/Büchi, GesKR 2007, 73, 77 f. FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.  11 FISA Rn.  22. 296  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9355. 295 

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dem betreffenden Markt für eine ordentliche Abwicklung vorgeschrieben oder üblich ist, längstens jedoch während acht Tagen. Ein Lieferanspruch kann somit grundsätzlich nur solange Teil des Deckungsbestandes sein, wie die verpflichtete Verwahrungsstelle mit der Lieferung nicht im Verzug ist297. Die Obergrenze von acht Tagen ist auf die Lieferfristen im internationalen Verkehr zugeschnitten und entspricht angeblich dem längsten derzeit praktizierten Settlementzyklus298. Was der Gesetzgeber nicht bedacht hat, ist der Umstand, daß sich eine Lieferung ggf. noch weiter verzögern kann. Für die Bank des Käufers kann das bedeuten, daß sie gemäß den anwendbaren Börsenregularien oder Marktusancen gegenüber ihrer Gegenpartei für eine gewisse Zeit nach Ablauf der Lieferfrist zur Abnahme verpflichtet bleibt. Wäre das Merkmal „unverzüglich“ in Art.  11 Abs.  2 BEG eng auszulegen, müßte die Bank in Kauf nehmen, die betreffenden Effekten zweimal geliefert zu bekommen und bezahlen zu müssen. Um dieses Problem zu vermeiden, wird mit guten Gründen die Ansicht vertreten, daß die Bank erst dann zur Eindeckung verpflichtet ist, wenn sie das Geschäft mit der Gegenpartei stornieren konnte oder ihre Abnahmeverpflichtung aus anderen Gründen weggefallen ist299. Bei Börsenkäufen, die unter Einschaltung eines zentralen Kontrahenten getätigt werden, wird sich dieses Problem freilich in aller Regel nicht stellen, weil im Fall von Lieferverzögerungen der zentrale Kontrahent umgehend für eine Bedienung der Käuferseite sorgen wird300. Im übrigen ist zu beachten, daß eine sich am Markt eindeckende Bank wiederum an die marktüblichen Lieferfristen gebunden ist301. Dem Bericht der technischen Arbeitsgruppe zufolge kann Art.  11 BEG „als zeitgemäße Formulierung von Art.  472 Abs.  1 OR“, d. h. der Vorschrift über die Hauptpflichten des Aufbewahrers aus einem Hinterlegungsvertrag, gesehen werden302 . Die Bestimmung weist enge Bezüge zum Aufsichtsrecht auf, versteht sich jedoch – wie das Bucheffektengesetz insgesamt – als Teil des privaten Finanzmarktrechts, das den zuständigen Aufsichtsbehörden Befugnisse weder zuspricht noch vorenthält. Zusammen mit den Regelungen über die Absonderung von Kundenwerten und die Verteilung von Verlusten im Konkurs der Verwahrungsstelle (Art.  17–19 BEG) bildet Art.  11 BEG einen der zentralen Bausteine des Bucheffektenmodells303.

297 

Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  54. zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9355. 299  FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.  11 FISA Rn.  35; SwissBanking, Bucheffektengesetz – Antworten auf offene Fragen, Frage 6. 300 Vgl. SwissBanking, Bucheffektengesetz – Antworten auf offene Fragen, Frage 6. 301  FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.  11 FISA Rn.  33. 302  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  53. 303  Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 48. Zu den Rechten der Kontoinhaber im Konkurs der Verwahrungstelle siehe unter IV 3. 298  Botschaft

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5.  Konzeptionelle Folgefragen Es hat sich gezeigt, daß es sich bei Bucheffekten um eigenständige, den Sonderregeln des Bucheffektengesetzes unterliegende Vermögensobjekte handelt, die durch eine unmittelbare rechtliche Beziehung zwischen Anleger und Emittent gekennzeichnet sind und mit Abschluß der nach Art.  6 Abs.  1 BEG erforderlichen Vorgänge – Immobilisierung der Wertpapiere bzw. Wertrechte und Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkonten – zur Entstehung kommen. An diesen Zwischenbefund schließen sich, soweit es um in Urkunden verbriefte Emissionen geht, zwei für das Verständnis des Bucheffektenmodells wesentliche Fragen an, die eng miteinander zusammenhängen: Welche Auswirkungen hat die Entstehung von Bucheffekten auf die ursprüngliche Verknüpfung von Recht und Urkunde? Bleibt diese Verknüpfung bestehen oder wird sie gelöst? Und welche Auswirkungen hat die Entstehung von Bucheffekten auf die Rechte der Hinterleger an den von ihnen eingebrachten Urkunden? a)  Auswirkungen auf die Verknüpfung von Recht und Urkunde Nach Art.  965 OR ist ein Wertpapier „jede Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere übertragen werden kann“. Wie diese Definition erkennen läßt, zeichnet sich ein Wertpapier auch nach schweizerischem Verständnis durch die Verbindung eines Rechts mit einem Trägerdokument aus, wobei diese Verbindung derart intensiv sein muß, daß zur Übertragung und zur Geltendmachung des Rechts materiellrechtlich die Urkunde notwendig ist304 . Gewichtige Gründe sprechen für die Annahme, daß die von Art.  965 OR vorausgesetzte Verknüpfung von Recht und Urkunde mit der Entstehung von Bucheffekten gelöst wird. Schon der Begriff „Buch“effekte deutet darauf hin, daß die in das Verwahrsystem eingebrachten Mitgliedschafts- oder Forderungsrechte mit Abschluß der nach Art.  6 Abs.  1 BEG erforderlichen Vorgänge eine neue Form – die eines schlichten Bucheintrags – erhalten305. Art.  3 Abs.  1 BEG stützt diese Annahme, wenn er Bucheffekten als „vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten“ definiert, „die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind“. Auch der Umstand, daß das Gesetz die Bucheffekte als eigenständiges, d. h. vom zugrundeliegenden Wertpapier zu unterscheidendes Vermögensobjekt eigener Art begreift, und dieses Vermögensobjekt speziellen Verfügungsregeln unterstellt, läßt kaum einen anderen Schluß zu als den, daß die in das Verwahrsystem eingebrachten Mitgliedschafts- oder Forderungsrechte im Zeitpunkt der Gutschrift im Effekten304  Ausführlich zum Wertpapierbegriff von Art.  965 OR Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, §  1 Rn.  1 ff. 305  Siehe FISA & HSC Commentary/Thévenoz, Art.  3 FISA Rn.  27: „As suggested by the German and Italian terms (Bucheffekten, titoli contabili), intermediated securities have the form and shape of book-entries in special accounts maintained by custodians“. Siehe ferner Thévenoz, Unif. L. Rev. 2005, 301, 306: „these rights (scl.: against the issuer) and the credit representing them together constitute an ‚intermediated security‘ “.

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konto in eine andere Form überführt werden306. Zwar muß man bei diesem Verständnis die auf den ersten Blick etwas merkwürdig erscheinende Konsequenz in Kauf nehmen, daß die zugrundeliegenden Wertpapiere für die Dauer der mediatisierten Verwahrung nur mehr „leere Hüllen“ darstellen. Diese „leere Hülle“ wird erst dann wiederaufgefüllt, wenn die Wertpapiere aus der mediatisierten Verwahrung herausgenommen werden. Doch dürfte diese Konsequenz deshalb zu verschmerzen sein, weil die Rechte der Anleger an den als Buchungsunterlage dienenden Wertpapieren für die Dauer der mediatisierten Verwahrung „suspendiert“ sind. Was es damit auf sich hat, ist im folgenden zu erläutern. b)  „Suspendierung“ der Rechte an den Basiswerten Für die Sammelverwahrung von Wertpapieren und Globalurkunden ist nunmehr in den Artikeln 973a Abs.  2 bzw. 973b Abs.  2 OR ausdrücklich klargestellt, daß den Hinterlegern nach Maßgabe ihrer Beteiligung das Miteigentum am Sammelbestand zusteht. Der Botschaft zum Bucheffektengesetz zufolge wird diese sachenrechtliche Beziehung des Hinterlegers zu den Wertpapieren durch die Entstehung von Bucheffekten nicht aufgehoben. Doch soll der Anleger während der Dauer der mediatisierten Verwahrung aus seinem Miteigentum keinerlei Rechte mehr ableiten können. Insbesondere soll er seine Depotwerte grundsätzlich nur nach den Bestimmungen des 5. Kapitels (Art.  24 ff. BEG) übertragen können. Auch die Rechte des Kontoinhabers in der Liquidation der Verwahrungsstelle und gegenüber einem gutgläubigen Erwerber von Bucheffekten sollen sich ausschließlich nach den Regeln des Bucheffektengesetzes richten. Die sachenrechtliche Beziehung des Anlegers zu den Papieren, so die Botschaft weiter, werde während der Dauer der mediatisierten Verwahrung „suspendiert“ und „lebe“ erst im Falle der Auslieferung (Art.  8 BEG) „wieder auf“307. Das Schrifttum hat diese Formulierung übernommen und nimmt auch bei Wertrechten an, daß sie nach ihrer „Umwandlung“ in Bucheffekten nicht mehr außerhalb des Verwahrsystems übertragen werden können und erst „wiederaufleben“, sobald sie aus dem System ausscheiden308. Da für Bucheffekten, wenn sie erst einmal entstanden sind, einheitliche (Sonder-) Regeln gelten sollen unabhängig davon, ob sie mit Wertpapieren, Globalurkunden oder Wertrechten unterlegt sind, ist die Annahme, daß die Rechte an den Basiswerten von den Anlegern nicht geltend gemacht werden und nicht Gegenstand einer 306  Siehe auch Zellweger-Gutknecht, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S.  87, 95, die meint, der Basiswert werde „neu wahrnehmbar gemacht – in einer adäquaten Gestalt, die eine statische und dynamische Rechtszuordnung (Innehabung und Übertragung) innerhalb des Girosystems erlaubt“. 307  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9348 f.; siehe zuvor schon Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 47. 308  Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 104  f.; siehe ferner Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, §  11 Rn.  84 (S.  962); Lanz, Aktientransfers, S.  189, 199 f.

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Verfügung nach den Art.  24 ff. BEG sein können, zwingend309. Methodisch konsequent ist vor diesem Hintergrund auch der Hinweis der Botschaft, bei der Füllung von Gesetzeslücken sei die Lösung unter Beachtung des in Art.  1 BEG festgelegten Regelungszwecks aus der Systematik des Bucheffektengesetzes heraus zu entwickeln, nicht durch Rückgriff auf das Sachenrecht des ZGB oder das Schuldrecht des OR 310. Gleichwohl liegt hier eine der konzeptionellen „Sollbruchstellen“ des Bucheffektenmodells. Denn die Tatsache, daß unter den Voraussetzungen des Art.  6 Abs.  1 BEG eigenständige Vermögensobjekte namens Bucheffekten zur Entstehung gelangen, die sachenrechtliche Beziehung des Hinterlegers zu den Wertpapieren gleichwohl bestehen bleibt, führt zu einer eigenartigen Überlagerung des Sachenrechts von den Bestimmungen des Bucheffektengesetzes, die sich nicht von selbst versteht und vor allem die Frage aufwirft, wem die Miteigentumsrechte an den Wertpapieren für die Dauer der mediatisierten Verwahrung jeweils zuzuordnen sind. Das sei an folgendem Beispiel illustriert: Im Zuge einer von einem Bankenkonsortium betreuten Neuemission werden Inhaberaktien einer schweizerischen Aktiengesellschaft in Form einer Globalurkunde bei der SIS hinterlegt und an der SIX Swiss Exchange kotiert. Nach einiger Zeit gelingt es einem Aktionär, der sich schrittweise eine bedeutende Beteiligung aufgebaut hatte, aufgrund eines öffentlichen Kauf­ angebots mehr als 98% der Stimmrechte auf sich zu vereinigen. Auf sein Verlangen werden daraufhin die restlichen Beteiligungspapiere vom Richter für kraftlos erklärt (sog. Squeezeout, Art.  33 BEHG). Nach dem Rückzug der Aktiengesellschaft von der Börse entschließt sich der jetzige Alleinaktionär, die Aktien aus dem SIS-System herauszunehmen.

Nach dem Verständnis der Botschaft „leben“ die Miteigentumsrechte an der Globalurkunde im Moment der Auslieferung311 in der Person des Alleinaktionärs „wie309 Soweit Hanten, Bucheffektengesetz, S.  31 der Meinung ist, die Suspendierungswirkung sei nicht hinreichend normiert, da sie sich weder direkt noch indirekt aus dem Gesetz ergebe, vermag der Verf. dem nicht zu folgen. Aus einer Zusammenschau der BEG-Regelungen und der neuen §§  973a bis c OR ergibt sich durchaus, daß die allgemeinen Vorschriften nur insoweit gelten sollen, als die Wertpapiere bzw. Wertrechte nicht als Grundlage von Bucheffekten dienen. 310  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9342. Dagegen hält Peter V. Kunz, in: Emmenegger (Hrsg.), Anlagerecht, S.  25, 56 f. diesen Hinweis für einen methodischen Fehlgriff. Es sei unsinnig (und möglicherweise ein Versehen der Botschaftsredaktion), bei der Füllung von Gesetzeslücken eine Einschränkung in dem Sinne machen zu wollen, daß das Sachenrecht und das Obligationenrecht nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Aber dieser Vorwurf ist unberechtigt. Worum es doch der Botschaft geht, ist die Klarstellung, daß wertpapierbasierte Bucheffekten nach ihrer Entstehung rechtlich nicht anders behandelt werden dürfen als wertrechtsbasierte Bucheffekten. Daraus darf man freilich nicht folgern, daß ein Rückgriff auf bestimmte Grundsätze des OR oder ZGB ein für allemal ausgeschlossen wäre. Denn das BEG läßt an manchen Stellen selbst erkennen, daß es diese Grundsätze berücksichtigt wissen will. Ein Beispiel ist Art.  29 Abs.  2 BEG, der den nicht geschützten, weil bösgläubigen Erwerber von Bucheffekten zur Rückerstattung nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften verpflichtet. 311  Wie oben (unter 3) bereits erwähnt, bezieht Art.  8 Abs.  1 BEG sich nach seinem Wortlaut nur auf die Auslieferung einzelverbriefender Wertpapiere. Es ist aber auch ein Anspruch auf Auslieferung einer Globalurkunde denkbar, wenn der Kontoinhaber die Rechtszuständigkeit an sämtlichen Einzelrechten erworben hat.

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der auf“. Aber wie läßt sich das dogmatisch erklären, und wem gehörten die Miteigentumsanteile in der Zwischenzeit, in der es Millionen von Transaktionen und eine entsprechende Fluktuation im Aktionärskreis gegeben haben kann? Da die sachenrechtliche Beziehung des Anlegers zum Wertpapier nur „suspendiert“, aber nicht aufgehoben sein soll, könnte eine mögliche Erklärung lauten: Bei der Übertragung von Bucheffekten nach Art.  24 BEG laufen die Miteigentumsrechte an der Globalurkunde kraft Gesetzes mit. Nach dieser Erklärung, die an §  952 Abs.  2 BGB denken läßt, erwirbt also ein Erwerber von Bucheffekten nach Maßgabe seiner Beteiligung zugleich ein Miteigentumsrecht an der Globalurkunde. Die Globalurkunde wäre danach zu keiner Zeit eigentümerlos, vielmehr stets pro rata den jeweiligen Aktionären zugeordnet. Nur eine Geltendmachung der Rechte an der Urkunde wäre bis zu deren Herausnahme aus dem System ausgeschlossen. Zu dieser Erklärung will freilich nicht so recht passen, daß die Botschaft andererseits vom „Wiederaufleben“ der Miteigentumsrechte im Moment der Auslieferung spricht. Diesem Bild dürfte eher die Annahme entsprechen, daß die Miteigentumsrechte an der Urkunde für die Dauer der mediatisierten Verwahrung aufgehoben sind, die Urkunde also bis zu ihrer Auslieferung eigentümerlos ist. Zum Nachteil gereicht diese Annahme den Anlegern jedenfalls dann nicht, wenn man den Standpunkt vertritt, daß die Urkunde für die Zeit ihrer Immobilisierung ohnehin nur eine „leere Hülle“ darstellt. In Anbetracht der – von der Botschaft nicht ausgeräumten – Schwierigkeiten, die Wirkungen und Folgen der „Suspendierung“ der Rechte an den Wertpapieren dogmatisch befriedigend zu erklären, drängt sich die Frage auf, warum der schweizerische Gesetzgeber sich im Zuge der Modernisierung des Depotrechts nicht vollständig von den Konzepten „Sammelverwahrung“ und „Globalurkunde“ verabschiedet und ein vollständig entmaterialisiertes Bucheffektensystem eingeführt hat. Der Kompromißlösung, daß unter Umständen zwar noch Wertpapiere existieren, die Rechte daran aber von den Anlegern nicht geltend gemacht werden können, hätte es dann nicht bedurft. Wie bereits erwähnt, räumt die Botschaft sogar ausdrücklich ein, daß „eine vollständige Entmaterialisierung der Wertpapiere Effizienz- und Sicherheitsvorteile aufweist“. Gleichwohl sah sie keinen Grund, „die Entscheidung über die Form nicht letztlich den Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern sowie den Emittentinnen zu überlassen312 . In dieser lakonischen Aussage dürfte aber nur die halbe Wahrheit stecken. Denn vermutlich waren es auch die mit der Umstellung auf ein papierloses System zwangsläufig verbundenen Eingriffe in das Zivil-, Gesellschaftsund Wertpapierrecht, die den Gesetzgeber von einer vollständigen Dematerialisierung haben Abstand nehmen lassen. Denn diese Eingriffe und die mit ihnen einhergehenden Änderungen bewährter Emissionspraktiken hätten das Gesetzgebungsverfahren zweifellos in die Länge gezogen und unweigerlich zu einer breiteren Diskussion über die Frage geführt, ob ein vollkommen papierloses Modell ebenso 312  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9350.

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„sicher“ sein kann wie ein System, das zumindest zum Teil noch auf greifbaren Urkunden basiert. Daß sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, die traditionellen Verwahrungskonzepte im Grundsatz beizubehalten und mit einem neuartigen Vermögensobjekt sui generis zu überformen, ist unter diesen Umständen verständlich. Ob das Bucheffektenmodell tatsächlich eine so konsequente Abkehr vom Miteigentumskonzept darstellt, wie seine Schöpfer suggerieren313, wird man vor diesem Hintergrund jedoch in Zweifel ziehen dürfen.

IV.  Rechte der Kontoinhaber Die Rechte der Kontoinhaber aus der Verwahrung von Bucheffekten sind in den ersten beiden Abschnitten des 4. Kapitels festgelegt. Der 1. Abschnitt (Art.  13–16 BEG) regelt die Rechte der Kontoinhaber allgemein, der 2. Abschnitt (Art.  17–20 BEG) ihre Rechte im Fall der Insolvenz einer Verwahrungsstelle.

1.  Rechte gegenüber dem Emittenten Art.  13 Abs.  1 BEG umschreibt eines der wesentlichen Merkmale des Vermögensobjekts „Bucheffekte“, indem er bestimmt, daß die Entstehung von Bucheffekten die Rechte der Anleger gegenüber dem Emittenten unberührt läßt. Diese Regelung, in der besonders deutlich zum Ausdruck kommt, daß hinsichtlich des Umfangs der zugewiesenen Rechte scharf zwischen „Anlegern“ und „Kontoinhabern“ zu unterscheiden ist, verfolgt zwei Zwecke314: Sie soll zum einen klarstellen, daß die in das System eingebrachten Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte nicht in entsprechende Rechte gegen die Verwahrungsstelle „umgewandelt“ werden. Die Verwahrungsstelle vermittelt diese Rechte bloß, ist aber nicht selbst Rechtsträgerin. Zum anderen dient Art.  13 Abs.  1 BEG der Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Gesetzes, namentlich von den Vorschriften des Gesellschaftsrechts. Denn das Bucheffektengesetz regelt ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen dem Anleger und seinem Intermediär, nicht auch das Rechtsverhältnis zum Emittenten. Mit den Modalitäten der Ausübung der Rechte aus Bucheffekten (Zins- und Dividendenansprüche, Stimmrechte, Bezugsrechte usw.) beschäftigt es sich nicht. Das gilt auch für die vor allem bei Namenaktien wichtige Frage, wer gegenüber der Gesellschaft als zur Rechtsausübung legitimiert gilt. Diese Fragen beantworten sich nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis, d. h. den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, der Satzung, den Emissionsbedingungen usw.315 Das Bucheffektengesetz regelt aus313  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  4 2; Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 46. 314  Eingehend FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  13 FISA Rn.  8 ff. 315  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  13 FISA Rn.  15/16.

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schließlich die Ausübung von Rechten an Bucheffekten. Insoweit stellt Art.  13 Abs.  2 BEG klar, daß der Kontoinhaber diese Rechte nur über seine Verwahrungsstelle ausüben kann, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Damit zieht das Gesetz die notwendige Konsequenz aus der Tatsache, daß ein Kontoinhaber nur zu eben dieser Verwahrungsstelle eine vertragliche Verbindung unterhält und den übergeordneten Verwahrungsstellen seine Identität in aller Regel nicht bekannt ist316. Der Vorbehalt „sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt“ geht ins Leere, weil das Gesetz keine derartige Ausnahme enthält317.

2.  Allgemeine Rechte gegenüber der Verwahrungsstelle Zu den allgemeinen Rechten eines Kontoinhabers gegenüber der Verwahrungsstelle gehören – neben dem bereits erwähnten Auslieferungsanspruch nach Art.  8 BEG und dem Anspruch auf Vorhaltung eines ausreichenden Deckungsbestandes (Art.  11 BEG) – das in Art.  15 BEG geregelte Recht auf Ausführung von Weisungen sowie das in Art.  16 BEG geregelte Recht auf Ausstellung einer Bescheinigung über den aktuellen Depotbestand an Bucheffekten. a)  Ausführung von Weisungen Das Recht, den depotführenden Verwahrer zur Umbuchung der Depotwerte auf ein anderes Konto zu veranlassen, ist für den Kontoinhaber von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung318. Dementsprechend ist die Verwahrungsstelle gemäß Art.  15 Abs.  1 BEG nach Maßgabe ihres Vertrags mit dem Kontoinhaber verpflichtet, dessen Weisungen zur Verfügung über Bucheffekten auszuführen. Dabei hat sie weder das Recht noch die Pflicht, den Rechtsgrund der Weisung zu überprüfen (Art.  15 Abs.  2 BEG). Unter einer Weisung ist eine einseitige, rechtsgeschäftliche und empfangsbedürftige Willenserklärung des Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle zu verstehen, die Buch­effekten auf den Erwerber zu übertragen319. Da die Weisung eines von zwei Elementen des in Art.  24 BEG geregelten Tatbestands der Verfügung über Bucheffekten darstellt, wird auf sie an späterer Stelle ausführlicher eingegangen320. b)  Ausstellung einer Depotbescheinigung In Art.  16 trägt das Bucheffektengesetz dem Umstand Rechnung, daß die sog. Legitimationsfunktion des Wertpapiers von zentralverwahrten Wertpapieren – sofern überhaupt noch Wertpapiere existieren – nicht erfüllt werden kann, weil eine körper316 

FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  13 FISA Rn.  26. FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  13 FISA Rn.  29. 318  Das betont auch FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  15 Rn.  21. 319  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9359. 320  Siehe unter VI 2 a) aa). 317 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

liche Vorlage bei ihnen mangels unmittelbaren Besitzes des Kontoinhabers ausscheidet. Um dem Kontoinhaber gleichwohl die Legitimation gegenüber dem Emittenten zu ermöglichen, gibt Art.  16 Satz  1 BEG ihm das Recht auf jederzeitige Ausstellung eines Ausweises über die seinem Konto gutgeschriebenen Bucheffekten321. Art.  16 Satz  2 BEG stellt klar, daß dem Ausweis nicht die Eigenschaft eines Wertpapiers zukommt. Das bedeutet einerseits, daß ein Kontoinhaber seine Berechtigung auch ohne Ausweis geltend machen kann, und andererseits, daß sich der Emittent nur durch Leistung an den materiell Berechtigten befreien und nicht auf die Rechtszuständigkeit der Person verlassen kann, die den Ausweis vorlegt322 . Soweit die Ansprüche der Kontoinhaber durch die Verwahrungsstellen geltend gemacht werden, hat Art.  16 BEG keine praktische Bedeutung, da es in diesem Fall der Vorlage eines Ausweises nicht bedarf und Zweifel über die Legitimation nicht entstehen können323.

3.  Rechte in der Liquidation einer Verwahrungsstelle a)  Liquidation der kontoführenden Verwahrungsstelle Das BEG versteht die Bucheffekte als absolutes Recht, das der kontoführenden Verwahrungsstelle und jedem Dritten gegenüber wirksam und dem Zugriff der weiteren Gläubiger der Verwahrungsstelle entzogen ist (Art.  3 Abs.  2 BEG). Wichtigste Konsequenz dieser Drittwirkung ist das in Art.  17 BEG geregelte Recht des Kontoinhabers, seine Bucheffekten im Konkurs der Verwahrungsstelle abzusondern324 . aa) Anwendungsbereich Art.  17 BEG lehnt sich eng an das bankengesetzliche Absonderungsrecht (Art.  16 i. V. m. Art.  37d BankG a. F.) an, „ist jedoch klarer auf die mediatisierte Wertpapierverwahrung zugeschnitten“325. Sein persönlicher Anwendungsbereich ist weiter als derjenige der bankengesetzlichen Vorschriften, denn er umfaßt nicht nur Banken und Effektenhändler, sondern alle in Art.  4 Abs.  2 BEG aufgezählten (inländischen) Verwahrungsstellen326. Das Absonderungsrecht greift bei allen Verfahren ein, die auf eine Generalexekution gerichtet sind, insbesondere im Bankenkonkurs gemäß Art.  33 ff. BankG und, sofern es um eine nicht dem Bankengesetz unterstehende Ver321  Fragwürdig daher die Behauptung von Hanten, Bucheffektengesetz, S.  43, der Ausweis von Bucheffekten legitimiere nicht (!) gegenüber dem Emittenten. 322  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  16 FISA Rn.  15. Auf einem anderen Blatt steht, ob der Vorlage eines Ausweises Bedeutung im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs nach Art.  29 BEG zukommen kann; dem zuneigend Kuhn a. a. O. Rn.  16. 323  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9360. 324  Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 50 f. 325  Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 51. 326  Nicht zu Unrecht wird jedoch darauf hingewiesen, daß die Wahrscheinlichkeit einer Liquidation der Schweizerischen Nationalbank, der Schweizerischen Post und des Zentralverwahrers SIS äußerst gering ist, siehe FISA & HSC Commentary/Hess/Sägesser, Art.  17 FISA Rn.  14/15.

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wahrungsstelle geht, im Konkurs gemäß den allgemeinen Vorschriften des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes. In einem Sanierungsverfahren gemäß Art.  28 ff. BankG kommt das Absonderungsrecht dagegen nicht zur Anwendung, da dieses Verfahren die Weiterexistenz des Schuldners zum Ziel hat. Der Botschaft zufolge soll das auch für das Nachlaßverfahren gemäß Art.  293 ff. SchKG gelten327. Das ist jedoch zu allgemein. Die Sanierung steht nur beim ordentlichen Nachlaßvertrag gemäß Art.  314 ff. SchKG im Vordergrund. Beim Nachlaßvertrag mit Vermögensabtretung gemäß Art.  317 ff. SchKG geht es dagegen um die wirtschaftliche Liquidation des Schuldnervermögens – man spricht deshalb auch von einem Liquidationsvergleich –, so daß das Absonderungsrecht auch in diesem Verfahren gewährt werden muß328. Art.  17 BEG greift außerdem ein, wenn ein Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt wird (vgl. Art.  21 BKV-FINMA329, Art.  230 SchKG), denn auch in diesem Fall kommt es zur Liquidation330. bb)  Inhalt und Umfang des Absonderungsrechts Mit dem Begriff „Absonderung“ ist wie in den bankengesetzlichen Vorschriften gemeint, daß der Liquidator die Ausscheidung der Depotwerte von Amts wegen vorzunehmen hat. Der Kontoinhaber muß also keine individuellen Rechtsvorkehrungen mehr treffen, wie dies bei der konkursrechtlichen Aussonderung gemäß Art.  242 SchKG der Fall ist. Allerdings steht das Absonderungsrecht unter dem Vorbehalt des Rückbehalts- und Verwertungsrechts der Verwahrungstelle. Es kann nur ausgeübt werden, soweit Forderungen der Verwahrungsstelle gegen den Kontoinhaber aus der Verwahrung von Bucheffekten oder der Vorleistung der Verwahrungsstelle für den Erwerb von Bucheffekten befriedigt oder sichergestellt sind (Art.  17 Abs.  5 i. V. m. Art.  21 BEG). Auch die Frage, welche Depotwerte abzusondern sind, wird in Art.  17 BEG in enger Anlehnung an Art.  16 BankG beantwortet. Abzusondern sind zunächst alle Buch­effekten, die einem Effektenkonto der Verwahrungsstelle bei einer Drittverwahrungsstelle gutgeschrieben sind (Art.  17 Abs.  1 lit.  a. BEG). Hält die Verwahrungsstelle Eigen- und Drittbestände zusammengefaßt auf einem einzigen Sammelkonto, so gilt aus Gründen des Anlegerschutzes die Vermutung, daß es sich dabei um Buch­effekten der Kontoinhaber handelt (Art.  17 Abs.  2 BEG). Die auf dem Sammelkonto der Verwahrungsstelle verbuchten Bestände sind folglich, getrennt für die einzelnen Vermögenswerte, bis zu dem Umfang zugunsten der Kontoinhaber abzuson327  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9361. 328  FISA & HSC Commentary/Hess/Sägesser, Art.  17 FISA Rn.  16; vgl. auch Bertschinger, AJP 1995, 426, 434. 329  Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über den Konkurs von Banken und Effektenhändlern (Bankenkonkursverordnung-FINMA, BKV-FINMA) vom 30. Juni 2005, SR 952.812.32. 330  FISA & HSC Commentary/Hess/Sägesser, Art.  17 FISA Rn.  16.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

dern, der zur vollständigen Deckung ihrer Guthaben erforderlich ist. Ein Unterbestand geht also voll zu Lasten der Verwahrungsstelle (und damit ihrer Gläubiger), so daß die Kunden nur dann einen Ausfall erleiden, wenn der Unterbestand den Eigenbestand übersteigt331. Soweit die Vermutung in Art.  17 Abs.  2 BEG widerlegt wird – nach der Botschaft kommen dafür in erster Linie die Bücher der insolventen Verwahrungsstelle in Betracht332 –, ist für eine Absonderung nach Art.  17 Abs.  1 lit.  a. BEG allerdings kein Raum333. Abzusondern sind des weiteren bei der Verwahrungsstelle sammelverwahrte Wertpapiere, Globalurkunden oder Wertrechte, die in ihrem Hauptregister eingetragen sind (Art.  17 Abs.  1 lit.  b. BEG). Dieser Tatbestand hat den Fall vor Augen, daß Verwahrungsstelle am Ende der Kette insolvent wird. Hier bestehen keine Guthaben bei einer übergeordneten Verwahrungsstelle, die zugunsten der Kunden abgesondert werden könnten334 . In Art.  17 Abs.  1 lit.  c. BEG wird schließlich die Praxis des contractual settlement konkursfest gemacht: Danach erstreckt sich das Absonderungsrecht auch auf frei verfügbare Ansprüche der Verwahrungsstelle gegenüber Dritten auf Lieferung von Bucheffekten aus Kassageschäften, frei abgelaufenen Termingeschäften, Deckungsgeschäften oder Emissionen für Rechnung der Kontoinhaber. Die Bestimmung will wie ihr fast wortgleiches Pendant in Art.  16 Nr.  3 BankG verhindern, daß ein Kunde, dessen Zahlungskonto bereits mit dem Erwerbspreis belastet worden ist, obwohl sein Institut selbst die Effekten noch nicht von seiner Gegenpartei erhalten hat, in der Insolvenz des Instituts einen Ausfall erleidet335. Frei verfügbar ist der Lieferanspruch der Verwahrungsstelle, wenn er fällig ist und der verpflichtete Dritte ihm keine Einreden entgegenhalten kann336. cc) Absonderungsverfahren Anders als die bankengesetzlichen Regelungen legt Art.  17 BEG auch bestimmte Einzelheiten des Absonderungsverfahrens fest, indem er dem Liquidator in Abs.  4 die Möglichkeit einräumt, die abgesonderten Bucheffekten entweder auf eine vom Kontoinhaber bezeichnete Verwahrungsstelle zu übertragen oder ihm in Form von Wertpapieren auszuliefern. Die Bestimmung dient der Beschleunigung des Absonderungsverfahrens337. In der Regel wird die Übertragung der Bucheffekten auf eine andere Verwahrungsstelle die einzig praktikable Vorgehensweise sein, zumal die Anleger ein Interesse daran haben, schnell wieder über ihre Bestände verfügen zu 331  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9362; FISA & HSC Commentary/Hess/Sägesser, Art.  17 FISA Rn.  45. 332  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9362. 333  Die dadurch entstehende Schutzlücke wird allerdings durch Art.  19 BEG geschlossen. 334  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9362. 335  FISA & HSC Commentary/Hess/Sägesser, Art.  17 FISA Rn.  28. 336  Eingehend dazu FISA & HSC Commentary/Hess/Sägesser, Art.  17 FISA Rn.  36–44. 337  Siehe FISA & HSC Commentary/Hess/Sägesser, Art.  17 FISA Rn.  52 mit Hinweis auf die inakzeptablen Verzögerungen bei der Liquidation von Lehman Brothers International (Europe).

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können. Die Auslieferung in Form von Wertpapieren kommt ohnehin nur in Betracht, soweit den abgesonderten Bucheffekten sammelverwahrte Wertpapieren zugrundeliegen338. Freilich vermag auch Art.  17 Abs.  4 BEG nicht zu verhindern, daß der Liquidator die Absonderung verweigert, weil er sich – etwa aufgrund von Mängeln in der Buchführung – kein klares Bild von der Zuordnung der Depotwerte machen kann, oder daß es zwischen der Verwahrungsstelle und einem Kontoinhaber zum Streit über die Rechtszuständigkeit an bestimmten Effektenbeständen kommt, der nach den allgemeinen Regeln des Prätendentenstreits (Art.  107 und 108 SchKG) entschieden werden muß339. dd) Unterbestand Zu guter Letzt ist das Bucheffektengesetz auch insofern detaillierter als das Bankengesetz, als es Vorkehrungen für den Fall trifft, daß die zugunsten der Kontoinhaber abgesonderten Bucheffekten – einschließlich jener Eigenbestände der Verwahrungsstelle, die gemäß Art.  17 Abs.  2 BEG den Kunden zugerechnet wurden – nicht zur vollständigen Befriedigung der Ansprüche der Kontoinhaber genügen. Gemäß Art.  19 BEG ist in diesem Fall wie folgt zu verfahren: In einem ersten Schritt sind zu Gunsten der Kontoinhaber im Umfang des Unterbestandes Bucheffekten derselben Gattung abzusondern, welche die Verwahrungsstelle auf eigene Rechnung hält, auch wenn diese Bucheffekten auf übergeordneter Ebene getrennt von den Kundenbeständen gehalten werden (Art.  19 Abs.  1 BEG). Dieses Zugriffsrecht der Kontoinhaber auf die Eigenbestände der Depotstelle wirkt auf den ersten Blick holzschnittartig, läßt sich aber mit der Erwägung rechtfertigen, daß ein Unterbestand meistens die Folge operationeller Mängel (z. B. einer fehlerhaften oder mißbräuchlichen Buchung) ist340. Verbleibt nach dem Rückgriff auf die Eigenbestände immer noch ein Unterbestand, so ist dieser in einem zweiten Schritt zu „sozialisieren“, d. h. pro rata auf die Kontoinhaber zu verteilen (Art.  19 Abs.  2 Satz  1 BEG). Die Umstände, unter denen der Verlust entstanden ist, oder die Reihenfolge der Belastungen und Gutschriften sind dabei unberücksichtigt zu lassen, da das Liquidationsverfahren ansonsten mit praktisch nicht zu bewältigenden Schwierigkeiten belastet würde341. Als Ausgleich für die proportionale Verlustverteilung gewährt Art.  19 Abs.  2 Satz  2 BEG den Kontoinhabern eine Ersatzforderung gegen die Verwahrungsstelle in entsprechendem Umfang. Die Haftung der Verwahrungsstelle ist verschuldensunabhängig, eine Exculpation also

338  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9363. 339  Eingehend dazu FISA & HSC Commentary/Hess/Sägesser, Art.  17 FISA Rn.  55/56. 340  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9364. 341  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9364.

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ausgeschlossen. Die Kontoinhaber rangieren mit ihren Ersatzforderungen als Gläubiger Dritter Klasse i. S. von Art.  219 SchKG342 . ee)  Kontoinhaber und Verwahrungsstelle als Gesamthandsgemeinschaft? In ihrem Vortrag auf der 19. Jahrestagung der Gesellschaft Junger Zivilrechtswissenschaftler343 ging Zellweger-Gutknecht der Frage nach, ob den Art.  17 ff. BEG ein „materiell-rechtliches Zuordnungssystem jenseits der klassischen dinglichen Prinzipien“ zugrunde liegt, das Rückschlüsse auf die Lösung anderer Rechtsprobleme erlaubt, „die bislang als rein sachenrechtlicher Natur qualifiziert wurden und denen entsprechend durch dingliche Prinzipien (zu) enge Schranken gesetzt sind“344 . Als Beispiel zog sie die Sicherungsübereignung mittels Besitzeskonstitut heran, der in der Schweiz unter Hinweis auf Art.  717 ZGB die Wirksamkeit gegenüber Dritten versagt wird, da in ihr eine Umgehung des in Art.  884 Abs.  3 ZGB verankerten Faust­pfandprinzips gesehen wird. Das bedeutet, daß der Sicherungsnehmer zwar wirksam Eigentum erwirbt, dieses aber konkurrierenden Sicherungsnehmern oder Erwerbern nicht entgegenhalten kann. Im Konkurs des Sicherungsgebers fällt der Sicherungsgegenstand in dessen Konkursmasse (Art.  197 SchKG)345. Zellweger-Gut­ knecht stellte die These auf, daß die Kontoinhaber und die Verwahrungsstelle kraft der Art.  17 ff. BEG im Hinblick auf jede Bucheffektengattung eine Risikogemeinschaft bilden, die sie zu Gesamthandsberechtigten an den betreffenden Bucheffekten macht. Mitglied der Gemeinschaft werde automatisch, wer eine bestimmte Bucheffektengattung bei einer bestimmten Verwahrungsstelle hält. Gegenstand der Gesamthand seien allerdings nicht die in den Effektenkonten der Kunden ausgewiesenen Bucheffekten, sondern die von der Verwahrungsstelle als Deckung für diese Guthaben bei sich selber oder einer Drittverwahrungsstelle gehaltenen Bucheffekten, Wertpapiere, Wertrechte oder Lieferansprüche. Denn die Kontoinhaber vertrauten darauf, daß ihre Effektenguthaben mit einem entsprechenden Gegenwert unterlegt sind, weil sie innerhalb eines Systems verwahrt werden, das höchste Gewähr für die Richtigkeit und Zuverlässigkeit der Buchungen biete. Dieses Vertrauen würde durch die Rechtsordnung in zweierlei Hinsicht geschützt: „vollstreckungsrechtlich durch Art.  17 ff. BEG, materiellrechtlich, indem auf die Risikogemeinschaft betreffend die Depotguthaben implizit die Regeln der Gesamthandschaft zur Anwendung gebracht werden“346. Aus diesem Befund leitete Zellweger-Gutknecht die aus ihrer Sicht verallgemeinerungsfähige Erkenntnis ab, daß „fiduziarisch übertragene Vermögenswerte drittwirksam zu schützen sind, indem sie als Gesamthandvermögen kraft einer Risikogemeinschaft zwischen Fiduziar und Fiduziant qualifiziert werden“. „Dieser Ansatz“, so Zellweger-Gutknecht weiter, „könnte auch bei ei342 

FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  19 FISA Rn.  29. Die Tagung fand vom 3. bis 6. September 2008 an der Universität Zürich statt. 344  Zellweger-Gutknecht, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S.  88 und 89 f. 345  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  14 Rn.  13/14 m. w. N. 346  Zellweger-Gutknecht, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S.  88, 101 f. 343 

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ner Neuinterpretation von Art.  717 ZGB fruchtbar gemacht werden und den Weg zur besitzlosen Sachmobiliarsicherheit ebnen“347. Zellweger-Gutknechts Ansicht stößt auf gravierende Bedenken. Zwar trifft es in gewisser Weise zu, daß die Kontoinhaber und die Verwahrungsstelle eine Risikogemeinschaft bilden. Denn Lücken im Deckungsbestand können sowohl die Kontoinhaber als auch (hinsichtlich ihrer Eigenbestände) die Verwahrungsstelle betreffen. Richtig ist auch, daß das Bucheffektengesetz kein in sich abgeschlossenes Regelwerk in dem Sinne darstellt, daß es von vornherein unzulässig wäre, bei der (verfassungskonformen) Auslegung der einzelnen Bestimmungen und der Füllung von Gesetzeslücken auf das schweizerische Kernvermögensrecht zurückzugreifen. Das von der Botschaft ausgesprochene „Analogieverbot“ erstreckt sich nur auf jene Normen des OR und ZGB, deren Anwendung der Systematik und dem Regelungszweck des Buch­ effektengesetzes zuwiderliefe. Doch ist die Annahme, die Kontoinhaber und die Verwahrungsstelle bildeten kraft der Art.  17 ff. BEG eine Gesamthandsgemeinschaft, ist mit der Systematik des Gesetzes gerade nicht zu vereinbaren. Das Bucheffektengesetz verdankt seine Entstehung nicht zuletzt der Überzeugung, daß sich die Rechtsverhältnisse in mediatisierten Verwahrsystemen mit den traditionellen Normen und Instituten des Zivilrechts nicht mehr adäquat erfassen lassen. Die Kontoinhaber und die Verwahrungsstelle zu einer Gesamthandsgemeinschaft zu verbinden, erscheint daher schon im Ansatz fragwürdig. Daß zwischen den Kontoinhabern irgendwelche Rechtsbeziehungen bestehen, wurde selbst im alten Recht nicht vertreten. Was die Sammelverwahrung von Wertpapieren betrifft, wurde ganz bewußt von „modifiziertem“ Miteigentum gesprochen. Die Annahme einer Gesamthandsgemeinschaft zwischen den Kontoinhabern und der Verwahrungsstelle ist auch gar nicht notwendig, um die Wirkungen der Art.  17 ff. BEG auf vollstreckungsrechtlicher Ebene zu erklären348. Denn diese Wirkungen sind nichts anderes als die Konsequenz aus der Tatsache, daß es sich bei Bucheffekten um eigenständige Vermögensobjekte handelt, denen die in Art.  3 Abs.  2 BEG umschriebene Drittwirkung zukommt. Die von Zellwe­ ger-Gutknecht aufgeworfene Frage, ob die Art.  17 ff. BEG „reines Vollstreckungsrecht“ enthalten, „das für den Insolvenzfall Rechtsfolgen anordnet, welche sich über jede materiell-rechtliche Ordnung hinwegsetzen“349, ist daher zu verneinen. Die Art.  17 ff. BEG setzen sich nicht über jede materiell-rechtliche Ordnung hinweg, sondern setzen eben jene materiell-rechtliche Ordnung auf der Ebene des Insolvenz- und Vollstreckungsrechts fort, die im Bucheffektengesetz selbst angelegt ist. Daß bestimmte Prinzipien des Kernvermögensrechts, namentlich das Spezialitäts- und das Publizitätsprinzip, im Bucheffektengesetz nur unvollkommen oder gar nicht Niederschlag gefunden haben, kann nur beanstanden, wer nicht im Blick hat, daß dieses Gesetz 347 

Zellweger-Gutknecht, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S.  88, 103. So aber Zellweger-Gutknecht, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S.  88, 111. 349  Zellweger-Gutknecht, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S.  88, 99 (Hervorhebung im Original). 348 

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eine materiellrechtliche Sonderordnung aufstellt, in der diese Prinzipien ein Fremdkörper wären. b)  Liquidation der Drittverwahrungsstelle Während Art.  17 BEG das Absonderungsrecht des Kontoinhabers im Konkurs der eigenen Verwahrungsstelle regelt, trifft Art.  18 BEG Schutzvorkehrungen für den Fall, daß über eine Drittverwahrungsstelle ein Zwangsliquidationsverfahren eröffnet wird. Wie die Botschaft zu Recht hervorhebt, wäre es für die Kontoinhaber, die mit der Drittverwahrungsstelle in keiner direkten Verbindung stehen (und diese Stelle womöglich nicht einmal kennen), eine nicht hinnehmbare Last, wenn sie sich selbst um die Absonderung ihrer Bucheffekten kümmern müßten. Das gilt besonders bei der Drittverwahrung im Ausland350. Aus diesem Grund erlegt Art.  18 BEG der Verwahrungsstelle die Pflicht auf, die Absonderung der Bucheffekten ihrer Kontoinhaber bei der Drittverwahrungsstelle geltend zu machen. Welche Schritte die Verwahrungsstelle im einzelnen zu unternehmen hat, soll sich nach der Vereinbarung zwischen Kontoinhaber und Verwahrungsstelle richten. Haben die Parteien nichts vereinbart und bestimmt das anwendbare Recht nichts anderes, soll sich die Verwahrungsstelle auf die Anmeldung des Anspruchs ihrer Kontoinhaber beschränken und diesen die weitere Verfolgung ihres Anspruchs überlassen können351. Art.  18 BEG zieht die logische Konsequenz aus dem Umstand, daß eine Verwahrungsstelle hinsichtlich der für ihre Kunden gehaltenen Bucheffekten nicht selbst Rechtsträgerin ist, sondern die betreffenden Rechte gegenüber dem Emittenten nur vermittelt. Sofern nicht anders vereinbart, soll sie daher auch nicht die Kosten und Risiken tragen müssen, die mit der Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber einer insolventen (ausländischen) Drittverwahrungsstelle typischerweise verbunden sind352 .

V.  Rechte der Verwahrungsstelle 1.  Rückbehaltungs- und Verwertungsrecht Wie noch auszuführen sein wird, räumt Art.  26 BEG dem Kontoinhaber und der Verwahrungsstelle die Möglichkeit ein, durch Abschluß einer Vereinbarung eine Sicherheit der Verwahrungsstelle an Bucheffekten des Kontoinhabers zu bestellen, die auch Dritten gegenüber wirksam ist. Daneben sieht Art.  21 BEG ein Rückbehaltungsund Verwertungsrecht der Verwahrungsstelle vor. Es besteht kraft Gesetzes und 350  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9363. 351  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9363. 352  Vgl. FISA & HSC Commentary/Hess/Sägesser, Art.  18 FISA Rn.  6.

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stellt eine auf die mediatisierte Wertpapierverwahrung zugeschnittene Modifikation des allgemeinen sachenrechtlichen Retentionsrechts (Art.  895–898 ZGB) dar. Nach Art.  895 Abs.  1 ZGB kann der Gläubiger bewegliche Sachen und Wertpapiere, die sich mit Willen des Schuldners in seinem Besitz befinden, bis zur Befriedigung für seine Forderung zurückbehalten, wenn die Forderung fällig ist und ihrer Natur nach mit dem Gegenstande der Retention in Zusammenhang steht. Im früheren Recht bestand insofern eine Lücke, als sich diese Vorschrift nach herrschender Lehre nur auf körperliche Gegenstände bezieht, an denen Besitz begründet werden kann, nicht aber auf Wertrechte. Wertrechte waren danach nicht retinierbar, obwohl sie sich funktional nicht von sammelverwahrten Wertpapieren und Globalurkunden unterscheiden353. Im übrigen wäre ohne gesetzliche Klarstellung zweifelhaft geblieben, ob das allgemeine sachenrechtliche Retentionsrecht auch auf Bucheffekten als Vermögensobjekte sui generis anwendbar ist354 . Nach Art.  21 Abs.  1 BEG kann die Verwahrungsstelle einem Effektenkonto gutgeschriebene Bucheffekten zurückbehalten und verwerten, sofern eine Forderung gegen den Inhaber dieses Kontos fällig ist und sie aus der Verwahrung der Bucheffekten oder aus Vorleistungen der Verwahrungsstelle für den Erwerb von Bucheffekten herrührt. Voraussetzung für die Geltendmachung des Rückbehaltungsrechts ist also wie bei Art.  895 Abs.  1 ZGB (1) die Fälligkeit der zu sichernden Forderung und (2) die Konnexität zwischen Forderung und Retentionsgegenstand, wobei dieses Merkmal allerdings in Art.  21 Abs.  1 BEG enger gefaßt und bei nur zwei Arten von Forderungen gegen den Kontoinhaber gegeben ist355: Forderungen aus der Verwahrung von Bucheffekten (z. B. Depotgebühren) und Forderungen aus Vorleistungen der Verwahrungsstelle für den Erwerb von Bucheffekten (z. B. vorgestreckter Kaufpreis). Das Verfahren der Verwertung zurückbehaltener Bucheffekten richtet sich nach Art.  31 BEG356. Nach Art.  21 Abs.  2 BEG erlischt das Rückbehaltungs- und Verwertungsrecht der Verwahrungsstelle, sobald die Bucheffekten dem Effektenkonto eines anderen Kontoinhabers gutgeschrieben werden. Dahinter steht die zutreffende Erwägung, daß kein Grund mehr besteht, der Verwahrungsstelle ein bevorzugtes Recht an den Bucheffekten einzuräumen, wenn sie diese „freiwillig und ohne Vorbehalt“ freigibt357. Aus Gründen der Rechtssicherheit und zum Schutz des Erwerbers wird man von einem Erlöschen des Rückbehaltungs- und Verwertungsrechts allerdings auch dann ausgehen müssen, wenn die Bucheffekten versehentlich auf ein anderes Konto übertragen werden358. Ob und inwieweit zur Konkretisierung und Ergänzung von 353  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9365. 354  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  52. 355  Vgl. FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  21 FISA Rn.  20. 356  FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  21 FISA Rn.  7. 357  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9365. 358  FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  21 FISA Rn.  35.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Art.  21 BEG auf die allgemeinen Bestimmungen der Art.  895 ff. ZGB zurückgegriffen werden kann, ist bislang erst vereinzelt untersucht worden359.

2. Nutzungsrecht In Art.  22 BEG wird das Recht der Verwahrungsstelle anerkannt, über die ihr anvertrauten Bucheffekten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu verfügen. Hauptfälle dieses sog. Nutzungsrechts (right of use) sind die Wertpapierleihe und die Weiterverpfändung von Depotwerten. Bei der Wertpapierleihe (securities lending and borrowing) leiht sich die Verwahrungsstelle – in der Regel gegen Zahlung einer Gebühr – Bucheffekten von ihrem Kunden aus, um damit z. B. offene Lieferverpflichtungen zu erfüllen360. Bei der Weiterverpfändung, die zuvor in Art.  17 BankG geregelt war, verwendet die Verwahrungsstelle ein ihr übergebenes Pfand zur Besicherung eigener Verbindlichkeiten. Für den Depotkunden ist ein Nutzungsrecht mit einem erheblichen Risiko verbunden. Bei der Wertpapierleihe äußert sich dieses Risiko zum Beispiel darin, daß an die Stelle des Vollrechts an den Bucheffekten ein bloßer Rückübertragungsanspruch tritt, der dem Kontoinhaber im Konkurs der Verwahrungsstelle keinerlei Vorrecht gewährt. Aus diesem Grund setzt das Nutzungsrecht der Verwahrungsstelle nach Art.  22 Abs.  1 BEG eine Ermächtigung des Kontoinhabers voraus. Das entspricht dem Rechtsgedanken des Art.  481 Abs.  3 OR, wonach der Aufbewahrer über die hinterlegten Sachen oder Wertpapiere nur verfügen darf, wenn ihm diese Befugnis vom Hinterleger ausdrücklich eingeräumt worden ist, und dem Rechtsgedanken des Art.  887 ZGB, demzufolge der Gläubiger die Pfandsache nur mit Zustimmung des Verpfänders weiter verpfänden kann. Soweit der Kontoinhaber kein qualifizierter Anleger i. S. von Art.  5 lit.  d. BEG ist, sind die Anforderungen allerdings verschärft: Die Ermächtigung ist schriftlich zu erteilen und darf nicht in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verwahrungsstelle enthalten sein (Art.  22 Abs.  2 BEG)361. Überdies hat die Verwahrungsstelle Art.  12 Abs.  2 BEG zu beachten: Sofern sie Eigen- und Kundenbestände bei einer Drittverwahrungsstelle in segregierter Form hält, kann sie über Bucheffekten eines Kontoinhabers erst verfügen, nachdem sie diese in Ausübung ihres Nutzungsrechts in ihr eigenes Effektenkonto übertragen hat. Im Fall der Wertpapierleihe sind die ausgeliehenen Wertschriften im Depotauszug zu kennzeichnen362 .

359 

FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  21 FISA Rn.  8 ff. den Einzelheiten aus schweizerischer Sicht Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  28 Rn.  19 ff. 361  Siehe auch das FINMA-Rundschreiben 10/2 Rn.  12 (für die Wertpapierleihe). 362  FINMA-Rundschreiben 10/2 Rn.  19. 360 Zu

§  14  Das Bucheffektengesetz

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VI.  Übertragung von Bucheffekten 1. Überblick Wie bereits erwähnt, besteht eines der wichtigsten Anliegen des Bucheffektengesetzes darin, Verfügungen über Bucheffekten einheitlich, d. h. unabhängig davon zu regeln, ob das unterliegende Recht als Wertpapier, Globalurkunde oder Wertrecht ausgestaltet ist. Dem dient das 5. Kapitel, das in drei Abschnitte unterteilt ist: Der erste Abschnitt (Art.  24–26 BEG) sieht verschiedene Methoden der Verfügung über Bucheffekten vor, der zweite (Art.  27 und 28 BEG) behandelt die Stornierung fehlerhafter Buchungen, der dritte (Art.  29 und 30 BEG) die Wirkung einer Verfügung gegenüber Dritten, insbesondere den Schutz des gutgläubigen Erwerbers. Unter einer Verfügung im Sinne des Bucheffektengesetzes ist jedes Rechtsgeschäft zu verstehen, das eine Änderung im Bestand der Bucheffekten der verfügenden Person bewirkt. Der Begriff umfaßt sowohl die Übertragung der vollen Rechtszuständigkeit (des „Eigentums“) an Bucheffekten als auch die Begründung eines Pfandrechts oder einer Nutzniessung363. Der „ordentliche Verfügungsmodus“ des Art.  24 BEG („Verfügung durch Gutschrift“364) war in seiner ursprünglichen Version auf Vollrechtsübertragungen zugeschnitten365. Ob er auch für die Bestellung von Teilrechten (z. B. eines regulären Pfandrechts) verwendet werden kann, war zunächst umstritten, steht jedoch seit der Anpassung von Art.  24 BEG durch das FinfraG außer Frage366. Die zusätzlichen Methoden der Artikel 25 und 26 BEG waren zunächst für die Bestellung von Sicherheiten an Bucheffekten reserviert. Doch wurden auch sie durch das FinfraG dahingehend angepaßt, daß sie nunmehr für alle Arten von Verfügungen, also für alle Arten von Voll- und Teilrechtsübertragungen mit und ohne Sicherungszweck, eingesetzt werden können. Im folgenden wird die reguläre, d. h. nicht zu Sicherungszwecken vorgenommene Übertragung von Bucheffekten nach Art.  24 BEG untersucht. Dabei wird auch auf die Stornierungsregeln der Artikel 27 und 28 BEG und den Schutz des gutgläubigen Erwerbers nach Art.  29 BEG eingegangen. Die verschiedenen Möglichkeiten der Bestellung von Sicherheiten an Bucheffekten werden im nächsten Abschnitt behandelt367.

363  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9367. 364  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9369; siehe auch Hess/Stöckli, Anwaltsrevue 2010, 115, 116 (Umbuchung als „ordentliche Form der Verfügung“). 365  Das ergab sich aus Art.  24 Abs.  2 Satz  2 BEG a. F., der bestimmte, daß der verfügende Kontoinhaber zugleich – d. h. mit Abschluss der erforderlichen Gutschrift im Effektenkonto des Erwerbers – „sein Recht an den Bucheffekten“ verliert. 366  Siehe unter VII 2 a) aa). 367  Siehe unter VII 2.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

2.  Der Tatbestand des Art.  24 BEG a) Voraussetzungen Der „ordentliche“ Verfügungstatbestand des Art.  24 Abs.  1 BEG setzt sich aus zwei Elementen zusammen, die kumulativ vorliegen müssen: (1) der Weisung des Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle, die Bucheffekten zu übertragen, und (2) der Gutschrift der Bucheffekten im Effektenkonto des Erwerbers368. aa) Weisung Die Weisung des Kontoinhabers bildet das rechtsgeschäftliche Element des Verfügungstatbestandes. Sie weist gewisse Ähnlichkeiten mit der Anweisung i. S. von Art.  466 OR auf, ist aber von dieser zu unterscheiden. Insbesondere ist die Weisung keine Doppelermächtigung, sondern die einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Kontoinhabers (ausschließlich) an die Verwahrungsstelle, die Bucheffekten auf den Erwerber zu übertragen369. Diese Umschreibung ist allerdings nicht dahin zu verstehen, daß der Kontoinhaber den Erwerber in jedem Fall namentlich bezeichnen müßte. Denn das ist bei der Veräußerung über die Börse unmöglich. Charakteristisch für die Weisung i. S. von Art.  24 Abs.  1 BEG ist vielmehr die Ermächtigung und Verpflichtung des Verwahrers, auf dem Effektenkonto des Kunden eine entsprechende Belastung vorzunehmen370. Diese Ermächtigung braucht nicht ausdrücklich erteilt zu werden. Sie kann sich auch aus den Umständen ergeben, etwa aus dem Auftrag des Kunden an die Verwahrungsstelle, seine Titel an der Börse zu verkaufen371. An eine bestimmte Form ist die Weisung nicht gebunden. Die Verwahrungsstelle kann allerdings festlegen, auf welchem Wege (schriftlich, elektronisch, per Telefon) der Kunde mit ihr kommunizieren kann und wie er seine Legitimation nachzuweisen hat372 . Da die Verwahrungsstelle nur nach Maßgabe des Depotvertrages mit dem Kunden zur Ausführung von Weisungen verpflichtet ist (Art.  15 Abs.  1 BEG), kann sie die Ausführung auch von einer ausreichenden Deckung des Effektenkontos abhängig machen. Gemäß Art.  15 Abs.  2 BEG hat sie aber weder das Recht noch die Pflicht, den Rechtsgrund der Weisung zu überprüfen (Art.  15 Abs.  2 BEG). Selbst wenn sie Kenntnis von Mängeln des Verpflichtungsgeschäfts hat, darf sie die Ausführung der Weisung nicht verweigern. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß ihr kein Vorwurf ge368  Aus Art.  29 Abs.  1 BEG ergibt sich zudem, daß der Kontoinhaber verfügungsberechtigt sein muß. Dazu näher unter 4. 369  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9359. Kritisch dazu BSK-Wertpapierrecht/Pulver/Meyer Bahar, Art.  15 BEG Rn.  14/15, die davon ausgehen, daß bei hausinternenen Übertragungen eine Weisung nach Art.  15 BEG auch eine Anweisung i. S. von Art.  466 ff. OR darstellt. 370  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  66. 371  Sabine Mock, Bucheffekte, Rn.  156; Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 117. 372  Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 117.

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macht werden, wenn sie eine Weisung trotz ihr bekannter oder erkennbarer Mängel im Grundverhältnis ausführt. Als eines der Elemente des Verfügungsgeschäfts ist die Weisung von der Wirksamkeit des Kausalgeschäfts unabhängig373. Daß sich eine Weisung i. S. von Art.  24 Abs.  1 BEG nur bedingt mit der Anweisung i. S. von Art.  466 OR vergleichen läßt, zeigt sich auch in bezug auf den Zeitpunkt der Unwiderruflichkeit. Eine Anweisung i. S. von Art.  466 OR ist nach Art.  470 Abs.  1 und 2 OR gegenüber dem Angewiesenen jederzeit widerruflich, solange dieser dem Empfänger seine Annahme nicht erklärt hat. Für die Weisung nach BEG ist demgegenüber in Art.  15 Abs.  3 Satz  1 BEG in Anlehnung an Art.  5 FinalitätsRL bestimmt, daß der Kontoinhaber die Weisung bis zu dem Zeitpunkt widerrufen kann, der durch den Vertrag mit der Verwahrungsstelle oder die anwendbaren Regeln eines Effektenabrechnungs- und -abwicklungssystems festgelegt ist. Nach Art.  15 Abs.  3 Satz  2 BEG ist die Weisung in jedem Fall unwiderruflich, sobald die Verwahrungsstelle das Effektenkonto belastet hat. Art.  15 Abs.  3 BEG ist aber auch deshalb erwähnenswert, weil er den schweizerischen Gesetzgeber dazu veranlaßt hat, den Zeitpunkt der Unwiderruflichkeit auch im Recht des bargeldlosen Zahlungsverkehrs neu festzulegen. Hier galt bisher die Gutschrift des Geldbetrages auf dem Konto des Begünstigten als maßgeblich. Die Möglichkeit des anweisenden Kunden, den Zahlungsauftrag gegenüber seiner Bank bis zu diesem Zeitpunkt zu widerrufen, wurde sogar als zwingendes Recht angesehen374 . Wäre es bei diesem im Vergleich zu Art.  15 Abs.  3 BEG späten Zeitpunkt geblieben, so hätte dies für die Abwicklung von Effektengeschäften zur Folge gehabt, daß auf der Titelseite die Unwiderruflichkeit früher einträte als auf der Geldseite. Das hielt der Gesetzgeber auch deshalb nicht für sinnvoll, weil Abwicklungssysteme regelmäßig nach dem Prinzip „Lieferung gegen Zahlung“ (DvP) operieren375. Der neue Art.  470 Abs.  2bis OR sieht daher in Anlehnung an Art.  15 Abs.  3 BEG vor, daß, sofern die Regeln eines Zahlungssystems nichts anderes bestimmen, die Anweisung im bargeldlosen Zahlungsverkehr unwiderruflich ist, sobald der Überweisungsbetrag dem Konto des Anweisenden belastet worden ist376. Art.  15 Abs.  3 BEG regelt die Gründe, die zum Erlöschen einer Weisung führen können, allerdings nicht abschließend. Er ändert insbesondere nichts daran, daß die 373  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9359; FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  15 FISA Rn.  27/28; Spoer­ lé, Inhaberaktie, Rn.  570 (jedoch mit einschränkendem Hinweis auf die seiner Ansicht nach geringen praktischen Auswirkungen der Kausalitäts- bzw. Abstraktionsfrage im Bucheffektenkontext). 374  BGE 127 III 553, 557; 122 III 237, 244; Diese Ansicht beruhte auf dem bereits im Text erwähnten Art.  470 Abs.  2 OR. Danach kann der Anweisende gegenüber dem Angewiesenen widerrufen, solange jener dem Anweisungsempfänger seine Annahme nicht erklärt hat. Die Annahmeerklärung wurde in der Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten gesehen. 375  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9389. 376  Siehe auch FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  15 FISA Rn.  39, der auf die Vergleichbarkeit von Art.  470 Abs.  2bis OR mit Art.  66 der Zahlungsdienste-Richtlinie (RL 2007/64/EG vom 13. November 2007) hinweist.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Kontoinhabers nach Art.  204 Abs.  1 SchKG an sich die Ungültigkeit aller noch nicht ausgeführten Weisungen zur Folge hätte377. Das aber stünde, soweit es um Teilnehmer an Effektenabwicklungssystemen geht, in klarem Widerspruch zu Art.  3 FinalitätsRL, hinter deren Vorgaben auch die Schweiz nicht zurückbleiben wollte378. Aus diesem Grund ordnet Art.  20 BEG an, daß die Weisung einer Verwahrungsstelle, die an einem Effektenabrechnungs- und -abwicklungssystem teilnimmt, in jedem Falle rechtlich verbindlich und Dritten gegenüber wirksam ist, wenn sie vor Eröffnung des Zwangsvollstreckungsverfahrens gegen diese Verwahrungsstelle in das System eingebracht wird (lit.  a.). Wird die Weisung nach der Eröffnung des Verfahrens eingebracht, ist sie verbindlich, wenn sie am Tag der Eröffnung des Verfahrens ausgeführt wird und die Systembetreiberin nachweist, daß sie von der Eröffnung des Verfahrens keine Kenntnis hatte oder haben mußte (lit.  b.). Art.  20 BEG entspricht sinngemäß Art.  27 Abs.  2 BankG, der sich ebenfalls an der Finanzsicherheitenrichtlinie orientiert379. Sein Anwendungsbereich ist aber zugleich enger und weiter als derjenige von Art.  27 Abs.  2 BankG: enger, weil er nur Teilnehmer an Effektenabwicklungssystemen erfaßt, nicht auch Teilnehmer an Zahlungssystemen; weiter, weil er sich nicht nur auf nach schweizerischem Recht regulierte Banken und Effektenhändler erstreckt380, sondern auf alle Verwahrungsstellen i. S. von Art.  4 BEG. bb) Gutschrift Die Gutschrift auf dem Effektenkonto des Erwerbers bildet das tatsächliche Element des Verfügungstatbestandes. Sie wirkt konstitutiv, d. h. ohne sie tritt der Übergang der Bucheffekten nicht ein381. Das ergibt sich nicht nur aus Art.  24 Abs.  1 lit.  b. BEG, sondern auch aus Art.  24 Abs.  2 BEG, der klarstellt, daß die Verfügung „mit Abschluss der erforderlichen Gutschrift vollzogen“ ist und der verfügende Kontoinhaber erst in diesem Moment seine Rechte an den Bucheffekten „verliert“. Dagegen kommt der Belastung des Effektenkontos des Veräußerers keine Verfügungswirkung zu382 . Die Festlegung auf eine einzige Buchung wird von der Botschaft mit der Erwägung gerechtfertigt, daß auch in der Schweiz die Buchungen auf den verschiedenen Ebenen der Verwahrpyramide in der Regel nicht zeitlich koordiniert sind. Eine Buchung am Ende der Übertragungskette könne durchaus abgeschlossen sein, bevor der Vorgang auch bei allen übergeordneten Verwahrungsstellen verbucht ist. In An377 

Kritisch dazu FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  15 FISA Rn.  35. FISA & HSC Commentary/Hess, Art.  20 FISA Rn.  2. 379 BSK-BankG/Hess/Künzi Peditto, Art.  27 Rn.  3. 380  Zum Anwendungsbereich von Art.  27 BankG siehe BSK-BankG/Hess/Künzi Peditto, Art.  27 Rn.  21. 381  Unbestritten, siehe FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Art.  24 FISA Rn.  8; Lanz, Aktientransfers, S.  189, 205; Bärtschi, AJP 2009, 1071, 1078; Hess/Stöckli, Anwaltsrevue 2010, 115, 116. 382  Das verkennt Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 188. 378 

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betracht dessen sei es notwendig, den Rechtsübergang von einer einzigen, leicht feststellbaren Buchung abhängig zu machen383. Zugleich soll durch Art.  24 Abs.  1 lit.  b. und Abs.  2 BEG die Entstehung subjektloser Rechte verhindert werden. Der Veräußerer bleibt bis zum Abschluß des zeitlich gestreckten Umbuchungsvorgangs Inhaber der Bucheffekten, auch wenn er nach der Belastung seines Kontos tatsächlich nicht mehr über diese verfügen kann384 . Den Nachteil, daß theoretisch eine Gutschrift (und damit der Erwerb von Bucheffekten) möglich ist, ohne daß die Bucheffekten bei der Verwahrungsstelle des Veräußerers bereits belastet wurden, hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen. Diese Gefahr sei weitgehend auf den grenzüberschreitenden Verkehr beschränkt; im reinen Binnenverhältnis werde sie durch eine entsprechende Ausgestaltung der Abwicklungssysteme praktisch ausgeschlossen385. b)  Derivativer oder originärer Rechtserwerb? Mit diesen Ausführungen ist die konzeptionelle Frage, ob das Bucheffektengesetz in Art.  24 von einem derivativen oder originären Rechtserwerb ausgeht, im Grunde schon beantwortet: Geregelt ist der derivative Erwerb. Daß der Erwerber seine Rechtsstellung vom Veräußerer ableitet, ergibt sich schon aus Art.  24 Abs.  1 BEG, der von einer Weisung des Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle spricht, die Bucheffekten zu „übertragen“ (lit.  a.), und die Wirksamkeit einer Verfügung außerdem von der Gutschrift „der“ Bucheffekten im Effektenkonto des Erwerbers abhängig macht (lit.  b.). Zumindest ein starkes Indiz für einen derivativen Rechtserwerb ist auch, daß nach Art.  24 Abs.  2 Satz  2 BEG der verfügende Kontoinhaber mit der Gutschrift im Konto des Erwerbers seine Rechte an den Bucheffekten „verlieren“ soll. Für diese Annahme spricht weiter, daß Art.  29 Abs.  1 lit.  a. BEG die Wirksamkeit einer Verfügung nach Art.  24 außerdem von der Verfügungsbefugnis des „Veräusserers“ abhängig macht. Die Gutglaubensregel des Art.  29 BEG ergäbe auch insgesamt keinen Sinn, ginge das Gesetz von einem originären Rechtserwerb aus386. Auf einen derivativen Erwerb deutet schließlich auch Art.  28 Abs.  1 lit.  a. BEG hin, demzufolge die Verwahrungsstelle eine Gutschrift von Bucheffekten in einem Effektenkonto stornieren kann, wenn die „entsprechende Belastung“ storniert worden ist. Ein Blick in die Botschaft bestätigt die hier vertretene Auffassung. Sie weist lapidar darauf hin, daß die

383  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9368; Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  68. 384  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9368. 385  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl 2006, S.  9368; siehe auch Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des ­Clearing und Settlement, S.  29, 55 f. 386  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §   26 Rn.   30; Sabine Mock, Bucheffekte, Rn.  196.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Art.  24 ff. BEG ausschließlich den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Bucheffekten „auf dem Wege der Einzelrechtsnachfolge“ regeln387. Daß das Bucheffektengesetz in Art.  24 BEG von einem derivativen Rechtserwerb ausgeht, ist unlängst von Hanten in Zweifel gezogen worden388. Sie räumt zwar ein, daß ein derivativer Rechtserwerb am ehesten dem Wortlaut der Vorschrift und dem vom Gesetzgeber gezogenen Vergleich mit dem sachenrechtlichen Doppeltatbestand der Eigentumsübertragung an Immobilien entspricht389. Dieses „Zuwendungsmodell I“ bilde aber die vom Gesetzgeber ebenfalls angestrebte Anweisungsähnlichkeit des Zuwendungsvorgangs nicht hinreichend ab und könne auch nicht erklären, weshalb mit der Gutschrift von Bucheffekten jeweils Rechte des Begünstigten gegenüber dem kontoführenden Intermediär (neu) entstehen390. Den besten Kompromiß im Hinblick auf den Wortlaut von Art.  24 BEG und die angestrebte Anweisungsähnlichkeit des Zuwendungsvorgangs sieht Hanten in einem „Zuwendungsmodell II“. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, daß der bisherige Rechtsinhaber mit der Gutschrift im Effektenkonto des Erwerbers seine Rechtsposition verliert und eben diese Rechtsposition in der gleichen juristischen Sekunde dem Erwerber neu zugeordnet wird. Das „Zuwendungsmodell II“ geht also von einem originären Rechtserwerb aus, aber nicht in dem Sinne, daß mit der Gutschrift eine Rechtsposition „Bucheffekte“ neu begründet wird, sondern in dem Sinne, daß der Erwerber mit der Gutschrift eine Rechtsposition erlangt, die als solche bereits bestand und bisher dem verfügenden Kontoinhaber zugeordnet war391. Um dieses „Zuwendungsmodell II“ würdigen zu können, muß man sich zunächst Klarheit darüber verschaffen, was Hanten unter der „Anweisungsähnlichkeit“ des Zuwendungsvorgangs versteht. Hanten bestreitet nicht, daß zwischen einer Weisung nach BEG und einer Weisung nach OR Unterschiede bestehen. Beide Rechtsinstitute hätten jedoch gemeinsam, daß einem Empfänger unter Einschaltung eines Dritten eine Rechtsposition zugewendet werden solle. Die Rechtsposition namens „Bucheffekte“, um deren Zuwendung es in Art.  24 BEG geht, enthalte auch Rechte des Empfängers gegenüber dem kontoführenden Intermediär, die sich jeweils mit der Gutschrift auf dem Konto des Empfängers verwirklichten. Diese Wirkung der Gutschrift 387  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9368; siehe ferner Beeler, Bucheffekten, Rn.  262. 388  Abweichend auch Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 188, der meint, Art.  24 Abs.  1 BEG gehe wohl von einem originären Erwerb aus. 389  Siehe zu diesem Vergleich die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9367: „Der Verfügungsvorgang bei Buch­effekten ist damit ähnlich wie die immobiliarsachenrechtliche Verfügung, die ebenfalls zwei Tatbestandselemente umfasst (vgl. Art.  963 ZGB).“ 390  Hanten, Bucheffektengesetz, S.  61 f., 70, 75 ff. 391  Hanten, Bucheffektengesetz, S.  78 ff. Dort diskutiert Hanten auch noch ein „Zuwendungsmodell III“, das wie das „Zuwendungsmodell II“ von einem originären Rechtserwerb ausgeht, allerdings mit dem Unterschied, daß die vom Empfänger erlangte Rechtsposition von der Position des Vorgängers unabhängig ist. Sie vergleicht das „Zuwendungsmodell III“ mit der schuldrechtlichen Anweisungslage im bargeldlosen Zahlungsverkehr.

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könne aber nur ein „Zuwendungsmodell II“ erklären, demzufolge der Verlust und der Erwerb von Bucheffekten auf zwei unterschiedlichen, wenn auch zeitlich miteinander verbundenen Rechtsakten beruhen392 . Die Prämisse, auf der Hantens Auffassung beruht, ist unhaltbar. Gemäß Art.  3 Abs.  1 BEG sind Bucheffekten vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten (!), die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind und über welche die Kontoinhaber nach den Vorschriften des Bucheffektengesetzes verfügen können. Eine Bucheffekte hat aber nicht auch Rechte des Kontoinhabers gegenüber dem kontoführenden Intermediär zum Inhalt. Diese Rechte beruhen vielmehr auf dem Depotvertrag, der von den Vorschriften des Bucheffektengesetzes eingerahmt und ausgestaltet wird. Zwar ist es nicht falsch zu sagen, mit der Gutschrift „erlange“ der Kontoinhaber Rechte gegenüber seinem Intermediär, denn solche Rechte können ja immer nur in bezug auf Bucheffekten ent- und bestehen, die auf dem Konto verbucht sind. Das sagt aber nichts über die Frage aus, ob Bucheffekten nach Art.  24 BEG derivativ oder originär erworben werden. Auch bei sammelverwahrten Wertpapieren ist ja aus gutem Grund noch niemand auf die Idee gekommen, sie verkörperten neben den betreffenden Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechten gegenüber dem Emittenten auch Weisungs- und andere Rechte, die sich „theoretisch gegen jeden Intermediär“ des Systems richten können, „in concreto jedoch ausschließlich in einem relativen Anspruchsverhältnis zwischen einem bestimmten Kontoinhaber und einem bestimmten Intermediär“ bestehen393. Hantens Behauptung, Bucheffekten enthielten auch Rechte gegenüber dem kontoführenden Intermediär, ist auch nicht mit der Tatsache zu vereinbaren, daß Bucheffekten zwar auf den verschiedenen Ebenen der Verwahrpyramide durch Gutschriften repräsentiert werden, rechtlich aber nur dem jeweiligen Anleger zustehen. Anders, als Hanten meint, spricht auch die Stornierungsregel des Art.  27 BEG nicht gegen einen derivativen Erwerb. Diese Regel besagt, daß eine Verwahrungsstelle eine Belastung von Bucheffekten zu stornieren hat, wenn ihr keine wirksame Weisung zugrundelag. Sie ist damit nichts anderes als eine Bekräftigung von Art.  24 Abs.  1 lit.  a. BEG. Hanten verkehrt Art.  27 BEG in sein Gegenteil, wenn sie ihn als Beleg für die (angebliche) Ansicht des Gesetzgebers wertet, daß ein Verlust der Rechtsposition „Bucheffekte“ mit der Gutschrift im Konto des Empfängers auch bei Fehlen einer wirksamen Weisung eintreten soll394 . Nicht mit dem Gesetzeswortlaut zu vereinbaren ist das „Zuwendungsmodell II“ schließlich auch insoweit, als es auf die Annahme hinausläuft, daß „der Verlust und der Erwerb von Bucheffekten auf zwei unterschiedlichen, wenn auch zeitlich miteinander verbundenen Rechtsakten beruhen“. Denn aus Art.  24 Abs.  1 lit.  b. und Abs.  2 BEG geht eindeutig hervor, daß für den Verlust wie auch den Erwerb der Rechtsposition „Bucheffekte“ einzig und allein die Gutschrift 392 

Hanten, Bucheffektengesetz, S.  66 ff. So aber in der Tat (für Bucheffekten) Hanten, Bucheffektengesetz, S.  68 in Fn.  157. 394  Hanten, Bucheffektengesetz, S.  59 unter Berufung auf die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9368. 393 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

im Effektenkonto des Erwerbers – die im übrigen ein tatsächliches Element des Verfügungstatbestandes darstellt – maßgeblich sein soll. c)  Übertragung unter Beteiligung mehrerer Verwahrungsstellen Man wird allerdings zugeben müssen, daß sich ein derivativer Rechtserwerb nur in den Fällen ohne größeren Aufwand erklären läßt, in denen der Veräußerer und der Erwerber derselben Verwahrungsstelle angeschlossen sind. Dann gehen die Bucheffekten direkt vom Veräußerer auf den Erwerber über, wenn sie von der Verwahrungsstelle auf Weisung des Veräußerers dem Konto des Erwerbers gutgeschrieben werden395. Wie aber hat man sich die Übertragung von Bucheffekten rechtskonstruktiv vorzustellen, wenn an diesem Vorgang mehrere Verwahrungsstellen beteiligt sind? Hat man es in dieser Konstellation mit einer einzigen Verfügung i. S. von Art.  24 BEG oder mit einer ganzen Reihe hintereinandergeschalteter Verfügungen zu tun? Erwirbt mit anderen Worten der Anleger am Ende der Buchungskette die Bucheffekten direkt vom bisherigen Rechtsinhaber, oder findet auf seiten der eingeschalteten Verwahrungsstellen – und sei es nur für eine juristische Sekunde – jeweils ein Zwischenerwerb statt? Das Gesetz trifft zu dieser Frage keine eindeutige Aussage396. Die Botschaft scheint von einem direkten Rechtsübergang auszugehen. Jedenfalls enthält sie den Hinweis, daß immer dann, wenn an „der“ Übertragung weitere Verwahrungsstellen beteiligt sind, die Verwahrungsstelle der veräußernden Person die Weisung an die übergeordnete Stelle „weiterleiten“ müsse397. Für einen direkten Rechtsübergang spricht auch jene bereits erwähnte Passage der Botschaft, in die Maßgeblichkeit einer einzigen (!) Buchung – der Gutschrift im Effektenkonto des Erwerbers, Art.  24 Abs.  1 lit.  b. BEG – mit der Erwägung gerechtfertigt wird, daß „die“ Übertragung von Bucheffekten häufig eine ganze Reihe von Buchungen auf verschiedenen Ebenen der Verwahrungspyramide auslöst398. Bei dieser Interpretation hat man es also auch in den Fällen, in denen an der Übertragung mehrere Intermediäre beteiligt sind, nur mit einer einzigen Übertragung zu tun. Als „Erwerber“ i. S. von Art.  24 Abs.  1 lit.  b. BEG ist immer nur derjenige Kontoinhaber anzusehen, der am Ende der Buchungskette steht399; und als die zum Vollzug der Verfügung „erforderliche Gutschrift“ i. S. von Art.  24 Abs.  2 BEG ist ausschließlich die Gutschrift in dessen Effektenkonto zu qua-

395 

Insoweit wie hier Lanz, Aktientransfers, S.  189, 205. So auch die Feststellung von FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Prel. Cmts Arts. 24–26 FISA Rn.  9. 397  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9359. 398  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9368. 399  Beckmann, Reformbedarf, S.  201; Beeler, Bucheffekten, Rn.  4 01; Günter H. Roth, Basler Juri­ stische Mitteilungen 2011, 169, 178; unklar und unentschieden Lanz, Aktientransfers, S.  189, 205. 396 

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lifizieren. Eine geschlossene Buchungskette setzt die Übertragung von Bucheffekten bei dieser Sichtweise nicht voraus400. Damit ist freilich noch nicht geklärt, wie sich die direkte Übertragung der Bucheffekten im Detail vollzieht. Vor allem fragt sich, ob der Hinweis der Botschaft, die Verwahrungsstelle des Veräußerers müsse dessen Weisung an die übergeordnete Verwahrungsstelle „weiterleiten“, wörtlich zu nehmen oder nur als ungenaue Umschreibung der Tatsache zu verstehen ist, daß eine Verwahrungsstelle, die von ihrem Depotkunden mit der Übertragung von Bucheffekten beauftragt wird, dazu verpflichtet ist, ihrerseits der übergeordneten Verwahrungsstelle eine entsprechende Weisung i. S. von Art.  24 Abs.  1 lit.  a BEG zu erteilen usw. Der Gesetzeswortlaut ist für beide Deutungen offen. Wer den Akzent auf die Feststellung legt, daß pro Buch­ ungskette nur ein einziges Vermögensobjekt namens „Bucheffekte“ besteht, das jedoch auf sämtlichen Ebenen der Kontenpyramide repräsentiert wird, wird der Annahme zuneigen, daß zur wirksamen Übertragung dieser Rechtsposition die Weisung des Veräußerers (sprich: bisherigen Rechtsinhabers) genügt, die von seiner Verwahrungsstelle bis zur Verwahrungsstelle des Empfängers als letzter Buchungsstation „weiterzuleiten“ ist401. Dagegen spricht jedoch, daß das Bucheffektengesetz die Weisung als rechtsgeschäftliche – und das heißt: auf dem Depotvertrag als besonderem Auftragsverhältnis beruhende – Erklärung des Kontoinhabers an seine Verwahrungsstelle qualifiziert. Auch den Stornierungsregeln der Artikel 27 und 28 BEG liegt die Vorstellung zugrunde, daß im Effektengiroverkehr grundsätzlich auf jeder einzelnen Stufe der Verwahrpyramide Weisungen abgegeben werden402 . Wiegand bestreitet nicht, daß die Weisung als rechtsgeschäftliche Erklärung im Verhältnis des Kontoinhabers zur Verwahrungsstelle zu qualifizieren ist, meint jedoch, sie enthalte als zweite Komponente die Offerte des Veräußerers über den Rechtsübergang. Es sei diese Offerte, die ggf. über mehrere Stufen weitergeleitet und erst durch die Gutschrift auf dem Empfängerkonto angenommen werde. Damit sei die Einigung über den Rechtsübergang zustandegekommen und das Verpflichtungsgeschäft durch den Übergang des Rechts erfüllt403. Hinter dieser These von der Doppelfunktion der Weisung scheint die Überzeugung zu stehen, daß auch das schweizerische Recht – ungeachtet der grundsätzlichen Geltung des Kausalitätsprinzips – zur wirksamen Übertragung einer Sache einen vom Verpflichtungsgeschäft zu unterscheidenden „dinglichen Vertrag“ verlangt, mit dem die Vertragsparteien ihren Willen zur Eigentumsübertragung zum Ausdruck bringen404 . Jedenfalls meint Wie­ gand, die Frage nach dem Willen der Parteien, „das Recht zu übertragen und erwer400 

Beeler, Bucheffekten, Rn.  388 und 393. Hanten, Bucheffektengesetz, S.  81 f. 402  So auch BSK-Wertpapierrecht/Pulver/Meyer Bahar, Art.  15 BEG Rn.  15; Beeler, Bucheffekten, Rn.  301. 403  Wiegand, in: Festschrift für Koziol, S.  1125, 1132 f. 404  Siehe zum Meinungsstand BSK-ZGB II/Schwander, Art.  714 Rn.  5/6 m. w. N. aus Rechtsprechung und Schrifttum. 401 So

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

ben zu wollen“, stelle sich bei Bucheffekten umso dringlicher, da der Gesetzgeber in Art.  15 Abs.  2 BEG „ein Bekenntnis zum Abstraktionsprinzips in reinster Form“ abgegeben habe405. Selbst wenn man aber annähme, daß auch nach schweizerischem Recht die Übertragung einer Sache einen dinglichen Vertrag zur Voraussetzung hat, wäre es mehr als gewagt, ein solches Erfordernis auch in den Sondertatbestand des Art.  24 Abs.  1 BEG hineinzulesen406. Das gilt umso mehr, als die Vorstellung, zwischen Veräußerer und Erwerber müsse bzw. würde stets eine dingliche Einigung zustandekommen, im weitgehend anonym ablaufenden Effektengiroverkehr auf eine Fiktion hinausläuft. In dieser Feststellung zeigt sich denn auch ein Grundproblem des Art.  24 BEG: Einen direkten Übergang der Bucheffekten vom Veräußerer auf den Erwerber (ohne Zwischenerwerb der Intermediäre) kann man sich noch am ehesten im außerbörslichen Handel vorstellen, bei dem der Veräußerer und der Erwerber sich kennen. Bei Geschäften, die an der Börse und womöglich noch unter Einschaltung eines zentralen Kontrahenten abgeschlossen werden, läuft die Annahme, die Bucheffekten gingen direkt von einem bestimmten Veräußerer auf einen bestimmten Erwerber über, dagegen auf eine Fiktion hinaus, weil es hier in aller Regel nicht möglich ist, die einem Konto gutgeschriebenen Effekten einer bestimmten Quelle zuzuordnen. Im Schrifttum zeichnet sich denn auch bereits eine Gegenauffassung ab, die davon ausgeht, daß sich die Übertragung von Bucheffekten unter Beteiligung mehrerer Intermediäre aus einer ganzen Reihe von Verfügungen i. S. von Art.  24 BEG zusammensetzt407. Damit bleibt als Ergebnis festzuhalten: Auch bei Übertragungsvorgängen unter Beteiligung mehrerer Intermediäre geht das Bucheffektengesetz von einem direkten Übergang der Bucheffekten vom verfügenden Kontoinhaber auf den Erwerber aus. Allerdings arbeitet es insoweit mit einer Fiktion, die auch schon einem Teil des Schrifttums eingestanden worden ist. So hat Kuhn unlängst eingeräumt, daß das US-amerikanische Konzept des security entitlement, dem die Vorstellung eines derivativen Rechtserwerbs fremd ist, den Besonderheiten der mediatisierten Wertpapierverwahrung besser gerecht wird als Art.  24 BEG. Ein Abschied vom grundlegenden sachenrechtlichen Prinzip des derivativen Erwerbs wäre jedoch aus seiner Sicht ein zu radikaler Schnitt gewesen408.

405  Wiegand, in: Festschrift für Koziol, S.  1125, 1132; siehe auch dens., in: Festschrift für Canaris, 1105, 1119 f. 406  Ablehnend auch Beckmann, Reformbedarf, S.  200; Beeler, Bucheffekten, Rn.  370. 407  FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Prel. Cmts Arts. 24–26 FISA Rn.  10, der interessanterweise die Botschaft für seine eigene Auffassung in Anspruch nimmt; für einen Direkterwerb dagegen wohl Lanz, Aktientransfers, S.  189, 205. 408  Kuhn, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  288, 298. Siehe ferner BSK-Wertpapierrecht/Hünerwadel/Fischer, Art.  24 BEG Rn.  6 und 53.

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d)  Zulässigkeit vorgezogener Gutschriften? Da die „konstitutive Wirkung“ der Depotgutschrift von der Botschaft an mehreren Stellen betont wird, drängt sich schließlich noch die Frage auf, ob die auch von den schweizerischen Banken geübte Praxis des contractual settlement mit Art.  24 BEG zu vereinbaren ist. Wie bereits erwähnt, ist für diese Praxis charakteristisch, daß die für einen Kunden angeschafften Effekten von der Bank noch am Handelstag (T+0) vorbehaltlos in das Depot des Kunden eingebucht und in der Regel ab sofort im Depotauszug ausgewiesen werden, obwohl die Bank selbst erst am zweiten Arbeitstag nach Geschäftsabschluß (T+2) Deckung auf ihrem SIS-Konto erhält. Von einer konstitutiven Wirkung kann man hier nur in dem eingeschränkten Sinne sprechen, daß der Rechtserwerb nicht durch die Gutschrift als solche herbeigeführt wird, sondern zusätzlich von der Lieferung der Effekten an die Bank abhängt. Gleichwohl sprechen zwei Gründe für die Annahme, daß das Bucheffektengesetz die Praxis der vorgezogenen Depotgutschrift toleriert. Zum einen wurde bei der Schaffung des Gesetzes auf seine Kompatibilität mit den anerkannten Praktiken der Wertpapierverwahrung und -abwicklung geachtet. Kostspielige Eingriffe in die Abläufe und Systeme sollten so weit wie möglich vermieden werden. Zum anderen ergibt sich aus Art.  11 Abs.  3 lit.  c. BEG, daß das Gesetz auch „frei verfügbare Ansprüche auf Lieferung von Bucheffekten durch andere Verwahrungsstellen“ während der für die Abwicklung üblichen Frist als zur Deckung von Depotgutschriften geeignet anerkennt. Das kann als zumindest indirekter Hinweis auf die Zulässigkeit des contractual settlement verstanden werden409. Das Ziel der Rechtsklarheit und -sicherheit wird damit freilich vom Bucheffektengesetz teilweise aus den Augen verloren.

3.  Stornierung von Belastungen und Gutschriften a) Einführung Im Zusammenhang mit der Übertragung von Bucheffekten nach Art.  24 BEG können Fehler verschiedener Art auftreten. So kann es vorkommen, daß die Bucheffekten einem falschen Konto gutgeschrieben werden oder der „richtige“ Empfänger eine falsche Gattung oder Anzahl von Bucheffekten erhält. Mängel können auch in bezug auf die Weisung vorliegen, die den Buchungsvorgang ausgelöst hat. Schließlich kann auch das zugrundeliegende Kausalgeschäft fehlerhaft sein. In den Artikeln 27 und 28 BEG ist geregelt, in welchen Fällen Belastungen und Gutschriften storniert, d. h. durch eine entsprechende Gegenbuchung rückgängig gemacht werden können. Diese Vorschriften gehen auf die Artikel 23 und 24 des Vorentwurfs zurück, die in der 409  FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.  11 FISA Rn.  18; Steiner, Besicherung, S.  110 f.; wohl auch BSK-Wertpapierrecht/Lanz, Art.  11 BEG Rn.  5; a. A. Hanten, Bucheffektengesetz, S.  36 f.; siehe auch FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Art.  24 FISA Rn.  16, wonach die Erteilung einer bedingten Gutschrift per se nicht möglich ist.

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Vernehmlassung von verschiedenen Seiten kritisiert worden waren410. Einige Vernehmlassungsteilnehmer hatten geltend gemacht, das Verhältnis dieser Vorschriften untereinander sowie zu den allgemeinen Vorschriften über Willensmängel (Art.  23 ff. OR) sei nicht hinreichend klar. Zudem war eingewandt worden, sie berücksichtigten einseitig die Interessen der Verwahrungsstellen411. Mit Rücksicht auf diese Kritik wurden die Artikel 23 und 24 des Vorentwurfs von einer Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz der Schweizerischen Nationalbank noch einmal überprüft. Die Arbeitsgruppe kam zu dem Schluß, daß im Bucheffektengesetz auf besondere Stornierungsregeln nicht verzichtet werden könne, da die Anwendung der allgemeinen Vorschriften auf fehlerhafte Übertragungen von Bucheffekten wegen der speziellen Verhältnisse im Effektengiroverkehr mit großen Unsicherheiten verbunden wäre. Allerdings nahm die Arbeitsgruppe an den Regeln des Vorentwurfs diverse Änderungen vor, da diese aus ihrer Sicht nicht präzise genug formuliert waren und nicht in allen relevanten Fallgruppen zu angemessenen Ergebnissen geführt hätten. Der Forderung der Universität Lausanne, auch Mängel im zugrundeliegenden Kausalverhältnis in den Anwendungsbereich der Stornierungsregeln einzubeziehen, kam die Arbeitsgruppe nicht nach412 . Den Stornierungsregeln mißt das Bucheffektengesetz eine große Bedeutung zu. Das läßt sich daraus ersehen, daß es sie für grundsätzlich zwingend erklärt. Nur Kontoinhabern, die qualifizierte Anleger i. S. von Art.  5 lit.  d. BEG sind, steht die Möglichkeit offen, mit ihrer Verwahrungsstelle abweichende Vereinbarungen zu treffen (Art.  27 Abs.  5, 28 Abs.  5 BEG). b)  Stornierung von Belastungen In Art.  27 BEG ist die Stornierung einer Belastung von Bucheffekten in einem Effektenkonto geregelt. Zwar knüpft das Bucheffektengesetz Verfügungswirkungen ausschließlich an die Gutschrift im Effektenkonto des Erwerbers (Art.  24 Abs.  1 lit.  b., Abs.  2 BEG). Faktisch verliert ein Kontoinhaber jedoch bereits mit der Belastung seines Kontos die Möglichkeit, über die Bucheffekten zu verfügen. Deshalb hat er ein gewichtiges Interesse daran, daß eine fehlerhafte Belastung unverzüglich rückgängig gemacht wird413.

410  Für eine ausführliche Darstellung des Diskussionsverlaufs FISA & HSC Commentary/Kuhn, Prel. Cmts Arts. 27–28 FISA Rn.  11–19. 411  Schweizerische Nationalbank, Ergebnisse der Anhörung zum Entwurf eines Bucheffektengesetzes und zum Haager Wertpapierübereinkommen, Vermerk vom 8. April 2005 (unveröffentlicht). 412  Schweizerische Nationalbank, Stornierungs- und Gutglaubensvorschriften im Entwurf zu einem Bucheffektengesetz: Ergebnisse der Überprüfung, Aktennotiz vom 22. Juni 2005 (unveröffentlicht). 413  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9372.

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aa) Stornierungsgründe Art.  27 Abs.  1 BEG regelt, in welchen Fällen ein Kontoinhaber einen Anspruch auf Stornierung einer Belastung hat. Er unterscheidet drei Gruppen: (1)  Fehlen einer Weisung Gemäß Art.  27 Abs.  1 lit.  a. BEG ist eine Belastung zu stornieren, wenn sie ohne Weisung des Kontoinhabers erfolgt. In diese erste Gruppe fallen alle Fälle, in denen es an einer Weisung von vornherein fehlt oder in denen die Belastung nicht der Weisung entspricht. Eine durch einen Computerfehler oder manipulativen Eingriff ausgelöste Belastung gehört ebenso hierher wie die versehentliche Abbuchung einer falschen Bucheffektengattung, eine irrtümliche Doppelüberweisung oder die Abbuchung der Bucheffekten von einem falschen Konto414 . Wie sich aus Art.  27 Abs.  2 Satz  1 BEG ergibt, hat der Kontoinhaber das Fehlen einer Weisung nachzuweisen. An sich hätte es dieser Bestimmung nicht bedurft, da schon aus der allgemeinen Beweislastregel des Art.  8 ZGB folgt, daß in Ermangelung einer abweichenden gesetzlichen Regelung derjenige das Vorhandensein einer bestimmten Tatsache zu beweisen hat, der aus ihr Rechte ableitet. Der Gesetzgeber hielt gleichwohl eine ausdrückliche Klarstellung für geboten, um die Bedenken der Finanzindustrie zu zerstreuen, die Gerichte könnten die Beweislast vollständig auf die Verwahrungsstellen verlagern415. Gemäß Art.  27 Abs.  2 Satz  2 BEG besteht der Anspruch auf Stornierung nicht, wenn die Verwahrungsstelle nachweist, daß sie den Mangel der Weisung nicht kannte und trotz Anwendung von zumutbaren Maßnahmen und Verfahren nicht kennen mußte. Für die Fälle des Art.  27 Abs.  1 lit.  a. BEG hat diese an Art.  55 OR über die Haftung des Geschäftsherrn angelehnte Bestimmung416 allerdings keine große Bedeutung. Nimmt eine Verwahrungsstelle auf einem Effektenkonto eine Belastung vor, obwohl es an einer Weisung des Kontoinhabers vollständig fehlt, ist für den nach Art.  27 Abs.  2 Satz  2 BEG möglichen Entlastungsbeweis nämlich von vornherein kein Raum417. Das gilt erst recht für den Fall einer durch operative Mängel bedingten Belastung und eine Falsch- oder Doppelüberweisung. (2)  Mangelhafte Weisung Die zweite Gruppe betrifft Sachverhalte, in denen zwar eine Weisung des Kontoinhabers vorliegt, diese aber an einem gravierenden Mangel leidet. Nach Art.  27 Abs.  2 lit.  b. BEG ist eine Belastung zu stornieren, wenn die Weisung nichtig ist (Nr.  1), nicht vom Kontoinhaber bzw. seinem Vertreter stammt (Nr.  2), durch den Kontoinhaber rechtzeitig widerrufen wurde (Nr.  3) oder wegen Erklärungsirrtums, Übermittlungsfehlers, absichtlicher Täuschung oder begründeter Furcht angefochten wurde (Nr.  4). 414 

Für weitere Beispiele siehe FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  27 FISA Rn.  6 –12. FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  27 FISA Rn.  64. 416  Siehe zu dieser Parallele FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  27 FISA Rn.  66. 417  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  27 FISA Rn.  71. 415 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Auch in diesen Fällen hat der Kontoinhaber nachzuweisen, daß die Weisung mangelhaft war (Art.  27 Abs.  2 Satz  1 BEG). Bei einer Belastung aufgrund der Weisung eines unbefugten Dritten ist allerdings denkbar, daß die Verwahrungsstelle sich nach Art.  27 Abs.  2 Satz  2 BEG entlasten kann, indem sie beispielsweise nachweist, daß sie die fehlende Legitimation des Dritten trotz Anwendung des allgemein anerkannten Prüfungsverfahrens nicht erkennen konnte418. Auch im Fall einer nichtigen oder mit einem Willensmangel oder Übermittlungsfehler behafteten Weisung ist an einen Entlastungsbeweis zu denken. Im Fall des Widerrufs der Weisung durch den Kontoinhaber dürfte dagegen eher über die – vom Kontoinhaber zu beweisende – Rechtzeitigkeit des Widerrufs (vgl. Art.  15 Abs.  3 BEG) gestritten werden419. Kann die Verwahrungsstelle den Entlastungsnachweis führen, ist der Kontoinhaber auf einen Rückerstattungsanspruch gegen den Erwerber nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verwiesen, der freilich nur besteht, sofern nicht der Erwerber in gutem Glauben die Rechtszuständigkeit an den Bucheffekten erworben hat (Art.  29 Abs.  2 BEG). (3)  Fehler bei der Übertragung Nach Art.  27 Abs.  1 lit.  c. BEG ist eine Belastung auch dann zu stornieren, wenn die Gutschrift im Effektenkonto des Erwerbers der Weisung nicht entspricht oder nicht innerhalb der für die Ausführung üblichen Frist erfolgt. In diese dritte Gruppe fallen diejenigen Fälle, in denen zwar eine mangelfreie Weisung erteilt wurde, jedoch irgendwo in der Überweisungskette ein Fehler aufgetreten ist, z. B. weil die Bucheffekten einem falschen Konto gutgeschrieben wurden oder der Übertragungsvorgang wegen „Verzögerungen im Betriebsablauf“ nicht an dem für den betreffenden Markt maßgeblichen Abwicklungstag (an der Swiss Exchange: T+2) abgeschlossen werden konnte. Da der Kontoinhaber das Fehlschlagen der Übertragung nicht zu vertreten hat und seinem Vertragspartner weiterhin zur Lieferung verpflichtet ist, soll er einen Anspruch auf Stornierung der Belastung haben, sobald die übliche Lieferfrist abgelaufen ist420. Das gilt selbst dann, wenn auch die Verwahrungsstelle den Fehler nicht zu verantworten hat. Denn in der Regel ist nur sie in der Lage, die mit einer Transaktion verbundenen Abwicklungsrisiken abzuschätzen und sich dagegen (z. B. im Depotvertrag mit dem Zentralverwahrer) abzusichern421.

418  Das gilt freilich nicht, wenn es sich bei dem unbefugten Dritten um einen Mitarbeiter der Verwahrungsstelle handelt. Es ist dies ein Fall des Art.  27 Abs.  1 lit.  a. BEG, bei dem ein Entlastungsnachweis von vornherein ausscheiden dürfte. Siehe zur Abgrenzung FISA & HSC Commentary/ Kuhn, Art.  27 FISA Rn.  13. 419  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9374. 420  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9374. 421  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  27 FISA Rn.  49.

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bb)  Wirkung der Stornierung Gemäß Art.  27 Abs.  3 Satz  1 BEG bewirkt die Stornierung einer Belastung eine resti­ tutio in integrum: Der Kontoinhaber wird gestellt, als wenn die Belastung nie stattgefunden hätte422 . Was das buchungstechnisch bedeutet, ist klar: Die Belastung wird durch eine entsprechende Gutschrift ausgeglichen423. Die Wirkung einer Stornierung ist damit jedoch noch nicht hinreichend umschrieben, denn es fragt sich, ob und in welchen Fällen eine Stornierung auch die Rückgängigmachung einer materiellen Vermögensverschiebung hinsichtlich der Rechtsposition „Bucheffekte“ zur Folge haben kann. Hanten meint, bei konsequenter Anwendung des BEG-Verfügungskonzepts sei eine solche Rückgängigmachung in jedem Fall ausgeschlossen, da einer Belastungsbuchung keine Verfügungswirkung zukomme424 . Damit greift sie jedoch viel zu kurz. Natürlich führt eine fehlerhafte Belastung für sich genommen nicht zu einem Rechtsverlust. Doch in Fällen, in denen mit einer fehlerhaften Belastung eine (konstitutiv wirkende!) Gutschrift korrespondiert, ist es sehr wohl denkbar, daß ein Kontoinhaber erst durch die Stornierung, d. h. die Erteilung einer die Belastung ausgleichenden Gutschrift (!), jene materielle Rechtsposition zurückerlangt, die er infolge der (fehlerhaften) Übertragung der Bucheffekten zunächst an den Empfänger verloren hatte. Nehmen wir zum Beispiel425 einmal an, daß ein Depotkunde A mit Brief vom 1. März seine Bank anweist, 100 X-Aktien auf das Konto des Depotkunden B zu übertragen. Noch vor dem Zugang seines Briefes am 3. März sendet A der Bank ein Fax, in dem er seine Weisung widerruft. Aufgrund einer internen Kommunikationspanne führt die Bank die Weisung des A dennoch aus, indem sie die 100 X-Aktien auf das Konto des B umbucht. In diesem Fall hat A gemäß Art.  27 Abs.  1 lit.  b. Nr.  3 BEG gegen die Bank einen Anspruch auf Stornierung der Belastung. Die Bank hat also dem Konto des A die 100 X-Aktien wieder gutzuschreiben und darf anschließend die Gutschrift im Konto des B stornieren, ohne daß dieser sich auf den Gutglaubensschutz nach Art.  29 BEG berufen kann (Art.  28 Abs.  1 lit.  a. i. V. m. Art.  29 Abs.  5 BEG). Da die Stornierung der Belastung somit durch Vornahme einer entsprechenden Gegenbuchung vollzogen wird, steht Art.  27 BEG der Annahme, daß A erst durch die Stornierung das „Eigentum“ an den 100 X-Aktien zurückerlangt, das er infolge der versehentlichen Umbuchung zunächst an B verloren hatte, nicht von vornherein entgegen. Die Frage ist allerdings, wie Art.  24 Abs.  1 BEG sich zu dieser Annahme verhält. Wie bereits ausgeführt, umfaßt dieser „ordentliche“ Verfügungstatbestand zwei Elemente, die kumulativ erfüllt sein müssen: (1) die Weisung des Kontoinhabers an die 422  Etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Verwahrungsstelle nach den Vorschriften des Obligationenrechts bleiben von der Stornierung unberührt, Art.  27 Abs.  3 Satz  2 BEG. 423  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9374. 424  Hanten, Bucheffektengesetz, S.  110. 425  In Anlehnung an FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  27 FISA Rn.  38.

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Verwahrungsstelle, die Bucheffekten zu übertragen und (2) die Gutschrift der Buch­ effekten im Effektenkonto des Erwerbers. Es wird die Auffassung vertreten, daß im Beispielsfall die Voraussetzungen des Art.  24 Abs.  1 BEG wegen des rechtzeitigen Widerrufs der Weisung durch A gar nicht erfüllt sind. Danach hat also A über die 100 X-Aktien nicht wirksam zugunsten des B verfügt und durch die Umbuchung lediglich die faktische Verfügungsmöglichkeit, nicht aber das „Eigentum“ an den Aktien verloren426. Wäre Art.  24 Abs.  1 BEG wirklich so zu verstehen, hätte die Stornierung der Belastung im Konto des A lediglich – wie eine Grundbuchberichtigung nach §  894 BGB – den Zweck, den Inhalt des Kontos wieder in Einklang mit der wirklichen Rechtslage bringen. Die Rückgängigmachung einer materiellen Vermögensverschiebung hinsichtlich der Rechtsposition „Bucheffekte“ hätte sie jedoch nicht zur Folge. Diese Auffassung schützt zwar das berechtigte Interesse eines Bucheffekteninhabers, seine Rechtsposition nur aufgrund einer fehlerfreien Verfügung zu verlieren. Doch muß sie den Nachteil in Kauf nehmen, daß es zu einem zumindest vorübergehenden Auseinanderfallen von Buchlage und materieller Rechtslage kommen kann427. Das widerspricht dem in Art.  24 Abs.  2 BEG zum Ausdruck kommenden Zweck des Bucheffektengesetzes, durch das Abstellen auf einen einzigen konstitutiven (!) Akt – die Gutschrift im Konto des Erwerbers – Rechtssicherheit zu gewährlei­ sten. Wer die Auffassung vertritt, im Beispielsfall habe mangels Weisung des A eine wirksame Verfügung nicht stattgefunden, gerät außerdem in Erklärungsnöte, wenn B in der Zwischenzeit – vor der Stornierung der Belastung im Konto des A – nach Art.  24 Abs.  1 BEG zugunsten eines redlichen Dritten (C) über die Aktien weiterverfügt. Konsequenterweise müßte in diesem Fall von der Verfügung eines Nichtberechtigten ausgegangen werden. Aber wem stehen jetzt die Aktien zu, A oder C? Hat A seine Rechtsposition nachträglich gemäß Art.  29 Abs.  1 lit.  a. BEG an C verloren mit der Folge, daß sein Anspruch auf Stornierung der Belastung erloschen ist? Das wäre ein merkwürdiges Ergebnis, das in Art.  27 BEG keine Stütze findet. Oder muß in diesem Fall dem C der Schutz des redlichen Erwerbers verwehrt werden? Auch das wäre ein merkwürdiges Ergebnis, das dem Zweck des Art.  29 BEG widerspräche. Und wie liegt es, wenn B über die Aktien zugunsten des C weiterverfügt, nachdem die Belastung im Konto des A storniert wurde? Richtigerweise ist der Beispielsfall wie folgt zu beurteilen: Trotz des rechtzeitigen Widerrufs der Weisung durch A hat B mit der Gutschrift das „Eigentum“ an den 100 X-Aktien erworben. Wie bei einer fehlerfreien Übertragung hat also die Gutschrift im Konto des B konstitutive Wirkung428. Wird die Belastung im Konto des A storniert, fällt das „Eigentum“ an den Aktien an ihn zurück. Durch die Stornierung wird A gestellt, als wenn die Belastung nie stattgefunden hätte. Schadensersatzansprüche gegen die Bank nach den Vorschriften des Obligationenrechts bleiben unberührt 426 

Hanten, Bucheffektengesetz, S.  114. Das betont auch Beeler, Bucheffekten, Rn.  493. 428 So auch FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.   28 FISA Rn.  14; übereinstimmend Beeler, Buch­effekten, Rn.   501/502. 427 

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(Art.  27 Abs.  3 BEG). Infolge der Stornierung der Belastung erwirbt die Bank das Recht, die Gutschrift im Konto des B zu stornieren (Art.  28 Abs.  1 lit.  a BEG). Verfügt B in der Zwischenzeit über die Aktien zugunsten eines Dritten (C), so tut er dies als Berechtigter. C erwirbt die Aktien also nach Art.  24 Abs.  1 BEG, ohne auf den Schutz durch Art.  29 BEG angewiesen zu sein. Enthält das Konto des B nach der Verfügung keine Bucheffekten der betreffenden Gattung mehr, ist eine Stornierung der Gutschrift ausgeschlossen (Art.  28 Abs.  3 Satz  1 Alt.  1 BEG). Wenn aber die Bucheffekten nunmehr C gehören, welche Folgen hat das für den Anspruch des A auf Stornierung der Belastung in seinem Konto? Wie bereits erwähnt, wird man kaum die Auffassung vertreten können, daß dieser Anspruch mit der Weiterübertragung der Aktien durch B erlischt. Man wird auch nicht behaupten können, daß das Eigentum an den Buch­ effekten im Moment der Stornierung von C an A zurückfällt. Um A so zu stellen, als wenn die Belastung nie stattgefunden hätte, muß man vielmehr zu der Annahme greifen, daß A mit der Stornierung originär eine Rechtsposition „Bucheffekte“ erwirbt. Die Bank hat gemäß Art.  11 Abs.  2 BEG die Pflicht, den durch die Stornierung bei ihr auftretenden Unterbestand unverzüglich durch den Erwerb einer entsprechenden Anzahl an Bucheffekten auszugleichen429. In der Sache ist diese Pflicht – und die daneben bestehende Pflicht zum Ausgleich eines etwaigen Schadens – vollauf gerechtfertigt, weil der entscheidende Fehler, die Ausführung des Übertragungsauftrags trotz rechtzeitigen Widerrufs, ja von dieser Bank begangen wurde. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß Fehler im Übertragungsvorgang letztlich immer zu Lasten der Verwahrungsstelle des verfügenden Kontoinhabers gehen. Denn grundsätzlich steht einer Verwahrungsstelle, die nach Art.  27 Abs.  1 lit.  c. BEG zur Stornierung einer Belastung verpflichtet ist, ein entsprechender Anspruch gegen die übergeordnete Verwahrungsstelle zu usw., so daß das Risiko eines Übertragungsfehlers letztlich von jener Verwahrungsstelle zu tragen ist, die den Fehler zu vertreten hat. In der Praxis wird sich dieses Ergebnis freilich nicht immer erreichen lassen, etwa dann nicht, wenn eine übergeordnete Verwahrungsstelle von der Möglichkeit des Art.  27 Abs.  5 BEG Gebrauch gemacht und den Stornierungsanspruch ihrer Kunden vertraglich abbedungen hat430. c)  Stornierung von Gutschriften Die Stornierung von Gutschriften ist in Art.  28 BEG geregelt. Die Notwendigkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage wird im allgemeinen mit der Erwägung gerechtfertigt, daß der Gutschrift in einem Effektenkonto konstitutive Wirkung zukommt, eine Stornierung somit den Entzug einer Eigentumsposition bewirkt431. Diese einschneidende Rechtsfolge ist auch einer der Gründe dafür, weshalb die Verwah429 

Insoweit auch Hanten, Bucheffektengesetz, S.  115. FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  27 FISA Rn.  50. 431  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9375; FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  1. 430 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

rungsstelle nach Art.  28 Abs.  2 BEG verpflichtet ist, dem Kontoinhaber die Stornierung mitzuteilen. aa) Stornierungsgründe Art.  28 Abs.  1 BEG sieht zwei Fälle vor, in denen eine Verwahrungsstelle eine von ihr erteilte Gutschrift stornieren kann. Anders als in Art.  27 BEG ist hier also von einer Befugnis, nicht von einer Verpflichtung der Verwahrungsstelle die Rede. (1)  Stornierung der Belastung Gemäß Art.  28 Abs.  1 lit.  a. BEG kann die Verwahrungsstelle eine Gutschrift stornieren, wenn die entsprechende Belastung storniert worden ist. Dieser erste Stornierungsgrund bildet das notwendige Gegenstück zu Art.  27 Abs.  1 BEG. Hat eine Verwahrungsstelle eine Belastung rückgängig zu machen, muß ihr konsequenterweise auch die Stornierung der korrespondierenden Gutschrift erlaubt sein. Einwandfrei funktionieren kann Art.  28 Abs.  1 lit.  a. BEG allerdings nur, wenn der Veräußerer und der Erwerber ihre Konten bei derselben Verwahrungsstelle unterhalten. In solchen Fällen kann die Verwahrungsstelle von ihrem Stornierungsrecht einfach dadurch Gebrauch machen, daß sie genau in dem Moment, in dem sie die Belastung im Konto des Veräußerers ausgleicht, auch die Gutschrift im Konto des Erwerbers rückgängig macht432 . Verwickelter ist die Lage, wenn mehrere Intermediäre in den Übertragungsvorgang eingeschaltet sind. Das zeigt das folgende Beispiel433: „AH-1 has a securities account with C-1; AH-2 and AH-3 have securities accounts with C-2. Both C-1 and C-2 use C-3 as a sub-custodian. AH-1 instructs C-1 to transfer 1,000 Lucky Star AG shares to AH-2’s securities account with C-2. AH-1’s securities account is debited on 16 November, but due to an internal error C-1 names AH-3 (not AH-2) as the beneficiary. AH-3’s securities account is credited accordingly. When the error is discovered, AH-1 requests a reversal of the debit made to his securities account pursuant to Art.  27(1)(c) FISA.“

Da C-1 nicht das Konto des AH-3 führt, ist er selbst nicht zur Stornierung der Gutschrift auf diesem Konto in der Lage. In der Regel wird C-1 auch keinen durchsetzbaren Anspruch auf Stornierung dieser Gutschrift haben, weder gegen C-2 noch gegen C-3. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob C-2 wenn nicht die Pflicht, so doch wenigstens gemäß Art.  28 Abs.  1 lit.  a. BEG das Recht hat, die Gutschrift auf dem Konto des AH-3 von sich aus zu stornieren und so die Rückbuchung der Aktien an AH-1 in Gang zu setzen. Kuhn bejaht das mit der Begründung, für die Tatbestandsvoraussetzung „Stornierung der entsprechenden Belastung“ komme es nicht darauf an, auf welcher Stufe der Verwahrpyramide diese Stornierung vorgenommen wird434 . Allerdings weist er auch darauf hin, daß bei Transaktionen über ein Wertpapierab­ wicklungssystem eine solche Rückbuchung in der Regel unmöglich sein wird, weil 432 

In gleichem Sinne FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  4/5. Siehe FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  7. 434  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  8. 433 

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solche Systeme die Möglichkeit der Stornierung von Belastungen und Gutschriften zum Schutz der Systemstabilität auszuschließen pflegen (vgl. Art.  27 Abs.  5 und 28 Abs.  5 BEG)435. (2)  Fehlende Entsprechung zwischen Gutschrift und Weisung Nach Art.  28 Abs.  1 lit.  b. BEG ist eine Stornierung auch dann zulässig, wenn die Gutschrift nicht der Weisung entspricht. Dieser Tatbestand hat den Fall vor Augen, daß der verfügende Kontoinhaber eine wirksame Weisung erteilt, diese Weisung aber nicht ordnungsgemäß ausgeführt wird, z. B. weil die Verwahrungsstelle die Weisung falsch versteht und die Bucheffekten deshalb einem falschen Konto gutschreibt. In derartigen Fällen verdient der Begünstigte keinen Schutz, da für ihn offensichtlich ist, daß er auf die Bucheffekten keinen Anspruch hat436. Art.  28 Abs.  1 lit.  b. BEG bezieht sich auf die Weisung an diejenige Verwahrungsstelle, welche die zu stornierende Gutschrift erteilt hat. Was das bei Übertragungsvorgängen unter Einschaltung mehrerer Intermediäre bedeutet, zeigt sich, wenn man den obigen Beispielsfall leicht abwandelt437: „When executing the transfer, C-3 misreads C-1’s instruction, debits 10,000 Lucky Stare shares to C-1’s securities account, and makes a corresponding credit to C-2’s securities account. Finally, C-2 credits 10,000 shares to AH-2’s securities account.“

In diesem Fall stimmt die Gutschrift im Konto des AH-2 vollständig mit der von C-2 erhaltenen Weisung überein. Eine Stornierung auf der Grundlage von Art.  28 Abs.  1 lit.  b. BEG kommt daher nicht in Betracht438. Zu einem anderen Ergebnis kann nur kommen, wer davon ausgeht, daß es auch bei der Übertragung von Bucheffekten unter Beteiligung mehrerer Intermediäre lediglich der Weisung des verfügenden Kontoinhabers bedarf, die dann durch die Kette bis zur letzten Buchungsstelle „weiterzuleiten“ ist439. Maßgebliche Weisung wäre dann nämlich nicht die Weisung von C-3 an C-2, sondern die Weisung von AH-1 an seine Verwahrungsstelle C-1, die sich in der Tat nicht in der Gutschrift auf dem Konto von AH-2 widerspiegelt. Wie bereits ausgeführt, dürfte Art.  24 Abs.  1 BEG jedoch eher so zu verstehen sein, daß im Effektengiroverkehr grundsätzlich auf jeder einzelnen Stufe der Verwahrpyramide Weisungen abgegeben werden müssen. Zu denken ist allerdings eine Verpflichtung von C-3, die Belastung im Konto von C-1 zu stornieren (Art.  27 Abs.  1 lit.  c. BEG440). Im Anschluß daran könnte C-3 nach Art.  28 Abs.  1 lit.  a. BEG die Gutschrift im Konto von C-2 stornieren. Um die Rückabwicklung zu komplettieren, müßte man dann allerdings 435 

FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  9. FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  10. 437  Siehe FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  12. 438  Zweifelnd auch FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  13. 439  Siehe denn auch Hanten, Bucheffektengesetz, S.  121. 440  Anders FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  13, der auf Art.  27 Abs.  1 lit.  b. Nr.  4 BEG zurückgreifen will. Da die Weisung von C-1 an C-3 fehlerfrei war, ist für diesen Stornierungsgrund allerdings kein Raum. 436 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

auch C-2 das Recht zur Stornierung der Gutschrift im Konto von AH-2 zugestehen. Dieses Recht läßt sich aus Art.  28 Abs.  1 BEG allerdings nicht unmittelbar ableiten. bb)  Wirkung der Stornierung Welche Wirkung die Stornierung einer Gutschrift hat, ist im Bucheffektengesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, welche Wirkung man einer stornierbaren Gutschrift beimißt. Denkbar wäre zum einen, daß eine stornierbare Gutschrift keine rechtliche Wirkung hat. Dann hätte die Stornierung lediglich den Zweck, die „Buchlage“ wieder in Übereinstimmung mit der Rechtslage zu bringen. Denkbar wäre aber auch, daß eine stornierbare Gutschrift die gleiche rechtliche Wirkung wie eine fehlerfreie Gutschrift hat, also dem Kontoinhaber das Eigentum an den Bucheffekten verschafft. In diesem Fall wäre zu klären, ob durch die Stornierung der Kontoinhaber so gestellt wird, als wenn die Übertragung niemals stattgefunden hätte, oder ob dem Kontoinhaber durch die Stornierung die Rechtsposition „Bucheffekte“ mit Wirkung ex nunc entzogen wird. Die Ausführungen zur Stornierung einer Belastung haben bereits erkennen lassen, daß diese letztgenannte Variante dem Zweck und der Systematik des Bucheffektengesetzes am ehe­ sten gerecht wird441. Es legt einer stornierbaren Gutschrift die gleiche Wirkung wie einer fehlerfreien bei, sieht aber in Art.  28 BEG die Möglichkeit vor, dem Begünstigten seine Rechtsposition ex nunc zu entziehen. Verfügt der Begünstigte in der Zwischenzeit über die Bucheffekten, tut er dies als Berechtigter. Diese Auffassung kann sich neben dem Zweck des Bucheffektengesetzes, Rechtssicherheit zu gewährleisten, auch auf Art.  28 Abs.  3 Satz  1 Alt.  2 BEG berufen. Diese Bestimmung, von der sogleich noch näher die Rede sein wird, will Dritte, die gutgläubig Rechte an den betreffenden Bucheffekten erworben haben, davor schützen, daß ihnen der Gegenstand ihres Sicherungsrechts im nachhinein entzogen wird. Sie ergäbe keinen Sinn, wenn eine stornierbare Gutschrift nicht die gleiche Wirkung wie eine fehlerfreie hätte. cc)  Ausschluß der Stornierung Trotz Vorliegens eines Stornierungsgrundes ist die Stornierung einer Gutschrift ausgeschlossen, wenn das Konto keine Bucheffekten dieser Gattung mehr enthält (Art.  28 Abs.  3 Satz  1 1. Alt. BEG). Dieser Ausschlußgrund versteht sich von selbst, denn eine Stornierung ist nur hinsichtlich solcher Bucheffekten möglich, die sich noch auf dem Konto befinden und nicht zwischenzeitlich nach Art.  24 BEG weiterübertragen wurden. Deshalb ist es für Art.  28 Abs.  3 Satz  1 1. Alt. BEG auch ohne Belang, ob der Kontoinhaber bei der Weiterübertragung gut- oder bösgläubig war442 . Eine Stornie441  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  16; Beckmann, Reformbedarf, S.  209 ff.; Beeler, Bucheffekten, Rn.  592. 442 FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.   28 FISA Rn.  25. Die Gut- oder Bösgläubigkeit des Kontoinhabers spielt allerdings im Rahmen des Art.  28 Abs.  3 Satz  2 BEG eine Rolle; dazu sogleich im Text.

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rung kommt ebenfalls nicht in Frage, wenn Dritte an den Bucheffekten gutgläubig Rechte erworben haben, beispielsweise durch Bestellung einer Sicherheit nach Art.  25 BEG (Art.  28 Abs.  3 Satz  1 2. Alt. BEG). Sicherungsnehmer, die im Zeitpunkt der Begründung des Sicherungsrechts nicht wußten oder hätten wissen müssen, daß die Gutschrift der Bucheffekten im Konto des Sicherungsgebers einen zur Stornierung berechtigenden Defekt aufweist, sollen auf diese Weise davor geschützt werden, daß ihnen der Gegenstand ihres Sicherungsrechts nachträglich entzogen wird443. Ist die Stornierung einer Gutschrift aus einem der in Art.  28 Abs.  3 Satz  1 BEG genannten Gründe ausgeschlossen, steht der Verwahrungsstelle ein Anspruch auf Ersatz zu, es sei denn, der Kontoinhaber war bei der Entäußerung der Bucheffekten in gutem Glauben oder mußte mit der Rückerstattung nicht rechnen (Art.  28 Abs.  3 Satz  2 BEG). Hinter dieser Regelung steht der Gedanke, daß ein Kontoinhaber einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt, wenn er Bucheffekten, die an sich der Stornierung unterliegen, weiterveräußert oder als Sicherheiten verwendet mit der Folge, daß eine Stornierung nicht mehr in Betracht kommt. Folgerichtig versteht das Bucheffektengesetz den Ersatzanspruch aus Art.  28 Abs.  3 Satz  2 als spezialgesetzliche Ausprägung eines Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung.

4.  Gutgläubiger Erwerb Im Schrifttum zum alten Recht hat es nicht an Stimmen gefehlt, die für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten im Effektengiroverkehr kein dringendes Bedürfnis gesehen und darauf hingewiesen haben, daß der gute Glaube des Investors ohnehin nicht in erster Linie an den einzelnen Verkehrsvorgang anknüpfe, sondern an das Vertrauen, das er in seine Bank und die Funktionsfähigkeit des Bankwesens insgesamt setze444 . Das Bucheffektengesetz hat sich diese Sicht nicht zu eigen gemacht und hält an der Überzeugung fest, daß die berechtigten Erwartungen des Verkehrs in bezug auf die Rechtszuständigkeit geschützt werden müssen. Die mediatisierte Wertpapierverwahrung biete zwar in hohem Maße Schutz vor dem Diebstahl von Wertpapieren. Doch sei nicht ausgeschlossen, daß eine Verwahrungsstelle oder einer ihrer Mitarbeiter ohne Ermächtigung des Kontoinhabers über Bucheffekten verfügt. Ferner ließen sich bei der Übertragung von mediatisiert gehaltenen Wertpapieren Fehler und Irrtümer nie vollständig vermeiden, so daß der Fehler auch innerhalb der Überweisungskette liegen könne. Aus diesen Gründen komme auch eine gesetzliche Ordnung der mediatisierten Wertpapierverwahrung nicht um eine Regelung zum Schutz des gutgläubigen Erwerbs herum445. Diese Regelung findet sich in Art.  29 BEG. 443 

FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  26. So (mit unterschiedlicher Akzentuierung) Kleiner, SZW 1995, 290, 293; Zobl/Kramer, SZW 1991, 117, 134. 445  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9376. 444 

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a) Voraussetzungen aa)  Fehlende Verfügungsbefugnis des Veräußerers Nach Art.  29 Abs.  1 lit.  a. BEG ist, wer nach Art.  24, 25 oder 26 BEG Bucheffekten oder Rechte an Bucheffekten in gutem Glauben entgeltlich erwirbt, in seinem Erwerb geschützt, auch wenn der Veräußerer zur Verfügung über die Bucheffekten nicht befugt war. Schon an dieser ersten Tatbestandsvariante läßt sich deutlich erkennen, daß Art.  29 BEG den sachenrechtlichen Bestimmungen über den gutgläubigen Erwerb (Art.  933, 973 ZGB) nachgebildet ist, sich von diesen allerdings in den dogmatischen Grundlagen wie auch in einer Reihe von Einzelheiten unterscheidet446. Wie bei den sachenrechtlichen Bestimmungen ist Bezugspunkt des guten Glaubens die Verfügungsbefugnis des Veräußerers; der gute Glaube an die Urteils- oder Handlungsfähigkeit des Veräußerers wird nicht geschützt. Nach dem Wortlaut des Art.  29 Abs.  1 BEG greift diese Regelung allerdings nur bei entgeltlichen Erwerbsvorgängen ein. Die Botschaft begründet diese Besonderheit mit der Erwägung, daß beim unentgeltlichen Erwerb von Bucheffekten Interessen des Rechtsverkehrs nicht berührt sind447. Der Begriff „entgeltlich“ ist in Übereinstimmung mit Art.  18 Abs.  3 GWpÜ weit auszulegen. Er umfaßt jeden Erwerbsvorgang, der nicht schenkungsweise erfolgt, also z. B. auch die Bestellung einer Sicherheit an Bucheffekten ohne unmittelbare Gegenleistung448. Auch im Rahmen von Art.  29 BEG gilt die allgemeine Vorschrift des Art.  3 Abs.  1 ZGB, d. h. das Vorhandensein des guten Glaubens wird vermutet. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Erwerbs, bei der Übertragung von Bucheffekten nach Art.  24 BEG also der Abschluß der Gutschrift im Effektenkonto des Erwerbers. Die Berufung auf den guten Glauben ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden durfte, nicht gutgläubig sein konnte (Art.  3 Abs.  2 ZGB). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts trifft den Erwerber keine allgemeine Erkundigungspflicht hinsichtlich der Verfügungsmacht des Veräußerers. Nur wenn konkrete Verdachtsgründe bestehen, müssen die näheren Umstände abgeklärt werden449. Vorweg höhere Anforderungen gelten nur in Geschäftszweigen, „die dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteter Sachen in besonderem Masse ausgesetzt sind“450. Der Wertpapierhandel gehört nicht zu diesen Geschäftszweigen. Gegen eine allgemeine 446 

Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  83. zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9377; kritisch zu dieser Einschränkung FISA & HSC Commentary/ Foëx, Art.  29 FISA Rn.  24. 448  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9377; Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  85; zu den Einzelheiten FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  29 FISA Rn.  24–29. 449  BGE 122 III 1, 3 m. w. N. 450  BGE 113 II 397, 399 f. (Erkundigungspflicht eines Händlers von Occasionsautomobilen der Luxusklasse). 447  Botschaft

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Erkundigungspflicht des Erwerbers spricht hier schon die weitgehende Anonymität der Geschäftsvorgänge, ferner die großen Handelsvolumina sowie die Geschwindigkeit der Abwicklung451. Die Botschaft verweist überdies auf den Umstand, daß die Organisation des Effektengiroverkehrs eine Verfügung durch Unberechtigte in der Regel ausschließt452 . Auch bei Geschäften, bei denen sich der Verfügende und der Erwerber kennen – d. h. im außerbörslichen Handel und bei der Bestellung von Sicherheiten – ginge eine allgemeine Erkundigungspflicht zu weit. Gerade bei solchen Geschäften lassen sich freilich Fälle denken, in denen aufgrund konkreter Verdachtsmomente Nachforschungen seitens des Erwerbers geboten sind453. Im Schrifttum ist umstritten, ob Art.  29 BEG noch als Rechtsscheintatbestand aufgefaßt und insofern in eine Reihe mit den Gutglaubensregeln des Sachenrechts gestellt werden kann. Nach einer Auffassung wird die Bucheffekte vom Nichtberechtigten mangels Publizität nicht kraft Vertrauens auf einen Rechtsschein, sondern kraft Systemvertrauens erworben. Der Anleger vertraue auf die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der von den Verwahrungsstellen vorgenommenen Buchungen454 . Die Gegenansicht verweist darauf, daß in Gestalt der Gutschrift sehr wohl ein für den Erwerber sichtbarer Anknüpfungspunkt für den guten Glauben gegeben sei. Grundlage des Gutglaubensschutzes im Effektengiroverkehr sei die Gutschrift als positives Element und die fehlende Kenntnis des Erwerbers von Mängeln des Verfügungsvorgangs als negatives Element455. Praktische Bedeutung kommt diesem Meinungsstreit nicht zu; sind die Voraussetzungen des Art.  29 BEG erfüllt, muß unabhängig von der Einordnung als Rechtsscheintatbestand ein gutgläubiger Erwerb möglich sein456. bb)  Stornierung der Gutschrift im Effektenkonto des Veräußerers Nach Art.  29 Abs.  1 lit.  b. BEG ist, wer nach Art.  24, 25 oder 26 BEG Bucheffekten oder Rechte an Bucheffekten in gutem Glauben entgeltlich erwirbt, in seinem Erwerb auch dann geschützt, wenn die Gutschrift von Bucheffekten im Effektenkonto des Veräußerers storniert worden ist. Diese auf den ersten Blick nur schwer verständliche zweite Tatbestandsvariante greift den Fall auf, daß ein Kontoinhaber, dem von seiner 451 

Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  86. zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9377. Siehe auch FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  29 FISA Rn.  35, der diese Sicht nicht zu Unrecht für „optimistisch“ hält. 453  FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  29 FISA Rn.  36. 454  Zellweger-Gutknecht, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2008, S.  87, 97; ebenso FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  29 FISA Rn.  35; Beeler, Bucheffekten, Rn.  690; Zbinden, Pfandrecht an Aktien, S.  72 f.; Lanz, Aktientransfers, S.  189, 221; wohl anders Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  83 und von der Crone/Bilek, SZW 2008, 193, 206, welche die Depotgutschrift als vertrauensbegründenden Tatbestand ansehen. 455  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §   26 Rn.  83; siehe ferner Martini, Wertpapierverpfändung, Rn.  237; von der Crone/Bilek, SZW 2008, 193, 206 und Steiner, Besicherung, S.  41 f., der meint, das Funktionieren des Systems komme nur sekundär als Rechtsscheinbasis zum Zug. 456  Sabine Mock, Bucheffekte, Rn.  183. 452  Botschaft

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Verwahrungsstelle eine nach Art.  28 Abs.  1 BEG stornierbare Gutschrift erteilt wurde, vor der Stornierung über die Bucheffekten zugunsten eines Dritten weiterverfügt457. Sie will verhindern, daß der Mangel, der die Verwahrungsstelle zur Stornierung der Gutschrift berechtigt, auf die nachfolgende Verfügung durchschlägt, und entspricht insofern Art.  18 Abs.  2 GWpÜ. Zwar ist einem Kontoinhaber, der sich nach Art.  28 Abs.  1 BEG die Stornierung der Gutschrift in seinem Konto gefallen lassen muß, weil die entsprechende Belastung storniert worden ist oder die Gutschrift nicht der Weisung entspricht, die Berufung auf den guten Glauben verwehrt (Art.  29 Abs.  5 BEG). Anders liegt es jedoch bei einer Partei, zu deren Gunsten dieser Kontoinhaber weiterverfügt. Sie hat mit dem vorherigen fehlerhaften Übertragungsvorgang nichts zu tun und wird daher unter den Schutz des Art.  29 BEG gestellt458. Daß nur „Dritte“ sich auf den Erwerb kraft guten Glaubens berufen können, ergibt sich auch aus der systematischen Stellung von Art.  29 im 3. Abschnitt des Bucheffektengesetzes, der die Überschrift „Wirkung gegenüber Dritten“ trägt459. Da es in der Regel keinen Tatbestand gibt, der einem dritten Erwerber von (Rechten an) Bucheffekten den Rechtsschein vermitteln könnte, die Gutschrift auf dem Konto des Vorerwerbers würde nicht storniert werden, geht es auch hier um den Schutz des abstrakten Vertrauens in die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Buchungsvorgänge460. Auch wenn die ratio des Art.  29 Abs.  1 lit.  b. BEG auf Anhieb einleuchtet, gibt das Verhältnis dieser Tatbestandsvariante zur Stornierungsvorschrift des Art.  28 BEG Rätsel auf. Nehmen wir zum Beispiel einmal an, daß ein Kontoinhaber, dem eine i. S. von Art.  28 Abs.  1 BEG fehlerhafte Gutschrift erteilt wurde, die Bucheffekten unmittelbar danach gemäß Art.  24 BEG auf einen Dritten weiterüberträgt. Enthält das Konto nach der Weiterübertragung keine Bucheffekten der betreffenden Gattung mehr, stellt sich das von Art.  29 Abs.  1 lit.  b. BEG geregelte Problem überhaupt nicht, weil in diesem Fall gemäß Art.  28 Abs.  3 1. Alt. BEG eine Stornierung der Gutschrift im Konto des Verfügenden ausgeschlossen ist. Praktische Bedeutung kann Art.  29 Abs.  1 lit.  b. BEG daher nur in Fällen erlangen, in denen das Konto auch nach der Weiterverfügung noch Bucheffekten der betreffenden Gattung ausweist. Davon abgesehen bedarf der Zweiterwerber des Schutzes durch diese Vorschrift nur unter der Prämisse, daß ein Kontoinhaber, dem eine stornierbare Gutschrift erteilt wurde, bei der Weiterübertragung der Bucheffekten als Nichtberechtigter verfügt. Ansonsten würde sich das Problem des Gutglaubensschutzes ja von vornherein nicht stellen. Ob diese Prämisse zutrifft, ist aber zweifelhaft. Gleiches gilt für die Annahme Hantens, Art.  29 Abs.  1 lit.  b. BEG sei ein Unterfall von lit.  a. BEG und habe lediglich die Funk457 

FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  29 FISA Rn.  22. So der Sache nach auch die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapier­ übereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9379, in der es allerdings mißverständlich heißt, daß Kontoinhaber, „die in einer Übertragungskette unmittelbar aufeinander folgen“, sich auf den Schutz des guten Glaubens nicht berufen könnten. 459  Kuhn, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  29, 57 f. 460  FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  29 FISA Rn.  39. 458 

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tion klarzustellen, daß der Gutglaubensschutz auch Fälle umfaßt, in denen der verfügende Kontoinhaber zum Zeitpunkt der Abgabe der Weisung Berechtigter war und die Berechtigung erst rückwirkend entfallen ist461. Denn nach richtiger Auffassung wirkt die Stornierung einer Gutschrift nur ex nunc, nicht ex tunc. b) Rechtsfolgen Der gutgläubige Erwerb nach Art.  29 BEG führt zu einem Rechtsverlust des bisher Rechtszuständigen. Dieser hat gegen den Erwerber keinen Rückabwicklungs- oder Ausgleichsanspruch. Sind die Voraussetzungen des Art.  27 BEG erfüllt, kann der bisher Rechtszuständige jedoch gegen seiner Verwahrungstelle einen Anspruch auf Stornierung der Belastung geltend machen462 . Sind die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes nach Art.  29 Abs.  1 BEG nicht erfüllt, so ist der Erwerber nach den Vorschriften des Obligationenrechts über die ungerechtfertigte Bereicherung Art.  62 ff. OR zur Rückerstattung von Bucheffekten derselben Zahl und Gattung verpflichtet (Art.  29 Abs.  2 Satz  1 BEG). Der Kontoinhaber „ist mit anderen Worten so zu stellen, wie wenn die mit einem Mangel behaftete Verfügung nicht stattgefunden hätte (restitutio in integrum)“463. Diese Rechtsfolge ist auf Fälle zugeschnitten, in denen über Bucheffekten nach Art.  24 BEG, d. h. durch Umbuchung auf das Konto des Erwerbers verfügt wird. Aus ihr ergibt sich, daß eine Vindikation der Bucheffekten nach Art.  641 Abs.  2 ZGB oder eine Restituierung nach den Regeln über den Besitzesschutz (Art.  927, 933 ff. i. V. m. Art.  938–946 ZGB) ausgeschlossen ist. Der Ausschluß der Vindikation sollte allerdings nicht zu dem Mißverständnis verleiten, daß ein bösgläubiger Erwerber trotz Fehlens der Voraussetzungen des Art.  29 Abs.  1 BEG die volle Rechtszuständigkeit an den Bucheffekten erwirbt, die er dann nach schuldrechtlichen Grundsätzen auf den ursprünglichen Inhaber zurückzuübertragen hat464 . Den Verweis auf das Kondiktionsrecht begründet die Botschaft vielmehr mit der Erwägung, daß nach schweizerischem Verständnis nur körperliche Sachen sowie die Naturkräfte, die der rechtlichen Herrschaft unterworfen werden können (Art.  713 ZGB), Gegenstand des Eigentums und damit der Vindikation sein können. Zudem wollte der Gesetzgeber die Rückabwicklung fehlgeschlagener Erwerbsvorgänge vergleichsweise differenzierten Regeln unterstellen, „welche geeignet sind, zu angemessenen Ergebnissen zu führen“465. Eine restitutio in integrum kommt nur in Betracht, sofern dem Konto des Erwerbers noch Bucheffekten der be461 

Hanten, Bucheffektengesetz, S.  157. zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9376; Daeniker/Leisinger, in: Zobl/Hess/Schott (Hrsg.), BEG-Kommentar, Art.  29 BEG Rn.  50. 463  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9378. 464 FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.   29 FISA Rn.  60; wohl anders Beeler, Bucheffekten, Rn.  694. 465  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9378. 462  Botschaft

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treffenden Gattung gutgeschrieben sind. Hat der Erwerber über die Buch­effekten bereits weiterverfügt, richtet sich der Anspruch auf die erhaltene Gegenleistung. Einem Erwerber, der Bucheffekten in Unkenntnis des Rückerstattungsanspruchs veräußert, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten, soll die Entreicherungseinrede (Art.  64 OR) offenstehen466. Eine Rückabwicklung nach schuldrechtlichen Regeln hat an sich den gravierenden Nachteil, daß dem Bereicherungsgläubiger im Konkurs des Bereicherungsschuldners nur eine Forderung dritter Klasse (Art.  219 SchKG) verbleibt. Das wäre aber mit der in Art.  3 Abs.  2 BEG festgelegten dinglichen Natur der Bucheffekten nicht zu vereinbaren. Art.  29 Abs.  3 BEG räumt daher für den Fall, daß der rückerstattungspflichtige Erwerber in Konkurs fällt, der berechtigten Person die Möglichkeit ein, Bucheffekten derselben Zahl und Gattung auszusondern. Voraussetzung ist allerdings, daß sich überhaupt Bucheffekten der betreffenden Gattung in der Masse befinden. Das Aussonderungsrecht kann also nicht zur Befriedigung eines Anspruchs auf Wertersatz geltend gemacht werden467.

VII.  Bucheffekten als Sicherheiten 1.  Konzeptionelle Grundlagen a)  Funktionaler Ansatz Das Bucheffektengesetz unterscheidet nicht zwischen Pfandrechten an Bucheffekten und Vollrechtssicherheiten, sondern spricht allgemein von „Sicherheiten“ (vgl. Art.  25, 26, 31 und 32 BEG). Wie die Botschaft hervorhebt, verwendet es „den Begriff der Sicherheit in einem funktionalen Sinne, also unter Einschluss sowohl von Pfandrechten als auch von Vollrechtsübertragungen für Sicherungszwecke“468. Daraus ist allerdings nicht zu schließen, daß mit dem Bucheffektengesetz besondere Arten von Sicherungsrechten eingeführt worden wären. Vielmehr ist es dabei geblieben, daß ein Sicherungsrecht an Depotwerten als (reguläres oder irreguläres) Pfandrecht, als fiduziarische Sicherungsübereignung oder als nicht fiduziarische Eigentumsübertragung ausgestaltet werden kann469. Das Bucheffektengesetz knüpft an die herge466  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9378. 467  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9378. 468  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9370. 469  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  32; Zbinden, Pfandrecht an Aktien, S.  7; Eggen, SZW 2009, 116, 124; dies., GesKR 2009, 540, 547; Hess/Stöckli, SJZ 106 (2010), 153, 155; dies., Anwaltsrevue 2010, 115, 117; dies., in: Reutter/Werlen (Hrsg.), Kapitalmarkttransaktionen V,

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brachten Arten von Sicherungsrechten an470 und regelt lediglich die Methoden, nach denen ein Sicherungsrecht bestellt werden kann: Kontogutschrift (Art.  24 BEG), Kontrollvereinbarung (Art.  25 BEG) und Sicherungsvereinbarung (Art.  26 BEG). Dabei kann jede dieser Methoden sowohl für die Begründung eines Pfandrechts als auch für die Bestellung einer Vollrechtssicherheit verwendet werden471. Die Einführung besonderer Sicherungsrechte wäre ein radikaler, tief in die Grundstrukturen des Rechts der Kreditsicherheiten eingreifender Schritt gewesen, der sich nicht mit einigen wenigen Bestimmungen hätte bewerkstelligen lassen472 . Für die Parteien eines Sicherungsgeschäfts folgt daraus, daß sie zur Vermeidung des sog. recharacter­ ization risk eine klare und unmißverständliche Regelung über die Art des Sicherungsrechts treffen sollten473. b) Regelungsprinzipien Die allgemeinen sachenrechtlichen Prinzipien für die Bestellung von Sicherungsrechten spiegeln sich in den Regelungen des Bucheffektengesetzes, wenn überhaupt, nur unvollkommen wider. Das gilt, wie am Beispiel von Art.  25 Abs.  2 lit.  c. BEG noch zu zeigen ist, etwa für das Spezialitätsprinzip, in besonderem Maße aber für das Publizitätsprinzip. Von Publizität im Sinne einer Erkennbarkeit des Verfügungsvorgangs für Dritte kann man allenfalls in den Fällen sprechen, in denen eine Sicherheit mittels Umbuchung bestellt wird. Beim Abschluß einer Kontrollvereinbarung nach Art.  25 BEG oder einer Vereinbarung mit der Verwahrungsstelle nach Art.  26 BEG braucht das Sicherungsrecht dagegen in keiner Weise kenntlich gemacht zu werden. Hier wird das Publizitätsprinzip vollständig durch ein sog. Kontrollprinzip verdrängt, wonach es für die Bestellung eines Sicherungsrechts mit Wirkung auch gegenüber Dritten genügt, wenn der Sicherungsnehmer die Kontrolle über die Bucheffekten erlangt474 . Auch das Kausalitätsprinzip, das im schweizerischen Immobiliarsachenrecht gesetzlich festgeschrieben (Art.  974 Abs.  2 ZGB) und für das Mobiliarsachenrecht durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts anerkannt ist475, findet bei der Begründung von Sicherungsrechten an Bucheffekten keine Anwendung. Daß die Wirksamkeit einer Verfügung nicht vom Vorliegen eines wirksamen VerpflichtungsgeS.  65, 84 f.; a. A. Dalla Torre/Leisinger/Mosimann/Rey/Schott/Weber, recht 2010, 16 ff.; unklar und mißverständlich Bärtschi, AJP 2009, 1071, 1079; Dalla Torre/Germann, GesKR 2009, 573, 578. 470  Das ergibt sich in bezug auf das Pfandrecht eindeutig auch aus Art.  9 01 Abs.  3 ZGB, wonach sich die „Verpfändung von Bucheffekten“ ausschließlich nach dem Bucheffektengesetz richtet. 471  Siehe einstweilen nur Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  38 m. w. N. Zu der nach Inkrafttreten des BEG umstrittenen Frage, ob die Methode des Art.  24 BEG auch für die Bestellung eines regulären Pfandrechts verwendet werden kann, siehe sogleich unter 2 a) aa). 472 Vgl. Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  32. 473  In gleichem Sinne FISA & HSC Commentary/Foëx, Prel. Cmts Arts. 31–32 FISA Rn.  16. 474  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  55. 475  Siehe die Leitentscheidung BGE 55 II, 302, 306 ff.; weitere Nachweise aus der Rspr. bei BSK ZGB II/Bauer, vor Art.  641 ff. Rn.  67.

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schäfts abhängt, ist im Bucheffektengesetz zwar nicht ausdrücklich geregelt. Doch geht das Gesetz in zwei Bestimmungen von einer Rechtslage aus, die im wesentlichen dem Abstraktionsprinzip entspricht476: Zum einen in Art.  15 Abs.  2 BEG, der besagt, daß die Verwahrungsstelle weder das Recht noch die Pflicht hat, den Rechtsgrund einer Weisung des Kontoinhabers zu überprüfen; zum anderen in Art.  27 BEG, aus dem sich mittelbar ergibt, daß das Fehlen eines wirksamen Grundgeschäfts nicht zur Stornierung einer Belastung berechtigt. Werden Bucheffekten ohne gültigen Rechtsgrund übertragen bzw. verpfändet, kommt daher nur eine Rückerstattung nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (Art.  62 ff. OR) in Betracht. Von einer gesicherten Auffassung kann allerdings noch keine Rede sein477. Ob dieser Meinungsstreit größere praktische Relevanz erlangen wird, bleibt abzuwarten478. Noch nicht abschließend geklärt ist auch, ob und inwieweit das Akzessorietätsprinzip auf Verfügungen über Bucheffekten Anwendung findet. Nicht anders als das deutsche Privatrecht unterscheidet auch das schweizerische zwischen akzessorischen und nicht-akzessorischen Sicherheiten479. In bezug auf das Pfandrecht bedeutet Akzessorietät, daß dieses Recht in seiner Entstehung und seinem Bestand von der zu sichernden Forderung abhängig ist. Der Streit über die Anwendbarkeit des Akzessorietätsprinzips hat seine Ursache darin, daß ein Pfandrecht an Bucheffekten nach inzwischen vom Gesetzgeber bestätigter Auffassung auch durch Gutschrift im Effektenkonto des Pfandnehmers bestellt werden kann (Art.  24 BEG)480. Das bedeutet, daß zwischen Verfügungsmodus und zugrundeliegendem Sicherungsgeschäft kein Gleichlauf in dem Sinne besteht, daß von einer Umbuchung stets auf eine Vollrechtsübertragung geschlossen werden könnte. Nähme man an, daß das Pfandrecht in seinem Bestand gleichwohl von der zu sichernden Forderung abhängig ist, so könnte es dazu kommen, daß der Pfandnehmer trotz Gutschrift gar kein Pfandrecht erwirbt (weil die zu sichernde Forderung nicht entstanden ist), oder daß die Gutschrift insofern nicht mehr mit der wirklichen Rechtslage übereinstimmt, als das Pfandrecht durch Tilgung der Forderung (teilweise) erloschen ist. Wohl um diese – der konstitutiven Wirkung der Gutschrift zuwiderlaufende – Konsequenz zu vermeiden, wird teilweise behauptet, die Anwendung des Akzessorietätsprinzips sei mit der Grundstruktur des Bucheffektengesetzes unvereinbar481. Die Gegenansicht weist darauf hin, daß der Gesetzgeber in den Art.  24 ff. BEG die bestehenden Formen von Sicherheiten nicht ändern wollte, und geht dementsprechend auch im Rahmen dieser Vor476  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §   26 Rn.  57; FISA & HSC Commentary/Ei­ genmann, Prel. Cmts Arts. 24–26 FISA Rn.  18. 477 Für Geltung des Kausalitätsprinzips etwa Zbinden, Pfandrecht an Aktien, S.   25 f.; Hess/ Stöckli, Anwaltsrevue 2010, 115, 118. 478 Dies bezweifelnd FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Prel. Cmts Arts. 24–26 FISA Rn.  19. 479  Für einen Überblick Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  6 Rn.  4 2 ff. 480  Eingehend zum früheren Meinungsstreit sogleich unter 2 a) aa). 481 Siehe Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  60, der das sogar für „offensichtlich“ hält.

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schriften von einem automatischen Gleichlauf zwischen gesicherter Forderung und Sicherungsrecht aus482 . Solange allerdings über die Anwendung des Akzessorietätsprinzips keine Klarheit besteht, bleibt den Parteien nichts anderes übrig, als diese Frage detailliert im Sicherungsvertrag zu regeln483.

2.  Bestellung einer Sicherheit a)  Sicherheit zugunsten eines Dritten aa) Gutschrift Für die Bestellung einer Sicherheit an Bucheffekten zugunsten eines Dritten steht als erste Möglichkeit der Weg über Art.  24 BEG zur Verfügung. Erforderlich ist danach erstens eine Weisung des Sicherungsgebers an seine Verwahrungsstelle, die Bucheffekten zu übertragen, zweitens die Gutschrift der Bucheffekten im Effektenkonto des Sicherungsgebers, wobei dieses Konto auch durch die Verwahrungsstelle des Sicherungsnehmers geführt werden kann484. Daß der Weg über Art.  24 BEG auf jeden Fall eröffnet ist, wenn dem Sicherungsnehmer das Vollrecht an den Bucheffekten übertragen werden soll − so liegt es beispielsweise bei der Sicherungszession und beim irregulären Pfandrecht −, stand von Anfang an außer Zweifel. Unklar und umstritten war allerdings nach Inkrafttreten des BEG, ob der Modus der Umbuchung auch für die Errichtung eines regulären Pfandrechts verwendet werden kann. Ein Teil des Schrifttums verneinte das mit der Begründung, eine Umbuchung habe nach Art.  24 Abs.  2 Satz  2 BEG a. F. zwangsläufig zur Folge, daß der Sicherungsgeber sein „Recht“ an den Bucheffekten verliert. Eine Pfandbestellung nach Art.  24 BEG sei wegen des damit verbundenen Eigentumsübergangs nicht nur systemwidrig, sondern auch nicht notwendig, weil für die Bestellung eines regulären Pfandrechts der Modus des Art.  25 BEG zur Verfügung stehe, der dadurch gekennzeichnet sei, daß das Eigentum am Sicherungsgegenstand beim Sicherungsgeber verbleibt485. Diese Auffassung lief auf die Annahme hinaus, daß mittels Umbuchung nur Vollrechtssicherheiten und mittels Kontrollvereinbarung nur Teilrechtssicherheiten bestellt werden können. Der größere Teil des Schrifttums hielt diese Annahme für unzutreffend486. Er verwies erstens auf den Wortlaut von Art.  24 BEG, der allgemein von einer „Verfügung“ 482  Zbinden, Pfandrecht an Aktien, S.  13; Hess/Stöckli, SJZ 106 (2010), 153, 158; dies., Anwaltsrevue 2010, 115, 118. 483  Hess/Stöckli, Anwaltsrevue 2010, 115, 118. 484  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  41. 485 So Zbinden, Pfandrecht an Aktien, S.  65; wohl auch Bärtschi, AJP 2009, 1071, 1080. Ohne Problemvertiefung Hanten, Bucheffektengesetz, S.  132, die behauptet, der Sicherungsnehmer erlange mit der Sicherheitenbestellung den Status eines Anlegers im Bucheffektensystem. 486 So (mit ausführlicher Begründung) Martini, Wertpapierverpfändung, Rn.   228; Abegglen/ Brönnimann, recht 2011, 112 ff.; Zbinden/Hess, GesKR 2011, 346 ff.; siehe ferner FISA & HSC Commentary/Foëx, Prel. Cmts Arts. 31–32 FISA Rn.   19; BK-Zobl/Thurnherr, Systematischer Teil, Rn.  531d; Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  38/39; Baumgartner, AJP 2011, 1355, 1357; Hess/Stöckli, SJZ 106 (2010), 153, 155.

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spricht, sowie auf den Wortlaut von Art.  25 Abs.  1 BEG, der bestimmt, daß eine Sicherheit an Bucheffekten „ausser“ nach Art.  24 BEG auch durch Kontrollvereinbarung bestellt werden kann; zweitens darauf, daß mit der Wendung „zugleich verliert (…) der verfügende Kontoinhaber sein Recht an den Bucheffekten“ auch der Verlust des „übertragenen Teilrechts“ gemeint sein kann487; drittens auf die Entstehungsgeschichte von Art.  24 BEG, die zeige, daß dieser Modus nach dem Willen des Gesetzgebers auch für die Errichtung von Pfandrechten zur Verfügung stehen soll; viertens darauf, daß nach der Systematik des Gesetzes nichts dafür spreche, den Begriff „Verfügung“ in Art.  24 BEG enger zu verstehen als in den übrigen Vorschriften des Gesetzes; und fünftens darauf, daß die Annahme, Pfandrechte könnten ausschließlich nach Art.  25 BEG begründet werden, dem Ziel des Bucheffektengesetzes zuwiderliefe, international kompatible Regelungen für die mediatisierte Wertpapierverwahrung zu schaffen488. Um die in diesem Meinungsstreit zum Ausdruck kommende Rechtsunsicherheit zu beseitigen, hat der Gesetzgeber den Erlaß des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes zum Anlaß genommen, den Wortlaut der Art.  24, 25 und 26 BEG im Sinne der bisher überwiegenden Literaturmeinung anzupassen489. Was Art.  24 BEG betrifft, wurde in dem neugefaßten Abs.  2 Satz  2 klargestellt, daß der verfügende Kontoinhaber seine Rechte an den Bucheffekten (nur) verliert, wenn „durch die Verfügung das Vollrecht übertragen“ wird. Daraus läßt sich zweifelsfrei schließen, daß der Verfügungsmodus des Art.  24 Abs.  1 BEG auch für die Bestellung eines regulären Pfandrechts eingesetzt werden kann. In der Konsequenz dieser Rechtslage liegt es, daß eine Umbuchung von Bucheffekten auf ein anderes Konto als solche nichts darüber aussagt, ob eine Vollrechtsübertragung oder eine reguläre Verpfändung vorliegt. Es besteht kein Gleichlauf zwischen Verfügungsmodus und zugrundeliegendem Kausalgeschäft in dem Sinne, daß von einer Umbuchung stets auf eine Vollrechtsübertragung geschlossen werden könnte. Über die Art der Verfügung gibt einzig und allein das zugrundeliegende Kausalgeschäft Aufschluß490. Bei der Verpfändung von Bucheffekten ist daher, insbesondere im Hinblick auf den Konkurs des Sicherungsnehmers, eine eindeutige Dokumentation unabdingbar, auch wenn der Pfandvertrag nicht der Schriftform bedarf (vgl. Art.  901 Abs.  3 ZGB491). Das gilt umso mehr, als keine Pflicht des Sicherungs487 

Siehe zu diesem Argument insbesondere Abegglen/Brönnimann, recht 2011, 112, 114. Zbinden/Hess, GesKR 2011, 346, 354 ff. mit dem Hinweis, daß auch das Genfer Wertpapierübereinkommen eine Pfanderrichtung durch Umbuchung zuläßt. 489  Zu den Erwägungen im einzelnen siehe die Botschaft zum FinfraG vom 3. September 2014, BBl. 2014, S.  7623 f.; siehe ferner Steiner, GesKR 2016, 335, 337 ff. 490  Eggen, SZW 2009, 116, 122. 491  Hess/Stöckli, Anwaltsrevue 2010, 115, 117. Der neue Art.  9 01 Abs.  3 ZGB stellt klar, daß die Verpfändung von Bucheffekten sich ausschließlich nach dem BEG richtet. Daraus folgt vor allem, daß der Vertrag über die Verpfändung keinen Formvorschriften unterliegt (vgl. Art.  900 ZGB). Das BEG will damit den Vorgaben von Art.  3 Abs.  1 FinanzsicherheitenRL genügen; Botschaft zum Buch­effektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9370 u. 9386. 488 So

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nehmers oder seiner Kontrollstelle besteht, Sicherheiten an Bucheffekten als solche zu markieren, selbst dann nicht, wenn die Sicherheit als reguläres Pfandrecht begründet wurde. Einer Gutschrift oder dem Kontoauszug (vgl. Art.  16 BEG) sieht der Rechtsverkehr also nicht an, ob die betreffenden Bucheffekten als Sicherheit oder aus einem anderen Grund erworben wurden492 . Um den Rechtsschein zu vermeiden, daß der Pfandgläubiger Eigentümer der verpfändeten Bucheffekten ist, sollte ein Verpfänder ungeachtet dessen darauf bestehen, daß die Bucheffekten in ein gesondertes Sicherungskonto eingebucht werden, das auch als solches bezeichnet ist493. Manche gehen noch einen Schritt weiter und empfehlen der Praxis, Pfandrechte an Bucheffekten nicht mittels einer Umbuchung nach Art.  24 BEG, sondern ausschließlich auf dem Weg über Art.  25 BEG zu begründen494 . bb) Kontrollvereinbarung Gemäß Art.  25 Abs.  1 BEG kann eine Sicherheit zugunsten eines Dritten auch durch Abschluß einer sog. Kontrollvereinbarung bestellt werden. Darunter versteht das Gesetz eine unwiderrufliche Vereinbarung zwischen dem Kontoinhaber und der Verwahrungsstelle495, in der sich diese verpflichtet, „die Weisungen des Sicherungsnehmers ohne weitere Zustimmung oder Mitwirkung des Kontoinhabers auszuführen“. Durch die Kontrollvereinbarung – der Begriff findet sich auch im Genfer Wertpapierübereinkommen und im US-amerikanischen Recht496 – werden die Sicherheiten der Kontrolle des Sicherungsnehmers unterworfen. Die Bucheffekten bleiben zwar dem Konto des Sicherungsgebers gutgeschrieben, die Verfügungsgewalt über diese Effekten geht jedoch mit Abschluß der Vereinbarung auf den Sicherungsnehmer über497. Das Bucheffektengesetz zieht hier eine Parallele zu Art.  884 Abs.  3 ZGB, wonach ein Pfandrecht nicht begründet ist, solange der Verpfänder die ausschließliche Gewalt über die Sache behält498. Tritt der Sicherungsfall ein, kann der Sicherungsnehmer die Verwertung der Bucheffekten in die Wege leiten, ohne daß die Verwah492 

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355.

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Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  40. FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Art.  25 FISA Rn.  2; Zbinden/Hess, GesKR 2011, 346,

Eggen, SZW 2009, 116, 125; in die gleiche Richtung Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 116. handelt sich um einen bilateralen Vertrag zugunsten eines Dritten i. S. von Art.  112 OR. Möglich ist aber auch die Ausgestaltung als Dreiparteienvertrag, siehe Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  73. 496  UCC §  9-106(a) i. V. m. §  8-106(d)(2). 497 Wie Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §   26 Rn.  72 betont, folgt Art.  25 BEG dem Modell der positiven Kontrolle, die durch das Recht des Sicherungsnehmers gekennzeichnet ist, selbst über die Depotwerte zu verfügen. Freilich läßt die Vorschrift eine Reihe von Fragen offen, etwa, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kontoinhaber weiterhin über die Depotwerte verfügen kann und ob der Sicherungsnehmer ein Recht auf Einsicht in das Effektenkonto hat. Diese Fragen sollten in der Vereinbarung geklärt werden, siehe Dalla Torre/Germann, GesKR 2009, 573, 578; Hess/Stöckli, SJZ 106 (2010), 153, 156. 498 Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl 2006, S.  9370. 495  Es

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rungsstelle die Rechtmäßigkeit eines solchen Vorgehens überprüfen müßte oder dürfte (vgl. Art.  31 Abs.  3 BEG)499. Zwar wird die Verwahrungsstelle in ihrem eigenen Interesse das Konto des Sicherungsgebers sperren oder zumindest einen Hinweis auf die Verfügungsbeschränkung anbringen, um ihren sich aus der Kontrollvereinbarung ergebenden Verpflichtungen nachkommen zu können. Solche Maßnahmen sind jedoch nach schweizerischem Recht nicht Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kontrollvereinbarung500. Häufig wird gesagt, die Bestellung einer Sicherheit nach Art.  25 Abs.  1 BEG habe für den Sicherungsgeber den Vorteil, daß er Inhaber der Bucheffekten bleibe und weiterhin berechtigt sei, Zinsen und Dividenden zu beanspruchen sowie sein Stimmrecht auszuüben501. Das trifft aber, wie noch einmal zu betonen ist, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Zwar dürfte die Bestellung einer Sicherheit mittels Kontrollvereinbarung sich in erster Linie für das reguläre Pfand eignen, bei dem der Sicherungsgeber in der Tat Inhaber der Bucheffekten bleibt. Gemäß dem funktionalen Ansatz des Bucheffektengesetzes kann diese Methode allerdings auch für Vollrechtsübertragungen eingesetzt werden502 , wie durch die Anpassung des Art.  25 BEG durch das ­FinfraG klargestellt worden ist503. Dabei hat der Sicherungsnehmer jedoch den Nachteil zu beachten, daß er sich unter Umständen das Rückbehalts- und Verwertungsrecht (Art.  21 BEG) oder ein Pfandrecht der Verwahrungsstelle (Art.  26 BEG) entgegenhalten lassen muß504 . Wie noch mit Blick auf Art.  30 Abs.  2 BEG zu zeigen sein wird, wiegt dieser Nachteil allerdings nicht besonders schwer. In Anbetracht des Spezialitätsprinzips, das besagt, daß dingliche Rechte immer nur an einzelnen, bestimmbaren Vermögensgegenständen bestellt werden können505, stellt sich noch die Frage, worauf sich eine Sicherheit an Bucheffekten beziehen kann. Diese Frage wird durch Art.  25 Abs.  2 BEG beantwortet. Er steht mit dem Spezialitätsprinzip uneingeschränkt in Einklang, soweit er vorsieht, daß sich die Sicherheit auf „bestimmte Bucheffekten“ und „alle Bucheffekten, die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind“, beziehen kann (lit.  a. und b.). Unter „bestimmten Buch­ effekten“ sind Bucheffekten zu verstehen, die eindeutig nach Zahl und/oder Gattung auf dem Konto identifizierbar und von den anderen Beständen abgrenzbar sind. 499 

Eggen, SZW 2009, 116, 123. Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  74; Martini, Wertpapierverpfändung, Rn.  231; Bärtschi, AJP 2009, 1071, 1081. Siehe demgegenüber Art.  12 Abs.  3 lit.  b) GWpÜ („designating entry“). 501  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9370; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, §  11 Rn.  104 (S.  968); Eggen, SZW 2009, 116, 123. 502  So schon zu Art.  25 BEG in seiner ursprünglichen Fassung Hess/Stöckli, SJZ 106 (2010), 153, 156. 503  Steiner, GesKR 2016, 335, 342. 504  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9370. 505  Das Spezialitätsprinzip gilt unbestrittenermaßen auch für die Bestellung von Sicherheiten an Forderungen und anderen Rechten, siehe BSK-ZGB II/Bauer, Art.  899 Rn.  19. 500 

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Aber wie verhält es sich mit Art.  25 Abs.  2 lit.  c. BEG, der vorsieht, daß sich die Verfügung auch auf „einen wertmässig bestimmten Anteil der Bucheffekten, die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind“, beziehen kann? Vor Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes war anerkannt, daß eine „limitierte Faustverpfändung“, d. h. die Verpfändung von Depotwerten bis zu einer bestimmten Wertquote, zulässig ist, sofern aus dem Pfandvertrag zweifelsfrei hervorgeht, welche Depotwerte im einzelnen verpfändet sind. Vor diesem Hintergrund hatte Brunner den Banken geraten, ihre – offenbar nicht hinreichend deutlich abgefaßten – Pfandverträge dahin zu präzisieren, daß sich die Verpfändung auf sämtliche Depotwerte bezieht506. Dem Zweck einer limitierten Verpfändung, die Sicherung des Gläubigers auf das Notwendige zu begrenzen, damit der unbelastete Teil des Bestands zur Sicherung anderer Kredite verwendet werden kann, wird Art.  25 Abs.  2 lit.  c. BEG sicherlich gerecht. Dem Spezialitätsgrundsatz genügt diese Vorschrift aber nur, wenn man sie in dem von Brunner vorgeschlagenen Sinne, also so versteht, daß der gesamte Depotbestand und nicht bloß ein der Wertquote entsprechender Teil (zu seinem vollen Wert) Gegenstand der limitierten Verpfändung ist. Die Botschaft und das neuere Schrifttum verstehen Art.  25 Abs.  2 lit.  c. BEG dagegen als Durchbrechung des Spezialitätsprinzips. Diese Durchbrechung sei allerdings gerechtfertigt, da Sicherungsnehmer in aller Regel nicht an Sicherungsrechten an bestimmten Titeln, sondern bloß an einer bestimmten Wertquote interessiert seien. Eine buchstabengetreue Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes würde bei der Bestellung von Sicherheiten dazu zwingen, entweder sämtliche einem Konto gutgeschriebene Effekten zu verpfänden oder das Pfandobjekt z. B. durch Nennung der Valorennummer bis auf Titelebene genauestens zu spezifizieren. Der Zwang zur Verpfändung eines ganzen Kontos würde jedoch dem Sicherungsgeber die Möglichkeit nehmen, wirtschaftlich nicht belastete Bucheffekten zur Sicherung anderer Kredite zu verwenden. Und die genaue Spezifizierung der Titel sei, wenn gerade nicht der gesamte Bestand oder ein bestimmter Teil davon verpfändet werden solle, vollkommen unpraktikabel507. Art.  25 Abs.  2 lit.  c. BEG impliziert, daß der Sicherungsgeber über seine Depotwerte verfügen kann, solange die Wertquote gewahrt bleibt508. Der Verwahrungsstelle wird jedoch von einigen Stimmen im Schrifttum angeraten, Weisungen des Kontoinhabers, die Bucheffekten zu übertragen oder auszuliefern, nur mit Einverständnis des Sicherungsnehmers zu befolgen. Sonst bestehe ein Haftungsrisiko, falls ein Dritter die Bucheffekten in gutem Glauben erwirbt und der Sicherungsnehmer seiner 506 

Christoph Brunner, Wertrechte, S.  255 f.; siehe ferner Eggen, GesKR 2009, 540, 541. zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9370 f.; FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Art.  25 FISA Rn.  36/37; ferner Berner Kommentar-Zobl/Thurnherr, Systematischer Teil, Rn.  531e (Spezialitätsprinzip werde „faktisch ausser Kraft gesetzt“); Hess/Stöckli, SJZ 106 (2010), 153, 157; anders jedoch Eggen, SZW 2009, 116, 123 („Art.  25 BEG berücksichtigt das sachenrechtliche Spezialitätsprinzip“); ablehnend zum Standpunkt der Botschaft Steiner, GesKR 2016, 335, 343 f. 508  FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Art.  25 FISA Rn.  38; Lanz, Aktientransfers, S.  189, 209 f. 507  Botschaft

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Absicherung verlustig geht509. Ob dies ein praktikables Verfahren ist, erscheint jedoch zweifelhaft. Schon eher ist der Verwahrungsstelle zu empfehlen, durch interne Vorkehrungen wie z. B. eine elektronische Sperre dafür zu sorgen, daß der Depotbestand des Sicherungsgebers nicht unter die betreffende Wertquote absinkt. b)  Sicherheiten zugunsten der Verwahrungsstelle Auch in der Schweiz ist es üblich, daß sich die Depotbanken zur Sicherung ihrer Ansprüche alle gegenwärtigen und künftigen Depotwerte ihrer Kunden verpfänden lassen. Bei individualvertraglich vereinbarten Verpfändungen wurde bisher in der Regel auf dem Konto des Kunden ein Verpfändungsvermerk angebracht (ear­mark­ ing), während es bei Verpfändungen auf der Grundlage von AGB-Klauseln an dieser Art von Publizität weitgehend fehlte510. Art.  26 Abs.  1 BEG, der eine Ergänzung von Art.  21 BEG darstellt511, fällt hinter diese Praxis insofern zurück, als er für die Bestellung einer Sicherheit zugunsten der Verwahrungsstelle den Abschluß einer Vereinbarung genügen läßt512 . Das entspricht Art.  12 Abs.  3 lit.  c) GWpÜ. Daß die dingliche Wirkung des Sicherungsrechts weder von einer Buchung noch einer Anmerkung im Effektenkonto abhängt, hebt die Botschaft sogar ausdrücklich hervor. Ein Dritter, der dem Kontoinhaber gegen Verpfändung von Bucheffekten Kredit gewähren und vermeiden will, daß ihm die Verwahrungsstelle ein eigenes Sicherungsrecht entgegenhält, müsse deshalb auf einer Umbuchung der Bucheffekten in ein anderes Konto (Art.  24 Abs.  1 BEG) bestehen513. Für diesen Fall der Umbuchung in ein anderes Konto sah Art.  26 Abs.  2 BEG a. F. vor, daß die Sicherheit zugunsten der Verwahrungsstelle erlischt. Allerdings wurde diese Bestimmung zum 1. Januar aufgehoben. Bei der Schaffung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes war man zu der Überzeugung gelangt, daß die Rechtsfolge des Erlöschen des Sicherungsrechts der Verwahrungsstelle zu weit geht und zum Schutz des Rechtsverkehrs die in Art.  30 Abs.  2 BEG vorgesehene Rangfolgeordnung genügt514 . Danach gilt eine mittels Kontrollvereinba509 

Bärtschi, AJP 2009, 1071, 1081. Kritisch dazu Christoph Brunner, Wertrechte, S.  254 ff. 511  Zum Verhältnis: Während das Rückbehalts- und Verwertungsrecht der Verwahrungsstelle nach Art.  21 BEG sich ausschließlich auf Forderungen erstreckt, die aus der Verwahrung der Buch­ effekten oder aus Vorleistungen für den Erwerb von Bucheffekten herrühren, steht der Modus des Art.  26 BEG für die Absicherung sämtlicher Arten von Verbindlichkeiten zur Verfügung; FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Art.  26 FISA Rn.  2. 512  In Art.  26 Abs.  3 BEG-E war allerdings eine Verschärfung gegenüber der früheren Rechtslage vorgesehen. Es sollte bestimmt werden, daß der Sicherungsvereinbarung der Schriftform bedarf, wenn es sich bei dem Kontoinhaber weder um eine Verwahrungsstelle noch um einen qualifizierten Anleger handelt. Eine Pfandklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre danach nicht länger zulässig gewesen. Diese Bestimmung wurde jedoch vom Gesetzgeber gestrichen; siehe im einzelnen FISA & HSC Commentary/Eigenmann, Art.  26 FISA Rn.  8. Kritisch zur Streichung von Art.  26 Abs.  3 BEG-E Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  77. 513  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9371. 514  Botschaft zum FinfraG, BBl. 2014, S.  7624. 510 

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rung (Art.  25 BEG) zugunsten einer Verwahrungsstelle begründete Sicherheit dem Recht eines Dritten als untergeordnet, sofern die Verwahrungsstelle den Dritten bei Abschluß der Kontrollvereinbarung nicht ausdrücklich auf ihr zustehende frühere Sicherheiten hingewiesen hat.

3.  Verwertung einer Sicherheit Die Verwertung von Sicherheiten an Bucheffekten ist im 6. Kapitel des Bucheffektengesetzes geregelt. In den Artikeln 31 und 32 BEG wird den Marktteilnehmern ein Verfahren zur Verfügung gestellt, das ihnen die rasche und unbürokratische Verwertung ihrer Sicherheiten ermöglicht und auf diese Weise dazu beiträgt, die Stabilität des Finanzsystems zu sichern. Beide Vorschriften verfolgen somit das gleiche Ziel wie der am 1. Juli 2004 in Kraft getretene Art.  27 Abs.  3 BankG. Diese Vorschrift hat folgenden Hintergrund515: Nach schweizerischem Privatrecht sind Abreden, die dem Pfandgläubiger das Recht einräumen, das Pfand auf privatem Wege, d. h. außerhalb des Betreibungsverfahrens zu verwerten, grundsätzlich gültig. Auch der Selbsteintritt des Pfandgläubigers ist unter der Voraussetzung zulässig, daß nach den Bedingungen des Selbsteintritts eine Übervorteilung des Verpfänders ausgeschlossen ist. Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Selbsteintritts eine objektive Bewertung des Pfandgegenstandes möglich ist, also insbesondere dann, wenn der Pfandgegenstand einen Markt- oder Börsenpreis hat516. Allerdings werden im Konkurs des Sicherungsgebers alle Sicherheiten zur Masse gezogen. Der Gläubiger verliert damit zwar nicht sein Sicherungsrecht, wohl aber seine Befugnis zur freihändigen Verwertung. Er muß zuwarten, bis ihm nach der Verwertung im ordentlichen Verfahren der Pfanderlös zugeteilt wird517. Weil aber das Fehlen der Befugnis zur freihändigen Verwertung den Wert einer Sicherheit erheblich schmälert, führte diese Rechtslage im grenzüberschreitenden Verhältnis für schweizerische Sicherungsgeber zu einem unnötigen Wettbewerbsnachteil518. Im Zuge seiner Änderung vom 3. Oktober 2003519 wurde das Bankengesetz daher um eine an Art.  4 FinanzsicherheitenRL angelehnte Bestimmung ergänzt, die den Teilnehmern eines Zahlungs- oder Effektenabwicklungssy­ stems auch für den Fall die freihändige Verwertung ihrer Sicherheiten ermöglicht, daß die Bankenkommission gegenüber dem Sicherungsgeber eine Schutzmaßnahme nach Art.  26 Abs.  1 lit.  f–h BankG (z. B. ein Auszahlungsverbot oder die Schließung) verfügt. Art.  27 Abs.  3 BankG erstreckt sich auf alle Sicherheiten in Form von an einem repräsentativen Markt gehandelten Effekten oder anderen Finanzinstrumenten. 515  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.   76; BSK BankG/Hess/Künzi, Art.  27 Rn.  32. 516  BGE 119 II 344, 345 f. 517  Art.  198 i. V. m. Art.  219, 232 Abs.  2 Nr.  4 SchKG; siehe auch Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, §  40 Rn.  18. 518  Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 20. November 2002, BBl. 2002, S.  8084. 519  Änderung des Bankengesetzes vom 3. Oktober 2003, AS 2004, 2767.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Die Verwertungsvorschriften des Bucheffektengesetzes führen diese Entwicklung fort. Art.  31 Abs.  1 BEG sah in seiner ursprünglichen Fassung vor, daß ein Sicherungsnehmer eine Sicherheit an Bucheffekten, „die an einem repräsentativen Markt gehandelt werden“, unter den im Sicherungsvertrag vereinbarten Voraussetzungen verwerten kann, indem er die Bucheffekten verkauft (lit.  a) oder sich im Wege des Selbsteintritts aneignet (lit.  b) und anschließend den Preis bzw. Wert mit der gesicherten Forderung verrechnet. Weil das Gesetz nicht definierte, was unter einem „repräsentativen Markt“ zu verstehen ist, bestand in der Praxis große Rechtsunsicherheit, an der auch die Erläuterungen in der Botschaft nichts zu ändern vermochten520. Im Zuge der Anpassungen des BEG durch das FinfraG wurde deshalb das Erfordernis eines „repräsentativen Marktes“ in Art.  31 Abs.  1 BEG gestrichen, ohne daß jedoch der Grundgedanke, daß eine Privatverwertung durch Aneignung nur möglich ist, wenn der Wert des Sicherungsgegenstandes objektiv bestimmbar ist, preisgegeben worden wäre521. Damit hat der Gesetzgeber der starken rechtspolitischen Kritik an den Verwertungsvorschriften des BEG522 zumindest teilweise den Wind aus den Segeln genommen. In einem anderen Punkt herrscht freilich weiterhin Unklarheit: Der Wortlaut von Art.  31 Abs.  1 BEG deutet darauf hin, daß das Recht zur freihändigen Verwertung oder zum Selbsteintritt kraft Gesetzes besteht und der Sicherungsvertrag einzig die Voraussetzungen zu regeln hat, unter denen eine Verwertung als solche zulässig ist („Events of Default“)523. Die Botschaft und ein Teil des Schrifttum sehen das jedoch anders und meinen, dieses Recht hänge von einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer ab524. Weitere Vorkehrungen zum Schutz des Sicherungsgebers und der anderen Gläubiger sind in Art.  32 BEG enthalten. Nach Art.  32 Abs.  1 Satz  1 BEG ist die Verwertung der Sicherheit dem Sicherungsgeber anzukündigen. Allerdings kann der Sicherungsgeber auf die Ankündigung verzichten, wenn er eine Verwahrungsstelle oder ein qualifizierter Anleger ist (Art.  32 Abs.  1 Satz  2 BEG). Die Form der Ankündigung ist im Gesetz nicht geregelt und kann im Sicherungsvertrag festgelegt werden. Gleiches 520  Siehe die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9381. Danach liegt ein „repräsentativer Markt“ vor, wenn für Vermögenswerte der geschuldeten Art und Güte an einem bestimmten Ort eine minimale Anzahl gleichartiger Geschäfte abgeschlossen wird, so daß sich ein angemessener Preis für das Vermögensobjekt feststellen läßt. Auch für Bucheffekten, die nicht zum Handel an der Börse zugelassen sind, kann es nach der Botschaft einen repräsentativen Markt geben. Im Schrifttum wurde vorgeschlagen, für die Auslegung des Begriffs auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Marktpreis (Art.  191 Abs.  3 OR) zurückzugreifen; siehe Hess/Stöckli, Anwaltsrevue 2010, 115, 119 m. N. 521  Botschaft zum FinfraG, BBl. 2014, S.  7624. 522 Siehe Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  115, der meint, der Gesetzgeber habe seine Ziele in den Artikeln 31 und 32 BEG „ziemlich gründlich verfehlt“. 523  Dalla Torre/Germann, GesKR 2009, 573, 579; ferner Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  117. 524  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9370 und 9382; FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  31 FISA Rn.  28; Lanz, Aktientransfers, S.  189, 211; Dörig/Weber, AJP 2012, 246, 257; wohl auch Bärtschi, AJP 2009, 1071, 1082.

§  14  Das Bucheffektengesetz

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gilt für die Nachfrist, die dem Schuldner zur Erfüllung der Forderung zur Verfügung steht. Haben die Parteien keine Absprache getroffen, so ist diese Frist vom Sicherungsnehmer nach Treu und Glauben so festzulegen, daß der Sicherungsgeber eine realistische Chance zur Abwendung der Verwertung hat525. In Anlehnung an die zu Art.  891 ZGB entwickelten Grundsätze ist davon auszugehen, daß eine Nachfrist entbehrlich ist, wenn der Sicherungsnehmer annehmen darf, der Sicherungsgeber werde die Forderung ohnehin nicht erfüllen526. Art.  32 Abs.  2 BEG verpflichtet den Sicherungsnehmer zur Abrechnung gegenüber dem Sicherungsgeber und zur Herausgabe eines Überschusses. Damit steht fest, daß die Aneignung von Bucheffekten an Zahlungs statt ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber war mit dem Schrifttum der Ansicht, daß das von Art.  894 ZGB angeordnete Verbot des Verfallsvertrags – danach ist jede Abrede ungültig, wonach die Pfandsache dem Gläubiger, wenn er nicht befriedigt wird, als Eigentum zufallen soll – als Bestandteil des schweizerischen ordre public zu qualifizieren ist. Eine Umsetzung von Art.  4 Abs.  1 FinanzsicherheitenRL, der eine Aneignung der Sicherheit an Zahlungs statt grundsätzlich zuläßt, kam daher für die Schweiz nicht in Betracht527.

4.  Rangfolge konkurrierender Rechte In Art.  30 BEG ist geregelt, welches Recht den Vorrang hat, wenn über Bucheffekten mehrfach verfügt wird. Prioritätskonflikte können nur zwischen Rechten auftreten, die gleichzeitig an bestimmten Bucheffekten bestehen können. Der Anwendungsbereich von Art.  30 BEG ist dementsprechend beschränkt und umfaßt insbesondere den Fall, daß dieselben Bucheffekten mehrfach nach Art.  25 BEG verpfändet werden. Wird dagegen über Bucheffekten, an denen bereits ein Sicherungsrecht besteht, durch Umbuchung verfügt, so wird dieser Sachverhalt in der Regel nicht nach Art.  30 BEG, sondern nach Art.  24 und Art.  29 BEG zu beurteilen sein528. Diese enge Auslegung von Art.  30 BEG steht im Einklang sowohl mit der Genfer Wertpapierkonvention als auch dem Second Advice der EU Legal Certainty Group529. Gemäß Art.  30 Abs.  1 BEG richtet sich die Rangfolge von Verfügungen über Bucheffekten nach dem auf das römische Recht zurückgehenden Prinzip der Alterspriorität: Die frühere Verfügung geht der späteren im Range vor530. Abweichende Abreden 525  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  123; siehe auch FISA & HSC Commentary/Foëx, Art.  32 FISA Rn.  21, der als Faustregel einen Zeitraum von 5–10 Geschäftstagen angibt. 526  Vgl. BSK ZGB II/Bauer, Art.  891 Rn.  28. 527  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9382. Allgemein zum Verbot der Verfallabrede und seiner Einordnung als Bestandteil des schweizerischen ordre public BSK ZGB II/Bauer, Art.  894 Rn.  19 f. m. w. N. 528  Ausführlich zum Anwendungsbereich von Art.  30 BEG FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  30 FISA Rn.  9 ff.; BSK-Wertpapierrecht/Bahar/Peyer, Art.  30 BEG Rn.  6 ff. 529  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  30 FISA Rn.  10. 530  Vgl. auch Art.  893 ZGB für das Fahrnispfand und Art.  972 Abs.  1 ZGB für dingliche Rechte an Grundstücken. Im BEG-Vorentwurf war für ein Pfandrecht und ein Retentionsrecht der Ver-

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

über die Rangfolge sind zwar zulässig, entfalten jedoch nur unter den Parteien der Abrede Wirkung (Art.  30 Abs.  4 BEG). Verwendet also ein Kontoinhaber seine Bucheffekten mehrfach mittels Kontovereinbarung als Sicherheiten, hat die früher abgeschlossene Kontrollvereinbarung gegenüber der später abgeschlossenen grundsätzlich Vorrang. Das Prinzip der Alterspriorität entscheidet Prioritätskonflikte anhand eines rein formalen Kriteriums. Seine Rechtfertigung wird in der Möglichkeit der Gläubiger gesehen, sich effizient aufeinander einzustellen. Könne sich ein Kreditgeber darauf verlassen, daß er bei der Verteilung des Erlöses aus der Verwertung eines bestimmten Sicherungsgegenstandes den x-ten Rang einnimmt, so könne er das bei der Festlegung der Kreditkonditionen berücksichtigen. Müsse ein Gläubiger hingegen damit rechnen, daß ein unbekannter Gläubiger Priorität beanspruchen kann, werde er im Zweifel auf die Gewährung von Kredit verzichten531. Ob diese Rechtfertigung in bezug auf Sicherheiten an Bucheffekten trägt, ist jedoch zweifelhaft, da weder für die Kontrollvereinbarung nach Art.  26 BEG noch für die Vereinbarung nach Art.  26 BEG irgendeine Art von Publizität vorgesehen ist, die einem Gläubiger Aufschluß über das Bestehen konkurrierender Sicherungsrechte und den Rang seines Sicherungsrechts erlauben würde. Eben dies ist ja auch der Grund dafür, weshalb das Buch­ effektengesetz in Art.  30 Abs.  2 BEG eine Ausnahme vom Grundsatz der Alterspriorität macht, indem es bestimmt, daß eine der Verwahrungsstelle zustehende Sicherheit einer durch Kontrollvereinbarung begründeten späteren Sicherheit eines Dritten untergeordnet ist, sofern nicht die Verwahrungsstelle den Dritten bei Abschluß der Kontrollvereinbarung ausdrücklich auf ihre Sicherheit hinweist. Die Botschaft sieht den Umstand, daß nach Art.  26 Abs.  1 BEG begründete Sicherungsrechte für Dritte nicht erkennbar sind, als „nicht hinnehmbare Belastung“ an, die dem Rechtsverkehr abgenommen werden müsse532 . Hinzu kommt, daß die Verwahrungsstelle auch keinen Vorrang verdient, wenn sie bei Abschluß einer Kontrollvereinbarung zugunsten eines Dritten ein eigenes Sicherungsrecht verschweigt. Denn der begünstigte Dritte muß sich auf die Angaben (bzw. das Schweigen) der Verwahrungsstelle vertrauen können. Insofern schafft Art.  30 Abs.  2 BEG einen starken Anreiz zur Offenlegung bestehender Sicherheiten533. Für Konflikte in bezug auf das gesetzliche Retentionsrecht der Verwahrungsstelle nach Art.  21 BEG gilt Art.  30 Abs.  2 BEG jedoch nicht. Die Existenz dieses Rechts darf als allgemein bekannt gelten534. Eine zweite Ausnahme vom Grundsatz der Alterspriorität sah Art.  30 Abs.  3 BEG für den Fall vor, daß Bucheffekten nach Art.  164 ff. OR abgetreten und anschließend wahrungsstelle noch eine sog. Superpriorität vorgesehen, d. h. das Recht der Verwahrungsstelle wäre auch bei späterer Entstehung allen anderen Sicherheiten im Rang vorgegangen (vgl. Art.  27 Abs.  1 BEG-E). Nach heftiger Kritik im Rahmen der Anhörung wurde dieser Vorschlag fallengelassen. Im einzelnen Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  99. 531  Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  9 Rn.  6. 532  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9379. 533 Vgl. Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  100. 534  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  30 FISA Rn.  19.

§  14  Das Bucheffektengesetz

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zum Gegenstand einer Verfügung nach den Art.  24 ff. BEG gemacht werden. Das beruhte auf der Überzeugung, daß es mit der Funktionsfähigkeit des Bucheffektensy­ stems und dem Schutz des Rechtsverkehrs nicht weit her wäre, müßten die Erwerber von Sicherungsrechten damit rechnen, daß ihnen zeitlich frühere Abtretungen entgegengehalten werden535. Art.  30 Abs.  3 BEG bestimmte daher, daß Rechte, die nach den Vorschriften des Bucheffektengesetzes erworben werden, den Rechten eines Zessionars im Range vorgehen, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt der Abtretung. Ein Teil des Schrifttums hielt diese Bestimmung für ein legislatorisches Versehen und die Abtretung von Bucheffekten nach Art.  164 ff. OR für ausgeschlossen. Zur Begründung wurde auf das Regelungskonzept und den Sinn des Bucheffektengesetzes verwiesen, nach denen es sich verbiete, eine Verfügung mittels Zession parallel zur buchmäßigen Übertragung weiterhin zuzulassen536. Im Gesetzeswortlaut und den Materialien fand dieser Einwand zwar keine Stütze537; auch ist eine Regelung wie Art.  30 Abs.  3 BEG keineswegs ungewöhnlich, wie ein Blick auf Art.  19 Abs.  2 GWpÜ belegt538. Gleichwohl hat sich die Kritik an Art.  30 Abs.  3 BEG − jedenfalls im Ergebnis − durchgesetzt, denn durch das FinfraG wurde diese Regelung gestrichen. Daraus ist zu schließen, daß eine Abtretung von Bucheffekten nach Art.  164 ff. BEG nicht länger in Frage kommt539. Der Streit darüber, ob die Möglichkeit der Abtretung von Aktien in den Gesellschaftsstatuten ausgeschlossen werden kann540, hat sich damit zumindest im Bucheffektenkontext erledigt.

VIII. Zwangsvollstreckung International entspricht es allgemeiner Überzeugung, daß das sog. upper-tier attach­ ment – der Vollzug einer Vollstreckungsmaßnahme gegen einen Schuldner bei einer übergeordneten Verwahrungsstelle – zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Effektengirosystems ausgeschlossen sein muß541. Art.  14 Abs.  1 BEG bestimmt daher, daß eine Pfändung, ein Arrest oder eine andere vorsorgliche Maßnahme, die Bucheffek535  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9380. 536 So Dalla Torre/Germann, GesKR 2009, 573, 579 mit der Empfehlung, Art.  30 Abs.  3 BEG zu streichen. 537  Siehe die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9380, die keinen Zweifel an der Zedierbarkeit von Bucheffekten zuließ. 538  Zur Vergleichbarkeit der beiden Bestimmungen FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  30 FISA Rn.  28. 539  Steiner, GesKR 2016, 335, 346. Nicht ganz klar allerdings die Botschaft zum FinfraG, BBl. 2014, S.  7624, in der die Streichung von Art.  30 Abs.  3 BEG mit den Anpassungen in Art.  25 Abs.  1 BEG begründet wird. 540 Dazu Spoerlé, Inhaberaktie, Rn.625 ff. 541  Ausführlich zum upper-tier attachment oben §  5 II 4 c).

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

ten zum Gegenstand hat, ausschließlich bei der Verwahrungsstelle zu vollziehen ist, die das Effektenkonto des Kontoinhabers führt, dem die Bucheffekten gutgeschrieben sind. Die Bestimmung ist als Präzisierung von Art.  89 SchKG zu verstehen, der besagt, daß eine Pfändung an dem Ort, „wo die zu pfändenden Vermögensstücke liegen“, zu vollziehen ist542 . Zugleich kann man sie als Bestätigung der Rechtsprechung des Bundesgerichts auffassen, das in einem Entscheid aus dem Jahr 1976 festgestellt hatte, daß ein Anspruch des Kunden (Schuldners) gegen die Depotbank auf Herausgabe von im Ausland verwahrten Wertpapieren bei der Depotbank des Schuldners gepfändet werden kann, sofern der Schuldner im Ausland wohnt543. Die Anordnung in Art.  14 Abs.  1 BEG ist zwingend, eine Vollstreckungsmaßnahme gegen einen Kontoinhaber, die bei einer Drittverwahrungsstelle vollzogen wird, nichtig (Art.  14 Abs.  2 BEG). Das entspricht der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu Art.  89 SchKG544 .

IX.  Grenzüberschreitende Verwahrung Das Bucheffektengesetz verfolgt das Anliegen, der mediatisierten Wertpapierverwahrung einen nicht nur klaren, sondern auch international kompatiblen Rechtsrahmen zu geben. Es will damit der Tatsache Rechnung tragen, daß der überwiegende Teil der bei schweizerischen Finanzintermediären verbuchten Kapitalmarktwerte aus ausländischen Titeln besteht und über grenzüberschreitende Verwahrketten gehalten wird545. Daß das Bucheffektengesetz zur Rechtssicherheit im internationalen Verhältnis beitragen soll, ist in Art.  1 Abs.  2 Satz  2 sogar ausdrücklich festgelegt. Im folgenden soll deshalb gesondert betrachtet werden, in welchen Vorschriften und auf welche Weise das Gesetz dieses Regelungsziel zu verwirklichen versucht. Dabei gilt ein besonderes Augenmerk der Frage, welche Rechtsstellung ein Anleger erwirbt, wenn seinem Konto auslandsverwahrte Titel gutgeschrieben werden.

1.  Ermächtigung zur Drittverwahrung im Ausland Nach Art.  9 Abs.  1 Satz  1 BEG kann eine Verwahrungsstelle i. S. von Art.  4 BEG Bucheffekten, Wertpapiere oder Wertrechte auch durch eine Drittverwahrungsstelle im Ausland verwahren lassen. Auf den ersten Blick erweckt diese Ermächtigung den 542  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9358; FISA & HSC Commentary/Kuhn Art.  14 FISA Rn.  14. 543  BGE 102 III 94; siehe auch FISA & HSC Commentary/Kuhn Art.  14 FISA Rn.  5. 544  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9358 m. Verweis auf BGE 91 III 41, 88 III 7. 545  Nach Schätzungen liegt der Anteil ausländischer Titel bei 60%, siehe FISA & HSC Commentary/Graham-Siegenthaler, Art.  1 FISA Rn.  17 m. Fn.  18.

§  14  Das Bucheffektengesetz

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Eindruck, als erstrecke sie sich ausschließlich auf Titel, die nach schweizerischem Recht zur Entstehung gelangt sind. Um die angestrebte internationale Kompatibilität des Bucheffektenmodells zu gewährleisten, muß Art.  9 Abs.  1 Satz  1 BEG allerdings funktional ausgelegt werden: Als Gegenstand der Drittverwahrung – und damit als Grundlage von Bucheffekten – kommt auch ein ausländisches Finanzinstrument in Betracht, sofern es nach dem Recht des Staates, in dem es begeben worden ist und verwahrt wird, die gleiche Funktion erfüllt wie ein Wertpapier oder Wertrecht nach schweizerischem Verständnis. Das steht seit der Ergänzung von Art.  3 BEG um einen neuen Abs.  1bis durch das FinfraG außer Frage546, war aber auch schon vorher kaum bezweifelt worden547. Bereits die Botschaft hatte die gesetzliche Ermächtigung zur Einschaltung eines ausländischen Drittverwahrers mit der Erwägung gerechtfertigt, für ausländische (!) Effekten gebe es zur Verwahrung im Ausland häufig gar keine Alternative548. Weil das Auslandsgeschäft ohne die Mitwirkung ausländischer Depotstellen praktisch nicht durchzuführen wäre, ist es folgerichtig, wenn das Bucheffektengesetz davon ausgeht, daß ein Anleger, der ausländische Effekten erwirbt und über eine inländische Verwahrungsstelle hält, mit der Drittverwahrung im Ausland grundsätzlich einverstanden ist, und seine Zustimmung daher grundsätzlich für entbehrlich hält (Art.  9 Abs.  1 Satz  2 BEG)549. Auf der anderen Seite leuchtet ebenso ein, daß das Gesetz ausnahmsweise die ausdrückliche Zustimmung des Kontoinhabers verlangt, wenn eine ausländische Verwahrungsstelle eingeschaltet werden soll, die nicht einer ihrer Tätigkeit angemessenen Aufsicht untersteht (Art.  9 Abs.  2 BEG). Was „angemessene Aufsicht“ bedeutet, ist im Gesetz nicht definiert. Aus dem Wortlaut von Art.  9 Abs.  2 BEG läßt sich jedoch schließen, daß sich die Aufsicht auf die Funktion der ausländischen Verwahrungsstelle als Intermediärin beziehen muß. Eine vollständige Übereinstimmung mit schweizerischen Standards wird aber nicht verlangt550. 546  Art.  3bis BEG entspricht Art.  4 Abs.  2 des Vorentwurfs, der aber im Entwurf des Bundesrats vom 15. November 2016 nicht mehr enthalten war. Zu den Motiven für die Klarstellung siehe die Botschaft zum FinfraG, BBl. 2014, S.  7622 f. 547  So bereits Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  43; Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 106 f. Ausschließlich auf Wertpapiere und Wertrechte nach schweizerischem Verständnis fokussiert FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.  9 FISA Rn.  7/8, dessen Kritik an der systematischen Stellung von Art.  9 BEG im übrigen nicht überzeugt. Dieser Artikel gehört zu den Bestimmungen, die sich mit den Rechten und Pflichten von Verwahrungsstellen i. S. von Art.  4 BEG befassen, und wäre daher, auch soweit es um Namenaktien mit aufgeschobenem oder aufgehobenem Titeldruck geht, im OR fehl am Platz gewesen. 548  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9352. 549  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9352. 550  Im einzelnen FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.  9 FISA Rn.  11–15, der auch darauf hinweist, daß die praktische Bedeutung von Art.  9 Abs.  2 BEG begrenzt ist, weil eine „angemessene Aufsicht“ im grenzüberschreitenden Verkehr in aller Regel gegeben ist.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

Als noch offen muß die Frage bezeichnet werden, ob und in welchem Umfang eine Verwahrungsstelle den Kontoinhaber über die mit der Auslandsverwahrung verbundenen rechtlichen und operationellen Risiken aufzuklären hat. Die Botschaft verneint diese Frage lapidar mit der Bemerkung, eine solche Aufklärung müsse notgedrungen sehr allgemein und daher wenig aussagekräftig ausfallen; auch werde die Auslandsverwahrung seit jeher ohne spezifische Aufklärung praktiziert551. Ein Teil des Schrifttums sieht darin einen Widerspruch zu Art.  11 Abs.  1 lit.  a. BEHG, der einem Effektenhändler die Pflicht auferlegt, den Kunden auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verbundenen Risiken hinzuweisen. Eine Aufklärungspflicht der Verwahrungsstelle lasse sich auch aus auftragsrechtlichen Grundsätzen herleiten. Eine detaillierte, länder- und rechtsordnungsspezifische Aufklärung des Kunden verlangen aber auch diese Stimmen nicht552 . Die schweizerischen Banken orientieren sich, soweit ersichtlich, an der in der Botschaft niedergelegten Rechtsauffassung und sehen von einer Aufklärung des Kunden weiterhin ab553.

2.  Haftung der inländischen Verwahrungsstelle Neben Art.  9 BEG hat die (inländische) Verwahrungsstelle die Bestimmung des Art.  33 Abs.  2 BEG zu beachten. Sie regelt Teilaspekte der vertraglichen Haftung der Verwahrungsstelle gegenüber dem Kontoinhaber für Schäden, die aus der Hinzuziehung einer Drittverwahrungsstelle entstehen. Art.  33 Abs.  2 BEG betrifft zwar die Drittverwahrung allgemein, seine praktische Bedeutung dürfte jedoch vor allem bei der Drittverwahrung im Ausland liegen. In dieser Bestimmung geht es im Kern um die Frage, ob eine Drittverwahrungsstelle als Hilfsperson oder als Unterbeauftragte der Verwahrungsstelle zu qualifizieren ist. Im schweizerischen Recht gilt wie im deutschen der Grundsatz, daß der Schuldner das Verschulden einer Hilfsperson in gleichem Umfang zu vertreten hat wie für eigenes Verschulden (Art.  101 OR), während er bei erlaubter Substitution lediglich für gehörige Sorgfalt bei der Wahl (cura in eligendo) und Instruktion (cura in instruendo) des Dritten einzustehen hat (Art.  399 Abs.  2 OR). In der Erwägung, daß es sich zumal bei ausländischen Drittverwahrungsstellen in der Regel um unabhängige Unternehmen handelt, welche die Verwahrung in eigener Verantwortung organisieren und sich einer wirksamen Beeinflussung und Kontrolle durch inländische Depotbanken weitgehend entziehen, ordnet Art.  33 Abs.  2 BEG eine Drittverwahrungsstelle als Substitutin ein, indem er die Haftung der Verwahrungsstelle auf die gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruk551  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9352. 552 Siehe FISA & HSC Commentary/Witmer, Art.   9 FISA Rn.  20/21: Die Verwahrungsstelle müsse dem Kunden lediglich mitteilen, daß nach ihrer Einschätzung der ausländische Verwahrer keiner angemessenen Aufsicht untersteht; ferner Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 115: Die Verwahrungsstelle müsse dem Kunden zumindest die schlichte Tatsache darlegen, daß sie in ihren Handlungen von Dritten abhängig ist, für die sie nicht haften kann und will. 553  SwissBanking, Bucheffektengesetz – Antwort auf offene Fragen, Frage 9.

§  14  Das Bucheffektengesetz

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tion der Drittverwahrungsstelle beschränkt554 . In der Konsequenz dieser Erwägung liegt es, daß das Haftungsprivileg nicht besteht und die Verwahrungsstelle für das Verschulden der Drittverwahrungsstelle wie für eigenes Verschulden haftet, wenn die Drittverwahrungsstelle für die Verwahrungsstelle selbständig und dauernd die gesamte Effektenverwaltung und -abwicklung erledigt555 oder mit der Verwahrungsstelle eine wirtschaftliche Einheit bildet (Art.  33 Abs.  4 BEG). Eine leichte Verschärfung gegenüber Art.  399 Abs.  2 OR besteht jedoch nach Art.  33 Abs.  2 BEG darin, daß die Verwahrungsstelle auch dazu verpflichtet ist, die dauernde Einhaltung der Kriterien zu überwachen, nach denen sie die Drittverwahrungsstelle ausgewählt hat. Auswahlkriterium kann z. B. das Rating der Drittverwahrungsstelle sein556. Art.  33 Abs.  2 BEG ist grundsätzlich zwingend. Abweichende Abreden sind – innerhalb der von Art.  100 OR gezogenen Grenzen – nur im Verhältnis zwischen Verwahrungsstellen557 oder zugunsten des Anlegers wirksam (Art.  33 Abs.  5 BEG). Freilich gilt dies nur mit einer Einschränkung: Hat die Verwahrungsstelle Bucheffekten auf ausdrückliche Weisung des Kontoinhabers bei einer von ihr dafür nicht empfohlenen Drittverwahrungsstelle hinterlegt, kann sie sich von der Haftung nach Art.  33 Abs.  2 BEG freizeichnen (Art.  33 Abs.  3 BEG). Die Drittverwahrung geschieht dann auf Risiko des Kontoinhabers558.

3.  Rechtsstellung des Anlegers Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß auch ausländische Finanzin­ strumente Grundlage von Bucheffekten sein können, sofern sie nach dem Recht des Staates, in dem sie begeben worden sind und verwahrt werden, die gleiche Funktion erfüllen wie Wertpapiere oder Wertrechte nach schweizerischem Verständnis. Das führt zu der Frage, welche Rechtsstellung ein Anleger erwirbt, wenn seinem Konto ausländische Titel gutgeschrieben werden. Das Bucheffektengesetz befaßt sich damit in Art.  10 Abs.  2 BEG. Diese Vorschrift kommt zur Anwendung, wenn die Drittverwahrung einer anderen als der schweizerischen Rechtsordnung untersteht559, und 554  So schon zum alten Recht Zobl, SZW 2001, 105, 119. Siehe für das deutsche Recht auch die mit Art.  33 Abs.  2 BEG übereinstimmende Haftungsregelung in Nr.  19 Abs.  2 Satz  1 SBW. 555  Damit sind die Fälle der Auslagerung des Depotgeschäfts im Sinne des FINMA-Rundschreibens 2008/7 („Outsourcing Banken“) gemeint, siehe FISA & HSC Commentary/Ammann, Art.  33 FISA Rn.  37. 556  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9383; FISA & HSC Commentary/Ammann, Art.  33 FISA Rn.  31. 557 Sie bedürfen keines besonderen Schutzes, siehe Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9384. 558  Siehe aber Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9384, wonach die Verwahrungsstelle nach den Grundsätzen des Auftragsrechts die Pflicht treffen kann, den Kontoinhaber unter Umständen über die Risiken der Verwahrung durch die von ihm gewählte Verwahrungsstelle aufzuklären. 559  Gemäß Art.  4 HWpÜ ist das anwendbare Recht für jedes Glied der Verwahrkette gesondert zu bestimmen. Dazu sogleich unter XI.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

bestimmt für diesen Fall, daß der Kontoinhaber mit der Gutschrift zumindest Rechte entsprechend den Rechten erwirbt, welche die Verwahrungsstelle aus der Drittverwahrung erhält. Diese auffallend knappe Bestimmung impliziert, daß der Kontoinhaber mit der Gutschrift ausländischer Wertpapiere auf seinem Konto Bucheffekten i. S. von Art.  3 BEG erwirbt, unabhängig davon, welche Rechtsstellung die inländische Verwahrungsstelle in bezug auf die über die ausländische Drittverwahrungsstelle gehaltenen Papiere innehat. Es wäre also verfehlt, den Kontoinhaber wie nach altem Recht als treuhänderischen Eigentümer der ausländischen Wertpapiere und die inländische Verwahrungsstelle dementsprechend als Treuhänderin des Kontoinhabers zu betrachten. So richtet sich die Absonderung von Depotwerten des Kunden im Konkurs der inländischen Verwahrungsstelle nach Art.  17 ff. BEG, nicht nach allgemeinen treuhandrechtlichen Grundsätzen560. Art.  10 Abs.  2 BEG impliziert weiter, daß die Gutschrift ausländischer Titel dem Anleger nicht notwendigerweise das gleiche Bündel an Rechten vermittelt, das dieser beim Erwerb schweizerischer Titel erhält. Insbesondere kann der Anleger nicht immer davon ausgehen, Forderungs- bzw. Mitgliedschaftsrechte unmittelbar gegenüber dem Emittenten zu erwerben, wie dies nach der Umschreibung des Begriffs „Bucheffekte“ in Art.  3 Abs.  1 BEG eigentlich der Fall sein müßte. Man denke etwa daran, daß ein schweizerischer Anleger über seine Depotbank US-amerikanische Aktien kauft, bei denen der Zentralverwahrer DTC unter dem Namen „Cede & Co.“ als record owner in das Aktienregister des Emittenten eingetragen ist. Für die Art.  3 Abs.  1 BEG zugrundeliegende (und in Art.  13 Abs.  1 BEG bestätigte) Annahme, zwischen Anleger und Emittent bestehe eine unmittelbare rechtliche Beziehung, ist unter diesen Umständen von vornherein kein Raum561. Das bislang noch spärliche Schrifttum zu Art.  10 Abs.  2 BEG sieht die praktische Bedeutung dieser Vorschrift denn auch eher in den Fällen, in denen der inländischen Verwahrungsstelle gegenüber der ausländischen Drittverwahrungsstelle nach dem zur Anwendung berufenen ausländischen Recht nicht einmal diejenigen Rechte zustehen, die international als harter Kern der Rechtsstellung eines jeden Kontoinhabers verstanden werden. Es sind dies (1) das Recht, alle mit den Wertpapieren verbundenen Rechte auszuüben bzw. in den Genuß der daraus fließenden Erträge zu kommen, (2) das Recht, über die eigenen Depotwerte nach Belieben zu verfügen und (3) das Recht auf Absonderung im Konkurs des Verwahrers562 . Denkbar ist zum Beispiel, daß der inländischen Verwahrungsstelle gegen den ausländischen Drittverwahrer nicht mehr als eine einfache Forderung zusteht mit der Folge, daß sie in der Insolvenz des Drittverwahrers keinen besonderen Schutz genießt. Unter diesen Umständen hat es keinen Sinn, die inländische Verwahrungsstelle für verpflichtet zu halten, im Interesse der Depotkunden die Absonderung der Depotwerte beim Drittverwahrer geltend zu machen 560 

FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  10 FISA Rn.  67. Insofern m. E. zu knapp FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  10 FISA Rn.  66. 562 FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.   10 FISA Rn.  60 unter Hinweis auf den Katalog in Art.  9 GWpÜ. 561 

§  14  Das Bucheffektengesetz

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(vgl. Art.  18 BEG). Zur Debatte steht hier allein die Pflicht der Verwahrungsstelle, alle Maßnahmen zu ergreifen, die einem schlichten Konkursgläubiger zur Sicherung und Durchsetzung seiner Forderung zur Verfügung stehen, und ggf. den eingezogenen Erlös anteilig an die Kontoinhaber abzuführen. Gemäß dem Grundsatz „nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet“ soll die inländische Verwahrungsstelle ihren Kontoinhabern nicht mehr Rechte vermitteln müssen, als sie selbst gegenüber dem ausländischen Drittverwahrer geltend machen kann. Art.  10 Abs.  2 BEG ist somit vor allem für die Fälle gedacht, in denen die auf die einzelnen Glieder der Verwahrungskette anwendbaren Rechtsordnungen in den für die Rechtsstellung des Kontoinhabers wesentlichen Punkten nicht vollständig übereinstimmen. Seine Bedeutung wird in dem Maße abnehmen, in dem sich die nationalen Verwahrrechte einander angleichen563. Soweit ersichtlich, ist in der Schweiz bislang noch nicht über die Frage diskutiert worden, ob eine Depotgutschrift dem Anleger unter Umständen auch das Miteigentum an einem ausländischen Sammelbestand und damit eine direkte Rechtsträgerschaft an den als Unterlage der Bucheffekten dienenden Wertpapieren vermitteln kann. Diese Frage betrifft vor allem den Verkehr mit Deutschland und Österreich: Es möge z. B. ein schweizerischer Anleger über seine Depotbank deutsche Aktien erwerben, die in Form einer Globalurkunde bei der Clearstream Banking AG hinterlegt und in die gegenseitige Kontoverbindung mit der SIS einbezogen sind. Erwirbt der schweizerische Anleger in diesem Fall auch einen Miteigentumsanteil an der Urkunde? Art.  10 Abs.  2 BEG dürfte dem grundsätzlich nicht entgegenstehen, sieht er doch vor, daß eine Gutschrift dem Kontoinhaber „zumindest“ Rechte entsprechend den Rechten vermittelt, welche die Verwahrungsstelle aus der Drittverwahrung erhält564 . Für die Möglichkeit, Miteigentumsanteile an auslandsverwahrten Wertpapieren zu erwerben, spricht auch der bereits erwähnte Umstand, daß auch ausländische Wertpapiere als Grundlage von Bucheffekten dienen können, sofern sie Wertpapieren nach schweizerischem Verständnis funktional entsprechen. Das ist bei Globalurkunden i. S. von §  9a DepotG zweifellos der Fall. Ob dieser Frage jemals praktische Bedeutung zukommen wird, ist jedoch zu bezweifeln. Denn auch in grenzüberschreitenden Konstellationen wird man annehmen müssen, daß aus Sicht des schweizerischen Rechts etwaige Miteigentumsrechte des Anlegers an den zugrundeliegenden Wertpapieren für die Dauer der mediatisierten Wertpapierverwahrung suspendiert sind.

563 

FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  10 FISA Rn.  5 und 59. So wohl auch die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9353. 564 

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

X.  Internationales Privatrecht Zusammen mit dem Bucheffektengesetz ist zum 1. Januar 2010 ein neues Kapitel 7a des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) in Kraft getreten565. Es trägt die Überschrift „Intermediärverwahrte Wertpapiere“ und besteht aus vier Artikeln (Art.  108a bis 108d IPRG). Kernbestimmung ist Art.  108c IPRG, mit dem das Haager Übereinkommen vom 5. Juli 2006 über die auf bestimmte Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung (Haager Wertpapierübereinkommen – HWpÜ) als autonomes Recht in das schweizerische Recht übernommen worden ist. In ihrem Bericht vom 15. Juni 2004 hatte sich die technische Arbeitsgruppe für eine rasche Ratifikation des Haager Wertpapierübereinkommens ausgesprochen, für eine Anpassung des IPRG aber keine Notwendigkeit gesehen. Sie hatte dies damit begründet, daß nach Art.  1 Abs.  2 IPRG völkerrechtliche Verträge den einschlägigen Bestimmungen des IPRG vorgehen und das Übereinkommen in seinem Bereich eine lückenlose Regelung des Kollisionsrechts schaffe, die keiner Einführungsgesetzgebung bedürfe566. Dahinter stand offensichtlich die Erwartung, das Übereinkommen werde in absehbarer Zeit völkerrechtlich in Kraft treten. Als der Ratifikationsprozeß insbesondere wegen der kritischen Haltung einiger EU-Länder erheblich ins Stocken geriet, entschied sich der schweizerische Gesetzgeber „aufgrund der Dringlichkeit, das IPR der mediatisierten Wertpapierverwahrung zu modernisieren“, für eine integrale Übernahme des Übereinkommens in das IPRG567. Rechtstechnisch wurde dies dadurch erreicht, daß dem Verweis von Art.  108c IPRG auf das Übereinkommen vorerst konstitutive Wirkung beigemessen wurde. Mit dem völkerrechtlichen Inkrafttreten des Übereinkommens wird Art.  108c IPRG nur noch deklaratorische Bedeutung haben568. Mit der Schaffung eines eigenen Kapitels unmittelbar nach dem Kapitel über das Sachenrecht (Kapitel 7, Art.  97–108 IPRG) wollte der Gesetzgeber der Tatsache gerecht werden, daß intermediärverwahrte Wertpapiere nicht bloß sachenrechtliche Fragen betreffen, sondern am ehe­ sten als Rechte sui generis einzuordnen sind569. Das Haager Wertpapierübereinkommen wird an späterer Stelle ausführlich behandelt. Hier muß ein kurzer Hinweis auf das Zusammenspiel zwischen der Hauptanknüpfungsregel des Art.  4 HWpÜ und dem Übertragungstatbestand des 565  Eingefügt durch Art.  2 des Bundesbeschlusses vom 3. Oktober 2008 über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung, AS 2009, S.  6579. 566  Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  95. 567  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9399. 568  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9399; Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  42 Rn.  72. 569  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9400 f.; siehe ferner FISA & HSC Commentary/Guillaume, Conflict of Laws – Prel. Remarks, Rn.  11.

§  14  Das Bucheffektengesetz

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Art.  24 Abs.  1 BEG genügen. Art.  4 HWpÜ vollzieht einen klaren Bruch mit der allgemein für ungeeignet gehaltenen Situs-Regel, indem er bestimmt, daß sich Rechtsnatur, Begründung und Untergang von Rechten an intermediärverwahrten Wertpapieren nach dem von den Parteien des Depotvertrages (Depotinhaber und Intermediär) gewählten Recht richten. Soweit die Übertragung von Wertpapieren eine ganze Kette von Buchungen auf den verschiedenen Ebenen der Verwahrpyramide auslöst, ist das anwendbare Recht für jedes Glied dieser Kette gesondert zu bestimmen. Zu klaren Ergebnissen führt eine solche separate Anknüpfung jedoch nur, wenn auch die jeweils anwendbare Rechtsordnung auf einem stage-by-stage approach basiert und von einer ausschließlich gegenüber dem kontoführenden Intermediär bestehenden Berechtigung des Kontoinhabers ausgeht, wie dies etwa beim security entitlement nach Art.  8 UCC oder der Gutschrift in Wertpapierrechnung der Fall ist. Dagegen können erhebliche Rechtsunsicherheiten auftreten, wenn der stage-by-stage approach des Übereinkommens auf sachenrechtlich geprägte Verwahrsysteme trifft, die von einem derivativen Rechtserwerb, genauer: davon ausgehen, daß der Erwerber am Ende der Buchungskette exakt jene Rechtsposition erhält, die zuvor der Veräußerer am Anfang der Buchungskette innehatte. Dann nämlich beurteilt sich die Wirksamkeit einer einheitlichen Verfügung ggf. nach mehreren Rechtsordnungen, die in den für die Wirksamkeit des Rechtswerbers wesentlichen Fragen nicht notwendigerweise übereinstimmen müssen570. In der Botschaft findet sich die Einschätzung, das Konzept der Bucheffekte sei mit dem Haager Wertpapierübereinkommen „ohne weiteres vereinbar, auch wenn die Bucheffekte als direkte rechtliche Beziehung zwischen Anlegerin oder Anleger und Emittentin (Art.  3 BEG) verstanden wird“. Denn nach diesem Konzept „ist die Gutschrift im Effektenkonto für die Entstehung von und die Verfügung über Bucheffekten konstitutiv. Massgeblich ist dabei die Gutschrift im Effektenkonto, das die Verwahrungsstelle führt, mit welcher die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber in einer direkten Beziehung steht“571. Aber damit wird das entscheidende Problem ausgeblendet. Es besteht darin, daß mit dem Bucheffektengesetz der Abschied vom Sachenrecht nicht in letzter Konsequenz vollzogen wurde, und zwar deshalb nicht, weil dem Übertragungstatbestand des Art.  24 Abs.  1 BEG nach wohl überwiegender Auffassung noch die Vorstellung eines derivativen Direkterwerbs des Anlegers zugrundeliegt. Anders, als die Botschaft suggeriert, ist es also gerade nicht so, daß die schweizerische Rechtsordnung den stage-by-stage approach des Übereinkommens in ihrem Sachrecht vollständig nachbildet und die Verfügung über intermediärverwahrte Wertpapiere als Rechtsgeschäft gegenüber dem Intermediär versteht572 . Zu 570  Dieses Problem wurde bei den Verhandlungen über das Haager Wertpapierübereinkommens offenbar unterschätzt; ausführlich dazu unten §  15 IV 2 c). 571  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9397. 572  Vgl. nochmals die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9397.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

einer anderen Beurteilung käme man nur, wenn man die Übertragungsvorgänge im Effektengiroverkehr als eine Kette selbständiger Verfügungen i. S. von Art.  24 Abs.  1 BEG, also so interpretierte, daß die Rechtsposition „Bucheffekte“ von Stufe zu Stufe bis zum endgültigen Erwerber weiterübertragen wird. Die Botschaft folgt dieser Interpretation aber gerade nicht. Im Schrifttum hat eine ausführliche Diskussion über dieses Problem bislang noch nicht stattgefunden573.

XI. Gesamtbewertung Soweit ersichtlich, ist das Inkrafttreten des Bucheffektengesetzes sowohl von der Wissenschaft als auch der Praxis einmütig begrüßt worden574 . Soweit bislang Kritik geäußert wurde, bezog sie sich lediglich auf bestimmte regelungstechnische Details und das nach Meinung einiger nicht hinreichend klar geregelte Verhältnis zwischen den Spezialvorschriften des BEG einerseits und den allgemeinen Vorschriften des OR und ZGB andererseits (Stichwort: Füllung von Gesetzeslücken), nicht aber auf das Konzept der Bucheffekte als solches575. In der Tat stellt das Bucheffektengesetz gegenüber dem vorherigen Rechtszustand eine klare Verbesserung dar. Bis zum 1. Januar 2010 mußte sich der Effektengiroverkehr in der Schweiz mit den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen behelfen, die durch Börsenregularien und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken sowie des Zentralverwahrers SIS ausgefüllt und konkretisiert wurden. Auf die mediatisierte Wertpapierverwahrung zugeschnittene Spezialvorschriften gab es nur vereinzelt. Sammelverwahrte Wertpapiere und Globalurkunden auf der einen und Wertrechte auf der anderen Seite wurden aus historisch-dogmatischen Gründen nach unterschiedlichen Regelungen behandelt, ohne daß diese Zweiteilung von der Sache her geboten oder auch nützlich gewesen wäre. Es hat denn auch nicht an Versuchen gefehlt, Wertrechte, bei denen es sich nach schweizerischem Verständnis um rein obligatorische Rechte ohne dinglichen Charakter handelt, so weit wie möglich sammelverwahrten Wertpapieren und Globalurkunden anzunähern. Auf nicht wenige für die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs wesentliche Rechtsfragen (z. B. Wirkung der Depotgutschrift, Rechtsscheinbasis beim gutgläubigen Erwerb) gab es keine klaren Antworten. Ebenso wie in Deutschland mußte das Effektengirosystem mit komplizierten dogmatischen Konstruktionen unterlegt werden, deren Lebensfremdheit und Künstlichkeit nicht zu übersehen war.

573  Siehe die uneingeschränkt positive Bewertung des Haager Wertpapierübereinkommens bei Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  42 Rn.  79; Costantini, SJZ 106 (2010), 366, 368 ff. 574  Siehe etwa aus Sicht eines (bei der SIS beschäftigten) Praktikers Ammann, Der Schweizer Treuhänder 2006, 524, 525; ferner Schmid-Tschirren, in: Festschrift für Heinrich Koller, S.  183, 193. 575  Peter V. Kunz, in: Emmenegger (Hrsg.), Anlagerecht, S.  25, 56 f.

§  14  Das Bucheffektengesetz

513

Nunmehr verfügt die Schweiz mit dem Bucheffektengesetz über ein spezielles Regelwerk, in dem so gut wie alle wesentlichen Fragen – darunter der Ausschluß des sog. upper tier attachment, das Nutzungsrecht der Verwahrungsstelle sowie die Bestellung und Verwertung von Sicherheiten – geregelt sind und das auch wegen seiner weitgehenden Kompatibilität mit dem Genfer Wertpapierübereinkommen für sich in Anspruch nehmen darf, zu den modernsten Depotrechtskodifikationen der Welt zu gehören576. Der besondere Charme dieses Gesetzes liegt in seinem pragmatischen Ansatz: Es hat nicht mit den hergebrachten Emissionspraktiken und Verwahrungskonzepten gebrochen, sondern überlagert sie mit neuen Bestimmungen, in deren Zentrum die Bucheffekte als neuartiges Vermögensobjekt sui generis steht und die unabhängig davon gelten, ob das verbuchte Recht – die Bucheffekte – mit sammelverwahrten Wertpapieren, Globalurkunden oder Wertrechten unterlegt ist. Auf grundlegende Eingriffe in das Wertpapier-, Sachen- und Gesellschaftsrecht, die das Gesetzgebungsverfahren erheblich verzögert hätten und die vielleicht auch gar nicht durchsetzbar gewesen wären, konnte dank dieses Ansatzes verzichtet werden577. Auch die praktischen Abläufe der Wertpapierverwahrung und -abwicklung konnten fast vollständig beibehalten werden. Kostspielige Anpassungen der komplexen IT-Systeme der Verwahrungsstellen waren nicht erforderlich578. Die vorstehende Analyse hat allerdings gezeigt, daß das Bucheffektengesetz auch eine Reihe von Unstimmigkeiten aufweist und auf einige konzeptionelle Schlüsselfragen keine eindeutigen Antworten bereithält. Zwar wird sich angesichts des eindeutigen Wortlauts von Art.  3 Abs.  1 BEG nicht ernsthaft bestreiten lassen, daß das Bucheffektengesetz an der Vorstellung einer unmittelbaren rechtlichen Beziehung zwischen Anleger und Emittent festhält. Der im Schrifttum zum Teil gezogene Vergleich mit dem security entitlement US-amerikanischer Prägung beruht offenkundig auf einem Mißverständnis. Und die Frage, welche Auswirkungen die Entstehung von Bucheffekten auf die ursprüngliche Verknüpfung von Recht und Urkunde sowie auf die Rechte der Hinterleger an den von ihnen eingebrachten Urkunden hat, kann man noch als theoretisches Randproblem abtun. Denn das Bucheffektengesetz läßt ja keinen Zweifel daran, daß, wenn Bucheffekten erst einmal entstanden sind, sich die Rechte der Anleger an den von ihnen gehaltenen Depotwerten ausschließlich nach den Vorschriften dieses Gesetzes richten. Schon schwerer wiegt allerdings, daß das Gesetz keine eindeutige Aussage zu der Frage trifft, ob ein Anleger, dem nach Art.  24 Abs.  1 BEG Bucheffekten gutgeschrieben werden, die Bucheffekten direkt vom bishe576 Weitergehend Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  19, der das BEG für das „zurzeit modernste Gesetz [hält], das zur Verfügung steht, um die Rechtsverhältnisse an intermediär verwahrten Wertpapieren zu klären“. Das entspricht der Einschätzung von Lehmann, Finanzinstrumente, S.  89. Etwas zurückhaltender Peter V. Kunz, in: Emmenegger (Hrsg.), Anlagerecht, S.  25, 57: Das BEG sei „sicherlich international ‚en vogue‘ “, stelle aber „keine Avant-Garde dar“ (Hervorhebungen im Original). 577  Vgl. auch Peter V. Kunz, in: Emmenegger (Hrsg.), Anlagerecht, S.  25, 37 (keine Änderung des materiellen Wertpapierbegriffs). 578  Peter V. Kunz, in: Emmenegger (Hrsg.), Anlagerecht, S.  25, 56.

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Dritter Teil:  Intermediärverwahrte Wertpapiere im schweizerischen Recht

rigen Rechtsinhaber erwirbt oder ob auf seiten der eingeschalteten Intermediäre ein Zwischenerwerb stattfindet, und wie ein (derivativer) Direkterwerb des Anlegers ggf. zu konstruieren ist. Weiter bedarf dringend der Klärung, ob auch bei der Verpfändung von Bucheffekten das Akzessorietätsprinzip gilt oder die Verfügungsregeln des Bucheffektengesetzes als Ausnahme von diesem Grundsatz zu verstehen sind. In welchem Maße die Praxistauglichkeit des Bucheffektengesetzes durch diese – bei einem neuen Gesetz nahezu unvermeidbaren – Unvollkommenheiten beeinträchtigt wird, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Ungeachtet dessen steht außer Frage, daß das Gesetz, indem es in bemerkenswerter Weise die traditionellen Verwahrungskonzepte mit dem neuartigen, speziellen Regelungen unterliegenden Vermögensobjekt „Bucheffekte“ verknüpft, eine Fülle von Anregungen für eine Reform des deutschen Depotrechts liefert.

Vierter Teil

Depotrechtsharmonisierung Wie an verschiedenen Stellen dieser Untersuchung deutlich geworden ist, besteht im internationalen Effektengiroverkehr ein nicht zu unterschätzendes Maß an Rechtsunsicherheit, das zum einen auf die Verschiedenartigkeit der materiellrechtlichen Konzepte in bezug auf die mediatisierte Wertpapierverwahrung, zum anderen auf das Fehlen eines einheitlichen, weltweit anerkannten Ansatzes zur Bewältigung der kollisionsrechtlichen Probleme in diesem Bereich zurückzuführen ist. Zwar hat die Europäische Gemeinschaft (jetzt: Europäische Union) vor 15 Jahren damit begonnen, diese Hindernisse im Interesse der Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes Schritt für Schritt zu beseitigen. Die seither erlassenen Rechtsakte – zu nennen sind vor allem die Finalitätsrichtlinie von 1998 und die Finanzsicherheitenrichtlinie von 2002 – betreffen aber nur bestimmte Teilbereiche und -aspekte der mediatisierten Wertpapierverwahrung. Von einer „flächendeckenden“ Rechtsharmonisierung sind sie weit entfernt1. Da sie von den Mitgliedstaaten nicht einheitlich umgesetzt wurden – der deutsche Gesetzgeber ist zum Beispiel in §  17a DepotG über die Vorgaben von Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL hinausgegangen –, haben sie trotz ihres unbestreitbaren Nutzens das Problem der Rechtsfragmentierung sogar in gewisser Hinsicht noch verschärft. Im folgenden sind jene europäischen und internationalen Initiativen zur Harmonisierung des Rechts der mediatisierten Wertpapierverwahrung vorzustellen und auf ihre Auswirkungen auf das deutsche Recht zu untersuchen, die in ihrer Reichweite über den bisherigen status quo hinausgehen. Zu beginnen ist mit dem Haager Wertpapierübereinkommen, mit dem auf internationaler Ebene die Harmonisierung des Internationalen Privatrechts der intermediärverwahrten Wertpapiere in Angriff genommen worden ist (unter §  13). Sodann ist auf das am 9. Oktober 2009 verabschiedete Genfer Wertpapierübereinkommen einzugehen, das sich – gleichfalls aus internationaler Perspektive – mit den materiellrechtlichen Aspekten der mediatisierten Wertpapierverwahrung befaßt (unter §  14). Zum Schluß ist zu fragen, wie es derzeit um die Harmonisierungsbemühungen der Europäischen Union bestellt ist (unter §  15).

1 

Von „pointillistischer“ Gesetzgebung spricht Keller, BKR 2002, 347, 348.

§  15  Haager Wertpapierübereinkommen I. Entstehungsgeschichte Am 13. Dezember 2002 hat die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht2 im Rahmen ihrer 19. Diplomatischen Konferenz das Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte in bezug auf intermediärverwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (Haager Wertpapierübereinkommen – HWpÜ) verabschiedet3. Es liegt derzeit beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande, dem Verwahrer des Übereinkommens, zur Zeichnung auf. Gemäß Art.  19 tritt das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der dritten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde gemäß Art.  17 folgt4 . Gemessen an der hochgradigen Komplexität der Materie war der Verabschiedung des Übereinkommens eine überraschend kurze Vorbereitungs- und Verhandlungsphase vorausgegangen, die von der Haager Konferenz selbst als fast-track-procedure bezeichnet wurde. Zwischen der von der Special Commission on General Affairs and Policy im Mai 2000 auf einen Vorschlag der USA, Australiens und Großbritanniens ausgesprochenen Empfehlung, das Problem der kollisionsrechtlichen Behandlung intermediärverwahrter Wertpapiere in das Arbeitsprogramm der Organisation aufzunehmen5, und der Annahme des endgültigen Konventionstextes durch die 19. Diplomatische Konferenz lagen gerade einmal zweieinhalb Jahre6. Als Grundlage der 2  Ein lesenswerter Überblick über die Verdienste der Haager Konferenz auf dem Gebiet der Kollisionsrechtsvereinheitlichung findet sich bei v. Bar/Mankowski, IPR I, §  3 Rn.  51 ff. Sie werten das Haager Wertpapierübereinkommen als Versuch der Konferenz, der Verminderung der eigenen Bedeutung entgegenzuwirken, und warnen davor, „zu stark der bei diesem Projekt wieder aufscheinenden Gefahr zu erliegen, für immer kleinere Bereiche immer spezieller Kollisionsnormkomplexe zu entwerfen und dadurch das IPR einerseits zu atomisieren und andererseits für Praktiker kaum mehr überschaubar zu machen.“ 3  Deutsche Übersetzung unter https://assets.hcch.net/upload/text36d.pdf. 4 Sein Datum hat das Übereinkommen mit der Zeichnung durch die ersten beiden Staaten (Schweiz und die USA) am 5. Juli 2006 erhalten. 5  Nr.  19 der Conclusions of the Special Commission of May 2000 on General Affairs and ­Policy of the Conference, Prel. Doc. No 10 of June 2000 for the attention of the Nineteenth Session, S.  30 f. 6  Ege, Kollisionsrecht, S.  132. Siehe auch Kreuzer, in: Mélanges en l’honneur de Paul Lagarde, S.  523, 525 (einmalig schnelles Verfahren); Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 33, 34 (Kürze der Zeitspanne „geradezu sensationell“). Für eine vollständige Chronologie siehe Goode/Kanda/ Kreuzer, Explanatory Report, Int-1 bis Int-15 sowie Anhang 2.

518

Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

Verhandlungen diente ein von Christophe Bernasconi, dem damaligen Ersten Sekretär des Ständigen Büros der Haager Konferenz, erstellter Bericht, der im November 2000 als erstes vorbereitendes Dokument veröffentlicht wurde (sog. Bernasconi-Bericht)7. Nicht minder wichtig für das Verständnis des Übereinkommens ist – neben den sonstigen vorbereitenden Dokumenten – der Anfang 2005 erschienene Erläuternde Bericht, der von den Professoren Roy Goode, Hideki Kanda und Karl Kreuzer verfaßt wurde. Angesichts der Erarbeitung und Verabschiedung des Haager Wertpapierübereinkommens im Rahmen einer fast-track-procedure sollte man annehmen, daß das Ziel, durch Schaffung einheitlicher kollisionsrechtlicher Bestimmungen einen Teil der im internationalen Effektengiroverkehr bestehenden Rechtsrisiken zu eliminieren, von allen Mitgliedstaaten der Haager Konferenz – darunter auch sämtlichen EU-Mitgliedstaaten – als überragend wichtig angesehen wurde8. Tatsächlich aber besteht zwischen der beachtlichen Geschwindigkeit, in der dieses Projekt zum Abschluß gebracht wurde, und der bislang äußerst reservierten Aufnahme durch die Mitgliedstaaten eine derart große Diskrepanz, daß das Übereinkommen aus heutiger Sicht als Mißerfolg gelten muß9. Bislang wurde es erst von drei Staaten unterzeichnet: von den USA und der Schweiz am 5. Juli 2006, von Mauritius – das zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal Mitglied der Haager Konferenz war und ihr erst am 19. Januar 2011 beigetreten ist – am 28. April 2008. Die Schweiz und Mauritius haben das Übereinkommen am 14. September bzw. 15. Oktober 2009 ratifiziert, die USA folgten am 15. Dezember 201610. Gemäß seinem Art.  19 ist das Übereinkommen am 1. April 2017 in Kraft getreten. Was die Europäische Union betrifft, deutete zwar zunächst einiges auf einen raschen Erfolg des Haager Wertpapierübereinkommens hin11. So unterbreitete die Kommission, die in der Endphase im Namen der Gemeinschaft die Verhandlungen über das Übereinkommen geführt hatte, am 15. Dezember 2003 einen Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Unterzeichnung des Übereinkommens12 . Sie vertrat 7  Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Prel. Doc. No 1 of November 2000. 8  Zum (angeblichen) Zeitdruck siehe auch die Wiedergabe der Einschätzung der Experten aus Australien, den USA und Großbritannien in Nr.  19 der Conclusions of the Special Commission of May 2000 on General Affairs and Policy of the Conference, Prel. Doc. No 10 of June 2000, S.  30: „The experts were of the opinion that this matter was timely and important, and needed to be addressed quickly.“ 9  Etwas moderater in der Formulierung, aber übereinstimmend in der Sache Hennrich, Aktienverpfändung, S.  191 f. 10  Zum Status des Übereinkommens siehe http://www.hcch.net/index_de.php?act=conventions. status&cid=72. 11 Zum Ablauf der Diskussion auf EU-Ebene siehe auch Kronke, in: Festschrift für Müller-Graff, S.  759, 762 ff. 12  Es besteht Einigkeit darin, daß die (Außen-)Kompetenz zur Zeichnung und Ratifikation des Haager Wertpapierübereinkommens jedenfalls auch bei der Europäischen Union liegt, da es um einen Bereich geht, in dem die Union über eine entsprechende Binnenkompetenz verfügt, von der sie mit Erlaß der Finalitäts- und der Finanzsicherheitenrichtlinie auch bereits Gebrauch gemacht

§  15  Haager Wertpapierübereinkommen

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die Einschätzung, daß „die Umsetzung des Haager Wertpapier-Übereinkommens in beträchtlichem Maße zum Ausbau des freien Kapitalverkehrs im Binnenmarkt und weltweit beitragen wird“, und wertete die Unterzeichnung als „wichtiges politisches Signal“ für alle betroffenen Parteien. Die Kommission war sich vollkommen darüber im klaren, daß der Erfolg des Übereinkommens entscheidend von der Unterzeichnung durch die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten sowie „durch so viele maßgebliche Drittländer wie möglich“ abhängt13. Erst im Anschluß an den Kommissionsvorschlag entwickelte sich jene intensive Diskussion über die möglichen Auswirkungen einer Übernahme des Übereinkommens, die vor dessen Verabschiedung durch die Haager Konferenz zu erwarten gewesen wäre14 . Nicht zuletzt aufgrund kritischer Stellungnahmen der Europäischen Zentralbank und des Europäischen Bankenverbandes geriet der Zeichnungsprozeß erheblich ins Stocken. Die Europäische Zentralbank wies insbesondere darauf hin, daß bereits die Finalitäts- und die Finanzsicherheitenrichtlinie einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit innerhalb der Gemeinschaft geleistet hätten. Nach dem Übereinkommen könnten möglicherweise innerhalb ein und desselben Ab­ wicklungs­systems bzw. Zentralverwahrers verschiedene divergierende Rechtsordnungen zur Anwendung kommen. Im Rahmen einer Folgenabschätzung müsse deshalb sorgfältig untersucht werden, ob der Ansatz des Übereinkommens ein höheres Schutzniveau als die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft biete15. Überdies plädierte die Europäische Zentralbank dafür, eine Reform des Wertpapierkollisionsrechts als Teil einer weiterreichenden Reform zu behandeln, die auch Aspekte des materiellen Rechts umfaßt. Sie verwies insofern auf die Einrichtung der Arbeitsgruppe Rechtssicherheit, durch die sich die einmalige Gelegenheit biete, beide Reformen zu kombinieren und eine einheitliche, konsistente Lösung zu erzielen16. Im wesentlihat. Es kann also keiner der EU-Mitgliedstaaten Partei des Übereinkommens werden, ohne daß zugleich die Europäische Union, die seit dem 3. April 2007 selbst Mitglied der Haager Konferenz ist, Vertragspartei wird. Das HWpÜ sieht denn auch in Art.  18 Abs.  1 vor, daß „eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die von souveränen Staaten gebildet wird und für bestimmte durch dieses Übereinkommen erfasste Fragen zuständig ist“, das Übereinkommen ebenso unterzeichnen, annehmen, genehmigen oder ihm beitreten kann wie ein Staat. Umstritten ist allerdings, ob der Europäischen Union die ausschließliche Abschlußkompetenz zusteht oder vielmehr von einer geteilten Abschlußkompetenz auszugehen ist. Für die erstgenannte Ansicht Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 143; wohl auch Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 33, 48; a. A. Ege, Kollisionsrecht, S.  209; Wust, Verbuchung, S.  405. 13  KOM(2003) 783 endg., Ziffern 8 und 13. 14 Für eine ausführliche Darstellung des Diskussionsverlaufs Ege, Kollisionsrecht, S.  210 ff.; Wust, Verbuchung, S.  406 ff. 15  Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 17. März 2005 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (KOM(2003) 783 endg.), ABl. Nr. C 81 vom 2. April 2005, Rn.  9, 11 und 20. 16  Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 17. März 2005 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

chen die gleichen Bedenken wurden vom Europäischen Bankenverband geltend gemacht. Er kritisierte außerdem die fehlende materiellrechtliche Neutralität des Übereinkommens. Dessen Kollisionsregeln wichen von den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ab und seien einseitig an security entitlement-Konzepten US-amerikanischer Art ausgerichtet. Da diese Regeln es US-amerikanischen Marktteilnehmern erleichterten, ihren Vertragspartnern ihr eigenes Recht aufzuzwingen, drohe den europäischen Banken bei Umsetzung des Übereinkommens ein Wettbewerbsnachteil17. Der Empfehlung der Europäischen Zentralbank folgend, forderte der Rat am 25. Juni 2005 die Kommission auf, zu vier bestimmten Rechtsfragen des Übereinkommens Stellung zu beziehen: (1) zum Anwendungsbereich des Übereinkommens, (2) zu den Auswirkungen auf die Rechte Dritter, (3) zu den Auswirkungen auf bestehende oder zukünftige Regelungen des materiellen Rechts und (4) zum Problem der möglichen Anwendbarkeit verschiedener Rechtsordnungen innerhalb eines Ab­ wicklungssystems. Wie schon in ihrem Vorschlag vom 15. Dezember 2003 kam die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 3. Juli 2006 zu dem Schluß, daß die Zeichnung des Übereinkommens „im besten Interesse der Gemeinschaft läge“18. Die gegen das Übereinkommen geltend gemachten Einwände hielt sie lediglich im Hinblick auf Punkt (4) für berechtigt. Um auszuschließen, daß innerhalb eines Abwicklungssy­ stems verschiedene Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen und dadurch die Stabilität des Systems gefährdet wird, schlug sie insoweit eine Ergänzung der Finalitätsrichtlinie dahingehend vor, daß in allen Systemen die Teilnehmer sich für eine einheitliche Rechtsordnung zu entscheiden haben. Auf das intrikate Problem der möglichen Unvereinbarkeit des Übereinkommens mit bestimmten materiellrechtlichen Verwahrungskonzepten ging die Kommission nur oberflächlich ein19. In welchem Maße dies die Überzeugungskraft ihrer Stellungnahme geschmälert hat, ist schwer zu sagen; zur Unterzeichnung und Ratifikation des Übereinkommens durch die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ist es jedenfalls bis heute nicht gekommen. Am 25. März 2009 hat die Kommission ihren Vorschlag für einen Ratsbeschluß zur Unterzeichnung des Übereinkommens zurückgezogen20. Diese Entscheidung wurde augenscheinlich mit Rücksicht auf die Empfehlung der Legal Certainty Group getroffen, sowohl die materiellrechtlichen als auch die kollisionsrechtlichen Aspekte der mediatisierten Wertpapierverwahrung in einem einheitliWertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (KOM(2003) 783 endg.), ABl. Nr. C 81 vom 2. April 2005, Rn.  15. 17  Ausführliche Darstellung und Dokumentation bei Ege, Kollisionsrecht, S.  210 f. 18  Europäische Kommission, Juristische Bewertung des Haager-Wertpapierübereinkommens vom 5. Juli 2006, deutschsprachige Zusammenfassung, abrufbar http://ec.europa.eu/internal_market/financial-markets/docs/hague/summary_de.pdf. 19  Europäische Kommission, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, Commission Staff Working Document, SEC(2006) 910, S.  11, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/financial-markets/docs/hague/legal_assessment_en.pdf. 20  Siehe ABl. Nr. C 71 vom 25. März 2009, S.  17.

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chen Rechtsakt neu zu regeln und darin eine verbesserte Version jenes PRIMA-Ansatzes aufzunehmen, wie er in der Finalitäts- und der Finanzsicherheitenrichtlinie enthalten ist. Auch wenn diese Empfehlung inzwischen als überholt gelten muß21, ist nicht damit zu rechnen, daß dem Haager Wertpapierübereinkommen in absehbarer Zeit noch Erfolg beschieden sein wird22 . Im folgenden kann es nicht darum gehen, den zahlreichen tiefgründigen Analysen des Haager Wertpapierübereinkommens eine weitere hinzuzufügen23. Da der Schwerpunkt dieser Untersuchung auf dem materiellen Recht und nicht auf dem Kollisionsrecht liegt, interessiert hier allein die Frage, inwieweit der Einwand der fehlenden materiellrechtlichen Neutralität des Übereinkommens berechtigt ist und welche Auswirkungen seine Zeichnung und Ratifizierung für das deutsche Recht hätte. Das gilt vor allem im Hinblick auf das Miteigentumsmodell des Depotgesetzes, das sich vom Konzept des security entitlement, an dem sich das Übereinkommen angeblich orientiert, fundamental unterscheidet. Um diese Frage zu beantworten, genügt es, den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens abzustecken (sogleich unter II), Klarheit über seine Regelungsgegenstände zu schaffen (unter III) und die Hauptanknüpfungsregel in Art.  4 des Übereinkommens in den Blick zu nehmen (unter IV).

II.  Sachlicher Anwendungsbereich Die Kollisionsregeln des Haager Wertpapierübereinkommens bestimmen die anzuwendende Rechtsordnung für eine ganze Reihe von Fragen „in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere“, die in Art.  2 Abs.  1 abschließend aufgezählt werden. Bei den „Intermediär-verwahrten Wertpapieren“ handelt es sich somit um einen Schlüsselbegriff des Übereinkommens24 . Nach der Legaldefinition in Art.  1 Abs.  1 lit.  f) HWpÜ bezeichnet dieser Begriff „die Rechte eines Depotinhabers, die sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergeben“. „Intermediär-verwahrten Wertpapieren“ im Sinne des Übereinkommens sind somit nicht die zugrundeliegenden Wertpapiere, sondern die aus den Depotgutschriften resultierenden Rechte der einzelnen Kontoinhaber an diesen Wertpapieren oder in bezug auf sie. Der Begriff ist so weit gehalten, daß er sowohl Verwahrungskonzepte mit direkter Rechtsträgerschaft als auch solche mit indirekter Rechtsträgerschaft umfaßt. Für ihn 21 

Zur Rechtsentwicklung in der EU siehe ausführlich unten §  17. Gleiche Einschätzung bei Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  933. 23  Im Schrifttum herrscht an fundierten Beiträgen kein Mangel; siehe insbesondere Ege, Kollisionsrecht, S.  131 ff.; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  188 ff.; Rentsch, Das Haager Wertpapierübereinkommen, S.  113 ff.; Saager, Effektengiroverkehr, S.  167 ff.; Wust, Verbuchung, S.  340 ff.; ferner Crawford, Can. Bus. L. J. 38 (2003), 157 ff.; aus schweizerischer Sicht Girsberger/Hess, AJP 2006, 992 ff. 24  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  1–16. 22 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

kommt es auch nicht darauf an, ob die Berechtigung des Kontoinhabers sachenrechtlich, schuldrechtlich oder als Rechtsposition sui generis ausgestaltet ist. Unter „Wertpapieren“ sind nach Art.  1 Abs.  1 lit.  a) HWpÜ Aktien, Schuldverschreibungen, andere Finanzinstrumente, Finanzanlagen (ausgenommen Barguthaben) oder Rechte daran zu verstehen. Auch dieser Begriff wurde bewußt weit gezogen, um Raum für zukünftige Entwicklungen auf den Finanzmärkten zu lassen. „Wertpapier“ im Sinne des Übereinkommens kann im Prinzip alles sein, was auf einem Depotkonto verbucht werden kann25. Ob über den betreffenden Vermögenswert eine (Global-)Urkunde ausgestellt oder er in dematerialisierter Form ausgegeben wurde, spielt keine Rolle. Es kommt auch nicht darauf an, ob er auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden kann, auch wenn das Übereinkommen vor allem mit Blick auf die Sicherheitsbedürfnisse der Kapitalmärkte geschaffen wurde. Der Zusatz „oder Rechte daran“ soll deutlich machen, daß die Bestimmungen des Übereinkommens sich nicht nur auf (Mit-)Eigentumsrechte an Wertpapieren, sondern auch auf relative Berechtigungen gegenüber dem jeweiligen Intermediär und beschränkte (dingliche) Rechte erstrecken26. Aber beim Begriff „Wertpapier“ ist dieser Zusatz fehl am Platz, denn er vermengt die Frage, welche Vermögenswerte überhaupt in die mediatisierte Wertpapierverwahrung einbezogen werden können, mit der von der Definition des Begriffs „Intermediär-verwahrte Wertpapiere“ in Art.  1 Abs.  1 lit.  f ) HWpÜ in Bezug genommenen Frage, welche Rechte eine Depotgutschrift dem Begünstigten im Einzelfall vermittelt27. Der Begriff „Depotkonto“ bezeichnet nach Art.  1 Abs.  1 lit.  b) HWpÜ ein Konto, das von einem Intermediär geführt wird und dem Wertpapiere gutgeschrieben oder von dem Wertpapiere abgebucht werden können. Unter einem „Intermediär“ ist nach Art.  1 Abs.  1 lit.  c) HWpÜ eine Person zu verstehen, die im Rahmen einer geschäftlichen oder anderen regelmäßigen Tätigkeit für fremde oder sowohl für eigene als auch für fremde Rechnung Depotkonten führt und in dieser Eigenschaft tätig ist. Der Begriff umfaßt also praktisch alle depotführenden Stellen einschließlich der Zentralverwahrer28. Auf die Rechtsform und das Vorhandensein einer besonderen Zulassung oder Beaufsichtigung kommt es nicht an29. Zu beachten ist, daß ein in die Buchungskette eingegliederter (Zwischen-)Verwahrer in zwei unterschiedlichen Eigenschaften tätig ist: Soweit er Depotkonten für seine Kunden führt, ist er „Intermediär“, und zwar aus Sicht des jeweiligen Depotinhabers „maßgeblicher Intermediär“ i. S. von Art.  1 Abs.  1 lit.  g) HWpÜ. Im Verhältnis zum unmittelbar übergeordneten Verwahrer, bei dem er selbst ein Depotkonto unterhält, gilt der (Zwischen-)Verwahrer nicht als „Intermediär“, sondern als „Depotinhaber“ i. S. von Art.  1 Abs.  1 lit.  d) HWpÜ. In einer mehrstufigen Verwahrpyramide ist also jeder Intermediär zugleich 25 

Das ist die Qintessenz bei Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  1-1. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  1-4. 27  Wust, Verbuchung, S.  344. 28  Letzteres wird in Art.  1 Abs.  4 HWpÜ ausdrücklich klargestellt. 29  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  1-10. 26 

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„maßgeblicher Intermediär“, allerdings nur im Verhältnis zu den Kontoinhabern, für die er ein Depotkonto führt30. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, daß sich aus dem in Art.  1 Abs.  1 lit.  f ) HWpÜ definierten Begriff „Intermediär-verwahrte Wertpapiere“ keine nennenswerte Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs ergibt. Bezogen auf das deutsche Recht fallen girosammelverwahrte Wertpapiere ebenso in den Anwendungsbereich des Übereinkommens wie unverbriefte Sammelschuldbuchforderungen und Gutschriften in Wertpapierrechnung über im Ausland angeschaffte und dort verwahrte Wertpapiere31. Das hat den klaren Vorteil, daß alle auf einem Depot verbuchten Werte ein und derselben Kollisionsregel unterliegen und die im Einzelfall denkbare Anwendung mehrerer unterschiedlicher Rechtsordnungen auf eine aus wirtschaftlicher Sicht einheitliche Transaktion vermieden wird32 . Streiten läßt sich allein darüber, ob auch sonderverwahrte Wertpapiere als „Intermediär-verwahrte Wertpapiere“ im Sinne des Übereinkommens anzusehen sind. Angesichts des Ziels des Übereinkommens, systemische Risiken im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen zu verringern, bestehen daran Zweifel, doch sei die Frage hier dahingestellt33.

III. Anknüpfungsgegenstände Die vom Haager Wertpapierübereinkommen erfaßten Anknüpfungsgegenstände werden in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ aufgezählt. Diese Aufzählung, für die ganz bewußt weite und offene Formulierungen gewählt wurden, ist abschließend und nimmt für sich in Anspruch, das gesamte Spektrum der bei grenzüberschreitenden Transaktionen typischerweise auftretenden Regelungsfragen abzudecken34 . Art.  2 Abs.  1 lit.  a) HWpÜ nennt als ersten Anknüpfungsgegenstand die Natur der Rechte, die sich aus einer Gutschrift auf einem Depotkonto ergeben, und die Wirkung dieser Rechte gegenüber dem Intermediär und Dritten. Welche Rechtsposition der Depotinhaber mit der Gutschrift erwirbt, richtet sich somit nach dem gemäß Art.  4 bzw. Art.  5 HWpÜ zu bestimmenden nationalen Recht. Das Übereinkommen selbst verhält sich als reines IPR-Regelwerk gegenüber der Ausgestaltung dieser Rechtsposition durch das jeweilige nationale Recht neutral. Dementsprechend ist es auch irrelevant, ob einer 30  31 

130.

32 

Wust, Verbuchung, S.  344 f. Unstreitig, siehe statt vieler für WR-Gutschriften Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 117,

Ege, Kollisionsrecht, S.  140. Im Schrifttum sind die Meinungen geteilt. Für eine Anwendung auf sonderverwahrte Wertpapiere Ege, Kollisionsrecht, S.  139 f.; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  197 f.; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 725; ders., BKR 2003, 562, 565; Einsele, WM 2003, 2349, 2350; a. A. Saager, Effektengiroverkehr, S.  183 f.; Wust, Verbuchung, S.  346 f.; Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 33, 41. 34  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  2-2. 33 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

Depotgutschrift aus materiellrechtlicher Sicht rechtsbegründende oder nur deklaratorische Wirkung zukommt35. Nach Art.  2 Abs.  1 lit.  b) HWpÜ erfaßt das Übereinkommen auch die Rechtsnatur einer Verfügung über intermediärverwahrte Wertpapiere und deren Wirkung gegenüber dem Intermediär und Dritten. Im Unterschied zur Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie ist der Anwendungsbereich des Übereinkommens nicht auf Sicherungsgeschäfte beschränkt. Nach Art.  1 Abs.  1 lit.  h) HWpÜ bezeichnet der Begriff „Verfügung“ (disposition) vielmehr „any transfer of title whether outright or by way of security and any grant of a security interest, whether possessory or non-possessory“. In Art.  1 Abs.  2 HWpÜ wird der Verfügungsbegriff des Übereinkommens in dreifacher Hinsicht konkretisiert: In lit.  a) wird klargestellt, daß Verfügungsgegenstand auch ein Depotkonto mit seinem gesamten „Inhalt“ sein kann. In lit.  b) wird die Selbstverständlichkeit unterstrichen, daß auch eine Verfügung zugunsten des kontoführenden Intermediärs eine Verfügung im Sinne des Übereinkommens darstellt. Und in lit.  c) wird der Verfügungsbegriff auf gesetzliche Pfand- oder Zurückbehaltungsrechte des Intermediärs ausgeweitet, die in Zusammenhang mit der Führung und Verwaltung des Depotkontos entstanden sind36. Art.  2 Abs.  2 HWpÜ fügt dem noch die Ergänzung hinzu, daß sich eine Verfügung auch auf solche Rechte aus einer Depotgutschrift beziehen kann, die lediglich vertraglicher Natur sind. Das nach dem Übereinkommen anzuwendende Recht entscheidet neben der Rechtsnatur und den Wirkungen einer Verfügung auch über deren Voraussetzungen, auch wenn dies aus dem Wortlaut von Art.  2 Abs.  1 lit.  b) HWpÜ nicht ausdrücklich hervorgeht37. Ihm unterliegt des weiteren die Frage, ob ein Sicherungsnehmer die als Sicherheit gestellten Wertpapiere für eigene Zwecke weiterverwenden darf (rehypothecation)38. Nach Art.  2 Abs.  1 lit.  c) HWpÜ erstreckt sich das Übereinkommen außerdem auf sämtliche Schritte, die notwendig sind, um einer Verfügung Drittwirkung zu verleihen (perfection). Mit „Drittwirkung“ ist nach Art.  1 Abs.  1 lit.  i) HWpÜ die Wirksamkeit einer Verfügung gegenüber Personen gemeint, die nicht Partei der Verfügung sind. Diese Bestimmung wurde mit Rücksicht auf Rechtsordnungen in das Übereinkommen aufgenommen, in denen die Wirksamkeit einer Verfügung gegenüber Dritten (z. B. konkurrierenden Gläubigern) von bestimmten Voraussetzungen wie z. B. einer Registrierung oder davon abhängt, daß der Sicherungsnehmer die Kontrolle über den Wertpapierbestand erlangt39. Zu den Anknüpfungsgegenständen zählen ferner das Verhältnis zwischen konkurrierenden Rechten an intermediärverwahrten Wertpapieren (Art.  2 Abs.  1 lit.  d) HWpÜ), die 35  Ege, Kollisionsrecht, S.  142 f.; Reuschle, IPRax 2003, 495, 498; a. A. Einsele, WM 2003, 2349, 2352 f. 36  Ege, Kollisionsrecht, S.   142 betont zu Recht, daß diese Bestimmung keineswegs selbstverständlich ist. 37  Hennrich, Aktienverpfändung, S.  200; Saager, Effektengiroverkehr, S.  178. 38  Wust, Verbuchung, S.  350. 39  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  2 .21.

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Pflichten eines Intermediärs gegenüber einem Dritten, der in Konkurrenz mit dem Depotinhaber oder einer anderen Person ein Recht an den für den Kontoinhaber verbuchten Wertpapieren geltend macht (Art.  2 Abs.  1 lit.  e) HWpÜ), die Voraussetzungen für die Verwertung eines Rechts an intermediärverwahrten Wertpapieren (Art.  2 Abs.  1 lit.  f ) HWpÜ) und die Frage, ob sich eine Verfügung auch auf die aus den Wertpapieren fließenden Ansprüche auf Dividendenzahlung usw. erstreckt (Art.  2 Abs.  1 lit.  g) HWpÜ). Häufig wird gesagt, das Haager Wertpapierübereinkommen finde unterschiedslos auf statische wie auch auf dynamische Sachverhalte Anwendung40. In der Tat ergibt sich aus Art.  2 Abs.  1 lit.  a) und b) HWpÜ, daß die Rechte des Anlegers bzw. Sicherungsnehmers im „Ruhezustand“ der Wertpapiere ebenso zu den Anknüpfungsgegenständen zählen wie die Voraussetzungen und Wirkungen einer Verfügung41. Praktisch überbewerten sollte man diese Differenzierung aber nicht, weil dem Halten einer Rechtsposition in aller Regel ein dynamisches Element – nämlich eine Vollrechtsübertragung oder Verpfändung – vorausgeht. Zusammenfassend kann jedenfalls mit Blick auf das deutsche Recht festgehalten werden, daß das Haager Wertpapierübereinkommen das gesamte Wertpapiersachstatut und, soweit es um Gutschriften in Wertpapierrechnung geht, auch Teile des Zessionsgrundstatuts regelt. Es erfaßt die Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren sowie Verfügungen über solche Wertpapiere, unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung durch das nationale materielle Recht42 .

IV. Anknüpfungsmomente 1. Überblick Das Haager Wertpapierübereinkommen enthält mehrere Anknüpfungsmomente, die „kaskadenförmig angeordnet sind“43 und ein ganzes Anknüpfungssystem ergeben. Art.  4 HWpÜ eröffnet als Hauptanknüpfungsregel den Parteien des Depotvertrags die einschränkte Möglichkeit einer Rechtswahl. Er sieht zwei Arten der Rechtswahl vor: Vereinbaren der Depotinhaber und sein Intermediär ausdrücklich44, daß eine bestimmte Rechtsordnung für ihre Kontovereinbarung maßgebend sein soll, so 40 

Hennrich, Aktienverpfändung, S.  200. das Beispiel bei Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  2-13: „Article (2)(1) (a) also applies to a situation where, after the initial credit of securities to a securities account, there is no subsequent disposition of the securities (an example of such a ‚static‘ situation is where an investor buys securities and wants to know what rights it has against the intermediary as a result of the credit of the securities to the investor’s securities account).“ 42  Hennrich, Aktienverpfändung, S.  200. 43  Saager, Effektengiroverkehr, S.  185. 44  Eine „ausdrückliche“ Vereinbarung liegt auch bei einer Rechtswahl mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen vor, siehe Bertschinger, in: Festschrift für Kramer, S.  463, 472. 41  Siehe

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

ist diese Rechtsordnung auch auf alle in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ genannten Fragen anzuwenden (Art.  4 Abs.  1 Satz  1 1. Alt. HWpÜ). Die Parteien können allerdings auch ausdrücklich vereinbaren, daß auf diese Fragen eine andere als die für die Kontovereinbarung maßgebende Rechtsordnung anwendbar sein soll (Art.  4 Abs.  1 Satz  1 2. Alt. HWpÜ). Das bedeutet freilich nicht, daß die Parteien des Depotvertrages irgendeine beliebige Rechtsordnung wählen können, zu welcher der Intermediär keinerlei Bezug hat. Vielmehr wird ihre Rechtswahlfreiheit in Art.  4 Abs.  1 Satz  2 HWpÜ dahingehend eingeschränkt, daß sie nur die Rechtsordnung eines Staates wählen können, in dem der Intermediär eine Geschäftsstelle unterhält, die in einer den Anforderungen in Art.  4 Abs.  1 Satz  2 lit.  a) und b) HWpÜ genügenden Form depotführende Tätigkeiten ausübt. Diese als reality test oder qualifying office rule bezeichnete Einschränkung45 soll fraudulöse Rechtswahlvereinbarungen verhindern und stellt eine Konzession an jene Staaten dar, deren Sachenrecht parteiautonome Vereinbarungen nicht zuläßt46. Für global custodians, die über Geschäftsstellen in einer Vielzahl von Staaten verfügen, stellt die qualifying office rule freilich keine große Hürde dar47. Das gilt umso mehr, als Art.  4 Abs.  1 Satz  2 HWpÜ nicht verlangt, daß das Depotkonto, auf das sich die Rechtswahl bezieht, auch tatsächlich in dem betreffenden Staat geführt wird. Ausreichend ist vielmehr, daß der Intermediär in diesem Staat allein oder gemeinsam mit anderen für ihn tätigen Personen irgendwel­ che Depotkonten führt48. Im übrigen ist anzumerken, daß es den Parteien des Depotvertrages nicht gestattet ist, die einzelnen Anknüpfungsgegenstände des Art.  2 Abs.  1 HWpÜ nach Art eines „cherry picking“ jeweils unterschiedlichen Rechtsordnungen zu unterstellen. Wie sich aus dem Wortlaut von Art.  4 Abs.  1 Satz  1 HWpÜ ergibt, muß sich die Rechtswahl auf „alle“ in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ genannten Fragen erstrecken. Haben die Parteien keine Rechtswahlvereinbarung nach Art.  4 HWpÜ getroffen oder ist diese Vereinbarung ungültig, ist das auf die Regelungsgegenstände des Art.  2 Abs.  1 HWpÜ anzuwendende Recht objektiv nach Art.  5 HWpÜ zu bestimmen. Danach gilt folgendes: Ergibt sich aus einer Kontovereinbarung ausdrücklich und unmißverständlich, daß der maßgebliche Intermediär die Kontovereinbarung über eine bestimmte Geschäftsstelle geschlossen hat, so ist die Rechtsordnung des Staates anzuwenden, in dem diese Geschäftsstelle im Zeitpunkt des Vertragsschlusses belegen war, sofern sie die Voraussetzungen der qualifying office rule in Art.  4 Abs.  1 Satz  2 HWpÜ erfüllte (Art.  5 Abs.  1 Satz  1 HWpÜ). Diese erste Auffangregel geht auf einen Vorschlag der deutschen Delegation zurück. Sie ist auf Fälle zugeschnitten, in denen sich der Satzungssitz des maßgeblichen Intermediärs nicht in demselben Staat befin45  Ausführlich zu ihr Ege, Kollisionsrecht, S.  155 ff.; Wust, Verbuchung, S.  355 ff.; siehe ferner Bertschinger, in: Festschrift für Kramer, S.  463, 473 ff. 46  Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 221. 47  Ege, Kollisionsrecht, S.   155; Wust, Verbuchung, S.  356 f.; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/ Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 138. 48  Ege, Kollisionsrecht, S.  155.

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det wie die Geschäftsstelle, die den Depotvertrag abgeschlossen hat, und will die berechtigte Erwartung des Kunden schützen, daß seine Wertpapierguthaben und -transaktionen der Rechtsordnung „seiner“ Geschäftsstelle unterliegen. Eröffnet zum Beispiel ein deutscher Kunde bei einer Frankfurter Niederlassung einer in Großbritannien beheimateten Bank ein Depotkonto, ohne dabei eine Rechtswahlvereinbarung zu treffen, wäre es für den Kunden zumindest überraschend, wenn auf die in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ aufgezählten Fragen englisches Recht zur Anwendung käme. Art.  5 Abs.  1 Satz  1 HWpÜ entspricht insoweit dem allgemeinen Grundsatz des IPR, wonach die Rechtsordnung desjenigen Staates zur Anwendung berufen sein soll, mit welcher der Sachverhalt die engste Verbindung aufweist49. Scheidet eine Anknüpfung nach Art.  5 Abs.  1 Satz  1 HWpÜ aus, so ist nach der zweiten Auffangregel in Art.  5 Abs.  2 HWpÜ das Recht des Staates anzuwenden, nach dessen Recht der maßgebliche Intermediär als juristische Person gegründet oder in anderer Weise (z. B. als Personengesellschaft) organisiert ist. Ist auch nach dieser Bestimmung eine Anknüpfung nicht möglich, ist nach der dritten Auffangregel in Art.  5 Abs.  3 HWpÜ das Recht des Staates anzuwenden, in dem der maßgebliche Intermediär seinen Geschäftssitz oder, bei mehreren Geschäftssitzen, seinen Hauptgeschäftssitz hat. Gemeint ist der tatsächliche Verwaltungssitz50. Art.  6 HWpÜ enthält schließlich eine Liste von Kriterien, die bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art.  4 bzw. Art.  5 HWpÜ nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Vorschrift soll die Gerichte davon abhalten, auf intermediärverwahrte Wertpapiere doch noch die traditionellen Anknüpfungskonzepte wie namentlich die lex rei sitae zur Anwendung zu bringen51. Das wird besonders deutlich an Art.  6 lit.  b) HWpÜ, der bestimmt, daß „die Orte, an denen sich Urkunden befinden, die Wertpapiere darstellen oder der Nachweis dafür sind“, bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung außer Betracht zu bleiben haben. Da sich die Unerheblichkeit dieser Kriterien bereits im Umkehrschluß aus den Anknüpfungsregeln der Art.  4 und 5 HWpÜ ergibt, hätte es dieser Negativliste allerdings nicht unbedingt bedurft52 .

2.  Die Hauptanknüpfungsregel des Art.  4 a)  PRIMA versus Rechtswahlfreiheit Das abgestufte Anknüpfungssystem des Haager Wertpapierübereinkommens ist das Ergebnis eines Kompromisses. Vor allem um die Fassung von Art.  4 Abs.  1 HWpÜ wurde lange gerungen. Ursprünglich lag den Arbeiten an dem Übereinkommen die Absicht zugrunde, eine PRIMA-Konvention zu schaffen. Schon der Bernasconi-Bericht hatte sich dafür ausgesprochen, den Place of the Relevant Intermediary als ein49 

Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 736 f. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  5-11. 51  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  6 -1. 52  Wust, Verbuchung, S.  360; Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 224; Girsberger/Hess, AJP 2006, 992, 999. 50 

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zigen Anknüpfungsfaktor zur Bestimmung des auf eine Wertpapiertransaktion anwendbaren Rechts heranzuziehen, ohne Rücksicht darauf, wo die zugrundeliegenden Wertpapiere belegen oder registriert sind. Das Ziel war also, den sog. look-through approach53 durch eine Anknüpfungsregel zu ersetzen, die ausschließlich auf das Depotkonto „sieht“, auf dem die Rechte unmittelbar zugunsten des Anlegers bzw. Sicherungsnehmers verbucht sind. Im ersten Übereinkommensentwurf vom Januar 2001 war folgerichtig vorgesehen, daß Geschäfte (dealings) in intermediärverwahrten Wertpapieren dem Recht am Ort des maßgeblichen Intermediärs unterstehen, wobei unter dem Ort des maßgeblichen Intermediärs der Ort verstanden wurde, an dem das Depotkonto geführt wird. Im Laufe der Beratungen54 stellte es sich jedoch als unmöglich heraus, den Ort der Kontoführung mit ausreichender Genauigkeit zu bestimmen. Es gelang nicht, ein weltweit akzeptables und praktikables Kriterium für die sichere Lokalisierung dieses Ortes zu finden. Das lag auch daran, daß für Depotkonten kein der International Bank Account Number (IBAN) vergleichbarer Identifikationscode existiert. Auch die Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie, deren Kollisionsregeln ebenfalls auf PRIMA basieren, boten bei der Suche keine Hilfe, stellt sich doch das Lokalisierungsproblem bei ihnen in Ermangelung einschlägiger Kriterien in gleicher Weise. Aus diesem Grund wurde im Mai 2002, d. h. nur wenige Monate vor der Diplomatischen Konferenz, vom Ständigen Büro der Haager Konferenz der Vorschlag eingebracht, von einer Übernahme des PRIMA-Ansatzes abzusehen und stattdessen den Parteien des Depotvertrags die Möglichkeit einzuräumen, unter bestimmten Voraussetzungen das anwendbare Recht zu wählen55. Dieser Vorschlag wurde von der Diplomatischen Konferenz im Dezember 2002 angenommen. Trotz dieses Schwenks wird in der Präambel des Haager Wertpapierübereinkommens noch auf PRIMA als maßgeblichen Anknüpfungsgrundsatz Bezug genommen. Es sei dahingestellt, ob dieser Passus auf einem der Eile des Verfahrens geschuldeten Redaktionsversehen beruht56. Jedenfalls ist es präziser, bei Art.  4 HWpÜ statt von 53  Unter diesen Sammelbegriff wurden alle Anknüpfungen zusammengefaßt, die es wie die lex rei sitae erforderlich machen, durch die Verwahrkette hindurch auf den Situs der Wertpapiere, den Ort der Registrierung oder den Sitz des Emittenten zu schauen. Siehe Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Prel. Doc. No 1 of November 2000, S.  27. 54 Für eine ausführliche Darstellung und Dokumentation Saager, Effektengiroverkehr, S.  192 ff.; ferner Girsberger, in: Essays in Memory of Peter E. Nygh, S.  139, 146 ff.; ders., in: Festgabe für Schnyder, S.  77, 84 ff.; Goode, in: Faust/Thüsing (Hrsg.), Beyond Borders, S.  63, 68; Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 218 f. Anschaulich die Formulierung im Prel. Doc. No 13, June 2001, S.  19, derzufolge sich die Frage der Lokalisierung des maßgeblichen Intermediärs bald als pièce de résistance erwiesen habe. 55  Proposal for a redraft of Articles 4 and 4bis, Prel. Doc. No 13, May 2002. Danach sollte Art.  4 Abs.  1 folgenden Wortlaut erhalten: „The law applicable to any issue specified in Article 2(1) is the law of the State agreed by the account holder and the relevant intermediary [as the State in which the securities account is maintained], provided that the relevant intermediary has, at the time of the agreement, an office in that State (…).“ 56  So wohl Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 204 in Fn.  8.

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PRIMA von einem Account Agreement Approach (AAA) zu sprechen57. Denn in dieser Regelung lassen sich allenfalls noch Reste von PRIMA (im Sinne einer objektiven Anknüpfung) nachweisen58. Die Parteien des Depotvertrages können die auf die in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ aufgezählten Fragen anwendbare Rechtsordnung unabhängig davon wählen, wo das betreffende Konto „belegen“ ist und von wo aus die auf dieses Konto bezogenen Dienstleistungen erbracht werden. Auch wenn sich der Begriff „PRIMA“ mittlerweile weltweit einer gewissen Bekanntheit erfreut, gibt es, was Art.  4 HWpÜ betrifft, keinen überzeugenden Grund, ihn „als Inbegriff einer innovativen Anknüpfung im Bereich der Intermediär-verwahrten Wertpapiere beizubehalten und die damit verbundenen begrifflichen Unschärfen hinzunehmen“59. b)  Verfügungen unter Beteiligung mehrerer Intermediäre Unabhängig davon, ob Art.  4 HWpÜ noch als Variante von PRIMA angesehen werden kann oder nicht, steht außer Frage, daß die Zulassung einer Rechtswahlmöglichkeit der Depotvertragsparteien die mit Abstand wichtigste Innovation des Übereinkommens darstellt60. Von manchen ist dieser Schritt sogar als „Revolution“ im Bereich des internationalen Sachenrechts bezeichnet worden. Seine Befürworter verweisen darauf, daß eine subjektive Anknüpfung für die Parteien ein Mehr an Rechtssicherheit bedeute, weil sie das anwendbare Recht innerhalb der durch den reality test gezogenen Grenzen selbst festlegen können und nicht anhand irgendeines vagen objektiven Kriteriums (tatsächlicher Ort der Kontoführung) ermitteln müssen61. Die Intermediäre würden in die Lage versetzt, ihr Depotgeschäft an einer bestimmten, an ihre speziellen Bedürfnisse angepaßten Rechtsordnung auszurichten und auf diese Weise Kosten zu sparen62 . Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, daß die in Art.  4 HWpÜ gewählte Lösung keineswegs in allen Fällen zu einer rechtssicheren Anknüpfung führt. Zwar bringt sie in Fällen, in denen von vornherein nur ein Intermediär beteiligt ist – ein Anleger verpfändet Aktien an seinen kontoführenden Intermediär – stets klare Ergebnisse hervor, weil nur eine Kontoverbindung existiert, innerhalb derer eine Rechtsordnung gewählt werden kann63. Als hochgradig problematisch erweist sich der account agreement approach jedoch bei Verfügungen unter Beteiligung mehrerer Intermediäre. 57  Mankowski, ZBB 2003, 258; ders., RIW 2004, 481, 491; zust. Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/ Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 138 f. 58  Nämlich im Hinblick auf den reality test; siehe Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 33, 47. 59 So Ege, Kollisionsrecht, S.  159. Von einer „PRIMA-Regel“ spricht auch Einsele, WM 2003, 2349, 2350; vorsichtiger Crawford, Can. Bus. L. J. 38 (2003), 157, 184 („somewhat modified version of PRIMA“). 60  Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 220. 61  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  4 -6. 62  Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 139. 63  Hennrich, Aktienverpfändung, S.  210; Saager, Effektengiroverkehr, S.  199.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

aa)  Das sog. page 37-Problem Angesprochen ist damit jenes Problem, das erstmals auf Seite 37 des BernasconiBerichts64 aufgeworfen wurde und seitdem als page 37-problem diskutiert wird. Im Bernasconi-Bericht findet sich der folgende, hier leicht verkürzt wiedergegebene Beispielsfall: Ein australischer Anleger hält 500.000 Aktien der Illinois Inc. über seine Depotbank, eine französische Bank. Die französische Bank hält die Aktien über ihr Depotkonto bei einem internationalen Zentralverwahrer (ICSD), der wiederum die Aktien unter Einschaltung eines kalifornischen Zwischenverwahrers bei der DTC in New York verwahren läßt. Als Sicherheit für ein Darlehen möchte der australische Anleger seine Aktien auf eine Londoner Bank übertragen, die ebenfalls mittelbar, nämlich über eine Schweizer Bank, mit dem internationalen Zentralverwahrer verbunden ist. Der australische Anleger weist daher seine französische Bank an, die Aktien auf das Depotkonto der Londoner Bank bei der Schweizer Bank umzubuchen.

bb) Lösungsvorschläge Welcher Rechtsordnung unterliegt dieser Vorgang? Art.  4 Abs.  1 Satz  1 HWpÜ besagt zwar, daß auf die in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ genannten Fragen die von den Parteien des Depotvertrages – nicht: den Parteien der Verfügung65 – vereinbarte Rechtsordnung anzuwenden ist. Er besagt aber nicht, auf welchen Depotvertrag es für die Ermittlung des maßgebenden Statuts ankommt. Zu dieser Frage, die sich in aller Schärfe stellt, wenn in den jeweiligen Depotbeziehungen unterschiedliche Rechtsordnungen gewählt wurden, werden mehrere Auffassungen vertreten. (1) Stage-by-stage-approach Nach der überwiegenden, auch vom Erläuternden Bericht vertretenen Auffassung ist bei einer über mehrere Intermediäre abgewickelten Transaktion das anwendbare Recht für jedes Verwahrverhältnis auf der Grundlage des jeweiligen Depotvertrags gesondert zu bestimmen66. Diese als stage-by-stage approach bezeichnete Auffassung nimmt in Kauf, daß auf eine (zumindest aus wirtschaftlicher Sicht) einheitliche Transaktion zwei oder mehr Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen können. So ist der obige Beispielsfall dem Erläuternden Bericht zufolge so zu beurteilen67: Ob die Londoner Bank frei von Rechten Dritter ein Recht an den auf ihrem Konto bei der Schweizer Bank verbuchten Aktien erwirbt, richtet sich nach der für dieses De64  Bernasconi, Report on the Law Applicable to Dispositions of Securities Held Through Indirect Holding Systems, Hague Conference on Private International Law, Collateral Securities, Prel. Doc. No 1 of November 2000. 65  Das betont Goode, in: Faust/Thüsing (Hrsg.), Beyond Borders, S.  63, 69. 66  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm. Int-30, 4–43; Born, Kollisionsrecht, S.  359 ff.; Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005-1/2, 117, 129; Crawford, Can. Bus. L. J. (38) 2003, 157, 178; Girsberger/Hess, AJP 2006, 992, 1000; Goode, in: Faust/Thüsing (Hrsg.), Beyond Borders, S.  63, 67; Horn, in: Festschrift für Hadding, S.  893, 902; Rögner, ZBB 2006, 98, 102 f.; Schefold, in: Festschrift für Jayme, S.  805, 809; Than, in: Festschrift für Kümpel, S.  543, 558. 67  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm. Int-31.

§  15  Haager Wertpapierübereinkommen

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potkonto geltenden Rechtsordnung. Danach entscheidet sich auch, ob die Wirksamkeit des Rechtserwerbs davon abhängt, daß der australische Anleger als Übertragender sein Recht an den Wertpapieren verloren hat, und inwieweit Mängel bei der Umbuchung auf den Rechtserwerb der Londoner Bank durchschlagen. Ob der australische Anleger durch die Belastungsbuchung seine Rechte an den Wertpapieren verloren hat, richtet sich dagegen nach der für seine Depotbeziehung zur französischen Bank maßgebenden Rechtsordnung. Entsprechend ist die Frage, ob die französische Bank durch die Umbuchung ihren Anteil an dem vom ICSD gehaltenen Sammelbestand verloren hat bzw. die Schweizer Bank einen Anteil daran erworben hat, nach der für den jeweiligen Depotvertrag mit dem ICSD maßgebenden Rechtsordnung zu beurteilen. (2) Super-PRIMA Als Alternative zum stage-by-stage approach ist während der Verhandlungen ein von einigen Delegationen vorgeschlagenes und als „Super-PRIMA“ bezeichnetes Anknüpfungskonzept diskutiert worden, demzufolge eine über mehrere Intermediäre abgewickelte Transaktion einheitlich einer einzigen Rechtsordnung untersteht. In seiner ursprünglichen Version lief dieses Konzept auf eine objektive Anknüpfung an den Ort des unmittelbar für den Verfügungsempfänger buchenden Intermediärs ­hinaus68. Es ähnelte somit jener Variante der PRIMA-Anknüpfung, wie sie von der Finalitäts- und der Finanzsicherheitenrichtlinie sowie von §  17a DepotG bekannt ist69. Im Beispielsfall würden somit alle in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ aufgeführten Fragen der für die Schweizer Bank maßgebenden Rechtsordnung unterstehen, führt doch diese Bank das Konto, auf das die Aktien zugunsten der Londoner Bank übertragen werden. Der Erläuternde Bericht stellt allerdings unmißverständlich klar, daß Art.  4 HWpÜ nicht als Verwirklichung von „Super-PRIMA“ verstanden werden kann70. Gegen dieses Konzept ist eingewandt worden, es belaste die in die Transaktion eingeschalteten Intermediäre mit einem nicht hinnehmbaren Maß an Rechtsunsicherheit. Denn diese Intermediäre hätten in der Regel keine Kenntnis davon, wer letztlich Empfänger der Wertpapiere sei, und auch keine Möglichkeit, dies herauszufinden. Abgesehen davon hätte „Super-PRIMA“ für sie zur Folge, daß sie immer erst im nachhinein Klarheit über das auf eine Transaktion anwendbare Recht erhielten, nämlich in dem Moment, in dem der Empfänger der Wertpapiere endgültig feststeht. Im übrigen müßten vor allem die Zentralverwahrer davor geschützt werden, mit einer Vielzahl von Rechtsordnungen konfrontiert zu werden. Demgegenüber seien die unmittelbar an der Transaktion beteiligten Parteien viel eher in der Lage, die für ihre Transaktion relevanten Rechtsordnungen in Erfahrung zu bringen und sich an deren Vorgaben auszurichten71. 68 

Prel. Doc. No 3 of July 2001, S.  5; Prel. Doc. No 12 of May 2002, S.  6. Hennrich, Aktienverpfändung, S.  213. 70  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.  4 -43. 71  Prel. Doc. No 12 of May 2002, S.  6 f.; zust. Ooi, Conflict of Laws, Rn.  13.29. 69 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

Trotz der klaren Absage an „Super-PRIMA“ im Erläuternden Bericht wird auch heute noch gelegentlich die Auffassung vertreten, daß die Hauptanknüpfungsregel des Art.  4 HWpÜ auf diesem Konzept beruht. Eine Sonderstellung nimmt dabei ­Reuschle ein. Er ist nämlich der Ansicht, daß zur Bestimmung des auf eine Verfügung anwendbaren Rechts allein an die Kontoverbindung zwischen dem verfügenden Depotinhaber und seinem Intermediär und die darin enthaltene Rechtswahlvereinbarung anzuknüpfen ist72 . Das würde in unserem Beispielsfall bedeuten, daß für die Übertragung der Aktien auf die Londoner Bank allein die Kontoverbindung zwischen dem australischen Investor und seiner französischen Bank maßgebend wäre. Zur Begründung seiner Ansicht beruft Reuschle sich auf eine Reihe systematischer Erwägungen. So ergebe sich schon aus der Definition des Begriffs „Verfügung“ in Art.  1 lit.  h) HWpÜ, daß die eingeschränkte Rechtswahl in Art.  4 HWpÜ an die Rechtswahlvereinbarung zwischen dem Verfügenden und seinem Intermediär und nicht an diejenige des Verfügungsbegünstigten und dessen Intermediär anknüpft. Das lasse sich sprachlich damit belegen, daß nur der Verfügende den Besitz bei Einräumung eines Sicherungsrechts übertragen kann73. Des weiteren verweist Reuschle auf Art.  2 Abs.  1 lit.  b) HWpÜ. Dieser Anknüpfungsgegenstand regele insbesondere die Wirkung einer Verfügung gegenüber dem Intermediär und impliziere damit, daß es nur einen maßgeblichen Intermediär geben kann. Sachenrechtliche Wirkungen könne letztlich nur der Eigentümer der Wertpapiere unmittelbar gegenüber seinem Intermediär und Dritten hervorrufen74 . Ein weiteres Argument glaubt Reuschle aus Art.  4 Abs.  3 HWpÜ ableiten zu können: Wenn diese Regelung für den Fall, daß der Depotinhaber zugunsten seines Intermediärs eine Sicherheit bestellt, die zwischen ihnen bestehende Kontovereinbarung für maßgeblich erklärt, auch wenn der Intermediär das Sicherheitendepot in einem Pool bei einem höherstufigen Verwahrer führen läßt, bestehe kein zwingender Grund, für eine Verfügung zugunsten einer anderen Person andere Prinzipien aufzustellen75. Als klaren Beleg für seine Ansicht faßt Reuschle schließlich Art.  7 HWpÜ auf. Diese auf einen Vorschlag der deutschen Delegation zurückgehende Vorschrift solle verhindern, daß der Depotinhaber und sein Intermediär durch Änderung der Rechtswahlvereinbarung ein zugunsten eines Dritten bestelltes Sicherungsrecht entwerten. Die Gefahr einer solchen Entwertung bestehe aber nur, wenn man Verfügungen über Depotwerte dem Recht unterstellt, das im Verhältnis zwischen dem verfügenden Depotinhaber und seinem Intermediär gilt, nicht jedoch bei einer Anknüpfung an die Kontoverbindung zwischen dem Begünstigten und seinem Intermediär76.

72  Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 746 ff.; dem folgend Rentsch, Haager Wertpapierübereinkommen, S.  151 ff. 73  Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 747 f. 74  Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 748. 75  Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 748 f. 76  Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 749 f.

§  15  Haager Wertpapierübereinkommen

533

Von all diesen Erwägungen vermag keine einzige Reuschles Ansicht zu tragen. Der Hinweis auf die Definition des Begriffs „Verfügung“ in Art.  1 lit.  h) HWpÜ ist unverständlich. Daß nur der Verfügende den Besitz bei Einräumung eines Sicherungsrechts übertragen kann, ist richtig, sagt aber nichts über die Frage aus, an welche Kontovereinbarung sub specie Art.  4 HWpÜ anzuknüpfen ist77. Auch Art.  2 Abs.  1 lit.  b) HWpÜ gibt dafür nichts her. Das gilt auch für Art.  4 Abs.  3 HWpÜ, bei dem es sich um eine nicht verallgemeinerungsfähige Sondervorschrift für den Fall handelt, daß ein Depotinhaber zugunsten des eigenen Intermediärs über seine Depotwerte verfügt78. Als Beleg für „Super-PRIMA“ im Sinne einer ausschließlichen Anknüpfung an die Kontoverbindung zwischen dem Verfügenden und seinem Intermediär taugt diese Vorschrift auch deshalb nicht, weil bei einer Verfügung über Depotwerte zugunsten des Intermediärs ohnehin nur eine Anknüpfung an diese Verbindung in Betracht kommt. Schließlich verfängt auch Reuschles Hinweis auf Art.  7 HWpÜ nicht. Die Vorschrift betrifft gerade nicht den hier interessierenden Fall, daß über Depotwerte mittels Umbuchung auf ein anderes Konto verfügt wird, sondern greift die statische Situation auf, daß auf einem Konto bestimmte (Sicherungs-)Rechte zugunsten eines Dritten verbucht sind, an deren Bestand oder Inhalt sich möglicherweise dadurch etwas ändert, daß später die Rechtswahlvereinbarung zwischen dem Kontoinhaber und seinem Intermediär geändert wird79. Die zwischen dem Verfügungsempfänger und dessen Intermediär vereinbarte Rechtsordnung steht hier überhaupt nicht zur Diskussion. Was Transaktionen unter Mitwirkung mehrerer Intermediäre betrifft, lassen sich daher aus Art.  7 HWpÜ keine Schlußfolgerungen ableiten80. Alles in allem findet Reuschles Behauptung, Ziel des Haager Wertpapier­ übereinkommens sei es, Verfügungen kollisionsrechtlich einer einzigen Rechtsordnung zu unterwerfen81, weder in den einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens noch im Erläuternden Bericht eine Stütze. Das gilt erst recht für die von ihm vertretene Variante von „Super-PRIMA“82 . (3) Lex creationis Einen dritten Ansatz zur Lösung des page 37-Problems hat Ooi entwickelt. Danach ist auf eine Verfügung über ein auf einem Depotkonto verbuchtes Recht die Rechts77 

Saager, Effektengiroverkehr, S.  204. Born, Kollisionsrecht, S.   359; Ege, Kollisionsrecht, S.   192; Saager, Effektengiroverkehr, S.  204 f. 79  Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm.   7-1; Saager, Effektengiroverkehr, S.  205. In gleichem Sinne Ege, Kollisionsrecht, S.  192: Der Anwendungsbereich des Art.  7 HWpÜ sei „auf Verfügungen beschränkt, bei denen die Wertpapiere auf dem gleichen Depotkonto verbucht bleiben“. 80  Ege, Kollisionsrecht, S.  192; Saager, Effektengiroverkehr, S.  205. 81  Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 747. 82  Bemerkenswert vor diesem Hintergrund die Feststellung bei Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687, 749, der (durch Art.  7 HWpÜ herbeigeführte) Schwenk von der Rechtsordnung des Verfügungsempfängers zur Rechtsordnung des Verfügenden sei von der Diplomatischen Konferenz „nicht bemerkt worden“. 78 

534

Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

ordnung anzuwenden, unter der dieses Recht begründet worden ist (the law under which the thing was created)83. Bei Verfügungen, in die mehrere Intermediäre einbezogen sind, läuft dieser als lex creationis bezeichnete Ansatz darauf hinaus, die Zwischenglieder der Buchungskette bei der kollisionsrechtlichen Betrachtung auszublenden. So gelangt Ooi im Beispielsfall zu einer Transaktion mit nur zwei Beteiligten, dem australischen Investor als Übertragendem und der Londoner Bank als Empfängerin84 . Da die als Sicherheit übertragenen Aktien auf dem Depotkonto des australischen Investors bei seiner französischen Bank verbucht waren – d. h. nach dem Verständnis von Ooi: durch Gutschrift auf diesem Depotkonto „begründet“ worden waren –, unterliegt die Übertragung dieser Aktien auf die Londoner Bank hinsichtlich aller in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ aufgeführten Fragen der auf dieses Depotkonto anzuwendenden Rechtsordnung85. Der lex creationis-Ansatz weist also eine gewisse Ähnlichkeit mit „Super-PRIMA“ in der von Reuschle vertretenen Spielart auf, weil er zur Anwendbarkeit einer einzigen Rechtsordnung auf eine aus wirtschaftlicher Sicht einheitliche Transaktion und insofern zur Rechtsordnung des Verfügenden führt. Ooi behauptet, daß sich ihr lex creationis-Ansatz ohne weiteres mit dem Haager Wertpapierübereinkommen in Einklang bringen läßt86. Daran bestehen aber schon deshalb erhebliche Zweifel, weil dieser Ansatz auf einer bestimmten materiellrechtlichen Prämisse beruht, nämlich der Vorstellung, daß im Effektengiroverkehr nicht über die zugrundeliegenden Wertpapiere selbst verfügt wird, sondern über einen daraus abgeleiteten Anspruch gegen den Betreiber des Abwicklungssystems bzw. den unmittelbaren Intermediär87. Er hat also ausschließlich Verwahrungskonzepte mit indirekter Rechtsträgerschaft vor Augen, nicht aber Konzepte wie das Miteigentumsmodell des Depotgesetzes, die dadurch gekennzeichnet sind, daß trotz der Immobilisierung oder Dematerialisierung der Wertpapiere eine direkte rechtliche Beziehung zwischen Anleger und Emittent besteht und die (Mit-)Eigentumsrechte an den Wertpapieren selbst Gegenstand der Verfügungen sind. Das Haager Wertpapierübereinkommen nimmt jedoch für sich in Anspruch, materiellrechtlich neutral zu sein. Es will Kollisionsregeln auch für solche Systeme zur Verfügung stellen, die ausdrücklich an das Wertpapier als Sache anknüpfen und nicht von bloß relativ wirkenden Berechtigungen ausgehen88.

83 

Ooi, Conflict of Laws, Rn.  13.31. Ooi, Conflict of Laws, Rn.  13.33. 85  Ooi, Conflict of Laws, Rn.  13.34. 86  Ooi, Conflict of Laws, Rn.  13.35: „Nothing in the proposed Haugue Convention appears to stand in the way of characterizing the issue this way“. 87 Siehe Ooi, Conflict of Laws, Rn.   6.26, 6.31 und 7.85. Folgerichtig unterscheidet Ooi (bei Rn.  7.90) zwischen einer „lex creationis (system)“ und einer „lex creationis (intermediary)“. 88  Aus diesem Grund kritisch auch Hennrich, Aktienverpfändung, S.  214 f.; für eine weitergehende Kritik Saager, Effektengiroverkehr, S.  206 f. 84 

§  15  Haager Wertpapierübereinkommen

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cc) Zwischenergebnis Das Haager Wertpapierübereinkommen folgt, was Transaktionen unter Mitwirkung mehrerer Intermediäre betrifft, einem sog. stage-by-stage approach. Danach ist das auf die in Art.  2 Abs.  1 HWpÜ geregelten Fragen anwendbare Recht für jedes Depotverhältnis gesondert zu bestimmen mit der Folge, daß auf eine einheitliche Transaktion mehrere Rechtsordnungen zur Anwendung kommen können. Alle Versuche, in das Übereinkommen Anknüpfungskonzepte hineinzulesen, die auf die Anwendung einer einzigen Rechtsordnung hinauslaufen, müssen als gescheitert betrachtet werden. Das gilt für „Super-PRIMA“ in seinen beiden Spielarten ebenso wie für den von Ooi vertretenen lex creationis-Ansatz. c)  Stage-by-stage approach und materielles Recht Auf der Grundlage dieses Befundes können nun die Auswirkungen des stage-bystage approach auf die unterschiedlichen materiellrechtlichen Konzepte der mediatisierten Wertpapierverwahrung untersucht werden. Zwar versteht sich das Haager Wertpapierübereinkommen als reines IPR-Übereinkommen, das gegenüber der Ausgestaltung der Rechtsposition des Depotinhabers durch das jeweilige materielle Recht eine neutrale Haltung einnimmt. Damit ist aber nicht gesagt, daß die Anknüpfungsregel des Art.  4 HWpÜ in allen Fällen gleich gut funktioniert. aa)  Verwahrungskonzepte mit indirekter Rechtsträgerschaft Keine Schwierigkeiten bereitet der in Art.  4 HWpÜ angelegte stage-by-stage ap­proach in Fällen, in denen auch das von den Depotvertragsparteien gewählte Sachrecht einen stufenweisen Ansatz verfolgt, indem es einem Depotinhaber Ansprüche ausschließlich gegenüber dem eigenen Intermediär gewährt und bei einer über mehrere Intermediäre abgewickelten Transaktion nicht von einer Rechtsübertragung, sondern vom Erlöschen bzw. der Neubegründung von Ansprüchen auf jeder Verwahrstufe ausgeht. Da die Berechtigungen auf den einzelnen Verwahrstufen grundsätzlich unabhängig voneinander bestehen und keine Ansprüche gegen den unmittelbaren (Sammel-)Verwahrer der Wertpapiere vermitteln, ist es unproblematisch – und in grenzüberschreitenden Verhältnissen auch die Regel –, wenn sie unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen89. Und da eine Rechtsübertragung im technischen Sinne nicht stattfindet, kann es auch nicht zu der Situation kommen, daß auf eine einzige Verfügung mehrere Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen90. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Berechtigung des verkaufenden Anlegers durch die Belastungsbuchung auf seinem Konto erlischt, beurteilt sich vielmehr allein nach der für das Depotverhältnis zu seinem Intermediär maßgebenden Rechtsordnung. Entsprechend entscheidet allein die im Verhältnis zwischen dem kaufenden Anleger 89 

90 

Wust, Verbuchung, S.  388. Saager, Effektengiroverkehr, S.  217.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

und dessen Intermediär vereinbarte Rechtsordnung darüber, welche Ansprüche der kaufende Anleger mit der Gutschrift erwirbt und von welchen weiteren Voraussetzungen der Rechtserwerb abhängt. Indem der stage-by-stage approach des Übereinkommens für die Bestimmung des anwendbaren Rechts jedes Glied in der Verwahrkette getrennt betrachtet, stellt er eine konsequente Abbildung der sachrechtlichen Vorgänge in Verwahrungskonzepten mit indirekter Rechtsträgerschaft dar91. Es ist daher kein Wunder, daß dieser Ansatz besonders von den USA mit Nachdruck befürwortet wurde. bb)  Verwahrungskonzepte mit direkter Rechtsträgerschaft Dagegen können erhebliche Kompatibilitätsprobleme auftreten, wenn der stage-bystage approach des Übereinkommens auf sachenrechtlich geprägte Verwahrungskonzepte nach Art des deutschen Miteigentumsmodells trifft, in denen die Übertragung von Depotwerten unter Mitwirkung mehrerer Intermediäre als eine einzige Verfügung über einen bestimmten Vermögensgegenstand aufgefaßt wird. Die Anwendung des stage-by-stage approach hat hier zur Folge, daß das gesamte Verfügungsstatut mehrfach angeknüpft wird: Es ist aus Sicht der jeweiligen Depotinhaber zu fragen, ob nach dem auf ihr Depotkonto anzuwendenden Recht durch die Buchungs­ vorgänge in ihrer Gesamtheit eine Rechtsübertragung herbeigeführt wurde92 . Ein allseitig wirksamer Rechtserwerb liegt somit nur vor, wenn die Verfügung von allen betroffenen Rechtsordnungen als wirksam angesehen wird93. Der stage-by-stage approach funktioniert daher nur unter der Voraussetzung einwandfrei, daß diese Rechtsordnungen in allen für die Rechtsübertragung wesentlichen Fragen (materielle Voraussetzungen und Zeitpunkt der Rechtsübertragung, Finalität von Übertragungsaufträgen, Anforderungen an die Gutgläubigkeit des Erwerbers usw.) übereinstimmen. Ist dies nicht der Fall, kann es zur Entstehung „herrenloser“ Rechte kommen, d. h. zu der Situation, daß der Übertragende nach „seiner“ Rechtsordnung das Recht an den Wertpapieren verloren, der Empfänger nach „seiner“ Rechtsordnung das Recht aber (noch) nicht erworben hat. Umgekehrt kann es passieren, daß der Übertragende sein Recht (noch) nicht verloren, der Empfänger aber nach „seiner“ Rechtsordnung das Recht bereits wirksam erworben hat. Zu einer solchen Rechteverdoppelung kann es auch bei konkurrierenden Verfügungen kommen, etwa dann, wenn ein Depotinhaber Wertpapiere an mehrere Erwerber veräußert, die nach den auf ihre Depotbeziehungen anwendbaren Rechtsordnungen jeweils vorrangig erwerben94. 91 

Hennrich, Aktienverpfändung, S.  217. findet also keine Aufspaltung des Verfügungsstatuts in einen Verlust- und einen Erwerbstatbestand statt; ausführlich dazu Wust, Verbuchung, S.  393 f.; siehe ferner Hennrich, Aktienverpfändung, S.  219. 93  Wust, Verbuchung, S.  396. 94  Ege, Kollisionsrecht, S.  181; Einsele, WM 2003, 2349, 2354 f. 92 Es

§  15  Haager Wertpapierübereinkommen

537

Das Risiko einer Rechteverdoppelung wird auch im Erläuternden Bericht angesprochen, darin freilich als Risiko ausgegeben, das bei grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen schon immer existiert habe und nicht erst von der Konvention geschaffen worden sei. Wie schon bisher sei das Risiko, daß zwei Intermediäre wirksame Verpflichtungen gegenüber ihren Depotkunden in bezug auf dieselben Wertpapiere eingehen (risk of double liability), von den Intermediären selbst zu tragen. Denn diese seien am ehesten in der Lage, dieses Risiko zu überschauen und sich dagegen abzusichern, indem sie sich z. B. in den Depotverträgen mit ihren Kunden das Recht vorbehalten, Depotgutschriften mangels Deckung zu stornieren oder einen Fehlbestand auf mehrere Depotkunden umzulegen95. Unter bestimmten Umständen könne ein Intermediär auch die Pflicht haben, sich im Fall einer Unterdeckung zusätzliche Wertpapiere auf dem Markt zu beschaffen96. Derartige Pflichten eines Intermediärs in bezug auf den Deckungsbestand sind jedoch für schuldrechtlich geprägte Verwahrsysteme charakteristisch. Hier bestand in der Tat schon immer das Risiko, daß ein Intermediär einem Depotkunden einen Anspruch einräumt, ohne die zur Abdeckung erforderlichen Wertpapiere zu erhalten97. Verwahrungskonzepte mit direkter Rechtsträgerschaft beruhen aber gerade auf der Idee, daß es zu einer Rechteverdoppelung von vornherein nicht kommen kann, weil über Rechte an einem unveränderlichen Bestand an Wertpapieren verfügt wird und ein Rechtserwerb durch eine Person zwangsläufig einen Rechtsverlust bei einer anderen Person voraussetzt. Daß der Verfügungsgegenstand rechtlich sowohl dem Erwerber als auch dem Veräußerer zuzuordnen ist, ist ausgeschlossen. Dieser Idee läuft das Übereinkommen zuwider, wenn es mit seinem stage-by-stage approach eine Rechteverdoppelung in Kauf nimmt98. Hennrich vertritt die Auffassung, daß der stage-by-stage approach auch schon bei statischen Fragen Kompatibilitätsprobleme mit sich bringt, wenn in einer mehrstufigen Verwahrkette dinglich geprägte Rechtsordnungen auf relative Rechte treffen. Zur Veranschaulichung zieht er das folgende Beispiel heran99: Die Clearstream Banking AG vereinbart mit einem Zwischenverwahrer-1 die Anwendung deutschen Rechts, der Zwischenverwahrer-1 daraufhin mit einem Zwischenverwahrer-2 die Anwendung des Rechts des Staates New York, und der Zwischenverwahrer-2 vereinbart schließlich mit dem Anleger wieder deutsches Recht.

Nach Hennrichs Einschätzung ist das dem Zwischenverwahrer-2 vom Zwischenverwahrer-1 vermittelte Recht als security entitlement zu behandeln, da das Recht des Staates New York keine dingliche Berechtigung an Wertpapieren kenne. Das bedeute aber zugleich, daß dem Anleger kein Miteigentum an den Wertpapieren zusteht. In einem Fall, in dem die Depotbank selbst nur eine schuldrechtliche Berechtigung in95 

Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report, Anm. Int-30 in Fn.  17, 4-49. Prel. Doc. No 12 of May 2002, S.  8. 97  Wust, Verbuchung, S.  4 00. 98  In gleichem Sinne Hennrich, Aktienverpfändung, S.  220; Wust, Verbuchung, S.  4 00. 99  Hennrich, Aktienverpfändung, S.  218. 96 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

nehat, könne auch dem Anleger nur eine schuldrechtliche Berechtigung eingeräumt werden, über die ggf. eine Gutschrift in Wertpapierrechnung ausgestellt werde100. Im Ergebnis ist an dieser Analyse nichts auszusetzen: Wie schon im Zusammenhang mit §  17a DepotG festgestellt wurde, kommt eine dingliche Berechtigung des Anlegers an den zugrundliegenden Wertpapieren nur in Betracht, wenn alle auf den einzelnen Stufen der Verwahrpyramide anwendbaren Rechtsordnungen eine solche Berechtigung anerkennen. Eine relative Berechtigung irgendwo in der Buchungskette wirkt wie eine Sperre für eine dingliche Berechtigung des Anlegers101. Allerdings hat dieses Ergebnis seine Ursache im materiellen Recht, nämlich in den Unterschieden zwischen den einzelnen Verwahrsystemen. An dem von Hennrich beschriebenen Kompatibilitätsproblem würde sich auch bei objektiver Anknüpfung – etwa nach §  17a DepotG – nichts ändern. cc) Zwischenergebnis Damit bleibt als Zwischenergebnis festzuhalten, daß das Haager Wertpapierübereinkommen trotz gegenteiliger Beteuerungen102 zumindest nicht in dem Sinne materiellrechtlich neutral ist, daß der in Art.  4 HWpÜ angelegte Ansatz einer stufenweisen Anknüpfung unabhängig von der materiellrechtlichen Ausgestaltung der Rechtsposition des Kontoinhabers zu klaren Ergebnissen führen würde103. Problemlos funktioniert dieser Ansatz nur, wenn auch die jeweils anwendbare Rechtsordnung auf einem stage-by-stage approach beruht, indem sie von einer relativen, ausschließlich gegenüber dem kontoführenden Intermediär bestehenden Berechtigung des Kontoinhabers ausgeht104 . Dagegen können erhebliche Kompatibilitätsprobleme auftreten, sobald der stage-by-stage approach auf sachenrechtlich geprägte Verwahrsysteme trifft. Der Grund dafür liegt darin, daß sich die Wirksamkeit einer Verfügung dann ggf. nach mehreren Rechtsordnungen beurteilt. Das kann zur Entstehung herrenloser bzw. doppelter Rechte führen und ist auch deshalb mißlich, weil die Transaktionsparteien in der Praxis zumeist nicht die Möglichkeit haben, selbst dafür zu sorgen, daß auf allen Verwahrstufen dieselbe Rechtsordnung zur Anwendung kommt. Selbst wenn sie − wie bei OTC-Geschäften − wissen, wer ihre Gegenpartei ist, wird eine transaktionsspezifische Koordinierung der anwendbaren Rechtsordnungen daran scheitern, daß es für die Parteien eines Depotvertrags viel zu umständlich wäre, 100 

Hennrich, Aktienverpfändung, S.  218 f. Ege, Kollisionsrecht, S.  168. 102  Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 117, 126 („It should be noted that the Convention’s primary conflict of laws rule works equally well in all situations involving securities held with an intermediary, independently of the nature of the right resulting from the credit of securities to a securities account and whether the right is enforceable against the relevant intermediary, any higher tier-intermediary or the issuer.“). 103 So im Ergebnis übereinstimmend Ege, Kollisionsrecht, S.   215; Hennrich, Aktienverpfändung, S.  220 f.; Saager, Effektengiroverkehr, S.  226; Wust, Verbuchung, S.  402; Einsele, WM 2003, 2349, 2355; Haubold, RIW 2005, 656, 660; Rögner, ZBB 2006, 98, 105. 104  Garcimartín/Guillaume, in: Keijser (Hrsg.), Transnational Securities Law, Rn.  10.89. 101 Vgl.

§  15  Haager Wertpapierübereinkommen

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wegen einzelner Transaktionen jeweils das anwendbare Recht zu ändern105. Zwar wird diese Problematik im deutschen Recht dadurch entschärft, daß der grenzüberschreitende Effektengiroverkehr in erheblichem Umfang auf der Grundlage von Gutschriften in Wertpapierrechnung abgewickelt wird. Soweit es um gegenseitige Kontoverbindungen i. S. von §  5 Abs.  4 DepotG, also um jene Konstellation geht, bei der dem Anleger unter Umständen ein dingliches Recht an den im Ausland lagernden Wertpapieren eingeräumt wird, ist die Gefahr von Inkompatibilitäten dagegen nicht von der Hand zu weisen.

V. Gesamtbewertung In einem Aufsatz aus dem Jahr 2005 haben Sigman und Bernasconi die Behauptung, das Haager Wertpapierübereinkommen sei ausschließlich für das US-amerikanische materielle Recht geschaffen worden, als „Mythos“ zurückgewiesen106. Auch wenn diese Behauptung in der Tat zu weit geht, läßt sich eine starke Prägung des Übereinkommens durch das US-amerikanische Recht nicht leugnen107. Die durch Art.  4 HWpÜ eingeführte Möglichkeit einer beschränkten Rechtswahl durch die Depotvertragsparteien harmoniert allein mit stufenweise ausgestalteten Berechtigungen wie dem security entitlement oder der Gutschrift in Wertpapierrechnung. Im Zusammenspiel mit sachenrechtlich organisierten Effektengirosystemen führt sie zu beträchtlichen Schwierigkeiten, die in ihrer Tragweite offensichtlich verkannt wurden108. Alles in allem drängt sich bei einer Analyse des Übereinkommens der Eindruck auf, daß die Haager Konferenz ihr Ziel, durch Aufstellung gemeinsamer kollisionsrechtlicher Bestimmungen Rechtssicherheit zu schaffen, klar verfehlt hat. Auch dürfte sie sich keinen Gefallen damit getan haben, dieses Übereinkommen, das Rechtsfragen von beträchtlicher Komplexität betrifft, im Rahmen einer fast-track-pro­ cedure zu verabschieden und in einem vergleichsweise späten Stadium der Beratungen noch einen grundlegenden konzeptionellen Wechsel von PRIMA zu einer subjektiven Anknüpfung zu vollziehen109. Gewiß haben auch einige Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, sich und der Haager Konferenz keinen guten Dienst erwie105 Treffend

Ege, Kollisionsrecht, S.  193. Sigman/Bernasconi, IFLR 2005, 31, 33. 107  Saager, Effektengiroverkehr, S.   221; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), Bankrechtstag 2004, S.  117, 141 f.; dies einräumend auch Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S.  377, 388. 108  Wust, Verbuchung, S.  399. 109  Daß eine fast-track-procedure auch Nachteile insbesondere in Form der Unausgegorenheit der einen oder anderen Norm mit sich bringt, wird eingeräumt von Kreuzer, in: Festschrift für Yamauchi, S.  201, 226; uneingeschränkt positive Einschätzung dagegen bei Goode, in: Faust/Thüsing (Hrsg.), Beyond Borders, S.  63, 70; ebenso Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S.  377, 388, der den Einwand, der Wechsel zu einer subjektiven Anknüpfung sei überraschend gekommen, nicht gelten läßt. 106 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

sen, als sie einem Übereinkommen ihre Zustimmung gaben, über dessen Auswirkungen sie sich anscheinend nicht vollständig im klaren waren. Es ist denn wohl auch auf die negativen Erfahrungen mit dem Haager Übereinkommen zurückzuführen, daß sich das Römer Institut zur Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) bei der Schaffung der Genfer Wertpapierkonvention (zu ihr sogleich unter §  14) mehr Zeit gelassen hat. Letztlich ist Scheitern des Haager Wertpapierübereinkommens ein klarer Beleg dafür, daß sich ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit im Effektengiroverkehr nur erreichen läßt, wenn mit einer Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts eine Harmonisierung des materiellen Rechts einhergeht. Kollisionsrechtliche Regeln können in diesem Bereich nur dann zu sinnvollen Ergebnissen führen, wenn die betroffenen Rechtsordnungen ein Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen110. Solange keine Klarheit darüber besteht, ob und inwieweit es auf europäischer Ebene zu einer Harmonisierung des materiellen Rechts kommen wird111, ist der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten von einer Zeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens dringend abzuraten. Der Europäischen Zentralbank ist somit Recht zu geben, wenn sie dafür plädiert, eine Reform des Wertpapierkollisionsrechts als Teil einer umfassenden Reform zu behandeln, die auch das materielle Recht einbezieht112 .

110 

Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, §  9 Rn.  5. Dazu unter §  17. 112  Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 17. März 2005 auf Ersuchen des Rates der Europäischen Union zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Übereinkommens über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf Intermediär-verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung (KOM(2003) 783 endg.), ABl. Nr. C 81 vom 2. April 2005, Rn.  15; ausdrücklich a. A. Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S.  377, 394. 111 

§  16  Genfer Wertpapierübereinkommen Mit dem am 9. Oktober 2009 von einer diplomatischen Konferenz in Genf verabschiedeten UNIDROIT-Übereinkommen über materiellrechtliche Regelungen für intermediärverwahrte Wertpapiere – kurz: Genfer Wertpapierübereinkommen (GWpÜ)113 – wendet sich diese Untersuchung dem bislang ambitioniertesten, da auf eine globale Akzeptanz und Umsetzung angelegten Projekt zur Harmonisierung des materiellen Depotrechts zu. Nach einem kurzen Blick auf seine Entstehungsgeschichte (unter I) werden das Ziel und der methodische Ansatz des Übereinkommens beleuchtet (unter II). Im Anschluß daran werden die Kernbestimmungen des Übereinkommens dargestellt und analysiert (unter III). Auf dieser Grundlage kann zum Schluß beurteilt werden, ob dieses Instrument tatsächlich „zum gänzlichen Abschied von allem sachenrechtlichen Denken zwingt“ und insofern für das deutsche Depotrecht eine „Zeitenwende“ bedeutet, wie mitunter behauptet wird114 (unter IV).

I. Entstehungsgeschichte Die Arbeiten am Genfer Wertpapierübereinkommen wurden im Juni 2002 aufgenommen, als das UNIDROIT-Sekretariat auf der Grundlage eines Beschlusses des Governing Council vom September 2001 eine aus 13 Experten bestehende Study Group einsetzte und ihr den Auftrag gab, die Reichweite des Projekts abzustecken und einen ersten Konventionsentwurf zu erstellen115. Das Projekt trug zunächst den Titel „Harmonised Substantive Rules for the Use of Securities Held with Intermediaries as Collateral“116 und verstand sich von Anfang an als Ergänzung des damals kurz vor der Verabschiedung stehenden Haager Wertpapierübereinkommens, mit dem die 113 UNIDROIT Convention on Substantive Rules for Intermediated Securities, UNIDROIT 2009 – CONF. 11/2 – Doc. 42 (9. Oktober 2009). Zu der von der diplomatischen Konferenz empfohlenen Kurzbezeichnung „Geneva Securities Convention“ siehe Resolution No.  2 des Final Act, UNI­ DROIT 2009 − CONF. 11/2 – Doc. 41. Die Dokumente von UNIDROIT sind verfügbar unter www. unidroit.org. 114  So vor allem Mülbert, in: Festschrift Koziol, S.  1055, 1075 f.; ders., ZBB 2010, 445, 458. Die Notwendigkeit eines konzeptionellen Wechsels betont auch Saager, Die Bank 4/2005, 22, 25. 115  Für eine vollständige Chronologie des Projekts bis Dezember 2004 siehe Unif. L. Rev. 2005, 112–115. 116  UNIDROIT 2002 – Study LXXVIII – Doc. 1.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

Harmonisierung des Kollisionsrechts der intermediärverwahrten Wertpapiere in Angriff genommen worden war117. Nach mehreren Sitzungen – die erste fand im September 2002 in Rom statt – und einem regen Gedankenaustausch mit Praktikern und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt veröffentlichte die Study Group im August 2003 ein Positionspapier mit dem Titel „Harmonised Substantive Rules Regar­ ding Indirectly Held Securities“, das als analytische Grundlage des Übereinkommens gelten darf118. Darin unterstrich sie die Notwendigkeit einer Harmonisierung auch des materiellen Depotrechts, zeigte die möglichen Hauptelemente eines entsprechenden Übereinkommens auf und sprach sich für einen funktionalen Regelungsansatz aus. Damit hatte sie die entscheidende methodische Weichenstellung vorgenommen, die bis zur Verabschiedung des Übereinkommens beibehalten wurde. Im Dezember 2004 übermittelte das UNIDROIT-Sekretariat den Mitgliedstaaten einen vorläufigen Konventionsentwurf119 mitsamt Erläuterungen120. Dieser Entwurf bildete die Grundlage intensiver zweijähriger Beratungen durch das Committee of Governmental Experts (CGE), die im Mai 2005 begannen und im Laufe derer der Text ständig angepaßt und weiterentwickelt wurde. In seiner vierten und letzten Sitzung im Mai 2007 entschied das Committee of Governmental Experts, die von ihm gebilligte Entwurfsfassung121 einer Diplomatischen Konferenz zur abschließenden Beratung und Annahme vorzulegen. Während der ersten Sitzung dieser Konferenz, die zwischen dem 1. und 12. September 2008 in Genf stattfand, gelang es, bei einigen noch umstrittenen und als besonders wichtig eingeschätzten Punkten – gutgläubiger Erwerb, Insolvenz eines Verwahrers und die Rolle von Zentralverwahrern – konsensfähige Lösungen zu finden. Gleichwohl wurde die Verabschiedung des Übereinkommens aufgeschoben, zumal einige Delegationen zu erkennen gegeben hatten, dem Text122 erst zustimmen zu wollen, sobald (zumindest im Entwurf) ein Offizieller Kommentar verfügbar ist, der das gemeinsame Verständnis der einzelnen Bestimmungen wiedergibt und so späteren Meinungsverschiedenheiten über deren Auslegung vorbeugen hilft. Die Diplomatische Konferenz beschloß denn auch, die Erstellung eines solchen Kommentars in Auftrag zu geben123. Im Juli 2009 wurde ein Entwurf vorgelegt, der in der Tat ein unentbehrliches Hilfsmittel bei der Arbeit 117 

Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 411. UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8 (August 2003). 119  Preliminary draft Convention on Harmonised Substantive Rules regarding Securities Held with an Intermediary, UNIDROIT 2004 – Study LXXVIII – Doc. 18 (November 2004). Siehe dazu Paech, WM 2005, 1101 ff. 120 Explanatory Notes to the Preliminary Draft Convention, UNIDROIT 2004 – Study LXXVIII – Doc. 19 (Dezember 2004). 121  Preliminary draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities, as adopted by the Committee of Governmental Experts at its fourth session, held in Rome, 21–25 May 2007, UNIDROIT 2007 – Study LXXVIII – Doc. 94. 122 Draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities, UNIDROIT 2008 – CONF. 11 – Doc. 48 Rev. (Oktober 2008). 123  Siehe die Zusammenfassung der Beschlüsse der Diplomatischen Konferenz in UNIDROIT 2008 – CONF. 11 – Doc. 47 Rev. (Oktober 2008). 118 

§  16  Genfer Wertpapierübereinkommen

543

mit dem Konventionstext werden sollte124 . Während der zweiten Sitzung der Diplomatischen Konferenz, die vom 5. bis 9. Oktober 2009 wiederum in Genf abgehalten wurde, wurden noch einige Textänderungen vorgenommen – die meisten davon auf Anregung der Herausgeber des Kommentarentwurfs125 – und das Übereinkommen verabschiedet126. Die Schlußakte wurde am 9. Oktober 2009 von 37 UNIDROIT-Mitgliedstaaten und der Europäischen Union unterzeichnet. Seit diesem Tag liegt das Übereinkommen bei UNIDROIT in Rom zur Zeichnung aus127. Die endgültige Fassung des Offiziellen Kommentars liegt seit Frühjahr 2012 vor128. Im Mai 2017 hat der Direktionsrat (Governing Council) von UNIDROIT einen von einer Expertengruppe erstellten „Legislative Guide on Intermediated Securities“ angenommen, der die Akzeptanz des Übereinkommens fördern und den nationalen Gesetzgebern Hilfe bei der Implementierung leisten soll129. Eine amtliche Übersetzung der Konvention in die deutsche Sprache steht noch aus.

II.  Ziel und Methodik 1.  Mindestharmonisierung des Depotrechts Nicht anders als das Haager Wertpapierübereinkommen beruht auch das Genfer Wertpapierübereinkommen auf der Überzeugung, daß es einer globalen Lösung bedarf, um die mit grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften verbundenen Rechtsrisiken auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. Während sich jedoch das Haager Projekt auf das vergleichsweise überschaubare Problem des Fehlens einheitlicher Kollisionsregeln konzentrierte, hatten sich die Verfasser des Genfer Übereinkommens mit einem deutlich komplexeren Rechtshindernis auseinanderzusetzen: den zum Teil tiefgreifenden Unterschieden im materiellen Depotrecht. Als besonders gravierendes Problem wurde die Heterogenität der Verwahrungskonzepte betrachtet, vor allem 124  Draft Official Commentary on the draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities, UNIDROIT 2009 – CONF. 11/2 – Doc. 5 (Juli 2009). Der Entwurf wurde unter der Federführung von Hideki Kanda als Vorsitzendem des Drafting Committee und Charles Mooney erarbeitet. 125  Memorandum regarding suggestions for revision of the text of the draft Convention (submitted by the Editors of the draft Official Commentary), UNIDROIT 2009 – CONF. 11/2 – Doc. 6 Corr. (22. Juli 2009). 126  Siehe Fn.  113. 127  Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist in Art.  4 2(1) GWpÜ geregelt: „This Convention enters into force on the first day of the month following the expiration of six months after the date of the deposit of the third instrument of ratification, acceptance, approval or accession between the States that have deposited such instruments.“ 128  Kanda u. a., Official Commentary on the UNIDROIT Convention on Substantive Rules for Intermediated Securities, Oxford 2012. 129 Die Entstehungsgeschichte wird nachgezeichnet unter http://www.unidroit.org/instrcapitalmarkets-legislative-guide.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

der Umstand, daß manche Rechtsordnungen dem Anleger ein Eigentumsrecht an den zugrundeliegenden Effekten gewähren, während er in anderen lediglich eigentumsähnlich verfestigte Ansprüche gegen den kontoführenden Intermediär erwirbt130. Der Versuch, diese Unterschiede durch Schaffung eines „globalen Depotgesetzes“ vollständig einzuebnen, erschien allen Beteiligten von vornherein aussichtslos131. Schon die Study Group hatte in ihrem Positionspapier vom August 2003 ihre Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß eine Vollharmonisierung des Depotrechts zwar grundsätzlich wünschenswert, praktisch aber kaum zu erreichen wäre und auch nicht unbedingt notwendig ist, um für mehr Rechtssicherheit auf den Finanzmärkten zu sorgen. Damit hatte sie die Vorentscheidung getroffen für ein In­ strument, das sich auf die Harmonisierung bestimmter Kernaspekte der mediatisierten Wertpapierverwahrung beschränkt und somit einen eher behutsamen („minimalistischen“132) Ansatz verfolgt, um die interne Zuverlässigkeit (internal soundness) und internationale Kompatibilität (compatibility) der nationalen Depotrechte zu gewährleisten133. Offenbar hatte die Study Group ihre Lehren aus früheren Harmonisierungsinitiativen gezogen, die mit einem überzogenen Anspruch ins Werk gesetzt wurden und daran gescheitert sind134 . Als regelungsbedürftig hatte die Study Group die folgenden Punkte eingestuft135: die Wirkung der Depotbuchung als Dreh- und Angelpunkt einer Vermögensbewegung innerhalb eines mediatisierten Verwahrsystems, den Ausschluß der sog. Sprungvollstreckung (upper tier attachment), Formalitäten bei der Bestellung und Verwertung von Sicherheiten an Depotguthaben, die Möglichkeit einer vorgezogenen Depotgutschrift im Rahmen des contractual settlement, die Zulässigkeit informeller, d. h. anders als durch Buchungen vollzogener Verfügungen über Wertpapiere, gutgläubiger Erwerb, die Zulässigkeit des sog. Netting, die Finalität von Übertragungsaufträgen, schließlich das Problem der Verlustverteilung im Fall eines Unterbestandes bei dem kontoführenden oder einem übergeordneten Intermediär. In der Konsequenz der Beschränkung auf eine Mindestharmonisierung des Depotrechts liegt es, daß sich das Übereinkommen aus benachbarten Gebieten wie dem Zivil-, Handels-, Gesellschafts- oder Insolvenzrecht nahezu vollständig heraushält und erst recht nicht die Absicht verfolgt, die unterschiedlichen Praktiken der Wertpapierverwahrung und -abwicklung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Ob und 130 

1152.

131 

Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007–2008), 384, 401 ff.; Paech, Unif. L. Rev. 2002, 1140,

Kronke, WM 2010, 1625 f. Kronke, WM 2010, 1625, 1626. 133 UNIDROIT Study Group on Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper August 2003, UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8, S.  13 f. 134 Siehe Kronke, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  245, 247, wo das Haager Wertpapierübereinkommen als besonders abschreckendes Beispiel für überzogene Ambitionen freilich unerwähnt bleibt. 135 UNIDROIT Study Group on Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper August 2003, UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8, S.  5 f. und 16 f. 132 

§  16  Genfer Wertpapierübereinkommen

545

in welcher Form Aktien und Schuldverschreibungen in Urkunden zu verbriefen sind, ob eine Gesellschaft Inhaber- oder Namensaktien auszugeben hat, ob ein Aktionär gegen den Emittenten einen Anspruch auf Auslieferung von Einzelurkunden über seine Beteiligung hat, ob das betreffende Verwahrsystem transparent oder intransparent ist, all das bleibt wie bisher der Festlegung durch das nationale Recht bzw. der Entscheidung der Marktteilnehmer überlassen. So unbestritten der Ausschluß gesellschaftsrechtlicher Aspekte von Anfang an war, so schwierig war es, ihn im Konventionstext unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen136. Den global agierenden Verwahrern war vor allem an einer ausdrücklichen Anerkennung von nominee-Modellen und der Möglichkeit des split voting gelegen, d. h. der unterschiedlichen Ausübung der Stimmrechte der in der Hauptversammlung repräsentierten Anleger gemäß ihren unterschiedlichen Weisungen. Und vor allem die deutsche Delegation wollte sichergestellt sehen, daß die nationalen Regeln über Namensaktien von den Regelungen des Übereinkommens unberührt bleiben137. Der endgültige Text des Übereinkommens trägt diesen Anliegen in zwei Artikeln Rechnung138: Art.  8 GWpÜ stellt den Grundsatz auf, daß die Konvention weder die Rechte des Kontoinhabers gegen den Emittenten berührt noch bestimmt, wen der Emittent als Anteilseigner (sharehol­ der), Anleihegläubiger (bondholder) oder sonstige aus den Wertpapieren berechtigte Person (other person entitled to receive and exercise the rights attached to the securities) anzuerkennen hat139. Einer gesellschaftsrechtlichen Bestimmung wie §  67 Abs.  2 AktG, wonach im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Aktionär gilt, der als solcher im Aktienregister eingetragen ist, steht die Konvention also ebensowenig entgegen wie einer Vinkulierungsregelung nach Art von §  68 Abs.  2 AktG, wonach die Satzung die Übertragung von Namensaktien an die Zustimmung der Gesellschaft binden kann140. Nominee-Modelle und die Möglichkeit des split voting werden durch Art.  29 Abs.  2 GWpÜ anerkannt. Mit dieser auf das grenzüberschreitende Verwahrgeschäft zugeschnittenen Bestimmung wird der Grundsat der Ausklammerung gesellschaftsrechtlicher Aspekte partiell durchbrochen, um den global tätigen Verwahrern in allen Vertragsstaaten das Auftreten als nominee zu ermöglichen141.

2.  Funktionaler Ansatz a) Charakteristika Aus der Entscheidung für eine Mindestharmonisierung des Depotrechts ergab sich zwangsläufig die Wahl eines funktionalen Regelungsansatzes, wie er bereits von an136 

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  8-3. Kronke, WM 2010, 1625, 1628. 138  Eingehend zur Diskussion über diese Bestimmungen Kronke, WM 2010, 2009, 2010 ff. 139 Dazu Conac, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  105, 109 f. 140  Siehe das Beispiel bei Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  8-15; ferner Kronke, WM 2010, 1625, 1628. 141  Dazu näher Thévenoz, Unif. L. Rev. 2010, 845, 858 f. 137 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

deren UNIDROIT-Übereinkommen bekannt ist142 . Er wird im 6. Erwägungsgrund der Präambel ausdrücklich als architektonisches Leitprinzip des Übereinkommens genannt. Von tiefen, die konzeptionellen Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung berührenden Eingriffen in das nationale Depotrecht sieht das Übereinkommen ab. Es gibt bestimmte Ergebnisse vor, überläßt aber dem nationalen Gesetzgeber die Entscheidung, auf welchem konzeptionellen Unterbau und mit welchen rechtstechnischen Mitteln die Erreichung dieser Ergebnisse sichergestellt werden soll143. Dementsprechend wurde bei der Formulierung der einzelnen Bestimmungen auf absolute Dogmatik- und Systemneutralität geachtet. Anlehnungen an eine bestimmte Rechtsordnung oder ein bestimmtes Verwahrungskonzept werden bewußt vermieden144 . Als Musterbeispiel für den funktionalen Ansatz gilt Art.  9 GWpÜ („In­ termediated securities“)145. Er umschreibt, welche Mindestrechte ein Kontoinhaber erwirbt, wenn seinem Depotkonto Wertpapiere gutgeschrieben werden, macht aber dem nationalen Gesetzgeber keinerlei Vorgaben hinsichtlich der konzeptionellen Ausgestaltung der Rechtsposition des Kontoinhabers. Die Analyse dieser und einiger anderer Schlüsselbestimmungen146 wird zeigen, daß es irreführend ist, von einer „primär schuldrechtlichen Konvention“ zu sprechen, die „für ihren Regelungsbereich auch sachenrechtliche Auswirkungen“ habe147. Um zivilrechtliche Kategorien wie „Schuldrecht“ und „Sachenrecht“ kümmert sich die Konvention nicht. Ausdruck findet der funktionale Ansatz in einer überwiegend beschreibenden Sprache sowie der Verwendung möglichst neutraler Begriffe, die keiner bestimmten Rechtsordnung oder -tradition entlehnt und zum Teil sogar eigens für das Übereinkommen geschaffen worden sind. Dadurch soll eine weltweit einheitliche Interpretation des Regelwerks gewährleistet werden. Begriffe wie property oder ownership werden bewußt vermieden, da sie nicht überall dieselbe Bedeutung aufweisen und häufig für eine ganz bestimmte Rechtstradition stehen148. Das Übereinkommen spricht in Art.  18 auch nicht vom gutgläubigen Erwerb (good faith acquisition), sondern vom Erwerb einer redlichen Person (acquisition by an innocent person), um deutlich zu 142  Siehe etwa das UNIDROIT-Übereinkommen von Kapstadt über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung vom 16. November 2001 (sog. Cape Town Convention) und das Protokoll von Luxemburg zum Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung betreffend Besonderheiten des rollenden Eisenbahnmaterials vom 23. Februar 2007. 143 Explanatory Notes to the Preliminary Draft Convention, UNIDROIT 2004 – Study LXXVIII – Doc. 19, S.  19. Siehe auch Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 75: „The functional approach is based on the idea that the Convention should specify the operative results that arise in transactions and setting within its scope, but should not attempt to override (and harmonise among states) the whole of the underlying domestic legal doctrine that is the vehicle for producing those results.“ 144  Kronke, WM 2010, 1625, 1626. 145 Siehe Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 83 f.; ferner Dupont, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  90, 91. 146  Dazu ausführlich unter III. 147 So Pöch, in: Gedächtnisschrift für Gruson, S.  303, 319 zum Entwurf vom Mai 2007. 148  Than, in: Festschrift für Hopt, S.  231, 241.

§  16  Genfer Wertpapierübereinkommen

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machen, daß sich die traditionellen Grundsätze über den gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen nicht ohne weiteres auf die mediatisierte Wertpapierverwahrung übertragen lassen149. Zu den eigens für das Übereinkommen geschaffenen Kunsttermini zählt der Begriff intermediated securities, der zusammen mit den Begriffen se­ curities account150 und intermediary151 den Anwendungsbereich des Übereinkommens absteckt. Unter intermediated securities sind gemäß Art.  1(b) GWpÜ „securities credited to a securities account or rights or interests in securities resulting from a credit of securities to a securities account“ zu verstehen. Diese mit großer Sorgfalt formulierte Definition152 , deren Bedeutung erst dann vollständig klar wird, wenn man sie im Lichte von Art.  9 GWpÜ betrachtet, möchte der Tatsache Rechnung tragen, daß die Anleger in einigen Rechtsordnungen über eine unmittelbare, in anderen über eine bloß mittelbare Berechtigung an den in das Verwahrsystem eingebrachten Werten verfügen. Sie ist sogar so weit gehalten, daß sie neben Vollrechten auch beschränkte (dingliche) Rechte an den underlyings oder davon abgeleiteten Rechtspositionen umfaßt, vorausgesetzt, daß diese Rechte ihrerseits durch Depotgutschrift begründet oder dokumentiert werden153. b) Kritik Nicht ganz zu Unrecht hat Pöch am Genfer Wertpapierübereinkommen bemängelt, es stelle über weite Passagen schwer leserliche Regeln auf154 . Ungerechtfertigt ist jedoch sein Einwand, es orientiere sich terminologisch zu sehr an anglo-amerikanischen Vorstellungen und erwecke so den Eindruck, als wolle es das indirekte Verwahrungskonzept dieses Rechtsraums auf Rechtsordnungen übertragen, denen es fremd ist155. Zwar mögen Begriffe wie „Intermediär“ und „intermediärverwahrte Wertpapiere“ in den Ohren eines kontinentaleuropäischen Juristen ungewohnt klingen. Sie werden aber in Art.  1 so präzise definiert und im Offiziellen Kommentar so ausführlich erläutert, daß sich vorschnelle Assoziationen mit dem security entitle­ ment-Konzept des Art.  8 UCC oder dem Trust-Modell des englischen Rechts verbieten sollten. Die von Pöch vorgeschlagenen Alternativbegriffe „Kontoführer“ (account provider) und „kontoverwahrte Wertpapiere“ (account held securities) mögen eine Spur neutraler sein. Ein nennenswerter Gewinn an terminologischer Klarheit wäre mit ihnen jedoch nicht verbunden gewesen. Der Begriff „kontoverwahrte Wertpapie149 

153.

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  17-9; siehe auch Keijser/Parmentier, BKR 2010, 151,

150  Siehe Art.  1(c) GWpÜ: „an account maintained by an intermediary to which securities may be credited or debited“. 151  Siehe Art.  1(d) GWpÜ: „a person (including a central securities depository) who in the c ­ ourse of a business or other regular activity maintains securities accounts for others or both for others and for its own account and is acting in that capacity“. 152  Siehe zu den früheren Versionen Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  1-16. 153  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  1-20. 154  Pöch, in: Gedächtnisschrift für Gruson, S.  303, 319. 155  Pöch, in: Gedächtnisschrift für Gruson, S.  303, 307.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

re“ ist im Gegenteil ziemlich schief156. Die entscheidende Testfrage, die an das Übereinkommen zu richten ist, betrifft denn auch nicht seine Terminologie, sondern ­seinen Inhalt. Sie lautet: Wird es auch insoweit seinem Anspruch gerecht, dogmatikund systemneutral zu sein, oder kommt es am Ende doch als „Wolf im minimalistischen Schafspelz“157 daher, der einen konzeptionellen Wechsel erzwingt? Das wird noch ausführlich zu untersuchen sein158.

3.  Verweis auf das Nichtübereinkommensrecht Zuvor ist noch auf ein weiteres Konstruktionsmerkmal des Genfer Übereinkommens hinzuweisen, das sich ebenfalls zwangsläufig aus der Beschränkung auf bestimmte Kernfragen der mediatisierten Wertpapierverwahrung ergab. An nicht wenigen Stellen verweist der Text auf das Nichtübereinkommensrecht (non-Convention law), um dem nationalen Gesetzgeber ausdrücklich Raum für die Ausfüllung oder Ergänzung der betreffenden Regelung zu geben159 oder ihm umgekehrt die Grenzen seiner Gestaltungsmacht aufzuzeigen160. Es versteht sich, daß Bestimmungen, die der nationale Gesetzgeber aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung erläßt, den zwingenden Bestimmungen der Konvention nicht zuwiderlaufen dürfen. Das in Art.  1(m) GWpÜ definierte Nichtübereinkommensrecht – im folgenden ist der Einfachheit halber vom „nationalen Recht“ die Rede – ist nicht zu verwechseln mit dem gelegentlich in Bezug genommenen „anwendbaren Recht“161. Mit diesem nicht definierten Begriff ist das nach dem Internationalen Privatrecht des Forums anwendbare Recht gemeint162 .

III. Grundbausteine Die einzelnen Bestimmungen des Genfer Wertpapierübereinkommens brauchen nachfolgend nicht im Detail vorgestellt zu werden. Um beurteilen zu können, ob und in welcher Hinsicht das Übereinkommen im deutschen Depotrecht ein konzeptionelles Umdenken erfordert, genügt ein analytischer Blick auf seine Grundbausteine. Es sind dies die maßgeblichen Regelungen über die Rechte des Kontoinhabers, die Vornahme von Verfügungen, die Integrität des Verwahrsystems und über Sicherungsrechte an Depotguthaben. 156  Kritisch auch Mülbert, ZBB 2010, 445, 449 in Fn.  4 6. Ausführlich zur Terminologie bereits oben §  3 IV 2. 157  Kronke, WM 2010, 1625, 1628. 158  Dazu sogleich unter III. 159  Siehe z. B. Art.  9 Abs.  1(d), 13, 15 Abs.  2 , 16, 19 Abs.  7, 24 Abs.  4 GWpÜ. 160  Siehe z. B. Art.  11 Abs.  2 , 12 Abs.  2 . 161  Siehe Art.  2 , 9 Abs.  1(c), 9 Abs.  2(b), 12 Abs.  8, 18 Abs.  4, 19 Abs.  5 und 6. 162  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  1-60; Kronke, WM 2010, 1625, 1626.

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1.  Rechte des Kontoinhabers Die Rechte des Kontoinhabers sind im zweiten Kapitel des Übereinkommens (Art.  9 und 10 GWpÜ) geregelt, wobei der bereits erwähnte Art.  9 („Intermediated Securi­ ties“) zu den konzeptionellen Schlüsselbestimmungen des Regelwerks zählt. a)  Art.  9 im Überblick Art.  9 GWpÜ bestimmt in Abs.  1, welche (Mindest-)Rechte ein Kontoinhaber mit der Gutschrift von Wertpapieren auf seinem Konto erwirbt, und unterscheidet dabei danach, ob der Kontoinhaber die Wertpapiere als ultimate account holder163 oder in der Eigenschaft als Intermediär, d. h. für einen anderen Kontoinhaber hält. Im ersten Fall erwirbt der Kontoinhaber ein ganzes Bündel an Rechten, nämlich (a) das Recht, alle sich aus den Wertpapieren ergebenden Rechte (rights attached to the securities) zu erhalten und auszuüben, einschließlich Dividenden, andere Ausschüttungen und Stimmrechte, (b) das Recht, eine Verfügung (disposition) gemäß Art.  11 GWpÜ vorzunehmen oder ein (Sicherungs-)Recht (interest) gemäß Art.  12 GWpÜ einzuräumen, (c) das Recht, mittels einer Weisung (instruction) an den kontoführenden Intermediär (relevant intermediary164) zu veranlassen, daß die Wertpapiere auf andere Weise als durch Verbuchung auf einem Konto gehalten werden, soweit dies nach dem anwendbaren Recht, der Kontovereinbarung oder den Regeln des Abwicklungssy­ stems zulässig ist, sowie (d) alle sonstigen vom nationalen Recht gewährten Rechte (other rights, including rights and interests in securities), soweit das Übereinkommen dem nicht entgegensteht. Hält der Kontoinhaber die Titel für fremde Rechnung, dient die Gutschrift auf seinem Konto also nicht der Erfüllung eines Eigengeschäfts, erwirbt er nur die unter Art.  9(1)(b) und (c) GWpÜ sowie ggf. auch die unter (d) aufgeführten Rechte. Die sich aus den Wertpapieren ergebenden Rechte stehen ihm grundsätzlich nicht zu, doch kann das nationale Recht etwas anderes bestimmen165. Art.  9 Abs.  2 GWpÜ enthält ergänzende Regelungen über den Schutz und die Geltendmachung der Rechte des Kontoinhabers. Art.  9 Abs.  2(a) GWpÜ bestimmt, daß die in Art.  9 Abs.  1 aufgeführten Rechte auch Dritten gegenüber wirksam sind. Ausweislich des Offiziellen Kommentars dient diese Regelung vor allem der Verstärkung der sich aus den Wertpapieren ergebenden Rechte. Indem sie diesen Rechten Drittwirkung verleiht, stellt sie klar, daß sich der Berechtigte gegen Verletzungshandlungen Dritter zur Wehr setzen kann166. Art.  9 Abs.  2(b) GWpÜ bestimmt, daß es Sache der Gesellschaftsstatuten bzw. Emissionsbedingungen und des anwendbaren Rechts 163  So die griffige Kurzformulierung bei Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  9-5. In Art.  9 Abs.  1(a)(i) GWpÜ selbst findet sich die Wendung „if the account holder is not an intermediary or is an intermediary acting for its own account“ findet. Es sei noch einmal daran erinnert, daß der Ausdruck „Investor“ vom Übereinkommen bewußt vermieden wird; siehe dazu bereits unter §  3 IV 4. 164  Siehe Art.  1(g) GWpÜ: „the intermediary that maintains that securities account for the account holder“. 165  Art.  9 Abs.  1(a)(ii) GWpÜ. 166  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  9-17.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

ist festzulegen, gegenüber wem – dem Emittenten und/oder dem kontoführenden Intermediär – die Rechte aus den Wertpapieren geltend gemacht werden können. Und Art.  9 Abs.  2(c) GWpÜ unterstreicht, daß die in Art.  9 Abs.  1(b) und (c) aufgeführten Rechte, d. h. das Recht des Kontoinhabers, über sein Guthaben zu verfügen oder Sicherheiten daran zu bestellen sowie das Recht, die Herausnahme der Wertpapiere aus dem Verwahrsystem zu veranlassen, ausschließlich gegenüber dem kontoführenden Intermediär ausgeübt werden können. b) Analyse Art.  9 GWpÜ gilt, wie bereits erwähnt, als Musterbeispiel für den funktionalen Ansatz des Übereinkommens, und das zu Recht. In konsequenter Umsetzung dieses Ansatzes beschränkt er sich darauf, der Rechtsposition des Kontoinhabers einen bestimmten Mindestinhalt beizulegen, indem er in neutraler Sprache umschreibt, welche Rechte eine Depotgutschrift auf jeden Fall mit sich zu bringen hat. Wie die Rechtsposition des ultimate account holder und der in die Verwahrkette eingegliederten Intermediäre genau zu charakterisieren ist, legt er mit Rücksicht auf die zum Teil sehr unterschiedlichen Traditionen und Konzepte in den einzelnen Rechtsordnungen nicht fest. Er trifft auch keine Entscheidung darüber, ob die Depotgutschrift dem Kontoinhaber eine direkte oder indirekte Rechtsträgerschaft an den zentralverwahrten Wertpapieren oder Wertrechten vermittelt. Art.  9 Abs.  1(a)(ii) GWpÜ eröffnet vielmehr dem nationalen Recht die Möglichkeit, die Rechte an den underlyings nicht unmittelbar dem Anleger, sondern einem Intermediär (z. B. dem Zentralverwahrer) zuzuweisen, wie dies für Konzepte mit indirekter Rechtsträgerschaft charakteristisch ist167. Und Art.  9 Abs.  1(d) GWpÜ erkennt mit der Wendung „such other rights, including rights and interests in securities“ explizit an, daß auch vom nationalen Recht gewährte (Eigentums-)Rechte an Wertpapieren oder in bezug auf Wertpapiere als integraler Bestandteil der Rechtsstellung des Depotkunden zu betrachten und genauso wie alle anderen in Art.  9 Abs.  1 GWpÜ aufgezählten Rechte zu behandeln sind. Insbesondere kann über solche Rechte nach Art.  11 und 12 GWpÜ verfügt werden168. Nicht zufällig korrespondiert der Wortlaut von Art.  9 Abs.  1(d) GWpÜ mit der Definition des Begriffs „intermediated securities“ in Art.  1(b) GWpÜ. Sie ergäbe keinen Sinn, könnte die Rechtsstellung eines Kontoinhabers nicht auch Rechte an den underlyings umfassen169. Folglich steht es dem nationalen Recht frei, sich für ein Konzept mit direkter oder indirekter Rechtsträgerschaft zu entscheiden und das Bündel an Rechten, das der 167  Siehe das Beispiel 9-2 bei Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  9-16 mit dem ergänzenden Hinweis, daß der Intermediär diese Rechte im Namen und Interesse seiner Kunden geltend zu machen hat. 168  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  9-27 ff. 169  Siehe denn auch Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  1-15: „The definition of intermediated securities in Article 1(b) is closely connected with Article 9“; siehe ferner Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 84 f.

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Kontoinhaber mit der Depotgutschrift erlangt, in dem vom Übereinkommen gezogenen Rahmen nach seinen Vorstellungen auszugestalten und mit Eigentums- oder sonstigen Rechten aufzufüllen170. Ein Miteigentumsmodell, wie es das deutsche Recht für die Sammelverwahrung von Wertpapieren im Inland vorsieht, ist mit Art.  9 GWpÜ ebenso vereinbar wie das schweizerische Bucheffektenmodell oder ein security entitlement-Konzept nach Art des Art.  8 UCC. Angesichts dieser vergleichsweise klaren Rechtslage überrascht, wie Art.  9 GWpÜ von einem Teil des Schrifttums (fehl-)interpretiert wird. So behauptet Mülbert, diese Bestimmung verwirkliche ein „Prinzip der abgestuften Rechtebündelzuweisung“171. Dieses Prinzip bedeute, daß einem Kontoinhaber je nachdem, ob er am Ende der Verwahrkette steht oder nicht, entweder zwei oder nur ein Bündel an Mindestrechten zugewiesen wird: Als Endkunden stünde dem Kontoinhaber ein Bündel von Einzelrechten gegenüber dem Emittenten („Rechtebündel I“) sowie ein Bündel von Einzelrechten gegenüber dem kontoführenden Intermediär („Rechtebündel II“) zu. Sei der Kontoinhaber kein Endkunde, stünde ihm lediglich ein Bündel von Einzelrechten gegenüber dem kontoführenden Intermediär („Rechtebündel II“) zu. Aus diesem Prinzip folgert Mülbert, daß vom Endkunden „lediglich ein Bündel von Einzelrechten statt die gesamte Rechtsstellung aus einem Wertpapier – im Fall der Aktie also die Mitgliedschaft – erworben und gehalten“ werde172 , und daß man unterscheiden müsse „zwischen einem legal owner, d. h. dem Inhaber der mit der Emission des Wertpapiers geschaffenen vollen Rechtsposition, und einem wirtschaftlichen Eigentümer (beneficial owner) als demjenigen, dem die vom Rechtebündel I umfassten Rechte zukommen“173. Daß Art.  9 GWpÜ dem Endkunden ein Bündel von Einzelrechten gegenüber dem Emittenten („Rechtebündel I“) zuweist, trifft aber nicht zu. Er bestimmt in Abs.  1(a) (i) lediglich, daß der Endkunde in den Genuß aller Rechte aus den Wertpapieren kommen muß, sagt aber nichts darüber aus, gegenüber wem – dem Emittenten und/ oder dem kontoführenden Intermediär – er diese Rechte geltend machen kann. Das richtet sich, wie sich aus Art.  9 Abs.  2(b) GWpÜ ergibt, nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (den Gesellschaftsstatuten oder Emissionsbedingungen) und dem anwendbaren Recht. Läge Mülbert richtig, wäre ein indirektes Verwahrungskonzept wie Art.  8 UCC nicht übereinkommenskonform. Nicht mit dem Wortlaut und dem funktionalen Ansatz von Art.  9 GWpÜ zu vereinbaren ist auch Mülberts Annahme, das Übereinkommen betrachte den Endkunden lediglich als wirtschaftlichen Eigentümer. Daß Art.  9 GWpÜ dem Kunden ein „Weniger“ im Vergleich zur vollen Rechts170  Kronke, in: Festschrift für Magnus, S.  231, 236; Thévenoz, 13 Stan. J. L. Bus. & Fin. (2007– 2008), 384, 427. 171  Siehe dazu Mülbert, in: Festschrift Koziol, S.  1055, 1064 f.; ders., ZBB 2010, 445, 450 f.; dem kritiklos folgend Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.238–18.240; Voß, EWS 2010, 209, 210, der von einem auf internationaler Ebene entwickelten Regelungsprinzip spricht, wenngleich sich seine Ausführungen in erster Linie auf die Securities Law Directive beziehen. 172  Mülbert, ZBB 2010, 445, 450. 173  Mülbert, ZBB 2010, 445, 451.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

position aus einem Wertpapier gewährt, ist nur insofern richtig, als er die Frage, welche Rechtsposition der Kunde mit der Depotgutschrift erlangt, nicht abschließend beantwortet. Der Wortlaut der Regelung läßt keinen Zweifel daran – und die Materialien bestätigen diese Lesart –, daß mit der Depotgutschrift auch der Erwerb der (vollen) Mitgliedschaft einhergehen kann, sofern das nationale Recht dies bestimmt174 . Art.  9 Abs.  1(a) GWpÜ legt hinsichtlich der Rechte aus den Wertpapieren bloß einen Mindeststandard fest, den das nationale Recht auf keinen Fall unterschreiten darf175. Alles in allem also weist die Lehre vom „Prinzip der abgestuften Rechtebündelzuweisung“ zwei Schwächen auf: Sie beruht auf einem Mißverständnis von Art.  9 Abs.  1(a) und Abs.  2(b) GWpÜ und widerspricht dem funktionalen Ansatz des Übereinkommens, indem sie in diesen Artikel dogmatische Kategorien wie bene­ ficial owner und legal owner hineinliest.

2.  Verfügungen über intermediärverwahrte Wertpapiere a) Überblick Das dritte Kapitel des Übereinkommens (Art.  11 bis 20) trägt die Überschrift „Trans­ fer of Intermediated Securities“. In den Regelungen dieses Kapitels – wie des Übereinkommens insgesamt – taucht der Begriff „transfer“ jedoch nicht ein einziges Mal auf. Erklären läßt sich das wiederum mit dem funktionalen Ansatz. Mit „transfer“ hätte der Rechtsverkehr möglicherweise die Vorstellung verbunden, daß eine bestimmte Rechtsposition im technischen Sinn vom Veräußerer auf den Erwerber übertragen wird. Nun gibt es aber, wie wir bereits gesehen haben, nicht wenige Rechtsordnungen und Verwahrungskonzepte, in denen ein derivativer Rechtserwerb nicht stattfindet, die Berechtigung des Verkäufers vielmehr mit der Abbuchung der Titel von seinem Konto erlischt und der Käufer mit der Gutschrift der Titel auf seinem Konto originär eine neue Berechtigung erwirbt. Der Sache nach geht es im dritten Kapitel denn auch um den Erwerb von und Verfügungen über intermediärverwahrte Wertpapiere einschließlich der Einräumung beschränkter (dinglicher) Rechte. Die Art.  11 bis 13 GWpÜ regeln die Methoden, nach denen über intermediärverwahrte Wertpapiere verfügt werden kann, wobei die Buchung selbstverständlich im Vordergrund steht. Art.  14 GWpÜ befaßt sich mit der Wirksamkeit abgeschlossener Verfügungen, Art.  15 GWpÜ mit der Notwendigkeit der Authorisierung von Buchungsvorgängen und den Rechtsfolgen nicht authorisierter Buchungen, Art.  16 GWpÜ mit der Ungültigkeit, Rückgängigmachung und Bedingtheit von Buchungen, Art.  17 GWpÜ enthält verschiedene Definitionen, die ausschließlich für das dritte 174 Ebenso Beckmann, Reformbedarf, S.  142 f. Das räumt letztlich auch Mülbert, ZBB 2010, 445, 451 mit dem Hinweis ein, daß das nationale Recht die Unterscheidung zwischen legal owner und beneficial owner durch Wahrnehmung der Gestaltungsoption in Art.  9 Abs.  1(d) GWpÜ praktisch einebnen kann. 175  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  9-28; der Sache nach auch Kronke, WM 2010, 1625, 1626.

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Kapitel von Bedeutung sind, Art.  18 regelt den redlichen Erwerb, und die Art.  19 und 20 GWpÜ enthalten Bestimmungen über die Rangfolge konkurrierender Rechte an Depotguthaben. b)  Verfügung durch Buchung aa)  Art.  11 im Überblick In Art.  11 GWpÜ, der wie Art.  9 zu den konzeptionellen Schlüsselbestimmungen des Übereinkommens zählt, trägt das dritte Kapitel der Tatsache Rechnung, daß es sich bei der Buchung um die weltweit anerkannte Methode der Vornahme von Verfügungen über intermediärverwahrte Wertpapiere handelt. Art.  11 Abs.  1 GWpÜ bestimmt, daß intermediärverwahrte Wertpapiere von einem Kontoinhaber durch Gutschrift (credit) auf seinem Depotkonto erworben werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Eintragung in einem Depotkonto als „Gutschrift“ in diesem Sinne aufzufassen ist, regelt das Übereinkommen nicht und ist demgemäß vom nationalen Recht oder den Regeln des Abwicklungssystems festzulegen176. Die „no further step-rule“ des Art.  11 Abs.  2 GWpÜ stellt klar, daß das nationale Recht den Rechtserwerb mit Wirkung gegenüber Dritten nicht von zusätzlichen Voraussetzungen neben der Gutschrift abhängig machen darf. Dadurch soll verhindert werden, daß das Ziel des Übereinkommens, allein die Gutschrift konstitutiv für den Rechtserwerb sein zu lassen, unterminiert wird177. Mit „further steps“ sind freilich nur formale Zusatzanforderungen wie z. B. die Eintragung des Erwerbers in ein öffentliches Register oder die notarielle Beurkundung der Verfügung gemeint178. Dagegen ist es dem nationalen Recht nicht verwehrt, den Rechtserwerb an bestimmte materielle Voraussetzungen wie z. B. das Bestehen eines wirksamen Kaufvertrags oder einer wirksamen Sicherungsvereinbarung zu knüpfen179. Zu beachten ist weiter, daß Art.  11 GWpÜ unter dem Vorbehalt von Art.  16 GWpÜ steht. Danach bestimmt sich nach nationalem Recht oder, soweit das nationale Recht dies zuläßt, nach der Kontovereinbarung oder den einheitlichen Regeln des Abwicklungssystems, ob und unter 176 

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  11-10. Kronke, WM 2010, 1625, 1629. 178  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  11-18. Davon zu unterscheiden sind Bestimmungen des nationalen Gesellschaftsrechts, welche die Legitimation des Erwerbers gegenüber der Gesell­ schaft z. B. von der Eintragung in das Aktienregister der Gesellschaft abhängig machen (vgl. §  67 Abs.  2 AktG). Derartige Bestimmungen läßt das Übereinkommen unberührt, wie sich aus Art.  8 GWpÜ ergibt. 179  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  11-12. Mülbert, ZBB 2010, 445, 452 hält diese „weitgehende Zurückdrängung des Art.  11 Abs.  2“ für überaus problematisch und meint, der Stellenwert der Gutschriftbuchung würde entscheidend relativiert, könnte jedes nationale Recht irgendwelche materiellen Zusatzanforderungen für deren Wirksamkeit vorsehen. In der Tat können solche Zusatz­anforderungen aus Sicht des Rechtsverkehrs ein höheres Maß an Unsicherheit mit sich bringen als etwa eine öffentliche Registereintragung. Ein Verzicht auf diese „Zurückdrängung“ hätte jedoch Staaten, die kein Trennungsprinzip kennen, vor Probleme gestellt. 177 

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welchen Umständen eine Gutschrift ungültig ist, rückgängig zu machen ist oder unter einer Bedingung steht. Art.  11 Abs.  3 GWpÜ bestimmt als Gegenstück zu Art.  11 Abs.  1 GWpÜ, daß sich eine Verfügung über intermediärverwahrte Wertpapiere durch Belastung (debit) des Depotkontos vollzieht. Welchen Anforderungen eine Eintragung zu genügen hat, um als Belastung im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden zu können, richtet sich wiederum nach nationalem Recht oder den Regeln des Abwicklungssystems. Art.  11 Abs.  3 GWpÜ steht zum einen unter dem Vorbehalt des Art.  15 GWpÜ, der in Abs.  1(a) klarstellt, daß ein Intermediär eine Belastungsbuchung nur mit Zustimmung des Kontoinhabers vornehmen darf; ggf. bedarf es auch der Zustimmung derjenigen Person, der an den Depotwerten ein beschränktes (dingliches) Recht eingeräumt worden ist. Die Rechtsfolgen einer nicht authorisierten Belastungsbuchung richten sich nach nationalem Recht oder, soweit das nationale Recht dies zuläßt, der Kontovereinbarung oder den einheitlichen Regeln des Abwicklungssystems (Art.  15 Abs.  2 GWpÜ). Zum anderen steht Art.  11 Abs.  3 GWpÜ genauso wie Abs.  1 unter dem Vorbehalt des Art.  16 GWpÜ. Daraus ergibt sich unter anderem, daß auch eine Belastungsbuchung unter eine Bedingung gestellt werden kann. Auf eine Art.  11 Abs.  2 GWpÜ entsprechende „no further step-rule“ wurde in bezug auf Belastungsbuchungen bewußt verzichtet180. Art.  11 Abs.  4 GWpÜ stellt klar, daß die Methoden „Gutschrift“ und „Lastschrift“ auch für die Bestellung von Sicherungsrechten und sonstigen beschränkten (dinglichen) Rechten an intermediärverwahrten Wertpapieren bzw. für Verfügungen darüber eingesetzt werden können. Welche (Sicherungs-)Rechte im Buchungswege begründet, übertragen oder aufgehoben werden können und wie diese Rechte inhaltlich ausgestaltet sind, bleibt getreu dem funktionalen Ansatz des Übereinkommens der Festlegung durch das nationale Recht überlassen181. Der Regelungsgehalt des Art.  11 Abs.  5 GWpÜ erschöpft sich in der Aussage, daß keine Bestimmung der Konvention die Wirksamkeit von Buchungen beschränkt, die (nach der Verrechnung wechselseitiger Lieferansprüche) auf Netto-Basis vorgenommen werden182 . bb) Analyse (1)  Möglichkeit des derivativen Rechtserwerbs? Die erste konzeptionell wichtige Frage, die Art.  11 GWpÜ aus Sicht des deutschen Depotrechts aufwirft, lautet, ob das nationale Recht (weiterhin) einen derivativen Rechtserwerb unmittelbar vom bisherigen Rechtsinhaber vorsehen kann. Manche schließen aus der regelungstechnischen Unterscheidung zwischen acquisition (Art.  11 Abs.  1 GWpÜ) und disposition (Art.  11 Abs.  3 GWpÜ), daß das Übereinkommen 180 

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  11-23. Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  11-24. 182  Zum weitergehenden Regelungsgehalt der Vorgängerbestimmung siehe Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  11-30. 181 

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nicht nur den Gutschrifts-, sondern auch den Belastungsbuchungen konstitutive Wirkung beimißt und somit als zwei rechtlich strikt voneinander getrennte Vorgänge begreift. Eine Belastungsbuchung habe zur Folge, daß der Kontoinhaber seine Berechtigung verliert, ohne daß die künftige Zuordnung der – im untechnischen Sinn – veräußerten Berechtigung dabei in irgendeiner Form eine Rolle spielen würde. Die Wirkung einer Depotgutschrift bestehe demgegenüber darin, daß der Begünstigte originär eine neue Berechtigung erwirbt. In der Konsequenz dieses sog. Separationsprinzips soll es liegen, daß es einen Rechtsübergang konstruktiv nicht geben kann, weder in Form eines direkten Übergangs vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger noch in Form eines mittelbaren Übergangs unter Inkaufnahme eines Zwischenerwerbs der in die Geschäftsabwicklung eingeschalteten Intermediäre183. Ob diese restriktive Interpretation des Art.  11 GWpÜ dem funktionalen Ansatz der Konvention gerecht wird, ist stark zu bezweifeln184 . Aus den Absätzen 1 und 3 läßt sich zunächst kein zwingendes „Separationsprinzip“ des Inhalts ableiten, daß die beiden Vorgänge „Rechtsverlust“ und „Rechtserwerb“ stets unverbunden nebeneinander stehen müssen. Gäbe es ein solches Prinzip, hätte dies zum Beispiel zur Folge, daß ein Kontoinhaber, der seine Bank anweist, sein Guthaben auf ein Depotkonto bei einer anderen Bank zu übertragen, seine durch Art.  9 GWpÜ umrissene Rechtsposition mit der Belastung verlöre und unter Umständen erst nach mehreren Stunden, Tagen oder Wochen wiedererlangte185. In der Zwischenzeit wären die Wertpapiere – jedenfalls für eine juristische Sekunde – „herrenlos“. Auch wäre hinzunehmen, daß die Gesamtzahl der auf den Depotkonten verbuchten Rechte permanenten Schwankungen unterliegt und höchstens zufällig mit der Gesamtzahl der emittierten Wertpapiere übereinstimmt, sofern es nicht gelingt, die Buchungen auf Veräußerer- und Erwerberseite zu synchronisieren186. Nach Mülberts Verständnis ist in Art.  11 GWpÜ, „der schönen neuen Welt eines Rechtserwerbs qua technischem Buchungsvorgang“, sogar „die im Prinzip grenzenlose Möglichkeit einer Rechtevermehrung angelegt“187. Nun mag sein, daß ein Vertragsstaat, der noch über kein ausgefeiltes Depotrecht verfügt188 und es bei der schlichten Übernahme des Konventionstextes beließe, mit diesen Nebenwirkungen leben müßte189. Ein Staat, der die Entstehung subjektloser Wertpapiere zu vermeiden und die Möglichkeit einer Rechtevermehrung ausschließen will, hat allerdings die Möglichkeit, Belastungs- und Gutschriftsbuchungen 183  Mülbert, in: Festschrift für Koziol, S.  1055, 1064 ff., 1068 f.; ders., ZBB 2010, 445, 450 f., 453 f.; dem folgend Will, in: Kümpel/Wittig, Bank-und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.243; Kronke, WM 2010, 1625, 1630; ders., in: Festschrift für Stürner, S.  1647, 1653; Voß, EWS 2010, 209, 210. 184  So auch Beckmann, Reformbedarf, S.  194 f.; Sabine Mock, Bucheffekte, Rn.  312 ff.; Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  223 ff.; Kronke, in: Festschrift für Magnus, S.  231, 237; Peter Eichholz, WM 2013, 250, 253; Einsele, ZHR 177 (2013), 50, 69; siehe auch schon Segna, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  248, 260 f. 185  Kronke, WM 2010, 1625, 1630. 186  Mülbert, ZBB 2010, 445, 451. 187  Mülbert, ZBB 2010, 445, 458. 188  Kronke, WM 2010, 1625, 1626 spricht von einer „Habenichts-Rechtsordnung“. 189  Kronke, WM 2010, 1625, 1630.

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durch wechselseitige Wirksamkeitsbedingungen miteinander zu verknüpfen. Das ergibt sich aus Art.  16 GWpÜ, unter dessen Vorbehalt Art.  11 GWpÜ ausdrücklich steht. Von Art.  16 GWpÜ gedeckt ist zum Beispiel eine Bestimmung, derzufolge die Wirksamkeit einer Depotgutschrift vom Vorliegen einer wirksamen Belastungsbuchung abhängt („no credit without debit“)190, oder, spiegelbildlich dazu, eine Regelung wie Art.  24 Abs.  2 BEG, derzufolge der verfügende Kontoinhaber sein Recht erst mit Abschluß der Gutschrift auf dem Depotkonto des Erwerbers verliert191. Die Frage nach der Zulässigkeit eines derivativen Rechtserwerbs ist damit aber noch nicht beantwortet. Denn eine auf der Grundlage von Art.  16 GWpÜ hergestellte Verknüpfung von Belastungs- und Gutschriftsbuchung kann man sich auch so vorstellen, daß der Käufer originär eine neue Berechtigung erst und genau in dem Moment erwirbt, in dem das Konto des Verkäufers belastet wird mit der Folge, daß dessen Berechtigung erlischt. Dem Offiziellen Kommentar ist allerdings zu entnehmen, daß die Frage, „whether the debit and credit entries in one transaction are to be regarded as effecting a single transfer of property from A to B, or whether the debit must be analysed as extinguishing an interest of A, and the credit as creating an interest of B, in a manner such that the two interests need not be regarded as identical“,

von der Konvention in konsequenter Befolgung des funktionalen Ansatzes bewußt nicht beantwortet wird. Es wird im Gegenteil deutlich gemacht, daß die Antwort auf diese Frage von der Charakterisierung der durch eine Depotgutschrift begründeten oder repräsentierten Rechtsposition durch das nationale Recht abhängt192 . Dieser Passus belegt nicht nur, daß das Problem des derivativen Erwerbs von den Verfassern des Übereinkommens gesehen worden ist. Er spricht auch für die Annahme, daß Art.  11 i. V. m. Art.  16 GWpÜ diese Erwerbsmodalität zuläßt – und zwar auch in Form eines direkten Übergangs von (Miteigentums-)Rechten vom veräußernden („A“) auf den erwerbenden Anleger („B“) –, und daß es gerade nicht zu den zwingenden Konstruktionsprinzipien des Übereinkommens gehört, daß veräußerte Rechte durch die Belastungsbuchung erlöschen oder zumindest für eine juristische Sekunde „herrenlos“ werden, um anschließend aufgrund der Depotgutschrift beim Käufer neu zu entstehen bzw. von ihm erworben zu werden193. Kann somit das nationale Recht Belastungs- und Gutschriftsbuchungen in der Weise miteinander verkoppeln, 190  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  11-12; Garcimartín Alférez, Unif. L. Rev. 2010, 743, 747; Kronke, WM 2010, 1625, 1630; insoweit auch Mülbert, ZBB 2010, 445, 453. 191  Than, in: Festschrift für Hopt, S.  231, 246. 192  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  11-4 unter Hinweis auf UNIDROIT Study Group on Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper August 2003, UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8, S.  19 in Fn.  28; siehe ferner UNIDROIT, Legislative Guide on Intermediated Securities, 2017, Anm.  132 ff. 193  Garcimartín Alférez, Unif. L. Rev. 2010, 743, 748 in Fn.  6; Than, in: Festschrift für Hopt, S.  231, 245; a. A. Kronke, WM 2010, 1625, 1631, der meint, daß die Folgen der „berühmten juristischen Sekunde“ gesetzgeberisch eliminiert werden müßten, falls sie in praxi problematisch sein sollten.

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daß es zu einer Rechtsübertragung im technischen Sinne kommt, so legt der funktionale Ansatz die weitere Schlußfolgerung nahe, daß auch ein auf einer (dinglichen) Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber basierender Rechtsübergang nach Art der §§  929 ff. BGB mit Art.  11 GWpÜ vereinbar ist194 . In Anbetracht dieses Befundes ist noch einmal auf die Ausgangsthese der Separationslehre zurückzukommen und zu fragen, ob man wirklich davon sprechen kann, das Übereinkommen lege in Art.  11 GWpÜ sowohl den Gutschrifts- als auch den Belastungsbuchungen konstitutive Wirkung bei195. Insoweit fällt bei näherem Hinsehen auf, daß die Begründer dieser Lehre mit keinem Wort erklären, was sie unter „konstitutiver Wirkung“ eigentlich verstehen196. Auch der Offizielle Kommentar hilft an dieser Stelle nicht weiter, denn von einem constitutive effect der Buchung ist weder in den Erläuterungen zu Art.  11 GWpÜ noch an anderer Stelle die Rede. Daß eine Buchung schon für sich allein den Rechtserwerb bzw. Rechtsverlust herbeiführt, kann jedenfalls nicht gemeint sein, denn Art.  16 GWpÜ läßt es ja ausdrücklich zu, den Eintritt ihrer Rechtswirkungen an eine Bedingung zu knüpfen. Daß Belastungsund Gutschriftsbuchungen jeweils konstitutiv in dem Sinne sind, daß sie nicht durch wechselseitige Wirksamkeitsbedingungen miteinander verknüpft werden dürfen, trifft wie soeben dargelegt ebenfalls nicht zu. Damit zeigt sich, daß die Behauptung, einen Rechtsübergang könne es unter dem Übereinkommen wegen der konstitutiven Wirkung sowohl der Belastungs- als auch der Gutschriftsbuchung nicht geben, mangels überzeugender Begründung dieser Ausgangsthese in der Luft hängt und dem Zusammenspiel der Art.  11 und 16 GWpÜ nicht gerecht wird. (2)  Zulässigkeit vorgezogener Gutschriften? Die zweite konzeptionell wichtige Frage, die Art.  11 GWpÜ aus Sicht des deutschen Depotrechts aufwirft, betrifft die Zulässigkeit der vorgezogenen Depotgutschrift, also jener von den Depotbanken geübten Praxis, einem Käufer die für ihn im Inland angeschafften Wertpapiere bereits am Handelstag (T+0) gutzuschreiben, obwohl die „Lieferung“ der Wertpapiere an die Depotbank erst für den Settlementtag (T+2) zu erwarten ist. In dieser Hinsicht ist die Konvention eindeutig: Art.  16 GWpÜ, demzufolge eine Depotgutschrift unter eine Bedingung gestellt werden kann, wurde nicht zuletzt aus dem Grund in das Regelwerk aufgenommen, um die Beibehaltung dieser Praxis zu ermöglichen. Der einschlägige Passus im Offiziellen Kommentar erweckt sogar den Eindruck, gerade mit Rücksicht auf die Gewohnheiten in Deutschland formuliert worden zu sein. Jedenfalls hebt er hervor, daß das contractual settlement in manchen Ländern vor allem aus Kostengründen praktiziert wird, da es den Banken die Notwendigkeit erspart, dem kaufenden Depotkunden zweimal, nämlich unmittelbar nach der Ausführung des Kaufauftrags und dann noch einmal nach dem Ein194 Scherer/Löber,

DepotG, Anhang 14 unter II 3.2 (S.  651); Einsele, ZHR 177 (2013), 50, 68. Siehe nochmals Kronke, WM 2010, 1625, 1630; Mülbert, ZBB 2010, 445, 451. 196  Das gilt auch für Sauer, Harmonisierung, S.  142. 195 

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gang der „Lieferung“, eine Bestätigung zu übermitteln197. Daß man dieser Verfahrensweise auch kritisch gegenüberstehen kann insofern, als den Depotkunden nicht immer unmißverständlich deutlich gemacht wird, daß ihr Rechtserwerb vom endgültigen Abschluß des Settlement abhängt, läßt der Kommentar unerwähnt. Auch sieht das Übereinkommen keine entsprechenden Informationspflichten der Intermediäre zum Schutz der Depotkunden vor. c)  Weitere Verfügungsmethoden aa)  Verfügungsmethoden des Art.  12 In Art.  12 GWpÜ sind drei weitere Verfügungsmethoden geregelt, die ursprünglich für die Bestellung beschränkter Sicherungsrechte reserviert waren198. Während der Beratungen machten jedoch einige Delegationen darauf aufmerksam, daß es Länder gibt, in denen diese Methoden auch für die Einräumung sonstiger beschränkter Rechte an Depotguthaben (z. B. Nießbrauch) sowie für Vollrechtsübertragungen eingesetzt werden, etwa bei der Abwicklung von Wertpapierpensionsgeschäften (Repos). In Anbetracht dessen setzte sich allgemein die Überzeugung durch, daß eine Tatbestandsbegrenzung auf beschränkte Sicherungsrechte dem funktionalen Ansatz widerspräche und Art.  12 GWpÜ Verfügungen jedweder Art erfassen sollte199. Da allerdings keine der darin aufgeführten Alternativmethoden für sich in Anspruch nehmen kann, weltweit anerkannt zu sein, ist ihre Übernahme durch das nationale Recht nicht verpflichtend. Ein Vertragsstaat kann sich, soweit er dies nicht ohnehin schon getan hat, für eine, zwei oder alle drei von ihnen entscheiden oder es beim zwingenden Modus des Art.  11 GWpÜ belassen200. Die Notwendigkeit konzeptioneller Änderungen im deutschen Depotrecht steht daher bei Art.  12 GWpÜ nicht zur Debatte. Die Frage ist vielmehr, ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber den von dieser Bestimmung eröffneten Gestaltungsspielraum nutzen sollte201. (1)  Vereinbarung mit dem maßgeblichen Intermediär In Art.  12 Abs.  1 und 3(a) sieht das Übereinkommen ein vereinfachtes Verfahren für den Fall vor, daß zugunsten des kontoführenden Intermediärs ein Sicherungsrecht 197 

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  16-22. Siehe Art.  4 der Preliminary draft Convention on Harmonised Substantive Rules regarding Securities Held with an Intermediary, UNIDROIT 2004 – Study LXXVIII – Doc. 18 (November 2004); dazu Paech, WM 2005, 1101, 1106. 199  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  12-14; UNIDROIT, Legislative Guide on Intermediated Securities, 2017, Anm.  148. Überholt daher Wust, Verbuchung, S.  424. Zur Vereinfachung der Darstellung wird im folgenden gleichwohl von der Bestellung eines beschränkten Sicherungsrechts ausgegangen und demgemäß nur vom „Sicherungsgeber“ und „Sicherungsnehmer“ gesprochen. 200  Gerade weil die in Art.  12 GWpÜ aufgeführten Methoden nicht überall gebräuchlich sind, sieht Art.  12 Abs.  5 GWpÜ vor, daß ein Vertragsstaat, der eine dieser Methoden zur Verfügung stellt, darüber aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit eine entsprechende Erklärung abgeben muß. 201  Dazu näher unten §  19 V 5 b). 198 

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bestellt werden soll. Danach genügt der Abschluß einer Vereinbarung (agreement) zwischen Depotinhaber und Intermediär202 . Sie bestimmt, innerhalb des vom nationalen Recht gezogenen Rahmens, die Art des Sicherungsrechts (z. B. Pfandrecht) sowie die Rechte und Pflichten der Parteien203. Ein Publizitätsakt ist nicht erforderlich, um der Bestellung des Sicherungsrechts Wirksamkeit gegenüber Dritten zu verleihen, und darf auch vom nationalen Recht nicht vorgeschrieben werden. Das folgt aus der „no further step“-Regel in Art.  12 Abs.  2 GWpÜ. Die Rechtfertigung dieses vereinfachten Verfahrens liegt in der Erwägung, daß der maßgebliche Intermediär schon aufgrund seiner Eigenschaft als Kontoführer über ein ausreichendes Maß an Kontrolle über den Depotbestand verfügt. Weisungen des Kontoinhabers in bezug auf diesen Bestand, die der Sicherungsvereinbarung zuwiderlaufen, braucht er nicht zu befolgen204 . An Weisungen anderer Personen ist er ohnehin nicht gebunden (Art.  23 Abs.  1 GWpÜ). (2) Depotvermerk Die zweite Methode der Bestellung eines Sicherungsrechts an Depotwerten ist in Art.  12 Abs.  1 und 3(b) GWpÜ geregelt. Sie besteht darin, daß auf Weisung des Kontoinhabers (Art.  23 GWpÜ) zugunsten des Sicherungsnehmers – das kann der kontoführende Intermediär oder ein Dritter sein –, ein entsprechender Vermerk (desig­ nating entry) auf dem Konto angebracht wird, der bei jeder Einsichtnahme in das Konto sowie auf jedem Kontoauszug erscheint und dem Sicherungsnehmer eine gewisse Form von Kontrolle über den als Sicherheit hingegebenen Depotbestand vermittelt. Hier findet sich die in vielen Ländern gebräuchliche Technik des earmarking wieder. Die Definition des Begriffs designating entry in Art.  1(l) GWpÜ unterscheidet zwischen einer negativen und einer positiven Form von Kontrolle. Die negative Kontrolle zeichnet sich dadurch aus, daß der kontoführende Intermediär Weisungen des Kontoinhabers in bezug auf den Bestand nicht ohne Zustimmung des Sicherungsnehmers ausführen darf. Bei der positiven Kontrolle hat der Sicherungsnehmer selbst die Befugnis, dem Intermediär Weisungen in bezug auf diesen Bestand zu erteilen, ohne hierfür auf die Mitwirkung oder Zustimmung des Kontoinhabers (Sicherungsgebers) angewiesen zu sein205. Das nationale Recht kann sich für eine dieser beiden Varianten entscheiden oder sie kombinieren. Auch für die Methode des designating entry gilt, daß die Bestellung des Sicherungsrechts auf einer wirksamen Vereinbarung zwischen Sicherungsgeber und -nehmer beruhen muß und daß das nationale Recht die Wirksamkeit des Sicherungsrechts im Außenverhältnis nicht von weiteren 202  Art.  12 Abs.  4 GWpÜ stellt insoweit klar, daß sich die Verfügung auf das gesamte Depot in seiner jeweiligen Zusammensetzung oder auf „a specified category, quantity, proportion or value of the intermediated securities from time to time standing to the credit of a securities account“ beziehen kann. 203  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  12-18. 204  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  12-22. 205  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  12-23.

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formalen Voraussetzungen abhängig machen darf („no further step“, Art.  12 Abs.  2 GWpÜ). Wohl aber kann, wie bei der Buchung, das nationale Recht nähere Festlegungen darüber treffen, welche Eigenschaften ein Depotvermerk aufweisen muß, um als designating entry im Sinne von Art.  1(l) GWpÜ angesehen werden zu können. (3)  Abschluß einer Kontrollvereinbarung Als dritte Methode für die Bestellung eines Sicherungsrechts sieht Art.  12 Abs.  3 (c) GWpÜ den Abschluß einer Kontrollvereinbarung (control agreement) im Sinne von Art.  1(k) GWpÜ vor. Dabei handelt sich typischerweise um eine dreiseitige Absprache, die zwischen dem Kontoinhaber, dem kontoführenden Intermediär und dem Sicherungsnehmer getroffen wird206. Mit der Methode des designating entry weist sie die Gemeinsamkeit auf, daß der Sicherungsnehmer eine gewisse Form von Kontrolle über das Sicherungsgut erlangt. Dabei richtet es sich wiederum nach nationalem Recht, ob sich diese Kontrolle (negativ) darauf beschränkt, daß der Kontoinhaber nur mit Zustimmung des Sicherungsnehmers über den Depotbestand disponieren darf, oder (positiv) so weit geht, daß der Sicherungsnehmer dem kontoführenden Intermediär auch selbst Instruktionen in bezug auf den Bestand erteilen kann207. Der entscheidende Unterschied zur Methode des designating entry besteht darin, daß der Abschluß einer Kontrollvereinbarung mit keinem wie auch immer gearteten Publizitätsakt verbunden ist und vom nationalen Recht – gemäß der auch insoweit geltenden „no further step“-Regel des Art.  12 Abs.  2 GWpÜ – auch nicht verbunden werden darf. Die Festlegung bestimmter formaler Anforderungen an die Kontrollvereinbarung selbst (z. B. Schriftform) ist dem nationalen Recht hingegen nicht verwehrt208. bb)  Verfügungsmethoden des nationalen Rechts Da das Genfer Wertpapierübereinkommen auf eine bloße Mindestharmonisierung des Depotrechts ausgerichtet ist, sind die in den Art.  11 und 12 GWpÜ geregelten Methoden nicht als abschließend zu verstehen. Wie sich aus Art.  13 GWpÜ ergibt, steht es dem nationalen Recht frei, noch andere Methoden für den Erwerb von und Verfügungen über intermediärverwahrte Wertpapiere vorzusehen. Um sicherzustellen, daß die Konvention ihren Zweck, Rechtssicherheit namentlich für grenzüberschreitende Transaktionen zu schaffen, erfüllen kann, muß allerdings Vorsorge dagegen getroffen werden, daß ihre Verfügungstatbestände von den Bestimmungen des nationalen Rechts ausgehöhlt oder verdrängt werden209. Art.  19 Abs.  2 GWpÜ legt 206  Das nationale Recht kann zusätzlich vorsehen, daß eine Kontrollvereinbarung auch ausschließlich zwischen dem Kontoinhaber und dem maßgeblichen Intermediär oder zwischen dem Kontoinhaber und dem Sicherungsnehmer geschlossen werden kann. Im letzteren Fall muß der maßgebliche Intermediär von der Vereinbarung in Kenntnis gesetzt werden; siehe Art.  1(k) 2. und 3. Fall GWpÜ. 207  Art.  1(k)(i) und (ii) GWpÜ. 208  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  12-28. 209  Paech, WM 2005, 1101, 1106 mit Blick auf die Vorgängerbestimmungen in der Preliminary

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daher fest, daß Rechte, die nach einer der in Art.  12 GWpÜ aufgeführten Methoden mit Wirkung auch gegenüber Dritten begründet worden sind, den Vorrang vor nach rein „nationalen“ Methoden bestellten Rechten genießen. Art.  11 GWpÜ wird in Art.  19 Abs.  2 GWpÜ nicht genannt. Das ist kein Redaktionsversehen, sondern erklärt sich daraus, daß bei Rechten, die durch Depotgutschrift erworben werden, Konkurrenzprobleme der von Art.  19 GWpÜ behandelten Art nicht auftreten können210. Bemerkenswert ist weiter, daß Verfügungen, die gemäß einer Methode des nationalen Rechts vorgenommen werden, konsequenterweise auch nicht in den Anwendungsbereich des Art.  18 GWpÜ (Acquisition by an innocent person) einbezogen sind. Ein redlicher Erwerber ist folglich nur nach Maßgabe der Bestimmungen des nationalen Rechts geschützt211. d)  Ermächtigung des Intermediärs Ein Kontoinhaber, der durch Depotgutschrift intermediärverwahrte Wertpapiere erworben hat, muß davor geschützt werden, daß ihm seine Rechtsposition ohne seine Zustimmung wieder entzogen wird. Gleiches gilt für einen Sicherungsnehmer, der mittels eines Depotvermerks die Kontrolle über das Sicherungsgut erlangt hat. Art.  15 Abs.  1(a) und (c) GWpÜ sieht daher vor, daß ein Intermediär eine Belastungsbuchung nur vornehmen bzw. einen Depotvermerk nur entfernen darf, wenn er dazu vom Kontoinhaber bzw. Sicherungsnehmer ermächtigt (authorised) worden ist212 . Eine solche Ermächtigung braucht nicht ausdrücklich erteilt zu werden. Sie kann sich auch aus den Umständen ergeben, etwa daraus, daß der Kontoinhaber seinen Intermediär mit dem Verkauf seiner Wertpapiere beauftragt213. Soweit die deutsche Lehre im Hinblick auf das Miteigentumsmodell davon ausgeht, daß in der Verkaufsorder des Kunden die konkludente Ermächtigung der Bank zu sehen ist, über die Miteigentumsanteile des Kunden im eigenen Namen zu verfügen (§  185 BGB), ist dies folglich mit dem Übereinkommen vereinbar. Die Rechtsfolgen einer nicht authorisierten Belastungsbuchung oder einer nicht authorisierten Entfernung eines Depotvermerks richten sich nach nationalem Recht und, soweit dieses dafür Raum läßt, der

draft Convention on Harmonised Substantive Rules regarding Securities Held with an Intermediary, UNIDROIT 2004 – Study LXXVIII – Doc. 18 (November 2004). 210  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  19.9. 211  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  13-5. 212  Entsprechend legt Art.  15 Abs.  1(b) GWpÜ fest, daß der Intermediär einer Ermächtigung durch den Kontoinhaber auch dann bedarf, wenn auf dessen Konto ein „designating entry“ zugun­ sten eines Dritten angebracht werden soll. Wie auch der Offizielle Kommentar einräumt, ist das Risiko des Depotkunden, durch einen nicht genehmigten Depotvermerk in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt zu werden, freilich schon durch Art.  12 Abs.  1(a) GWpÜ minimiert, demzufolge die wirksame Bestellung eines Sicherungsrechts nach dieser Methode eine Vereinbarung (agreement) zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer voraussetzt. Siehe Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  15-14. 213  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  15-11.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

Kontovereinbarung oder den einheitlichen Regeln des betreffenden Abwicklungssy­ stems (Art.  15 Abs.  2 GWpÜ). e)  Redlicher Erwerb aa)  Grundsätzliche Erwägungen Art.  18 GWpÜ, der Vorkehrungen zum Schutz des redlichen Erwerbers (innocent ac­ quirer) trifft, zählt zu den am schwersten zugänglichen Bestimmungen des Übereinkommens214 . Ihn zu erschließen fällt etwas leichter, wenn man sich vor Augen hält, daß er auf drei grundsätzlichen Erwägungen basiert: Erstens, daß die traditionellen – und ohnehin nicht in allen Rechtsordnungen übereinstimmenden – Konzepte über den gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen sich nur mit erheblichen Modifikationen auf den Verkehr mit Bucheffekten übertragen lassen, weil es hier nicht zur tatsächlichen Übergabe von Urkunden (Stichwort: Besitz als Rechtsscheinträger) und häufig auch nicht zu einem direkten Kontakt zwischen Veräußerer und Erwerber kommt215. Zweitens, daß eine auf die mediatisierte Wertpapierverwahrung zugeschnittene Sonderregel über den gutgläubigen Erwerb nicht nur die „klassische“ Konstellation erfassen sollte, daß durch eine Verfügung in Rechte eines Dritten eingegriffen wird, sondern den redlichen Erwerber auch davor schützen sollte, daß Mängel bei früheren Erwerbsvorgängen auf den Rechtserwerb durchschlagen216. Drittens, daß sich das Übereinkommen auf bestimmte Mindestvorkehrungen im Sinne eines „safe harbour“ beschränken und dem nationalen Recht die Möglichkeit belassen sollte, einen weitergehenden Verkehrsschutz vorzusehen217. Daß auf eine Bestimmung zum Schutz des gutgläubigen Erwerbers aus Gründen der Rechtssicherheit nicht verzichtet werden kann, wurde während der Beratungen der Konvention zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt, auch wenn man sich darüber im klaren war, daß entsprechende Streitfälle in der Praxis selten vorkommen218. Was das Übereinkommen unter einem „Erwerber“ versteht, ergibt sich aus der Definition in Art.  17(a) GWpÜ: Gemeint ist ein Kontoinhaber, dessen Konto Wertpapiere gutgeschrieben werden, oder eine Person, der mittels einer der in Art.  12 GWpÜ genannten Alternativmethoden ein Recht an intermediärverwahrten Wertpapieren eingeräumt wird. Der unentgeltliche Erwerb (made by way of gift or otherwise gra­ tuitously) ist allerdings vom Anwendungsbereich des Art.  18 GWpÜ ausgenommen 214  Die wichtige Rolle des Offiziellen Kommentars bei der Auslegung dieser Bestimmung wird denn auch betont von Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 107. 215 Ebenso Pöch, in: Gedächtnisschrift für Gruson, S.  303, 313. 216  Keijser/Parmentier, BKR 2010, 151, 153 sprechen von einem Schutz davor, daß „der Erwerbsvorgang nicht vollständig korrekt ablief“. 217  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-18 (zu Art.  18 Abs.  4). 218  Kanda u.  a., Official Commentary, Rn.   18-2; ferner Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 96.

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(Art.  18 Abs.  3)219. Das Übereinkommen wählt damit einen anderen konzeptionellen Ansatz als beispielsweise das deutsche Recht, das die unentgeltliche Übereignung einer Sache durch einen Nichtberechtigten an einen gutgläubigen Dritten zwar sachenrechtlich als wirksam betrachtet (§  932 BGB), den unentgeltlichen Erwerber aber mangels Schutzwürdigkeit bereicherungsrechtlich zur Herausgabe der Sache an den Berechtigten verpflichtet (§  816 Abs.  1 Satz  2 BGB). Im Hinblick auf die „safe har­ bour“-Regel des Art.  18 Abs.  4 GWpÜ bestehen gegen einen erweiterten Verkehrsschutz dieser Art aber keine Bedenken. bb)  Art.  18 Abs.  1 (1) Überblick Art.  18 Abs.  1 GWpÜ hat den Fall vor Augen, daß eine Verfügung in Rechte eines Dritten eingreift 220. Nach dieser Bestimmung ist der Erwerber geschützt, wenn er zum maßgeblichen Zeitpunkt (at the relevant time) weder wußte noch wissen mußte (actually knows or ought to know), daß einer anderen Person ein Recht an den Wertpapieren zusteht und daß dieses Recht durch die Verfügung verletzt wird221. Im einzelnen zeigt sich der Schutz des redlichen Erwerbers darin, daß (a) das erworbene Recht nicht dem Recht der anderen Person unterworfen ist, (b) der Erwerber der anderen Person nicht haftet und (c) die Verletzung des fremden Rechts nicht die Unwirksamkeit oder Rückgängigmachung der Verfügung zur Folge hat. Art.  18 Abs.  1 ermöglicht somit, kurz gesagt, den lastenfreien und unwiderruflichen Erwerb222 . Welcher Zeitpunkt für die Redlichkeit des Erwerbers maßgeblich ist, hängt gemäß Art.  17(e) GWpÜ davon ab, nach welcher Methode die Verfügung vorgenommen wird. Wird der Weg über Art.  11 eingeschlagen, muß der Erwerber im Moment der Depotgutschrift redlich sein. In den drei Fällen des Art.  12 GWpÜ kommt es nach Art.  17(e) i. V. m. Art.  19 Abs.  3 GWpÜ generell auf den Zeitpunkt an, in dem der Erwerber die Kontrolle über den Depotbestand erlangt. Ist der kontoführende Intermediär selbst der Erwerber und vollzieht sich die Verfügung nach Art.  12 Abs.  1 i. V. m. Abs.  3(a) GWpÜ, ist auf den Zeitpunkt des Abschlusses der danach ausreichenden Vereinbarung zwischen Kontoinhaber und Intermediär abzustellen. Bei der Methode des Art.  12 Abs.  1 i. V. m. Abs.  3(b) GWpÜ kommt es auf den Zeitpunkt der Anbringung des Depotvermerks zugunsten des Erwerbers, bei der Methode des Art.  12 219  Ein Fall des ungeschützten „unentgeltlichen“ Erwerbs liegt auch dann vor, wenn einem Depotkonto aus Versehen Wertpapiere gutgeschrieben werden, siehe Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-16; nur im Ergebnis übereinstimmend Keijser/Parmentier, BKR 2010, 151, 154, denen zufolge der Empfänger einer für ihn unerwarteten Gutschrift nicht als redlich i. S. des Art.  17 angesehen werden kann. 220 Siehe Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-6, wo anschaulich von „‚three party‘ situations“ die Rede ist. 221  Insoweit stellt der Official Commentary bei Rn.  18-13 klar, daß Art.  18 Abs.  1 GWpÜ nur „claims made by a person with a conflicting property interest“ erfaßt. 222  Wust, Verbuchung, S.  4 25.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

Abs.  1 i. V. m. Abs.  3(c) GWpÜ auf den Zeitpunkt an, in dem die dreiseitige Kontrollvereinbarung zwischen Kontoinhaber, Erwerber und kontoführendem Intermediär geschlossen bzw. in dem die zweiseitige Kontrollvereinbarung zwischen Kontoinhaber und Erwerber dem kontoführenden Intermediär angezeigt wird. Besonders intensiv und kontrovers wurde über die Anforderungen an die Redlichkeit des Erwerbers diskutiert223. Die ersten Entwürfe des Übereinkommens enthielten eine Version des aus dem US-amerikanischen Recht bekannten „willful blindness test“ (vgl. Art.  8-105 UCC)224 . Danach ist der Erwerber bösgläubig, wenn ihm das Bestehen eines Gegenrechts bekannt ist oder er vor den Tatsachen, die das Bestehen eines solchen Rechts hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen, bewußt die Augen verschließt. Während der Beratungen durch das Committee of Governmental Experts äußerten jedoch einige Delegationen starke Bedenken gegen diesen Test und wiesen darauf hin, daß er in manchen Rechtsordnungen als Fremdkörper empfunden würde225. Auf Vorschlag der US-Delegation226 wurde deshalb in der ersten Sitzung der Diplomatischen Konferenz im September 2008 beschlossen, statt dessen auf das Wissen bzw. Wissenmüssen des Erwerbers abzustellen und damit jenen Standard zu übernehmen, der kurz zuvor von der Legal Certainty Group für eine mögliche Harmonisierung des Depotrechts auf europäischer Ebene empfohlen worden war227. Art.  17 (b)(i) GWpÜ bestimmt, daß bei der Feststellung, ob der Erwerber Kenntnis von dem Recht des Dritten haben mußte, auf die Besonderheiten und Anforderungen von Wertpapiermärkten einschließlich des mediatisierten Verwahrsystems (charac­ teristics and requirements of securities markets, including the intermediated holding system) Rücksicht zu nehmen ist. Damit soll den Gerichten zu verstehen gegeben werden, daß Art.  18 GWpÜ grundsätzlich nicht im Lichte der traditionellen, im jeweiligen nationalen Recht verwurzelten Sorgfaltsmaßstäbe im Rahmen des gutgläubigen Mobiliarerwerbs ausgelegt werden darf228. Art.  17(b)(ii) GWpÜ stellt außerdem klar, daß einen Erwerber keine allgemeine Nachforschungspflicht (no general duty of inquiry or investigation) hinsichtlich des Bestehens fremder Rechte an den Wertpapieren trifft. Damit trägt das Übereinkommen der Tatsache Rechnung, daß eine solche Pflicht die Effizienz der Wertpapiermärkte unterminieren würde und von 223  Siehe die anschauliche Schilderung bei Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 98 ff. und 106 f., wo es (auf S.  106) u. a. heißt: „Failure to reach a consensus on a standard of innocence might have proved a fatal blow for the entire Convention project“; einen kurzen Überblick geben Keijser/Parmentier, BKR 2010, 151, 154. 224  Siehe etwa Art.  10 der Preliminary Draft Convention on Harmonised Substantive Rules regarding Securities held with an Intermediary, UNIDROIT 2004 – Study LXXVIII – Doc. 18. 225 Siehe Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.   69, 100 bei Fn.  154 unter Hinweis auf den besonders heftigen Widerstand der französischen Delegation. 226  Proposal/comments (submitted by the Government of hte United States of America) – observations on the standard for innocent acquisition/proposed revised article 14 (1), (2) and (4)(b) and draft official Commentary, UNIDROIT 2008 – CONF. 11 – Doc. 23. 227  Second Advice of the Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008, Rec. 7 (S.  58 ff.). 228  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  17-9.

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einem Erwerber, sei er Käufer oder Sicherungsnehmer, ohnehin in den meisten Fällen nicht erfüllt werden könnte. Art.  18 GWpÜ schützt selbst den sorglosen und vergesslichen Erwerber229. Aus dem Umstand, daß er dem Erwerber keine allgemeine Nachforschungspflicht auferlegt, ergibt sich allerdings im Gegenschluß, daß im Einzelfall durchaus eine Nachforschungspflicht bestehen kann, nämlich dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, daß durch die Verfügung in das Recht eines Dritten eingegriffen wird. Geht der Erwerber diesen Verdachtsmomenten nicht nach, ist er als unredlich anzusehen. Insoweit gilt im Rahmen von Art.  18 Abs.  1 GWpÜ nichts anderes als im Rahmen von §  932 Abs.  2 BGB230. Der Offizielle Kommentar illustriert dies mit einer Reihe von Beispielsfällen, in denen es naturgemäß nicht um den Erwerb von Wertpapieren im anonymen Börsenhandel, sondern um die Bestellung von Sicherungsrechten unter überschaubaren (und erkennbar dubiosen) Umständen geht231. Wie diese Beispiele belegen, besteht zwischen dem „ought to know“-Standard des Art.  18 GWpÜ und dem während der Beratungen verworfenen „willful blindness test“ in der Sache kein wesentlicher Unterschied232 . Art.  17(c) GWpÜ enthält eine weitere und praktisch bedeutsame Konkretisierung von Art.  18 GWpÜ, und zwar bezüglich der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung innerhalb einer Organisation. Danach ist eine Organisation ab dem Zeitpunkt als unredlich anzusehen, in dem das Recht des Dritten oder die darauf hindeutenden Verdachtsmomente der für die betreffende Angelegenheit verantwortlichen Individualperson (individual responsible for the matter) zur Kenntnis gebracht wurden oder vernünftigerweise (reasonably) hätten zur Kenntnis gebracht werden müssen. Diese Bestimmung, die einerseits mißbräuchliche Abschottungsstrategien verhindern, andererseits den Organisationen keine unzumutbaren Lasten aufbürden will233, enthält in der Sache nichts anderes als eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Kommunikation, wie sie von der h. M. im deutschen Recht befürwortet wird234 . (2) Analyse Ebenso wie Art.  11 wirft auch Art.  18 Abs.  1 GWpÜ aus Sicht des deutschen Rechts die Frage auf, ob das nationale Recht weiterhin einen derivativen Erwerb von Miteigentumsrechten unmittelbar vom bisherigen Rechtsinhaber vorsehen darf. Wust bejaht das und meint sogar, ein redlicher Erwerb sei konzeptionell überhaupt nur in den Fällen möglich, in denen der Erwerber gerade die Rechtsposition des Veräußerers erwirbt235. In der Tat gibt es keinen Grund für die Annahme, daß ein Modell mit 229 

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  17-11. Vgl. Palandt/Herrler, BGB, §  932 Rn.  10 m. w. N. 231  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  17-12. 232  Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 101; Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  241 f. 233  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  17-17. 234  Siehe dazu statt vieler MünchKommBGB/Schubert, §  166 Rn.  49 ff. m. w. N. 235  Wust, Verbuchung, S.  4 26. 230 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

derivativem Erwerb von vornherein nicht mit Art.  18 Abs.  1 GWpÜ kompatibel ist. Diese Bestimmung regelt den Schutz des redlichen Erwerbers, verhält sich aber im Sinne des funktionalen Ansatzes und in Übereinstimmung mit Art.  11 GWpÜ neutral, soweit es um die Frage geht, ob der Erwerber sein Recht von einer bestimmten Person ableitet oder mit der Buchung bzw. dem Depotvermerk in seiner Person ein neues Recht begründet wird. Diese Frage beantwortet sich nach nationalem Recht, das folgerichtig auch festzulegen hat, welche weiteren Konsequenzen der redliche Erwerb ggf. für denjenigen mit sich bringt, der korrespondierend dazu sein Recht verliert236. Mißverständlich ist jedoch Wusts Behauptung, daß es in „schuldrechtlichen Verwahrstrukturen“, die bei der Veräußerung von Wertpapieren von einem originären Rechtserwerb ausgehen, auf die Möglichkeit des redlichen Erwerbs nicht ankommt. Denn das Bedürfnis nach Verkehrsschutz der von Art.  18 Abs.  1 GWpÜ gewährleisteten Art besteht auch in solchen Strukturen, mag dieser Schutz dort auch mit anderen rechtstechnischen Mitteln, etwa über einen weitgehenden Ausschluß von Einwendungen des Intermediärs, erreicht werden237. Gewisse Zweifel an der Kompatibilität des deutschen Miteigentumsmodells mit Art.  18 Abs.  1 GWpÜ bestehen aber aus einem anderen Grund: Diese Bestimmung stellt ausschließlich auf die Redlichkeit des Erwerbers ab, während es bei der Übertragung von Girosammelanteilen nach deutschem Recht gemäß §  166 Abs.  1 BGB auf die Gutgläubigkeit der Wertpapiersammelbank, des zentralen Kontrahenten bzw. der auf der Erwerberseite stehenden Depotbank ankommt je nachdem, welche dieser Institutionen bei der dinglichen Einigung als Stellvertreterin des Erwerbers auftritt. Die Gut- oder Bösgläubigkeit des Erwerbers selbst spielt nach allgemeiner Ansicht keine Rolle238. Hebt man allein auf den Wortlaut von Art.  18 Abs.  1 GWpÜ ab, dürfte eine solche Konstruktion bedenklich sein. Doch läßt sie sich möglicherweise mit der Erwägung halten, daß das Übereinkommen, seinem funktionalen Ansatz gemäß, die konzeptionellen Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung unberührt läßt und lediglich bestimmte Ziele vorgibt, deren Erreichung das nationale Recht mit seinen eigenen Mitteln sicherzustellen hat. Unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes dürfte eine Konstruktion, in der es im Rahmen des redlichen Erwerbs ausschließlich auf das Wissen bzw. Wissenmüssen eines der zwischengeschalteten Intermediäre ankommt, der in Art.  18 GWpÜ gewählten Lösung gleichwertig sein. Doch bleiben gewisse Zweifel, zumal dieses Spezialproblem im Offiziellen Kommentar nicht angesprochen wird239. 236  So jetzt auch Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-1, wo es heißt: „Since the Convention harmonises the ‚credit side‘ but not the ‚debit side‘‚ of transactions (…), the non-Convention law may require that in the case of acquisition by an innocent person a corresponding debit must occur in order to avoid an ‚inflation‘ of securities“. Siehe ferner Keijser/Parmentier, BKR 2010, 151, 153 f.; Garcimartín Alférez, Unif. L. Rev. 2010, 743, 748 f. 237  Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S. 247. 238  Siehe dazu oben §  6 V 5 b). 239 Zweifel auch bei Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.   242 sowie Wust, Verbuchung,

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cc)  Art.  18 Abs.  2 (1) Überblick Gemäß Art.  18 Abs.  2 GWpÜ ist ein Erwerber auch dann geschützt, wenn er zum maßgebenden Zeitpunkt weder wußte noch wissen mußte, daß dem Rechtserwerb eine frühere fehlerhafte Buchung (earlier defective entry) vorausgegangen war. Unter einer fehlerhaften Buchung – der Begriff „Buchung“ umfaßt in diesem Zusammenhang sowohl Gutschriften als auch Depotvermerke – ist nach Art.  17(d) GWpÜ eine unwirksame oder rückabzuwickelnde Buchung sowie eine bedingte Buchung zu verstehen, die aufgrund des Eintritts bzw. Nichteintritts der Bedingung unwirksam wird oder rückabzuwickeln ist. Art.  18 Abs.  2 GWpÜ soll verhindern, daß Mängel in der Überweisungskette auf den (redlichen) Erwerb von (Rechten an) intermediärverwahrten Wertpapieren durchschlagen. Er schützt somit weniger das Vertrauen des Erwerbers in das Eigentum oder die Verfügungsbefugnis des Veräußerers als das Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit des Buchungsvorgangs. Der Offizielle Kommentar umschreibt diesen Zweck der Vorschrift wie folgt: „Paragraph 2 is not aimed primarily at protection of the acquirer against a particular claimant (as is paragraph 1), but against removal or reversal by its intermediary based on some earlier defective entry“240. An einer anderen Stelle des Kommentars heißt es etwas plastischer, Art.  18 Abs.  2 „protects a qualifying acquirer’s interest from attack based on an earlier defective entry“241. Gemäß Art.  18 Abs.  5 GWpÜ kann Art.  18 Abs.  2 allerdings in den Regeln des Abwicklungssystems oder in der Kontovereinbarung abbedungen werden, soweit das nationale Recht dies zuläßt. Auf den ersten Blick erscheint diese Relativierung des Gutglaubensschutzes inkonsequent. Sie läßt sich aber mit der Erwägung rechtfertigen, daß die Möglichkeit, durch Mängel in der Übertragungskette „infizierte“ Buchungen rückgängig zu machen, unter Umständen auch Vorteile für die Systemteilnehmer und deren Depotkunden haben kann, welche die mit dieser Möglichkeit verbundenen Nachteile überwiegen242 . Der Schutz des redlichen Erwerbers nach Art.  18 Abs.  1 GWpÜ bleibt jedoch von Art.  18 Abs.  5 GWpÜ unberührt. Werden durch eine Verfügung Rechte einer anderen Person verletzt, ohne daß der Erwerber von dieser Rechtsverletzung Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, kann dieser Erwerber sich auf jeden Fall auf Art.  18 Abs.  1 GWpÜ berufen. Das gilt auch dann, wenn eben diese Rechtsverletzung der Grund für die Fehlerhaftigkeit einer früheren Buchung war und diese Fehlerhaftigkeit an sich die Unwirksamkeit oder RückgänS.  426. Deutlicher Beckmann, Reformbedarf, S.  237 f., nach dessen Ansicht Art.  18 Abs.  1 GWpÜ eine Zurechnung der Kenntnis der eingeschalteten Intermediäre nicht zuläßt. 240  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-7. 241  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-9. Siehe auch Keijser/Parmentier, BKR 2010, 151, 153, die von einem Schutz des redlichen Erwerbers davor sprechen, „daß der Erwerbsvorgang nicht vollständig korrekt ablief“. 242  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-12.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

gigmachung der Buchung zur Folge hätte, da Art.  18 Abs.  2 GWpÜ in den Regeln des Abwicklungssystems oder der Kontovereinbarung abbedungen worden ist243. (2) Analyse Da Art.  18 Abs.  2 GWpÜ mit den traditionellen Regeln über den gutgläubigen Erwerb nur wenig gemein hat, fällt es bei dieser Bestimmung besonders schwer, sich Klarheit über ihre praktische Relevanz und ihre Auswirkungen auf die verschiedenen Verwahrsysteme zu verschaffen. Selbst Mooney und Kanda, beide von Anfang an intensiv an der Entstehung des Übereinkommens beteiligt und Mitverfasser des Offiziellen Kommentars, schienen mit Art.  18 Abs.  2 GWpÜ zunächst Schwierigkeiten zu haben. Darauf deutet das folgende Beispiel hin: „As a simplified example, an intermediary might debit the account of A and credit the account of B. If the debit were not valid and if the intermediary were entitled to reverse it, Article 18(2) would, if B qualifies [as an innocent acquirer], protect the credit to B’s account that was valid in all other respects“244.

Dieses Beispiel taugt aber nicht dazu, die Bedeutung von Art.  18 Abs.  2 GWpÜ zu illustrieren. Denn „defective entries“ können nach Art.  17(d) GWpÜ nur Gutschriften und Depotvermerke sein, nicht auch Lastschriften. In Art.  18 Abs.  2 GWpÜ geht es nicht um schlichte hausinterne Umbuchungen von einem Konto auf das andere, sondern um gestreckte Buchungsvorgänge, also Fälle, in denen ein bestimmter Wertpapierbestand über mehrere Konten „weitergereicht“ wird245. Das Bedürfnis, den Letztempfänger zu schützen, besteht freilich nur in Rechtsordnungen, in denen die Übertragung von Wertpapieren so konstruiert ist, daß Fehler in der Kette auch auf die nachfolgenden Buchungen ausstrahlen246. Der Offizielle Kommentar hat denn auch insbesondere Rechtsordnungen vor Augen, in denen die Wirksamkeit einer Gutschrift davon abhängt, daß sie auf eine wirksame Lastschrift zurückgeführt werden kann („no credit without matching debit“)247. Zur Veranschaulichung führt er den folgenden Beispielsfall an248: Auf Anweisung des minderjährigen Kontoinhabers AH-1 verkauft dessen Intermediär IM-1 bestimmte Wertpapiere an der Börse an den Intermediär IM-2, der seinerseits im Auftrag und für Rechnung seines Kontoinhabers AH-2 agiert. Die Wertpapiere werden vom Konto von 243  Ausführlich zum Verhältnis zwischen Art.  18 Abs.  1 und Art.  18 Abs.  2 GWpÜ Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-11 f. 244  Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 98. 245  Zutreffend nunmehr Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-8; siehe ferner Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S. 260. 246  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-7. 247  Von seinem Standpunkt aus konsequent behauptet Mülbert, ZBB 2010, 445, 453, eine derartige Verknüpfung mehrerer Buchungen sei wegen des in Art.  11 verankerten „Separationsprinzips“ unzulässig. Doch abgesehen davon, daß Art.  18 Abs.  2 GWpÜ bei dieser Interpretation keinen Sinn ergibt, ist noch einmal zu unterstreichen, daß das Übereinkommen ein solche „Separationsprinzip“ nicht kennt. 248  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  18-8 unter Hinweis auf Beispiel 11-1 bei Rn.  11-13.

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AH-1 auf das Konto von AH-2 umgebucht. Es handelt sich um eine inländische Transaktion, die vollständig dem Recht des Staates A unterliegt. Da der Erziehungsberechtigte des AH-1 dem Geschäft seine Zustimmung verweigert, ist die Lastschrift auf dem Konto des AH-1 unwirksam. Sie muß daher storniert, d. h. durch eine entsprechende Gutschrift ausgeglichen werden. Auch die Gutschrift auf dem Konto des AH-2 ist nichtig, da der Staat A zu den Rechtsordnungen mit einem „no credit without debit“-Konzept gehört.

In diesem Fall wird die Verknüpfung zwischen Lastschrift und Gutschrift durch Art.  18 Abs.  2 GWpÜ ausnahmsweise durchbrochen: AH-2 hat die Wertpapiere wirksam erworben, sofern er im Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Konto weder wußte noch wissen mußte, daß die Lastschrift auf dem Konto des AH-1 fehlerhaft war. Doch zu wessen Lasten geht der gutgläubige Erwerb durch AH-2? Muß man ausnahmsweise doch annehmen, daß AH-1 sein Recht an AH-2 verloren hat? Oder muß man von einer Pflicht des IM-2 ausgehen, durch Nachkauf einer entsprechenden Menge an Wertpapieren unverzüglich für eine Deckung des Guthabens auf dem Konto von AH-2 zu sorgen? Über diese Konsequenzen hat das nationale Recht zu entscheiden249. Erwähnenswert ist auch der folgende Beispielfall250: Kontoinhaber AH beauftragt seine Bank mit dem Kauf von 1000 X-Aktien. Nach der Ausführung des Auftrags schreibt die Bank dem Depotkonto des AH die Aktien unter Bedingung gut, daß die Titel am Settlementtag (T+2) durch den nationalen CSD geliefert werden. Am ersten Tag nach Handelsabschluß (T+1) gewährt A seinem Kreditgeber CT ein Sicherungsrecht an den Aktien. Die Bank macht dieses Sicherungsrecht am gleichen Tag dadurch kenntlich, daß sie auf dem Depotkonto des AH einen designating entry zugunsten von CT anbringt. Die Lieferung der Aktien bleibt aus („failed trade“). Die Bank möchte daher die Gutschrift auf dem Konto des AH stornieren, sieht sich aber vor die Frage gestellt, ob dem der Depotvermerk zugunsten von CT entgegensteht.

Nach dem Verständnis des Offiziellen Kommentars ist CT durch Art.  18 Abs.  2 geschützt, sofern er weder wußte noch wissen mußte, daß die Depotgutschrift mangels Bedingungseintritts noch nicht voll wirksam war. In der Tat geht aus Art.  16 eindeutig hervor, daß die Möglichkeit, eine Buchung unter eine Bedingung zu stellen, unter dem Vorbehalt des Art.  18 GWpÜ steht. Das Übereinkommen erkennt zwar die Praxis der vorgezogenen Gutschrift grundsätzlich an, räumt aber – vorbehaltlich der opting out-Regelung des Art.  18 Abs.  5 GWpÜ – dem Schutz des redlichen Sicherungsnehmers gemäß Art.  18 Abs.  2 GWpÜ einen höheren Stellenwert ein als dem Interesse des Intermediärs an der Stornierbarkeit nicht gedeckter Gutschriften251. Welche Konsequenzen sind aus diesem Befund für das deutsche Recht zu ziehen? Nach Wusts Auffassung252 müßte bei der Umsetzung von Art.  18 Abs.  2 GWpÜ der redliche Erwerb eines Pfandrechts an Miteigentumsanteilen ermöglicht werden, die 249 

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  11-13. Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  16-22 (Example 16-4). 251  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  16-15. 252  Wust, Verbuchung, S.  4 27 f. 250 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

der Sicherungsgeber selbst mangels Besitzumstellung durch die Clearstream Banking AG (noch) nicht erhalten hat. Ein solches Ergebnis lasse sich aber auf der Grundlage des sachenrechtlich strukturierten Depotgesetzes dogmatisch nicht erreichen. Zum einen fehle es, solange der Sicherungsgeber keinen mittelbaren Besitz am Sammelbestand erlangt hat, an einem geeigneten Rechtsscheinträger, der Grundlage eines gutgläubigen Erwerbs sein könnte. Zum anderen wäre fraglich, zu wessen Lasten ein solcher Rechtserwerb ginge. Da auf höherer Verwahrebene noch kein Konto belastet wurde und ein Miteigentumsanteil auch nicht neu erschaffen werden könne, könne man den gutgläubigen Erwerb allenfalls mit einer verhältnismäßigen Reduktion der Bruchteilsquote der anderen Miteigentümer erklären, die artgleiche Wertpapiere über die betreffende Depotbank halten. Erlange die Depotbank später durch eine Umbuchung der Clearstream Banking AG mittelbaren Besitz an den entsprechenden Anteilen, müßten die Miteigentumsanteile den benachteiligten Depotinhabern wieder zufallen. Ein Vertrauensschutz, der letztlich zu Lasten der übrigen Kontoinhaber geht, lasse sich jedoch mit den Mitteln des gutgläubigen Erwerbs i. S. der §§  932 ff. BGB nicht gewährleisten. Uneingeschränkt überzeugend ist diese Analyse nicht. So ist zum einen daran zu erinnern, daß Art.  18 Abs.  2 GWpÜ sich nur sehr eingeschränkt mit den traditionellen Regeln über den gutgläubigen Erwerb vergleichen läßt. Daß der Verpfänder noch keinen mittelbaren Besitz am Sammelbestand erlangt hat, steht einem Schutz des redlichen Pfandnehmers nicht zwingend entgegen. Denn als Rechtsscheinträger fungiert im Rahmen des Art.  18 Abs.  2 GWpÜ nicht der Besitz, sondern die Buchung, sofern man überhaupt von einem Rechtsscheintatbestand sprechen will. Damit liegt diese Bestimmung auf der gleichen Linie wie jene Lehrmeinung zum deutschen Recht, die es bereits de lege lata für möglich und geboten hält, im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs von Girosammelanteilen auf die Depotgutschrift statt auf den mittelbaren Besitz als Rechtsscheinträger abzustellen. Zum anderen scheint Wust davon auszugehen, daß man die aufschiebende Bedingung, unter der die Miteigentumsanteile dem Konto des Verpfänders gutgeschrieben wurden, zwecks Ermöglichung des Pfandrechtserwerbs als eingetreten zu betrachten hätte, sobald die Voraussetzungen des Art.  18 Abs.  2 GWpÜ erfüllt sind. Ansonsten ginge das redlich erworbene Pfandrecht ja ins Leere; ohne geschlossene Buchungskette zur Clearstream Banking AG erlangt der Verpfänder keinen mittelbaren Besitz und folglich auch kein Miteigentum, das Gegenstand eines Pfandrechts sein könnte. Es ist aber kaum anzunehmen, daß die gravierenden Umverteilungsprobleme, die sich bei einer solchen Fiktion in der Tat stellen würden, von den Verfassern des Übereinkommens gesehen und in Kauf genommen wurden. Im Gegenteil wäre es ein ziemlich befremdliches Ergebnis, wenn der redliche Erwerb eines Pfandrechts an Miteigentumsanteilen eines bestimmten Kunden zu Lasten anderer Miteigentümer ginge, die ihr Konto bei derselben Depotbank unterhalten. Dem Offiziellen Kommentar schwebt denn auch eine andere Lösung vor, nämlich die Verpflichtung des Intermediärs, unverzüglich durch Erwerb einer entsprechen-

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den Menge von Wertpapieren für die Deckung des Pfandrechts zu sorgen253. Auch diese Lösung kann freilich nicht über die Merkwürdigkeit hinwegtäuschen, daß nach Art.  18 Abs.  2 GWpÜ der redliche Erwerb eines Pfandrechts an Wertpapieren möglich sein soll, die der Verpfänder mangels „Lieferung“ an seinen Intermediär selbst noch nicht zu Eigentum erworben hat. Gerade sachenrechtliche Systeme dürften deswegen erhebliche Probleme haben, die Vorgaben des Art.  18 Abs.  2 GWpÜ zu implementieren254 . Umso nachdrücklicher ist daher noch einmal auf Art.  18 Abs.  5 GWpÜ hinzuweisen, demzufolge das nationale Recht den Intermediären gestatten kann, den Gutglaubensschutz nach Art.  18 Abs.  2 GWpÜ in den Regeln des Abwicklungssy­ stems bzw. den Kontovereinbarungen abzubedingen. Im übrigen hat ein Intermediär die Möglichkeit, diesem Schutz und damit auch einer etwaigen Verpflichtung zur Deckung eines ins Leere gehenden Pfandrechts die Grundlage zu entziehen, indem er bei der Anbringung des Depotvermerks zugunsten des Pfandnehmers auf die Bedingtheit der Depotgutschrift hinweist255. Alles in allem also ist es mit dem Schutz nach Art.  18 Abs.  2 GWpÜ nicht so weit her, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Wohl auch und gerade mit Rücksicht auf sachenrechtlich strukturierte Verwahrsysteme wird dieser Schutz letztlich zur Disposition durch das nationale Recht gestellt. Wust gelangt denn auch zu der nicht unberechtigten Feststellung, diese Vorschrift sei „damit auf ein programmatisches Ziel reduziert, das an schuldrechtlichen Verwahrsystemen orientiert ist und nicht zwingend umgesetzt werden muss“256. f)  Rangfolge von Rechten an Depotguthaben Werden an denselben Depotwerten mehrere Rechte begründet – es mögen etwa bestimmte Wertpapiere vom Kontoinhaber mehrfach verpfändet werden –, stellt sich die Frage nach deren Rangfolge. Das Übereinkommen beantwortet diese Frage in Art.  19257. Wie sich aus Art.  19 Abs.  1 GWpÜ ergibt, umfaßt der Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausschließlich Rechte, die nach Art.  12 oder Art.  13 GWpÜ, d. h. auf andere Weise als durch Depotgutschrift mit Wirkung gegenüber Dritten begründet werden258. Die Rangfolge dieser Rechte richtet sich nach zwei Grundsätzen: (1) Gemäß Art.  19 Abs.  2 GWpÜ haben die nach einer der drei Methoden des Art.  12 GWpÜ begründeten Rechte den Vorrang vor den nach einer rein „nationalen“ Methode begründeten Rechten. (2) Gemäß Art.  19 Abs.  3 GWpÜ bestimmt sich die 253 

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  16-22 (Example 16-4). Insoweit zutreffend Wust, Verbuchung, S.  428; im Ergebnis auch Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  265 ff. 255  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  16-22 (Example 16-4). 256  Wust, Verbuchung, S.  4 29. 257  Ausführlich dazu Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  271 ff. 258 Siehe Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  19-9: „It does not apply to conflicting interests acquired by way of credits, because that situation necessarily means that the conflicting claims a­ rose out of credits to different securities accounts.“ 254 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

Rangfolge der nach Art.  12 GWpÜ begründeten Rechte nach dem Prioritätsgrundsatz. Ein Recht an Depotwerten hat vor anderen Rechten Vorrang, wenn es zeitlich früher begründet wurde. Maßgeblicher Zeitpunkt ist im Fall des Art.  12 Abs.  1 i. V. m. Abs.  3(a) GWpÜ der Abschluß der Vereinbarung zwischen Kontoinhaber und Intermediär, im Fall des Art.  12 Abs.  1 i. V. m. Abs.  3(b) GWpÜ die Anbringung des Depotvermerks zugunsten des Erwerbers, im Fall des Art.  12 Abs.  1 i. V. m. Abs.  3(c) GWpÜ der Abschluß der dreiseitigen Kontrollvereinbarung bzw. die Anzeige der zweiseitigen Kontrollvereinbarung zwischen Kontoinhaber und Erwerber an den kontoführenden Intermediär. Art.  19 Abs.  4 GWpÜ enthält eine Ausnahme vom Prioritätsprinzip für den Fall, daß ein kontoführender Intermediär, der sich bereits selbst ein Recht an Depotbeständen eines Kunden hat einräumen lassen, zu einem späteren Zeitpunkt daran mitwirkt, daß ein Dritter ein Recht an diesen Beständen erwirbt, indem er zugunsten dieses Dritten einen entsprechenden Vermerk auf dem Depotkonto anbringt oder Partei einer entsprechenden dreiseitigen Kontrollvereinbarung wird. In diesem Fall gilt der Grundsatz, daß das Recht des Dritten dem Recht des Intermediärs vorgeht, sofern nicht der Dritte und der Intermediär ausdrücklich etwas anderes vereinbaren. Begründet wird dies mit der Erwägung, daß ein Dritter in der Regel mangels Einblick in das Verhältnis zwischen Kontoinhaber und Intermediär nichts von einem konkurrierenden Recht des Intermediärs wissen kann und es daher unbillig wäre, dem Recht des Intermediärs pauschal den Vorrang zu gewähren259. Im übrigen eröffnet Art.  19 Abs.  6 GWpÜ den Inhabern konkurrierender Rechte die Möglichkeit, die Rangfolge der Rechte durch Vereinbarung abweichend von Art.  19 Abs.  3 GWpÜ festzulegen. Es versteht sich, daß Rechte Dritter durch eine solche Vereinbarung nicht beeinträchtigt werden dürfen.

3.  Integrität des mediatisierten Verwahrsystems Das vierte Kapitel des Übereinkommens (Art.  21–30) enthält eine Reihe von Bestimmungen, welche die Integrität des mediatisierten Verwahrsystems sicherstellen sollen und damit in erster Linie dem Schutz der Depotkunden und Inhaber von Sicherungsrechten vor dem sog. Verwahrungsrisiko (custody risk) zu dienen bestimmt sind. Sie betreffen ganz unterschiedliche Aspekte wie die Insolvenzfestigkeit von Depotwerten, das Verbot des sog. upper-tier attachment, die Pflicht eines Intermediärs zur Unterhaltung eines ausreichenden Deckungsbestandes und die Verlustverteilung im Fall der Insolvenz eines Intermediärs. a) Insolvenzschutz In Art.  21 trägt das Übereinkommen dem international anerkannten Grundsatz Rechnung, daß Wertpapierbestände, die ein Intermediär für seine Depotkunden 259  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  19-14; Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 109.

§  16  Genfer Wertpapierübereinkommen

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verwahrt, dem Zugriff von Gläubigern des Intermediärs entzogen sein müssen, und zwar sowohl zum Schutz der Depotkunden selbst als auch zum Schutz der Inhaber von Sicherungsrechten an den Kundenbeständen260. Art.  21 Abs.  1 GWpÜ bestimmt, daß Rechte, die durch Depotgutschrift oder mittels einer der in Art.  12 vorgesehenen Methoden mit Wirkung gegenüber Dritten erworben wurden, in der Insolvenz des Intermediärs gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern des Intermediärs wirksam sind. Die Regelung ist eng mit Art.  25 GWpÜ verknüpft, der als allgemeine Sicherungsvorkehrung zwar auch außerhalb des Insolvenzfalles zur Anwendung gelangt, aber vor allem dort seine praktische Bedeutung hat261. Abs.  1 dieser Bestimmung bezweckt den Schutz der Kontoinhaber vor Unterbeständen und besagt im Kern, daß den Kontoinhabern auch diejenigen Wertpapierbestände zugeordnet werden, die der kontoführende Intermediär für eigene Rechnung hält, soweit dies zur vollständigen Deckung der Kundenguthaben erforderlich ist. Art.  25 Abs.  2 GWpÜ zieht daraus die logische Konsequenz, daß die den Kunden zugeordneten Bestände nicht zum Vermögen des Intermediärs gerechnet werden und nicht zur Befriedigung seiner Gläubiger herangezogen werden dürfen. Soweit ein Kontoinhaber dem kontoführenden Intermediär selbst ein (Sicherungs-)Recht an seinen Depotwerten eingeräumt hat, wird ihm der Schutz nach Art.  21 Abs.  1 GWpÜ selbstverständlich nicht zuteil262 . Wie aus dem 9. Erwägungsgrund der Präambel hervorgeht, strebt das Übereinkommen nur insoweit eine Harmonisierung des nationalen Insolvenzrechts an, als dies erforderlich ist, um die Wirksamkeit der vom Übereinkommen gewährten Rechte zu gewährleisten. Nach Art.  21 Abs.  2(a) GWpÜ bleiben von Art.  21 Abs.  1 GWpÜ denn auch alle Bestimmungen des nationalen Insolvenzrechts unberührt, nach denen ein Wertpapiergeschäft wegen Gläubigerbevorzugung oder betrügerischer Gläubigerbenachteiligung angefochten werden kann (vgl. §§  129 ff. InsO). Gemäß Art.  21 Abs.  3 GWpÜ schweigt das Übereinkommen auch zu der Frage, wie es um die Insolvenzfestigkeit von Rechten an Depotguthaben bestellt ist, die nach einer der Verfügungsmethoden des nationalen Rechts (vgl. Art.  13 GWpÜ) erworben wurden. b)  Verbot des upper-tier attachment Art.  22 GWpÜ enthält ein grundsätzliches Verbot des sog. upper-tier attachment, das bereits an anderer Stelle ausführlich beschrieben wurde263. Gemeint ist die Pfändung von Depotwerten auf der Ebene eines höherstufigen Verwahrers, mit dem der Kontoinhaber (Schuldner), gegen den sich die Zwangsvollstreckungsmaßnahme richtet, keine depotvertragliche Beziehung unterhält. Für die übrigen Kontoinhaber, die Wertpapiere der betreffenden Gattung(en) halten, und das Effektengirosystem insge260  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  21-6; Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 123. 261  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  25-13. 262  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  21-15. 263  Siehe oben §  5 II 4 c).

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

samt ist eine solche „Sprungvollstreckung“ gefährlich, weil sie zur vorübergehenden Blockierung ganzer Sammelkonten und -bestände führen und systemische Risiken hervorrufen kann. Auch wenn das upper-tier attachment in aller Regel aus rechtlichen oder praktischen Gründen ausgeschlossen ist – man denke etwa an eine intransparente Verwahrpyramide, in der die Berechtigung des einzelnen Anlegers nur aus den Büchern des kontoführenden Intermediärs ersichtlich und auf den übergeordneten Ebenen auf Sammelkonten verbucht ist –, bestand über die Notwendigkeit eines expliziten Verbots von Anfang an Einigkeit264 . Art.  22 Abs.  1 GWpÜ bestimmt demgemäß, daß die Pfändung von Depotwerten eines Kunden ausschließlich bei dem maßgeblichen Intermediär als der „richtigen Stelle“ in der Verwahrkette vollzogen werden kann265. Art.  22 Abs.  2 GWpÜ definiert, was das Übereinkommen im einzelnen unter einem attachment versteht266. Und Art.  22 Abs.  3 GWpÜ enthält eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot des upper-tier attachment, die vor allem mit Rücksicht auf die besonderen Gegebenheiten in transparenten Verwahrsystemen in das Übereinkommen aufgenommen wurde. Danach steht einem Vertragsstaat die Möglichkeit offen, die „Sprungvollstreckung“ bei Zeichnung der Konvention für zulässig zu erklären. Für das deutsche Recht ergibt sich aus Art.  22 GWpÜ kein Anpassungsbedarf. Denn Girosammelanteile sind gemäß §§  857 Abs.  1, 828 ff. ZPO bei der kontoführenden Depotbank zu pfänden267. Soweit es um die Pfändung der Rechtsposition aus einer Gutschrift in Wertpapierrechnung geht, folgt der Ausschluß des upper-tier attachment bereits daraus, daß eine solche Gutschrift dem Kunden ausschließlich Rechte gegen die Depotbank vermittelt. c)  Pflicht zur Unterhaltung eines ausreichenden Deckungsbestandes Der durch Art.  21 Abs.  1 GWpÜ bezweckte Schutz der Depotinhaber in der Insolvenz des Intermediärs wäre unvollständig, wenn das Übereinkommen nicht auch eine wirksame Vorkehrung zur Verhinderung von Unterbeständen enthielte. Art.  24 Abs.  1(a) GWpÜ bestimmt daher, daß ein Intermediär für jede Gattung eine solche Menge an Wertpapieren halten oder verfügbar haben muß, die der Summe der auf den Depotkonten der Kunden ausgewiesenen Guthaben entspricht. Nach Art.  24 Abs.  1(b) GWpÜ kann das nationale Recht diese Kardinalpflicht zur Unterhaltung eines ausreichenden Deckungsbestandes268 auf Depotkonten erweitern, die der In264  Sehr deutlich UNIDROIT Study Group on Harmonised Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper August 2003, UNIDROIT 2003 – Study LXXVIII – Doc. 8, S.  18. 265  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  22-9. 266  Nämlich „any judicial, administrative or other act or process to freeze, restrict or impound intermediated securities of that account holder in order to enforce or satisfy a judgment, award or other judicial, arbitral, administrative or other decision or in order to ensure the availability of such intermediated securities to enforce or satisfy any future judgment, award or decision.“ 267  Wust, Verbuchung, S.  430. 268 Siehe Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  24-1: „core rule for the integrity of the intermediated holding of securities“.

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termediär für sich selbst führt. Art.  24 Abs.  2 GWpÜ regelt, auf welche Art und Weise ein Intermediär diese Pflicht erfüllen kann. Er kann (a) dafür Sorge tragen, daß Wertpapiere im Register des Emittenten auf den Namen oder für Rechnung der Kontoinhaber geführt werden, (b) sich selbst als Inhaber von Wertpapieren in das Regi­ ster des Emittenten eintragen lassen, (c) Urkunden (certificates) oder andere Berechtigungsdokumente (documents of title) in seinem unmittelbaren Besitz haben, (d) intermediated securities über einen anderen Intermediär halten oder (e) sich jeder anderen geeigneten Methode bedienen. Pöch hält diese Aufzählung für „befremdlich“269. Aber das ist sie nicht, wenn man bedenkt, daß sie bloß die heutigen Standardmethoden zur Deckung von Depotguthaben wiederzugeben versucht, ergänzt um eine Öffnungsklausel („jede andere geeignete Methode“), die der künftigen Entwicklung alternativer Deckungsformen Raum geben soll270. Das Übereinkommen betrachtet sämtliche der in Art.  24 Abs.  2 GWpÜ aufgeführten Methoden als gleichwertig und läßt es auch zu, sie miteinander zu kombinieren. So genügt ein Intermediär seiner Pflicht nach Art.  24 Abs.  1 GWpÜ, wenn er einen Teil des betreffenden Wertpapierbestandes in Form von Urkunden im eigenen Tresor, den übrigen in Form von Depotguthaben über höherstufige Intermediäre hält, sofern nur die Positionen auf den einzelnen Kundenkonten vollständig abgedeckt sind271. Nun war man sich bei der Formulierung von Art.  24 GWpÜ darüber im klaren, daß die Frage, welche Möglichkeiten einem Intermediär für die Deckung von Kundenguthaben zur Verfügung stehen (sollten), vom Übereinkommen schon mit Rücksicht die rechtlichen Unterschiede zwischen den Verwahrsystemen und die Vielfalt der in diesen Systemen verbuchten Finanzinstrumente nicht abschließend beantwortet werden kann. Auch bestand Einigkeit darin, daß eine Vorkehrung zum Schutz gegen Unterbestände ungeachtet ihrer zentralen Bedeutung für die Integrität des Verwahrsystems ein gewisses Maß an Flexibilität aufweisen muß, zumal Unterbestände sich aus operationellen Gründen ohnehin nicht immer ganz vermeiden lassen und mitunter sogar bewußt in Kauf genommen werden. Art.  24 Abs.  4 GWpÜ bestimmt denn auch, daß es dem nationalen Recht unbenommen bleibt, die Methode(n), mittels derer ein Intermediär seiner Pflicht aus Art.  24 Abs.  1 GWpÜ genügen kann, im einzelnen festzulegen, und daß diese Festlegung, soweit das nationale Recht dies erlaubt, auch in den einheitlichen Regeln eines Abwicklungssystems oder der Kontovereinbarung getroffen werden kann. Dazu paßt, daß das Übereinkommen sich auch neutral zu der Frage verhält, ob Eigen- und Kundenbestände eines Intermediärs auf übergeordneter Ebene auf einem einzigen Sammelkonto verbucht sein dürfen oder in segregierter Form gehalten werden müssen. Wie sich aus Art.  25 Abs.  3 und 4 GWpÜ ergibt, bestehen gegen eine Verbuchung auf einem einzigen Sammelkonto jedenfalls dann keine Bedenken, wenn die Depotkunden durch eine Regelung wie §  4 DepotG gegen eine unberechtigte Inanspruchnahme ihrer Bestände geschützt 269 So

Pöch, in: Gedächtnisschrift Gruson, S.  303, 315. Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  24-17. 271  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  24-19.

270 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

sind. Der vom Übereinkommen belassene Regelungsspielraum erstreckt sich ferner auf die Frage, welche Partei (der/die Kontoinhaber oder der Intermediär) die Kosten der Erfüllung oder Nichterfüllung der Deckungspflicht zu tragen hat. Nach nationalem Recht richtet sich im übrigen auch, welcher Zeitraum einem Intermediär für die Beseitigung eines Unterbestandes zur Verfügung steht (Art.  23 Abs.  3 GWpÜ). Auch insoweit wären strikte Vorgaben weder möglich noch sinnvoll gewesen. Über die Pflicht zur Beseitigung eines Unterbestandes als solche darf das nationale Recht aber nicht disponieren. Aus alledem ergibt sich der Befund, daß es Sache des nationalen Rechts (bzw. der Regeln des Abwicklungssystems oder der Kontovereinbarung) ist, die Deckungspflicht eines Intermediärs nach Inhalt und Umfang festzulegen. Dieser Befund bestätigt sich, wenn man noch einen Blick auf Art.  28 GWpÜ wirft. Die Bedeutung dieser Bestimmung reicht über Art.  24 GWpÜ hinaus, denn sie betrifft sämtliche Vorschriften des Übereinkommens, durch die einem Intermediär Pflichten auferlegt werden, also auch die Art.  10, 23 und 25 GWpÜ 272 . Art.  28 Abs.  1 GWpÜ wendet den Wortlaut von Art.  24 Abs.  4 GWpÜ ins Allgemeine und besagt, daß die Pflichten eines Intermediärs unter dem Übereinkommen sowie die Art und Weise ihrer Erfüllung vom nationalen Recht oder, soweit das nationale Recht dies erlaubt, den Regeln des Abwicklungssystems oder der Kontovereinbarung festgelegt (specified) werden können. Art.  28 Abs.  2 GWpÜ bestimmt, daß ein Intermediär, der seine „nationalen“ Pflichten erfüllt, damit zugleich seinen Pflichten unter dem Übereinkommen gerecht wird, vorausgesetzt, daß die „nationalen“ Pflichten sich im Kern mit denen des Übereinkommens decken273. Art.  28 GWpÜ hat sein Regelungsvorbild im amerikanischen Recht, und zwar in UCC §  8-509274 . Er beruht auf zwei Erwägungen: Zum einen möchte er den funktionalen Ansatz verwirklichen helfen, indem er noch einmal unterstreicht, daß das Übereinkommen bloß bestimmte Ergebnisse vorgibt (hier: Unterhaltung eines ausreichenden Deckungsbestandes), nicht auch die rechtlichen und technischen Mittel zur Erreichung dieser Ergebnisse275. Das hohe Maß an Flexibilität, das diese Bestimmung dem nationalen Recht gewährt, wird auch daran deutlich, daß sie neben der Festlegung der objektiven Pflichten eines Intermediärs auch die Festlegung des von diesem einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs betrifft, der von Fall zu Fall durchaus variieren kann. Man denke etwa an Bestimmungen wie Art.  33 BEG, die hinsichtlich der Haftung eines Intermediärs für Schäden aus der Verwahrung danach differenzieren, ob der Intermediär die Wertpapiere selbst verwahrt oder sich dazu eines in- oder ausländischen Drittverwahrers bedient 276. Zum anderen möchte Art.  28 GWpÜ dem Umstand Rechnung tragen, daß es sich bei Intermediären in der Regel um beaufsichtigte, hoch regulierte Einrichtungen handelt, 272 

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  28-10. Näher zu dieser Voraussetzung Mooney, Unif. L. Rev. 2010, 801, 809 f. 274  Mooney, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  160, 166 f. 275  Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  28-11. 276 Vgl. Mooney, Unif. L. Rev. 2010, 801, 808. 273 

§  16  Genfer Wertpapierübereinkommen

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die davor bewahrt werden müssen, zwei unterschiedlichen Gruppen von Regelungen genügen zu müssen: den z. T. sehr allgemein und absolut formulierten Regelungen des Übereinkommens einerseits sowie den typischerweise um einiges genaueren und flexibleren Regelungen des nationalen (Aufsichts-)Rechts andererseits277. d) Verlustverteilung Fällt ein Intermediär in Konkurs und stellt sich im Zuge der Liquidation heraus, daß die den Depotkunden nach Maßgabe von Art.  25 Abs.  1 GWpÜ zugeordneten Wertpapierbestände auch nach Rückgriff auf die Eigenbestände des Intermediärs nicht zur vollständigen Abdeckung ihrer Guthaben ausreichen, bleibt nichts anderes übrig, als den Verlust auf die Depotkunden zu verteilen. Ebenso wie das schweizerische Bucheffektengesetz (vgl. Art.  19 Abs.  2 GWpÜ) greift das Übereinkommen insoweit auf eine vergleichsweise holzschnittartige Lösung zurück: Gemäß Art.  26 Abs.  2 GWpÜ wird der Verlust anteilig auf alle Depotkunden umgelegt, die Wertpapiere der betreffenden Gattung halten. Ob die Möglichkeit besteht, den Verlust einem bestimmten Kunden zuzuordnen, ist ohne Belang. Auch auf die zeitliche Reihenfolge der Buchungen kommt es nicht an; der Verlust wird auch solchen Kunden angelastet, denen erst nach Eintreten des Fehlbestands Wertpapiere der betreffenden Gattung gutgeschrieben wurden. Das Übereinkommen verzichtet damit auf eine Verlustverteilung nach dem aus dem Trustrecht bekannten Grundsatz des „rolling charge“, wonach jeder Eingriff des trustee in das Trustvermögen proportional auf die zu jenem Zeitpunkt berechtigten beneficiaries verteilt wird278. Aus welchen Gründen in Art.  26 Abs.  2 GWpÜ einer pauschalen pro rata-Lösung der Vorzug gegeben wurde, läßt sich dem Offiziellen Kommentar nicht entnehmen. Vermutlich gab dafür die Erwägung den Ausschlag, daß eine Zuteilung unter Berücksichtigung der zeitlichen Entstehung des Verlusts in vielen Verwahrsystemen schon angesichts der unüberschaubaren Vielzahl von Buchungsvorgängen und Depotkunden praktisch nicht zu bewältigen wäre279. Eine Rolle mag auch die Überlegung gespielt haben, daß eine proportionale Verlustverteilung auch aus Gründen der Systemstabilität von Vorteil ist, weil sie den Verlust auf eine möglichst große Zahl von Depotkunden verteilt und dadurch das Risiko verringert, daß ein bestimmter Investor wegen eines besonders hohen Verlustanteils selbst in Schwierigkeiten gerät280. Die in Art.  26 Abs.  2 GWpÜ angeordnete pro rata-Verlustverteilung steht allerdings unter einem doppelten Vorbehalt. Gemäß Art.  26 Abs.  1 GWpÜ kommt sie nur 277 

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  28-12; Mooney, Unif. L. Rev. 2010, 801, 809. Siehe dazu Favre, Berechtigung, S.  179 f. sowie McFarlane/Stevens, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  33, 41 ff., jeweils unter Hinweis auf den Fall Barlow Clowes International Ltd. v. Vaughan [1992] 4 All ER 22. 279  In diese Richtung auch die Feststellung von Caballero/Johansson/Keijser/Vermaas, in: Keijser (Hrsg), Transnational Securities Law, Rn.  7.69, wonach Art.  26 Abs.  2 in Einklang mit dem funktionalen Ansatz des Übereinkommens steht. 280  Garrido, Unif. L. Rev. 2010, 779, 788 f. 278 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

zur Anwendung, soweit die in dem betreffenden Insolvenzverfahren zur Anwendung gelangenden Bestimmungen keinen anderen Mechanismus vorsehen. Getreu seinem minimalistischen Regelungsansatz erkennt das Übereinkommen damit an, daß es im Hinblick auf die Eigenheiten der einzelnen Rechtsordnungen und Verwahrsysteme gute Gründe für alternative Zuteilungslösungen etwa nach Art des erwähnten „rolling charge“-Verfahrens geben kann. In Systemen, in denen die einzelnen Übertragungsvorgänge anhand individueller Registrierungsnummern genau nachvollzogen werden können, dürfte die Berücksichtigung der zeitlichen Reihenfolge der Buchungen jedenfalls eher möglich sein als in Systemen, in denen die Bestände der einzelnen Kunden auf der übergeordneten Ebene auf Sammelkonten verbucht und nicht besonders gekennzeichnet werden281. Der zweite Vorbehalt des Art.  26 Abs.  3 GWpÜ ist auf den Fall zugeschnitten, daß es sich bei dem insolventen Intermediär um den Betreiber eines Wertpapierabwicklungssystems handelt. Danach haben die in den einheitlichen Regeln des Systems enthaltenen Bestimmungen über die Verlustverteilung den Vorrang vor Art.  26 Abs.  1 GWpÜ, soweit das nationale Recht dies zuläßt. Auch im Hinblick auf die Verlustverteilung in der Insolvenz eines Intermediärs läßt sich somit festhalten, daß das Übereinkommen keine zwingenden Vorgaben aufstellt.

4. Sicherungsgeschäfte Das fünfte Kapitel des Übereinkommens (Art.  31–38 GWpÜ) enthält besondere Bestimmungen über Sicherungsgeschäfte (collateral transactions), von denen die mei­ sten an die Regelungen der Finanzsicherheitenrichtlinie angelehnt sind. Das Kapitel kommt zur Anwendung, wenn ein Sicherungsgeber (collateral provider) einem Sicherungsnehmer (collateral taker) zur Absicherung einer Verbindlichkeit des Sicherungsgebers oder einer anderen Person aufgrund einer Sicherungsvereinbarung (col­ lateral agreement) ein Recht an intermediärverwahrten Wertpapieren gewährt (Art.  31 Abs.  1 GWpÜ)282 . Wie sich aus Art.  31 Abs.  3(a) GWpÜ ergibt, kann eine Sicherungsvereinbarung auf eine Vollrechtsübertragung oder die Einräumung eines beschränkten (dinglichen) Rechts gerichtet sein. Bezüglich der ersten Alternative spricht das Übereinkommen von einem title transfer agreement, wobei dieser Begriff auch Wertpapierpensionsgeschäfte umfaßt, bezüglich der zweiten von einem security collateral agreement283. Art.  33 GWpÜ regelt die Verwertung einer Sicherheit im Wege des Verkaufs oder der Aneignung und entspricht insoweit Art.  4 der Finanzsicherheitenrichtlinie. Ferner betrifft er Vereinbarungen über das sog. Liquidationsnetting (close-out netting provisions), das er neben dem Verkauf und der Aneignung 281  Siehe dazu Garcimartín Alférez, Unif. L. Rev. 2010, 743, 744 ff. mit einer Beschreibung des vom spanischen Zentralverwahrer Iberclear betriebene Abwicklungssystems, das zum damaligen Zeitpunkt auf der Grundlage sog. referencias de registro operierte. 282  In Art.  31 Abs.  3 finden sich Definitionen all dieser Begriffe. 283  Siehe die Definitionen in Art.  31 Abs.  3(b) und (c).

§  16  Genfer Wertpapierübereinkommen

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als dritte Verwertungsform anerkennt. Art.  34 GWpÜ befaßt sich mit dem right of use und bestimmt in Anlehnung an Art.  5 FinanzsicherheitenRL, daß ein Sicherungsnehmer über das Sicherungsgut nur insoweit wie ein Eigentümer verfügen darf, als er dazu vom Sicherungsgeber in der Sicherungsvereinbarung ermächtigt worden ist284 . Durch Art.  36 GWpÜ werden Vereinbarungen anerkannt, die den Sicherungsgeber unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. Absinken des Börsenwerts der Wertpapiere, Herabstufung des Ratings des Sicherungsgebers) zur Aufstockung der Sicherheit verpflichten oder ihm das Recht geben, die als Sicherheit gestellten Depotbestände gegen gleichwertige Sicherheiten auszutauschen (top-up or substituti­ on of collateral). Auch bei dieser Regelung, die Art.  8 FinanzsicherheitenRL entspricht, geht es in erster Linie um den Schutz des Sicherungsnehmers vor „zero hour rules“ und ähnlichen Bestimmungen, deren Anwendung zur Folge hätte, daß einer innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder dessen Bekanntgabe vorgenommenen Sicherheitenaufstockung oder -substitution die Wirksamkeit versagt würde285. Den gleichen Schutzzweck verfolgt Art.  37 GWpÜ, der als Auffangregelung alle nicht unter Art.  36 GWpÜ fallenden Sicherungsgeschäfte erfaßt286. Es versteht sich, daß das Übereinkommen auch im Hinblick auf Sicherungsgeschäfte nicht mehr anstrebt als eine Mindestharmonisierung. Wie Art.  31 Abs.  2 GWpÜ ausdrücklich hervorhebt, bleibt es dem nationalen Recht unbenommen, einem Sicherungsnehmer zusätzliche Rechte einzuräumen oder einem Sicherungsgeber zusätzliche Pflichten aufzuerlegen. Hinzu kommt die Besonderheit, daß die Regelungen des fünften Kapitels gleich in mehrfacher Hinsicht optional sind 287: Gemäß Art.  38 Abs.  1 GWpÜ kann ein Vertragsstaat erklären, diese Regelungen im ganzen nicht übernehmen zu wollen. Art.  38 Abs.  2 GWpÜ eröffnet ihm alternativ die Möglichkeit, den Anwendungsbereich des Kapitels in bestimmter Hinsicht einzuschränken, z. B. Sicherungsrechte an solchen Wertpapieren aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen, die nicht an einer Börse oder einem anderen regulierten Markt gehandelt werden288. Einen gewissen Regelungsspielraum überläßt das Übereinkommen den Vertragsstaaten auch hinsichtlich der Anerkennung von top-up collateral agreements. Gemäß Art.  36 Abs.  2 GWpÜ kann ein Vertragsstaat auf die Übernahme 284 Siehe Johansson, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities. Legal Problems and Practical Issues, S.  151, 159 f. mit dem Hinweis, daß Art.  34 GWpÜ in mancherlei Hinsicht über Art.  5 FinanzsicherheitenRL hinausgeht. So können die Parteien gemäß Art.  34 Abs.  2 GWpÜ vereinbaren, daß der Sicherungsnehmer seiner Pflicht zur Rückerstattung der Sicherheiten auch mit Wertpapieren einer anderen Gattung erfüllen kann. 285  Zu den Motiven siehe Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  36-3. 286 Zu hier nicht weiter interessierenden Unterschieden in der Schutzintensität siehe Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  37-6. 287  Mooney/Kanda, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  69, 127 f. 288  Art.  38 Abs.  2(b). Zu den Motiven Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  38-10: „The aim of most provisions of Chapter V is to enhance the liquidity of the securities market. This aim can be reached where rules on tradable securities are harmonised, but some jurisdictions may have a valid policy reason for excluding non-tradable securities from Chapter V.“

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

von Art.  36 Abs.  1(a)(ii) GWpÜ verzichten, d. h. er kann den Schutz des Sicherungsgebers vor zero hour rules und vergleichbaren Bestimmungen für solche Sicherungsvereinbarungen ausschließen, nach denen die Pflicht des Sicherungsgebers zur Aufstockung der Sicherheit nicht von der Veränderung des Marktwerts der Sicherheit, sondern von anderen, die Kreditwürdigkeit des Sicherungsgebers betreffenden Umständen wie z. B. der Herabstufung des Ratings abhängt. Alles in allem dürften die optionalen Regelungen des fünften Kapitels über Sicherungsgeschäfte vor allem für diejenigen Staaten von Bedeutung sein, die sich ein ausgebildetes Depotrecht erst noch schaffen müssen. Für die EU-Mitgliedstaaten spielt dieses Kapitel keine große Rolle, da die Finanzsicherheitenrichtlinie schon zu einer Mindestharmonisierung des Rechts der Sicherungsgeschäfte geführt hat. Jedenfalls bleibt festzuhalten, daß die Regelungen des fünften Kapitels von vornherein nicht als Beleg für die Behauptung taugen, dem deutschen Depotrecht stehe eine Revolution bevor.

IV. Gesamtbewertung Wie kaum anders zu erwarten war, gehen die Meinungen über das Genfer Wertpapierübereinkommen auseinander. Während die einen dieses Regelwerk im großen und ganzen positiv mit den Worten bewerten, es liefere „einen in sich weitgehend stimmigen und durchdachten funktionalen Ansatz zur Überwindung der bestehenden Divergenzen zwischen einzelnen Rechtsordnungen“289, kritisieren andere, der Text lasse so große Interpretationsspielräume und verweise in so großem Umfang auf das nationale Recht, daß er das gesteckte Ziel, die Rechtssicherheit im internationalen Verkehr zu erhöhen, verfehle290. Um zu einer ausgewogenen Bewertung zu gelangen, sollte man zunächst berücksichtigen, daß es zum funktionalen Ansatz des Übereinkommens keine Alternative gab291. Schon in einem frühen Stadium des Projekts war allen Beteiligten klar geworden, daß der Versuch, die zum Teil tiefgreifenden Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen im Hinblick auf intermediärverwahrte Wertpapiere durch Schaffung eines „globalen Depotgesetzes“ mehr oder weniger vollständig einzuebnen, zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Die meisten Staaten wären nicht bereit gewesen, die konzeptionellen Grundlagen ihres Depotrechts aufzugeben. Das gilt sowohl für diejenigen Staaten, in denen die Verwahrung, Übertragung und Verpfändung von Wertpapieren noch auf traditionellen 289 Scherer/Löber,

DepotG, Anhang 14 unter IV (S.  653 f.). Micheler, in: Keijser (Hrsg.), Transnational Securities Law, passim, insbesondere bei Rn.  5.37, 5.43, 5. 74 ff. und 5.88 ff.; Pöch, in: Gedächtnisschrift für Gruson, S.  303, 319 (zum Entwurf vom Mai 2007); in gleichem Sinne Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  286 ff.; Wust, Verbuchung, S.  4 40 f.; siehe auch Gullifer, in: Gullifer/Payne (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  1, 9 m. Fn.  48. 291  Thévenoz, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  3, 18; Kronke, in: Festschrift für Magnus, S.  231, 234. 290 

§  16  Genfer Wertpapierübereinkommen

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Instituten wie dem Eigentum oder der Treuhand beruht, als auch für diejenigen Staaten, welche die Rechtsposition des Anlegers spezialgesetzlich als Eigentum sui generis ausgestaltet haben. Die einzige Chance, in absehbarer Zeit eine zumindest teilweise Harmonisierung des Rechts der intermediärverwahrten Wertpapiere zu erreichen, bestand daher darin, unter Beschränkung auf die wesentlichen Fragen in einer neutralen, beschreibenden Sprache bestimmte Regelungsergebnisse vorzugeben und Begriffe wie property, ownership und possession, die in den einzelnen Rechtsordnungen eine unterschiedliche Bedeutung haben können, bewußt zu vermeiden. In Anbetracht dessen durften an das Übereinkommen von Anbeginn an keine übertriebenen Erwartungen gerichtet werden. Auf der anderen Seite sollte man auch nicht beschönigen, daß das Übereinkommen nur als Teilerfolg bei den Bemühungen um eine internationale Rechtsharmonisierung gewertet werden kann292 . Solange die einzelnen Staaten selbst darüber bestimmen können, ob eine Depotgutschrift dem Anleger das Eigentum an den zen­ tralverwahrten Wertpapieren oder nur Ansprüche gegenüber dem kontoführenden Intermediär vermittelt, ob der Rechtserwerb als derivativer oder originärer ausgestaltet ist und ob eine Verfügung über Depotwerte von zusätzlichen Erfordernissen wie z. B. einer dinglichen Einigung zwischen den Parteien abhängt, wird es bei einem gewissen Maß an Rechtsunsicherheit im internationalen Verkehr bleiben. Das gilt umso mehr, als das Übereinkommen (unnötigerweise?) viele offene und vage Formulierungen enthält, die trotz der klarstellenden Erläuterungen im Offiziellen Kommentar den Anpassungsbedarf für das nationale Recht nicht immer eindeutig erkennen lassen. Eine einheitliche Interpretation und Umsetzung der Konventionsbestimmungen durch die einzelnen Staaten ist unter diesen Umständen nicht gesichert293. Von einem Scheitern des UNIDROIT-Projekts kann man jedoch – anders als beim Haager Wertpapierübereinkommen – keinesfalls sprechen. Auch wenn das Ziel, die internationale Kompatibilität der nationalen Verwahrsysteme herzustellen, nicht vollständig erreicht wurde, würde die globale Implementierung der Konvention immerhin sicherstellen, daß die Rechte der Kontoinhaber weltweit den gleichen Mindeststandards genügen. Ein Kontoinhaber könnte sich darauf verlassen, in den Genuß der verbrieften Rechte zu gelangen, über die Werte verfügen zu können und in der Insolvenz seines Intermediärs geschützt zu sein294 . Auch sollte man die Tatsache nicht geringschätzen, daß die Arbeiten an der Konvention wertvolle Erkenntnisse über die Verwahrsysteme dieser Welt hervorgebracht und die Diskussion über die rechtlichen Anforderungen an diese Systeme in erheblichem Maße befruchtet und 292  So auch Einsele, ZHR 177 (2013), 50, 68 f. und 89. Siehe auch Micheler, in: Keijser (Hrsg.), Transnational Securities Law, Rn.  5.40: „[T]he rules contained in the Convention are the result of a decision-making process between national delegations, all reluctant to change their own laws. In addition, the national delegations may have had the business interests of their respective national industries in mind.“ 293  Wust, Verbuchung, S.  4 41; Micheler, in: Keijser (Hrsg.), Transnational Securities Law, Rn.  5.67. 294  Das wird auch anerkannt von Wust, Verbuchung, S.  4 42.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

intensiviert haben. In manchen Staaten haben sie überhaupt erst ein Bewußtsein für die schwierigen Regelungsprobleme in diesem Bereich geweckt295. Aus Sicht des deutschen Rechts ist jedenfalls festzuhalten, daß die Behauptung, das Genfer Wertpapierübereinkommen zwinge „zum gänzlichen Abschied von allem sachenrechtlichen Denken“, auf erhebliche Zweifel stößt. Dank der nach dem funktionalen Ansatz konzipierten Artikel 9, 11, 16 und 18 GWpÜ kann das bei der Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland zur Anwendung kommende Miteigentumsmodell einschließlich der Anwendung der §§  929 ff. BGB beibehalten werden. Insbesondere enthält Art.  11 GWpÜ kein „Separationsprinzip“ des Inhalts, daß die beiden Vorgänge „Rechtsverlust“ und „Rechtserwerb“ aufgrund der konstitutiven Wirkung der Lastschrift einerseits und der Gutschrift andererseits stets unverbunden nebeneinander stehen müssen. Gewisse Zweifel an der Kompatibilität des deutschen Miteigentumsmodells mit dem Übereinkommen bestehen allerdings im Hinblick auf die Gutglaubensregel des Art.  18 Abs.  1 GWpÜ. Denn diese Bestimmung stellt ausschließlich auf die Redlichkeit des Erwerbers ab, während es bei der Übertragung von Girosammelanteilen nach deutschem Recht gemäß §  166 Abs.  1 BGB auf die Gutgläubigkeit der Wertpapiersammelbank, des zentralen Kontrahenten bzw. der auf der Erwerberseite stehenden Depotbank ankommt. Halten läßt sich diese Konstruktion aber möglicherweise mit der Erwägung, daß das Übereinkommen, seinem funktionalen Ansatz gemäß, die konzeptionellen Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung unberührt läßt und lediglich bestimmte Ziele vorgibt, deren Erreichung das nationale Recht mit eigenen Mitteln sicherzustellen hat. Unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes dürfte eine Konstruktion, in der es im Rahmen des redlichen Erwerbs ausschließlich auf das Wissen bzw. Wissenmüssen eines der zwischengeschalteten Intermediäre ankommt, der in Art.   18 GWpÜ gewählten Lösung gleichwertig sein.

295 

In gleichem Sinne Wust, Verbuchung, S.  439.

§  17  Rechtsharmonisierung in der EU Zum Abschluß dieses vierten Teils ist noch auf den Stand der Rechtsharmonisierung in der EU und dabei vor allem auf den vorläufigen Entwurf einer Wertpapierrechtsrichtlinie von 2010 einzugehen, von der nicht wenige erwartet haben, sie werde eine Abkehr von der sachenrechtlichen Konstruktion des Effektengiroverkehrs erforderlich machen.

I.  Projekt Rechtssicherheit 1.  Anlaß und Hintergrund Das EU-Projekt Rechtssicherheit geht auf eine Anregung der sog. Giovannini-Gruppe zurück, auf deren Arbeit bereits im zweiten Teil der Untersuchung ausführlich eingegangen wurde296. In ihrem ersten Bericht vom November 2001 hatte die Gruppe 15 Hindernisse benannt, die innerhalb der Gemeinschaft einer effizienten und sicheren grenzüberschreitenden Abwicklung von Wertpapiergeschäften entgegenstehen. Darunter befanden sich auch drei rechtliche Hindernisse, nämlich das Fehlen eines einheitlichen europäischen Rahmens für Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren (Barriere 13), Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der rechtlichen Behandlung des bilateralen Nettings (Barriere 14) sowie das Fehlen einer einheitlichen Kollisionsregel für die Übertragung intermediärverwahrter Wertpapiere oder die Bestellung von Sicherungsrechten daran (Barriere 15). Was die als besonders störend empfundene Barriere 13 betrifft, hatte sich die Giovanni­ ni-Gruppe in ihrem zweiten Bericht vom April 2003 für ein „EU Securities Account Certainty project“ ausgesprochen, dessen Ziel darin bestehen sollte, innerhalb von drei Jahren einen Vorschlag zu erarbeiten, wie ein einheitlicher Rechtsrahmen für intermediärverwahrte Wertpapiere aussehen und in welcher Form er in den einzelnen Mitgliedstaaten Verbindlichkeit erlangen könnte. Im Zentrum dieses Projekts müsse die Depotgutgutschrift stehen, die in allen Mitgliedstaaten die gleiche (kon­ stitutive) Wirkung haben und dem Anleger die gleiche Art von „Eigentum“ an den zugrundeliegenden Wertpapieren vermitteln müsse unabhängig davon, ob ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt oder nicht. Als weitere regelungsbedürf296 

Siehe oben §  4 VI 2.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

tige Punkte hatte die Gruppe den Schutz des Anlegers in der Insolvenz des Intermediärs, den Schutz des gutgläubigen Erwerbers, die Rangfolge konkurrierender Rechte an Depotwerten und den Schutz des Anlegers vor Unterbeständen angeführt297. War die Diskussion über die Vereinheitlichung des Depotrechts zuvor nicht über eher allgemeine Aussagen hinausgekommen, so waren damit erstmals Konturen eines gemeinschaftsweiten Depotrechts sichtbar geworden. Die Kommission knüpfte in ihrer Mitteilung „Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen“ vom 28. April 2004298, in der sie ihre politischen Ziele auf dem Gebiet des Clearing und Settlement erläuterte und einen Aktionsplan zur Schaffung eines integrierten, effizienten und sicheren Abwicklungsumfelds präsentierte, an die Empfehlungen der Giovannini-Gruppe an und stellte unter anderem die Einsetzung einer Expertengruppe in Aussicht, die sich mit den rechtlichen Abwicklungshindernissen befassen und ggf. Vorschläge zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften unterbreiten sollte.

2.  Legal Certainty Group (LCG) a) Mandat Anfang 2005 richtete die Kommission die Arbeitsgruppe Rechtssicherheit (Legal Certainty Group – LCG) ein, die sich aus etwa 30 Sachverständigen aus dem privaten und öffentlichen Sektor sowie der Wissenschaft zusammensetzte und am 31. Januar 2005 ihre erste Sitzung abhielt. Ihre Aufgabe bestand darin, die in der Kommissionsmitteilung vom 28. April 2004 aufgeführten Rechtshindernisse genauer zu analysieren und geeignete Maßnahmen zu deren Beseitigung vorzuschlagen. Das Mandat der Gruppe erstreckte sich auf Giovannini-Barriere 13 (Fehlen eines einheitlichen europäischen Rahmens für Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren), darüber hinaus auf die rechtlichen Aspekte von Barriere 3 (Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften betreffend sog. corporate actions) sowie auf Barriere 9 (eingeschränkte Möglichkeiten eines Emittenten, seine Wertpapiere bei einem Verwahrer seiner Wahl zu hinterlegen). Die Giovannini-Barrieren 14 und 15 waren vom Mandat der Gruppe nicht umfaßt. Auf die Einbeziehung von Barriere 14 hatte die Kommission verzichtet, weil vor Erscheinen des zweiten Giovannini-Berichts die Finanzsicherheitenrichtlinie 2002/47/ EG verabschiedet und mit ihr das Problem der Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Behandlung des bilateralen Nettings gelöst worden war299. Und der Ausschluß von Barriere 15 dürfte sich daraus erklären, daß im Zeitpunkt der Einsetzung der Giovannini-Gruppe noch der Kommissionsvorschlag vom 15. Dezember 2003 für 297  The Giovannini Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, April 2003, S.  13 ff. 298  KOM(2004) 312 endg. 299 Vgl. Legal Certainty Group, Second Advice, S.  20.

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einen Ratsbeschluß zur Unterzeichnung des Haager Wertpapierübereinkommens im Raum stand. Angesichts der kontroversen Diskussion über diesen Vorschlag, im Zuge derer namentlich die Europäische Zentralbank und der Europäische Bankenverband Bedenken gegen eine Unterzeichnung geltend machten, erschien es der Kommission offenbar nicht sinnvoll, die Entscheidung der Frage, welchem kollisionsrechtlichen Grundansatz – PRIMA oder (eingeschränkte) Rechtswahlfreiheit – die Europäische Union zukünftig folgen sollte, auf ein vergleichsweise kleines Gremium von Sachverständigen zurückzuverlagern300. Erst als die Kommission im März 2009 ihren Vorschlag für einen Ratsbeschluß zur Unterzeichnung des Übereinkommens zurückzog und damit dessen vorläufiges Scheitern besiegelte, änderte sich die Lage, und so kann es nicht überraschen, daß das Kollisionsrecht doch noch in das Projekt Rechtssicherheit einbezogen worden ist301. b) Empfehlungen aa)  Erste Empfehlung 2006 Nachdem sich die Legal Certainty Group im Rahmen einer umfassenden Untersuchung Klarheit über die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen für die mediatisierte Wertpapierverwahrung verschafft hatte302 , legte sie am 28. August 2006 ihren ersten Bericht vor303. Darin empfahl sie der Kommission, ein einheitliches Rechtsregime für intermediärverwahrte Wertpapiere zu schaffen, sich dabei aber im Sinne des von UNIDROIT verfolgten funktionalen Ansatzes auf eine Mindestharmonisierung zu beschränken und keine fundamentalen Eingriffe in die nationalen Rechtsordnungen vorzunehmen. Insbesondere hielt die Gruppe es nicht für angezeigt, eine neue, gemeinschaftsweite Form der Berechtigung an Wertpapieren einzuführen304 . Ob das einheitliche Rechtsregime die Form einer Richtlinie, einer Verordnung oder eines internationalen Übereinkommens haben oder Maßnahmen auf nationaler Ebene der Vorzug gegeben werden sollte, ließ die Gruppe offen. Sie hielt es sogar für denkbar, auf die Schaffung eines separaten gemeinschaftsweiten Instruments zu verzichten, falls die von ihr aufgestellten Anforderungen an ein einheitliches Rechtsregime für die medi300 Vgl. Legal Certainty Group, Second Advice, S.  21: „In the light of these developments, the EU Commission will have to consider by which means global and European harmonisation could be sensibly balanced.“ 301  Siehe dazu unten III 3 d). 302  Um den einzelnen rechtlichen Hindernissen auf den Grund zu gehen, hatte die Gruppe an die Mitgliedstaaten einen Katalog von 57 Fragen zu sämtlichen rechtlichen Aspekten der Wertpapierverwahrung und -abwicklung versandt. Die auf diese Frage eingegangen Antworten hatte sie in einem 667seitigen Dokument zusammengefaßt, dessen Wert allerdings nicht unerheblich durch die sehr unterschiedliche Länge und Qualität der Antworten beeinträchtigt wird. Siehe Legal Certainty Group, Questionnaire, Horizontal answers (Comparative Survey), 26. Juli 2006. 303  Legal Certainty Group, Advice, 28. August 2006. Siehe auch den dazugehörigen Anhang zu „Practical examples of legal barriers“. 304  Legal Certainty Group, Advice, S.  3 ff.

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atisierte Wertpapierverwahrung bereits vom Genfer Wertpapierübereinkommen erfüllt werden sollten305. bb)  Zweite Empfehlung 2008 Im August 2008 legte die Legal Certainty Group ihren zweiten Bericht vor, der 105 Seiten umfaßt und insgesamt 15 ausführlich begründete Empfehlungen zum Abbau der Giovannini-Barrieren enthält306. Die Empfehlungen 1–11 beziehen sich auf Gio­ vannini-Barriere 13, die Empfehlungen 12–14 auf Barriere 3 und Empfehlung 15 auf Barriere 9. Was Giovannini-Barriere 13 betrifft, wiederholte die Gruppe ihre Empfehlung, das Recht der intermediärverwahrten Wertpapiere zu vereinheitlichen, um auf diese Weise die von der Finalitätsrichtlinie, der Finanzsicherheitenrichtlinie und der MiFID hinterlassenen Lücken im europäischen Recht zu schließen und die sonstigen Initiativen auf diesem Gebiet zu vervollständigen (Rec. 1). Eine künftige gemeinschaftsweite Regelung sollte anerkennen, daß die heutigen Verwahrsysteme auf der Grundlage von Bucheinträgen operieren und es entscheidend auf die Beziehung zwischen Kontoinhaber und kontoführendem Intermediär ankommt. Die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlichen Praktiken der Verwahrung und Verbuchung von Wertpapieren sollte sie jedoch unberührt lassen und sich auch hinsichtlich der Frage neutral verhalten, ob zwischen dem Anleger und dem Emittenten eine unmittelbare rechtliche Beziehung besteht oder nicht (Rec. 2). Im Sinne eines funktionalen Ansatzes sollte sich das europäische Recht außerdem darauf beschränken, für die Rechtsposition des Kontoinhabers einen bestimmten Mindestinhalt festzulegen, die genaue konzeptionelle Ausgestaltung dieser Rechtsposition aber weiterhin dem nationalen Recht überlassen. Als Sammelbezeichnung für die solchermaßen (mindest-) harmonisierte Rechtsposition des Kontoinhabers schlug die Gruppe den Begriff „book-entry securities“ vor (Rec. 4). Des weiteren sprach sich die Legal Certainty Group dafür aus, für Verfügungen über „book-entry securities“ verschiedene Methoden vorzusehen, die vor allen anderen nach nationalem Recht zugelassenen Methoden den Vorrang haben sollten, und zwar (1) die Lastschrift bzw. Gutschrift auf einem Wertpapierkonto, (2) das sog. ear­ marking, (3) den Abschluß einer Kontrollvereinbarung zugunsten eines Dritten sowie (4) den Abschluß einer Vereinbarung mit dem kontoführenden Verwahrer (Rec.  5). Dem nationalen Recht sollte es untersagt werden, die Wirksamkeit einer Verfügung nach einer dieser Methoden von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen, aber die Möglichkeit eingeräumt werden, die Wirksamkeit einer Verfügung an eine zwischen Kontoinhaber und Kontoführer vereinbarte Bedingung zu knüpfen (Rec. 6). Der Bericht nimmt insoweit ausdrücklich auf die in manchen Mitgliedstaaten geläufige Praxis der vorgezogenen Depotgutschrift Bezug, die ihm freilich nicht 305 

Legal Certainty Group, Advice, S.  10. Second Advice of the Legal Certainty Group, Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading within the EU, August 2008. 306 

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ganz geheuer zu scheint, da sie dem Bestreben, mit der Depotgutschrift einen leicht feststellbaren Akt zum Dreh- und Angelpunkt des Rechtserwerbs zu machen, genau genommen zuwiderläuft. Jedenfalls gibt er zu erwägen, ob die Vorläufigkeit der Gutschrift nicht durch eine entsprechende Kennzeichnung auf dem Depotkonto transparent gemacht werden sollte307. In Empfehlung 7 sprach sich die Gruppe für eine Regelung aus, derzufolge ein Kontoinhaber, dessen Konto Wertpapiere gutgeschrieben werden, gegen eine Rückgängigmachung der Gutschrift geschützt ist, falls er weder wußte noch wissen mußte, daß die Gutschrift nicht hätte vorgenommen werden dürfen. Eine entsprechende Regelung schlug sie für den Rechtserwerb mittels ear­ marking vor. Der Sache nach geht es in dieser Empfehlung also um den Schutz des gutgläubigen Erwerbers, wobei ihr allerdings die Überzeugung zugrundeliegt, daß die traditionellen mobiliarsachenrechlichen Vorstellungen über den gutgläubigen Erwerb in der mediatisierten Wertpapierverwahrung keinen Platz haben308. Weitere Empfehlungen der Legal Certainty Group betreffen die Kardinalpflichten und die Haftung von Kontoführern (Rec. 3), die Rangfolge konkurrierender Rechte an Depotguthaben (Rec. 8), die Integrität einer Emission (Rec. 9), Weisungen des Kontoinhabers an den kontoführenden Intermediär (Rec. 10) und das Verbot des upper-tier attachment (Rec. 11). Es ist unschwer zu erkennen, daß die Empfehlungen der Legal Certainty Group eng an das Genfer Wertpapierübereinkommen, von dem bei Erscheinen des zweiten Berichts im August 2008 bereits ein ausgereifter Entwurf vorlag, angelehnt sind. Eine unübersehbare Parallele besteht insbesondere zwischen Recommendation 4 und Art.  9 GWpÜ, der als Musterbeispiel für den funktionalen Ansatz des Übereinkommens gilt, indem er sich darauf beschränkt, der Rechtsposition des Kontoinhabers einen bestimmten Mindestinhalt beizulegen, und wie Recommendation 4 in neutraler Sprache umschreibt, welche Rechte eine Depotgutschrift auf jeden Fall zu vermitteln hat. Starke Ähnlichkeiten bestehen auch zwischen Recommendation 5 und den Artikeln 11 und 12 GWpÜ, zwischen Recommendation 6 und Art.  14 GWpÜ sowie zwischen Recommendation 11 und Art.  22 GWpÜ, um nur einige weitere Beispiele zu nennen309. In der Tat stand für die Legal Certainty Group von Anfang an außer Frage, daß ein etwaiger europäischer Rechtsrahmen für die mediatisierte Wertpapierverwahrung mit den Regelungen des Genfer Übereinkommens kompatibel sein muß, und zwar schon deshalb, weil dieses Übereinkommen, das zu fast 100% die als Giovannini-Barriere 13 bezeichneten Probleme abdeckt310, im Fall seiner Ratifikation durch die EU und die Mitgliedstaaten als völkerrechtlicher Vertrag Vorrang vor europäischem Recht hätte. Auf die Vermeidung von Widersprüchen wurde auch des307 

Legal Certainty Group, Second Advice, S.  51. Legal Certainty Group, Second Advice, S.  59. 309  Siehe zu den Parallelen auch Hennrich, Aktienverpfändung, S.  256 f. sowie die Legal Certain­ ty Group, Second Advice, S.  27: „so far the work on the present Advice and the text of the Unidroit draft Convention are largely compatible“. 310  Legal Certainty Group, Second Advice, S.  27. 308 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

halb geachtet, weil die EU-Mitgliedstaaten aufgrund der engen Verflechtungen des EU-Wirtschaftsraums insbesondere mit den Kapitalmärkten der USA, der Schweiz, Japans und aufstrebender Länder wie China, Indien und Brasilien kein Interesse daran haben können, die globalen Bemühungen zur Harmonisierung des Depotrechts durch einen europäischen Alleingang zu konterkarieren311. Die EU-Kommission war denn auch eng in die Verhandlungen bei UNIDROIT eingebunden; im übrigen waren nicht wenige Mitglieder der Legal Certainty Group maßgeblich an der Entstehung des Genfer Wertpapierübereinkommens beteiligt, sei es als Delegierte ihres Heimatstaates oder in sonstiger Funktion

II.  Vorläufiger Entwurf einer Wertpapierrechtsrichtlinie 1. Entstehungsgeschichte Nachdem der Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) am 2. Dezember 2008 die Arbeiten der Legal Certainty Group begrüßt und die Notwendigkeit einer Harmonisierung des Rechts der intermediärverwahrten Wertpapiere unterstrichen hatte, begann die Kommission, auf der Grundlage der Empfehlungen der Legal Certainty Group einen Gesetzgebungsvorschlag zu erarbeiten312 . Dazu führte sie zwischen ­April und Juni 2009 ein erstes Konsultationsverfahren durch, in dem freilich allgemein von „Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions“ die Rede war und die Form eines künftigen europäischen Rechtsakts noch offen gelassen wurde313. In einem Diskussionspapier vom Februar 2010 gab die Kommission dann erstmals zu erkennen, daß sie eine Richtlinie favorisieren würde, und führte die Kurzbezeichnung „Securities Law Directive“ (SLD) in die Diskussion ein314 . In den folgenden Monaten nahm die Ausarbeitung einer solchen Richtlinie schrittweise konkrete Formen an. Ein internes Arbeitspapier der Kommission vom 17. September 2010 enthielt einen vollständig ausformulierten und mit Erläuterungen versehenen vorläufigen Entwurf, der ein recht klares Bild von den Vorstellungen der Kommis­ sion vermittelte und es erlaubte, die potentiellen Auswirkungen einer Wertpapierrechtsrichtlinie auf das nationale Recht genauer abzuschätzen315. Zwischen Novem311 

Legal Certainty Group, Second Advice, S.  27 f. Kritisch zum gesamten Verfahren und insbesondere zum (aus ihrer Sicht) übermäßigen Einfluß von Repräsentanten des Banken- und Abwicklungssektors Ullner, EuR 2014, 346 ff. 313 Das Konsultationsdokument und eine Zusammenfassung der eingegangenen Antworten sind abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/publications/consultations-harmonisation-securities-law-2009-2011_en. 314  European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Member States Working Group, Discussion Paper of 1 February 2010, Markt.G.2/(2010)57731. 315  European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Member States Working Group, Updated Compilation of the rules and explanatory notes discussed so far prepared by the Services of the Directorate-General Internal Market and Services of 312 

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ber 2010 und Januar 2011 führte die Kommission ein zweites Konsultationsverfahren durch316. Die in dem Konsultationsdokument gestellten Fragen beziehen sich auf 22  Prinzipien, bei denen es sich zum großen Teil um wörtliche Übernahmen der Artikel des vorläufigen Entwurfs vom 17. September 2010 handelt317.

2.  Der Entwurf im Überblick Daß der vorläufige Entwurf einer „Securities Law Directive“318 in einen formellen Vorschlag der Kommission münden wird, muß aus noch darzulegenden Gründen319 inzwischen als unwahrscheinlich gelten. Aus diesem Grund erscheint eine ausführliche Darstellung und Analyse des Entwurfs in dieser Untersuchung entbehrlich. Es genügt ein kurzer Blick auf seinen konzeptionellen Ansatz und seine Grundbau­ steine320. a)  Funktionaler Ansatz Wie von der Legal Certainty Group empfohlen, folgt der Entwurf einem funktionalen Ansatz321. Von tiefen, die konzeptionellen Grundlagen der mediatisierten Wertpapierverwahrung berührenden Eingriffen in das mitgliedstaatliche Recht sieht er ab. Er gibt bestimmte Ergebnisse vor, überläßt aber den Mitgliedstaaten die Entscheidung, auf welchem konzeptionellen Unterbau und mit welchen Mitteln die Erreichung dieser Ergebnisse sichergestellt werden soll. Nicht anders als beim Genfer Wertpapierübereinkommen äußert sich der funktionale Ansatz in der Verwendung neutraler Begriffe, die keiner bestimmten Rechtsordnung oder -tradition entlehnt sind. Begriffe wie ownership oder property werden vermieden, der Entwurf spricht auch nicht vom gutgläubigen Erwerb (good faith acquisition), sondern in Art.  9 vom Schutz des Erwerbers gegen eine Rückgängigmachung der Gutschrift bzw. des Sperrvermerks (Protection of acquirers against reversal). In der Gesamtschau mutet die Terminologie des Entwurfs sogar noch eine Spur neutraler an als die des Genfer 17 September 2010, G2/PhP D(2010); siehe zuvor schon European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Member States Working Group, Compilation of the rules discussed so far prepared by the Services of the Directorate-General Internal Market and Services of 22 June 2010, G2/PhP D(2010). 316  European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Consultation Document of the Directorate-General Internal Market and Services of 5 November 2010, DG Markt G2 MET/OT/acg D(2010) 768690. Das Konsultationsdokument und eine Zusammenfassung der eingegangenen Antworten sind abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/ publications/consultations-harmonisation-securities-law-2009-2011_en. 317  Für eine eingehende Analyse der Prinzipien aus britischer Sicht Motani, in: Conac/Segna/ Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  65 ff. 318  Im folgenden der Einfachheit halber als „Entwurf“ bezeichnet. 319  Dazu unter 3. 320  Für eine umfassende Darstellung und Analyse siehe Ullner, Die Gutschrift auf dem Fi­nanz­ instrumentenkonto – nach dem Entwurf der Securities Law Directive, 2017. 321  Dazu auch Ullner, Gutschrift, S.  41 ff.

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

Übereinkommens. So spricht der Entwurf anstelle von „intermediated securities“ oder „book-entry securities“ von „account-held securities“, um dem Mißverständnis vorzubeugen, die Mitgliedstaaten sollten zur Schaffung einer neuartigen Rechtsposition namens „Bucheffekten“ verpflichtet werden322 . b) Grundbausteine aa)  Rechte des Kontoinhabers Was der funktionale Ansatz inhaltlich-konzeptionell bedeutet, läßt sich gut an Art.  4 des Entwurfs verdeutlichen. Er umschreibt, welche Rechte eine Gutschrift dem Kontoinhaber mindestens vermitteln muß, und entspricht weitgehend Art.  9 GWpÜ. Zu diesen Rechten gehören nach Art.  4 Abs.  1 (a) das Recht, alle Rechte aus den Wertpapieren auszuüben, sofern es sich bei dem Kontoinhaber um den „ultimate account holder“ handelt oder das anwendbare Recht ihm die Rechte aus den Wertpapieren zuweist, (b) das Recht, über die Wertpapiere nach Art.  5 zu verfügen, und (c) das Recht, den kontoführenden Verwahrer anzuweisen, das Halten der Wertpapiere durch einen anderen Verwahrer oder außerhalb des Verwahrsystems zu veranlassen, soweit dies nach dem anwendbaren Recht, dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis, der Kontovereinbarung und den Regeln des Abwicklungssystems zulässig ist. In Art.  4 Abs.  4 ist klargestellt, daß das anwendbare Recht die Rechtsposition des Kontoinhabers als irgendeine Form von rechtlichem oder wirtschaftlichem Eigentum oder als sonstiges Recht charakterisieren kann, sofern diese Charakterisierung den Bestimmungen der Richtlinie nicht zuwiderläuft. Damit steht wie bei Art.  9 GWpÜ fest, daß das anwendbare Recht das Bündel an Rechten, das der Kontoinhaber auf jeden Fall mit der Gutschrift erhalten muß, um weitere Komponenten auffüllen darf und keineswegs gezwungen werden soll, von hergebrachten sachenrechtlichen Vorstellungen wie dem Miteigentum und mittelbaren Mitbesitz an sammelverwahrten Wertpapieren Abschied zu nehmen323. Vergleiche mit der Figur des security entitle­ ment des Art.  8 UCC führen daher schon im Ansatz in die Irre324 .

322  European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Member States Working Group, Updated Compilation of the rules and explanatory notes ­discussed so far prepared by the Services of the Directorate-General Internal Market and Services of 17 September 2010, G2/PhP D(2010), Anm.  24 zu Art.  4; siehe auch das Konsultationsdokument vom 5. November 2010, Background comment zu Principle 3 (S.  7). 323  So eindeutig European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Member States Working Group, Updated Compilation of the rules and explanatory notes discussed so far prepared by the Services of the Directorate-General Internal Market and Services of 17 September 2010, G2/PhP D(2010), Anm.  30 zu Art.  4; siehe ferner das Konsultationsdokument vom 5. November 2010, Background comment zu Principle 3 (S.  8); wie hier Born, Kollisionsrecht, S.  371; Ullner, Gutschrift, S.  87 ff. 324  Fragwürdig daher Mülbert, ZBB 2010, 445, 458.

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bb)  Erwerb von und Verfügungen über kontenverbuchte Wertpapiere In Anlehnung an die Artikel 11 und 12 GWpÜ sieht Art.  5 des Entwurfs325 verschiedene Methoden für den Erwerb von und Verfügungen über kontenverbuchte Wertpapiere (account-held securities) und beschränkten (dinglichen) Rechten daran vor: Kontogutschrift und -lastschrift als für die Mitgliedstaaten obligatorische Methoden (Art.  5 Abs.  1), earmarking, Abschluß einer Kontrollvereinbarung zugunsten eines Dritten und Abschluß einer Vereinbarung mit dem Kontoführer als fakultative Methoden (Art.  5 Abs.  5)326. Die vorgezogene Depotgutschrift bleibt, wie sich aus Art.  5 Abs.  3 ergibt, grundsätzlich zulässig327, doch muß ihre Bedingtheit aus Gründen der Rechtsklarheit auf dem Konto kenntlich gemacht werden. In Art.  6328 geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtserwerb bzw. eine Verfügung rechtliche Wirksamkeit erlangt. Art.  6 Abs.  1 stellt in Befolgung des funktionalen Ansatzes klar, daß die Charakterisierung der Rechtsnatur einer Verfügung über kontenverbuchte Wertpapiere nach einer der in Art.  5 aufgeführten Methoden Sache der Mitgliedstaaten bleibt. Genauso, wie die Mitgliedstaaten auch weiterhin bestimmen können sollen, welche Rechtsstellung eine Depotgutschrift vermittelt, sollen sie autonom festlegen können, ob der Erwerb kontenverbuchter Wertpapiere durch Gutschrift als Eigentumsübertragung, Abtretung oder etwas anderes einzuordnen ist und für welche Arten von Verfügungen (Vollrechtsübertragungen, Verpfändungen) die verschiedenen Methoden des Art.  5 verwendet werden können329. Mit Blick auf das deutsche Miteigentumsmodell wurde durch die Artikel 5 und 6 des Entwurfs die Frage aufgeworfen, ob das nationale Recht (weiterhin) einen derivativen Rechtserwerb vom bisherigen Rechtsinhaber vorsehen kann. Mülbert und Voß verneinen das330. Nicht anders als aus Art.  11 GWpÜ lesen aus diesen Bestimmungen ein „Separationsprinzip“ heraus, demzufolge Lastschriften und Gutschriften, denen jeweils konstitutive Wirkung für den Rechtsverlust bzw. -erwerb zukomme, als zwei rechtlich voneinander getrennte Vorgänge zu begreifen sind. Diese Vorgänge könnten nicht dergestalt zu einem einheitlichen Übertragungstatbestand verbunden werden, daß der Erwerber mit Abschluß des Buchungsvorgangs genau jene Rechtsposition erlangt, die der bisherige Inhaber innehatte. Ein Rechtsübergang im Sinne eines derivativen Erwerbs sei damit konstruktiv ausgeschlossen, und zwar sowohl in Form eines direkten Übergangs vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger als 325  Siehe

2010.

326 

auch das fast wortgleiche Principle 4 des Konsultationsdokuments vom 5. November

Insoweit folgt der Entwurf der Empfehlung der Legal Certainty Group, Second Advice, S.  46. So der Sache nach auch Ullner, Gutschrift, S.  200 und 207. 328  Nahezu wortgleich Principle 5 des Konsultationsdokuments vom 5. November 2010. 329 Vgl. Legal Certainty Group, Second Advice, S.  45. 330  Mülbert, in: Festschrift für Koziol, S.  1055, 1071 f.; ders., ZBB 2010, 445, 455 f.; Voß, EWS 2010, 209, 210; dem folgend Beckmann, Reformbedarf, S.  354; Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S. 302 ff. (für Principle 4 des Konsultationsdokuments vom 5. November 2010); a. A. Scherer/Sche­ rer, DepotG, Anhang 15 unter II 2 (S.  658 f.); unentschieden Born, Kollisionsrecht, S.  372 f. 327 

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

auch in Form eines mittelbaren Übergangs unter Inkaufnahme eines Zwischenerwerbs der eingeschalteten Intermediäre. Diese Annahme ist allerdings keineswegs zwingend331. Der Verweis auf die Parallelregelung des Art.  11 GWpÜ, die sogar noch konsequenter als Art.  5 Abs.  1 des Entwurfs zwischen Lastschriften und Gutschriften differenziert, ist jedenfalls kein schlagkräftiges Argument für ein „Separationsprinzip“, weil diese Regelung ein solches Prinzip gerade nicht kennt332 . Und genauso wie bei Art.  11 GWpÜ wird man bezweifeln müssen, daß die Annahme, der Entwurf lasse einen derivativen Rechtserwerb nicht zu, mit dem funktionalen Ansatz zu vereinbaren ist. Hinter Art.  6 Abs.  1, der die Charakterisierung der Rechtsnatur einer Verfügung weiterhin den Mitgliedstaaten überläßt, steht ja gerade das Bestreben, Eingriffe in die mitgliedstaatlichen Rechte so weit wie möglich zu vermeiden, gerade was die zivilrechtliche Konstruktion des Effektengiroverkehrs betrifft. Die Legal Certainty Group hat denn auch eindeutig zu erkennen gegeben, daß Mitgliedstaaten, in denen der Erwerb kontenverbuchter Wertpapiere auf den Regelungen über die Eigentumsübertragung („transfer of property“) beruht, an dieser Konstruktion festhalten können333. Zu bedenken ist auch, daß es den Mitgliedstaaten erlaubt ist, die Wirksamkeit eines Rechtserwerbs an eine Bedingung zu knüpfen (Art.  6 Abs.  6). Diese Konzession dürfte gerade mit Blick auf jene Rechtsordnungen in den Entwurf aufgenommen worden sein, die Wert darauf legen, daß ein Recht nur erworben werden kann, wenn es von einem anderen verloren wird. Es sprechen somit gute Gründe für die Annahme, daß das nationale Recht weiterhin einen derivativen Erwerb vorsehen kann334 . cc)  Redlicher Erwerb Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers ist in Art.  9 des Entwurfs335 („Protection of acquirers against reversal“) geregelt. Nicht anders als Art.  18 GWpÜ („Acquisition by an innocent person“) beruht auch diese Bestimmung auf der Überzeugung, daß sich die traditionellen Grundsätze über den gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen nur mit erheblichen Modifikationen auf den elektronischen Wertpapierverkehr übertragen lassen, da es hier nicht zur körperlichen Übergabe von Urkunden kommt und der Empfänger einer Gutschrift häufig auch nicht nachvollziehen kann, von welchem Konto die gutgeschriebenen Titel stammen. Inhaltlich weicht Art.  9 des Entwurfs 331  Siehe zum folgenden schon Segna, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  248, 265. 332  Siehe oben §  16 III 2 b) bb). 333  Legal Certainty Group, Second Advice, S.  45. 334  Der funktionale Ansatz des Entwurfs legt den weiteren Schluß nahe, daß auch ein Übertragungstatbestand nach Art von §  929 Satz  1 BGB, der eine (dingliche) Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber verlangt, mit dem Entwurf kompatibel ist. Dagegen aber (unter Hinweis auf Art.  8 Abs.  1 des Entwurfs) Mülbert, ZBB 2010, 445, 456. Im Ergebnis wie hier Ullner, Gutschrift, S.  191 f. (Bedingung als „Hintertür“ zur Beibehaltung des Miteigentumsmodells). 335  Nahezu wortgleich Principle 8 des Konsultationsdokuments vom 5. November 2010.

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allerdings in einigen Punkten von Art.  18 GWpÜ ab336. Beispielsweise soll nur geschützt werden, wer mittels Gutschrift oder Sperrvermerk (Rechte an) Wertpapiere(n) erwirbt, nicht auch derjenige, zu dessen Gunsten eine Kontovereinbarung abgeschlossen wird. Auch soll dem redlichen Erwerber nur Schutz gegen eine Stornierung der Gutschrift oder des Sperrvermerks gewährt werden, nicht auch Schutz gegen eine Inanspruchnahme (z. B. auf Schadensersatz oder aus ungerechtfertigter Bereicherung) durch denjenigen Rechtsinhaber, zu dessen Lasten der redliche Erwerb geht. Eine Erklärung für diese Abweichungen wird nicht gegeben, über ihre rechtspolitische Berechtigung kann man streiten337. Im Hinblick auf das subjektive Element der Redlichkeit stimmen Art.  18 GWpÜ und Art.  9 des Entwurfs dagegen weitgehend überein: Der Erwerber ist in seinem Erwerb geschützt, sofern er nicht wußte oder hätte wissen müssen („unless it knew or ought to have known“), daß die Gutschrift oder der Sperrvermerk nicht hätte vorgenommen werden dürfen. Mit der Fokussierung auf die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Gutschrift oder des Sperrvermerks soll zum Ausdruck gebracht werden, daß es für den guten Glauben des Erwerbers ausschließlich auf Umstände in seiner eigenen Sphäre ankommt338. Von welchem Konto die gutgeschriebenen Wertpapiere abgebucht wurden und ob irgendwo in der Buchungskette ein Fehler aufgetreten ist, soll dagegen keine Rolle spielen, da es sich dabei um Umstände handelt, auf die der Erwerber keinen Einfluß hat und die sich seiner Kenntnis in der Regel entziehen339. In der Konsequenz dieses Verständnisses liegt es, daß die Gut- bzw. Bösgläubigkeit der in den Erwerbsvorgang eingeschalteten Intermediäre nicht von Belang ist. Eine Wissenszurechnung, wie sie etwa für das deutsche Miteigentumsmodell dergestalt vertreten wird, daß beim gutgläubigen Erwerb von Girosammelanteilen gemäß §  166 BGB die Gut- bzw. Bösgläubigkeit der Clearstream Banking AG entscheidet, ist ausgeschlossen340. Bestehen schon aus diesen Gründen Zweifel, ob ein Verkehrsschutzkonzept nach Art der §§  932 BGB, 366 HGB mit Art.  9 kompatibel ist, so kommt folgendes hinzu: Dieser Bestimmung liegt das Verständnis zugrunde, daß auch ein unredlicher Empfänger die gutgeschriebenen Wertpapiere bzw. Rechte daran erwirbt, nur daß er sich im Unterschied zum redlichen Erwerber die Stornierung der Gutschrift gefallen lassen muß mit der Folge, daß er seine Rechtsposition mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) wieder verliert341. Damit nimmt der Entwurf in Kauf, daß es beim gutschreibenden Intermediär für die Zwischenzeit zu einer Unterdeckung kommt. Auch das ist nur konsequent, da Art.  9 auch in den Fällen für Schutz sorgen soll, in denen ei336 

Ullner, Gutschrift, S.  240 ff. Thévenoz, in: Conac/Segna/Thévenoz (Hrsg.), Intermediated Securities, S.  135, 152 f. 338  Legal Certainty Group, Second Advice, S.  62: „In other words, what is exclusively decisive is whether he has a quiet conscience towards the question of whether he rightly receives book-entry securities on his account or not, or whether an earmarking in his favour is correctly made or not.“ 339  Legal Certainty Group, Second Advice, S.  59 und 62. 340  Legal Certainty Group, Second Advice, S.  63. 341  So eindeutig die Legal Certainty Group, Second Advice, S.  61. 337 Kritisch

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Vierter Teil:  Depotrechtsharmonisierung

nem Konto fehlerhafter- oder mißbräuchlicherweise Wertpapiere gutgeschrieben werden, ohne daß sich ein Kontoinhaber identifizieren ließe, dem der Verlust zugewiesen werden könnte342 . Mit den traditionellen sachenrechtlichen Regeln zum gutgläubigen Erwerb ist dieses Konzept allerdings nicht zu vereinbaren. Denn bei diesen Konzepten führt der Rechtserwerb auf seiten des Erwerbers zwangsläufig zu einem Verlust auf seiten des Veräußerers, da Eigentumsrechte an Sachen nicht vervielfältig werden können. Eine auch nur kurzzeitige Unterdeckung wirksamer Gutschriften ist denklogisch ausgeschlossen343. In Anbetracht dieses Befundes kommt man nicht an der Feststellung vorbei, daß der Entwurf seinem funktionalen Ansatz jedenfalls in Art.  9 nicht gerecht wird. Das ist umso bemerkenswerter, als die Alternativlosigkeit dieses Ansatzes auch und gerade im Zusammenhang mit dem redlichen Erwerb immer wieder betont worden ist344 . dd)  Internationales Privatrecht Über das Genfer Wertpapierübereinkommen geht der Entwurf insofern hinaus, als er auch eine Bestimmung über das internationale Privatrecht und damit auch einen Vorschlag zum weiteren Abbau der Giovannini-Barriere 15 enthält. Vom Mandat der Legal Certainty Group war diese Barriere nicht umfaßt. Als sich der Vorschlag der Kommission für einen Ratsbeschluß zur Unterzeichnung des Haager Wertpapier­ übereinkommens erledigt hatte, wurde das internationale Privatrecht aber doch noch – gleichsam „durch die Hintertür“ – in das Projekt Rechtssicherheit einbezogen345. Sedes materiae ist Art.  15346, der unter anderem den Zweck hat, die einschlägigen unionsrechtlichen Kollisionsregeln (Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL, Art.  9 Abs.  1 FinanzsicherheitenRL und Art.  24 der Richtlinie über die Sanierung und Liquidierung von Kreditinstituten), in einer einheitlichen Vorschrift zusammenzufassen, um für mehr Konsistenz und Vorhersehbarkeit in der Rechtsanwendung zu sorgen347. Art.  15 Abs.  1 Satz  1 hält im Kern am PRIMA-Ansatz fest, indem er in weitgehender Übernahme des Wortlauts von Art.  9 Abs.  1 FinanzsicherheitenRL bestimmt, daß die in Abs.  4 genannten Regelungsgegenstände im Hinblick auf kontenverbuchte Wertpapiere dem Recht des Landes unterliegen, in dem das maßgebliche Konto ge342 

Legal Certainty Group, Second Advice, S.  59. Ullner, Gutschrift, S.  247; Wust, Verbuchung, S.  438. 344  Siehe Anm.  55 zu Art.  9: „For this reason, legislation should be based on a purely functional provision without allusions to traditional legal concepts and employ neutral terminology in order to avoid misinterpretation“; ferner das Konsultationsdokument vom 5. November 2010, Background comment zu Principle 8 (S.  16 f.). 345  Soweit ersichtlich, taucht der Vorschlag einer Kollisionsregel erstmals auf in European Com­ mission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Member States Working Group, Discussion Paper of 1 February 2010, Markt.G.2/(2010)57731, S.  19 ff. 346 Im wesentlichen wortgleich Principle 14 des Konsultationsdokuments vom 5. November 2010; ausführliche Analyse bei Born, Kollisionsrecht, S.  375 ff.; Schwarz, Globaler Effektenhandel, S.  936 ff. 347  Dazu und zu weiteren Zielen Anm.  80-82 zu Art.  15 des Entwurfs. 343 

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führt wird. Die von der Kommission beabsichtigte Präzisierung dieses Ansatzes findet sich in Art.  15 Abs.  1 Satz  2: Sofern ein Kontoführer Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten unterhält, kommt es auf die Haupt- oder Zweigniederlassung an, welche die Depotbeziehung mit dem Kontoinhaber betreut. Das soll jene Niederlassung sein, welche die verschiedenen Dienstleistungen im Rahmen der Verwahrung erbringt. Von wo aus das elektronische Buchungssystem oder ein Call-Center betrieben wird, soll dagegen ohne Belang sein348. ee) Sonstiges Der Vollständigkeit halber seien noch kurz die sonstigen Grundbausteine des Entwurfs erwähnt: Art.  10 regelt die Rangfolge konkurrierender Rechte an Depotwerten, Art.  11 betrifft den Schutz des Kontoinhabers in der Insolvenz des Kontoführers, Art.  12 die Bindung des Intermediärs (grundsätzlich ausschließlich) an die Weisungen des Kontoinhabers, Artikel 13 den Ausschluß des upper-tier attachments und Art.  14 den Schutz segregierter Kundenkonten, die ein Verwahrer auf höherer Ebene unterhält, vor einem Zugriff von Gläubigern des Verwahrers. In den Artikeln 16 bis 21 nimmt sich der Entwurf der rechtlichen Aspekte von Giovannini-Barriere 3 an, d. h. der Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften betreffend sog. corporate actions. Zu Giovannini-Barriere 9, den eingeschränkten Möglichkeiten eines Emittenten, seine Wertpapiere bei einem Verwahrer seiner Wahl zu hinterlegen, enthält der Entwurf keine Regelungen. Diese Barriere wurde inzwischen durch Art.  49 CSDR beseitigt.

III. Weitere Entwicklung Nach Abschluß des zweiten Konsultationsverfahrens im Januar 2011 wurde allgemein die Verabschiedung eines formellen Vorschlags einer „Securities Law Directive“ erwartet. Diese blieb allerdings aus. Stattdessen nahm die Europäische Kommission die Finanzkrise und daraus gezogenen Lehren zum Anlaß, ihren bisherigen Harmonisierungsansatz grundsätzlich in Frage zu stellen und allgemeiner vom Projekt „Se­ curities Law Legislation (SLL)“ zu sprechen. In den letzten Dokumenten der Member States Working Group aus Jahren 2012 und 2013 kommt deutlich die Einschätzung zum Ausdruck, daß angesichts der im Zuge des Zusammenbruchs von Bear Stearns, Lehman Brothers und MF Global gemachten Erfahrungen sowie des Phänomens der Schattenbanken über alternative Lösungen nachgedacht werden müsse und bestimmte Probleme noch stärker in den Blick genommen werden müßten. Dazu seien insbesondere die mit der Weiterverwendung von Finanzsicherheiten (rehypothecati­ on) verbundenen Risiken für Depotinhaber und die Stabilität des Finanzsystems so348 

Anm.  83 zu Art.  15 des Entwurfs.

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wie die Schwierigkeit der rechtssicheren Verortung von Eigentumsrechten in der Verwahrpyramide zu zählen349. Eines der Ziele einer „Securities Law Legislation“ müsse daher sein, Klarheit darüber zu schaffen, welche Rechtsposition den Kontoinhabern auf den verschiedenen Ebenen der Verwahrpyramide zusteht und wo genau das rechtliche Eigentum an den Wertpapieren liegt („Who owns what?“)350. In einem Papier vom Mai 2013 wird sogar ein Eingriff in die hergebrachten Marktpraktiken und -infrastrukturen erwogen, und zwar mit der Überlegung, den Investoren die Wahl zwischen einem direct holding model und einem intermediated holding model einzuräumen351. Im direct holding model wird das Depotkonto des Investors direkt vom oder beim Zentralverwahrer geführt – es handelt sich also um ein transparentes System −, im intermediated holding model hält der Investor seine Bestände über einen Intermediär, ohne daß diese Bestände unmittelbar aus den Büchern des Zentralverwahrers ersichtlich sind (intransparentes System). Nicht minder bemerkenswert sind die Ausführungen zur Harmonisierung des Kollisionsrechts, laufen sie doch auf die Erwägung hinaus, den Place of the Relevant Intermediary Approach (PRIMA) durch eine Anknüpfung nach dem Wertpapierrechtsstatut („Member states’ law un­ der which the securities are constituted“) zu ersetzen352 . Das Papier verspricht sich davon ein höheres Maß an Rechtssicherheit, weil sich das Wertpapierrechtsstatut – also das Schuldvertragsstatut (bei Anleihen) oder die lex societatis (bei Aktien) − ex ante in der Regel leicht feststellen lasse und die bei PRIMA auftretende Schwierigkeit entfalle, von Fall zu Fall den Ort der Kontoführung ausfindig zu machen. In ihrem Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion vom 30. September 2015 hat die Europäische Kommission diese Überlegungen nicht ausdrücklich wieder aufgegriffen, geschweige denn vertieft. In diesem Dokument findet sich nicht viel mehr als die knapp begründete Einschätzung, daß trotz aller Bemühungen der letzten Jahre (EMIR, CSDR, MiFID II, T2S) noch nicht sämtliche Giovannini-Barrieren aus dem Weg geräumt seien und die noch bestehenden Hindernisse im grenzüberschreitenden Verkehr unter anderem auf die Unsicherheiten bei der Bestimmung von Eigentumsrechten sowie die Unterschiede zwischen den nationalen Wertpapierrechten zurückzuführen seien353. Zu den von der Kommission angekündigten 33 Einzelmaß349  European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Sixth Meeting of the Member States Working Group, 10th Discussion Paper of the Services of the Directorate-General Internal market and services, 16 October 2012, insb. Anm.  1 ff., 17 ff., 48 ff. 350  European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Sixth Meeting of the Member States Working Group, 10th Discussion Paper of the Services of the Directorate-General Internal market and services, 16 October 2012, Anm.  86. 351  European Commission, Securities Law Legislation, 7th meeting of the Member States, Non-paper of the Services of the Directorate-General Internal market and services, 15 May 2013, Anm.  12. 352  European Commission, Securities Law Legislation, 7th meeting of the Member States, Non-paper of the Services of the Directorate-General Internal market and services, 15 May 2013, Anm.  46 ff. 353  Europäische Kommission, Mitteilung „Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion“ vom 30. September 2015, COM(2015) 468 final, S.  26 f. Schon im Grünbuch der Kommission

§  17  Rechtsharmonisierung in der EU

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nahmen, die bis 2019 umgesetzt werden sollen, zählen auch „gezielte Maßnahmen in den Bereichen Eigentumsrechte an Wertpapieren“, die allerdings im Aktionsplan nicht näher umrissen werden354 . Auch dem Ersten Statusreport vom 25. April 2016 mangelt es in dieser Hinsicht an Aussagekraft. Ihm ist lediglich zu entnehmen, daß die Kommission eine Expertengruppe namens „European Post-Trade-Forum“ eingesetzt hat, welche die Kommission bei ihren weiteren Schritten unterstützen soll, und daß die Kommission die Veröffentlichung einer Studie zum Kollisionsrecht ins Auge gefaßt hat355. Im April 2017 hat die Kommission ein Konsultationsverfahren eingeleitet, mit dem sie unter anderem in Erfahrung bringen will, ob und in welchen praktischen Konstellationen aus Sicht der interessierten Kreise im Bereich des Kollisionsrechts immer noch erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen und ob der Place of the Relevant Intermediary Approach überarbeitet oder sogar aufgegeben werden sollte356. Zudem hat die Kommission eine Expertengruppe zu diesem Thema eingesetzt357.

IV.  Gesamtbewertung und Ausblick Zu welchem Ergebnis die Harmonisierungsbemühungen der Europäischen Union auf dem Gebiet der mediatisierten Wertpapierverwahrung führen werden, muß in Anbetracht dieser Entwicklung als völlig offen bezeichnet werden. Sah es zur Jahreswende 2010/2011 noch so aus, als stünde die Verabschiedung einer mindestharmonisierenden Wertpapierrechtsrichtlinie unmittelbar bevor, läßt sich im Moment keine verläßliche Prognose mehr darüber abgeben, ob, wann und in welcher Form die Europäische Union über die bisher ergriffenen Maßnahmen hinaus einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Verwahrung von Wertpapieren und die Abwicklung von Wertpapieren schaffen wird und in welcher Tiefe es zu Eingriffen in das nationale Recht kommen wird. Die Behauptung, dem deutschen Depotrecht stehe ein „Ende allen sachenrechtlichen Denkens“ bevor358, hat sich jedenfalls als voreilig erwiesen.

„Schaffung einer Kapitalmarktunion“ vom 18. Februar 2015, COM(2015) 63 final, fand sich auf S.  26 wenig mehr als die Bemerkung, es seien „Stellungnahmen dazu willkommen, ob gezielte Änderungen an den Vorschriften über Eigentumsrechte an Wertpapieren, die wesentlich zu integrierteren Kapitalmärkten in der EU beitragen könnten, durchführbar und wünschenswert wären“; dazu ­Jessica Schmidt, GPR 2015, 129, 133. 354  Europäische Kommission, Mitteilung „Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion“ vom 30. September 2015, COM(2015) 468 final, S.  35. 355  Europäische Kommission, Commission Staff Working Document „Capital Markets Union: First Status Report“, 25 April 2016, SWD(2016) 147 final, S.  9 und 12. 356  European Commission, Consultation document on conflict of laws rules for third party effects of transactions in securities and claims, 7. April 2017. 357  Expert group on conflict of laws regarding securities and claims (E03506). 358  Mülbert, ZBB 2010, 445 ff.; ders., in: Festschrift für Koziol, S.  1055 ff.; Voß, EWS 2010, 209 ff.

Fünfter Teil

Depotrechtsreform Daß der Harmonisierungsprozeß auf europäischer Ebene ins Stocken geraten ist, sollte für den deutschen Gesetzgeber kein Grund sein, die Überlegungen zu einer Reform des Depotrechts bis auf weiteres zurückzustellen. Die im dritten Teil dieser Untersuchung festgestellten Schwächen der Miteigentumskonstruktion, aber auch des Konzepts der Gutschrift in Wertpapierrechnung belegen deutlich, daß er sich schon heute Gedanken darüber machen sollte, ob das Recht der mediatisierten Wertpapierverwahrung auf eine neue konzeptionelle Grundlage gestellt oder zumindest punktuell ausgebessert werden sollte. Eine klare Haltung in dieser Frage ist auch deshalb angezeigt, um zu etwaigen künftigen Gesetzgebungsvorschlägen der EU-Kommission zielgerichtet Stellung beziehen zu können1. Im folgenden wird daher erörtert, von welchen grundsätzlichen Überlegungen sich eine Reform des deutschen Depotrechts leiten lassen sollte (unter §  18) und welche Reformoptionen in Betracht kommen (unter §  19).

1  In diesem Sinne auch das Bundesministerium der Justiz, Eckpunktepapier zur Reform des Depotrechts vom 29. Mai 2008.

§  18  Ausgangsüberlegungen I.  Dematerialisierung des Effektenwesens? Von den im Schrifttum diskutierten Reformvorschlägen laufen einige auf die Empfehlung hinaus, für sämtliche in den Effektengiroverkehr einbezogenen Kapitalmarktwerte die Ausgabe in unverbriefter Form vorzuschreiben2 . Auch wenn sich diese Vorschläge in konzeptioneller Hinsicht zum Teil erheblich voneinander unterscheiden, ist ihnen die Überzeugung gemeinsam, daß das Wertpapier im Bereich der massenhaft ausgegebenen Kapitalmarktwerte ausgedient hat und durch reine Buchwerte ersetzt werden sollte. Im folgenden soll erörtert werden, welche Gründe für eine vollständige, auf private Emissionen ausgedehnte „Entstückelung“ des Effektenwesens sprechen und wie das mit einem solchen Schritt zwangsläufig einhergehende Problem des „richtigen“ Registerführers gelöst werden könnte. Welche verschiedenen Möglichkeiten für die rechtliche Ausgestaltung eines wertpapierfreien Effektengirosystems zur Verfügung stehen, soll an späterer Stelle untersucht werden3.

1.  Gründe für eine Dematerialisierung a)  Internationaler Trend Für einen Abschied von einem wertpapiergebundenen Effektengirosystem könnte der internationale Trend zur Dematerialisierung sprechen. Wenn in den letzten Jahren eine Reihe von Ländern dem Beispiel Frankreichs und der skandinavischen Staaten, die als Vorreiter der Dematerialisierung gelten können, gefolgt sind – zu nennen sind etwa Italien, Belgien und Japan -, so ist daran eine Entwicklung zu erkennen, die sich noch fortsetzen dürfte und das deutsche System über kurz oder lang in die Rolle eines Außenseiters drängen könnte. Freilich ist der Hinweis auf die internationale Entwicklung für sich genommen kein schlagkräftiges Argument für eine Dematerialisierung. Denn der Blick ins Ausland zeigt, daß hinter der Abschaffung der Wertpapiere ganz unterschiedliche Erwägungen stehen können. So sollen bei der auch im offiziellen Sprachgebrauch als „dématérialisation“ bezeichneten Umstrukturierung 2  Chun, Cross-Border Transactions, S.   429 ff.; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  281 ff.; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  125 ff.; ders., WM 1976, 890 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  2.56. 3  Unten §  19.

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Fünfter Teil:  Depotrechtsreform

des französischen Effektenwesens in den 1980er Jahren vor allem fiskalpolitische Überlegungen eine Rolle gespielt haben, und zwar das Verlangen nach „totaler fiskalischer Transparenz“4 durch „lückenlose Zwangsregistrierung, die mit staatlichen Kontrollen verbunden werden kann. Die in den letzten Jahren mit Nachdruck vorangetriebenen Dematerialisierungsbemühungen in den USA sind auch darauf zurückzuführen, daß sich dort noch immer eine vergleichsweise hohe Zahl von Einzelurkunden im Umlauf befindet (außerhalb des DTC-Systems), deren Verlust, Zerstörung oder Fälschung nicht unerhebliche Schäden verursacht5. Ein Bedürfnis nach Herstellung „totaler fiskalischer Transparenz“ durch Abschaffung des Wertpapiers ist in Deutschland aber nicht zu erkennen, und auch das Problem einer übermäßig großen Anzahl umlaufender Einzelurkunden stellt sich hierzulande nicht. b)  Erleichterung des internationalen Effektengiroverkehrs Es gibt bislang auch keinen eindeutigen Hinweis darauf, daß eine vollständige „Entstückelung“ des Effektenwesens eine wesentliche Erleichterung des internationalen Effektengiroverkehrs zur Folge hätte6. Wie die Erfahrungen mit den direkten Kontoverbindungen, welche die Clearstream Banking AG auf der Grundlage von §  5 Abs.  4 DepotG zu einer Reihe von ausländischen Zentralverwahrern eingerichtet hat, und der Gutschrift in Wertpapierrechnung belegen, ist für die Ausdehnung des Effektengiroverkehrs in das Ausland zweitrangig, ob die zugrundeliegenden Effekten in Urkunden verkörpert sind oder nicht. Physische, mit Verlustgefahren verbundene Lieferungen von Wertpapieren über die Grenze sollen ja ohnehin nicht stattfinden7. Worauf es in erster Linie ankommt, ist die rechtliche Ausgestaltung der Verwahrsy­ steme, die in den für die Rechtsstellung des Depotkunden wesentlichen Fragen so weit wie möglich miteinander harmonieren müssen. Eines der beiden Hauptziele des Genfer Wertpapierübereinkommens besteht denn auch darin, die Kompatibilität der nationalen Verwahrsysteme zu erhöhen, während die Tatsache, daß neben vollständig dematerialisierten Systemen auch heute noch wertpapierbasierte Systeme vorzufinden sind, bei den Verhandlungen als gegeben hingenommen und auch nicht als gravierendes Hindernis empfunden wurde. Wären die Verhandlungsteilnehmer der Überzeugung gewesen, daß die Frage der Dematerialisierung bei den Bemühungen um eine Internationalisierung des Effektengiroverkehrs eine entscheidende Rolle spielt, hätten sie ihr größere Aufmerksamkeit geschenkt.

4 

Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385, 388. Siehe dazu bereits unter §  3 III 3 m. Fn.  163. 6 So die Überlegung von Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.   2051; dem folgend Enchelmaier, Übertragung, S.  516. 7  Christoph Brunner, Wertrechte, S.  8 4 f. 5 

§  18  Ausgangsüberlegungen

603

c)  Weitere Rationalisierung des Effektenwesens Es fragt sich allerdings, ob mit der Umstellung auf ein wertpapierfreies Effektengirosystem eine weitere Rationalisierung erreicht werden könnte. Dieser Meinung scheint der G30-Bericht „Global Clearing and Settlement – a Plan of Action“ zu sein, wenn er die Abkehr von der Verbriefung als beste Lösung bezeichnet, um eine schnelle und effiziente Abwicklung von Wertpapiergeschäften zu gewährleisten, und die bloße Immobilisierung von Effekten auch wegen der verbleibenden Mißbrauchs- und Diebstahlsrisiken nur für einen akzeptablen Zwischenschritt auf dem Weg zur vollständigen Dematerialisierung hält8. In Deutschland ist das mit der Girosammelverwahrung verbundene Rationalisierungspotential aber seit der gesetzlichen Anerkennung der Globalurkunde (§  9a DepotG) und dem Ausschluß des Einzelverbriefungsanspruchs im Aktienrecht (§  10 Abs.  5 AktG) weitgehend ausgeschöpft. Zwar fallen auch für die Herstellung, Verwahrung und Verwaltung einer Globalurkunde Kosten an. Sie dürften jedoch so gering sein, daß sie zumindest nicht als entscheidendes Argument für die Umstellung auf ein wertpapierfreies Effektengirosystem angeführt werden können9. Das gilt umso mehr, als eine solche Umstellung ja ihrerseits einen gewissen Aufwand mit sich brächte, namentlich in Form der Einrichtung spezieller Register und der Anpassung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften. Andererseits: Unvertretbar hoch dürfte der Umstellungsaufwand nicht sein10. Zu weit geht auch die Behauptung, die Ausstellung einer Globalurkunde und ihre Einlieferung und Verbuchung bei einer Wertpapiersammelbank könnten an Sicherheit und Geschwindigkeit durch kein Bucheffektensystem geschlagen werden11. Vor allem würde bei einer vollständigen Dematerialisierung das Risiko eines Datenverlusts kein besonderes Problem darstellen12 . Denn dieses Risiko besteht ja auch schon unter den heutigen Bedingungen des Effektengiroverkehrs unabhängig davon, ob er sich auf der Grundlage von verbrieften oder unverbrieften Effekten abspielt. So lassen sich einer Globalurkunde keine Angaben entnehmen, aus denen sich Rückschlüsse auf die jeweiligen Anteilsinhaber ziehen ließen. Wem die einzelnen Anteile zugeordnet sind, läßt sich nur den elektronischen Aufzeichnungen der Intermediäre entnehmen. Gingen diese verloren, ließe sich allein mit der Globalurkunde wenig anfangen13. d)  Funktionsverlust des Wertpapiers Für eine vollständige Dematerialisierung spricht entscheidend ein anderes Argument: der Funktionsverlust des Wertpapiers und die damit zusammenhängenden 8 

Group of Thirty, Global Clearing and Settlement – a Plan of Action, Rec. Nr.  1 (S.  8, 29, 67 ff.). Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2051; insoweit zutreffend auch Kümpel, WM 1982, 730, 737; zweifelnd auch Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 210. 10  Peters, Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S.  41; Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1965; tendenziell anders Than, in: Festschrift für Schimansky, S.  821, 836. 11  Than, in: Festschrift für Heinsius, S.  809, 838. 12  So aber Koller, Wertpapierrecht, S.  1496 f. 13  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  374 f.; siehe ferner Christoph Brunner, Wertrechte, S.  8 4. 9 Ebenso

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Fünfter Teil:  Depotrechtsreform

Schwierigkeiten, den Effektengiroverkehr in den Rahmen des Sachenrechts einzupassen. Schon für die Sammelverwahrung von Einzelstücken wurde festgestellt, daß das Wertpapier die ihm ursprünglich zugedachten Funktionen nahezu vollständig eingebüßt hat. Die bei der Clearstream Banking AG hinterlegten Urkunden dienen faktisch nur noch als Grundlage von Buchungsvorgängen, ohne körperlich bewegt zu werden oder sonstwie als Legitimationsnachweis in Erscheinung zu treten. Besonders evident ist der Funktionsverlust des Wertpapiers bei der Dauerglobalurkunde, die von vornherein dazu bestimmt ist, für die gesamte Dauer der Emission im Tresor der Wertpapiersammelbank zu bleiben. Mit „der historischen und praktischen Grundlage des Wertpapierwesens, den Wert an eine dem Inhaber zugängliche und von ihm selbst wenigstens möglicherweise innegehaltene Sache zu knüpfen“, hat sie nichts mehr zu tun14 . Nun hat sich zwar gezeigt, daß die meisten der aus der Immobilisierung der Effekten und der „Verdünnung“ der Eigentums- und Besitzposition des Anlegers resultierenden Konstruktionsprobleme mit einem gewissen argumentativen Aufwand gelöst werden können. Bei der Dauerglobalurkunde beispielsweise kann das Hindernis des fehlenden Auslieferungsanspruchs des Depotkunden dadurch überwunden werden, daß man die aus dem Depotvertrag folgende „Umbuchungsveranlassungsmacht“ als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs anerkennt und mit dieser Begründung von einem mittelbaren Mitbesitz des Depotkunden ausgeht. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von (Pfandrechten an) Girosammelanteilen läßt sich in der Weise begründen, daß man je nach Konstellation entweder die Eintragung im Verwahrungsbuch der Clearstream Banking AG bzw. der Depotbank oder wiederum die „Umbuchungsveranlassungsmacht“ des Verfügenden als Rechtsscheinträger heranzieht. Dieser Befund unterstreicht aber nur, daß im Effektengiroverkehr die Buchung in nahezu jeder Hinsicht die Funktion übernimmt, die sonst im Wertpapierrecht dem Besitz und der Übergabe des Papiers zukommen, und daß der Sache nach schon heute ein Handel in unverbrieften Effekten betrieben wird15. Und er erinnert daran, daß man, um das sachenrechtliche Modell zu „retten“, an entscheidenden Stellen zu Behelfslösungen greifen muß, die einer Fiktion zumindest nahekommen. Der Rückgriff auf die „Umbuchungsveranlassungsmacht“ des Depotkunden zur Begründung seines mittelbaren Besitzes ist nur ein Beispiel dafür. Ein anderes sind die erheblichen Schwierigkeiten bei der Konstruktion der dinglichen Einigung. Hier ist nicht nur unklar, welche Rolle die Clearstream Banking AG und die Depotbanken jeweils spielen (Bote? Stellvertreter?). Es wird auch der zweifelhafte Versuch unternommen, mit Hilfe der Rechtsfigur des Geschäfts für den, den es angeht, einen direkten Übergang der Girosammelanteile vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger zu 14 

Zöllner, in: Festschrift für Ludwig Raiser, S.  249, 255. Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  2042. Siehe auch Dechamps, Wertrechte, S.  20: In der Praxis des Effektengiroverkehrs, insbesondere für die Umbuchung von Girosammelanteilen, mache es keinen Unterschied, ob der Sammelbestand aus Wertpapieren oder Wertrechten besteht. 15 

§  18  Ausgangsüberlegungen

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begründen, obwohl diese Anleger sich nicht kennen und sich buchungstechnisch in der Regel nicht nachvollziehen läßt, welchem Konto die beim Veräußerer abgebuchten Wertpapiere letztlich gutgeschrieben werden. In Anbetracht dessen wäre es nur konsequent, auf die Ausgabe von Urkunden ganz zu verzichten und nach einem Modell zu suchen, das zwar die gleichen Vorteile wie eine sachenrechtliche Konstruktion bietet, aber deren Schwächen vermeidet.

2.  Möglichkeit der Ausgabe von Einzelurkunden? Diese Überlegungen führen zu der Frage, ob ein solches Modell auf einen Totalausschluß der Verbriefung von Kapitalmarktwerten hinauslaufen muß. Manche verneinen das16: Sollte am Markt eine entsprechende Nachfrage bestehen, könnte es den Emittenten überlassen bleiben, in der Satzung bzw. den Emissionsbedingungen die Möglichkeit der Einzelverbriefung vorzusehen. Die Kosten für die Ausstellung der Urkunden könnten dem Anleger auferlegt werden, der die Verbriefung seiner Rechte wünscht. In das (vollständig dematerialisierte) Effektengirosystem könnten die einzelnen Urkunden aber nicht übernommen werden. Ihre Ausstellung würde ausschließlich dem Interesse des Anlegers dienen, seine Werte „in Händen halten“ und außerhalb des Systems verwahren zu können. Heute dürfte es jedoch kaum noch Anleger geben, die Vorbehalte gegen „unsichtbare“ Bucheffekten hegen und greifbare, eigenverwahrfähige Stücke bevorzugen, die sich in Krisenzeiten an einen sicheren Ort verbringen lassen17. Das Interesse des Marktes an effektiven Stücken scheint jedenfalls mittlerweile vernachlässigbar gering zu sein18. Darauf deutet etwa der Umstand hin, daß sich die Emittenten von Anleihen seit der gesetzlichen Anerkennung der Dauerglobalurkunde fast nur noch dieser Verbriefungsform bedienen: Waren es 1972 zunächst nur 17% aller neu aufgelegten Rentenemissionen, die in Form von Dauerglobalurkunden begeben wurden, ist dieser Anteil in den Folgejahren ständig gestiegen; 1980 betrug er mehr als 86% und im ersten Halbjahr 1981 schon annähernd 90%19. Ähnlich schnell, wenngleich erst seit 1994, setzte sich die Dauerglobalurkunde bei Aktien durch. Heute sind mehr als 97% aller bei der Clearstream Banking AG deponierten Aktien und Anleihen dauerglobalverbrieft 20. Die Zahl der Auslieferungen effektiver Stücke ist rückläufig, wobei auch zu bemerken ist, daß ein Großteil davon nicht für das Inland, sondern für den Einsatz im Ausland benötigt wird. Auf ein reges Interesse des anlagesuchenden Publikums an Einzelstücken lassen diese Zahlen nicht schließen. In diesem Zusammenhang 16  Enchelmaier, Übertragung, S.  516; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  509 f.; Kessler, Kreditwesen 1990, 126, 130. 17  Anders noch Delorme, Die Bank 1981, 431, 437. 18  So auch für die Schweiz Christoph Brunner, Wertrechte, S.  79. 19  Delorme, Die Bank 1981, 431, 433. 20  Blitz, WM 1997, 2211 berichtet, daß sich die Zahl der von CBF verwahrten Urkunden zwischen 1993 und 1997 von 280 Millionen auf 220 Millionen verringerte. Ende 2002 wurden nur noch 115 Millionen Urkunden verwahrt.

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Fünfter Teil:  Depotrechtsreform

sollte auch bedacht werden, daß in Deutschland seit Mitte 2002 keine Tafelgeschäfte mehr vorgenommen werden. Um sich nicht dem Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung auszusetzen, haben sich die Kreditinstitute durchweg entschlossen, Wertpapiergeschäfte nur noch über Depotkonten abzuwickeln und keine effektiven Stücke mehr zu verkaufen21. Schon vor diesem Hintergrund – der im übrigen verdeutlicht, daß dem Verlangen nach effektiven Stücken und dem Rückzug aus dem Effektengirosystem nicht notwendig lautere Motive zu Grunde liegen – dürfte es am konsequentesten sein, die Ausgabe von Wertrechten zumindest bei börsennotierten Gesellschaften obligatorisch zu machen22 . Für den Handel im Ausland müßte erforderlichenfalls die Ausstellung von Ersatzzertifikaten vorgesehen werden23. In Anbetracht von Art.  3 Abs.  1 CSDR ist die Überlegung, den Emittenten die Ausgabe von Einzelstücken zu gestatten, ohnehin weitgehend hinfällig geworden. Nach dieser Bestimmung hat jeder Emittent mit Sitz in der Europäischen Union, der übertragbare Wertpapiere ausgibt, die zum Handel an Handelsplätzen zugelassen sind bzw. dort gehandelt werden, Sorge dafür zu tragen, daß diese Wertpapiere durch Buchungen im Effektengiro erfasst werden, indem die Wertpapiere entweder immobilisiert werden oder von Anfang an in entmaterialisierter Form begeben werden. Wie bereits ausgeführt, soll mit dieser Regelung gewährleistet werden, daß bei einer auf geregelten Handelsplätzen gehandelten bzw. zum Handel zugelassenen Emission sämtliche Titel auf Depotkonten erfaßt sind und nicht noch nebenher einzelne Urkunden im Umlauf sind, die ggf. physisch übergeben werden müßten24 . Die betreffende Emission muß somit in ihrer Gesamtheit in Form einer Globalurkunde oder in dematerialisierter Form bei einem Zentralverwahrer erfaßt sein. Daraus folgt, daß die Ausgabe von Einzelurkunden an die Anleger ausgeschlossen werden muß25.

3.  Registerführende Stelle In einem wertpapierfreien Effektensystem tritt an die Stelle der Ausstellung und Begebung einer Urkunde die Eintragung der Mitgliedschafts- oder Gläubigerrechte in 21 Hintergrund dieser Entwicklung sind die Entscheidungen BFH, DStR 2001, 1387 sowie BFH, wistra 2002, 71; siehe dazu Süddeutsche Zeitung vom 5. November 2002, S.  22; Die WELT vom 14. Dezember 2002, S.  19. 22  Ausdrücklich a. A. Chun, Cross-Border Transactions, S.   437; Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1966; unklar MünchKomm-BGB/Habersack, vor §  739 Rn.  37 und Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1684, die vorschlagen, die „Möglichkeit einer Ersetzung der Verkörperung in Einzel- oder Sammelurkunden durch Eintragung in öffentliche Register anzubieten“. Sollte dieser Vorschlag dahin zu verstehen sein, daß ein Emittent die Wahl haben sollte, in welcher Form er die Emission in das Effektengirosystem einbringt, wäre ihm nicht zu folgen. Eine solche Lösung wäre halbherzig und könnte außerdem dazu führen, daß den verbrieften Sammelbeständen auf der einen und den unverbrieften auf der anderen Seite unterschiedliche Rechtskonstruktionen zugrundeliegen. 23  So die französische Lösung bei der Dematerialisierung in den 1980er Jahren, siehe Steuer, WM 1984, 1385. 24  Siehe dazu bereits oben §  4 VI 4 c). 25  Zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen siehe unter §  19 V 10.

§  18  Ausgangsüberlegungen

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ein Register. Da es für Effekten privater Emittenten derartige Register bislang nicht gibt, müßten sie neu eingerichtet werden. Damit stehen sämtliche Vorschläge einer Dematerialisierung des Effektenwesens vor der Frage, welche Stelle dieses Register führen sollte. Manche sehen auf diese Frage keine befriedigende Antwort und raten daher von einem flächendeckenden Übergang zu unverbrieften Effekten ab26. Eine befriedigende Antwort gibt es aber sehr wohl, wie auch ein Blick in das benachbarte Ausland zeigt. Im Prinzip sollte die Registerführung einer Stelle übertragen werden, die für ein größtmögliches Maß an Neutralität, Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit bürgt. Man könnte daher auf den Gedanken kommen, mit dieser Aufgabe die BaFin oder die in Sachen Wertrechte bereits erfahrene Bundesschuldenverwaltung (Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH) zu betrauen27. Die Registereintragungen dieser öffentlichen Institutionen böten ohne Zweifel ein hinreichendes Maß an Richtigkeitsgewähr. Mit der bei dieser Lösung unvermeidlichen „Aufblähung der Bürokratie“ würde dieser Vorteil jedoch viel zu teuer erkauft 28. Der Kreis der in Betracht kommenden Registerführer verengt sich damit auf die Kreditinstitute, die Clearstream Banking AG und die Emittenten. Gegen die Registerführung durch den Emittenten wird das Bedenken vorgebracht, zwischen ihm und den Investoren bestehe wie in jedem Gläubiger-Schuldner-Verhältnis ein potentieller Interessenkonflikt, der die Gefahr von Unregelmäßigkeiten und Manipulationen bei der Registerführung begründe. So sei bei einer Anleihe der Gläubiger am Nachweis seines Forderungsrechts interessiert, während der Emittent versucht sein könnte, seine Leistungsverpflichtung zu verringern oder zu verschleppen oder dem Gläubiger seine Legitimation mit dem Argument abzuschneiden, das von ihm geltend gemachte Recht sei im Register nicht aufzufinden29. Eine sachgerechte Regelung müsse daher den Grundsatz beachten, „daß sich weder der Schuldner noch der Gläubiger auf die Existenz bzw. das Fehlen von Registereintragungen berufen dürfen, die sie selbst getätigt haben“30. Das gleiche Bedenken wird gegen die Übertragung der Registerführung auf die konsortialführende Bank geltend gemacht31. Wegen möglicher Interessenkonflikte im Zusammenhang mit der Übernahme der Emission und dem anschließenden Verkauf im Sekundärmarkt sei auch sie nicht geeignet, diese Funktion zu übernehmen32 . 26 

Koller, Wertpapierrecht, S.  1496 ff. auch Stüdemann, Effektenbestand, S.   70  f.: Einrichtung einer „Zentralen Effekten-Sammelbank“ nach dem Vorbild der Bundesschuldenverwaltung. 28  Insoweit übereinstimmend Koller, Wertpapierrecht, S.   1498; Dechamps, Wertrechte, S.  155; Kümpel, WM 1984, 613, 618; Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1965. 29  Dechamps, Wertrechte, S.   151; Kümpel, WM 1982, 730, 734; Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1964. 30  Koller, Wertpapierrecht, S.  1497. 31  Siehe die sog. Kombinationslösung von Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  131 f.: Bei einer Selbstemission solle der Emittent, bei einer Fremdemission die Konsortialführerin das Regi­ ster führen. 32  Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1965 in Fn.  110. 27 Siehe

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Fünfter Teil:  Depotrechtsreform

Von diesen Einwänden sollte man sich nicht in die Irre führen lassen. Denn sie scheinen zu unterstellen, daß in einem wertpapierfreien Effektengirosystem der Aktionär bzw. Gläubiger seine Legitimation gegenüber dem Emittenten aus dem für die Rechtsentstehung maßgeblichen Register ableitet. Das muß aber nicht der Fall sein. Zum Beleg ist noch einmal auf das schweizerische Recht zurückzukommen33. Es unterscheidet zwischen dem sog. Wertrechtebuch (Art.  973c OR) und dem sog. Hauptregister (Art.  6 BEG). In das vom Emittenten zu führende, nicht öffentliche Wertrechtebuch sind die Anzahl und Stückelung der ausgegebenen Wertrechte sowie die ersten Gläubiger einzutragen. Die Eintragung hat rechtserzeugende Wirkung und tritt im Rahmen der Emission an die Stelle der Ausstellung einer Urkunde. Die Eintragung der Wertrechte in das von einer Verwahrungsstelle zu führende Hauptregister stellt hingegen das Äquivalent zur Hinterlegung von Wertpapieren in einem Sammeldepot dar34 . Das Hauptregister hat die Funktion, Publizität hinsichtlich der in einem Verwahrsystem zirkulierenden Bucheffekten zu schaffen, die auf der Grundlage von Wertrechten begründet wurden. Deshalb enthält es bloß Angaben über die Emission sowie die Anzahl und Stückelung der ausgegebenen Wertrechte. Die Rechtszuständigkeit an den Bucheffekten ergibt sich nicht aus dem Hauptregi­ ster, sondern ausschließlich aus den Effektenkonten. Auch die Übertragung von Bucheffekten vollzieht sich am Hauptregister vorbei und setzt auch keine Anpassung des Wertrechtebuchs voraus35. Der Blick auf das schweizerische Recht zeigt zum einen, daß der dortige Gesetzgeber keine Bedenken dagegen hatte, mit der Führung der Wertrechtebücher die Emittenten selbst zu betrauen, und zum anderen, daß in Form des Hauptregisters eine Lösung gefunden wurde, die sicherstellt, daß die Zahl der im Effektengirosystem zirkulierenden Berechtigungen stets der Zahl der vom Emittenten ausgegebenen Wertrechte entspricht. Im Zuge einer vollständigen Dematerialisierung könnte das schweizerische Modell, das in der Praxis gut zu funktionieren scheint, von Deutschland übernommen werden36. Mittels elektronischer Verkopplung von Wertrechtebuch, Hauptregister und Depotkonten könnte eine ständige wechselseitige Abstimmung und Kontrolle der eingetragenen Bestände gewährleistet und das Risiko von Unkorrektheiten und Manipulationen erheblich entschärft werden37. Es spricht auch nichts gegen ein gewisses Maß an Flexibilität, welches das schweizerische Recht den Emittenten gewährt, indem es ihnen gestattet, die Führung des Wertrechtebuchs auf eine Bank oder den Zentralverwahrer zu delegieren38. In der Praxis scheint die 33 

Eingehend zum folgenden bereits oben §  14 III 2. FISA & HSC Commentary/Graham-Siegenthaler, Art.  973c CO Rn.  36. 35  Das gilt allerdings nicht im sog. dynamischen Modell, wie es bei unverbrieften Namenaktien praktiziert wird. Hier wird das Wertrechtebuch, da mit dem Aktienbuch verknüpft, ständig aktualisiert; siehe oben §  14 III 2. 36  Näher dazu unten §  19 V 3. 37 Vgl. Dechamps, Wertrechte, S.  154 f. 38 So jedenfalls die Interpretation des Art.   973c OR durch FISA & HSC Commentary/Gra­ 34 

§  18  Ausgangsüberlegungen

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Führung des Wertrechtebuchs durch die SIS SIX Ltd. sogar eher die Regel denn die Ausnahme zu sein. Im deutschen Schrifttum ist aber der Einwand zu vernehmen, die Wertpapiersammelbank sei gerade keine neutrale Stelle, da sie als ermächtigte Treuhänderin der Anleger deren Zins-, Dividenden- und Kapitalrückzahlungsansprüche geltend mache und daher deren Sphäre zuzurechnen sei. Es wäre kaum vertretbar, wenn die Wertpapiersammelbank selbst das Register führte, aus dem sie „ihre“ Legitimation gegenüber dem Emittenten herleitet39. Wer sich Gedanken über eine Dematerialisierung de lege ferenda macht, sollte sich von diesem „Sphärenargument“ allerdings nicht verunsichern lassen. Denn es ist ja gerade eine offene (und noch zu untersuchende) Frage, ob die Wertpapiersammelbank, wie im im hergebrachten Modell der Sammelschuldbuchforderungen, auch in einem künftigen Wertrechtsmodell die Rolle einer ermächtigten Treuhänderin einzunehmen hätte. Abgesehen davon wird man schon de lege lata Zweifel an der Behauptung anmelden dürfen, die Wertpapiersammelbank sei der Sphäre der Anleger zuzurechnen. Sie steht jedenfalls den Anlegern nicht näher als die Bundesschuldenverwaltung den öffentlichen Emittenten. Beide Einrichtungen nehmen im Effektengiroverkehr eine besondere institutionelle Stellung ein und können in gleichem Maße als zuverlässig gelten. Die Gefahr, daß sich die Clearstream Banking AG ihre Legitimationsgrundlage selbst schafft, besteht im übrigen schon im heutigen wertpapiergebundenen System. Denn die Clearstream Banking AG pflegt sich ja dem Emittenten gegenüber allein mit einer Bestätigung des Inhalts zu legimitieren, daß sie die Mäntel und die Zins- oder Dividendenscheine verwahrt. Sie legt die Wertpapiere nicht vor, sondern teilt dem Emittenten mit, daß sie vorlegen könnte40. Alles in allem also erscheinen die Einwände gegen die Regi­ sterführung durch die Wertpapiersammelbank unbegründet41. Aufgrund seiner Expertise und technischen Ausstattung wäre dieses Institut auch ohne weiteres zur Einrichtung und Unterhaltung solcher Register in der Lage. Es versteht sich, daß sich die Depotprüfung auch auf die ordnungsgemäße Führung der Wertrechtsregister erstrecken müßte42 .

ham-Siegenthaler, Art.  973c CO Rn.  41–44; Hess/Friedrich, GesKR 2008, 98, 111. Für eine Wahlmöglichkeit auch Lehmann, Finanzinstrumente, S.  377. 39  Koller, Wertpapierrecht, S.  1497; Kümpel, WM 1982, 730, 735; ders., WM 1984, 613, 618. 40  Lauppe, DB 2000, 807, 809. 41 Für eine Übertragung der Registerführung auf dieses Institut denn auch Beckmann, Reformbedarf, S.  175 f.; Dechamps, Wertrechte, S.  155 f.; Delorme, Die Bank 1981, 431, 436; Peters, Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S.  39; Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1965; für börsennotierte Aktiengesellschaften Schwennicke, AG 2001, 118, 124. 42  Dechamps, Wertrechte, S.  155.

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Fünfter Teil:  Depotrechtsreform

II.  Einheitliches Konzept für inlands- und auslandsverwahrte Werte? De lege lata gelten für die Übertragung und Verpfändung von Depotwerten unterschiedliche Regelungen je nachdem, wo und in welcher Form die Wertpapiere verwahrt werden. Die Girosammelverwahrung von Wertpapieren im Inland unterliegt einem sachenrechtlichen Konzept. Dieses Konzept bildet auch den Maßstab für die grenzüberschreitende Girosammelverwahrung, die nach §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 DepotG nur unter der Voraussetzung zulässig ist, daß dem Hinterleger hinsichtlich des Sammelbestands des ausländischen Zentralverwahrers eine Rechtsstellung eingeräumt wird, die dem vom Depotgesetz gewährten Miteigentum „gleichwertig“ ist. Dagegen folgt die im Depotgesetz nur rudimentär geregelte Anschaffung und Verwahrung von Wertpapieren im Ausland (vgl. §  22 DepotG) einem im Ansatz schuldrechtlichen Konzept, dem auf der Rechtsfigur der fiduziarischen Treuhand aufbauenden Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung. Da die Unterschiede zwischen diesen Konzepten keineswegs nur Nebensächlichkeiten, sondern auch zentrale Aspekte wie die Wirkung der Gutschrift betreffen, wäre es im Prinzip wünschenswert, dieses Nebeneinander zu beenden und einheitliche Regelungen für die Inlandsund Auslandsverwahrung zu schaffen43. Man muß sich allerdings über zweierlei im klaren sein: Zum einen würde die Zusammenführung aller Inlands- und Auslandsfälle in einem einheitlichen Konzept einen vollständigen Abschied von der bisherigen Miteigentumskonstruktion erfordern. Denn die Vorstellung, die Anleger hätten dingliche Rechte an bestimmten sammelverwahrten Wertpapieren, läßt sich nicht uneingeschränkt auf den internationalen Verkehr übertragen, da es Rechtsordnungen gibt, denen diese Vorstellung fremd ist. Das hat auch der Gesetzgeber bei der Abfassung des §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 DepotG erkannt. Zum anderen – und das ist, da die Abschaffung der Miteigentumskonstruktion für sich genommen kein Nachteil sein müßte, der wichtigere Punkt – läßt sich auch der Grundsatz, daß eine Gutschrift dem Anleger Forderungsbzw. Mitgliedschaftsrechte unmittelbar gegenüber dem Emittenten vermittelt, in den Fällen der Auslandsverwahrung nicht konsequent durchhalten. Das zeigt sich zum Beispiel in den Fällen, in denen das deutsche Recht auf das US-amerikanische Modell des security entitlement trifft, also auf ein Konzept mit indirekter Rechtsträgerschaft. Sollte sich also der deutsche Gesetzgeber zum Beispiel dazu entschließen, es dem schweizerischen gleichzutun und die Rechtsposition des Anlegers als Bucheffekte i. S. von Art.  3 Abs.  1 BEG auszuformen unabhängig davon, wo die underlyings belegen sind, müßte er akzeptieren, daß diese Rechtsposition nicht zwangsläufig auch die Stellung als Aktionär bzw. Gläubiger umfaßt. Daraus folgt: Um zu einer vollkommen einheitlichen Regelung für in- und auslandsverwahrte Effekten zu kommen, müßte der Gesetzgeber vollständig auf ein Konzept mit indirekter Rechtsträgerschaft umschwenken und die Rechtsstellung des 43 

Das empfiehlt auch Wust, Verbuchung, S.  4 49 f.

§  18  Ausgangsüberlegungen

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Anlegers als ein Bündel von Ansprüchen begreifen, die sich ausschließlich gegen den depotführenden Intermediär richten. Ein solcher Schritt sollte aber nur als ultima ratio in Betracht gezogen werden, denn er würde eine radikale Veränderung des bisherigen Systems des Haltens und der Ausübung von Kapitalmarktrechten bedeuten und tiefe Einschnitte in das Zivil- und Gesellschaftsrecht erforderlich machen44 . Das gilt umso mehr, als sich das deutsche Recht mit seinen verschiedenen Konzepten als im internationalen Verkehr hinreichend flexibel erwiesen hat. Es könnte daher auch weiterhin mit einem solchen Nebeneinander leben, dies freilich nur unter der Voraussetzung, daß das Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und im Zuge dessen vor allem das Problem des Insolvenzschutzes behoben wird45. Rechtsklarheit und -sicherheit sind in dieser Frage wichtiger als ein einheitliches Konzept.

III.  Beibehaltung gängiger Buchungspraktiken? Bisweilen wird gesagt, eine Depotrechtsreform werde in der Praxis nur unter der Voraussetzung auf weitreichende Akzeptanz stoßen, daß „trotz der Veränderung der rechtlichen Grundkonzeptionen die gegenwärtigen Prozesse in den Datenverarbeitungssystemen, d. h. vor allem die Buchungspraxis, möglichst ohne Änderungen weitergeführt werden können“. Andernfalls bestehe die Gefahr, daß durch aufwendige Umstellungen zusätzliche Kosten entstehen, die letztlich vom Kunden getragen werden müßten46. Nun ist richtig, daß bei einer Neuregelung des Depotrechts so weit wie möglich und vertretbar auf die bewährten Praktiken bei der Wertpapierverwahrung und -abwicklung Rücksicht genommen werden sollte. Auch der deutsche Gesetzgeber sollte sich an der Maxime orientieren, daß „die Finanzintermediäre nur dann zu Umbauten ihrer Verwahrungs- und Abwicklungssysteme gezwungen werden [sollten], wenn ein triftiger Grund für eine Praxisänderung gegeben ist und die Kosten mit dem Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen“47. Eine Praxis, die auf Kosten der Rechtsklarheit und -sicherheit geht, sollte aber auf keinen Fall als sakrosankt angesehen werden. Auf den Prüfstand gehört daher insbesondere die von den deutschen Banken geübte Praxis der vorgezogenen Depotgutschrift, auf die an verschiedenen Stellen dieser Untersuchung bereits Bezug genommen wurde48. Sollte 44  Aus diesem Grund hat auch Japan von einer Übernahme des US-amerikanischen security entitlement-Modells Abstand genommen; siehe Kanda, in Festschrift für Hopt, S.  3105, 3110. 45  Für eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der WR-Gutschrift auch das Bundesministerium der Justiz, Eckpunktepapier zur Reform des Depotrechts vom 29. Mai 2008, Punkt 6. 46  Will, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn.  18.251. 47  So mit Blick auf die Reform in der Schweiz Eidgenössisches Finanzdepartement, Bericht der technischen Arbeitsgruppe, S.  33. 48 Kritisch zu dieser Praxis auch Sabine Mock, Bucheffekte, Rn.   276, freilich mit unklaren Schlußfolgerungen bei Rn.  292/293.

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diese Praxis mit Rücksicht auf die mit ihr verbundenen Vorteile beibehalten werden, wäre mindestens eine Verpflichtung der Intermediäre zu erwägen, die Vorläufigkeit der Gutschrift auf dem Konto kenntlich zu machen49.

IV.  Kodifizierung des Depotvertrages? Zum Abschluß der Ausgangsüberlegungen zu einer Reform des Depotrechts soll noch kurz auf die Idee eingegangen werden, den Depotvertrag als Vertragstyp gesetzlich zu regeln. Sie scheint im Eckpunktepapier des Bundesministeriums der ­Justiz zur Reform des Depotrechts vom Mai 2008 auf, wird darin aber nicht näher erläutert. Man wird allerdings vermuten dürfen, daß dem Ministerium eine besondere gesetzliche Regelung des Depotvertrags etwa der Art vorschwebt, wie sie der Zahlungsdiensterahmenvertrag in den §§  675f ff. BGB gefunden hat, und daß sich diese Regelung, der bisherigen Einordnung des Depotvertrags als gemischt-typischem Vertrag entsprechend, aus geschäftsbesorgungs- und verwahrungsrechtlichen Elementen zusammensetzen würde. Über eine solche Regelung läßt sich diskutieren, dringender Bedarf für sie besteht aber nicht. Auch ihr Nutzen hielte sich in Grenzen, da sich nicht alle Depotverträge über einen Kamm scheren lassen. Nicht unerhebliche Unterschiede im Hinblick auf ihren Inhalt und ihre Regelungsdichte bestehen insbesondere zwischen den Depotverträgen zwischen der Clearstream Banking AG und den Banken einerseits und den Depotverträgen zwischen den Banken und deren Kunden andererseits. Eine gesetzliche Regelung des Depotvertrags müßte sich daher auf die Ausgestaltung der wesentlichen Vertragspflichten beschränken, während die Festlegung der Details wie schon bisher den Vertragsparteien – und das heißt letztlich: den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG bzw. den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte – überlassen bleiben müßte.

49 

So auch die Legal Certainty Group, Second Advice, S.  52.

§  19  Reformoptionen Auf der Grundlage der vorstehenden Ausgangsüberlegungen kann nunmehr erörtert werden, welche Optionen für eine Reform des Depotrechts zur Verfügung stehen.

I.  Erweiterung des Schuldbuchmodells 1. Grundzüge Einer der ältesten Reformvorschläge geht dahin, das bislang für Schuldtitel der öffentlichen Hand und der Europäischen Zentralbank reservierte Modell der Sammelschuldbuchforderungen auf Effekten privater Emittenten zu erweitern50. In seinen Grundzügen sieht dieser Vorschlag wie folgt aus: Auch für Mitgliedschafts- und Gläubigerrechte privater Emittenten soll gesetzlich festgelegt werden, daß sie durch Eintragung in ein Register begründet werden. In dieses Register, das entweder von der Wertpapiersammelbank, einem Kreditinstitut oder dem Emittenten selbst zu führen wäre51, soll anstelle der materiell Berechtigten die Wertpapiersammelbank als i. S. von §  185 BGB ermächtigte Treuhänderin eingetragen werden. Wie bei den Sammelschuldbuchforderungen wären also die einzelnen Anleger Inhaber der Wertrechte, die Wertpapiersammelbank allerdings zu Verfügungen im eigenen Namen ermächtigt. Im Wege der gesetzlichen Fiktion soll klargestellt werden, daß die eingetragenen Wertrechte als Wertpapiersammelbestand und die Inhaber als Miteigentümer nach Bruchteilen gelten mit der Folge, daß ihre Rechtsstellung vollstreckungs- und insolvenzsicher ausgestaltet ist. Die Übertragung und Verpfändung von Girosammelanteilen soll sich wie im heutigen Schuldbuchgiroverkehr nach sachenrechtlichen Regeln vollziehen. Da es wirtschaftliche oder ideelle Gründe für die Nachfragen von Einzelurkunden geben könne, sollte den Emittenten die Möglichkeit der Einzelver50  Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  125 ff.; ders., WM 1976, 890 ff.; Delorme, Kreditwesen 1980, 604, 610 ff.; Zahn/Kock, WM 1999, 1955 ff.; dem zuneigend auch Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, S.17; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR Rn.  101 (Übergang zu Wertrechten als Option für Emittenten). 51 Insoweit uneins Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.   131 f. (Registerführung durch den Emittenten bei Selbstemission, Registerführung durch die konsortialführende Bank bei Fremd­ emission); Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1965 (Registerführung durch eine Wertpapiersammelbank).

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briefung belassen werden, dies aber nur, um die Verkehrsfähigkeit des Wertpapiers außerhalb der Girosammelverwahrung zu sichern52 .

2. Bewertung Die Umstellung auf ein wertpapierfreies Effektensystem nach dem Vorbild der Sammelschuldbuchforderungen würde die schrittweise Zurückdrängung des Wertpapiers im Bereich der Effekten konsequent zu Ende führen. Sie hätte den Vorteil, daß mit der Emission und der Verwaltung von Sammelschuldbuchforderungen bereits über mehrere Jahrzehnte Erfahrungen gesammelt worden sind und mit dem Bundesschuldenwesengesetz ein in der Praxis erprobtes Regelwerk zur Verfügung steht. Der Effektengiroverkehr könnte aus den bestehenden Strukturen heraus fortentwickelt, das Miteigentumsmodell des Depotgesetzes im Kern beibehalten werden. Auch die tatsächlichen Abläufe im Effektengiroverkehr müßten nicht angepaßt werden. Schuldbuchforderungen der öffentlichen Hand und Effekten privater Emittenten würden einer einheitlichen Rechtskonstruktion unterstellt. Auf die ohnehin nahezu funktionslose Globalurkunde als „geistige Krücke“ könnte verzichtet werden. Im Festhalten an der sachenrechtlichen Konstruktion des Effektengiroverkehrs liegt freilich auch der entscheidende Nachteil dieses Vorschlags. Nur die wenigsten der in dieser Arbeit festgestellten Schwächen dieser Konstruktion würden durch eine vollständige Dematerialisierung nach dem Vorbild der Sammelschuldbuchforderungen behoben werden. Zwar kann man sich auch an einem fingierten Sammelbestand von Aktien „ein Millionstel Miteigentum“ vorstellen, wie diese Vorstellung ja auch bei den staatlichen Sammelschuldbuchforderungen bislang keine Schwierigkeiten bereitet hat53. Es entfiele auch die bei der Dauerglobalurkunde auftretende Notwendigkeit, trotz Fehlens eines Auslieferungsanspruchs einen mittelbaren Mitbesitz des Depotkunden an der Urkunde begründen zu müssen. Der Gesetzgeber müßte nur hinreichend deutlich machen, daß er Sammelschuldbuchforderungen so behandelt wissen will, als ob an ihnen Besitz bestünde. Es blieben aber fast alle jener Probleme, die sich aus der Anwendung der sachenrechtlichen Regeln ergeben. Das gilt insbesondere für die erheblichen Schwierigkeiten bei der Konstruktion der dinglichen Einigung. Weshalb die Befürworter eines wertpapierfreien Effektensystems nach dem Vorbild der Sammelschuldbuchforderungen diese Probleme kaum im Blick haben, ist leicht zu erklären: Sie verstehen ihren Vorschlag in erster Linie als Beitrag zu einer weiteren Rationalisierung des Effektenwesens, nicht als Beitrag zur Lösung jener Regelungsprobleme, die sich aus der Mediatisierung der Wertpapierverwahrung erge52  Zahn/Kock, WM 1999, 1955, 1966; einschränkend Peters, WM 1976, 890, 896, der Emittenten, die ihren Anlegern die Möglichkeit des Erwerbs von einzelverbrieften Effekten offenhalten möchten, auf die Ausgabe einer Globalurkunde verweisen möchte. 53  Nicht den Kern trifft daher m. E. die (freilich im Ergebnis berechtigte) Kritik von Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 182.

§  19  Reformoptionen

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ben54 . Aus heutiger Sicht sind es aber gerade diese Probleme, die einer Lösung bedürfen, während das Problem der Wertpapierflut, das in den 1970er Jahren noch drängend gewesen sein mag, sich mit dem Siegeszug der Globalurkunde erledigt hat. Es ist denn auch kein Zufall, daß das Thema der vollständigen Dematerialisierung bei den Verhandlungen über das Genfer Wertpapierübereinkommen keine Rolle gespielt hat und auch im Rahmen des EU-Projekts Rechtssicherheit nicht behandelt wird. Der Vorschlag einer vollständigen Dematerialisierung des Effektenwesens ist nicht per se ungeeignet, sollte aber von den §§  929 ff. BGB abgekoppelt und mit Regelungen verbunden werden, die auf die Besonderheiten mediatisierter Verwahrsysteme zugeschnitten sind55.

II.  Effektengiroverkehr auf der Grundlage von Globalurkunden 1. Grundzüge In ausdrücklicher Opposition zu dem Vorschlag, das Modell der Sammelschuldbuchforderungen auf private Emissionen auszudehnen, hat Koller Anfang der 1980er Jahre die Empfehlung ausgesprochen, die Figur des Wertrechts gänzlich abzuschaffen und für sämtliche Effekten auf Globalurkunden zurückzugreifen. Die „Wertrechte“ von Bund und Ländern, so Kollers Begründung, seien aus Rationalisierungsgründen zu einer Zeit eingeführt worden, als das Instrument der Sammelurkunde noch unbekannt war. Da aber heute die Sammelurkunde die gleichen Rationalisierungsvorteile biete wie das Wertrecht, sei das „Wertrechtsprivileg“ des Staates nicht länger zu rechtfertigen. Auch ihm sei zuzumuten, bei seinen Emissionen von der Sammel­ urkunde Gebrauch zu machen. So könne auch die fragwürdige Doppelrolle vermieden werden, die der Staat spiele, wenn er einerseits als Schuldner und andererseits als Registerführer auftrete56. Darüber hinaus hat Koller sich dafür ausgesprochen, die depotgesetzlichen Vorschriften über die Sammelverwahrung (§§  5 bis 9a DepotG) in das BGB zu überführen und bei dieser Gelegenheit einige Schwächen dieser Normen zu beseitigen57. Zugrunde liegt diesem Vorschlag Kollers Überzeugung, „daß alle Normen in Sondergesetzen, die die Rechte von Privaten stark tangieren, in das BGB einzufügen sind“58. Um die „weitere Ausbreitung des kostengünstigen Zwangsgiros“ 54 

Das wird besonders deutlich bei Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S.  156. In gleichem Sinne Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn.  2.56. 56  Koller, Wertpapierrecht, S.  1427, 1495 ff., insb. 1499. Man beachte allerdings, daß Koller seine ablehnende Haltung gegenüber der Einführung von Bucheffekten für alle Emittenten dort (auf S.  1499) unter einen Vorbehalt gestellt hat: Die Bemühungen um die Internationalisierung des Effektengiroverkehrs könnten ein anderes Ergebnis rechtfertigen, „zumal, wenn ausländische Rechte in relevantem Umfang Bucheffekten begünstigen sollten“. Siehe zu diesem Argument bereits oben §  18 I 1 b). 57  Koller, Wertpapierrecht, S.  1427, 1499 ff. nebst Gesetzesvorschlag auf S.  1506 ff. 58  Koller, Wertpapierrecht, S.  1427, 1500. 55 

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zu fördern, hat Koller außerdem noch angeregt, den Aktiengesellschaften die Möglichkeit einzuräumen, den Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung der einzelnen Aktienrechte in der Satzung auszuschließen59 – ein Vorschlag, der sich durch die letzte Änderung von §  10 Abs.  5 AktG allerdings erledigt hat.

2. Bewertung Von allen in der Diskussion befindlichen Reformvorschlägen ist dies der konservativste60 und am wenigsten überzeugende. Bedenkt man, daß der Funktionsverlust des Wertpapiers mit der Globalurkunde auf die Spitze getrieben wird, und hält man sich noch einmal vor Augen, zu welchen Behelfslösungen diese „geistige Krücke“ zwingt (Stichwort: „Umbuchungsveranlassungsmacht“ des Depotkunden als funktionales Äquivalent eines Herausgabeanspruchs), erscheint der Gedanke, die Ausgabe von Globalurkunden für sämtliche Emittenten obligatorisch zu machen, schon im Ansatz kontraintuitiv61. Und selbst wenn man sich mit der Aufwertung der Globalurkunde an sich anfreunden würde, bliebe der Einwand, daß auch dieser Vorschlag auf ein Festhalten an der sachenrechtlichen Konstruktion des Effektengiroverkehrs mit all ihren Schwächen hinausläuft und seine Umsetzung daher keinen nennenswerten Beitrag zur Rechtssicherheit leisten würde. Daran ändert auch Kol­ lers Empfehlung einer punktuellen Ausbesserung der §§  5 ff. DepotG nichts. Es ist auch nicht zu erkennen, daß eine Stärkung der Globalurkunde irgendeinen nennenswerten Rationalisierungseffekt hätte. Im übrigen kann auch Kollers Vorschlag einer Überführung der depotgesetzlichen Vorschriften über die Sammelverwahrung in das BGB nicht zugestimmt werden. Eine Herauslösung dieser Vorschriften aus dem DepotG würde Zusammengehöriges auseinanderreißen und der Eigenständigkeit und gestiegenen Komplexität der Materie nicht gerecht62 .

III.  Effektengiroverkehr auf der Grundlage der fiduziarischen Treuhand 1. Grundzüge In ihrer 1995 erschienenen Habilitationsschrift hat Einsele vorgeschlagen, die Miteigentumskonstruktion des Depotgesetzes de lege ferenda durch ein Effektengiromodell auf der Grundlage der fiduziarischen Treuhand (Vollrechtstreuhand) zu ersetzen63. In diesem Modell, das sich an den im Auslandsgeschäft praktizierten Treu59 

Koller, Wertpapierrecht, S.  1427, 1503 f. So auch Kronke, WM 2010, 1625, 1633. 61  Ähnliche Kritik bei Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, §  7 Rn.  10. Eine gewisse Sympathie für Kollers Vorschlag dagegen bei Kümpel, WM 1982, 730, 738. 62  Ablehnend auch Kronke, WM 2010, 1625, 1633. 63  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  561–596; komprimierte Darstellung bei ders., in: 60 

§  19  Reformoptionen

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handgiroverkehr mit WR-Gutschriften anlehnt und weitgehende Ähnlichkeiten mit dem US-amerikanischen System des securities entitlement aufweist, ist die Clear­ stream Banking AG treuhänderische Inhaberin aller in den Effektengiroverkehr einbezogenen Kapitalmarktwerte. Ihre Stellung als fiduziarische Treuhänderin erstreckt sich also sowohl auf sammelverwahrte Wertpapiere als auch auf unverbriefte Sammelschuldbuchforderungen. Die Giroteilnehmer sind im Verhältnis zur Clearstream Banking AG Treugeber und im Verhältnis zu ihren eigenen Depotkunden Treuhänder, die Anleger sind wirtschaftliche Eigentümer der verbuchten Wertpapiere bzw. Wertrechte, nicht Miteigentümer im sachenrechtlichen Sinn. Zwischen Anleger und Emittent besteht somit in diesem Modell keine unmittelbare rechtliche Beziehung. Auf allen Ebenen der Verwahrpyramide beschränkt sich die Rechtsstellung des Depotkunden zumindest im Grundsatz auf ein Bündel von Ansprüchen gegen den kontoführenden Intermediär64 . So hat jeder Depotkunde aus dem Treuhandverhältnis einen Anspruch auf Vorhaltung eines ausreichenden Deckungsbestandes. Des weiteren hat er das Recht, über seine Depotwerte zu verfügen, die daraus fließenden Erträge (Zinsen, Dividenden) gutgeschrieben zu bekommen und über die Ausübung aller sonstigen mit diesen Werten verbundenen Rechte zu entscheiden. Das Bündel von Ansprüchen umfaßt schließlich auch das Recht auf Auslieferung von Einzelurkunden, sofern dieses Recht nicht nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ausgeschlossen ist. Im übrigen hat der Treuhandvertrag – ähnlich wie der bisherige Depotvertrag – Verwaltungspflichten und, sofern noch Urkunden vorhanden sind, auch Verwahrungspflichten zum Inhalt65. Die Übertragung der Rechte aus dem Treuhandverhältnis vollzieht sich in Einseles Modell in Anlehnung an die Grundsätze über die Giroüberweisung. In der Depotgutschrift ist demnach ein abstraktes Schuldanerkenntnis zu sehen, das von der Depotbank im Rahmen eines durch den Treuhandvertrag begründeten Dauerschuldverhältnisses, das eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat, abgegeben wird und gemäß §  350 HGB formlos gültig ist. Ebenso wie bei der WR-Gutschrift hat man es also nicht mit einer Rechtsübertragung im technischen Sinn zu tun. Eine Depotgutschrift hat vielmehr den originären Erwerb von Rechten gegen den kontoführenden Intermediär, eine Belastungsbuchung das Erlöschen dieser Rechte zur Folge. Das schwierige Problem des gutgläubigen Erwerbs stellt sich bei dieser Konstruktion nicht, da der wirksame Rechtserwerb nicht davon abhängt, ob der veräußernde Anleger Rechtsinhaber oder dessen Depotbank zur Verfügung über den Effektenbestand befugt war. Es entfällt auch die Notwendigkeit, nach einem geeigneten RechtsscheinBaums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 14 ff.; siehe ferner die kurzen Bemerkungen bei MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  120; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht, §  9 Rn.  92/93; dies., RIW 1997, 269, 273 f.; dies., WM 2000, 7, 13; dies., WM 2005, 1109, 1114 ff.; dies., Unif. L. Rev. 2005, 251, 257 ff. 64  Zu den von Einsele für notwendig gehaltenen Einschränkungen siehe sogleich im Text. 65  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  563; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 15.

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träger Ausschau zu halten. Den natürlich auch in diesem Modell notwendigen Schutz des Rechtsverkehrs möchte Einsele durch einen den §§  932 BGB, 366 HGB funktionell entsprechenden Einwendungsausschluß erreichen: Aufgrund der Einordnung der Depotgutschrift als abstraktes Schuldanerkenntnis soll der kontoführende Intermediär dem Depotkunden weder Einwendungen aus dem Treuhandverhältnis (Dekkungs­verhältnis) noch Einwendungen aus dem Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Depotkunden (Valutaverhältnis) entgegenhalten dürfen. Nach Einseles Einschätzung geht der Verkehrsschutz durch Einwendungsausschluß sogar noch über die §§  932, 366 HGB hinaus. Jedenfalls soll es für die Wirksamkeit des Schuld­ anerkenntnisses nicht darauf ankommen, ob der Intermediär die Werte selbst schon erhalten hat. Der Käufer im Effektengiroverkehr sei mangels Einblick in die Buchungsabläufe auch dann schutzwürdig, wenn der Gutschrift auf seinem Depotkonto keine belastende Gegenbuchung gegenübersteht66. Die Verpfändung der Kundenwerte vollzieht sich nach §  1274 Abs.  1 Satz  1 BGB, d. h. durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer. Die gemäß §  1280 BGB für die Wirksamkeit der Verpfändung erforderliche Anzeige an den Schuldner soll entbehrlich sein, soweit es um eine Verpfändung an den kontoführenden oder einen höherstufigen Intermediär geht67. Was den Schutz der Depotkunden in der Insolvenz des Intermediärs anbelangt, lehnt Einsele das von der Rechtsprechung vertretene Unmittelbarkeitsprinzip, wonach eine Treuhand im Rechtssinne und damit auch ein Aussonderungsrecht des Treugebers gemäß §  47 InsO grundsätzlich nur dann besteht, wenn das Treugut unmittelbar aus den Händen des Treugebers in die Hände des Treuhänders gelangt ist, aus rechtsdogmatischen Gründen ab. Da die Rechtsprechung von diesem Prinzip jedoch bislang nicht abgerückt ist, hält Einsele eine gesetzliche Absicherung des Treuhandmodells in Form einer ausdrücklichen Anerkennung des Treuhandcharakters der für die Kunden gehaltenen Werte für erforderlich68. Da den Depotkunden nur Ansprüche gegen ihren Intermediär, nicht aber (Mit-)Eigentumsrechte an den underlyings zustehen, ist im übrigen klar, daß sich der Insolvenzschutz auf die vom Intermediär gehaltenen Bestände beschränkt. Er reicht also nur so weit, wie die Guthaben der Depotkunden durch Guthaben des Intermediärs auf übergeordneter Ebene abgedeckt sind. Das damit im Raum stehende Problem einer Unterdeckung möchte Einsele durch eine Verpflichtung des Intermediärs lösen, einen etwaigen Fehlbestand unmittelbar durch Erwerb einer entsprechenden Anzahl von Rechten auszugleichen. Im übrigen sollen Eigenbestände des Intermediärs den Kunden zugewiesen werden, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist69. 66  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  565; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 18. 67  Einsele, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 20. 68  Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.   562 f.; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 16 f. 69  Einsele, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 19.

§  19  Reformoptionen

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Zum genauen Verständnis des Treuhandmodells ist noch kurz zu skizzieren, wie Einsele sich die Ausübung der Rechte aus den verbuchten Kapitalmarktwerten vorstellt. Wie bereits erwähnt, ist für dieses Modell charakteristisch, daß der Zentralverwahrer fiduziarischer Inhaber der von ihm verwalteten Wertpapiere bzw. Wertrechte wird. Folglich stehen die damit verbundenen Rechte grundsätzlich ihm zu; er ist Aktionär bzw. Gläubiger. Nun läßt sich aus der Treuhänderstellung des Zentralverwahrers sicherlich dessen Verpflichtung ableiten, diese Rechte im Interesse des Treugebers und damit letztlich im Interesse des wirtschaftlich berechtigten Endinvestors auszuüben70. Wie auch Einsele einräumt, kann der Endinvestor jedoch ein Interesse daran haben, „seine“ Rechte, insbesondere das Aktionärsstimmrecht in der Hauptversammlung, selbst ausüben zu können, während die Intermediäre ein Interesse daran haben können, bestimmte Anlegerrechte nicht selbst wahrnehmen zu müssen. Man denke etwa an den Fall, daß ein Anleiheemittent in Zahlungsschwierigkeiten gerät und zum Fälligkeitszeitpunkt nicht zur Bedienung der Anleihe in der Lage ist (Stichwort: Argentinien-Anleihen). Im Treuhandmodell wäre es strenggenommen der Zentralverwahrer, der den Emittenten auf Zahlung verklagen müßte – ein Ergebnis, das in der Regel weder vom Zentralverwahrer noch von den Endinvestoren gewollt sein dürfte. Einsele hält es daher für sach- und interessengerecht, dem Endinvestor die Möglichkeit der Rechtsausübung im eigenen Namen einzuräumen, sei es durch gesetzliche Regelung oder rechtsgeschäftliche Vereinbarung. Das gesellschaftsrechtliche Abspaltungsverbot stünde einer solchen Zuweisung von Mitgliedschaftsrechten an den Treugeber nicht entgegen71.

2. Bewertung Einseles Treuhandmodell zählt zu den detailliertesten und wegen seines radikalen Bruchs mit der tradierten Miteigentumskonstruktion auch innovativsten Reformvorschlägen der jüngsten Zeit. Es nimmt für sich in Anspruch, den beiden Hauptanforderungen an ein modernes Depotrecht (interne Zuverlässigkeit und internationale Kompatibilität) zu genügen und ohne Einschränkung mit dem Genfer Wertpapierübereinkommen kompatibel zu sein72 . In der Diskussion über die Modernisierung des Depotrechts hat dieses Modell bislang jedoch nur vereinzelt Unterstützung gefunden73. Der geringe Zuspruch dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, daß der Vorschlag, das „solide“ sachenrechtliche Miteigentum durch eine Art wirtschaftliches Eigentum zu ersetzen, bei vielen Unbehagen verursacht. Ein grundsätzlicher 70 

Einsele, in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 24. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  572 ff.; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 24 ff. 72  Zum Aspekt der internationalen Kompatibilität siehe Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S.  591 ff.; dies., in: Baums/Cahn (Hrsg.), Die Zukunft des Clearing und Settlement, S.  3, 27; zur Vereinbarkeit mit dem GWpÜ siehe MünchKomm-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn.  120a ff.; dies., Unif. L. Rev. 2005-1/2, 251, 259 ff. 73  Risch, Genfer Wertpapierkonvention, S.  332 ff. 71 

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konzeptioneller Einwand gegen Einseles Vorschlag geht denn auch dahin, er greife mit der fiduziarischen Treuhand auf ein Rechtsinstitut zurück, das hierzulande noch nicht hinreichend rezipiert und Gegenstand zahlreicher dogmatischer Streitigkeiten sei74 . Dieser Einwand trifft in der Tat einen der neuralgischen Punkte des Treuhandmodells. Trotz unverkennbarer Fortschritte in der dogmatischen Durchdringung der Vollrechtstreuhand kann von einem voll ausgebildeten, in seinen wesentlichen Einzelheiten geklärten Rechtsinstitut keine Rede sein75. Die noch andauernde Diskussion über das von der Rechtsprechung vertretene Unmittelbarkeitsprinzip belegt das ebenso deutlich wie die Kontroverse darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen vertragswidrige Verfügungen des Treuhänders über das Treugut gegenüber dem Treugeber unwirksam sind76. Mit derartigen Unklarheiten dürfte die auf ein hohes Maß an Rechtssicherheit angewiesene mediatisierte Wertpapierverwahrung auf keinen Fall belastet werden. Nun darf man freilich nicht übersehen, daß Einsele eine gesetzliche Abstützung des Treuhandmodells für erforderlich hält, namentlich was den Schutz des Depotkunden in der Insolvenz des Intermediärs betrifft77. Auf eine gesetzliche Abstützung könnte in der Tat nicht verzichtet werden. Diese müßte so umfassend wie möglich ausfallen und neben dem Aspekt des Insolvenzschutzes vor allem auch die verschiedenen Pflichten des Intermediärs regeln. Der Einwand der mangelnden Rezeption der Vollrechtstreuhand ließe sich so weitgehend entkräften. Mit Einseles Treuhandmodell müßte allerdings Abschied von der das deutsche Depotrecht bislang beherrschenden Vorstellung genommen werden, daß die in das Verwahrsystem eingebrachten Werte rechtlich den Anlegern gehören und zwischen dem Anleger und dem Emittenten eine unmittelbare rechtliche Beziehung besteht. Um den Anleger gleichwohl in die Lage zu versetzen, die Rechte aus den Wertpapieren im eigenen Namen auszuüben, müßte durch entsprechende gesetzliche und vertragliche Regelungen klargestellt werden, daß die Zuständigkeit zur Ausübung dieser Rechte letztlich bei ihm und nicht bei der Clearstream Banking AG liegt. Der damit verbundene Aufwand wäre beträchtlich, müßte doch letztlich überall dort, wo es um den „Aktionär“ oder „Gläubiger“ geht, festgelegt werden, daß der Treugeber und nicht der Treuhänder gemeint ist. Man muß sich daher fragen, ob es wirklich notwendig ist, die wirtschaftliche und die rechtliche Betrachtung im Effektengiroverkehr in der von Einsele vorgeschlagenen Weise auseinanderfallen zu lassen78. Zwar hätte die Einführung ihres Modells den Vorteil, daß die Inlands- und die Auslandsverwah74 

Wust, Verbuchung, S.  451; Kronke, WM 2010, 1625, 1634. das deutliche Urteil von Wieling, Sachenrecht, S.  819 ff. sowie das Fazit bei Geibel, Treuhandrecht, S.  79. 76  Die Grundsätze über den Mißbrauch der Vertretungsmacht sind nach h. M. nicht entsprechend auf die Vollrechtstreuhand anwendbar; siehe MünchKomm-BGB/Schubert, §  164 Rn.  55 m. w. N. 77 Unberechtigt ist die Kritik von Lehmann, Finanzinstrumente, S.   394, der Einseles Modell verwirft, weil es dem Anleger angeblich einen eigentumsgleichen Schutz seiner Depotwerte versagt. 78  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  257; siehe ferner die Kritik von Beckmann, Reformbedarf, S.  165 f. 75 Siehe

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rung von Wertpapieren mit einem einzigen Rechtsinstitut erfaßt und einheitlichen Regelungen unterstellt würden79. Es spricht, wie hier nicht noch einmal begründet zu werden braucht, auch viel dafür, die Übertragungsvorgänge im Effektengiroverkehr von den §§  929 ff. BGB abzulösen und in Anlehnung an die Grundsätze der Geldüberweisung zu konstruieren. Wirtschaftlich betrachtet liegen die Werte ohnehin nicht in Form von Urkunden im Tresor der Wertpapiersammelbank, sondern in Form von Gutschriften auf den Depotkonten der Kunden. Die Kompliziertheit des Treuhandmodells im Hinblick auf die Zuweisung der Rechte aus den Wertpapieren legt es allerdings nahe, nach einem Modell zu suchen, das ebenfalls die Schwächen der bisherigen Miteigentumskonstruktion vermeidet, ohne aber mit der dieser Konstruktion zugrundeliegenden Annahme einer direkten Rechtsbeziehung zwischen Anleger und Emittent prinzipiell zu brechen. Das gilt umso mehr, als die Clearstream Banking AG eine so weitgehende Rechtsposition wie die Inhaberschaft an den Effekten auch gar nicht benötigt, um ihre Aufgaben zu erfüllen80.

IV.  Übernahme des schweizerischen Bucheffektenmodells Vor diesem Hintergrund stellt eine Übernahme des schweizerischen Bucheffektenmodells eine echte Reformoption dar81. Wie bereits dargelegt, liegt der besondere Charme dieses Modells in seinem pragmatischen Ansatz: Es hat nicht mit den hergebrachten Emissionspraktiken und Verwahrungskonzepten gebrochen, sondern überlagert sie mit neuen Bestimmungen, in deren Zentrum die Bucheffekte als neuartiges Vermögensobjekt sui generis steht und die unabhängig davon gelten, ob das verbuchte Recht – die Bucheffekte – mit sammelverwahrten Wertpapieren, Global­ urkunden oder Wertrechten unterlegt ist. Auf tiefe Eingriffe in das Wertpapier-, Sachen- und Gesellschaftsrecht konnte dank dieses Ansatzes verzichtet werden82 . Auch die praktischen Abläufe der Wertpapierverwahrung und der Abwicklung von Effektengeschäften konnten beibehalten werden. Allerdings hat die Analyse des Bucheffektengesetzes auch eine Reihe konzeptioneller Unstimmigkeiten und Unklarheiten zutage gefördert. Zwar besteht kein Zweifel daran, daß das Bucheffektengesetz an der Vorstellung einer unmittelbaren rechtlichen Beziehung zwischen Anleger und Emit79 Schon Opitz (DepotG, §  4 2 Anm.  11) hat mit Blick auf den internationalen Effektenverkehr die Einschätzung abgegeben, dass man unter Einsatz der Treuhand möglicherweise zu einem internationalen Depotrecht gelangen könnte. 80  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  257. 81  Für eine Anlehnung an das BEG Beckmann, Reformbedarf, S.  179 und öfter; Hanten, Bucheffektengesetz, S.  202. Sympathien für diese Lösung auch bei Wust, Verbuchung, S.  452; Kronke, WM 2010, 1625, 1635; Bundesministerium der Justiz, Eckpunktepapier zur Reform des Depotrechts vom 29. Mai 2008, Punkt 2. 82  Vgl. auch Peter V. Kunz, in: Emmenegger (Hrsg.), Anlagerecht, S.  25, 37 (keine Änderung des materiellen Wertpapierbegriffs).

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tent festhält. Ungeklärt ist jedoch, welche Auswirkungen die Entstehung von Bucheffekten auf die ursprüngliche Verknüpfung von Recht und Urkunde sowie auf die Rechte der Hinterleger an den von ihnen eingebrachten Urkunden hat, mag es sich dabei auch um ein theoretisches Randproblem ohne praktische Relevanz handeln. Schwerer wiegt, daß das Gesetz keine eindeutige Aussage zu der Frage trifft, ob ein Anleger, dem nach Art.  24 Abs.  1 BEG Bucheffekten gutgeschrieben werden, diese unmittelbar vom bisherigen Rechtsinhaber erwirbt oder ob auf seiten der eingeschalteten Intermediäre ein Zwischenerwerb stattfindet, und wie ein (derivativer) Direkt­ erwerb des Anlegers ggf. zu konstruieren ist.

V.  Wertpapierfreies Bucheffektenmodell Dieser Befund legt es nahe, noch einen Schritt weiter zu gehen und über die Umstellung auf ein vollständig dematerialisiertes Effektengirosystem nachzudenken. Wie ein solches System aussehen könnte, soll im folgenden skizziert werden. Der hier unterbreitete Vorschlag eines wertpapierfreien Bucheffektenmodells lehnt sich zum einen an das schweizerische Bucheffektengesetz und zum anderen an Lehmanns Vorschlag eines Rechts der Finanzinstrumente an83, weist aber auch eine Reihe von Eigenheiten auf.

1. Hauptmerkmale Auch das hier vorgeschlagene Bucheffektenmodell basiert auf der Überzeugung, daß Kapitalmarktwerte, sobald sie auf Depotkonten verbucht werden, nach speziellen, vom allgemeinen Sachenrecht abgekoppelten Regelungen behandelt werden sollten, in deren Zentrum die Depotgutschrift steht84 . Es geht allerdings insofern über das schweizerische Modell hinaus, als es eine vollständige Dematerialisierung der Effekten vorsieht. Aktien, Schuldverschreibungen und sonstige vertretbare Kapitalmarkttitel können nur noch in unverbriefter Form in das Effektengirosystem eingebracht werden85. De lege ferenda könnte den Emittenten zwar die Möglichkeit belassen werden, ihren Aktionären bzw. Gläubigern einen Anspruch auf Aushändigung von 83  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  228 ff., 281 ff.; ausführlicher zu diesem Vorschlag im Text, insbesondere unter 2 a), 4 b) und 10. Siehe auch die mit Lehmanns Vorschlag weitgehend übereinstimmenden Überlegungen von Chun, Cross-Border Transactions, S.  436 ff. 84 Insoweit übereinstimmend (bezogen auf „Finanzinstrumente“) Lehmann, Finanzinstrumente, S.  416 ff. 85  Insoweit nicht ganz klar Chun, Cross-Border Transactions, S.  438. Zu defensiv das Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des Depotrechts vom 29. Mai 2008, Punkt 8, in dem zur Diskussion gestellt wird, „ob den Emittenten ein Wahlrecht eingeräumt werden sollte, auf die Ausgabe von Urkunden zu verzichten.“; ferner Beckmann, Reformbedarf, S.  179, der ein Sy­ stem mit fakultativer Dematerialisierung vorschlägt, dessen Ausgestaltung sich im BEG orientiert.

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Wertpapieren über ihren jeweiligen Anteil einzuräumen. Damit würde aber nur dem Interesse der Anleger Rechnung getragen, einem „Zwangsgiro“ zu entgehen und ihre Werte außerhalb des Effektengirosystems halten zu können. Eine Übernahme der Urkunden in das Effektengirosystem wäre ausgeschlossen. Ein dringendes rechtspolitisches Bedürfnis für die Möglichkeit der Ausgabe effektiver Stücke ist allerdings nicht mehr zu sehen86. Davon abgesehen ist auch an dieser Stelle auf Art.  3 Abs.  1 CSDR hinzuweisen, der gewährleisten soll, daß bei einer auf geregelten Handelsplätzen i. S. der MiFID II und MiFIR gehandelten bzw. zum Handel zugelassenen Emission sämtliche Titel auf Depotkonten erfaßt sind. Auch in einem vollständig dematerialisierten Effektengirosystem könnte an dem Grundsatz, daß der Anleger selbst Träger der Rechte gegenüber dem Emittenten ist, festgehalten werden87. Ein Übergang zu einem indirekten Verwahrsystem, in dem die Rechtsträgerschaft an den unverbrieften Effekten einem in die Buchungskette eingegliederten Intermediär (z. B. der Clearstream Banking AG) zugewiesen ist und sich die Rechtsstellung des Anlegers im Grundsatz in Ansprüchen gegen seinen Intermediär erschöpft, ist weder notwendig noch empfehlenswert. Die Rechte und Pflichten des Anlegers aus den unverbrieften Effekten würden sich wie bisher nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis richten, d. h. der Satzung bzw. den Emissionsbedingungen sowie den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Desgleichen könnte die bewährte Unterteilung in Inhaber- und Namensaktien beibehalten werden88. Schon im geltenden Miteigentumskonzept sind die Unterschiede zwischen diesen Aktienarten bezüglich Übertragung und Verkehrsschutz ja weitgehend dadurch eingeebnet worden, daß Namensaktien nur unter der Voraussetzung als sammelverwahrfähig betrachtet werden, daß sie mit einem Blankoindossament versehen sind und somit wie Inhaberpapiere übertragen werden können. In einem dematerialisierten System beschränkt sich die Bedeutung der Unterscheidung auf die Frage, ob sich die Namen der Aktionäre ausschließlich aus den Depoteinträgen der Verwahrer ergeben oder die Gesellschaft auch ein Aktienregister zu führen hat. Schließlich müßte auch an den Regelungen über die vinkulierte Namensaktie (vgl. §  68 Abs.  2 AktG) nichts geändert werden. Alles in allem würde eine Umstellung auf ein vollkommen wertpapierfreies Effektengirosystem nur wenige Eingriffe in das Aktienrecht erfordern89.

2.  Die Bucheffekte als neuartiges Vermögensobjekt sui generis In einem Effektengirosystem, in dem keine Urkunden mehr existieren und das Prinzip einer unmittelbaren rechtlichen Beziehung zwischen Anleger und Emittent beibehalten werden soll, müssen die verbuchten Titel als solche zu einer auch gegenüber 86 

Dazu bereits oben §  18 I 2. Auch insoweit übereinstimmend der Ansatz von Lehmann, Finanzinstrumente, S.  281 ff. 88  Chun, Cross-Border Transactions, S.  437. 89  Zur gesetzestechnischen Umsetzung noch unter 10. 87 

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Dritten wirksamen Rechtsposition mit bestimmten dinglichen Eigenschaften aufgewertet werden. a) Begriff Auf diese Forderung läuft auch Lehmanns Konzept des „Finanzinstruments“ hinaus. Auf der Grundlage einer umfassenden Kritik der geltenden Miteigentumskonstruktion schlägt er vor, für die am Finanzmarkt gehandelten Produkte ein eigenständiges Vermögensrecht zu schaffen, welches neben den Regelungen über Rechte an Sachen auch solche über Rechte an unkörperlichen Vermögensgegenständen enthält. Da die Regelungen des Wertpapierrechts nicht mehr zur Realität des modernen Effektenverkehrs paßten, müßten die Kapitalmarktinstrumente radikal von den Wertpapieren des Zahlungsverkehrs und Güterumlaufs getrennt werden. Erst von diesem Fundament aus könne man eigene, angemessene Regeln über ihre Entstehung, Übertragung und Einlösung aufstellen. Eine solche Trennung lasse sich dogmatisch bewerkstelligen, indem man die am Finanzmarkt gehandelten Produkte selbst als Vermögensgegenstände anerkennt, ohne daß es auf die Verbriefung in einer Urkunde ankommt. Es bedürfe daher der Einführung einer neuen Rechtsfigur in das Zivilrecht, des „Finanzinstruments“90. Darunter sollten alle handelbaren Vermögenswerte verstanden werden, die umlauffähig und vertretbar sind, massenhaft begeben werden und sich in Clearing- und Settlementsysteme einbeziehen lassen91. Das Merkmal „einbeziehen lassen“ ist wörtlich zu nehmen, denn nach Lehmanns Verständnis ist der Begriff „Finanzinstrument“ nicht auf Kapitalmarktprodukte beschränkt, die tatsächlich in das Clearing und Settlement einbezogen sind. Vielmehr will Lehmann, nach dessen Auffassung den Emittenten die Möglichkeit der Einzelverbriefung belassen werden sollte, auch die an Anleger herausgegebenen effektiven Stücke als „Finanzinstrumente“ qualifizieren, wobei sich deren Übertragung weiterhin nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen richten soll. Das störe die Entmaterialisierungsbemühungen aber nicht. Worauf es ankomme, sei allein, daß die Einzelverbriefung nicht mehr unentbehrlich ist für die Existenz des Finanzinstruments. Sie werde zum Spezialfall92 . Hier wird stattdessen vorgeschlagen, die Rechtsposition, die der Anleger mit der Depotgutschrift erwirbt, in Anlehnung an das schweizerische Recht als „Bucheffekte“ zu bezeichnen93. Denn es ist diese aus der Gutschrift resultierende Rechtsposition, die nach eigenständigen Regelungen verlangt, und deshalb sollte für sie auch ein eigenständiger Begriff gefunden werden, der genauer als der Begriff „Finanzinstrument“ zum Ausdruck bringt, worum es geht: um Effekten, die (ausschließlich) in Form von Buchungen auf Depotkonten gehalten werden. Eben dies ist ja der Grund 90 

Lehmann, Finanzinstrumente, S.  283. zu den Merkmalen des „Finanzinstruments“ Lehmann, Finanzinstrumente, S.  304 ff. 92  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  319 und 509 f. 93 Ähnlich Chun, Cross-Border Transactions, S.   438, der den Begriff „Kontoeffekten“ („ac­ count securities“) vorschlägt. 91 Ausführlich

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dafür, weshalb das Genfer Wertpapierübereinkommen sorgfältig zwischen securities und intermediated securities unterscheidet. Während es unter securities Aktien, Schuldverschreibungen oder andere Finanzinstrumente versteht, die einem Depotkonto gutschrieben und nach den Bestimmungen des Übereinkommens erworben und zum Gegenstand von Verfügungen gemacht werden können, bezeichnet es mit dem Begriff intermediated securities (= Bucheffekten94) die aus der Gutschrift folgende Berechtigung des Kontoinhabers an oder in bezug auf securities95. Entgegen Lehmann ist die Wahl des Begriffs „Finanzinstrument“ auch nicht mit Rücksicht auf das europäische Recht erforderlich. Jedenfalls spricht wenig für die Annahme, daß dieser Begriff im Zentrum eines künftigen Rechtsakts zum Wertpapierrecht stehen wird. Die bisherigen Vorarbeiten deuten eher darauf hin, daß die Rechtsposition des Kontoinhabers mit dem Begriff „book-entry securities“ oder „account-held securities“ belegt werden wird96. Der Begriff „Finanzinstrument“ ist im europäischen Recht bislang immer weiter als von Lehmann verstanden worden, nämlich als Sammelbezeichnung für übertragbare Wertpapiere (= Effekten), Geldmarktinstrumente, Anteile an Investmentvermögen und Derivatkontrakte. Daran hat sich auch durch die MiFID II nichts geändert97. Bei der Definition des Begriffs „Bucheffekten“ könnte sich der Gesetzgeber an Art.  3 Abs.  1 BEG orientieren. Danach sind „Bucheffekten“ vertretbare Forderungsoder Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten, die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind und über welche die Kontoinhaber nach den Vorschriften des Bucheffektengesetzes verfügen können. Diese Definition ist wie jene in Art.  1(a) GWpÜ so weit und flexibel, daß sie neben Aktien und Schuldverschreibungen auch sonstige vertretbare Finanzinstrumente umfaßt, die der Verbuchung und Übertragung auf Depotkonten fähig sind. Auf die Zulassung zum Börsenhandel kommt es nicht an98. b)  Rechtliche Einordnung Auch im Hinblick auf die rechtliche Ausgestaltung der „Bucheffekte“ könnte das schweizerische Bucheffektengesetz als Vorbild dienen. Auch die „Bucheffekte“ deutscher Prägung könnte als neuartiges Vermögensobjekt sui generis konzipiert werden, das alle Merkmale eines Wertpapiers aufweist, ohne eine körperliche Dimension zu haben und damit Sache im Sinne der deutschen Privatrechtsordnung zu 94  Daß die Begriffe „intermediated securities“ und „Bucheffekten“ („book-entry securities“) aus schweizerischer Sicht gleichbedeutend sind, betont FISA & HSC Commentary/Thévenoz, Art.  3 FISA Rn.  8. 95  Art.  1(a) und (b) GWpÜ. 96 Siehe demgegenüber Lehmann, Finanzinstrumente, S.   287, der meint, es bedürfe „keiner hellseherischen Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass bei einer umfassenden Regelung der zivilrechtlichen Aspekte des Clearing und Settlement durch die Gemeinschaft der umfassendere Begriff des ‚Finanzinstruments‘ und nicht der enge Ausdruck ‚Wertpapier‘ Verwendung finden wird“. 97  Siehe Art.  4 Abs.  1 Nr.  15 i. V. m. Anhang I Abschnitt C MiFID II. 98  FISA & HSC Commentary/Thévenoz, Art.  3 FISA Rn.  41; für den Begriff des „Finanzinstruments“ auch Lehmann, Finanzinstrumente, S.  318 f.

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sein99. Es entfällt allerdings die für das schweizerische Modell charakteristische Unterscheidung zwischen Bucheffekten einerseits und den als Unterlage dienenden sammelverwahrten Wertpapieren, Globalurkunden oder Wertrechten andererseits. Denn in dem hier vorgeschlagenen Modell sind es die in das Effektengirosystem eingebrachten Aktien, Anleihen oder anderen Kapitalmarktwerte selbst, die durch Depotgutschriften repräsentiert und deshalb „Bucheffekten“ genannt werden. Die „Aktie“ (im Sinne der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft) ist mit anderen Worten mit der „Bucheffekte“ identisch. Damit erspart man sich das Problem, erklären zu müssen, welche Auswirkungen die Entstehung von Bucheffekten auf die Rechte der Hinterleger an den von ihnen eingebrachten Wertpapieren bzw. Wertrechten hat. Der Annahme, diese Rechte würden für die Dauer der mediatisierten Wertpapierverwahrung „suspendiert“, bedarf es nicht. Und man braucht auch nicht zu der gekünstelt wirkenden Annahme zu greifen, daß bei der Übertragung von Bucheffekten die „suspendierten“ Rechte an den underlyings kraft Gesetzes mitlaufen. In der Konsequenz dieser Überlegungen liegt es, daß die Intermediäre hinsichtlich der für ihre Kunden gehaltenen (Fremd-)Bestände nicht selbst Rechtsträger sind, sondern die betreffenden Rechte gegenüber dem Emittenten nur vermitteln. Wie im schweizerischen Recht werden Bucheffekten zwar durch Gutschriften auf den einzelnen Ebenen der Verwahrpyramide repräsentiert, rechtszuständig ist aber nur der jeweilige Anleger am Ende der Buchungskette. Nur er ist der materiell berechtigte Gläubiger bzw. Aktionär. Pro Buchungskette besteht nur eine einzige materielle Rechtsposition „Bucheffekte“. Auf die Vorstellung, dem Anleger stehe ein anteiliges Eigentumsrecht an einem von einem Intermediär gehaltenen Sammelbestand zu, ist dieses Modell nicht länger angewiesen, denn das Eigentum des Anlegers „liegt“ in Form einer Gutschrift auf seinem Depotkonto. Zudem könnte durch die Anerkennung der „Bucheffekte“ als neuartiges Vermögensobjekt der gesamte besitzrechtliche Ballast, den das deutsche Recht seit Jahrzehnten mitschleppt, abgeworfen werden. Die Depotbanken könnten hinsichtlich der bei ihnen verbuchten Kundenbestände als das betrachtet werden, was sie der Sache nach schon heute sind, nämlich als bloße Verwalter der Depotwerte100. Damit ist jedoch noch nicht erklärt, weshalb es der Aufwertung der Bucheffekte zu einem Vermögensobjekt mit bestimmten dinglichen Eigenschaften bedarf. Die Botschaft zum Bucheffektengesetz begründet die Einordnung der Bucheffekte als Vermögensgegenstand sui generis mit der in Art.  3 Abs.  2 BEG angeordneten Drittwirkung, derzufolge die Bucheffekte der Verwahrungsstelle und jedem Dritten gegenüber wirksam und dem Zugriff der weiteren Gläubiger der Verwahrungsstelle entzogen ist101. Zobl/Gericke kritisieren diese Begründung als „in dogmatischer 99  Formulierung in Anlehnung an die Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9345. 100  Chun, Cross-Border Transactions, S.  438; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  378. 101  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9345.

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Hinsicht unzutreffend“. Sie weisen darauf hin, daß eine Bucheffekte auch dann dem Zugriff der Gläubiger der Verwahrungsstelle entzogen wäre, wenn sie als rein obligatorisches Recht qualifiziert würde102 . Das ist im Prinzip richtig, da die Bucheffekte, verstanden als vertretbares Forderungs- oder Mitgliedschaftsrecht gegenüber dem Emittenten, einzig und allein dem Anleger und nicht der Verwahrungsstelle zusteht. Gleichwohl sollte auf eine Art.  3 Abs.  2 BEG entsprechende „Verdinglichung“ der Buch­effekte nicht verzichtet werden. Denn die hier interessierenden vertretbaren Forderungs- und Mitgliedschaftsrechte unterscheiden sich von schlichten schuldrechtlichen Forderungen durch ihre Verbuchung in einem mehrstufigen System von Finanz­intermediären. Sie sind damit in besonderem Maße anfällig, Gegenstand fremder Ansprüche zu werden. Dies macht eine absolute Zuordnung der Rechte zum Vermögen der Anleger in dem Sinne erforderlich, daß diese sich gegen Zugriffe von Gläubigern des depotführenden Verwahrers und sonstiger Dritter zur Wehr setzen können103. Von einer „Verdinglichung“ der Bucheffekte kann man auch in dem Sinne sprechen, daß sie zum Schutz des Rechtsverkehrs mit der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs ausgestattet werden muß, der bei obligatorischen Rechten grundsätzlich ausgeschlossen ist104 .

3.  Entstehung von Bucheffekten Das führt zu der Frage, wie vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber einem Emittenten zu Bucheffekten werden. Dazu sind in Anlehnung an Art.  6 BEG zwei Schritte erforderlich: Sie müssen erstens bei einem Zentralverwahrer „hinterlegt“ und zweitens auf einem oder mehreren Depotkonten verbucht werden. Da das hier vorgeschlagene Modell ohne Wertpapiere auszukommen versucht, kommt nur eine „Hinterlegung“ in unverbriefter Form in Betracht. Um klären zu können, wie eine solche „Hinterlegung“ aussehen könnte, muß zunächst die für einen Umstieg auf ein wertpapierfreies Effektengirosystem wesentliche (Vor-)Frage beantwortet werden, wie unverbriefte Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte begründet werden und wie ihre Begründung gegenüber dem Zentralverwahrer nachgewiesen werden kann. a)  Vorfrage: Entstehung unverbriefter Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte In der Schweiz wurden die im Bereich der unverbrieften Effekten (Wertrechte) bestehenden Rechtsunsicherheiten durch den neuen Art.  973c OR zumindest teilweise 102  Zobl/Gericke, in: Zobl/Hess/Schott (Hrsg.), BEG-Kommentar, Systematischer Teil BEG Rn.  4 4. 103  In diesem Sinne wohl auch FISA & HSC Commentary/Thévenoz, Art.   3 BEG Rn.  4 4 und Steiner, Besicherung, S.  45 f. 104  Insoweit auch Zobl/Gericke, in: Zobl/Hess/Schott (Hrsg.), BEG-Kommentar, Systematischer Teil BEG Rn.  4 4.

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beseitigt105. Diese Vorschrift erlegt in Abs.  2 dem Schuldner (Emittenten) die Pflicht auf, über die von ihm ausgegebenen Wertrechte ein (nicht öffentliches) Buch zu führen, in das die Anzahl und Stückelung der Wertrechte sowie die Gläubiger einzutragen sind. Nach Art.  973c Abs.  3 OR wirkt die Eintragung konstitutiv; die Wertrechte ent- und bestehen nur nach Maßgabe der Eintragung. Nach herrschender Lehre und Praxis hat das Wertrechtebuch allerdings nicht die Aufgabe, stets die aktuellen Aktionäre bzw. Gläubiger zu verzeichnen. Eingetragen werden nur die ersten Gläubiger, d. h. die ersten Nehmer der Wertrechte. Bei Aktienemissionen sind dies diejenigen Personen, die den Zeichnungsschein unterzeichnet haben bzw. (bei einer bedingten Kapitalerhöhung) die Erklärung gemäß Art.  653c Abs.  1 OR abgeben. Bei der Emission von Anleihen sind dies diejenigen Personen, die gemäß Emissionsvertrag die Emission primär zeichnen bzw. (bei Eigenemissionen von Banken) die emittierende Bank106. Die Einbuchung von Wertrechten in das SIS-Girosystem mittels Eintragung in das Hauptregister ist nur zulässig, wenn die betreffenden Wertrechte vorher oder spätestens im Moment der Einbuchung gemäß Art.  973c Abs.  3 OR geschaffen worden sind. Im Fall von Namensaktien schafft die SIS die entsprechenden Bucheffekten also nur, wenn sich der Bestand im Aktienregister, das die Funktion des Wertrechtebuchs übernehmen kann, verifizieren läßt. Die Einzelheiten der Schaffung und Führung von Bucheffektenbeständen aufgrund von Wertrechten sind Rahmenverträgen geregelt, den die SIS mit ihren Giroteilnehmern abzuschließen pflegt107. Im schweizerischen Schrifttum wird nun allerdings die Frage diskutiert, wie sich der neue Art.  973c OR zu den für das zugrundeliegende Rechtsverhältnis maßgeblichen Bestimmungen (z. B. des Aktien- oder Zivilrechts) verhält. Es wird die Auffassung vertreten, daß Art.  973c OR auf diese Bestimmungen nicht durchschlägt. Ein fehlender Eintrag in das Wertrechtebuch vermöge daher die Entstehung von Rechten nicht zu verhindern. Das gelte zumindest in den Fällen, in denen der Gesetzgeber für das betreffende Recht keine Verbriefung vorgeschrieben hat, wo also der Verbriefung nur deklaratorische und keine konstitutive Bedeutung zukommt. Von der konstitutiven Voraussetzung des Wertrechtebucheintrags für die Entstehung von Wertrechten seien daher die Voraussetzungen für die Entstehung des jeweiligen Rechts, „welches in Form des Wertrechts verkörpert werden soll“, zu unterscheiden. Aus diesem Grund entstehe bei Aktien und Anleihensobligationen die Leistungspflicht des Emittenten unabhängig davon, ob der Eintrag im Wertrechtebuch erfolgt ist108. Es sei dahingestellt, ob diese Auffassung mit Art.  973c OR zu vereinbaren ist109. Jedenfalls müßten im Zuge der Umstellung auf ein Bucheffektenmodell auch in Deutschland die Grundsätze der Entstehung von Kapitalmarktrechten überdacht werden. Nach hergebrachter Ansicht entsteht die Aktie als Mitgliedschaftsrecht be105 

Siehe dazu bereits oben §  14 III 2. Bösch, in: Zobl/Hess/Schott (Hrsg.), BEG-Kommentar, Art.  973c OR Rn.  9. 107  SIS-Standardvertrag betreffend Aufnahme von Wertrechten in das SIX SIS-Girosystem. 108 BSK-Wertpapierrecht/Pöschel/Maizar, Art.  973c OR Rn.  41. 109  Wohl ablehnend Steiner/Büchi, GesKR 2007, 73, 75 f. 106 

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reits mit der Übernahmeerklärung des Zeichners und der Eintragung der Aktiengesellschaft bzw. Kapitalerhöhung in das Handelsregister. Die Verbriefung in einer Urkunde hat nur deklaratorischen Charakter110. Bei der Schuldverschreibung auf den Inhaber hat die Errichtung der von §  793 BGB vorausgesetzten Urkunde dagegen konstitutive Bedeutung; ohne sie kann das betreffende Recht nicht entstehen111. De lege ferenda sollte die Entstehung sowohl von Aktien als auch von Forderungsrechten privater Emittenten i. S. von §  793 BGB in Anlehnung an das schweizerische Recht von der (konstitutiv wirkenden) Eintragung in ein sog. Emissionsregister abhängig gemacht werden. Ein solches Modell würde auch kleinere, kapitalmarktferne Aktiengesellschaften nicht unzumutbar belasten, sofern man an die Form des Registers keine allzu hohen Anforderungen stellte112 und bei Namensaktien die Eintragung in das von der Gesellschaft ohnehin zu führende Aktienregister genügen ließe. Es sollte also vorgesehen werden, daß der Emittent über die von ihm ausgegebenen Aktien oder Schuldtitel ein Emissionsregister zu führen hat, in das die Anzahl und Stückelung der Titel sowie die Gläubiger einzutragen sind. Bei Schuldtiteln träte die Eintragung an die Stelle der nach §  793 BGB erforderlichen Verbriefung in einem Wertpapier. Ebenso wie in der Schweiz hätte das Register jedoch nicht die Aufgabe, stets die aktuellen Gläubiger zu verzeichnen. Eingetragen wird nur der erste Nehmer, der mittels Buchauszugs gegenüber der Clearstream Banking AG den Nachweis führen kann, daß die Schuldtitel entstanden sind. Daß gegen die Zuweisung der Registerführung an den Emittenten keine durchgreifenden Bedenken bestehen, wurde bereits ausgeführt. Auch gegen eine Delegation an die Clearstream Banking AG wäre nichts einzuwenden113. Für Schuldtitel der öffentlichen Hand könnte es bei der Eintragung in das Schuldbuch bleiben (vgl. §  5 BSchuWG). b)  Eintragung der Effekten in das Hauptregister In einem vollständig dematerialisierten Effektengirosystem tritt an die Stelle der Einlieferung von Wertpapieren die Einbuchung der unverbrieften Effekten. In der Schweiz setzt die Entstehung von Bucheffekten auf der Grundlage von Wertrechten die Eintragung der Wertrechte in das sog. Hauptregister voraus (Art.  6 Abs.  1 lit.  c. BEG). Dabei handelt es sich um ein von einer Verwahrungsstelle geführtes öffentliches Register, das Angaben über die Emission (z. B. die ISIN) und die Anzahl sowie die Stückelung der ausgegebenen Wertrechte enthält. Der Botschaft zufolge hat das Hauptregister in erster Linie die Funktion, Publizität hinsichtlich der in einem Sy­ stem zirkulierenden Bucheffekten zu schaffen114 . Letztlich geht es aber darum zu ver110 

Siehe statt vieler Spindler/Stilz/Vatter, AktG, §  10 Rn.  27 m. w. N. Siehe statt vieler Palandt/Sprau, BGB, §  793 Rn.  1. 112  Siehe BSK-Wertpapierrecht/Pöschel/Maizar, Art.  973c OR Rn.  38, wonach es genügt, wenn sich die erforderlichen Angaben der Buchhaltung entnehmen lassen. 113  Dazu bereits oben §  18 I 3. 114  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9349. 111 

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hindern, daß nicht mehr Bucheffekten geschaffen werden, als Wertrechte ausgegeben wurden115. Bei Namenaktien mit aufgeschobenem oder aufgehobenem Titeldruck wird die Funktion des Hauptregisters vom sog. Depot-Aktienregister bei der SIS übernommen. Bucheffekten entstehen durch eine Sollbuchung im Depot-Aktienregister und eine entsprechende Habenbuchung auf dem Effektenkonto des Teilnehmers. Bei sonstigen Wertrechten entspricht das Hauptregister dem Nostro-Depot des Teilnehmers bei der SIS116. Weder rechtliche noch praktische Bedenken sprechen dagegen, das schweizerische Modell des Hauptregisters in das deutsche Recht zu übernehmen. Der damit verbundene Aufwand dürfte sich für die Clearstream Banking AG und ihre Kunden in vertretbaren Grenzen halten, zumal sich das Verfahren der Einbuchung von Urkunden in das CASCADE-System, wie es derzeit im Rahmen der Zulassung von Wertpapieren zur Girosammelverwahrung noch praktiziert wird, gar nicht so sehr vom schweizerischen Prozedere der „Einlieferung“ von Wertrechten unterscheidet117. Als erste Voraussetzung der Entstehung von Bucheffekten sollte also die Eintragung der unverbrieften Effekten in ein vom Zentralverwahrer zu führendes Hauptregister vorgesehen werden. Die Eintragung in dieses in Anlehnung an Art.  6 Abs.  2 BEG auszugestaltende Register stellt das Äquivalent zur Hinterlegung von Wertpapieren dar. Das Emissionsregister wird für die Zeit der „Hinterlegung“ der Titel beim Zentralverwahrer geschlossen. Um Divergenzen zwischen dem durch Eintragung in das Emissionsregister begründeten und dem im Effektengirosystem verbuchten Bestand auszuschließen, sollte eine regelmäßige Abstimmung und Kontrolle der Bestände sichergestellt werden118. c)  Verbuchung auf Depotkonten Zweite Voraussetzung der Entstehung von Bucheffekten ist die Verbuchung der in das Effektengirosystem eingebrachten Mitgliedschafts- bzw. Gläubigerrechte auf Depot­konten. Rechtskonstruktiv wäre es auch möglich, bereits die „Einlieferung“ der Rechte mittels Eintragung in das Hauptregister für die Anwendbarkeit der Sonderregeln über Bucheffekten ausreichen zu lassen. Da im Zentrum dieser Sonderregeln die aus der Gutschrift resultierende Buchposition des Anlegers steht, ist ein sol115 BSK-Wertpapierrecht/Bärtschi,

Art.  6 BEG Rn.  127. Ziffer 4 des SIS-Standardvertrages betreffend Aufnahme von Wertrechten in das SIX SIS-Girosystem. 117  Siehe die Darstellung im CBF-Kundenhandbuch, S.  5 -1 ff. Auf S.  5 -3 heißt es: „Sind sämtliche Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, erfolgt zum Valutatag die Einbuchung der Wertpapiere auf dem Konto des Antragstellers. Die aus der Zulassung resultierenden Daten werden im Internet über das Mitteilungsmedium ‚WSS CBF‘ veröffentlicht.“ Siehe auch Delorme, Kreditwesen 1980, 604, 612, der schon damals darauf hinwies, „es würde keinerlei praktische Probleme aufwerfen, (…) die Aufnahme eines Effektenwertes in das Speicherwerk der Kassenvereine mit der Aufnahme der effektiven Stücke gleichzusetzen“. 118  Siehe Ziffer 6 des SIS-Standardvertrages betreffend Aufnahme von Wertrechten in das SIX SIS-Girosystem. 116 

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cher Schritt jedoch nicht zu empfehlen. Und nochmals sei betont, daß in dem hier vorgeschlagenen Modell die im schweizerischen Recht notwendige Unterscheidung zwischen Bucheffekten einerseits und den als underlyings dienenden Wertrechten entfällt. Die Verbuchung der Mitgliedschafts- bzw. Gläubigerrechte auf Depotkonten hat zur Folge, daß diese Rechte zu Bucheffekten, also zu einem mit bestimmten dinglichen Eigenschaften ausgestatteten Vermögensobjekt sui generis erstarken119.

4.  Erwerb und Verlust von Bucheffekten Zu den schwierigsten Aufgaben bei der Einführung eines Bucheffektenmodells dürfte die Ausgestaltung der Bestimmungen über den Erwerb und Verlust von Bucheffekten gehören. Zwar dürfte Einigkeit darin bestehen, daß im Mittelpunkt dieser Bestimmungen der Erwerb durch Depotgutschrift stehen sollte. Eingehender Diskussion bedarf jedoch die damit verbundene konzeptionelle Schlüsselfrage, ob der Erwerb von Bucheffekten als derivativer oder originärer konstruiert werden sollte (unter a). Zu klären ist weiter, ob und inwieweit sich das deutsche Recht bei der Ausgestaltung der Regelungen über den gutgläubigen Erwerb an sachenrechtlichen Vorbildern orientieren sollte (unter b) und ob es wie das schweizerische Recht die Übertragung von Bucheffekten durch Abtretung zulasssen sollte (unter c). a)  Erwerb durch Gutschrift aa)  Konstitutive Wirkung der Gutschrift Was den Erwerb von Bucheffekten durch Depotgutschrift betrifft, sollte die zur Zeit (für die Übertragung von Girosammelanteilen nach §  929 Satz  1 BGB) umstrittene Frage nach der konstitutiven Wirkung der Gutschrift vom Gesetzgeber in positivem Sinne beantwortet werden. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte klargestellt werden, daß die Depotgutschrift ein notwendiges Element des Erwerbstatbestandes und nicht lediglich ein Mittel zur Verlautbarung des Rechtserwerbs ist120. Das verlangt auch Art.  11 Abs.  1 GWpÜ121 und dürfte in absehbarer Zeit auch vom europäischen Recht gefordert werden.

119  So auch die Deutung des Vorgangs der Entstehung von Bucheffekten nach schweizerischem Recht bei Günter H. Roth, Basler Juristische Mitteilungen 2011, 169, 191. 120  So auch Chun, Cross-Border Transactions, S.  4 40; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  416 ff.; ferner Scherer/Scherer, DepotG, Anh. 15 unter II 2 (S.  659), der freilich an der bisherigen Miteigentumskonstruktion festhalten will und lediglich die Schaffung eines dinglichen Übertragungstatbestandes sui generis für erforderlich hält. 121  So auch Than, in: Festschrift für Hopt, S.  231, 243.

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Fünfter Teil:  Depotrechtsreform

bb)  Derivativer oder originärer Erwerb? (1)  Derivativer Erwerb Das schweizerische Bucheffektengesetz geht von einem derivativen Rechtserwerb, bei einer über mehrere Intermediäre abgewickelten Transaktion sogar von einem unmittelbaren Rechtsübergang vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger aus. Gemäß Art.  24 Abs.  1 BEG setzt eine Verfügung über Bucheffekten neben einer Weisung des Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle, die Bucheffekten zu übertragen, die Gutschrift der Bucheffekten im Effektenkonto des Erwerbers voraus. Für die Wirksamkeit der Übertragung kommt es allein auf diese Gutschrift an (Art.  24 Abs.  2 BEG). Die Belastungsbuchung auf dem Konto des Veräußerers ist nicht Element des Verfügungstatbestands. Sie hat lediglich zur Folge, daß der bisherige Inhaber faktisch nicht mehr über die Bucheffekten verfügen kann. Art.  24 BEG ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß auch in der Schweiz die für eine Rechtsübertragung erforderlichen Buchungen nicht notwendigerweise zeitlich nacheinander vorgenommen worden. Mit der Festlegung auf eine einzige Buchung soll eine klare Rechtszuordnung gewährleistet und das Entstehen subjektloser Rechte verhindert werden. Auch für das deutsche Recht sprechen sich die meisten Stimmen für ein Festhalten am Modell des derivativen Rechtserwerbs aus122 . Manche halten das sachenrechtliche Prinzip, daß ein Recht nur erworben werden kann, wenn es uno actu von einem anderen verloren wird, sogar für so elementar, daß sie ein Modell bevorzugen, in dem die Wirksamkeit des Rechtserwerbs auch vom Vorliegen einer wirksamen Bela­ stungsbuchung abhängt. Ansonsten drohe die zumindest theoretische Gefahr einer „Vervielfachung der Anzahl intermediär verwahrter Wertpapiere dergestalt, dass deren Anzahl durch eine Vielzahl von Gutschriften ohne korrespondierende Bela­ stung weit über den tatsächlichen Bestand hinauswächst“123. Das deutsche Sachenrecht habe mit seinen Prinzipien bisher gewährleistet, daß es denknotwendig immer nur einen Eigentümer von Wertpapieren gibt und „bei einem Veräußerer keinerlei Rechtspositionen verbleiben, die die Zuordnung von Wertpapieren erschweren können“124 . Gewiß liegt es im Interesse aller Beteiligten, daß im Effektengirosystem stets nur so viele Berechtigungen verbucht sind, wie der Anzahl der vom Emittenten ausgegebenen Beteiligungs- oder Schuldtitel entspricht125. Doch sollte man den Beitrag, den ein Konzept des derivativen Erwerbs zur Vermeidung einer „Rechteinflation“ zu lei­ sten vermag, nicht überschätzen. Theoretisch ist es richtig, daß in einem System, in dem mit einem Rechtserwerb durch Gutschrift zwangsläufig ein Rechtsverlust ein122  Chun, Cross-Border Transactions, S.  4 40 f.; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  416 ff.; Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 186 ff. 123  So Scherer/Löber, DepotG, Anh. 14 unter II 3.2 (S.  652) im Zusammenhang mit einer Analyse von Art.  11 GWpÜ; ferner Scherer/Scherer, DepotG, Anh. 15 unter II 2 (S.  659); Scherer/Gallei, JIBLR 2009, 470, 472 f. 124 Scherer/Löber, DepotG, Anh. 14 unter III (S.  653). 125  Kronke, WM 2010, 1625, 1630.

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hergeht, der Erwerb gar vom Vorliegen einer wirksamen Belastungsbuchung auf dem Konto des Veräußerers abhängt, das Risiko einer Rechtevermehrung ausgeschlossen ist. Praktische Wirksamkeit kann ein solches Konzept aber nur in dem Maße entfalten, in dem es überhaupt möglich ist, einer bestimmten Gutschrift eine „korrespondierende Belastung“ zuzuordnen. Bucht ein Verwahrer im Auftrag eines Kunden eine bestimmte Anzahl an Wertpapieren auf das Konto eines bestimmten anderen Kunden um, bereitet eine derartige Zuordnung keinerlei Schwierigkeiten. Im anonymen, durch die massenweise Verarbeitung von Übertragungsaufträgen gekennzeichneten Effektengiroverkehr ist ein tracing jedoch in der Regel aus praktischen Gründen ausgeschlossen. Hier läßt sich zwar objektiv feststellen, bei welchem Anleger Wertpapiere abgebucht und welchem Anleger Wertpapiere gutgeschrieben wurden, aber nicht, wer von wem erworben hat126. Unter solchen Umständen läuft eine „no credit without debit“-Regel genauso auf eine Fiktion hinaus wie die Annahme eines unmittelbaren Rechtsübergangs vom Veräußerer auf den Erwerber. Daß ein solcher Rechtsübergang auch von Art.  24 BEG nur fingiert wird, hat inzwischen auch das schweizerische Schrifttum eingestanden127. Die vom schweizerischen Recht gewählte Lösung ist auch aus dogmatischen Gründen angreifbar, denn sie verkoppelt den dinglichen Akt der Rechtsübertragung direkt auf den Erwerber mit dem schuld­ rechtlichen, das Verhältnis zwischen dem Veräußerer und seinem Verwahrer betreffenden Element der Weisung128. Eine Möglichkeit, das Fiktionsproblem zu entschärfen, bestünde darin, die im Sy­ stem verbuchten Rechtspositionen mit einer individuellen Kennziffer zu versehen. Dann könnte jede einzelne Übertragung problemlos nachvollzogen werden. Allerdings dürfte diese Lösung einen nicht unbeträchtlichen Umstellungsaufwand mit sich bringen, da das CASCADE-System der Clearstream Banking AG bislang ohne die Zuteilung von Kennziffern operiert129. Abgesehen davon ließe sich ein derivativer Erwerb plausibler erklären, wenn man sich von der Vorstellung eines unmittelbaren Rechtsübergangs vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger verabschiedete und einen Durchgangserwerb zumindest der auf der Erwerberseite stehenden Depotbank akzeptierte. Dann könnte die Übertragung von Bucheffekten wie folgt konstruiert werden: In dem Auftrag des Anlegers, seine Titel an der Börse zu verkaufen, ist zugleich eine Ermächtigung der Depotbank zu sehen, über die Bucheffekten im eigenen Namen zu verfügen (§  185 BGB). Insoweit bliebe es also bei dem schon bisher geltenden Grundsatz, daß bei der Ver126 

So jetzt auch Loritz, WM 2017, 309, 312. Siehe die Nachweise in Fn.  408. 128  Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 188. 129  Anderer Einwand bei Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 190, nach dessen Auffassung eine Individualisierung Schwierigkeiten im Hinblick auf das Netting aufwerfen würde. Dieser Einwand überzeugt aber nicht, weil Gegenstand des Netting die schuldrechtlichen Lieferansprüche der Clearing-Mitglieder sowie der Eurex Clearing AG sind und die Übertragung der Lieferspitzen naturgemäß erst nach dem Netting vorgenommen wird. 127 

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kaufskommission ein Zwischenerwerb des Verkaufskommissionärs zum Schutz des Kommittenten nicht stattfindet. Die Depotbank macht von ihrer Verfügungsermächtigung Gebrauch, indem sie die Clearstream Banking AG zur Umbuchung der Bucheffekten auf das Konto der Käuferbank anweist. Mit der Umbuchung gehen die Bucheffekten vom bisherigen Inhaber auf die Käuferbank über, die dann in einem nächsten Schritt die Bucheffekten durch Erteilung einer Depotgutschrift auf den erwerbenden Anleger überträgt. In diesem Modell haben also die Gutschriften auf dem Konto der Käuferbank und dem Konto ihres Kunden jeweils den Erwerb der Rechtsposition „Bucheffekte“ zur Folge. Ist die Eurex Clearing AG in die Transaktion einbezogen, findet aufgrund der Zwischenbuchung auf ihrem Clearstream-Konto auch bei ihr ein Zwischenerwerb statt. Würde man die Vorgänge im Effektengiroverkehr als Kette selbständiger Verfügungen deuten, würde das oben beschriebene Fiktionsproblem wenn auch nicht beseitigt, so doch entschärft, weil aus Sicht der jeweiligen Parteien immer feststünde, wer Verfügender und wer Verfügungsempfänger ist. Ein Anleger würde die für ihn angeschafften Bucheffekten nicht von irgendeinem unbekannten Rechtsvorgänger, sondern stets von seiner eigenen Depotbank erwerben. Die Depotbank wiederum würde die Bucheffekten stets von ihrer Gegenpartei übereignet bekommen, also entweder von der Bank des Verkäufers oder (bei Einschaltung eines zentralen Kontrahenten) der Eurex Clearing AG. Auch die veräußernde Bank hätte stets Klarheit darüber, wer die von ihrem Clearstream-Konto abgebuchten Bucheffekten (vorübergehend) erwirbt, nämlich entweder die Käuferbank oder die Eurex Clearing AG. Es müßte nicht der schwierige Versuch unternommen werden, eine ganze Kette von Buchungen bei verschiedenen Verwahrern als einheitliche Verfügung zu begreifen, sondern eine Transaktion könnte, wie es auch dem tatsächlichen Geschehen im Effektengiroverkehr entspricht, von Stufe zu Stufe (re-)konstruiert werden. Ein solcher stage by stage-Ansatz hätte auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht Vorzüge. Denn er hätte ja zur Folge, daß bei einer gestreckten Transaktion das anwendbare Recht für jedes Verwahrverhältnis gesondert bestimmt werden muß, und würde so das Pro­ blem vermeiden, daß auf eine einheitliche Verfügung ggf. mehrere Rechtsordnungen zur Anwendung kommen. Im übrigen würde sich auch bei dieser Lösung von selbst verstehen, daß ein Depotkunde, der seine Bank anweist, sein Guthaben auf ein anderes Konto zu übertragen (Depotübertrag), Inhaber seiner Bucheffekten bleibt. Auch bei dieser Lösung müßte natürlich dem Interesse des Anlegers Rechnung getragen werden, möglichst rasch Inhaber der Bucheffekten zu werden. Dies ließe sich, ähnlich wie bisher, dadurch bewerkstelligen, daß die Bucheffekten bereits vor dem Settlementtag (T+2) in das Depotkonto des Anlegers eingebucht werden und die Wirksamkeit des Rechtserwerbs unter die aufschiebende Bedingung des Eingangs der Bucheffekten bei der Depotbank gestellt wird. Mit der Gutschrift auf ihrem Clear­stream-Konto erwirbt die Depotbank zwar das Zwischeneigentum an den Bucheffekten, doch geht dieses eine juristische Sekunde später, ohne daß es eines weiteren Vollzugsakts bedarf, auf den Kunden über. Ein Unterschied zur Übertra-

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gung von Girosammelanteilen im bisherigen sachenrechtlichen Modell, indem ja mithilfe der Rechtsfigur des Geschäfts für den, den es angeht, für einen Direkterwerb des Kunden gesorgt wird, bestünde also nur in rechtskonstruktiver, nicht in zeitlicher Hinsicht. In dem einen wie dem anderen Modell erwirbt der Kunde die Effekten genau in dem Moment, in dem der Buchungsvorgang bei der Clearstream Banking AG abgeschlossen wird. Das Genfer Wertpapierübereinkommen steht einer solchen Lösung nicht entgegen (vgl. Art.  16 GWpÜ). Im übrigen sollte es auch in Zukunft dabei bleiben, daß Kommittenten, welche die ihnen geschuldeten Effekten noch nicht erhalten, aber bereits ihre eigenen Verpflichtungen aus dem Geschäft erfüllt haben, im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verwahrers ein Vorrangrecht genießen (vgl. §  32 DepotG)130. Die grundsätzlichen Einwände gegen die Praxis der vorgezogenen Depotgutschrift wären damit natürlich nicht ausgeräumt. Ihnen ließe sich zumindest teilweise durch eine Verpflichtung der Depotbank begegnen, die Bedingtheit der Depotgutschrift auf dem Depotkonto kenntlich zu machen131. Der Übertragungstatbestand des Art.  24 BEG könnte auf ein DurchgangserwerbsMo­dell allerdings nicht unverändert übertragen werden. Da er nämlich als rechtsgeschäftliches Element eine „Weisung des Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle“ voraussetzt, die Bucheffekten zu übertragen, könnte er nicht erklären, wie sich die Übertragung der Bucheffekten im Verhältnis zwischen der Käuferbank (Einkaufskommissionärin) und ihrem Depotkunden (Kommittenten) vollzieht. In diesem Verhältnis erteilt die Depotbank als Zwischenerwerberin ja keine Weisung, sondern sie überträgt zwecks Erfüllung des Kaufauftrags einfach jene Bucheffekten auf den Kunden weiter, die sie von der Clearstream Banking AG gutgeschrieben bekommt. Um die Übertragung auch in diesem Verhältnis erklären zu können, müßte Art.  24 BEG leicht abgewandelt und die Übertragung von folgenden Voraussetzungen abhängig gemacht werden: (1) einer Zustimmung des Inhabers, die Bucheffekten zu übertragen, und (2) der Gutschrift der Bucheffekten im Konto des Erwerbers. Beim Kommissionsgeschäft wäre grundsätzlich davon auszugehen, daß die Zustimmung im Auftrag des Kunden zum Verkauf seiner Wertpapiere enthalten ist. Mit der Zustimmung wäre auch die Ermächtigung der Depotbank verbunden, auf dem Konto eine entsprechende Belastungsbuchung vorzunehmen. Die Zustimmung der Käuferbank (Einkaufskommissionärin) zur Weiterübertragung der Bucheffekten würde sich konkludent daraus ergeben, daß sie ihrem Kunden eine entsprechende Gutschrift erteilt. In der Konsequenz eines solchen Tatbestandes läge es allerdings, daß man in Anlehnung an das neue Zahlungsverkehrsrecht zwischen der Zustimmung (Autorisierung, §  675j BGB) und dem Übertragungsauftrag (Zahlungsauftrag, §  675f 130  Siehe dazu noch unter 7; ferner Canaris, Bankvertragsrecht, Rn.  1981, für den es „schwer verständlich [ist], warum man mit viel Aufwand an dogmatischem Scharfsinn eine so fragwürdige Konstruktion wie das Geschäft für den, den es angeht strapazieren soll, obwohl §  32 DepotG, soweit ersichtlich, keine nennenswerten Schutzlücken aufweist, die nur auf diesem Wege geschlossen werden könnten“. 131  Siehe nochmals den Second Advice der Legal Certainty Group, S.  51.

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Abs.  3 Satz  2 BGB) unterscheiden müßte, mögen beide Erklärungen auch häufig zusammenfallen. Unter der Zustimmung wäre die vorherige Einwilligung zur Übertragung von Bucheffekten zu verstehen. Unter dem Übertragungsauftrag wäre jeder Auftrag im Rahmen des Depotvertrages zu verstehen, durch den der Verwahrer zur Übertragung von Bucheffekten verpflichtet wird132 . (2)  Originärer Erwerb Gleichwohl steht die Frage im Raum, ob es nicht konsequenter wäre, den Verlust und den Erwerb von Bucheffekten voneinander abzukoppeln und als zwei rechtlich selbständige Akte zu begreifen. Das Genfer Wertpapierübereinkommen gibt ein solches Separationsmodell zwar nicht zwingend vor133. Angesichts der Schwierigkeiten, einen derivativen Erwerb im Effektengiroverkehr plausibel zu erklären, sollte es aber nicht von vornherein als rechtspolitische Option außer Betracht gelassen werden134 . In einem Separationsmodell hat eine Belastungsbuchung den Verlust, eine Depotgutschrift den originären Erwerb der Rechtsposition „Bucheffekte“ zur Folge. Mit „originär“ ist zunächst einmal nur gesagt, daß der Rechtserwerb auf Gesetz beruht und nicht von einem bestimmten Rechtsvorgänger abgeleitet ist. Ein Separationsmodell kann man sich nun in zwei Varianten vorstellen135: In der ersten Variante hat eine Belastungsbuchung das Erlöschen, eine Depotgutschrift die Neubegründung der Rechtsposition „Bucheffekte“ zur Folge. In der zweiten Variante hat eine Bela­ stungsbuchung den Verlust der Rechtsposition „Bucheffekte“ zur Folge, die aber als solche im System bestehen bleibt, um anschließend einem Erwerber neu zugeordnet zu werden. Die erste Variante harmoniert bestens mit Konzepten wie Art.  8 UCC und der deutschen WR-Gutschrift, in denen sich die Rechtsstellung des Depotkunden auf Ansprüche gegen den kontoführenden Intermediär beschränkt. In solchen Konzepten kann eine „Übertragung“ überhaupt nur untechnisch in Form des Erlöschens und Neubegründens von auf den Deckungsbestand des jeweiligen Intermediärs bezogenen Berechtigungen konstruiert werden. In dem hier vorgeschlagenen Modell „verkörpern“ Bucheffekten jedoch Mitgliedschafts- bzw. Gläubigerrechte unmittelbar gegenüber dem Emittenten. Nähme man an, daß eine Belastungsbuchung das Erlöschen, eine Gutschrift die Neubegründung der Rechtsposition „Bucheffekte“ zur Folge hat, müßte man daher als Nebenwirkung des Separationsprinzips in Kauf nehmen, daß die Gesamtzahl der im System verbuchten Rechte permanent schwankt und nur zufällig mit der Gesamtzahl der emittierten Rechte übereinstimmt. Das wi132 Zum Verhältnis zwischen Autorisierung und Zahlungsauftrag siehe etwa Herresthal, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar, Kap.  2 §  675f BGB Rn.  86; kritisch Köndgen, JuS 2011, 481, 486. 133  Umstritten, siehe die Diskussion unter §  16 III 2 b) bb). 134  Daß die vollständige Trennung von Belastungs- und Gutschriftsbuchung als rechtspolitisches Modell im Raum steht, betont auch Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 187. 135  Mülbert, ZBB 2010, 445, 453.

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derspräche dem Interesse aller Beteiligten, eine „Rechteinflation“ zu vermeiden, und würde auch mit der Annahme konfligieren, daß Bucheffekten mit Eintragung in das Hauptregister und Verbuchung auf Effektenkonten entstehen und erst mit der Ausbuchung aus dem System wieder untergehen. Kommt also diese Variante des Separationsmodells aus konzeptionellen Gründen nicht in Betracht, so gilt anderes für die zweite Variante. In ihr hat eine Belastungsbuchung nicht das Erlöschen, sondern den Verlust der Rechtsposition „Bucheffekte“ auf seiten des bisherigen Inhabers zur Folge. Die Rechtsposition bleibt als solche bestehen, um in der Folge einem Erwerber durch Gutschrift neu zugeordnet zu werden. Ein Schwanken der Anzahl der im System verbuchten Rechte ist in dieser Variante ausgeschlossen. Problematisch und klärungsbedürftig ist allerdings die Zuordnung der Bucheffekten in der Umbuchungsphase. Insoweit müßte man entweder annehmen, daß die Bucheffekte mit der Belastungsbuchung auf dem Konto des Veräußerers herrenlos wird, oder daß sie für die Zwischenzeit, also bis zur Vornahme der Buchungen auf höherer Ebene, der Depotbank des Veräußerers zugeordnet wird136. Bliebe es bei der bisherigen Buchungspraxis, wäre aber weder die eine noch die andere Annahme akzeptabel. Denn diese Praxis sieht ja so aus, daß beim Kommissionsgeschäft die im Auftrag des Kunden verkauften Werte bereits unmittelbar nach Abschluß des Ausführungsgeschäfts (T+0) aus dessen Konto ausgebucht werden, während die Umbuchungen auf den Konten der Depotbanken bei der Clearstream Banking AG erst zwei Geschäftstage später (T+2) stattfinden. Die ausgebuchten Buch­ effekten würden also für zwei Tage herrenlos bzw. wären für diese Zeit der Depotbank des veräußernden Kunden zugeordnet. Um dieses problematische Ergebnis zu vermeiden, bieten sich zwei Möglichkeiten an: –  Entweder man sorgt für eine perfekte Synchronisierung der Buchungsabläufe auf den verschiedenen Ebenen der Verwahrpyramide mit dem Ziel, eine unterbrechungslose Zuordnung der im System zirkulierenden Bucheffekten zu den einzelnen Anlegern sicherzustellen. Das würde aus Sicht einer Verkäuferbank bedeuten, daß sie die Effekten erst in dem Moment aus dem Konto des Kunden ausbuchen darf, in dem der Umbuchungsvorgang bei der Clearstream Banking AG in Gang gesetzt wird; und aus Sicht der Käuferbank, daß sie die Gutschrift zugunsten ihres Kunden erst erteilen darf, wenn sie die Effekten tatsächlich geliefert bekommt. Mit der Praxis der vorgezogenen Depotgutschrift hätte es also bei dieser Form eines Separationsmodells sein Ende, was aus den bereits erwähnten Gründen allerdings nicht unbedingt zu bedauern wäre. Technisch dürfte eine genaue zeitliche Abstimmung der einzelnen Buchungen keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten. Schon heute findet ja zwischen den Abwicklungssystemen der Clearstream Banking AG und den Systemen der Giroteilnehmer ein permanenter Datenaustausch statt137. Um diese Form des Se136 Nach Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 190 wird man regelmäßig Letzteres annehmen müssen. 137  Dieser Punkt bedürfte allerdings genauerer Klärung.

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Fünfter Teil:  Depotrechtsreform

parationsmodell rechtlich abzusichern, wäre einem Verwahrer in Anlehnung an Art.  10 Abs.  1 BEG die Pflicht aufzuerlegen, dem Depotkonto des Kunden die Bucheffekten gutzuschreiben, welche der Drittverwahrer seinem Depotkonto gutgeschrieben hat. Daß die Gutschrift auf dem Kundenkonto nicht vor dem tatsächlichen Eingang der Lieferung beim Drittverwahrer erteilt werden darf, wäre ggf. auch aufsichtsrechtlich klarzustellen. Gleiches gilt für die Verpflichtung des veräußernden Verwahrers, die Belastungsbuchung auf dem Konto seines Kunden erst mit Beginn der Umbuchung bei der Clearstream Banking AG vorzunehmen. –  Oder man macht von der auch durch das Genfer Wertpapierübereinkommen eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die jeweiligen Belastungs- und Gutschriftsbuchungen mit Bedingungen zu versehen. Dann könnte der Effektengiroverkehr wie folgt konstruiert werden: Die Belastungsbuchung auf dem Konto eines veräußernden Anlegers hat den Verlust der Rechtsposition „Bucheffekte“ zur Folge. Die Wirksamkeit der Belastungsbuchung wird allerdings unter die aufschiebende Bedingung gestellt, daß das Geschäft am Settlementtag (T+2) ordnungsgemäß zur Abwicklung gelangt. Dadurch würde gewährleistet, daß der veräußernde Kunde Inhaber seiner Bucheffekten bleibt, bis die Depotbank diese Effekten zwecks Erfüllung ihrer Lieferverpflichtung an ihre Gegenpartei weitergibt. Entsprechend wird die Wirksamkeit der Gutschrift auf dem Konto des erwerbenden Anlegers unter die aufschiebende Bedingung der Lieferung der Titel an dessen Depotbank gestellt. Dadurch würde gewährleistet, daß der Depotkunde die Bucheffekten erst in dem Moment erwirbt, in dem die Depotbank auf ihrem Clearstream-Konto Deckung erhält, was wiederum voraussetzt, daß auf der Gegenseite eine entsprechende Belastungsbuchung vorgenommen wird138. Das Problem eigentümerloser Bucheffekten kann bei dieser Konstruktion nicht auftreten, da sowohl der Rechtsverlust als auch der Rechtserwerb in ihrer Wirksamkeit vom Abschluß des Buchungsvorganges bei der Clearstream Bank­ing AG abhängen, mithin exakt in demselben Zeitpunkt eintreten. Auch das Entstehen von Überbeständen wäre ausgeschlossen. Mithilfe einer Bedingungslösung könnte also auch in einem Separationsmodell jene unterbrechungslose Umverteilung von Rechten herbeigeführt werden, wie sie im traditionellen Miteigentumskonzept durch die Annahme bewerkstelligt wird, daß die Besitzmittlungskette zum Erwerber erst mit der abschließenden Buchung durch die Clearstream Banking AG geschlossen wird. Regelungstechnisch wäre einem Separationsmodell scharf zwischen dem Rechtsverlust durch Belastungsbuchung auf der einen und dem Rechtserwerb durch Gutschrift auf der anderen Seite zu unterscheiden. Oberstes Prinzip müßte sein, daß der Rechtsverlust eine wirksame Autorisierung durch den Kontoinhaber voraussetzt. Das verlangt auch Art.  15 GWpÜ. Für den Erwerb von Bucheffekten wäre eine Depotgutschrift als tatsächlicher Akt erforderlich, grundsätzlich aber auch ausreichend. Auf das Erfordernis einer Autorisierung könnte insoweit verzichtet werden, da in der 138 

Gleiche Überlegung bei Mülbert, ZBB 2010, 445, 458.

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Regel der Kontoinhaber ohnehin einen Anspruch auf die Gutschrift haben wird und mit einer Gutschrift normalerweise keinerlei Nachteile verbunden sind139. Durch die juristische Entkoppelung der Vorgänge „Rechtsverlust“ und „Rechtserwerb“ würde letztlich nur nachvollzogen, daß der Sache nach schon heute keine Übertragung, sondern eine permanente Umverteilung von Girosammelanteilen vorgenommen wird. Natürlich wäre auch eine solche Lösung nicht frei von Schönheitsfehlern. Das zeigt das Beispiel des Depotübertrags. Es wäre nicht akzeptabel, wenn ein Depotkunde, der seine Bank anweist, seine Bucheffekten auf ein Konto bei einer anderen Bank zu übertragen, das Eigentum an den Bucheffekten mit der Belastungsbuchung verlöre und unter Umständen erst nach geraumer Zeit wiedererlangte140. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, könnte daher auch in diesem Fall mit Bedingungen gearbeitet werden. Die Wirksamkeit der Belastungsbuchung auf dem Ursprungskonto könnte unter die aufschiebende Bedingung der Gutschrift auf dem Zielkonto gestellt werden, der Verlust der Berechtigung an den Bucheffekten also von der simultanen Wiederzuordnung der Berechtigung abhängig gemacht werden. Freilich wäre eine solche Konstruktion unnötig kompliziert. Für den Fall des Depotübertrags könnte daher an eine Ausnahme vom Separationsprinzip gedacht werden. (3) Ergebnis Nach alledem wäre das Umschwenken auf ein Separationsmodell ein weniger radikaler Schritt, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Zwar ließe es sich rechtspolitisch gut vertreten, am Modell eines derivativen Erwerbs festzuhalten. Es sei aber nochmals betont, daß sich ein derivativer Erwerb kaum plausibel erklären läßt, solange an der Annahme festgehalten wird, daß Bucheffekten unmittelbar vom veräußernden auf den erwerbenden Anleger übergehen. Aus diesem Grund ist zu erwägen, die im System verbuchten Rechtspositionen mit einer individuellen Kennziffer zu versehen, um die einzelnen Übertragungen problemlos nachvollziehen zu können. Alternativ sollte in Betracht gezogen werden, die Vorgänge im Effektengiroverkehr als Kette selbständiger Verfügungen zu deuten. Ungeachtet dessen steht die Einführung eines Separationsmodells als rechtspolitische Option im Raum141. Aus konzeptionellen Gründen kommt ein solches Modell allerdings nur in der Form in Betracht, daß eine Belastungsbuchung den Verlust der Rechtsposition „Bucheffekte“ auf seiten des bisherigen Inhabers und eine Gutschrift die Neuzuordnung dieser Rechtsposition zu einem bestimmten Erwerber zur Folge hat. Insoweit sollte ernsthaft erwogen werden, für eine perfekte Synchronisierung der einzelnen Belastungs- und Gutschriftsbuchungen auf den verschiedenen Ebenen der Verwahrpyramide zu sorgen mit dem Ziel, eine unterbrechungslose Zuordnung der im System zirkulierenden Bucheffekten zu den einzelnen Anlegern sicherzustellen. 139 Vgl.

Kanda u. a., Official Commentary, Rn.  15-9; a. A. Lehmann, Finanzinstrumente, S.  419. Kronke, WM 2010, 1625, 1630. 141  Im Ergebnis gegen ein Separationsmodell Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 190. 140 Vgl.

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Fünfter Teil:  Depotrechtsreform

cc)  Stornierung fehlerhafter Buchungen Die vorstehenden Überlegungen führen zu der Frage, welche Wirkungen eine fehlerhafte Buchung hat und unter welchen Voraussetzungen eine solche Buchung storniert werden kann. (1) Belastungsbuchung Wie bereits erwähnt, setzt der Verlust von Bucheffekten durch eine Belastungsbuchung eine wirksame Autorisierung durch den Kontoinhaber voraus. Das gilt unabhängig davon, ob man für den Effektengiroverkehr wie bisher von einem derivativen Erwerb ausgeht oder auf ein Separationsmodell umschwenkt. In der zwingenden Konsequenz dieser Voraussetzung scheint es zu liegen, einer Belastungsbuchung, die ohne eine dem Kontoinhaber zurechenbare Autorisierung vorgenommen wird, keinerlei Rechtswirkung beizumessen. Die Stornierung einer fehlerhaften Belastungsbuchung hätte bei dieser Sicht lediglich den Zweck, die Buchlage wieder in Einklang mit der Rechtslage zu bringen. Eine materielle Rückverschiebung der Rechtsposition „Bucheffekte“ vom Empfänger auf den bisherigen Inhaber wäre mit ihr nicht verbunden. Die EU-Kommission scheint allerdings andere Vorstellungen zu haben. In ihrem Konsultationspapier vom November 2010 erweckt sie jedenfalls den Eindruck, als sollten künftig alle fehlerhaften Buchungen zunächst Rechtswirkung entfalten und nur mit Wirkung für die Zukunft rückgängig gemacht werden können142 . Auf den ersten Blick scheint dieser Ansatz eine rechtspolitisch fragwürdige Schwächung des Anlegerschutzes zu sein, eröffnet er doch der Depotbank die Möglichkeit, „durch einseitigen Zugriff in Form der Belastungsbuchung dem Anleger die Inhaberschaft am kontenverwahrten Wertpapier zu entziehen“143. Doch abgesehen davon, daß diese Möglichkeit mit gewissen Einschränkungen auch im gegenwärtigen sachenrechtlichen Modell besteht, stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, daß der Ansatz der Kommission auch Vorteile hat. Nehmen wir einmal an, aufgrund einer fehlerhaften Weisung des Kontoinhabers A werden 100 X-Aktien von dessen Konto auf das Konto des B übertragen. Wäre man der Auffassung, A sei in diesem Fall mangels wirksamer Autorisierung Inhaber der Bucheffekten geblieben, so würde man zwar dem berechtigten Interesse des A Rechnung tragen, seine Rechtsposition nur aufgrund einer fehlerfreien Verfügung zu verlieren. Diese Auffassung gerät aber in Erklärungsnöte, wenn B in der Zwischenzeit zugunsten eines redlichen Dritten über die Bucheffekten weiterverfügt. Das wurde bei der Analyse von Art.  27 BEG bereits dargelegt144 . Nun bleibt abzuwarten, welche Haltung das europäische Recht zu der Frage der Rechtswirkungen fehlerhafter Buchungen letztlich einnehmen wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit spricht jedenfalls einiges für den auch von der Legal 142  European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Consultation Document November 2010, Principle 7.1. 143  Mülbert, ZBB 2010, 445, 457. 144  Siehe oben §  14 VI 3 b) bb).

§  19  Reformoptionen

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Certainty Group befürworteten Grundsatz, daß eine fehlerhafte Belastungsbuchung zunächst die gleichen Rechtswirkungen entfaltet wie eine fehlerfreie und nur mit Wirkung ex nunc rückgängig gemacht werden kann. Bei der Ausgestaltung der Stornierungsregelung könnte sich der deutsche Gesetzgeber an Art.  27 BEG orientieren, der ebenfalls diesem Grundsatz folgt145. Ein Anspruch des Kontoinhabers auf Stornierung der Belastungsbuchung sollte folglich nur bestehen, wenn seine Autorisierung mangelhaft war oder in der Übertragungskette ein Fehler aufgetreten ist. Bei Mängeln im Kausalverhältnis sollte die Stornierungsregelung nicht zur Anwendung kommen, sondern eine Rückabwicklung nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§  812 ff. BGB) stattfinden146. Eine Autorisierung sollte als mangelhaft angesehen werden, wenn sie nichtig ist, nicht vom Kontoinhaber bzw. dessen Vertreter stammt, durch den Kontoinhaber rechtzeitig widerrufen wurde oder nach den Vorschriften der §§  119, 123 BGB angefochten wurde. Um zu einer ausgewogenen Risikoverteilung zu gelangen, sollte allerdings wie in Art.  27 Abs.  2 BEG vorgesehen werden, daß ein Anspruch auf Stornierung nicht besteht, wenn der Verwahrer nachweist, daß er den Mangel der Autorisierung nicht kannte und trotz Anwendung von zumutbaren Maßnahmen nicht kennen mußte. Von einem Verwahrer muß zwar erwartet werden, daß er sich vor der Ausführung eines Übertragungsauftrags der Legitimation des Anweisenden vergewissert und im Fall eines offenkundig fehlerhaften Auftrags Rücksprache beim Kontoinhaber nimmt. Angesichts der weitgehend vollautomatischen Abwicklung des Effektengiroverkehrs (Stichwort: straight-through processing) wäre es jedoch unverhältnismäßig, von einem Verwahrer zu verlangen, jede Autorisierung eingehend auf ihre Fehlerfreiheit zu prüfen147. Fehler in der Übertragungskette sollten dagegen stets zu einem Anspruch des Kontoinhabers auf Stornierung der Belastungsbuchung führen. (2) Gutschrift Auch im Hinblick auf die Stornierung einer Gutschrift könnte sich das deutsche Recht an der schweizerischen Regelung orientieren (vgl. Art.  28 BEG). Insoweit sieht das Konsultationspapier der Kommission eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, daß fehlerhafte Buchungen dieselben Rechtswirkungen wie fehlerfreie entfalten. Diese Ausnahme betrifft Gutschriften, die unter Verletzung der Pflicht der Depotbank zum Vorhalten eines ausreichenden Deckungsbestandes erteilt werden. Wichtigstes Beispiel ist die Erteilung vorgezogener Gutschriften im Rahmen des contrac­ tual settlement. Für solche Fälle kann das nationale Recht vorsehen, daß eine Gutschrift unter eine Bedingung gestellt werden kann dergestalt, daß sie erst mit der Lieferung der Effekten an die Depotbank Wirksamkeit erlangt148. In der Konsequenz 145 

Siehe nochmals FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  28 FISA Rn.  16. So auch die Empfehlung der Legal Certainty Group, Second Advice, S.  54. 147  FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  27 FISA Rn.  67/68. 148  European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Dispositions, Consultation Document November 2010, Principle 5 Abs.  3 und 6. 146 

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dieser Ausnahme liegt es, daß eine Depotbank eine Gutschrift stornieren darf, wenn die Lieferung ausbleibt. Auch in diesem Fall bewirkt die Stornierung keine materielle Rückverschiebung einer Rechtsposition, sondern dient sie lediglich der Berichtigung des Depots. Sollte Deutschland an einem Modell festhalten, in dem der Rechtserwerb durch Gutschrift vom Eingang der Effekten bei der Depotbank abhängt, sprächen dagegen also auch unter dem Gesichtspunkt der Stornierung keine Bedenken. Sollten die Vorstellungen der Kommission zu den Rechtswirkungen fehlerhafter Buchungen Wirklichkeit werden, könnten allerdings Probleme auftreten, soweit es um technisch bedingte Fehlbuchungen geht. Man nehme zum Beispiel an, daß einem Depotkunden infolge eines Computerfehlers 10.000 X-Aktien gutgeschrieben werden. Der Grundsatz, daß auch eine fehlerhafte Gutschrift zunächst Rechtswirkung entfaltet, hätte in diesem Beispiel streng genommen zur Folge, daß der Kunde die 10.000 Aktien zu Eigentum erwirbt, und zwar selbst dann, wenn die Depotbank keinen entsprechenden Deckungsbestand unterhält. Da der Kunde um die Fehlerhaftigkeit der Gutschrift wissen mußte, also bösgläubig ist, muß er sich zwar eine Stornierung der Gutschrift gefallen lassen149. Das ändert aber nichts daran, daß die fehlerhafte Gutschrift zunächst wie eine wirksame zu behandeln ist und damit zum Entstehen eines Überbestands führt. Mülbert hat denn auch zu Recht darauf hingewiesen, daß sich das bei technisch bedingten Fehlbuchungen auftretende Problem des Überbestands mit dem Modell einer ex nunc-Stornierung nicht adäquat lösen läßt150. Nun bleibt auch insoweit abzuwarten, welche Lösung sich auf europäischer Eben durchsetzen wird. Für das deutsche Recht sollte jedenfalls vorbehaltlich einer abweichenden europäischen Vorgabe klargestellt werden, daß eine technisch bedingte Fehlbuchung nicht zum Erwerb von Bucheffekten führt und von der Verwahrungsstelle ohne weiteres storniert werden kann151. b)  Gutgläubiger Erwerb Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers zählt trotz seiner geringen praktischen Bedeutung zu den Grundpfeilern des Rechts der mediatisierten Wertpapierverwahrung. Aus diesem Grund kommt auch ein wertpapierfreies Bucheffektenmodell nicht um eine entsprechende Regelung herum. Die Frage ist allerdings, ob und inwieweit sich eine solche Regelung an den sachenrechtlichen Vorbildern der §§  932 BGB, 366 HGB orientieren oder einem davon abweichenden konzeptionellen Ansatz folgen sollte. Für Letzteres plädiert Lehmann, wenn er einen „Paradigmenwechsel“ fordert152 . Bezugspunkt des guten Glaubens könne angesichts der Anonymität des Effektengiroverkehrs nicht länger die Berechtigung eines individuellen Veräußerers, sondern müsse das Vertrauen des Erwerbers darauf sein, daß die im System umlau149 

Siehe das ähnliche Beispiel bei der Legal Certainty Group, Second Advice, S.  62 (Example 22). Mülbert, ZBB 2010, 445, 456. 151  In gleichem Sinne Lehmann, Finanzinstrumente, S.  434 (für Fehlbuchungen ohne Rechtsgeschäft). 152  Siehe zum folgenden Lehmann, Finanzinstrumente, S.  431 ff. 150 

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fenden Rechte auch tatsächlich existieren und übertragen werden dürfen. Dieses vom Gesetz zu schützende „Systemvertrauen“ werde freilich nicht durch einen sichtbaren Tatbestand wie beispielsweise die vom Kreditinstitut übersandte Depotübersicht ausgelöst. Vielmehr sei davon auszugehen, „dass jeder Anleger allein durch seine mit­ telbare Teilnahme am Effektengirosystem gutgläubig ist“153. Der Erwerb vom Nichtberechtigten müsse daher als Regelfall, der Nicht-Erwerb als ein der besonderen Rechtfertigung bedürftiger Ausnahmefall angesehen werden. Ein solcher Ausnahmefall liege insbesondere vor, wenn der Erwerber weiß, daß die zu seinen Gunsten gebuchte Position nicht dem Veräußerer zustand. Solange das deutsche Recht an der Vorstellung eines derivativen Rechtserwerbs festhält, erscheint eine derart weite Entfernung vom Regelungssystem der §§  932 BGB, 366 HGB jedoch nicht zwingend. Zwar ist es richtig, daß bei der Veräußerung von Wertpapieren über die Börse dem Erwerber die Person des Veräußerers verborgen bleibt. Der Erwerber vertraut hier nicht auf die Rechtsinhaberschaft eines bestimmten Veräußerers, vielmehr auf die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Buchungsvorgänge im System. Jeder Erwerber rechnet, auch ohne den Veräußerer zu kennen, mit einem gültigen Erwerb vom Berechtigten154 . Anders liegt es jedoch im außerbörslichen Verkehr. Hier kommt es sehr wohl vor, daß sich eine Transaktion zwischen zwei eindeutig identifizierten Gegenparteien vollzieht. Es ist dies ein Umstand, der von einer Regelung zum gutgläubigen Erwerb nicht vollkommen ignoriert werden sollte. Im übrigen gibt es im Effektengiroverkehr sehr wohl eine Grundlage, die als Anknüpfungspunkt des guten Glaubens dienen kann, nämlich die Gutschrift auf dem Konto des Erwerbers. Sie ist Ausdruck der Rechteverschaffungsmacht des Veräußerers155. In Anbetracht dessen wäre es kein dogmatischer Mißgriff des Gesetzgebers, wenn er sich bei der Ausgestaltung der Regelung zum gutgläubigen Erwerb an den Vorbildern des Sachenrechts orientierte, wie dies auch Art.  29 BEG tut. In Anlehnung an Art.  29 Abs.  1 lit.  a BEG könnte also vorgesehen werden, daß ein Kontoinhaber, der Bucheffekten durch Gutschrift in gutem Glauben erwirbt, in seinem Erwerb geschützt ist, auch wenn der Veräußerer zur Verfügung über die Bucheffekten nicht befugt war. Wie bei §  932 BGB sollte das Vorhandensein des guten Glaubens vermutet und von dessen Fehlen ausgegangen werden, wenn dem Erwerber bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt ist, daß der Veräußerer nicht verfügungsbefugt war156. Für eine allgemeine Erkundigungspflicht ist schon im Rahmen von §  932 BGB kein Raum, und das muß angesichts der weitgehenden Anonymität der Geschäftsvorgänge, der großen Handelsvolumina und der Geschwindigkeit des Effektengiroverkehrs erst recht beim Erwerb von Bucheffekten gelten. Eine Pflicht zur 153  Lehmann, Finanzinstrumente, S.  432 (Hervorhebung im Original); dem folgend Beckmann, Reformbedarf, S.  266 f. 154  Günter H. Roth, Basler Juristische Mitteilungen 2011, 169, 181. 155  So (mit Blick auf Art.  29 BEG) wohl auch Hanten, Bucheffektengesetz, S.  160 m. Fn.  350. 156  Insoweit unklar Lehmann, Finanzinstrumente, S.  433 f.

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Nachforschung sollte dem Erwerber nur bei Bestehen konkreter Verdachtsgründe auferlegt werden. Des von Lehmann geforderten „Paradigmenwechsels“ bedarf es nicht, da bereits nach den gängigen Grundsätzen der Nicht-Erwerb von Bucheffekten als ein der besonderen Rechtfertigung bedürftiger Ausnahmefall anzusehen ist. Auf den fragwürdigen Einwand, die Depotgutschrift sei, da „für die Öffentlichkeit“ nicht sichtbar, als Rechtsscheintatbestand ungeeignet, ist hier nicht nochmals einzugehen. Davon abgesehen wäre der Gesetzgeber frei darin, für Bucheffekten eine Ausnahme vom sachenrechtlichen Publizitätsprinzip vorzusehen157. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, daß es für den gutgläubigen Erwerb allein auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers und nicht länger auf die Gutgläubigkeit des Zentralverwahrers oder zentralen Kontrahenten ankommt. Anders als im sachenrechtlichen Modell hängt das Niveau des Verkehrsschutzes auch nicht mehr davon ab, ob man es mit einer hausinternen oder teilnehmerübergreifenden Übertragung zu tun hat und ob sich bei der Verrechnung wechselseitiger Lieferansprüche durch den zentralen Kontrahenten aus Sicht der betreffenden Bank ein positiver oder negativer Saldo ergeben hat. Rechtspolitisch ist das nur zu begrüßen. Um das Instrumentarium zu vervollständigen und der Vorgabe von Art.  18 Abs.  2 GWpÜ zu genügen, könnte in Anlehnung an Art.  29 Abs.  1 lit.  b BEG der Schutz des gutgläubigen Erwerbers noch auf den Fall erweitert werden, daß die Gutschrift im Depotkonto des Veräußerers storniert worden ist. Dadurch würde verhindert, daß Fehler beim vorherigen Erwerb durch den Veräußerer auf nachfolgende Verfügungen durchschlagen. Hier hätte der Gedanke des Systemvertrauens − des Vertrauens in die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Buchungsvorgänge im Effektengirosystem − seinen richtigen Platz. c)  Übertragung durch Abtretung? In der ursprünglichen Fassung des Bucheffektengesetzes, und zwar in Art.  30 Abs.  3 BEG, war die Möglichkeit angelegt, über Bucheffekten durch Zession und damit außerhalb des Buchungssystems zu verfügen. Ein Teil des Schrifttums hielt diese Bestimmung allerdings für ein legislatorisches Versehen und eine Zession de lege lata für ausgeschlossen158. Auch wenn diese Auffassung keine durchschlagenden Argumente vorbringen konnte, hat sie sich zumindest im Ergebnis durchgesetzt, denn durch das FinfraG wurde Art.  30 Abs.  3 BEG mit Wirkung zum 1. Januar 2016 gestrichen und damit die Möglichkeit der Zession beseitigt. Der deutsche Gesetzgeber sollte sich eine derartige Diskussion gar nicht erst einhandeln und unmißverständlich klarstellen, daß eine Übertragung von Bucheffekten durch Abtretung ausgeschlossen ist. Das Genfer Wertpapierübereinkommen zeigt sich in Art.  13 liberaler, doch sollte der Gesetzgeber sich diese Haltung nicht zu eigen machen. Denn wer − wie der 157  Das wird auch betont von Casper, in: Leible/Lehmann/Zech (Hrsg.), Unkörperliche Güter im Zivilrecht, S.  173, 191. 158  Dalla Torre/Germann, GesKR 2009, 573, 577.

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BGH für das geltende Recht159 − „heimliche Verfügungen“ über Depotbestände toleriert, läßt außer acht, daß das mediatisierte Verwahrsystem besonders hohe Anforderungen bezüglich Rechtssicherheit und Rechtsklarheit stellt. Er untergräbt die Richtigkeitsgewähr der Buchung und konterkariert alle – auch aufsichtsrechtlichen – Bemühungen, dafür zu sorgen, daß die Depotkonten die Bestands- und Eigentumslage stets zutreffend widerspiegeln160. Für die Möglichkeit der Abtretung von Depotwerten besteht auch kein dringendes praktisches Bedürfnis.

5.  Bucheffekten als Sicherheiten a)  Funktionaler Ansatz? In bezug auf die Verwendung von Bucheffekten als Sicherheiten stellt sich die Frage, ob auch das deutsche Recht zukünftig von einem funktionalen Ansatz ausgehen sollte. Das schweizerische Bucheffektengesetz spricht in den Artikeln 25, 26 und 31 nur von „Sicherheiten“. Das heißt aber nicht, daß die hergebrachte Unterscheidung zwischen Pfandrechten und Vollrechtssicherheiten zugunsten eines einheitlichen Sicherungsrechts aufgegeben wurde. Hinter dem funktionalen Verständnis des Begriffs „Sicherheit“ steht vielmehr die Idee eines Methodenpluralismus: Das Gesetz möchte zum Ausdruck bringen, daß die von ihm vorgesehenen Methoden der Sicherheitenbestellung jeweils für beide Arten von Sicherheiten verwendet werden können. Die Methode der Kontogutschrift (Art.  24 BEG) soll also sowohl für die Verpfändung als auch für die Begründung einer Vollrechtssicherheit zugunsten eines Dritten zur Verfügung stehen. Entsprechendes gilt für die Methode der Kontrollvereinbarung (Art.  25 BEG). Bedenkt man, zu welchen Mißverständnissen der funktionale Ansatz im schweizerischen Schrifttum bereits geführt hat, drängt sich seine Übernahme in das deutsche Recht allerdings nicht unbedingt auf. Es ist auch nicht recht erkennbar, welche Vorteile dieser Ansatz eigentlich hat. Deshalb sollte im deutschen Recht auch weiterhin regelungstechnisch zwischen Übertragungen (mit oder ohne Sicherungszweck) und Verpfändungen unterschieden werden. b) Methoden Klarstellungsbedarf besteht allerdings im Hinblick auf die Methoden der Verpfändung, genauer: die Frage, inwiefern es zur wirksamen Verpfändung von Depotwerten an einen Dritten neben der dinglichen Einigung der Parteien eines tatsächlichen Vollzugsakts bedarf. Die Untersuchung der Miteigentumskonstruktion hat ergeben, daß die beiden zur Zeit praktizierten Methoden der Verpfändung, die Umbuchung der Anteile auf ein Konto des Pfandnehmers und das „Earmarking“ auf dem Konto des Verpfänders, eine unterschiedliche Bedeutung haben je nachdem, ob die Ver159 

160 

Siehe die Grundsatzentscheidung BGH, WM 2013, 1264. Dazu eingehend Segna, in: Festschrift für Baums, S.  1115 ff.

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pfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 oder nach §  1205 Abs.  2 BGB vorgenommen wird. Bei einer Verpfändung nach §  1205 Abs.  1 Satz  1 BGB wirkt die Umbuchung bzw. Sperrung rechtsbegründend, weil in ihr die nach dieser Vorschrift erforderliche Übergabe der Wertpapiere zu sehen ist. Bei einer Verpfändung nach §  1205 Abs.  2 BGB wirken diese Akte deklaratorisch, weil nach diesem Tatbestand eine Verpfändungsanzeige an den Besitzer genügt. De lege lata ist an diesem Befund kaum vorbeizukommen. Rechtspolitisch gibt er zu denken, zumal im Schrifttum keine Klarheit darüber besteht, welches der „richtige“ Verpfändungstatbestand ist, und sich in der Praxis die Parteien über den einzuschlagenden Weg häufig keine Gedanken machen. Im Einklang mit den Vorgaben des Genfer Wertpapierübereinkommens sollte deshalb klargestellt werden, daß die Umbuchung bzw. Anbringung eines „designa­ ting entry“ notwendiges Element des Verpfändungstatbestandes ist161. Eine Übernahme der Kontrollvereinbarung in das deutsche Recht ist dagegen vorerst nicht zu empfehlen162 . Denn gerade das Pfandrecht wird in besonders starkem Maße vom Publizitätsprinzip beherrscht. Eine Methode, bei welcher zur Verpfändung eine rechtsgeschäftliche Absprache genügt und das Pfandrecht in keiner Weise nach außen kenntlich gemacht werden muß, sollte daher nur zugelassen werden, wenn dafür ein zwingender Bedarf besteht. Dieser ist aber, da die Praxis bislang gut ohne diese Möglichkeit ausgekommen ist, nicht ersichtlich. Folglich besteht auch (noch) kein Anlaß, das Publizitätsprinzip für den Bereich der Verpfändung von Bucheffekten vollständig aufzugeben und an seine Stelle das sog. Kontrollprinzip zu setzen, wie es den Regelungen des schweizerischen Bucheffektengesetzes und des Genfer Wertpapierübereinkommens zugrundeliegt163. Nicht auszuschließen ist allerdings, daß der europäische Gesetzgeber die Methode der Kontrollvereinbarung obligatorisch machen wird. c) Verwertung Was die Verwertung von Pfandrechten betrifft, könnte es bei den bisherigen Grundsätzen bleiben. Das gilt insbesondere für die in §  1259 BGB vorgesehenen, auf die Finanzsicherheitenrichtlinie zurückgehenden Erleichterungen für „gewerbliche Verpfändungen“ von Wertpapieren, die einen Börsen- oder Marktpreis haben. Zu diesen Erleichterungen gehört neben der Möglichkeit des freihändigen Verkaufs durch den Pfandgläubiger oder einen Dritten auch die Möglichkeit der Verfallvereinbarung, die nach schweizerischem Sachenrecht seit jeher verboten und auch durch das Bucheffektengesetz nicht als Ausnahme zugelassen worden ist. Im deutschen Recht muß die Möglichkeit der Verfallvereinbarung beibehalten werden, da sie durch Art.  4 FinanzsicherheitenRL vorgeschrieben ist. 161  So der Sache nach auch Lehmann, Finanzinstrumente, S.  4 45 ff. (Verpfändung durch Einigung und Eintragung); vgl. auch Art.  11 Abs.  4 und Art.  12 Abs.  1 und Abs.  3(b) GWpÜ. 162 Ebenso Chun, Cross-Border Transactions, S.   441; Lehmann, Finanzinstrumente, S.  446; wohl auch Beckmann, Reformbedarf, S.  317. 163 Siehe Kuhn, Schweizerisches Kreditsicherungsrecht, §  26 Rn.  55 (S.  483).

§  19  Reformoptionen

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6.  Integrität des Verwahrsystems Zum Schutz der Depotkunden und der Integrität des Verwahrsystems sollte einem Verwahrer die Pflicht auferlegt werden, stets einen zur Abdeckung aller Kundenguthaben ausreichenden Bestand an Effekten zu unterhalten und einen etwaigen Unterbestand unverzüglich auszugleichen. Sollte der Gesetzgeber sich dazu entschließen, die von den Banken geübte Praxis der vorgezogenen Depotgutschrift auch weiterhin zu tolerieren, wäre in Anlehnung an Art.  11 Abs.  3 lit.  c. BEG vorzusehen, daß auch frei verfügbare Ansprüche auf Lieferung von Bucheffekten durch andere Verwahrungsstellen während der üblichen Lieferfrist zur Deckung der Depotguthaben angerechnet werden können. Darüber hinaus sollte das upper-tier attachment ausgeschlossen, also vorgesehen werden, daß eine Zwangsvollstreckung, die Bucheffekten zum Gegenstand hat, ausschließlich bei dem Verwahrer vorgenommen werden kann, der für den Schuldner, gegen den sich die Maßnahme richtet, das Depotkonto führt.

7. Insolvenz In der Insolvenz der Depotbank kann der Anleger geltend machen, daß seine Bucheffekten nicht zur Insolvenzmasse gehören. Das folgt bereits aus §  47 Satz  1 InsO. Die Bucheffekte ist ein „dingliches Recht“ im Sinne dieser Vorschrift, denn sie ist als Vermögengegenstand sui generis ausschließlich dem Anleger zugeordnet und neben dem Verwahrer auch jedem Dritten gegenüber wirksam. Gleichwohl sollte das Aussonderungsrecht des Kontoinhabers gesondert geregelt werden. Denn zum einen sind Bucheffekten nicht bloß beim depotführenden Verwahrer, sondern auch auf den übergeordneten Ebenen der Verwahrpyramide verbucht. Und zum anderen kann in der Insolvenz einer Depotbank eine Vielzahl von Depotkunden betroffen sein. Das macht spezielle Vorkehrungen zur Vereinfachung des Verfahrens und zum Schutz der Depotkunden erforderlich. In Anlehnung an Art.  17 BEG sollte deshalb vorgesehen werden, daß Bucheffekten, die der Verwahrer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, über einen Drittverwahrer hält, vom Insolvenzverwalter im Umfang der Kundenguthaben von Amts wegen auszusondern sind164 . Ferner sollte festgelegt werden, daß die Bucheffekten auf einen anderen vom Kontoinhaber zu bezeichnenden Verwahrer zu übertragen sind. Eine Aussonderung in Form der Auslieferung von Wertpapieren kommt von vornherein nicht in Betracht, da den Bucheffekten keine Wertpapiere zugrundeliegen. Es sollte auch ausdrücklich geregelt werden, wie bei Vorliegen eines Unterbestandes zu verfahren ist. Das schweizerische Recht kommt den Depotkunden in diesem Punkt weit entgegen (vgl. Art.  19 BEG). Genügen die abgesonderten Bucheffekten zur vollständigen Befriedigung der Ansprüche der Kontoinhaber nicht, so werden zu deren Gunsten im Umfang des Unterbestandes Bucheffekten derselben Gattung abge164  Das befürworten auch Beckmann, Reformbedarf, S.  345 und Lehmann, Finanzinstrumente, S.  474.

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Fünfter Teil:  Depotrechtsreform

sondert, welche die Verwahrungsstelle auf eigene Rechnung hält. Das gilt auch dann, wenn der Eigenbestand der Verwahrungsstelle von den Beständen der Kunden getrennt gehalten wird. Sind die Ansprüche der Kontoinhaber danach immer noch nicht befriedigt, wird der Unterbestand pro rata auf die Kontoinhaber umgelegt. Der Zugriff auf die Eigenbestände des Instituts wird von der Botschaft mit der Erwägung gerechtfertigt, daß ein Unterbestand meistens die Folge operationeller Mängel ist, z. B. weil ein Verwahrer Bucheffekten falsch verbucht oder mißbräuchlich darüber verfügt hat165. Das Genfer Wertpapierübereinkommen ist in dieser Frage etwas flexibler. Es geht zwar im Grundsatz ebenfalls von einem Zugriff auf die Eigenbestände des Verwahrers aus, räumt aber in Art.  25 Abs.  5 einem Vertragsstaat die Möglichkeit ein, für Eigenbestände, die in segregierter Form gehalten werden, eine Ausnahme vorzusehen. In Deutschland sollte eine Übernahme der schweizerischen Regelung in Betracht gezogen werden, zumal der Gedanke, Eigenbestände des Verwahrers zur Befriedigung seiner Kunden heranzuziehen, schon dem geltenden Recht nicht fremd ist166. Die Diskussion auf EU-Ebene hat sich zuletzt freilich in die Gegenrichtung bewegt. In ihrem Konsultationspapier vom November 2010 hat sich die Kommission jedenfalls skeptisch gegenüber einem Zugriff auf Eigenbestände geäußert, da er auf eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Depotkunden vor allen anderen Insolvenzgläubigern hinauslaufe167. Wie schon bisher sollte Kommittenten, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Eigentum an den Bucheffekten noch nicht erlangt, aber ihre Verpflichtungen aus dem Geschäft vollständig oder zum größten Teil erfüllt haben, der Vorrang vor den anderen Insolvenzgläubigern eingeräumt werden (vgl. §   32 Abs.   1 Nr.   1 und 3 ­DepotG). Gleiches sollte für Depotkunden und Verpfänder gelten, deren Eigentum durch eine rechtswidrige Verfügung des Verwahrers verletzt worden ist und die ihre Verpflichtungen aus dem Geschäft über diese Bucheffekten fast vollständig erfüllt haben (vgl. §  32 Abs.  1 Nr.  2 DepotG). Denn an dem Bedürfnis, diesen Gruppen einen besonderen Schutz zukommen zu lassen, würde sich durch die Umstellung auf ein Bucheffektenmodell nichts ändern168.

8.  Grenzüberschreitende Verwahrung Das hier vorgeschlagene Modell hält an dem Grundsatz fest, daß eine Depotgutschrift dem Anleger Forderungs- bzw. Mitgliedschaftsrechte unmittelbar gegenüber dem Emittenten vermittelt. Soweit es um im Ausland verwahrte Wertpapiere geht, läßt sich dieser Grundsatz nicht konsequent durchhalten. Besonders deutlich hat dies 165 Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9364. 166  Das zeigt ein Blick auf §  32 DepotG; zu dieser Regelung noch sogleich im Text. 167  European Commission, Legislation on Legal Certainty of Securities Holding and Disposition, November 2010, Background comment zu Principle 10. 168  Vgl. auch Lehmann, Finanzinstrumente, S.  474.

§  19  Reformoptionen

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die Analyse von §  5 Abs.  4 DepotG am Beispiel der gegenseitigen Kontoverbindung zwischen der Clearstream Banking AG und der DTC gezeigt. Hier trifft das deutsche Recht auf ein Verwahrungskonzept mit indirekter Rechtsträgerschaft, das auf der Vorstellung beruht, daß nicht die einzelnen Anleger, sondern die DTC als legal ow­ ner der Wertpapiere in das Register des Emittenten eingetragen und folglich als Aktionär bzw. Gläubiger anzusehen ist. Daraus folgt aber nicht, daß an der bisherigen Sonderbehandlung auslandsverwahrter Wertpapiere durch §  5 Abs.  4 DepotG und das Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung festgehalten werden müßte oder daß für die Fälle der Auslandsverwahrung spezielle Regelungen geschaffen werden müßten169. Vielmehr könnte das Bucheffektenmodell auch auf die grenzüberschreitende Verwahrung erstreckt werden. Dazu wäre es erforderlich, in das Gesetz eine Bestimmung nach Art von Art.  10 Abs.  2 BEG aufzunehmen, demzufolge bei der Drittverwahrung im Ausland der Kontoinhaber zumindest Rechte entsprechend den Rechten erwirbt, welche die inländische Depotstelle gemäß dem anwendbaren Recht aus der Drittverwahrung erhält. Damit wäre klargestellt, daß eine Depotgutschrift dem Anleger nur insoweit Rechte gegenüber dem Emittenten vermittelt, als das anwendbare ausländische Recht dies zuläßt. Nun wird die praktische Relevanz von Art.  10 Abs.  2 BEG vor allem in den Fällen gesehen, in denen die der inländischen Verwahrungsstelle durch die ausländische Drittverwahrungsstelle vermittelte Rechtsposition einem Vollrecht an Bucheffekten i. S. von Art.  3 Abs.  1 BEG nicht funktional gleichwertig ist. Von einer gleichwertigen Rechtsposition könne nur gesprochen werden, wenn der Kontoinhaber über die ihm gutgeschriebenen Werte frei verfügen kann und die damit verbundenen Rechte uneingeschränkt erhält bzw. ausüben kann, ferner, wenn die Werte im Konkurs der Drittverwahrungsstelle abgesondert werden können. In Art.  10 Abs.  2 BEG nimmt das schweizerische Recht also in Kauf, daß das Kundenschutzniveau bei der Auslandsverwahrung erheblich niedriger als bei der Inlandsverwahrung sein kann. Es soll sogar grundsätzlich zulässig sein, daß eine inländische Verwahrungsstelle lediglich einen bloßen schuldrechtlichen Anspruch aus der Drittverwahrung erhält mit der Folge, daß im Konkurs der Drittverwahrungsstelle kein Absonderungsrecht besteht170. Demgegenüber ist hierzulande immer darauf geachtet worden, daß die Rechtsposition, die der Anleger bzw. seine Depotbank hinsichtlich der im Ausland verwahrten Werte erhält, der Rechtsposition bei der Inlandsverwahrung (derzeit also: dem Miteigentum nach dem Depotgesetz) funktional gleichwertig ist171. Dabei sollte es bleiben. In der Konsequenz dieser Überlegungen liegt es, daß bei einem Umstieg auf ein Bucheffektenmodell zumindest rechtlich auch nicht länger zwischen gegenseitigen Kontoverbindungen i. S. von §  5 Abs.  4 DepotG und den bislang vom WR-Konzept erfaßten Fällen unterschieden werden müßte. 169 

Letzteres befürwortet Chun, Cross-Border Transactions, S.  435. FISA & HSC Commentary/Kuhn, Art.  10 FISA Rn.  61. 171  Vgl. nochmals §  5 Abs.  4 Satz  1 Nr.  2 DepotG und Nr.  12 Abs.  3 Satz  1 SBW. 170 

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9.  Internationales Privatrecht Was das internationale Privatrecht intermediärverwahrter Wertpapiere betrifft, ist das deutsche Recht bis auf weiteres an die Vorgaben des europäischen Rechts gebunden, d. h. den Place of the Relevant Intermediary Approach (PRIMA), wie er in Art.  9 Abs.  2 FinalitätsRL und Art.  9 FinanzsicherheitenRL enthalten ist sowie in den ersten Entwürfen einer Wertpapierrechtsrichtlinie zu finden war. Eine Zeichnung des Haager Wertpapierübereinkommens kommt daher für Deutschland nicht in Betracht, zumal die Außenkompetenz dafür jedenfalls auch bei der Europäischen Union liegt172 . Für das hier vorgeschlagene Bucheffektenmodell wäre also vorzusehen, daß Verfügungen über Bucheffekten dem Recht des Staates unterliegen, in dem das Konto geführt wird, auf dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Buchung vorgenommen wird. Sollte das deutsche Recht an einem Modell des derivativen Rechtserwerbs festhalten, bliebe es also bei dem Grundsatz, daß das anwendbare Recht nur einmal am Ende der Buchungskette und nicht gesondert auf jeder Verwahrstufe ermittelt wird. Eine Verfügung über Bucheffekten unterläge weiterhin einer einzigen Rechtsordnung, selbst wenn sie eine ganze Reihe von Buchungen bei verschiedenen Intermediären erfordert173. Sollte das deutsche Recht im Sinne eines „Separationsprinzips“ auf ein Modell des originären Erwerbs umschwenken, wäre dagegen zu unterscheiden: Der Erwerb von (Rechten an) Bucheffekten würde sich nach der Rechtsordnung des Staates richten, in dem das Konto geführt wird, auf dem zugunsten des Erwerbers die rechtsbegründende Buchung vorgenommen wird. Der Verlust von (Rechten an) Buch­effekten würde sich nach der Rechtsordnung des Staates richten, in dem das Konto geführt wird, auf dem zu Lasten des bisherigen Inhabers die entsprechende Buchung vorgenommen wird.

10.  Gesetzestechnische Umsetzung Zur Umsetzung des hier unterbreiteten Vorschlags bedarf es der Schaffung eines Buch­effektengesetzes, das alle wesentlichen Regelungen über Bucheffekten sowie die darauf bezogenen Rechte und Pflichten der Kontoinhaber und Verwahrer enthält. Der Anwendungsbereich des Gesetzes sollte sich auf Bucheffekten erstrecken (und beschränken), die ein Verwahrer einem Effektenkonto gutgeschrieben hat (vgl. Art.  2 Abs.  1 BEG). Als Verwahrer im Sinne des Bucheffektengesetzes sollte jede Stelle qualifiziert werden, die auf den Namen von Personen oder Personengesamtheiten Effektenkonten führt (vgl. Art.  4 Abs.  1 BEG). Natürlich läßt sich darüber streiten, ob der Begriff „Verwahrer“ in einem Modell, in dem keine Wertpapiere mehr existieren, überhaupt noch eine Berechtigung hat. Präziser wäre es wohl, auf den vom Genfer Wertpapierübereinkommen verwendeten Begriff „Intermediär“ (intermediary) um172  173 

Siehe dazu oben §  15 I m. Fn.  12. Dazu, daß dies nicht unproblematisch ist, bereits oben §  10 III 3 (zu §  17a DepotG).

§  19  Reformoptionen

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zuschwenken oder dem von der Legal Certainty Group empfohlenen Begriff „Kontoführer“ (account provider) den Vorzug zu geben. Aber diese Begriffe sind noch blasser und abstrakter als der Begriff „Zahlungsdienstleister“, wie er von den §§  675c ff. BGB verwendet wird. Es ließe sich deshalb gut vertreten, am Begriff „Verwahrer“ festzuhalten. Abgesehen von der Schaffung eines Bucheffektengesetzes würde der Umstieg auf ein Bucheffektenmodell eine Reihe punktueller Anpassungen, aber keine tiefgreifende Umgestaltung des geltenden Rechts erfordern. Zu ändern wäre zum Beispiel §  793 BGB, der bei der Schuldverschreibung auf den Inhaber die Wirksamkeit des Lei­ stungsversprechens von der Ausstellung einer Urkunde abhängig macht. §  10 Abs.  5 AktG wäre dahingehend anzupassen, daß der Aktionär keinen Anspruch auf Verbriefung seines Anteils hat (auch nicht in einer Globalurkunde), sofern die Satzung nicht etwas anderes bestimmt174 . Anzupassen wäre auch die Börsenzulassungs-Verordnung, soweit sie Vorgaben hinsichtlich der Ausgabe und Ausgestaltung der zum regulierten Markt zuzulassenden „Wertpapiere“ enthält. Einer Umgestaltung des Wertpapierhandelsgesetzes zu einem Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente bedürfte es jedoch nicht175. Schon heute trägt das Wertpapierhandelsgesetz der teilweisen Dematerialisierung der Effekten dadurch Rechnung, daß es unter „Wertpapieren“ auch solche übertragbaren, ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbaren Titel versteht, über die keine Urkunden ausgestellt sind (vgl. §  2 Abs.  1 Satz  1 WpHG). Man kann diese Definition als mißglückt kritisieren, sollte aber bedenken, daß das deutsche Recht schon seit einiger Zeit mit einem Nebeneinander verschiedener Wertpapierbegriffe lebt, ohne daß dies bislang zu Problemen geführt hätte. Vor allem hat man sich nie daran gestört, daß dem Wertpapierhandelsgesetz ein anderer Wertpapierbegriff als dem Depotgesetz zugrundeliegt. Es wäre deshalb zu verschmerzen, wenn das Wertpapierhandelsgesetz auch weiterhin von „Wertpapieren“ spräche, während das Bucheffektengesetz unverbriefte Forderungs- und Mitgliedschaftsrechte, die auf Depotkonten verbucht sind, zu seinem Gegenstand machte. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, daß mit dem Umstieg auf ein Bucheffektenmodell auch keine Eingriffe in das allgemeine Wertpapierrecht verbunden wären. Dieses würde weiterhin für jede Urkunde gelten, in der ein privates Recht dergestalt verbrieft ist, daß zur Geltendmachung des Rechts die Innehabung der Urkunde erforderlich ist.

174  Vor allem mit Rücksicht auf kleinere Gesellschaften spricht grundsätzlich nichts dagegen, Aktiengesellschaften die Möglichkeit zu belassen, den Aktionären ein Recht auf Verbriefung ihrer Anteile einzuräumen. Für Gesellschaften, die ihre Aktien in das Bucheffektensystem „einspeisen“ wollen, scheidet diese Möglichkeit aber aus. 175 Anders Lehmann, Finanzinstrumente, S.  510.

§  20  Schlußwort Der hier entwickelte Vorschlag eines wertpapierfreien Bucheffektenmodells muß mit dem Einwand rechnen, ein unverbrieftes, ausschließlich durch eine Registereintragung in Erscheinung tretendes Recht sei für den Anleger „weniger sicher“ als sachenrechtliches Eigentum an einem Sammelbestand von Wertpapieren. Aber diese Vorstellung ist ein Irrtum. Daß eine Rechtsordnung die durch eine Depotgutschrift vermittelte Rechtsposition als „Eigentum“ bezeichnet, sagt für sich genommen nichts darüber aus, ob diese Rechtsposition den Anleger in den Genuß aller mit den Wertpapieren verbundenen Rechte kommen läßt, ihm rechtssichere Verfügungen über seine Depotwerte ermöglicht und ihm in der Insolvenz des kontoführenden Intermediärs einen auch praktisch wirksamen Schutz gewährt. Worauf es entscheidend ankommt, ist der rechtliche Rahmen der mediatisierten Wertpapierverwahrung, der in den für die Rechtsstellung des Anlegers und die Integrität des Verwahrsystems wesentlichen Fragen vollständig, klar und widerspruchsfrei sein muß. Schon im geltenden sachenrechtlichen Konzept der Girosammelverwahrung ist die Eigentums- und Besitzposition des Anlegers stark verdünnt. Will er seine bei der Clearstream Bank­ ing AG hinterlegten Wertpapiere übertragen, verpfänden oder Rechte daraus geltend machen, ist er auf die Mitwirkung seiner Depotbank angewiesen. Es sind dies Beschränkungen, die sich aus der Mediatisierung der Verwahrung ergeben und unabhängig davon bestehen, ob die Rechtsposition des Anlegers als sachenrechtliches Eigentum, als im Kern schuldrechtliche Berechtigung oder als Recht sui generis ausgestaltet ist176. Da der Sache nach schon heute die Depotgutschrift und nicht der Besitz eines bestimmten Wertpapiers der entscheidende Ausweis für die Berechtigung des Anlegers ist, muß mit der Einführung eines Bucheffektenmodells nicht notwendigerweise eine Schwächung von dessen Rechtsposition einhergehen. Im Gegenteil böte dieser Schritt die Chance, die in dieser Untersuchung festgestellten Schwächen der Miteigentumskonstruktion zu überwinden und das deutsche Effektengirosystem wieder auf eine feste und international kompatible Grundlage zu stellen. Über die Ausgestaltung eines Bucheffektenmodells im einzelnen läßt sich natürlich streiten. An dem das deutsche Recht seit jeher prägenden Prinzip, daß durch die Einbringung von Kapitalmarktwerten in ein mediatisiertes Verwahrsystem die Rechte des Anlegers gegenüber dem Emittenten nicht berührt werden, sollte festge176  Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl. 2006, S.  9414.

§  20  Schlußwort

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halten werden. Ein Übergang zu einem System mit indirekter Rechtsträgerschaft, in dem der Zentralverwahrer rechtlicher Inhaber der Kapitalmarktwerte wird und sich die Rechtsstellung des Anlegers grundsätzlich auf ein Bündel von Ansprüchen gegen den depotführenden Intermediär beschränkt, ist nicht zu empfehlen. Die für ein Buch­ effektensystem wesentliche (Vor-)Frage, wie unverbriefte Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte begründet werden und wie ihre Begründung gegenüber dem Zentralverwahrer nachgewiesen kann, wirft aus meiner Sicht keine unüberwindlichen Probleme auf. Das gilt auch für die Frage, wie sich die „Hinterlegung“ der unverbrieften Rechte beim Zentralverwahrer bewerkstelligen läßt. Die Schweiz hat dafür in Gestalt des Wertrechtebuchs und des Hauptregisters eine rechtssichere und zugleich praktikable Lösung gefunden, an der sich auch das deutsche Recht orientieren könnte. Der Schwerpunkt der künftigen rechtspolitischen Diskussion sollte auf der Frage liegen, ob der Erwerb von Bucheffekten als derivativer oder originärer konstruiert werden sollte. Der Vorschlag, zu einem Modell überzugehen, in dem die Depotgutschrift den originären, nicht von einem bestimmten vorherigen Rechtsinhaber abgeleiteten Erwerb von Bucheffekten bewirkt, scheint auf den ersten Blick abenteuerlich zu sein, bricht er doch mit dem vertrauten sachenrechtlichen Prinzip, daß ein Recht nur erworben werden kann, wenn es uno actu von einem anderen verloren wird. Doch sollte man bedenken, daß schon heute der Sache nach keine Übertragung, sondern eine permanente Umverteilung von Girosammelanteilen vorgenommen wird. Nicht auszuschließen ist, daß ein künftiger europäischer Rechtsakt zum Wertpapierrecht, sei er eine Richtlinie oder Verordnung, Anpassungen des hier vorgeschlagenen Bucheffektenmodells erforderlich machen wird. Zu beobachten bleibt insbesondere, welche Haltung das europäische Recht zur Konstruktion des Rechtserwerbs, den Methoden für die Bestellung von Sicherheiten, den Rechtswirkungen fehlerhafter Buchungen und den dogmatischen Grundlagen des redlichen Erwerbs (Stichwort: Gutschrift als Rechtsscheinträger) einnehmen wird. Nicht vollkommen auszuschließen ist, daß die Europäische Union den Mitgliedstaaten einen Wechsel zu einem System mit indirekter Rechtsträgerschaft vorschreiben wird, doch erscheint ein solch weitgehender Schritt im Moment wenig wahrscheinlich. Wie dem auch sei: Die in letzter Zeit etwas in Stocken geratene Diskussion über die Reform des deutschen Depotrechts sollte wieder aufgenommen werden. Das deutsche Depotrecht ist nicht so schlecht wie sein Ruf. Es sollte aber in dem hier vorgeschlagenen Sinne umgestaltet werden.

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− Finalität  s. dort account-held securities  s. intermediärverwahrte Wertpapiere account operator 17 actual settlement  s. Settlement AGB-Pfandrecht  19, 255, 263−265 Aktionärsrechte-Richtlinie  14, 59, 63 Aktionsplan für den Finanzbinnenmarkt  99 American Depositary Receipts 319 Anforderungen an das Depotrecht  s. Depotrecht Anlagefondsanteile 421 Anleger  63 f., 442 f. Arbitrageschäfte  309, 311, 318 Auslandsgeschäft in Wertpapieren  321−360 − Anspruch aus dem Anschaffungsgeschäft 334−336 − Auslieferungsanspruch aus der WR-Gutschrift  s. dort − Deckungsbestand  334, 340−342 − Drei-Punkte-Erklärung  340−342, 347 f. − Haftung des Verwahrers  339 f. − Insolvenz- und Vollstreckungsschutz 342−349 − Pfändung von Depotwerten  359 − Rechtsgrundlagen 323−326 − Schutz des Deckungsbestandes  340−342 − Treuhandgiroverkehr  s. dort − Treuhandverhältnis  s. dort − Treuwidrige Verfügungen  352−354 − Verpfändung  s. Verpfändung von WR-Guthaben − Verwaltung von Wertpapieren  s. dort − WR-Gutschrift  s. dort Auslandskassenverein (AKV)  72, 310, 318, 393 Auslieferungsanspruch aus der WR-Gutschrift (s. auch Auslandsgeschäft in

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Sachregister

Wertpapieren, WR-Gutschrift)  42, 327−336, 351 − Bedeutung der WR-Gutschrift  327−332 − Beschränkung auf den Deckungs­ bestand 334 − Inhalt 333 − Pfändung 359 − Übertragung  351 f. − Verhältnis zum Anspruch aus dem Anschaffungsgeschäft 334−336 − Verpfändung  s. Verpfändung von WR-Guthaben Auslieferungsanspruch bei der GS-Verwahrung (s. auch mittelbarer Mitbesitz) − Abtretung  213 f. − Ausschluß 164−167 − bei einzelverbriefenden Wertpapieren  174−185, 287 f. − bei Dauerglobalurkunden  186−199, 213, 287 f. − gegen die Wertpapiersammelbank 178−180 − Gesamtherausgabeanspruch der Hinterleger  176, 189 f. − Herausgabeanspruch des Miteigentümers 180−184 − Herausgabe durch Umbuchung  194−199, 288 − in Ausnahmesituationen  186−188 − Verpfändung 254 Aussonderungsrecht (s. auch Insolvenzschutz)  41 f., 120 f., 306, 329, 342−349, 647 Bank des Berliner Kassen-Vereins  154 f. beneficial ownership  55 f., 61, 143, 338, 551 f. Besitzmittlungsverhältnis  s. mittelbarer Besitz Besitzverschaffungsmacht  230 f., 266 f. Bogenerneuerung  s. Verwaltung von Wertpapieren bridge 76 Bucheffekte (Schweiz) − Abgrenzung zum security entitle­ ment  442, 513 − Absonderung  s. dort − Abtretung  502 f. − als Sicherheit  s. Sicherheiten an Bucheffekten

− Anspruch auf Depotbescheinigung  455 f. − Auslieferung von Wertpapieren  447 − Begriff  43 f., 442 − Deckungsbestand  448 f. − Drittwirkung  443, 456 − Entstehung  444−447 − gutgläubiger Erwerb  s. dort − Haftung der Verwahrungsstelle  506 f. − Inhalt bei grenzüberschreitender Verwahrung 507−509 − Liquidation der Drittverwahrungs­ stelle 462 − Rechte gegenüber dem Emittenten  454 f. − Rechte gegenüber der Verwahrungs­ stelle  455 f. − Rechte in der Liquidation der Verwahrungsstelle 456−462 − Rechtsnatur 442−444 − Risikogemeinschaft 460−462 − Rückbehaltungs- und Verwertungsrecht 462−464 − Übertragung  s. dort − Untergang  447 f. − „Suspendierung“ der Rechte an den Basiswerten  43 f., 451−454 − Vereinbarkeit mit dem HWpÜ  510−512 − Vermögensrecht sui generis  43 f., 443 f. − Verpfändung  s. dort − Weisungen an die Verwahrungsstelle  455, 466−468 − Zwangsvollstreckung  s. dort Bucheffektengesetz − Anpassungen durch das FinfraG  438 − als Regelungsmodell für das deutsche Recht  621 f. − Bericht der technischen Arbeitsgruppe  436 f. − Entstehungsgeschichte 433−438 − grenzüberschreitende Verwahrung  504−509 − Inkrafttreten  43, 438 − internationale Kompatibilität  439 − Internationales Privatrecht  510−512 − Leitideen 439−441 − offene Architektur  440 f. − Technologieneutralität 440 − Wertpapierverwahrungsgesetz (WVG), Entwurf 433−435

Sachregister

Bucheffektenmodell, wertpapierfreies  622−651 − Ausschluß der Abtretung  644 f. − Ausschluß der Einzelverbriefung  605 f. − Bucheffekte als neuartiges Vermögens­ objekt 623−627 − Bucheffekte, Begriff  624 f. − Bucheffekten als Sicherheiten  645 f. − Drittwirkung der Bucheffekte  626 f. − Eingriffe in das Aktienrecht  623 − Emissionsregister 629 − Entstehung von Bucheffekten  627−631 − Erwerb, derivativer  632−636 − Erwerb durch Gutschrift  631−642 − Erwerb, originärer  636−639 − gutgläubiger Erwerb  642−644 − grenzüberschreitende Verwahrung  648 f. − Hauptmerkmale  622 f. − Hauptregister  608, 629 f. − Inhaber- und Namensaktien, Beibehaltung 623 − Insolvenzschutz  647 f. − Integrität des Verwahrsystems  647 − Internationales Privatrecht  650 − konstitutive Wirkung der Gutschrift  631 − PRIMA  s. dort − registerführende Stelle  606−609 − Separationsmodell 636−639 − Stornierung von Buchungen  640−642 − stage by stage-Ansatz 634 − Verlustverteilung  647 f. − Verpfändung von Bucheffekten  645 f. − Umsetzung  623, 650 f. − Verwertung von Pfandrechten  646 − Wertrechtebuch  608 f. Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz 296 BSchuWG 296 BWpVerwG  177, 201, 295 f. CASCADE  86 f., 112, 153 f., 215, 220, 236, 243, 259, 350, 373, 633 CASCADE-LION 205 Cash Forecast  206 CCP  s. zentrale Gegenpartei Cede & Co.  46, 49, 140, 314, 508 Cedel International S.A.  72, 74, 77, 350

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Central Securities Depository (CSD)  s. Zentralverwahrer CESAME  105 f. claim resolution agreement 144 Clearing 66−68 Clearing-Mitglieder 80 Clearstream Banking AG − als Ermächtigungstreuhänderin  170 f. − als Stellvertreterin  208−211, 246 f. − Anschluß an T2S  113 − Entstehungsgeschichte  72 f. − Finalität 222 − gegenseitige Kontoverbindungen  s. dort − Haftung  124 f., 311 − System „Xemac“  20, 259 f., 262 − Zentraler Sicherheitenpool  20, 259 f. Clearstream Banking Luxembourg (CBL)  75−78, 97, 310, 394 Clearstream Holding AG 73 Clearstream International S.A.  73 f., 77 f. close-out netting  s. Netting Code of Conduct for Clearing and Settlement 106−108 common depository 76 Companies Act 2006  52, 57 contractual settlement  s. Settlement counterparty risk  s. Risiko Creation  86 f., 350 credit risk  s. Risiko CREST  54−56, 73, 373 CSD-Link (s. auch gegenseitige Kontoverbindung)  71, 97 f., 124 f., 308 f., 318 CSD-Verordnung (CSDR)  108−111, 308, 596, 606, 623 custodians  69 f. Custody-Geschäft (s. auch Verwaltung von Wertpapieren)  69 f., 170, 336 f. Dauerglobalurkunde − Auslieferungsanspruch des Depot­ kunden  s. dort − Begriff 27 − „Bis zu“-Globalurkunden  27 − gesetzliche Grundlage  27 − Inhaber-Sammelzertifikat  317 f. − in der Schweiz  409−411 − mittelbarer Besitz  3 f., 185−203, 410 f.

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− Verbriefung von Kapitalmarktwerten  s. dort Deckungsbestand (s. auch Unterbestand)  39 f., 49, 574−577 Dedicated Cash Account (DCA)  113, 206 Delivery versus Payment (DvP)  89 f., 97, 112, 116, 205 f., 211, 215 f., 248, 310, 350, 467 dematerialised securities  s. Wertrechte Dematerialisierung (s. auch Wertrechte)  28, 30 f., 35 f., 45, 47, 53, 57, 601−609 − Begriff  30 f. − in England  53 − in Frankreich  601 f. − in den USA  44−47 − Überlegungen de lege ferenda  601−609, 622−651 − Vorgaben der CSDR  606, 623 Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC)  84, 126 Depository Trust Company (DTC)  46 f., 49, 74, 84, 140 f., 149, 310, 314−316, 319 f., 508, 602, 649 depositum irregulare 37 Depotbescheinigung − als Legitimationsnachweis  32 f. − Recht auf Ausstellung  455 f. Depotbuchung  s. GS-Gutschrift, WR-Gutschrift Depotgemeinschaft  167 f. DepotG von 1896  157, 159 DepotG von 1937  3, 158−161, 176 f., 228 Depotgesetznovelle 1972  3, 26, 163, 177, 192, 228, 295 Depotgesetznovelle 1985  311 Depotguthaben  s. Sammeldepotguthaben Depotgutschrift  s. GS-Gutschrift Depotkonto, Definition im HWpÜ (s. auch Effektenkonto, securities account)  522 f. Depotprüfung  200, 227, 609 Depotrecht − Anforderungen an das  145−149 − internationale Kompatibilität  149 − interne Verläßlichkeit  146−149 − Leitziele  114 f. Depotrechtsreform 599−651 − Aufwertung der Globalurkunde  615 f. − Ausgangsüberlegungen 601−612

− Bucheffektenmodell, wertpapierfreies  s. dort − Erweiterung des Schuldbuchmodells  613−615 − Reformoptionen 613−651 − Treuhandmodell 616−621 Depotstimmrecht  s. Stimmrecht aus Aktien Depotübertrag  194−199, 235 Depotvertrag − als gemischttypischer Vertrag  197 − Kodifizierung 612 designating entry (s. auch earmarking) 20, 559 f., 646 Deutsche Börse AG  72 f., 78, 84, 107, 240 Deutsche Börse Clearing AG 72 Deutscher Kassenverein AG (DKV) 72 direct ownership-Konzept  s. Verwahrungskonzept mit direkter Rechtsträgerschaft Direktes Verwahrsystem  s. Verwahrungskonzept mit direkter Rechtsträgerschaft Drei-Punkte-Erklärung  s. Auslandsgeschäft in Wertpapieren earmarking (s. auch designating entry) 20, 259−264, 559 f., 591, 646 Effektenabwicklungssystem  s. Abwicklungssystem Effektenbegriff 1 Effektengiro als unkörperliches Übertragungssystem  238 f. Effektengiroverkehr (s. auch GS-Verwahrung, Übertragung von GS-Anteilen) − auf Grundlage der fiduziarischen Treuhand 616−621 − Charakteristika  18 f. − erweiterter 156−158 − im engeren und weiteren Sinne  69 Effektenkommission (Schweiz)  402−404 Effektenkonto, Definition im BEG  442 EGMI  106, 108 Eidgenössisches Schuldbuch  414 f. Einzelschuldbuchforderungen  s. Schuldbuchforderungen Eisbestände  26, 163 EMIR  81, 108, 596 Englisches Recht  52−57 Erfüllungstag  204, 242 Ermächtigungstreuhand

Sachregister

− bei der GS-Verwahrung  170 − bei Sammelschuldbuchforderungen 298−300 EU Securities Account Certainty Project 103, 583 Eurobonds 75 Euroclear  74−77, 97, 134 f., 350, 394 Euroclear France  74, 77, 140, 310 Euroclear Sweden  16 f. Euroclear UK & Ireland  54, 77, 394 Eurex Clearing AG − als Besitzmittlerin  248 − als Clearinginstitution  83 f. − als Stellvertreterin  245−247, 250 f. − Bruttoliefermanagement 242 − Clearing-Bedingungen  248 f. − Sicherungssystem 255 − Zwischenbuchung  243 f., 251, 290 failed trade 142 Fiduziarische Treuhand  s. Vollrechtstreuhand Finalität (s. auch FinalitätsRL) − Abgrenzung zur Erfüllung  220 − AGB der Clearstream Banking AG 222 − Begriff  92−94, 220−222 − in der Schweiz  467 f. − Vorgaben der FinalitätsRL  92−94 FinalitätsRL − Anknüpfungsmoment  372 f. − Anlaß und Hintergrund  91 f. − Anwendungsbereich, persönlich  369 f. − Anwendungsbereich, sachlich  370−372 − Inhalt 92−94 − Insolvenzstatut 368 − PRIMA 369−373 − Umsetzung in deutsches Recht  94 f., 220 f., 270 f., 368 − Zweck 92 Finanzinstrumente − Begriff 625 − Vorschlag eines Rechts der  624 f., 651 FinanzsicherheitenRL  6, 272−279 − Anknüpfungsgegenstand 376 − Anknüpfungsmoment 377 − Anlehnung des GWpÜ  578 − Anwendungsbereich, persönlich  274 f., 374

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− Anwendungsbereich, sachlich  275 f., 375 f. − „Bestellung“ einer Sicherheit  21, 277 − Begriff „Finanzsicherheiten“   275, 375 − Nutzungsrecht 130 − PRIMA 373−377 − Richtlinienkonformität des deutschen Rechts 280−282 − Umsetzung in deutsches Recht  269, 271, 273 − Vorgaben  278 f. − Zweck  273 f. FinfraG  412, 424, 430, 438, 465, 496, 500, 503, 505, 644 FISCO 106 Forderungsstatut  s. Zessionsstatut Free of Payment (FoP)  310 Fremdvermutung  340, 423 fungible account 13 Funktionsverlust des Wertpapiers  31−33, 412, 603−605 Gegenparteirisiko  s. Risiko Gegenseitige Kontoverbindungen − Charakteristika und Vorteile  308 f. − der Clearstream Banking AG 310 − Kundenschutz 313−315 − Kompatibilitätsprobleme 314−316 − Voraussetzungen  41 f., 310−313 Geldmarktbuchforderungen  421 f. Genfer Wertpapierübereinkommen (GWpÜ) − derivativer Rechtserwerb  554−557, 565 f. − Entstehungsgeschichte 541−543 − Ermächtigung des Intermediärs  561 − funktionaler Ansatz  545−548, 554−557 − Grundbausteine 548−580 − Integrität des Verwahrsystems  s. dort − Konformität des Miteigentumsmodells  551, 565 f. − Mindestharmonisierung 543−545 − nominee-Modelle 545 − no credit without debit 556 − no further step-rule  553, 560 − Rangfolge von Rechten  571 f. − Rechte des Kontoinhabers  549−552 − redlicher Erwerb  562−571 − Sicherungsgeschäft 578−580 − Verfügung durch Buchung  553−558

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− Verfügung mittels designating entry  559 f. − Verfügung mittels Kontrollvereinbarung 560 − Verfügungsmethoden 552−561 − Verlustverteilung  577 f. − Ziel  543 f. − Zulässigkeit vorgezogener Gutschriften  557 f. Giovannini-Barrieren  101−106, 109, 111 f., 583 f., 586 f., 594−596 Giovannini-Gruppe  100−103, 583 Girosammelanteile (s. auch Miteigentum an sammelverwahrten Wertpapieren) − Übertragung  s. Übertragung von GSAnteilen − Verpfändung  s. Verpfändung von GS-Anteilen − Pfändung  s. Zwangsvollstreckung in Depotwerte Giroüberweisung  42, 617 f. global custodian  78 f., 97, 99, 526 Globale Aktien  318−320 global certificate  s. Globalurkunde global note  s. Globalurkunde Globalurkunde auf Dauer  s. Dauerglobal­ urkunde Globalurkunden − Arten 25−27 − Begriff  24 f. − Dauerglobalurkunde  s. dort − Entwicklung in Deutschland  162−167 − Entwicklung in der Schweiz  408−410 − interimistische Globalurkunde  26, 163 f. − technische Globalurkunde  26 f., 163 Grenzüberschreitende GS-Verwahrung 308−320 GS-Gutschrift − als Ausweis der Rechtsinhaberschaft  17 f. − als Besitzsurrogat  199−201 − als Rechtsscheinträger  s. gutgläubiger Erwerb von GS-Anteilen − rechtsbegründende Wirkung  218−220, 258, 381−383 − Richtigkeitsgewähr 227 − vorgezogene Gutschrift  90 f., 205, 217, 229, 236 f., 242, 557 f. GS-Verwahrung − Begriff 22

− Besitzverhältnisse  171−203, 401 − Eigentumsverhältnisse  167−171, 399 f. − Entwicklung in Deutschland  154−167 − gesetzliche Regelverwahrform  161 f. − grenzüberschreitende  s. gegenseitige Kontoverbindungen Gutgläubiger Erwerb (allgemein) − Notwendigkeit eines Gutglaubens­ schutzes  148 f., 642 − praktische Bedeutung  147 f. − Regelungen im Entwurf einer SLD 592−594 − Regelungen im GWpÜ  562−571 Gutgläubiger Erwerb von Bucheffekten  485−490 − bei Stornierung beim Veräußerer  487−489 − im Vorschlag eines wertpapierfreien Bucheffektenmodells 642−644 − Rechtscheintatbestand  486 f. − Rechtsfolgen  489 f. − Vermutung der Gutgläubigkeit  486 f. − Voraussetzungen 486−489 Gutgläubiger Erwerb von GS-Anteilen  222−233, 251 f. − Besitzverschaffungsmacht 230 f. − Buchung als Rechtsscheinträger  222 f., 226−230, 251, 406 − bei Einschaltung des CCP  251 f. − Gegenstand des guten Glaubens  225 − maßgebliche Person  224 f., 251 − Mitbesitz als Rechtsscheinträger  222, 225 f., 406 − nach (früherem) schweizerischen Recht  406 f. − Verlustverteilung  231 f. Gutgläubiger Erwerb von Sammelschuldbuchforderungen  293 f., 304 Gutgläubiger Erwerb von WR-Guthaben  352 Gutgläubiger Pfandrechtserwerb  265−267 Gutschrift in Wertpapierrechnung  s. WR-Gutschrift Haager Wertpapierübereinkommen (HWpÜ) − Account Agreement Approach  138, 529 − Anknüpfungsgegenstände 523−525

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− Anknüpfungsmomente 525−539 − Anwendungsbereich, sachlich  521−523 − Bernasconi-Bericht 518 − Entstehungsgeschichte 517−521 − Haltung der EU-Kommission  518−520 − Hauptanknüpfungsregel  138 f. − lex creationis-Ansatz  533 f. − look-through approach 528 − page 37-Problem 530−535 − Prägung durch das US-amerikanische Recht  520, 539 − PRIMA 527−529 − qualifying office rule 526 − reality test  526, 529 − Rechtswahlfreiheit 527−529 − stage-by-stage approach  511, 530 f., 535−539 − Super-PRIMA 531−533 − Übernahme in das schweizerische Recht 510 − Verwahrungskonzepte mit direkter Rechtsträgerschaft 536−538 − Verwahrungskonzepte mit indirekter Rechtsträgerschaft  535 f. Haftung der Verwahrungsstelle  459 f. Haussammelverwahrung  161−163, 189 f. Herausgabeanspruch  s. Auslieferungsanspruch Heterogenes Depot  364, 379, 386 Hinterleger − Begriff 64 − Herausgabeanspruch  s. Auslieferungsanspruch bei der GS-Verwahrung Iberclear  73, 113, 310 ICSD  s. Internationaler Zentralverwahrer Immobilisierung  21, 30 f., 35 f., 46 f., 53 indirect securities holding system s. indirektes Verwahrsystem indirectly held securities  s. indirektes Verwahrsystem Indirektes Verwahrsystem (s. auch Verwahrungskonzept) − Begriff  61 f. − im US-amerikanischen Recht  47−52 Inhaberaktien  14, 33, 34, 46, 319, 410, 418, 437, 623 Inhaber-Sammelzertifikat  317 f.

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Insolvenz des Verwahrers  120 f., 127 f., 133 Insolvenzschutz (s. auch Aussonderungsrecht, Absonderung) − bei gegenseitigen Kontoverbindungen  314 − bei Sammelschuldbuchforderungen  41 − beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren  42, 342−349 − beim security entitlement 51 − im Entwurf einer SLD  595 − im GWpÜ  572 f. − im Miteigentumsmodell  41 − im Modell der fiduziarischen Treuhand  618 f. − im schweizerischen Bucheffekten­ modell 456−460 − im Verwahrsystem mit indirekter Rechtsträgerschaft  39 f. − nach früherem schweizerischen Recht 423−426 Insolvenzstatut  367 f. Integrität des Verwahrsystems − im wertpapierfreien Bucheffekten­ modell 647 − Regelungen im GWpÜ  578 − Vermeidung von Unterbeständen  s. Unterbestand Interimistische Globalurkunde  s. Global­ urkunde, interimistische Intermediär 58−60 − Definition im GWpÜ  547 − Definition im HWpÜ  522 − maßgeblicher  522 f., 549 Intermediärverwahrte Wertpapiere − Begriff  60 f. − Definition im GWpÜ  60, 547, 625 − Definition im HWpÜ  521−523 − im IPRG der Schweiz  510−512 intermediated securities  s. intermediärverwahrte Wertpapiere Internationaler Zentralverwahrer (ICSD) − Begriff und Betätigungsfelder  75 f. − Beispiele  2, 77 f. Interoperable Verbindung  308 Intersettle AG  74, 393 Intransparentes System  12−16 issuer register of members  54 f. jumbo certificates  s. Globalurkunde

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Jungscheingiroverkehr  26, 163 Kommissionär − Ausführungsanzeige  205, 234 − Eintragung im Verwahrungsbuch 233−236 − Geschäftsabrechnung  205, 235 − Pflicht zur Übereignung  160−162 − Pflichten beim Auslandsgeschäft  323−326 − Verfügungsbefugnis 235 Konkursschutz  s. Insolvenzschutz Kontentrennung (Segregierung) − Begriff  14, 142 − Einzelkunden-Kontentrennung 16 − Omnibus-Kunden-Kontentrennung  15 f. − Vorgaben der CSDR  15 f. Kontoinhaber 63 KontraG  166 f., 192 f. Kontrollvereinbarung 20 − als Option im deutschen Recht  646 − im GWpÜ  560 − im schweizerischen Recht  s. Sicherheiten an Bucheffekten Lamfalussy-Bericht  92, 98, 100 f. LCH.Clearnet Group  83 f., 395 Leerverkauf 91 Legal Certainty Group (LCG)  57, 59 f., 106, 584−588 − Mandat  584 f. − Erste Empfehlung  140, 585 f. − Zweite Empfehlung  586−588 Legal Certainty Project  6, 583−588 legal owner  54−56, 61, 551 f. Legitimationsfunktion − der Registereintragung im US-amerikanischen Recht  46 − des Schuldbuchs  300−302 − des Wertpapiers  32, 412, 455 Lehman Brothers International (Europe) 57, 141−144 lex cartae sitae  35 f., 134−139, 324, 363−365, 369, 379, 384 f., 426 lex rei sitae  s. lex cartae sitae Lieferung gegen Zahlung  s. Delivery versus Payment (DvP) Liquidationsnetting  s. Netting Liquiditätsrisiko  s. Risiko

local agent  78 f., 96 f., 99 local custodian  78 f. Lombardkreditgeschäft 255 Look-through-Konzept  s. Verwahrungskonzept mit direkter Rechtsträgerschaft Macmillan v. Bishopsgate Investment  136 f. matching von Börsenaufträgen  80, 83 Mediatisierte Wertpapierverwahrung (s. auch GS-Verwahrung) − Charakteristika  1 f., 13−33 − Rechtliche Ausgestaltung  34−57 − Risiken 115−145 MiFID I  15, 92, 96, 99, 108, 370, 586 MiFID II  96, 108, 110, 130, 596, 623, 625 MiFIR  108, 110, 623 Miteigentum an sammelverwahrten Wertpapieren (s. auch GS-Anteil) − Bedeutung des Sammeldepotguthabens 168−170 − Bruchteilsgemeinschaft  167 f. − Clearstream Banking AG als Ermächtigungstreuhänderin  170 f. − Entstehung  159 f. − Erwerb im Effektengiroverkehr  s. Übertragung von GS-Anteilen − gesetzlicher Erwerb  233−239 − nach schweizerischem Recht  399−400 f. − rechtsgeschäftlicher Erwerb  s. Übertragung von GS-Anteilen Mittelbarer Mitbesitz − als Rechtsscheinträger  225 f., 265 f. − bei einzelverbriefenden Wertpapieren 172−185 − bei Dauerglobalurkunden  185−199 − Besitzumstellung  214−220, 247−251 − Bestimmtheitsgrundsatz 173 − gestufter  172−174, 214 f. − Grundsatz der gelockerten Identität  177, 188 − Gutschrift als Besitzsurrogat  199−201 − Herausgabeanspruch  s. Auslieferungsanspruch bei der GS-Verwahrung − kraft Umbuchungsveranlassungsmacht  193−199, 604 − ungleichstufiger Mitbesitz  190−192 − Vereinbarkeit mit dem sachenrechtlichen Publizitätsprinzip  201 f.

Sachregister

− Voraussetzungen  172−174, 184 f. multi-tiered entitlement-System s. Verwahrungskonzept mit indirekter Rechtsträgerschaft Namenaktien (Schweiz) − Aktienbuch  446 f. − Depot-Aktienregister  446 f., 630 − Konkursschutz 424 − mit aufgehobenem Titeldruck  418 − mit aufgeschobenem Titeldruck  416 f. − Übertragung nach altem Recht  419 f. − Verbuchung  418 f. − Verpfändung nach altem Recht  420 Namensaktien (Deutschland) − Aktienregister  23, 33, 256, 301, 372, 545, 623, 629 − Blankoindossament  22, 254 − im wertpapierfreien Bucheffekten­ modell  623, 629 − Sammeldepotfähigkeit und -eignung  22−24 − Umschreibung des Aktienregisters  33 − und GWpÜ  545 − Verpfändung  254, 256 − vinkulierte  23 f., 545, 623 − Zweitverbriefung ausländischer Papiere  318 NCSD  74, 77 Netting − Begriff 81 − durch die Eurex Clearing AG 241−243 − Liquidationsnetting (close-out net­ ting)  273, 279, 281, 578 f. − multilaterales Netting  81 f. − Nettingeffizienz 82 − und Finalität  92 − Vorteile 82 nominee  31, 39, 46, 49, 317, 545 Not-look-through-Konzept  s. Verwahrungskonzept mit indirekter Rechtsträgerschaft Null-Uhr-Regel  93, 279, 579 f. Nutzungsrecht  129−131, 464, 579 Österreichische Kontrollbank (OeKB)  74, 113, 310, 394 Olivant-Fall  129 f.

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omnibus account (s. auch Kontentrennung)  13, 55 Operationelles Risiko  s. Risiko operator register of members  54 f. OTC-Geschäft  69, 79, 243, 312 over-voting 50 paper work crunch (paperwork crisis)  18, 44, 118 f. perfection  524 permanent global note  s. Dauerglobal­ urkunde Pfandrecht an GS-Anteilen  s. Verpfändung von GS-Anteilen Post-Trade-Anonymität  s. zentrale Gegenpartei PRIMA − im deutschen Recht  378−388 − im Entwurf einer SLD  594 f. − im Vorschlag der CSDR  111 − im wertpapierfreien Bucheffekten­ modell 650 − in der FinalitätsRL  93, 139, 369−373 − in der FinanzsicherheitenRL  139, 279, 373−377 − und HWpÜ  139, 527−529 − Zukunft auf EU-Ebene  596 f. Publizitätsprinzip des Sachenrechts  20, 201 f., 227 f., 258, 261, 491 Real-Time Gross Settlement-System (RTGS)  s. Settlement recharacterisation risk 279 Rechtliches Risiko (legal risk) − Begriff  131 f. − Hauptursachen 132−141 − im internationalen Verkehr  134−139, 314−316 − Inkompatibilität von Verwahrungskonzepten  139−141, 316 − Lehman-Insolvenz 141−144 − Mängel des materiellen Rechts  132 f. record of uncertificated shares  55 registered securities  34, 46, 48, 52, 54, 140 rehypothecation  129, 524, 595 relayed link (s. auch CSD-Link)  97 remote access  101 remote membership 96

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Sachregister

Richtlinie betr. Ausgestaltung von Effekten 409 right of use  s. Nutzungsrecht Risiko 115−145 − Erfüllungsrisiko (principle risk, credit risk) 116 − Ersatzkostenrisiko (replacement cost risk, pre-settlement risk) 116 − Gegenparteirisiko (counterparty risk, credit risk)  116 f. − Herstatt-Risiko 116 − Liquiditätsrisiko (liquidity risk)  117 f. − operationelles (operational risk)  118 f. − rechtliches  s. dort − systemisches (systemic risk)  81, 144 f. − Verwahrungsrisiko (custody risk) 119−130 risk-based-margining 81 Sammeldepoteignung 23 Sammeldepotfähigkeit  22 f. Sammeldepotguthaben 168−170 Sammelschuldbuchforderungen 291−307 − als Wertpapiersammelbestände  297−307 − Anwendbarkeit des Sachenrechts  304 f. − Bundesschuldbuch  s. Schuldbuchforderungen − Rechtsentwicklung 291−296 − Gleichstellungsfiktion  29, 302−304 − Schuldbuchgiroverkehr  293, 300 − Schuldtitel der EZB  296 f. − Treuhänderstellung der Wertpapiersammelbank 298−300 − Wertrechtslehre  s. dort Sammelurkunde (s. auch Globalurkunde)  25, 163 Sammelverwahrung − Anerkennung durch das DepotG 1937 158−161 − in der Schweiz  399−401 Schatzanweisungen des Deutschen Reiches 162 scheme of arrangement 143 Schuldbuchforderungen − Begriff 291 − Bundesschuldbuch  297, 300−302 − Einzelschuldbuchforderungen  292, 297 − in der Schweiz  414−416

− Sammelschuldbuchforderungen  s. dort Schuldbuchgiroverkehr  s. Sammelschuldbuchforderungen Schuldvertragsstatut 365 Schwedisches Verwahrsystem  16 f. Schweizerisches Depotrecht  398−514 − Bucheffektengesetz  s. dort − frühere Rechtslage  398−427 − Reformbedarf 427−429 − Verbriefung von Kapitalmarktwerten  s. dort SECOM  86, 394, 396 securities account, Definition im GWpÜ  547 Securities Law Legislation (SLL)  595 f. securities settlement system  s. Abwicklungssystem security entitlement − Definition im UCC  52 − Erwerb 49 − indirektes Verwahrsystem  61 − Insolvenzschutz  s. dort − Kompatibilitätsprobleme 314−316 − Pflichten des Intermediärs 49−51 − Rechtsnatur  51 f. − Übertragung 49 − und globale Aktien  319 f. − und GWpÜ  590 − Vereinbarkeit mit dem HWpÜ  535 f., 538−540 Securities Law Directive  s. Wertpapierrechtsrichtlinie Segregierung s. Kontentrennung semi permanent global note  s. Globalurkunde, technische Settlement (s. auch Abwicklung von Wert­papiergeschäften) − actual settlement  90 f. − Batch-Verarbeitung 87 − Begriff  68 f. − Brutto- und Netto-Settlement  87 f. − contractual settlement  90 f., 125−128, 142, 396, 425, 431, 435, 440, 448, 458, 475, 557 f. − Delivery versus Payment (DvP)  s. dort − Designated Time Settlement  88 − Netto-Settlement 88 − Primär- und Sekundärabrechnung  69

Sachregister

− Real-Time Gross Settlement-System (RTGS) 87 − Real-time Settlement  206, 243 − Settlementzyklen 206 − Straight-through-Processing (STP)  88 f., 119, 396 share certificates  52 shortfall  s. Unterbestand Sicherheiten an Bucheffekten (Schweiz) − Abstraktionsprinzip 492 − Akzessorietätsprinzip  492 f. − Bestellung durch Umbuchung  491−495 − Bestellung mittels Kontrollvereinbarung  491, 495–498 − Bestellung mittels Sicherungsvereinbarung  491, 498 f. − funktionaler Ansatz  490 f., 496 − limitierte Verpfändung  497 − Rangfolge konkurrierender Rechte  498, 501−503 − Regelungsprinzipien 491−493 − Verwertung 499−501 − zugunsten der Verwahrungsstelle  498 f. − zugunsten eines Dritten  493−498 Sicherheiten an Depotwerten − Aufstockung 579 − Austausch  273, 279, 579 − im wertpapierfreien Bucheffektenmodell  645 f. − Bestellungsmethoden  19 f. − Nachschießen 273 − praktische Bedeutung  19 − Rangfolge von Rechten  571 f., 595 − Regelungen im GWpÜ  578−580 − Sicherheitenmanagement 71 SIS SegaInterSettle AG  74, 393 SIS SIX AG  74, 113, 310, 393 f. SIX Group 393 SIX x-clear AG  84, 395 f. Shortfall-Risiko  s. Unterbestand Sonderanknüpfung im DepotG  378−387 − analoge Anwendung auf WR-Gutschriften  380 f. − Anknüpfungsmoment 385−387 − Anwendungsbereich, persönlich  378 − Anwendungsbereich, sachlich  379−383 − Umfang der Verweisung  383−385

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Sonderverwahrung (Streifbandverwahrung)  21, 162, 176 Sperrvermerk s. designating entry, earmarking Spitzenrefinanzierungsfazilität 255 Squeeze-out 187 Stimmrecht aus Aktien  33, 39, 50, 78, 140 f., 170, 256, 317, 324, 338 f., 454, 496, 545, 549, 619 Straight-through-Processing (STP)  s. Settlement Stückeverzeichnis  234, 323 f., 335 subcustodian  78 f., 97, 422 Swiss Value Chain  396 f. SWS Swiss Exchange  84 Systemisches Risiko   s. Risiko Talisman 53 Target2Securities (T2S)  98, 111−113, 205−207, 215, 222, 243, 596 Taurus 54 Technische Globalurkunde  s. Globalurkunde, technische temporary global note  s. Globalurkunde, interimistische tracing  147, 253, 633 Transparentes System  16 f. Treuhand  s. Ermächtigungstreuhand, Vollrechtstreuhand Treuhandgiroverkehr  42, 349−352 − rechtliche Konstruktion  351 f. − tatsächlicher Ablauf  349 f. − treuwidrige Verfügungen  352−354 Treuhandkonten 343−347 Treuhandverhältnis (beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren)  42, 321 f., 325−349 − Auslieferungsanspruch aus der WR-Gutschrift  s. dort − Bestimmtheit des Treuguts  346−349 − Offenkundigkeit 343−347 − Treuhandabrede  326 f. − Unmittelbarkeitsprinzip 342−348 − WR-Gutschrift  s. dort trust  48, 55−57 Überbestand 638 Überweisungsauftrag  196 f. Übertragung von Bucheffekten  465−490

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Sachregister

− Beteiligung mehrerer Verwahrungsstellen 472−474 − derivativer Erwerb  469−472 − gutgläubiger Erwerb  s. dort − konstitutive Wirkung der Gutschrift  468 − ordentlicher Verfügungstatbestand 466−475 − Stornierung von Belastungen  476−481 − Stornierung von Gutschriften  481−485 − Voraussetzungen 466−469 − Weisung als Element des Verfügungstatbestandes 466−468 − Weisung, fehlende  477 − Weisung, mangelhafte  477 f. − Zulässigkeit vorgezogener Gutschriften 475 Übertragung von GS-Anteilen (s. auch Effektengiroverkehr, GS-Gutschrift) 203−253 − im bisherigen Modell  203−239 − dingliche Einigung  207−211, 245−251 − durch schlichte Einigung  200 − Eigengeschäfte von Clearing-Mitgliedern 245−249 − Fremdgeschäfte von Clearing-Mitgliedern 249−251 − Geschäft für den, den es angeht  209 f. − gesetzlicher Erwerb  233−239 − gutgläubiger Erwerb  s. gutgläubiger Erwerb von GS-Anteilen − Insichgeschäft  250 f. − nach (früherem) schweizerischen Recht 405−407 − praktische Abläufe  204−207, 242−244 − unter Einbeziehung des CCP  240−253 − Übergabe(surrogat)  212−220, 247 f., 250 f. − Zeitpunkt der Übertragung  215 f. Übertragung von WR-Gutschriften  s. Treuhandgiroverkehr Übertragungsvermerk  s. GS-Gutschrift Umbuchungsveranlassungsmacht s. mittelbarer Mitbesitz Unaxis-Fall  430−432, 435 Uncertificated Securities Regulations  54 f. Uniform Commercial Code (UCC)  44 f. Uniform Securities Transfer Act (SESTA)  48 uncertificated securities  s. Wertrechte

Unmittelbarkeitsprinzip 342−349 Unterbestand (shortfall) (s. auch Deckungsbestand, Verlustverteilung) − beim Zentralverwahrer  123−125 − beim Zwischenverwahrer  125−129 − Notwendigkeit der Vermeidung  40 − Vorkehrungen im GWpÜ  574−577 − Vorkehrungen im schweizerischen Recht  448 f. − Vorkehrungen im US-amerikanischen Recht  49, 51 − Vorkehrungen im wertpapierfreien Bucheffektenmodell  647 f. unwind risk 88 upper-tier attachment − Ausprägung des Verwahrungsrisikos 121−123 − Begriff 121 − bei der GS-Verwahrung  283 − im schweizerischen Recht  503 f. − im wertpapierfreien Bucheffektenmodell 647 − im WR-Konzept  359 − in der Empfehlung der LCG  587 − Notwendigkeit des Ausschlusses  146 − Regelung im Entwurf einer SLD  595 − Regelung im GWpÜ  573 f. US-amerikanisches Recht  44−52 Verbriefung von Kapitalmarktwerten (Deutschland) − Aktien  165−167, 628 f. − Ausschluß im wertpapierfreien Bucheffektenmodell 651 − Schuldverschreibungen  164, 629 − Verbriefungsanspruch des Aktionärs 165−167 Verbriefung von Kapitalmarktwerten (England) 52−54 Verbriefung von Kapitalmarktwerten (Schweiz) − Anleihensobligationen 408 − Aktien 418 Verbriefung von Kapitalmarktwerten (USA)  45 f. Verfügungen über Kundenwerte (s. auch Nutzungsrecht) 129−131

Sachregister

Verlustverteilung  127 f., 231 f., 459 f., 577 f., 647 f. Verpfändung von Bucheffekten s. Sicherheiten an Bucheffekten Verpfändung von GS-Anteilen  253−282 − AGB-Pfandrecht  s. dort − an einen Dritten  257−264 − an den kontoführenden Verwahrer  264 f. − bei Dauerglobalurkunden  258 f. − durch Abtretung des Herausgabeanspruchs 262−264 − durch Einräumung qualifizierten Mitbesitzes 264 − earmarking 259−264 − gutgläubiger Pfandrechtserwerb  265−267 − Inhaberpapiere 254 − nach (früherem) schweizerischen Recht  407 f. − Orderpapiere 254 − praktische Bedeutung  255 − Richtlinienkonformität des deutschen Rechts 272−282 − Teilverpfändung eines Depots  259 − über „Xemac“  259−262 − Übertragung in ein Unterkonto  259−262 − Umbuchung als Besitzverschaffung  258, 266 f. − Verpfändungsanzeige  262 f., 265 − Verwertung eines Pfandrechts  268−272 − zugunsten der Bundesbank  259 f., 262 Verpfändung von WR-Guthaben  355−359 − an den kontoführenden Verwahrer  357 − an einen Dritten  355−355 f. − Rechtswahlfreiheit 366 − Verwertung eines Pfandrechts  357−359 Verwahrung in Wertpapierrechnung  s. Auslandsgeschäft in Wertpapieren Verwahrungsbuch  179, 200, 223, 226−228, 231, 233 f., 237, 265, 290 Verwahrungskonzept − mit direkter Rechtsträgerschaft  38 f., 41 f., 47, 137, 299 − mit indirekter Rechtsträgerschaft  39 f., 42, 47, 137 − schuldrechtliches  35 f. − sachenrechtliches  35 f. Verwahrungsrisiko  s. Risiko

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Verwaltung von Wertpapieren (s. auch Custody-Geschäft) − beim Auslandsgeschäft  336−339 − Bezugsrechte 337 − Bogenerneuerung  170, 337 − Inkasso  32 f., 49, 170, 336 f. Verwertung eines Pfandrechts (s. auch Verpfändung von GS-Anteilen) − allgemeine Vorschriften  268 f. − in der Insolvenz des Verpfänders 269−272 − Vorgaben der FinanzsicherheitenRL  278 f. Vollrechtstreuhand − als Grundlage des Effektengiroverkehrs (Regelungsvorschlag) 616−621 − beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren  s. Treuhandverhältnis Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern 121 Vollstreckungsschutz − beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren  342−349 − im Miteigentumsmodell  299 Vorgezogene Depotgutschrift  s. GS-Gutschrift, WR-Gutschrift Wertpapier − Definition im HWpÜ  522 − Definition im WpHG  28 − Definition von Brunner  31 f. − Funktionsverlust  s. dort Wertpapierbereinigung 162 Wertpapierfreies Bucheffektenmodell  s. Bucheffektenmodell, wertpapierfreies Wertpapierleihe 464 Wertpapierleihsystem s. Zentralverwahrer (CSD) Wertpapierpensionsgeschäft  273, 277, 558 Wertpapierrechnung  s. Auslandsgeschäft in Wertpapieren Wertpapierrechtsrichtlinie, vorl. Entwurf  6, 588−595 − Entstehungsgeschichte  588 f. − Funktionaler Ansatz  589 f. − Grundbausteine 590−595 − Internationales Privatrecht  594 f.

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Sachregister

− Konformität des Miteigentumsmodells  591 f. − Rechte des Kontoinhabers  590 − redlicher Erwerb  592−594 − Verfügungsmethoden  591 f. − weitere Entwicklung  595−597 Wertpapierrechtsstatut 362 Wertpapiersachstatut  135, 363−365, 384 Wertpapiersammelbank  s. Zentralverwahrer Wertpapierverwahrungsgesetz (WVG), Entwurf  s. Bucheffektengesetz Wertpapierverwaltung  s. Verwaltung von Wertpapieren Wertrechte (s. auch Sammelschuldbuchforderungen, Schuldbuchforderungen) − Arten 31 − Begriff  27−29, 303 f. − im engeren und weiteren Sinn  29, 303 f., 412 f. Wertrechte (Schweiz) − Begriff 411−413 − Erscheinungsformen 414−422 − Hauptregister  444−446, 682 − Rechtsnatur  413 f. − Übertragung 413 − Verpfändung 413 − Wertrechtebuch  444−447, 628 Wertrechtslehre 305−307 Wiener Giro- und Cassenverein  74 WR-Gutschrift (s. auch Auslandsgeschäft in Wertpapieren) 42, 327−336 − abstraktes Schuldanerkenntnis  329−332 − Auslieferungsanspruch  s. dort − Bedeutung 327−332 − Begriff 322 − Deckungsbestand 334 − Depotumlegung 333 − maßgebendes Statut  365 − rechtsbegründende Wirkung  328 f. − Rechtsgrundlagen 323−326 − Sonderanknüpfung im DepotG  379−381 − Treuhandgiroverkehr  s. dort − Verhältnis zum Anspruch aus dem Anschaffungsgeschäft 334−336 − Verpfändung  s. Verpfändung von WR-Guthaben − vorgezogene Gutschrift  331, 351

XETRA  204, 240 XONTRO Trade  204, 242 ZahlungsdiensteRL 221 Zahlungssystem  86 f. Zentrale Gegenpartei (CCP) − Begriff  79 f. − Beispiele  83 f. − Clearing-Fonds 81 − Funktionen  80−83, 240 f. − multilaterales Netting  81 f. − Post-Trade-Anonymität  82 f., 243, 247 − Reduktion des Gegenparteirisikos  80 f., 116 − Sicherungssystem 88 − und Clearingbegriff  67 f. − Zwischenbuchung  243 f., 247 Zentraler Kontrahent  s. zentrale Gegen­ partei Zentralverwahrer (CSD) − als Betreiber von Abwicklungssystemen  70, 109 − als Betreiber eines Wertpapierleih­ systems  71, 117 − Begriff  70 f., 109 − Beispiele 71−74 − Betätigungsfelder  70 f. − Konsolidierungsprozeß in Deutschland  72 f. − notarielle Dienstleistung  71, 109 Zessionsgrundstatut 366 Zessionsstatut 366 Zug-um-Zug-Erfüllung  s. Delivery versus Payment (DvP) Zwangsgiro 27 Zwangsvollstreckung in Depotwerte − Drittschuldner  282 f. − Pfändung des Auslieferungsanspruchs 284 − Pfändung des Miteigentumsanteils  282 f. − Pfändung des Umbuchungsanspruchs 284 − Pfändung von Bucheffekten  503 f. − Pfändung von WR-Guthaben  359 − upper-tier attachment  s. dort − wegen einer Geldforderung  282−286 − zur Erwirkung der Herausgabe  286−288 Zweitverbriefung ausländischer Wert­ papiere 316−318