Brühl Mosaiksteine zur Geschichte e. alten kurköln. Stadt.
 9783792708934, 3792708930

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Fritz Wündisch

Mosaiksteine zur Geschichte einer alten kurkölnischen Stadt

Fritz Wündisch Brühl - Mosaiksteine zur Geschichte einer alten kurkölnischen Stadt

Für einen Zuschuß zu den Druckkosten wird der Stadt Brühl sowie dem Landschaftsverband Rheinland herzlich gedankt

Band 11 der Schriftenreihe zur Brühler Geschichte

Fritz Wündiscb

B rühl Mosaiksteine zu r Geschichte einer alten kurkölnischen Stadt

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1987 Rheinland-Verlag G m b H Köln

Titelbild: Schöffen- und Stadtsiegel aus dem Jahre 1324

Rheinland-Verlag GmbH Köln, 1987 Rheinland-Verlag- und Betriebsgesellschaft des Landschaftsverbandes Rheinland mbH. Abtei Brauweiler, 5024 Pulheim 2 Druck: Druckerei Rudolf Kattein GmbH, Brühl ISBN 3-7927-0893-0

Meiner Frau

In h a lt

1. Was heißt eigentlich Brühl?

11

2. Die Anfänge der Pfarrei St. Margareta zu Brühl

18

3. Badorf ist über tausend Jahre alt

27

4. Zur Geschichte der Palmersdorfer Motte

32

5. Uralte Straßen- und Flurnamen

36

6. Ein Kampf um Brühl

49

7. Zur Geschichte des Klosters Benden

56

8. Die Judengemeinde in Alt-Brühl

80

9. Die Zerstörung des Alten Schlosses und der Stadt Brühl am 21. April 1689

96

10. Die Brühler Bürgermeister und Stadtschreiber derKurfürstenzeit

112

11. Das Finanzwesen der Stadt Brühl in der Kurfürstenzeit

130

12. Vom Hausschenkenhof

137

13. Von alten Brühler Stadtansichten

141

14. Zur Geschichte des Jagdschlosses Falkenlust

160

15. Zur Brühler Falknerei des Kurfürsten Clemens August

172

16. Aus der Franzosenzeit

185

17. Das älteste Brühler Einwohnerverzeichnis

266

18. Das Franziskanerkloster in der Franzosenzeit

282

19. Die Schicksale der Schloßmöbel

293

20. Brühl, Sitz eines Fürstentums

302

21. Die Große Bodenreform im Brühler Raum

311

22. Die Brühler Bürgermeisterkette

349

7

Brühl und Umgebung in der Mitte des 19. Jahrhunderts Urmeßtischblatt Brühl • Ausschnitt des Blattes 5107 Brühl der Topographischen Aufnahmen 1:25000 des Preußischen Bureaus • Uraufnahme 1845. (Entnommen aus „Rheinischer Städteatlas Brühl”, Lieferung I, Nr. 2,1972)

V orw ort

Unter den rheinischen Landschaften nimmt der Brühler Raum - womit etwa das Gebiet der heutigen Stadt Brühl gemeint ist - eine Sonderstellung ein. Mehr als tausend Jahre lang, von der Mitte des 7. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhun­ derts, hat dieser Raum der Kölnischen Kirche gehört; zunächst als Ganzes, später aufgegliedert in Besitz des Erzstifts und in Besitz der alten Kölner Stifte und Klöster wie St. Kunibert, St. Severin, St. Cäcilien, St. Georg und St. Pantaleon. Diese Rechts­ zugehörigkeit hat bewirkt, daß in den Archiven des Erzstifts und Kurfürstentums Köln sowie der einzelnen Stifte und Klöster sehr viele Urkunden und Akten erhalten geblieben sind, die etwas zur Brühler Geschichte aussagen. Und da kirchliche Institu­ tionen bekanntlich konservativ sind, ist es aufgrund dieser Archivalien in vielen Fällen möglich, aus Zuständen verhältnismäßig später Zeit Rückschlüsse auf Struktu­ ren viel früherer Zeiten zu ziehen. Für Städte wie Köln oder Bonn ist zwar noch unvergleichlich mehr Archivgut überliefert; dort verliefen aber die Entwicklungs­ linien meist so komplex, daß alte Strukturen oft bald durch jüngere überlagert und verwischt wurden. Anders im Brühler Raum; hier verlief alles überschaubarer. Infolgedessen kann eine gründliche Erforschung der Geschichte des Brühler Raumes auch mancherlei Erkenntnisse von überörtlicher Bedeutung liefern. Bisher sind allerdings nur wenige Fragen, die sich dem Historiker in diesem Gebiet stellen, wissenschaftlich zureichend untersucht; in den älteren Veröffentlichungen ist nur ein ganz geringer Teil der überlieferten Archivalien erschöpfend ausgewertet worden. Aus diesem Grunde ist es derzeit noch nicht möglich, eine „Geschichte der Stadt Brühl“ zu schreiben, die allen berechtigten Ansprüchen genügt. Immerhin gibt es aber schon einige Vorarbeiten dazu, die als Mosaiksteine für die künftige Zusammen­ fügung eines umfassenden Gesamtmosaikbildes dienlich sein können. Veröffentlicht sind diese allerdings in Zeitschriften - den „Brühler Heimatblättern“ und den „Mittei­ lungen zur Brühler Geschichte“ -, die nicht überall leicht greifbar sind. Deshalb habe ich jetzt eine Auswahl aus diesen Aufsätzen in einem handlichen Band zusammenge­ faßt. Diese Zusammenfassung enthält viele Überschneidungen. Ich habe sie absicht­ lich nicht abgeschliffen; so manche Einzelheiten werden durch mehrfache Spiegelung plastischer erkennbar. Für die französische Zeit ergaben sich aus den Briefbüchern der Unterpräfektur Köln und dem Schriftwechsel der Domänendirektion, die bisher anscheinend noch nie ausgewertet worden sind, wichtige neue Erkenntnisse.

Brühl, im Herbst 1987

Fritz Wündisch 9

Abkürzungen Annalen BHB EHAK HAK HStAD HUA MBG REK RhVjbll StAB 10

Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein Brühler Heimatblätter, hrsg. vom Brühler Heimatbund Historisches Archiv des Erzbistums Köln Historisches Archiv der Stadt Köln Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Bestand Haupturkundenarchiv im HAK Mitteilungen zur Brühler Geschichte, Beilagen zu den BHB Regesten der Erzbischöfe von Köln Rheinische Viertel)ahresblätter Archiv der Stadt Brühl

Was h e iß t eigentlich B r ü h l? Gedanken über den Bedeutungswandel eines Wortes

i. Was besagt eigentlich das Wort „Brühl“ ? Hat es immer den heutigen Sinn gehabt oder hat man damit früher etwas anderes bezeichnet als heutzutage? Und wenn ja: Wie und warum hat sich die ursprüngliche Bedeutung dieses Worts im Lauf der Zeiten verän­ dert? Diese Fragen sollen im folgenden untersucht werden. II. Schlägt man im Rheinischen Wörterbuch nach, das im wesentlichen die Ergebnisse einer vor einigen Jahrzehnten im Rheinland durchgeführten Umfrage zusammenfaßt, so findet man zu dem Stichwort „Brühl“ die Erläuterung1: „Nasser Talgrund; sump­ fige, nasse Wiese, mit Buschwerk bewachsen, unter dem Dorf gelegen; feuchte Wie­ senparzelle, die beste und teuerste; eingezäunte Wiese“. Diese Aufzählung zeigt, daß zur Zeit jener Umfrage zwar das Wort „Brühl“ noch an vielen Orten des Rheinlands zur Bezeichnung bestimmter Flurstücke verwendet wurde, aber der spezifische Sinn dieses Wortes ganz in Vergessenheit geraten war. Offen bleiben nämlich dabei die Fragen, warum nicht alle nassen Talgründe und alle feuchten Wiesen als „Brühle“ bezeichnet wurden und was ein als „Brühl“ bezeichnetes Flurstück von anders bezeichneten sumpfigen, mit Buschwerk bewachsenen Wiesen unterschied. Auf diese Fragen kann das Rheinische Wörterbuch seiner Inten­ tion nach keine Antwort geben. Immerhin hat aber jene Umfrage gezeigt, daß zu Anfang des 20. Jh. das Wort „Brühl“ im Rheinland die Vorstellung „feuchtes Gelände“ anschwingen ließ. III. Die Frage, warum ein heute als „Brühl“ bezeichnetes Flurstück so und nicht anders heißt, kann auch nicht mit Hilfe der Etymologie, der Wörtergeschichte, erklärt werden. Etymologisch ist unstreitig, daß das Wort „Brühl“, von dem - erstmals im Jahre 723 erwähnten - gallischen Wort „brogilo“ abstammt, das wiederum eine Verkleinerung des gallischen Wortes „broga“ war2. Aus „brogilo“ wurden mittellatei­ nisch „bruilium“ und „prolium“, althochdeutsch „bruil“ und „broil“, niederländisch „prayeel“ und „breughel“, französisch „breuil“, rätoromanisch „brögl“, proven$alisch „breulh“ und italienisch „broglio“, und von jedem dieser Wörter gab es zahlrei­ che Varianten. Untersucht man aber, in welchem Sinn diese Wörter in ihren Sprachlandschaften verwendet wurden, so stößt man auf die gleiche verwirrende Vielfalt von Allerweltsbedeutungen, die das Rhein. Wörterbuch für das neuhochdeutsche Wort 11

„Brühl“ angibt. Die Mitteilung beispielsweise, daß das Wort „breuil“ ein Gleichwort für ein „eingehegtes Gebüsch“ sei, gibt keine Antwort auf die Frage, warum nicht alle, sondern nur einzelne ganz bestimmte eingehegte Gebüsche als „breuil“ bezeich­ net wurden. Henschel bringt in seiner Ausgabe des Du Cange3 unter den Stichwörtern „broeillum“, „broil“, „broa“, „broale“, „brolium“ und „bruillium“ viele urkundliche Belege zu der hier untersuchten Frage, unter denen zwei besonders bemerkenswert sind: Einmal wurde mit dem Flerrenhof ein „broeillum et prata“ (ein Brühl und Wiesen), ein andermal wurde ein Herrenhof „cum broa et foreste“ (mit einem Brühl und einem Forst) übertragen. Diese Belege zeigen, daß man zur Zeit jener Übertra­ gungen einen Brühl weder einer gewöhnlichen Wiese noch einem Forst gleichsetzte. Auch das Deutsche Rechtswörterbuch4 bringt zu dem Stichwort „Brühl“ einige urkundliche Belege5: Im Jahre 1220 besaß ein Erzbischof „zwei Wiesen, die Brühle genannt werden“, und 1227 wurden „Sumpf-Handwerker (fabri palustres), die Brühl­ macher (broelmechere) genannt werden“ erwähnt6. Bemerkenswert ist ein Zitat aus dem 14. Jh.: „wechslet man den brul alle jar von einem hof in den anderen“. Dieser Beleg zeigt, daß man in der - nicht genannten - Gegend, aus der er stammt, mit dem Wort „brul“ kein Flurstück, sondern ein - verlegbares —Zubehör eines Hofes bezeichnete. Aufschlußreich ist auch eine Lagebezeichnung, die sich in einer Aachener Urkunde vom Jahre 1018 findet: „ad murum qui vulgo vocatur bruel“ (an der Mauer [!], die das Volk als „bruel“ bezeichnet). Aus dieser Lagebezeichnung schließt Dittmaier7: „Die Grundbedeutung (des Wortes Brühl) ist nicht das Feuchte, Sumpfige, wie in den heutigen Wörterbüchern angegeben, sondern das Umzäunte, Gehegte“. Auf die Frage aber, warum nur ganz bestimmte umzäunte, eingehegte Flurstücke „Brühl“ genannt wurden, geht Dittmaier a. a. O. nicht ein.

IV. Eine Antwort auf diese Frage hat schon vor über 50 Jahren Albert Steeger - nicht von der Philologie, sondern von der Archäologie her - gefunden8: Bei der Ausgrabung einer frühmittelalterlichen Burganlage, von deren Existenz keinerlei Urkunden berichtet hatten, war ihm aufgefallen, daß eine benachbarte Flur „Am Brühl“ hieß. Er untersuchte, ob das ein Zufall war oder ob zwischen Flurstücken, die „Brühl“ genannnt wurden, und frühmittelalterlichen Herrenhöfen9 irgendeine Kopplung bestand. Dabei fand er Dutzende von Belegen dafür, daß im frühen Mittelalter zu jedem Herrenhof ein Brühl gehörte. Seitdem weiß man: Wenn irgendwo eine Flur seit mindestens dem hohen Mittelalter „Brühl“ oder ähnlich heißt, dann hat nahe dabei vorzeiten ein Herrenhof gestanden. Und umgekehrt kann man, wenn der Standort eines frühmittelalterlichen Herrenhofs bekannt ist, mit Sicherheit sagen, daß dessen Brühl irgendwo in der Nähe an einer sumpfigen Stelle lag, auch wenn diese Stelle heute ein trockener Acker ist und seit Menschengedenken nicht mehr „Brühl“ genannt wird. 12

Das Bestehen der Kopplung Herrenhof-Brühl läßt sich in hunderten von Stellen im ganzen Gebiet des vormaligen Karolingerreichs nachweisen, in Regensburg10 beispielsweise ebensogut wie in Aachen, in der Lombardei ebensogut wie in Flandern, in der Provence ebensogut wie in der Schweiz. Wichtig ist dabei die Feststellung, daß zu jedem Herrenhof immer nur ein einziger Brühl gehörte. Deshalb kann das Wort Brühl - und auch dessen Gleichwörter brogilo, brolium u. dgl. - nicht schlechthin „Wiese“ bedeutet haben, denn zu jedem Herren­ hof gehörten viele Wiesen; und es kann auch nicht nur als „umzäuntes, eingehegtes Grundstück“ erklärt werden, denn bei jedem Herrenhof gab es sicherlich viele eingefriedete Grundstücke - Küchengärten, Obstwiesen, Pferdekoppeln -, die man nicht als „Brühl“ bezeichnete. Was den Brühl eines Herrenhofs von allen anderen Wiesen und eingezäunten Grundstücken dieses Hofs unterschied, zeigt das Capitulare de Villis, eine etwa aus dem Jahre 840 stammende Verordnung über die Bewirtschaftung der karolingischen Herrenhöfe11. Art. 48 dieser sehr ausführlichen Dienstanweisung besagt: Ferner wird unseren Verwaltern befohlen, daß sie „unsere Haine, die das Volk ,brogilos‘ nennt, gut hüten lassen und immer rechtzeitig ausbesssern und keinesfalls abwarten, bis es nötig wird, sie wieder neu zu erbauen“. In einer Fußnote erklärt der Herausgeber offenbar nach einer anderen Quelle - das Wort „brogilo“ als „ein von einer Mauer umgebenes Grundstück, das als Pferch für Haustiere dient“12. V. Ein „brogilo“ war also um die Mitte des 9. Jh. durch drei Merkmale gekennzeichnet: Er war ein „lucus“, ein lichtes Wäldchen auf feuchtem Grund; er war mit einer Mauer umgeben, die immer sorgfältig instandgehalten werden mußte; und er diente als Pferch für Tiere, die bei jedem Herrenhof gehalten wurden13. Was das für Tiere waren, ist im Capitulare de Villis nicht angegeben. Pi erde, Rinder oder Schafe können es aber nicht gewesen sein, denn solche Tiere wurden nicht in feuchten Wäldchen eingepfercht; und wenn man das schon tat, dann hätte man den Pferch nicht mit einer - auch damals kostspieligen - Mauer einzufrieden brauchen, ein Holzzaun hätte genügt. Nur zum Einpferchen einer einzigen Tierart brauchte man damals Steinmauern: zum Einpferchen von Schweinen. Holzzäune wären von Schweinen unterwühlt worden. VI. Heutzutage kennt man das Hausschwein nur als ein schwerfälliges Wesen, das nie einen Wald zu sehen bekommt, vielmehr zeitlebens in einem engen Stall gehalten wird, damit es möglichst schnell möglichst viel Fleisch und Speck ansetzt. Allzuleicht vergißt man dabei, daß unser heutiges Hausschwein erst das Ergebnis einer kaum 200 Jahre zurückreichenden planmäßigen Züchtung ist. Vor tausend Jahren dagegen und noch bis weit in die Neuzeit hinein waren die Hausschweine halbwilde hochbeinige Tiere, die ihr ganzes Leben im Freien verbrachten. Da eine Stallfütterung in jenen Zeiten nicht möglich war - man kannte ja weder Kartoffeln noch Kraftfutter ließ 13

man die Schweine sich selbst draußen ihre Nahrung suchen. Herdenweise trieb man sie unter der Aufsicht von Berufsschweinehirten14 täglich auf die Weide; nach der Ernte auf die Stoppelfelder und das übrige Jahr hindurch aufs Brachland und vor allem in die Wälder, die damals weithin aus Eichen und Buchen bestanden. Diese Schweinetrift war so wichtig, daß sie in fast allen Aufzeichnungen bäuerlichen und ackerbürgerlichen Gewohnheitsrechts15erwähnt wurde, und über die Berechtigungen zur Faseltrift und Eckermast wurden unzählige Prozesse geführt. Gute und schlechte Eckerjahre vermerkte man in den Chroniken fast ebenso sorgfältig wie gute und schlechte Weinjahre. Für diese Art der Schweinehaltung brauchte jeder Grundherr einen festen Pferch, der in einem Gelände angelegt war, in dem die Tiere sich suhlen konnten, und der eine Einfriedung hatte, die das Ausbrechen der noch halbwilden Schweine verhin­ derte16. VII. So läßt sich als Ergebnis der bisherigen Untersuchung festhalten: Das im Capitulare de Villis verwendete Wort „brogilo“ war ein Fachausdruck der karolingischen Verwal­ tungssprache und bezeichnete den Schweinepferch, der zu jedem Herrenhof gehörte. Zu dieser Feststellung stimmt das Wort „Brühling“, mit dem man nach dem Rhein. Wörterbuch1 „ein halbwüchsiges Schwein, 3—5 Monate alt, eben angemästet“ bezeichnete. Das Deutsche Rechtswörterbuch4 bringt zu diesem Stichwort in glei­ chem Sinne: „Brühling, ad. broelynck, (halb)jähriges Schwein - den ersten dingtagh weist man den vogt zu 1 pfd pfeffer und ein broelynck“. Daß man junge Haus­ schweine als „Brühlinge“ bezeichnete, läßt sich am einfachsten dadurch erklären, daß solche Schweine vorzeiten in einem Brühl gehalten wurden17. Die Bedeutung „Schweinepferch“ behielten die Abkömmlinge des Worts „brogilo“ - „bruel“, „breuil“, breughel" - nur so lange wie es Herrenhöfe alter Art gab. Mit Auflösung der alten grundherrschaftlichen Strukturen - etwa im 12. Jh. - verloren dann diese Wörter ihren ursprünglichen spezifischen Sinn und verblaßten zu bloßen Flurnamen18. Als Flurname konnte das Wort „Brühl“ auch Geländestücken beigelegt werden, die nie Schweinepferche alter Herrenhöfe gewesen, sondern eben nur „sumpfige Niede­ rungen“ oder „nasse Wiesen“ waren. So hat der bekannte Leipziger Brühl - ursprüng­ lich eine sumpfige und deshalb nicht bebaubare, sondern nur als Messegelände verwendbare Niederung - seinen Namen wohl erst zu einer Zeit erhalten, in der man die spezifische Bedeutung dieses Worts schon vergessen hatte19. VIII. In der Bundesrepublik Deutschland findet man das Wort „Brühl“ - in landschaftlich unterschiedlicher Schreibweise - an mehreren hundert Stellen als Flurnamen. An zwei Stellen ist dieses Wort sogar zum Ortsnamen geworden: als Name der Stadt Brühl (5040) und als Name des Dorfs Brühl (6831). Es ist interessant, die Entwick­ lungsgeschichten dieser beiden Orte miteinander zu vergleichen: 14

Keimzelle der Stadt Brühl war der Herrenhof, den Erzbischof Philipp v. Heinsberg um das Jahr 1185 an der Stelle erbauen ließ, an der heute das Brühler Schloß steht20. Diese Stelle war vormals eine auf drei Seiten von Sumpfwald umschlossene Halbinsel, die zwar von Westen her frei zugänglich war, aber nach dieser Seite hin durch Aushebung breiter Gräben leicht abgeschirmt werden konnte21. In dem hier erbauten Hof „Brule“ faßte Philipp v. Heinsberg zwei Höfe zusammen, die schon seit dem 7. Jh. als Tafelhöfe der Kölnischen Kirche gehörten: Merreche und Pingsdorf. Der Zweck dieser Zusammenfassung ist unschwer zu erkennen: An der leicht zu verteidi­ genden neuen Hofstelle konnte man die für den Unterhalt des erzbischöflichen Gefolges lebenswichtigen Naturalabgaben der Merrecher und Pingsdorfer Hintersas­ sen sicherer einlagern als an den beiden alten Hofstellen. Als uralte Herrenhöfe müssen sowohl Merreche als auch Pingsdorf einen „brogilo“ gehabt haben. Der Merrecher „brogilo“ kann nur in dem Gelände gewesen sein, das 1185 als „Brule“ bezeichnet wurde22. Wo der Pingsdorfer „brogilo“ lag, läßt sich nicht mehr aufklären; vielleicht ist er schon früh mit dem Merrecher „brogilo“ zusammen­ gelegt worden. So dürfte feststehen, daß der Name „Brule“ des im Jahre 1185 erbauten erzbischöflichen Herrenhofs vorher einen mit einer Mauer umfriedeten Schweine­ pferch bezeichnet hatte. Wie lange der Pferch an dieser Stelle bestand, bleibt ungewiß. Spätestens 1185 ist er wohl beseitigt worden, denn so hochmögende Herren wie die Kölner Erzbischöfe residierten sicherlich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft einer großen Schweineherde23. In der Folgezeit hielten die Erzbischöfe in dem ummauerten Gelände des vormali­ gen Schweinepferchs jagdbares Wild; der Brühl wurde zu einem Tiergarten24 umge­ staltet. Wie lange dieses Wildgehege als solches bestand, bleibt noch aufzuklären25. Kurfürst-Erzbischof Clemens August hat dann bekanntlich auf dem Gelände des vormaligen Tiergartens den großzügigen Park seines Schlosses Augustusburg anlegen lassen. Der Geschichte der Stadt Brühl ist die Geschichte der Stadt Schwetzingen und des ihr benachbarten Dorfs Brühl in bezeichnenderweise ähnlich. Auch der Schwetzinger Schloßpark war vor tausend Jahren ein sumpfiger Auenwald gewesen, an dessen Rand die Pfalzgrafen einen Herrenhof erbauten. Auch dieser Herrenhof hatte - selbstver­ ständlich - einen Brühl. Nur lag dieser Brühl - weil hier der Herrenhof nicht verlegt wurde - von jeher abseits vom Hof auf der anderen Seite des Sumpfwalds, so daß hier zwei Siedlungen entstanden: Der Herrenhof - der auch hier die Entwicklungsstufen Gutshof, Wasserburg, Jagdschloß, prunkvolle kurfürstliche Sommerresidenz durch­ lief - wurde zur Keimzelle der heutigen Stadt Schwetzingen; und an seinen Schwei­ nepferch kristallisierte sich eine besondere Siedlung an, die „Brühl“ genannt wurde26, aber ein Dorf blieb, weil sie abseits von ihrem Herrenhof lag. IX. So gleicht das Wort „Brühl“ einer uralten Münze, deren Gepräge durch mehr als tausendjährigen Gebrauch bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen wurde. Es ist heute ein Allerweltswort, dessen ursprünglicher Sinn längst in Vergessenheit geraten ist. 15

Kein Brühler braucht sich darüber zu grämen, daß der Name seiner Stadt vorzeiten einen Schweinepferch bezeichnet hat. Es ist doch wahrlich ein erfreulicher Aufstieg, daß aus jenem Pferch ein so schöner Schloßpark hervorgegangen ist27. 1 Rheinisches Wörterbuch, Bd. I, hrsg. v. J. Müller, Bonn 1928, Sp. 1040. 2 E Kluge,Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 14, AufL, hrsg, v. W. Mitzka, Berlin 1963, S. 104. 3 Du Cange, Glossarium mediae et infimae latinitatis, hrsg. v. G. Henschel, Paris 1840, Sp. 779—786. Das Mittellateinische Wörterbuch, Bd. I, hrsg. von O. Prinz, München 1967, bringt - zu den Stichwörtern „broel“, „brogilus v. broilus“ und „broletum“ - nichts, was über Du Cange hinausführt. 4 Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 2, hrsg. v. E. v. Künßberg, Weimar 1932—35, Sp. 544. 5 Außerdem die nichtssagende Erläuterung „nasse Wiese, großer gehegter Wiesengrund vor dem Dorfe, Herren­ wiese“, die anscheinend aus dem Rhein. Wörterbuch übernommen wurde. 6 Da es damals noch keine Wiesenbauingenieure gab, können diese fabri palustres nur Spezialhandwerker gewesen sein, die wußten, wie man einen Sumpfwald zu einem Brühl umgestaltet. 7 H. Dittmaier, Rheinische Flurnamen, Bonn 1963, S. 45. 8 A. Steeger, Über „Brühl“ und „Breite“ am Niederrhein, RhVjbll. 1935, S. 330. 9 Mit dem Wort „Herrenhof“ ist hier und im folgenden immer eine „curtis“ gemeint, also der Zentralhof einer Grundherrschaft. 10 Die Regensburger Vorstadt Prühl ist benannt nach einem Kloster, das auf dem Gelände des vormaligen Brühls der Königspfalz erbaut worden war. 11 Monumenta Germaniae Historica, Legum Sectio II, Tomus I, Hannover 1883, Neuausgabe 1960. 12 A. a. O., S. 87: „Ut lucos nostros, quos vulgus brogilos vocat, bene custodire faciant et ad tempus semper emendent et nullatenus expectent, ut necesse sit a novo reaedificare.“ Ebd. Anm. 78: „Locus muro circumdatus ad animalia custodienda.“ Mit dem Wort „animalia“ können hier nur Haustiere gemeint sein; wilde Tiere wären als „fera“ oder „bestiae“ bezeichnet worden. 13 Deshalb irrt E. Ewig (Rhein. Geschichte Bd. 1, 2, Frühes Mittelalter, Düsseldorf 1980, S. 129), wenn er meint, daß ein Brühl nur „eine Wiese für den Hausbedarf“ gewesen sei, 14 In Brühl bestellte der Stadtrat bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit alljährlich zwei Schweinehirten, die morgens an den Häusern der Bürger deren Schweine einsammelten und abends wieder dort ablieferten. Die Zweizahl der Schweinehirten war eine letzte Erinnerung daran, daß Brühl vorzeiten —im Jahre 1185! —durch Zusammenlegung der Höfe Merreche und Pingsdorf entstanden war. Da der Donnerbach - der vorzeiten im Zuge des späteren Steinwegs in das Sumpfgelände des späteren Schloßparks floß - die Hüten jener beiden Höfe geschieden hatte, trieb der eine H irt die Schweine der Bürger, die nördlich des Steinwegs wohnten, gen Kierberg/Merreche, während der andere H irt die Schweine des Uhlstraßenviertels gen Pingsdorf trieb. 15 Die Weistümer der Rheinprovinz 2 Abt. 2. Bd. Amt Brühl, hrsg. v. H. Aubin, Bonn 1914, S. 32. 16 Die Notwendigkeit, derartige Pferche für große Herden zu unterhalten, entfiel für die Grundherren, als sie durch den Zerfall der grundherrschaftlichen Strukturen ihr Schweinehaltungsmonopol verloren. Sobald die Schweinetrift genossenschaftlich organisiert war (vgl. Anm. 14), brauchte man nicht mehr eine Herde geschlos­ sen unterzubringen; jeder Genosse konnte die paar Schweine, die er hielt, nachtsüber daheim einstallen. 17 Im Rhein. Wörterbuch steht a. a. O .: „Brühling, so genannt, weil es nach dem Schlachten nicht mit Strohfakkeln gesengt, sondern mit siedendem Wasser gebrüht wird.“ Diese volksetymologische Erklärung zeigt, daß man zu Beginn des 20. Jh. nicht mehr wußte, was ein Brühl ursprünglich war. 18 Aus solchen Flurnamen entstanden dann Familiennamen wie Brögelmann, Breughel, Aubreuil, Dubreuil u. dgl. Auch die Grafen Brühl, die aus der Gegend von Weißenfels/S. stammten und durch Heinrich Graf Brühl (1700—1763), den Günstling Augusts des Starken, weithin bekannt wurden, trugen ihren Namen sicher nach einem derartigen „Brühl neuer Art“. 19 In ähnlicher Weise wandelte sich die Bedeutung des Worts „Park“ : Aus einem vorkeltischen Wort für „Gehege“ wurde im Lauf der Zeiten - über die Zwischenstufe „Pferch“ - ein Allerweltswort, dessen Bedeutungsspektrum von „großer Gartenanlage“ über „Fuhrpark“ bis zur „Parkuhr“ reicht. Vgl. Kluge-Mitzka (Anm. 2) zu den Stichwörtern „Park“ und „Pferch“.

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20 Henrici de Herfordia Libri de rebus memorabilibus, ed. Potthast, Göttingen 1859, S. 168. 21 F. Wündisch in BHB 1977, S. 1. 22 Das Gelände der Villikation Merreche reichte bis nach Palmersdorf, umfaßte also auch das westlich von Palmersdorf gelegene Sumpfland. 23 Der früheste Beleg dafür, daß sich ein Kölner Erzbischof in dem Hof Brule aufhielt, ist die am 30. März 1217 ausgestellte Urkunde des Eb. Engelbert, REK II, Nr. 167. 24 Im Jahre 1288 (REK III, Nr. 3186) war der „diregaert“ der Burg Brühl zweifellos ein Wildpark. 25 Bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit wurde das Wort „Tiergarten“ sehr oft zur Bezeichnung der Lage anderer Grundstücke verwendet. Hirsche wurden hier noch zu Zeiten des Kurfürsten Clemens August gehalten; am 20. August 1755 starb die Frau des Fasanenmeisters Anton Eysel an Verletzungen, die ihr ein Hirsch im Park zugefügt hatte. 26 Ersterwähnung 1157 „in Brüwele“, Wirtembergisches Urkundenbuch (WUB) 6, 408. —1253 „villa que dicitur Bruel“, WUB 5, 22. 27 Dagegen scheint sich die Bedeutung des Worts „Park“ heute mancherorts zu seinem alten Sinn „Pferch“ (Anm. 19) zurückzuentwickeln. Beim Anblick eines der Betontermitenbaue, die von ihren geschäftstüchtigen Bauherren euphemisch als „Wohnpark“ bezeichnet werden, meinen viele Leute, daß die Bezeichnung „Wohnpferch“ angemessener wäre.

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D ie A n fä n g e d er P farrei St. M argareta z u B rü h l

i. Vor tausend Jahren waren die Sprengel der Pfarrkirchen Efferen und Kendenich eigenartig ineinander verschachtelt: Abhängig von der Efferner Kirche war die Kapelle zu Fischenich1, und die Kapelle zu Merreche2 hing von der Kendenicher Pfarrkirche ab. Später, als sich Territorialstaaten herausbildeten, wurde diese Ver­ schachtelung von Pfarrsprengeln sogar zu einer Verschachtelung von „Staaten“ : Da die Grundherrschaften Efferen und Fischenich dem Kölner Stift St. Maria im Kapitol gehörten, dessen Schirmvögte von altersher die Grafen, späteren Eierzöge von Jülich waren, wurden ihre Bezirke zu Jülicher Hoheitsgebieten; dagegen gehörte die Grund­ herrschaften Kendenich und Merreche der Kölnischen Kirche, dem späteren Erzstift, so daß deren Bezirke zu kurkölnischem Hoheitsgebiet wurden. Auf die Frage, aus welchen Gründen diese Verschachtelung wohl entstanden sein könnte, bietet bäuerliches Erbteilungsbrauchtum eine Vermutung an: Wenn vorzeiten ein Bauer zwei gleich große Acker a und b an seine beiden Söhne A und B vererbte, dann gab er nicht seinem Sohn A den Acker a und seinem Sohn B den Acker b, sondern jedem Sohn eine Hälfte des Ackers a und eine Hälfte des Ackers b. So konnte kein Streit darüber aufkommen, ob die beiden Äcker nicht nur gleich groß, sondern auch gleichwertig seien. In dieser Weise könnte im frühen Mittelalter - als auch die mächtigsten Herren ihrem Wesen nach noch Bauern waren3- die Herrschaft über den Landstreifen, der von Merreche bis nach Efferen reichte, irgendwann einmal hälftig aufgeteilt worden sein. Wer könnte aber - als ursprünglicher Herr über den gesamten Landstreifen —diese Teilung vorgenommen haben? Triftige Indizien4 sprechen dafür, daß dieser Landstreifen mit der fränkischen Landnahme Königsgut geworden und dann zur Zeit des Bischofs Kunibert, also im 7. Jh., als Ganzes der Kölnischen Kirche geschenkt worden war. Für spätere Zeit ist überliefert, daß der Hausmeier Karl Martell in den 720er Jahren sehr viel Kirchengut enteignete, um damit die Aufstellung des Reiterheeres zu finanzieren, das er zur Verteidigung des Frankenreiches gegen die Araber brauchte. Überliefert ist auch, daß Pippin der Jüngere im Jahre 750 einigen Bistümern die Hälfte ihrer von seinem Vater Karl Martell enteigneten Güter zurückgegeben hat. Deshalb liegt die Vermutung nahe, daß Karl Martell den ganzen von Efferen bis Merreche reichenden Landstreifen in Anspruch genommen und Pippin d. J. dann die Hälfte davon, nämlich die Grund­ herrschaften Kendenich und Merreche der Kölnischen Kirche zurückgegeben hat, in deren unangefochtenem Besitz sie in der Folgezeit waren. 18

Diese Vermutung erklärt aber nicht, wie die Grundherrschaften Efferen und Fischenich, also die andere Hälfte des Landstreifens, an St. Maria im Kapitol gekommen sind. Keinesfalls kann sie Pippin d. J. dieser von seiner Stiefgroßmutter Plektrudis gestifteten Kirche geschenkt haben; er hatte nicht den geringsten Grund, einer von der erbittersten Feindin seines Vaters Karl Martell überreich ausgestatteten5 Kirche irgendetwas zuzuwenden. Auch Erzbischof Bruno, der diese Kirche in den 960er Jahren zu einem Stift für hochadlige Damen umgestaltete, kann diese Grundherr­ schaften nicht geschenkt haben, denn sonst hätte sein Biograph Rutger dies sicherlich erwähnt. Deshalb müssen Efferen und Fischenich schon zu der von Plektrudis gestifteten Ausstattung von St. Maria im Kapitol gehört haben. Wahrscheinlich ist also die Schenkung des Landstreifens an die Kölnische Kirche nicht erst durch Karl Martell, sondern schon bald nach Bischof Kuniberts Tod rückgängig gemacht worden6, so daß bereits Pippin der Mittlere und dessen Frau Plektrudis über die Herrenhöfe, die von Merreche bis nach Efferen den auslaufenden Osthang des Vorgebirges säumten, verfügen konnten. Da die zwischen Kendenich und Efferen gelegene - später Hermülheim genannte - Grundherrschaft in späteren Zeiten allodial war7, muß sie schon durch Pippin d. M. ausgesondert und an einen seiner freien Gefolgsleute vergeben worden sein. Gleichzeitig ist vermutlich auch der restliche Landstreifen hälftig geteilt worden, so daß Plektrudis, die nach Pippins Tod einige Zeit faktisch die Regentin Austrasiens war, der Kirche St. Maria im Kapitol die Grundherrschaften Efferen und Fischenich schenken konnte. Ob die Grundherr­ schaften Kendenich und Merreche schon damals oder erst durch Pippin den Jüngeren der Kölnischen Kirche zurückgegeben worden sind, läßt sich nicht aufklären.

II. Viele Indizien machen wahrscheinlich, daß Kendenich in der ersten Zeit nach der fränkischen Landnahme der Hauptort des südlichen Kölngaus war, und das Patrozi­ nium der dortigen Kirche —Johannes der Täufer - deutet darauf hin, daß sie schon zur Zeit der frühmerowingischen Christianisierung dieses Raums - vor der Zeit des hl. Bonifatius - als Taufkirche gestiftet worden ist. Nach den oben geschilderten Herrschaftsverhältnissen muß sie zur Zeit Bischof Kuniberts eine bischöfliche „Eigen­ kirche“8 gewesen sein, zu deren Bannsprengel ursprünglich alle zwischen Efferen und Merreche am Vorgebirgshang wohnenden Leute, nach der Teilung aber nur noch die Hintersassen der Grundherrschaften Kendenich und Merreche gehörten9. Anders als der Kendenicher Raum war jahrhundertelang der Merrecher Raum so dünn besiedelt, daß hier die Stiftung einer besonderen Pfarrei unnötig war. Schon der Name dieses Herrenhofs10besagt, daß er inmitten von Heideland lag, und das Hofge­ lände, das bis zur heutigen Berger Straße reichte, war größtenteils von Wald bedeckt, der erst ab dem 11. Jh. gerodet wurde11. So sind Merreche und Vochem vermutlich jahrhundertelang Randgebiete des Kendenicher Pfarrsprengels gewesen, die der Pfarrer von Kendenich nur selten aufsuchte. Da aber die in diesen Gebieten wohnen­ den Leute christlich bestattet sein wollten und der Leichweg nach Kendenich für sie 19

nicht nur unzumutbar weit war, sondern auch noch durch einen fremden Pfarrsprengel - Fischenich - führte, haben Merreche und Vochem wohl schon frühzeitig Fried­ höfe mit Kapellen erhalten12.

III. Die Nebel schriftloser Vergangenheit, die diese Zusammenhänge verhüllen, lichten sich erst im 10. Jh. Am 9. September 941 schenkte Erzbischof Wikfrid dem Klosterspäteren Stift - St. Cäcilien zu Köln den Zehnten aller Ländereien, die von seinem Fronhof Kendenich abhingen, mit Ausnahme derer des Fronhofs selbst13, und am 25. Oktober 980 schenkte Erzbischof Warin dem Kloster zu den 11 000 Jungfrauen dem späteren Stift St. Ursula zu Köln —den Fronhof Kendenich mit allem Zubehör14. In diesen Urkunden werden allerdings weder die Pfarrkirche Kendenich noch die Ländereien im Brühler Raum, die später dem Stift St.- Cäcilien und dem Stift St. Ur­ sula zehntbar waren, ausdrücklich erwähnt. Da aber das Verfügungsrecht des Stifts St. Ursula über die Pfarrkirche Kendenich und die Zehntrechte der beiden Stifte nie angezweifelt worden sind, ist zu vermuten, daß diese Rechte, wenn nicht mit den vorerwähnten Urkunden, so doch gleichzeitig mit besonderen - heute verschollenen - Urkunden geschenkt worden sind. Bezüglich welcher Brühler Grundstücke diese beiden Stifte zehntberechtigt waren, ist für St. Cäcilien in der Limitation von 152415 und für St. Ursula in der Limitation von 169416 eingehend beschrieben. Beide Aufzeichnungen stammen zwar aus histo­ risch sehr später Zeit; da sie aber auf älteren Aufzeichnungen beruhen und da die geistlichen Körperschaften zu allen Zeiten auf die genaueste Wahrung ihrer Rechte bedacht waren17, kann man wohl davon ausgehen, daß in diesen Limitationen ein Zustand beschrieben wird, der schon im 10. Jh. hergestellt worden war; in den bisher bekannt gewordenen Archivalien findet sich jedenfalls kein Gegenindiz. Würde man die in diesen Limitationen erwähnten Grundstücke in eine Karte einzeichnen, so erhielte man im Brühler Raum keine zwei geschlossenen Großflächen, sondern ein wirres Kleinflächengemenge. Das zeigt, daß zur Zeit der Begründung dieser Zehntrechte - also im frühen Mittelalter - die Gebiete der Grundherrschaften schon sehr ineinander verschachtelt waren. Kein archivalisches Indiz spricht bisher dafür, daß im Brühler Raum die Stifte St. Cäcilien und St. Ursula nach dem 10. Jh. noch weitere Zehntrechte erhalten oder daß irgendjemand anders, und seien es die Erzbischöfe selbst18, hier schon im 10. Jh. Zehntrechte besessen haben könnte. Deshalb kann man davon ausgehen, daß die vorerwähnte Karte ausweisen würde, welche Ländereien um das Jahr 1000 zu Acker­ land gerodet waren; Land, das weder St. Ursula noch St. Cäcilien zehntbar war, kann erst nach dem Jahre 1000 urbar gemacht worden sein. Hiernach war damals fast das gesamte Gelände östlich der heutigen Römerstraße und nördlich der Comes/Rheinstraße bis hin zur Berger Straße noch mit Urwald bestanden, und auch der Hang des Vorgebirges von der Bohle bis nach Kierberg war noch weithin ungerodet. 20

IV. Mit der Verleihung des Rechts, Zehnte zu erheben, an bestimmte Personen oder Institutionen, denen eine Pfarrkirche gehörte, sollte ursprünglich gewährleistet werden, daß die Zehntherren aus dem jeweiligen Zehntaufkommen die bei ihrer Kirche entstehenden persönlichen und sächlichen Kosten decken konnten. Diese Zweckbestimmung wurde aber von den hochadligen Damenstiften St. Cäcilien und St. Ursula offensichtlich von Anfang an mißachtet. Beide Stifte vereinnahmten die Zehnte, die sie aus dem Brühler Raum erhielten, bei ihrer Kämmerei und verwendeten sie wie gewöhnliche Pachteinnahmen für den Lebensunterhalt der Stiftsdamen. Das Stift St. Ursula verwendete nicht nur die ihm geschenkten Zehnteinkünfte zweckwi­ drig, sondern hielt es auch nicht für nötig, die ihm geschenkte Pfarrkirche Kendenich rechtlich zu verselbständigen. Dadurch gerieten diese Kirche und die an ihr amtieren­ den Pfarrer in eine kirchenrechtlich eigenartige Lage: Weder hatte die Kirche ein eigenes „Fabrikvermögen“ noch hatte die Pfarrstelle eigene, rechtlich abgesicherte Einkünfte. Es stand ganz im Belieben der Äbtissinnen von St. Ursula, wie sie die von ihnen präsentierten Pfarrer besolden und wieviel sie für die Kosten des Gottesdienstes und die Unterhaltung der Pfarrkirche ausgeben wollten. Darüber kam es im Jahre 1169 zu einem Streit zwischen dem Kendenicher Pfarrer und dem Stift St. Ursula19. Erzbischof Philipp v. Heinsberg entschied, daß der Zehnt in voller Höhe dem Stift zustehe und der Pfarrer besondere Einkünfte erhalten solle. Offenbar hat sich aber das Stift St. Ursula nicht daran gehalten, denn im „Liber Valoris“, in dem die Einkünfte aller Pfarrstellen der Erzdiözese Köln zusammenge­ stellt sind20, wird Kendenich nicht erwähnt. Das läßt sich nur dadurch erklären, daß in Kendenich noch zu Anfang des 14. Jh. gar keine eigenständige Pfarrstelle bestand, die Pfarrkirche vielmehr durch einen nach Belieben der Äbtissin von St. Ursula angestellten und besoldeten Priester deserviert wurde. V. In einer Urkunde vom Jahre 126221 wird die Merrecher Kapelle - erstmals - als „ecclesia (Pfarrkirche)“ bezeichnet, und der dort amtierende Priester Otto nennt sich „plebanus (Pfarrer) de Merreche“. Das zeigt - da die Wörter „ecclesia“ und „plebanus“ schon in jener Zeit festumrissene Bedeutung hatten und nicht Synonyme der Wörter „capella“ und „capellanus“ waren -, daß vor der Ausstellung dieser Urkunde die alte Merrecher Friedhofskapelle zur Pfarrkirche erhoben worden ist. Genauer ausgedrückt besagt diese Urkunde, daß in Merreche vor dem Jahre 1262 eine Pfarrei gestiftet worden ist, der die alte Friedhofskapelle als Gotteshaus zugewie­ sen wurde. Stifter dieser Pfarrei kann nur ein Kölner Erzbischof gewesen sein, der dabei in doppelter Eigenschaft handelte: Als Bischof trennte er den Sprengel der neuen Pfarrei von dem der Pfarrkirche Kendenich ab und bewidmete er die Pfarrei Merreche mit Zehntrechten, über die er als Rottzehnte18 verfügen konnte. Und als Grundherr von Merreche stiftete er die dortige Kapelle und den anderen Grundbe­ sitz, der zur Dotation der Pfarrkirche und der Pfarrstelle kirchenrechtlich erforder­ lich war22. 21

Welcher Erzbischof die Pfarrei Merreche gestiftet hat, ist archivalisch nicht belegt, da keine Stiftungsurkunde überliefert ist. Vielleicht ist diese Stiftung gar nicht aus­ drücklich beurkundet worden, da sie ja ein „internes Rechtsgeschäft“ des betreffen­ den Erzbischofs war, das keine Rechte Dritter berührte. Indizien zeigen aber, daß die Pfarrei Merreche, aus der dann die Pfarrei St. Margareta zu Brühl hervorging, von Konrad v. Hochstaden gestiftet worden ist, dem Erzbischof, der im Jahre 1248 den Grundstein zum heutigen Kölner Dom gelegt hat23.

VI. Erster Pfarrer von Merreche wurde —wie die Urkunde von 1262 zeigt —der Priester Otto, der —wie die unten besprochene Urkunde von 130424 zeigt —bereits aufgrund Präsentation durch die Abtissin von St. Ursula, Lysa v. Rennenberg, Pfarrer von Kendenich war. Otto behielt bis zu seinem Lebensende beide Pfarrstellen. Er siedelte aber offenbar nach Merreche über - vermutlich deshalb, weil er in dieser Pfarrstelle, anders als in Kendenich, rechtlich abgesicherte Einkünfte hatte —und nannte sich nunmehr Otto von Merreche. Zwischen 127525 und 1278 wurden dann die letzten Bewohner von Merreche nach Brühl umgesiedelt. Mit ihnen zog auch der Pfarrer Otto um. Die Kirche in Merreche verödete zu einer einfachen Feldkapelle; Gotteshaus der Pfarrei, die seit dieser Umsiedlung „Pfarrei Brühl“ genannt wurde, wurde die Kapelle, die auf dem Friedhof des erzbischöflichen Fronhofs Brühl stand. Rechtlich wurde die Pfarrei durch diese Sitzverlegung nicht berührt; weder ihre Zehntrechte noch die sonstigen Vermögens­ rechte der Pfarrkirche und der Pfarrstelle wurden dadurch verändert. In der Urkunde von 1304 berichtet Hermann, Pfarrer von Fischenich, daß er miterlebt habe, wie sich vor Siegfried, dem damaligen Erzbischof von Köln, die Pfarrer Arnold von Pingsdorf und Otto „von Kendenich“ um die „Kapelle in Brühl“ gestritten hätten. Offenbar ging es damals um die Frage, wer „Pfarrer von Brühl“ werden solle. Da Brühl durch Zusammenlegung von Merreche und Pingsdorf entstan­ den war, glaubte anscheinend Pfarrer Arnold von Pingsdorf die gleichen Ansprüche auf die Pfarrstelle Brühl zu haben wie Pfarrer Otto von Merreche. Erzbischof Siegfried entschied aber diesen Streit zugunsten des Pfarrers Otto. Das zeigt auch eine am 21. November 1278 ausgestellte Urkunde26, laut derer der Edelherr Philipp, Vogt zu Kendenich, dem Kölner Deutschordenshause St. Katharina Land bei Richzemulheim (Hermülheim) und Kendenich verkaufte. In der Zeugenliste dieser Urkunde ist an erster Stelle ein - nicht mit Namen benannter - „plebanus de Brodle“ aufgeführt. Dieser „Pfarrer von Brühl“ kann nur der Priester Otto gewesen sein, der ja zugleich auch Pfarrer von Kendenich war. Es ist aufschlußreich, daß er sich in einer Kendenicher Urkunde nicht „Pfarrer von Kendenich“, sondern „Pfarrer von Brühl“ nannte. Vielleicht spiegelt sich darin der Triumph, in dem Streit um die Brühler Pfarrstelle über Pfarrer Arnold von Pingsdorf gesiegt zu haben; vielleicht wollte er damit auch zum Ausdruck bringen, daß er die Pfarrstelle Brühl höher schätzte als die - wie erwähnt, sehr unsichere —Pfarrstelle Kendenich. 22

VII. Der Priester Otto besaß die Pfarrstelle Kendenich über 60 Jahre lang. Er muß also sehr alt geworden sein. 28 Jahre lang ließ er sich in seinen Pfarrgeschäften meist durch Hermann, den Pfarrer von Fischenich, vertreten. Als seinen Nachfolger in Kendenich präsentierte die Abtissin von St. Ursula den Priester Wikbold von Hagen. Diesen Wikbold bestellte Erzbischof Siegfried auch zum Pfarrer von Brühl. Zum zweiten Male waren also beide Pfarrstellen in Personal­ union besetzt. Deshalb kam allgemein die Meinung auf, daß zwischen diesen beiden Pfarrstellen Realunion bestehe, der jeweilige Pfarrer von Kendenich also von Rechts wegen auch Pfarrer von Brühl sei. Daß aber diese beiden Pfarrstellen rechtlich nicht miteinander verbunden waren, erwies sich, als Wikbold von Hagen - etwa um das Jahr 1303 - gestorben war und Erzbischof Wikbold seinen bisherigen Sekretär, den Priester Johannes de Gladio27 zum Pfarrer von Brühl bestellte. Dieser Ernennung widersprach die Äbtissin von St. Ursula. Dem Domkapitel, das nach dem Tode Erzbischof Wikbolds - 26. März 1304 - die Regentschaft im Erzstift Köln führte, trug sie vor: Seit unvordenklichen Zeiten habe die jeweilige Äbtissin von St. Ursula das Recht, den Pfarrer von Kendenich zu präsentieren. Deshalb stehe ihr auch das Recht zu, den Pfarrer von Brühl zu präsentieren, da die „Kapelle“ in Brühl ein „appendicium (Anhängsel)“ der Pfarrkirche von Kendenich sei. Darüber ließ das Domkapitel am 23. Juni 1304 Beweis erheben. Die Zeugenaussa­ gen sind in einer sehr ausführlichen Urkunde protokolliert, die heute im Historischen Archiv der Stadt Köln aufbewahrt wird28. Alle Zeugen bestätigten, daß die jeweilige Äbtissin von St. Ursula das Recht habe, den Pfarrer von Kendenich zu präsentieren, und daß die Kapelle in Brühl ebenso wie die in Merreche von altersher ein Anhängsel der Kendenicher Pfarrkirche sei. Ihre Aussagen trafen aber nicht den eigentlichen Kern des Streits, nämlich die Tatsache, daß die vormals von Kendenich aus deservierte Friedhofskapelle in Brühl mittlerweile das Gotteshaus einer eigenständigen Pfarrei geworden war, deren Patronatsrecht von Stiftungs wegen dem jeweiligen Erzbischof von Köln zustand. Anscheinend hielten die Zeugen die Personalunion, die seit Jahrzehnten bestanden hatte, für eine Real­ union. Ob es sich aber hier um eine Personalunion oder um eine Realunion handelte, war keine durch Zeugenaussagen zu klärende Sachfrage, sondern eine reine Rechts­ frage. Diese Rechtsfrage ist vom Domkapitel in jenem Streit offensichtlich dahin entschieden worden, daß Patron der Pfarrkirche St. Margareta29 zu Brühl nicht die jeweilige Äbtissin von St. Ursula, sondern der jeweilige Erzbischof von Köln sei. Jedenfalls ist das Patronatsrecht der Kölner Erzbischöfe später nie wieder angezweifelt worden.

1 R. W. Rosellen erwähnt in seiner Geschichte der Pfarreien des Dekanates Brühl, Köln 1887, S. 230, ein Visitationsprotokoll des Dechanten der Christianität Bergheim vom Jahre 1494, in dem es zu Fischenich heißt: „fuit olim capella ecclesiae parochialis in Efferen (die Fischenicher Pfarrkirche war einst eine Kapelle der

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Efferner Pfarrkirche)“. Spätestens gegen Ende des 13. Jh. wurde diese Kapelle zur Pfarrkirche erhoben: In dem unten besprochenen Protokoll vom Jahre 1304 (Anm. 28) wird ein „Hermannus plebanus (Pfarrer) in Vysschenich“ als Zeuge erwähnt. 2 Der Herrenhof Merreche - aus dem das heutige Brühl-Kierberg hervorgegangen ist - war einer der zwölf Tafelhöfe der Kölnischen Kirche (Lacomblet Archiv IV, 350). 3 Die Hofämter der fränkischen Könige entsprachen in ihrer Titulatur noch ganz dem Gesinde eines großen Bauernhofes: „Seneschall“ ist aus „senex scalcus = Altknecht“ entstanden, „Marschall“ aus „mariscalcus = Pferdeknecht“, „Truchseß“ aus „truhtsaeze = Vorsitzer des Gesindetisches“. 4 Sie können hier nicht im einzelnen dargelegt werden. 5 Vgl. dazu E. Hlawitschka, Zu den klösterlichen Anfängen in St. Maria im Kapitol zu Köln, Rh. Vjbll. Jhg. 31, 1966/67, S. 1, FN 1: „Plictrudis . monasterium . in honore sanctae Mariae honorifice edificavit, quod prediis et tesauris strenue ampliavit (Plektrudis baute ein Kloster zu Ehren der hl. Maria, das sie mit Ländereien und Schätzen reich ausstattete)“ und „.ecclesiam.construxit., ditans eam reditibus et prediis multis (sie erbaute eine Kirche, die sie mit vielen Einkünften und Ländereien bewidmete)“. 6 Die Nachfolger Bischofs Kuniberts (vgl. REK I. 52 ff.) waren schwach und unscheinbar. Es ist wenig wahr­ scheinlich, daß sieden Besitz der Kölnischen Kirche in den Wirren des ausgehenden 7. Jh. tatkräftig verteidigen konnten. 7 Vielleicht gehörte auch die Grundherrschaft Hürth zu den Gütern, die der Kölnischen Kirche nicht zurückge­ geben wurden. 8 Im frühen Mittelalter war die Rechtsstruktur der Pfarrkirchen ganz anders als heute, bedingt durch das damalige Grundherrschaftssystem. In einer Grundherrschaft gehörte alle liegende und fahrende Habe dem Grundherrn; dessen Hintersassen, durchweg vermögensunfähige Unfreie, besaßen ihre Hufen samt lebendem und totem Zubehör nur als geliehenes Gut. Jeder Grundherr mußte für seine Hintersassen bestimmte „Versorgungsanlagen“ unterhalten: eine Mühle zum Kornmahlen, je einen Hengst, einen Stier, einen Eber und einen Widder als „Zielvieh", eine Lehmgrube zur Entnahme des für den Bau der Hütten benötigten Lehms u. a. m. Die Hintersassen andererseits durften im Bedarfsfälle nur die Versorgungsanlagen ihres Herrn in Anspruch nehmen, selbstverständlich gegen Entrichtung entsprechender Gebühren. Beispielsweise war ihnen „unter Bann“ verboten, ihr Korn in einer anderen Mühle als der ihres Herrn mahlen zu lassen. - Dieser „Mühlenzwang“ galt in Brühl bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit; beide Stadtmühlen waren „Bannmühlen“ . In gleicher Weise mußte der Grundherr für die geistliche Versorgung seiner Hintersassen eine Kirche samt Friedhof unterhalten. Kirche und Friedhof waren Eigentum des Grundherrn; die Priester wurden von ihm nach seinem Belieben angestellt und besoldet; die kirchlichen Gebühren flössen in sein Vermögen. Eine solche „Eigenkirche“ war praktisch ein Gewerbebetrieb wie eine Mühle. Es kam sogar vor, daß Kirchen meistbietend verpachtet wurden. In karolingischer Zeit —vor allem durch das Aachener Kapitular von 818/819 —wurde dieses „EigenkirchenSy­ stem“ geändert: Die Pfarrkirchen und Pfarrstellen mußten rechtlich verselbständigt, also mit eigenen Einkünf­ ten ausgestattet werden; die Priester durften von den Grundherren nur mit Zustimmung des Bischofs angestellt und entlassen werden. Es dauerte aber noch Jahrhunderte, bis sich diese Neuregelung allgemein durchgesetzt hatte. Kraft dieser Regelung verkümmerten die Rechte der Grundherren schließlich zu einem bloßen „Patronat“: Der Grundherr behielt nur noch das Recht, für „seine“ Pfarrkirche jeweils den Pfarrer zu „präsentieren“ (benennen); wenn dieser den kirchlichen Bestimmungen entsprach, mußte er von dem zustän­ digen Bischof oder dessen Beauftragten als Pfarrer eingesetzt werden. 9 Zu Merreche hat ursprünglich auch Vochem gehört: Das Gebiet dieser Grundherrschaft - die „Mercher Schweid“ - erstreckte sich in archivalisch erhellter Zeit als verhältnismäßig schmaler Streifen von der Spick­ straße bis zur Berger Straße. Bis ins 11. Jh. war ein großer Teil dieses Gebietes noch mit Urwald bestanden (vgl. im Text Abschn. III a. E.); noch im Urbar von 1425 (HStAD Kurköln Kartular 3) werden mehrere „Mercher Forsthufen“ erwähnt. Deshalb ist wenig wahrscheinlich, daß aus dem Ackerland dieses Hofs wie bei den anderen erzbischöflichen Tafelhöfen der Bedarf der erzbischöflichen Hofhaltung für einen ganzen Monat gedeckt werden konnte. Wahrscheinlicher ist, daß zu diesem Gebiet ursprünglich noch das Gebiet der späteren Grundherrschaft Vochem gehörte, das nur Ackerhufen umfaßte. Da die Vochemer Schweid etwa gleichgroß

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der Mercher Schweid und dieser streifenförmig nördlich angelagert war, darf man vermuten, daß das Gebiet des Tafelhofs Merreche irgendwann einmal, spätestens zur Zeit Erzbischof Annos II., hälftig in zwei Grund­ herrschaften aufgeteilt worden ist, deren eine - Vochem - im Jahre 1067 von Eb. Anno dem Stift St. Georg zu Köln geschenkt wurde. Für diese Vermutung spricht - außer der gleichen kirchlichen Zuständigkeit - auch die Tatsache, daß die Mitglieder des Hofesgerichts Vochem ebenso wie die des Hofesgerichts Merreche „Schöffen“ genannt wurden, während alle anderen Hofesgerichte des Brühler Raums - Palmersdorf, Badorf, St. Severin zu Schwadorf und St. Kunibert zu Schwadorf —mit „Geschworenen“ besetzt waren. 10 Merreche = curtis in myrica = H of in der Heide. 11 Vgl. dazu Abschn. III des Textes. 12 Ähnlich liegen die Dinge auch heute noch vielerorten in Mittel- und Südamerika. Dort gibt es Siedlungen, die so fern von einer Pfarrkirche liegen, daß sie nur selten - manchmal nur in Abständen von vielen Jahren - von einem Pfarrer aufgesucht werden können. Bei seinem Besuch holt dann der Priester jeweils alle Taufen und Trauungen nach und segnet die Toten ein, die seit seinem letzten Besuch bestattet worden sind. 13 REK I. 328. 14 REK I. 530. 15 HAK St. Cäcilien Akten 40 b. 16 HAK St. Ursula Akten 14. 17 Dafür, daß kein Zehnt hinterzogen wurde und dann die Zehntlast eines Grundstücks in Vergessenheit geriet, sorgten schon die jeweiligen Zehntpächter in ihrem eigenen Interesse. - Wenn ein zehntbares Grundstück durch Rodung oder Zusammenlegung mit einem zehntfreien Grundstück vergrößert wurde, legte man gewöhnlich fest, daß das ganze Grundstück nur zum Teil zehntbar sein solle, also beispielsweise insgesamt halben Zehnt leisten oder nur für eine bestimmte Anzahl von - nicht lokalisierten - Morgen ganzen Zehnt leisten solle. 18 Für Flächen, die erstmals urbar gemacht wurden, stand dem Bischof der „Rottzehnte“ zu, über den er beliebig verfügen konnte. 19 HAK St. Ursula Urk. 11. 20 F. W. Oediger, Der Liber Valoris, Bonn 1967. 21 HStAD Benden Urk. 4. 22 Die Grundstücke, die der Pfarrkirche St. Margareta zehntbar waren, sind in deren Archiv in der Akte A. III. a. 2 nach dem Stande von 1551 aufgezählt. Sie lagen alle im Merrecher Land, das bis zum Jahre 1000 noch nicht gerodet war; größtenteils im Palmersdorfer Feld, einige Morgen an der Gabjei. Auch die Grundstücke, mit denen die Pfarrkirche und die Pfarrstelle dotiert waren, lagen alle in Merrecher Land (Archiv St. Margare­ ta A. III. a, 1 und A. III. a. 2). 23 Im Jahre 1262, dem Jahre der Ersterwähnung der Pfarrei Merreche, war Erzbischof Konrad schon tot. Sein Nachfolger Erzbischof Engelbert ist aber erst 1263 konsekriert worden. Deshalb muß die Pfarrei Merreche schon von Erzbischof Konrad - also vor dessen Tod am 28. September 1261 - gestiftet worden sein, denn der Rechtsakt der Bildung eines neuen Pfarrsprengels kann nur von einem konsekrierten Bischof getätigt werden. 24 Vgl. Anm. 28. Alle Angaben in Abschn. VI und VII des Texts beruhen auf dieser Urkunde, sofern keine andere Quelle angegeben ist. 25 Wie im Text erwähnt, stritten sich die Pfarrer Albert und O tto vor Erzbischof Siegfried um die Pfarrstelle Brühl. Da Eb. Siegfried am 24. April 1275 konsekriert wurde, ist dieser Tag der terminus post quem; terminus ante quem ist der 21. November 1278, der Tag, an dem die in Anm. 26 bezeichnete Urkunde ausgestellt wurde. 26 HA K St. Katharina Urk. 87. 27 Im Jahr 1301 war der Clericus Johannes dictus de Gladio Sachwalter des Erzbischofs in dessen Prozeß mit der Stadt Köln und verschiedenen Grafen und Herren (REK III. 3786 und 3788). Vermutlich hat dieser Priester Johannes die Pfarrstelle Brühl als Altersversorgung erhalten. 28 HAK St. Ursula Urk. 47. - Diese Urkunde ist nach einer im 18. Jh. gefertigten Abschrift mit vielen Lesefehlern und Auslassungen abgedruckt bei R. W. Rosellen, Geschichte der Pfarreien des Dekanates Bergheim, Köln 1887, S. 595. Eine genaue Abschrift des Originals liegt im Stadtarchiv Brühl (Urkunden zur Brühler Geschichte Nr. 50). Sonstige Schriftstücke aus diesem Prozeß sind nicht überliefert.

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Da RoseJJen offenbar nur die vorerwähnte Abschrift kannte und deren rechtlichen Inhalt mißverstand, schrieb er (a. a. O., S. 101): „Die Errichtung der Pfarre Brühl fällt in die Regierungszeit des Erzbischofs Wikbold von Holte (Mai 1297 bis 26. Mai 1304), also fast gleichzeitig mit der Erhebung des Ortes zur Stadt (1285).“ Diese Meinungsäußerung ist von allen späteren Autoren ungeprüft übernommen worden. Wenn sie richtig wäre, wäre Brühl in den Jahren nach 1285 die einzige deutsche Stadt ohne eigene Pfarrei gewesen. 29 Warum die Brühler Pfarrkirche der hl. Margareta geweiht worden ist, konnte bisher nicht aufgeklärt werden.

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B a d o r f ist ü b e r ta u sen d Jahre alt!

i. Wann eine Stätte zum allerersten Male besiedelt worden ist, läßt sich fast nie mit einer Jahreszahl belegen. Deshalb gehen Historiker, wenn es sich um ein Ortsjubiläum handelt, gemeinhin von dem Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung aus. Das Jahr, in dem der betreffende Ort zum ersten Mal aus den Nebeln schriftloser Vergangenheit auftaucht, ist der einzige feste Ausgangspunkt, den man hat, wenn ein Jubiläumszeit­ raum beziffert werden soll. IE Wie steht es damit bei der Stätte, die heute (Brühl-)Badorf1 heißt? Sicherlich ist diese Stätte wie fast alle am Hang des Vorgebirges liegenden Orte schon sehr früh besiedelt worden. Schon in der jüngeren Steinzeit, als die ersten Ackerbauern seßhaft wurden, lockte dieser fruchtbare, leicht zu bearbeitende Hang zur Ansiedlung. Seither hat aber jahrtausendelange intensive Bodenbearbeitung hier alle Siedlungsspuren aus jener grauen Vorzeit getilgt. Auch zur Römerzeit hat hier mindestens ein Gutshof gestanden. In den wirren Jahren vor der fränkischen Landnahme ist aber diese Siedlung offenbar völlig zerstört worden. Das folgt aus der Tatsache, daß es im Badorfer Raum keinerlei vorfränkische Flurnamen gibt und daß der heutige Ortsname - anders als beispielsweise die Ortsna­ men Kendenich oder Fischenich - fränkisch ist. Als die Römerherrschaft im Rheinland zusammenbrach, etwa um die Mitte des 5. Jh., war allem Anschein nach der ganze Hang des Vorgebirges von Fischenich bis Bonn verwüstet und menschenleer. In diesem Gelände, das kraft Beuterechts Königs­ land geworden war, setzten dann die Ripuarierkönige, die in Köln herrschten, alsbald Rodetrupps ein, um es nutzbar zu machen. Die Einsatzpunkte dieser Trupps wurden jeweils nach deren „Vorarbeitern“ benannt. So lassen sich die vielen mit den Grund­ wort ,,-dorf“ gebildeten Ortsnamen im Köln-Bonner Raum erklären2: Schwadorf­ älteste überlieferte Schreibweise „Suaventhorp“3—war der Einsatzort eines gewissen Suabo; in Cardorf mußte ein römischer Kriegsgefangener namens Carus roden; Pingsdorf - älteste Schreibweise „Pinnesthorp“4 - war der Einsatzort eines Pinno (Kurzform des fränkischen Namens Pippin). Die älteste Schreibweise von Badorf, die man bisher kannte, war „Baventhorp“4. Das zeigt, daß der hier eingesetzte Rodetruppführer Bavo hieß. Bavo war ein bei den Franken beliebter Name. Ein Bavo wurde in der Merowingerzeit sogar heilig gespro­ chen; dieser „Sint Baaf“ ist noch heute Patron der Kathedrale in Gent. Auch der Name der Stadt Bamberg geht auf einen Bavo zurück. 27

III. Bis zum Ende der Kurfürstenzeit war Badorf eine Grundherrschaft der Abtei St. Pan­ taleon zu Köln. Deshalb ist die Badorfer Pfarrkirche dem hl. Pantaleon geweiht. Der Badorfer Fronhof, die Keimzelle des späteren Dorfes, wurde Abtshof genannt, weil seine Erträge dem jeweiligen Abt von St. Pantaleon zustanden. Nach alter Klostertradition hat die Abtei St. Pantaleon die Grundherrschaft Badorf von ihrem Stifter, dem Erzbischof Bruno, erhalten, der in Köln von 953 bis 965 regierte. Die Glaubwürdigkeit dieser Tradition konnte aber bisher urkundlich nicht bewiesen werden. Abt Spichernagel, der Annalist von St. Pantaleon5, meinte, Badorf sei der Abtei schon bei ihrer Stiftung geschenkt worden. Das trifft aber nicht zu. In dem Stiftungsbrief vom 22. Mai 9646 wird dieser Herrenhof nicht erwähnt. Deshalb konnte die im Jahre 1964 geplante Tausend)ahrfeier von Badorf mangels urkundlichen Beweises des Ausgangs)ahres nicht stattfinden. Jetzt ist es aber gelungen, diese Beweislücke zu schließen: Erzbischof Bruno hat den Herrenhof Badorf der Abtei St. Pantaleon nicht schon bei deren Stiftung, sondern erst ein Jahr später, kraft Testaments, geschenkt! IV. Erzbischof Bruno, der jüngste Bruder des Kaisers Otto des Großen, war einer der bedeutendsten Kirchenfürsten seiner Zeit und wurde oft auch mit diplomatischen Missionen betraut. Mehrmals reiste er nach Frankreich, um dort Zwistigkeiten im Königshause zu schlichten. Auf einer solchen Reise erkrankte er in Reims und starb dort nach mehrtägigem Krankenlager am 11. Oktober 965. Seinem Wunsch entspre­ chend wurde sein Leichnam nach Köln überführt und in der Kirche der Abtei St. Pantaleon beigesetzt. Einige Tage vor seinem Tode machte Bruno in Reims vor einem Notar und zwei Zeugen ein ausführliches Testament7. Die Urschrift dieses Testaments ist verschollen. Überliefert sind aber drei glaubwürdige Abschriften, von denen zwei in der Königl. Bibliothek in Brüssel liegen und eine in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel aufbewahrt wird8. Im Druck herausgegeben wurde der Text im Jahre 1841 durch G. H. Pertz, und zwar nach der Wolfenbütteler Handschrift9. In dieser Handschrift las Pertz „hauingan“; dabei vermerkte er nur in einer Fußnote, daß in den Brüsseler Handschriften „bauingan“ steht. So wurde „havingan“ gedruckt, und auf diese Lesart stützten sich alle späteren Veröffentlichungen. In diesem seinem Testament vermachte Bruno der Abtei St. Pantaleon zu Köln: „. . .villas, quas ecclesie nostre adquisivi, Langalon iuxta Renum, Uerebetti, Heingelon, Lidron, Uishem, quam Mosa alluit, domum quoque sobrini nostri, Metensis episcopi, et villam Bauingan, insuper quicquid de rebus nostre ecclesie tenet. . .“ (folgende) „Herrenhöfe, die ich für unsere Kirche erworben habe: Langalon am Rhein, Werebetti, Heingelon, Lidron, Wishem, das die Maas bespült, auch das Haus unseres Vetters, des Bischofs von Metz, und den Hof Bavingan; außerdem alle Güter unserer Kirche, die er (der Abt von St. Pantaleon) schon in Besitz hat. . .“ In mühsamer Kleinarbeit haben die Historiker festgestellt, daß Langalon das 28

Abb. 1 Testament Erzbischof Brunos. Ausschnitt aus der Handschrift Cod. Guelf. 76 der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Der Pfeil deutet auf das Wort „bauingan“. 29

heutige (Köln-)Langel ist, Werebetti Werbede bei Emmerich, Heingelon Hengelo im Gelderland, Lidron der Hof Lüttringen bei Rees und Wishem Wessem bei Roermond. Mit dem Haus des Bischofs von Metz ist wohl das Haus in Köln gemeint, das dieser als Kölner Domherr erhalten hatte. Ungewiß war aber bisher, wo der Hof „Bavingan“ lag, weil man nach einem „Havingan“ suchte. Auf den Pertz’schen Text vertrauend, schrieb B. Hilliger in seinem Buch „Die Urbare von St. Pantaleon“10: „Der Grundstock dieser Besitzungen (an der Ahr) stammt augenscheinlich aus der Schenkung Bruns, denn der Hof Havingan, den er dem Kloster 965 vermachte, ist unzweifelhaft (!) auf Heppingen (an der Ahr) zu deuten.“ Und auf Hilliger vertrauend, hat man im Jahre 1965 „1000 Jahre Heppingen“ gefeiert11. Ein Blick auf die Pertz’sche Vorlage zeigt aber, daß dieses Vertrauen nicht berechtigt ist. Ein Faksimile der betreffenden Stelle ist hier als Abb. 1 wiedergegeben12. Darin handelt es sich um das letzte Wort der elften Zeile. Vergleicht man den Anfangsbuch­ staben dieses Worts mit dem Buchstaben „b“ in dem Wort „vuerebetti“ und dem Buchstaben „h“ in dem Wort „heingelon“ in der Zeile darüber, so erkennt man, daß der Schreiber hier zunächst „h“ geschrieben, dann aber dieses „h“ durch Zufügung eines kleinen Strichs unten geschlossen und zu einem „b“ berichtigt hat. So kann sich jedermann anhand dieses Faksimiles davon überzeugen, daß auch in der Wolfenbütteler Handschrift - ebenbso wie in den Brüsseler Handschriften - nicht „hauingan“, sondern „bauingan“ steht. V. Dieser graphische Befund - nicht Havingan/Heppingen, sondern Bavingan/Badorf war gemeint —wird auch durch alle überlieferten historischen Fakten bestätigt: Gegen Heppingen spricht, daß dort Besitzungen der Abtei St. Pantaleon erstmals im Jahre 1371 erwähnt werden13. Im 17. und 18. Jh. hingen zwar von dem Pantaleons­ hof in Heppingen zahlreiche kleine Lehen ab14; nichts deutet aber darauf hin, daß das Gebiet dieses Hofs —wie das Gebiet des Badorfer Pantaleonshofs - rechtlich eine Immunität war. Auch ist es schwer, von „Havingan“ über „Eppinckhoven super Aram“ (1371) zu „Heppingen“ eine etymologische Brücke zu schlagen. Für Bavingan/Badorf spricht vor allem, daß Badorf einer der zwölf „Tafelhöfe“15 der Abtei St. Pantaleon war, also schon zur Erstausstattung der Abtei gehört haben muß. Jeder Tafelhof war im hohen Mittelalter eine Grundherrschaft, und als solche wird Badorf schon im Jahre 1124 erwähnt. Etymologisch sind die Wörter „Bavingan“ und „Baventhorp“ (1124) gleichwertig; „Baventhorp“ ist die von einem Bavo gegrün­ dete Siedlung, „Bavingan" ist die Siedlung, in der dessen Sippe - die „Bavinge“ wohnt.

1 Zur Geschichte von Badorf bis zum Jahre 1323 vgl. F. Wündisch in BHB 1965, S. 8 ff. 2 Vgl. dazu F. Wündisch, Zur Entstehung der mit dem Grundwort „. . .dorf“ gebildeten Ortsnamen, RhVjbll 1964, S. 337. 3 1109 - EHAK Pfarrei St. Severin Urk. 78.

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1124 - HAK St. Pantaleon Urk. 9a. HAK Geistl. Abt. Nr. 206. REK I. 454. Deutsche Übersetzung in BHB 1964, S. 41. Vgl. dazu H. Schroers, Annalen Bd. 91, S. 109 ff. Codices bibl. regiae Bruxellensis N . 7459 und N. 7460 sowie in Wolfenbüttel Cod. Guelf. 76. Monumenta Germanica HistoricaTom. XIV, Hannover 1841. B. Hilliger, Die Urbare von St. Pantaleon, Bonn 1902, S. XLIII. W. Knippler. 1000 Jahre Heppingen (o. O. und o. J.), herausgegeben vom Arbeitskreis Tausendjahrfeier Hep­ pingen. Für den Hinweis auf dieses Faksimilie sei auch hier Herrn Jürgen Huck, Stadtarchivar in Neuss, herzlicher Dank gesagt. Ebenso dem Historischen Archiv der Stadt Köln, Außenstelle Porz, für die Überlassung des Klischees. Hilliger a. a. O., S. 247. Knippler, a. a. O., passim. Jeder Tafelhof mußte einen Monat lang die für die „Tafel“ seines Grundherrn benötigten Lebensmittel liefern. Nach Hilliger a. a. O., S. 119, waren Tafelhöfe der Abtei St. Pantaleon: Für Januar Hengelo, für Februar Langel, für März Sülz, für April Badorf, für Mai Königsdorf, für Juni Süchteln, für Juli Embt, für August Rolshoven bei Deutz, für September Bith/Maas, für Oktober Wisheim/Maas, für November Lüttringen, für Dezember Bracht bei Kaldenkirchen.

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Z u r G eschichte der P alm ersdorfer M o tte i. W. Hansmann und G. Knopp haben in ihrem Dokumentarwerk über die Stadt Brühl1 erstmals auf die Reste eines der ältesten Kulturdenkmäler im Brühler Raum, der frühmittelalterlichen Burganlage - „Motte“ - beim Palmersdorfer Hof, aufmerksam gemacht und deren heutigen Zustand beschrieben. Damit haben sie die Frage aufge­ worfen, ob es irgendwelche Archivalien gibt, die etwas über diese Burganlage aussagen. Die Beantwortung dieser Frage erfordert vorweg einen kurzen Rückblick auf die Geschichte des Hofs Palmersdorf2: Die heutige Bergerstraße folgt dem Lauf eines Karrenwegs, der schon in römischer Zeit von Köln über Meschenich zum Vorgebirge führte, das Brühler Sumpfland an dessen Ostrand umgehend3. Den Palmersdorfer Bach, der vorzeiten sehr viel wasserreicher war als heute, überquerte dieser Karren­ weg auf einer Furt. An dieser Furt entstand nach der fränkischen Landnahme - als Rodung auf Königsland4 - ein Hof, der später - erstmals im 10. Jh. belegt - als Haupthof einer großen Grundherrschaft dem St. Cäcilienstift zu Köln gehörte. Unmittelbar neben diesem Haupthof, dem späteren „Cäcilianerhof“, und von diesem lehnsrührig lag ein Hof, den die Hofesvögte des St. Cäcilienstifts besaßen. Der erste mit Namen bekannte Vogt von Palmersdorf war 1269 Gerhard v. Zudendorp. Später erscheinen 1333 Gobelin v. Dorslar und ab 1384 Goddert Unbescheiden. Alle waren Ritter. Goddert Unbescheidens Enkel Dietrich verkaufte den Hof 1452 an Eberhard v. Zweiffel5, und am 11. August 1680 verkauften Maria Margaretha Bawyr v. Franken­ berg, Witwe des Henrich Bertram v. Zweiffel - des Urururenkels Eberhards -, und ihr Sohn Philipp Wilhelm v. Zweiffel ihren Adligen Sitz Palmersdorf an Kurfürst Maximilian Heinrich6. II. Anläßlich dieses Verkaufs wurde eine ausführliche „Specification“ des Vertragsgegen­ stands erstellt7. In dieser Specification wird zunächst das „hauß Palmstorff“ beschrie­ ben, also der damalige Zweiffelshof. Dann heißt es: „Zweytens ist noch ein platz, so bongardt und weyeren, alwohe vorzeiten ein hauß gestanden, die Alte Burg genandt, wie dan solches in seinem bezirck gelegen ist“. Dieser „platz“ wird auch in dem ältesten - wohl bald nach 1452 aufgezeichneten - Weistum des Hofs Palmersdorf8 erwähnt, und zwar als der „aide hoef Unbescheidens“, an dem ein wichtiger Grenz­ stein stand oder stehen sollte. Ein noch früherer Beleg ist eine Urkunde von 14049, in der 10 Morgen erwähnt werden, gelegen „an die graven, die umb den berch (!) zo Palmerstorp gient“. 32

Abb.2 Die beiden Palmersdorfer Höfe, 1771. Ausschnitt aus dem Plan HAK St. Kunibert Akten 13. Rechts die Motte. (Foto: Rheinisches Bildarchiv) 33

So dürftig diese Aussagen auch sind, so stellen sie doch folgendes klar: Der Weiher mit der Insel ist eine künstliche Anlage; man hat neben dem Bach Gräben ausgehoben und mit dem Aushub einen „berch“ angeschüttet. Diese Insel hat man nicht ange­ schüttet, um darauf für den Zweiffelshof einen mäusesicheren Kornspeicher zu bauen; das Bauwerk, das auf der Insel stand, war der Vorläufer des Zweiffelshofs und war kein gewöhnlicher Bauernhof, sondern ein „hauß“, das man als „Burg“ bezeichnete. Hiernach entspricht die Palmersdorfer Anlage so genau der von Müller-Wille angegebenen Definition einer „Motte“10, daß die Frage, wie sie vorzeiten aussah, durch Analogieschluß nach anderen, durch Ausgrabung gut bekannten Motten beant­ wortet werden kann: Auf der Insel stand - als Dienstsitz des Vogts von Palmersdorf - ein Wohnturm, der ursprünglich sicher ein Holzbau war und später vielleicht durch einen Steinbau ersetzt wurde. Die dazu gehörigen landwirtschaftlichen Gebäude Lehmfachwerk, strohgedeckt und mit einem besonderen Graben umgeben - lagen jenseits des Burggrabens; durch jahrhundertelange Bodenbearbeitung sind ihre Spuren vermutlich völlig getilgt worden. Wann die Motte Palmersdorf angelegt und wann sie - nach Erbauung des späteren Zweiffelshofs - verlassen wurde, ist ungewiß. Vermutlich würde auch eine Ausgra­ bung diese Wissenslücke nicht befriedigend schließen. Und die Anlage ist so „normal“, daß Grabungen wohl kaum grundsätzlich neue Erkenntnisse für die „Motten“-Forschung bringen würde. Deshalb ist es besser, die ganze Anlage in ihrem heutigen Zustand als - hoffentlich streng geschütztes! - stimmungsvolles Natur- und Kulturdenkmal zu belassen.

1 Die Bau- und Kunstdenkmäler des Erftkreises, Stadt Brühl, Berlin 1977, S. 154 u. Abb. 696. In der Schrift von M. Müller-Wille, Mittelalterliche Burghügel („Motten“) im nördl. Rheinland, Köln 1966, wird die Palmersdorfer Motte nicht erwähnt. 2 Ausführlicher, aber z. T. überholt: F. Wündisch in BHB 2/1967, S. 14. 3 Vgl. Kap. 5,1. 4 F. Wündisch, Zur Entstehung der mit dem Grundwort ,,-dorf“ gebildeten Ortsnamen, RhVjbll. 1964, S. 340. 5 HStAD Archiv v. Zweiffel Urk. 10. 6 HStAD Archiv v. Zweiffel Urk. 75a. 7 HStAD Kurköln IV. 1619. 8 H. Aubin, Die Weistümer der Rheinprovinz, II. 2 Amt Brühl, S. 42. 9 HAK St. Cäcilien Urk. 2 166. 10 A. a. O., S. 6: . .besteht das Hauptmerkmal einer Motte in einem meistenteils künstlich aufgeschütteten, grabenumzogenen Hügel, auf dessen meist engräumigem Plateau hölzerne oder steinerne Wehr- und Wohnbau­ ten errichtet sind; häufig schließt sich dem Hauptburghügel noch eine ebenerdige oder leicht erhöhte Vorburg an.“

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Abb. 3 Die Motte Palmersdorf im Jahre 1975 Im Hintergrund der Palmersdorfer Hof (Foto: Rheinisches Amt für Denkmalpflege) 35

U ralte B rü h ler S tra ß en - u n d F lu rn a m en

I. Die Bergerstraße Die „Bergerstraße“ im heutigen Brühl-Ost ist älter als die Stadt Brühl. Ihr Name ist ihr nicht irgendwann einmal durch Ratsbeschluß beigelegt worden, sondern schon zu einer Zeit entstanden, als der Volksmund ortsverbindende Straßen nach ihren Zielor­ ten benannte; so wie beispielsweise die Wegeverbindung zwischen Köln und Brühl von altersher in Köln „Brühler Straße“ und in Brühl „Kölnstraße“ genannt wurde. Die Bezeichnung „Berger Straße“ läßt erkennen, daß dieser Weg1 ursprünglich nach Walberberg führte, und zwar schon zu einer Zeit, als dieser Ort noch einfach „Berg“ (Siedlung am Berg, am Vorgebirge) hieß, also bevor dorthin —um das Jahr 1070 - Reliquien der hl. Walburgis übertragen wurden. Zu jener Zeit war aber das Gelände des heutigen Brühl-Ost noch unbesiedelt, wahrscheinlich sogar noch Wald­ land im Urzustand. Der ursprüngliche nördliche Ausgangspunkt dieser Straße ist also anderswo zu suchen; er kann nur Köln gewesen sein. Tatsächlich folgt die heutige Bergerstraße in Brühl der Trasse eines alten Karrenwegs, der Köln mit dem Vorgebirge verband, und Indizien machen wahrscheinlich, daß dieser Weg schon in römischer, vielleicht sogar schon in vorrömischer Zeit angelegt wurde. Ein wichtiges Indiz dafür ist die Trassenführung dieses Wegs. Sie ist nur sinnvoll, wenn die Verbindung zwischen Köln und dem Vorgebirge nicht - wie bei der heutigen B 51 - geradlinig hergestellt werden konnte, weil ein Hindernis umgangen werden mußte2. Dieses Hindernis bestand offenbar darin, daß das Gelände der heutigen Stadt Brühl zur Römerzeit und noch bis ins 10. Jh. ein unwegsamer Sumpf war. Deshalb mußte jener Karrenweg in Meschenich („Masciniacum“, Landgut eines gewissen Mascinius) von der Trasse der heutigen B 51 abweichen. Er umging das Brühler Sumpfgelände an dessen Ostrand, überquerte den damals sehr viel wasserreicheren Palmersdorfer Bach bei dem heutigen Palmersdorfer Hof auf einer Furt und führte dann über das heutige Schwadorf2a zu dem römischen Vicinalweg, der im Zuge der heutigen L 183 die römische Wasserleitung am Fuße des Vorgebirges begleitete. II. Die Spickstraße Von dem „Berger“ Karrenweg zweigte vorzeiten in Meschenich ein anderer Karren­ weg ab, der über Vochem nach Liblar führte. Zwischen Meschenich und Vochem ist dieser uralte Weg - in neuerer Zeit ausgebaut und begradigt —heute noch zu erkennen; zwischen Vochem und Liblar hat der Abbau der Braunkohle alle Spuren getilgt. Auf alten Karten, insbesondere auf der Ur-Katasterkarte, kann man aber noch gut 36

sehen, wo und wie jener Karrenweg die Höhe des Villerückens überquerte. Auf allen diesen Karten ist diese Strecke als „Spickstraße“ eingezeichnet, und diese Bezeich­ nung ist sehr aufschlußreich: „Spicke“ oder „Specke“3 nannten die alten Germanen die Knüppeldämme, mit denen sie sumpfiges Gelände überbrückten4. So zeigt das Wort „Spickstraße“, daß der Villerücken hier vorzeiten von Hochmooren bedeckt war, weil die mächtigen Tonbänke, die das Braunkohlenflöz überlagerten, permanente Staunässe verursachten. Erst seit Ausgang des Mittelalters hatte der Rhein ein so starkes Gefälle erhalten5, daß er als Dränage wirken und diese Moore - ebenso wie das Brühler Sumpfland - entwässern konnte. Seit dem 16. Jh. war dann die Trockenle­ gung des Villerückens so weit fortgeschritten, daß in den Archivalien nur noch einige Resttümpel als „Maare“ erwähnt werden6, und auch diese waren schon verlandet, als hier die ersten Braunkohlentagebaue erschlossen wurden. Heute erinnert nur noch das Wort „Spickstraße“ daran, daß es auf dem Villerücken vorzeiten ähnlich aussah wie heute noch auf dem Hohen Venn. Die Spickstraße war —was ebenfalls ein Zeichen für ihr hohes Alter ist - die „Schweidgrenze“ (Grenze der Weidebezirke) der schon in der Merowingerzeit ange­ legten Fronhöfe Merreche (Kierberg) und Vochem. Als solche wird sie in allen Schweidgangs-Protokollen7 erwähnt. Diesseits (südöstlich) der Spickstraße lag die Brühler Schweid; jenseits der Straße durften die Vochemer ihr Vieh bis zur Liblarer Schweidgrenze treiben. Und weil diese Schweidgrenzen zu Anfang des vorigen Jahrhundertes als Gemarkungsgrenzen ins Kataster übernommen wurden, reicht die Gemarkung Vochem, mit einem Zipfel die Gemarkung Kierberg/Heide umfassend, wie zur Merowingerzeit bis nach Liblar. Die heutige B 265 folgt von der Einmündung der Theodor-Heuss-Straße ab unge­ fähr der Trasse der vormaligen Spickstraße. Nordwestlich der B 265, etwa zwischen dem Bleibtreusee und dem Weg, der zur Mülldeponie führt, lag der vorerwähnte Zipfel. Nach Nordwesten war er durch die alte Luxemburger Straße8 begrenzt, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg abgebaut wurde. Seit 30 Jahren ist dieses Gelände - der frühere Tagebau „Bleibtreu“ - wieder urbar gemacht. Wer heute über dieses Stück der B 265 fährt, kann sich nur schwer vorstellen, daß hier das Geländeniveau noch vor 50 Jahren um 70 m höher lag als heute. III. Die Vochemer Gewehr Im Jahre 1067 schenkte Erzbischof Anno II. die Grundherrschaft Vochem mit allen Gerechtsamen außer dem Zehntrecht dem Stift St. Georg zu Köln9. Sie war wie alle Grundherrschaften jener Zeit in der Weise strukturiert, daß ein Teil des Ackerlandes, das „Salland“, unmittelbar vom Herrenhof aus durch Fronarbeiter bewirtschaftet wurde, während der größte Teil des Landes in „Hufen“ aufgeteilt, an die Hintersassen „zu Hofeslehn ausgetan“ war. In gleicher Weise behielt das Stift St. Georg einen Teil der zum Hof gehörenden Waldungen10 in Eigenbesitz und gab den einzelnen Hufen jeweils so viel Wald bei, daß jeder Hufner genug Bau- und Brennholz für seinen Eigenbedarf hatte. 37

Eigenbesitz nannte man in der mittelalterlichen Rechtssprache „gewere“; der Volks­ mund machte daraus „Gewehr“. Diese Bedeutung des Wortes „Gewehr“ ist aber schon seit Jahrhunderten in Vergessenheit geraten. Die heutzutage übliche Bedeutung dieses Wortes - „Schießgewehr“ - hat damit nicht das geringste zu tun, da sie aus einer ganz anderen Sprachwurzel stammt. So nannte man vor tausend Jahren den Wald, den der Grundherr von Vochem nicht verlehnt, sondern in Eigenbesitz behalten hatte, „die Vochemer Gewehr“. Wie noch die Urkatasterkarte zeigt, lag die so bezeichnete Flur in dem vorerwähnten nach Liblar reichenden Zipfel der Vochemer Schweid. Diese Lage erklärt die Benennung der Flur11: Offensichtlich hatte der erste Grundherr von Vochem den einzelnen Hufen Büsche zugeteilt, die möglichst nahe bei den einzelnen Hofstellen lagen, in seiner „gewere“ aber diejenigen Büsche behalten, die am weitesten von Vochem entfernt waren. Die Nutzung dieser Büsche stand seit dem Jahre 1067 dem Stift St. Georg als solchem zu. Im Jahre 1231 wurde aber dann das Stiftsvermögen zwischen dem Stiftspropst und dem Kapitel aufgeteilt12. Dabei erhielt das Stiftskapitel in Vochem den Fronhof samt allen Hofeslehen, während der Propst 60 Morgen Busch - eben die „gewere“ —erhielt. Fortan wurden diese 60 Morgen Busch „des Herrn Pröpsten Gewehr“ genannt13. Zu Beginn des 17. Jh. fiel dieser Busch wieder an das Stift St. Georg zurück14. Das Stift hatte aber nur geringen Nutzen davon; Viehverbiß und Holzdiebstähle verur­ sachten große Schäden. Deshalb erbat und erhielt das Stift, um die Erträge dieses Geländes zu steigern, im Jahre 1774 die Genehmigung des Erzbischofs, daß es „den busch zu Vochem, die Gewehr genannt, außrotten undt umackeren“ dürfe15. In der Folgezeit wurde dieses neugerodete Ackerland, in Dutzende von Parzellen zerstükkelt, an landhungrige Tagelöhner aus Vochem und Fischenich verpachtet. Nach der Säkularisierung des Stifts St. Georg ersteigerte die Lütticher Immobilien­ firma Minette & Defay das ganze Gelände unter der Bezeichnung „Land am Spickenbusch“ am 25. Juni 1806 für 11 300,-Fr.16. Die bisherigen Pachtverträge wurden anscheinend zunächst verlängert. Die weiteren Schicksale dieses Geländes sind nicht berichtenswert. Erwähnt sei hier nur, daß es 1809 in einer Notariatsurkunde als „die Gorresgewehr bei Vochem“ und 1822 bei Anlegung des Katasters als Flurstück K a Nr. 207, „die Gewehr“, bezeichnet wurde. IV. Die Brühler und die Pingsdorfer Gewehr So wie der Fronhof Vochem des Stifts St. Georg seine Gewehr hatte, so hatten auch die uralten erzbischöflichen Fronhöfe Merreche und Pingsdorf ihre Gewehren. Sie werden als „myns gnedigen hern van Colne gewer“ archivalisch oft erwähnt. Ihre vormalige Lage ist heute noch aus den Katasterkarten zu ersehen: Die Mercher Gewehr, die später „Brühler Gewehr“ genannt wurde, lag westlich der Gabjei in der Flur V; die „Pingsdorfer Gewehr“ lag südlich der Bohle in der Flur O. Bei der Säkularisation des kurfürstlichen Grundbesitzes wurden diese Waldstücke 38

nicht versteigert, sondern blieben wie fast alle Waldungen Staatseigentum. Im Zuge des Abbaus der Braunkohle sind beide Gewehren abgeholzt worden. In dem heute zum „Naturpark Kottenforst-Ville“ wiederaufgeforsteten Gelände sind ihre früheren Begrenzungen nicht mehr zu erkennen. Von der Pingsdorfer Gewehr ist noch erwähnenswert: In diesem Waldstück ent­ sprang vorzeiten eine Quelle - der „Wehrpütz“ die eine oft erwähnte Landmarke war17. Auch der Bach, der aus dieser Quelle rheinwärts floß - der „Wehrbach“ -, wird archivalisch oft erwähnt. Durch den Abbau der Braunkohle ist der Wehrpütz versiegt, und an den alten Bach erinnert heute nur noch der Straßenname „Wehrbachsweg“. V. In den Jüchen In die Zeit der früh- und hochmittelalterlichen Grundherrschaften weist auch noch ein anderer Flurname zurück: „In den Jüchen“. Wie schon oben zu III. erwähnt, mußten in jener Zeit die Hintersassen eines Fronhofs dessen Salland als Fronarbeiter unentgeltlich bewirtschaften. Die Aufsicht über diese Fronarbeiten führte jeweils ein in Diensten des Grundherrn stehender „Baumeister“, der den Fronpflichtigen angab, welche Äcker des Sallands sie anbauen mußten. Bezüglich des erzbischöflichen Fronhofs Brühl wissen wir aus dem unten erwähnten Register, daß für diese Ackerarbeiten jeder Hufner zwei „Joche“ (Gespanne) zu stellen hatte. Dementsprechend war das Salland in „Joche“ unterteilt; mit dem Wort Joch bezeichnete man „soviel Land man mit einem Joch Ochsen an einem Tag zu pflügen vermag“18. Seit Beginn der Hohenstaufenzeit zerfielen die grundherrschaftlichen Strukturen, und seit Aufkommen der Geldwirtschaft trat an die Stelle der Pflicht der Hufner, das Salland des Herrenhofs in Fronarbeit anzubauen, allmählich die auf dem Land der einzelnen Hufen lastende Verpflichtung, bestimmte Geldbeträge an den Baumeister zu zahlen. Damit wurden die Baumeister, die ursprünglich eine Art Gutsverwalter gewesen waren, zu bloßen Rentmeistern19. Dank einem glücklichen Zufall ist ein um das Jahr 1425 geschriebenes Einkünftere­ gister der kurfürst-erzbischöflichen Baumeisterei Brühl erhalten gebheben20. Offen­ sichtlich beruht es auf sehr viel älteren Aufzeichnungen, denn es werden darin noch „Pingsdorfer“ und „Mercher“ Hufen unterschieden, obwohl die Fronhöfe Pingsdorf und Merreche schon um das Jahr 1185 zu dem Fronhof Brühl zuzsammengefaßt worden waren. Deshalb ist hier auch noch aufgezeichnet, wer Joche —„juyche“ - zu leisten hatte, obwohl diese ursprüngliche Fronarbeitspflicht schon längst zu einer Geldzahlungspflicht geworden war. Insgesamt werden in diesem Register 61%4 Joche aufgezählt; diese krumme Zahl läßt erkennen, daß im Lauf der Jahrhunderte einige Joche durch Zersplitterung der dienstpflichtigen Hufen in Vergessenheit geraten waren. Nach dieser Pflicht der Hintersassen des Fronhofs Brühl, dessen Salland jochweise zu bearbeiten, hat der Volksmund dieses Gelände „die Jüchen“ genannt. Wo dieses Gelände lag, zeigen viele Erwähnungen: 1705 „in der Jeuchen tzwischen den beyden Strassen, deren eine under Pingsdorff, die andre under der Gabgeyen tzu 39

gehet“, 1697 „in den Jüggen ahm Kettenkreuz“ (dem Kreuz, das vorzeiten an dem heutigen „Brühler Stern“ stand), 1671 „in der Jeuchen vor der Uhlpforte unweit der Donnerbach“, 1628 „in den Jüchen im Uhlfeld“ usw. Die letzterwähnte Lagebezeichnung reizt zu einer Vermutung: Wenn das Wort „Uhlfeld“ nicht nur eine Allgemeinbezeichnung für das gesamte vor dem Uhltor liegende Gelände war - so wie man das vor dem Kölntor liegende Land „Kölnfeld“ nannte - dann könnte mit dem Wort „Uhlfeld“ das Gelände bezeichnet worden sein, aus dem im ausgehenden Mittelalter die Brühler „Ulner“ (Töpfer)21 den Ton heraus­ holten, den sie in ihren in der „Uhlstraße“ gelegenen Töpfereien verarbeiteten. Wieweit diese Vermutung begründbar ist, kann aber hier nicht untersucht werden. Die Geschichte der Brühler - nicht der Pingsdorfer oder Badorfer - Töpferei ist noch völlig unerforscht. Kein Brühler hat sich bisher für dieses wichtige Kapitel seiner Stadtgeschichte interessiert.213 VI. Der Fredebroich In Abschnitt II dieses Kapitels wurde erwähnt, daß das Hochmoor, das vorzeiten den Villerücken bedeckte, schon im 16. Jh. bis auf einige Resttümpel ausgetrocknet war. Einer dieser Tümpel war der „Fredebroich“. Es lag auf dem östlichen Ausläufer des Villerückens, auf dem heute der Ort Brühl-Kierberg steht, nördlich der heutigen Kirche. Die Bezeichnung dieses Broichs (= Sumpfs) weist in die Zeiten zurück, in denen nahe bei ihm der uralte erzbischöfliche Fronhof Merreche stand. Sie besagt, daß dieser Broich als Sondergut der Vögte von Merreche unter deren „Bann und Frieden“ stand, also nicht wie das sonstige Gelände der Grundherrschaft Merreche - die „Schweid“ - von deren Hintersassen als Viehweide oder sonstwie genutzt werden durfte. Vielleicht war die Aussonderung dieses Broichs aus der Schweid durch eine „Einfriedung“ allen sichtbar gemacht worden; das brauchte kein fester Zaun gewesen sein, eine symbolische Schnur hätte nach damaligem Rechtsbrauch genügt. Eine solche sichtbare Einfriedung war aber nicht notwendig; wenn die Merrecher Hinter­ sassen, die ja alle Bescheid wußten, durch Beweidung dieses Broichs den von ihrem Fronvogt darüber gebotenen Bann und Frieden gebrochen hätten, wären sie hart bestraft worden. Die Vogtei des Fronhofs Merreche war seit spätestens dem 12. Jh. ein Erblehen der Ritterfamilie, die sich später nach einem anderen Lehen, dem Domkapitelshof in Hersei, „von Hersei“ nannte. Als Erzbischof Philipp v. Heinsberg um das Jahr 1185 den Fronhof Merreche nach Brühl verlegte, wurde auch diese Familie umgesiedelt22 und erhielt als Lehen des neuen Fronhofs Brühl dort einen großen Hof23. Ihre Rechte am Fredebroich blieben aber bestehen. Noch in einer Urkunde aus dem Jahre 1556 wird „die Herselsbroich, die man nent Fredebroich“ erwähnt24. In der Folgezeit geriet das Wort „Herselsbroich“ in Vergessenheit, und das Wort „Fredebroich“ verkümmerte zu einem bloßen Flurnamen. In den 1730er Jahren ist nämlich der Fredebroich dadurch völlig trockengelegt worden, daß er samt einigen 40

benachbarten Quellen als Ausgangspunkt der großen Wasserleitung benutzt wurde, die die Springbrunnen im Park der Schlösser Augustusburg und Falkenlust speiste. Wo dieser Broich lag, ist dadurch zweifelsfei bestimmt, daß der Flurname „Am Friedebruch“ in die 1821 gezeichnete Ur-Katasterkarte eingetragen wurde. Noch heute erinnert ein Straßenname an jenen seit einem Vierteljahrtausend verschwunde­ nen Sumpf. VII. Die Bischofsmaar Zufolge der Trockenlegung des Fredebroichs verschwand auch ein kleiner Bach, der diesen Sumpf vordem rheinwärts entwässerte. In den Archivalien des Klosters Benden wird dieser Bach mehrmals als „die Middelbach“ erwähnt. Offenbar war er deshalb so benannt worden, weil er in der Mitte zwischen der Brühler (vormals Merrecher) und der Vochemer Schweid floß und sein Lauf deren Grenze bildete. In der oben erwähnten Urkunde von 1556 heißt er „die Myddelbach, die loufft in des Bischofs marr“. Diese „Bischofsmaar“ lag am Fuß des Villerückens unmittelbar an der „Alten Straße“, die heute Römerstraße heißt. Das zeigt eine Skizze, die etwa im Jahre 1690 bei einer Aufmessung des kurfürstlichen Ackerlands gezeichnet wurde25. In solcher Lage konnte die Bischofsmaar weder ein Resttümpel des Villehochmoors noch ein Überrest des Brühler Sumpflands gewesen sein, denn die Alte Straße - von den Römern als Wirtschaftsweg beim Bau der Eifelwasserleitung nach Köln angelegt führte über Gelände, das schon in ältester Zeit immer trocken war. Warum in diesem Gelände eine kleine Maar26 entstand, zeigt eine beiläufige Bemer­ kung des Kölner Barockhistorikers Aegidius Gelenius. In seinem großen Buch zum Ruhme des Heiligen Köln beschrieb er in einigen Sätzen den Verlauf des Römerkanals vom Schleifkotten bei Efferen bis nach Marmagen. Dabei erwähnte er auch die Vochemer Burg und die Brühler Lohmühle, und zwischen diesen beiden Erwähnun­ gen steht der Satz: „In der Bischofsmaar kann man bei niedrigem Wasserstand noch die Trümmer des Kanals sehen.“27 Aus dieser Bemerkung läßt sich schließen, daß die Mittelbach hier auf das Mauer­ werk des Römerkanals aufgetroffen war und dieses so freigepült hatte, daß es als Staumauer wirkte. Hiernach war die Bischofsmaar ursprünglich nichts anderes als ein kleiner zufällig entstandener Stausee. Dabei ergibt sich die Frage, warum nicht auch die vielen anderen Bäche, die vorzeiten vom Vorgebirge herabflossen, bei Überque­ rung des Römerkanals derartige kleine Stauseen erzeugt haben. Vielleicht waren die Trümmer, die Gelenius in der Bischofsmaar sah, Reste eines größeren Bauwerks, etwa eines Schlammfangs. Und es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß zur Römerzeit, als die Mittelbach noch aus dem Villehochmoor gespeist wurde und deshalb viel Wasser führte, hier eine Brunnenstube stand, in der die Mittelbach in den großen Kanal eingeführt wurde. Welche dieser Vermutungen richtig ist, kann nur durch Grabung entschieden werden. Im Lauf der Jahrhunderte ist so viel Erde vom Villehang herab­ gespült worden, daß der Römerkanal heute einige Meter unter dem Niveau der Römerstraße liegt. 41

Das Wort „Bischofsmaar“ besagt, daß diese Maar - als Einsprengsel in 60 Morgen Ackerland —den Kurfürsten gehörte28; fast alle Maare im Brühler Raum waren vorzeiten Privateigentum und wurden nach ihren Eigentümern benannt. Letztmals wird die Bischofsmaar in dem Protokoll über den Feldschweidgang vom 4. Dezember 1772 erwähnt29. Vermutlich war sie zu dieser Zeit schon längst verlandet. Weil aber alle Schweidgänge Zeremonialakte waren, bei denen man die Schweidgrenzen ganz genau so abging, wie sie in führeren Protokollen beschrieben waren, hielt man sich - um „das gute alte Recht“ zu wahren - auch dann buchstäblich genau an die alten Protokolle, wenn sich die Landschaft seither verändert hatte30. VIII. Die Bohle Wer den Flurnamen „Bohle“ erstmals liest, meint wahrscheinlich, daß dieses Wort irgend etwas mit Bretterbohlen zu tun habe, und vermutet, daß diese Flur vorzeiten nach einen Bohlenweg benannt worden ist. Blättert man aber im Buch der Geschichte mehr als ein halbes Jahrtausend zurück, so erkennt man, daß diese Deutung nicht richtig sein kann. Erstmals wird diese Flur in einer Urkunde vom 3. März 1325 erwähnt, laut deren das Kloster Benden dem Ritter Cono v. Fischenich u. a. drei Viertel Land „apud (bei) Bodelin“ verkaufte31. 1374 wurden einige Morgen Land „geleigen in der Bodelen“ erwähnt. In den folgenden Jahrhunderten findet man die Lagebezeich­ nung „in der Boydelen“, „ahn der Boedelen“, „oben der Bothelen“ und ähnlich. Ein kleiner Hof, der dort lag, heißt 1591 „das erffgen, genant die Bodell“32. Die Schreibweise „auff der Bohl“ (ohne d) erscheint erstmals in dem Kommunikanten­ verzeichnis von 174733. Was heißt nun aber „Bodelen“? - Einen Weg zur Beantwortung dieser Frage findet man in einem Register des Fronhofs Vochem vom Jahre 135734, in dem es heißt: „ind de boide sal hulden ind syne eyt dem capittel vurß. doin, darumb sal hie haven de budellhoyve ende neit me“ (und der Fronbote soll huldigen und seinen Eid leisten dem vorerwähnten Kapitel [des Stifts St. Georg, das Grundherr des Fronhofs Vochem war], und dafür soll er haben die Büttelhufe und sonst nichts). Was besagt dieser Vermerk? - Bei jedem Fronhof gab es zwei Amtsträger des Grundherren: den Fronvogt und den Büttel oder Boten. Als Besoldung erhielten diese Amtsträger Land zu Lehen; das Dienstlehen des Boten wurde „Büttelhufe“, „Botenteil“ oder ähnlich genannt. In Vochem hatte nun anscheinend der Bote für seine einzelnen Amtshandlungen - Ladungen, Vollstreckungen u. dgl. - besondere Vergütungen verlangt. Das wurde aber vom Kapitel des St.-Georg-Stifts abgelehnt, da seine Dienste durch die Belehnung mit der Büttelhufe35 abgegolten seien. Dieses Wort „budellhoyve“ ermöglicht nun, eine Brücke zu schlagen zu dem Flurnamen „Bodelen“. Der Ausdruck „in der bodelen“ kann die in nachlässiger Umgangssprache verkürzte Form einer Wendung sein, die vollständig „in der bodelen hoyve“ lautete: in der Büttel-Hufe. In späteren Jahrhunderten dann, als es keine Fronbüttel mehr gab und man nicht mehr wußte, was eine Hufe war, geriet der ursprüngliche Sinn des Worts Büttelhufe in Vergessenheit; das Wort verkümmerte zu 42

einem Flurnamen, der im Lauf der Zeit zu „Bodell“ und schließlich zu „Bohle“ zerredet wurde. Diese Gedankenkette, die von dem Wort „Büttelhufe“ zu dem Wort „Bohle“ führt, ist sprachlich schlüssig, ergibt aber für die Erklärung des Worts „Bohle“ wie alle rein sprachlichen Überlegungen nur einen Wahrscheinlichkeitswert; die Deutung kann richtig sein, schließt aber die Möglichkeit anderer Deutungen nicht aus. Hier gibt es nun aber ein Faktum, das die Wahrscheinlichkeit zur Gewißheit macht: Das Bohlengut - so nannte man „das erffgen, genant die Bodell“ im 18. Jh. - hatte bis zum Ende der Kurfürstenzeit steuerlich einen Sonderstatus: es wurde steuerlich so behandelt wie nur vormalige Dienstlehen behandelt wurden. Da die Flur „Bohle“ im Gebiet der vormaligen Grundherrschaft Pingsdorf liegt, kann das Bohlengut nur ein Pingsdorfer Dienstlehen gewesen sein. Diese Grundherr­ schaft ist zwar als solche schon um das Jahr 1185 erloschen, als die Fronhöfe Pingsdorf und Merreche zu dem Fronhof Brühl zusammengelegt wurden, und von ihr sind keinerlei Aufzeichnungen überliefert; selbstverständlich gab es aber auch dort einen Fronboten, der durch Belehnung mit einer Hufe besoldet war. Als Dienstlehn war diese Hufe abgabenfrei; anders als die Hufen der Hintersassen, deren Besitzer dem Grundherrn die üblichen Lehnsabgaben leisten mußten. Nach dem Zerfall des Lehnswesens gab es keine Dienstlehen mehr. Deren Abgaben­ freiheit wirkte aber in der Weise nach, daß die betreffenden Höfe - Vogtshöfe und Botenhöfe - steuerlich einen Sonderstatus erhielten. Die vormaligen Vogtshöfe, deren Lehnsträger in den Ritterstand aufgestiegen waren, wurden „Rittergüter“ ; ihre jewei­ ligen Besitzer erhielten Sitz und Stimme im Ritterkollegium des Landtags und entrich­ teten als Landessteuer nicht den allgemeinen „Simpel“, sondern - wegen der früheren Abgabenfreiheit ihres Hofs - nur den niedrigeren „Rittersimpel“. Auch die vormali­ gen Fronbotenhufen wurden steuerlich wie Rittergüter behandelt, weil sie früher abgabenfreie Dienstlehen gewesen waren. Ihre Besitzer waren zwar nicht zum Landtag qualifiziert, brauchten aber nur den Rittersimpel zu zahlen und rechneten diesen wie die Ritter nicht mit dem örtlichen Steuereinnehmer, sondern unmittelbar mit dem Landesgeneralsteuereinnehmer ab. So wird ein Bericht verständlich, den die Stadt Brühl am 25. April 1749 dem Kurfürsten erstattete36: „Die Bohl, ein ritterguth, hatt Derich Schäffer viele jahre in besitz gehabt, ist aber nachmals auff deßen erben verfallen und von jahr zu jahr versplißen worden, so daß nebst gemelten erben jetzo von verschiedenen anderen partheien possidirt wird. Es wird jedoch hierab das simpels quantum von demjenigen, welcher die mehriste fuhr darin hatt, jederzeith collectirt und zum General Einnehmerey Ambt eingeschickt.“ Wie dieser Bericht zeigt, war das Land der vormaligen Pingsdorfer Büttelhufe im Jahre 1749 durch Erbteilungen und Verkäufe in viele kleine Teile zersplittert, Alle Eigentümer dieser Splitter hatten aber das Privileg behalten, nur den Rittersimpel zahlen zu müssen. Dieses Privileg beweist, daß „die Bohle“ in grauer Vorzeit - vor dem Jahre 1185 - das Dienstlehen der Fronboten von Pingsdorf gewesen ist. 43

IX. Was heißt eigentlich „Gabjei“? 1. Viele Leute, die am Brühler Wasserturm auf der Gabjei stehen, der beliebtesten Eingangspforte zum Naturpark Ville, fragen verwundert, was dieses sonderbare Wort „Gabjei“ bedeutet. Bis vor einigen Jahrzehnten war einhellige Meinung der Brühler Heimatforscher, diese Anhöhe, von der man einen weiten Blick ins Rheintal hat, sei nach einem Heiligtum der „Matronae Gabiae“ benannt, das in römischer Zeit hier gestanden habe; und weil auf den diesen Matronen geweihten Steinmälern drei Frauen darge­ stellt gewesen seien37, habe man dieses Gelände später auch „Zu den drei Märren“ (Müttern) genannt. Wenn diese Deutung richtig wäre, dann könnte Brühl mit „Gabjei“ eine volkskund­ liche Merkwürdigkeit allerersten Ranges aufweisen: einen Flurnamen, der - was nirgendwo anders vorkommt - lautlich völlig unverändert38 aus römischer Zeit über­ liefert worden ist. Leider sprechen alle archäologischen und archivalischen Befunde gegen diese Deutung. Es ist zwar richtig, daß vorzeiten im ganzen Ubierlande - zu dem auch der Brühler Raum gehörte - die Matronen eifrig verehrt worden sind; unweit westlich von Brühl, auf dem Swister Berg, stand sogar ein Matronenheiligtum, zu dem noch bis vor einigen Jahrzehnten regelmäßig Pilger und Pilgerinnen wallfahrteten39, weil die dort verehrten Matronen bei der Christianisierung des Ubierlandes die Taufnamen Fides, Spes und Caritas erhalten hatten und dann als hl. Jungfrauen weiterhin verehrt wurden; auf der Gabjeihöhe hat man aber nicht die geringsten Spuren eines Matro­ nenheiligtums gefunden, obwohl dort der Boden beim Bau des Wasserturms gründ­ lich durchwühlt worden ist.

2.

Einen Flurnamen „Zu den drei Märren“ hat der Verfasser in den von ihm bisher durchgesehehen Brühler Archivalien nicht gefunden. Wohl aber wurde ein Waldstück, das allerdings 2 km westlich der Gabjei lag, vorzeiten ähnlich benannt. Erstmals wird es im Jahre 1593 erwähnt40, und zwar mit dem Namen „ahn den dreyen mehren“. 1652 wird dieses Waldstück „bey den drey mähren“ genannt41. 1771 „an den dreyen meeren“42 und 1823 „an den drey Maaren“43. In der Katasterkarte von 1841 ist es in der Gemarkung Brühl Flur V als „An den drei Merren“ eingezeichnet. Das so bezeichnete Waldstück lag, wie gesagt, nicht bei der Gabjei, sondern weiter westlich auf der Hochfläche des Villerückens im Quellgebiet des vormaligen Elfter­ grabens. Dieses Gelände war wegen der mächtigen Tonbänke, die das Braunkohlen­ flöz überlagerten, an der Erdoberfläche weithin versumpft. Hier gab es dutzende von Maaren44, die später durch den Abbau der Braunkohlenlagerstätten verschwunden sind. Wenn solche Maare Privatleuten gehörten, trugen sie besondere Namen: „Uhlingsmaar“, „Schwarz Johanns Maar“, „Margarethenmaar“, „Eselsmaar“ usw. Wenn sie allerdings in dem kurfürstlichen Forst lagen, der bis zu Anfang des 19. Jh. 44

noch Urwald war, hatte sich niemand die Mühe gemacht, jedem einzelnen Maar einen besonderen Namen beizulegen. So kann man wohl feststellen, daß die Bezeichnung jenes Waldstückes nichts mit „Märren-Matronen“ zu tun hatte, sondern einfach besagte, daß es bei drei namenlo­ sen Maaren lag. 3.

Die älteste überlieferte Form des Worts „Gabjei“ ist „Gabbegeye“45. In dieser Form - also nicht mit „j“, sondern mit „g“ - wird das Wort in den Brühler Archivalien sehr oft erwähnt: 1371 und 1468 „an der Gabegeyen“, 1442 und 1694 „an der Gabgeygassen“, 1504, 1707 und 1771 „an der Gabgeyen“ usw. In einem französischen Bericht aus dem Jahre 1736 ist von einer „montagne nommee Jappgeye“ die Rede46. Die Wortform „Gabjei“ wurde erst im Jahre 1821 von dem preußischen Landmesser Bröse geprägt, der damals die Urkatasterkarte zeichnete und sich dazu die Flurnamen von ortskun­ digen Brühlern nennen ließ. Da diese Gewährsleute anscheinend ein Platt sprachen, das Bröse nicht immer recht verstand, sind im Urkataster viele Entstellungen eingetra­ gen: „Kierberg“ statt „Kirchberg“, „Vochem“ statt „Vochen“, „Lingforsch“47 statt „Lindforst“, „Gabjei“ statt „Gapgey“ usw. Und da es ganz undenkbar war, daß ein preußischer Katasterbeamter geirrt haben könnte, sind diese entstellten Formen zur „amtlichen Schreibweise“ geworden. Die ursprüngliche Wortform „Gapgey“ dagegen, läßt sich unschwer deuten. Zwei niederdeutsche48 Wörter stecken darin: „gappen = klaffen“ und „gey = jäh“. So wäre denn „Gapgey“ die Stelle, an der vor dem Wanderer, der von Liblar nach Brühl ging, plötzlich ein Abhang „jäh gähnte“. Wer heute vom Wasserturm auf der Gabjei - die Liblarer Landstraße, die hier die FFöhe des Vorgebirges überquerte, ist durch den Braunkohlenbergbau abgetragen - auf das Rheintal hinausblickt, wird erkennen, wie treffend diese Lagebezeichnung auch heute noch ist. 1 Als „Straße“ bezeichnete man noch vor 250 Jahren jeden öffentlichen Weg, auch wenn er nur ein unbefestigter Karrenpfad war. Sogar die Kölnstraße und die Pingsdorfer Straße waren noch zu Clemens Augusts Zeiten nichts anderes als solche Feldwege; immer wieder wurden sie von den Anliegern so angepflügt, daß kaum mehr als eine Fahrspur übrigblieb. Erst ab 1770 wurden die wichtigeren Straßen nach und nach beschottert und mit Randgräben versehen. 2 J. Hagen hat einmal —in seinem Buch „Römerstraßen der Rheinprovinz“, Bonn 1923, S. 114 - die Vermutung geäußert, daß die heutige B 51 auf der Strecke Weilerswist—Brühl—Meschenich der Trasse einer Römerstraße folgte. Diese Vermutung beruht anscheinend auf einer „optischen Täuschung“ : In den Landkarten, die J. Hagen benutzte, ist die B 51 - die seinerzeitige Chaussee Köln—Brühl—Euskirchen - so geradlinig eingezeichnet, wie die Römer ihre Heerstraßen zu bauen pflegten. Die gerade Linienführung hat aber diese Straße erst bei ihrem chausseemäßigen Ausbau zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erhalten. Vorher war sie ein vielgewundener Karrenweg gewesen, dessen ursprüngliche Trasse heute noch einige in alter Fluchtlinie stehende Häuser in Pingsdorf und Meschenich zeigen. 2a Noch im 17. Jh. wurde der von Palmersdorf nach Schwadorf führende Weg „Colnischer wegh“ genannt (HAK Jesuiten Akten 1679, f. 10). 3 Zur Etymologie dieser Wörter vgl. F. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 1963, S. 722.

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4 Tacitus erwähnt solche Knüppeldämme mehrmals als „pontes longi“. 5 Die Frühgeschichte des Brühler Raumes ist besser zu verstehen, wenn man daran denkt, daß die Erdkrusten­ scholle, auf der Nordwesteuropa liegt, seit vielen Jahrtausenden ganz langsam nach Nordwesten zu abkippt. Zufolge dieses Abkippens hat die Nordsee im Mittelalter weite Flächen überflutet, die zur Römerzeit noch Festland waren, und hat der Rhein allmählich ein so starkes Gefälle erhalten, daß er die Kölner Bucht zwischen dem Vorgebirge und dem Bergischen Land, die zur Römerzeit noch weithin Sumpfland war, bis heute völlig trockengelegt hat. Heute kann man sich kaum mehr vorstellen, daß zur Römerzeit der Rhein in Köln über den heutigen Heumarkt floß und das Praetorium, das am heutigen Alter Markt stand, sich in seinen Wellen spiegelte. Auch fragt man sich, warum die vom Vorgebirge herabfließenden Bäche, die noch vor 200 Jahren viele Mühlen angetrieben haben, heute versiegt oder zu dürftigen Rinnsalen verkümmert sind. Diese Phänomene lassen sich - ebenso wie das Austrocknen des Villerückens - nur durch das Abkippen der Scholle Nordwesteuropa erklären. Interessant wäre es zu erfahren, ob diese Scholle gleichmäßig oder in zeitlich unterschiedlicher Geschwindigkeit abkippt. Dieses Problem ist aber von den Quartär-Geologen und den Historikern bisher anscheinend noch gar nicht erkannt, geschweige denn untersucht worden. 6 Das „Große Zehnt" bei Heimerzheim ist deshalb nicht so stark von der Trockenlegung betroffen worden, weil es im Einzugsgebiet der Erft, nicht des Rheins, liegt. 7 Die Schweidgangsprotokolle sind abgedruckt in den BHB 1962, S. 18 ff. und 1963, S. 2 ff. 8 Die „Luxemburger Straße“ war die römische Heerstraße Köln—Trier (J. Hagen a. a. O., Anm. 2, S. 99). Im Mittelalter zu einem Karrenweg verkümmert, wurde sie in kurfürstlicher Zeit Zülpicher Straße genannt. Als Verbindung der Bundesfestungen Köln und Luxemburg wurde sie zu Anfang des 19. Jh. chausseemäßig ausgebaut und deshalb im Kölner Raum nach ihrem Zielort Luxemburger Straße genannt. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ist diese Straße auf der Strecke zwischen H ürth und Liblar zur Gewinnung der darunter anstehenden Braunkohle abgebaut und durch die heutige B 265 ersetzt worden. 9 REK 1.970. 10 In den Brühler Archivalien werden die Waldungen, soweit sie keine „Forste“ waren, immer nur „Büsche“ genannt. Das deutet darauf hin, daß sie durchweg als Niederwald genutzt wurden. 11 Diese Lage zeigt auch, daß der Flurname nicht von einer „Landwehr“ abzuleiten ist, also von einer durch Dornhecken und Verhaue gebildeten Grenzbefestigung. Die Vochemer Gewehr lag so weit ab von Vochem, daß sie für die Verteidigung dieses Dorfes völlig belanglos war; auch gab es hier weit und breit keine Landwehren, an die sich diese Gewehr hätte anlehnen können. 12 EHAK St. Georg A. II. 15 f. 235. 13 So 1569 HAK St. Georg Akten 29 f. 72 und 1591 HAK St. Georg Urk. 335. 14 Bei einer Beschreibung der Ländereien des Fronhofs Vochem (HAK St. Georg Akten 29 f. 103r) ist nachgetra­ gen: „Item post incorporatam Capitulo Praeposituram (Nachdem das Propsteivermögen in das Kapitelsvermö­ gen übernommen worden ist) weiters LX morgen buschs ahn einem stuck, genandt des Probsten gewer.“ 15 EHAK St. Georg A. II. 16 f. 68. 16 HStAD Roer-Departement Nr. 3205, Aff. II. 89, Art. 3. 17 Z. B. 1325 „ripa dicta Werburne“ und 1578 „boven dem Wehrpütz neben Quattermarterbusch“. 18 F. Kluge, a. a. O., Anm. 3, S. 333. 19 In den kurfürstlichen Dienerlisten wurden die Planstellen der Baumeister der Höfe Brühl und Sechtem beibehalten und wohl mit Buchhaltern des Oberkellners besetzt. Noch im Jahre 1621 wird in Brühl ein gewisser Goddert als „bouwmeister“ erwähnt. Dann erhielt aber der jeweilige Oberkellner die Bezüge dieser Planstelle zur Aufbesserung seiner Kellnerbezüge. 20 HStAD Kurköln Kartular 3, S. 232—245. - In diesem - in der Literatur bisher anscheinend noch nicht behandelten - Register werden insgesamt 130 Abgabepflichtige mit 452 belasteten Grundstücken aufgezählt. Es liefert wertvolle Aufschlüsse darüber, wie der Brühler Raum vor einem halben Jahrtausend und noch früher strukturiert war. Für seine Auswertung ist aber hier kein Raum. Ein ähnliches, kurz nach dem Brühler und anscheinend von derselben Hand geschriebenes Register gibt es auch für den Fronhof Vochem (HAK St. Georg Akten 29 f. 11 ff.). In Vochem hatte aber jeder Hufner nur ein Joch zu bestellen. So sagt ein um das Jahr 1400 geschriebenes Vochemer Register (a. a. O., f. 27 ff., hier frei übersetzt): „Merke: Jedes ganze

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Hofeslehn muß zu St. Martin einen Morgen Acker, ,juchg‘ genannt, mit dem Saatgut des vorerwähnten Hofs (Vochem) einsäen, wie der Baumeister anweist (secundum bomagistri demonstrationem). Ebenso muß jeder Lehnsmann Mitte Mai einen Morgen nach Weisung des Baumeisters einsäen. Wenn ein Lehn aufgeteilt ist, ist nach Maßgabe der einzelnen Teile in gleicher Weise zu verfahren.“ 21 Das provinzialrömische Wort „ulla“ = Topf ist von den Franken zu „aul, ohl, uhl“ umgeformt worden. Vgl. H. Dittmaier, Rhein. Flurnamen, Bonn 1963, S. 18. 21a Erst in jüngster Zeit hat G. Krüger mit der Erforschung dieses Bereichs begonnen. Auf der im Oktober 1986 von der Brühler Museumsgesellschaft veranstalteten Ausstellung „Mittelalterliche Keramik aus Brühl“ zeigte er schöne Exponate. 22 Vermutlich hat diese Umsiedlung, durch welche die Siedlung Merreche zur Wüstung wurde, den Namenswech­ sel der Vogtsfamilie verursacht: Erbe des Lambertus de Merrege, der um das Jahr 1200 lebte, war dessen gleichnamiger Enkel, der sich 1276 „de Hersele“ nannte. „De Bruele“ konnte sich diese Familie nicht nennen, weil sie nicht die einzige Ritterfamilie in Brühl war; gleichzeitig mit ihr war ja auch die Pingsdorfer Vogtsfamilie umgesiedelt worden. Der Familienname „de Brule“ - z . B. 1220 Teodericus de Brule, capellanus episcopi (REK III. 291) - bezieht sich nicht auf Brühl, sondern auf die Herren von Burgbrohl, die sich „domini de Brule“ nannten (Günther, Codex diplomaticus, II. Theil Nr. 18, 209, 231, 333). 23 Es war der Hof, der später nach seinen jeweiligen Besitzern Kempishof, Steinmannshof und Commandeurshof genannt wurde. Für zahlreiche Altbrühler Hausgrundstücke waren Abgaben an diesen Hof zu leisten; ein Zeichen dafür, daß diese Grundstücke ursprünglich Unterlehen des Vogtshofs gewesen waren. 1668 verkaufte G. F. W. v. Hersei den H of an Andreas Kempis, und 1739 verkaufte dessen Urenkelin M. J. v. Koch geb. v. Steinmann den H of an den Komtur (Commandeur) der Johanniter-Commende St. Johann und Cordula zu Köln. Außerdem besaßen die Hersels noch einen anderen Hof, die Vochemer Burg, die sie als Vögte von Vochem als Erblehen erhalten hatten. Diesen H of behielten sie bis zum Jahre 1789. 24 HAK St. Georg Urk. 3/306 - In dieser Urkunde wurde die Schweidgrenze zwischen Brühl und Vochem festgelegt. 25 HStAD Karten Nr. 1589 - Die Mittelbach wird auf dieser Karte als „Graben, feit in die Bischoffsmahr, genant die Friddebach“ bezeichnet. 26 Nach der in Anm. 25 erwähnten Karte war die Bischofsmaar etwa 150 qm groß. 27 Aegidius Gelenius, De admiranda sacra et civili magnitudine Coloniae Claudiae Agrippinensis Augustae Ubiorum urbis libri IV, Coloniae anno 1645, S. 257: „Lacus Episcopalis (vulgo Bischoffs Mar) decrescentibus aquis ostendit rudera aquaeductus.“ 28 In alten Flur- und Wegennamen werden die Kurfürst-Erzbischöfe immer als „Bischof“ bezeichnet. 29 StAB Akten 6 f. 94 - Im Kataster wird die Bischofsmaar nicht mehr erwähnt. Da aber die alte Schweidgrenze zwischen Brühl und Vochem 1821 als Gemarkungsgrenze ins Kataster übernommen wurde, läßt sich die Lage dieser Maar auch heute noch zweifelsfrei bestimmen: Sie lag dort, wo die Grenze der Gemarkung Vochem die Römerstraße schneidet, und zwar im südwestlichen Winkel des Schnittkreuzes. 30 Ein ergötzliches Beispiel dieser sturen Buchstabentreue liefert das Protokoll über den Feldschweidgang vom 28. Oktober 1781 (StAB Akten 5 f. 186r): Rittlings über die Schweidgrenze zwischen Badorf und Pingsdorf hatte E. A. v. Otten, der damalige Eigentümer der Wenendahlsmühle, einen von einer Hecke umgebenen Garten angelegt. Als die Brühler auf ihrem Schweidgang herankamen, stand O tten mit gezogenem Degen vor seiner Hecke, um den Durchmarsch durch den Garten zu verhindern. Das half ihm aber nichts. Nach „über ein Viertelstund gebrauchter Gegenwehr“ hatte „die Bürgerschafft mit Beyelen und Sägen die Heck sowohl dahier als auch beym Durchzug durch den Garthen obenwerths gegen der Müllen zu durchgehauen“, so daß die Grenze genau so abgegangen werden konnte, wie sie in den früheren Protokollen beschrieben war. 31 Archiv Wolff-Metternich Urk. 208. 32 HStAD Archiv v. Hersei Urk. 1. 33 Archiv St. Margareta A V 6. 34 HStAD Hs. N XI. 1 Bl. 73.

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35 Als eine „Hufe“ bezeichnete man vorzeiten einen kleinen Bauernhof mit so viel Land, daß eine Familie davon leben konnte. 36 StAB Akten 12. 37 Vgl. z. B. Abb. 182 in der Römer-Illustrierten I. 1974, hrsg. v. d. Römisch-Germanischen Museum der Stadt Köln sowie deren Beitext. 38 Die Römer sprachen „ae“ nicht „ä“, sondern „ai“ aus. Daß Caesar sich nicht „Zäsar“ nannte, beweist noch heute das Wort „Kaiser“. Auch hätten die Römer den Ausdruck „Matronae Gabiae“ als Stellenbezeichnung nicht im Nominativ verwendet, sondern im Akkusativ Ad Matronas Gabias. 39 Uber diese Wallfahrten zum Swister Berg kann Herr Norbert Zerlett, Bornheim, vieles berichten. Es ist erstaunlich, daß dieses im Rheinland wohl einzigartige Phänomen eines Kults, der 2000 Jahre lang ununterbro­ chen ausgeübt wurde, den Fachgelehrten bisher anscheinend unbekannt geblieben ist. 40 HStAD, Kurköln II. 5689, Ingeldenregister der Baumeisterei Brühl, angelegt 1593 durch Asverus Geisenkirchen. 41 HStAD, Kurköln IV. 2416, Heberegister der Kellerey Bruel, ernewert Ao. 1652 durch Johann Vinhoven. 42 HAK, St. Kunibert Akten 13. 43 Notar Zaaren, Brühl, URNr. 2809. 44 In Brühl bezeichnete man bis ins 19. Jh. jeden natürlich entstandenen Teich als „Maar“ oder „Meer“. Beispielsweise hieß der Stadtgraben westlich der Pfarrkirche noch im 18. Jh. „das Meer“, weil man hier im Jahre 1285 einen Teich in die Stadtbefestigung einbezogen hatte; der Straßenname „In der Maar“ erinnert noch heute an die „Gysemaar“, die vorzeiten südwestlich des Uhltors lag. 45 Archiv Wolff-Metternich Urk. 208, 1325 März 3. 46 HStAD, Kurköln IV. 1338. 47 Ein Schreibversehen machte daraus „Lingfrosch“, was einen Brühler Heimatforscher dann veranlaßte, diesen Flurnamen unter die aus Tiernamen entstandenen Flurnamen einzureihen. 48 Bis ins 15. Jh. gehörte Brühl zum niederdeutschen Sprachraum.

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E in K a m p f u m B rü h l

i. Der 5. Juni 1288 war ein Wendepunkt in der Geschichte der Lande am Niederrhein. An diesem Tage wurden Erzbischof Siegfried von Westerburg und dessen Verbündete von den Bürgern der Stadt Köln und deren Bundesgenossen, insbesondere den Aufgeboten des Grafen von Berg und des Herzogs von Brabant, in einer beiderseits verlustreichen Feldschlacht bei Worringen vernichtend geschlagen. Damit war der alte Plan der Kölner Erzbischöfe1, ihr Erzstift - mit Köln als Hauptstadt - zum mächtig­ sten Territorium am Niederrhein auszuweiten, für immer gescheitert. Die Stadt Köln hatte sich von der Herrschaft der Erzbischöfe freigekämpft und war im politischen Kräftespiel ein eigenständiger Faktor geworden, mit dem man weithin rechnen mußte. In der Folgezeit beschränkten sich die Erzbischöfe darauf, Kleinkrieg gegen die Stadt Köln und deren Freunde zu führen, da sie keine offene Schlacht mehr wagen konnten. Und zwar Kleinkrieg zur Schädigung des Kölner Handels bis hinab zum schlichten Straßenraub. Ausgangspunkt der Überfälle erzbischöflicher Mannen auf kölnische Kaufmannszüge war meist die Burg Brühl, die Siegfried von Westerburg nach der Schlacht bei Worringen mit großen Aufwand erbauen ließ. Diese Burg war ein geradezu idealer Raubritterhorst. Auf drei Seiten von Sumpfland umgeben und gegen Westen durch die breiten Wassergräben des Städtchens Brühl gedeckt, war sie für jene Zeit uneinnehmbar, da keine Belagerungsmaschinen gegen sie eingesetzt werden konnten. Auch war sie so geschickt gebaut, daß sie von wenigen Leuten nachhaltig verteidigt werden konnte. Die Beinamen der erzbischöflichen Mannen, die hier zu Anfang des 14. Jh. eingesetzt waren - Unbescheiden, Ungenade, Roufftesch (= raub’ die Taschen!), Warffengil (= wirf die Engel nieder!) - lassen ahnen, was das für Burschen waren. Als Räubernest erscheint Brühl erstmals in einem Schiedsspruch vom 1. Dezember 13002, in dem u. a. der „keiner van dem Brule“ erwähnt wurde, „der des Grafen v. Sponheim Gut nahm zwischen Köln und Bonn“. In dem Friedensvertrag, den König Albrecht am 24. Oktober 1302 mit Erzbischof Wikbold v. Holte schloß3, mußte dieser eidlich geloben: „Es soll auch von der Burg und von der Stadt zu dem Brule der Stadt und den Bürgern von Köln fortan zu keiner Zeit kein Schade (mehr) geschehen.“ Die Erzbischöfe scheuten sich auch nicht vor Eingriffen in die Rechte der Kölner geistlichen Körperschaften. Am 30. September 1311 beschwerten sich das Domkapitel und zahlreiche Stifte in einer umfangreichen Klageschrift4über die Schäden, die ihnen durch die erzbischöflichen Leute zugefügt worden waren. U. a. beschwerte sich das 49

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Stift St. Severin (als Grundherr von Schwadorf) darüber, daß die Mannen der Burg Brühl die Bauern des Stifts rechtswidrig gezwungen hätten, Steine5, Holz, Wein und andere Dinge für sie zu fahren. II. Unter Erzbischof Heinrich v. Virneburg (1304—1332) geriet Brühl in den Strudel hoher Reichspolitik: Nach dem Tode Kaiser Heinrichs VII. konnten sich die Fürsten des Reichs nicht darüber einig werden, wer sein Nachfolger werden solle. Zwei Parteien bildeten sich. Die eine Partei, deren Sprecher Erzbischof Heinrich war, schlug Friedrich von Öster­ reich vor, den Sohn König Albrechts und Enkel König Rudolfs v. Habsburg. Die andere, geführt von den Erzbischöfen von Trier und Mainz, Balduin v. Luxemburg und Peter v. Aspelt, setzte sich für Herzog Ludwig von Bayern ein. Friedrich v. Österreich fand im Rheinland nur wenige Anhänger. Man verargte ihm das harte Vorgehen seines Bruders Leopold im Kampf gegen die Schweizer Eidgenos­ sen und befürchtete, das Haus Habsburg erstrebe ein Erbkönigtum und eine weitere Vergrößerung seiner Hausmacht6. Ludwig v. Bayern dagegen, geschickt beraten von dem staatsklugen Erzbischof Balduin, wandte sich gegen nicht mehr zeitgemäße fürstliche Herrschaftsansprüche und erwarb sich damit vor allem die Sympathien der zu dieser Zeit mächtig aufsteigenden und auf ihre Eigenständigkeit bedachten Städte. Da die Interessengegensätze der beiden Parteien unüberbrückbar waren, kam es auf dem brauchgemäß nach Frankfurt am Main einberufenen Fürstentag am 19. Oktober 1314 zu einer Doppelwahl: jede Partei wählte ihren eigenen Kandidaten. Und nun lieferte die Existenz zweier - persönlich machtloser - Könige den Anhän­ gern jeder Partei den Vorwand, im Namen ihres - als des allein rechtmäßigen - Königs Krieg gegen die Anhänger des anderen Königs zu führen. Durch unzählige Fehden wurden weite Teile des Reichs verwüstet. Um diese Fehden zu beenden oder doch wenigstens zu begrenzen, stiftete König Ludwig am 22. Juni 1317 zu Bacharach einen „Landfriedensbund“. Nach heutigen Begriffen war das ein kollektiver Gewaltver­ zichtsvertrag, dem alle Fürsten, Grafen, Herren und Städte beitreten konnten, die den Landfrieden bewahren wollten. In dem Vertrag war festgelegt, welche Rheinzollstät­ ten - auf der Strecke von Hart oberhalb Speier bis Köln - rechtmäßig waren und wie deren Zollaufkommen aufgeteilt werden sollte; vor allem mußten sich aber die Unter­ zeichner eidlich verpflichten, Fehden nur dann zu führen, wenn diese zuvor durch Schiedsrichter für berechtigt erklärt worden waren, und alle Friedensbrecher mit vereinten Kräften zu bekämpfen. Das Vertragsgebiet wurde in mehrere Bereiche eingeteilt, für die je ein Hauptmann bestellt wurde, dem die Wahrung des Friedens oblag. Hauptmann des Bereichs Niederrhein wurde Graf Wilhelm v. Holland. Diesem Landfriedensbund traten binnen wenigen Tagen fast alle rheinischen Terri­ torialherren und Städte bei. Nur Erzbischof Heinrich zögerte noch. Er führte gerade Krieg gegen den Grafen von Jülich um den Besitz von Zülpich7 und erkannte wohl auch, daß sein Beitritt zu dem von König Ludwig gestifteten Bund als Parteiwechsel gedeutet werden konnte. Um aber nicht ganz allein abseits zu stehen, entschloß er 50

sich dann doch zum Beitritt, zumal ihm große Vorrechte bei der Zollerhebung zugestanden wurden. So gelobte er am 9. Juli 13178 an Eides statt, die Bestimmungen des Vertrags in guten Treuen zu halten und den Landfrieden nach Kräften zu beschir­ men. Er behielt sich dabei nur vor, „den König, den wir gekoren haben, unterstützen zu dürfen“. König Friedrich, den Erzbischof Heinrich gekoren hatte, begnügte sich aber nicht mit diesem Vorbehalt. Er veranlaßte Erzbischof Heinrich, das am 9. Juli 1317 gegebene Wort zurückzunehmen, und erklärte am 10. Februar 1318 feierlich, daß er jeden Beitritt zu dem von seinem Gegner gestifteten Landfriedensbund als „Verletzung seiner königlichen Würde“ betrachte. III. Erzbischof Heinrichs Rücktritt vom Landfriedensbund wurde allgemein als Eidbruch angesehen. Nachdem nun die Brühler Burgmannen ihre Raubzüge noch heftiger als vordem wieder aufnahmen, rief die Stadt Köln die Mitglieder des Landfriedensbunds zum Kampf gegen den Friedensbrecher auf. Wilhelm v. Holland erklärte diesen Kampf für rechtens und schickte seinen Bruder Johann nach Köln, um die erforderli­ chen Maßnahmen einzuleiten. So zogen Ende Februar 1318 die Aufgebote der Stadt Köln sowie der Grafen Wilhelm v. Holland, Johann v. Hennegau, Gerhard v. Jülich, Adolf v. Berg und Johann v. Sayn vor Brühl, um den Räuberhorst auszunehmen9. Erzbischof Heinrich, der keine Bundesgenossen fand, reagierte auf die Belagerung von Brühl mit Kirchenstrafen: Im März exkommunizierte er die Mitglieder des Kölner Rats, verhängte über die Stadt das Interdikt - verbot also, Gottesdienst zu halten und Sakramente zu spenden - und gebot allen Geistlichen, Köln zu verlassen und zu ihm nach Bonn zu kommen. Viele Geistliche weigerten sich aber, diesem Gebot zu folgen, da sie es als Mißbrauch der Hirtengewalt empfanden10. Auf dem Landfriedenstag in Oppenheim erhob der Vertreter der Stadt Köln am 2. April 1318 heftige Anklage gegen Erzbischof Heinrich und rief auch die mittel- und oberrheinischen Vertragsgenossen zum Kampf auf. Diese waren aber der Meinung, daß eine Verstärkung des niederrheinischen Aufgebots nicht nötig sei. Der Verlauf des Kampfs um Brühl gab ihnen recht. Die Stadt Brühl wurde anschei­ nend sehr bald überwältigt11. Nur die Burg mußte noch monatelang belagert werden. Erst Anfang Juni, als alles zur Erstürmung und Zerstörung der Burg vorbereitet war, kapitulierte Erzbischof Heinrich, nachdem sich die Streitparteien auf die Erzbischöfe Balduin von Trier und Peter von Mainz sowie den Deutschordens-Hochmeister Karl als Schiedsrichter geeinigt hatten. Am 18. Juni 1318 verfügten diese „in ihrem Lager bei Brühl“ einen Waffenstillstand. Brühl wurde dem Ritter Dietrich v. Arenfels zu treuen Händen übergeben; er gelobte, Burg und Stadt für die drei Schiedsrichter zu hüten und nicht an Erzbischof Heinrich auszuliefern12. Nach langwierigen Untersuchungen der unzähligen Rechtsverletzungen, die beide Streitparteien einander vorwarfen, formulierten die Schiedsrichter am 24. Dezember 1318 den Text eines vorläufigen Friedensvertrags zwischen Erzbischof Heinrich und 51

der Stadt Köln13. Darin wurde bestimmt, daß Erzbischof Heinrich Burg und Stadt Brühl erst dann wieder zurückerhalten solle, wenn er alle seine Schadensersatzver­ pflichtungen erfüllt habe. Weil sich Erzbischof Heinrich nicht darauf einließ, forderte die Stadt Köln von Erzbischof Balduin nachdrücklich die völlige Zerstörung der Burg Brühl. Das lehnte dieser aber ab. Nach langen Verhandlungen vereinbarte er am 11. Februar 132014 mit der Stadt Köln, daß sein Verwandter Graf Johann v. Sponheim als Burggraf eingesetzt werden und mit 20 Bewaffneten Burg und Stadt Brühl als Pfandhalter für die Stadt Köln hüten solle. Er solle alle Steuern und Abgaben in Stadt und Amt Brühl einzie­ hen; für die Kosten der Treuhandverwaltung solle ihm die Stadt Köln jährlich 1000 Mark Pagament zahlen15. Diese Regelung wurde der Stadt Köln aber anscheinend zu teuer. Im Sommer 1320 vereinbarte sie mit Erzbischof Heinrich, daß Graf Gerhard v. Jülich alle ihre Streitig­ keiten entscheiden solle. Am 15. August 1320 verkündete dieser einen Schieds­ spruch16, in dem es heißt: „so soll der Bruyl, Burg und Stadt, ein Pfand sein für die Bürger und die Stadt von Köln und deren Verbündete, und er soll unterstellt werden dem Ritter Kono van Vischenich17, und dieser soll Burg und Stadt in Besitz behalten während der restlichen vier Jahre des Landfriedens.“ Daraufhin leistete Kono am 29. Oktober 1320 einen feierlichen Eid, daß er „den Bruyl, burch inde stat“ nach Maßgabe des Schiedsspruchs treulich hüten werde. Jahrelang wurde nun zäh über die wechselseitigen Ansprüche verhandelt, insbeson­ dere darüber, für welche Forderungen „der Brühl“ als Pfand hafte und für welche nicht. Am 20. September 1328 schloß aber Erzbischof Heinrich dann ein Schulden­ regelungsabkommen mit seinen Gläubigern, in dem Brühl nicht mehr als Pfandobjekt erscheint. Immer noch sperrten sich aber die Kölner gegen die Rückgabe von Burg und Stadt Brühl, weil sie befürchteten, daß die Burg wieder als Räuberhorst mißbraucht werden könne. Diesem Sicherheitsbedürfnis der Kölner wurde in dem endgültigen Friedens­ vertrag vom 27. Juli 132918in der Weise Rechnung getragen, daß zwar Burg und Stadt Brühl an Erzbischof Heinrich zurückgegeben wurden, dieser aber gelobte, hier m den folgenden Jahren nur Amtmänner einzusetzen, die vor dem Rat der Stadt Köln einen feierlichen Eid geleistet hatten, daß „von dem Brule, Burg und Stadt, und dem Gerichtsbezirk, der dazu gehört, weder der Stadt Köln noch ihren Bürgern irgendein Schade, groß oder klein, geschehen werde“19. Mit diesem Vertrag wurde ein „Kampf um Brühl“ beendet, der für den Brühler Raum schicksalhaft war. IV. In all’ den weitschweifigen Urkunden und Akten, die anläßlich dieses Kampfs um Brühl geschrieben wurden, findet sich kein einziges Wort über diejenigen, auf deren Rücken diese machtpolitischen Auseinandersetzungen ausgetragen worden sind: über die im Brühler Raum ansässigen Bürger und Bauern. Was sie in jenen Jahren erlitten haben, kann man nur ahnen, da keine Chronik darüber berichtet. Sicherlich war nach 52

Abzug der Belagerungstruppen der ganze Brühler Raum kahlgefressen und leerge­ plündert, und auch während der Pfandschaftszeit war eine wirtschaftliche Erholung wohl kaum möglich. Uber die Schäden, die geistlichen Körperschaften damals zugefügt wurden, sind nur spärliche Nachrichten zufällig überliefert: Das Kloster Walberberg war „durch das Einfallen der Feinde, Brandschatzung, Raub und andere Bedrängnisse“ in derart hohe Schulden geraten, daß es am 22. November 132120 seinen Hof Geildorf verkau­ fen mußte. Aus gleichen Gründen verkaufte das Kloster Benden am 2. Januar 132521 seinen Hof in Sechtem. Beide Klöster konnten ihre fälligen Grundzinsen nicht mehr bezahlen, so daß anscheinend mehrere Lehen verfielen22. Als besonders hartherziger Gläubiger erwies sich das Stift St. Severin; zur Eintreibung seiner Forderungen bemühte es sogar den Papst23. Am 26. März 1324 mußte das Kloster Walberberg dem Stift St. Georg zur Abgeltung rückständiger Erbpacht sein Zehntland „in den byrcken“ bei Berzdorf, seine Mühle in Eckdorf und den Wald „aldeveyle“ bei Walber­ berg übertragen24. Nach Aussagen des Kellermeisters von St. Pantaleon wurden durch die Kölner und ihre Helfer die Fronhöfe Badorf und Kendenich gänzlich verbrannt, und die Äcker dieser Höfe wie auch die des Hofs Sülz konnten während der Kriegs­ zeit nicht bestellt werden25. Während der „Besatzungszeit“ bemühten sich die jeweiligen Machthaber - selbst­ verständlich -, aus dem ihnen überlassenen Gebiet möglichst viel Steuern und Abgaben herauszuholen. Dabei griffen sie auch in die Herrschaftsrechte ein, die das Kloster St. Pantaleon in Badorf und das Stift St. Severin in Schwadorf besaßen. Darüber kanm es zu Prozessen, deren teilweise erhaltene Akten26 rechtsgeschichtlich sehr aufschlußreiche Einzelheiten enthalten. Für die Auswertung dieser Akten ist aber hier kein Raum. V. Dieser „Kampf um Brühl“ zeigt, daß das Stadtrechtsprivileg vom Jahre 1285 damals noch ein in wichtigen Punkten unerfülltes Versprechen der Landesherren war und städtisches Eigenleben sich noch nicht entwickelt hatte. Zu keiner der vielen Verhand­ lungen, in denen über die Schicksale von „Burg und Stadt Brühl“ entschieden wurde, ist ein Vertreter der Stadt Brühl hinzugezogen worden. Und schon die Tatsache, daß in allen Urkunden die Formel „Burg und Stadt“ gebraucht, die „Stadt“ also immer an zweiter Stelle genannt wurde, läßt erkennen, daß man die Stadt nur als ein Anhängsel der Burg - gewissermaßen als erweiterte Vorburg - betrachtete. Wegen dieser Abhängigkeit der Stadt von der Burg mußten damals die Brühler Bürger für die Gewalttaten der Burgmannen die Zeche bezahlen27.

1 Die Erzbischöfe jener Zeit können mit heutigen Erzbischöfen in keiner Weise verglichen werden. Als Territorial­ herren verhielten sie sich in jeder Beziehung wie ihre weltlichen Standesgenossen und unterschieden sich von diesen nur dadurch, daß sie ihre Herrschaft nicht durch Erbfolge, sondern durch Wahl erhielten. 2 REK III. 3775. 3 REK III. 3876.

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4 REK IV. 636. 5 Daraus läßt sich entnehmen, daß die Burg Brühl damals noch stärker ausgebaut wurde. 6 Auch hatte Friedrichs Fürsprecher Erzbischof Heinrich im Rheinland fast nur Feinde. Am 15. O ktober 1314 (REK IV. 866) schrieb er an den Papst, daß er wegen der Feindschaft Erzbischof Balduins nicht wagen könnte, persönlich zum Fürstentag nach Frankfurt zu reiten und deshalb dem Pfalzgrafen Rudolf schriftlich Kurvoll­ macht erteilt habe. 7 Am 29. Oktober 1317 (REK IV. 1004) wurde diese Fehde durch einen Schiedsspruch beendet, in dem es u. a. heißt: „Was Warfengel van deme Broele rechtswidrig geraubt und durch Brandschatzung von den Leuten des Grafen v. Jülich erpreßt hat“, das muß zuzüglich Schadensersatz zurückgegeben werden. 8 REK IV. 996. 9 Die Berichte über die Belagerung von Brühl sind in REK IV. 1034 ausführlich dargestellt. 10 Aufgrund mehrerer Appellationen beauftragte Papst Johann XXII. drei Geistliche mit der Untersuchung des Falls (REK IV. 1166). Diese erklärten am 7. Juli 1320 alle diesbezüglichen Maßnahmen Erzbischofs Heinrich für null und nichtig (REK IV. 1184). 11 N ur in einer einzigen Urkunde, deren Vorspruch einen Überblick über den ganzen Feldzug gibt, wird erwähnt, daß „Burg und Stadt Brühl“ belagert worden seien. Alle anderen Berichte erwähnen nur die monatelange Belagerung der Burg. 12 REK IV. 1055. 13 REK IV. 1082. 14 REK IV. 1164. 15 R. W. Rosellen schreibt in seiner Dekanatsgeschichts S. 85: „Die Einwohnerschaft von Brühl wurde angehal­ ten, dem Burggrafen jährlich 4000 Mark Pagament in vier Terminen zu entrichten." Das ist nicht richtig. Nach der Urkunde vom 11. Februar 1320 waren zahlungspflichtig „die vorerwähnten Bürger“. In der ganzen Urkunde werden aber immer nur die Kölner Bürger erwähnt. Von den Brühler Bürgern ist in den vielen und meist sehr ausführlichen Urkunden jener Zeit nie die Rede. Auch hätten die Brühler Bürger keinesfalls den für jene Zeit sehr hohen Betrag von jährlich 1000 Mark Pagament aufbringen können. —Außerdem hat Rosellen die Vierteljahresraten mit den Jahresraten verwechselt; in dem Vertrag heißt es: „. . .singulis annis in quatuor terminis mille marcas, scilicet singulis tribus mensibus ducentas et quinquaginta marcas.“ Eine „Mark“ war damals keine Münze, sondern eine Rechnungseinheit. Mit diesem Wort bezeichnete man einen Silberbarren bestimmten Gewichts, dessen Feingehalt und Gewicht durch ein amtliches Prägezeichen die „Marke“ - gewährleistet war. Im Zahlungsverkehr - als „Pagament“ - verwendete man aber keine Silberbar­ ren, sondern die jeweils umlaufenden Münzen. Da zu jener Zeit dutzende von Münzsorten unterschiedlichsten Werts im Umlauf waren, brauchten die Geldwechsler eine Rechnungseinheit, in der sie den Tageswert der von ihnen angenommenen und abgegebenen Münzen ausdrücken konnten, und das war eben „die Mark“ . Mit dem Ausdruck „eine Mark cölnisch“ bezeichnete man deshalb diejenige Anzahl von Münzen - sie konnten verschiedenster A rt sein mit der man an dem betreffenden Tage einen „markierten“ Silberbarren hätte kaufen können. 16 REK IV. 1990. 17 Kono (I.) v. Fischenich war beiden Streitparteien als Treuhänder genehm, weil er einerseits Lehnsmann des Erzbischofs war - er hatte 1309 seine Burg Fischenich dem Erzstift zu Lehn aufgetragen - und andererseits durch seine Frau Lyse, Tochter des Johann Hardevust, zum Clan der in Köln herrschenden Patrizier gehörte. 18 REK IV. 1338. 19 Als erster —nunmehr erzbischöflicher - Amtmann wurde im Vertrag Johann, Dechant von Bonn, eingesetzt. Über diesen schreibt Sauerland (Vatik. Regesten S. XII): „Inhaber der Bonner Dechantei, der Propstei von Rees, der Thesaurarie des Kölner Apostelnstifts, der Thesaurarie der Dietkirchener Stiftskirche, der vier Kanonikatspfründen von Bonn, Xanten, Dietkirchen und St. Aposteln in Köln, des Zehnten vom Dorfe Dottendorf bei Bonn, der Bonner Stiftshöfe zu Dattenfeld und Leimersdorf sowie des Bonner Kellereiamts war Johann von Bonn' gewesen. Daß er eine solche Fülle von Pfründen auf seine Person gehäuft hatte, kann nicht auffallen; denn Johann entstammte der Klever Grafenfamilie und war Blutsverwandter der Virneburger Grafenfamilie. Daß er uneheliches Kind und im Ehebruch erzeugt war, ist kein Hindernis weder für seine Pfründenhäufung noch auch für seine Ernennung zum päpstlichen Ehrenkaplan gewesen.“

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20 St. Pantaleon Urk. 137. 21 HAK Karmeliter Urk. 112. 22 Am 13. Januar 1326 verkaufte die Äbtissin von Dietkirchen einen Hof in Urfeld, den bis dahin das Kloster Benden innegehabt hatte (Deutschordensarchiv Wien, Pettenegg Nr. 1035). 23 HA K St. Severin Urk. 195: Papst Johann beauftragt den Abt von Deutz und die Dechanten von St. Gereon und St. Kunibert, die Klage des Severinsstifts gegen die K löster. . . Walberberg, Benden,. . . die ihre Grundzin­ sen nicht zahlen, zu untersuchen. 24 HAK St. Georg Urk. 356. 25 B. Hilliger, Die Urbare von St. Pantaleon in Köln, Bonn 1902, S. 262. 26 Vgl. H. Aubin, Die Weistümer des Kurfürstentums Köln, II. Bd. Amt Brühl, Bonn 1914, S. 24 ff. u. S. 163 ff. 27 Einige dieser Burgmannen waren Brühler Schöffen: Arnold Warffengil, Winand und Gobelin Vundengut, Wilhelm und Johann Ungenade. Auch der zu Anm. 2 erwähnte Kellner Gerhard war Brühler Schöffe. Er ist anscheinend bei dem Kampf um Brühl 1318 mit seiner Frau ums Leben gekommen; am 16. Februar 1319 fand eine Erbschaftsregelung zwischen seinen Kindern erster Ehe und seinen minderjährigen Kindern zweiter Ehe statt.

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7uUr G eschichte des K losters B en d en

i. Wer in Brühl von der Römerstraße über die Theodor-Heuß-Straße nach Brühl-Heide fährt, sieht zur linken Hand ein stattliches, von einem Turm mit Barockhaube flan­ kiertes Bauwerk. Dieser Bau war das Äbtissinnengebäude1 des Klosters Benden, von dessen Geschichte im folgenden berichtet wird. Noch vor 800 Jahren was das heute dichtbesiedelte Gelände, in dem dieser Bau liegt, ein weltabgelegenes ringsum von Wäldern umgebenes Wiesental, durch das von Westen her der Siegesbach2 rheinwärts floß, in den von Südwesten her der Elftergra­ ben3 einmündete. Die am Zusammenfluß dieser beiden Bäche liegenden Wiesen gehörten als „Benden“ - eingezäunte Herrschaftswiesen - zu dem Hof, den die Vögte von Merreche4 von den Kölner Erzbischöfen zu Lehen trugen. Deshalb wurde das Kloster, das hier zu Ehren der hl. Jungfrau Maria erbaut wurde, „St. Maria in den Benden“ oder lateinisch „Beata Maria in Pratis“ (Wiesen) genannt5. IE Uber die Geschichte dieses Klosters sagen folgende handschriftliche Quellen etwas aus: a) Das im Kloster bei dessen Aufhebung im Jahre 1802 vorhandene Schriftgut, das heute im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (HStAD) als Bestand „Kloster Benden“ aufbewahrt wird. Dieser Bestand umfaßt 43 Einzelurkunden (1231 —1764) sowie 20 Aktenstücke, in denen sich über 100 Verträge befinden. b) Ein 1753 geschriebenes Processionale, das als Hs. 156 im Diözesanarchiv Aachen aufbewahrt wird. c) Ein 1705 geschriebenes Urbar (Liegenschaftsverzeichnis) mit chronikartiger Ein­ leitung, das unter der Signatur „Auswärtiges Nr. 22“ im Historischen Archiv der Stadt Köln liegt6. d) Eine Urkunde von 1238 sowie mehrere Prozeß- und sonstige Akten im Pfarrei­ archiv S. Margareta zu Brühl. e) Erwähnungen in den Akten des StAB. f) Urkunden und Erwähnungen in den Beständen Kloster Altenberg, Kloster Burbach, Roer-Departement, Reichskammergerichtsprozesse u. a. des HStAD. g) Urkunden und Erwähnungen in den Beständen Schreinsbücher, St. Severin, Kar­ meliter, Jesuiten u. a. des HAK. Außerdem gibt es Visitationsprotokolle, Steuerdescriptionen usw., die Nachrichten über das Kloster Benden enthalten.

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Im Findbuch des Bestands „Kloster Altenberg“ des HStAD ist eine Spezialakte „Kloster Benden“ erwähnt, die vermutlich Protokolle über Visitationen, Äbtissin­ nenwahlen u. dgl. enthielt. Leider ist dieses Aktenstück seit 1906 verschollen. Im „Bender Urkundenbuch“, als Manuskript gedruckt von der Stadt Brühl 1979, habe ich die mir damals bekannten Bender Archivalien aus der Zeit bis 1599 als Volltexte oder Regesten zusammengestellt. III. In der Literatur ist die Geschichte des Klosters Benden bisher nur kurz behandelt worden. Von beiläufigen Erwähnungen abgesehen, sind zu nennen7: a) N. Claassen, Notice Historique im Mercure de la Roer 1813, S. 818. b) R. W. Rosellen, Geschichte der Pfarreien des Dekanats Brühl, Köln 1887, S. 130-134. c) R. Bertram, Chronik der katholischen Pfarre Brühl I., Brühl 1913, S. 166 —169. d) E. Podlech, Die wichtigeren Stifte, Abteien und Klöster in der alten Erzdiözese Köln, Breslau 1913, Bd. III, S. 60 —65. e) N. Thiery, Benden-Kloster, Brühler Heimatblätter 1926, S. 23—24. f) W. Hansmann und G. Knopp, Stadt Brühl, Berlin 1977, S. 171 —172. In diesen Darstellungen sind - mit Ausnahme der oben zu II. d genannten Urkunde - nur Sekundärquellen verarbeitet. Das eigentliche Klosterarchiv (oben zu II. a) ist offensichtlich noch nie benutzt worden. Auch das Urbar (oben zu II. c) wird nir­ gendwo ausgewertet9. IV. Wann und durch wen das Kloster Benden gestiftet wurde, ist unaufklärbar, da die überlieferten Archivalien darüber nichts aussagen. Schrils10 erklärt diese Uberliefe­ rungslücke: „Im Jahr, da man schrieb 1383 den 6ten Tag April, ist das Closter Marien Benden völlig durch ein gählig Fewr / welches in der Müllen, so vor des Closters Porten gelegen, entstanden / mit allem Gebäw abgebrannt worden, also auch daß kein Zierath, Schriften oder Bücher haben können errettet werden; wodurch dan gesche­ hen, daß auch das Buch der Stiffter oder Fundatoren wie auch andere Gudthäter mit verbrandt worden; undt deswegen kommt, daß man heutigendag keine Nachricht oder Bericht davon geben kann.“ „Was des Cloisters Marienbenden Ursprung ahnlangen thuet, hab davon nichts finden können als allein dieses, daß nemblig dies Cloister seye / nach aussag des Cistercienser Ordens Chronic / im Jahr 1207 aufferbawt undt gestifftet worden von einer Adligen Matronen mit nahmen Margaretha von Hersell aus dem adligen Geschlecht von Hersell. . .“n Diese Gründungssage ist glaubhaft12, denn sie entspricht der um die Wende des 12. zum 13. Jh. gegebenen Lage: Im Mittelalter und bis weit in die Neuzeit hinein gab es nur einen einzigen Frauenberuf: Dienstmagd zu sein; Dienstmagd bei Fremden oder, was oft noch 57

härter war, in der eigenen Familie. Diesem Schicksal konnten Mädchen, für die ihr Vater keinen Ehemann fand, und alleinstehende Witwen oft nur dadurch entgehen, daß sie sich in ein Kloster zurückzogen. Als Nonnen genossen sie hohes Ansehen, und ihre Gebete brachten ihren Familien Seelenheil. Deshalb war jeder Familienvater bemüht, Töchter, die er vor dem Dienstmagdschicksal bewahren wollte, in einem Kloster unterzubringen. Für Unfreie war aber dieser Ausweg nicht gangbar, denn sie konnten ihrem Herrn keine Arbeitskraft entziehen und konnten auch nicht die zum Eintritt ins Kloster erforderliche „Mitgift“ aufbringen, da sie rechtlich vermögensunfähig waren. Deshalb gab es, so lange die große Masse der Deutschen noch aus Unfreien oder Minderfreien bestand, nur wenige Frauenklöster, und diese blieben den Töchtern des alten Adels Vorbehalten. Erst in der Stauferzeit stiegen zwei Arten von Familien zu voller persön­ licher Freiheit und solchem Wohlstand auf, daß sie Töchter ins Kloster schicken konnten: die Großbürger in den Städten und die Ritterministerialen auf dem Fände, die zu dieser Zeit über die Höfe, die sie zu Fehen besassen, schon fast unbeschränkt verfügen konnten. Hinzu kam, daß die Italien- und Kreuzzüge sowie die Kämpfe um die Nachfolge Kaiser Friedrichs I. gerade in den Ritterfamilien einen hohen Frauen­ überschuß verursachten. So ist es verständlich, daß in den Jahren zwischen 1190 und 1240 im Kölner Raum zahlreiche Frauenklöster gestiftet wurden, von denen hier nur Walberberg, Schillingskapellen, Sion (Ophoven), Frauenthal, Bottenbroich und Burbach genannt seien. In diesen Rahmen „paßt“, daß das Kloster Benden nach seiner Tradition im Jahre 1207 gestiftet wurde13. Ebenfalls „paßt“, daß Stifterin eine Matrone (alte Witwe) aus der Ritterfamilie v. Hersei gewesen sein soll. Die Ahnenreihe dieser Familie läßt sich zurückführen auf einen miles (Ritter) Lambertus, der Ende des 12. Jh. Vogt des erzbischöflichen Tafel­ hofs Merreche war14. Dessen Sohn Hermann besaß auch den Hof des Domkapitels zu Hersei, so daß er und seine Nachkommen sich den Namen „von Hersei“ beilegten. Es ist durchaus glaubhaft, daß diese Hersels, im Kölner Raum reich begütert15, stiftsfähig16 und mit Kölner Patriziern verschwägert17, zur Erhöhung des Ansehens ihrer sozial aufsteigenden Familie das Kloster Benden gestiftet haben. Vermutlich war die als Stifterin und erste Äbtissin18 genannte Margaretha die Witwe des Ritters Lambertus, und vermutlich vollzog sich die Gründung des Klosters Benden ähnlich wie 25 Jahre später die Gründung des Klosters Burbach. Unaufklärbar bleibt aber, woher die ersten Bender Nonnen kamen und wann der Konvent in den Cistercienserorden aufgenommen wurde19. V. Offenbar ist das Kloster Benden schon bei seiner Gründung und bald danach mit beträchtlichem Grundbesitz ausgestattet worden: Über den Bender Hof, also die 230 Morgen, die unmittelbar vom Kloster bewirtschaftet wurden20 sowie über den Hof Engdorf21, den Neuhof22, den großen Hof in Sechtem23, die beiden Mühlen bei Merreche24, und die großen Waldungen25 sind keine Erwerbsurkunden überliefert; diese Fändereien müssen wohl zur „Erstausstattung“ gehört haben. Auch hatte das 58

Abb. 4 Kloster Benden im Jahre 1730. Skizze in der Akte Archiv St. Margareta A. V. 3. 59

Kloster so viel Geld, daß es 1236 Land bei Husen26, 1287 einen Wingertshof in Walberberg27 und 1296 den Rodderhof28 kaufen konnte. Es ist gut belegt, daß im 13. Jh. viele Kölner Patriziertöchter Bender Nonnen waren. F. Lau29 nennt: Durechin, Tochter des Hildeger Birclin; Richmudis und Eli­ sabeth, Töchter des Henrich Rufus Cleingedanc; Cuniza und Elisabeth, Töchter des Philipp Cleingedanc; Elisabeth und Blithildis, Töchter des Henrich Hardevust; Richmodis und Margaretha, Töchter des 1259 geächteten Gottfried Hardevust. Dement­ sprechend sind in den Kölner Schreinsbüchern30 und anderen Elrkunden31 Schenkun­ gen von Häusern, Hausanteilen und Erbrenten in Köln verbrieft. Auch Seelmessen wurden von Kölner Patriziern in Benden gestiftet32. Dagegen ist zwar höchstwahrscheinlich, aber nur spärlich belegbar, daß auch viele Bender Nonnen aus ländlichen Ritterfamilien stammten. Diese Uberlieferungslücke ist wohl durch den oben zu IV. erwähnten Klosterbrand von 1383 zu erklären. Eine Urkunde blieb aber erhalten, die vielleicht für jene Zeit charakteristisch ist33. Unterm 1. Februar 1291 erklärte Reymarus de Dorne, Ritter zu Schwadorf: „. . .weil ich meine geliebte Tochter Cunegundis zum Dienste Gottes im Kloster ad Pratum bestimmt habe und die Frau Äbtissin und der Convent meine Tochter gütig und wohlwollend als Nonne und Schwester aufgenommen haben. . . so schenke ich ihnen zu meinem Seelenheil mit meiner Tochter noch drei Morgen Ackerland. . Als Gönner des Klosters erwiesen sich auch der Edelherr Wilhelm v. Saffenberg34 und Odylia, Witwe des Ritters Johannes de Hurthe35. Erzbischof Siegfried v. Wester­ burg verzichtet auf seine lehnsherrlichen Rechte am Rodderhof mit der Auflage, daß „man zwey Malhe im Jahr ein Anniversarium für ihn und seine Ahnverwandten halten“ solle36. VI. Wie groß der Bender Convent im 13. Jh. gewesen ist, läßt sich aus den Archivalien nicht ermitteln. Im Jahre 1277 war er so zahlreich, daß Benden 13 Conventualinnen zur Umgründung des Kölner Klosters Mechtern (Ad Martyres Thebaicos) abgeben konnte. Wie es zur Gründung dieses „Tochterklosters“ von Benden kam, wird in einer Urkunde des Erzbischofs Siegfried vom 9. April 1278 geschildert37. Kurz zusammengefaßt besagt diese Urkunde: Das seit Jahrzehnten verwahrloste Mönchskloster Mechtern, um dessen Reform sich schon die Erzbischöfe Konrad und Engelbert vergeblich bemüht hatten, war von Erzbischof Siegfried aufgehoben worden, nachdem einige Mönche Raubüberfälle und Morde begangen, das Kloster­ vermögen verschleudert und die Klostergebäude in Brand gesteckt hatten. Daraufhin hatte der Kölner Patrizier Bruno Hardevust, Ritter und Schöffe, das Kloster auf eigene Kosten wieder aufgebaut, und auf seine dringende Bitte38 - „iuxta votum et desiderium Brunonis“ - versetzte nun Erzbischof Siegfried 13 Bender Nonnen „Cisterciensis ordinis“ - nach Mechtern mit dem Recht, aus ihrer Mitte eine Äbtissin zu wählen. Diese Urkunde ist der früheste ausdrückliche Beleg dafür, daß Benden dem Cistercienserorden angehörte39. Mittelbar geht diese Zugehörigkeit schon früher daraus 60

Abb.5 Kloster Benden im Jahre 1771. Ausschnitt aus dem Plan HAK St. Kunibert Akten 13. (Foto: Rheinisches Bildarchiv) 61

hervor, daß das Kloster der geistlichen Aufsicht des Abts von Altenberg unterstand. Das ist urkundlich erstmals 126140 und in der Folgezeit mehrmals belegt. Erst in einer Urkunde von 144641 wird der Abt von (Alten-)Kamp als „visitatoir van wegen des generalen capittel uns gesät“ erwähnt. Auch in dem Visitationsprotokoll von 1569 ist vermerkt „Subsunt domino abbati Kampensi“. 1588 beim Verkauf des Neuenhofs, entstand ein Prozeß, weil der Vertrag zwar vom Offizial, nicht aber auch vom Abt von Kamp genehmigt worden war. 1607 wurde dieser Prozeß dadurch beendet, daß der Abt von Kamp nachträglich zustimmte. Bald danach42 traten aber wieder die Äbte von Altenberg als Visitatoren auf, und seit mindestens 161643 waren alle Beichtiger von Benden nachweisbar Altenberger Mönche.

VII. Während des Kampfes um Brühl im Jahre 131844 wurde das Kloster Benden zwar nicht zerstört, aber doch offenbar hart gebrandschatzt. Ungeachtet dieser Verluste retteten Äbtissin und Convent damals sogar noch die Stadt Brühl aus einer Finanznot, wie aus einer Urkunde vom 3. März 132545 hervorgeht: Für einen ungenannten, aber wohl ziemlich hohen Preis hatte Benden - Äbtissin Hylla - Erbrenten an Ritter Cono v. Vischenich verkauft. Diese Erbrenten wurden durch die Brühler Schöffen für ewige Zeiten von aller Besteuerung befreit, weil der gesamte Kauferlös „zum Vorteil unserer Stadt und zwar zur Ablösung der Darlehen, die wir wegen der Belagerung bei Juden47 aufnehmen mußten, verwendet wurde und Herr Cono die Renten ohne Steuerbefrei­ ung nicht gekauft hätte“. Um die Mitte des 14. Jh. regierte in Benden die Äbtissin Blithildis, eine Tochter des Kölner Patriziers Emund de Kusino48. Zahlreiche Urkunden zeigen, daß sie die Wirtschaft des Klosters tatkräftig in Ordnung hielt. Offensichtlich war es ein Vorteil für Benden - verglichen mit anderen Klöstern —, daß die Äbtissinnen im 13. und 14. Jh. durchweg aus Familien kamen, in denen man mit Geld umzugehen wußte. Über die innere Ordnung des Klosters zu jener Zeit ist nichts bekannt. Nach dem großen Brand vom 6. April 1383 (oben zu III.) ist das Kloster anschei­ nend bald wieder aufgebaut worden. Schrils berichtet dazu49: „Wie nun dies Gotteshaus so elendiglich verwüst gelegen, so hat der Herr, welcher schlägt und heylt, einen ehrwürdigen Herren mit Namen Johan vom Hirsch / welcher ein Canonich zu St. Severin und Collnischer Official gewesen / durch seine Einge­ bung darzu ahngetrieben, daß er dießen Orth, welcher so grausam durch den Brandt verdorben war, thäte besuchen. So bald nun obgemelter Herr das Elend gesehen, ist er innerlig darüber bewegt worden und hat sich resolvirt, die Kirch und den Dormitör wider auf zu bawen, welches er dan auch gethan; undt hat selbiger zu solchem Baw vier hundert Marek wie auch vielte andere Güter darzu reichlig und milthertzig ahngewendet.“ Auch Graf Wilhelm v. Katzenellenbogen, Landesherr von Keldenich und Edelbür­ ger von Köln, hat anscheinend viel zum Wiederaufbau des Klosters gespendet. Am 21. September 1384 nahmen Äbtissin und Konvent zu den Beenden ihn und seine Frau 62

Abb. 6 Der Hauptbau des Klosters Benden im Jahre 1975. (Foto: Rheinisches Amt für Denkmalpflege) 63

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Elsa zum Dank für die erwiesenen Wohltaten in die Gemeinschaft ihrer geistlichen Güter auf49. VIII. Um die Wende des 14. zum 15. Jh. wandelten sich allgemein die Sozialstrukturen. In Köln wurden die bis dahin alleinherrschenden Patrizier durch die Handwerker ent­ machtet, und auf dem Lande stieg aus der großen Masse der vermögenslosen Tagelöh­ ner und Kleinpächter ein neuer Stand auf: die Pächter der großen Höfe der Geistlich­ keit und des Adels. Diese „Halfen“ oder „Halbwinner“ - man nannte sie so, weil sie ursprünglich jeweils die Hälfte ihrer Ernte als Pacht abzuliefern hatten50 - saßen oft generationenlang auf „ihren“ Höfen und kamen so oft zu Wohlstand und hohem Ansehen. So konnten sich nunmehr auch Handwerker und Halfen leisten, ihre Töchter in Klöstern unterzubringen. Dementsprechend wandelte sich die Zusammensetzung des Bender Konvents. Die nach dem Jahre 1400 urkundlich erwähnten Bender Äbtis­ sinnen stammen nicht mehr aus Familien des Kölner Patriziats oder des Landadels51, sondern tragen bürgerliche Namen. Während aber bei den meisten anderen Frauen­ klöstern jener Zeit - z. B. Königsdorf, Dünnwald, St. Gertrud, Makkabäer - die Vorsteherin sich mit dem Titel „Meisterin“ begnügte, führten die Bender Äbtissinnen weiterhin das Prädikat „domina“, das ursprünglich ein Adelsprädikat war. Manche fügten sogar „von Gottes Gnaden“ hinzu. Auch die innere Ordnung des Klosters Benden änderte sich. Das läßt eine Urkunde vom 30. April 144652 erkennen. Während vordem alle Verträge von „Äbtissin und Konvent“ abgeschlossen, aber nur die Äbtissinnen mit Namen genannt wurden, beginnt diese Urkunde mit den Worten: „Wir Druda Plucks53 von Gottes Gnaden Äbtissin, Metza Meilmans weiland Äbtissin, Druda Meilmans Priorin. Bela van Zissen Küsterin, Catherina von Zudendorp Kellnerin sowie ,wir gemeyne convente des cloisters ind gotzhuyß zo den Beenden'“. Erstmals werden hier aus dem „gemeyne convente“, der Menge der einfachen Konventualinnen, einige Amtsträge­ rinnen herausgehoben und mit Namen genannt, wohl als Zeichen ihrer Mitverantwor­ tung für den Vertrag: Neben der Altäbtissin Metza (Mechthild) Meilmans wird eine Priorin erwähnt - die Priorin war damals Sprecherin des Konvents gegenüber der Äbtissin; sie führte das Konventssiegel -, ferner eine Küsterin, die zuständig war für die Instandhaltung alles dessen, war für den Gottesdienst benötigt wurde, sowie eine für die Wirtschaftsverwaltung verantwortliche „Kellnerin“54. Wahrscheinlich hat es einige dieser Ämter in Benden schon vor 1446 gegeben55; bemerkenswert bleibt aber, daß ihre Trägerinnen jetzt erstmals neben der Äbtissin namentlich genannt werden. In dieser Urkunde von 1446 wird ausdrücklich vermerkt, daß die darin verbriefte Ablösung einer Erbrente „mit consente ind stedehalten des erwerdigen in gode vaders hem Heynrichs van Nypehusen, abtz zo Kamp, unß visitatoirs ind lieven heren, van wegen des generalen capittel uns gesät ind bestedicht“ erfolgt ist. Daraus kann man vielleicht schließen, daß der Abt von Kamp damals als Beauftragter des Generalkapi­ tels des Cistercienserordens das Kloster Benden reorganisiert hat, um es vor dem 64

Schicksal zu bewahren, das um die gleiche Zeit das Cistercienserinnenkloster Walber­ berg erlitt56. Laut dieser Urkunde gestattete Benden den Karthäusern, eine Erbrente durch Zahlung von 29 Gulden abzulösen, um damit „schwere Schulden“ zurückzahlen zu können, „in die wir durch Krieg des Landesherrn geraten sind“. Damit sind wohl nicht die unmittelbaren Kriegsschäden gemeint, die das Kloster durch die Fehde des Erzbischofs Dietrich von Moers mit dem Herzog Adolf von Berg erlitten haben könnte57, sondern vielmehr die überaus hohen Steuern, die Erzbischof Dietrich zur Finanzierung seiner unaufhörlichen Kriege erhob58. Durch die Kriegslust und Verschwendungssucht Erzbischof Dietrichs gerieten seine Lande in eine schwere Wirtschaftskrise. Diese Krise überstand Benden - anders als Walberberg - anscheinend einigermaßen glimpflich. Nach den überlieferten Archi­ valien hat sich das Klostervermögen im 15. Jh. nicht nennenswert verringert. Aller­ dings war die Zeit vorbei, in der dem Kloster ganze Gutshöfe geschenkt wurden. Die Mitgiften der Novizinnen bestanden durchweg nur noch aus einigen Morgen Acker­ land, einigen Vierteln Wingert oder entsprechenden Erbrenten59. So wenig wir bisher über die anscheinend in den 1440er Jahren durchgeführte Reorganisation des Klosters Benden wissen, so wenig wissen wir über das Kloster­ leben in jener Zeit. Einen kleinen Hinweis gibt nur eine Bemerkung in der Kamper Chronik: Das Cistercienserinnenkloster Sterkrade, das ebenfalls der Aufsicht des Abts von Kamp unterstand, war damals sehr verwahrlost. Eine Nonne, der das mißfiel, ließ sich nach Benden versetzen, und mit deren Hilfe konnte dann der Abt von Kamp nach einigen Jahren —im Jahre 1465 - das Kloster Sterkrade erneuern60. Das zeigt, daß die Klosterzucht in Benden damals als vorbildlich galt. IX. Über den zweiten Klosterbrand berichtet Schrils61: „Im Jahr 1503, den zehnten September, welcher der Sonntag war nach Mariae Geburtstag, ist das Closter Marien Benden durch das Fewr von dem Backhaus nach gehaltener Nona völlig mit allem Gebäw, Kirch, Dormitör und übrigem Gebäw abgebrandt worden, unter Regierung der andächtiger und würdiger Frawen Dorothea Isgens62 und dem wolh ehrwürdigen Beichtiger Herrn Pater Adolphus von Ratingen, Profeß zum Altenbergh63. Einige von denen Geistligen seynd in andere Clöster geschickt worden, die Fraw Abtissin aber mit noch einigen wenigen, auf Gottes Barmhertzigkeit vertrawent, seynd beständig bey dem verbrämen Orth verblieben, haben kümmerlich gelebt und sich bemüht, einiges nothwendigste Gebäw wider auf zu richten; nach Absterben aber der Fraw Atbissin Isgens hat die wolh ehrwürdige Fraw Christina Ruttenbachs die Kirch widerumb aufgebawet und dediciren lassen wie folgt: Anno 1525, den 7 undt 8ten Tag Maij, welcher war Dominica Jubilate, ist diese Kirch mit den Altären, der kleiner Klocken und anderen Regulier Örteren durch den Hochwürdigen Herrn Hn. Quirin von Wylich, Cyrenenser Bischoffen undt des Ertzbischoffen zu Cöllen in Pontificalibus Vicarien, Gott dem Herren geweyhet undt 65

consecrirt worden unter Regierung der wolh ehrwürdigen Frawen Christina Ruttenbach undt des ehrwürdigen P. Arnoldi von Solingen, Profeß zum Altenbergh, dieses Convents Beichtigeren. Die Patronen von der Kirchen undt deroselben Altären seyndt folgendt: Erstlig Patronen des Hohen Altars die allerheyligste undt unzertheilte Dreyfältigkeit, die allerseeligste Gottesgebährerin Maria mit dem heyl. Josepho ihrem Bräutigam, Sanct Michael mit allen heyligen Engelen und die heyligen Vätter Sanctus Benedictus undt Bernardus. Patronen von dem kleinen Altar zur lincker Seithen: Sanct Johannes der Täuffer und der heyl. Joannes Evangelista, der heyl. Jacobus maior undt Jacobus minor, Sanct Ursula mit ihrer Gesellschaft und die heyl. Christina. Patronen von dem kleinen Altar zur rechten Seithen: das heyl. Crutz Christi, der heyl. Servatius, Sanct Nicolaus Udalrichus, die heyl. Mutter Anna mit ihrem Mann, dem heyl. Joachim, undt Sanct Margaretha. Patronen des Altars im Capitel: die heyl. vier Marschallen St. Antonius, Cornelius, Quirinus undt Hubertus undt die heyl. Jungfrawen Catharina undt Barbara. Patronen von der großen Klocken: Die große Klock ist geweyhet undt getaufft worden in Nahmen der allerheyligsten Mutter undt Jungfrawen Mariae, dieses Closters sonder­ b a re r Patronin, undt die klein Klock zu Ehren der heyl. Mutter Anna, obwohl andere Namen auf den Klocken gegossen stehen. Das Fest der Kirchweyhung soll alle Jahre auf den dritten Sonntag nach Osteren /: Jubilate genant:/ gehalten werden, ahn welchem Tag wie auch ahn anderen Hauptfest­ tagen undt der heyl. Patronen Nahmentag obgemelter hochwürdiger Bischoff allen und ieden Christgläubigen, welche nach reumüthiger Beicht in dieser Kirchen werden funff Pater undt Ave betten, Ablaß von viertzig Tag für sich undt viertzig Tag für den Ertzbischoffen verleyhen thuet.“ Woher die für den Wiederaufbau des Klosters benötigten Geldmittel kamen, wird weder von Schrils noch in anderen Archivalien berichtet. Klostervermögen brauchte man dazu offenbar nicht zu verkaufen. In seiner Laudatio auf Christina Ruttenbach64 erwähnt Schrils sogar, daß sie das Klostervermögen durch Ankauf von Grundstücken und Erbrenten vermehrt65 und letztwillig noch 200 Goldgulden gestiftet habe, die verzinslich ausgeliehen wurden. „Darzu hat die obgenante Fraw große hinderständige Schulden von den vorigen Frawen (früheren Äbtissinnen) mittlerzeit wolhbetzalt undt hat dabey viell gebawet inwendig undt außwendig, als solches clärlig ihre nachgelassene Rechnungen von Jahr tzu Jahr außweisen.“ So war das Kloster Benden offenbar völlig wiederaufgebaut und wirtschaftlich wohlfundiert, als die Äbtissin Christina Ruttenbach im Jahre 1541 starb66. X. Über die innere Ordnung des Klosters Benden im letzten Drittel des 16. Jh. unterrich­ tet das Protokoll einer am 17. Juni 1569 durchgeführten Visitation67: „In diesem Jahre 69, am 17. Juni, wurde die Visitation durchgeführt in dem Kloster oder Convent der Jungfrauen oder Nonnen in Pratis Mariae, im Volksmund zo 66

Marien Benden genannt, bei Brühl gelegen, zum Orden des hl. Bernhard gehörend, dem Herrn Abt von Kamp unterstellt. Hier wurden die Frau Äbtissin, der Beichtvater und die Conventualinnen ins Kapitelhaus zusammengerufen und nach einer Anspra­ che mit Verlesung des Visitationsauftrags befragt, ob sie diese Visitation gestatten wollten, unbeschadet ihrer Privilegien und der Befugnisse ihrer Oberen. Bei eingehender Untersuchung wurden (dann) Mängel des Gottesdienstes festge­ stellt, nämlich daß er zu den vorgeschriebenen Stunden nur lesenderweise gehalten wird, weil der Convent zu schwach besetzt ist - ,propter raritatem personarum' -, nach der Ordensregel zu singen. Auch können sie, weil sie nur einen Priester-Beichti­ ger haben, nicht täglich eine Messe hören, und manchmal wird sie auch vom Pater abgekürzt. Bezüglich dieser und anderer Verstöße gegen die Ordensregel und die Ordnung der weltlichen Verwaltung wurde, nachdem wieder alle zusammengerufen waren, folgen­ der Bescheid verkündet: Vor allem soll die Äbtissin dafür sorgen, daß die Horen, wenn auch nicht täglich, so doch wenigstens an Feiertagen und Sonntagen gesungen werden und eine entspre­ chende Anordnung erlassen, damit nicht durch diese (gegenwärtig eingerissene) Nachlässigkeit der Gesang künftig ganz in Vergessenheit gerät. Auch soll sie (die Äbtissin), wenn die Zeitverhältnisse es irgendwie gestatten68, mehr geeignete Novizin­ nen annehmen. Inzwischen sollen die jetzigen Conventualinnen ihre gottesdienstli­ chen Pflichten sorgfältig erfüllen und, wie es ihr Gelübde fordert, fromm und keusch leben, damit durch ihr Beispiel fromme Leute veranlaßt werden, ihre Kinder bei ihnen Gott zu weihen. Der Pater soll sorgfältig seines Amtes walten und sich Mühe geben, daß sie jeden Tag ihre Messe haben können und an Sonn- und Feiertagen die Messe vollständig mit Epistel, Prefatio und Oratio gesungen wird. Und da wir erfahren haben, daß die Frau Äbtissin allein die Schlüssel zur Klausur hat und jeden nach ihrem Belieben ein- und ausgehen lassen kann, so ordnen wir an, daß zwei Schlüssel zur Klausur gemacht werden sollen; den zur Außentür soll der Herr Beichtiger haben und den zur Innentür die Frau Äbtissin, so daß niemand ohne Wissen und Willen des Paters hinein- oder herausgehen kann. Wenn der Pater einmal abwesend sein muß, dann soll er seinen Schlüssel einer anderen vertrauenswürdigen Person anvertrauen. Und die Klausur selbst soll sorgfältiger überwacht werden, damit nicht Männer und Frauen ein- und ausgehen, wodurch bei Außenstehenden Verdacht und üble Nachrede entstehen können. Wenn die Conventualinnen mit Erlaubnis ihrer Oberen Ausgang haben, so sollen sie außerhalb des Klosters schickliche Gewänder tragen, damit sie als Nonnen kennt­ lich sind. Ihre allzu ausgeschnittenen Kleider, ihre bis über die Hände hinausreichen­ den Spitzenmanschetten und ihre bis zu den Ohren reichenden Hemd- und Halskra­ gen sollen sie ablegen und sich mit Gewändern begnügen, die ihrem Stande und ihrem Gelübde geziemend sind. Sie sollen sich auch nicht durch Arbeit persönliche Einkünfte verschaffen, vielmehr soll das, was sie (für ihre Arbeiten) als Bezahlung erhalten, dem Convent zukommen. 67

Auch haben wir erfahren, daß der Convent mehr als 1300 Taler Schulden hat wegen der schweren Zeit und der Kriegsläufe und daß der Convent übermäßig mit Lasten beschwert wird: für eine Schuld von 300 Talern leisten sie jährlich (eine Rente von) 12 Malter Roggen, für 250 Taler 8 Malter Roggen, für 80 Taler 3 Malter Roggen und für 70 Taler 3 Malter Roggen. Sie wünschen, dies ,reverendissimo domino“ (dem Kurfürst-Erzbischof Salentin v. Isenburg) vorzutragen und ihn zu fragen, wie er ihnen helfen könne, daß wenigstens die Roggenrenten auf Geldzahlungen umgestellt werden könnten. —Einstweilen sollen sie aber sparsamer - ,frugalis‘ - leben, um allmählich aus ihrer Schuldenlast herauszukommen. Die Äbtissin soll für die einzelnen Jahre Rechnungsbücher führen und (alljährlich) an einem vorher bestimmten Tage einen Rechnungsabschluß vorlegen und ein Exem­ plar davon ins Klosterarchiv geben. Schließlich ermahnten wir (die Conventualinnen), die Ordensregel einzuhalten, Eintracht, Keuschheit und Frömmigkeit zu bewahren und sich vor Übeln aller Art zu hüten. Als wir dann zu Antwort hörten, daß sie die Vorschriften befolgen und, wenn sie bisher irgendwie gefehlt hätten, sich bessern wollten, haben wir ihnen Schweigen auferlegt, ihnen Absolution erteilt und sie entlassen. Bemerkt sei noch, daß eine Nonne namens Metzgina das Kloster verlassen hat „habitum reliquit“ - und sich in Köln aufhält. Sie wollen sie aber nicht zurückholen, weil sie dem Convent unnütz sei.“ Nach diesem Visitationsbericht hat Benden - verglichen mit anderen Klöstern69 — die Prüfung verhältnismäßig recht gut bestanden. Erstaunlich mag allerdings für manchen Leser sein, was über die damalige Kleidung der Bender Nonnen gesagt wird. Offenbar trugen sie damals keine Ordenstracht, sondern - zumindest außerhalb des Klosters - Kleider, die alle Modetorheiten jener Zeit - tiefen Ausschnitt, hohe Spitzenkragen, lang herabhängende Spitzenmanschetten u. dgl. —aufwiesen. Erstaun­ lich ist auch, daß die Visitatoren diesen Verstoß gegen die Cistercienserordensregel nicht sofort abstellen ließen, sondern die Nonnen nur milde ermahnten, sich künftig dezenter zu kleiden. Aus der Tatsache, daß die Nonnen sich modisch kleideten, kann man schließen, daß sie - selbstverständlich mit Erlaubnis der Äbtissin70, deren Großzügigkeit die Visitato­ ren aber offensichtlich mißtrauten - die Klausur öfters verließen; innerhalb der Klausur Modenschauen zu veranstalten, wäre sinnlos gewesen. Das Befolgen der jeweiligen Mode wurden den Nonnen durch ihren „Spielpfennig“59 ermöglicht. Manche besserten anscheinend ihren Spielpfennig noch in der Weise auf, daß sie gegen Bezahlung Stickereien u. dgl. anfertigten. Auch das wurde von den Visitatoren nur milde getadelt. Bemerkenswert ist die Bitte, die Visitatoren sollten beim Kurfürst-Erzbischof die Umstellung der Roggenrentenverpflichtungen des Klosters auf Geldverpflichtungen erwirken. Offenbar hatte man Natural-Erbrenten gegen Barzahlung verkauft. Das war in jener Inflationszeit ein schwerer Fehler, da das Geld bald verbraucht war, die Rentenlasten aber fortdauerten und mit dem Steigen der Kornpreise immer drücken­ der wurden. Diesen Fehler konnte indessen selbst der Landesherr nicht rückgängig 68

machen. Helfen konnte nur das, was die Visitatoren sagten: Lebt sparsamer als bisher, damit Ihr Eure Rentenlasten möglichst bald ablösen könnt! Bemerkenswert ist schließlich auch der am Ende des Protokolls gleichsam beiläufig erwähnte Fall, daß eine Nonne eigenmächtig deas Kloster verlassen hatte und weder die Abtissin noch die Visitatoren daran Anstoß nahmen71. XI. Bald nach dieser Visitation verließ auch noch eine andere Nonne —Adelheid Mirgelbach - das Kloster, um zu heiraten. Ihr Ausscheiden aus dem Bender Konvent warf beim Palmersdorfer Hofgericht des St. Cäcilienstifts eine Rechtsfrage auf, zu deren heutigem Verständnis man im Buch der Geschichte um ein volles Jahrtausend zurück­ blättern muß: Seit mindestens dem 10. Jh. war Palmersdorf der Haupthof einer großen Grund­ herrschaft des St. Cäcilienstifts zu Köln. Nur das „Salland“72dieser Herrschaft wurde unmittelbar vom Haupthof aus durch Fronarbeiter bewirtschaftet. Alle anderen Ländereien waren - in „Hufen“73 aufgeteilt —zu Lehen ausgegeben. Jedes dieser Lehen war ursprünglich höchstpersönlich; nach dem Tode des Lehnsträgers fiel die Hufe mit allem lebenden und toten Zubehör an den Lehnsherrn zurück, und dieser konnte beliebig darüber verfügen. Allmählich wurde es dann Brauch, daß der Lehns­ herr eine heimgefallene Hufe wieder an die Erben des verstorbenen Lehnsträgers ausgab, und in der Stauferzeit verfestigte sich dieser Brauch zu einer Rechtspflicht: die Lehen wurden erblich. In Erinnerung daran aber, daß die Wiederausgabe eines Lehns an die Erben ursprünglich ein Gnadenerweis des Lehnsherrn war, oblagen jedem Erben zwei Pflichten: Er mußte die Lehnserneuerung ausdrücklich erbitten„das Lehn muten“ -, und er mußte - als Symbol dafür, daß eigentlich das gesamte Zubehör seiner Hufe dem Lehnsherrn heimgefallen war und ihm nur gnadenhalber weiterbelassen wurde - dem Lehnsherrn das beste Stück dieses Zubehörs herausge­ ben. Bei großen Hufen, die mit Pferdegespannen bewirtschaftet wurden, war das beste Pferd abzugeben, bei kleineren Lehen die beste Kuh, bei ganz kleinen der beste Pflug74. Weil der Lehnsherr sich das beste Stück jeweils selbst aussuchen - „küren“ durfte und weil man solche Leistungen als „mede“75 bezeichnete, nannte man die für eine Lehnserneuerung zu leistende Abgabe „kurmede“ oder „Kurmut“. Lehen, für deren Erneuerung das beste Pferd abzugeben war, nannte man „Pferdskurmuten“. In Erinnerung daran, daß jedes Lehn ursprünglich nur auf Lebenszeit des Lehns­ trägers ausgegeben wurde, mußten Körperschaften, die ja ihrem Wesen nach unsterb­ lich sind, wenn sie belehnt werden wollten, eines ihre Mitglieder als „Empfangende Hand“ benennen. Für die Lehnserneuerung nach dem Tode einer solchen Empfangen­ den Hand war Kurmut zu entrichten. Deshalb benannten Klöster gewöhnlich ihr jeweils jüngstes Konventsmitglied. Zuständig für die Lehnserneuerung war das mit den Hofgeschworenen besetzte Gericht76 des Hofs, von dem das Lehn abhing. Dabei wurde ein von altersher festgelegtes Zeremoniell gewahrt. Die Aufzeichnung des Gewohnheitsrechts - das „Weistum“ —des Hofs Palmersdorf77 bestimmte dazu: „Item wann eine Empfangende 69

Hand verstorben und ein Kurmutsgut frei geworden ist, so sollen die, auf deren Gut die Kurmutspflicht lastet, binnen dreißig Tagen. . . auf den Hof zu Palmersdorf bringen die Pferde, welche die letzte Fuhren und Furchen gezogen haben, und diese an den Zaun des Hofs binden. Dann sollen die Geschworenen das beste Pferd davon bezeichnen und der Frau Abtissin zu Verfügung stellen. . .“ Noch anschaulicher sagt das Weistum des Stapelhofs zu Sechtem78: „. . . wan nu einiger empfangender hand ablebig wurde, sollen die parteien (Kurmutspflichtigen) binnen siben tagen negstdarnach erscheinen und brengen die pferde, so das lest (zuletzt) tal und berg gemacht oder gewonnen (bearbeitet) haben, vur den geschworenen auf den Stapelhof, und alsdan soll der geschworen (die Gesamtheit der Hofgeschworenen) umb die pfert gähn, dieselben besiehen, aber nit im mond (Maul), und wilch pferd der geschwore­ nen aussetzet, soll der jungst geschworen auf das rechte hinderschinkel dasselb pferd schmitzen, und das ist dann den hem zu Keldenich erfallen, also daß die hem dasselb zu sich unter ihrem sadel, an ihrem wagen oder pfloch (Pflug) annhemen oder dasselb verkaufen oder auf gnad wider überlassen mögen, wie es inen gefeit.“ Da die Äbtissin von St. Cäcilien keinen Bedarf an Ackerpferden hatte, war es in Palmersdorf üblich, daß das für sie ausgewählte Pferd vom Kurmutspflichtigen zum jeweiligen Marktpreis zurückgekauft wurde. Vom Hof Palmersdorf hingen noch im 17. Jh. 20 Pferdskurmuten ab79. Die VII. Pferdskurmut war der Hof Engendorf, den das Kloster Benden wohl schon seit dem 13. Jh. besaß. Bis 1512 war Elisabeth Homberg Empfangende Hand gewesen, 1512—1541 Christina Ruttenbach, und deren übernächste Nachfolgerin war dann Alheit Mirgelbach. Zu dieser ist im Protokoll des Hofgerichts Palmersdorf vom 1. Juni 157580 vermerkt: „. . . hat habitum mutirt (das Ordenskleid abgelegt) und auß dem convent gangen und zu der ehe gegriffen, alßo daß sich dieselbige juffer Alheit, waß diß belangt, lebendig doit gemacht.“ Deshalb wurde das Kloster Benden aufgefordert, Kurmut zu leisten und eine andere Empfangende Hand zu benennen. In Benden drehte und wand man sich; man konnte aber nicht bestreiten, daß Alheit kirchenrecht­ lich als „verstorben“ galt, weil sie eigenmächtig aus dem Orden ausgeschieden war. So wurde schließlich im Hofgerichtsprotokoll vom 26. Juni 157881 vermerkt: „. . .wegen thoitlichen abgancks Alheidten van Myrgelbachs alß endtpfangen handt des cloisters zom Benden van wegen ihres hoffs zu Engendorff, so churmodich, ist ein pfertzchurmoidt erfallen undt derhalben, solchs zu verthedigen schuldich, seindt die pferdt, welche deß vurß. hoffs Engendorff lenderey gewonnen, uff den hoff Palmstorff bracht worden, undt hatt der gemein geschworen die 4 pferdt besehen undt eins under denen / welchs ein schwarzer moir gewest / durch den jüngsten geschwoirn laissen ußzeichnen, damit mein gnedige fraw (Äbtissin von St. Cäcilien) ihr bests mag schaffen.“ Als Empfangende Hand benannte Benden dann Catharina Gibels, die einige Jahre später Priorin wurde und von 1589 bis zu ihrem - natürlichen - Tode 1616 Äbtissin war. XII. In den Jahren 1583 —1589 wurde der Brühler Raum von zuchtlosen Landsknechtshau­ fen beherrscht, den Söldnern des 1583 abgesetzten Erzbischofs Gebhard Truchseß v. 70

Waldburg und den Söldnern, die für dessen Nachfolger Ernst v. Bayern angeworben worden waren. Man nennt jene Zeit den „Truchsessischen Krieg“82, obwohl die beiderseitigen Söldner nicht so sehr gegeneinander Krieg führten als vielmehr auf eigene Faust das Land ausplünderten und verwüsteten. In jener Zeit erlitt das Kloster Benden so schwere Schäden, daß sein Weiterbestehen gefährdet erschien. Der Krieg begann damit, daß Herzog Friedrich v. Sachsen - ein junger Domherr, der die zur Vertreibung des abgesetzten Erzbischofs angeworbenen Söldner befehligte - am 13. Februar 1583 Stadt und Schloß Brühl im Handstreich einnahm83. Bald danach begannen die truchsessischen Landsknechte von Bonn aus durch Streifzüge das Land unsicher zu machen. „In einer nacht sin sie zu Alfter körnen, (haben) die leut spolieirt (ausgeplündert). . . und haben da das beginnencloister überfallen und die jonfern beraubt, nackt und blois, (und) wer in der eil nit umbgeworfen (vergewal­ tigt wurde), vertriben.“ Von Benden forderten sie 3000 Gulden mit der Drohung, sonst „das cloister und ire haif (Höfe) anzustechen und mit feur zu verbrennen“84. Das veranlaßte die Bender Nonnen, schleunigst ihr Kloster zu verlassen. Sie gingen nicht nach Brühl, denn die dortigen Landsknechte waren nicht anders als die in Bonn; überall war Landsknechtsbrauch, den Sold, der meist nur schleppend gezahlt wurde, durch Erpressungen und Plünderungen aufzubessern85. Einige Nonnen flüchteten sich mit ihrem Beichtiger nach Köln, wo sie bei dem Pfarrer von St. Jacob Unterkunft fanden, andere gingen zu ihren Eltern oder Verwandten nach Münstereifel. Über ein Jahr lang mußten die Bender Nonnen im Exil leben, bis Hermann Weinsberg in seinem Tagebuch vermerken konnte: „Anno 1584 den 24. Maii sin die jonferen van Benten widder aus Coln in ir cloister zu Benten gezogen.“86 Nach der Rückkehr wurde offenbar eine Bestandsaufnahme des verbliebenen Vermögens gemacht. Schrils erwähnt mehrmals ein Urbar vom Jahre 1585, das er als Vorlage benutzte87. Eine solche Vermögensübersicht war nötig, denn die Brandschatzungen und die Kosten des Exils hatten dem Kloster Benden eine schwere Schuldenlast aufgebürdet. So mußte sich die Äbtissin Christina Gymnichs entschließen, zur Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage des Klosters - erstmals seit 250 Jahren - einen Hof zu verkau­ fen. „Zu queitirung des schweren schuldenlasts, darin wir in disen beharligen benach­ barten kriegsemporungen gerathen, und zu befreiung und aufnehmen anderer unser und unsers gotshauses gütteren“ verkaufte sie am 10. November 158788 das Heim­ bachsgut zu Eckdorf an die Eheleute Junker Quad v. Landskron zu Rindorff und Barbara Haas. Christina Gymnichs handelte dabei nicht übereilt und eigenmächtig. Sie ließ den Kaufpreis durch „gutachten und underhandlung unserer darzu erpettener frunde“ festlegen und sofort in Gold- und Silbermünzen auszahlen. Der Abt von Altenkamp „als unser verordent oberheubt und visitator“ prüfte und genehmigte den Vertrag und bekräftigte die Urkunde mit seinem Siegel. Auch wurden —als Mitverant­ wortliche - im Vertrag ausdrücklich erwähnt: Catharina Gibels Priorin, Catharina Tontorfs Kellnerin, Christina Gauweins, Anna Rick „schreibmeistersche“, Damiana Kolhass und Cecilia Neckeis „cüstersche“. Trotzdem machte ihr Schrils später schwere Vorwürfe, indem er schrieb: „. . .Abtissin Christina Gymnich /: welche 71

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allein 2 iahr regirt und vielle erbgüter verkaufft hat, in specie die güther tzu Eckdorpf ahn Juncker Quad tzu Rheindorpf :/ . . .Summa: schlechte Regierung und gar schlechter Verstand hat Closter Benden umb seine besten gütter und in schwäre lasten gebracht!“89 Wenige Wochen nach diesem Verkauf flammte der Krieg von neuem auf. Am 22. /23. Dezember 1587 gelang es dem von Gebhard Truchseß angeworbenen Lands­ knechtsführer Martin Schenk v. Nideggen, Bonn zu überrumpeln, und am 26. Dezember forderte Schenk auch Brühl - allerdings vergeblich - zur Übergabe auf. Hals über Kopf flüchteten sich nun die Bender Nonnen am 30. Dezember zum zweiten Male nach Köln90. Sie taten gut daran, wieder nicht nach Brühl zu gehen, denn Erzbischof Ernst schickte von Lüttich aus den Landsknechtsführer Stör mit wallonischen Söldnern zum Gegenstoß vor, und diese errichteten in Brühl eine Schreckensherrschaft. Am 29. Januar 1588 „ist her Stoir mit etlichem kreichsfolk zu pferde und fois wolgerust uff Broil körnen, die stat und schloss ingenomen, den bürgern überlestig gewest. . . Die von Broil sind spolieirt und nit besser gehalten dan die zu Lechenich“ (das am 23. Januar von den Wallonen geplündert und verwüstet worden war)91. Am 23. März „. . . haben die Welschen aus Broil das feur in das dorf Efferen gestochen und vil Schadens mit abbrenden der huser und hoiffe getain“92. Die Brudermeister der St. Sebastianus-Bruderschaft zu Brühl vermerkten in ihrer Rechnung für 1588: „Hie ist zu wissen, dweil die burger und umbgesessenen nachparen vom kriechsvolck des Princen van Chynon usw., so Bonn belagert, gentzlich verderbt und bynnen Bruel alles verwuest worden, derhalb ist durchauß die halbscheidt aller pechten nachgelassen.“93 Welche Folgen die Verwüstungen für das Kloster Benden hatte, zeigt eine Urkunde vom 17. Dezember 158894. Laut dieser Urkunde verkauften „Christina Gimnich abdiß, Catharina Gybelß prioriß, Catharina Tontorffs kelnersche vort semptliche junfferen des gotzhauses und closters Merrienn Bendenn bey dem Bruell“ „mit gueter zeitlicher vorbetrachtung und einhelligem rath, so wir in unserm versambleten capitell hirumb capitulariter wie bei uns gewonlich, vergadert (versammelt) zusam­ men gehabt und gepflogen“ „zu erbauwung und reparation unser beider hoffen Neuwenhoff und Engendorff. . ., so bey diesem noch schwebenden Colnischen krieg verheert und abgebrandt“ 60 Morgen Ackerland im Meschenicher Feld an Matthies van Berchem, Fleischhauer und Bürger zu Köln, und dessen Ehefrau Anna. Da der Abt von Kamp anscheinend nicht erreichbar war, wurde der Vertrag dem kölnischen Offizial (erzbischöflichen Oberrichter) vorgelegt und von diesem am 20. Dezember 1588 genehmigt95. Dem widersprach aber der Abt von Kamp, „da wir als gemelten closters superior et Ordinarius visitator inhalts unseres Ordens Statuten zu itzgemeltem verkauff unsern consensum nit adhibiert (Zustimmung nicht gegeben)“. Daraus ent­ stand ein Prozeß, der bis zum Reichskammergericht in Speyer getrieben wurde96. Da eine alsbaldige Entscheidung nicht zu erwarten war, einigten sich die Streitparteien am 19. September 1606, daß die Eheleute Berchem noch 211 Taler zuzahlen sollten, woraufhin der Abt von Kamp am 23. März 1607 den Vertrag genehmigte97. 72

Mit dem Erlös dieses Verkaufs konnte Benden aber anscheinend nur den Engendor­ fer Hof wieder aufbauen. Der Neuenhof wurde 1589 an einen Johann Meinertzhagen aus Köln verkauft98. XIII. Das dem Kloster Benden nach dem Truchsessischen Krieg verbliebene steuerbare Grundvermögen ist in der Steuer-Description von 159999 ausgewiesen: Nr. 185) Conventus Virginum in Mariae Beenden In dere Burgerschafft Bruelhe ahm Closter einen hoff, heit artlandts (Ackerland) 100 (Morgen), thuet jahrpachts roggens 23 (Malter). Noch einen hoff, gnant Roede (Rodderhof), thuet von 90 morgen heidenlandts roggen 20. Zum Bruelhe von 26 morgen artlandts roggen 11. Von einer bachmüllen, 9 morgen heidenlandts und Vi morgen gartens ahn roggen 11. Von einer bachmüllen und 6 morgen heidenlandts roggens 10. Im Ambt Bruelhe zu Engendorff der hoff heit artlandts 126; thuin in all mit dere ausgulten weitzens 4 roggens 35.8, gersten 1.4. Zu Vochem artlandts 30, thun roggens 9. Im Ambt Bonn zum Hemmerich weingarts 2.8, baumgarts 8, ad 90 thlr, den morgen. Zu Erpp einen Zehnden100, thuet roggens 13, gersten 7. Zu Wolckenburg101 hauß undt hoff thlr 672, weingarts 2 ad 60 thlr, 3.8 artlandts ad V2 ml roggen den morgen. Nr. 587) Matthias von Bercheim Burger in Collen102 hat im Ambt Brulhe zu Meschenig und Immendorff vom Closter Beenden etlig artlandt, thuet roggens 12. Nr. 589) Johann Meinertzhagen Burger von Collen hat im Ambt Bruelhe den Newenhoff vom Closter Beenden, thuet jahrs weit­ zens 10, roggens 40, gersten 8. Nr. 590) Johann Maesen Erben in Colin haben zum Bruelhe vom Closter Beenden artlandts 4 morgen ad Vi malder roggens den morgen. Nr. 591) Dieterich Pflügers Wittibe hat zum Bruelhe vom Closter Beenden ahn artlande 3 morgen. Nr. 592) Johan Zolner zum Bruelhe hat vom Closter Beenden artlandts 5 morgen, thuen in simplo (werden bei der allgemeinen Steuer der Bürger erfaßt). Nr. 593) Eberhard Pfannenbecker zum Bruelhe hat vom Closter Beenden artlandts 4, thuen?. Nr. 594) Johanns Quaden von Landskron Erben zu Rheindorf haben im Ambt Bruelhe zu Badorff vom Closter Beenden an artlandt 9 morgen ad V2 malder roggens, weingarts ad 70 thlr den morgen. 73

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Diese Description beruht auf den Erklärungen, die das Kloster ßenden selbst abgegeben hatte. Deshalb sind offensichtlich sowohl die Größe als auch die Beschaf­ fenheit der einzelnen Besteuerungsobjekte untertrieben dargestellt. Beispielsweise umfaßte der an erster Stelle ausgewiesene Klosterhof nach der Description nur 100 Morgen Ackerland; nach der Vorlage von Schrils dagegen - dem der Description etwa gleichzeitigen Urbar von 1585 - umfaßte er 230 Morgen; Schrils berichtigte diese Angabe auf 183 Morgen, da mittlerweile mehrere Grundstücke einzeln verpachtet worden waren. Und der Rodderhof umfaßte keineswegs nur 90 Morgen Heideland, für die jährlich 20 Malter Roggen als Pacht zu entrichten waren. Nach dem Pachtver­ trag vom 13. Januar 1694103 und den Aufzeichnungen von Schrils104 - nichts läßt darauf schließen, daß sich die Größe und die Ertragskraft dieses Hofs mittlerweile sehr verändert hatten - brachte der Rodderhof dem Kloster Benden von 124 Morgen Ackerland an Pacht ein: 25 Malter Roggen, 1 Malter Weizen, 12 Malter Hafer, 3 Sumber Erbsen, 2 Ferkel vom Trog, zu Ostern ein fettes Kalb, 4 Quarten Butter, 100 Eier, 2 gute „saterstagh käs“, zu Neujahr 7 Reichstaler, „umb den fastabendt den jungfern eine gute mahlzeit mit wein“, ferner 100 Bund Stroh, zwei Holz- und zwei Weinfahrten nach Köln sowie 30 zweispännige Holzfahrten in die Bender Büsche. Auch hatte der Pächter jährlich drei „rindtbeesten“ des Klosters zu mästen und zwei Schweine des Klosters bei seiner Herde zu halten. Ähnlich untertrieben waren auch die Leistungen des Hofs Engendorf dargestellt105.

1 Der Turm mit der Barockhaube ist allerdings erst 1889 erbaut worden. 2 Der Name dieses Bachs hat nichts mit einem kriegerisch erfochtenen Sieg zu tun, sondern ist mit dem Flußnamen Sieg verwandt. Seit dem 18. Jh. wurde er allmählich durch die Bezeichnung Mühlenbach verdrängt, der heute alleingebräuchlich ist. Wie das obere Siegesbachtal vor seiner Umgestaltung durch den Braunkohle­ bergbau aussah, hat J. Walter im Rhein. Braunkohlenbergmann, März 1937, beschrieben. 3 Das Wort „Elfter-“ ist wohl - ebenso wie der Ortsname Alfter - von „albatar“ (Weißpappelbaum) abzuleiten. Auf das Zahlwort elf wurde es erst seit Anfang des vorigen Jahrhunderts bezogen. In der Katasterkarte von 1841 wird der Bach als „Ellftergraben“ und ein anliegendes Flurstück sogar als „Am elften Graben“ bezeichnet. Die dabei gedanklich vorausgesetzten zehn anderen Gräben hat es aber nie gegeben. 4 Der erzbischöfliche Fronhof Merreche war die Keimzelle des heutigen Stadtteils Brühl-Kierberg. 3 Von diesen beiden Bezeichnungen gab es viele Varianten: in Prato, ad Pratum, in Pende, de Beende u. ä. Am gebräuchlichsten wurden schließlich Marienbenden oder einfach Benden. 6 Dieser 45 Seiten starke „Liber bonorum monasterii beatae Mariae virginis in Prato a sua fundatione“ wurde von dem Altenberger Mönch Constantin Schrils geschrieben, der 1699 —1722 Beichtiger in Benden war, und von dessen Nachfolger Nikolaus Daniels (1731 —1739) und Joseph Mertens (1740—1744) mit einigen kurzen Nachträ­ gen versehen. Seit Ende des 18. Jh. in Privatbesitz - u. a. von F. v. Mering und G. Mevissen - , wurde das Urbar 1887 vom FIAK erworben. 7 Die von Claassen (Anm. 8) zitierten Cistercienserchroniken von Miraeus und Sartorius waren dem Verfasser nicht zugänglich. 8 In seiner Zwölf-Zeilen-Notiz bemerkte Claassen, daß das Kloster nach dem Brande von 1503 dreißig Jahre lang wüst lag („ensevell dans ses ruines“) und daß der Wiederaufbau erst 1589 beendet war. Diese dann auch von Rosellen übernommene Bemerkung - die wichtig ist für die Beurteilung der Lage des Klosters während der Reformationszeit - steht im Widerspruch zu allen aus dem 16. Jh. überlieferten Archivalien. Nach dem Urbar (Anm. 6) ist die neue Klosterkirche schon am Sonntag Jubilate des Jahres 1525 geweiht worden.

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9 Rosellen erwähnt zwar a. a. O., S. 615 den Titel, hat aber von der Existenz dieses Urbars anscheinend erst etwas erfahren, als er sein Manuskript schon abgeschlossen hatte. 10 Urbar, S. 6 und S. 3. 11 Dazu bemerkte Daniels allerdings am Rande auf lateinisch: „Das bezweifeln aber sehr viele; und es ist auch nicht gut, wenn man davon spricht, damit nicht die Barone v. Hersei ein Patronatsrecht daraus herleiten.“ 12 Nach Claassen (Anm. 8) schrieb Miraeus, daß an dieser Stelle schon im Jahre 1135 ein Kloster gestanden habe, das von Altenkamp mit Mönchen besetzt worden sei. Diese Bemerkung, die auch Rosellen übernommen hat, ist sicher unrichtig. (Vgl. M. Dicks, Die Abtei Camp, Kempen 1913, S. 675, Anm. 159.) Vermutlich hat Miraeus Benden mit Walberberg verwechselt. 13 Erstmals wird das Kloster Benden - als Conventus b. Marie in Prato iuxta Merrege - erwähnt in einer Urkunde von 1231 (HStAD Kloster Benden Urk. 1). Vielleicht ist aber die undatierte Urkunde HStAD Altenberg Urk. 50 noch älter, da mit den darin erwähnten „sanctimoniales de Merrege“ zweifelsfrei die Bender Nonnen gemeint sind. 14 Vgl. St. Margareta Urk. 1, abgedruckt bei Rosellen a. a. O., S. 594. 15 Außer dem H of in Hersei besaßen sie den Burghof in Vochem sowie in Brühl den späteren Kempishof und zahlreiche unterverlehnte Häuser und Hufen. 16 Ein Johannes de Hersele war 1271 —1296 Canonicus zu St. Cassius in Bonn. 17 Ein Ritter Johannes de Hersei war Schwiegersohn des 1292 verstorbenen Ritters Daniel Judde (HAK, Schreins­ buch 447, Abt. II, Nr. 112). 18 So Rosellen a. a. O., S. 134; urkundlich allerdings nicht belegbar. 19 Walberberg wurde von Hoven besiedelt, Burbach von Mariengarten zu Köln. Zu diesen beiden Klöstern hatte aber Benden keinerlei Beziehungen. Der früheste Beleg dafür, daß Benden ein Cistercienserinnenkloster war, ist die im Text zu Il.d) erwähnte Urkunde von 1238. 20 Das Hofgelände ist im Urbar S. 10 ff. beschrieben. Nach den überlieferten Archivalien ist dieser H of immer durch bezahlte Arbeitskräfte bewirtschaftet worden. Nichts deutet darauf hin, daß die Nonnen selbst jemals landwirtschaftlich tätig waren. Als sie im Jahre IX kein Geld hatten, ihre Knechte und Mägde zu bezahlen, verpachteten sie den H of als Ganzes (HStAD, Roer-Departement Nr. 792). 21 Der heutige (Alt-)Engeldorfer H of umfaßte 255 Morgen und war bis zur Aufhebung des Klosters immer verpachtet. 22 Der Neu(en)hof wurde 1589 verkauft. 23 Dieser Hof, zu dem 400 Morgen Ackerland gehörten, wurde am 2. Februar 1325 für den außerordenltich hohen Preis von 1200 Mark an den Ritter Cuno Marschall v. Alfter verkauft (HAK Karmeliter Urk. 1/12). 24 Die „Mühle am Kloster“ wird schon 1231 als Klosterbesitz erwähnt (HStAD, Benden Urk. 1), die „Mühle zu dem Hederyche“ - seit dem 18. Jh. nach dem Pächter Mattheis Frühe (1721 —1762) „Theismühle“ genannt erstmals 1319 (HStAD, Benden U rk. 8). 25 Sie sind in der Limitation von 1655 (HStAD, Benden Akten 7) ausführlich beschrieben. 26 HAK, HUA Nr. 42a, dazu MBG S. 15. 27 Urbar, S. 45. 28 Urbar, S. 21: „Diesen H off hat das Closter ahn sich gebracht und gekaufft anno 1296 von dem Herren Vollquin Ritter.“ 29 Mitt. a. d. Stadtarchiv Köln, Bd. 24/25 und 26/27. 30 Z. B. Planitz-Buyken, Schreinsbücher, Nr. 511, 545, 1613, 1752. 31 Z. B. HStAD, Benden Urk. 2 von Juli 1236. 32 Z. B. HStAD, Benden Urk. 3 von 1256. O ft wurden in einem Testament mehrere Klöster gleichzeitig bedacht. Viele Belege für Bender Besitz in Köln bringt Gerd Steinwäscher in seiner Abhandlung über die Zisterzienser­ stadthöfe in Köln, Bergisch Gladbach 1981. 33 HStAD, Benden Urk. 6. 34 HAK, H U A Nr. 42a GB. 35 Archiv Wolff-Metternich zu Vinsebeck, Urk. 830 von 1272 März 13. 36 Urbar, S. 21.

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37 HAK, HUA Nr. 489, abgedruckt in Ennen, Quellen. . . Bd. IV, Nr. 149. Schrils hielt diese Urkunde für so wichtig, daß er in das Urbar, S. 2 eine „uhralte“ (aber sehr flüchtige) Übersetzung abschrieb. 38 Warum Bruno Hardevust ausdrücklich um die Entsendung von Bender Nonnen bat, laßt sich aus den bisher bekannten Archivalien nicht erklären. Vielleicht wollte er aus Mechtern ein Hardevust-Familienkloster machen und einer der Hardevusttöchter, die damals in Benden waren, die Chance geben, Äbtissin zu werden. 39 In jener Zeit erörterte das Generalkapitel des Cistercienserordens einen Antrag Kölner Bürger, Nonnen aus Benden an einen anderen O rt zu versetzen; die Äbte von Heisterbach und Valdieu wurden beauftragt, die Sache zu untersuchen und darüber zu berichten (Ferd. Schmitz, Urkundenbuch der Abtei Heisterbach, Bonn 1908, Nr. 182). F. Schmitz datiert diese Erörterung in das Jahr 1281. Das kann aber nicht richtig sein, denn offensichtlich handelte es sich um die Versetzung der Bender Nonnen nach Mechtern, die schon 1277 durchgeführt wurde. 40 HAK, St. Katharina Urk. 1/39. 41 HAK, Karthäuser Urk. 2/529. 42 Ausdrücklich allerdings erst 1664 belegt (HStAD, Benden Urk. 37). 43 Erstmals zweifelsfrei belegt Christian Kassel 1616—1633. - Die Äbtissin Agnes Hoerdt (1748 —1769) war eine Schwester des Altenberger Abts Johann Hoerdt. 44 Vgl. Kap. 6. 45 Archiv Wolff-Metternich zu Vinsebeck, Urk. 209. 46 Die jüdischen Geldverleiher nahmen damals über 70% Zinsen jährlich; (vgl. Kap. 8, Anm. 21). 47 HAK, St. Pantaleon Urk. 3/173. 48 Urbar, S. 6. 49 K. Demandt, Regesten der Grafen von Katzenellenbogen, Wiesbaden 1953, Nr. 1805. 50 Im Brühler Raum läßt sich allerdings nur ein einziger echter Halbwinnervertrag nachweisen: der Vertrag vom 4. Februar 1357, mit dem der Vochemer Fronhof des St. Georgsstifts an den Knappen Heinrich v. Ossendorf verpachtet wurde (HStAD, Hs.N.XI.l). In der Folgezeit wurden zwar alle Pächter der großen Höfe als Halfen oder Halbwinner bezeichnet; laut ihrer Pachtverträge waren aber die von ihnen zu erbringenden Leistungen nie ernteabhängig, sondern immer fest bemessen. N ur Weinberge wurden meitst für die Hälfte des Leseguts verpachtet. 51 Die letzte adlige Nonne war anscheinend die 1440, 1441 und 1446 erwähnte Katharina, Tochter 1. Ehe des Ritters Conzo v. Zudendorp zu Fischenich. Die später in Namen noch oft vorkommende „van“ war wohl kein Adelsprädikat, sondern eine Herkunftsbezeichnung. 52 HAK, Karthäuser Urk. 1/529. 53 Druda Plucks urkundete schon 1433 als Äbtissin (HAK, HU A Nr. 10 928). Bemerkenswert ist, daß an dieser Urkunde das Äbtissinnen- und das Conventssiegel hängen. Vielleicht kann man daraus schließen, daß damals die vermögensrechtlichen Befugnisse der Äbtissin zugunsten des Convents eingeschränkt worden und die Äbtissin zum Ausgleich dafür ein bestimmtes Sondergut erhielt, dessen Nutzung ihr persönlich zustand. Für diese Vermutung spricht, daß in der Buschlimitation von 1655 (HStAD Benden Akten 7) zwei Waldstücke als „Abdeyen Siggel“ und „Convents Siggel“ bezeichnet werden. (Auf der Katasterkarte von 1841 sind diese Waldstücke als „Kleiner Bendersiegel“ und „Großer Bendersiegel“ eingezeichnet.) Das Wort „Siegel“ wäre dann hier ein Kurzausdruck dafür, daß über diese Sonderung eine - heute verlorene —besiegelte Urkunde ausgestellt worden war. Die Redewendung „dafür habe ich (Brief und) Siegel“ war vorzeiten gleichbedeutend dem Ausdruck „darauf habe ich einen Rechtsanspruch“. Ähnlich war die beim Fronhof Vochem des St. Georgstifts bestehende Regelung, nach welcher der H of als solcher zum Kapitelsgut gehörte, dem Propst aber die Sondernutzung an 60 Morgen Busch zustand. 54 Nach dem Ingeldenregister der Baumeisterei Brühl (HStAD Kurköln Kartular 3, Bl. 132) war Druytgin Plucks „entfangende hant“ für eine halbe Hufe zu Pynstorp, Bela van Zyss für eine ganze Hufe zu Pynstorp, Styna van Bomberch (erwähnt schon 1417, HAK, HU K Nr. 1/8800) für eine Hufe zu Merche und Druytgin Meyllin für eine halbe Forsthufe zu Merche. Der Rechtsausdruck „entfangende hant“ wird in Abschn. XI erklärt. 55 Eine Priorin wird schon 1351 erwähnt (HStAD Benden Urk. 15).

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56 Im Auftrag des Generalkapitels des Cistercienserordens hatten die Äbte von Kamp, Heisterbach und Altenberg das Kloster Walberberg visitiert und festgestellt, daß die Nonnen dort zuchtlos lebten, „vita et regimine ipsarum irregulari et detestabili“. Deshalb hatte Erzbischof Dietrich kraft eines ihm von Papst Sixtus erteilten Mandats die Äbtissin und die Nonnen in andere Klöster versetzt und an ihre Stelle Mönche aus Heisterbach nach Walberberg berufen (HAK Jesuiten Urk. 351). 57 In jener Fehde wurde der Dornhof in Schwadorf völlig zerstört (HAK St. Kunibert Urk. 1/479); über Kriegsschäden des Klosters Benden sagen aber die bisher bekanntgewordenen Archivalien nichts aus. 58 G. Droege, Verfassung und Wirtschaft in Kurköln unter Dietrich von Moers,Bonn 1957, S. 59: „. . .die Kräfte seines Erzstifts. . . wurden in unerhörterWeise ausgebeutet.“ 59 Bemerkenswert ist, daß nach den bisher bekanntgewordenen Archivalien damals den Nonnen regelmäßig Leibzucht (lebenslängliche Privatnutzung) an ihrer Mitgift Vorbehalten wurde und der Convent erst nach ihrem Tode über das eingebrachte Gut frei verfügen konnte. Die strenge Cistercienserordensregel, daß niemand, der Profeß geleistet hatte, noch Privatvermögen haben könne, wurde also nicht mehr befolgt. Seit mindestens dem 17. Jh. bezeichnete man das Geld, über das eine Nonne nach ihrem Belieben verfügen konnte, als deren „Spielpfennig“ (vgl. z. B. den Vertrag vom 13. September 1673, HStAD Benden Akten 1). 60 F. Winter, Die ehemaligen Cistercienserinnenklöster im Herzogtum Cleve, Annalen Bd. 86, S. 78. 61 Urbar, S. 7. 62 Dorothea Isgens ist sonst urkundlich nicht nachweisbar. Vielleicht war sie eine Nichte der 1464—1488 erwähn­ ten Äbtissin Adelheid Isgens. 1496 war Bela Hauck Äbtissin. 63 Es fällt auf, daß die 1503 und 1525 erwähnten Beichtiger Altenberger - und nicht Kamper - Mönche waren, während nach Schrils (Urbar, S. 10) Christina Ruttenbach ihr Testament „mit Consent und Willen des ehrwürdigen H errn Hn. Johan van Gülch, Abt zum Alten Camp, ordinis commissarii (!)“ gemacht hatte. 64 Urbar, S. 9. 65 Leider ist nur eine einzige von Christina Ruttenbach ausgestellte Erwerbsurkunde erhalten geblieben (HAK Karthäuser Urk. 1/797; dazu Gegenurkunde HStAD Benden Urk. 32). Auch ihre Rechnungsbücher, die Schrils offenbar noch gesehen hat, sind verschollen. 66 Rosellen schreibt (a. a. O ., S. 131) über die Lage des Klosters in dieser Zeit: „Zum zweiten Male wurde es (das Kloster Benden) ein Raub der Flammen im Jahre 1503 unter der Äbtissin Dorothea Ruttenbach (!), blieb alsdann 30 Jahre lang verlassen, während die Nonnen sich nach allen Seiten zerstreuten und nur wenige in einer elenden Hütte zusammen lebten, bis die Äbtissin Christina Ruttenbach mit geringen Mitteln es wieder aufzubauen begann. Doch konnten weder sie, noch einige andere Äbtissinnen das Werk vollenden.“ 67 A. Franzen, Die Visitationsprotokolle der ersten nachtridentischen Visitation im Erzstift Köln unter Salentin von Isenburg im Jahre 1569, Münster/Westf. 1960, S. 158 ff. Visitatoren waren Theobald Craschel, Professor der Theologie, Dr. jur. Johannes Swolgen, Dechant von St. Andreas, und Lic. jur. Johannes Gyr, Dechant von St. Aposteln. 68 Franzen (a. a. O., S. 159, Anm. 2) geht davon aus, daß die Lage des Klosters im Jahr 1569 so schlecht war wie sie Rosellen (Anm. 66) dargestellt hatte. Da dies nicht zutrifft, entspricht Franzens Meinung, der Novizinnen­ mangel sei durch die Arm ut des Klosters verursacht worden, nicht den seinerzeitigen Gegebenheiten. Die damalige allgemeine Unlust, in Klöster zu gehen oder in Klöstern zu verbleiben, hatte andere Ursachen, die hier nicht zu erörtern sind. 69 Vgl. z. B. Franzen a. a. O ., S. 217, S. 268, S. 279 und S. 317. 70 Wer zur Zeit der Visitation Äbtissin war, ist im Bericht nicht angegeben. Vermutlich war es Maria Fonck aus Münstereifel. Nach deren Schrift zu schließen (der Urkunde HAK Karthäuser Urk. 1/919 vom 27. April 1567 liegt ein handgeschriebener Zettel bei), war sie eine recht selbstbewußte Frau. 71 Da diese Metzgina (Mechtild) offenbar das Kloster verlassen hatte, ohne rite aus dem O rden entlassen zu sein, mußte sie ihre Mitgift im Stich lassen. 72 Nach der Auflösung der grundherrschaftlichen Strukturen wurde aus dieser „curtis“ ein gewöhnlicher Pacht­ hof, der Palmersdorfer „Cäcilianerhof“. Das Gelände dieses Hofs - 1807 rund 60 ha - war das vormalige Salland; die Abgaben der Lehnsträger waren - soweit sie nicht im Lauf der Jahrhunderte abgelöst oder in Vergessenheit geraten waren - zu „Ingelden“ des Hofs geworden.

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73 Als „Hufe“ bezeichnet man eine Wirtschaftseinheit, die eine Hofstelle mit so viel Ackerland, Wiesen und • sonstigem Zubehör umfaßte, daß eine Familie davon leben und der Hufner die von seinem Lehnsherrn geforderten Dienste und Abgaben leisten konnte. Ritter, die ihrem Lehnsherrn jederzeit mit Knechten und Pferden zur Verfügung stehen mußten und deshalb ihr Land nicht selbst bearbeiten konnten, erhielten so viel Land, daß sie unterverlehnen und von den Abgaben ihrer Lehnsleute auskömmlich leben konnten. 74 Als Kurmut für ein „Pflugsgut“ wurde schon seit dem 14. Jh. nicht mehr ein wirklicher Pflug, sondern eine symbolische Silbermünze - der „silberne Pflug“ - gegeben. Der heutige Familienname Plug (oder Pluck, vgl. Anm. 53) bezeichnete ursprünglich den Inhaber eines solchen Pflugsguts. 75 Mittlerweile hat sich die Bedeutung dieses Wortes verändert. Heute bezeichnet man als „Miete“ fast nur noch den für die Benutzung von Wohnraum allmonatlich zu zahlenden Geldbetrag. Noch vor 100 Jahren hat man aber auch „Gesinde gemietet“. 76 Weil die Lehnserneuerung in einem „Tageding“, einer Sitzung des Hofgerichts, verhandelt werden mußte, nannte man sie „die Verthettigung (Vertagedingung) des Lehens“. Das heutige Wort „Verteidigung“ hat die gleiche Wurzel. 77 H. Aubin, Die Weistümer der Rheinprovinz 11.2. Amt Brühl, Bonn 1914, S. 42. 78 Aubin, a. a. O., S. 70. 79 HAK St. Cäcilien Akten 40b. 80 HAK St. Cäcilien Akten 40c. 81 HAK St. Cäcilien Akten 40c. 82 Uber den Verlauf dieses Krieges und seine Auswirkungen auf Brühl wird gesondert berichtet werden. 83 Das Buch Weinsberg Bd. III, hrsg. v. F. Lau, Bonn 1897, S. 170. 84 Buch Weinsberg, a. a. O., S. 177. 85 Buch Weinsberg, a. a. O., S. 194: „Anno 1583 den 24. jul. sin de beiersche Soldaten (aus Brühl) ins cloister zu Burbach in der Villen gefallen und geplondert, was sie fonden, doch hatten die (Burbacher Nonnen) vorhin das best in Coln uff Weierstrais in ire behausung geflauwen (geflüchtet), darhin sie auch durch umbwege sich verstochen (auf Umwegen sich versteckt) und dahin quamen in Coln wonen.“ 86 Buch Weinsberg, a. a. O., S. 239. 87 Urbar, S. 15. - Die von Schrils benutzten Urbare von 1585 und 1251 (!) sind leider verschollen. 88 HAK Jesuiten Urk. 514. 89 Urbar, S. 53. 90 Buch Weinsberg, a. a. O., S. 409: „Anno 1587 den 30. dec. . . . sin die jonfern von Benthen in Coln körnen, die von Bottenbroich sin spolieirt, etliche heuser und haiffe (Höfe) im lande verbräm. Dem folk werden beisten (Vieh) und was innen zustehet (ihnen gehört) genomen, (die Leute werden) verjagt und gesclagen von beiderseitz kreichsfolk, frunden und flanden, ohn allen underschit, das sie seir in Coln fluwen sich besorgent (so daß sehr viele aus Angst nach Köln fliehen).“ 91 Das Buch Weinsberg Bd. IV, hrsg. v. F. Lau, Bonn 1898, S. 7. 92 Buch Weinsberg IV, S. 15. 93 94 95 96

Pfarreiarchiv St. Margareta A.VI. b. 13 HStAD Altenberg Urk. 1078. HStAD Altenberg Urk. 1078 Transfix A. Die Akte HStAD Reichskammergerichtsprozesse B 774/2878 (Matth, v. Bergheim, Köln, ./. Kloster Benden) enthält die Appellationsschrift - in der vorgetragen wird, daß Berchem das wüste und verunkrautete Land auf Bitten des Klosters gekauft und mit 600 Talern sehr gut bezahlt habe - sowie deren formale Beantwortung. Die Akte a. a. O . B 2346/7069, die vermutlich den eigentlichen Prozeßstoff enthält, ist unauffindbar. 97 HStAD Altenberg Urk. 1078 Transfix B. 98 Urbar, S. 9. Die Verkaufsurkunde ist nicht überliefert. Da der Neuenhof ein von dem Fischenicher Fronhof des Stifts St. Maria im Kapitol abhängiges Lehen war, dessen Gerichtsbuch verschollen ist, läßt sich auch nicht feststellen, wann Meinertzhagen belehnt wurde. Anscheinend ist die Auflassung erst nach 1599 erfolgt. Vgl. im Text XIII. zu Nr. 589.

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Binterim-Mooren, die Erzdiözese Köln, Bd. II, Düsseldorf 1893. Als „Steuer-Descriptionen“ bezeichnete man die Register der landständischen und kurfürstlichen Steuereinnehmer, in denen verzeichnet war, wer wofür wieviel Steuern zu zahlen hatte. Dieses Zehntrecht in Erp hatten zwei Schwestern v. Severnich im Jahre 1308 als Mitgift eingebracht (Urbar, S. 38). Dieser Bender H of in Köln lag hinter dem St. Mauritiuskloster. Vgl. zu Anm. 94—97. Da die verkauften 60 Morgen noch nicht aufgelassen waren, wurden sie wie Pachtland behandelt, steuerlich aber dem Käufer zugerechnet. HStAD Benden Akten 9. Urbar, S. 22. HStAD Benden Akten 16.

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D ie J u d e n g e m e in d e in A lt-B r ü h l

i.

Zum Jahre 1197 berichten zeitgenössische jüdische Aufzeichnungen über den Tod des gelehrten Rabbi Samuel ben Natronai und bemerken dazu beiläufig, daß sein Enkel Salomon in Brühl wohne1. Von diesem Salomon weiß man sonst nichts. Da aber die Siedlung am Brühl, die Keimzelle der heutigen Stadt, erst um das Jahr 1185 entstand2, ist bemerkenswert, daß unter den allerersten Siedlern - die sonst wohl durchweg Hörige der zusammengelegten Fronhöfe Merreche und Pingsdorf waren —schon eine Judenfamilie gewesen ist. Für die folgenden anderthalb Jahrhunderte schweigen alle bisher bekannten Archi­ valien3. Auffallend ist, daß in den Berichten über die Judenverfolgungen der Jahre 1287/884 und 13495 Brühl nicht erwähnt wird. Ob es damals keine Judengemeinde in Brühl gab oder ob sie die Verfolgungen unversehrt überstand, läßt sich nicht aufklä­ ren. Die erste Urkunde, die Auskunft gibt über die Tätigkeit einiger Brühler Juden, ist ein am 10. April 1369 geschriebenes Pergamentblatt mit anhängendem Brühler Schöf­ fensiegel, das im Historischen Archiv der Stadt Köln aufbewahrt wird6. Dem heutigen Sprachgebrauch angeglichen, lautet ihr Text: „Wir Schöffen von dem Brühl tun insgesamt kund und bekennen mit diesem Brief, daß vor uns gekommen und erschienen ist ,Salmon, jode zu deme Brule wonende1, und erklärt hat bezüglich des Erb und Guts, das Johann von Groisrode7 und Nesa sein Eheweib, Bürger zu Köln, gekauft haben, daß er ausdrücklich darauf verzichtet habe und ihm deswegen Genüge getan worden sei. ,Ind ich Salmon ind myne erven verzygen darup overmitz desen breif.“ Des zum Zeugnis haben wir Schöffen unser Insiegel an diesen Brief gehangen. Und wir Coppelmann und Ysaac, .joden van deme Brule“, erklären, daß dies wahr ist, mit unseren Unterschriften, die wir auf Bitten Salmons auf diesen Brief geschrieben haben.“ Auf der Rückseite des Pergaments sind verblaßte hebräische Schriftzeichen zu erkennen. Vermutlich ist diese Urkunde aus folgendem Anlaß geschrieben worden: Adelheid v. Dorne8, Ehefrau des Ritters Gerhard v. Fischenich, hatte anscheinend Geld bei Salmon geliehen und dafür ihren ererbten Anteil am Dornhof in Schwadorf verpfän­ det9. Deshalb mußte sie, als sie am 2. April 136810 einige zu diesem Hof gehörende Grundstücke an die Eheleute von Groisrode verkaufte, die Rechte des Salomon ablösen. Um die Käufer gegen „Entwehrung“ zu schützen, mußte der Verzicht Salomons öffentlich beurkundet werden11. - Anscheinend hat Adelheid aus dem Erlös dieses Verkaufs ihre gesamte Schuld bei Salmon getilgt, denn als sie am 26. Januar 80

137012 den Dornhof selbst verkaufte, erklärte sie, dieser Hof sei nicht verpfändet an „kirsten, jueden of kauwerzinen“13. Die Urkunde vom 10. April 1369 beweist, daß die Juden damals den Christen grundstücksrechtlich völlig gleichgestellt waren. Mit keinem Wort wird bezweifelt, daß Salmon bedingt Eigentümer der betreffenden Grundstücke gewesen sei oder daß die Brühler Schöffen für die Beurkundung seiner Verzichtserklärung zuständig seien. Nur der holprige Stil und die ungelenke Schrift dieser Urkunde zeigen, daß bei ihrer Abfassung —anders als sonst üblich —kein rechtskundiger Kleriker mitgewirkt hat. Aufschlußreich sind die hebräischen Schriftzeichen auf der Rückseite dieses Perga­ ments, die der Rechtshistoriker Zwi Asarija im Jahre 1955 erstmals entziffert hat14: „Jakob, Sohn des Märtyrers (!) Herrn Isaak Coppelman. Isaak, Sohn Herrn Simeons.“ Das Wort „Märtyrer“ mahnt an die Schreckenstage im August 1349, als in Köln fast die gesamte Judenschaft von fanatisiertem Pöbel ermordet oder zum Selbstmord getrieben wurde. Nur wenige Judenfamilien entkamen jenem Pogrom. Einige flüchte­ ten sich, wie diese Urkunde zeigt, nach Brühl. In Brühl standen sie unter dem Schutz der Kurfürst-Erzbischöfe. Dieser Schutz wurde ihnen allerdings nicht aus christlicher Nächstenliebe gewährt, sondern nur deshalb, weil im Erzstift Köln —wie auch anderswo - die Umstellung von der Natural- zur Geldwirtschaft ohne die Kredithilfe der jüdischen Bankiers nicht durch­ geführt werden konnte und weil die „Geleitgelder“15 der Juden eine wichtige Einnah­ mequelle des Kurstaats bildeten. Welchen Wert das Erzstift gerade in jener Zeit auf die Brühler Judenschaft legte, erwies sich, als Graf Gottfried v. Arnsberg seine Grafschaft gegen Leibrente an das Erzstift verkaufte. Wichtigster Bestandteil dieser Leibrente war die lebenslängliche Herrschaft über Stadt und Amt Brühl. In dem „Staatsvertrag“ vom 23. September 136916 wurde dazu festgelegt, „daß sie (nämlich Graf Gottfried und seine Frau Anna v. Kleve) die Burg, (die) Stadt und das ganze Amt zu deme Brule mit der Herrlich­ keit17, mit Burgmannen, Bürgern und Hintersassen, hoher und niederer Gerichtsbar­ keit und mit allen Rechten, Renten, Einkünften und Zubehörungen, wie und woran diese auch bestehen sollten und wie man sie auch benennen möge . innehaben, halten und nutzen sollen . und daß dem Grafen die Burgmannen und die Bürger zu deme Brule huldigen und schwören sollen, getruwe ind holt ze syn syne levedage. . .“ Damit war Graf Gottfried nahezu unumschränkter Landesherr geworden. Nur ganz wenige Befugnisse wurden ihm vorenthalten, darunter bezeichnenderweise das Recht auf die Judenabgaben: „Außerdem sind die Juden zu dem Brule“ ausgenommen, die gänzlich beim Erzstift verbleiben sollen. Diese soll der Graf mit seinen Amtleuten treulich schirmen und schützen und . sie in keiner Weise belästigen oder beschweren. Vielmehr soll er sie in allen ihren Freiheiten belassen und erhalten. . .“ Von den Judenfamilien, die 1349 in Brühl Schutz gesucht und sich dann dort niedergelassen hatten, weil sie nicht nach Köln zurückkehren durften, scheinen einige —zumindest in der folgenden Generation —recht kapitalkräftig gewesen zu sein: Im 81

Jahre 137118 quittierte Coppelman der Stadt Köln - den „yrbaren herren ind bürgeren van Koyllen“ - über die Hälfte der Schuld, die Walram v. Quattermart bei dem Juden Schaaf in Jülich aufgenommen hatte. Zeugen dieser Urkunde waren die Brühler Juden Isaak und Joseph. Von diesem Joseph, der anscheinend besonders den Immobi­ liarkredit pflegte, sind zwei Freigabeerklärungen erhalten: 137719 verzichtete er auf seine Rechte an Ackerland bei Fischenich, und 138020 verzichtete er auf einen Hof in Cardorf. Niemals haben sich damals diese Bankiers das ihnen verpfändete Land tatsächlich übereignen lassen. Das hätte sich für sie nicht gelohnt. Die Renditen, die Grundbesitz damals brachte, waren unvergleichbar geringer als die Zinsen, die ein Geldverleiher in jenen Zeiten nehmen konnte21, als Geld wegen der Umstellung von der Naturalzur Geldwirtschaft jahrzehntelang äußerst knapp war. Außer Cappelman betätigten sich auch andere Brühler Bankiers im „Kommunal­ kredit“: In den Kölner Stadtrechnungen22 erscheinen 1372 Isaak van deme Brule, Schaaf und Vivus syn eydom (Schwiegersohn), 1373 Vivelin Isaaks broder van deme Brule, 1374 wieder Isaak und schließlich 1386 Vivus van deme Brule als Gläubiger. Wahrscheinlich bezeichnet aber hierbei der Ausdruck „van deme Brule“ nicht den Wohnsitz, sondern die Herkunft dieser Geldgeber. Durch den Schutzbrief vom 29. Dezember 137223 hatte nämlich die Stadt Köln wieder die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß sich Juden in Köln niederlassen konnten. Unter den 14 Familien, die schon im Jahre 1372 die Aufenthaltserlaubnis erhielten, waren u. a. Vivelyn, Isaaks Bruder von Brühl, Isaak von Brühl und Libermann, Isaaks Eidam24. Zwischen 1385 und 1394 wurden auch noch Vivus von Brühl und Jutta von Brühl aufgenommen25. Warum Bankiers nach Köln übersiedelten, sobald ihnen das wieder möglich war, erklärt sich aus den damaligen Verkehrsverbindungen. In einer Zeit, die weder Telefon noch Telex kannte, war es existenzwichtig für alle, die Handelsgeschäfte größeren Stils tätigen wollten, auch für Geldhändler, ihren Sitz an einem Knotenpunkt großer Handelsstraßen zu haben. Das war Köln schon immer gewesen. Dagegen lag das Ackerbürgerstädtchen Brühl damals völlig abseits; die von Brühl nach Köln oder Wesseling oder Lechenich führenden „Straßen“ waren unbefestigte Karrenwege, die nur bei gutem Wetter leidlich befahrbar waren. Das besagt selbstverständlich nicht, daß die gesamte Brühler Judenschaft nach Köln übersiedelte. Außer den paar reichen Bankiers gab es sicher auch ärmere Juden, die sich ihren Lebensunterhalt als Metzger, Viehhändler oder Hausierer verdienten. Von diesen Familien ist aber nichts näheres bekannt; nur rein zufällig findet man in der Folgezeit in irgendwelchen Akten ab und zu einige Namen. II. Ein klarer Beweis dafür, daß es in Brühl seit der Mitte des 14. Jh. immer eine —wenn auch manchmal kleine - Judengemeinde gab, ist der „Judenfriedhof“. Er wird erstmals erwähnt in einer am 10. Januar 1371 ausgestellten Urkunde26, in der u. a. eine Erbrente verkauft wurde, für die ein „an dem joedenkirchhove“ gelege­ ner Acker haftete. Spätere Urkunden und Akten zeigen, daß dieser Judenfriedhof 82

dort lag, wo von der „Collenstraiß“ der „Langenicher Patt“ abzweigte27, ein zum Langenackerhof führender Karrenpfad; also an derselben Stelle, an der die Steine dieses Friedhofs noch heute stehen. Diese Stelle wurde oft auch „der Judenbüchel“ genannt, da sich hier ein kleiner Hügel erhob, auf dessen Kuppe im 16. Jh. eine Windmühle stand. Das ganze Gelände dieses Hügels war seit Errichtung des erzbischöflichen Fronhofs am Brühl dessen „Wasen“, also die Stätte, an der krepiertes Vieh verscharrt wurde. Wasenmeister waren ursprünglich die Fronvögte, die im Bereich der erzbischöflichen Grundherrschaft die Polizeigewalt ausübten. Deshalb gehörte das Recht, dieses Gelände für sich zu nutzen, zu ihren Dienstlehen; als Lehnsgebühr mußten sie jährlich zwei Sumber Weizen an die Baumeisterei abliefern28. Nach der Auflösung der grundherrschaftlichen Strukturen wurde dieses Dienstle­ hen zu einer gewöhnlichen Grundstückszeitpacht umgeformt; pachtberechtigt wurden die jeweiligen Burggrafen (SchloßVerwalter). Dazu bemerkt die Kellnerei-Rechnung 1689/9029: „Der Judenbüchel hat vor diesem gethan 2 sb Weizen jährlich, nachdem aber die darauf bestandene Windmühle abgebrannt ist und der Platz umb 8 gl einem zeitl. Burggrafen, nachgehends ao 1663 Martin Tuchscherer30 aus sonderbarer Gnaden unentgeltlich bis auf anderweite Verordnung überlassen, nach dessen Tod mir Ober­ kellnern31 ao 1682 umb 18 gl auf 12 Jahre verpfachtet worden.“ Auch in der Folgezeit wurden alljährlich 18 Gulden Wasenpacht erhoben. Das zeigt eine Eingabe des Burggrafen Virgilius Eschbaum von Mitte November 172732: „. . .weilen das große gewäßer schon zwey jahr auf dem Judenbichel in hinthere theil das graßgewachß alles verdorben hat, wovon ich jährlichs 18 cöllnische gülden pfachtung geben muß; alß gelangt mein allerunterthänigste bitt ahn Ew. Churfürstl. Dchlcht., solche pfachtung allergnädigst aufzuheben; vor welche so hohe Churfürstlgnadt (ich) zeitlebens mit meiner frau und 8 kinder bey Gott mit meinem gebett verdienen werde.“ In dieser Eingabe33 schreibt Eschbaum nur von seiner Heu-Mißernte; welche Einnahmen er aus der Abdeckerei und aus den Judenbeerdigungen hatte, läßt er unerwähnt. Darüber berichtet aber eine Eingabe der Brühler Judenschaft von Anfang Februar 179134: „Hochwürdigst-durchlauchtigster Kurfürst, gnädigster Herr! Die zu Brüel ster­ bende Juden sind von je her auf den ohnweit des Burbacher Hofs35 gelegenen oeden Platz, so der Judenkirchhof genannt wird, begraben worden, und hat höchstdero Burggraf zu Brüel von jeder Leiche anderthalben Rthler gezogen; dieser höchstdero Burggraff hingegen davon einige Erkäntlichkeit zu ungefähr fünf Reichsthaler an höchstdero Oberkellnerei Brüel jährlichs abgetragen. In dem Nachdencken nun, daß einigmahl in einem Jahr so viele Begräbnißen sich nicht ereichnen, daß die Abgabe zur Oberkellnerei davon nicht bestritten werden könne, hat der Burggraf36 (sich) entschlossen, einen Theil dieser Platz urbar machen zu laßen, gleich er dan wircklich in Arbeit ist, die darauf befindliche Anhöhen ausgleichen zu laßen. Ew. kurfürstl. Dchlcht. ist gnädigst bekant, daß nach jüdischem Gesätze ehemalige 83

Gräber nicht wieder eröffnet werden dörfen; demuthigste Judenschafft beförchtet aber, daß durch die jetzig und etwa kunfftig weitere Umschaffung dieser Platz dieselbe so verengt werde, daß in der Folge zum Begraben kein Raum mehr übrig bleibe. Ew. kurfürstl. Dchlcht. werden daher demuthigst gebetten, mildest zu verord­ nen, daß angeregter Kirchhof gegen bei jedem Sterbfall zu entrichtende vorgemelte Gebühr in dem Stand, wie er ist, belassen werden solle; äußersten Fals erbiethet demuthigste Judenschaft dasienige, was jährlichs davon zur Oberkellnerei abzutragen ist, unterthänigst abzuführen. Ew. kurfürstl. Durchlaucht demuthigste Judenschafft zu Brüel“ Die Eingabe hatte Erfolg. Unterm 6. April 1791 berichtete37 der Oberkellner Zerres, die Judenschaft habe sich mit dem Burggrafen Plentz dahin verglichen, daß er den Judenbüchel „wie vorhin wieder zum Wasen machen solle“. Dieses - kurz vor dem Zusammenbruch des Kurstaats entstandene - Aktenstück zeigt mit aller Deutlichkeit, welchen Rechtsstatus der Brühler Judenfriedhof während der ganzen kurfürstlichen Zeit hatte: Die Juden mußten ihre Toten auf dem Schindan­ ger bestatten; von dem Belieben eines Privatmannes - des jeweiligen Wasenpächters - hing es ab, wieviel sie dafür zahlen mußten und ob sie überhaupt bestatten durften39. III. R. W. Rosellen berichtet40, daß „zur Gewinnung des Bauplatzes (für das Franziska­ nerkloster) . die frühere Judensynagoge, welche seit 1352 nicht mehr ihren ursprüng­ lichen, sondern öffentlichen Zwecken diente, niedergelegt und mehrere Häuser nebst Gärten an der Uhlstraße und am Markte angekauft“ worden seien. Als Quelle hierfür nennt er die Schöffenurkunde vom 4. Oktober 1496, die Virnich41 „nach dem Copiar des Provinzial-Ordensarchivs“ veröffentlicht hat. Diese Urkunde behandelt aber nur einen - für die altbrühler Topographie recht aufschlußreichen - Grundstücksring­ tausch; von einer ehemaligen Judensynagoge wird darin kein Wort gesagt. Vermutlich hat Rosellen sein Wissen über diese Synagoge aus der Vogel’schen Chorographie42 geschöpft. In dieser heißt es nämlich: „Es wurden auch durch Urteil des Erzstifts Kölnischen Landständen am Vorabend Matthias des Apostel 1352 alle auf dem Land vorfindliche Erb- und Güter bemeldeter Judenschaft dem Kurfürsten Wilhelm zugeurtheilt. Auf solchem Fuß zog Wilhelm auch unter anderen die in dem damaligen Flecken Brühl Vorgefundene beweg- und unbewegliche Güter an sich, doch wurde die alldortige Sinagoge ohnverletzt beybehalten, also welche durch Gottes Vorsicht zu einem anderen Ziel auf andere Zeiten Vorbehalten worden zu seyn anscheint. . .“ Und zwei Seiten danach zur Errichtung des Franziskanerklosters: Eb. Hermann „ließe annoch in selbigem Jahre (1490) die vormalige Sinagoge deren Juden abwerfen, bauete allda im folgenden Jahre auf seine Kosten eine herrliche Kirche, wozu er am Tage des Himmelfahrtsfestes Christi Unseres Herrn den ersten Stein legte, weyhete selbige im Jahre 1493 den 7ten Dezember mit besonderm Pracht, und legte solcher den Namen Maria von denen Engeln bey“. 84

Diese Darstellung ist von allen späteren Autoren unbesehen übernommen worden43. In den bisher bekanntgewordenen zeitgenössischen Archivalien findet sich aber kein einziges Beweiszeichen dafür, daß es in Brühl bis zum Jahre 1352 eine „Synagoge“ im strengen Sinne dieses Worts - also ein der Judengemeinde gehörendes und deren Kultzwecken gewidmetes Gebäude44 - gegeben habe. Alles spricht viel­ mehr gegen diese Vermutung: Eine eigene Synagoge konnten sich nur große, wohlfun­ dierte Judengemeinden leisten; anders als beispielsweise für Köln, Mainz oder Worms ist aber für Brühl noch nicht einmal beweisbar, daß es hier vor 1349 überhaupt eine Judengemeinde gegeben hat. Auch war Brühl im 14. Jh. noch rein grundherrschaftlich strukturiert; alle Grundstücke waren Hofeslehen des eb. „Hofs am Brühl“45; in diesem System konnte eine Judengemeinde kein Grundstückseigentum haben. Und schließlich spricht gegen die Behauptung, die Synagoge habe von 1352 bis 1490 „öffentlichen“ - also doch wohl nichtjüdischen - Zwecken gedient, die oben zu I. erwähnte Tatsache, daß die Brühler Judenschaft zumindest in den 1360er Jahren vom Erzstift denkbar wohlwollend behandelt wurde. Wenn es damals wirklich eine seit 1352 zweckentfremdete Synagoge gegeben hätte, dann wäre sie sicherlich der Judengemeinde zurückgegeben worden. Vermutlich haben alle Autoren, die bisher von einer altbrühler „Synagoge“ berich­ tet haben, dieses Wort unspezifisch verwendet und eine „Judenschule“ gemeint, also einen in einem Wohnhause eingerichteten Bet- und Schulraum. Eine derartige Judenschule wird in den Brühler Archivalien öfters erwähnt: Um das Jahr 1425 war Hermann v. Hersei u. a. Lehnsträger28 eines Hauses, das vormals „dye joedenschole“ gewesen war; und in einer Urkunde vom 4. Mai 145046 wird bemerkt, daß der Schneider Johann eine Erbrente zu zahlen habe von seinem Hause „by der joedenscholen“. So kommte wohl der Verfasser der sog. Koelhoff’schen Chronik47 der Wirklichkeit am nächsten, wenn er - als Zeitgenosse! —schreibt, das Brühler Franziskanerkloster sei gebaut worden „up die platze, dae vurmails die Joeden plaegen zu wonen (!)“. Das besagt in Verbindung mit der Urkunde vom 4. Oktober 149648: Einige der Häuser, die zum Bau des Klosters abgebrochen wurden, waren vorher - mietweise - von Juden bewohnt, und einer dieser Juden hatte in seiner Wohnung die Judenschule gehalten. In welchen Häusern nach dem Jahre 1490 Judenschule gehalten worden ist, läßt sich aus dem spärlich überlieferten Archivmaterial nicht entnehmen. Seit 1697 käme dafür ein neben dem Hause „Zum Kaiser“ in der Uhlstraße gelegenes Haus in Betracht. Es gehörte anfangs des 18. Jh. einer christlichen Handwerkerfamilie Schu­ macher, später einem Canonicus Florquin, war aber anscheinend immer an Juden vermietet und wurde deshalb „das Judenhaus“ genannt49. Im Jahre 1747 wohnte dort ein „Jud Joist“; ob er aber ein Zimmer dieses Hauses als Bet- und Schulraum eingerichtet hatte, läßt sich nicht belegen. Erst 1788 wird ein „Judenschulmeister“ mit Namen erwähnt: Philipp David50. 1795 wird dieser David auch als „Vorsänger“ bezeichnet51. Wo er gewohnt hat, ließ sich bisher nicht aufklären. 85

IV. Wie bereits bemerkt, ist es reiner Zufall, wenn man Namen Brühler Juden in Archiva­ lien aus kurfürstlicher Zeit findet. Aufschlußreich sind vor allem die Akten des Hofrats, der für Streitigkeiten um das „Judengeleit“ zuständig war; sie sind erstmals durch Klaus Schulte52 erschlossen worden. Auch die im Stadtarchiv Brühl aufbewahr­ ten Rats- und Gerichtsprotokolle enthalten zahlreiche Hinweise. Insgesamt sind aber die überlieferten Daten so dürftig, daß man nach ihnen weder ein klares Bild von den Lebensverhältnissen der Brühler Juden zeichnen noch deren Verwandtschaftsbezie­ hungen bestimmen kann. Deshalb werden diese Daten im folgenden nur chronolo­ gisch aufgeführt53: 1583 beklagte sich ein Brühler Jude, er sei wegen seiner Konversion zum Christentum von seinen Brüdern verstoßen worden. 1584 erhielt die Stadt Brühl eine herbe Rüge, weil sie Judenpässe ausgestellt und damit der kurfürstlichen Kammer Paßgebühren entzogen hatte. 1604 mußten die Eheleute Thiel uff der Hüllen und Catharina ihr Haus an das Kloster Benden verkaufen, „dweil sie mit schulden bei Godtschalck judden zum Brüel belestiget und den juddenwucher (Zins) jarlichs ufzubrengen nit vermocht“. 1604 wurde der Wiederaufbau des Pfarrhauses von St. Margareta durch eine von allen Brühler Einwohnern erhobene Umlage finanziert. Dabei zahlten die Juden Leeff und Abraham je 18 Albus, Gottschalck und Salmon je 2Vi Gulden und „der judt ahn der Oelpfortzen“ (Uhltor) V/2 Gulden54. 1612 starb der Jude Meyer d. Ä. in Brühl; unter seinen Schuldnern war der Brühler Jude Seligmann. Dieser Seligmann verklagte 1615 den Domkapitelshalfen in Walberberg. 1615 konnte Heinrich Offermann in Badorf seine Schulden bei dem Brühler Juden Eigen nicht bezahlen. 1618 klagte Hirsch, Jude zu Brühl, Herr Bernhard v. Vorst mißachte die Judenord­ nung. Gilger Jude wurde von Christian Noltge, und Lazarus Jude zu Brühl wurde von dem Scholaster zu St. Georg in Köln auf Zahlung verklagt. 1631 klagte Hertz Jud gegen Gerhard Kaulen. 1645 verzog Abraham Jud aus Brühl nach Frankfurt am Main. 1655 war Hirz aus Brühl Landjudenvorsteher in Deutz. 1667 lebte Hirz wieder in Brühl, nachdem er sein Amt an Levi Goldschmidt in Bonn abgegeben hatte. 1680 verklagte Meyer d. J. den Pfarrer an St. Mauritius in Köln. 1685 verklagte Levi aus Brühl den Ackerer Joh. Piedten in Walberberg auf Lieferung eines Rinds. 1688 zahlten Nathan, Hirtz und Calmus Akzise. 1699 ließ Herr Eigremont bei Salomon Aareth in Brühl ein Brüchtenurteil vollstrekken. Im Sommer 1700 versammelten sich viele erzstiftische Juden wegen der Geleitgelder in Brühl. 86

1708 wurde des Calmus Jud Habe wegen Akziseschulden gepfändet. 1718 akkordierten Wwe. Calmeß, Liff Jud, Natan Jud und Seligmann Jud mit dem Akzisepächter. 1720/21 wurden ein Metzger Joist Hirz und ein vermögensloser Benedikt Jud erwähnt. 1721 ersteigerte Liff Jud gepfändetes Zinngerät. 1725 lebten in Brühl die Judenfamilien Nathan Levi, Seligmann Cain, Calman Cain, Moses Cain und Leiser Cain. 1727 wohnten in den Pfarreien Brühl, Vochem und Pingsdorf insgesamt 7 Judenfami­ lien. 1728 mußte Jud Moscheies wegen unangemeldeter Beherbergung von 4 auswärtigen Juden Stadtstrafe zahlen. 1728 ließ sich ein Jude unbekannten Namens als Johann Joseph Brühl taufen. Er heiratete dann Maria, Tochter des Webers Christian Bentz, und lebte, in zwei Ehen kinderlos, als Weber und Tuchkrämer bis zu seinem Tode 1779 in Brühl. Er war 8 Male Akzisepächter. 1731 wurde in der Quartierliste ein Leyser Jud in der Uhlstraße erwähnt. 1733 und 1739 wurde die Magd des Calmus Jud in Stadtstrafe genommen. 1738 wurden bei Erhebung der Kopfsteuer die Juden Seligmann, Calmus, Liffman und Jacob Seeligmann in der III. Steuerklasse und die Juden Joist, Nathan und Marx aus Frechen in der IV. Steuerklasse veranlagt. 1745 wurde Calman Jud als Viehhändler erwähnt. 1746 starb Levi Jud. Seine Tochter Rachel war mit dem Metzger Isaak Marx in Hersei verheiratet, seine Tochter Rebekka mit dem Handelsmann Coppel (Callmann) Aaron. 1747 wohnten in Brühl 5 Judenfamilien; mit Namen genannt wurden die Familien Joist, Jacob und Seligman. Ebenfalls 1747 erging gegen Amschel Nathan aus Brühl Zahlungsurteil. Dessen Sohn Voos Amschel klagte 1780 eine Forderung ein; ein anderer Sohn, Hirz Amschel, mußte 1788 das von ihm bewohnte Haus in Brühl wegen Zahlungsun­ fähigkeit räumen. 1750 wurde Daniel Meyer, Jude aus Prag, in Brühl ex arresto entlassen. Damals wohnten außer den Söhnen des Joist Hirz - Joseph Jeschai und Coppel Joist noch Wolf Joist und David Nathan in Brühl. 1760 wohnte Joist Jud auf der Uhlstraße als Mieter des Canonicus Florquin. 1763 waren in der Akziserolle veranlagt; Jud Ahrent „für schlachten und winckel“ (Kramhandel) mit 13 Gulden, Jud Jacob mit 13 gl, Jud Jacob Calmen Cain mit 3 gl, Jud Marx mit 3 gl, Jud Joist mit 10 gl, Jud Levi Cain „von pferdtshandel“ mit 10 gl und Jud David mit 1 gl. 1763 erhielt Bürgermeister Falckenstein, der die Stadt Brühl beim Landtag vertrat, für seine Verhandlungen vom Stadtschreiber die Notiz, daß „sich ahn juden in der statt Bruell befinden“ Jacob Cain, Aron Cain, Live Cain, David Nathan, Joist Jacob, wittib Liffmans, wittib Marx Isacks. 87

1764 wohnten in Brühl außer Josef Jeschai und Wolf Joist noch die Wittib Callman sowie Aaron, Liffman Hirz, Levi und Seligman Cahen; die beiden letzteren waren aus Lechenich zugezogen. 1764 handelte der Metzger Jacob Jud auch mit Kattun und Winkelware. 1764 verstießen Jud Jacob und Jud Joist - sowie ein christlicher Metzger - gegen das Sonntagsverkaufsverbot, indem sie öffentlich Fleisch feilboten. 1767 zahlten zur Ablösung der Einquartierungslast: Jud Jacob 20 Stüber, Jud Aaron 20 st, Leve Cain 20 st, Joist 20 st, David 16 st, Marx 9 st, Joseph 16 st und Wittib Liffmans 20 st monatlich. 1767 klagte Jud Cain namens der Wwe Liffman eine Forderung ein. 1768 ersteigerte Jud Aaron das Haus „Zu den heiligen drei Königen“ am Markt, in dem schon 1747 eine Judenfamilie gewohnt hatte. 1769 verkaufte Jud Marx sein Haus in der Uhlstraße. Jud Joist ließ ein Haus seque­ strieren. Beiläufig wurden die Juden Isaak Marx und Jacob Cain erwähnt. 1770 war Aaron Cain Eigentümer des Hauses „Zum Skorpion“ am Markt, in dem er einen Kramladen betrieb. Jacob Seligman wurde als Metzger erwähnt. 1771 wurden die Juden Samanuel (!) und Wolff sowie Wölffs Bruder Joseph beiläufig erwähnt. 1772 wurden die von Jacob Seligman, Leve Cahen, dem alten Jud Joist und dessen Sohn Joseph verwendeten Gewichte für zu leicht befunden. 1774 hatte der Metzger Liffgen einen Knecht namens Meyer Hirtz. Aaron Cahen wurde beiläufig erwähnt. 1775 verkaufte Jacob Seligmann untergewichtiges Brot. Dem Liffgen wurde verbo­ ten, den Häutehändler Hirtz Jud aus Deutz länger als einen Tag zu beherbergen. 1776 wurde der konvertierte Jude Jos. Andreas Kronenberg aus Kronenberg in der Eifel als Bürger aufgenommen. Wegen seiner Konversion wurde ihm das Bürger­ geld erlassen. 1777 wurden „gemäß landständischer Verordnung“ die in Brühl wohnenden Juden registriert: a) Hertz Amschel aus Hamm bei Hachenburg, kinderlos verheiratet, wohnt bei seinem Schwiegervater Joist (g). b) Joseph Joist, verheiratet, vier Kinder. c) Wwe David, wohnt bei ihrer Mutter Vegelken und ihrer Schwester Cecile mit zwei Kindern und einem Schwesterkind. d) Jacob Seligman, verheiratet, eine Magd und ein Knecht. e) Michel Cain, verheiratet, drei Kinder, eine Magd, ein Knecht. f) Levi Cain, verheiratet, vier Kinder, zwei Knechte, eine Magd. g) Jud Joist, seit 40 Jahren in Brühl (vgl. a). h) Jud Wölffgen, verheiratet, zwei Kinder, eine Magd. i) Zandich (!) Marx, verheiratet, ein Kind, Mutter und Bruder, k) Aaron Cain, Witwer, vier Kinder. 1780 führte Aron Cain, Wesseling, einen Prozeß gegen Mathias Lieven, Eckdorf, mußte der vermögenslose Aron Cain, Brühl, das von ihm bewohnte Haus

wegen jahrelanger Mietrückstände räumen, wurden Jacob Seligman und Leve Cain beiläufig erwähnt. 1780 ließ sich ein jüdisches Ehepaar aus Halle/Saale als Johann Joseph Brüel und Anna Maria taufen. 1781 wurde Jud Koppel Just zu Vochem als Viehhändler erwähnt. 1782 wurden die Brühler Juden nochmals registriert: a) Jacob Seligman, verheiratet mit Gudula. b) Aron Cain, Witwer, vier Kinder. c) Levi Cain, verheiratet mit Rösgen, fünf Kinder. d) Michel Cain, verheiratet mit Smiligen (!), vier Kinder. e) Amschel Hertz, verheiratet mit Johannichen, vier Kinder und Schwieger­ mutter. f) Joist Wolff, drei Kinder. g) Joseph Joist, verheiratet mit Cyper, vier Kinder. h) Witwe David mit Sohn Nathan. i) Witwe Jacob mit einem Sohn. 1783 verklagte der Viehhändler Levi Cain den Bürger Bernh. Bley. 1783 benannte in einem Prozeß des Hertz Amschel gegen den Bürger Reiner Reinartz der Kläger den Seligmann Abraham, Knecht bei Michel Cain, als Zeugen. Ihm wurde aber „anbefohlen, andere, christliche Zeugen vorzuschlagen, dahe ein Jud gegen den Christen kein Zeugnis ablegen kann“. 1784 wurde Aron Cain als Viehhändler erwähnt. 1784 wohnte Michel Cain in der Uhlstraße. 1785 wurde die Stadt gerügt, weil von ihr „verschiedenen frembden Juden und sonst verdächtigen Leuthen gedruckte Päße bis Holland, London etc. mitgetheilet worden seyen“. 1786 wurde Jud Aron Cain von Jud Seligman Mendel, Liblar, verklagt. 1787 mußte Michel Cain Stadtstrafe zahlen, weil er an einem Sonntag Pferde gemu­ stert und verkauft hatte. 1787 ließ Jud Meyer Samson, Lechenich, bei Jud Hirsch Asser, Brühl, pfänden; dabei wurde der Hausrat des Hirsch Asser ausführlich inventarisiert. 1788 verursachte eine Judenhochzeit in Brühl einen Skandal: Ohne Vorwissen des Schultheißen und des Bürgermeisters hielt Jud Abraham Gumperz Wolff bei dem Wirt Johann Schmitz Hochzeit mit vielen Gästen, Musik und Tanz. Die Hochzeitsgäste zogen mit öffentlichem Gepränge und vorausgehenden Musi­ kanten in und durch die Stadt, „und selbsten noch durch hiesiges Schloß“, und feuerten dabei sogar Pistolen ab. Den Stadtdienern, die dagegen einschreiten wollten, wurde eine allerhöchste Special-Erlaubnis entgegengehalten. 1788 kündigte die Wwe Müller, Vochem, dem Hirsch Amschel den Mietvertrag, den sie 1767 geschlossen hatte. Jacob Seligman Cahen zahlte die rückständige Miete und ließ sich die Habe des Hirsch verpfänden; Aron Cahen unterschrieb als Zeuge. Bald danach befriedigte der Bruder des Hirsch, Leyser Amschel aus Hamm bei Hachenburg, den Seligman. 89

1788 verklagte die „Judenbuhlerin“ Isaac, Dienstmagd bei Michel Cahen, dessen Knecht Seligmann, weil er sie geschwängert habe. 1789 erschienen beide vor Gericht im Beistand des „Schulmeisters“ Philip David und Seligmans Öhm Moises Jacob Cahen aus Walberberg. Gegen Zahlung von 5 Reichstalern zog die Isaac ihre Klage zurück. 1789 kaufte Hertz Cahen im Aufträge des Hoffaktors Baruch größere Mengen Korn auf und lagerte sie im kurfürstl. Magazin ein. 1789 wurden Hersch Amschel und Michel Cahen beiläufig erwähnt. Jud Hertz wurde exmittiert. 1789 ließ Meyer Samson aus Lechenich die Mobilien des Jud Hertz versteigern; das Versteigerungsprotokoll enthält 282 Posten. 1792 wurde Jacob Aron Cahen, Sohn des Aron Cahen, erwähnt; seine Schwester war in London verheiratet. 1795 verkaufte Michel Cain der Stadt Brühl ein Postpferd für 14 Carolin. 1795 zeigten Philipp David und Abraham Levi an, daß Jacob Seligman kinderlos unter Hinterlassung einer Witwe verstorben sei. Da zwei in Holland lebende Schwesterkinder ebenfalls als Erben in Betracht kämen, baten sie, den Nachlaß zu konsignieren; führte Wwe Jacob Seligman einen Prozeß gegen den Vorsänger Feiber, dahier zu Brühl. 1795 schlossen Philipp David, Vorsänger, dessen Schwester Marthe und die Wwe Jacob Seligman einen Erb vergleich. 1796 führten Ignaz Seidlitz, der im Hause „Zum Stern“ wohnte, und Abraham Levi, der 1793 das Nachbarhaus in der Kölnstraße gekauft hatte, einen Grenzstreit. 1796 führte die Wwe Abraham Nathan einen Prozeß gegen den Amtsjäger Gerold. Diese Zusammenstellung dessen, was die bisher bekanntgewordenen Archivalien über die Brühler Juden aussagen, ist wegen der Zufallsüberlieferung unbefriedigend lückenhaft. Man kann daraus allenfalls entnehmen, daß sie im 17. und 18. Jh. meist Viehhändler, Metzger oder Krämer waren und vermutlich oft ihre Wohnsitze gewechselt haben. Nach den seit 1682 lückenlos erhaltenen oder rekonstruierten Bürgerlisten ist nie ein Glaubensjude als Brühler Bürger aufgenommen worden. Diese Verweigerung des Bürgerrechts beruhte aber nicht auf rassischen Vorurteilen, sondern nur darauf, daß in Kurköln als einem streng katholischen Kirchenstaat nur Katholiken „Bürger“ sein konnten. Konvertiten - wie 1732 und 1776 die vormaligen Juden Joh. Joseph Brüel und Jos. Andreas Kronenberg und 1770 der vormalige Lutheraner J. M. Eileser wurden bereitwillig eingebürgert. V. Das erste genaue Verzeichnis der in Brühl wohnenden Juden enthält die von dem Maire (Bürgermeister) Henrich Gareis55 im Jahre IX der republikanischen Zeitrech­ nung (1801) amtlich erstellte Einwohnerliste56. Sie weist aus: 90

Haus-Nr. 19 Abraham Levi (42 Jahre alt), Handelsmann, mit Ehefrau Merl Cain (44) und Kindern Sara, Baruch, Schmaul, Lina, Levi und Blümgen. Nr. 84 Moyses Cain (37), Handelsjud, mit Ehefrau Sara Cain (26), Tochter Sibilla und Schwägerin Anna Cain (15). Nr. 103 Hirz Cain (40), Handelsjud, mit Ehefrau Eckel Cain (23), Kindern Aron und Gudula, Schwiegermutter Veronica (50) und Schwager Moyses Cain (24). Nr. 107 Wwe. Rosa Cain (66) mit Sohn Jonas Cain (36), Tochter Hendel Cain (23) und den Knechten Seligman Cain (40) und David Wolff (26). Nr. 111 Michel Cain (54), Handelsjud, mit Tochter Hendel (26), Sohn Vosen Cain (18) und Magd Anna (22). Nr. 113 Heiman Cain (68), Handelsjud, mit Ehefrau Gertrud Cain (49), Sohn Jacob (23) und Kindern Magdalena, Helena und Heimann. Nr. 126 Michel Leiser (26), Handelsjud, mit Ehefrau Elica (24), Kindern Gudula, Göltgen, Leiser, einer Verwandten Gudula Seligman (69) und der Magd Eva (20). Nr. 130 Philipp David (44), Vorsänger, mit Ehefrau Jäckel Heumann (28), Sohn David Philipp (12) und Kindern Vögelgen und Gudula Davids. Nr. 221 Marx Cain (40), Handelsjud, mit Ehefrau Rachel (36), Kindern Sara, Ruthgen, Eckel und der Magd Veronica (30). Acht Jahre später wurde im Zuge der Volkszählung von 1809 von dem Maire Franz Jacob Zaaren nochmals eine Einwohnerliste57 erstellt. Sie weist für Brühl aus: Nr. 19 Jacob Roos (51) mit Ehefrau Magdalena (49) und Kindern Wilhelmine (21), Philipp (16), Helene (13), Hermann (12) und Gudula (10). Nr. 46 Wwe. Sibilla Katz (58), Eva Katz (49), Josef Katz (25) und Moses Katz (19). Nr. 72 Wwe. Eva Katz (67), Hanne Moses (28) und Sara (1). Nr. 102 Henrich Hirsch (48) mit Ehefrau Anna (32) und Kindern Arnold (9), Gudula (8) und Esther (4) sowie Wwe. Veronika Hirsch (65). Nr. 107 Jonas Kaufmann (43) mit Ehefrau Cäcilie (32) und Kindern Simon (4) und Sibilla (2) sowie Wwe. Sibilla Cahen (69). Nr. 111 Servas Kaufmann (27) mit Ehefrau Jeanette Manes (21) sowie Wwer Michel Kaufmann (65) und Sophie Nathan (25). Nr. 126 Michel Katz (38) mit Kindern Gudula (12), Sibilla (10), Jacob (8) und Michel (6). Nr. 130 Markus Ochs (47) mit Ehefrau Regine (42) und Kindern Odilia (9) und Veronica (7). Nr. 145 Moritz Kaufmann (46) mit Ehefrau Sara (48) und Kindern Sibille (11), Leo (8), Moritz (4) und Kunigunde (2). Nr. 225 Michel Nathan (35) mit Ehefrau Agnes Ries (35)58. Außerdem noch in Vochem, Haus Nr. 57: Wwer Daniel Beer (50) mit Kindern Helene (11), Markus (10) und Jacob (7) sowie Sophie Meyer (24) und Jacob Meyer (1). Es ist interessant, die Listen von 1782, 1801 und 1809 miteinander zu vergleichen. Man erkennt dabei, daß zu Anfang des vorigen Jahrhunderts fast alle Juden zwecks 91

besserer Angleichung an ihre Umwelt andere Namen angenommen haben. Wenn nicht ab 1798 die Standesamtsregister die Namen festgelegt hatten, wäre es in vielen Fällen unmöglich, eine bestimmte Person über jene Jahre hinweg zu identifizieren. Charakteristisch für jene Metamorphose ist die allmähliche Namensveränderung der Familie, die damals das Pfaus Nr. 19 in der Kölnstraße bewohnte. In der Einwoh­ nerliste 1809 tragen alle Mitglieder dieser Familie unauffällig „christliche“ Namen: Daß eine 1788 geborene „Wilhelmine“ eine Jüdin sein könnte, würde niemand vermu­ ten; der Familienname „Roos“ ist keineswegs „typisch jüdisch“; und der Vorname „Gudula“ der jüngsten Tochter ist sogar „typisch kölnisch-katholisch“. Zehn Jahre vorher aber, als die Geburt dieser Tochter am 8. Ger. VII beim Standes­ amt angemeldet wurde, erschienen ganz andere Namen: Als Vorname des Mädchens wurde „Blum“ ins Register eingetragen, und seine Eltern nannten sich Abraham Levi und Moira Moses59. Drei Jahre später war aus der Moira Moses eine Maria Moser geworden und schließlich eine Magdalena Moser60. Der Vater, der sich noch 1801 Abraham Levi genannt hatte, nannte sich ab 1803 Abraham Roos und ab 1807 Jakob Roos. Die Kinder Sara, Baruch, Schmaul, Lina, Levi und Blümgen tragen 1809 die Namen Wilhelmine, Heinrich61, Philipp, Helene, Hermann und Gudula. Als aber dann diese Gudula Roos am 13. Juni 1820 den aus Dülken stammenden Kaufmann Alexander Fröhlich62 heiratete, griff der Standesbeamte auf ihre Geburts­ urkunde zurück: im Heiratsregister wurde sie als „Blum Levi, genannt Roos“ bezeichnet63. Eine gründliche Durchforschung der Standesamtsregister und der in jener Zeit gefertigten Notariatsurkunden, die bei Nachlaßteilungen und Eigentumsnachweisen oft Stammtafeln enthalten, würde wahrscheinlich noch viele ähnliche Metamorpho­ sen aufklären64 und so ermöglichen, Ahnentafeln und Nachfahrenlisten aufzustellen. Dafür ist aber hier kein Raum. 1 Carl Brisch, Geschichte der Juden in Cöln und Umgebung, Mülheim/Rh. 1879, I, 47. Da Brisch seine Quelle hebräisch zitiert, läßt sich nicht feststellen, wie der Siedlungsname „Brühl“ in dieser Quelle geschrieben worden ist. Vielleicht war (Burg-)Brohl gemeint, das im 13. Jh. mehrmals als „Brule“ erwähnt wird. 2 Henrici de Herfordia Liber de rebus memorabilibus, ed. Potthast, Göttingen 1859, S. 168. 3 Brisch bemerkt a. a. O., I, 81: „Im 13. Jh. (!) finden wir in Cöln jüdische Familien aus . Brühl (cf.Schreinsnoten)“. Das läßt sich aber aus den bisher veröffentlichten Schreinsnoten nicht belegen. Vielleicht hat Brisch die nach 1372 übersiedelten Familien gemeint. - A. Kober, Grundbuch des Kölner Judenviertels, Bonn 1920, S. 67, kennt keine früheren Übersiedlungen. 4 Brisch a. a. O., I, 92: 1287 wurden in Lechenich 46 Juden erschlagen, 1288 in Bonn über 100. 5 Auf S. I, 134 a. a. O., nennt Brisch 44 Orte des Erzstifts, deren Judengemeinden 1349 vernichtet wurden, darunter auch Lechenich, aber nicht Brühl. 6 Karthäuser Urk. 1/88. Rechtlich handelt es sich hierbei um eine Freigaberklärung, die der im 14. Jh. gebräuchlichen A rt der Immobi­ liarkreditsicherung entspricht. „Hypotheken“, die bei einem Verkauf des damit belasteten Grundstück von dem Käufer übernommen werden konnten, kannte man damals noch nicht. Wer in jener Zeit ein Grundstück zur Besicherung einer Schuld einsetzen wollte, mußte dieses „bedingt übereignen“, also rechtsverbindlich erklären, daß das Grundstück ohne weiteres ins Eigentum des Gläubigers übergehen solle, wenn er seine

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Schuldverpflichtungen nicht pünktlich erfüllte. Ein derart bedingt übereignetes Grundstück war praktisch unverkäuflich, denn jeder Erwerber mußte befürchten, daß ihm durch Eintritt der Bedingung das Eigentum an diesem Grundstück wieder entzogen werden konnte, er also „entwehrt“ würde. Deshalb verlangten Kaufinteressenten immer, daß der Gläubiger auf seine Rechte verzichten müsse; was dieser selbstverständlich nur gegen entsprechende Bezahlung tat. 7 Der H of Groisrode oder Grotenroyde wurde später Pannekuchenrott genannt. 8 So wie der Blankartshof - die heutige Schwadorfer Burg - das feste Haus der Vögte des St. Severinsstifts war, so war der Dornhof der Sitz der Vögte des St. Kunibertsstifts. Er war benannt nach den Rittern v. Dorne, die seit Anfang des 13. Jh. Kunibertervögte in Schwadorf waren. Weil die Schwadorfer Linie dieser Familie um 1360 im Mannesstamme erlosch, entwickelte sich der Dornhof nicht zu einer „Burg“. Er sank vielmehr zu einem gewöhnlichen Gutshof ab, der nach 1370 oftmals den Besitzer wechselte, bis seine Ländereien schließlich zersplissen wurden. 9 Die darüber ausgestellte Schöffenurkunde ist nicht erhalten. Sie war ja durch die Freigaberklärung vom 10. April 1369 gegenstandslos geworden. 10 Karthäuser Urk. 1/84. 11 Am 16. August 1398 verkaufte Johann von Groisrode diese Grundstücke an die Karthäuser weiter (Karthäuser Urk. 1/220). Dadurch sind die Urkunden vom 2. April 1368 und 10. April 1369 ins Karthäuserarchiv gekom­ men und so erhalten geblieben. 12 St. Kunibert Urk. 3/305. Adelheid hatte mittlerweile auch den Anteil ihrer Schwägerin Lysa übernommen. 13 Als „kauwerzinen“ bezeichnete man die Bankiers aus Cahors/Südfrankreich, die im 14. Jh. auf dem internatio­ nalen Geldmarkt eine große Rolle spielten. 14 Sein diesbezüglicher Brief ist der Originalurkunde beigefügt worden. 15 Vgl. Kurt Bauer, Judenrecht in Köln, Köln 1964, S. 17 u. 83. 16 HStAD, Kurköln Urk. 783. 17 Das Recht, nach Belieben Beamte ein- und abzusetzen. 18 Köln HU A Nr. 2683 - Pergamentzettel mit anhängendem Brühler Schöffensiegel, in Stil und Schrift ähnlich der Karthäuser Urkunde Nr. 1/38. 19 Karthäuser Urk. 1/100. 20 Karthäuser Urk. 1/109. 21 Beispielsweise wurde 1372 in Dortm und vereinbart, daß die Juden von den Dortmunder Bürgern nur (!) 36 1/9%, von Auswärtigen dagegen bis zu 72 2/9% Zinsen nehmen durften. Vgl. Hermann Kellenbenz in Monumenta Judaica, Köln 1963, S. 223. 22 Kölner Stadtrechnungen, hrsg. v. R. Knipping, I, 20. Nach Kellenbenz a. a. O. hatte die Stadt Köln bei den wenigen jüdischen Bankiers, die es damals gab, 22,3% ihrer gesamten Anleihen aufgenommen. A. a. O . berichtet Kellenbenz ferner, daß ein gewisser Vivus, dem die bergische Herzogskrone verpfändet worden war, die Krone im Jahre 1400 wegen Nichtzahlung der Schuld verkaufte. Vielleicht war dies der „Vivus van deme Brule“. 23 Vgl. über diesen Schutzbrief und die späteren Schutzbriefe Kurt Bauer a. a. O., S. 83 ff. 24 Carl Brisch a. a. O ., II, 2. 25 Carl Brisch a. a. O ., II, 95. 26 St. Kunibert Urk. 2/312. 27 Da dieser Abzweig mit einem Wegeschild bezeichnet war, wurde die Stelle „Am Schildgen“ genannt (z. B. 1553: „ahm schiltgen ahn der windtmüllen“). Deshalb nannte man den Langenicher Pfad später Schildgesweg; es ist die heutige Schildgesstraße. 28 Der Weizenkanon ist ein sicheres Indiz dafür, daß dieses Gelände ursprünglich - als es noch zum Fronhof Merreche gehörte —mit Buschwald bestanden war, den man ab und zu abbrannte, um in die Asche Weizen zu säen. In dem um das Jahr 1425 geschriebenen Verzeichnis der Einkünfte der Baumeisterei Brühl (HStAD, Kurköln Kartular 3, S. 232 ff.), das einen sehr altertümlichen Stand wiedergibt - es wird noch unterschieden zwischen

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Merrecher und Pingsdorfer Hufen und Ländereien, die schon vor dem Jahre 1304 gerodet waren, werden noch als „Forsthufen“ bezeichnet erscheint Ritter Hermann v. Hersei als Lehnsträger. Das Amt eines Wasenmeisters hat er aber sicherlich nicht selbst ausgeübt, sondern unterverlehnt. 29 HStA D, Kurköln IV. 3057. 30 Martin Tuchscherer wird von 1656 bis 1679 als Burggraf erwähnt. 31 Henrich Jodocus Hoen d. Ä. war 1670—1699 Oberkellner. Tuchscherers Nachfolger Johann Rick wurde erst 1683 bestellt. Hoen hat offenbar die Vakanz benutzt, um in die Wasenpacht „einzusteigen“. Das hätte er sicher nicht getan, wenn die Pachtung damals nicht wesentlich mehr als 18 Gulden eingebracht hätte; derart hohe Einnahmen konnten aber nicht nur aus der Grasnutzung oder der Abdeckerei fließen. 32 HStA D, Kurköln IV. 1657. 33 O b die Gebete der vielköpfigen Familie erhört worden sind und der arme Familienvater aus dem für ihn offenbar unwirtschaftlichen Pachtvertrag entlassen wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. 34 HStA D, Kurköln IV. 1659. 35 Der Brühler H of des Klosters Burbach lag ursprünglich (seit 1241) in der „Burbergasse“, der heutigen Burgstraße. Im Jahre 1731, als Kf. Clemens August auf der Stätte dieses Hofs seine „Hubertusburg“ - das spätere Hotel Belvedere - bauen ließ, wurde er an die Ecke Kölnstraße—Schildgesweg, gegenüber dem Judenfriedhof, verlegt. 36 H. J. Plenz war der Nachfolger des 1786 verstorbenen Burggrafen J. A. Keggenhoff. 37 HStA D, Kurköln IV. 1659. 38 Das entsprach dem Wesen des Kurstaats Köln als eines streng katholischen Kirchenstaats. Auch Protestanten, die in kurkölnischen Landen tödlich erkrankten oder zum Tode verurteilt wurden, mußten auf dem Sterbebett oder unter dem Galgen konvertieren, wenn sie ein christliches Begräbnis erhalten und nicht auf dem Schindan­ ger verscharrt werden wollten. 39 Die Grabmäler des Judenfriedhofs, die im Jahre 1970 noch erkennbar waren, sind bei Schulte (Anm. 52) S. 279 ff. aufgelistet. 40 R. W. Rosellen, Geschichte der Pfarreien des Dekanates Brühl, Köln 1887, S. 119. 41 Annalen, Bd. 34, S. 123. 42 J. Ph. N. M. Vogel, Chorographie der Stadt Brühl. Erstmals veröffentlicht im Kurkölnischen Hof-Kalender 1773; hier zitiert nach dem Nachdruck in den BHB 1922/23. - Rosellen erwähnt diese Chorographie bei seinen Quellen (a. a. O., S. 2). 43 Manchmal sogar verballhornt: So schreibt P. Patricius Schlager, Beiträge zur Geschichte der Kölnischen Franziskaner-Ordens-Provinz im Mittelalter, Köln 1904, S. 122: „seit der Judenverfolgung (!) von 1352“. 44 Vgl. Ernst Roth in Monumenta Judaica, Köln 1963, S. 101 ff. 45 Vgl. das in den Anm. 28 erwähnte Einkünfteverzeichnis, das alle von den vormaligen Fronhöfen Merreche und Pingsdorf zu Hofeslehen ausgetane Grundstücke umfaßt. Aus diesem Verzeichnis ist allerdings nicht ersicht­ lich, welche Grundstücke unterverlehnt worden waren. 46 HAK St. Kunibert Urk. 2/529. 47 Die Chroniken der deutschen Städte, 13. Bd., hrsg. v. C. Hegel, Leipzig 1876, S. 913. 48 Vgl, Anm. 41. Diese Urkunde ist a. a. O. mit vielen Lesefehlern abgedruckt. Vielleicht gab es noch eine zweite - verlorengegangene —Urkunde. Darauf deutet eine Bemerkung in den Bürvenich-Annalen (HAK, Geistliche Abt. Nr. 199). D ort wird auf S. 129 bemerkt, daß im Archiv des Brühler Konvents Schriftstücke vorhanden seien über den Ankauf der für die Errichtung des Klosters benötigten Grundstücke, „inter quas erat Synagoga Judaeorum“. Auch hier kann aber das Wort „Synagoga" nur als „Judenschule“ gemeint sein. 49 Pfarreiarchiv St. Margareta, Einkünfteregister 1697 und 1769 sowie Jahresrechnungen. 50 StadtArch. Brühl, Akten 29,10. 51 StadtArch. Brühl, Akten 29, 19. 52 Klaus H. S. Schulte, Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17. Jh,, Düsseldorf 1972 (Veröff. d. Hist. Ver. f. d. Niederrhein Bd. 12). 53 Mangels Raum können die Fundstellen der nachstehend gebrachten Daten hier nicht im einzelnen angegeben werden. Interessenten können sie beim Verfasser erfragen. 23 dieser Daten sind aus der sehr gründlichen Schrift

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von K. Schulte (Anm. 52) entnommen. Als „Nachlese“ aus dieser Schrift sei hier noch mitgeteilt: 1689 bat Jud Nathan um Übersiedlungsgenehmigung nach Deutz, da sein Haus in Brühl abgebrannt sei. Ende des 18. Jh. war Jeschai Koppel aus Brühl, ein Sohn des Coppel Jeschai in Vochem, Rabbi in Bornheim. 1764 wohnte ein Jeschai aus Brühl in Gymnich. Michel Meyer, ein Mitglied der Fetzer-Bande, wurde 1802 in Köln hingerichtet und dann in Brühl begraben. Jacob Cahen, Lechenich, hatte in Brühl im Jahre X eine wohlhabende Cousine, Tochter des Michel Kaufmann, Vorstehers der Brühler Judengemeinde, geheiratet. Seit 1803 betätigte er sich lebhaft an den Säkularisations-Ver­ steigerungen. 54 Pfarreiarchiv St. Margareta, Kirchenrechnung 1604. - Nach welchem Schlüssel diese Umlage erhoben wurde, ist nicht ersichtlich. Zum Vergleich mag dienen, daß 2 1/2 Gulden sonst nur noch von dem Schulheißen und Oberkellner (kurf. Amtsrentmeister) Johann Commeren und von den Erben Vasbender, einer wohlhabenden Handwerker- und Gastwirtsfamilie, bezahlt wurden. Durchschnittlich wurde je Haushalt rund 1/2 Gulden bezahlt. - Auch die Abtei St. Pantaleon wurde zu dieser Umlage herangezogen. Abt Spichernagel zahlte sie aber nur unter kräftigem Druck des erzb. Coadjutors. Grollend vermerkte er dazu in seinen Annalen: Deus parcat hominibus (Gott verzeihe den Menschen, die mich zu dieser Zahlung gezwungen haben)! 55 Henrich Gareis, 1793 bis 1815 Pfarrer von St. Margareta, war von 1797 bis 1803 Maire von Brühl. Während dieser Zeit erwies er sich als überzeugter Jakobiner. Erst später hat er sein Damaskus erlebt. 56 HStAD, Roer-Department Nr. 1721. Vgl. Kap. 17. 57 Hier zitiert nach dem Exemplar des Pfarreiarchivs St. Margareta. 58 Agnes Ries war eine Tochter des katholischen Kaufmanns Gottfried Ries. Ihre Ehe mit Michel Nathan war, soweit bisher bekannt, die einzige jüdisch-katholische Mischehe jener Zeit; sie ist nicht in Brühl beurkundet worden. 59 Nach den Eintragungen im Sterberegister - 12. Mai 1835 und 13. September 1816 - wurde Abraham Levi/Jakob Roos etwa 1758 in Trippelsdorf und Moira Moses/Magdalena Moser etwa 1761 in Heerlen geboren. 60 Warum sie in der Einwohnerliste des Jahres IX. als Merle Cain bezeichnet wurde, läßt sich nicht aufklären. 61 Baruch war anscheinend bei der Volkszählung 1809 nicht in Brühl. Er nannte sich Heinrich und ist 1825 ledig in Brühl gestorben. 62 Seit wann der junge Ehemann diesen wohlklingenden Namen trug und wie er früher hieß, ließe sich wohl aus dem Dülkener Standesamtsregistern entnehmen. 63 Sie war die Großmutter der Betty Levy, geb. Fröhlich, deren Grabstein in den BHB 1970, S. 13, abgebildet ist. 64 Beispielsweise hieß der Jonas Kaufmann, der 1809 im Haus Nr. 107 wohnte, 1795 noch Jonas Cahen; seine Frau Cäcilie wurde als Sprinz Levi geboren. - Der Trödler Daniel Beer in Vochem nannte sich ursprünglich Noa Samuel; seine Kinder Helene, Markus und Jakob sind als Sara, Abraham und Cappel ins Geburtenregister eingetragen worden.

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D ie Z erstörung des A lte n Schlosses u n d d er S ta d t B rü h l a m 21. A p r il 1689

I. Wie wenig man sich auf Gedrucktes verlassen kann Am 21. April 1689 wurde das alte Schloß Brühl - an dessen Stelle heute das Schloß Augustusburg steht - und ein großer Teil der Stadt durch Feuer zerstört. Diese Zerstörung war der schwerste Schicksalsschlag, der Schloß und Stadt Brühl in kur­ fürstlicher Zeit getroffen hat. Was ist über diese Katastrophe berichtet worden? Soweit bisher bekannt, hat erstmals J. Ph. N. M. Vogel1 darüber berichtet, ein kurkölnischer Hofrat, zu dessen Dienstobliegenheiten es in den 60er und 70er Jahren des 18. Jh. gehörte, alljährlich den amtlichen kurkölnischen Hof-Kalender herauszu­ geben. Historisch sehr interessiert, galt Vogel zu seiner Zeit als Hof-Historiograph, weil er Zugang zu allen Archiven hatte. Als Beilagen zu den Hof-Kalendern veröffent­ lichte er Chorographien (Ortsgeschichten) der Städte Bonn, Ahrweiler, Neuss und Brühl. Dem Kalender für das Jahr 1773 legte er eine „Chorographie der Stadt Brul“ bei, in der er alles zusammenstellte, was er über die Brühler Geschichte von der Zeit Julius Caesars bis zum Jahre 1740 herausgefunden zu haben glaubte. In dieser ersten zusammenfassenden Geschichte der Stadt Brühl berichtet Vogel zum Jahre 1689, „. . . daß die französische Besatzung des Schloßes Brül sich wehrend der im Monate Juni vorgenommenen Belagerung mit äußerstem Muth und Wuth verthädigt und denen alliirten Völkern Schritt für Schritte strittig gemacht, bis endlich drey von der Batterie der Münsterischen Truppen geschoßene Feuerkugeln in das Pulvermagazin des Schloßes gefallen, allen dortigen Pulvervorrath gezündet, den Hauptturm gesprengt, viele Offiziere und Gemeine der Besatzung getödtet und die übrige vermöget, das Schloß zu räumen und sich als Kriegsgefangene zu ergeben.“ Zwanzig Jahre später verfaßte der Kölner Stiftsvikar Blasius Alfter2, ein eifriger Lokalhistoriker, ein „Historisch-topographisches Lexikon“, in dem er auch einiges über Brühl brachte. Darin schrieb er: „In dem Fürstenbergischen Krieg ward von dem Coadjutor von Fürstenberg Bruell mit einer starken Besatzung besetzet; aber von den Alliierten nach einer starken Verthätigung eingenohmen. Durch die von den Hannoveranern angefangene fortification wurden nit wenig die Stattmauern geschwächt und endlich eingerissen.“ 1802 schrieb H. S. van Alpen3: „Nach des Churfürsten Max Heinrichs Tode bekam es (das Schloß Brühl) eine französische Besatzung und wurde deswegen von den Alliierten belagert und zerstört.“ Im Jahre 1813 veröffentlichte der Canonicus R. J. Classen4 im Mercure de la Roer eine kurze Geschichte der Stadt Brühl. Darin schrieb er: „Der Marschall d’Humieres 96

fiel in die kurkölnischen Lande ein, besetzte Brühl und legte eine starke Besatzung hinein, was die Alliierten veranlaßte, diese Stadt zu belagern. Die Franzosen hielten sich hier fast einen Monat lang. Aber drei Feuerkugeln aus einer Batterie des Bischofs von Münster ließen das Pulvermagazin in die Luft fliegen. Das machte die Belagerten unfähig, sich weiterhin zu verteidigen, so daß die Besatzung sich gezwungen sah, zu kapitulieren und sich gefangen zu geben.“ Diese Darstellung Classens übernahm dann F. E. v. Mering5- ohne Quellenangabe - wörtlich: „Der Marschall d’Humieres fiel in das kurkölnische Land ein, besetzte Brühl und legte eine starke Besatzung hinein. Dies bewog die Alliierten, Brühl zu belagern. Die Franzosen behaupteten sich einen Monat lang darin; aber drei glühende Kugeln, welche aus einer Batterie flogen, die durch Truppen des Fürstbischofs von Münster bedient wurden, setzten das Pulver-Magazin in Brand. Dies beraubte die Belagerten aller Vertheidigungsmittel. Die Besatzung sah sich genöthigt zu kapitulie­ ren und wurde Kriegsgefangen.“ Ein Menschenalter später schrieb der „Rheinische Antiquarius“6 Chr. v. Stramberg - ohne Quellenangabe - F. E. v. Mering ab: (Im Jahre 1688) „wurde das ganze Kurfürstenthum von den Franzosen unter dem Marschall von Humieres eingenom­ men. Sie legten nach Brühl eine starke Besatzung, daß die Alliierten genöthigt waren, den O rt zu belagern (1689). Die Franzosen behaupteten sich einen Monat lang darin; aber drei glühende Kugeln, welche aus einer Batterie flogen, die durch die Truppen des Fürstbischofs von Münster bedient wurde, setzten das Pulvermagazin in Brand. Dies beraubte die Belagerten aller Vertheidigungsmittel. Die Besatzung sah sich genöthigt zu capituliren und wurde kriegsgefangen.“ Und wieder zwanzig Jahre später übernahm R. W. Rosellen7 die Darstellungen Alfters und Classens - ein bißchen ausgeschmückt und mit irreführender Quellenan­ gabe —in seine Dekanatsgeschichte: „Ein französisches Heer unter Marschall d’Hu­ mieres überschwemmte unter Rauben und Brennen das Erzstift und belegte dessen Festungen, auch Brühl, mit starken Besatzungen. Mit Kaiser Leopold vereinigten Brandenburg, Hannover, Holland und Münster ihre Streitkräfte zur Bekämpfung der Franzosen. Im Juni 1689 lagerten sie vor Brühl. Die Franzosen vertheidigten sich mit der größten Tapferkeit während eines ganzen Morrats, bis drei aus der münsterschen Batterie abgeschossene Feuerkugeln in das französische Pulvermagazin einschlugen und das Schloß zerstörten. Die Besatzung, unfähig fernem Widerstand zu leisten, war zur Uebergabe genöthigt. Die Mauern der Stadt wurden von den Hannoveranern geschleift. Damit hatte Brühl als befestigter Platz jede Bedeutung verloren.“ In gleicher Weise schrieb R. Bertram8- ohne Quellenangabe - in seiner Pfarreige­ schichte: „Ein französisches Heer unter Marschall d’Humieres belegte Brühl mit starker Besatzung. Die Bundesgenossen des Kaisers lagerten sich 1689 vor Brühl. Die Franzosen verteidigten sich mit der größten Tapferkeit, machten den Alliierten jeden Schritt und Tritt streitig, bis drei aus der Münsterischen Batterie abgeschossene Feuerkugeln in das französische Pulvermagazin einschlugen und im Juni 1689 das Schloß zerstörten. Die Besatzung wurde zur Übergabe gezwungen. Die Stadt (!) und 97

die Außenwerke des Schlosses wurden von den Hannoveranern geschleift, und damit hatte Brühl seine Bedeutung als Festung (!) verloren.“ Nach diesen inhaltlich übereinstimmenden Berichten namhafter Autoren, denen keine vor 1933 veröffentlichte Darstellung widerspricht, müßte man eigentlich anneh­ men, daß zweifelsfrei klargestellt sei, wie und warum das Schloß Brühl im Jahre 1689 zerstört worden ist9. Leider ist aber in diesen Berichten kein Wort wahr: Brühl ist nie eine Festung gewesen. Marschall d’Humieres kommandierte 1688/89 nicht im Rheinland, sondern in Flandern. Die französischen Truppen haben in Brühl nicht heldenhaft gekämpft, sondern als Mordbrenner die wehrlose Bevölkerung eines verbündeten Landes gequält. Brühl wurde 1689 nicht belagert; als die Truppen der Alliierten anrückten, waren die französischen Sprengkommandos längst über alle Berge. Daß Stadtmauern und Außenwerke des Schlosses von Hannoveranern geschleift worden seien, ist frei erfunden. Diese Erkenntnis ist erst Max Braubach zu verdanken, weil sich dieser - anders als seine Vorgänger - bei seinen Untersuchungen zur rheinischen Geschichte im 17. und 18. Jh. nicht auf gedruckte Darstellungen verließ, sondern in langjähriger Kleinarbeit alle ihm zugänglichen Archive durchforschte. Vor allem in den Pariser Archiven fand Braubach eine Fülle von Fakten, und das „Pünktchen auf dem i“ war ein mit einer Handskizze erläuterter Augenzeugenbericht über die Zerstörung des Brühler Schlosses, den er im Staatsarchiv Düsseldorf fand10 und 1933 veröffentlichte11. Aufgrund der Ausführungen Braubachs und vieler Einzeldaten aus Brühler Archi­ valien kann im folgenden darüber berichtet werden, was sich am 21./22. April 1689 in Brühl tatsächlich ereignet hat. II. Kampf und Zerstörung am Niederrhein 1.

Die Stadt Köln ist von alters her „das Verkehrskreuz des Westens“, und die umliegen­ den Landschaften - insbesondere das vormalige Kurfüstentum Köln - haben die strategische Bedeutung ihrer Lage in vielen Kriegen erwiesen. Vor allem im 17. und 18. Jh., in dem großen Ringen der Bourbonen und der Habsburger um die Vorherrschaft in Europa, suchte man von Versailles wie von Wien aus mit allen Mitteln beherrschenden Einfluß auf die Kurfürst-Erzbischöfe von Köln und damit militärische Verfügungsmacht über deren Lande - das „Erzstift Köln“ —zu gewinnen. Wichtig in diesem Ringen war auch, daß die Kölner Erzbischöfe Kurfür­ sten des Reichs waren, von ihrer Stimme also mit abhing, ob ein Habsburger oder ein Günstling Frankreichs zum Kaiser gewählt wurde. Kurköln war ein Wahlfürstentum; nach dem Tode eines jeden Erzbischofs wählte das Domkapitel dessen Nachfolger. Bei diesen Erzbischofs-Wahlen blieben pastorale Erwägungen außer Betracht; immer waren die Wahlen hochpolitische, von den einzel­ nen Kandidaten und ihren Hintermännern durch Zuwendungen an die wahlberechtig98

ten Domherren beeinflußte Entscheidungen; manchmal wurde die Kölner Kurwürde von den Domherren geradezu meistbietend versteigert. So war es auch, als für den am 3. Juni 1688 verstorbenen Kurfürst-Erzbischof Max Heinrich v. Wittelsbach ein Nachfolger zu wählen war. Aussichtsreichster Kandidat schien zunächst Graf Wilhelm v. Fürstenberg (1629—1704) zu sein. Schon im Alter von 6 Jahren am Kölner Dom bepfründet, war er 1681 Dechant des Domkapitels geworden; das Kapitel hatte ihn zum Coadjutor (Stellvertreter mit Nachfolgeanwartschaft) Max Heinrichs gewählt, dafür aber keine päpstliche Bestätigung erhalten. Schon seit vielen Jahren hatte der menschen- und verantwortungsscheue Kurfürst ihm und seinem älteren Bruder Karl Egon die Regierung des Erzstifts überlassen. Diese Regierung führten die beiden Brüder als willige Werkzeuge Ludwigs XIV., dem sie sich am 4. Juni 1658 durch einen Geheimvertrag mit Leib und Seele verkauft hatten12. Zum Dank für ihre unermüdliche Arbeit im Dienste Frankreichs hatte Ludwig XIV. Karl Egon zum Fürstbischof von Straßburg wählen lassen13 und Wilhelm den Kardinalspurpur verschafft. Als Nachfolger seines 1682 verstorbenen Bruders Karl Egon war Wilhelm dann auch Fürstbischof von Straßburg geworden. Diese Fürstbischofswürde erschwerte indessen Wilhelm v. Fürstenberg, dazu noch die Würde eines Erzbischofs von Köln zu erwerben. Nach kanonischem Recht war das nur möglich, wenn er entweder vom Kölner Domkapitel mit Zweidrittelmehrheit gewählt - „postuliert“ - wurde oder vom Papst ein „Eligibilitätsbreve“ (Ausnahmege­ nehmigung) erhielt. Papst und Kaiser waren sich aber darüber einig, daß ein solches Breve die Macht Frankreichs allzusehr verstärken und das europäische Gleichgewicht stören würde. Papst und Kaiser stellten vielmehr dem Kardinal v. Fürstenberg einen anderen Kandidaten entgegen: den 16jährigen Joseph Clemens v. Wittelsbach, einen Neffen des verstorbenen Kurfürsten Max Heinrich. Joseph Clemens galt in diesem Fall als rechtmäßig gewählt, wenn Wilhelm v. Fürstenberg nicht mindestens 16 der 24 Domherren-Stimmen erhielt. Das Ergebnis der auf den 19. Juli 1688 angesetzten Wahl wurde in ganz Europa mit größter Spannung erwartet14. In den Wochen zuvor bemühten sich beide Kandidaten —Joseph Clemens vertreten durch den bayerischen Bevollmächtigten Joh. Friedrich Karg15 -, von ihren Hintermännern mit den erforderlichen Geldmitteln versehen, eifrigst um jede Wählerstimme. Die Wahl, deren dramatischen Verlauf Max Braubach eingehend geschildert hat16, ergab dann 13 Stimmen für Wilhelm v. Fürstenberg und 9 Stimmen für Joseph Clemens v. Wittelsbach; 2 Stimmen entfielen auf Einzelgänger. Damit war Joseph Clemens nach kanonischem Recht zum Kurfürst-Erzbischof von Köln gewählt. Am 20. September 1688 erhielt er die päpstliche Bestätigung17. 2.

Kardinal Wilhelm v. Fürstenberg kümmerte sich aber nicht um das kanonische Recht. Sofort nach der Wahl ließ er im Chor des Kölner Doms feierlich verkünden, daß er 99

von der Mehrheit der Domherren zum Erzbischof gewählt worden sei. Dann begab er sich nach Bonn und übernahm die Regierung des Erzstifts. Vor allem nahm er die Truppen in Eid, die er schon Monate vorher mit französischem Geld angeworben hatte18. Das genügte aber Ludwig XIV. nicht. Schon vor der Wahl hatte sein Kriegsminister Louvois in Luxemburg und auf dem Mont-Royal, der französischen Zwingburg bei Traben-Trarbach, für alle Fälle Eingreiftruppen bereitgestellt. Am 20. August 1688 befahl Ludwig XIV., Kurköln militärisch zu besetzen. Dieser Befehl wurde in der ersten Septemberhälfte durch Generalleutnant Sourdis ausgeführt. Am 7. September war Bonn besetzt, das alsbald nach Weisungen des Festungsbaumeisters Vauban zu einer starken Festung ausgebaut wurde. Am 15. September wurde Neuss besetzt, wohin Sourdis sein Hauptquartier verlegte. Die Besetzung des Erzstifts hatte keine politischen, sondern rein strategische Gründe. Ludwig XIV. beabsichtigte nicht, das Erzstift so zu annektieren (Frankreich einzuverleiben), wie er in den Jahren zuvor unter dem Vorwand von „Reunionen“ das rein deutsche Elsaß zum größten Teil annektiert und 1681 die rein deutsche Reichs­ stadt Straßburg überfallen und annektiert hatte. Ziel der französischen Politik war offenbar nur, durch Verwüstung der Pfalz19 den Kaiser und die deutschen Fürsten einzuschüchtern und zur Anerkennung der Annexionen zu zwingen. Diesen Opera­ tionen in der Pfalz und am Oberrhein sollte die Besetzung des Erzstifts Flanken­ schutz geben. Bonn, zur starken Festung ausgebaut, sollte alle Truppenbewegungen vom Niederrhein nach Süddeutschland verhindern. Deshalb beschränkte sich Sourdis darauf, die drei festen Plätze, die es im Erzstift gab - Bonn, Rheinberg und Kaiserswerth —,in guten Verteidigungszustand zu setzen. Überlegungen, auch Neuss und Zons zu befestigen, wurden sehr bald aufgegeben; von einer Befestigung des strategisch völlig belanglosen Städtchens Brühl ist bei diesen Planungen nie die Rede gewesen. Hauptstützpunkt war Bonn. Deshalb erhielt diese Stadt eine starke französische Besatzung. Die anfangs dort stationierten von Wilhelm v. Fürstenberg angeworbenen Truppen - die „kardinalischen Regimenter“ —wurden, durch französische Einheiten verstärkt und beaufsichtigt, in die Außenposten Rheinberg und Kaiserswerth abge­ schoben. Die Befestigung der Stadt Bonn wurde alsbald mit härtesten Mitteln vorangetrie­ ben. Dafür mußte die kurkölnische Verwaltung Tausende von Zwangsarbeitern stellen30. Darüber hinaus erpreßten die Franzosen von allen Städten und Dörfern im weitesten Umkreis - von Kleve bis ins Lahntal, von Aachen bis nach Arnsberg unerschwinglich hohe Dienstleistungen, Lieferungen und Geldkontributionen. Fast ununterbrochen waren die französischen Dragoner im Einsatz, um diesen Forderun­ gen Nachdruck zu verleihen. Dutzende von Dörfern gingen dabei im Flammen auf. Hilfe in dieser Not konnten weder der Kaiser noch die katholischen Reichsstände leisten; ihre Truppen waren in Süddeutschland gebunden. Hilfe war nur von Holland und von Kurbrandenburg zu erwarten, den beiden einzigen Mächten am Niederrhein, die über kampfstarke Truppen verfügten21. Die holländischen Regimenter kamen aber 100

erst im Winter 1688/89 aus England zurück, nachdem Wilhelm von Oranien sich als König von England durchgesetzt hatte, und der junge Kurfürst Friedrich von Bran­ denburg entschied sich erst Anfang 1689 für ein Bündnis mit dem Kaiser. Erst am 8. März 1689 schlossen der Kaiser, die Generalstaaten (Holland) und Kurbranden­ burg eine gegen Frankreich gerichtete Offensivallianz, der sich dann auch der Fürst­ bischof von Münster anschloß. Nur zögernd rückten allerdings die Truppen der Verbündeten von Wesel aus rheinaufwärts. Nachdem es aber den Brandenburgern gelungen war, die französischen und „fürstenbergischen“ Truppen in einigen Gefechten zu schlagen, entschloß sich Sourdis, alle seine Truppen in Bonn zusammenzuziehen und sich dort einzuigeln. Die fürstenbergischen Regimenter sollten Rheinberg und Kaiserswerth bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Mit diesem Entschluß des französischen Generalstabs, sich in den drei Festungen einzuigeln und im übrigen das Erzstift zu räumen, begann für die Lande links des Rheins die eigentliche Schreckenszeit. Braubach berichtet darüber22: „Asfeld23 hatte schon unmittelbar nach dem Gefecht von Neuss von der Notwendigkeit gesprochen, rings um Bonn eine Art von Glacis zu schaffen; wenn der Feind nicht die Zeit zu einer gründlichen Demolierung der Burgen lasse, so müßte man wenigstens die Brandfackel in die Häuser werfen. Damit wurde auf alle Fälle schon einmal begonnen; so wurden insbesondere planmäßig in größerem Maßstab alle Orte, die sich in Erfüllung der ihnen auferlegten Lasten irgendwie lässig gezeigt hatten sowie die zahlreichen Besitzungen von Bürgern der Stadt Köln in Asche gelegt. Inzwischen hatte Louvois in einem Schreiben an Duras24 vom 24. März zum Ausdruck gebracht, daß seiner Meinung nach Sourdis bei seinem Rückzug unbedingt Brühl, Kerpen, Lechenich, Nörvenich, Münstereifel, Rheinbach und Mayen. . . ,ruinieren' müsse. Als wichtigste Objekte der Zerstörung bezeichnete dann Duras am 26. März die Burgen von Lechenich, Brühl und Kerpen. Schleunigst wurden von Bonn aus Ingenieure dorthin gesandt, um die zur Sprengung notwendi­ gen Arbeiten zu leiten. . . Asfeld schrieb an Louvois: ,Es wird nicht genügen, nur das Schloß Brühl in die Luft zu sprengen, ich glaube vielmehr, daß man auch die Häuser der Stadt ruinieren muß. Das gleich Schicksal hat Ahrweiler zu treffen, und ebenso hat man die kleinen Städte Meckenheim und Rheinbach unbrauchbar zu machen.“ Angesichts der Masse der Objekte meinte Sourdis, daß, wenn es an Pulver und Demolitionssachverständigen fehlen sollte, man mit Feuer nachhelfen solle. Immer­ hin waren ab 15. April in den wichtigeren Orten die Vorarbeiten so weit abgeschlos­ sen, daß es nur noch des Befehls zum Anstecken der Zündschnüre bedurfte. Der vom 11. April datierte Befehl König Ludwigs, mit dem grausigen Werk sobald als möglich zu beginnen, traf um den 20. bei Sourdis und Asfeld ein. Er war das Stichwort für eine erste Serie von Zerstörungen, die am 21. April vor sich ging. ,Gestern“, so meldete Sourdis am folgenden Tage aus Rheinbach, wo er die freiwerden­ den Kräfte sammelte, ,wurde die Expedition zur Rasierung der Schlösser von Brühl, Münstereifel, Zülpich und Lechenich durchgeführt.“. . . (Was Braubach nun über die Zerstörung von Brühl berichtet, wird im einzelnen unten zu III. 2 gebracht). . . Zum 101

Teil wohl noch gründlicher (als in Brühl) hatten die Sprengungen in Lechenich und Kerpen gewirkt. In Münstereifel, wo Sourdis die Aktion persönlich überwacht hatte, wurden nach der Aufzeichnung eines Bürgers das fürstliche Schloß und die vier Stadtpforten gänzlich verbrannt, in die Stadtmauer Breschen gelegt und die Einwoh­ ner ,in Armut und Ruin gesetzt“. In Zülpich ging die Burg mitsamt der dorthin geflüchteten Habe der Bürger in Flammen auf. In der zweiten Etappe der Zerstörungen brach schweres Unglück insbesondere über Andernach und Ahrweiler herein. Duras hatte noch am 7. April Bedenken geäußert, ob es Sinn hätte, ein so ausgedehntes Städtchen wie Andernach in die Aktion einzubeziehen. Vom Hof kam indessen der Befehl, es in Brand zu stecken. Nachdem ein Teil der Mauern und alle Tore niedergelegt worden waren, zündete die französische Besatzung am Abend des 30. April vor ihrem durch den herangekomme­ nen Sourdis gesicherten Rückmarsch nach Bonn nach vorheriger Plünderung den Ort an allen Ecken an. Bis zum Anbruch des 1. Mai wütete das Feuer, das mit Ausnahme der Kirchen und Klöster, des Hospitals und weniger Bürgerhäuser alle Gebäude zerstörte. In Ahrweiler, das seit September 1688 unter fortwährenden Durchzügen und Einquartierungen gelitten hatte, waren in den letzten Tagen des Aprils Mauern und Türme demoliert worden. Hier begann die Brandstiftung am Nachmittag des 1. Mai, sie wurde zeitweise zum Zweck der Plünderung unterbrochen, am 2. Mai aber wieder aufgenommen, so daß schließlich nur zehn Häuser stehenblieben.“ Während dieser Zeit hielt sich das Heer der Verbündeten immer noch am Nieder­ rhein auf. Erst nachdem am 16. Mai die Festung Rheinberg und am 25. Juni auch die Festung Kaiserswerth kapituliert hatte, zogen die Brandenburger und die münsterschen Truppen ganz langsam südwärts, um Bonn zu belagern. Am 7. Juli nahm Kurfürst Friedrich von Brandenburg bei Bergheim eine große Parade der Kavallerie ab, und am 21. Juli verlegte er sein Hauptquartier nach Ober-Wesseling. Das halbzer­ störte und von allen französischen Truppen längst verlassene Städtchen Brühl brauchte - selbstverständlich - nicht belagert werden, und in den Archivalien findet sich auch nicht das geringste Indiz dafür, daß zu dem Heer der Verbündeten Hanno­ veraner gehörten. Uber den weiteren Verlauf dieses Feldzugs ist hier nicht zu berichten. Kurz sei nur erwähnt, daß die Festung Bonn, durch eine langwierige, beidersetis verlustreiche Belagerung in einen Trümmerhaufen verwandelt, am 12. Oktober 1689 kapitulierte. Der französischen Besatzung wurde Abzug mit militärischen Ehren zugebilligt; die überlebenden Einwohner waren auch hier „in Armut und Ruin gesetzt“ worden. Kardinal v. Fürstenberg, der zunächst in Bonn geblieben war, wurde von Asfeld immer deutlicher als „quantite negligeable“ behandelt. Als er sich in Bonn nicht mehr sicher fühlte, setzte er sich am 6. April 1689 unter französischem Geleitschutz zum Mont-Royal und weiter nach Metz ab. Dort traf er am 14. April seine Geliebte, die er schon am 21. März mit großem Troß von Bonn aus vorausgeschickt hatte. Kurfürst-Erzbischof Joseph Clemens v. Wittelsbach genoß inzwischen seine Jugend in München. Seine Einkünfte als Bischof von Freising und von Regensburg ermöglichten ihm ein aufwendiges Leben. Ins Erzstift Köln kam er erstmals 1691 zu 102

einem kurzen Besuch. Die Sorge um das Erzstift überließ er seinem Generalbevoll­ mächtigten Karg, der während der gefährlichen Jahre seinen Wohnsitz hinter den sicheren Mauern der Stadt Köln nahm. IIL Was ereignete sich 1688/89 in Brühl? 1.

Vielerorten fühlten sich die Pfarrer vorzeiten mit ihrer Gemeinde so verbunden, daß sie durch Notizen in den von ihnen zu führenden Tauf-, Trauung- und Sterberegistern oder durch chronikalische Aufzeichnungen über die Schicksale ihrer Gemeinde berichteten. Christian Lenneper, der von 1679 bis 1715 Pfarrer an St. Margareta war, hat keine derartigen Aufzeichnungen hinterlassen. Die Register zu führen, überließ er meist seinen Offermännern, und diese waren so lässig, daß sie nur einen offensicht­ lich ganz kleinen Teil der Taufen, Trauungen und Beerdigungen eintrugen. Obwohl die zu jener Zeit geführten Register von St. Margareta anscheinend vollständig über­ liefert sind, enthalten sie sehr viele, manchmal wochen- oder monatelange Lücken. Uber die Ereignisse der Jahre 1688/89 sagen sie nichts aus; man kann aus ihnen noch nicht einmal entnehmen, wie viele Menschen bei dem Stadtbrand ums Leben gekom­ men sind. Auch gab es damals offenbar keinen Brühler, der so schreibgewandt und schreib­ lustig war, daß er Aufzeichnungen über die Schicksale seiner Stadt machte. Ratsprotokolle sind - trümmerhaft - erst seit 1704 erhalten; erst seit 1720 sind sie leidlich lückenlos überliefert. „Billetierungslisten“25, die Auskunft geben könnten über die jeweils in Brühl einquartierten Truppen, sind für die Zeit von 1684 bis 1707 nicht erhalten. So ist die einzige Brühler Quelle, die wenigstens etwas über das Jahr 1688 aussagt, die Stadtrechnung des Bürgermeisters Hilger Breuer, die vom 25. Januar 1687 bis zum 24. Januar 1689 reicht26. Der größte Teil der darin ausgewiesenen Ausgaben betrifft Zahlungen, die anläßlich von Einquartierungen und Truppendurchmärschen oder zur Ausführung militärischer Befehle von der Stadt27 geleistet wurden. Von diesen 44 Aus­ gabeposten seien hier erwähnt: Am 29. April 1687 forderten fürstenbergische Werbeoffiziere, „weliche einig ahnge­ worbene Mannschaft vor der Stattpforten stehend gehabt“, Quartiere. Bürgermeister Breuer veranlaßte sie aber durch ein Geldgeschenk, anderswo Quartiere zu suchen. In gleicherweise gelang es ihm, im Januar 1688 eine ganze Kompanie durch „Hergebungh einer recompens“ an deren Capitain loszuwerden. Hochmögende Herren wie der Official und Kammerpräsident Quentel28 und der Amtmann Frhr. v. Roist29 erhielten als „Verehrung“ je ein feistes Kalb, als sie „etwaß vor die Statt laborirt“ hatten. Solche Erleichterungen der drückenden Quartierlast30 waren aber seltene Ausnah­ men. Fast immer lagen, häufig wechselnd, in Brühl 2 bis 3 Kompanien in Quartier, und wenn größere Abteilungen auf dem Durchmarsch außerhalb der Stadt biwakier­ ten, erwarteten deren Offiziere eine standesgemäße Recreation. Am 18. September 1688 wurden erstmals auch französische Truppen - „drey fran103

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cösische Compagnien zu Pferdt vom Burgonischen Regiment“ - einquartiert. Quentel führte sie persönlich ein und befahl, „dieselbe mit guten Quartiren zu versehen undt der Ordtnungh gemäß zu verpflegen“. Auf Befehl Ihrer Hochfürstl. Eminence (Kardinal v. Fürstenberg) mußten dem Commandirenden Officier von der Cavaglerie die Stadtschlüssel überliefert werden. Der neue Ortskommandant befahl alsbald, „die platzen vor den mawren zu eröff­ nen“31 und mit Palisaden zu besetzen. Palisaden mußten auch „umb die Burghoffspfort undt zu versperrungh der Straßen nach dem Schloß längs die hewschewr zwischen dem Closter undt Burghoff“ eingesetzt werden. Mehrmals kam nun vor, daß Quartiere und Fourage eigenmächtig requiriert wurden oder daß in das Haus des Bürgermeisters, das als solches quartierlastfrei war, zur Durchsetzung von Requisitionsforderungen Zwangseinquartierung gelegt wurde, die alles verzehrte, was sie in Küche und Keller vorfand. Die Schweizer Grenadiere gingen dabei besonders rauh vor. Zu größeren Ausschreitungen ist es aber anschei­ nend nicht gekommen. Im Winter 1688/89 wurde schließlich der fürstenbergische Hauptmann Landfarck zum Ortskommandanten ernannt: „Als in krafft Cardinalischer Verordtnung dem Haubtman Landvarck so woll über alle vorhandene Officier als gantze Gouarnison das Commando übertragen worden, hatt derselb mit denen Officiers nach beschehener dessen Präsentirung undt Underredungh verzehrt 4 Gl 12 Alb.“ Abschließend bemerkte Bürgermeister Breuer in seiner Rechnung: „Die francösische auff undt ab marchirende trouppen haben, ohne das so woll im Schloß alß statt Bruell continuo vorhandene schwehre gouarnison, folgender maßen so zu pferdt als fuß iedesmahl von genanter statt allerdings verpflegt werden müßten: 1688 Compagnien Septembris 30. auß Bonn auff Brawweiler undt Zonß 2 schweitzerische 2 Octobris Item 1., 4., 5., 11., 16., 20., 23. undt 30. deßgleichen 7 compag. vom Tragoner Regiment de Stoppa 7 Novembris ferners den 5., 13., 15., 24. undt 27. 5 compag. vom Regiment de Bourgogne 5 Decembris den 1., 15., 16., 29. undt letzten vom Gen. Sorde 5 1689 23. Jan. ein gantz Regiment de Provance 10 noch auff 2 dagh von Newß 22 hierauff nochmahlen ein batallion auß Newß 18 Diese Officier von allen diesen trouppen haben über wehrender einquartirungh mit denen 10 Rth, so ich deme Duc de la Salle vom 24. Dec. biß 24. Jan. ahn serviß undt Verpflegung in geldt hergeben müßen, zusammen 16Rth auffgetrieben undt verzehrt.“ Diese Aufzeichnungen des Bürgermeisters Breuer zeigen, daß Brühl im Jahre 1688 zwar sehr stark mit Quartierlasten bedrückt, aber keineswegs „zur Festung ausge­ baut“ wurde. Das Setzen einiger Palisaden kann man noch nicht einmal als „Befesti­ gung“ bezeichnen. 104

2.

Uber die Ereignisse des Jahres 1689 sagen die Brühler Archivalien nichts aus. Alle wichtigen Berichte über die Zerstörung von Schloß und Stadt Brühl liegen, von Max Braubach erstmals ausgewertet32, im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf: Am 24. März schrieb Karg an Joseph Clemens, daß die Franzosen zu Brühl den Tiergarten (gemeint ist wohl die Tiergartenmauer) an vielen Orten zur sicheren Flucht durchbrochen hätten33. Am 4. April meldete Karg, die Franzosen forderten in Brühl und in Lechenich von den Untertanen einen unerschwinglichen Unterhaltsbei­ trag und brächen denen, die flüchteten, die Häuser ab34. Am 9. April meldete er, daß das schöne Schloß Brühl von ihnen unterminiert werde. Und am 21. April schließlich berichtete er auf einem hastig geschriebenen, dem Kurier in letzter Minute mitgegebe­ nen Zettel35: „In diesem Momento werde ich benachrichtigt, daß die Frantzosen das schöne churfürstl. Lusthaus und Schlos zu Brüel so recht in die Lufft gesprengt, dergleichen sie auch mit Lechenich und Kerpen Vorhaben sollen.“ Alsbald nach der Zerstörung des Schlosses erstattete der Brühler Burggraf (Schloß­ verwalter) Johann Rick einen kurzen, durch eine Handskizze erläuterten Bericht über den Zustand der Ruine36: „Aus beikommender, in Eil abgezeichneter Delineation kann de numero ad numerum klärlich abgenommen werden, wie das Churfürstliche Schloß zu Bruell nach von den französischen Völckern unterm 21. Aprilis vorgenommener Sprengung und darauf erfolgter schrecklichen Feuersbrunst sich befinden tut. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Die Pfort an dem Vorhof ist schier unverletzt mit der ausziehender Brücke. Das Pförtnershaus sampt Brodtschreiberei und Backhaus zum Theil verbrandt. Die Stallungen gantz verbrandt. Das Brauhauß ebenmäßig eingeäschert. Die Brück am Oberschloß-pforte verbrandt und von den Minen zerschlagen. Diese beiden hierunden gelegten Minen haben dermaßen ihren effect erreicht, daß der Pfordten-thurn zur halbscheidt gespalten und durch die brücken im Weyer ohn Verletzungen der Capellen und deß Gewolb gefallen. 7. Die Capell ist unverletzt. 8. Der große Saal ist gantz bis am Gewolb verbrandt. 9. Under No. 8: Das Burggrafen-appartement ist unverletzt wegen das große Gewolb, jedoch an dem Eck die Mauer von der untergelegter Minen gantz zerschlagen. 10. Dieser Thurm ist gantz zerschmettert und vollich in den Weyer durch diese Minen gefallen. 11. Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht höchst seeligen Angedenkens Schlafzimmer ist zumahl zerschmettert. 12. Dieser Eck ist gantz von oben bis unden im Weyer. 13. Der Thum die grün dhur genandt ist unverletzt, weil diese Minen ihren effect nicht konnten thuen. 105

Abb. 7 Skizze des zerstörten Alten Schlosses 1689. Aus der Akte HStAD Kurköln VI. 1662. 106

14. Der Neubau ist zwar gantz ausgebrandt, aber das Mauerwerck ist von oben bis unden gantz unverletzt. 15. Der runde hohe dicke Thurm ist unverletzt, wiewohl ein klein Loch unden außerwärts gemacht und zum Theil in Keller hinein geschlagen. 16. Die Fontainen sampt umbgesetztes eisernes Gerembs ist all hinweg. In Summa: am gantzen Oberschloß ist wegen Brandts kein Tach noch Holtzenwerck plieben37. In der Statt Bruell seindt 33 Heuser mit allen appertinentien eingeäschert, ohne daß schier alle Ställ und Scheuren verbrandt sind.“ In diesem Zustand - und mangels Sicherung immer mehr verfallend - blieb die Ruine offenbar bis zum Jahre 1725. Für einen auch nur teilweisen Wiederaufbau fehlte es an Geld38; andere Wiederaufbaumaßnahmen, insbesondere in Bonn, waren wichti­ ger. Oberkellner Hoen ließ 1690 durch vier Tagelöhner einige Stubenofenplatten, Glasfenster und den Braukessel bergen39; im übrigen beschränkte er sich darauf, den Burghof, einen fiskalisch wichtigen Wirtschaftsbetrieb, wieder instandsetzen zu lassen. Auch darf man wohl annehmen, daß die Brühler aus den Trümmern des Schlosses alles noch verwendbare Material zum Wiederaufbau ihrer Häuser entnom­ men haben. 3. Wie bereits oben zu II. 2. erwähnt wurde, sollte nach dem französischen General­ stabsplan in Brühl nicht nur das Schloß „rasiert“, sondern auch die ganze Stadt durch Feuer zerstört werden. Dieser Plan ist offensichtlich nur unvollständig ausgeführt worden: Vom Schloß blieben noch stattliche Reste stehen, insbesondere der Grüne und der Dicke Turm40, und in der Stadt wurden lange nicht alle Häuser eingeäschert. Ob die französischen Zerstörungskommandos aus Zeitmangel so flüchtig arbeiteten —sie mußten ja noch weiter nach Lechenich und Kerpen —oder ob sie sich bestechen ließen, bestimmte Häuser zu verschonen, bleibt offen. Tatsache ist jedenfalls, daß das am Kölntor, also am Ende der Stadt gelegene Haus „Zum Engel“ völlig niederbrannte, während das am Markt gelegene Haus „Zum Stern“ den Stadtbrand anscheinend unversehrt überstand41. Darüber, welche Häuser ganz zerstört und welche mehr oder minder beschädigt wurden, sind keine zusammenfassenden Berichte überliefert; nur rein zufällig findet man in einigen Pacht- oder Renten-Abrechnungen Vermerke wie „durch die Frantzosen verbrandt“ oder „furore gallico devastatum“. Aus späteren - auch nur zufällig überlieferten - Nachrichten über den Wiederaufbau einzelner Häuser läßt sich schlie­ ßen, daß Johann Rick die Anzahl der ganz zerstörten Wohnhäuser zu niedrig geschätzt hat. Wahrscheinlich sind durch den Brand mehr als die Hälfte der damals „intra muros“42 stehenden —knapp 100 —Wohnhäuser unbewohnbar gemacht worden. Der Wiederaufbau der Stadt dauerte fast 20 Jahre, obwohl damals fast alle Brühler Häuser kleine Lehmfachwerkbaue waren, also mit verhältnismäßig geringem Aufwand in Nachbarschaftshilfe errichtet werden konnten. In den meisten Fällen 107

Abb. 8 Schloßruine im Jahre 1723. Links der Torturm der Vorburg. (Foto: Rheinisches Bildarchiv) 108

wurden die Behelfsbauten der 1690er Jahre später durch solidere Neubauten ersetzt43. Einige Trümmerstätte blieben aber noch jahrzehntelang wüst liegen, weil ihre Eigen­ tümer verschollen oder von Brühl abgewandert waren und für die Trümmerstätte keinen Käufer gefunden hatten44. So hat der maßlose Ehrgeiz des Kardinals Wilhelm v. Fürstenberg auch in Brühl fast alle Bürger für lange Zeit „in Armut und Ruin versetzt“.

1 Hofkammerrat Johannes Philippus Neri Maria Vogel legte dem Hof-Kalender auf das Jahr 1773 eine deutsche Fassung seiner „Chorographie der Stadt Brül“ bei. Dieser Text ist in den Brühler Heimatblättern Jhg. 3/4 (Oktober 1922/Juni 1923) nachgedruckt worden. Das Zitat ist dem Nachdruck entnommen. Eine französische Fassung brachte Vogel in dem Nouvel Almanaque de la Cour de S. A. S. E. de Cologne pour l’annee 1775. Dieser Text war dem Verfasser nicht zugänglich. 2 Manuskript im HAK, Chroniken und Darstellungen Nr. 159 f. 112r. - Über Blasius Alfter vgl. Stramberg a. a. O., S. 125. 3 H. S. van Alpen, Die Geschichte des fränkischen Rheinufers, was es war und was es itzt ist. I. Theil, Köln am Rhein, 1802, Jahr X der französischen Republik, S. 65. 4 R. J. Classen, Notices historiques, topographiques et statistiques sur l’arrondissement de Cologne, Mercure de la Roer, Jhg. 1813, S. 75. - Der französische Text ist hier frei übersetzt zitiert. 5 F. E. v. Mering, Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien und Klöster. . ., I. Heft, Köln 1833, Neudruck 1973, S. 103/104. 6 Chr. v. Stramberg, Das Rheinufer von Coblenz bis Bonn (Rhein. Antiquarius Abt. III Bd. 12), Coblenz 1866, S. 471. 7 R. W. Rosellen, Geschichte der Pfarreien des Dekanates Brühl, Köln 1887, S. 93. Rosellen beruft sich dabei auf das „Theatrum Europaeum ad annum 1689“. In dem Band XIII des Theatrum Europaeum, der die Jahre 1687—1691 behandelt, wird zwar (auf S. 737 ff.) ausführlich über die Belagerung von Bonn berichtet, Brühl aber - oder gar eine Belagerung des „befestigten Platzes Brühl“ - mit keinem Wort erwähnt. Hätte Rosellen diesen Band benutzt, so hätte er daraus ersehen, daß Marschall d ’Humieres im Jahre 1689 - anders als im Jahre 1673 —französischer Oberkommandierender nicht im Rheinland, sondern in Flandern war. Das gleiche gilt für das Buch von L. Ennen, Frankreich und der Niederrhein. . ., Bd. I, Köln 1855, das Rosellen in seinem Literaturverzeichnis erwähnt. 8 R. Bertram, Chronik der katholischen Pfarre Brühl, I. Teil, Brühl 1913, S. 27. 9 Deshalb ist diese Version in die gesamte vor 1933 erschienene einschlägige Literatur ungeprüft übernommen worden. Vgl. z. B. „Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“ IV.1, Bonn 1897, und zuletzt E. Renard, Schloß Augustusburg in Brühl, 2. Aufl. Bonn 1931, S. 5. 10 HStAD Kurköln VI. 1662. 11 M. Braubach, Das alte Schloß zu Brühl und seine Zerstörung im Jahre 1689, Annalen d. Hist. Ver. f. d. Niederrhein Bd. 122, S. 118. „Kampf und Zerstörung am Niederrhein 1689“ hat Max Braubach das V. Kapitel seines Buches „Kurköln“ (Münster/Westf. 1949) überschrieben, auf das sich die vorstehende Darstellung im wesentlichen stützt. N ur kurz konnte hier der Teil des Pfälzischen Kriegs, dessen Schauplatz das Erzstift Köln ist, skizziert werden. Einzelheiten dazu hat Braubach —außer in „Kurköln“ - auch noch veröffentlicht in „Das alte Schloß zu Brühl im Jahre 1689“ (Annalen 122, 118), „Der Kampf um Kurstaat und Stadt Köln in den Jahren 1688/89“ (Annalen 124, 25) und „Wilhelm von Fürstenberg“ (Bonn 1972). Max Braubach hat vornehmlich Archivalien ausgewertet, die Auskunft geben über politische und militärische Vorgänge. Dagegen sind die Archivalien der „Inneren Verwaltung im weitesten Sinne“ - Landtagsverhandlun­ gen, Hofratsprotokolle, Landrentmeisterei- und Kellnerei-Rechnungen usw. - bisher nur ganz vereinzelt ausgewertet worden. Zehntausende von barock beschrifteten Aktenblättern liegen noch unerschlossen in den Archiven. Sie könnten noch manche wissenswerte Einzelheiten enthalten.

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12 Der Wortlaut dieses „Judas“-Vertragswerks ist abgedruckt in „Kurköln“ S. 38 ff. Braubach bemerkt dort dazu: „Es mag den Kanonisten überlassen bleiben, die Verstöße, die gegen die Bestimmungen des Kirchenrechts in diesem Schacher um kirchliche Wurden enthalten sind, festzustellen. Im übrigen bedarf dieser merkwürdige Pakt zweier deutscher Grafen, die als solche dem Reich und zudem als Minister dem Kurfürsten von Köln verpflichtet waren, mit einer fremden Krone keines weiteren Kommentars.“ 13 Als Ludwig XIV. am 30. September 1681 mitten im Frieden die deutsche Reichsstadt Straßburg überfiel und ungeachtet des leidenschaftlichen Widerspruchs aller ihrer Bürger annektierte, begrüßte ihn Fürstbischof Karl Egon v. Fürstenberg vor dem Münsterportai mit einer salbungsvollen Ansprache als Messias. 14 Das Jahr 1688 brachte für Europa mehrere hochpolitische Veränderungen: Durch die Thronbesteigung Wil­ helms von Oranien in England wurde der Gegensatz zwischen den niederländischen Generalstaaten und England überbrückt; durch die Eroberung der Festung Belgrad wurde die Türkengefahr gebannt und der Kaiser wieder im Westen handlungsfähig; in Kurbrandenburg folgte dem Großen Kurfürsten sein Sohn Friedrich, dessen Ehrgeiz noch unberechenbar war, usw. Deshalb bewegte die Frage, ob Kurköln nicht nur de facto, sondern auch de jure ein Satellitenstaat Frankreichs werden würde, alle europäischen Politiker. 15 Z u jo h . Friedrich Karg vgl. „Kurköln“, S. 181 ff. 16 „Kurköln“, S. 81 ff. 17 In der Zeit vom 3. Juni bis zum 20. September 1688 führte verfassungsgemäß das Domkapitel die Regentschaft, dessen Mehrheit, wie erwähnt, „fürstenbergisch“ gesinnt war. Zum 6. Juli 1688 vermerkte der Brühler Bürgermeister Hilger Breuer: „. . .bin ich undt Scheffen Rungß zu Bonn gewesen undt (habe) daselbst dem ThumbCapittell nahmens der Statt den gewöhnlich Aydt abgelegt“ (StAB Akten 11,2). 18 „Kurköln“, S. 116. 19 Die unzähligen Kriegsverbrechen, die damals auf Geheiß des „Allerchristlichen Königs“ begangen worden sind, können hier nicht geschildert werden. Wenn ein Franzose von deutschen Kriegsverbrechen spricht, sollte man ihm sagen, daß er in einem sehr spröden Glashaus sitzt. 20 Näheres darüber findet man in den Kellnerei-Rechnungen der einzelnen Ämter. 21 Es war eine Ironie des Schicksals, daß der gutkatholische Erzbischof Joseph Clemens in seinem Kampf gegen einen Kardinal und einen strengkatholischen, „allerchristlichsten“ König auf die Hilfe zweier protestantischer Mächte angewiesen war. 22 „Kurköln“, S. 131 ff. 23 Alexis Bidal Baron v. Asfeld war als königl. Generalgouverneur der eigentliche H err des Erzstifts. 24 Marschall J. H. Duras hatte im März 1689 den Oberbefehl am Niederrhein erhalten. 25 Aufgrund von „Billettierungslisten“ („Billet“ = Quartierschein) verteilten die Bürgermeister jeweils die einzuquartierenden Offiziere und Mannschaften auf die quartierpflichtigen Häuser. 26 StAB Akten 11,2 - Hilger Breuer d. J. war zwei Jahre hintereinander Bürgermeister, 1687 als Siebener und 1688 als Schöffe. Bürgermeister war er auch in den Jahren 1677, 1694, 1696 und 1698. 27 Die von den einzelnen Bürgern zu tragenden Lasten wie Einquartierungen, Fouragelieferungen, Hand- und Spanndienste u. dgl. wurden in besonderen Listen aufgezeichnet, von denen für die Berichtszeit keine erhalten ist. 28 Zu Thomas Quentel vgl. „Kurköln“, S. 98. 29 Als Nachfolger des Ende 1687 verstorbenen Amtmanns W. J. Schall v. Bell war Joh. Wilhelm Roist v. Werß am 23. März 1688 in Brühl eingeführt worden. Am 28. August 1690 bestätigte er durch eigenhändige Unterschrift die Richtigkeit der Breuerschen Stadtrechnung; daß er darin als Empfänger einer „Verehrung“ benannt wird, hat ihn offenbar nicht gestört. 30 Fast alle größeren Häuser in der Stadt waren quartierlastfrei; zunächst selbstverständlich die Häuser, in denen kurfürstliche Bedienstete - Amtsverwalter, Schultheiß, Gerichtsschreiber, Gerichtsdiener, Hofgärtner usw. wohnten; dann das Haus „Zum Stern“ „kraft uralten Privilegs“ ; schließlich die Häuser des jeweiligen Bürgermeisters und der Stadtdiener. Quartierlastfrei war auch der kurfürstliche Burghof; um die Lastbarkeit des Kempishofs und des Cäcilienhofs wurde jahrzehntelang prozessiert. So traf die Quartierlast vor allem die

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Handwerker und die „kleinen Leute“. 1707 mußte jeder vierte Quartierwirt mit seiner Familie in seinem Stall schlafen (StAB Akten 20), und so war es vermutlich auch in den Jahrzehnten davor. 31 Das besagt wohl, daß die vor dem Kölntor und vor dem U hltor - nur beiderseits dieser Tore gab es Stadtmauern - liegenden Baumgärten kahlgeschlagen wurden, um freies Schußfeld zu schaffen. 32 „Kurköln“, S. 132. 33 Das Sprengkommando hatte sich anscheinend im Schloß einquartiert und verkürzte sich dort das Warten auf den Sprengbefehl durch Gelage mit großer Festbeleuchtung. Oberkellner J. H. Hoen vermerkte in seiner Rechnung für 1689 (HStAD Kurköln IV. 3057) „Aufs Schloß de Martio biß 21. April den Franzosen hergeben müßen 22 Pfd. Kertzen und 32 1/2 Pint ö h l, oder wolten die Kelnerey verbrennen.“ 34 „Kurköln“, S. 132 - Für Brühl läßt sich das allerdings nicht belegen. 35 HStAD Kurköln VI. 1660 f. 131. 36 HStAD Kurköln VI. 1662 f. 189. 37 Durch die Zerstörung des Schlosses wurde auch ein alter Offizier des verstorbenen Kurfürsten schwer getroffen: Franz de Lannoye, vormals Capitainlieutenant der Leibgarde zu Pferd (er stammte wie fast alle Leibgardisten Max Heinrichs, der auch Fürstbischof von Lüttich war, aus dem Lütticher Land). 1686 hatte ihm Max Heinrich als Altersversorgung nach 34 Dienstjahren die mit Dienstwohnung, monatlich 10 Rth und sonstigen Sachbezügen ausgestattete Stelle des Schloßkommandanten in Brühl zugesagt. Diese Stelle war nun entfallen. Deshalb bat Lannoye am 9. September 1689 in einer flehentlichen Supplik um eine Offiziersstelle beliebiger Art, da „das schloß Bruell nunmehr von dem reichsfeindt gesprengt und durch feuersbrunst verwüestet, derowegen ich besagter. . . gnuß zur zeit nicht haben kann, ohne kriegsdienste auch mich und die meinen zu ernehren nicht vermag“ (HStAD Kurköln VII. 89,1). O b der Supplik stattgegeben wurde, läßt sich aus dieser Akte nicht ersehen. 38 In einer „Specificatio, was durch die von Franckreich an Ihrer Churfürstl. Dchlcht zu Cöllen p. Residentzen undt Schlößern im Ertzstifft destruirt, verbrandt undt gesprenget, wie auch was an goldt, geldt, silber, cleinodien, mobilien undt dergleichen verbracht undt weggenommen worden“, erscheint neben vielen anderen Posten „Schloß undt Residentz Brüell, gesprengt undt abgebrandt undt nicht zu erbawen under 40 000 R th“. (HStAD Kurköln VII. 125). 39 HStAD Kurköln IV. 3059. 40 Der Grüne Turm - „die grün dhur genandt“ (in der Skizze Nr. 13) - war das O sttor der alten Burg Brühl gewesen und hatte seinen Namen wohl deshalb erhalten, weil von hier aus ein „grüner“ (selten benutzter und deshalb grasbewachsener) Weg nach Palmersdorf führte. Dieses Tor, auch „St. Peters Thüre“ genannt, war ein Richtpunkt für die Abgrenzung des St. Margareta-Zehnts im Palmersdorfer Feld (Pfarrarchiv St, Margareta A. III. a. 2). Bis gegen Ende des 16. Jh. wurden in diesem Turm der kurfürstliche Schatz und wichtige Urkunden aufbewahrt. Der „runde hohe dicke Turm“ (in der Skizze Nr. 15) an der Nordwestecke des Schlosses diente jahrhundertelang als Staatsgefängnis. 41 Das Haus „Zum Stern“ ist das einzige Haus in Brühl, das nachweisbar seine heutige Gestalt schon vor 1689 erhalten hat. Es blieb wahrscheinlich deshalb unversehrt, weil sein Eigentümer, der Amtsverwalter Dr. jur. utr. Cyriacus Buschmann, zur Zeit des Stadtbrands der ranghöchste Zivilist in Brühl war und alle Löschmannschaf­ ten auf sein Haus konzentrieren konnte. Vgl. dazu F. Wündisch in BHB 1963, S. 17. 42 Als „intra muros“ bezeichnete man das Stadtgebiet, das nördlich durch die Stadtmauer (heute Kempishofstraße), westlich durch den Stadtwall (heute Wallstraße), südlich durch den kurfürstlichen Tiergarten (heute Fischmarkt) und östlich durch das Franziskanerkloster und das Schloß begrenzt war. 43 Das markanteste Beispiel für einen solchen Neubau ist das Haus „Zum Schwan“ am Markt, das seine heutige Gestalt kurz nach 1735 erhalten hat. 44 Auf einer solchen —von ihrem Eigentümer Tiel Elsen derelinquierten —Trümmerstätte wurde 1726 das „Hospitälchen“ erbaut. Vgl. dazu F. Wündisch in MBG, S. 30.

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D ie B rü h ler B ürgerm eister u n d Stadtschreiber der K u rfü rste n ze it

i.

Aufgrund des Stadtrechts vom 27. April 1285 wurde Brühl zunächst von dem Kolle­ gium der sieben Gerichtsschöffen regiert. Dieses Kollegium verwendete sein Siegel sowohl als Gerichtssiegel („sigillum nostri scabinatus“, 1319 Febr. 161) wie auch als Stadtsiegel („sigillum commune opidi in Brule“, 1319 Mai 132). Knapp hundert Jahre später stand an der Spitze der Bürgerschaft ein von dieser gewählter „magister opidanorum“ (Bürgermeister). Das wissen wir allerdings nicht aus spezifisch Brühler Quellen, sondern nur dadurch, daß Kurfürst-Erzbischof Fried­ rich von Saarwerden, als er am 20. Dezember 1373 das Dorf Zons zur Stadt erhob, den Bürgern von Zons die Rechte und Freiheiten gewährte, die „unsere Bürger in Bruele haben“, und dabei ausdrücklich das Recht erwähnte, alljährlich aus ihrer Mitte einen Bürgermeister zu wählen3. Urkundlich wird ein Brühler Bürgermeister erstmals im Jahre 1392 erwähnt, als „burgermeister, scheffene ind bürgere gemeinligen der stat van Brule“ das Bündnis des Kurfürst-Erzbischofs Friedrich von Saarwerden mit Jungherrn Adolf von Kleve eidlich bekräftigten; auch hierbei wurde das Schöffensie­ gel als Stadtsiegel verwendet4. 1436 wurde ein Streit über die Besteuerung des Vochemer Fronhofslands durch einen zwischen „burgermeister, scheffen und der gantzer gemeinden der burger zu dem Brule“ und dem Kölner Stift St. Georg geschlossenen Vergleich beigelegt5. Bald darauf wurde der Rat der Stadt, der bis dahin anscheinend nur aus den 7 Schöffen bestand, durch 7 aus der Bürgerschaft gewählte Ratsherren erweitert. Auch für diese Umgestaltung des Rats sind bisher noch keine spezifischen Quellen aufgefunden worden. Wir kennen sie aber dadurch, daß die Erblandesvereinigung vom 24. Juli 1450 von „burgermeister, scheffen, rait ind gemeynde“ aller kurkölni­ schen Städte - darunter auch „Bruele“ - besiegelt wurde6. Genaueres erfahren wir erst durch ein am 31. August 1592 aufgesetztes Schrift­ stück7: Einige angesehene, aber nicht dem Rat angehörende Brühler Bürger hatten sich „alß verordnete auß der gemeiner burgerschafft“ bei Kurfürst Ernst über Bürger­ meister, Schöffen und Rat beschwert. Sie rügten Mißstände bei der Akziseerhebung, bei der Tilgung der zur „abfertigung alhir inn besatzung gelegener Flispanischer Soldaten ufgemachter gemeiner schulden“ und bei der Erhebung der Landsteuer; auch seien die Kirchen- und Hospital-Rechnungen und „deren almusen rechen­ schafft“ mit „deren burgermeister und rhatz rechnungen vermischet“, „den armen das ir nit gehandtreicht“ und die städtischen Pachtforderungen nicht ordnungsmäßig eingezogen worden. 112

Kurfürst Ernst, dem sehr daran gelegen war, daß die soeben von den Landständen beschlossene „Landrettungssteuer“ zügig erhoben werden könne, ließ den Streit durch seine Räte untersuchen und das Ergebnis mehrtägiger Verhandlungen schrift­ lich festlegen. In diesem sehr ausführlichen Schriftstück, dem alle Beteiligten zustimmten und das mit dem kurfürstlichen Siegel bekräftigt wurde, ist u. a. ver­ merkt: Nach altem Herkommen besteht der Rat aus 7 Schöffen und 7 „persohnen auß der gemeinden“. Wenn ein Schöffe abgegangen ist, benennen die verbliebenen Schöffen geeignete Personen aus dem Kreise der Gerichtseingesessenen, und der Amtmann setzt einen der Benannten als Schöffen ein. In ähnlicher Weise benennt bei Abgang eines Siebeners die Gemeinde (!) samt den verbliebenen Siebenern den Schöffen (!) einige „erbare verständige persohnen auß der gemeindten“, und die Schöffen (!) wählen daraus „mit rhatt und zuthun des amptmans, Schultheißen und kellners“ den Nachfolger aus; die Schöffen sind aber nicht an die Vorschläge der Gemeinde gebun­ den, sondern können auch andere Personen, „so dartzu bequemer oder dienstlicher“ sind, einsetzen. Die Register, nach denen die Landsteuern erhoben werden, sollen „im beysein dero siebener, auch zwey erbarer, trewer, verschwiegener burger“ erstellt werden. Alljährlich an St. Pauli Bekehrungstag (25. Januar) wird je ein Bürgermeister aus den Schöffen und ein anderer aus den 7 „gemeindtzpersohnen“ gewählt8. Der in dieser Aufzeichnung aus dem Jahre 1592 als altes Herkommen bezeichnete Brauch, alljährlich zwei Bürgermeister - einen Sprecher der Schöffen und einen Sprecher der Siebener - zu wählen, kam aber schon bald darauf außer Übung. Nach dem Jahre 1600 wurde es Brauch, immer nur einen Bürgermeister zu wählen, jährlich abwechselnd einen Schöffen und einen Siebener. In der Übergangszeit durfte jeder Bürgermeister noch ein weiteres Jahr - als „Mitgesell“ seines Nachfolgers - im Amt bleiben. So ist 1607, als Anton Firk Schöffenbürgermeister war, dessen Vorgänger, der Siebener Peter Contzen, „mitgesell plieben“; desgleichen blieb Firk 1608 Mitgesell seines Nachfolgers, des Siebeners Johann Schloßmecher9. Bis zum Ende der Kurfür­ stenzeit war es üblich, daß ein Bürgermeister, wenn er krank oder sonstwie verhindert war, in dringenden Fällen durch seinen Amtsvorgänger vertreten wurde. Anfangs sind vermutlich die später von den Siebenern gewählten Bürgermeister unmittelbar von der „gemeynde“ - der Gesamtheit der Männer, die das Bürgerrecht besaßen —gewählt worden. Bisher ist aber noch kein archivalischer Beleg für eine solche Direktwahl bekannt geworden. Ein letzter Nachklang dieses Brauchs erscheint in einem Vermerk über die Bürgermeisterwahl 164710: „. . .demnach auß Unverstand der Gemeinschafft Gerhard Brewer gegen meinung und interesse der Rhatsverwandten oder Siebener eligirt (zum Bürgermeister gewählt worden), aber bemelter (vorer­ wähnter) Gerhard Brewer solches Vorhaben nit acceptiren. . . wollen. . ., ist alsolche vermeinte chur uffgehebt und den Rhatsverwandten oder Siebener uffgegeben, dieweill selbige ahnstatt der gantzen Burgerschafft verordnet,. . .under sich zu erwehlen einen Bürgermeister, so der Statt nutz und dienlich ist.“ —Hiernach hatte im Jahre 1647 die Bürgerschaft einen offenbar besonders beliebten Bürger direkt gewählt; weil 113

dieser aber die Wahl nicht annahm, wurde die Direktwahl - „chur“ - für ungültig erklärt und den Siebenern aufgegeben, aus ihrer Mitte den Bürgermeister zu wählen, da sie ja „ahnstatt der gantzen Burgerschafft verordnet“, also eigens als Wahlmänner für die ganze Bürgerschaft eingesetzt seien. Für die Wahl des Bürgermeisters aus der Fraktion des Rats - Schöffen oder Siebener -, die jährlich wechselnd die Kandidaten stellte, galt das Mehrheitsprinzip. Bei Stimmengleichheit entschied der Amtmann (oder sein Vertreter), der die Wahl leitete, wenn nicht einer der beiden Gewählten freiwillig zurücktrat. Da jede Mehr­ heitswahl in einer kleinen Gruppe zum Stimmenkauf verführt, ist auch in Brühl nicht immer der fähigste, sondern manchmal der bestzahlende Ratsherr zum Bürgermeister gewählt worden11. Seit der Barockzeit - der großsprecherischen Zeit der Allonge-Perücken —war es üblich, den Bürgermeister als „Consul“ oder „Regierenden Bürgermeister“ und die Siebener als „Senatoren“ zu bezeichnen12. Die Stadt Brühl hatte damals rund 1000 Einwohner! II. Die Bürgermeisterwahl fand alljährlich am Tage St. Pauli Bekehrung (25. Januar) statt. Wahlleiter war grundsätzlich der kurfürstliche Amtmann, der sich aber fast immer durch den Amtsverwalter oder den Schultheißen vertreten ließ. So heißt es im Ratsprotokoll vom 25. Januar 170713: „. . .ist in gegenwarth hn. Schultheißen, scheffen, siebenern und 4 gemeinsmännern14 nach vorhero beygewohntem gottesdienst undt ahnruffung deß heiligen geistes auff hiesigem ordinari rathshauß auß denen siebenern per plurima vota (mit der Mehrheit der Stimmen) zum burgermeister erwehlet worden Matthias Gatzen, warzu selbigem dan von sämbtlichen ahnwesen­ den mit darreichung der hand zu alsölcher burgermeisterstelle glück und heyll ahnge­ wünscht.“ Der Wahl folgte immer ein großes Gelage auf Stadtkosten. Dazu ist in der Stadtrech­ nung von 1687 vermerkt15: „Erstlich ahm 25. Januarij 1687 nach beschehener bürgermeisterwahl althem herkommen nach haben schultheis, scheffen, bürgermeister, siebener undt accinsmeister16, ad 21 persohnen, gespeist undt in allem 63 quart 8 fiertel wein verzehrt, facit 18 gülden 2 albus 8 heller.“ Diesen Ausgabeposten findet man in jeder Stadtrechnung. Überhaupt war es üblich, jedes Öffentliche Vermögen - der Stadt, der Pfarrkirche, der Bruderschaften oder des Hospitals - bei jeder Gelegenheit für Zechereien anzuzapfen. Erst die kurfürstlichen Sparsamkeitsedikte, die nach dem Tode Clemens Augusts ergingen, begrenzten diese weitherzige Auslegung des Begriffs „Verwaltungskosten“. Nach dem Ratsprotokoll vom 17. Januar 176317 „. . .ist resolvirt, daß künfftighin auff S. Pauli bekehrungstag ahm platz des sonst vom bürgermeister hergegebenen tractaments mehr nicht als neun reichsthaler species18 den anwesenden rathsgliedern zur refection verwendet, und so hierwider gehandelt würde, desfals nichts von der statt vergüthet werden solle“.

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III. Die Aufgaben des jeweiligen Bürgermeisters bestanden im wesentlichen darin, a) die Stadt bei den Landtagen und bei erzstiftischen Zeremonialakten - Inthronisa­ tion oder Beisetzung eines Kurfürst-Erzbischofs - zu vertreten, b) die von der Stadt aufzubringenden Landessteuern („Simpla“) und Kontributionen bei den einzelnen Bürgern zu erheben, c) die Quartierlast der von der Stadt unterzubringenden Soldaten und Hofbedienste­ ten auf die einzelnen Bürger umzulegen, d) die Forderungen der Stadt aus Mietverträgen u. dgl. einzuziehen. Als Vergütung für seine Amtsführung erhielt der Bürgermeister jeweils a) ein festes Gehalt von 6 Reichsthalern sowie Auslagenersatz, b) Provision für die Erhebung der Steuern und Kontributionen, c) Befreiung von allen Steuern, Kontributionen und Quartierlasten. Darüber steht in dem „Bürgermeister- und Ordinantzbuch“19: „Demnach in gemei­ ner versamblung Ao. 1628 ahm 25. Januarij auß einkommener glaubwürdiger relation befunden, daß die vorige burgermeister theils schaden, theils geringe lust wegen deß schlechten deputats zu der mühseligen administration und Verwaltung deß burgermeisterambts getragen, angesehen dieselbe nicht mehr dan acht gülden current empfan­ gen, außerhalb waß ihnen in uffhebung der contribution, nemblich von jedem hondert gülden ein goltflorin, zugerechnet worden. Damit dan hinführo die regieren­ den burgermeister beßer anmuth haben und fleißiger sein mögen, ist einhellig beschlossen, daß ein zeitiger burgermeister vor ein recompens haben soll sechs reichsthaler, jeden ad 3 Gulden 6 albus gerechnet. Item von jederem hondert gülden in außgeschriebener contribution vier gülden. Item von allem simpelin, dem churf. einnehmer uff seine kosten zu liefern, sechs rthlr. Hingegen soll ein burgermeister schuldig sein, die contribution, deren Überschuß, item hauß, haußpacht und alle der statt beistell, einkombsten und vermögen in empfang zu nehmen, die contribution beizeiten ohn Verursachung einiger kosten uff seinen beutel ohn zuthun der statt zu liefferen und nach verflossener zeit der administration vor scheffen und rhat richtige rechnung zu thun und darab notige urkunden verwahrlich zu halten, umb (sie) beizulegen, zu welchem end dem computirenden burgermeister vor schreiblohn vier gülden zu berechnen vergünstigt (ist). Falß einer oder mehr über zwei jahr a dato seiner oder ihrer antrettung der administration der rechnung verweilen würden /: so ohn straff nicht zu gestatten :/ sollen der oder diejenige alßdan uff ihre eigene kosten burgermeister, scheffen und rhat citiren lassen und vorbehaltlich deren ihrer gebührniß und refection richtige rechnung zu thun schuldig sien. Wie dan die erben oder wittib /: da deren vatter oder ehemann im jahr seines ambts verstürbe :/ deßen bei guter zeit und glaublich zu erinnern, damit sie ihres unwissens sich nicht behelfen mögen.“ „Anno 1653 den 23. Januarij is t. . . diese ordtnung publicirt, daß wegen Unvermö­ genheit dieses stättleins der bürgermeister vor besoldung wie vorgemelt 6 reichsthaler und von 100 gülden simpelgeld uffzuheben 4 gülden haben soll, falß aber über 115

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4 simpla erhoben würden, soll er von denen nur 3 gülden vom hondert haben, aber schreiblohn der register selbst bezahlen, auch an pottlohn (Botenlohn), außwendige simpla einzuheben, hinführo nit in rechnung pringen solle.“ IV. Da es keine Stadtkasse gab, mußte der Bürgermeister alle städtischen Ausgaben auch die von der Stadt aufzubringenden Steuern und Kontributionen - jeweils zunächst „aus eigenem Beutel“ zahlen; andererseits flössen alle Einnahmen der Stadt zunächst in sein Privatvermögen. Nach Ende seiner Amtszeit mußte er dem Amtmann und dem Rat Rechnung legen („computieren“)20. Hatte er mehr ausgege­ ben als eingenommen, so mußte ihm der Bürgermeister, der zur Zeit der Rechnungs­ legung amtierte, die Differenz erstatten. Häufiger kam aber vor, daß mehr eingenom­ men als ausgegeben worden war, der „abgestandene“ Bürgermeister also etwas heraus­ zahlen mußte. In solchen Fällen wurde die Rechnungslegung oft jahrelang hinausge­ zögert, was viel Streit mit der Bürgerschaft verursachte. Um zu verhüten, daß die von der Stadt aufzubringenden Steuern mangels Zahlungs­ fähigkeit des Bürgermeisters nicht termingemäß an den Generalsteuereinnehmer abgeführt wurden, mußte ab 1781 jeder neugewählte Bürgermeister nach kurfürstli­ chem Edikt eine Kaution in Höhe von einem Viertel des voraussichtlichen Jahressteu­ ersolls stellen. V. Von Beruf waren fast alle Brühler Bürgermeister schlichte Ackerbürger, Handwerker oder Gastwirte. Ihre Unterschriften zeigen, daß den meisten von ihnen das Schreiben recht schwer fiel, und kaum einer besaß die zur Leitung eines städtischen Gemeinwe­ sens erforderlichen verwaltungsrechtlichen Kenntnisse. Deshalb nahm die Stadt seit dem 16. Jh. juristisch vorgebildete Berufsschreiber in ihre Dienste, die vor allem den seit der Barockzeit immer umfangreicher werdenden Schriftverkehr mit den kurfürstlichen Behörden erledigten. Diese „Stadtschreiber“ sie werden nachstehend einzeln vorgestellt - verkörperten zu ihrer Zeit die gesamte Stadtverwaltung21. Da sie grundsätzlich auf Lebenszeit angestellt waren, während die Bürgermeister alljährlich wechselten, gewährleisteten sie die Kontinuität der Verwal­ tung. Sie kannten die jeweiligen Aktenvorgänge, sie wußten, welche Formvorschriften zu beachten waren, und so mancher Fall zeigt, daß sie auch die Finessen des Klein­ kriegs kannten, den die Stadt zur Wahrung ihrer Eigenständigkeit gegen die kurfürst­ lichen Behörden führen mußte. Ohne die Stadtschreiber wären die Bürgermeister gegenüber den Eingriffen der kurfürstlichen Beamten in die städtische Selbstverwal­ tung hilflos gewesen. Ihre Gehälter entsprachen allerdings nicht dieser wichtigen Funktion. Bar erhielt ein Stadtschreiber jährlich nur 13 Gulden; erst 1780 wurde dieses Gehalt auf 21 Reichstaler aufgebessert. Wichtig - und bis gegen Ende des 18. Jh. sehr viel mehr Geld wert - war aber, daß das Haus des Stadtschreibers gleich dem des jeweiligen Bürgermeisters von Quartierlasten und Kontributionen befreit war. Außerdem hatten alle Stadtschreiber noch andere Einnahmequellen: Wie im einzelnen dargestellt, 116

waren einige auch Gerichtsschreiber in Brühl oder anderswo; viele waren selbständige Notare, was damals besagte, daß sie nicht nur rechtserhebliche Urkunden fertigten, sondern auch als Prozeß Vertreter tätig waren oder ganz einfach für ihre meist schreib­ unkundigen Mitbürger Briefe schrieben; regelmäßige Einnahmen hatten sie auch durch die Schreibgebühren, die sie für die Erstellung von Stadt-, Pfarrei-, Hospital­ oder Bruderschaftsrechnungen erhoben. So kamen die meisten Stadtschreiber im Lauf ihrer Amtszeit zu einem gewissen Wohlstand. VI. Ebensowenig wie es in kurfürstlicher Zeit eine Stadtkasse gab, ebensowenig gab es eine Stadtkanzlei mit ständiger Registratur und Aktenverwahrung. Urkunden und Akten, die man für besonders wichtig hielt, sowie Geldbeträge verwahrte man in einer Kiste, die in der Sakristei der Pfarrkirche St. Margareta stand22. Alle laufenden Akten aber behielt der jeweilige Stadtschreiber in seiner Wohnung. Bei einem Amts­ wechsel zu Lebzeiten übergab er sie - anscheinend ohne Vollzähligskeitskontrolle seinem Nachfolger. Besonders Schwierigkeiten entstanden, wenn die städtischen Akten aus einem Nachlaß herausgesucht werden mußten23. Infolgedessen sind die städtischen Akten aus kurfürstlicher Zeit nur lückenhaft überliefert. Vieles - sogar das „Grundgesetz“ der Stadt, das Privileg Erzbischof Siegfrieds v. Westerburg vom 27. April 1285 - ist durch Unachtsamkeit und Gleichgültigkeit verlorengegangen. Eine Stadtkanzlei gab es deshalb nicht, weil die Stadt Brühl so arm war, daß sie ihr Rathaus nicht als Dienstgebäude nutzen konnte, sondern zur Aufbesserung ihrer Einnahmen an Privatleute als Wohnhaus vermietete. In den Mietverträgen behielt sich die Stadt nur vor, ein großes Zimmer im Erdgeschoß für die Ratssitzungen und einen kleinen Abstellraum zur Aufbewahrung der städtischen Feuerlöscheimer benutzen zu dürfen24. VII. In den friedlichen Zeiten nach der Beendigung des Siebenjährigen Kriegs verlor das bisherige Hauptmotiv, die Bürgermeisterwürde zu erstreben, - die damit verbundene Kontributions- und Quartierlastfreiheit - an Bedeutung. Dafür fochten nun aber einige Honoratioren bei den Bürgermeisterwahlen heftige Prestigekämpfe aus, beträchtliche Geldmittel zum Stimmenkauf einsetzend. Im Jahre 1779 erregte die Bürgermeisterwahl ein derartiges öffentliches Ärgernis, daß Kurfürst Max Friedrich sich veranlaßt sah, zur Wahl 1781 einen Hofrat als Sonderkommissar zu entsenden und die freie Wahl abzuschaffen. Dieser erklärte laut Ratsprotokoll vom 16. Februar 178125: „Ihrer Kurfürstl. Gnaden seye höchstmißfälligst zu vernehmen gewesen, wie daß bey der jährlichen Bürgermeisterwahl hieselbsten . . . einige mißbrauche eingerißen seyen, da nemblich alsdan in publico viele Unruhen erreget, die wahlstimmen auf allerhandt arth und mehrenteils durch geschencke von geld und anderen Sachen angenohmen, somit die wähl Selbsten nicht so viel nach dem wohl des gemeinen weesens, dan vielmehr nach eigennützigen absichten abgewogen worden.“ 117

Um derartige Manipulationen zu verhüten, ordne der Kurfürst an, daß die Bürger­ meister künftig nicht mehr gewählt werden, sondern ihr Amt nach einem festgelegten Turnus erhalten sollten. Er wolle aber hierbei nicht „aus landtherrlicher macht zu werck gehen“, sondern erwarte einen entsprechenden Beschluß des Rats. —„Sämbtliche scheffen und Senatoren erklährten hierauf, aus zu Ihrer Kuhrfürstl. Gnaden zu tragender devotion die gnädigste anordnung turni gehorsambst annehmen zu wollen.“ Demgemäß beschloß der Rat einstimmig, „daß (die) zeithero in schwang gewesene Wahl . . . aufgehoben und statt selbiger ein stanter turnus oder jährliche abwechslung des bürgermeisterambts unter sämbtlichen rathsmitgliederen eintretten solle dergestalten, daß in einem jahr der ältere scheffen, im anderen der ältere Senator, im dritten widerumb der zweitältere scheffen, im vierten der zweitältere Senator und so weither die übrige scheffen und Senatoren das bürgermeisterambt wechselweys bekleyden, und so balt die tour mit dem jüngeren scheffen und Senatoren geendiget habe, solche alsdan auf jeder seithen mit dem älteren widerumb anfange“. Die Ersetzung der alljährlichen freien Wahl durch einen festen Turnus erwies sich aber alsbald als ein Schlag ins Wasser. Im Jahre 1781 erreichte zwar Theodor Kley, der diese ganze Sache veranlaßt hatte26, sein Ziel: als ältester Siebener wurde er Bürgermei­ ster. Schon im nächsten Jahre wurde aber der Turnus durchbrochen: Hofrat Ruland, der als ältester Schöffe - „senior scabinus“ - an der Reihe gewesen wäre, verzichtete zugunsten von Josef Kentenich. Und 1783 verzichtete Gottfried Longerich, der an der Reihe gewesen wäre, zugunsten von - Theodor Kley! Als Grund für seinen Verzicht gab Longerich an, daß er die erforderliche Kaution nicht stellen könne; der wahre Grund wird aber gewesen sein, daß er sich durch „lidderliches Vollsauffen“ zum Wrack gemacht hatte und als Bürgermeister unmöglich gewesen wäre27. 1790 sollte der Schöffe Peter Weisweiler turnusmäßig Bürgermeister werden. Er wollte zugunsten des Siebeners Peter Müller verzichten. Über die Unzulässigkeit dieses Verzichts belehrt - der Verzicht eines Schöffen zugunsten eines Siebeners hätte den alten Grundsatz verletzt, daß Schöffen und Siebener alljährlich wechselnd den Bürgermeister stellten -, nahm er zwar das Amt des Bürgermeister an, übertrug aber „Empfang und Ausgab“, also die wichtigste Funktion des Amts auf Peter Müller. 1791 verzichtete Gottfried Longerich wegen „schlechter Gesundheit“ zugunsten von Peter Müller. 1792 verzichtete Ignaz Müller zugunsten von Franz Josef Hertmanni. So wurde das Turnusverfahren, das eigentlich Stimmenkauf verhindern sollte, fast immer durch Verzichte umgangen, die vermutlich nicht immer unentgeltlich ausge­ sprochen wurden. VIII. Der letzte Brühler Bürgermeister, bei dem feststeht, daß er nach altem Brauch am Tage St. Pauli Bekehrung - 1793 - nach feierlichem Gottesdienst sein Amt antrat, war der Siebener Jakob Hackspiel. Dessen Nachfolger für 1794 war der Schöffe Ignaz Müller. Das ergibt sich allerdings nur aus der Stadtrechnung für 1794, die er am 118

30. Januar 1796 ablegte28, denn für die Zeit vom 25. August 1793 bis zum 29. Juni 1795 sind keine Ratsprotokolle erhalten29. Über den verworrenen, oft wechselnden Zustand, in dem sich die Stadtverfassung unter der französischen Militärregierung bis zur Einführung des Präfektensystems am 13. Ger. IX/13. April 1801 befand, wird in Kapitel 16 berichtet. Erwähnt sei nur, daß vom 21. März 1797 bis zum 14. Februar 1798 nochmals „Bürgermeister alter Art“ fungierten30. Aufgrund Dekrets des Generals Hoche war nämlich am 21. März 1797 der alte Rat wieder eingesetzt worden, der noch aus den Schöffen Franz Josef Hertmanni, Valentin Meyer und Johann Jakob Martini sowie den Siebenern Peter Müller und Jakob Hackspiel bestand. Turnusmäßig hätte Peter Müller Bürgermeister für das Jahr 1797 werden sollen; er übernahm aber die damals äußerst schwere Bürde dieses Amts nur für ein Vierteljahr. Deshalb ernannte der gleichfalls wieder in sein Amt eingesetzte kurfürstliche Amtmann Frhr. v. Walbott zu Bornheim auf Vorschlag des Rats am 26. Juni 1797 den Kaufmann Gottfried Rieß zum Ratsherrn, und dieser löste Peter Müller als Bürgermeister ab. Schon nach kurzer Zeit war Rieß aber amtsmüde. Am 6. November 1797 wollte er krankheitshal­ ber zugunsten von Peter Müller verzichten; wie aber seine Stadtrechnung31 zeigt, blieb er doch noch bis zum 14. Februar 1798 im Amt. So war Gottfried Rieß der letzte Brühler Bürgermeister der Kurfürstenzeit.

Die Brühler Bürgermeister der Kurfürstenzeit Diese Liste beruht im wesentlichen auf dem im Jahre 1628 von dem Stadtschreiber Tilman Feuerpeil angelegten „Brülischer Statt Accins-, Bürgermeister- und Ordinantz-Buch“ (StAB Akten 4), auf dem gleichnamigen Buch, das von dem Stadtschrei­ ber Johann Weisweiler 1707 angelegt wurde (StAB Akten 5) sowie für die Zeit nach 1743 auf den Ratsprotokollen. Die Namen aus dem 16. Jh. sind Zufallsfunde in nicht-städtischen Akten.

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= Schöffen-Bürgermeister = Siebener-Bürgermeister

1526 Peter Vaitz Johan Burberhalfe 1546 Johann Wolff 1571 Jakob Schenk 1580 Johan Schmit 1586 Jakob Schenk 1604 Anton Firk 1606 Peter Contzen

Sch S? Sch S? Sch Sch Sch S

1607 1608 1609 1610 1611 1612 1613 1614 1615 1616 1617 1618

Anton Firk Johan Schloßmecher Niclas Coen Johann Peltzer Johann Wolff Gerhard Wolff Niclas Fuß Winand Fasbender Niclas Fuß Johann Leutz Anton Firk Hilger von Vernich

Sch Sch Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S 119

1619 1620 1621 1622 1623 1624 1625 1626 1627 1628 1629 1630 1631 1632 1633 1634 1635 1636 1637 1638 1639 1640 1641 1642 1643 1644 1645 1646 1647 1648 1649 1650 1651 1652 1653 1654 1655 1656 1657 1664 1665 1666 120

Thewis Schmidt Hilger von Vernich Anton Firk Peter Contzen Anton Firk Georg Wolff Anton Firk Hilger von Vernich Georg Wolff Tilman Feuerpeil Peter Contzen Tilman Feuerpeil Jakob Adolffs Hilger von Vernich Georg Wolff (statt (Johann Christiani) Christian Disteler Tilman Feuerpeil Rudolf Meller Georg Wolff Alexander Meller Tilman Feuerpeil Gerhard Breuer Alexander Meller Alexander Meller Hilger Breuer Alexander Meller Damian Heypar Mattheis Schmitz Wilhelm Commer Mattheis Schmitz Hilger Breuer Christian Disteler Gerhard Breuer Mattheis Schmitz Wilhelm Commer Tilman Feuerpeil Balthasar Forn Alexander Meller Wilhelm Commer Tilman Feuerpeil Simon Bodife Nikolaus Holtzem

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1667 1668 1669 1670 1671 1672 1673 1674 1675 1676 1677 1680 1681 1682 1683 1684 1685 1686 1687 1688 1690 1691 1692 1694 1695 1696 1697 1698 1699 1702 1703 1704 1705 1706 1707 1708 1709 1710 1711 1712 1713 1714 1715

Johann Ruland Johann Herter Simon Bodife Wilhelm Commer Johann Ruland Wilhelm Commer Johann Ruland Simon Bodife Jakob Fasbender Edmund Forn Hilger Breuer Johann Herter Ferdinand Bock Jakob Rungs Ernst Kemp Georg Schröder Heinrich Becker Jakob Rungs Hilger Breuer Hilger Breuer Jakob Rungs Melchior Florckin Georg Schröder Hilger Breuer Ludger Breuer Hilger Breuer Johann Henseler Hilger Breuer Adrian Hackenbroich Tilman Scheben Johann Sürdt Henrich Blümgen Johann Sürdt Henrich Blümgen Mathias Gatzen Wilh. Andr. Bodife Mathias Gatzen Wilh. Andr. Bodife Mathias Gatzen Wilh. Andr. Bodife Mathias Gatzen Henrich Blümgen Johann Sürdt

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1716 1717

1718 1719 1720 1721 1722 1723 1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730 1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741 1742 1743 1744 1745 1746 1747 1748 1749 1750 1751 1752 1753

Wilh. Andr. Bodife (statt Ludger Breuer) Mathias Gatzen Gottfried Langen (Doppelwahl) Peter Milser Mathias Brück Peter Milser Johann Weisweiler Johann Weisweiler Johann Ewalt Johann Weisweiler (statt Deodat Milar) Johann Sürdt Johann Sürdt Mathias Brück Johann Cadusch Reiner Holtzem Goddert Langen Christian Vosmar Johann Cadusch Peter Weisweiler Johann Cadusch Peter Weisweiler Johann Weisweiler (statt W. A. Bodife) Peter Weisweiler J. Wilhelm Wollersheim Cornel Hertmanni Joh. Gabr. Hertmanni Jakob Stemmeier Wilhelm Fabri Johann Kribben Wilhelm Fabri Jakob Stemmeier Johann Weisweiler Peter Weisweiler Wilhelm Fabri Jakob Stemmeier Joh. Gabr. Hertmanni Henrich Weis weiler Joh. Gabr. Hertmanni Wilhelm Seron

Sch S S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S

1754 1755 1756 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768 1769 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793 1794 1797

Ernst Sal. Heidt Henrich Weisweiler Jakob Stemmeier Gerhard Cadusch Johann Weisweiler Gerhard Cadusch Joh. Falckenstein Peter Weisweiler Bernhard Ruland Gerhard Cadusch Bernhard Ruland Gerhard Cadusch Joh. Falckenstein Gerhard Cadusch Joh. Falckenstein Peter Weisweiler Ernst Sal. Heidt Henrich Weisweiler Martin Hegel Valentin Meyer Valentin Meyer Josef Kentenich Valentin Meyer Johann Henseler Valentin Meyer Josef Kentenich Johann Schieffer Theodor Kley Josef Kentenich Theodor Kley Martin Hegel Peter Müller Valentin Meyer Jakob Hackspiel Johann Schieffer Theodor Kley Peter Weisweiler Peter Müller Franz Hertmanni Jakob Hackspiel Ignaz Müller Peter Müller Gottfried Rieß

Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch

s Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S Sch S S 121

Einige Lebensdaten der Brühler Bürgermeister der Kurfürstenzeit Wenn das Geburtsjahr und das Todesjahr nicht bekannt ist, ist das Jahr der ersten und das der letzten Erwähnung in Klammern gesetzt. Adolffs, Jakob (1622)—20. 3. 1654. Kirchmeister 1622—24 und 1628 —33, Schöffe seit 1626, Bürgermeister 1631. Becker, Henrich (1676) —(1688). Bäckermeister. Aus Müggenhausen. Siebener seit 1681, Bürgermeister 1685. Blümgen, Henrich (1700)—3. 7. 1716. Wirt im „Krahnen“ auf der Uhlstraße. Heiratet 1700 die Witwe des Wirts Georg Schröder. Schöffe seit 1703, Bürgermeister 1704, 1706, 1714. Bock, Ferdinand (1662) —(1681). Schuhmacher seit 1678, Bürgermeister 1681. Bodife, Simon (1645) —11. 3. 1688. 1645 kurfürstl. Unterkellner, seit 1652 Oberkellner (Amtsrentmeister). 1665 Siebener, seit 1674 Schöffe, Bürgermeister 1665, 1669, 1674. Bodife, Wilhelm Andreas, Sohn des Simon B. Bödingerhalfe 13. 2. 1667—29. 6. 1738 (begraben in der Kirche). Breuer, Gerhard (1631) —(1664). Wirt im „Bären“ am Markt. Schwiegersohn des Anton Firk. Kirch- und Brudermeister 1634 —37, Siebener seit 1631, Bürgermeister 1640, 1651. Breuer, Hilger d. Ä. (1632)—29. 3. 1658. Kurfürstl. Unterkellner. Siebener seit 1640, Bürgermeister 1643, 1649. Breuer, Hilger d. J. (1656)—26. 3. 1700. Bäckermeister. Siebener seit 1677, Schöffe seit 1688, Bürgermeister 1677, 1687, 1688, 1694, 1696, 1698. Breuer, Ludger (1666)—26. 12. 1721. Kurfürstl. Leibgardist. Siebener seit 1695, Schöffe seit 1697, Bürgermeister 1695. Brück, Mathias (1701)—(1741). Chyrurgus. Siebener seit 1716, Bürgermeister 1719, 1727. Burberhalfe, Johann (1526)—(1546). Familienname nicht bekannt. Pächter des Burba­ cher Hofs. Bürgermeister 1526. Cadusch, Gerhard (1722) —14. 2. 1778. Kurfürstl. Baumeister. Sohn des Johann C. Siebener seit 1750, Schöffe seit 1767, Bürgermeister 1757, 1759, 1763, 1765, 1767. Cadusch, Johann (1715) —30. 3. 1743. Kurfürstl. Baumeister, baut für sich das Haus „Zum Schwan“. Siebener seit 1720, Schöffe seit 1721, Bürgermeister 1728,1732,1734. Christiani, (Chürstgens)Johann (1626)—(1641). Schöffe seit 1626, Bürgermeister 1633, verzichtet altershalber. Coen, Niclas (1590) —(1624). Schöffe seit 1590, Bürgermeister 1609. Commer, Wilhelm (1638) —Mai 1679. Kirchmeister 1660, Siebener seit 1647, Schöffe seit 1659, Bürgermeister 1647, 1653, 1657, 1670, 1672. Contzen, Peter (1603) —(1632). Herselshalfe (Pächter des späteren Kempishofs). Siebe­ ner seit 1606, Schöffe seit 1626, Bürgermeister 1606, 1622, 1629. Disteler, Christian (1625)—22. 6. 1666 (Pest.). Kurfürstl. Hausschenk. Kauft 1631 das 122

Haus „Zum Schlüssel“ in der Uhlstraße. Siebener seit 1631, Schöffe seit 1635, Bürger­ meister 1634, 1650. Ewalt, Johann (1710)—5. 6.1725. Lucienhalfe. Siebener seit 1722, Bürgermeister 1723. Fabri, Wilhelm 26. 12. 1688 —10. 10. 1751. Stadtschreiber seit 1724. Gemeinsmann seit 1723, Schöffe seit 1738, Bürgermeister 1742, 1744, 1748. Falckenstein, Johann (1743)—1. 3. 1774. Bäckermeister. Schöffe seit 1760, Bürgermei­ ster 1760, 1766, 1768. Fasbender, Jakob (1667) —(1684). Kurfürstl. Hausschenk. Schöffe seit 1673, Bürger­ meister 1675. Fasbender, Winand (1606) —(1628). Kuniberthalfe. Siebener seit 1614, Schöffe seit 1626, Bürgermeister 1614. Feuerpcil, Tilman (1617)—Jan. 1673. Schulmeister und Offermann 1617—21, Stadt­ schreiber seit 1621, Gerichtsschreiber seit 1621, seit 1657 kaiserlicher Notar. Seit 1628 Siebener, seit 1633 Schöffe, Bürgermeister 1628, 1630,1635, 1639, 1654. Zu seiner Zeit die bedeutendste Persönlichkeit in Brühl. Firk, Anton (1604)—(1627). Schmiedemeister. Schöffe seit 1604, Bürgermeister 1604, 1607, 1617, 1621, 1623, 1625. Florckin, Melchior (1685)—8. 6. 1697. Kurfürstl. Hausschenk. Schöffe seit 1685, Bür­ germeister 1691. Forn, Balthasar (1655) —Sept. 1674. Burghalfe. Siebener seit 1655, Schöffe seit 1666, Bürgermeister 1655. Forn, Edmund (1648) —1. 9. 1683. Schneidermeister. Siebener seit 1672, Schöffe seit 1676, Bürgermeister 1676. Fuß, Niclas (1590)—1637. Kirchmeister 1590. Schöffe seit 1601, Bürgermeister 1613, 1615. Gatzen, Mathias (1703)—28. 1. 1731. Siebener seit 1705, Bürgermeister 1707, 1709, 1711, 1713, 1717. Hackenbroich, Adrian (1675) —12. 10. 1724. Schlossermeister. Siebener seit 1699, Bür­ germeister 1699. Hackspiel, Jakob 1. 8. 1735—25. 9. 1809. Gastwirt. Siebener seit 1780, Bürgermeister 1787, 1793. Hegel, Martin (1748)—28. 1. 1795. Chyrurgus. Schöffe seit 1767, Bürgermeister 1772, 1784. Heidt, Ernst Salentin (1742)—20. 1. 1773. Kaufmann. Schöffe seit 1752, Bürgermeister 1754, 1770. Henseler, Johann d. Ä. (1676) —11. 1. 1703. Handwerksmeister. Analphabet. Siebener seit 1690, Bürgermeister 1697. Henseler, Johann d.J. 22. 3. 1723—12. 10. 1786. Siebener seit 1771, Schöffe seit 1778, Bürgermeister 1777. Hertmanni, Cornel (1725) —14. 4. 1747. Gastwirt. Siebener seit 1738, Bürgermeister 1739. Hertmanni, Franz Josef 9. 8. 1753 —7. 9. 1832. Schultheiß seit 1786, Schöffe seit 1788, Bürgermeister 1792. 123

Hertmanni, Job. Gabriel (1733) —5. 5. 1765. Kurfürstl. Amtsverwalter seit 1733. Schöffe seit 1738, Bürgermeister 1740, 1750. Begraben in der Kirche. Herter, Johann (1644) —16. 4. 1688. Schlossermeister und Landmesser. Schöffe seit 1688, Bürgermeister 1668, 1680. Heypar, Damian (1635) —(1672). Wirt „Zum Ochsen“ in der Kölnstraße. Siebener seit 1641, Schöffe seit 1659, Bürgermeister 1645. Holtzem, Nikolaus (1664)—März 1668. Schöffe seit 1666, Bürgermeister 1666. Holtzem, Reiner 12. 6. 1688—22. 5. 1751. Wirt „Zum Adler“ und „Zum Krahnen“ in der Uhlstraße. Siebener seit 1721, Bürgermeister 1729. Kemp, Ernst (1670) —10. 5. 1690. Zimmermann. Siebener seit 1681, Bürgermeister 1683. Kentenich, Job. Josef 25. 2. 1734 —11. 4. 1788. Metzger. Gemeinsmann 1772, Siebener 1774, Schöffe seit 1780, Bürgermeister 1775, 1779, 1782. Kley, Theodor (1760) —8. 3. 1793. Wirt „Zum heiligen Geist“. Gemeinsmann 1772, Siebener seit 1778, Bürgermeister 1781, 1783, 1789. Kribben, Johann 8. 9. 1682—17. 5. 1749. Zimmermann, später Gastwirt. Siebener seit 1738, Bürgermeister 1743. Langen, Gottfried (1708)—7. 1. 1737. Ackerer. Siebener seit 1716, Schöffe seit 1721, Bürgermeister 1717, 1730. Leutz, Johann (1613)—(1624). Sattler. Siebener seit 1616, Bürgermeister 1616. Meller, Alexander (1629) —31. 7. 1657. Ackerer, 1656 Burbacher Hälfe. Siebener seit 1641, Bürgermeister 1638, 1641, 1642, 1644, 1656. Meller, Rudolf (auch genannt R. von Palmersdorf und R. von Wesseling) (1622) —(1651). Palmersdorfer Hälfe. Siebener seit 1628, Bürgermeister 1636. Meyer, Valentin (1761)—28. 3. 1820. Gerber. Siebener 1771, Schöffe seit 1774, Bürger­ meister 1773, 1774, 1776, 1778, 1786. Milser, Peter 12. 10. 1676—24. 1. 1724. Gastwirt. Siebener 1709, Schöffe seit 1716, Bürgermeister 1718, 1720. Müller, Ignaz 28. 6. 1758 —8.Br. VIII. Schöffe seit 1788, Bürgermeister 1794. Erheira­ tet 1794 die Wenendahler Mühle in Pingsdorf. Müller, Joh. Peter 16. 11. 1757—26. 6. 1832. Bierbrauer. Siebener seit 1780, Bürgermei­ ster 1785, 1791, 1797. Rieß, Gottfried (1771)—24. 1. 1827. Kaufmann. Siebener 1797, Bürgermeister 1797. Ruland, Bernhard (1754)—24. 1. 1787. Apotheker, Titular-Hofkammerrat. Schöffe seit 1760, Bürgermeister 1762, 1764. Ruland, Johannes (1663) —(1687). Kurfürstl. Waldförster. Siebener 1667, Schöffe seit 1687, Bürgermeister 1667, 1671, 1673. (von) Rungs, Jakob (1672) —18. 5. 1697. Baumeister. Aus Südtirol. Schöffe seit 1681, Bürgermeister 1682, 1686, 1690. Scheben, Tilman (1697)—21. 9. 1711. Heiratete 1697 die Witwe des Jakob Rungs. Schöffe seit 1697, Bürgermeister 1702. Schieffer, Johann 26. 12. 1736—23. 7. 1789. Ackerer. Schöffe seit 1774, Bürgermeister 1780, 1788. 124

Schloßmecher, Johann (auch Peltzer genannt) (1592)—Ende 1627. Schlossermeister. Analphabet. Siebener seit 1608, Bürgermeister 1608, 1610. Schmitt, Johann (Jan in der Schmitten) (1551) —(1591). Schmiedemeister. Schöffe seit 1556, Bürgermeister 1580. Schmitt, Matheis (1606) —(1627). Schöffe seit 1607, Bürgermeister 1619. Schmitz, Matheis (1645) —1. 11. 1662. Vormals Schiffhalfe zu Hönningen, dann Ackerer in Brühl. Baut das Haus „Zum Schiffgen“ in der Kölnstraße. Siebener 1645, Schöffe seit 1646, Bürgermeister 1646, 1648, 1652. Schröder, Georg (1667)—17. 1. 1697. Wirt „Zum Adler“ und „Zum Krahnen“ in der Uhlstraße. Schöffe seit 1681, Bürgermeister 1684, 1692. Seron, Wilhelm (1725)—14. 10. 1753. Fuhrunternehmer und Gastwirt. Siebener seit 1753, Bürgermeister 1753. Stemmeier, Jakob (1716)—28. 9. 1763. Stadtmüller. Siebener 1738, Schöffe seit 1752, Bürgermeister 1741, 1745, 1749, 1756. Stirdt, Johann (1685) —15. 12. 1737. Sioniterhalfe (nach ihm ist der „Janshof“ benannt). Siebener 1703, Schöffe seit 1726, Bürgermeister 1703, 1705, 1715, 1726. Vaytz, Peter (1511) —(1534). Schöffe seit 1511, Bürgermeister 1526. (von) Vernich, Hilger (1605)—(1639). Burbacher Hälfe. Siebener seit 1618, Bürgermei­ ster 1618, 1620, 1626, 1632. Vosmar, Christian (1703)—23. 9. 1743. Gemeinsmann 1721. Siebener seit 1730, Bürger­ meister 1731. Weisweiler, Heinrich 2. 7. 1709—25. 3. 1774. Kaufmann und Wirt „Zum Bären“ am Markt. Siebener seit 1750, Bürgermeister 1751, 1755, 1771. Weisweiler, Johann 27. 12. 1686—5. 9. 1771. Stadtschreiber 1708—24, Gerichtsschrei­ ber 1724 —71. Siebener 1721, Schöffe seit 1722, Bürgermeister 1721, 1722, 1724, 1736, 1746, 1758. Notar. Kauft 1724 das Haus „Zum Stern“. Begraben in der Pfarrkirche. Weisweiler, Peter 10. 1. 1689—5. 1. 1778. Wirt und Hufschmied. Siebener seit 1730, Bürgermeister 1735, 1737, 1747, 1761, 1769. Wolff, Gerhard (1608)—(1622). Siebener seit 1612, Bürgermeister 1612. Wolff, Georg (1620) —(1640). Siebener seit 1624, Schöffe seit 1626, Bürgermeister 1624, 1627, 1633, 1637. Wolff, Johann (1570)—28. 12. 1629. Schöffe seit 1589, Bürgermeister 1611. Wolff, Johann (1524) —(1550). Duppenbecker (einer der letzten Brühler Töpfer). Schöffe seit 1538, Bürgermeister 1546. Wollersheim, Job. Wilhelm (1726) —11. 10. 1742. Schultheiß seit 1726. Schöffe seit 1738 (und gleichzeitig Schultheiß!), Bürgermeister 1738.

Die Brühler Stadtschreiber Der erste Brühler Stadtschreiber, über den die Archivalien etwas aussagen, war Henrich Moll. Er stammte anscheinend aus Orsoy am Niederrhein und erscheint erstmals im Jahre 1568 als Gerichtsschreiber in Brühl. Außerdem war er auch Notar. 125

Das besagt allerdings nicht, daß er wie heutige Notare eine langjährige juristische Ausbildung absolviert hatte; zu seiner Zeit konnte jeder, der ein paar lateinische Redensarten und die üblichen Formeln des Urkundenwesens kannte, sich gegen entsprechende Bezahlung in die Matrikel der kurfürstlichen Notare eintragen lassen; und wer genug Geld hatte, konnte sich auch den Titel eines kaiserlichen Notars kaufen. So erscheint Heinrich Moll seit 1576 als kurfürstlicher und seit 1612 als kaiserlicher Notar. 1605 wird er auch als Stadtschreiber erwähnt; anscheinend waren damals die Funktionen des Gerichtsschreibers und des Stadtschreibers noch nicht voneinander getrennt. Nebenbei war er auch Schreiber beim Vochemer Fronhofsge­ richt. Er starb im April 1614. Ihm folgte sein Sohn Michael Moll, der am 12. Mai 1614 zum Gerichtsschreiber und gleichzeitig wohl auch zum Stadtschreiber - bestellt wurde. Er war ebenfalls kurfürstlicher Notar und Unterzeichnete mehrmals als „Gerichtsschreiber undt Secretarius der Statt“. Dessen Nachfolger Tilman Feuerpeil —geboren in Herzogenrath etwa im Jahre 1590, gestorben in Brühl im Januar 1673 —war die bedeutendste Brühler Persönlich­ keit im 17. Jh. 1617 war er als Schulmeister und Offermann bei St. Margareta einge­ stellt worden. Diese beiden Stellen gab er auf, als er 1621 zum Gerichts- und Stadt­ schreiber ernannt wurde. 1628 legte er das „Brülischer Statt Accins-, Bürgermeisterundt Ordinantz-Buch“ an, einen gewichtigen Folianten, der heute den Grundstein des städtischen Altarchivs bildet (St AB Akten 4). Ihm ist zu verdanken, daß der Text der Brühler Stadtrechtsurkunde von 1285, deren Urschrift verschollen ist, in einer von ihm gefertigten und beglaubigten Abschrift erhalten blieb (HStAD Kurköln Urk. 158). Ein Verzeichnis seiner Privatbibliothek zeugt von der Spannweite seiner geisti­ gen Interessen (StAB Akten 26,4). Kurfürst und Stadt wußten Tilman Feuerpeils Fähigkeiten zu nutzen: 1628 wurde er zum Siebener und 1633 zum Schöffen bestellt. 1628, 1630, 1635, 1639 und 1654 war er Bürgermeister. Als im Jahre 1642 die Stadt Brühl durch den Hessenüberfall durch­ einander geraten war, ernannte ihn Kurfürst Ferdinand zum Staatskommissar. Mehr­ mals war er Kirchmeister von St. Margareta. 1657 wird es als kaiserlicher Notar erwähnt, 1659 als Geschworener in Weilerswist, 1661 als Keldenicher Schöffe. Neben allen diesen Ämtern behielt er seine Stellen als Gerichts- und Stadtschreiber bis zu seinem Tode bei. Sein Nachfolger Wendelin Martini, ebenfalls kurfürstlicher Notar, war von 1674 bis 1686 Gerichts- und Stadtschreiber. 1687 gab er die Stadtschreiberstelle auf, begleitete aber auch weiterhin die Bürgermeister zu den Landtagen. Aus seinem Nachlaß sind Aufzeichnungen über die Landtage der 1680er und 1690er Jahre erhalten (StAB Akten 7). Seit 1687 amtierte Flubert Fabri (etwa 1635 —1701) als Stadtschreiber. Fabri, eben­ falls kurfürstlicher Notar, war 1665 Gegenstand eines Grundsatzstreits zwischen der Stadt und dem Pfarrer zu St. Margareta Heinrich Winterich, in dem es darum ging, wer für die Besetzung der Offermannstelle zuständig sei. Durch Mandat des KurfürstErzbischof Max Heinrich vom 19. Dezember 1665 (StAB Akten 24) wurde er gemäß 126

dem Beschluß von Bürgermeister, Schöffen und Rat als Kirchenprovisoren gegen den Willen des Pfarrers als Offermann eingesetzt. Auf diese Stelle verzichtete Fabri aber, als er 1687 die Stadtschreiberstelle erhielt. Nebenbei war er auch Gerichtsschreiber in Wesseling. Wer von 1701 bis 1707 Stadtschreiber war, konnte archivalisch bisher nicht belegt werden. Wahrscheinlich war in dieser Zeit Joh. Carl Breuer, Gerichtsschreiber 1703—24, auch für die Stadt tätig. Am 4. Februar 1708 wurde Johann Weisweiler (1686 —1771) vom Rat zum Stadt­ schreiber bestellt. Bei seiner Beeidigung bezog er sich auf den Eid, den er bereits als Notar geleistet hatte. Er war ein Sohn des angesehenen Schmiedemeisters Peter Weisweiler; der erste Stadtschreiber, bei dem feststeht, daß er ein gebürtiger Brühler war. 1721 zum Siebener bestellt, wurde er sofort zum Siebener-Bürgermeister gewählt; 1722 zum Schöffen bestellt, wurde er sofort zum Schöffen-Bürgermeister gewählt; insgesamt war er sechs Mal Bürgermeister. Seit 1709 Schwiegersohn des wohlhabenden Schöffen und Gastwirts Georg Schröder, kaufte Johann Weisweiler 1724 das stattlichste Haus in Brühl, das Haus „Zum Stern“, das er bis zu seinem Tode bewohnte. Im 18. Jh. war er in Brühl eine ebenso herausragende Persönlichkeit wie es im 17. Jh. Tilman Feuerpeil gewesen war. In Würdigung seiner Verdienste und der Stiftungen, die er der Pfarrei St. Margareta gemacht hatte, wurde er am 5. September 1771 in (!) der Kirche begraben. Auf sein Stadtschreiberamt hatte Johann Weisweiler verzichtet, als er 1724 zum Gerichtsschreiber bestellt wurde. Sein Nachfolger in diesem Amt wurde am 28. April 1724 Wilhelm Fabri (1688 —1751), ein Sohn des oben erwähnten Hubert Fabri. Er war seit 1704 Offermann gewesen, verzichtete aber nunmehr auf diese Stelle. Seit 1719 war er Gerichtsschreiber und seit 1727 Schultheiß der Freiherrn v. Weichs zu Roisberg. 1738 zum Brühler Schöffen bestellt, war er 1742, 1744 und 1748 Bürgermeister. Nach Wilhelm Fabris Tode wurde am 17. Januar 1752 Henrich Weisweiler (1709 —74), ein Sohn des oben erwähnten Johann Weisweiler, zum Stadtschreiber bestellt. Anders als seine Vorgänger war er weder Offermann gewesen noch Notar; in der Steuerrolle von 1738 wird er als Wirt und Handelsmann erwähnt. 1750 zum Siebener bestellt, war er 1751, 1755 und 1771 Bürgermeister. Am 26. März 1774 erschien Clemens August Herter (1730—93), ein Sohn des kur­ fürstlichen Hofgärtners Simon Herter, im Rat und legte ein Schreiben des Amtmanns Frhr. v. Walbott zu Bornheim vor, kraft dessen er zum Stadtschreiber bestellt worden sei. Der Rat bemerkte dazu, daß der Amtmann dafür nicht zuständig sei; von Alters her seien die Stadtschreiber immer nur vom Rat bestellt worden. Trotzdem gratulierte man Herter einstimmig zu seinem neuen Amt. Nach Herters Tode erschien am 16. August 1793 der Lehrer Arnold Josef Stein im Rat mit einem Schreiben des Amtmanns, daß er zum Stadtschreiber bestellt worden sei. Der Rat verhielt sich dazu wie im Jahre 1774: Er bezeichnete das Schreiben des Amtmanns als rechtsunwirksam, beschloß aber einstimmig, Stein zum Stadtschreiber zu bestellen. Stein war der letzte Stadtschreiber der Kurfürstenzeit. Bei der Umgestaltung der 127

Verwaltung in der französischen Zeit wurde er von der Municipalite Brühl als „greffier“ übernommen. Von dieser Zeit ist aber hier nicht mehr zu berichten. 1 2 3 4 5 6 7 8

HStAD Kloster Bottenbroich Urk. 11. HStAD Kloster Benden Urk. 8. HStAD Kurköln Kartular 3, S. 299. HStAD Kurköln Urk. 1194. EHAK St. Georg A. II. 15 III. 1625. HStAD KurkÖln Urk. 1861. HAK Slg. Alfter Nr. 1. „Die zwene burgermeister van dem Brüell“ werden auch in der Kellnerei-Rechnung 1521 erwähnt (HStAD Kurköln IV. 3C16). 9 StAB Akten 4, f. 8. 10 StAB Akten 4, F. 7 r. 11 Dabei dienten wohl gelegentlich „Handsalben“ als Entscheidungshilfen. 12 Ähnlich hochtrabend korrespondierten auch die Städte miteinander. Im Jahre 1787 schrieb der Rat der Stadt Linz den Rat der Stadt Brühl mit „Hochedelgebohrene, Hochgeehrteste Herren Collegen“ an. Zur gleichen Zeit begann ein Gesuch eines Privatmanns mit der Anrede „Hochedelge­ bohrene, Hoch- und Wohledle, insonderst Hochgeehrteste Herren!“ (StAB Akten 2,13). 13 StAB Akten 5. 14 Seit 1692 (StAB 11, 3) wurden dem Rat zur Prüfung der Bürgermeister-Rechnungen - und auch zum Vorbrin­ gen von Bürgerinitiativen - vier von der Bürgerschaft vorgeschlagene und vom Amtmann auf Lebenszeit bestellte „Gemeinsmänner“ beigegeben. Sie durften an den Ratssitzungen teilnehmen, hatten aber kein Stimm­ recht. 15 StAB 11, 2 - Die Stadtrechnung 1687/88 ist, von einem Bruchstück der Rechnung 1593 abgesehen, die älteste erhaltene Stadtrechnung. 16 Die städtische „Akzise“ war eine kombinierte Gewerbe- und Umsatzsteuer. Ihre Erhebung wurde alljährlich meistbietend an einen Bürger verpachtet, der dann „Accinsmeister“ genannt wurde. (Bei dieser Verballhornung des Fremdworts „Accise“ klang das alte Wort „Zinsmeister“ [=Rentmeister] an). 17 StAB Akten 6. 18 Als Jahreslohn (!) erhielt damals eine Hausmagd 6 Reichsthaler und eine Schürze nebst knapper Kost und einem Strohsack-Lager. 19 StAB Akten 4. 20 „computare“ heißt nebeneinanderstellen und vergleichen. Bei der Computation wurden die Zahlen der Einnahmerechnung mit denen der Ausgaberechnung verglichen und saldiert. - Das hierzulande ausgestorbene lateinische Fremdwort computatio ist durch das USA-Wort Computer wiederbelebt worden. 21 Während der Kurfürstenzeit hatte die Stadt jeweils nur fünf Bedienstete: den Stadtschreiber, zwei Stadtdiener, die als Boten, Feldhüter und Nachtwächter eingesetzt wurden sowie zwei Schweinehirten, die täglich die Schweine der Bürger - 1784 waren es 143 Tiere - aufs Brachland und in die Büsche austrieben. 22 Anfangs benutzte man dazu anscheinend die Schöffenkiste: Am 19. Januar 1706 wurde der Überschuß der Bürgermeister-Rechnung R. Holtzems „ad cistam scabinorum in hießiger kirch deponirt“ (StAB Akten 4). Ob mit dem 1708 erwähnten „statt archiv“ die Schöffenkiste oder eine andere Kiste gemeint war, ist ungewiß. Am 26. März 1754 wurde der Überschuß des Jahres 1750 „ad archivium hingelegt“ (StAB Akten 6). - Die städtische Archivkiste war doppelt verschlossen; einen Schlüssel hatte der Stadtschreiber, den andern der jeweilige Bürgermeister. 1772 wurde ein drittes Schloß eingesetzt, dessen Schlüssel die Gemeinsmänner erhielten. 23 Beispielsweise ist im Ratsprotokoll vom 15. Januar 1752 vermerkt: . .seyndt alle hiesiger Statt schriftliche Nachrichtungen in des abgelebten Hn. Stattschreibers Wilhelm Fabri wohnung auffgesucht, demnegst zur Ratsversamblung überbracht, examinirt und in des zeitlichen Bürgermeisters wohnbehausung consignirt abgesetzt.“ (StAB Akten 6)

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24 Der „haußzinß des burgerhauß“ wird schon in der ältesten erhaltenen Stadtrechnung von 1593 erwähnt (StAB Akten 11, 1). Als Beispiel für eine Vermietung sei das Ratsprotokoll vom 10. Januar 1753 (StAB Akten 6) zitiert: „Hiesiges statt rathhauß“ wird auf 12 Jahre meistbietend vermietet mit dem Vorbehalt, „daß die unten ahn der haußtür gelegene stube zur Convention (Sitzung) des stattraths in vorfallenden gelegenheiten (bei Bedarf) concedirt (freigehalten) werden solle, unterdeßen aber dem einwöhner (Mieter) die convention angedeuthet (die Ratssitzung vorher angemeldet werden solle) und er solche (die Ratsstube) indeßen brauchen könne, die statt brand eymer aber und sonstiges werckzeug in dem verfügenden ahnbaw auffbehalten werden sollen“. - Anscheinend wurde das Bürgerhaus von den Mietern meist als „Fremdenpension für bessere Herrschaften“ genutzt, insbesondere dann, wenn sich der Kurfürst in Brühl aufhielt. - 1775 wurde der Stadt befohlen, eine Kaserne für die Schloß-Wachkompagnie zu bauen. Da sie nicht genug Geld für einen Neubau hatte, baute sie 1780/81 das Bürgerhaus für diesen Zweck um. - Ab 1798 wurden die 14 Stuben dieser Kaserne einzeln als Notwohnungen an bedürftige Familien vermietet. 25 StAB Akten 6. Dazu auch HStAD Kurköln II. 5281. 26 In dieser Sache hatte Kley für Fahrten nach Bonn und für die Beherbergung des kurfürstlichen Kommissars 33 Reichstaler ausgelegt. Auf Befehl des Hofrats vom 3. Hornung 1783 mußte ihm die Stadt diesen Betrag erstatten (StAB Akten 8). 27 Laut Ratsprotokoll vom 25. Januar 1783 hat Longerich „wegen seiner ohnangesehenheit und sonstigen incapacitaeten“ verzichtet (StAB Akten 6). Unterm 16. Februar 1793 ist dann im Ratsprotokoll vermerkt, daß er nicht mehr zu den Ratssitzungen geladen werden solle, da er dem Trunk so ergeben sei, daß er dem gesamten Stadtrat „sehr nachteilig fällt“ (StAB Akten 7, 29). 28 StAB Akten 11, 39. 29 Wie die Stadt Brühl in den letzten Jahren der Kurfürstenzeit „regiert“ wurde, zeigt eine Eingabe einiger Ratsmitglieder an die Regierung in Bonn vom 12. Niv. III/31. Dezember 1784 (HStAD Zwischen Maas und Rhein Nr. 42). In dieser Supplik wurde ausgeführt: Die Schöffenstellen sind besetzt mit Schultheiß Hertmanni, M. Hegel, V. Meyer, I. Müller und J. Martini. Hegel fällt aber aus, weil er 84 Jahre alt und seit 3 Jahren bettlägerig ist; Hertmanni fällt aus, weil er die Amtsverwalterstelle seines Bruders übernommen hat; Martini und Meyer kommen schon seit Jahren nicht mehr zu den Sitzungen des Rats. Deshalb bitten Bürgermeister I. Müller, Siebener P. Müller und J. Hackspiel sowie Gemeinsmann J. Weiser, die Schöffen Hertmanni, Martini und Meyer scharf zu verwarnen sowie Servatius Kretzer zum Siebener und Johann Kribben zum Vorsteher (Gemeinsmann) zu ernennen. 30 StAB Akten 7, 31. 31 StAB Akten 11, 42.

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D a s F in a n zw esen der S ta d t B rü h l in d er K u rfü rste n ze it

i. Im 13. Jh. befanden sich die kölnischen Lande noch weithin im Zustand primitiver Naturalwirtschaft. Geldwirtschaft, also die Erzielung von Geldeinnahmen, war nur möglich an Orten, an denen sich Fernhandel und Handwerke mit fernen Absatzmärk­ ten entwickeln konnten. Das setzte Anschluß an Fernstraßen, insbesondere an die große Handelsstraße „Rhein“ voraus. Diese Voraussetzung war aber bei der jungen Stadt Brühl nicht gegeben. Mit ihrer Umwelt nur durch primitive Karrenpfade ver­ bunden, war sie wegen ihrer Abseitslage gegenüber den Städten Köln, Bonn und sogar Fechenich hoffnungslos im Nachteil. Infolgedessen blieb Brühl auch nach der Stadterhebung wirtschaftlich ein Dorf. Fast alle Brühler, auch die kurfürstlichen Beamten, waren ihrem Wesen nach Acker­ bürger. Sie hatten Vieh im Stall und ein Stück Land - meist gepachtet, da das Brühler Ackerland größtenteils dem Kurfürsten oder geistlichen Körperschaften gehörte —, das sie selbst bewirtschafteten oder durch Tagelöhner bearbeiten ließen. Das Absatz­ gebiet der Handwerker beschränkte sich auf die benachbarten Dörfer. Zünfte hat es in Brühl nie gegeben. Die Kaufleute waren durchweg Kleinkrämer, die ihre Waren aus Köln bezogen. Auch nach der Umstellung der Naturalwirtschaft auf Geldwirtschaft gab es in Brühl immer nur ganz wenige Leute, die mehr bares Geld hatten als sie zur Bezahlung ihrer Steuern und Pachten brauchten.

II. Bei der Stadterhebung hat Brühl sicherlich auch das Recht erhalten, zur Finanzierung der Stadtbefestigung „Akzise“ zu erheben, also eine Steuer, die man heutzutage als kombinierte Umsatz- und Gewerbesteuer bezeichnen würde. Aus den vorerwähnten Gründen brachte diese Steuer offenbar aber nur so wenig, daß die Stadt nur das Uhltor und ein kleines Stück Stadtmauer rechts und links davon aus eigenen Mitteln erbauen konnte. Der Bau des Kölntors samt der anschließenden Nordmauer wurde aus der erzbischöflichen Kasse bezahlt. Die Lücke zwischen der Nordmauer und dem Uhltor schloß die Stadt durch einen einfachen Wall mit vorgelagertem Graben, denn für bloße Erdarbeiten konnten die Bürger zu Hand- und Spanndiensten aufgeboten werden, während man zur Errichtung von Mauern und Türmen Geld zum Ankauf von Material und zur Bezahlung von Handwerkern gebraucht hätte. Ob die Süd- und Ostseite der Stadt jemals befestigt war, ließ sich bisher nicht aufklären. Keinesfalls haben hier durchgehende Stadtmauern gestanden. 130

Diese notdürftig zusammengestückelte Stadtbefestigung war geradezu ein Symbol für die von Anfang an unzureichende Finanzkraft der Stadt Brühl. Während der ganzen Kurfürstenzeit war die steuerliche Belastbarkeit der Bürgerschaft so gering, daß deren Steuerzahlungen nur zur Deckung der allernötigsten Ausgaben ausreich­ ten. III. Der geringen Finanzkraft der Stadt entsprechend war deren Rechnungswesen denkbar einfach. Es gab weder ein städtisches Steueramt noch eine Stadtkasse. Alle Einnahmen der Stadt waren Einnahmen des jeweiligen Bürgermeisters und flössen in dessen Privatvermögen; alle namens der Stadt geleisteten Ausgaben wurden von dem Bürgermeister „aus eigenem Beutel“ geleistet. Die sogenannten Stadtrechnungen waren also keine zusammenhängenden „Rechnungen der Stadt“, sondern jeweils in sich geschlossene Abrechnungen der einzelnen Bürgermeister über die Gelder, die sie während ihrer Amtszeit namens der Stadt eingenommen und ausgegeben hatten. In einem derartigen Rechnungssystem gab es keine „Haushaltspläne“, die vom Rat beschlossen und deren Innehaltung vom Rat überwacht wurde. Wenn ein Bürgermei­ ster versäumte, Gelder einzuziehen, die der Stadt zustanden, oder wenn er Ausgaben leistete, die vom Rat für unnötig gehalten wurden, so handelte er auf eigenes finanziel­ les Risiko. Es gab auch keine „Rechnungsabgrenzung“ : Gelder, die nach ihrem eigentlichen Fälligkeitstermin eingingen - beispielsweise Steuerzahlungen für frühere Jahre -, wurden von dem Bürgermeister vereinnahmt, der zur Zeit der Zahlung amtierte. „Rechnungsjahr“ war die Amtszeit des jeweiligen Bürgermeisters, die regelmäßig von einem 25. Januar bis zum 24. Januar des Folgejahrs lief. Nach Ablauf seiner Amtszeit mußte jeder Bürgermeister Rechnung legen vor dem Rat, der in solchen Fällen unter dem Vorsitz des kurfürstlichen Amtmanns, Amtsverwalters oder Schult­ heißen tagte. Dabei wurden vor allem die Ausgabeposten überprüft; bei fast allen Abrechnungen sind einzelne Ausgaben gestrichen worden, weil der Rat ihre Erstat­ tung ablehnte. Ergab die „rezessierte“ (genehmigte) Abrechnung einen Uberschuß der Einnah­ men über die Ausgaben, so mußte dieser an den zur Zeit des Rezesses amtierenden Bürgermeister ausgezahlt werden. Ein etwaiges Defizit mußte der jeweils „regie­ rende“ dem „abgetretenen“ Bürgermeister bar erstatten. IV. Jede Bürgermeister-Rechnung wurde dadurch aufgebläht, daß sie auch die „Simpla“ als durchlaufende Posten enthielt. Als „Simplum“ bezeichnete man die Grund- und Gebäudesteuer, die im Erzstift Köln als Landessteuer erhoben wurde. Diese Bezeichnung ist so zu erklären, daß für jedes steuerbare Grundstück ein Abgaben-Grundbetrag festgesetzt war, ähnlich dem „Meßbetrag“ bei der heutigen Grundsteuer-Erhebung. Und so, wie heute das Grund­ steuer-Soll in Prozenten des Meßbetrags ausgedrückt wird, so wurde in kurfürstlicher 131

Zeit der Grundbetrag nach Beschlüssen des Landtags so vielmals erhoben, bis der Jahres-Haushalt ausgeglichen war. „Simplum“ war also jeweils der „einfache“ Steuer­ betrag; und dieser Betrag wurde - als Mehrzahl „Simpla“ - im Jahr mehrmals erhoben, manchmal nur zehnmal, in Zeiten großen Finanzbedarfs bis zu sechsundzwanzigmal. Steuerschuldner für die im Stadtgebiet belegenen Grundstücke war die Stadt als solche. Dem jeweiligen Bürgermeister oblag es, „die Simpla zu kollektieren“, also von jedem einzelnen Grundbesitzer dessen Anteil an dem Steuersoll der Stadt zu erheben. Für dieses Kollektieren erhielt er eine Provision von 4% des Aufkommens. In gleicher Weise wurden auch die Kontributionen erhoben, die der Stadt in Kriegszeiten auferlegt wurden. Die Kollektion der Kontributionen wurde aber meist nicht in den allgemeinen Bürgermeister-Rechnungen, sondern in besonderen Abrech­ nungen ausgewiesen. Zusätzlich zu den Landes-Simpla erhoben die Bürgermeister alljährlich für Rech­ nung der Stadt ein in gleicherweise bemessenes „Pensions-Simplum“, das zur Bezah­ lung der für die städtischen Schulden zu leistenden „Pensionen“ (Zinsen) bestimmt war. V. Klammert man in den Bürgermeister-Rechnungen die Landes-Simpla sowie etwaige Kontributionen aus, so bleiben auf der Einnahmeseite folgende Posten als „Empfang der Stadt“: a) Das „Pensions-Simplum“. Es brachte jährlich rund 200 Gulden. b) Die „Akzise“. Ihre Erhebung wurde alljährlich meistbietend verpachtet. Die Höhe ihres Aufkommens hing von der jeweiligen Wirtschaftslage ab. In archivalisch belegter Zeit war der Tiefstand im Jahre 1717 mit 167 Gulden, der Höchst­ stand im Jahre 1754 mit 608 Gulden1. c) Das „Wegegeld“, das für das Fahren und Viehtreiben auf den Straßen der Stadt erhoben wurde. Auch die Erhebung des Wegegelds wurde alljährlich meistbietend verpachtet. Am niedrigsten war das Aufkommen 1710 mit 19 Gulden, am höchsten im Jahre 1776 mit 1111 Gulden. Der kräftige Anstieg in den 1770er Jahren beruhte darauf, daß auf kurfürstlichen Befehl die Straßen nach Köln und nach Liblar hergerichtet und wegegeldpflichtig gemacht worden waren. Über diese Einnahmen durfte die Stadt allerdings nicht frei verfügen; sie mußten für die Instandhaltung der Straßen verwendet werden. d) Das „Bürgergeld“. Wer in Brühl selbständig tätig sein wollte, - auch als Tage­ löhner -, mußte das Bürgerrecht erwerben und für die Einbürgerung Bürgergeld zahlen. Die Höhe dieses Bürgergelds war gestaffelt: Bürgersöhne mußten den einfachen Betrag zahlen; Auswärtige, die eine Bürgerstochter heirateten, das Anderthalbfache; sonstige Auswärtige das Doppelte. e) Das „Köttergeld“. Kötter nannte man „alle, die privatbürgerlich Gewerb treiben und in Zinshäusern oder Kammern (also zu Miete) wohnen“. Da sie mangels 132

eigenen Grundbesitzes nicht simpelpflichtig waren, mußten sie zum Ausgleich je Simplum 8 Albus zahlen. f) Die „Bürgerhaus-Miete“. Wie bereits berichtet, war das Rathaus immer an Privat­ leute vermietet, bis es 1780 zu einer Kaserne umgebaut wurde. g) Die „Erbpachten“. 1728 waren „die gemeinen plätzger ahm Fischmarkt“ und 1729 der vormalige Garten des Bürgerhauses als Baustellen zu Erbpacht ausgegeben worden. h) Die „Gräsereipacht“. Seit dem 17. Jh. war die vormalige Stadtbefestigung zu einer Spitzweg-Idylle verkümmert. Der Stadtwall war mit Gras bewachsen und wurde als Weideland verpachtet. i) Zu diesen regelmäßigen Einnahmen kamen fast immer noch kleine Einnahmen aus dem Verkauf von Altmaterial. Alles in allem belief sich der nicht zweckgebundene „Empfang der Stadt“ im 18. Jh. auf etwa 1000—1500 Gulden im Jahr. VI. Die Ausgaben sind in den Bürgermeister-Rechnungen meist sehr eingehend, manch­ mal in über hundert Einzelposten, spezifiziert. Für eine zusammenfassende Analyse der städtischen Ausgaben ist hier kein Raum. Als Beispiel einer Rechnung mag hier eine Übersicht über die Rechnung genügen, die Bürgermeister Wilhelm Fabri für das Jahr 1742 gelegt hat, also für das Jahr, in dem Karl Albert v. Wittelsbach, der Bruder des Kurfürsten Clemens August, zum Kaiser gewählt wurde. Für dieses Jahr sind insgesamt 4871.3. —Gulden als Ausgaben ausgewiesen. Hiervon gehen ab: 3593.21.8 Gl Simpel-Zahlungen an den kurfürstlichen Generalsteuerein­ nehmer v. Geyr und 101.2.8 Gl als Storno uneinbringlicher Simpla, so daß als städti­ sche Ausgaben 1277.5.4 Gl verbleiben. Davon wurden zur Feier der Kaiserwahl sowie des Geburtstages und des Namens­ tages des Kurfürsten insgesamt 233.4.8 Gl ausgegeben: „Auff Aschermittwoch den l.ten Februarij einige ex magistratu wegen vorgangener Kayserlicher Wahl Caroli des siebenten, Churfürsten in Bayeren, und desfals verahnstaltender illumination und festin sich unterredet, ist von denenselben zehrt worden ad 5 qt wein, jede per 1 gl, facit 5 gl“, „lO.ten dito, als obig endts die bürgerschafft mit gewehr ersten auffzug zur probe gethan, haben beyde herzu bestehe bürgerliche officiers Cames und Laquey mit einigen ex magistratu zehrt 7 qt wein, jede per 1 gl, facit 7 gl“, ,,17.ten dito als Cöllnische drey mähler ihre arbeitt zu vorhabender illumination verfertigt, selbigen weilen etliche nachten herzu mitt employirt pro symposio 4 qt wein hergeben, jede per 16 alb, facit 2.16 gl“, „dem glasmächern Peter Lechnich für gelieferte 400 lampen behuff illumination vorgangener beglückter Kayserswahl 22.5.4 gl“, „lauth rechnung dem Johann Laquey zu behuff illumination gelieferter untzlichter, gelben wax, kertzen, garn, pech und öhl 23.20 gl“, „hn. Wollersheim in Cöllen für färben und sonsten 16.18 gl“, „dem schullmeister wegen zu obiger illumination gemachter divisen (Inschriften) mit vorwissen hn. Schultheißverwalteren und beyder scheffen Weisweiler und Hertmanni zahlt 16.16 gl“, „lauth rechnung dem meisteren Joan Ernest Esch, daß 133

er die drey cöllnische mähler per 8 täg logirt und beköstigt und was weiteres zur illumination eingekauft, 20 rth 57 stbr, worinnen die auff- und abschlagung der bühnen in der pfahrkirchen pro missionariis mit begriffen, facit 69.20 gl“, (17. Aug.) „als Ihro Churfürstl. Dchlcht geburtstag gehalten worden, hatt Johan Laquey zu dreymahliger abfewrung der cammern geliefert 211/2 pfd pulver, 15.12.8 gl“, „dem Simon Hareko, daß (er) ahn Ihro Churf. Dchlcht geburts und nahmenstäg die cammeren abgefewret, für 4 qt wein, jede p. 15 stb, so dan 6 alb brandewein verwilligte zehrung 3.14 gl“, „vorgemelten mählern für taglohn und zwarn jedem nebst kost, tranck und logiment pro tag und pro nacht 1 gl, zusammen pro 7 täg und 3 nachten ad neun rth species, so dan für abgetrungene discretion (Trinkgeld) wegen nächtlicher accelerirter arbeitt 1 gl 8 al“, „der Helen Klütsch zu behueff Kayserlicher illumination ahm Bürgerhauß gelieferte bordt 4.8 gl“, „dem Johan Laquey wegen gelieferter 20 pfd pulver zu behueff Ihrer Churf. Dchlcht nahmenstag, jedes zu 14 stb, 14.10.8 gl“. Für die Fronleichnamsprozession, die alljährlich mit großem Aufwand begangen wurde, gab die Stadt 100.2 Gulden aus: „Auff Gottes tracht 3 spilleuth für lohn 5 gl, auch jedem für frühestück 8 al, facit 6 gl“, „leucht und weyrauchsfaß trägeren 16 al“, „zwey fahnträgeren 2 qt wein, jede p. 16 al, und 2 stübers weisbrodt - 1.10.8 gl“, „zwey tambour für lohn 1 gl 16 al und jedem für frühestück 8 al —2.8 gl“, „spilleuthen und tambour für seiden lindt (?) 21.4 alb“, „beyden stattdieneren ahnstatt mahlzeit 1 gl 16 alb, auch jedem für frühestück 8 al, facit 2.8 gl“, „10 soldathen, so das hoch­ würdigste guth bey der procession begleithet, jedem 1 qt wein p. 16 alb und ein stübers weisbrodt f. 7.5.4 gl“, „dem bedello Henrich Schmidts, so S. Sebastiani bru­ derschafft zum gewehr eingeladen, für lohn 16 alb und für frühestück 6 alb f. 22 alb“, „der bürgerschafft 1 ahm bier 8.16 gl“, „denen mättger, so das Muttergottes bildt getragen, 6 qt wein, jede p. 16 alb, und 16 alb weisbrodt, f. 4.10 gl“, „zweyen patribus (vom Franziskanerkloster), so dem hohen ambt und procession assistirt, 1 virtel wein f. 4 gl“, „dem convent pro comitatu (den anderen Franziskanern fürs Mitgehen) 6.12 gl“, „hn. pastoren ahn statt mahlzeitt 2.5.4 gl“, „hn. Kalcker, hn. Schultheißen und gerichtsscheffen wie auch siebenern, choralen (Kirchenchor), jufferen Recks (Lehrerin), himmel- und kertzenträgeren, jedem ahn statt mahlzeitt 40 alb, zusam­ men ad 29 persohnen, facit 48.8 gl“. Der Bürgermeister erhielt als „ordinair gehalt“ 19.12 Gl und als „heebgelt“ (4% von 5071.15.5 Gl) 202.20.6 Gl. Der Stadtschreiber bezog außer seinem „ordinair gehalt“ von 13 Gl noch 10.22 Gl als Schreibgebühren. Als ständigen Vertreter beim Landtag besoldeten die kurkölnischen Städte einen Syndicus. Der Anteil der Stadt Brühl an dessen Bezügen ist ausgewiesen als „Hn. hoffrathen Dierath syndicat gehalt 14.4 gl“. Die beiden Stadtdiener erhielten als „ordinair gehalt“ 13 Gl und als „Mietpfennig“ 1 Gl. Die Reparatur des „Nachtshorns“ kostete 10 Al und das „Ol für Nachtswacht“ 3.8 Gl. Die beiden Schweinehirten erhielten als Gehalt 6.12 Gl und als Mietpfennig 1.16 Gl. 134

Bei jeder Ratssitzung wurde kräftig auf Stadtkosten gezecht; im Jahr 1742 wurden dafür insgesamt 82.12 Gl ausgegeben. Als Spesen für Dienstreisen des Bürgermeisters und des Stadtschreibers wurden 48.—.8 Gl vergütet. Bei diesem Aufwand für Feste und Zechgelage blieb für notwendige Reparaturen nicht mehr viel Geld übrig. Für Reparaturen am Bürgerhaus, am Kirchturm, an der Schule und am Kirchhof wurden insgesamt 69.7.4 Gl ausgegeben. Dazu kamen noch 26.14 Gl für die Instandsetzung des Stadtbachs am Franziskanerkloster. Von Alters her wurden die beiden Madonnen am Bürgerhaus und am Uhltor am Samstagabend auf Stadtkosten beleuchtet: „Für liecht ahns Burgerhaus und Uhlpfor­ ten das jahr hindurch und zum mey leuthen 8.—.4 Gl“. Zwei Missionare, die einige Tage in Brühl predigten, erhielten 25.22.4 Gl. Die sonstigen Ausgaben - 112.—.8 Gl - betrafen vor allem die Kosten eines Prozes­ ses, den die Stadt gegen die Badorfer wegen der Schweinetrift führte. Bemerkenswert ist dabei, daß 32.12 Gl für „Douceurs“ (Schmiergelder) ausgegeben wurden. VII. Abschließend sei noch von einem Skandal berichtet, der zeigt, daß die Regierungszeit des Kurfürsten Clemens August für die Stadt Brühl keineswegs eine goldene Zeit war. Infolge der maßlosen Verschwendungssucht Clemens Augusts war im Jahre 1759 die Gefahr eines Staatsbankrotts so drohend geworden, daß die Hofkammer sich gezwungen sah, mit allen erdenklichen Mitteln Geld zu beschaffen. Unter diesem Zwang entzog sie am 4. April 1759 der Stadt Brühl das Recht, Akzise und Wegegeld zu erheben, und zog diese Ausgaben durch besondere Einnehmer zugunsten der Staatskasse ein. Vergeblich flehte die Stadt den Kurfürsten an, „dem armen stättgen, welches ohne deme in sehr schlechtem stand (ist) und mehr außgaben als einkünfte hat“, die Erhebung von Akzise und Wegegeld weiterhin zu gestatten. Während der Regierungszeit Clemens Augusts blieben alle Proteste gegen den rechtlich unbegrün­ deten Willkürakt der Hofkammer wirkungslos; die Stadt wurde sogar gezwungen, 577 Gulden, die für 1759 bereits erhoben worden waren, an den kurfürstlichen Einnehmer herauszugeben. Durch dieses Dekret der Hofkammer ihrer wichtigsten Einnahmequellen beraubt, geriet die Stadt Brühl in ernste Finanznot. Wenn nicht ein glücklicher Zufall gefügt hätte, daß frühere Bürgermeister noch Rechnungsüberschüsse herauszahlen mußten, wäre die Stadt zahlungsunfähig geworden. Alsbald nach dem Tode Clemens Augusts übersandte die Stadt dem Domkapitel, das bis zur Wahl seines Nachfolgers die Regentschaft im Erzstift führte, eine flehent­ liche Bittschrift. Sie beschwerte sich darüber, daß „die von ohndencklichen jahren, jähe quasi von ewigkeit her also ohnzerrückt und ohnbehindert eingenohmenen, auch allemal zum besten der statt, so weith es immer möglich und thunlich gewesen, verwendete accins, weg- und burgergelt. . . nicht allein . . . eingezogen, sondern auch zu heeb- und einnehmung derley gelder und revenuen ein notorie durchs kartenspill und beständiges delapidiren sich selbst in ohnerträgliche Schuldenlast gesetzten und gesambter ohnehin verarmbter burgerschafft den gäntzlichen ruin und Untergang 135

suchender mensch constituirt worden seye.“ Deshalb bittet die Stadt, ihr ihre Reve­ nuen wiederzugeben und dem von der Hofkammer eingesetzten Empfänger zu befehlen, die von ihm erhobenen Gelder an den Bürgermeister auszuzahlen. Eine gleiche Bittschrift überreichte die Stadt dem neugewählten Kurfürst Erzbi­ schof Maximilian Friedrich, als dieser am 19. Mai 1761 erstmals nach Brühl kam. Es dauerte aber noch anderthalb Jahre, bis diesen Bittschriften, denen noch mehrere nachgereicht wurden, stattgegeben wurde. Offenbar konnte der Landrent­ meister auf die der Stadt entzogenen Einnahmen so lange nicht verzichten, weil die Staatskasse leer war. Erst durch ein kurfürstliches Dekret vom 3. Dezember 1763 erhielt die Stadt wieder das Recht, Akzise und Wegegeld für eigene Rechnung zu erheben; eine Erstattung der in den Jahren 1759 —63 erhobenen Gelder wurde abgelehnt. Als Kosten dieses Dekrets sind in der Rechnung 1763 ausgewiesen 42.9.4 Gl für Advoka­ tenhonorare und 5.5.8 Gl für Schreibgebühren und Douceurs (Schmiergelder) an Hofkanzlisten. Dazu kamen: „dem Hn. Cammer-Advokato für eine Douceur wegen abgestattenen Berichts zum Churfürstlichen Cabinet und sonstig gehabter Mühe zur Wiedererhaltung der Statt-Accins 8 Cronendahler, facit 49.2.8 gl“ und „dem Gehei­ men Secretano Hn. von Uphoven wegen gehabter Mühe bey Ausfertigung des Decreti pto. der wieder erhaltener Statt-Accins zum present 6 bouteilles Champagner-wein, pro bouteille 1 rth, facit 20 gl“.

1 Wie sich in dem Akzise- und Wegegeld-Aufkommen die jeweilige Wirtschaftslage spiegelt, ist für die Jahre 1618—49 und 1717—47 in BHB 1964, 5 skizziert worden.

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Vom H a u ssc h e n k e n h o f

i. Seit dem Ende des 13. Jh.1 bezeichnete man den Beamten, dem im Amt Brühl2 die Erhebung der an den Kurfürsten zu leistenden Abgaben oblag, als „cellerarius“ oder „keiner“. Diese Dienstbezeichnung läßt erkennen, daß die Abgaben ursprünglich durchweg aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestanden, die in den Kellern und Scheuern der Brühler Burg eingelagert wurden3. Mit der Umstellung der Naturalwirt­ schaft auf Geldwirtschaft wurden diese Abgaben nach und nach zu Geldzahlungen, so daß die „Kellner“ zu Rentmeistern wurden. Ihr Titel blieb aber bis zum Ende des Kurstaats unverändert. Seit dem 16. Jh. wurden ihnen ständige Vertreter beigegeben, so daß man „Oberkellner“ und „Unterkellner“ unterschied4. In einem Bereich blieb man aber bei der Naturalwirtschaft: Wein-Abgaben Zehnte und Pachtleistungen - konnten nicht mit Geld abgegolten werden. Deshalb wurde für die Erhebung dieser Abgaben und für die Verwaltung der Weinvorräte in den Kellern des Brühler Schlosses ein besonderer Beamter bestellt, der den Titel „Hofkellner“ (Kellermeister) oder „Hausschenk“ (kurfürstlicher Mundschenk) erhielt. Dies geschah anscheinend um die Mitte des 16. Jh. 1550 wird erstmals - als Untergebener des Kellners Martin - ein „Hausschenk“ Joachim erwähnt5. Martins Nachfolger Albert Fischenich6 war zugleich „kurfürstlicher Schenk“7. Der erste Hausschenk, von dem man mehr als den Namen weiß, war ein Peter Wolff, der von 1575 bis 1606 in Brühl nachweisbar ist8. Er war von 1586 bis zu seinem Tode Schult­ heiß, 1591 auch Kirchmeister, und besaß einen Bauernhof, dessentwegen er Sechtemer Schöffe war. Das läßt vermuten, daß schon zu seiner Zeit die Funktion eines Hofkellners-Hausschenken zu einem Nebenamt oder zu einem mit einer Pfründe ausgestat­ teten Titel verkümmert war, dessen jeweiliger Inhaber seine Amtspflichten durch eine von ihm bezahlte Hilfskraft erfüllen ließ. Zu Anfang des 17. Jh. verschwindet der Titel Hofkellner aus den Akten9. Die Planstelle „Hausschenk“ wurde aber aus den Dienerlisten (Besoldungslisten der kurfürstlichen Bediensteten) nicht gestrichen, obwohl ihre Inhaber offenbar keine Mundschenken-Dienste mehr leisten mußten10. Als Hausschenk in diesem Sinne ist bis 1634 Paul Wineus nachweisbar, der die Wirtschaft „Zum Ochsen“ in der Köln­ straße besaß und Ratsherr war. Ihm folgten im Titel 1634—66 Christian Disteler und 1667—84 Jacob Fasbender. Beide waren Schöffen und hatten auch noch andere Ämter, die ihr hohes Ansehen bekundeten. II. Nach dem Tode Fasbenders wurde ein Jacobus Melchior Florckin aus Rösberg zum Schöffen und zum Hausschenken bestellt. Vermutlich hatte er dies seinem Bruder, 137

dem kurfürstlichen Hofkammerrat und Landrentmeister Ferdinand Florckin, zu verdanken. Dieser J. M. Florckin bezog einen Hof in der Bischofsgasse, der heutigen Böningergasse11, den er wohl von seinem Vater Gaudenz geerbt hatte12, und der dann nach ihm „Hausschenkenhof“13 genannt wurde. Ein Zubehör des Hausschenkenamtes kann dieser Hof nicht gewesen sein, denn die früheren Hausschenken besaßen ihn nicht und in den Archivalien erscheint er unter diesem Namen erst zu J. M. Florckins Zeit. Am 8. Juni 1697 starb J. M Florckin. Seine Witwe Catharina Aldenkirchen ging mit ihren Töchtern Anna Sibilla und Sibilla in das Kloster St. Lucia am Filzengraben in Köln und übertrug durch Urkunde vom 14. November 1698 den Hof auf das Kloster14. Die Auflassung vor den Brühler Schöffen wurde am 21. Januar 1700 erklärt. Seitdem nannte man diesen Hof auch „Lucienhof“. Nach dem bei Übertragung erstellten spezifizierten Liegenschaftsverzeichnis bestand das Hofgelände aus rund 42 Morgen Ackerland in 25 zum Teil weit auseinan­ derhegenden Stücken, 7 Stücken Gartenland und Wiesen sowie 24 Morgen Busch in 13 Stücken. Diese Zersplitterung zeigt, daß das Gelände des Hausschenkenhofs kein altes Lehen der Brühler Burg, sondern imLauf der Zeit zusammengekauft und wieder zererbt worden war15. Bis zum Jahre 1709 wurde der Hof durch den Amtsverwalter Dr. jur. Joh. Bernhard Gatzen, der anscheinend ein Verwandter J. M. Florckins war, treuhänderisch verwal­ tet. Am 30. Januar 1710 verpachtete ihn das Kloster St. Lucia an die Eheleute Johann Ewalt und Barbara Bley für jährlich 20 Malter Korn, 5 Malter Gerste, 5 Malter Weizen, 10 Quart Butter, 5 Pfund Hutzucker, 5 Reichstaler, 1 Fuhre Schanzen (Knüp­ pelholz) und 50 Bauschen Stroh. Nach Ewalts Tod übernahm 1726 Paul Peffgen, der Ewalts Witwe geheiratet hatte, die Pachtung. Dessen Vertrag wurde aber nicht erneuert. Am 8. April 1734 setzte St. Lucia die Eheleute Johann Weisser und Margaretha Kratz als Pächter an. Diesem Johann Weisser folgte 1760 sein gleichnamiger Sohn, und dessen Schwiegersohn Tilman Wiskirchen wurde 1798 der letzte Lucienhalfe. III. Außer dem Hausschenkenhof besaß Jodocus Melchior Florckin noch Rechte an dem in der Uhlstraße gelegenen Haus „Zum Falken“, das seit mindestens 1652 ein Wilhelm Nettesheim in Erbpacht hatte16. Bei dem durch die französischen Sprengkommandos 1689 angelegten Stadtbrand - „ex devastatione hostili“ - brannte dieses Haus ab; Nettesheim kam dabei anscheinend ums Leben. Er hinterließ eine minderjährige Tochter Christine, der gegenüber die Witwe Florckin 1696/98 in einem Prozeß den Heimfall des Trümmergrundstücks wegen rückständiger Erbpacht geltend machte. Nachdem die Witwe Florckin diesen Prozeß gewonnen hatte, schenkte sie den „Falkenplatz“ dem Kloster St. Lucia. Da auch die für dieses Grundstück an die kurfürstliche Kellnerei zu entrichtenden Abgaben - jährlich 3 Hühner und L/2 Albus - rückständig waren, gab es einen Zwist, der erst 1708 dadurch beendet wurde, daß der Oberkellner J. H. Hoen gnadenhalber den Erlaß der Rückstände verfügte. 138

Am 9. Januar 1715 verkaufte dann das Kloster St. Lucia den Falkenplatz an Johann Kribben, der hier einen Neubau errichtete. IV. Nachdem die französischen Revolutionstruppen Ende 1794 die Lande links des Rheins besetzt hatten, wurden die geistlichen Körperschaften durch zahlreiche Anordnungen in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt. Enteignungen fanden aber nicht statt. Diese wurden erst ermöglicht durch das Konkordat, das Papst Pius VII. 1801 mit der Französischen Republik abschloß. Daraufhin wurden im Herbst 1802 fast alle Klöster aufgehoben; so auch das Kloster St. Lucia am 3. September 180217. Mit der Aufhebung der geistlichen Körperschaften war deren Grundbesitz „Natio­ nalvermögen“ geworden. Dieser Grundbesitz wurde in den folgenden Jahren öffent­ lich an Privatleute versteigert18. Vor jedem Versteigerungstermin mußte ein Sachver­ ständiger die zu versteigernden Objekte zur Festsetzung des Mindestgebots besichti­ gen; seine Objektbeschreibungen samt Mindestgebot wurden öffentlich - durch „Affichen“ (Plakate) - bekanntgemacht. Dementsprechend wurde der Lucienhof am 22. März 1806 durch den Brühler Notar F. W. Schmitz besichtigt und wie folgt beschrieben19: „Ein Wohnhaus mit Hof, großem Stall für Pferde und Hornvieh sowie einem Schweinekoben (,toit ä porcs‘); im Erdgeschoß eine Küche und zwei Zimmer, im ersten Stock zwei Zimmer, darüber ein Dachboden. Zum Haus gehört ein Gärtchen, das etwa 1 ar groß ist. Das Ganze ist in Lehmfachwerk gebaut, mit Stroh bedeckt und sehr alt20. Es umfaßt etwa 6 ar und ist südlich begrenzt vom Brühler Gemeindeland, nördlich von der Straße, östlich vom Bödinger Hof21 und westlich von den Häusern der 4. Cohorte der Ehrenlegion, die von den Herren Frauenberg und Litterscheid bewohnt werden22. - Dazu gehören 11,13 ha Ackerland23. - Verpachtet wurde der Hof am 19. Pr. XIII an Herrn Tilman Wiskirchen für 350,- frs jährlich24. - Das Mindestge­ bot beträgt 5600,- frs.“ Aufgrund dieser Taxation wurde der Lucienhof am 25. Juli 1806 bei der Präfektur in Aachen zur Versteigerung ausgeboten. Den Zuschlag erhielt für ein Meistgebot von 11 000,- frs der Kölner Makler Everhard Henner25, der anschließend erklärte, daß er für Herrn Tilman Wiskirchen gehandelt habe.

1 Ein „keiner van dem Brule“ wird erstmals im Jahre 1300 erwähnt (REK III. 3773). Er hieß Gerhard (HStAD Kloster Bottenbroich Urk. 11). 2 Über den Bezirk dieses Amts vgl. H. Aubin, Die Weistümer der Rheinprovinz, II. 2 Amt Brühl, Bonn 1914. 3 Außer den - für das ganze Amt zuständigen - Kellnern gab es noch für jeden erzbischöflichen Fronhof einen „Baumeister“. Wie das Wort besagt, hatten diese Beamten ursprünglich den Fronverpflichteten die für den Anbau des Sal-Ackerlands des Fronhofs nötigen Anweisungen zu geben. Seit dem 14. Jh. erhoben sie nur noch, als Untergebene der Kellner, die an den Fronhof zu leistenden Abgaben der Inhaber von Hofeslehen. Ein „Baumeister“ des erzb. Hofs Brühl wird letztmals im Jahre 1621 erwähnt. 4 Ein „Unterkellner“ - Adolf Asperschlag - wird erstmals 1363 erwähnt (PfarrArch St. Margareta, Rechn.

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d. St. Sebastianus-Bruderschaft), bezeichnenderweise zu einer Zeit, als der eigentliche Kellner zugleich kurfürstl. Mundschenk war. 5 HStAD Kurköln IV. 3017. 6 HStAD Kurköln IV. 3018. 7 HAK St. Kunibert Urk. 757. 8 Peter Wolff wird in den Archivalien bald als Hofkellner, bald als Hausschenk bezeichnet, ohne daß erkennbar ist, ob es sich um zwei verschiedene Ämter oder um zwei Titel für ein Amt handelte. 9 Letztmals erscheint er 1607, als ein Johann Basse zum Nachfolger des verstorbenen Peter Wolff bestellt wurde (Annalen 174, 113). 10 Laut einer kurz nach 1600 geschriebenen Brühler Dienerliste (HStAD Kurköln IV. 1644) bezog ein Hausschenk jährlich 34 Taler, ebensoviel wie der „Hauskoch“ und der „Hauscammerknecht“. Anders als diese hatte er aber keinen Anspruch auf Gestellung von Hofkleidung. Das zeigt, daß er nicht bei H of aufzuwarten brauchte. Vermutlich hängt das Verkümmern des Brühler Hausschenkenamts damit zusammen, daß die Hofhaltung nach Bonn verlegt wurde. 11 Im Jahre XI erhielt dieser Hof die Hausnummer 76 (MBG, S. 20); heute steht dort das Haus Böningergasse 7 -9 . 12 Gaudenz Florckin - der Name wird auch Florquin und Flörken geschrieben —war Schultheiß in Rösberg, besaß aber schon seit mindestens 1652 „das hauß zwischen dem Jagerhauß undt dem Bödingerhoff“ (HStAD Kurköln IV. 2416). 13 Bei R. Bertram, Chronik der katholischen Pfarre Brühl, Brühl 1913, wird dieser H of auf S. 170 als „Hauschenkenhof“ erwähnt. Offensichtlich ist dies ein Druckfehler, denn auf S. 142 heißt er richtig „Hausschenkenhof“. Auf diesen Druckfehler hat später ein Brühler Heimatforscher die Theorie aufgebaut, daß der H of seinen Namen nach irgendwelchen Hau-Rechten in den kurfürstlichen Wäldern erhalten habe. 14 Die Belege für diesen Abschnitt finden sich in HAK St. Lucia Akten 3. 15 Die Hofstätte als solche war aber ein altes Lehen des erzb. Fronhofs; für sie waren jährlich zwei Hühner an die Baumeisterei abzuliefern. 16 Die Belege für diesen Abschnitt finden sich in HAK St. Lucia Akten 6. 17 Suppressionsetat in HStAD Roer-Departement Nr. 403. 18 Die Verstaatlichung und anschließende Reprivatisierung des Grundbesitzes der aufgehobenen geistlichen Körperschaften wird als „Säkularisation“ bezeichnet. Über den Verlauf der Säkularisation im Brühler Raum wird in Kap. 21 berichtet. Die Schriften von G. Kliesing - Die Säkularisation in den kurkölnischen Ämtern Bonn, Brühl. . ., Bonner Dis. 1932 - und R. Büttner —Die Säkularisation der Kölner geistlichen Institutionen, Köln 1971 - sind ergänzungsbedürftig. 19 HStAD Roer-Departement Nr. 3205, Affiche 89, Nr. 33. 20 So sahen die meisten geistlichen Höfe aus. Die Verpächter taten nichts für die bauliche Erneuerung, weil sie die Pachterträge voll verbrauchten, und die Pächter taten nichts, weil sie bei Nichterneuerung ihres Pachtvertra­ ges den Hof ohne Entschädigung für „Bessereien“ herausgeben mußten. 21 Über den Bödinger H of vgl. F. Wündisch, BHB Nr. 4/1957, S. 34. 22 Die Dienstwohnungen des Amtsjägers Gerold und des Fontänenmeisters Litterscheid - das vormalige „Jäger­ haus“ - waren als Zubehör des Schlosses seit 1804 der 4. Cohorte der Ehrenlegion zugewiesen. 23 Die spezifische Beschreibung des Ackerlandes deckt sich mit der Beschreibung von 1700 (oben zu II.). Die Büsche wurden nicht mit versteigert, da der Wäldbesitz der aufgehobenen geistlichen Körperschaften mit ganz wenigen Ausnahmen in die Staatsforsten einbezogen wurde. 24 Ab 1798 wurden die geistlichen Höfe für Rechnung der Domänenverwaltung durch die Unterpräfekten verpachtet. Meist wurden dabei die laufenden Pachtverträge verlängert. 25 Everhard Henner betätigte sich nicht nur als Makler (Büttner, a. a. O., Anm. 18, S. 379), sondern ersteigerte auch viele Objekte für eigene Rechnung (Büttner, a. a. O., S. 371). In Köln kaufte er außer zahlreichen Wohnhäusern das Kapuzinerkloster und das Kloster Mariengarten. In Brühl ersteigerte er am 20. März 1806 für 31 400,- frs das Kloster Benden mit rund 45 ha nutzbarem Land (HStAD Roer-Departement Nr. 3167, Affiche 76, Art. 17), das er dann —nach Abbruch der Klosterkirche - zu einem Landsitz für sich umbaute.

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Von alten B rü h ler Stadtansichten

i. Die älteste „Ansicht der Stadt Brühl“ findet man auf einem um das Jahr 1500 gemalten Altarbild aus dem früheren Brigittenkloster in Köln, das heute unter der Signatur WRM 121 im Wallraf-Richartz-Museum aufbewahrt wird1. Es zeigt im Vordergrund als Großfiguren den hl. Petrus, umgeben von dem hl. Christophorus, dem hl. Gereon und Anna Selbdritt. Hinter diesen Heiligen ist die Stadt Köln abgebildet, von Deutz aus gesehen, und dahinter ein weiter Ausblick in die Kölner Bucht bis hin zum Siebengebirge und den Burgen der Eifel. Zahlreiche Orte sind in dieser Landschaft angedeutet: Walberberg, Bonn, die Godesburg und, dicht unter der Fahne des hl. Gereon, auch Brühl. Dem Maler dieses Bildes war topographische Genauigkeit offensichtlich gleichgül­ tig. Ihm war wohl nur daran gelegen, eine anmutige kölnische Landschaft dafzustellen, in der einzelne Orte symbolisch durch die Silhouetten charakteristischer Bau­ werke gekennzeichnet waren. So charakterisierte er Brühl vor allem durch die Silhou­ ette der Alten Burg. Topographisch unmöglich ist aber, daß hinter dieser Burg hohe Waldhügel liegen; von Deutz aus gesehen liegen diese Hügel, das Vorgebirge, nicht hinter, sondern rechts neben der Brühler Burg. Auch sonst hat der Maler einiges vernachlässigt. So ist zwar die Kirche rechts neben der Burg, die 1493 geweihte Kirche des Franziskanerklosters, richtig mit einem Dachreiter dargestellt; daß aber auch die andere Kirche nur einen Dachreiter trägt, ist Willkür; St. Margareta hatte schon lange vor 1493 einen Kirchturm. Unrichtig ist auch, daß an der Nordwestecke von Brühl ein großer Turm gemalt ist; ein solcher Turm ist archivalisch nirgendwo belegt, und Grabungen an dieser Stelle haben keinerlei Fundamentreste zutage gefördert. Heute ist dieses Abbild von Brühl nicht viel mehr als ein dunkler Farbklecks, aus dem man nur mit großer Vorstellungskraft Einzelheiten ersehen kann. Solche Vorstel­ lungskraft besaß der Brühler Heimatforscher Peter Zilliken, als er 1952 durch eine Zeichnerin festhalten ließ, was er sah2. Ob er alles richtig gesehen hat, mag der Betrachter entscheiden. Unrichtig ist sicher, daß auch gegenüber der Burg eine hohe Stadtmauer stand. Das hätte allen Grundsätzen mittelalterlicher Stadtherrschaft widersprochen, nach denen der Stadtherr von seiner Burg aus ringsum - insbesondere zur Stadt hin - unbehindertes Schußfeld haben wollte. Auch bestätigen keinerlei Bodenfunde die Existenz einer Stadtmauer an dieser Stelle. II. Fast drei Menschenalter nach diesem Altarbild entstand ein Kupferstich, der heute als „die“ alte Brühler Stadtansicht bekannt ist. Er ist in einem großen Bildband enthalten, 141

Abb. 9 Oben Altarbild des Goedert Butgyn. Wallraf-Richartz-Museum Köln. Unten Ausschnitt aus diesem Bild, siehe Pfeil. 142

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Abb. 10 Zeichnung von Annemarie Sasse, Wiedergabe des Bildausschnittes Abb. 9. 143

Abb. 11 Brühl im Jahre 1575 nach Hoefnagel-Hogenberg. 144

Abb. 12 Brühl nach Merian. 145

den der Kölner Drucker und Verleger Franz Hogenberg im Jahre 1575 unter dem Titel „Contrafactur und Beschreibung der vornehmbster Stät der Welt“ herausgab3. Soweit die Städteansichten dieses Sammelwerks nicht nach älteren Stichen kopiert waren — Urheberschutzrechte kannte man damals noch nicht —, beruhen sie auf Skizzen, die Hogenbergs Zeichner Georg Hoefnagel jeweils an O rt und Stelle angefertigt hatte. Dieser Hogenberg’sche Stich zeigt Brühl als Idealtyp einer kleinen Stadt zu Beginn der Neuzeit: Dichtgedrängt scharen sich spitzgieblige Bürgerhäuser um ihre Kirchen, beschützt von einer trutzigen türmereichen Burg, und breite Ackerfluren künden behaglichen Wohlstand der Bürger. Auch malerisch ist das Bild, bis auf den etwas langweiligen Vordergrund, gut ausgewogen. Zwei kräftige Waagerechte gleichen die Senkrechten der Türme aus und unterstreichen den Eindruck breiter Behäbigkeit; der Masse der Burg rechts halten links hohe Hügel das Gleichgewicht, und eine harmo­ nisch schwingende Hügelkette schließt das Bild gefällig ab. Versucht man aber, nach diesem Stich den Stadtplan des alten Brühl zu rekonstru­ ieren, so gerät man in Schwierigkeiten. Von wo aus ist die Stadt eigentlich gesehen? Von Osten aus sicherlich nicht, denn dann läge die Burg in der Mitte des Bildes und verdeckte den größten Teil der Stadt. Von Süden her auch nicht, denn dann wären die Ausläufer des Villerückens nur am äußersten linken Rand zu sehen. Auch von Südwe­ sten her kann Brühl nicht gezeichnet worden sein, denn dann hätten im Vordergrund statt der Äcker Gehölze, Baumgärten und Maare liegen müssen. Kurz, es gibt keinen Punkt, von dem aus man eine solche Gesamtansicht der Stadt gehabt haben könnte. Noch rätselhafter wird die Sache, wenn man Einzelheiten betrachtet. Denn eigenartigerweise —wenn auch das ganze Bild irgendwie nicht stimmt, so sind doch einige markante Einzelbauwerke richtig dargestellt. Die Alte Burg, der „Chürfürstlicher hoff von Colin“, hat, wie wir nach der 1689 gezeichneten Skizze (Abb. 7) und mehreren Zeichnungen der Ruine wissen, tatsächlich so ausgesehen; da der große runde Turm an ihrer Nordwestseite stand, ist sie hier von Südwesten her gezeichnet. Auch hat das Uhltor (ganz links) zwei4 viereckige Türme gehabt; es ist aber hier von Südosten gesehen. Die Pfarrkirche (halblinks im Bild) mag vor dem im 18. Jh. erfolg­ ten Umbau des Turms so ausgesehen haben; sie ist aber hier von Westsüdwest gesehen. Die Klosterkirche (rechts davon) ist an ihrem Dachreiter leicht zu erkennen; sie ist von Südsüdwest gezeichnet. Das Gebäude in der Mitte des Stichs wird man heute allerdings vergeblich suchen. Es stellt das um 1732 abgebrochene kurfürstliche Sommerhaus5 dar, das im Krautgarten stand. Hoefnagel hat es von Westen her gezeichnet, und zwar ganz aus der Nähe und daher unverhältnismäßig in die Höhe verzerrt. Der Auslugposten auf diesem Türmchen und das lustig flatternde Fähnchen kennzeichnen dieses Gebäude ebenso wie die Burg als kurfürstlichen Sitz. Von den zwischen diesem Sommerhaus und der Burg eingezeichneten Gebäuden läßt sich allenfalls der Turm als - übergroß gezeichneter —Torturm der Vorburg identifizieren. Alles andere stimmt nicht mit den topographischen Gegebenheiten überein. Der Abstand Burg—Klosterkirche ist im Verhältnis zum Abstand Klosterkir­ che—Uhltor viel zu groß. Die hohe Mauer vor der Burg und die davorliegende Gebäudegruppe hat es nie gegeben. Auch die Mauer, die auf dem Stich die ganze Stadt 146

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Abb. 24 Ausschnitt aus der Reunionsadresse des Kantons Brühl vom 10.Fl VI/ 29. April 1798 (vgl. S. 225). 223

sind. Am 20. Fl. VI/9. Mai 1798 wurde diese Munizipalität durch die Kantons-Muni­ zipalität abgelöst. In diese Zeit fallen einige wichtige Neuerungen: Am 27. P1./15. Februar verfügte Rüdler, daß alle Einwohner der besetzten Gebiete - Männer und Frauen - die blau-weiß-rote Kokarde tragen müßten92. Am 10. Vt./28. Februar wurden alle Militär-Exekutionen verboten93. Am 2. Ge./22. März wurden anstelle der Steuern der Kurfürstenzeit die französischen Personen-, Mobiliar- und Grundsteuern einge­ führt94: Am 10. Ge./30. März wurde Französisch zur alleinigen Amtssprache erklärt95. Am 13. Ge./2. April ordnete die Zentralverwaltung des Roer-Departements an, daß alle „öffentlichen Kultus-Zeichen“ wegzuräumen seien96. Am 12. Fl./l. Mai wurden die Zivilstands-Register in den rheinischen Departements eingeführt97. Auf dem Friedenskongreß, der seit Anfang 1798 in Rastatt tagte, forderten die Gesandten Frankreichs unnachgiebig die Abtretung aller Lande links des Rheins. Dies entspreche den Wünschen der Rheinländer, behaupteten sie. Um diese Behaup­ tung glaubhaft zu machen, veranlaßten die französischen Behörden in den besetzten Gebieten „spontane Bürgerinitiativen“, wie man heute sagen würde: In jedem Kanton sollten möglichst viele Einwohner ihren Wunsch, Bürger der Französischen Republik zu werden, durch Unterzeichnung einer „Reunionsadresse“ bekunden98. Der Erfolg dieser Aktion war sehr unterschiedlich. Hansen99hat zusammengestellt, wieviele Unterschriften in den einzelnen Kantonen geleistet wurden. Deutlich erkennt man die Unterschiede zwischen den „konservativen“ ländlichen und den „fortschrittlichen“ städtischen Kantonen. Erstaunlich ist dabei, daß in dem damals noch rein ländlichen Kanton Brühl prozentual mehr Unterschriften geleistet wurden als in dem als besonders republikfreundlich geltenden Kanton Aachen. Die Reunionsadresse des Kantons Brühl, die unterm 10. Fl. VI/29. April 1798 - mit 284 Unterschriften versehen - von dem Kantonskommissar Biergans an den Regie­ rungskommissar Rüdler nach Mainz eingereicht wurde, lautet100: Freiheit - Gleichheit Die Bewohner des Kanton Brühl Departement der Ruhr an den Bürger Kommissär zwischen Maas und Rhein, und Rhein und Mosel. Noch bevor Wir das Glück hatten, durch die siegreichen Fränkischen Armeen von unsern alten Unterdrückern befreit zu werden, pochten schon unsere Herzen vor Freude, wenn wir in den Zeitungen die Schlacht von Fleurus und Jemappe lasen - da Frankreichsheere die die Koalisirten Könige über den Rhein jugen, lasen wir die Freude auf allen Gesichtern; die mehreste Städte gaben ihren Hochjubel so an Tag, daß Sie die Sieger mit Feste bewillkommten, und aus eigenem Antrieb den Freiheits­ baum pflanzten, unser Vaterland zählte fast lauter Patrioten, und wir hofften schon damals mit der großen Republik einverleibt zu werden; allein die Räuber bei den Armeen, welche mit den Chouans in der Vendee mit der Clischischen Partie in Verbindung standen, drückten uns so sehr, daß wir beinahe an den Bettelstab gebracht von der Freiheit nichts mehr hören wollten, unsere besten Patrioten wollten schon verzweifeln. Da erschien auf einmal der 18. te Fruktidor101 und zerstäubte die Feinde 224

im Innern, und verbannte die Räuber von den Armeen, nun hüben auch die Patrioten wieder ihr Haupt empor, Cisrhenaniens Patrioten reiheten sich fest aneinander, und stifteten die große Foederation, die in Berlin, in Wien, und Regensburg, und das Kapitolium in Thätigkeit und Schreken setzten. Eben da die Foederation sich als unabhängig erklären wollte nahm sich das Direktorium unser an; es schickte seine Bürger Kommissäre in unsere Mitte, damit Sie uns die tödtlichen Wunden, die uns der Krieg geschlagen, heilen sollten. Sie wurden gleich unsere Wohlthäter, Sie schränk­ ten die Allgewalt des Militär ein, Sie verbannten Titul und Geburt, und schafften den Zehenden und Feudallasten ab - noch mehr sie befreiten uns von unsern alten Beamten, und besezten die Stellen mit würdigem Männer. Allein eins ist noch, Bürger Kommissär! was uns schmerzet; Wir sind noch ein erobertes Volk, Wir sind noch nicht ganz Frankreich, was wir doch so sehnlichst zu seyn wünschen. Wir ersuchen Sie also Bürger Kommissär! unsern Wunsch mit der großen Republik einverleibt zu werden, dem Direktorium kund zu machen, und ersuchen Sie weiter unsern Wunsch durch ihre Betreibung, durch ihre Empfehlung zu beschleunigen. O wie hoch werden wir seyn, wäre dieser Wunsch in Wirklichkeit übergangen. Schlieslich bekennen Wir uns wirklich als Franken, und schwören Has dem Königthum, Has der Anarchie, Treu der Republik und Anhänglichkeit an die Konstitution vom Jahre drey. Brühl den 10. ten Floreal 6. J. d. R.“ Geschrieben und an erster Stelle unterzeichnet ist diese Adresse von Biergans „commissaire du directoire executif“. Ihm folgen einige „fonctionnaires“ : Kaul (Generalsekretär der Munizipalität Brühl), Friling (2. Munizipalsekretär), Ningelgen „Agent zu Brüll“, Arnolt Wolseiffer agent (von Hemmerich), Biergans nee Clever (Ehefrau Franz Biergans), Frohn (Gerichtsbote), Gänsen „juge de paix“ (Friedens­ richter), Krähe greffier (Gerichtsschreiber), Rohlshoven (Agent von Meschenich, später Munizipalpräsident). Hier können nicht alle 284 Unterzeichner - einschließlich der vier, die hebräisch unterschrieben haben - im einzelnen aufgeführt und identifiziert werden. Vermerkt sei nur, daß auch - allerdings ziemlich am Ende und ziemlich klein - fast alle Brühler Honoratioren auf dieser Liste stehen. Die markantesten Persönlichkeiten jener Zeit - Pfarrer H. Gareis, J. J. Martini102, J. Hackspiel und F. J. Hertmanni - haben aber nicht unterschrieben. XXIV. In ihrer Sitzung vom 7. Fl. VI/20. April 1798 beschlossen die Mitglieder der Zentral­ verwaltung des Roer-Departements - wohl auf Vorschlag von Biergans - die Liste der im Kanton Brühl einzusetzenden Agents Municipaux und Adjoints103. In dieser Liste waren für Brühl J. J. Martini als Agent und F. Kribben als Adjoint vorgesehen. Da aber Martini als Steuereinnehmer unentbehrlich war und Kribben anscheinend ablehnte, wurden Th. Ningelgen als Agent und H. Hesemans104 als Adjoint einge­ setzt. So versammelten sich am 24. Fl. VI/13. Mai 1798 im Oratorium105 zu Brühl zur Bildung einer Municipalite du Canton de Bruhl die Administrateurs Municipaux 225

(Gemeindevorsteher): Th. Ningelgen (Brühl), I. Bischoff (Roesberg), S. Nores (Bornheim), P. J. Schmitz (Hersei), A. Wollseiffer (Hemmerich), J. Schüller (Fischenich), P. Vosen (Fünf Höfe), J. Engels (Rodenkirchen), J. Theisen (Gleuel), J. G. Bollig (Vochem), J. Krauß (Godorf), R. Schiffer (Hürth), Chr. Bernards (Sechtem), P. J. Decker (Badorf), R. Küpper (Walberberg), P. Bursch (Waldorf), J. Palmbusch (Urfeld), H. Wahn (Sürth), P. J. Adolffs (Wesseling), J. G. Rolshoven (Meschenich), Chr. Schurff (Keldenich) und J. Correns (Kendenich). Nicht vertreten waren in dieser Sitzung die Gemeinden Berzdorf (Jakob Bollig), Hermülheim (P. J. Honecker), Merten (J. Dubbelfeld) und Schwadorf (M. Schopen)106. Anwesend war auch der Regierungskommissar Franz Biergans107. Da der als Präsident der Munizipalität vorgesehene ehemalige Schultheiß von Keldenich J. Müller nicht erschienen war - und auch später nie kam —, wählte die Versammlung nach Anhörung von Biergans den Agenten von Meschenich J. G. Rolshoven108 zum Vizepräsidenten. Rolshoven wurde dann am 2. Me. zum Präsiden­ ten gewählt und am 5. Fru. von der Zentralverwaltung bestätigt. Er ernannte M. Kaul109 zum Chefsekretär der Munizipalität und J. Friling zum 2. Sekretär. Wie die für die Zeit vom 24. Fl. VI/13. Mai 1798 bis zum 19. Pr. VIII/7. Juni 1799 erhaltenen Protokolle106dieser Munizipalität zeigen, bestand ihre Tätigkeit vor allem darin, eine Flut von Gesetzen, Verordnungen und Rundschreiben zur Kenntnis zu nehmen. Die Gleichschaltung der kurkölnischen Fände mit Frankreich zwang die Kurköl­ ner, in wenigen Jahren einen Rückstand von zwei Jahrhunderten aufzuholen. In Kurköln war bis dahin fast alles noch so geblieben wie es um das Jahr 1600 gewesen war (vgl. Abschn. VII); in Frankreich dagegen wurde seit der Revolution ein rationa­ les Rechts- und Verwaltungs-System entwickelt, das dann generationenlang für alle anderen Staaten zum Vorbild wurde. Die Umstellung auf das französische System zwang die Rheinländer, alle altvertrauten Denkgewohnheiten zu ändern, aber es bewährte sich derart, daß die Rheinländer, als sie 1815 Preußen wurden, sich weiger­ ten, die buntscheckigen und meist völlig veralteten preußischen Rechtsvorschriften zu übernehmen, und durchsetzten, daß fast alle französischen Gesetze und Verord­ nungen als „Rheinisches Recht“ in Kraft blieben. Erst im Laufe von Jahrzehnten wurden die französischen Rechtsvorschriften allmählich durch preußische Vorschrif­ ten abgelöst, die nach ihrem Vorbild verfaßt waren. Das französische Berggesetz von 1811 galt im Rheinland bis zum Jahre 1865, und der Code Civil von 1804 wurde erst am 1. Januar 1900 durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ersetzt. Durch diese Sturmflut von neuen Vorschriften wurden die Agents - fast alle waren Bauern, und keiner war juristisch vorgebildet - offensichtlich überfordert. Hinzu kam, daß alle eingehenden Schriftstücke französisch abgefaßt waren, weil dies die alleinige Amtssprache war. Die meisten Agents konnten aber so wenig Französisch, daß sie vermutlich gar nicht alle Verlautbarungen der Zentralverwaltung verstanden. Noch mehr haperte es mit der Fähigkeit, französische Berichte zu schreiben. Sogar in den - selbstverständlich französisch geschriebenen - Protokollen des Chefsekretärs Kaul sind viele Stellen wörtlich übersetztes unbeholfenes Deutsch. 226

XXV. Mit Einführung des republikanischen Kalenders waren die althergebrachten Kirchen­ feste entfallen. Zum Ausgleich dafür dekretierte das Directoire zahlreiche bürgerliche Feiertage. Zu allgemeinen Festen - wie dem Tag des Ackerbaus, dem Tag der Jugend, dem Tag der Ehegatten, dem Tag der Alten u. a. m. - kamen politische Nationalfeste: der Jahrestag der Erstürmung der Bastille (14. Juli 1789), der heute noch in Frankreich Nationalfeiertag ist, der Jahrestag der Flinrichtung des Königs Ludwig XVI. (21. Januar 1793), der jeweils am 2. Pluviose als „Fete de la punition du roi“ gefeiert wurde, der Jahrestag der Hinrichtung Robespierre (28. Juli 1794), der Jahrestag des Staatsstreichs vom 18. Fru. V/4. September 1797 usw. Durch Rundschreiben wies die Zentralverwaltung die Munizipalitäten darauf hin, wie diese Feste gefeiert werden sollten. Höhepunkt eines politischen Festes war meist das Pflanzen eines Freiheits­ baumes. Darüber, ob und wie diese Fest in Brühl und in den Dörfern der Munizipalität gefeiert worden sind, findet man in den - sehr lückenhaft überlieferten - Brühler Archivalien nur wenige Hinweise. R. W. Rosellen schreibt —ohne Quellenangabe - in seiner Dekanatsgeschichte110: „Ein schon vor der Aufhebung aus dem Kloster Schwarzenbroich bei Düren entlaufener Kreuzbruder Namens Biergans war im Jahre 1797 Commissar der executiven Gewalt. Unter seiner Führung feierte man das Freiheitsfest. Das kurfürstliche Wappen, die Insignien seiner geistlichen und weltlichen Gewalt, wurden vor der Terrasse des Schlosses auf einem Scheiterhaufen unter Absingung von Freiheitsliedern verbrannt. Zugegen war mit Biergans der Agent Ningelgen, der Gemeinderath, die sämmtlichen Schulen und ein großer Volkshaufen. Auf dem Markte stand der Frei­ heitsbaum aufgerichtet, unter welchem einzelne Paare copulirt und von Biergans die Festrede gehalten wurde. Das Ganze fand seinen Abschluß mit einem Festessen.“ Dieser Bericht steht in Widerspruch zu sämtlichen überlieferten Archivalien. Im Jahre 1797 war Biergans noch gar nicht in Brühl, war Ningelgen noch nicht Munizipal­ agent und gab es noch keinen Gemeinderat. Die erste Copulation (Ziviltrauung) hat Ningelgen am 20. Th. VI/7. August 1798 ausgesprochen; und zwar nicht unter einem Freiheitsbaum, sondern - selbstverständlich —gesetzesgemäß im Bürgerhaus. Offen­ bar hatte Rosellen von dem Fest gehört, das am 2. PI. VII/21. Januar 1799 gefeiert wurde und über das unten berichtet wird, sowie von dem Freiheitsfest, bei dem der Maire/Pfarrer Gareis die kurfürstlichen Insignien auf der Schloßterrasse ver­ brannte111, und hat dann diese beiden Feste durcheinandergeworfen und in das Jahr 1797 zurückverlegt. Das Pflanzen eines Freiheitsbaums in Brühl wird erstmals in dem Munizipalitäts­ protokoll vom 26. Pr. VI/13. Mai 1798 erwähnt, in dem gesagt wird, daß jeder Agent den Louisd’or, den er anläßlich der Pflanzung des Freiheitsbaums gespendet hatte, von seiner Steuerschuld abziehen könne. Vierzehn Tage später wurden die Rechnun­ gen über die Kosten der Errichtung des Freiheitsbaums von der Munizipalität geprüft und zur Zahlung angewiesen. Die Balustrade war von dem Schreinermeister Sebastian Weiser hergestellt worden. 227

Am 18. Fru. VI/4. September 1798 hielt die Munizipalität zum Gedenken an den Staatsstreich vom Jahr zuvor eine Festsitzung ab. Öffentliche Volksfeste wurden aber an diesem Tage nicht gefeiert. In der Sitzung vom 21. Ni. VII/10. Januar 1799 forderte Biergans, daß am 2. Pluviose jeder Agent in seiner Gemeinde einen Freiheitsbaum pflanzen solle. Ob dies geschehen ist - außer in Brühl läßt sich nicht aufklären. Martin Schopen, der Agent von Schwadorf, weigerte sich, zum Pflanzen eines Freiheitsbaums Freibier zu stiften, und sagte wörtlich: „Für ein solches Possenspiel gebe ich nichts.“ Diese respektlose Äußerung hat ihm aber offenbar politisch nicht geschadet: in der nächsten Sitzung der Munizipalität, an der Biergans nicht teilnehmen konnte, amtierte er als dessen Vertreter. Ein Zufall hat gefügt, daß wenigstens ein zeitgenössischer Bericht über die in den Jahren 1798/99 in Brühl gefeierten Volksfeste erhalten blieb: Über das am 2. PI. VII/21. Januar 1799, dem Jahrestag der Hinrichtung des Königs Ludwig XVI., in Brühl gefeierte Fest berichtete die „Kölner Zeitung“ in ihrer Nr. 10 vom 5. Pluviose112: „Brühl vom 3. Pluv. - Gestern wurde dahier in der Sommer-Residenz des ehemali­ gen Kurfürsten von Köln der Gedächtnistag der Bestrafung des letzten Königs der Franzosen mit allmöglichem Pompe gefeiert. Am Abend des 1. sten Pluviose kündete der ährne Gesang der Klocken und der Donner der Karthaunen die Feier des kom­ menden Tages an. Die anbrechende Morgenröthe des 2. ten Pluviose wurde im ganzen Kantone mit melodischem Klockengesang, worin dann und wann der erzdon­ ner wiederhallte, empfangen. Um 10 Uhr wurde die Proklamazion des Ministers des Innern vom 30. sten Frimaire vom Präsidenten, Bürger Rolshoven, verlesen, und alle öffentliche Beamten des Kantons legten den Eid des Hasses gegen das Königthum ab. Ein allgemeines Rufen „es lebe die Republick“ endete dieses ehrwürdige Schauspiel. Nun zog die Munizipalität in ihrer Amts-Tracht vom Friedensgericht und allen öffentlichen Beamten des Kantons begleitet zum Lechnerthor113, um den Freiheits­ baum abzuholen. Die jungen Bürger der Stadt begleiteten diesen Zug als Nazionalgarde zu Pferde. Die heilige Eiche der Freiheit wurde von der ganzen Stadtjugend unter dem allgemeinen Rufen „Es lebe die Republick“ zum Markte begleitet und daselbst gepflanzt, wo der Kommissair des vollziehenden Direktoriums, Bürger Biergans, eine dem grosen Tage angemessene Rede hielt. Während dem Zuge warf der Regierungs-Kommissaire, der Munizipalitäts-Präsident und der Friedensrichter Geld unter die Armen. Die öffentlichen Beamten gaben ein brüderliches Mahl und die Nacht einen Ball, nicht auf Kosten des Kantons, sondern auf ihren eigenen Beutel. Die frohe Jugend umtanzte verschiedene Male den heiligen Baum, und der 2. te Pluviose ward von allen Bürgern gefeiert. Die Freude der jungen Bürger war so gros, daß sie noch um Mitternacht, der Kälte zum Trotz, mit türkischer Musick die Wohnung des Regierungs-Kommissaire und jene des Munizipalagenten, Bürgers Ningelgen114, umtanzten. Während die der Freiheit unwürdigen Brabänder115 die Frei­ heitsbäume umhauen und die Beamten würgen, werden an den Ufern des Rheins die Republikaner geehrt und im Hochgefühl der Freude ein Freiheitsbaum gepflanzt. 228

Seht Bürger! so können republikanische Beamten, die mit innigem Herzen der Republick ergeben sind, ein Chef Lieu (Hochburg) der Aristokrazie116 zu einem Freiheits Tempel umschaffen.“ XXVI. Im Jahre 1799 hatten Mißwirtschaft und Eigensucht der Mitglieder des Direktoriums und ihrer Freunde die Französische Republik in eine schwere Krise gestürzt. Immer mehr Franzosen sehnten sich nach einem starken Mann, der im Innern Ordnung schaffen und außenpolitisch Frankreich wieder zu der Machtstellung von 1797 führen sollte. Ein solcher starker Mann fand sich in dem General Napoleon Bonaparte, der am 9. Oktober 1799 von seinem Ägyptenfeldzug zurückgekehrt war. Am 18. Br. VIII/9. November 1799 stürzte Napoleon das Directoire, und vier Tage später erhielt die Französische Republik eine neue Verfassung, nach der sie fortan von drei „Konsuln“ regiert wurde, deren Erster Napoleon war. Schon am 5. Fri./26. November wurden die Mitglieder des Brühler Gerichts Friedensrichter J. Gänsen, die Beisitzer P. Koch, J. P. Müller, J. Kribben und G. I. Seidlitz sowie der Gerichtsschreiber G. Krähe und der Gerichtsbote P. Wolff- auf die neue Verfassung vereidigt117. Am 21. Fri. leistete der Notar J. Zaaren den Eid. Vermut­ lich wurden in jenen Tagen auch die Mitglieder der Zivilverwaltung des Kantons Brühl, also die Agents und Adjoints der einzelnen Gemeinden, auf die Konsulatsver­ fassung vereidigt; Akten darüber sind aber bisher nicht aufgefunden worden. Eine der ersten Ordnungsmaßnahmen der Konsuln bestand darin, die Zivilverwal­ tung zu straffen. AM 28. Pl. VIII/17. Februar 1800 wurde ein Gesetz beschlossen118, nach dem jedes Departement nicht mehr von einem Fünf-Männer-Kollegium, sondern von einem - allzuständigen - „Präfekten“ verwaltet wurde. Jedes Arrondisse­ ment erhielt einen dem Präfekten unterstellten „Unterpräfekten“. Die KantonsMunizipalitäten wurden aufgelöst; die Kantone wurden zu bloßen Verwaltungsbezir­ ken, die sich mit den Bezirken der Friedensgerichte deckten. Jede Gemeinde erhielt einen dem Unterpräfekten unterstellten „Maire“, dem als Vertreter ein „Adjoint“ beigegeben wurde. In den rheinischen Departements wurde dieses Gesetz durch Konsularbeschluß vom 14. Mai 1800 eingeführt. Es konnte aber hier nicht sofort in Kraft gesetzt werden, da es erst noch entsprechend den örtlichen Gegebenheiten modifiziert werden mußte: Das französische Verwaltungssystem war eine Schreib-Bürokratie, in die nur Männer eingegliedert werden konnten, die fähig waren, gewandt französische Berichte zu schreiben. Diese Fähigkeit besaßen aber damals im Rheinland nur ganz wenige Leute. Insbesondere auf den Dörfern war Französisch so unbekannt wie heutzutage Rus­ sisch; die meisten Bauern konnten noch nicht einmal, oder nur mit großer Mühe, ihren Namen schreiben, von den Tagelöhnern ganz zu schweigen. Es war unmöglich, in jedem Dorf einen Mann zu finden, der fähig war, die einem Maire obliegenden Schreibarbeiten zu erledigen. Deshalb wurden in den rheinischen Departements jeweils mehrere Gemeinden zu einer „Mairie“ (Bürgermeisterei) zusammengeschlos229

sen. Da diese kommunale Neuordnung einige Zeit erforderte, blieben die KantonsMunizipalitäten noch bis zum 30. Th. VIII/18. August 1800 im Amt. In Brühl wurde der Agent Municipal Th. Ningelgen am 27. November 1799 abge­ setzt119; aus welchen Gründen, konnte bisher nicht geklärt werden. Wie die Standes­ amts-Urkunden erweisen, wurde Brühl nun eine Zeitlang vertretungsweise von dem Adjoint Hesemans verwaltet, bis am 18. Februar 1800 Pfarrer Heinrich Gareis als Agent Municipal eingesetzt wurde. Kommissar Biergans wurde am 27. Mai 1800 zwangsbeurlaubt, nach drei Wochen aber wieder in sein Amt eingesetzt120. Am 1. Fru. VIII/19. August 1800 wurde er zum Notar in Monschau ernannt. Seine Frau wohnte aber mit ihrem Töchterchen Victorine noch einige Monate in Brühl. Im August des Jahres 1800 war die Neuordnung der Zivilverwaltung im wesentli­ chen beendet. Ein System war eingeführt worden, das sich derart bewährte, daß es jahrzehntelang - auch noch in der preußischen Zeit - fast unverändert beibehalten wurde. Zur „Mairie Brühl“ wurden die Gemeinden Brühl (mit Kierberg und Pingsdorf), Badorf (mit Eckdorf), Vochem, Schwadorf und Berzdorf zusammengefaßt. Dieser Gemeindeverband bestand als „Bürgermeisterei Brühl“ bis zum 13. März 1910121. Außer der Mairie Brühl gehörten zum Kanton (= Friedensgerichtsbezirk) Brühl noch die Mairien Hürth, Rondorf, Sechtem, Hersei und Waldorf. Als Maire wurde durch Verfügung des Präfekten Simon vom 13. Vd. IX/5. Oktober 1800 der bisherige Agent Municipal von Brühl Pfarrer Gareis eingesetzt. Adjoint der Mairie wurde der bisherige Agent Municipal von Badorf P. J. Decker122. Am 20. Vd. IX/12. Oktober 1800 wurden beide mit großem Zeremoniell von Friedensrichter Gänsen vereidigt und in ihre Ämter eingeführt. Wenn der Maire dienstlich tätig wurde - als Standesbeamter oder bei festlichen Anlässen -, trug er einen blauen Frackanzug mit einer breiten roten Bauchbinde, die mit blau-weiß-roten Fransen verziert war, und dazu einen „Napoleonshut“ mit großer Trikolore. Für den Adjoint war die gleiche Amtstracht vorgeschrieben, nur waren die Fransen seiner Bauchbinde weiß123. Verfassungsgemäß verwaltete jeder Maire seine Mairie alleinverantwortlich nach den ihm vom Präfekten und vom Unterpräfekten erteilten Weisungen. Für die Erstel­ lung der Haushaltspläne und für die Rechnungsprüfung wurde ihm ein „Conseil Municipal“ (Gemeinderat) beigegeben. Dieser Rat tagte unter dem Vorsitz des Maires regelmäßig einmal im Jahr. Die von ihm beschlossenen Haushaltspläne mußten dem Unterpräfekten vorgelegt werden - der sie oft abänderte - und wurden erst rechtsver­ bindlich, wenn der Präfekt sie genehmigt hatte. Zu Conseillers Municipaux ernannte der Präfekt am 22. Dezember 1800 die Bürger G. Ries, M. Axer, J. Bollig, J. Oebels, P. Schieffer, M. Schopen, G. Bollig, J. J. Martini, J. Kühl und N. Cremer124. Da die letztgenannten fünf Bürger ihr Amt nicht annahmen, ernannte der Präfekt an ihrer Statt am 15. Mai 1801 die Bürger J. Giersberg, J. Hackspiel, H. Hesemans, M. Hupertz und P. Hermülheim125. Maire, Adjoint und Conseillers Municipaux waren Staatsbeamte auf Zeit, die der 230

Präfekt nach seinem Gutdünken einsetzen und abberufen konnte. Ihr Entscheidungs­ spielraum war sehr eng; alles wichtige wurde vom Präfekten in Aachen oder vom Minister in Paris entschieden. Für „kommunale Selbstverwaltung“ ließ dieses Verwal­ tungssystem keinen Raum. XXVIII. In dieser Weise wurden die Lande links des Rheins seit 1797 durch unzählige Einzel­ maßnahmen der Französischen Republik völlig gleichgeschaltet. Alle diese Maßnah­ men waren bis zum 9. Februar 1801 klar völkerrechtswidrig, denn erst durch den am 9. Februar 1801 in Luneville Unterzeichneten Friedensvertrag - genauer gesagt: dadurch, daß der Reichstag zu Regensburg am 7. März 1801 diesen Vertrag ratifizierte —erhielt die Französische Republik das Gesetzgebungsrecht in den Landen links des Rheins. Vor welchem Forum hätten aber diese Verstöße gegen das Völkerrecht gerügt werden können? Den Schlußstrich unter dieses Geschehen zog das französische Gesetz vom 9. März 1801, im Rheinland verkündet am 3. April 1801, das die vier rheinischen Departements zu integrierten Bestandteilen der Französischen Republik erklärte. Der Friedensschluß von Luneville und die Eingliederung der rheinischen Departe­ ments in die Französische Republik wurde überall durch staatlich organisierte „Frie­ densfeste“ gefeiert. Auch in Brühl. Eine Schilderung des Brühler Friedensfests findet man in den Berichten, die der Kölner Rentmeister des Deutschen Ordens in den Jahren 1798 bis 1805 der Ordensregierung in Mergentheim erstattete126: „Bey dem zu Brühl kürtzlich gefeyerten Friedensfest hat sich der Bürger Gareis, Pfarrer und zugleich Maire daselbst, besonders ausgezeichnet, indem er die Verbren­ nung des kurfürstlichen Wappens vor dem Schloß veranstalltet und den Scheiterhauffen, worauf jenes lag, mit stoltzen und verachtenden Gebährden zuerst in Brand gestecket hat. In seiner öffentlichen Rede, die er in Maires Tracht dabey gehalten, hat er abscheulich wider alle Großen gehaußt und die französischen Soldaten aufgefodert sich aufzumachen, um alle noch stehende Thronen der Tyrannen, wie er sagte, zu zernichten und dann im Triumph wieder zu kommen, um die Früchte der fränckischen Freyheit mit ihm gemeinschaftlich zu genießen. Ein eigenes Lied, das voll der bittersten Ausdrücke wider die gekrönten Häupter war und die kränckendsten Spöttereyen wider Religion und Priester enthielt, hat er selbst verfertiget und mit höhni­ scher Freude am Freyheitsbaum abgesungen. Jeder Ehrliebende ärgert sich über das ungeistliche Betragen dieses undankbaren127Afterpriesters. Bonaparte selbst, wenn er diese Ungeziemtheiten erfahren sollte, müßte diesen lästernden Mann bestrafen.“ Über dieses Fest —und überhaupt über die politische Tätigkeit des Pfarrers Gareis - findet man in den überlieferten Brühler Archivalien kein Wort. Offensichtlich sind in Brühl irgendwann einmal Akten vernichtet worden, die man für kompromittierend hielt. Einige Monate nach dem Friedensvertrag von Luneville wurde ein zweiter Friedens­ vertrag von noch größerer Tragweite unterzeichnet: das Konkordat, mit dem Napo231

leon die während der Revolutionsjahre völlig abgerissenen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Vatikan neu anknüpfte. Auch im kirchlichen Bereich hatten die französischen Machthaber durch ihre Maßnahmen gegen geistliche Institutionen unzählige Male geltendes Recht verletzt. Das Konkordat brachte nun aber eine „Generalabsolution“ für die vergangene Zeit und schuf eine völlig neue Rechtslage. Es machte die katholische Kirche innerhalb von Frankreich zu einer Staatskirche, deren Amtsträger - von den Bischöfen bis zu den Pfarrern - vom Staat besoldet wurden. Darüber hinaus ermächtigte es die Franzö­ sische Republik, alle geistlichen Institutionen, die nicht in dieses Schema paßten, aufzuheben und ihre Vermögen zu verstaatlichen. Damit wurden in den vormaligen geistlichen Kurfürstentümern am Rhein Strukturen für immer zerstört, die in andert­ halb Jahrtausenden gewachsen waren. Am 16. Juli 1801 nach langen, zähen Verhandlungen paraphiert, wurde dieses Konkordat im September 1801 von Napoleon als Erstem Konsul und im Dezember von Papst Pius VII. unterzeichnet. Gesetzeskraft erhielt es aber in Frankreich erst am 18. Ge. X/8. April 1802, nachdem ihm Napoleon einseitig 121 „articles organiques“ angefügt hatte, um die Konkordatsgegner in den Gesetzgebenden Körperschaften zu beschwichtigen. So wurde am 18. Ge. X/8. April 1802 ein Gesetz beschlossen, das die Rechtsverhält­ nisse der Katholischen Kirche in Frankreich neu ordnete, und am 20. Pr. X/9. Juni 1802 faßten die Konsuln den Beschluß, die geistlichen Körperschaften aufzuheben. Der Vertrag von Luneville war für die rheinischen Departements von so grundsätz­ licher Bedeutung, daß die Konsuln es für notwendig hielten, alle Maires, Adjoints und Conseillers Municipaux nochmals auf die Französische Republik zu vereidigen. So kam am 24. Th. IX/12. August 1801 der Präfekt Simon mit dem Unterpräfekten Sybertz nach Brühl, um hier die Eidesleistungen der Amtsträger der Kantone Zülpich, Lechenich und Brühl entgegenzunehmen128. Für Brühl leisteten den Eid: der Maire Gareis, der Adjoint P. J. Decker sowie die Conseillers Ries, Hackspiel, Hesemans, Giersberg, Hupertz, J. Bollig, J. Oebels, M. Axer, P. Hermülheim und P. Schieffer. XXIX. Die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Katholischen Kirche in Frankreich ersetzte in den Landen links des Rheins - ähnlich der Verwaltungs- und Justizreform von 1795 (vgl. Abschn. IV) - eine wirre, oft kaum mehr funktionsfähige Mannigfaltig­ keit durch eine einfach und klar gegliederte Organisation, in der es keine Besonderhei­ ten mehr gab, die nur historisch verständlich waren129. Gemäß Art. 2 des Konkordats, kraft dessen die französischen Bistümer neu geglie­ dert werden sollten, errichtete Papst Pius VII. durch die Bulle „Qui Christi Domini vices“ vom 29. November 1801 das Bistum Aachen, das dem Erzbistum Mecheln unterstellt wurde. Durch Dekret des Kardinallegaten Caprara vom 9. April 1802 wurden diesem Bistum die beiden Departements Roer und Rhin et Moselle als Sprengel zugewiesen. Als ersten Bischof von Aachen ernannte Napoleon den franzö232

sischsprachigen Elsässer Marc Antoine Berdolet129a. Er wurde am 25. Juli 1802 durch Caprara inthronisiert, von Papst Pius VII. allerdings erst im Jahre 1804 förmlich bestätigt. So wie die Grenzen der Diözese Aachen gleich den Grenzen der beiden Departe­ ments waren, so wurde auch das Bistum entsprechend den unteren staatlichen Verwal­ tungsbezirken in Pfarreien eingeteilt. Gemäß Art. 60 der Organischen Artikel wurde in jedem Kanton (=Friedensgerichtsbezirk) eine Hauptpfarrei errichtet, der für die einzelnen Gemeinden des Kantons entsprechend den örtlichen Gegebenheiten „Succursalen“ (Hilfspfarreien) unterstellt wurden. Die Errichtung der - von „eures“ betreuten - Kantonspfarreien war problemlos, da ihre Sprengel durch die jeweiligen Kantonsgrenzen vorgegeben waren. Am 15. Fl. XI/5. Mai 1803 wurden die Cures - für den Kanton Brühl Heinrich Gareis, der seit 1793 Pfarrer von St. Margareta war130 - von Bischof Berdolet ernannt; am 23. Fl./ 13. Mai wurden diese Ernennungen durch den Präfekten Mechin bestätigt. Am 3. Me,/28. Juni wurden alle Cures des Roer-Departements - darunter auch Gareisim Aachener Münster feierlich vereidigt131. Viele Probleme warf aber die Errichtung der - von „desservants“ betreuten Succursalpfarreien auf. Die bisherigen Pfarreien waren nach Seelenzahl, Sprengel­ größe, finanzieller Ausstattung und Rechtsstatus - die meisten waren eigenständig, viele waren aber Stiften oder Klöstern inkorporiert gewesen, die 1802 aufgehoben worden waren - so unterschiedlich, daß sie nicht ohne weiteres beibehalten werden konnten. Auch war die Anzahl der Succursalen dadurch begrenzt, daß der Staat nur bereit war, eine bestimmte Anzahl von Desservants - im Roer-Departement 402 - zu besolden. So konnte die Neueinteilung aller Pfarreien des Roer-Departements erst am 12. Br. XII/4. November 1803 durch einen gemeinsamen Beschluß des Bischofs und des Präfekten festgelegt werden. Am 25. Fr. X II/17. Dezember 1803 von Napoleon geneh­ migt, wurde dieser Beschluß am 10. Vt. XII/1. März 1804 veröffentlicht. Daraufhin ersuchte der Unterpräfekt die Maires, mit den Kantonspfarrern den Tag zu vereinba­ ren, an dem die Desservants in der Hauptkirche vereidigt werden sollten. An diesem Tage sollten sie im Ornat mit Stola einzeln mit lauter Stimme den vorgeschriebenen Eid auf die Evangelien leisten. Außerdem sollten sie den Wortlaut des Eides auf Stempelpapier geschrieben und unterschrieben dem Maire abgeben. „Es versteht sich von selbst, daß Sie diese Zeremonie so feierlich wie nur irgend möglich gestalten werden.“132 Da die Einteilung vom 1. März 1804 den Wünschen der Bevölkerung nicht ent­ sprach, ordnete Napoleon schon am 11. Pr. XII/31. Mai 1804 eine Neueinteilung an. Sie wurde durch Befragung der Cures und der Maires sorgfältig vorbereitet. Die Einkünfte jeder bisherigen Pfarrei wurden durch Sachverständige geschätzt. Der Brühler Notar Zaaren war Schätzer für Wesseling, Brühl, Berzdorf, Vochem, Badorf und Schwadorf133. Daraufhin veröffentlichte der Präfekt im Einvernehmen mit dem Bischof am 26. Th. X III/14. August 1805 die Namen der beizubehaltenden oder neu zu errichtenden Succursalen. Bei dieser zweiten Einteilung unterschied man Succursa233

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len, bei denen der Staat das Gehalt des Desservants bezahlte, und solche, bei denen die Zivilgemeinde für alle Kosten aufkommen mußte. Diese Unterscheidung bewährte sich nicht. Viele Gemeinden zahlten nicht, so daß ihr Desservant in eine mißliche Lage geriet. Deshalb wurde am 30. September 1807 die Besoldung aller Desservants auf die Staatskasse übernommen; die Anzahl der Succursal-Planstellen im Roer-Departement wurde auf 503 erhöht. Dem Bischof blieb überlassen, im Einvernehmen mit dem Präfekten die Sitze dieser Planstellen zu bestimmen. Dementsprechend teilten Bischof und Präfekt durch eine gemeinsame Erklärung vom 22. April 1808 die Diözese Aachen zum dritten Male ein. Von Kaiser Napoleon am 28. August 1808 genehmigt, bestand diese Einteilung bis zum 16. Juli 1821, als durch die Bulle „De salute animarum“ das Bistum Aachen aufgehoben und das Erzbistum Köln wiederhergestellt wurde. Auf Einzelheiten dieser drei Einteilungen kann hier nicht eingegangen werden. Kurz sei nur bemerkt: 1808 wurden der Hauptkirche Brühl 22 Succursalen unter­ stellt134. Kantonspfarrei war, wie gesagt, die Pfarrei St. Margareta zu Brühl; Cure H. Gareis. In der Mairie Brühl bestanden als Succursalen: Badorf (mit Pingsdorf und Eckdorf), vormals der Abtei St. Pantaleon inkorporiert; Desservant B. Bonn, vordem Mönch zu St. Pantaleon. Berzdorf (mit Godorfer Hof); Desservant F. D. Dreesen. Vochem (mit Weilerhof); Desservant zunächst J. Königsfeld, nach dessen Tod 1807 J. A. Lerch. Schwadorf wird in der Liste von 1804 nicht erwähnt, vielleicht deshalb, weil die Rechtsbeziehungen der Pfarrei zu dem 1802 aufgehobenen Stift St. Severin noch ungeklärt waren, erscheint aber in der Liste von 1805. Bei der dritten Einteilung 1808 wurde die Pfarrei aufgehoben; die Gemeinde wurde der Pfarrei Walberberg zugeteilt, obwohl diese nicht zu der Mairie Brühl, sondern zu der Mairie Sechtem gehörte. Desservant war J. G. Bremmer bis zu seinem Tode 1807, dann H. J. Windt. Am 31. Dezember 1807 ersuchte der Unterpräfekt den Maire von Brühl, H. J. Windt als Pfarrverweser von Schwadorf zu vereidigen135. XXX. Durch das Kirchen-Neuordnungsgesetz war Pfarrer Gareis Staatsbeamter geworden. Staatsbeamter war er auch schon als Maire. Niemand durfte aber gleichzeitig zwei Staatsgehälter beziehen136. Deshalb entschloß sich Gareis, auf sein Amt als Maire zu verzichten. Zu seinem Nachfolger ernannte der Präfekt am 29. Pr. XI/19. Juni 18Q3137 F. J. Zaaren, der seit dem 2. Br. VII/23. Oktober 1798 als Notar in Brühl tätig war. Am 6. Me. XI/26. Juni 1803 ersuchte Unterpräfekt Sybertz Gareis, Zaaren als neuen Maire in sein Amt einzuführen. Er fügte hinzu: „Gleichzeitig spreche ich Ihnen mein Bedauern darüber aus, daß Ihr geistliches Amt es Ihnen nicht ermöglicht, Ihr Verwal­ tungsamt beizubehalten, das Sie während dreier Jahre zu meiner Zufriedenheit und zur Zufriedenheit aller Einwohner der Mairie ausgeübt haben.“138 Von der zeitraubenden Maire-Arbeit entlastet, widmete sich Gareis jetzt noch mehr als vorher dem Wohlfahrtswesen. Um das Wohlfahrtswesen, die Fürsorge für Arme und Kranke, war es in kurfürstli234

eher Zeit schlecht bestellt. Weder der Staat noch die Kirche noch die Stadt kümmerten sich darum. In Brühl bestand zwar eine Armenkasse, der Hospitalfonds, aber deren Mittel reichten kaum aus, ärgste Not zu lindern. Es gab keinen akademisch ausgebil­ deten Arzt; nur zwei „Chyrurgi“, die zwar gelernt hatten, Wunden zu verbinden und Zähne zu ziehen, aber anscheinend nicht sehr viel mehr konnten. Mangels Kanalisa­ tion und einwandfreier Trinkwasserversorgung war die Sterblichkeit in Brühl so groß, daß trotz hoher Geburtenzahlen und dauernder Zuwanderung die Einwohnerzahl im 18. Jh. nur geringfügig - von etwa 1100 auf etwa 1200 - zunahm. Die Kindersterblich­ keit war so groß, daß in den Sterbebüchern von St. Margareta Kinder gar nicht eingetragen wurden139. Nur Pfarrer Gareis machte sich die Mühe, allmonatlich wenig­ stens die Anzahl der gestorbenen Kinder zu vermerken; sie war oft höher als die Anzahl der Täuflinge. Ganz schlecht war es um die Geburtshilfe bestellt: für Brühl und die umhegenden Dörfer gab es meist nur eine einzige Hebamme. An diesem Punkt setzte Gareis an, als er Agent Municipal wurde. In der Sitzung des Munizipalrats vom 25. Pr. IX/13. Juni 1801 trug er vor: Bei Antritt seines Amts habe er festgestellt, daß mehrmals arme Weiber ohne Beistand einer Hebamme hätten gebären müssen. Daraufhin habe er eine geeignete Person ausbilden lassen und dafür 96 Frs Lehrgeld ausgelegt. Später habe er erfahren, daß diese Ausgabe nicht als Gemeinde-Ausgabe anerkannt würde. Ihm könne aber doch nicht zugemutet werden, eine Veranstaltung, die nötig war, um das Leben der Administrierten zu retten, aus seinen eigenen Mitteln zu bestreiten. - Der Munizipalrat sah das ein und beschloß, die Hälfte der 96 Frs als Gemeinde-Ausgaben anzuerkennen und die andere Hälfte der Armenkasse zu entnehmen140. Eine Wende trat auch in diesem Bereich erst ein, als das Roer-Departement in die Französische Republik eingegliedert war. Wie in Innerfrankreich mußte jetzt in jeder Mairie ein „Bureau de Bienfaisance“ (Wohlfahrtsamt) eingerichtet werden, das von fünf angesehenen Bürgern, darunter einem Arzt, betreut werden sollte. Der Maire Gareis wurde vom Unterpräfekten ersucht, geeignete Männer vorzuschlagen und Bericht über die in Brühl bestehenden Verhältnisse zu erstatten. Am 9. Vt. IX/1. März 1801 reichte Gareis seine Vorschläge ein. Er bemerkte dazu, daß es in Brühl keinen Arzt gebe. „Der Bürger Thenhoven (einer der beiden Chyrurgi) ist nicht der Rede wert, aber ich (!) glaube mich auf diesem Gebiet so gut auszukennen, daß ich wohl eine Universitätsprüfung (,examen rigoureux1) bestehen könnte.“141 In seinem Bericht führte Gareis aus: Das „Hospital“ ist ein altes Holz- und Lehmgebäude in einer abgelegenen Gasse. Es enthält drei Kämmerchen und einen Gemeinschaftsraum mit Ofen. Darin wohnen drei alte Frauen; jede erhält wöchent­ lich 3 Stüber zum Lebensunterhalt. Ein größeres Gebäude ist dringend erwünscht, um Kranke und obdachlose Hilfsbedürftige unterbringen zu können. Am 16. Fl. IX/5. Mai 1801 ernannte der Unterpräfekt zu Mitgliedern der Wohl­ fahrtskommission die Bürger J. Hackspiel, G. I. Seidlitz, J. P. Müller, F. J. Hertmanni und G. Rieß. Am 9. Fru. IX berichtete Hertmanni: Im Hospital wohnen zwei Verrückte und eine Kranke; außerhalb gibt es 27 hilfsbedürftige Arme. 235

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Am 17. Fri. XI/8. Dezember 1802 forderte Gareis dringend Räume für Kranke; für Kranke gebe es in Brühl kein einziges Bett. Am 8. Fri. XII/29. November 1803 berichtete die Wohlfahrtskommission: Zu betreuen seien 40 Kranke, 24 Kindbetteri­ nen, 50 Kinder unter 12 Jahren, 18 Invalide und 18 sonstige Hilfsbedürftige. Am 9. Th. XII/28. Juli 1804 bat die Wohlfahrtskommission, ihr die Hubertusburg zur Einrichtung einer Krankenstation und eines „atelier de travail“ (Behinderten­ werkstatt) zu überlassen. Der Unterpräfekt gab dieses Gesuch an den Präfekten, und dieser gab es an den Innenminister weiter. Am 4. Fl. XIII/24. April 1805 schrieb aber der Unterpräfekt an den Maire, der Innenminister habe das Gesuch abgelehnt, da die Hubertusburg schon an die Senatorie Poitiers vergeben sei142. So viel über das Brühler Wohlfahrtswesen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Kurz noch einige Worte zu dem am 29. Pr. XI/19. Juni 1803 ernannten Maire F. J. Zaaren143: Zaaren war damals „der richtige Mann“ für den Posten eines Maires von Brühl. Er schrieb ein gewandtes Französisch, war ein guter Jurist, entwickelte auf den verschie­ densten Gebieten rege Initiativen und war wegen seiner Staatsloyalität beim Unterprä­ fekten und bei den Präfekten wohlgelitten. Deshalb erreichte er für Brühl - und auch für sich persönlich - vieles, war ein anderer nicht erreicht hätte. Eine der ersten Amtshandlungen Zaarens bestand darin, nach Weisungen des Präfekten am 25. Me. XI/14. Juli 1803 in der Pfarrkirche das Nationalfest zu feiern. R. Bertram schreibt darüber144: „Am Tage vorher hatte der Maire Zaaren die Beamten zum Gemeindehaus eingela­ den, ihnen in einer kleinen Anrede den Erlaß des Präfekten erklärt und sie aufgefor­ dert, am folgenden Tage um 9 Uhr vom Gemeindehause aus gemeinsam zur Kirche zu ziehen. Der Bürger Pfarrer Gareis zelebrierte das feierliche Hochamt unter Assi­ stenz der Pfarrgeistlichkeit. Am Schlüsse war Te Deum unter Glockenläuten und fortwährenden Böllerschüssen.“ XXXI. Am 2. Mai 1804 beschlossen die Gesetzgebenden Körperschaften der Französischen Republik, daß 1) Napoleon Bonaparte zum Kaiser der Französischen Republik ernannt werden solle, 2) der Kaisertitel und die kaiserliche Macht in seiner Familie erblich sein solle und 3) dafür Sorge zu tragen sei, Gleichheit, Freiheit und die Rechte des Volkes in ihrer Gesamtheit zu bewahren. Das Volk der Franzosen solle durch namentliche, schriftliche Abstimmung seine Zustimmung zu diesen Beschlüssen bekunden. Am 18. Mai 1804 proklamierte der Senat Napoleon zum Kaiser der Franzosen. In den folgenden Wochen trugen sich in ganz Frankreich die registrierten Wähler in öffentlich ausgelegte Abstimmungslisten ein. 3 572 329 stimmten mit Ja, 2509 mit Nein. Am 4. Pr. XII/24. Mai 1804 teilte Präfekt Mechin den Maires mit, daß Napoleon seit dem 28. Floreal (18. Mai) Kaiser sei und gab Weisungen über die Durchführung der Volksabstimmung145. Die Listen sollten 29 Tage lang ausliegen, aber schon nach 236

wenigen Tagen hatten sich alle Stimmberechtigten eingetragen. Schon am 20. Pr./ 9. Juni übersandte der Unterpräfekt Klespe dem Maire Zaaren eine Ausfertigung des Protokolls über die Stimmabgabe im Kanton Brühl zur Aufbewahrung im Archiv der Mairie146. Am 28. Pr./17. Juni wurden alle Fonctionnaires des Arrondissements Köln im Großen Saal des Kölner Rathauses feierlich auf den Kaiser vereidigt147. Einige Monate später, im September 1804, inspizierte Napoleon das Roer-Departement. Die Ankündigung seines Besuchs verursachte bei allen Behörden beträchtliche Wirbel. Alle Straßen, die der Kaiser voraussichtlich befahren würde, wurden durch Pio­ niere instandgesetzt. Darunter war auch die Landstraße Köln-Brühl, deren Unterhal­ tung den Anliegergemeinden oblag. Zaaren wollte die Gelegenheit nutzen, diese Straße als Departementstraße qualifizieren zu lassen. Sein Plan scheiterte aber daran, daß der Präfekt einen baren Kostenbeitrag der Gemeinden forderte, den diese nicht leisten konnten. Da Napoleon ein leidenschaftlicher Statistiker war, sammelte man alle erdenklichen statistischen Daten, um für jede Frage gewappnet zu sein. Daran erinnert eine hübsche Anekdote: Außer vielem anderen fragte Napoleon den Präfekten Mechin unversehens: „Wieviele Adler gibt es in Ihrem Bezirk?“ Mechin ist einige Sekunden sprachlos; diese Frage hat er nicht erwartet. Dann aber antwortet er als vollendeter Höfling: „Bis zum heutigen Tage, Sire, hat man hierzulande noch keinen Adler gesehen.“148 —Trotzdem wurde Mechin abgelöst. Noch während seines Aufenthalts in Köln ernannte Napoleon Charles Laumond zum Präfekten des Roer-Departements. Alle Maires wurden aufgefordert, die Orte, durch die der Kaiser fahren wollte, so prächtig wie möglich zu schmücken. Berittene Ehrengarden sollten aufgestellt werden, die Schulkinder sollten Spalier stehen usw.148a. Auch in Brühl tat man, was man konnte. Die Ausgaben dafür überstiegen dann allerdings den Haushaltsansatz „Unvorhergesehenes“. Ein Nachtragshaushalt mußte erstellt werden. Er wurde vom Conseil Municipal am 20. PI. XIII/9. Februar 1805 ohne Debatte genehmigt, „weil der Präfekt mit Schreiben vom 16. Messidor und der Unterpräfekt mit Schreiben vom 8. Thermidor dringend ersucht haben, alles zu tun, was in unseren Kräften steht, um den Besuch des Ersten Konsuls, jetzt Kaisers der Franzosen, in Brühl würdig zu feiern, zumal Brühl zur Residenz der 4. Kohorte der Ehrenlegion bestimmt ist und die Ausschmückung des Kölntors der Stadt zur Zierde gereicht und der Nachwelt die Erinnerung bewahren wird an den Einzug seiner kaiserlichen Majestät in Brühl“149. Am 17. September 1804 kam dann der große Tag. Um 6 Uhr morgens fuhr Napo­ leon von Köln ab, um 9 Uhr traf er in Bonn ein. Unterwegs hielt er sich eine knappe Viertelstunde in Brühl auf. Im Eilschritt, bei dem die Herren seines Gefolges - und wohl auch der Maire Zaaren - kaum mithalten konnten, besichtigte er das Schloß Augustusburg, das er schon in Paris zum Sitz der 4. Kohorte der Ehrenlegion bestimmt hatte. Beim Anblick des Treppenhauses soll Napoleon bedauert haben, daß er dieses Kunstwerk nicht in eines seiner Schlösser in Frankreich überführen könne. 237

Das Schloß behielt er in so guter Erinnerung, daß er es 1810 als kaiserliche Krondomäne erwarb und seinen Marschall Davoust, Fürsten von Eckmühl und Herzog von Auerstädt, damit belehnte150. XXXII. Was hatte die 4. Kohorte der Ehrenlegion mit Brühl zu tun? Die Ehrenlegion (Legion d’honneur) war durch Gesetz vom 29. Fl. X/19. Mai 1802 gestiftet worden. Zu ihren Mitgliedern wurden von ihrem Chef, dem Ersten Konsul Napoleon Bonaparte, Männer ernannt, die sich um die Französische Republik ver­ dient gemacht hatten. Sie war eingeteilt in 15 - später 16 —Kohorten, denen aus dem Bestand der Nationaldomänen je ein Schloß als Kohortensitz sowie Liegenschaften zugewiesen wurden, die jährlich 200 000 Francs abwarfen. Aus den Einkünften der Kohorte sollten 7 Großoffiziere je 5000 Fr, 20 Kommandeure je 2000 Fr, 30 Offiziere je 1000 Fr und 350 Legionäre je 250 Fr erhalten. Die restlichen Einnahmen sollten dem am Sitz einer jeden Kohorte zu errichtenden Hospiz zufließen. Zum Sitz der 4. Kohorte bestimmte Napoleon das Schloß Augustusburg. Chef dieser Kohorte wurde Marschall Soult, Kanzler der Graf Salm-Dyck. Dem Kanzlei­ chef J. G. Kerris, der die Aufsicht über die Schloßanlagen führen sollte und für das Rechnungswesen zuständig war, wurde das Oratorium als Büro und Dienstwohnung zugewiesen. Diese Entscheidungen fielen schon im Messidor des Jahres X151, aber bis zu ihrer verwaltungsmäßigen Durchführung verging noch mehr als ein Jahr. Am 7. Br. XII/ 30. Oktober 1803 ergriff Rosel namens der Ehrenlegion Besitz vom Schloß Augustus­ burg samt Park und Nebenanlagen152; rückwirkend vom 1. Vd. XII/23. September 1803 buchte er die Einnahmen und die - sehr viel höheren - Ausgaben dieses Komplexes auf Rechnung der 4. Kohorte. Offensichtlich war er froh, daß man für diesen Komplex einen anderen Kostenträger gefunden hatte. (Die Tüchtigkeit eines Domänenverwalters wird ja immer daran gemessen, wieviel Reinerträge er aus seinem Bereich abliefert.) Deshalb versuchte Rosel, bei dieser Gelegenheit auch noch andere „Kostenfresser“ loszuwerden: In dem Schreiben, mit dem er das Protokoll über den Besitzwechsel des Schlosses Augustusburg dem General-Domänendirektor ein­ sandte153, fragte er an, ob er der 4. Kohorte nicht auch das Schloß Falkenlust und das vormalige Rekollekten- (Franziskaner-) Kloster übertragen solle; da jede Kohorte ein Hospiz haben solle, sei dafür das beim Schloß gelegene Klostergebäude sehr geeignet. Dieser Versuch, Verlustobjekte abzustoßen, schlug aber fehl. Falkenlust war schon der Dotation der Senatorie Poitiers zugewiesen, und der Plan, in dem Kloster ein Hospiz einzurichten —dem die Klosterkirche als Oratorium dienen sollte -, wurde von Napoleon später nicht genehmigt. Am 29. Fri. XII/21. Dezember 1803 übersandte dann Präfekt Mechin dem Finanz­ minister die Liste der auf die 4. Kohorte übertragenen Liegenschaften154. Sie enthält weit über hundert Objekte; im Brühler Raum den Burghof, die beiden Palmersdorfer Höfe, den Bödinger Hof, den Burbacher Hof, den Janshof, den Kierberger Karthäu238

serhof, den Rodderhof, den Abtshof in Badorf, die beiden Geildorfer Höfe und dazu noch viele Ländereien ohne Hofstelle. So wurde die 4. Kohorte zum weitaus größten Grundbesitzer im Brühler Raum. Bald erwies sich aber, daß es finanzwirtschaftlich unzweckmäßig war, die Ehrenlegion mit Grundbesitz auszustatten. Aufgrund des Gesetzes vom 11. PI. XIII/31. Januar 1805 wurden die meisten Objekte gegen 5%ige Obligationen der Staatlichen Tilgungs­ kasse ausgewechselt155. Dadurch erhielt die Tilgungskasse die Verfügungsmacht über Hunderte von Gutshöfen, mit deren Veräußerung sie am 20. Januar 1807 begann. Die restlichen der 4. Kohorte belassenen Gutshöfe - darunter der Brühler Burghof und der vormals kurfürstliche Palmersdorfer Hof —wurden am 28. Februar 1809 gegen Obligationen ausgewechselt und am 5. Oktober 1810 für Rechnung der Tilgungskasse versteigert156. So verblieb der 4. Kohorte schließlich nur noch das Schloß Augustusburg. Es wurde am 25. Mai 1810 vom Großkanzler der Ehrenlegion an den kaiserlichen Krondomänenfonds verkauft157.

xxxm . Einige Dutzend Heilige sind von altersher von der ganzen Christenheit verehrt worden. Daneben gab es aber noch zehntausende von Männern und Frauen, denen nur in bestimmten Gegenden oder gar nur an einzelnen Orten Altäre oder Kirchen geweiht waren. Im Rheinland beispielsweise wurden der hl. Kunibert in Köln, der hl. Foillan in Aachen, die hl. Luftildis in Lüftelberg und die hl. Aldegundis in dem nach ihr benannten Weindorf an der Mosel besonders verehrt. So war in Ajaccio auf Korsika - anscheinend nur dort - seit unvordenklichen Zeiten dem Märtyrer Napoleone ein Altar geweiht. Von den Schicksalen dieses Heiligen weiß man ebensowenig wie von denen der hl. Luftildis. Sein Fest wurde am 15. August gefeiert. Deshalb benannte der Advokat Carlo Buonaparte, ein leidenschaftlicher korsischer Patriot, seinen am 15. August 1769 in Ajaccio geborenen Sohn nach diesem spezifisch korsischen Heiligen. Als sich dann ein Menschenalter später dieser Napoleone Buonaparte zum Kaiser der Franzosen gekrönt hatte, erhob er seinen - bis dahin außerhalb von Ajaccio völlig unbekannten - Namenspatron zum Staatsheiligen des Französischen Kaiserreichs. Am 19. Februar 1806 Unterzeichnete er im Tuilerienpalast zu Paris ein158 „Kaiserliches Decret, betreffend das Fest des Heiligen Napoleons, das Fest der Wie­ derherstellung der catholischen Religion in Frankreich u. s. w. Napoleon, Kaiser der Franken, König von Italien; Auf den Bericht unsers Ministers des Gottesdienstes; Wir haben decretirt und decretiren was folgt: Erster Titel. Erster Artikel. Das Fest von Sanct-Napoleon und das Fest der Wiederherstellung der catholischen Religion in Frankreich sollen im ganzen Umpfange des Reichs, den 239

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15ten August jedes Jahrs, Tag von Mariä Himmelfahrt, und Zeitpunct des Concordatbeschlusses, gefeyert werden. 2. Man soll an besagtem Tage eine Procession ausserhalb der Kirche in allen Gemein­ den wo die äussere Ausübung des Gottesdienstes erlaubt ist, halten; in den andern soll die Procession im Innern der Kirche statt finden. 3. Es soll vor der Procession eine auf den Anlaß Bezug habende Rede von einem Religionsdiener gesprochen werden; und man soll, gleich nach dem Wiedereinzug der Procession, ein feyerliches Te Deum absingen. 4. Die Kriegs-, Civil- und Justiz-Gewalten sollen diesen Festlichkeiten beywohnen. 5. Den nemlichen Tag 15ten August soll man in allen Tempeln des reformirten Gottesdienstes ein hochfestliches Te Deum als Danksagung für das jährliche Geburts­ fest des Kaisers feyern. Titel II. 6. Das jährliche Gedächtnisfest unserer Krönung und der Schlacht von Austerlitz soll am ersten Sonntag des Monats December im ganzen Umfange des Reichs gefeyert werden. 7. Die Kriegs-, Civil- und Justiz-Gewalten sollen beywohnen. 8. Es soll in den Kirchen, in den Tempeln, und von einem Religionsdiener, eine Rede über den Ruhm der französischen Armeen und über den Umfang der Pflicht die jedem Bürger auferlegt ist, sein Leben seinem Fürsten und dem Vaterland zu opfern, gehalten werden. Nach dieser Rede wird ein Te Deum zur Danksagung abgesungen. 9. Unser Minister der Gottesdienste ist mit der Vollziehung gegenwärtigen Decrets beauftragt.“ Mit diesem Dekret befahl Napoleon, daß an seinem Geburtstag, dem Tage des hl. Napoleone, nicht nur in allen katholischen Kirchen, sondern auch in allen „reformier­ ten Tempeln“, also in den evangelischen Kirchen aller Glaubensrichtungen, feierliche Gottesdienste abgehalten werden sollten. Damit bekundete er, daß er sich als oberster Kirchenherr aller Christen seines Reiches fühlte, unabhängig vom Papst und den evangelischen Konsistorien. Unter dem Namen des Heiligen sollte der Kaiser verehrt werden. So wurde der Kaiserkult der Römerzeit wieder eingeführt, den die ersten Christen so leidenschaftlich verweigert hatten, daß viele von ihnen deswegen den Märtyrertod erleiden mußten. Daß der 15. August - so wie auch der 1. Sonntag im Dezember - dem Kaiserkult gewidmet war, verdeutlichte Präfekt Lameth in einem Rundschreiben, das er am 7. August 1807 an alle Maires richtete159: „Die Bürger sollen sich in den Kirchen versammeln, um dem Allerhöchsten zu danken für seine Wohltaten, deren größte zweifellos darin besteht, daß er ihnen einen erhabenen Chef gegeben hat, der sie verteidigt und beschützt. Aber das Fest soll nicht nur in den Kirchen gefeiert werden. Die Behörden haben die Pflicht, alle örtlich gegebenen Möglichkeiten auszunutzen, um die Bevölkerung in Hochstimmung zu versetzen und das Fest eindrucksvoll zu gestalten.“ 240

In gleicher Weise schrieb dann auch der Unterpräfekt Klespe am 5. August 1808 an die Maires160. Bischof Berdolet hat diesen Kaiserkult beflissen gefördert161. In dem Vorwort zu dem Katechismus, den er 1807 herausgab, bezeichnete er das Buch als „ein Denkmal zur Verherrlichung unseres Durchlauchtigsten Kaisers“. Beim 4. Gebot werden die Pflichten gegenüber dem Kaiser, „den Gott zu seinem Bild auf Erden aufgestellt hat“, besonders eingeschärft. Auch in seinen Hirtenbriefen erhob Berdolet Napoleon in den höchsten Himmel und bezeichnete ihn als gottgesandten Retter, als zweiten Karl den Großen und als den Helden, der in weniger als zwei Monaten mit Adlerflug durch Deutschland gehe. „Er sieht die feindlichen Heere; zerstreut sie, wie der Wind den Staub verfolgt“162. So ist nicht daran zu zweifeln, daß seit 1806 „Kaisers Geburtstag“ am 15. August und „Kaisers Krönungstag“ am 1. Sonntag im Dezember auch in Brühl mit einem Te Deum in St. Margareta, einer schwungvollen Ansprache des Maires Zaaren und einem großen Volksfest gefeiert wurden163. Dieser Kaiserkult wurde auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß Papst Pius VII. am 10. Juni 1809 Napoleon exkommunizierte, weil er den Kirchenstaat aufgehoben hatte. Bischof Berdolets Nachfolger Le Camus drückte sich zwar nicht so überschwänglich aus wie sein Vorgänger, befolgte aber ebenso gehorsamst alle Befehle seines Kaisers. So wurde beispielsweise auf ausdrücklichen Befehl Napoleons nach dem Einzug der Großen Armee in Moskau (am 14. September 1812) in allen Kirchen Te Deum gesun­ gen unter Aussetzung des Hochwürdigsten Guts164. Gegen Ende des Jahres 1812 allerdings, als die Große Armee in Rußland zugrunde gegangen war, erlahmte auch der Kaiserkult. Am 31. Dezember 1812 ersuchte der Unterpräfekt den Maire Zaaren um Bericht, ob für den Kaiser nur bei den befohlenen Anlässen oder auch sonst gebetet werde165. Am 22. Juli 1813 ermahnte Präfekt Ladoucette die Maires in einem langen Rund­ schreiben166: „Meine Herren! Das Dekret vom 19. Februar 1806 hat zwei jährliche Feste angeord­ net: das eine am 15. August, dem Geburtstage S. M. des Kaisers und Königs, und das andere am 1. Sonntag im Dezember als dem Jahrestag der Kaiserkrönung. Diese beiden großen, allen Franzosen hehren Gedenktage können gar nicht festlich genug gefeiert werden. Ich denke, Sie haben schon Ihre Vorbereitungen für den 15. August getroffen. Die Jahreszeit ist günstig. Tanz im Freien, Bankette, Spiele sollten in allen größeren Orten veranstaltet werden. An einigen Orten sind um diese Zeit Spiele bräuchlich, die man einbeziehen kann, um den Tag zu einem Volksfest zu machen. Es ist erwünscht, daß an diesem Tage gute Taten öffentlich belobt sowie an die Armen Lebensmittel und sonstige Gaben verteilt werden. . . Das Te Deum muß gesungen werden. Es ist angebracht, daß in den Städten mit höheren Schulen ein Teil der Schüler an dieser Zeremonie teilnimmt. Man möge dazu die Schüler auswählen, die sich durch ihr Betragen, ihren Fleiß und ihre Leistungen 241

besonders ausgezeichnet haben; das wäre ein ehrende Belohnung nicht nur für die Schüler, sondern auch für ihre Eltern167. . . Abends sollen Illuminationen und Feuerwerke den Festtag beschließen.“ Am 25. September 1813 schrieb der Unterpräfekt an die Maires, daß auf Befehl der Kaiserin - die damals die Regentschaft führte - für den Sieg Napoleons bei Dresden (am 26.127. August) am 3. Oktober Te Deum zu singen sei168. Unaufhaltsam schwand aber die Bereitschaft des Volkes, den Kaiser zu verehren. Am 4. Oktober 1813 schrieb der Unterpräfekt an die Maires: Er habe erfahren, daß die vorgeschriebenen Kirchengebete für den Kaiser und seine Familie oft unterlassen würden; die Maires sollten die Pfarrer daran erinnern und Widerstrebende namentlich melden169. Am 22. November 1813 - fünf Wochen nachdem Napoleon die Entscheidungs­ schlacht bei Leipzig verloren hatte - schrieb der Unterpräfekt an die Maires, daß am 5. Dezember der Jahrestag der Krönung des Kaisers so festlich wie nur irgend möglich gefeiert werden solle170. Dieses Schreiben war aber eine Geisterbeschwörung, denn im November 1813 war das Französische Kaiserreich schon zusammengebrochen. Die Reste der Großen Armee, 60 000 abgekämpfte und entmutigte Soldaten, hatten sich hinter den Rhein zurückgezogen. Aus den Niederlanden, die 1810 dem Kaiserreich einverleibt worden waren, waren alle Franzosen verjagt worden. Das Großherzogtum Berg, das praktisch eine französische Provinz gewesen war, bestand nur noch als entleerte Rechtsform; am 9. November hatten die letzten französischen Truppen und Beamte die Hauptstadt Düsseldorf verlassen. Auch im Roer-Departement hatten die Behörden jetzt andere Sorgen als Feste zu Ehren des Kaisers zu organisieren. Und da diese Feste zuletzt nur unter behördlichem Druck gefeiert wurden, ist wohl auch in St. Margareta zu Brühl am 5. Dezember 1813 für Napoleon, „den Gott zu seinem Bild auf Erden aufgestellt hat“, kein Te Deum mehr gesungen worden. Mit der Macht des Kaisers erlosch auch der Kaiserkult. XXXIV. Über das Brühler Schulwesen in der französischen Zeit kann nur lückenhaft berichtet werden, da die entsprechenden Akten nur lückenhaft überliefert sind. Sogar Akten, die noch M. Mertens171 benutzt hat, sind mittlerweile verschollen. Während der Zeit der Militärregierung (Oktober 1794 bis Ende 1797) ist anschei­ nend nur selten Schule gehalten worden. Arnold Josef Stein, der am 10. November 1789 zum Lehrer der Bubenschule bestellt worden war, wurde am 16. August 1793 als Nachfolger von C. A. Herter zum Stadtschreiber ernannt. Ob er damals seine Lehrer­ stelle aufgab, ist ungewiß; aber selbst wenn er sie beibehalten hat, ließ ihm seine Tätigkeit für die Stadt in der Wirrnis der ersten Besatzungsjahre sicher nur wenig Zeit, Schule zu halten. Die Lehrerin der Jungfernschule, die geistliche Juffer Christine Breuer, starb am 11. April 1793; ob sie eine Nachfolgerin erhielt, läßt sich nicht aufklären. Wie lange die am 4. Dezember 1783 zu Lehrern an der Franziskanerschule bestell242

ten Patres Lucchesius Schmal und Sybertus Krion unterrichtet haben, ist unbekannt. In der am 21. Januar 1801 erstellten Liste der Klosterinsassen172werden sie nicht mehr erwähnt. Wie der Maire Zaaren am 23. Juli 1805 berichtete173, führten Pfarrer Henrich Gareis und Vikar Jacob Müller diesen Unterricht aus eigener Initiative „per interim“ fort. In der Folgezeit war die Elementarschule in Brühl so schlecht, daß manche ihrer Schulabgänger weder lesen noch schreiben konnten. 1807 wurde Peter Joseph Dreykhausen174 als Lehrer der Bubenschule angestellt. Er wohnte zunächst im Nebenbau des Franziskanerklosters und hielt anscheinend dort auch Schule, mußte aber dann 1812 in das „völlig verfallene“ alte Schulhaus neben der Pfarrkirche umziehen. Am 19. Vd. XII/12. Oktober 1803 erließ Napoleon als Erster Konsul ein Dekret über die Organisation von Sekundärschulen (gemeindlichen Oberschulen). Eine solche Schule mußte mindestens 3 wissenschaftlich ausgebildete Lehrer und minde­ stens 50 Schüler, Pensionäre und Externe, haben. Obwohl das Niveau des Unterrichts an der - einzigen - damaligen Elementarschule in Brühl denkbar niedrig war, wagte der Maire Zaaren Anfang Juli 1807 einen ehrgeizigen Schritt: Gestützt auf das Dekret vom 19. Vd. XII beantragte er beim Präfekten, die „Stadtschule“ als Ecole Secondaire anzuerkennen und ihr die Gebäude des Franziskanerklosters zu überlassen175. Er gab dabei an, daß z. Zt. drei Professoren Latein, Französisch, Mathematik, Geschichte und Geographie lehrten, daß 50 Schüler, teils Pensionäre, teils Externe, diese Schule besuchten und daß die Schule jährlich 1082 frs von der Kirche erhalte. Keine dieser Angaben war richtig. Die Privatschule, die Pfarrer Gareis aus eigener Initiative im Nebenbau des Franziskanerklosters unterhielt, war keine „Stadtschule“; in den Gemeinderechnungen jener Zeit ist kein einziger Centime für diese Schule ausgewiesen. Die drei Lehrer - außer Gareis und Müller wurde offenbar auch noch Dreykhausen mitgezählt - waren keine „professeurs“ im Sinne des Dekrets. Die Angaben über die Anzahl der Schüler waren sicherlich übertrieben. Unrichtig war auch die Behauptung, daß „die Kirche“ jährlich 1082 frs an die Schule zahle; in keiner Rechnung von St. Margareta werden solche Zahlungen erwähnt. Offenbar wurden aber Zaares Angaben nicht überprüft. Am 16. Juli 1807176 ersuchte ihn der Unterpräfekt 1) um eine Bescheinigung der Domänendirektion, daß das Franziskanerkloster ein „domaine disponible“ (ein nicht schon für einen anderen Zweck bestimmtes staatliches Gebäude) sei, 2) um eine Liste der vorgesehenen Lehrer und 3) um ein Budget der geplanten Ecole Secondaire. Als Zaaren diese Unterlagen eingereicht hatte - die Domänendirektion erteilte sofort die gewünschte Bescheinigung, denn sie war froh, das Franziskanerkloster loszuwerden177 - reichte der Präfekt den Antrag am 6. August 1807175 befürwortend an den Generaldirektor des Öffentlichen Unterrichts in Paris weiter. Daraufhin dekretierte Kaiser Napoleon am 4. September 1807 in Saint-Cloud: „Art. I Die in Brühl, Roer-Department, bestehende Schule wird zu einer gemeindli­ chen Ecole Secondaire erhoben; mit der Auflage, daß diese Stadt die in der Verordnung vom 19. Vd. XII genannten Bedingungen erfüllt. 243

Art. II Die Gebäude des vormaligen Rekollektenklosters werden dieser Gemeinde für ihre Ecole Secondaire zur Nutzung überlassen.“178 Aufgrund dieses Dekrets ließ sich Zaaren am 11. November 1807 in den Besitz des Franziskanerklosters einweisen, und zwar des ganzen Komplexes, nicht nur des kleinen Nebenbaus, in dem Schule gehalten wurde179. Entsprechend der Verordnung vom 19. Vd. XII wurde nun für die Ecole Secondaire ein Bureau d’administration (Verwaltungsrat) gebildet, das aus dem Maire Zaaren, dem Friedensrichter Windeck und dem Conseiller municipal J. Hackspiel bestand. Dieser Verwaltungsrat schlug am 2. Januar 1808175 als Professoren vor: H. Gareis, geb. 1759 in Bonn; F. Baudouin, geb. 1758 in Köln180; H. J. Fuchs, geb. 1780 in Bonn; P. J. Dreickhausen, geb. 1755 in Köln; G. Schugt, geb. 1787 in Bonn; M. Mostert, geb. 1768 in Köln. Aus dieser Liste wählte der Präfekt Gareis, Fuchs und Schugt aus und schlug sie dem Innenminister zur Ernennung vor. Die am 8. Februar 1808 vom Innenminister verfügten Ernennungen gingen am 2. März 1808 bei dem Maire Zaaren ein181. So konnte die Sekundärschule Brühl zu Ostern 1808 ihr erstes Schuljahr beginnen. Schon am 18. November 1808 berichtete aber der Unterpräfekt dem Präfekten182: „Der Verwaltungsrat der Sekundärschule in Brühl hat im Lauf dieses Jahres so viele Fehler an dem Lehrer Schugt - der auf seinen Vorschlag von seiner Exzellenz dem Herrn Innenminister ernannt worden war - festgestellt, daß er es für seine Pflicht hält, dessen Entlassung zu beantragen und andere Kandidaten vorzuschlagen. Ich halte die (gegen Schugt erhobenen) Vorwürfe für begründet und habe Erkundigungen über den Lebenswandel und die Fähigkeiten des (als Ersatzmann vorgeschlagenen) Hn. Schiller eingezogen und schlage vor, Hn. Schugt zu entlassen und ihn durch Hn. Schiller zu ersetzen.“ Dementsprechend ernannte der Innenminister am 6. Dezember 1808 Joseph Schiller anstelle von Schugt175. Durch das Gesetz vom 17. März 1808, das am 1. Januar 1809 in Kraft trat, wurden alle öffentlichen Schulen des Kaiserreichs, von den Volksschulen aufwärts bis zu den Hochschulen, zur „Kaiserlichen Universität“ zusammengefaßt. Alle Lehrer an solchen Schulen wurden zu einer öffentlichrechtlichen Körperschaft zusammenge­ schlossen. Die Universität, deren Präsident den Titel „Großmeister“ erhielt, war aufgegliedert in „Akademien“, die jeweils mehrere Departements umfaßten und deren Präsidenten „Rektor“ genannt wurden. Die bisherigen Sekundärschulen erhielten die Bezeich­ nung „College“; ihr Direktor hieß „principal“. Das Roer-Departement gehörte zur Akademie Lüttich. Zum Inspektor für alle Schulen des Departements wurde der Abbe Rane ernannt183. Um sich einen Überblick über die ihm unterstellten Schulen zu verschaffen, ließ sich der Großmeister der Universität im Sommer 1809 aus den einzelnen Arrondisse­ ments Berichte über die bestehenden Schulen erstatten. Über das Arrondissement Köln berichtete der „Procureur Gerant du College de Cologne“ Thiriart. Durch einen glücklichen Zufall blieb eine Abschrift des Berichts erhalten, den Thiriart am 2. Juni 1809 über die „Ecole Secondaire de Bruhl“ erstattete184. Er schil244

dert die Probleme dieser Schule in einer Zeit, aus der bisher so gut wie nichts über sie bekannt war: „Dieses Institut besteht seit zwei Jahren. Es ist untergebracht in dem vormaligen Rekollektenkloster, einem weitläufigen, soliden, bequemen und hübsch gelegenem Gebäude. Das Städtchen („le bourg“) Brühl hat nur 1380 Einwohner. Die meisten sind in der Landwirtschaft beschäftigt; es gibt dort weder Industrie noch Handel. Deshalb sind dort kaum die Voraussetzungen für das Gedeihen einer Höheren Schule gegeben. Außerdem liegt Brühl zu nahe bei Bonn und Köln. Andererseits sind aber die Lage dieses Städtchens, die ausgezeichnete Luft, die man dort atmet, und die Schönheit der ländlichen Umgebung so vorteilhaft für das physische Gedeihen der Kinder und so selten hierzulande, daß sie starke Gründe sind, diese Schule beizubehalten. Wenn sie gefördert wird und verbessert wird durch Einstellung tüchtiger Lehrer, könnte sie künftig viele Kinder der wohlhabenden Klasse, die ja auf solche Dinge besonderen Wert legt, herbeiziehen. Die Direktion dieser Schule ist gegenwärtig dem Ortspfarrer Gareis anvertraut, einem hochangesehenen klugen Geistlichen, der vor dem Kriege als einer unserer besten Pädagogen galt und den der vormalige Kurfürst ganz Deutschland bereisen ließ, damit er Erfahrungen in der Kunst des Unterrichtens sammle185. Dieser würdige Mann hat die beschwerliche Last (die Schule zu leiten) unentgeltlich auf sich genom­ men. Er hat zwei Professoren unter sich: für Latein und Mathematik Hn. Fuchs und für Französisch Hn. Schiller. Seitdem Hr. Schiller auf seinen Wunsch ausgeschieden ist, hat der unermüdliche Hr. Gareis dessen Stelle übernommen, so daß gegenwärtig nur ein einziger besoldeter Professor an der Schule tätig ist. Die festen Einkünfte dieser Schule bestehen nur aus einer Meß-Stiftung, die jährlich 400 frs abwirft186. Wenn es aber nötig ist, mehr Lehrer einzustellen, könnte die Mairie die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung stellen. Der jährliche Pensionspreis (für die Internatsschü­ ler) ist auf 180 frs festgesetzt. Dieser Preis dürfte angemessen sein, wenn man bedenkt, daß Brühl nur eine kleine Landgemeinde ist. Wenn das Internat besser geführt wäre und deshalb mehr Internatsschüler kämen, müßte der Unternehmer auf seine Kosten kommen. Der Direktor hat dieses Unternehmen (das Internat) einem Ökonomen namens Baudouin anvertraut, der damit nicht sehr glücklich zu sein scheint. Die Schule hat gegenwärtig 34 Schüler. Davon sind 8 auf Kosten ihrer Eltern im Internat. Unter den Schülern ragen hervor: 1) Müller aus Vernich, 16 Jahre alt, durch seine gute Führung, seinen Eifer und seine Leistungen in Latein und Französisch; 2) Lauten aus Brühl, 13 Jahre alt, in gleicher Weise; 3) Mack aus Brühl, der sich besonders durch seine Leistungen in Mathematik auszeichnet. Im allgemeinen kann man, unter den gegebenen Umständen, mit der Brühler Schule zufrieden sein. Sie bräuchte allerdings einen guten Lehrer der französischen Sprache, einen besseren Mathematiklehrer und einen leidlich guten Schreiblehrer; für die Einstellung eines perfekten Schreiblehrers fehlt es an Geld. Der Herr Maire von Brühl verdient das höchste Lob für die Mühe, die er sich mit dieser Schule macht. Er hatte viele Widrigkeiten durchzustehen, und er muß auch 245

noch viele Hindernisse überwinden, um dieser Schule das Maß an Vertrauen zu erwerben, das die Eltern zum Besten ihrer Kinder haben wollen, und den Perfektions­ grad, den diese Schule für ihre Existenz braucht. Aber man kann alles erwarten von der unermüdlichen klugen Tatkraft des Herrn Zaaren, Maire von Brühl.“ In diesem Bericht hatThiraiart den rastlosen hohen Idealismus des Pfarrers Gareis und die zähe Beharrlichkeit des Maire Zaaren anerkennend gewürdigt. Zugleich läßt er aber erkennen, daß in Brühl eine Höhere Schule nur gedeihen konnte, wenn ihr ein gut geführtes Internat für auswärtige Schüler angegliedert war. Aus Brühl selbst konnten nach der damaligen Einwohnerzahl, Sozialstruktur und Qualität des Ele­ mentarunterrichts bestenfalls zwei Dutzend Jungen - der Gedanke, Mädchen auf eine Oberschule zu schicken, wäre damals als absurd empfunden worden - eine Ober­ schule besuchen. Indessen mißglückte der Versuch, ein Internat einzurichten. Franz Baudouin, den Gareis und Zaaren als „Ökonomen“ eingesetzt hatten, versagte, da er nicht die dafür erforderlichen Erfahrungen im „Hotelfach“ hatte180. Die Budgets der Schule für die Jahre 1810 und 1811 weisen nur noch 20 bzw. 23 „Externe“ (in Brühl wohnende Schüler), aber keinen einzigen Internatsschüler mehr aus. Offenbar kamen die wenigen Schüler, die auswärts daheim waren, - wie später Carl Schurz aus Liblar in langen Fußmärschen zum Unterricht oder sie wohnten privat bei Brühler Familien. Die geringe Schülerzahl - und damit das geringe Schulgeldaufkommen - wirkte sich auch auf die Lehrerschaft aus. Im Jahre 1809 schied nicht nur Schiller aus, um eine besser bezahlte Stelle in Köln zu übernehmen, sondern bald darauf auch noch Fuchs. Ihre Nachfolger wurden ein gewisser Linden und ein Geistlicher namens Hocken. Letzterer aber „legte ein so unmoralisches Betragen an den Tag“, daß Zaaren namens des Verwaltungsrats beim Rektor der Akademie Lüttich seine Entlassung erwirkte. So führte das Brühler College im Schuljahr 1811/12 nur noch ein Schattendasein. Am 17. Juni 1811 berichtete der Unterpräfekt dem Präfekten: „Die Ecole secondaire de Bruhl hat nur 23 externe Schüler. Ein Pensionat ist nicht eingerichtet worden und würde auch kaum Erfolg versprechen.“187 Aus dieser scheinbar hoffnungslosen Lage fand sich aber ein Ausweg: In Köln hatte ein gewisser Joh. Caspar Schug188 zusammen mit den Brüdern Johann und Gerhard Schumacher im Jahre 1803 ein privates Erziehungsinstitut gegründet. Durch die Vielseitigkeit seines Lehrplans und das hohe Unterrichtsniveau erwarb sich dieses Institut, dem ein Internat angegliedert war, bald weithin einen guten Ruf. Schon 1808 erhielt Schug vom Großmeister der Universität ein Diplom. Das Schuldekret von 1811 machte es aber unmöglich, das Institut in der bisherigen Weise als Privatschule weiterzuführen. Auch war es in Köln anscheinend räumlich sehr beengt. Deshalb beantragte Schug, als er von dem Zustande des Brühler College erfuhr, bei dem Rektor der Akademie Lüttich, ihm dieses College zu überlassen; er wolle seine Pensionäre dorthin mitnehmen175. Weil damit sowohl die Probleme des Brühler College als auch die des Schug’schen Erziehungsinstituts gelöst werden konnten, reichte der Rektor diesen Antrag befürwortend an den Großmeister der Universität 246

weiter, und so konnte der Unterpräfekt Klespe am 21. März 1812 - gerade noch rechtzeitig vor Beginn des Schuljahrs 1812/13 - dem Maire Zaaren mitteilen, daß Schug zum „directeur du College de Bruhl“ ernannt worden sei189. Schug schloß mit Zaaren einen Vertrag ab, durch den ihm das ganze geräumige Franziskanerkloster - das kraft des Kaiserl. Dekrets vom 9. April 1811 Eigentum der Gemeinde Brühl geworden war190 - zur unentgeltlichen Nutzung überlassen wurde, und siedelte mit seinen Lehrern und Schülern nach Brühl über. Bald nach der Übersiedlung entstanden aber Unstimmigkeiten, die Schug in einem Bericht schildert, den er dem Rektor der Akademie Lüttich erstattete1911 „Nach dem Gründungsakt (der Ecole secondaire) und den bisherigen Jahresrech­ nungen erhält das College von der Pfarrei jährlich einen Zuschuß von. . ., und die Stadt hat sich in dem selben Akt verpflichtet, jährlich. . ., zu zahlen. Diese beiden Einnahmeposten fehlen in dem (von Zaaren erstellten) Budget (für 1812), ohne daß man es für nötig hielt, mich darüber zu unterrichten. Da es sich hierbei um Rechtsan­ sprüche der Kaiserlichen Universität handelt, auf die zu verzichten ich nicht befugt bin und die ich kraft meines Amtes (als Prinzipal) verteidigen muß, bitte sich Sie um Weisung, wie ich mich in dieser Sache verhalten soll. Gestatten Sie mir gleichzeitig die Bemerkung, daß der Verwaltungsrat noch nicht in der durch das Kaiserl. Dekret vom 15. November 1811 vorgeschriebenen Weise192 gebildet worden ist. Diese Unkorrektheit gefährdet meine persönlichen Interessen. Das Protokoll über das College-Gebäude, das ich als wesentliche Grundlage (der Übersiedlung) erstellen ließ, bevor ich mein Amt (als Prinzipal) übernahm, muß durch einen vorschriftsmäßig gebildeten Verwaltungsrat genehmigt werden. Ich habe schon die Ehre gehabt, Ihnen Herrn Friedensrichter Schmitz, einen höchst ehrenwer­ ten Mann, als Ihren Delegierten zu empfehlen. Da ich auf meinen Brief bisher keine Antwort erhalten habe, gestatte ich mir, daran zu erinnern.“ Daraufhin wurde der Verwaltungsrat dem Dekret gemäß neu gebildet. Er bestand nun aus dem Maire Zaaren als Vorsitzer, dem Friedensrichter F. W. Schmitz als Delegierten des Rektors und den Conseillers municipaux L. Clausen und J. Kribben. Zuschüsse der Kirche oder der Stadt werden aber in den Budgets für 1812 und 1813 nicht mehr erwähnt. Schugs Bericht enthält außer den vorerwähnten Beschwerden noch manches andere Interessante. So bemerkte er zu den Problemen, die er vorfand: „Sie sind eine Folge des erbärmlichen („deplorable“) Zustands, in dem sich dieses College seit seiner Gründung befunden hat. Da die Schüler aus einer jämmerlichen („pitoyable“) Elementarschule kamen und weder richtig schreiben noch richtig lesen konnten, mußte man mit ihnen das ABC wiederholen. Die bisherigen Lehrer gaben sich keine Mühe und benutzten ausschließlich deutsche Elementarbücher; sie waren noch nicht einmal fähig, in französischer Sprache zu lehren. Aber der ausgezeichnete Geist, der alle Schüler beseelt, ihr Lerneifer, ständige Übung und die Anwesenheit französischer Schüler werden dazu beitragen, diese Schwierigkeiten zu überwinden und raschere Fortschritte zu machen.“ „Das Pensionat wird auf Rechnung des Prinzipals geführt. Er hat die Verantwor247

tung für das Wirtschaftswesen, den Schriftverkehr und die Wahrung der Anstaltsdiszi­ plin übernommen.“ „Die beiden ,regents‘ (Johann und Georg Schumacher) überwa­ chen die externen und die internen Schüler bei ihren Schularbeiten, in ihrer Freizeit und bei ihren Spaziergängen. Sie schlafen in den Schlafsälen.“ Caspar Schug, als „principal“, lehrte Latein Oberstufe, Griechisch und Mathema­ tik. „Man übt das Gedächtnis der Schüler dieser Klasse, indem man sie die schönsten Stellen klassischer lateinischer und französischer Autoren auswendig lernen und mit Sorgfalt vortragen läßt. Man unterrichtet sie auch in Geschichte und Mythologie.“ Johann Schumacher, als „1. regent provisoire“, lehrte Latein Mittelstufe, Franzö­ sisch und Arithmetik: Dezimalrechnung und metrisches System. Gerhard Schumacher, als „2. regent provisoire“, lehrte Latein Unterstufe, Franzö­ sisch und Arithmetik: die vier Grundrechenarten. „Herr Gareis, Pfarrer von Brühl und bisheriger Prinzipal, hat - als ,aumonier‘ — den Religionsunterricht übernommen.“ Ende 1812 wurde als dritter Lehrer noch Caspar Peters eingestellt, der etwa 1793 in Köln geboren war193. Nicht zum College, sondern zu dem von Schug auf eigene Rechnung geführten Internat gehörten noch zwei „maitres d’agrements”: Berthold Commender als Zei­ chenlehrer und Georg Schugt als Musiklehrer194. Nach dem Jahresbericht Schugs für 1812195, den Zaaren am 13. Januar 1813 dem Rektor einreichte, hatte das College 62 Schüler, davon 36 „pensionnaires“ und 26 „externes“. In dem gleichzeitig eingereichten Budget für 1813 rechnete Schug aller­ dings nur noch mit 20 Internatsschülern und 24 Externen; die politische und wirt­ schaftliche Krise, die nach Napoleons Rückzug aus Rußland das Kaiserreich erschüt­ terte, machte sich auch hier bemerkbar. Wie behördlich vorgeschrieben, wurde auch noch in den Jahren 1812 und 1813 der Kaiserkult gepflegt167. Gemäß einem Dekret des Großmeisters vom 2. April 1812 wurden alljährlich die besten Schüler mit einem vergoldeten, an einem Silberkettchen zu tragenden Orden ausgezeichnet, der den Kaiseradler zeigte196. Napoleon selbst erließ aus Witebsk am 31. Juli 1812 genaue Anweisungen für die von den Schülern der verschiedenen Lehranstalten zu tragenden Schüleruniformen. Hiernach sollten die Brühler Collegiens indigoblaue Anzüge mit gelbem Kragen, gelben Ärmelaufschlägen sowie Messingknöpfen mit der Aufschrift „College de Bruhl“ tragen197. Am 28. Juni 1812 empfahl der Rektor zwei den Kaiser verherrlichende Bücher und schloß seinen Brief mit den Worten: „Es ist Ihre Pflicht, Herr Prinzipal, und entspricht auch zweifellos Ihren Prinzipien, Ihre jungen Schüler zu größter Liebe zu unserem erhabe­ nen Monarchen und seiner Familie zu begeistern.“ Am 14. Januar 1814 brach aber dann die französische Verwaltung im Rheinland zusammen und damit auch die Eingliederung der rheinischen Schulen in das französi­ sche Schulsystem. Das „College de Bruhl“ verlor seine Rechtsform; sein Verwaltungs­ rat löste sich auf. Gestützt auf den mit Zaaren Anfang 1812 geschlossenen Vertrag über die Nutzung des Franziskanerklosters führte Schug seine Schule als reine Privat­ schule weiter. Von dieser Zeit ist aber hier nicht mehr zu berichten. 248

XXXV. Durch den Beschluß der Nationalversammlung vom 27. September 1791, unterzeich­ net von König Ludwig XVI. am 13. November 1791, waren die Juden in Frankreich zu Staatsbürgern mit allen Rechten und Pflichten erhoben worden. In den Landen links des Rheins erhielten sie volle Gleichberechtigung dadurch, daß diese Lande die vier rheinischen Departements - nach dem Frieden von Luneville durch das Gesetz vom 9. März 1801 der Französischen Republik einverleibt wurden. Schon vorher hatte der Regierungskommissar Rüdler im Zuge der Einführung der französischen Gesetze in den besetzten Gebieten die Gleichstellung der Juden schritt­ weise verwirklicht. Bereits am 16. März 1798 erlaubte die Munizipalität der Stadt Köln dem jüdischen Kaufmann Joseph Isaak aus Mülheim/Rhein, nach Köln überzu­ siedeln. Er war der erste Jude seit dem Jahre 1424, also seit mehr als dreieinhalb Jahrhunderten, der sich wieder in Köln niederlassen durfte. In Brühl, das zum Kurfüstentum Köln gehörte, hat es nie ein derartiges Aufenthalts­ verbot gegeben. Liier bestand von altersher - erstmals nachweisbar im Jahre 1369 immer eine, wenn auch kleine, Judengemeinde198. Das erste genaue Verzeichnis der zu Anfang des vorigen Jahrhunderts in Brühl lebenden Juden enthält die von dem Maire Gareis am 6. Fl. IX/26. April 1801 dem Unterpräfekten eingereichte Einwohnerliste, die hier in Kap. 17 abgedruckt ist. Wie beiläufige Erwähnungen in anderen Akten zeigen, waren die Brühler Juden damals durchweg „kleine Leute“, die in gutem Einvernehmen mit ihren katholischen Mitbür­ gern unauffällig für sich lebten: Ein Altwarenhändler und Pfandleiher, mehrere Viehhändler, darunter zwei Metzger199, Trödler und FFausierer. Diese Kehilla (Juden­ gemeinde) war zwar arm, leistete sich aber doch eine eigene Schule, in der Philipp David als „Vorsänger“ unterrichtete. In dieser Schule lernten die Judenkinder hebrä­ isch lesen und schreiben. Anscheinend konnten damals alle Brühler Juden zumindest ihre Unterschrift hebräisch leisten, während schätzungsweise 60% der christlichen Brühler Analphabeten waren. Die Einführung der Zivilstands-Register - am 1. Mai 1798 —warf für die Juden ein Problem auf: Zur Eheschließung mußten alle Brautleute dem Maire als Standesbeam­ ten ihre Geburtsscheine vorlegen. Das konnten die Juden nicht, weil es in ihren Gemeinden nicht üblich war, Geburten, Heiraten und Todesfälle zu registrieren. Deshalb mußten sie den Geburtsschein durch eine von sieben glaubwürdigen Perso­ nen zu Protokoll des Friedensgerichts abgegebene Erklärung ersetzen. In den Akten des Friedensgerichts Brühl findet man mehrere derartige Testate. Beispielsweise steht im Protokoll vom 24. Me. XI/13. Juli 1802200: Der Viehhändler Jonas Cain, Brühl, will Sara (Sprintz) Levi aus Coblenz, wohnhaft in Bonn, heiraten, kann aber keinen Geburtsschein beibringen. Deshalb stellt er als Zeugen: 1) seinen Onkel Michel Cain, Viehhändler, 2) seinen Stiefbruder Moises Cain, Viehhändler, 3) Philipp David, Schul­ meister, 4) Hirtz Cain, Althändler, 5) Joh. Baptist Knopf, Tuchhändler (Christ), 6) Christian Erckelentz, Zimmermann (Christ), 7) Henrich Duell, ohne Beruf (Christ). Diese bekunden, daß Jonas Cain der eheliche Sohn des Viehhändlers Levi Cain und der Rosette Voiss ist. Zusätzlich bekunden die Zeugen 1)—4), daß er nach 249

dem Vermerk auf dem Tuch, auf dem er beschnitten wurde, am 18. November 1767 in Brühl geboren wurde. Bei den Versteigerungen der vormals geistlichen Grundstücke boten Brühler Juden nicht mit; sie waren zu arm dafür. Nur Jacob Cahen aus Lechenich, ein Schwieger­ sohn des Brühler Viehhändlers Michel Cain/Kaufmann, erschien auf vielen Versteige­ rungsterminen, um kleine Schnäppchen zu machen. Er kaufte die Objekte aber nicht, um sie zu behalten, sondern immer nur, um sie bei nächster Gelegenheit weiterzuver­ kaufen. Die Freizügigkeit, die den Juden im Französischen Kaiserreich gewährt wurde, verursachte in den Jahren 1805/06 eine Landplage: Von weit her, sogar aus Ungarn und Galizien, kamen Betteljuden - „Schnorrer“ - einzeln und familienweise ins Land und mißbrauchten die Mildtätigkeit ihrer Glaubensgenossen. Kunde davon gibt ein Beschluß, den der Maire Zaaren und der Conseil Municipal am 10. Februar 1806201 faßten: „Das Bettelwesen, diese für die in der Nähe großer Städte liegenden Landgemein­ den so schädliche Plage, ist durch die Maßnahmen des Maire und das energische Durchgreifen des Polizeisergeanten stark zurückgegangen. Eine Art der Landstreiche­ rei bleibt aber noch auszurotten: das Herumziehen bettelnder Juden, die meist nicht einzeln, sondern mit ihrer ganzen Familie unterwegs sind. Die in der Mairie Brühl ansässigen Juden haben sich oft beklagt, daß es ihnen unmöglich sei, diesen Scharen von Bettlern das zu geben, was sie haben wollen, und alle bisher dagegen verfügten Maßnahmen sind wirkungslos geblieben. Der Maire und der Conseil Municipal sind überzeugt, daß die meisten dieser Bettler Nichtsnutze, Gauner und Diebe sind, die zu faul sind, in ihrem Geburtsland ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu erwerben. Deshalb beschließen sie aufgrund der Gesetze vom 22. Juli 1797 und 7. Fri. V folgendes Reglement: Art. 1 Allen Juden, die in der Mairie Brühl wohnen, ist strengstens verboten, bet­ telnde Juden, die zu Fuß oder in Wagen aus dem Ausland kommen, bei sich aufzunehmen. Art. 2 Die Pässe aller solcher Juden müssen sofort bei ihrer Ankunft dem MairieBüro vorgelegt werden. Art. 3 Kranke Juden, die in Wagen kommen, werden nicht aufgenommen, sondern sofort dorthin zurückgeschickt, woher sie gekommen sind. Wenn die Fuhr­ leute sich weigern, sollen sie polizeilich dazu gezwungen werden. Art. 4 Jeder Landstreicher, der keinen gültigen Paß hat, soll gemäß dem Gesetz vom 7. Fri. V behandelt werden, das bestimmt, daß jeder, der keinen festen Wohn­ sitz hat, in seinen Geburtsort zurückkehren muß; falls er sich weigert, wird er von der Gendarmerie zurückgebracht und mit 3 Monaten Haft bestraft. Art. 5 Dieses Reglement soll öffentlich bekanntgemacht werden. Ausfertigungen davon sollen den Gendarmeriebeamten und der Judengemeinde in Brühl zugestellt werden, damit alle wissen, wie sie sich zu verhalten haben.“ 250

Zu dieser Zeit sah sich auch Kaiser Napoleon veranlaßt, die den Juden gewährte Gleichberechtigung einzuschränken. Anlaß dazu war das Verhalten jüdischer Geld­ verleiher im Elsaß, die den durch die Versteigerung des vormals geistlichen Grundbe­ sitzes entstandenen Kreditbedarf202 in der Weise ausgenutzt hatten, daß sie an die Bauern Geld zu Wucherzinsen verliehen. Um Judenverfolgungen zu verhüten, dekre­ tierte Napoleon am 30. Juni 1806, daß ein Jahr lang kein von einem jüdischen Gläubiger erwirktes Urteil vollstreckt werden dürfe. In gleicher Weise dekretierte Kaiser Napoleon am 17. März 1808203, daß die Gerichte alle Zinsforderungen jüdischer Gläubiger auf 5% herabsetzen sollten und daß Darlehnsverträge, in denen mehr als 10% Verzinsung vereinbart war, nichtig seien. Auch bei an sich rechtmäßigen Forderungen sollten die Gerichte der Billigkeit entsprechende Zahlungsfristen gewähren. Für Brühl waren diese Dekrete gegenstandslos. Hier war kein Jude so reich, daß er - abgesehen von kleinen Pfandbeleihungen - Geld zu Wucherzinsen ausleihen konnte. Nach Einführung der Zivilstands-Register hatte sich als Hemmnis erwiesen, daß viele Juden keine festen Vor- und Familiennamen führten. Deshalb dekretierte Kaiser Napoleon am 20. Juli 1808, daß binnen 3 Monaten alle Juden, die keine festen Namen hatten, zu Protokoll des Maire Vor- und Familiennamen annehmen müßten. Die Familiennamen dürften nicht aus dem Alten Testament stammen und keine Ortsna­ men sein; Juden aber, die schon solche Namen hätte, dürften diese behalten. Am 16. September 1808 erließ der Präfekt Ausführungsbestimmungen zu diesem Dekret204 mit entsprechenden Formularen; in jeder Mairie mußte dafür ein besonde­ res Register angelegt werden. Diese Gelegenheit benutzten die Brühler Juden —obwohl alle schon längst Namen führten -, um nicht nur ihre Familiennamen, sondern auch ihre Vornamen zu ändern. Leider ist das Register der Mairie Brühl nicht überliefert; offenbar ist es wie so manches andere Aktenstück jener Zeit durch die Interesselosigkeit späterer Genera­ tionen verloren gegangen. Deshalb müssen hier die Namensänderungen aus anderen Akten - insbesondere Einwohnerlisten, Standesamtsregistern und Protokollen des Friedensgerichts - erschlossen werden. Das ist aber in fast allen Fällen zweifelsfrei möglich. Bezeichnend ist die Namens-Metamorphose der Familie, die in dem Haus Nr. 19 (heute Kölnstr. 4) wohnte: Im Jahre IX wohnten dort die Eheleute Abraham Levi und Moira Moses205; ihre Kinder hießen Sara, Baruch, Schmaul, Lina, Levi und Blümchen. 1809 dagegen hießen die Eltern Jakob Roos und Magdalena Moser; ihre Kinder hießen jetzt Wilhelmine, Heinrich, Philipp, Helene, Hermann und Gudula. Hirz Cain nannte sich 1809 Heinrich Hirsch; seine Frau Eckel nannte sich Anna. Der Pferdehändler Jonas Cain, der im Jahre XI die Sara Levi geheiratet hatte200, nannte sich Jonas Kaufmann, seine Frau nannte sich Cacilia. Dessen Stiefbruder Moses Cain nannte sich Moritz Kaufmann. Der Vorsänger Philipp David, als Sohn des Nathan David 1757 in Brühl geboren, nannte sich Philipp Sürth; seine Frau hieß nicht mehr Jachel, sondern Gudula. Sein Nachfolger als Judenschulmeister, der Viehhändler Markus Ochs, war ein Sohn des Aron Cahen aus Walberberg; dessen Frau Regine 251

hieß vor 1808 Rachel Levy. Der Trödler Samuel Noe in Vochem nahm den Namen Daniel Beer an. So findet man in der Einwohnerliste von 1809 ganz andere Namen als in der Liste von 1801; aber es waren meist die selben Leute. In der Einwohnerliste von 1809 ist auch Kunde von einer jüdisch-katholischen Mischehe überliefert, der ersten und für lange Zeit auch einzigen Mischehe, die es in Brühl gegeben hat: In dem Haus Nr. 225, einem kleinen Häuschen am Wall, wohnten als Mieter die Eheleute Michel Nathan und Agnes Riess. Er war Jude - ungewiß, ob aus der Brühler oder aus der Walberberger Familie Nathan —,sie war eine Tochter des angesehenen Brühler Kaufmanns - 1797 war er der letzte frei gewählte Bürgermeister der Stadt Brühl - Gottfried Riess. Diese Ehe war selbstverständlich eine Zivilehe, und sie ist auch nicht in Brühl beurkundet worden. Bemerkenswert ist aber, daß Riess so tolerant war, seine nach dem Code Civil erforderliche väterliche Einwilligung zu dieser Heirat zu geben und dem jungen Paar als Heimstatt das Haus Nr. 255 zu überlassen, das er 1808 —vielleicht zu diesem Zweck —gekauft hatte. Das junge Paar blieb allerdings anscheinend nicht lange in Brühl; nach 1809 wird es in Brühler Archivalien nicht mehr erwähnt. XXXVI. Nach der Niederlage Napoleons in der „Völkerschlacht“ bei Leipzig am 18. Oktober 1813 zogen sich die Reste seiner Großen Armee, hinhaltend Widerstand leistend, bis hinter den Rhein zurück. Aber auch hier konnten sie sich nicht mehr lange halten. In der Neujahrsnacht 1813/14 erzwang eine preußisch-russische Armee bei Kaub den Übergang über den Rhein, und eine Woche später gelang auch die Überschreitung des Niederrheins. Damit brach die französische Verwaltung in den rheinischen Departe­ ments zusammen. In der Nacht vom 13. zum 14. Januar 1814 erhielten alle in Brühl stationierten französischen Beamten - der Domänenverwalter Mallarme, die Douaniers (Zöllner) und die Gendarmen - den Befehl, sich nach Innerfrankreich abzusetzen. Nachts um 2 Uhr meldete sich ein Kurier bei dem Maire Zaaren und überbrachte ihm die Weisung, den Betroffenen sofort mitzuteilen, daß sie sich morgens um 7 Uhr am Kölntor zum Abtransport einzufinden hätten206. Damit endete abrupt eine Epoche, in der sich in Brühl in knapp 20 Jahren mehr verändert hatte als in einem halben Jahrtausend zuvor. Zum besseren verändert! Beim Einmarsch der Sansculottes im Oktober 1794 war das Kurfürstentum Köln in hoff­ nungslos überalterten Strukturen erstarrt207; beim Abzug der Franzosen im Januar 1814 hatten die Lande links des Rheins die Strukturen erhalten, durch die das damalige Frankreich den anderen Staaten, auch der preußischen Monarchie, um Jahrzehnte voraus war. Alle heutigen Strukturen im Rheinland wurzeln in der französischen Zeit, insbesondere der Zeit Napoleons; an die kurfürstliche Zeit erinnern heute nur noch Bauwerke. Sobald feststand, daß Napoleon die „Völkerschlacht“ verloren hatte, beschlossen die „Verbündeten Mächte“ - Rußland, Österreich, England, Preußen, Schweden 252

u. a. m. —noch in Leipzig am 20. Oktober 1813, für die in Deutschland eroberten Gebiete ein „Zentralverwaltungsdepartement“ unter Leitung des Frhn. vom Stein zu bilden. Aufgegliedert wurden diese Gebiete in „Generalgouvernements“. Für die niederrheinischen französischen Departements - darunter auch das Roer-Departement, zu dem Brühl gehörte - bildeten die Verbündeten Mächte am 12. Januar 1814 in Basel das „Generalgouvernement Niederrhein“, zu dessen Chef sie den preußi­ schen Geh. Staatsrat Sack ernannten. Am 10. März 1814 traf dieser an seinem Dienst­ sitz Aachen ein. Als geborener Rheinländer208 mit der rheinischen Mentalität vertraut, wußte Sack, daß es das beste war, einstweilen möglichst wenig zu verändern. Die durch die Flucht der französischen Beamten verwaisten Stellen besetzte er mit Rhein­ ländern: Anstelle des Präfekten des Roer-Departements setzte er den Düsseldorfer Gerichtsrat Bölling ein und anstelle des Unterpräfekten von Köln den Kölner Gerichtsrat v. Merken; zum Kantonskommissar209 für den Kanton Brühl ernannte er den Friedensrichter F. W. Schmitz. Amtssprache wurde selbstverständlich deutsch; aber nur für die deutschsprachigen Teile des Gouvernements; für die wallonischen Teile blieb französisch Amtssprache. Das Amtsblatt „Journal des Nieder-Rheins“ erschien zweisprachig. Im übrigen blieben die bestehenden Strukturen unverändert. Am 6. April 1814 dankte Kaiser Napoleon ab. An seiner Stelle ernannten die Verbündeten Mächte den Bruder des 1793 hingerichteten Königs Ludwig XVI. als Ludwig XVIII. zum König von Frankreich. Am 30. Mai 1814 mußte er in dem Frieden von Paris auf den größten Teil der rheinischen Departements verzichten. Um aber sein - ohnehin geringes - Ansehen beim französischen Volk nicht noch mehr zu verrin­ gern, beließen die Verbündeten nicht nur das Elsaß und Deutsch-Lothringen, sondern auch das Saargebiet und die Südpfalz bei Frankreich. Im Frieden von Paris erhielt der König von Preußen eine Anwartschaft auf den größten Teil der abgetretenen rheinischen Departements. Für diese Gebiete wurde am 31. Mai 1814 das „Generalgouvernement Nieder- und Mittel-Rhein“ gebildet. Gene­ ralgouverneur blieb Sack; er unterstand aber jetzt nicht mehr den Verbündeten Mächten, sondern dem König von Preußen. Am 16. Juni 1814 gab er in seinem Amtsblatt - das jetzt „Journal des Nieder- und Mittel-Rheins“ hieß - bekannt, daß die Länder links der Mosel provisorisch von preußischen Truppen besetzt seien und die Revenuen (Einkünfte) aus denselben zu den preußischen Kassen eingezogen würden. Zur Aufteilung der Kriegsbeute —zur „territorialen Neuordnung Europas“ - trat im Herbst 1814 ein großer Kongreß in Wien zusammen. Monatelang wurde nun über diese Aufteilung gefeilscht. Rechnungseinheit bei diesem Schachern war die „Seele“; die Gebiete wurden nach ihren „Seelenzahlen“ verteilt; selbstverständlich wurde keine Seele gefragt, wen sie als neuen Landesherrn haben wollte. Den Löwenanteil der rheinischen Seelen erhielt der König von Preußen. Aber auch „Mitläufer“ gingen nicht leer aus: Nach Art. 49 der Wiener Schlußakte vom 8. Juni 1815 erhielten der Herzog von Sachsen-Coburg 20 000, der Herzog von Oldenburg 20 000, der Herzog von Mecklenburg-Strelitz 10 000, der Landgraf von HessenHomburg 10 000 und der Reichsgraf von Pappenheim 9000 rheinische Seelen210. 253

Schon Anfang April 1815 war man sich darüber einig geworden, welche Gebiete der König von Preußen am Niederrhein erhalten sollte. Am 5. April 1815 stellte König Friedrich Wilhelm III. in Wien feierlich zwei „Patente“ aus: In dem einen ergriff er Besitz von den Herzogtümern Cleve, Berg, Geldern, dem Fürstentum Mors und den Grafschaften Essen und Werden. In dem zweiten ergriff er Besitz von den andern ihm zugesprochenen rheinischen Landen, die er zu dem „Großherzogtum Nieder-Rhein“ zusammenfaßte. Am Pfingstmontag, dem 15. Mai 1815, ließ sich dann Friedrich Wilhelm als „Groß­ herzog vom Nieder-Rhein, Herzog von Cleve, Berg und Geldern, Fürst von Mörs und Graf von Essen und Werden“ in Aachen, das er als „uralte Krönungsstadt“ dafür ausersehen hatte, von seinen neuen Untertanen huldigen. Er kam allerdings nicht persönlich nach Aachen. Das war ihm zu gefährlich, denn eine Armee Napoleons stand nur 50 Meilen westlich; erst 5 Wochen später wurde sie bei Waterloo besiegt. Um diese Armee in Schach zu halten, war General Gneisenau, der eigentlich seinen König bei der Huldigung vertreten sollte, in Lüttich unabkömmlich. Deshalb mußten Gneisenaus Stabschef und Sack die Huldigung entgegennehmen. Trotzdem verlief dieser Staatsakt nach einem wohldurchdachten Plan sehr feierlich211. Zu der Huldigung entsandten „die Stadträte des Amts Brühl“ - L. Clausen, P. Schieffer, P. J. Decker, A. Spürck, J. Knott, J. Kribben, P. J. Müller, G. Riess und J. Gottlob - den Bürgermeister F. J. Zaaren als Vertreter des Kantons Brühl212. Auch Gareis mußte als Kantonspfarrer seinem neuen Landesherrn huldigen. Am 22. April 1816 wurden das Großherzogtum Nieder-Rhein, die Herzogtümer Cleve, Berg und Geldern sowie das Fürstentum Moers und die Grafschaften Essen und Werden zu der Provinz Jülich-Cleve-Berg zusammengefaßt; Dienstsitz des Ober­ präsidenten - Graf Solms-Laubach - wurde Köln. Gleichzeitig wurde die Provinz Niederrhein (!) gebildet, deren Oberpräsident - Frhr. v. Ingersleben - seinen Dienst­ sitz in Koblenz erhielt213. Die Eingliederung der Rheinlande in die preußische Monarchie warf eine Grund­ satzfrage auf: Sollte das in den Rheinlanden geltende französische Recht weiter gelten oder sollten die altpreußischen Gesetze - insbesondere das „Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten“ vom Jahre 1794 - auch in den neupreußischen Gebieten eingeführt werden? Einflußreiche preußische Juristen wie der Rechtsgelehrte C. F. v. Savigny und der Justizminister F. C. v. Kircheisen setzten sich für die Übernahme des preußischen Rechts ein. Die rheinischen Juristen dagegen, vor allem H. G. W. Daniels214, zeigten die Probleme auf, die entstehen würden, wenn man die buntscheckigen und in vielen Bereichen völlig überalterten altpreußischen Rechtsvorschriften auch im Rheinland einführen würde, das seit Napoleon eine klare, übersichtliche und zeitgemäße Rechts­ ordnung besaß, mit der die Bevölkerung zufrieden war. Daniels’ Denkschriften überzeugten. Am 19. November 1818 verfügte König Fried­ rich Wilhelm III. durch eine Kabinettsordre, daß die in seinen beiden rheinischen Provinzen geltenden - französischen - Rechtsvorschriften einstweilen in Kraft bleiben sollten215. 254

Dieses „einstweilen“ dauerte für das Zivilgesetzbuch - den „Code Civil“ oder „Code Napoleon“ vom Jahre 1804 - noch 80 Jahre lang. Als „Rheinisches Recht“ galt der Code Civil in den Landen links des Rheins noch bis zum 31. Dezember 1899; erst am 1. Januar 1900 wurde er durch das nicht nur in Preußen, sondern im ganzen Deutschen Reich geltende Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) abgelöst. Die anderen französischen Gesetze wurden schon früher, nach und nach im Laufe von Jahrzehnten, durch preußische oder Reichsgesetze ersetzt. Fast immer waren aber die neuen Gesetze im wesentlichen den französischen Gesetzen nachgebildet. Es dauerte Jahrzehnte, bis sich die Preußen und die Rheinländer aneinander gewöhnt hatten und die ostelbischen Preußen nicht mehr als Besatzer empfunden wurden. Die Altpreußen haben dabei viel von den napoleonisch geprägten Rheinlän­ dern gelernt. Den rheinischen Landbürgermeistern fiel es besonders schwer, sich an den preußi­ schen Obrigkeitsstaat zu gewöhnen. Am 31. Mai 1817 verzichtete Zaaren auf seine Bürgermeisterstelle, weil er mit den ihm Vorgesetzten Behörden nicht zurechtkam216. Zu seinem Nachfolger wurde der Arzt Dr. Adam Josef Scholl ernannt, der schon seit dem 6. November 1809 Maire/Bürgermeister von Hürth gewesen war217. Bald nach seiner Amtsübernahme mußte Scholl dem Landrat einen Bericht über die Verschul­ dung der Gemeinde Brühl einreichen. Obwohl deutsch schon längst alleinige Amts­ sprache war und obwohl Scholl deutsch sicher besser konnte als französisch, schrieb er seinen Bericht am 4. November 1817 (!) als „Etat des dettes de la Commune de Bruhl, ci-devant Departement de la Roer“, unterzeichnet von „Bourguemaitre et membres du conseil municipal de la mairie de Bruhl“218. Diese Trotzgebärde läßt ahnen, daß Scholl kein sehr gehorsamer preußischer Untertan gewesen ist. Immerhin blieb er aber noch bis 1845 im Amt. 1 Die vorhandenen Magazinbestände reichten bei weitem nicht aus, die neu aufgestellten Truppenverbände in herkömmlicher Weise mit Uniformen und Waffen zu versehen. Deshalb trugen diese Freiheitskämpfer zunächst durchweg ihre eigene Kleidung, und da sie meist aus den ärmeren Volksschichten kamen und nicht wie wohlhabende Bürger „culottes“ (Kniebundhosen), sondern „pantalons“ (lange Hosen) trugen, nannten sie sich klassenbewußt „Sansculottes“. 2 Am 4. Oktober 1794 überfielen ungarische Esterhazy-Husaren die Abtei Brauweiler und verwüsteten alles, was sie vorfanden. „Die Geistlichen wurden samt ihrer Dienerschaft verjagt. Alle Tore und Türen wurden aufgebrochen. Alle Weinfässer, insgesamt 15 Fuder Wein enthaltend, wurden zerschlagen, das Vieh mit Säbeln zusammengehauen, die Bücher der Bibliothek und die Akten der Wirtschaftsverwaltung zerrissen und ver­ streut; alle Wäschevorräte, alles Hausgerät, alle Lebensmittel wurden geraubt oder verdorben.“ J. Hansen, Quellen zur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der Französischen Revolution 1780 —1801, Bd. III, Bonn 1935, S. 246. 3 „Die ausschweifenden Handlungen der auf der Retirade sich befindenden K. K. Trouppen sind leider allenthal­ ben bekannt, so daß man auch zu Badorf und am ganzen Vorgebirg am 5.ten 8.ber von den Husaren die stärkste Plünderung und Gelderpressung hat verschmerzen müssen.“ HStAD M 4- R (Bestand „Zwischen Maas und Rhein“), Nr. 1313. 4 M + R 1904 —Der Bericht des Bürgermeisters Müller vom 23. Oktober 1794 enthält auch statistische Zahlen: Brühl hatte damals 1256, die dazu gehörenden Dörfer Kirberg, Heid und Pingsdorf zusammen 685 Einwohner. In Vochem lebten 334 Einwohner in 61 Häusern, in Badorf 741 in 126 Häusern, in Schwadorf 288 in 53 Häusern.

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M + R Nr. 1183. M + R Nr. 1862. M + R Nr. 1313. „Volksrepräsentanten“ nannte man die Politkommissare, die der Nationalkonvent, damals das Oberste Organ der Französischen Republik, zu den Armeen abgeordnet hatte. M + R Nr. 42. - Peter Müller wohnte vor dem Kölntor an der Stelle, an der sich heute der „Schloßkeller“ befindet. StAB Akten 29, 17. Die bei Gericht hinterlegten Gelder und Wertsachen waren schon am 27. September 1794 in die städtische Archivtruhe gelegt worden, die in der Sakristei von St. Margareta stand. In Schwadorf stand der Zehnt dem Pfarrer zu und bildete einen wesentlichen Teil seiner Besoldung. Anschei­ nend hatte Pfarrer Bremmer die Zehntfrüchte, die er im Herbst 1794 erhalten hatte, nicht verkauft, sondern im Pfarrhaus eingelagert; in unruhigen Zeiten sind Naturalien wertvoller als bares Geld. M + R Nr. 1907. M + R Nr. 1313. HStAD RD Nr. 3442. HAK Franz. Verw. Nr. 554. M + R Nr. 1202. Darin ein Inventar der Schallenburg. StAB Akten 34, 1. M + R Nr. 1900. Da das Bürgerhaus durch einquartierte Truppen verwüstet war, tagte die Munizipalität im Oratorium.

22 Die Maires und Beigeordneten waren Ehrenbeamte, die nur Aufwandsersatz für ein Dienstpferd u. dgl. erhielten. Die Schreiber und Boten dagegen wurden besoldet. Sie weigerten sich aber, „Assignaten“ anzuneh­ men, das von den Franzosen ausgegebene Papiergeld, das schon am 9. Oktober 1794 zum alleinigen gesetzli­ chen Zahlungsmittel erklärt, aber durch hemmungsloses Drucken von Scheinen bald wertlos geworden war. Sie wollten nur für „klingende Münze“ arbeiten. So erhielt der Munizipalitätsschreiber Stein, „welcher unmöglich jetz bey dem so gefallenen Cours der Assignaten für Papier arbeiten kann, weilen er sich seinem Dienste ganz widmen muß und nichts darneben verdienen kann“ (StAB Akten 34, 1) täglich 20 Stüber (heutige Kaufkraft etwa 10 DM), der Dolmetscher Grein ebensoviel, die beiden Boten je 15 Stb. Wegen der Wertlosigkeit dieses Papiergeldes blühte der Tauschhandel. Gute Gewinne machten dabei die Domänenpächter; sie bezahlten ihre Pachten mit Assignaten, die sie billig ankauften (M + R Nr. 2107). 23 24 25 26 27 28 29 30

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StAB Akten 29, 17. M -I- R Nr. 80. M + R Nr. 1862. StAB Akten 29, 19. Über die Anlaufschwierigkeiten der 1783 auf Veranlassung des kurfürstlichen Akademierats eingerichteten Franziskanerschule vgl. F. Wündisch in BHB 1959, 9. Jedenfalls die Beamten, deren Planstelle schon im Jahre 1600 bestand. Auch als Gnadengehälter und „Prove­ nen“ (Armenpfründen) wurden meist Naturalien gewährt. StAB Akten 16. - Soweit im folgenden Text Schriftstücke aus dem Stadtarchiv Brühl zitiert werden, sind die einzelnen Fundstellen nicht besonders angegeben. Interessenten können sie beim Stadtarchiv erfragen. Diese Liste ist mit einer heutigen „Einheitswert“-Liste nicht zu vergleichen. Sie lieferte nur den Schlüssel, nach dem der von der Stadt Brühl zu zahlende Simpel-Betrag auf die einzelnen pflichtigen Grundstückseigentümer umgelegt wurde. Der Brühler Burghalfe ließ im Brühler Gebiet 200 Schafe weiden. Sein Schafstall stand am Markt, also im besten Wohngebiet, an der Stelle der heutigen Häuser Markt 4 —8. - Noch in den 1790er Jahren trieben die beiden städtischen Schweinehirten täglich etwa 250 Schweine aufs Brachland —die im Mittelalter übliche Dreifelderwirtschaft bestand in Brühl noch bis zum Ende der Kurfürstenzeit - oder in den Wald. Indizien für die Art und Höhe der jeweiligen Erträge liefern die Zehnt-Verpachtungen. Die Zehnt-Pachtver­ träge des St. Ursulastifts, das in einem großen Teil des Brühler Gebiets zehntberechtigt war, sind aus der Zeit

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von 1496 bis 1795 fast lückenlos erhalten. Auch die Halfen-Pachtverträge - aus dem Brühler Raum sind fast 100 Verträge erhalten - liefern interessante Aufschlüsse. Vgl. Kap. 21 Abschn. XV. Nicht alle Halfen waren wohlhabend. Der einzige, der so „reich“ war, daß er größere Beträge ausleihen konnte, war der Vochemer Fronhalfe Johann Bollig; woher dieser Reichtum stammte, ist nicht bekannt. Andererseits ging der Daberger Hälfe Wilhelm Fasbender in Konkurs, und der letzte Brassartshalfe Johann Meuffeler starb als Bettler. Als Geld bezeichnete man damals nur „klingende Münze“. Im Erzstift Köln bestanden gleichzeitig drei Währungssysteme - Reichsthaler, kölnische Thaler und Gulden im Umlauf waren über 100 Münzsorten, deren Nennwert meist nicht ihrem Verkehrswert entsprach. Fast alle Bewohner der kölnischen Lande waren verpflichtet, ohne besondere Vergütung Wege und Straßen mit Hacke und Schaufel - als „Handdienste“ - instandzuhalten und, wenn sie Gespanne hatten, diese - als „Spanndienst“ -jia fü r zu stellen. Wer es sich leisten konnte, stellte für diese Arbeiten Ersatzleute, die er aus eigener Tasche bezahlte. Jeder Halfen-Pachtvertrag enthielt die Klausel, daß der Hälfe für den Verpächter eine bestimmte Anzahl von Fuhren nach Köln oder nach Bonn unentgeltlich leisten mußte; oft waren auch „Holzfuhren“ aus der Ville oder „Weinfuhren“ vom Vorgebirge zu leisten. Außerdem waren mehrere Höfe - die „Diensthöfe“ - zu unentgeltlichen Fuhrleistungen für die kurfürstliche Kellnerei verpflichtet; ein Relikt mittelalterlicher Lehnsab­ hängigkeit. Die Bender Müller, die keine Pferde hielten, mußten für Transporte des Klosters Benden ihre Esel zur Verfügung stellen. Deshalb konnte die in Abschn. IV beschriebene Verwaltungsreform in Kurköln reibungslos durchgeführt werden. Sie entsprach den Wünschen der fortschrittlich Denkenden im Lande. M + R Nr. 1900; StAB Akten 34, 3 f. 2. - Lievenbrück, etwa 1766 in Köln geboren, Jurist, „Patriot“, war schon am 25. September 1795 von Eichhof als „Actuarius bey Verfertigung des neuen Katasters“ nach Brühl geschickt worden. Hackspiels Krankheit war vermutlich nur ein Vorwand. Als Besitzer einer gutgehenden Bäckerei und Gastwirt­ schaft hatte er es nicht nötig, das damals so dornige Amt eines Beigeordneten zu übernehmen. - Anders Martini. Dessen Apotheke am Markt - die heutige Kurfürstenapotheke - warf in dem armen Städtchen Brühl offenbar so wenig ab, daß er ein Zubrot brauchte. M + R Nr. 1900; StAB Akten 34, 4 f. 29. - Clausen, geb. am 19. Dezember 1771 in Hückeswagen, Jurist, „Patriot“, wohnte 1795 in Rondorf, wro er sich als Winkeladvokat betätigte. Später lebte er als „homme de loi“ in Köln. Am 4. Ge. IV/24. März 1796 schrieb Eichhof an Martini: „Aus einem Schreiben, welches Sie an den Mumcipal Beamten Clausen erlassen haben, ersehe ich, daß Sie auf Ihrer Gesinnung, der Stelle, welche Sie bisher bekleideten, entlassen zu werden, bestehen; auch sich schon itzt mit keinen Geschäften mehr befassen wollen. Da ich keinen Menschen zu zwingen denke, so bin ich es zufrieden, daß Sie den Municipalitaets Sitzungen weiter nicht beiwohnen und die etwa noch unvollendeten Arbeiten Ihren bisherigen Kollegen abtreten. Uebrigens haben Sie meinen aufrichtigen Dank dafür, daß Sie mir in dieser schweren Zeit geholfen haben, dem Landmann und Bürger seine Last so viel wie möglich zu erleichtern.“ (StAB 34, 6 f. 21). Das Wort „Miethling“ zeigt, wie sehr der Bürgerstolz der Brühler durch die Bestellung eines Fremden als Berufsbürgermeister verletzt worden war. 1799 war Clausen einer der drei Männer, die Dorsch dem Kommissar Biergans als „besonders zuverlässige Patrioten“ bezeichnete. (Roer-Dep. Nr. 2755 f. 142). Vermutlich stand er in Diensten der französischen Geheimpolizei. M + R Nr. 1900. Das Königreich Preußen schied am 5. April 1795 durch den Friedensvertrag von Basel aus dem Bündnis aus. Dem König von Preußen war der Landerwerb im Osten, der ihm durch die Teilung Polens ermöglicht wurde, wichtiger als die Verteidigung des Reichs im Westen. In einem Geheimartikel zu diesem Vertrag verzichtete Preußen auf seine linksrheinischen Landesteile. Damit war wohl gemeint, daß nur etwa 50 Hausbesitzer zahlungsfähig waren. Da niemand in der Stadt überzähliges Vieh besaß, mußte die Stadt das von ihr angeforderte Fleisch jeweils über Viehhändler kaufen.

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48 „Militär-Exekution“ war die damals übliche Form der Zwangsvollstreckung wegen Öffentlicher Abgaben: In das Haus des säumigen Schuldners wurde Einquartierung gelegt, die so lange verpflegt und mit 30 Stübern je Mann und Tag besoldet werden mußte, bis die geschuldete Leistung erbracht war. Da solche Einquartierungen immer sehr lästig waren, taten die Schuldner ihr möglichstes, sie bald wieder loszuwerden. 49 Die Soll-Listen der Zwangsanleihe. 50 In den französischen Armeen hatten auch in den Revolutionsjahren keineswegs alle Offiziere und Mannschaf­ ten den gleichen Lebensstandard. Insbesondere besaßen die Generäle große Privilegien. Sie konnten überall die besten Quartiere beanspruchen und konnten verlangen, daß für ihre Mittags- und Abendtafel die Speisen und Getränke geliefert wurden, die sie wünschten. Dieses Privileg verursachte den quartierpflichtigen Gemein­ den sehr hohe Kosten, zumal es meist mißbraucht wurde. Umfangreichen Schriftwechsel über die Ausgaben der Stadt Brühl für solche Generals-Tafeln enthält die Akte M 4- R Nr. 142. 51 Uber die Bestellung eines zweiten Beigeordneten hat es offenbar einen Schriftwechsel gegeben, der in dem Bestand M + R abgelegt sein müßte. Er ist aber bisher noch nicht aufgefunden worden. 52 Mitglied dieser Dreier-Kommission war J. F. Procureur, geb. 1768 in Monchin Dep. N ord. Am 8. Februar 1796 wurde Procureur zum Verwalter des Kantons Köln erftannt; 1797 war er dann Nationalagent in Geldern, wo er sich durch seine Arroganz verhaßt machte. —Anstelle der Dreier-Kommission setzte das Directoire durch Dekret vom 28. Fl. IV/17. Mai 1796 Generaldirektoren ein, und zwar zunächst - ab 5. Pr./24. Mai - Poissant und am 17. Me./5. 7. Pruneau. - Nach J. Hansen, Quellen. . ., Bd. III, S. 733 ist das Dekret vom 14. Pl. IV nicht durchgeführt worden. Die im Text erwähnten Schreiben der Kommission zeigen aber, daß sie doch kurze Zeit tätig war. 53 In Kurköln wurden alle Beamte von Alters her als „Diener“ (des Kurfürsten) bezeichnet und von ihren Vorgesetzten mit „du“ angeredet. Der Geh. Hofrat v. Gerolt hat diese Gewohnheit, Untergebene mit „du“ anzureden, auch nach dem Umsturz beibehalten. —Anders Eichhof: Da er kein altgedienter Beamter war, redete er seine Untergebenen dem Zeitgeist entsprechend als „Bürger“ mit „Ihr“ an. 54 StAB Akten 34, 12 f. 11. - Die französischen Schreiben und Protokolle werden im Text vom Verfasser frei übersetzt wiedergegeben. Allerdings mit dem Bemerken: „Une traduction est comme une femme; si eile est belle, eile n’est pas fidele; si eile est fidele, eile n’est pas belle.“ Eine Übersetzung ist wie eine Frau: Wenn sie schön ist, ist sie nicht treu; wenn sie aber treu ist, ist sie nicht schön. 55 Interessant ist ein von 19 Orts Vorstehern unterzeichnetes Protokoll vom 1. Vd. V/23. September 1796 (StAB Akten 34, 12 f. 26): Selbstsichere Männer Unterzeichneten wie bisher als „Vorsteher“, Titelsüchtige dagegen als „Bürgermeister“. 56 Diese Bezeichnung entsprach dem Art. 181 der Verfassung vom 3. Fru. III/22. August 1795, die allerdings im Rheinland erst am 4. Pl. VI/23. Januar 1798 rechtlich in Kraft gesetzt wurde. 57 Lievenbrück wurde erstmals am 1. Vd. V als „president“ angeredet. Martini wurde am 3. Br. V als „Administrateur municipal“ und am 7. Vt. V als „vicepresident“ bezeichnet. 58 Zur Unterstützung der Ortsvorsteher bei der Zuweisung der Quartiere wählte die Bürgerschaft jeweils zwei Quartiermeister. 59 Derartige Beschlüsse wurden üblicherweise von der Kanzel der Pfarrkirche verkündet und meist auch am Bürgerhaus und an den beiden Stadttoren angeschlagen. 60 Gabriel Ignaz Seidlitz (1748—1832) war Kaufmann und wohnte im Haus „Zum Stern“, das er 1787 gekauft hatte. Theodor Ningelgen (1750—1810) war seit 1776 Burbacher Hälfe; vom 29. Ni. VI bis zum 6. Fri. VIII war er Agent Municipal von Brühl. 61 Um die Kosten der Generalstafeln (Anm. 50) zu begrenzen, verfügten der Generaldirektor Pruneau und der Ordonnateur en chef Alexandre durch ein gemeinsames Dekret vom 13. Br. V/9. November 1796, daß die Lieferpflichten durch pauschale Geldzahlungen abgelöst werden sollten. Nach diesem Dekret standen je Tag einem Divisionsgeneral 15 Livres und einem Brigadegeneral 9 Livres zu. 62 Galls selbstsicheres Auftreten imponierte Soult offenbar. Lievenbrück wäre in dieser Lage wahrscheinlich kurzerhand verhaftet worden. 63 In dem Haus „Zum großen Ochsen“ (heute Kölnstr. Nr. 5) bewohnte der Eigentümer, Amtsverwalter Joh. Andreas Hertmanni, damals das Erdgeschoß. Im Obergeschoß residierte General Soult.

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64 K. Th. F. Bormann und A. v. Daniels, Handbuch der .Gesetze, aus der Zeit der Fremdherrschaft, Bd. VI, Köln 1841, Nr. 193. 65 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 194. 66 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 195. 67 In einer Proklamation vom 25. Pr. V (Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 209) erklärte Hoche: „Im Gefolge der Armee gibt es eine zweite Armee von Leuten, die sich administrateurs, employes, agens etc. etc. nennen und sich von den Magistraten der Orte, an denen sie sich einnisten, ernähren, beherbergen und oft auch bezahlen lassen.“ „Die Gerechtigkeit erfordert, die Verwalteten von dieser unerträglichen Bürde zu befreien, die sie ruiniert und der Armee nicht im geringsten nützt.“ „Es ist allgemein bekannt, daß mindestens vier Fünftel dieser employes keinen amtlichen Auftrag haben und auch gar nicht haben können.“ 68 Am 24. März 1797 bat die wiedereingesetzte „kurfürstliche“ Regierung in Bonn die ihr erreichbaren Domher­ ren, Grafen und Ritter sowie die Städte Andernach, Neuss, Bonn und Ahrweiler, die schon vor 1794 geführten Landtags-Verhandlungen über den Abbau der Steuerprivilegien wieder aufzunehmen. Darüber wurde dann im Sommer und Herbst 1797 viel geredet und geschrieben (vgl. K. Essers, Verhandlungen und Kämpfe der kurkölnischen Landstände um die Steuergleichheit 1790—97, Gotha 1909). Unnachgiebig beharrten aber die privilegierten Stände, insbesondere die Domherren, auf ihren altverbrieften Vorrechten; sie wollten nicht wahrhaben, daß eine Wiederherstellung der früheren Zustände im Erzstift nach Lage der Dinge völlig ausgeschlossen war. Die Stadt Brühl - obwohl von Alters her Mitglied der Städtekurie des Landtags - beteiligte sich nicht an diesen Verhandlungen. Offenbar wollten die Brühler ihr knappes Geld nicht für müßiges Gerede im luftleeren Raum ausgeben. 69 M + R Nr. 2127 (Protokolle des Consilii Regiminis) f. 24 r. 70 Vgl. Kap. 10, Abschn. VII. 71 Max Friedrich Frhr. Walbott v. Bornheim war am 28. Juni 1793 als Nachfolger seines Vaters Clemens August zum Amtmann von Brühl bestellt worden. Er war der letzte Brühler „Amtmann alter A rt“. 72 M + R Nr. 2127 f. 23 r. 73 M + R Nr. 2127 f. 118. 74 In den überlieferten Brühler Archivalien findet sich kein Hinweis auf das Bestehen einer Cisrhenanen-Bewegung. 75 Druckstück in M + R Nr. 2132 f. 206. 76 Gail war, nachdem er am 21. März 1797 seine Stelle als Munizipalpräsident in Brühl verloren hatte, in Bonn als Universitätsprofessor und als Secretaire Interprete der Commission Intermediaire tätig. 77 J. Hansen, Quellen zur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der Französischen Revolution 1780—1801, Bd. IV Bonn 1938, S. 122. 78 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 219. 79 Jakob Gänsen, geb. etwa 1768 in Bonn, hatte sich schon seit März als Sekretär des kranken Amtsverwalters Andreas Hertmanni mit dessen Amtsgeschäften vertraut gemacht. In Brühl war er später von Mai 1798 bis Oktober 1807 Friedensrichter und von 1810 bis zu seinem Tode 1840 Notar. —Ein Kuriosum: Am 3. November 1797 Unterzeichnete Gänsen ein Gerichtsprotokoll mit dem Titel „Amtmann“, und Schultheiß Hertmanni Unterzeichnete einen Protokollauszug mit dem Titel „Amtsverwalter“ (StAB Akten 29, 22). 80 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 226, 81 Hansen a. a. O . IV S. 392. 82 M + R Nr. 581. Das darüber ausgefertigte Protokoll ist mit dem - gut erhaltenen - Brühler Stadtsiegel bekräftigt. Soweit bisher bekannt, ist hier das alte Stadtsiegel zum letzten Mal verwendet worden. 83 M + R Nr. 1851 f. 90. 84 M + R Nr. 581. 85 Nach seiner Absetzung als Munizipalpräsident am 17. Oktober 1796 wurde Lievenbrück zunächst von dem Amtsverwalter Andreas Hertmanni und dann von dem Amtmann Gänsen als Sekretär beschäftigt. Vom 17. Januar bis zum 13. Februar 1798 war er Oberkellner in Brühl. Dann wurde er Regierungskommissar im Kanton Lechenich. Am 11. Br. VII/1. November 1798 wurde er zum Notar in Lechenich bestellt. 86 M + R Nr. 581.

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87 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 231. Franz Josef Rüdler - die Schreibweise Rudler sollte der französischspra­ chigen Literatur Vorbehalten bleiben - wurde 1757 in Gebweiler/Oberelsaß geboren. 88 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 241. 89 Die Einwohnerzahlen sind dem Tableau General entnommen, das bei Bormann-Daniels a. a. O. VI S. 482 abgedruckt ist. Ungedruckt sind bisher Listen aus den Jahren III und V (LHA Koblenz 241/69 f. 18 und 241/406 B), deren Zahlen geringfügig abweichen. Zuverlässige Grundlage aller späteren Statistiken ist die Namensliste, die von der Munizipalität Brühl am 17. Fl. VII der Zentral Verwaltung eingereicht wurde (HStAD RD Nr. 1721 J). 90 M + R Nr. 581. - Vgl. C. v. Grumbkow, Der rhein. Jakobiner Franz Theodor Mathias Biergans (1768 —1802), Heidelberger Magisterarbeit 1977. —Die Brühler Archivalien zu Biergans konnte v. Grumbkow nicht benut­ zen, da das Brühler Stadtarchiv 1975 noch nicht erschlossen war. 91 M + R Nr. 581. 92 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 252. 93 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 254. 94 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 265. 95 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 268. 96 HAK Franz. Verw. Nr. 1884. Die Ausführung dieses Dekrets in Brühl ist in MBG, S. 116, dargestellt. 97 Bormann-Daniels a. a. O . VI Nr. 286. 98 Am 1. Ge. VI forderte der Regierungskommissar Dorsch alle Kantonkommissare auf, in ihren Kantonen „Patriotische Zirkel“ zu gründen und die Einreichung von Reunionsadressen zu veranlassen. (LHA Koblenz 241/635, S. 65.) 99 Hansen a. a. O. Bd. IV S. 661. 100 Dieser Text liegt unter der Signatur F.l.C.III. Roer 3,4 in den Archives Nationales, Paris. Herrn Prof. Dr. Bers sei für die Beschaffung einer Ablichtung auch hier herzlich gedankt. Stil und Zeichensetzung dieses Textes zeigen, daß er aus dem Stegreif niedergeschrieben worden ist. Hansen bringt a. a. O. Bd. IV, S. 667, einen französischen Text, der wahrscheinlich eine gleichzeitig von Biergans gefertigte und beglaubigte Übersetzung ist; das von Hansen angegebene Datum 1. Fl. VI/20. April 1798 dürfte ein Lesefehler sein. Den französischen Text hatte ich - frei übersetzt - in MBG, S. 108, gebracht. Dabei hatte ich, da ihm keine Unterschriften beigefügt waren, vermutet, daß er von Pfarrer Gareis verfaßt worden sei. Diese Vermutung ist jetzt durch die Auffindung des deutschen Textes mit den Unterschriften widerlegt worden. 101 Wie bereits erwähnt, waren am 18. Fru. V/4. September 1797 im Direktorium durch einen Staatsstreich Radikale an die Macht gekommen, welche die Französische Republik bis an ihre „natürliche Grenze“, den Rhein, erweitern wollten. 102 Jakob Josef Martini, etwa 1755 in Köln geboren, in I. Ehe mit Maria Johanna, einer Tochter des Bonner Hofgärtners Joh. Kunibert Lenne verheiratet, war am 26. April 1787 als Apotheker approbiert worden. Bald darauf kaufte er die Brühler „Hofapotheke“ des am 24. Januar 1787 verstorbenen Hofkammerrats Bernhard Ruland. 1788 wurde er als Nachfolger Rulands zum Schöffen ernannt. Bei der Neuordnung der Verwaltung im Jahre 1795 zum Beigeordneten der Munizipalität Brühl bestellt, hatte er in den folgenden schwierigen Jahren die Hauptlast der Verwaltung zu tragen. 1798 sollte er Agent von Brühl werden. Weil aber gleichzeitig die Stelle des Kantons-Steuereinnehmers besetzt werden mußte - eines Amts, das damals oft zu persönlicher Bereicherung mißbraucht wurde - und Martini offenbar im ganzen Kanton wegen seiner Uneigennützigkeit und Pflichttreue hoch geschätzt war, ernannte die Zentralverwaltung Th. Ningelgen zum Agenten von Brühl und J. J. Martini zum „percepteur“. Am 18. Ge. X/8. April 1802 starb Jakob Josef Martini. 103 HStAD RD Nr. 1541. 104 Henrich Hesemans, geb. etwa 1771 in Lommel, hatte seit 1794 die Bierwirtschaft seines Onkels P. J. Eschweiler im Hause „Zum Skorpion“ am Markt übernommen. 105 Da das Bürgerhaus durch die seit 1794 dort einquartierten Soldaten „ganz ruinirt“ war, bezog die Munizipa­ lität das vormals kurfürstliche Oratorium an der Franziskanerkirche. Nach einigem H in und Her genehmigte die Domänendirektion diese Eigenmächtigkeit. Zur Möblierung mußte jeder Agent einen Stuhl mitbringen.

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106 StAB Akten 34, 19 f. 2. 107 Wenn Biergans verhindert war, ließ er sich durch Schopen, Ningelgen oder Adolffs vertreten. Diese Männer galten anscheinend als besonders zuverlässige Patrioten, 108 Joh. Georg Rolshoven, geh. etwa 1766, war Magerhalfe in Meschenich. 109 Mathias Kaul, geb. etwa 1763 in Golzheim, war von Beruf Lehrer. 1795 war er zusammen mit Gail auf der Ecole Normale in Paris geschult worden. 110 R. W. Rosellen, Geschichte der Pfarreien des Dekanates Brühl, Köln 1887, S. 94. R. Bertram hat diesen Bericht, etwas verändert, in seine Chronik der katholischen Pfarre Brühl, Brühl 1913, S. 155, übernommen. 111 Vgl. Abschn. XXVIII. 112 Druckstück in HAK Chroniken und Darstellungen Nr. 175. 113 Gemeint ist das Uhltor = Lechenicher Tor. Das Wort Lechnertor zeigt, daß der Berichterstatter kein Brühler war. 114 Biergans wohnte damals im Küchenbau des Schlosses, Ningelgen im Burbacher H of gegenüber dem Juden­ friedhof. 115 In Brabant, das mit den Österreichischen Niederlanden nach dem Frieden von Leoben in die Französische Republik eingegliedert worden war, gab es damals eine starke gegenrevolutionäre Bewegung. 116 Warum der Berichterstatter Brühl eine Hochburg der Aristokratie nennt, ist unerfindlich. „Aristokraten“ kamen immer nur im Gefolge des Kurfürsten in die Schloßstadt, und es gibt kein Indiz dafür, daß die Brühler besonders aristokratenfreundlich waren. 117 HAK Franz. Verw. Nr. 856. 118 Bormann-Daniels (Anm. 64) IV. 49. 119 StAB Akten 7, 32 f. 36. 120 LHA Koblenz 241/912. 121 BHB 1983, S. 29. 122 HStAD RD Nr. 2825.171. 123 Entsprechend dem Gesetz vom 28. PL VIII; HAK Franz. Verw. Nr. 4378. 124 HStAD RD Nr. 2826.1575. 125 J. J. Martini war damals schon schwer krank. Er starb am 18. Ge. X. 126 LHA Koblenz Akten 55 A.l Nr. 292, S. 283. - Vgl. MBG, S. 29. 127 Das Wort „undankbar“ soll daran erinnern, daß Gareis seine Pfarrstelle dem von ihm geschmähten „Tyran­ nen“ zu verdanken hatte. Aufgrund Präsentation durch Kurfürst-Erzbischof Max Franz war er am 30. Septem­ ber 1793 als Pfarrer von St. Margareta eingesetzt worden. 128 LHA Koblenz 241/1109, S. 150. 129 Dieser Abschnitt beruht im wesentlichen auf der Abhandlung E. Kahlenborns „Die Neuumschreibungen der Pfarren im Roerdepartement unter der Herrschaft Napoleons I.“, Annalen Bd. 91, S. 15 ff. undBd. 92, S. 1 ff. 129a Berdolets Muttersprache - er wurde 1740 in Rougemont im welschen Sundgau geboren - war französisch. Als langjähriger Landdechant von Colmar hatte er sich aber mit der deutschen Sprache und Mentalität vertraut gemacht. 130 In Erinnerung daran, daß die Kantonspfarrer einen höheren Rang —und auch ein höheres Gehalt —hatten als die Succursalpfarrer, tragen die Pfarrer von St. Margareta heute noch den Titel Oberpfarrer. 131 Recueil des Actes de la Prefecture Jhg. XI, S. 285. 132 H S tA D R D N r. 2831.1015.

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HStAD RD Nr. 2833.4254. Recueil (Anm. 131) Jhg. 1808, S. 326. HStAD RD Nr. 2834.8382. Recueil (Anm. 131) Jhg. XIII, S. 257. HStAD RD Nr. 2829. Schon während seiner Amtszeit hatte der Unterpräfekt mehrmals seinen Diensteifer gelobt. In Schwadorf trug Pfarrer Bremmer, weil seine Gemeinde viel kleiner und überschaubarer war, in seine Sterberegister auch die Todesfälle kleiner Kinder und sogar Totgeburten ein. So kann man aus diesen Registern

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genaue Zahlen über die Kindersterblichkeit entnehmen. Sie war auch in Schwadorf erschreckend groß, obwohl dort die hygienischen Verhältnisse besser waren als in Brühl. 140 StAB Akten 34, 17 f. 5. 141 HStAD RD Nr. 2917, auch für die folgenden Angaben. 142 HStAD RD Nr. 2832.752. 143 Franz Jakob Zaaren wurde am 8. Oktober 1772 in Münstereifel geboren und starb am 8. November 1829 in Brühl. Nach juristischen Studien in Köln und Düsseldorf war er zunächst Schultheiß der Herrschaft Anstel. Am 7. September 1798 ernannte ihn Rüdler zum Notar für den Kanton Brühl. Am 5. Mai 1802 wurde er zum Mitglied des Conseil d ’A rrondissement ernannt. Am 11. Juni 1807 kaufte er den Quentelshof in Berzdorf, und am 5. Juni 1807 ersteigerte er zusammen mit J. P. Müller den Janshof in Brühl. Am 31. Mai 1817 verzichtete er auf die Bürgermeisterstelle. - Vgl. über ihn: J. Sonntag, BHB 1970, S. 9 und F. Wündisch ebd., S. 18. Zu berichtigen ist dabei: Hermann Josef Zaaren, Dechant von St. Severin, war nicht ein Bruder, sondern ein Onkel des F. J. Zaaren (J. Jansen-F. W. Lohmann, Der Weltklerus in den Kölner Erzbistums-Protokollen, Köln 1935/36, Z 4). 144 A. a. O. (Anm. 110), S. 152. - Da es in Brühl keinen Saalbau gab, wurde die Pfarrkirche auch für „staatliche“ Versammlungen benutzt. So tagte dort am 18. Th. XI/6. August 1803 die Assemblee Cantonale unter Vorsitz des Bürgers Walbott de Bornheim (Recueil Jhg. XI, S. 317). 145 Recueil (Anm. 131) Jhg. XII, S. 440. 146 HStAD RD Nr. 2831.1231. - Im StAB ist dieses Protokoll nicht überliefert. 147 HStAD RD Nr. 2831.1232. 148 Der Adler war Napoleons Wappentier. 148a Die den Maires für diesen Kaiserbesuch erteilte Dienstanweisung ist nicht überliefert. Erhalten blieb aber die Dienstanweisung, die Unterpräfekt Klespe am 31. Oktober 1811 den Maires für den zweiten Kaiserbesuch im Roer-Departement übersandte (HStAD RD Nr. 2841): „1. Die einzelnen Maires stehen in Begleitung des Munizipalrats und einer Abteilung der Nationalgarde an der Grenze ihres Bezirks. 2. Bei der Ankunft (des Kaisers) in jedem Orte läuten alle Glocken. Befindet sich eine Kirche an der Durchfahrtstraße, so hat sich der Pfarrer mit dem Klerus in priesterlicher Kleidung an der Kirchentüre aufzustellen. 3. Bei der Durchfahrt haben in der Entfernung von einer halben Stunde alle Glocken zu läuten. 4. Am Eingang jeder Stadt und jedes Dorfs (die der Kaiser durchfährt) ist ein Triumphbogen zu errichten, geschmückt mit Girlanden, Fahnen, Trophäen, Blumen und anderem Schmuck, ebenso an der Grenze einer jeden Mairie. D ort erwartet der Maire in Begleitung seines Beigordneten, des Munizipalrats und einer Abteilung der Nationalgarde Se. Majestät. 5. Die vorher geebneten und mit Kies und Sand angefüllten Straßen sollen mit grünem Eichenlaub geziert sein, und insbesondere darf innerhalb der Gemeinden, Dörfer und an den Triumphbögen dieser Schmuck nicht fehlen. 6. Die Vereine mit ihren Fahnen und die ganze Menge der Bevölkerung sollen den Maire begleiten; es sollen sich in Gruppen weiß gekleidete Mädchen, Knaben, Jünglinge und Greise in Reihe gegliedert aufstellen, um einen angenehmen Anblick zu gewähren. 7. Die Maires, Adjoints, Munizipalräte und die Bevölkerung der Gemeinden, die nicht an den Fahrweg grenzen, haben sich gleichfalls zu versammeln und sich in Reihen aufzustellen, so daß von der Grenze der Mairie Zons aus bis nach Köln und von Köln bis nach Jülich eine fortlaufende Reihe von Einwohnern, Triumphbögen, ausgewählten Gruppen und Fahnen sich bildet. Der Wachsamkeit der Maires wird empfohlen, zu jeder Stunde von der nächsten Poststation Nachricht über die Reise Sr. Majestät und die Zeit seiner Ankunft einzuholen. 8. Der allgemeine Willkommensgruß soll sich kundgeben durch den tausend- und abertausendfachen Ruf ,Vive l’empereur! Vive l’empereur! Vive l’imperatrice! Vive le roi de Rome!1 Von der Grenze bei Zons bis nach Köln und von Köln bis nach Jülich soll die Luft widerhallen von den Rufen der Hingabe und der Liebe zu dem großen Fürsten, der das Glück Frankreichs ist.

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9.

Es bleibt dem Ermessen der Begeisterung der Maires überlassen, zur Verschönerung des Empfangs noch weitere Zierden, welche der O rt bietet, hinzuzufügen. Der eine soll den anderen zu überbieten suchen; insbesondere soll sich der Bezirk Köln bei diesem außerordentlichen Ereignisse auszeichnen.“ Im Jahre 1811 kam Napoleon zwar nicht durch Brühl, sondern fuhr von Köln unmittelbar nach Jülich weiter; 1804 wird aber das Zeremoniell ungefähr das gleiche gewesen sein. 149 StAB Akten 34, 18 f. 1. - Bis dahin hatte nur ein einziges Mal ein Kaiser Brühl besucht: Im Jahre 1349 übernachtete Kaiser Karl IV. mit seinem Gefolge im Alten Schloß, dem Vorgängerbau der Augustusburg. 150 Vgl. Kap. 20. 151 HStAD RD Nr. 3444 f. 479. 152 Ausführliches Protokoll in HStAD RD Nr. 3444 f. 229. 153 HStAD RD Nr. 3444 f. 217. 154 HStAD RD Nr. 388. 155 Vgl. Kap. 21 Abschn. X. 156 HStAD RD Nr. 3224. 157 Vgl. Kap. 20. 158 Recueil (Anm. 131) Jhg. 1806, S. 415. Deutscher Text zitiert nach Klein-Bockemühl, Weltgeschichte am Rhein erlebt, Köln 1973, S. 271. 159 Recueil Jhg. 1807, S. 272. 160 StAB Akten 44 f. 18. 161 Schon 1803 ordnete er an, daß am 15. August, dem Geburtstage des damaligen Ersten Konsuls Napoleon Bonaparte, in allen Kirchen seiner Diözese alljährlich ein feierliches Dankfest begangen werden solle. Bertram a. a. O., (Anm. 110), S. 163. 162 Bertram a. a. O., S. 164. 163 Berichte darüber sind allerdings nicht überliefert. 164 Bertram a. a. O., S. 165. 165 StAB Akten 36 f. 12. 166 Recueil (Anm. 131) Jhg. 1813, S. 189. 167 Auf den Schulen wurde der Kaiserkult eifrig gepflegt. Vgl. dazu K. Ledermann, Das französische Gymnasium in Brühl, BHB 1966, S. 17, und H. Adloff ebd. 1983, S. 6. 168 169 170 171 172 173 174

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StAB Akten 36 f. 19. Ebd. f. 22. Ebd. f. 26. M. Mertens, Die Höhere Lehranstalt zu Brühl während der Jahre 1783—1821, Brühl 1900. Vgl. Kap. 18, Abschn. II. Mertens a. a. O., S. 18. Peter Joseph Dreykhausen, geb. etwa 1752 in Köln, war vorher 14 Jahre in Köln und 2 Jahre in Rheinbach als Elementarlehrer tätig (HStAD Gen. Gouv. Niederrhein Nr. 1536). 1809 wohnte er, Witwer mit 2 kleinen Kindern, im Kloster. HStAD RD Nr. 2708. HStAD RD Nr. 2834.7033. HStAD RD Nr. 3445 f. 92. Recueil (Anm. 131) Jhg. 1807, S. 352. Vgl. Kap. 18, Abschn. VII.

180 Franz Joseph Eugen Baudouin, geb. in Köln am 10. Juli 1758, war Kanonikus am Stift St. Cäcilien bis zu dessen Aufhebung im Jahre 1802 gewesen. Gareis versuchte dann offenbar, ihn irgendwie unterzubringen, und stellte ihn, nachdem er als Lehrer abgelehnt worden war, als Internats-Verwalter ein. 181 StAB Akten 44 f. 16. 182 HStAD RD Nr. 2836.1265. 183 Abbe Rane war mehrmals in Brühl. Zaaren gelang es, Freundschaft mit ihm zu schließen, so daß seine-nicht überlieferten - Berichte anscheinend recht wohlwollend waren.

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184 HAK Franz. Verw. Nr. 6276. 185 Das war wohlwollend übertrieben. Gareis nahm 1785 an einem Kursus in Münster teil und 1787 an einem Kursus in Würzburg. Kurfürst Max Franz meinte aber: „Gareis wird meines Erachtens einen trefflichen Priester, nie aber einen Schuldirektor für ein neu einzuführendes System abgeben, wozu er zu engbrüstig ist.“ (W. Zimmermann, Die Anfänge und der Aufbau des Lehrerbildungs- und Volksschulwesens am Rhein, I. Teil, Köln 1953, S. 77 ff.) 186 Diese Meß-Stiftung bei St. Margareta stand Gareis persönlich zu; sie war nicht mit der Schule verbunden. 187 HStAD RD Nr. 2841.10127. 188 Sein Lebenslauf bei Mertens a. a. O . (Anm. 171), S. 27 ff. 189 StAB Akten 44 f. 33. 190 Vgl. Kap. 18, Abschn. VII. 191 StAB Gymnasialarchiv Nr. 21. Undatierter Entwurf. 192 Der Verwaltungsrat mußte bestehen aus dem Maire als Vorsitzer, einem Delegierten des Rektors und Mitgliedern des Conseil Municipal. 193 HStAD Gen. Gouv. Niederrhein Nr. 1536. - Am 29. Juli 1813 wurde „sieur Peters regent au College de Bruhl“ vom Wehrdienst freigestellt (StAB Akten 44 f. 41). 194 HStAD Gen. Gouv. Niederrhein Nr. 1536. 195 StAB (wie Anm. 191) Nr. 22 und 23. 196 Ebd. Nr. 12 mit Abbildung des Ordens. 197 Ebd. Nr. 17. Die Uniform der Brühler Collegiens zeigten also damals die Farben „blau-gold“. Das war aber reiner Zufall. Zu Stadtfarben wurden „blau“ und „gold“ erst im Jahre 1951 erklärt. 198 Über die Brühler Judengemeinde in der Kurfürstenzeit vgl. Kap. 8. 199 Nach „katzof“, dem hebräischen Wort für „Metzger“, nahmen sie später den Familiennamen Katz an. 200 HAK Franz. Verw. Nr. 879. - Auch für Christen wurden manchmal derartige Ersatz-Geburtsscheine ausge­ stellt. So mußte beispielsweise am 6. Vt. XIII die im September 1773 in Kierberg geborene und in St. Marga­ reta getaufte Cäcilia Breuer, Tochter des Quirin Breuer und der Margarete Schäfer, dies von 7 alten Kierbergern bestätigen lassen, weil ihre Taufe nicht eingetragen worden war (ebd. Nr. 885). 201 StAB Akten 34, 18 f. 5r. 202 Vgl. dazu Kap. 21 XVIII. 203 Bormann-Daniels (Anm. 64) Bd. V, S. 336. —Da dieses Dekret sich nicht allgemein gegen alle Wucherer, sondern nur gegen Juden richtete, wurde es von diesen als „decret infame“ (schändliches, ehrverletzendes Dekret) bezeichnet. 204 Recueil (Anm. 131) Jhg. 1808, S. 262. 205 Vgl. Kap. 8, Abschn. V. 206 Vgl. Kap. 21, Abschn. XIII. 207 Vgl. Kap. 16, Abschn. VII. 208 Am 7. Oktober 1764 in Kleve geboren, war er dort in preußischen Diensten schon 1793 zum Kammerpräsi­ denten aufgestiegen. 209 So wie das Directoire 1798 Regierungskommissare zur Überwachung der Munizipalitäten eingesetzt hatte (Kap. 16 XXII), so setzte Sack in jedem Kanton einen Kommissar als Berater der Bürgermeister ein. 210 Der Herzog von Sachsen-Coburg verkaufte die ihm im Saargebiet zugeteilten Seelen 1834 an den König von Preußen. Der Herzog (später Großherzog) von Oldenburg faßte die ihm im Hunsrück zugeteilten Seelen zu dem „Fürstentum Birkenfeld“ zusammen, das bis zur Reichsreform von 1934 eine oldenburgische Kolonie blieb. Der Landgraf von Hessen-Homburg faßte die ihm im Nahetal zugeteilten Seelen zu dem „Fürstentum Lichtenberg“ zusammen, das 1866 von Preußen übernommen wurde. D er Herzog von Mecklenburg-Strelitz hatte an den ihm in Reifferscheid und Schleiden zugeteilten Seelen kein Interesse; er verkaufte sie am 21./31. Mai 1819 für 1 Million Taler an den König von Preußen. Der Graf von Pappenheim vertauschte seine Seelen sofort gegen preußische Domänen. 211 Über die Huldigungsfeier wird ausführlich im Journal des Nieder- und Mittel-Rheins berichtet. 212 StAB Akten 35 f. 148.

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213 Beide Provinzen wurden 1822 zu dem „Rheinischen Oberpräsidium in Koblenz“ zusammengefaßt, das dann seit 1830 als „Rheinprovinz“ bezeichnet wurde. 214 Uber Heinrich Gottfried Daniels vgl. St. Liermann in J. Wolfram und A. Klein, Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, Köln 1969, S. 57 ff. 215 Diese Kabinettsordre war „gewissermaßen ein königliches Gastgeschenk an die Rheinländer“ (E. Landsberg). - In den Diskussionen um die Einführung des altpreußischen Rechts bemerkte König Friedrich Wilhelm III. einmal: „Ich will, daß das Gute überall, wo es sich findet, benutzt und das Rechte anerkannt werde.“ 216 Amtsblatt der Regierung Köln 1817, S. 272. ~ Franz Jakob Zaaren verkörperte - wie Konrad Adenauer vier Generationen später - einen Typ, der als „rheinischer Bürgermeister alter Art“ zu einem Begriff geworden ist; Selbstbewußt bis zur Selbstherrlichkeit, ließ er sich von den Staatsbehörden nichts gefallen; ideenreich wirkte er für das Wohl seiner Stadt und „schlitzohrig“ setzte er seine Pläne bis an die Grenzen des jeweils möglichen durch. 217 Johann Adam Josef Scholl wurde 1776 in Köln als Sohn von Carl Josef Scholl und Maria Theresia Schülgen geboren. Sein Vater erwarb sich bei der Säkularisation des geistlichen Grundbesitzes ein großes Vermögen (u. a. ersteigerte und zerschlug er den Kempishof und den Bödinger H of in Brühl) und siedelte als Gutsbesit­ zer nach H ürth über, wo er alsbald zum Maire ernannt wurde. Adam Scholl studierte Medizin und wurde 1806 als Dr. med. zum Officier de sante (Amtsarzt) in Brühl bestellt (HStAD RD Nr. 2833.2921). 1809 zog er nach H ürth und wurde dort als Nachfolger seines Vaters zum Maire ernannt (HStAD RD Nr. 2838.4512). 218 StAB Akten 35 f. 63.

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D a s älteste B rü h ler E in w o h n erverzeich n is

i.

Verläßliche Aussagen über die Sozial- und Wirtschaftsstruktur einer Gemeinde sind nur möglich aufgrund verläßlicher Aufschreibungen der relevanten Daten, also auf­ grund eines lückenlosen Einwohnerverzeichnisses, das zumindest Auskunft gibt über das Alter, den Familienstand und den Beruf jedes einzelnen Einwohners sowie darüber, wo dieser wohnt1. Für Brühl gibt es aus kurfürstlicher Zeit kein einziges derartiges Verzeichnis. Die Steuerlisten2 enthalten durchweg nur die Namen der Elaus- und Grundbesitzer; durch mühsames Puzzlespiel können diesen Namen aus anderen Quellen noch einige Daten beigefügt werden; es ist aber unmöglich, daraus eine tragfähige statistische Basis zu erstellen. Der älteste Ansatz zu einem Einwohnerverzeichnis ist der „Status Habitationum, Familiarum et Animarum“, den Pfarrer Paulus Mauel im Jahre 1747 geschrieben hat3. Diese Liste ist aber nur beschränkt aussagefähig, da sie ihrem Zweck entsprechend nur die katholischen Familien aufzählt —ohne Berufsangaben - und in vielen Fällen zweifelhaft läßt, in welchem Haus eine bestimmte Familie gewohnt hat. Das gleiche gilt von der Kommunikantenliste, die Pfarrer Heinrich Gareis im Jahre 1795 geschrieben hat4. „Amtlich“, also auf Veranlassung der kurfürstlichen Verwal­ tung oder der Stadt Brühl, ist anscheinend nie eine Einwohnerliste erstellt worden5. Auch sonstige statistische Aufzeichnungen, die heutzutage unentbehrliche Grundla­ gen einer ordnungsmäßigen Verwaltung sind - Grundstückskataster, Daten über Altersgliederung, Berufe, Gewerbebetriebe, Ackernutzung, Viehhaltung u. dgl. hielt man in kurkölnischer Zeit offenbar für überflüssig. So mußten die französischen Behörden, als die Lande links des Rheins zu Anfang des vorigen Jahrhunderts in die Französische Republik eingegliedert wurden, all’ die statistischen Uraufschreibungen, die sie brauchten6, sozusagen aus dem Nichts erschaffen. Zu den wichtigsten dieser Uraufschreibungen gehört die Einwohnerliste, die Pfarrer Heinrich Gareis als Maire von Brühl im Jahre IX der republikanischen Zeitrechnung (1801) erstellt hat. Diese Liste ist für ihren Bereich ein Markstein, der zwei Epochen scheidet: Einerseits kann man ihre Daten anhand der Standesamtsregi­ ster und sonstiger späterer Aufzeichnungen ohne große Mühe bis zur Gegenwart fortschreiben; andererseits können Einzeldaten, die aus der kurfürstlichen Zeit systemlos überliefert sind, durch Anknüpfung an diese Liste in ein System gebracht werden. Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung wird diese Einwohnerliste7 hier in vollem Umfang abgedruckt. Aus Raumgründen allerdings nicht im vollem Wortlaut; Unwe266

sentliches wurde weggelassen. Nach anderen Quellen wurden offensichdiche Verse­ hen berichdgt und einige Ergänzungen beigefügt8. II. Beigefügt wurden insbesondere die Hausnummern, die anscheinend im Jahre XI (1803) in Brühl eingeführt worden sind. Sie sind einer in jenen Jahren durch den Maire Jakob Zaaren erstellten Einwohnerliste9 entnommen. Da allerdings bei jener ersten Hausnumerierung alle Wohnhäuser einer Gemeinde fortlaufend durchgezählt wurden10 und man in den Einwohnerlisten11 nicht vermerkte, in welcher Straße und auf welcher Straßenseite die einzelnen Häuser lagen, kann heute nur durch mühsames Puzzlespiel vo Fall zu Fall ermittelt werden, welche Hausnummer ein bestimmtes heute durch eine Straßen-Hausnummer individualisiertes - Haus im Jahre XI erhal­ ten hatte. Die Zuordnung der Hausnummern zu bestimmten Häusern läßt sich anhand von Notariatsurkunden für die Kölnstraße und den Markt ziemlich sicher und für die Uhlstraße mit einiger Wahrscheinlichkeit festlegen. In den Nebenstraßen und Gassen ist aber vieles unklar. Unklar ist vor allem die Numerierung der Notwohnungen, die zu jener Zeit in den vormals kurfürstlichen Gebäuden eingerichtet worden waren. In Brühl war in kurfürstlicher Zeit Wohnraum sehr knapp12. Die meister Brühler mußten in Räumen hausen, die man heute als menschenunwürdig bezeichnen würde. Um die drückendste Wohnungsnot zu lindern, wies die französische Verwaltung Dutzende von Familien und Einzelpersonen in die weitläufigen Ställe, Kutschenremi­ sen und Magazine ein13, die nicht mehr für die kurfürstliche Hofhaltung gebraucht wurden. Auch die Stadt richtete in der Kaserne, zu der sie 1780 ihr „Bürgerhaus“ (Rathaus) umgebaut hatte14, im Jahre 1798 Notwohnungen ein15. Offenbar hat man ursprünglich nicht die Häuser als solche sondern die Haustüren numeriert. So galt die Nr. 141 für alle Wohnungen im Bürgerhaus und die Nr. 44 für alle Wohnungen im Franziskanerkloster. Bei den Ställen und Magazinen versagte aber dieses Prinzip. Im Zuge ihrer Umfunktionierung wurden sicher alte Türen zugemau­ ert und neue Haustüren gebrochen. Deshalb ging hier zunächst vieles durcheinander; einige Hausnummern fielen aus, und andere wurden mehrfach verwendet. Eine fortlaufende lückenlose Nummernfolge wurde anscheinend erst in preußischer Zeit - durch Umnumerierung vieler Häuser - hergestellt.

Population de la Commune de Bruhl Nr. 1 Vorm Kölnthor (Burbacher Hof) — Theodor Ningeigen 49 Halbwinner, E Anna Gertrud Dominik 64, StS Johann Engels 28, StS Peter Engels 23, 3 K 2 M. Nr. 2 Dsgl. (spätere Schloßbrauerei) - Joh. Peter Müller 35 Ackersmann, Bruder Valentin Müller 28, Base Franziska Schieffers 18, 6 K 3 M. 267

Nr. 3 Dsgl. - Ferdinand Kribben 37 Ackersmann, E Elisabeth Müller 27, Ki Anna Helena u. Johann, Vetter Joh. Joseph Schieffer, 1 K 3 M. Nr. 4 Dsgl. - Joh. Georg Kerp 49 Taglöhner, E Catharina Stegmann 51, StT Mechtild Scheffers 20. Nr. 5 Dsgl. - Henrich Kentenich 34 Taglöhner, E Margaretha Stechmeyer 44, StS Theodor Demmer 14, Ki Agnes, Johann, Catharina u. Henrich. Nr. 6 In der Stadtmühl - Franz Kentenich 42 Müller, E Richmudis Longerich 29, T Sophia 12, Ki Mechtild u. Peter Joseph, Schwiegervater Gottfried Longe­ rich 65, Schwager Valentin Longerich 25, 2 K 2 M. Nr. 7 Am Kölnthor - Georg (richtig: Gregor) Küpper 60 Hamacher (vormals Köln­ pförtner), E Anna Maria Rosenbaum 51, T Anna Maria 24, T Mechtild 22, S Johann 20, S Wilhelm 16, Ki Sebastian. Nr. 8 Auf der Kölnstraß - Elisabeth (geb. Kratz, Wwe. Johann) Kribben 58 Kauf­ händlerin, S Rudolf 36, T Anna Maria 28, 1 M. Nr. 9 Dsgl. (Prinz von Lüttich) - Aegidius Thenhoven 54 Chyrurgus, E Maria Mauel 50, T Elisabeth 21, Ki Josepha, 1 M. Nr. 10 Dsgl. - Bernhard Bungarz (Bongard) 33 Bäcker, E Anna Catharina Sänger 48, StS Joseph Eisenbarth 20. Nr. 11 Dsgl. (Zum Schiffgen) - Jean Baptiste Rosel 34 Receveur des Domaines, E Caroline Louise (Lavar) 34, Ki Jacques, Charles u. Narcisse, 2 M. Nr. 12 Dsgl. - Henrich Schlaun 54 Taglöhner, E Anna Nitzer 48, S Andreas 15, T Dorothea 13. Nr. 13 Dsgl. - Anton Korall (Krall) 30 Taglöhner, E Anna Catharina Krölls (Kreuel) 27. Nr. 14 Dsgl. - Jacob Banzanello 44 Glasmacher, E Anna Margaretha Frings 34, T Adelheid 12, Schwiegermutter Margaretha (Wwe. Mathias) Frings 54. Nr. 15 Dsgl. - Sebastian Krämer 50 Schmied, E Apollonia Balkhausen 70 (!), Schwä­ gerin Margaretha Balkhausen 74, 2 K 1 M. Nr. 16 Dsgl. - Valentin Meyer 69 Ackersmann, E Margaretha Knott 58, S An­ dreas 24, T Anna Catharina 20, S Joh. Joseph 15, 2 K 2 M. Nr. 17 Dsgl. - (Im Hirsch) - Henrich Trimborn 60 Nagelschmied, E Adelheid Pontz 66. Nr. 17a Dsgl. - Johann Harzheim 28 Taglöhner, E Ludmilla Wenzel 30, Ki Fran­ ziska u. Johann. Nr. 18 Dsgl. - Henrich Wipperfürth 61 Schneider, E Anna Lux 59, T Margaretha 22. Nr. 19 Dsgl. - (bis 1726 Hospital) - Abraham LeviAl Handelsmann, E Merl Cain 44, Ki Sara, Baruch, Schmaul, Lina, Levi u. Blümgen. Nr. 20 Dsgl. - (bis 1650 Rotes Haus) - Odilia (geb. Weisweiler, Wwe. Martin) Lütz 78 Näherin, T Maria Elisabeth 30; Johann Thenhoven 47 Chyrurgus, 1 K 2 M. Nr. 21 Dsgl. —(Zum Stern) - Ignaz Seydlitz 52 Kaufhändler, E Johanna Hütten 55, T Catharina 22, T Cäcilia 18, T Maria Anna 16, T Gudula 14, 1 M. 268

Nr. 22 Im Grünen Wald - Francois Poncelet 25 Secretaire de Receveur, E Gertrudis Meyer 24, 2 M. Nr. 23 Am Marckt (richtig: Am Platz) - Jacob Kühl 30 Taglöhner, E Anna Catharina Neuenburg 33, Stiefmutter Catharina Scheffers 66. Nr. 24 An der Burg (= Hubertusburg) - Caspar Beckmann 36 Taglöhner, E Anna Catharina Trimborn 40, S Henrich 15, T Adelheid 13. Nr. 25 Dsgl. - Franz van Blon 35 Botengänger, E Veronica Trimborn 36, Ki Adel­ heid, Henrich, Sebastian u. Wilhelm. Nr. 26 Dsgl. - Elisabeth Büchels 42 Postgängerin. Nr. 27 Dsgl. - Gabriel Mertens 49 Schreiner, E Margaretha Schminckeler 50, S Jacob 15. Joseph Kentenich 40 Taglöhner, E Agnes Mertens 49, Ki Joh. Joseph. Nr. 28 Auf der Burg - Jacob Müller 54 Schreiner, E Elisabeth Lersch 49, S Cle­ mens 18, T Anna Maria 16, Ki Franziska u. Jacob. Jacob Henk 46 Leiendecker, E Dorothea Pliester 48, S Nicolaus 12, Ki Seba­ stian. Paul Barnick 79 Taglöhner. Nr. 29 Dsgl. - Anna Gertrud Egmund (Wwe. d. Schultheißen Franz Joseph Wollers­ heim) 68, T Gertrud 40. Joseph Friling 30 Fruchthändler. Nr. 30 Dsgl. - Louis Josephe Duplan 53 Douanier, E Margarethe Caille 51, T Mar­ garethe 26, T Fran§oise Marie 18, S Jean Baptiste 17, S Francois 16, T Marie Angelique 13. Nr. 31 An der Burg - Cornel Heidgen 33 Schneider, E Christina Hannes (Hansen) 43, Ki Anna Maria u. Jacob. Johann Blied 48 Taglöhner, E Helena Hansels (Henseler) 52, S Jacob 16, S Joseph 13, Ki Andreas. Nr. 32 Dsgl. - Jacob Kraemer 28 Schuster, E Margaretha Graff 29, Mutter Anna Kraemer (richtig: Elisabeth geh. Rigans) 64. Nr. 33 Am Platz —Peter Dahm (Dahmen) 26 Taglöhner, E Anna Maria Graff (32), Schwiegervater Peter Graff (61), Ki Peter, Jacob u. Henrich. Nr. 34 Aufm Platz - Johann Sommersberg 42 Ackersmann, E Eva Dick 33, Ki Johann, Catharina u. Elisabeth, 1 K 1 M. Nr. 35 Dsgl. - Wilhelm Graff 76 Taglöhner, E Catharina Marx 62. Friedrich Schenck 55 Taglöhner. Joseph Dominik 33 Taglöhner, E Elisabeth Christo­ pheis 29, Ki Maria. Johann Kohlhaas 68 Strohschneider, T Christina 18, T Catharina 15. Wilhelm Simons 50 Taglöhner, E Anna Eva Schmitz 51, Schwiegermutter Anna Maria Schmitz (geh. Bartels) 80. Nr. 36 Im Schloß —Peter Plenz 60 Privatperson (vormals kurf. Schloßverwalter). Nr. 37 Aufm Marckt - Joseph Zier 38 Bänder (Faßbinder), E Margaretha Scheffers (Schäfer) 32, Ki Gertrud u. Margaretha. Nr. 38 Dsgl. - Henrich Reck (Rieck) 54 Schuster, E Gertrud Esser 56, Base Gertrud Sechtem 23, Ki Henrich Sechtem. Nr. 39 Dsgl. - Michel Reisinger 60 Schlosser, E Catharina Neuß 34, T Margare­ tha 16, Ki Johann u. Franz, 1 K. 269

Nr. 40 Dsgl. (Zum Lämmchen) - Sophia Derichsweiler, Wwe. (Peter) Weisweiler 80, T Christina 50, deren Ehemann Henrich Schäfer 41, T Barbara 46, S Joseph 40. Nr. 41 Dsgl. (Zum Skorpion) - Henrich Hesemann 33 Bierbrauer, E Catharina Schmitz 32, Ki Peter Joseph, Johann Wilhelm, Wilhelm u. Ignatius, 1 K I M. Nr. 42 Dsgl. (Zum Bären) - Catharina Tils (Wwe. Henrich Weisweiler) 82, 1 M. Nr. 43 Dsgl. (Burghof) -Jo h an nKnott 36 Halbwinner, E Agnes Schmitz 38, Ki Joh. Georg, Henrich, Anna Maria u. Gertrud. 4 K 5 M. Nr. 44 (Franziskanerkloster. Bewohner in dieser Liste nicht erfaßt.) Nr. 45 Auf der Uhlstraß - Henrich Rohr 74 Zimmermann, E Elisabeth Maubach 60, 1 K. Nr. 46 Dsgl. - Maria Lövens 77 (geh. Esser, I. Wwe. Wilhelm Löven, II. Wwe. Karl Kluth). Nr. 47 Dsgl. - Conrad Noisten 68 (Privatperson), T Agnes 30, Ki Gertrud u. Elisab­ eth. Nr. 48 Dsgl. - Margaretha Wwe. (Johann) Kirchmeyer 65, T Anna Gertrud 26, deren Ehemann Johann Dominik 44 Taglöhner, Ki Anna Dominik. Nr. 49 Dsgl. - Johann Brüns 40 Tuchhändler, Ki Anton, 1 K 1 M. Nr. 50 Dsgl. - Anton Albrecht 67 Glasmacher, E Margaretha Harzenbusch 46, T Maria Sibilla 21, S Ignatius 18, T Gertrud 13. Nr. 51 Dsgl. - Peter Schallenberg 64 Taglöhner, E Sophia Pyreth 60, T Gertrud 22. Wwe. Catharina Kallscheur 49, deren S Johann 16. Nr. 52 Dsgl. - Johann Pyreth 52 Chyrurgus, E Anna Maria Scheben 34, Ki Gott­ fried, Sophia u. Anna Maria. Nr. 53 Dsgl. (An der Pompe) - Henrich Krausen 36 Kaufhändler, E Theresia Schnei­ der 38, 1 K. Nr. 54 Dsgl. - Henrich Schmitz 53 Kaufhändler, E Anna Maria Finck 49, T Marga­ retha 23, Ki Sebastian, 1 K 1 M. Nr. 55 In der Bischofsgasse - Henrich Herbertz 23 Schuster, E Maria Schneider 30, Ki Henrich, Mutter Anna Clara Schreck 59 (Wwe. Henrich Herbertz d. Ä.). Nr. 56 Dsgl. - (Im Jahre IX anscheinend noch nicht vorhanden). Nr. 57 Dsgl. - Anna Catharina Wwe. (Wilhelm) Eiffeler 71. Joseph Kirchmeyer 40 Schneider, E Catharina Finck 45, S Theodor 13. Nr. 58 Dsgl. - Henrich Schumacher 60 Taglöhner, E Theresia Massier 53 (Wwe. Paul Kivernagel), StS Peter Kivernagel. Nr. 59 Dsgl. - Johann Scheifgen 54 Taglöhner, E Anna Mausbach 53, T Sybilla 21, Schwägerin Anna Maria Kreuz 68. Nr. 60 Dsgl. - Adolf Kurth 52 Taglöhner, E Margaretha Eiffeler 49, Margaretha Böttgens 78 (Wwe. Johann Kurth, Mutter d. Adolf K.). Nr. 61 Dsgl. - Johann Widdig 38 Schuster, E Adelheid Frings 34, Ki Theodor, Mar­ garetha, Matthias u. Franz, 1 K 1 M. Nr. 62 Dsgl. - Peter Duel 61 Schneider, E Margaretha Krall 38, Ki Wilhelm u. Gertrud. 270

Nr. 63 Dsgl. - Johann Korall (Krall) 36 Taglöhner, E Agnes Effers (Esser) 27, Ki Peter Joseph u. Helena, Vater Wilhelm Krall 78. Nr. 64 Aufm Fischmarckt - Daniel Korall (Krall) 31 Taglöhner, E Sybilla Herbertz 33, Ki Margaretha, Sophia u. Catharina. Nr. ? Dsgl. - Johann Schmitz 56 Achsenmacher, E Anna Maria Kremer 51, T Ger­ trud 13, Ki Adelheid. Nr. 67 Dsgl. - Christian Erkelentz 68 Achsenmacher, E Elisabeth Weisser 65. Nr. 68 Dsgl. - Johann Dick 51 Strohschneider, E Margaretha Schmitz 57, T Marga­ retha 16, Ki Elisabeth. Nr. 69 Dsgl. - Henrich Klemmer 66 Taglöhner. Gottfried Schallenberg 34 Taglöh­ ner, E Adelheid Antons 33, Ki Peter, Johann, Gertrud u. Anna Maria. Nr. 70 Dsgl. - Gertrud Wwe. Conrad (Eul) 68, S Jacob 19 Maurergesell. Nr. 71 Dsgl. - Joseph Herpertz 68 Ölschläger, E Margaretha Granderath 50, T Ger­ trud 19, S Bertram 13, 1 K. Nr. 72 Dsgl. - Johann Heinen 49 Taglöhner, E Gertrud Steinheuer (Steinfeld) 43, Ki Joseph, StiefSchwiegermutter Anna Dubbelfeld 67 (Wwe. Conrad Steinfeld). Nr. 73 Dsgl. - Anna Maria (Schmitz Wwe. Michael) Eichenbaum 69. Paul Osten 41 Taglöhner, E Gertrud Hüttier (Hunten) 32, Ki Paul u. Peter. Nr. 74 Im Krautgarten - Anton Kürten 71 Gärtner, S Peter Joseph 25, 1 M. Nr. 75 In der Hundsgasse (Bödinger Hof) - Ursula (Pilgram Wwe. Matthäus) Dreesen 70 Halbwinnerin, T Margareta 29 (Ehefrau Georg Weisser), S Panthaleon 27, S Nicolaus 25, Ki Anna Gertrud Weisser, 2 K 2 M. Nr. 76 Dsgl. (Hausschenkenhof) - Johann Weisser 75 Halbwinner, T Christina 26, deren Ehemann Tilman Weiskirchen (Wiskirchen) 30, Kijoh. Joseph u. Franz Wiskirchen, 2 K 1 M. Nr. 77 Im Jägerhaus - Franz Gerold 46 Oberförster, E Catharina Wichtrich 44, T Gertrud 13, Ki Jacob, Anton, Ferdinand, Johann, Anna Maria u. Hermann Joseph, 1 M. Nr. 78 In der Hundsgaß —Peter Litterscheidt 58 Brunnenmeister, T Elisabeth 17, S Franz 14, Ki Johann, 1 M. Nr. 79 Dsgl. - Maria (Sybilla Wwe. Henrich) Osten 71, T Gertrud 30. Nr. 80 Dsgl. - Gerhard Reinarz 45 Taglöhner, E Anna Maria Lux 47, Ki Agnes, Schwester Agnes Reinarz 40. Nr. 81 Dsgl. - Henrich Merkenich 64 Ackersmann, E Gertrud Heider 61 (Wwe. Hilarius Krautwig), StT Gertrud Krautwig 24, StT Theresia Krautwig 28, deren Ehemann Henrich Klein 31. Nr. 82 Dsgl. — Johann Krüger 41 Taglöhner, E Catharina Berger 46, T Anna Sophie 12. Nr. 83 Im Loch - Franz Bott 58 Taglöhner, E Elisabeth Auen 61. Henrich Hoch 45 Taglöhner, E Sibilla Fey 46, Ki Adelheit, Wilhelm u. Agnes. Peter Barbos 54 Taglöhner, E Elisabeth Hoch 40. Nr. 84 Am Uhltor - Moyses Cain 37 Handelsjud, E Sara Cain 26, Ki Sibilla, Schwä­ gerin Anna Cain 15. 271

Nr. 85 Dsgl. - Jacob Gänsen 32 Friedensrichter, E Agnes Adolphs 30, Ki Sophia, 2 M. Nr. 86 In der Hundsgaß - Johann Tillmann 35 Taglöhner, E Agnes Breuer 34, S Anton 14, Ki Sibilla, Elisabeth, Henrich, Anna Maria, Henrich u. Catharina. Nr. 87 Dsgl. - Joseph Ginster 43 Taglöhner, E Catharina Faust 38, Ki Apollonia. Nr. 88 Dsgl. - Caspar Stupp 42 Taglöhner, E Anna Maria Schlösser 43, Maria Krügers 75 (Wwe. I. Johann Duell, II. Franz Massier; Mutter d. I. Frau Caspar Stupps). Nr. 89 Dsgl. - Peter Haas 37 Tagelöhner, E Anna Catharina Krings 32, Ki Anna Maria u. Joh. Joseph. Nr. 90 Dsgl. - Christian Kurth 39 (50) Taglöhner, E Anna Massier 43 (56). Jacob Schmitz 25 Schuster, E Elisabeth Michels 27. Nr. 91 Dsgl. - Peter Dumm 68 Taglöhner, E Margaretha Auen (richtig: Helena Esser) 69, T Anna Clara 21. Nr. 92 Auf der Uhlstraß - Joseph Britz 52 Schuster, E Margaretha Theis 33, S An­ dreas, Ki Joh. Joseph, Thomas, Baptist u. Margaretha. Nr. 93 Dsgl. - Theodor Werker 49 Ackersmann, E Anna Maria Kurth 53, Ki Gertrud, 1 K. Nr. 94 Dsgl. - Gerhard Hoffmann 28 Schneider, E Anna Catharina Kreutzer 26, Ki Elisabeth Kreutzer. Nr. 95 Dsgl. —Arbogast Kiel 42 Zimmermeister, E Christina Kluth 36, Ki Bertram, Elisabeth u. Georg. Nr. 96 Dsgl. - Arnold Brand 31 Schreiner, E Gertrud Kessel 22, Schwiegermutter Catharina Klein 65 (Wwe. Johann Kessel). Nr. 97 Dsgl. - Lambert Wichterich 50 Taglöhner, E Maria Rebens 46, T Mechtild 21, S Hermann 14, Ki Peter, Paul u. Margaretha. Nr. 98 Dsgl. - Anna Maria Nies 62 (richtig: A. M. Giesen Wwe. Johann Uedorf), T Margaretha 15, Ki Elisabeth. Nr. 99 Dsgl. (Zum Falken) - Georg Meurer 37 Metzger, E Maria Kollenburg 38. Nr. 100 Dsgl. - Jacob Funck 50 Schneider, E Odilia Baum 51, Ki Elisabeth. Nr. 101 Dsgl. —Peter Scherfgen 58 Ackersmann, E Dorothea Müller 41, Ki Apollo­ nia, Margaretha u. Dorothea, sein Vetter (richtig: Neffe seiner Frau) Johann Bollig (geb. 1790), 2 K 1 M. Nr. 102 Dsgl. - Reiner Zilliken 52 Uhrmacher, E Elisabeth Becker 49, S Anton 22, S Theodor 14, Ki Catharina, Sibilla u. Michel. Nr. 103 Dsgl. - Herz Cain 40 Handelsjud, E Eckel Cain 20, Schwiegermutter Veronica 50, Schwager Moyses Cain 24, Ki Aron u. Gudula. Nr. 104 Dsgl. - Nicolaus Schorn 36 Schuster, E Sibilla Mönchs 42, Ki Anna, Catha­ rina u. Henrich, Joh. Peter Falckenstein 28 Taglöhner, E Anna Catharina Brand 29. Nr. 105 Dsgl. - Matheis Fries 75 Bäcker (?, vormals Hofschreiner!), StT Anna Maria Rösch 52, StT Agnes Rösch 48 (Töchter d. Schreiners Joh. Georg Rösch). 272

Nr. 106 Dsgl. - Johann Rösch 45 Schreiner, E Anna Scheffer 32, Ki Margaretha u. Anna Maria. Nr. 107 Dsgl. - Wwe. Rosa (Cain) 66, S Jonas Cain 36, T Hendel Cain 23, Knechte Seligman Cain 40 u. David Wolff 26. Nr. 108 Dsgl. (Zum Rosenkranz) - Bernhard Bley 52 Taglöhner, E Agnes Pilgram 48, T Mechtild 14, Ki Johann. Nr. 109 Dsgl. - Johann Kessel 32 Schneider, E Anna Maria Knopf 28, Ki Johann u. Margaretha. Nr. 110 Dsgl. (Im Adler) - Servatius Kretz 53 Kaufhändler, E Catharina Schmitz 409, T Anna Maria 15, T Catharina 13, Ki Wilhelm, Theodor Chri­ stian, Joseph u. Margaretha, 1 M. Nr. 111 Dsgl. (Im Krahnen) - Michel Cain 54 Handelsmann, T Hendel 36, S Vosen Cain 18, 1 M. Nr. 112 Dsgl. - Peter Zimmermann 46 Bäcker, E Agnes Bösem 43, T Anna Catha­ rina 15, 1 Lehrjung 14. Nr. 113 Dsgl. (Zur Osterkerze) - Michel Klünter 42 Taglöhner, E Anna Maria Fey (richtig: Holzem) 37, T Margaretha 15, Ki Anna Maria, Agnes u. Margare­ tha, Schwiegermutter Christina Fey 60 (Wwe. Peter Holzem). Nr. ? Dsgl. - Heimann Cain 68 Handelsjud, E Gertrud Cain 49, S Jacob Cain 23, Ki Jacob, Magdalena u. Helena Heimann. Nr. 114 Dsgl. - Wilhelm Backhausen 54 Leineweber, E Mechtild Auer 46, S Franz 20, S. Peter 17, T Adelheid, Ki Jacob u. Anton. Nr. 115 Dsgl. - Johann Becker 70 Taglöhner, E Anna Maria Klünter (Kreuter) 32. Nr. 116 Dsgl. (Janshof) - Matheis Zons 60 Halbwinner, S Johann 34, T Maria Sibilla 32, T Catharina 24, T Christina 19, 3 K 2 M. Nr. 117 Dsgl. —Andreas Küpper 32 Nagelschmied, E Margaretha Kirchmeyer 31, Ki Joseph u. Georg, 1 K. Nr. 118 Dsgl. - Bertram Kluth 66 Taglöhner, E Elisabeth Worringen 52. Nr. 119 Dsgl. - Joh. Baptist Knopf 55 Handelsmann, E Margaretha Bley 53, S Paul 19, T Gertrud 15, T Anna Catharina 14. Nr. 120 Dsgl. - Henrich Duel 50 Taglöhner, E Elisabeth Fasanenmeisters 52 (T. d. kurf. Fasanenmeisters Wegener in Liblar), T Anna Sophia 24, S Johann 15, Ki Bernhard. Nr. 121 Dsgl. - Gertrudis Kluth (Wwe. Nikolaus Beyer) 30 Krämerin, Ki Bertram Beyer. Nr. 122 Dsgl. - Franz Lützen 50 Bäcker, E Adelheid Trimborn 44, T Adelheid 16, S Simon 14, Ki Anna Maria. Nr. 123 Dsgl. (Zum Raben) - Franz Spickermann 56 Schuster, E Odilia Löven 51, T Gertrud 21, S Werner 20, S Adam 13. Nr. 124 Dsgl. (1747 Im hellen Mond, 1822 Halber Mond) - Thomas Schürheck 33 Hufschmitt, E Elisabeth Katterbach 39, Ki Anna Maria, Johann, Carl u. Helena, Schwiegervater Johann Katterbach 71, 1 M. 273

Nr. 125 Dsgl. - Friedrich Knott 26 Bäcker, E Catharina Spürck21, Bruder Joh. Joseph Knott 40, 1 M 1 Lehrjung. Nr. 126 Dsgl. (Judenhaus) - Michel Leiser (Katz) 26 Handelsjud, E Elica 24, Ki Gudula u. Göltgen. Nr. 127 Dsgl. (Im Kaiser) - Henrich Krähe 39 Gerichtsschreiber, E Franziska Schnorrenbusch 38, Ki Anna Maria, Joseph u. Anton, 1 M. Nr. 128 Dsgl. - Jacob Höchsten 55 Schlosser, Ki Johann u. Ernst, StT Helena Dahmen 17 (T. d. Franz Henrich Dahmen), 1 M. Nr. 129 Dsgl. - Caspar Mies (Meiss) 37 Schneider, E Gertrud Zier 36, Ki Sophia u. Vetter Laurenz Scheben, 1 M. Nr. 130 Dsgl. - Philipp David (später Sürth) 44 Vorsänger, E Jachel Heumann 28, S David Philipp 12, Ki Vögelgen u. Gudula Davids. Nr. 131 Dsgl. - Joseph Heidgen 52 Schneider, E Catharina Esser 33, T Gertrud 12, Ki Anna Margaretha, Anna Christina u. Joh. Baptist. Nr. 132 Dsgl. - Henrich Wolff 32 Bäcker, E Elisabeth Kürten 37, Ki Maria Elisab­ eth. Paul Comanns 36 Schuster, E Elisabeth Schilling 27. Nr. 133 Dsgl. - Sebastian Weisser 31 Schreiner, E Catharina Fleischer 29, 1 Lehr­ jung 14. Nr. 134 Dsgl. - Anna Catharina (Meschenich Wwe. Christian) Charles 54, T Maria Gudula 18, T Gertrud 16, S Joseph 12. Nr. 135 Dsgl. (bis 1747 Im wilden Mann, dann Zum St. Sebastianus) - Theodor Boehmer 66 Bänder (Faßbinder), T Margaretha 21. Nr. 136 Dsgl. (Zu den zwei Schlüsseln) - Michel Elleser 58 Bäcker, E Anna Catha­ rina Scheffers (Schäfer) 43, Ki Joseph u. Elisabeth, 1 M. Nr. 137 Dsgl. - Margaretha Weisweilers geb. Grafs (Marg. Graven Wwe. d. Gerichtsschreibers Joh. Joseph Weisweiler) 49, T Gertrud 27, S Joseph 24, T Sybilla 22, T Maria Christina 20, T Agnes 18, Ki Catharina (Valentine), Margarethau. Peter Joseph, 1 M. Nr. 138 Dsgl. - Wilhelm Dominik 37 Taglöhner, E Elisabeth (Clara) Kurth 39, Ki Mechtild u. Peter. Nr. 139 Dsgl. - Paul Heuser 62 Bierbrauer, E Gudula (Anna Gertrud) Kautz 56, T Elisabeth 26, T Gertrud 17. Nr. 140 Dsgl. (Im weißen Pferdchen) - Johann Wichterich 63 Brodbäcker, E Marga­ retha Rütten (Rothaar) 52. Nr. 141 In der Casern (vormals Bürgerhaus) Adolph Reinartz 47 Taglöhner, E Agatha Clemens 43, S Werner (Reiner) 14, Ki Margaretha. Anton Rheinfeld 48 Taglöhner, E Mechtild Schall 32, S Wilhelm 14, Ki Sybilla u. Barbara. Johann Barbos 27 Taglöhner, E Elisabeth Mey 36, T Anna Catharina Mey 13, Ki Henrich Mey u. Peter Barbos. Joh. Georg Wacholder 49 Schneider (Schreiner), E Margaretha Tampier 40, Ki Clementine u. Peter. 274

Maria Gertrud (Müller Wwe. Joh. Georg) Burum 49, T Catharina 16, Ki Agnes. Nr. 142 Aufm Steinweg - Johann Kaus (Kautz) 37 Taglöhner, E Anna Metzenma­ cher 42 (55!). Nr. 143 Dsgl. - Anton Hütten 64 Ackersmann, E Clara Schall 34, Ki Anna Catha­ rina. Nr. 144 Dsgl. - Franz Zaaren 28 Öffentlicher Notaire, E Catharina Adolffs 21, Ki Catharina, 1 M. Gerhard Frauenberg 30 Privatmann, E Christina Weisweiler 28, Ki Peter Joseph Weisweiler. Nr. 145 Dsgl. —Gertrud (Giel Wwe. Henrich) Duel 67, S Henrich 29, T Gudula 19. Nr. 146 Dsgl. —Peter Müller 49 Taglöhner, E Maria Mager 53. Werner Klütsch 46 Taglöhner, E Catharina Dietgen 39, Ki Peter, Sibilla u. Joseph. Jacob Heinzen 44 Taglöhner, E Christina Dietgen 35, Ki Catharina, Anna Catharina u. Johann. Nr. 147 Dsgl. - Michel Hemeler 47 Taglöhner, E Adelheid Wolters 49, T Agnes 15, S Matheis. Nr. 148 Dsgl. (Brassartshof) - Johann Meuffeler (Müffeler) 50 Halbwinner, E Anna Catharina Peters 47, S Peter 13, Ki Veronica u. Walburgis, 1 K 2 M. Nr. 149 Dsgl. - Sibilla Kiel Wwe. (Wilhelm) Giel 39, T Gertrud 14, S Johann 12. Nr. 150 Dsgl. - Gudula Schumacher Wwe. (Johann) Scheffer 35, Ki Franz u. Marga­ retha, 1 K 1 M. Nr. 151 Dsgl. — Henrich Huckelmann 50 Taglöhner, E Anna Maria Zimmer­ mann 51. Nr. 152 Dsgl. - Wilhelm Kratz 35 Schuster, E Anna Catharina Trimborn 32, Ki Henrich, Ferdinand u. Adelheid. Nr. 153 Am Kutschenschopf - Johann Charles 64 Taglöhner, E Barbara Kurth 65, T Anna Margaretha 28, S Johann Peter 20. Nr. 154 Dsgl. - Henrich Steinberger 36 Taglöhner, E Anna Maria Staas 40 (Hebamme, Wwe. Henrich Joseph Cames), StT Eva Cames 23, StT Anna Sophia Cames 18, StKi Henrich, Peter Joseph u. Franz Cames. Nr. ? Dsgl. — Peter Wolff 48 Gerichts-Huissier, E Anna Sophia Krabben (Krap) 49, T Agnes 15, Ki Johann Peter. Nr. 157 In der Spitalsgaß - Lothar Charles 32 Taglöhner, E Gertrud Giel 39. Nr. 158 Dsgl. - Gottfried Schmitz 49 Taglöhner, E Sybilla Giel 51, S Wilhelm 18, T Clementina 13, Ki Gertrud. Joseph Feuser 28 Schreiner, E Anna Maria Ponz (Schar, Wwe. Wilhelm Braun) 43, StS Damian Braun 18, StT Anna Maria Braun 15, StS Gerhard (Eberhard) Braun 12. Nr. 159 Dsgl. - Anton Niesermann 36 Taglöhner, E Elisabeth Bonn 34, Ki Jacob u. Margaretha, Schwiegermutter Margaretha Germund 61 (Wwe. Christian Bonn). 275

Michel Krausen 26 Leineweber, E Anna Maria Bonn 29. Nr. 160 Dsgl. - Franz Müller 40 Taglöhner, E Elisabeth Schreff 32, T Anna Sophia 14, Ki Gertrud u. Johann. Sybilla Schreff 30 (Wwe. Joh. Wilhelm Vogel), Ki Ludmildis Vogel. Nr. 161 Dsgl. - Jacob Rieff 27 Taglöhner, E Anna Maria Britz 31. Christina Flertzheim 40 (Wwe. Taglöhner Caspar Kessel), S Peter 16. Nr. 162 Dsgl. —Werner Krautwig 58 Taglöhner, E Agnes Gustorf 54. Nr. 163 Dsgl. - Johann Gau 85 ehemaliger Gerichtsbott, E Margaretha Heitzer 66. Nr. ? Dsgl. - Jacob Königsfeld 68 Pfarrer der Gemeinde Vochem, 1 M. Nr. ? Neben dem Spital - Mathias Esser 76 Witwer, Gertrud Stoffel 37 Witwe, S Bernhard Stoffel 16. Nr. 165 Im Spital - Christina (Milser Wwe. Johann) Sommersberg 96 (90), T Catharina (50), Adelheid Schall 56. Adelheid Mörsch 60 Witwe. Nr. 166 In der Spitalsgaß - Johann Bendermacher 34 Taglöhner, E Lucia Charles 27, Ki Anton u. Gertrud. Joh. Joseph Keller 46 Taglöhner, S Henrich 16, Ki Gerhard. Nr. 167 Dsgl. -Johann Baum 46 Schreiner, E Margaretha Kolb 26, Ki Jacob, Schwe­ ster Gabriele B. 44, Schwester Anna Maria B. 30 (40), Christina Birrfeld 59 Witwe. Nr. 168 Aufm Marckt (Zum Schwan) - Joh. Peter Müller 44 Bierbrauer, E Theresia Schmitz 53 (33), Ki Clemens, 1 M. Nr. 169 Dsgl. (Zu den hl. drei Königen) - Gottfried Ries 54 Kaufhändler, E Marga­ retha Türst (Thür) 48, S Joh. Georg 22, T Margaretha 15, S Johann 12, Ki Agnes. Nr. 170 Dsgl. (Zum Roten Löwen) - Peter Linden 46 Faßbinder, E Elisabeth Scheffers 50 (Elisabeth Fuchs Wwe. Johann Kreutzer), StS Christian Kreutzer 25, StT Sybilla (Isabella) Kreutzer 18. Nr. 171 Dsgl. - Andreas Engels 39 Metzger, E Barbara Schumacher 41, T Maria Sybilla 15, Ki Henrich, Margaretha u. Joh. Joseph. Elisabeth Esch 60 Wwe. Ignaz Feigen. Nr. 172 Dsgl. (Zum Wolf) - Henrich Lauten 38 Schneider, E Anna Catharina Bösem 32, Ki Peter, 3 K. Nr. 173 Dsgl. (Hofapotheke) - Jacob Martini 46 Apotheker, E Isabella Klöcker 32, Ki Franz Joseph, Carl, Philipp u. Henrich, 2 K 1 M. Nr. 174 Dsgl. (Zum Schwarzen Rößchen) - Johann Kribben 40 Bierbrauer, 1 K 2 M. Nr. 175 Dsgl. (Zur Luhrdanne) - Gertrud Finger 56 Privatperson, Anna Sybilla Finger 47, Mathias Decker 13 ihr Vetter. Nr. 176 Dsgl. - Henrich Schallenberg 54 Schuster, E Margaretha Weiler 33, T Sy­ billa, S Johann 18, T Anna Maria 12, Ki Cacilia. Nr. 177 Dsgl. - Wilhelm ßergheim 38 Taglöhner, E Anna Maria Reimermann 32, Ki Peter Joseph u. Henrich Reimermann, Schwiegermutter Anna (Schmitz Wwe. Gottfried) Reimermann 65. 276

Nr. 178 Dsgl. - Henrich Knott 68 Ackersmann, E Gertrud Lempertz, 2 K 2 M, Nr. 179 Dsgl. - Wilhelm Kegenhoff 21 Bäcker, E Charlotte Heller, 1 M. Andreas Ramacher 12 Witwer (vormals Schneider). Nr. 180 Dsgl. (In der Krone) - Friedrich Albracht 66 Ackersmann, T Margaretha 22, S Christian 20, StS Peter Joseph Falckenstein 30, 1 K 1 M. Nr. 181 Dsgl. (Zum Christoffel) - Matheis Müller SA Faßbinder, E Sybilla Wichartz 28 (Wwe. Peter Anton Falckenstein), StKi Helena u. Catharina Falckenstein. Nr. 182 In der Kirchgaß - Joseph Werner 49 Taglöhner, E Barbara Hamacher 48, T Sybilla 29, deren Ehemann Michel Schwister 27 Taglöhner, Ki Peter. Cornel Werner 39 Taglöhner, E Margaretha Gumbertz 34, Ki Johann, Fer­ dinand, Franz u. Magdalena. Anna Maria Zerrega (Siria) 40 „seine halbe Schwester“. Nr. 183 Dsgl. - Johann Hoemen 56 Schuster, E Mechtild Kirchartz 49, Ki Richmodis u. Henrich. Johann Rosel 48 Taglöhner, S Wendelin 22, Ki Theodor. Nr. 184 Dsgl. - Edmund Mack 30 Taglöhner, E Elisabeth (Laurens) 29, Ki Peter Joseph. Bernhard Finck 68 Taglöhner, E Maria Zimmermann 68. Gertrud Dolfet 25 Näherin (Ehefrau Andreas Schaffer), Ki Elisabeth Sch., deren Schwester Anna Sophia Dolfet 30. Nr. 185 Dsgl. - Adelheid Radermacher 31 Wäscherin (Wwe. Lambert Vieren), Ki Theresia u. Ignaz Firnen (Vieren). Nr. 186 Dsgl. - Daniel Balg 43 Taglöhner, E Christina Kirchartz 32, Ki Anna Maria. Nr. 187 Auf der Kölnstraß (Zum HL Geist) - Peter Koch 49 Gastgeber, E Margare­ tha Kley 37, Ki Jacob u. Henrich, 2 K 2 M. Nr. 188 Dsgl. - Theodor Mack 36 Maurer, E Anna Catharina Hilgers 30, Ki Wilhelm, Arnold u. Joh. Peter, 2 M. Nr. 189 Dsgl. (Großer Ochse) - Andreas Hertmanni 60 Renthier, E Clementina Schauenburg 45, Bruder Franz Hertmanni 47, 1 M. Nr. 190 Dsgl. (Kleiner Ochse) - Sibilla Obladen 67 Witwe (Johann Grein), T Elisab­ eth 28, S Hermann Joseph 25, S Jean Baptiste 21. Nr. 191 Dsgl. - Christian Kaus 30 Schneider, E Anna Catharina Kegenhoff 22, Ki Joseph, 1 M. Joseph Meyer 38 „ein Medecin Doctor“. Nr. 192 Dsgl. —Jacob Giesen 43 Privatmann, E Christina Kivernagel 35, 1 M. Nr. 193 Dsgl. - Michel Müntz 40 Taglöhner, E Apollonia Hall 34, Ki Clara, Schwie­ germutter Elisabeth Müller 74 (Wwe. I. Henrich Hall, II. Sebastian Lindorf), 1 M. Nr. 194 Dsgl. - Theodor Kentenich 30 Metzger, E Ida Wahlen (Waaren) 35, Ki Joseph, Sophia u. Adelheid, Mutter Sophia Schmitz 72 (Wwe. Joh. Joseph Kentenich), 1 M. 277

Nr. 195 Dsgl. - Caspar Eschweiler 45 Bäcker, E Christina Hendrichs (Heinrichs) 36, Ki Margaretha, Henrich u. Elisabeth, 1 M. Nr. 196 Dsgl. - Jacob Wichartz 36 Taglöhner, E Anna Zimmermann 38, 1 M. Nr. 197 Dsgl. - Christian Wichartz 38 Taglöhner, E Christina Hohn 41, Ki Catharina, Anna Maria, Jacob u. Theodor. Nr. 198 Dsgl. - Jacob Hackspiel 66 Gastgeber, T Anna Maria 30, T Anna Catharina 24, 1 K 1 M. Nr. 199 Dsgl. - Johann Kessel 40 Taglöhner, E Agnes Albrecht 33, seine Mutter Margaretha Willms 85 (Wwe. Hubert Kessel). Nr. 200 Dsgl. (1685 Zum Engel, später Zum englischen Gruß, heute Eckhaus Kölnstraße/Kempishofstraße) —Johann Küpper 33 Wirt, E Elisabeth Wolffs 33 (Wwe. Simon Hegel), StKi Cunigunde Hegel, Schwester Theresia Küpper 25. Nr. 202 Am Kempishof-Joseph Reymann 29 Barrier-Empfänger, E Theresia Seydlitz 21, Ki Ignaz u. Johanna. Nr. 203 An den Ställen - Peter Mönchshoff 64 Taglöhner, E Margaretha Höchst (?), T Agaths (?), Ki Johann. Nr. 204 Am Kempishof —Heinrich Dominik 46 Taglöhner, E Catharina Schnei­ der 42, Ki Catharina, Anna Maria u. Elisabeth. Nr. 205 Dsgl. - Matheis Küpper 65 Taglöhner, E Mechtild Widdig 64. Nr. ? Dsgl. - Bernhard Fashender 38 Taglöhner, E Margaretha Nüsgen 26, Ki Nicolaus u. Veronica. Nr. ? An der Kirche - Wwe. Anna Catharina Jülich 74, 1 M. Nr. 209 Aufm Kirchhof - Henrich Gareis 41 Maire (nicht: Pfarrer!), 1 Pflegekind, 2 M. Nr. 210 Im Kempishof - Nicolaus Giersberg 48 Halbwinner, E Mechtild Kribben 46, 2 K 2 M. Nr. ? An den Ställen - Joseph Lariviere 32 Taglöhner, E Gertrud Osten (Wwe. Friedrich Kautz) 38, StT Sybilla Kautz 13, Ki Catharina u. Peter. Nr. ? Dsgl. - Maria Gudula Weber 52 Näherin, Anna Maria Weber 38 Taglöhne­ rin, Christian Brunnenwasser 15, deren Sohn. Nr. 211 Aufm Kirchhof - Joseph Stein 47 Schullehrer, E Barbara Lütz 47, T Anna Catharina (Sophia) 20, S Simon Joseph 17, Ki Johann. Nr. 212 An den Ställen - Friedrich Burum 28 Taglöhner, E Anna Catharina Kroich (Krug) 46 (Wwe. I. Peter Weber, II. Leonhard Stang), StKi Gerhard u. Joseph Weber, Henrich Stang, Ki Joh. Peter Burum. Peter Wandeier 30 Taglöhner, E Eva Dumm 28, Ki Peter u. Sebastian. Nr. 213 Dsgl. - Johann Billig AS Taglöhner, E Anna Catharina Mack, T Anna Sophia 15, Ki Margaretha. Nr. 214 Dsgl. -A nton Zarther 48 Taglöhner, E Catharina Uhrenbachs (Urbach) 53. Nr. 215 Dsgl. - Barthel Schmitz 44 Taglöhner, E Anna Maria Weber 47, Ki Richmod u. Adelheid. Nr. ? Dsgl. -Johann Römer 43 Taglöhner, E Agnes Scheffer 38, Ki Michel. 278

Nr. ? Dsgl. - Gertrud Rohr 54 Wwe. (Anton Mutscheid), T Helena (Magda­ lena) 21, Ki Theresia. Nr. 219 Dsgl. —Johann Frohn 38 Taglöhner, E Agnes Bückers 46, T Elisabeth 16, T Maria Eva 14, T Catharina 12. Nr. ? Dsgl. - Simon Müller 47 Taglöhner, E Anna Sophia Mack 35, Ki Theodor u. Johann. Nr. 220 Dsgl. —Veronica (Krüger Wwe. Johann) Draaff 56, T Catharina 23, S Seba­ stian 12. Nr. 221 Dsgl. - Marx Cain 40 Handelsjud, E Rachel 36, Ki Sara, Ruthgen u. Eckel, 1 M. Nr. 222 Dsgl. - Peter Müller 40 Taglöhner, E Gertrud Krall 39. Nr. 223 Am Wall - Narziss Heller 66 Gärtnergesell, T Theresia 28. Nr. 224 Dsgl.-Georg Grahn 29 Taglöhner, E Anna Maria Billig 35, T Gertrud 12. Nr. 225 Dsgl. - Maria Franzisca Köllen 61 Wwe. (des kurf. Jägers Peter Kautz), T Elisabeth 21. Joseph Schneider 42 Schuster, E Elisabeth Nothnagel 48. Nr. 226 Dsgl. —Matheis Schröder 72 Witwer, Peter Nüsgen 27 Taglöhner, E Marga­ retha Becker (Boeker) 28, Ki Barbara. Nr. 227 Dsgl. - Peter Schumacher 63 Schneider, E Anna Maria Engels 56. Nr. 228 Dsgl. - Franz Fey 55 Taglöhner, E Margaretha Hagen 57, T Anna 20, T Elisabeth 14, T Christina 30, deren Ehemann Johann Grahn 33 Taglöh­ ner, Ki Maria Gudula u. Franz Grahn. Nr. 229 Dsgl. - Sophia (Titz Wwe. Johann) Krüger 69, T Anna Maria 43, deren Ehemann Theodor Rörig 40 Taglöhner, Ki Catharina Rörig. Nr. 230 Dsgl. - Johann Schmitz 70 (61) Taglöhner, E Catharina Pontz 73 (59), T Ca­ tharina 22, deren Ehemann Theodor Wieland 25 Taglöhner, Ki Joseph Schmitz. Nr. 231 Dsgl. - Franz Schmitz 38 Taglöhner, E Susanna Schmitz 40, Ki Anna Catha­ rina u. Anton. Michael Sebene 37 Taglöhner, E Elisabeth Schröder 42, Ki Elisabeth, Char­ lotte u. Anna. Nr. ? Dsgl. —Everhard (Gerhard) Krämer 48 Taglöhner, E Margaretha Brass 37, Ki Gertrud. Nr. 232 Dsgl. - Anton Effertz (Evertz) 40 Schuster, E Margaretha Eichenbaum 36. Peter Lützen 49 Taglöhner, E Maria Fey 51, T Anna Maria 21, T Maria 15, S Johann 13, Ki Catharina. Nr. 233 Dsgl. - Barbara Pullem (Wwe. d. Taglöhners Henrich Dewald) 52, S Mat­ heis 14, Ki Apollonia. Nr. 234 Dsgl. - Christian Kleefuß 52 Taglöhner, E Anna Merkenich 50, Ki Joh. Peter u. Henrich. Nr. 235 Dsgl. - Laurenz Bausacker (Pusacker) 71 Taglöhner, E Elisabeth Sanders 64, T Anna Maria 34, deren Ehemann Peter Engels 31 Taglöhner, Ki Anna Maria u. Apollonia. 279

Nr. 236 Nr. 237 Nr. 238 Nr. 239

Nr. 240 Nr. ? Nr. -

Nr. -

Nr. 247 Nr. 248 Nr. 249

Nr. 250

Anton Barth 80 „veraltet“ (Invalide), E Apollonia Jockums (Plug) 59. Johann Wieland 38 Taglöhner, E Margaretha Barth 25, Ki Nicolaus. Dsgl. —Anna (Breuer Wwe. d. Taglöhners Hermann) Eul 45, Ki Johann u. Joseph. Dsgl. - Christoph Schallenberg 38 Taglöhner, E Margaretha Schwarz 33, Ki Henrich u. Joseph. Dsgl. - Laurenz Heinzen 41 Taglöhner, E Anna Maria Trimborn 37, Ki Adelheid. Dsgl. - Peter Sch effer 50 Feldschütz, E Catharina Baum 52, S Johann 16, T Odilia 14, Ki Elisabeth. Maria Schillings 25 Näherin. Am Uhltor - Johann Bley 50 Schreiner, E Jenitong (Jeanetton?) Dutron 55, S Joseph 15, Ki Bernard u. Baptiste. Dsgl. - Nicolaus Nüsgen 68 Taglöhner, E Barbara Wolters 65. „In Brühl“ Francois Lambert 46 Lieutenant des Douanes. Nicolas Augustin Brignon 46 Souslieutenant, E Marie Louise Deptin 43, S Auguste 13. Frangois Binet 55 Prepose, E Marie Pluquin 51, T Julie 12. Charles Louis Baudoin 35 Prepose, E Marie Henriette Pardicq 42. Louis Delcourt 34 Lieutenant, E Ernestine Plelin 35, Ki Lambert, Louis, Nicolas u. Frangoise. In der Fasanerey - Gertrud Eisei (Eysel) 40 Gastgeberin, deren Schwester Margaretha E. 38, deren Bruder Franz E. 42, deren Bruder Ferdinand E. 36, dessen Frau Maria Christina Kribben 38, Ki Gertrud, 2 M. Am Falkenlust - Ferdinand Hackspiel 28 Ackersmann, E Catharina Eysel 29, Ki Franz, 1 K 2 M. Zu Palmersdorf - Peter Schurff 44 Halbwinner, E Margaretha Eisen­ krahe 36, Ki Jacob, Adam, Christian u. Ferdinand, 4 K 6 M. Zu Palmersdorf - Clemens Kribben 46 Halbwinner, dessen Bruder Rudolph 44, dessen Bruder Matheis 36, dessen Frau Gertrud Kribben 34, Ki Clemens, Joseph u. Rudolph, Vetter Joh. Peter Weiser 53, 5 K 4 M. Im Treibhaus - Joseph Weyhe 52 Kunstgärtner, E Gertrud Lenne 47, S Max Friedrich 27, T Anna Maria 33, T Agnes 21, T Margaretha 18, Base Chri­ stina Kerp 13, 2 M.

1 Ob jemand in Brühl am Markt oder in der Wallstraße wohnte, bezeichnete von jeher einen sozialen Unterschied. 2 Ältestes „Simpelregister“ von 1635 im StAB Akten 15. 3 PfarreiArch St. Margareta, Akten A. V. 6. - Von R. Bertram mit einigen Lesefehlern abgedruckt als Beilage zum Brühler Kalender für das Jahr 1914. Über die Schwierigkeiten, die aufgezählten Familien bestimmten Häusern zuzuordnen, vgl. R. Bertram, Chronik d. kath. Pfarre, Brühl 1913, S. 140 ff. 4 PfarreiArch St. Margareta, Akten A. V. 8. - Sonst wie zu Anm. 3. 5 In dem Ratsprotokoll vom 6. Februar 1790 (StAB Akten 7, 26) wird einmal beiläufig eine „Bevölkerungstabelle“ erwähnt. Näheres über diese Tabelle konnte aber bisher nicht ermittelt werden.

280

6 Kaiser Napoleon war ein Statistik-Fanatiker. Wenn er auf Inspektionsreise war, mußten seine Beamten auf die ausgefallensten Fragen zur Statistik vorbereitet sein. Als er 1807 das Roer-Departement inspizierte - zu dem auch Brühl gehörte—, soll er den Präfekten Mechin mit der Frage überfallen haben: „Wieviele Adler gibt es in Ihrem Departement?“ Man erzählt sich, Mechin sei eine Sekunde lang sprachlos gewesen, habe dann aber als vollendeter Höfling geantwortet: „Sire, vor Ihrer Ankunft hat man hierzulande noch nie einen Adler gesehen!“ 7 HStAD Roer-Departement Nr. 1721. - Wer familiengeschichtlich interessiert ist, kann zu den meisten Personen dieser Liste noch weitere Daten beim Verfasser erfragen. 8 Abweichend von der Liste werden einige Familiennamen in der späteren „standesamtlichen“ Schreibweise wiedergegeben. Die Abkürzungen bedeuten: E = Ehefrau, S = Sohn, T = Tochter, Ki = Kind unter 12 Jahren (in der Liste ohne Altersangabe aufgeführt), St = Stief..., K = Knecht, M = Magd. 9 Fundstelle wie zu Anm. 7. 10 Eine Erinnerung an die damals übliche Durchnumerierung hat sich in Köln in der Markenbezeichnung „4711“ erhalten, die ursprünglich die Nummer des Hauses in der Glockengasse war, in der das Eau de Cologne hergestellt wurde. 11 Sicher hat es auch eine Häuserliste gegeben, in der diese Zuordnung festgelegt worden war. Ein solches Aktenstück konnte aber bisher ebensowenig aufgefunden werden wie die Beiakten zu der Kataster-Urkarte von 1821, die darüber vielleicht Auskunft geben könnten. 12 Die Ursachen dieser chronischen Wohnungsnot können hier nicht dargelegt werden. Zwischen dem Kurköln des 18. Jh. und heutigen rein agrarisch strukturierten unterentwickelten Ländern gibt es viele Ähnlichkeiten. 13 Einzelheiten können darüber noch nicht gebracht werden, da die einschlägigen Akten noch nicht aufgefunden sind. 14 StAB Akten 6. 15 StAB Akten 7, 32.

281

D as F ranziskanerkloster in d er F ranzosenzeit

i.

In der Zeit der französischen Militärregierung, also vom 6. Oktober 1794 bis zum 4. November 1797, lebten die Brühler Franziskaner anscheinend unbehelligt so wie sie in der Kurfürstenzeit gelebt hatten. Im Winter 1794/95 benutzten die Sansculottes einen Teil des Klostergebäudes - wie die Österreicher in den Jahren zuvor - als Lazarett1; dadurch wurde aber das Leben der Patres offenbar nicht berührt. Niemand hinderte sie daran, ihren Lebensunterhalt weiterhin durch „Terminieren“2 zu erwer­ ben. Dabei mußten sie allerdings behutsam vorgehen. Als einmal Pater Severus (Schüppen) bei einem Liblarer Bauern terminierte, klagte dieser über die hohen Kontributionen. Severus sagte ihm, an seiner Stelle würde er die Kontributionen nicht leisten. Das erfuhr der Steuereinnehmer Dumoulin und klagte Severus bei der Bonner Regierung wegen Aufhetzung zum Steuerstreik an. Die Regierung machte aber keinen Kriminalfall daraus. Sie ersuchte den Guardian (Klostervorsteher), Severus disziplina­ risch zu bestrafen und künftig einen weniger redseligen Priester zum Terminieren einzusetzen3. Damit war diese Sache erledigt4. Einen Streit, den ein anderer Pater, Adam Knoerzer, mit dem Kommissar Biergans hatte, legte der Ordensprovinzial dadurch bei, daß er Knoerzer am 23. Fru. VII nach Düsseldorf versetzte5. Im Zuge der Einführung der französischen Gesetze in den rheinischen Departe­ ments dekretierte der Regierungskommissar Rüdler am 11. Ni. VI/31. Dezember 1797, daß kein Orden mehr Novizen aufnehmen und kein Novize mehr das Gelübde ablegen dürfe. Dieses Dekret mußte in jedem Kloster amtlich bekanntgegeben werden; das Protokoll über die Bekanntgabe mit einer Liste der Geistlichen und Novizen mußte der Klostervorsteher sowie der älteste und der jüngste Mönch unter­ zeichnen. Dementsprechend begab sich am 22. Ni. VI/11. Januar 1798 der Baillif (Amtmann) J. Gänsen mit J. Lievenbrück und F. W. Schmitz6als Zeugen zum Franziskanerkloster und erstellte das vorgeschriebene Protokoll7. Unterzeichnet wurde es von dem Guar­ dian Magnericus (H. E. Scolniovsky), dem Vicarius et Senior Gedeon Elser8und dem jüngsten Mönch Epiphanus (J. B. Landgraf). Von den vielen die geistlichen Institutionen betreffenden Dekreten der Militärregie­ rung wurden die Brühler Franziskaner nicht berührt. Alle diese Dekrete betrafen die Einkünfte der Stifte und Klöster und deren für Landbesitz zu leistenden Kontributio­ nen. Sie waren für die Bettelorden gegenstandslos, da diese weder feste Einkünfte noch - außer ihren nicht steuerbaren Klostergebäuden —Landbesitz hatten. 282

II. Zu Anfang des Jahres 1801, als die Verhandlungen über das Konkordat anliefen, mußten überall die „Etats“ - der Personenbestand und der Vermögensbestand - der aufzuhebenden geistlichen Institutionen durch die örtliche Maires und Domänenver­ walter aufgenommen werden. Durch diese Bestandsaufnahmen wollten sich die Konsuln einen Überblick verschaffen über die voraussichtlichen finanziellen Auswir­ kungen der geplanten Säkularisation. Einerseits sollten ja die Vermögen der aufgeho­ benen Körperschaften der Staatskasse anheimfallen, andererseits sollten die davon betroffenen Personen bare Abfindungen erhalten9. Es war klar, daß die Aufhebung der Bettelorden für die Staatskasse ein Verlustgeschäft war. Dementsprechend erstellten der Maire Gareis und der Domänenverwalter Rosel am 1. Pl. IX/21. Januar 1801 folgende Liste der Klosterinsassen10: Klostername 1

.

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.

Geburtstag

Geburtsort

Henrich Andreas Scolniovsky Magnerich 7. 6.1732 Ehrenbreitstein (Als Guardian in Brühl eingesetzt durch Provinzial;an 27. Vd. IX) Philipp Schieffer Angelicus 16. 1.1722 Köln (Gestorben in Brühl am 28. Fl. X) Godfridus 16. 3.1728 Aachen Daniel Hendricks Johann Peter Göbel Hilarion 30. 3.1732 Ernich 11. 1.1748 Johann Adam Widelfeld Parmenicus Thorr 14. 9.1737 Johann Heinrich Dicob Hermotan Artenfels Johann Franz Schnock Torquatus 6. 12.1749 Rath Johann Schuppen Severus 28. 1.1758 Andernach (Gestorben in Vochem am 18. 4. 1835) Johann Baptist Landgraf Epiphanus 9. 2.1749 Pingsheim Wilhelm Verpoorten Fredericus 13. 12.1762 Lenderath Nikolaus Josef Pfertzwey Albertinus 21. 6.1769 Aachen (Gestorben in Merten 1833) Dontzenheim Simon Baur Urbanus 11. 5.1746 Johann Nikolaus Nacken 27. 9.1738 Aachen Methodius (Gestorben in Brühl am 20. 5. 1814) 24. 2. 1728 Johann Beiss Hermann Aachen (Gestorben in Brühl am 17. Fri. XI) Glehn Jakob Kluth Maurus 19. 4.1732 4. 10.1744 Johann Rolshausen Benedictus Cochem Michael 23. 7.1748 Marmagen Andreas Schlieff 17. 4.1746 Mathias Wandel Tobias Heimerzheim Agidius Leuff Philipin 6. 1.1756 Kempen Jakob Comes Engelbertus 30. 4. 1740 Kempen Johann Georg Flügel Elisäus 20. 4.1757 Limburg/Lahn (Gestorben in Köln am 22. 1. 1851) Peter Zimmermann Perfectus 18. 10.1737 Koblenz

Profeßtag

in Brühl seit

26. 8.1751

30. 6.1795

12. 5.1739

21. 10.1787

26. 17. 30. 6. 11. 18.

19. 3. 6. 14. 16. 19.

5.1745 9.1761 5.1769 7.1756 10.1767 9.1770

11.1782 8.1770 7.1795 7.1789 8.1782 1.1777

26. 7.1772 26. 4.1789 29. 5.1789

2. 3.1794 12. 5.1789 20. 8.1797

9. 5.1770 13. 4.1757

6. 10.1793 28. 10.1776

23. 9.1759

17. 9.1784

2. 13. 9. 10. 17. 22. 26.

12.1760 5.1776 2.1782 11.1779 1.1789 8.1765 9.1776

3. 3.1779 7 5.1792 18. 8.1794 10. 2.1797 7. 5.1789 29. 11.1793 19. 10.1798

29. 8.1758

19. 10.1798

III. Nachdem die Konsuln am 20. Pr. X/9. Juni 1802 die Aufhebung aller geistlichen Instutionen verfügt hatten, wurde am 13. Me. X/2. Juli 1802 das Ausführungsdekret für die rheinischen Departements erlassen, das die Einzelheiten der Aufhebung regelte11. Diesem Dekret entsprechend begaben sich am 17. Th. X/5. August 180212 der für die Durchführung der Verstaatlichung vom Präfekten bestellte Kommissar F. W. Schmitz6und der Domänenverwalter J. B. Rosel zum Kloster, um das Vermögen 283

der Brühler Rekollekten13 als „Domaine national“ zu übernehmen14. Auf vorgedruck­ ten Formularen nahmen sie in Anwesenheit sämtlicher Klosterinsassen darüber ein ausführliches Protokoll auf. Die meisten Artikel dieser Formulare wurden gestrichen, da sie den Bestand an Liegenschaften, Besitztiteln und diesbezüglichen Akten betrafen. Auffallenderweise wurde auch hinsichtlich sonstiger Archivalien Fehlanzeige gemeldet. Bei fast allen anderen aufgehobenen geistlichen Körperschaften blieben die Archive dadurch erhal­ ten - und sind heute wertvolle Fundgruben -, daß sie bei der Aufhebung übergeben und dann von den französischen Behörden mit bürokratischer Sorgfalt verwahrt wurden. Die Brühler Rekollekten dagegen haben ihr Archiv offenbar vor dem 5. August 1802 irgendwohin „in Sicherheit gebracht“. Das hatte zur Folge, daß viele Archivalien verloren gingen. Nur einige Stücke, die im 19. Jh. meist in Privatbesitz waren, blieben erhalten und sind heute weit verstreut15. Auch vermißt man ein Verzeichnis der „weltlichen Habe“, das die Mobilien der Kloster-Räume, das Inventar der Klosterküche, die Vorratsbestände u. dgl. enthielt. Was aus diesen Gegenständen geworden ist, läßt sich nicht mehr aufklären. Sie wurden anscheinend schon am 18.—21. Th. X/6.—9. 1802 vor Notar Zaaren öffentlich versteigert. Die betreffenden Versteigerungsprotokolle (Zaaren UR Nr. 446—450) sind aber verschollen. Ausgefüllt ist nur das Formular „Etat Sommaire de PArgenterie des Eglises et Chapelles, Effets de Sacristie, Bibliotheques, Livres, Manuscrits, Medailles et Tableaux, trouves dans l’Etablissement nomme Couvent des Recollets en la Commune de Bruhl“. In dieser Liste sind summarisch die übergebenen Paramente, kirchlichen Gerätschaften u. dgl. mit geschätzten Werten, insgesamt 2472,70 frs, aufgezählt. „Eine herrliche Orgel“ ist darin mit 1600 frs, „fünf Altäre mit acht dazugehörenden Statuen und einer Sonne aus Spiegeln“ sind mit 150 frs angesetzt. „Eine Bibliothek, enthaltend etwa 2000 Bände, die größtenteils von Theologie, dem Orden des hl. Franziskus und von Erbauung, aber nur sehr wenig von Wissenschaften handeln", ist mit ganzen 100 (!) frs bewertet. Diese Liste wird hier als „Liste der kirchlichen Mobilien“ bezeichnet16. Abschließend wurde den Klosterinsassen bekanntgegeben, daß sie ihre Ordens­ tracht ablegen und das Kloster demnächst verlassen müßten. Das Protokoll sowie die Liste der kirchlichen Mobilien wurde von Schmitz, Rosel und allen Klosterinsassen unterzeichnet; J. Kluth und J. Beiss erklärten, nicht schreiben zu können. Die Liste der Mobilien Unterzeichnete außerdem noch der Tagelöhner Johann Harzern, den Rosel zum Wächter der Klosteranlagen bestellt hatte. Am 27. Fru. X/14. September 1802 erhielten F. Schnock, J. G. Flügel, J. B. Land­ graf, H. A. Scolniovsky und J. H. Dicob, „nes en pays etranger“ (im Ausland geboren), ihre Pässe17. Mitte Dezember 1802 erhielten die inländischen vormaligen Klosterinsassen durch den Maire die Zahlungsanweisungen, aufgrund deren sie ihre Renten bei der Domä­ nenkasse in Köln abholen konnten18. Sie wurden aber nicht vertrieben. N. Nacken, J. Schüppen und Ägid Leuff wohnten noch 1809 im Kloster. 284

IV. Am 29. Th. X/17. August 1802 berichtete Rosel, daß alle vier Klöster seines Bezirks (Franziskaner Brühl und Lechenich sowie Cistercienserinnen Benden und Burbach) geräumt seien und vermietet werden könnten19. Er bat um Weisungen hierzu und trug das Brühler Rekollektenkloster mit Kirche in seine Liste der zu vermietenden Objekte ein. In dieser Liste mußte er aber die Kirche wieder streichen, als der Präfekt am 24. Vd. XI/16. Oktober 1802 eine Verordnung betr. die Verpachtung von Nationalgü­ tern20 erließ, deren Art. IV bestimmte: „Die Kirchen und Templen, welche zur Haltung des Gottesdienstes dienen, obgleich sie dermalen als ungebraucht geschlossen sind, . . .sollen eher nicht als nach endlicher und naher Begränzung der Pfarr- und Filial-Kirchen verpachtet werden mögen.“ Dieser Artikel sollte verhindern, daß Gotteshäuser, die als Haupt-, Succursal- oder Annexkirchen in Betracht kamen21, vor der endgültigen Neuordnung der Pfarreien profaniert würden22. Nicht verboten, sondern sogar dienstlich vorgeschrieben war dagegen die Nutzbarmachung der Klostergebäude durch Vermietung. So wurde am 1. Ge. XI/22. März 1803 vor dem Maire zu Brühl meistbietend vermietet „Ein Gebäude, das Franziskaner Kloster zu Brühl genannt, mit Ausnahme der Kirche und Sacristey“23. Darüber wird unten zu VI. berichtet. Was mit der Kirche geschehen solle, wußte zunächst niemand. Rosel war sich ihres Werts bewußt. Schon am 29. Vd. XII/22. Oktober 1803 hatte er seinem Chef geschrie­ ben: „An dem Kloster steht eine Kirche, deren Chor einer der schönsten des ganzen Landes ist. Die Orgel ist ein Meisterwerk von hohem Wert; man könnte sie nicht ohne schweren Schaden ausbauen. . . . Wenn in dem Kloster ein Hospiz eingerichtet wird, so könnte man die Kirche weiterhin für Gottesdienste benutzen, zumal die Pfarrkir­ che jetzt schon zu klein ist“24. Immerhin wollte er aber einige kirchliche Gerätschaften versteigern, um die Kosten der Bewachung zu decken. Dem widersprach aber der Maire Zaaren. Am 28. Br. XII/20. November 1803 schrieb er dem Präfekten: So lange die künftige Zweckbe­ stimmung einer geschlossenen Kirche nicht feststehe, dürft auch das vorhandene kirchliche Inventar nicht veräußert werden. Daraufhin sagte der Unterpräfekt am 13. Fri. XII/5. Dezember 1803 die Versteigerung ab, da die Rekollektenkirche ein Oratorium der Ehrenlegion werden solle25. Die Mobilien blieben in der Sakristei, deren Türen ebenso wie die Kirchtüren versiegelt wurden. Zaaren versprach, für die Bewachung zu sorgen. Am 7. Br. XIV/29. Oktober 1805 teilte dann aber der Kanzler der 4. Kohorte, Graf Salm-Dyck, dem Maire Zaaren mit, daß der Kaiser es abgelehnt habe, die Kirche und das Kloster der Rekollekten dem Palais der 4. Kohorte (Schloß Augustusburg) anzu­ gliedern26. So wußte wiederum niemand, was mit der Kirche geschehen solle. Pläne wurden 285

erwogen, das Kloster mit oder ohne Kirche zu verkaufen; aber es fand sich kein Kaufinteressent. In dieser Lage richteten Zaaren und der Conseil Municipal am 11. März 1807 eine Bittschrift an den Präfekten und den Bischof27: „. . .Da wir immer noch hoffen, daß die Ehrenlegion . die vorerwähnte Kirche als Oratorium übernehmen . oder daß die Regierung ihren Versprechungen gemäß das Kloster samt der Kirche öffentlichen Zwecken widmen würde, haben wir bisher unterlassen, andere Schritte zur Erhaltung diesere Kirche zu unternehmen, denn in beiden Fällen könnten die Brühler Bürger die Kirche als Oratorium benutzen, ohne mit den Kosten des Gottesdienstes und den Unterhaltungskosten belastet zu sein. Jetzt aber, da das Kloster verkauft werden soll . fühlen wir uns verpflichtet, alles zu unternehmen, um die Profanierung oder gar den Abbruch eines Gotteshauses zu verhindern, dessen Innenausstattung, nämlich die Altäre und die Orgel, vielleicht die schönste im ganzen Departement ist und nicht entfernt werden könnte, ohne schweren Schaden zu erleiden oder ganz zerstört zu werden. Auch ist die Erhaltung der Kirche notwendig, um nicht durch den Abbruch die Gebäude des Schlosses zu beeinträchtigen und weil unsere Pfarrkirche, die nur 14 m lang und 16 m breit ist, nicht mehr die gesamte Pfarrgemeinde aufnehmen kann, die nach der letzten Einwohnerliste 1876 Seelen zählt. Deshalb bitten wir inständig, uns zu gestatten, daß wir die vorerwähnte Kirche benutzen dürfen als ein Oratorium, das Annexkirche der Pfarrei ist. Diese Gnade ist ja schon so vielen anderen Gemeinden erwiesen worden für Kirchen, die vielleicht nicht so erhaltenswert sind.“ Die Kirche abzubrechen, war nach den Akten der Domänenverwaltung nie beab­ sichtigt worden. Andererseits wollte aber die Domänenverwaltung auch nicht auf unabsehbare Zeit die Unterhaltungskosten tragen, und die Pfarrgemeinde wollte nicht ihre Kirche St. Margareta gegen die Klosterkirche vertauschen. So blieb nachdem es nicht gelungen war, das Kloster samt Kirche an die Ehrenlegion „abzu­ schieben“ - nur der Ausweg, die Klosterkirche auf die Diözese zu übertragen; diese sollte dann der Pfarrei bei Bedarf die Benutzung gestatten. Da keine andere Lösung möglich war, wurde die Bittschrift des Brühler Conseil Municipal vom Präfekten Lameth und von Bischof Berdolet befürwortend nach Paris weitergereicht, und im Juni 1807 - das genaue Datum konnte bisher nicht ermittelt werden —genehmigte Kaiser Napoleon diesen Antrag. Dementsprechend übertrug Rosel am 3. Juli 1807 die Rekollektenkirche mit der Sakristei und aufgelistetem Inventar auf Bischof Berdo­ let28. In der Inventarliste werden - anders als in der Liste vom 5. August 1802 (Anm. 16) - keine Paramente, Kelche u. dgl. erwähnt, wohl aber „etwa 1000 religiöse Bücher, die sich in der Bibliothek des vormaligen Klosters befinden“. Ein Jahr später, am 2. August 1808, dem sechsten Jahrestage des letzten Franziska­ ner-Gottesdienstes, wurde in der Klosterkirche „der Gottesdienst wieder eröffnet. Pater Methodius Nacken trug das Marienbildchen in feierlicher Prozession aus der Pfarrkirche wieder in die Klosterkirche. Dechant Zaaren, ein Bruder (richtig: ein Onkel) des Maire, hielt das Hochamt, Pfarrer Gareis die Predigt“29. 286

V. Über die Schicksale der Franziskanerkirche in der Franzosenzeit erzählt R. Ber­ tram30: „Bis zum Jahre 1806 wurde die Klosterkirche zu weltlichen Zwecken benutzt. Ein paar mal wurde dort die Rekrutenaushebung abgehalten, auch wurde sie zum Malz­ machen benutzt. Im Jahre 1806 war Joachim Murat, Großherzog von Cleve-Berg, in Brühl anwesend. Nachdem er das Schloß besehen, begab er sich in die Klosterkiche und traf dort gerade ein, als die Esel der Stadtmühle darinnen waren, um Malz abzuholen. Unwillig über diese Behandlung der Kirche sagte er: „C’est une chose affreuse de conduire les änes ä l’eglise“ (Es ist abscheulich, Esel in die Kirche zu führen). Als darauf Pfarrer Gareis erwiderte, es sei ein Bedürfnis für die Gemeinde, daß die Kirche zurückgegeben würde, und der Maire Zaaren dies bestätigte, bemerkte der Großherzog, man möge sich deshalb an den Kaiser wenden. Später hat man durch den Präfekten Hermann Haas, der damals der Studien wegen in Paris verweilte, die Vermittlung des Intendanten Murats nachgesucht und durch ihn die Angelegenheit an den Kaiser gebracht, worauf denn die Kirche dem Diözesanbischof Berdolet für den kath. Gottesdienst überwiesen wurde.“ Diese Erzählung steht im Widerspruch zu allen bisher bekannten Archivalien: Die Kirche war - anders als die Klostergebäude - nie vermietet. Sie ist auch nie für profane Zwecke benutzt worden; sonst hätte sie vor dem 2. August 1808 neu benediziert werden müssen, und dafür gibt es kein archivalisches Indiz. Vielmehr war die Kirchentür vom 5. August 1802 bis zum 3. Juli 1807 versiegelt; nur Rosel durfte die Siegel abnehmen und wieder anlegen, wenn er die Kirche dienstlich betreten mußte. Von einem Besuch Murats in Brühl ist nichts bekannt; die Anwesenheit eines regierenden Großherzogs in Brühl (sein Großherzogtum von Napoleons Gnaden hieß übrigens Berg und nicht Cleve-Berg) wäre sicherlich in der Korrespondenz des Unterpräfekten und des Maires erwähnt worden. Eine Präfekten Haas hat es nie gegeben; zu jener Zeit (1806—09) war General Alexandre Lameth Präfekt des Roer-Departements. Auch wäre es wohl nutzlos gewesen, diese Angele­ genheit über einen Mittelsmann wie den Intendanten Murats „an den Kaiser zu bringen“. Napoleon pflegte in solchen Fällen die Bittsteller auf den Dienstweg zu verweisen, damit ihm die Sache mit den Stellungsnahmen der zuständigen Behörden entscheidungsreif vorgelegt würde. Die Bittschrift vom 11. März 1807 hatte nur deshalb Erfolg, weil sie auf dem Dienstweg - über Präfekt und Bischof - Napoleon vorgelegt worden war. Frei erfunden ist auch Bertrams Bemerkung a. a. O., die Klostergebäude seien von G. I. Seidlitz als Warenlager benutzt worden und J. P. Müller habe darin eine Gast­ wirtschaft mit Kegelbahn eingerichtet. VI. Wie bereits erwähnt23, wurde am 1. Ge. XI/22. März 1803 „ein Gebäude, das Franzis­ kaner Kloster zu Brühl genannt, mit Ausnahme der Kirche und Sakristey“ vor dem Maire Zaaren öffentlich meistbietend auf 3 Jahre vermietet. Bei dieser Versteigerung 287

focht der Kaufmann G. I. Seidlitz mit dem Architekten und Gastwirt P. J. Müller einen Prestigekampf aus, in dem er mit einer Jahresmiete von 310 frs Sieger blieb. Wie Rosel später berichtete31, ging es den beiden nicht um die Nutzung der Gebäude, sondern nur um die Nutzung des großen Klostergartens, der mit Edelgemüse, Edel­ obst und Weinstöcken bepflanzt war. Um die Klostergebäude hat sich Seidlitz offenbar gar nicht gekümmert32. Er brauchte keine Lagerräume; für die Vorratshaltung seines Gemischtwarenladens war sein Haus „Zum Stern“ geräumig genug. Deshalb blieb im Kloster alles beim Alten. Im Nebengebäude - dem früheren Krankenbau, in dem 1783 die Schule eingerichtet worden war - wurde weiterhin Schule gehalten. Im Hauptgebäude wohnten noch einige Patres; im übrigen stand es leer. Ob Seidlitz „Untermieten“ erhob, ist nicht bekannt. Der am 21. März 1806 auslaufende Mietvertrag wurde von Seidlitz nicht erneuert. Rosel erwog nun allerhand Pläne, die Gebäude nutzbar zu machen. Gern hätte er sie zur Einrichtung einer Textilfabrik vermietet; so wie sein Bonner Kollege das dortige Kapuzinerkloster an zwei Barmer Unternehmer vermietet hatte, die darin eine Spinne­ rei und Weberei einrichteten. Das hätte einige soziale Probleme in Brühl gelöst, denn mehr als die Hälfte der erwerbsfähigen Brühler - meist ungelernte Tagelöhner - war damals arbeitslos. Kein Unternehmer ließ sich aber anlocken; offenbar wurden alle etwaigen Interessenten dadurch abgeschreckt, daß Brühl mangels brauchbarer Land­ straßen verkehrsmäßig im Abseits lag und mangels gewerblicher Tradition keine entsprechende Infrastruktur hatte33. Auch der Plan, in dem Kloster ein Pensionat für adlige Damen einzurichten, schlug fehl. So blieb als einziger Ausweg, das Kloster am 28. Mai 1806 an J. P. Müller - der damals Vertragsarchitekt der 4. Kohorte der Ehrenlegion war - für eine Anerken­ nungsgebühr von 100 frs jährlich zu vermieten. Müller verpflichtete sich, auf seine Kosten die Klostergebäude sowie die Kirche bewachen zu lassen und kleinere Repara­ turen auszuführen. Auch ihm kam es nur auf die Nutzung des Gartens an; in der umfangreichen Korrespondenz des Domänenbüros findet sich kein Indiz dafür, daß er im Kloster „eine Gastwirtschaft mit Kegelbahn“ eingerichtet hätte. VII. Nachdem die Klosterkirche dem Bischof überlassen worden war28, wurde erwogen, die Klostergebäude zu verkaufen. Dazu erstellten Rosel und der Notar E W. Schmitz am 18. Juni 1807 ein ausführliches Gutachten34, in dem die Baulichkeiten mit Lage­ plan beschrieben und Vorschläge gemacht wurden, wie das zu verkaufende Objekt baulich von der Kirche abzutrennen sei. Das Brand-Notwegsrecht der Stadt und der Fortbestand des gewölbten Kanals, durch den der Stadtbach zu den Schloßweihern lief, müsse durch Grunddienstbarkeiten rechtlich gesichert werden. Als Mindestgebot wurden 20 000 frs festgesetzt. Niemand wollte aber das Kloster zu diesem Preis kaufen. Deshalb versuchte Rosel, wenigstens das Brauerei-Inventar zu Geld zu machen. Am 10. Oktober 1807 berich288

Abb. 25 Das Franziskanerkloster um das Jahr 1740. Ausschnitt aus einem Altarbild des hl. Antonius von Padua (vgl. S. 292, Anm. 40) 289

tete er aber, daß bei dem von ihm angesetzten Versteigerungstermin der Maire Zaaren alle erschienenen Interessenten davon abgehalten habe, Gebote abzugeben35. Mittler­ weile hatte nämlich Zaaren ein Dekret Kaiser Napoleons erwirkt, nach dem die Klostergebäude der Stadt Brühl für deren Oberschule zur Nutzung überlassen werden sollten36. Gemäß diesem Dekret wies Rosel die Stadt, vertreten durch ihren Maire, am 11. November 1807 in den Besitz der Anlagen ein. In dem darüber gefertig­ ten Protokoll37 erklärte Zaaren: „. . .Besagtes Kloster, von dem ich Besitz ergriffen habe, besteht aus vier gleichen Flügeln, die einen kleinen Garten umgeben und unterkellert sind. Die vier Flügel enthalten im Erdgeschoß eine große Küche, zwei große ,Refektorien' genannte Säle, ein großes und fünf kleine Zimmer, im I. Stock 50 Zimmer oder Zellen, im II. Stock 48 Zimmer oder Zellen, darüber ein großer Speicher. Im Eingangshof befindet sich eine Brauerei mit einem großen gemauerten und mit Kalk und Sand abgedichteten Braukessel, zwei großen hölzernen und mit Eisenringen umgebenen Bottichen, zwei Leitungen und einer Kühlanlage. Außerdem befinden sich in diesem Flof noch zwei Schuppen und eine Waschküche. Dazu (gehört auch) ein etwa 64 Ar großer Garten, der zum großen Teil mit Weinstöcken bepflanzt und von Mauern umgeben ist. An der Westseite dieses Gartens steht ein kleines Haus, das zum Kloster gehört, ,altes Klosterkrankenhaus“ genannt. Es blickt auf den Garten, hat aber auch einen Ausgang zur Brühler Hauptstraße (Uhlstraße); im Erdgeschoß enthält es eine kleine Küche und zwei kleine Zimmer mit einem Speicher darüber. An der Gartenseite dieses Häus’chens stehen zwei Ställe, die an einen Flügel des Klostes angebaut sind. . .“ So erhielt die Stadt durch den Schachzug Zaarens, in dem Kloster eine Oberschule einzurichten, den Besitz der gesamten weitläufigen Anlagen, obwohl nur ein ganz kleiner Teil davon für die Schule benötigt wurde. Auch in der Folgezeit bezeichnete man in lässigem Sprachgebrauch die Klosterge­ bäude schlechthin als Schulgebäude. Deshalb wurde das Kaiserliche Dekret vom 9. April 181138, kraft dessen alle für Schulzwecke benutzten öffentlichen Gebäude den Gemeinden geschenkt wurden, unbedenklich39 auf die gesamten Klosteranlagen einschließlich der Brauerei - bezogen. Auf diese Weise erhielt die Stadt Brühl durch ein - von Anfang an fragwürdiges und schließlich mißglücktes - Schulexperiment ein Objekt zu Eigentum, das zehnmal mehr wert war als alle damaligen Gemeindegrundstücke zusammengenommen40. 1 StAB Akten 34, 1 f. 8. 2 Als „Terminieren“ bezeichneten die Franziskaner das Betteln innerhalb eines bestimmten, durch „Termini“ (Grenzzeichen) festgelegten Bezirks. So wie in Köln bis zur Franzosenzeit jeder Berufsbettler seinen festen Platz hatte, an dem ihm kein anderer Bettler ins Gehege kommen durfte - das wäre ein Verstoß gegen die Berufsehre gewesen —, so waren die Bezirke der Bettel-Konvente gegeneinander abgegrenzt; kein Brühler Franziskaner durfte einem Lechenicher Franziskaner ins Gehege kommen und umgekehrt. Der Lechenicher Terminierbezirk war durch Dekret des Ordensprovinzials vom 5. Januar 1657 von dem zuletzt am 12. März 1644 festgelegten Brühler Bezirk abgetrennt worden (Annalen Bd. 34, S. 165). Innerhalb eines jeden Bezirks bestanden offenbar gewisse Spendentraditionen. Jeder den Franziskanern wohl­ gesinnte Bauer wußte, wann der Pater aus Brühl vorbeikam, und hielt dann für ihn eine Mahlzeit und ein

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„Deputat“ bereit. O ft mag auch ein Bauer, der in Brühl zu tun hatte, ein Schwein oder ein Malter Korn für die Patres mitgenommen haben. - Ihren Bedarf an Bier brauten die Brühler Franziskaner selbst. HStAD M + R N r. 1107 und Nr. 2135 f. 116. Schüppen blieb nach Aufhebung des Klosters in Brühl, leistete Aushilfe in der Seelsorge, wurde dann Frühmesser in Vochem und starb dort am 18. April 1835. HStAD RD Nr. 3446. Franz Werner Schmitz, geb. 1776 in Köln, war seit 1797 Rechtsberater der Domänendirektion. 1802 wurde er von Präfekt Simon zum Kommissar für die Säkularisation im Kanton Brühl bestellt. Vom 1. Vd. XIV/23. Sep­ tember 1805 bis zum 28. Februar 1809 war er Notar in Brühl. Am 1. März 1809 wurde er zum Friedensrichter in Brühl ernannt. Als dann das Friedensgericht Brühl am 30. August 1821 aufgehoben worden war, wurde er als Friedensrichter nach Köln versetzt. HStAD M + R Nr. 2572. Elser wurde am 27. Vd. VII als Guardian zum Kloster Bethlehem bei Bergheim versetzt (HStAD RD Nr. 3446). Wer auf dem Gebiet der Französischen Republik geboren war, erhielt eine lebenslange Rente aus der Staats­ kasse, die bei einem Alter von 60 Jahren und mehr 600 Francs, bei einem geringeren Alter 500 Francs jährlich betrug. „Ausländer“ mußten die Französische Republik verlassen und erhielten einmalig 150 Francs Reisegeld. 500 Francs - das Jahresgehalt eines Dorfpfarrers - bedeuteten für die Bettelmönche eine Einkommensverbes­ serung; Stiftsherren dagegen, deren Pfründen meist ein Vielfaches dieses Betrags abgeworfen hatten, mußten ihre gewohnte Lebensweise umstellen. HStAD RD Nr. 3446. Hier liegen auch die Etats der Klöster Benden sowie der Etat des Lechenicher Franziskanerklosters. Bormann-Daniels, Handbuch der Gesetze . aus der Zeit der Fremdherrschaft Bd. IV, S. 391.

12 Am 2. August 1802, dem Fest der hl. Portiuncula, hielten die Franziskaner den letzten Gottesdienst in ihrer Klosterkirche. 13 Das Brühler Kloster gehörte einer Untergliederung des Franziskanerordens, den „Observanten“ oder „Rekollekten“. Deshalb wurde es in französischen Schriftstücken meist als „couvent des recollets“ bezeichnet. 14 HStAD RD Nr. 468. Hier liegen auch die Etats des Klosters Benden sowie der Pfarreien Brühl, Badorf, Schwadorf und Vochem. 15 Beispielsweise stammen aus dem Brühler Franziskaner-Archiv die Urkunden Nr. 3, 4 und 9 sowie mehrere Aktenstücke des Pfarrarchivs St. Margareta, einige der Urkunden Nr. 96—200 des Stadtarchivs Düren und das von W. Virnich in Bd. 34 der Annalen veröffentlichte Memorienbuch. Bedauerlicherweise sind aber sämtliche Bauakten verschollen. 16 Als letzten Posten enthält diese Liste auch die mit 400 frs angesetzte Brauerei. Warum dieser Posten in das Verzeichnis der kirchlichen Mobilien eingetragen wurde, ist unerklärlich. Vielleicht enthielt das Verzeichnis der weltlichen Habe nur diejenigen Gegenstände, die sofort versteigert werden sollten. Die Brauerei dagegen wurde zunächst betriebsbereit erhalten, weil sie den Verkaufswert der Klostergebäude erhöhte. 17 HStAD RD Nr. 2827.4805. 18 HStAD RD Nr. 2827.5202. 19 HStAD RD Nr. 3444 f. 495. 20 Recueil des Actes de la Prefecture Jhg. XI S. 26. 21 Vgl. Kap. 16, XXIX. 22 Da diese Voraussetzung bei der Bender Klosterkirche nicht gegeben war, wurde das Kloster Benden am 7. Fru. X/25. August 1802 mit Kirche und Landwirtschaftsbetrieb verpachtet. Die kirchlichen Gerätschaften wurden vorher in die Sakristei der Franziskanerkirche überführt (HStAD RD Nr. 3444 f. 289). Das Kloster mit Kirche wurde am 5. März 1806 von Everhard Henner ersteigert (HStAD RD Nr. 3170), der die für ihn unnütze Kirche anscheinend alsbald abbrechen ließ. 23 Zweisprachiges Plakat in HAK Franz. Verw. Nr. 571. 24 HStAD RD Nr. 3444 f. 228. 25 HStAD RD Nr. 2830.369. 26 StAB Akten 44 f. 2.

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StAB Akten 34, 18 f. llr. Das von Berdolet und Rosel Unterzeichnete Übergabeprotokoll liegt in HStAD RD Nr. 3444 als f. 93. R. Bertram, Chronik der katholischen Pfarre Brühl, Brühl 1913, S. 159. Bertram a. a. O., S. 158. HStAD RD Nr. 3445 f. 251. Ebda. f. 251: „Les batiments n’ont jamais ete occupes". Auch bei der Industrialisierung des Braunkohlenbergbaus in den 1870er Jahren wirkte sich das Fehlen der Infrastruktur hemmend aus. Alle Arbeitskräfte vom Vorarbeiter aufwärts mußten damals von auswärts, meist aus Mitteldeutschland, herangeholt werden. HStAD RD Nr. 3173. HStAD RD Nr. 3445 f. 85. Recueil (Anm. 20) Jhg. 1807, S. 352. Vgl. Kap. 16 Abschn. XXXIV HStAD RD Nr. 3445 f. 72. HStAD RD Nr. 2841.10105. Vergeblich wandte Rosel ein, daß zumindest die Brauerei nichts mit der Schule zu tun habe. - Am 20. August 1813 berichtete Rosels Nachfolger Mallarme (HStAD RD Nr. 3445 f. 642), daß die Brauerei-Gerätschaften in Köln für 1125 frs verkauft worden seien, und forderte Erstattung, da die kaiserliche Schenkung nur Schulge­ bäude betreffe. Infolge des Zusammenbruchs der französischen Verwaltung verlief aber diese Sache im Sande. Wie das Franziskanerkloster zu Zeiten des Kurfürsten Clemens August und auch noch in der Franzosenzeit aussah, war auf einem um 1740 entstandenen Altarbild des hl. Antonius von Padua dargestellt. Dieses Gemälde ist 1944 bei der Zerstörung der Klosterkirche verbrannt; nur ein Privat-Foto davon blieb erhalten. Ein Ausschnitt aus diesem Foto wird hier als Abb. 26 wiedergegeben, da er das einzige wirklichkeitsnahe Abbild des Klostes und des benachbarten Burghofs ist.

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D ie Schicksale d er S chloßm öbel

i.

Alsbald nach dem Einrücken der französischen Truppen ins Rheinland wurden die Vermögen der Landesherren und der Emigranten zu französischem Nationaleigen­ tum („domaine national“) erklärt. Zur Erfassung und Verwaltung dieser Vermögen errichtete die Militärregierung schon am 1. Fri. III/21. November 1794 eine Domänen­ direktion in Aachen. Dieser Domänendirektion berichtete der Verwalter des Bonner Bezirks J. B. Gerolt am 1. Vt. III/19. Februar 17951: „Im Jahre 1794 hat der Kurfürst Maximilian Franz beim Herannahen der französischen Armeen auf das rechte Rhein­ ufer und nach Innerdeutschland verbringen lassen: 1) Die wertvollsten Mobilien aus den Schlössern Bonn, Brühl, Falkenlust und Poppelsdorf. . . (folgt eine grobe Spezifi­ kation und eine Aufzählung weiterer Vermögensposten bis 9) Barbestand der Bonner Armenkasse)“. Gerolt forderte die Zurückschaffung dieser Vermögenswerte, da sie Staatseigentum seien. Diese Forderung konnten die Franzosen damals selbstverständ­ lich nicht durchsetzen. Was dann aus diesen Mobilien geworden ist, läßt sich nicht aufklären. Anscheinend hat Kurfürst Max Franz einen Teil davon nach Hamburg schaffen und dort für seine private Rechnung verkaufen lassen. II. Anlaß zu diesem Bericht Gerolts war anscheinend ein Plan der Domänendirektion, das Mobiliar des Schlosses Augustusburg durch ihren Kölner Domänenverwalter J. P. Prengruber nach Köln schaffen und dort für Rechnung der Staatskasse verkaufen zu lassen. Kunde von diesem Vorhaben gibt eine Bittschrift der Brühler Bürger, mit der sich die Bonner Bezirksverwaltung in ihrer Sitzung vom 16. Vt. III/6. März 1795 beschäftigte2: „Landesverwaltung! Äußerst niederschlagend ist für uns die Nachricht, daß die Möblen aus dem Schloße Brül nach Köln geführet und daselbst verkauft werden sollen. Landesmänner! ihr wisset, daß die Existenz unserer meisten Einsaßen von der Erhaltung dieses Schlosses abhange, und darum werdet ihr uns verzeihen, wenn wir uns hiefür bestmöglich verwenden. Erwäget, daß diese Möblen aus der Verlassenschaft der Kurfürsten Clemens August und Max Friederichs herrühren und von diesen auf das Land rechtsgültig vererbt, daß selbe also ein Eigentum des Landes sind, welches nicht abwesend (und noch) viel weniger emigriret ist. 293

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Erwäget, daß durch die Aufrufe der Volksrepräsentanten das Eigentum des Landes, so wie jeden Einwohners garantirt wurde. Erwäget, daß, wenn auch diese Möblen als Werke des Luxus anzusehen und zum Nutzen des Landes verkaufet werden sollen, diese auf das locale passend, mithin demjenigen weit mehr wehrt sind, der das Schloß mit den Möblen kaufet, als jenem, der jedes besonders an sich steigert, daß also durch demeublirung der Wehrt des Schlosses sowohl als der Möblen mehr als doppelt verliehren würde. Erwäget, daß just izt so viele Möblen verkaufet werden, daß selbe bald keine Käufer mehr finden werden. Erwäget, daß wir leider! von Bonn aus wissen und daß es daselbst (er)fahrbar ist, wie die Möblen durch hin- und herschleppen verdorben, verschlimmeret und weniger werden. Erwäget daß für itz die Fuhren nicht mehr beizuschaffen sind, um die Hospitäler auszuleeren (und) daß bei izt beginnender Feld-Arbeit die Fortführung der Möblen der Landwirtschaft mehr schaden wird als alle Möblen zusammen wehrt sind. Erwäget, daß also nichts verlohren werden kann, sondern sicher gewonnen wird, wenn der Verkauf der Möblen /: wenn er unvermeidlich seyn soll :/ auf ruhige Zeiten oder wenigstens bis in den Sommer verschoben wird. den 15. Wind Monat Einsaßen zu Brül F. Hertmanni - Valentin Meyer - Ignatius Müller - A. J. Hertmanni - Jacob Joseph Martini - Jacob Hackspiel - B. Müller - Johan Weißer Vorsteher - Joan Kribben Joan Knott - Godfrid Ries - Joes Nep. Aloys. Thenhaven - Henricus Schallenberg Ant. Cürten - Fridrich Albracht —J. J. Weisweiler - (unleserlich) - Johann Theodor Kentenich - Jacob Banzanello - Georg Mäurer-Joannes Bendenmacher - Peter Koch - Cornelius Werner - Hendricus Schmitz - Deodor Mack - Hendr. Hesemans Andreas Engells - Berdram Kluth - Joan Peter Müller - Hendericus Rösch - Johan Joseph Zier - Johann Baptist K nopf-Joan Grein - Jacob Funck —Peter Kievernagel -Johannes Meuffeler - Johann Joseph Kentenich - Peter Joseph Longerich - Peter Linden - Jacob Höchst - Caspar Eschweiler - Henricus Schlaun - Beter Anton Falckenstein - Gottfried Schallenberg - A. J. Stein - Henrig Eisenbarth - Jacob Müller - S. Kretz - Joann Frohn - Josef Wichartz - Henrich Düwell - Narcissus Fögen - Jacobus Wichartz - Christianus Wichartz - J. Schwertz - Johan Brüns Anton Albrecht - Jacobus Königsfeld, in die 30 jahr wohnhafft zu Brühl (Pfarrer von Vochem) - Jacobus Henck - Johannes Billig. In fidem manuum in mea praesentia subscriptarum subscripsit (diese in meiner Gegenwart gezeichneten Unterschriften beglaubigt) Clem. Aug. Herter Gerichtsschreiber“3 Auf diese Bittschrift hin bat die Bezirksverwaltung Prengruber, den Transport der Möbel nach Köln zu verschieben, da alle Pferde und Fuhrwerke dringend für andere Zwecke, insbesondere für die Einsaat der Äcker benötigt würden. Damit war diese Sache erledigt. Offenbar sah der alteingesessene Kölner Speditionskaufmann Prengru294

ber ein, daß bei der gegebenen Marktlage - wegen der hohen Kontributionen war bares Geld äußerst knapp und Kredit nirgendwo zu haben - ein sofortiger Verkauf der Schloßmöbel wirtschaftlich sinnlos gewesen wäre. III. Über die Schicksale der Schloßmöbel in den folgenden drei Jahren ist nichts genaues bekannt. Zuverlässige Nachrichten liegen erst vor, seitdem die Domänendirektion ein Büro in Brühl eingerichtet hatte, zu dessen Verwalter sie am 21. Fl. VI/10. Mai 1798 J. B. Rosel ernannte4. Die ersten Arbeiten Rosels bestanden darin, den Bestand der von ihm zu verwalten­ den Nationalgüter aufzunehmen. Über die Schloßmöbel berichtete er am 3. Pr. VI/22. Mai 17985: „In dem Schloß des ehemaligen Kurfürsten befinden sich einige Mobilien, hie und da in den Appartements verstreut. Augenscheinlich und nach dem, was man hier so hört, sind sie praktisch herrenloses Gut (,ä la merci de chacun'), da das Schloß nicht so gesichert werden kann, daß das Eindringen Unbefugter verhindert wird. Im Einvernehmen mit dem Regierungskommissar (Biergans), dem Agenten der Gemeinde Brühl (Ningelgen) und dem früheren Schloßverwalter (Plentz)6 werden wir alle Möbel in zwei oder drei einbruchssichere Räume zusammenstellen. Deren Türen werden wir mit Dreifachschlössern versehen; einen Schlüssel wird der vorer­ wähnte Schloßverwalter erhalten, den zweiten der Kommissar, und der dritte wird in meinem Büro verwahrt werden. - Außerdem bemerke ich noch, daß man hier niemals ein Inventar gehabt hat.“ Am 15. Pr./4. Juni machte dann Rosel zusammen mit Biergans, Ningelgen und Plentz Inventur im Schloß Augustusburg. In der darüber gefertigten Niederschrift7 sind vorweg einige Aussagen des von Kurfürst Max Franz eingesetzten Schloßverwal­ ters Plentz protokolliert: „Niemals ist ein Inventar der Möbel und sonstigen Gegenstände, die sich im Schloß befanden oder noch befinden, erstellt worden. . . Die Betten, die Tischwäsche und die Spiegel sind vom Kurfürsten beim Herannahen der Franzosen weggeschafft worden. . . Die verbliebenen Möbel waren lange Zeit den (jeweils in Brühl stationier­ ten) Militärbefehlshabern überlassen. . . Seither kann das Schloß nicht mehr gegen das Eindringen Unbefugter geschützt werden. . . Der Verdacht besteht, daß Unbe­ fugte Zweitschlüssel besitzen, die für die Militärbefehlshaber angefertigt worden waren.“ Sodann ist protokolliert, daß man vereinbart habe, die wertvollsten Möbel in einige gut verschließbare Räume des obersten Stocks zusammenzustellen. Zusätzlich solle ein Sicherheitsschloß angebracht werden, dessen Schlüssel der von der Domänendi­ rektion zu bestellende6 Schloßverwalter verwahren solle. Außerdem solle die Tür zu diesen Räumen durch die Munizipalität versiegelt werden. Diesen Vorbemerkungen folgt auf 4 Folioseiten eine summarische Aufzählung der in den einzelnen Räumen des Hauptbaus - nicht auch des Küchenbaus - am 15. Pr. noch vorhandenen bewegli­ chen Gegenstände. 295

Einige Tage später sandte Rosel dieses Inventar an den Domänendirektor Robillard mit dem Bemerken: „Sie werden sehen, daß keine besonders wertvolle Möbel darunter sind. Trotzdem meine ich, daß man sie verkaufen sollte. Aus zwei Gründen: Erstens, weil Mäuse und Ratten die Möbel anfressen und weil trotz allen Sicherheitsmaßnahmen immer noch einige Stücke gestohlen werden könnten, da das Schloß nicht bewohnt ist. Zweitens aus einem politischen Grund: Wenn die Leute sehen, daß nichts verkauft wird, werden sie immer noch an die Rückkehr des Kurfürsten glauben und weiterhin Nationalvermögen verheimlichen.“8 Am 7. Me./25. Juni schrieb Rosel: „Weil das Schloß trotz allen Vorsichtsmaßnahmen ungenügend gesichert ist, muß man immer noch mit Einbruchsdiebstählen rechnen. Ich gestatte mir deshalb die Anregung, den Verkauf der Möbel tunlichst zu beschleunigen.“9 Mittlerweile war auch die Zentralverwaltung Aachen auf die Schloßmöbel aufmerk­ sam geworden. Am 12. Me/30. Juni sah sich die Munizipalität Brühl veranlaßt, ihr zu schreiben: „Bürger Verwalter! In Beantwortung Eures Schreibens vom 9. ds. Mts. in dem Ihr 86 Möbelstücke aus dem in unserer Gemeinde belegenen Schloß anfordert, glauben wir Euch mitteilen zu müssen, daß wir die angeforderten Möbel nicht schicken können, da sie Nationaleigentum sind. Entsprechend dem Reglement der Nationalre­ gie der Domänen stehen sie in der Obhut des Domänenverwalters. Deshalb haben wir nicht das Recht, darüber zu verfügen, zumal sie inventarisiert sind und unter Sequester stehen. Für den Präsidenten Rolshoven Ningelgen Agent, Adolffs Agent, Kaul Generalse­ kretär.“10 Daraufhin ordnete die Zentralverwaltung die öffentliche Versteigerung der Möbel an. Ein großes zweisprachiges Plakat wurde in Brühl, Köln, Bonn und anderen Orten ausgehängt11: „Meublen - Verkauf. Man benachrichtige das Publikum, daß ich bey Vollziehung des Arrete der ZentralVerwaltung des Rohr-Departements vom 17. dieses Monats den 1. künftigen Fructi­ dors, den 18 August A(lten) St(ils) und die folgenden Tage in Gegenwart des Munizipal-Verwaltung von Brühl oder eines Kommissärs aus der nemlichen Verwaltung werde voranfahren mit der Versteigerung der Mobilien und Sachen, welche in den dreien Schlössern von Brühl (Augustusburg, Chinesisches Haus und Falkenlust) geblieben sind; dieser Verkauf wird gehalten werden in einem Saale des großen Schlosses zu Brühl. Diese Mobilien bestehn in mehrern Kommoden, mit und ohne Marmor; Sekretairen; hölzernen Tischen; Bettladen; Schranken von Tannenholz; zwei Trucktafeln; Billards; mehrern Gemälden; Laternen; schönen Marmorsteinen (gemeint sind Mar­ morbüsten); verschiedenen gemalten und vergoldeten, viereckigen und gläsernen 296

Rahmen; großen Lehnstühlen, Kanapes; staffirten Stühlen; eisernen Oefen, und verschiedenen andern Mobilien. Dieser Verkauf wird von einem Thürwächter (huissier) angestellt werden, und fängt an jeden Tag des Morgens um 8 Uhr präzise bis Mittag, und von zwei Uhr Nachmittags bis sechs Uhr des Abends. Geschehen zu Brühl den 26. Messidor 6.ten Jahrs der ein und unzerteilbaren Franken-Republik. Der Einnehmer des Enregistrements und der National-Einkünfte des Bureau von Brühl. Rosel Uebersehen und gebilligt (vu et approuve) von dem Munizipalverwalter des Kanton Brühl, den 26.ten Messidor 6.ten Jahrs der Franken-Republik. Ningelgen, Agent Kaul, Generalsekretair Uebersehen von dem Kommissär des Vollziehungsdirektoriums des Kantons Brühl. Biergans“ Als dieses Plakat in Brühl ausgehängt wurde, brach ein Sturm der Entrüstung los. Einige Bürger schickten am 30. Me./18. Juli eine lange Bittschrift an den Oberkom­ missar Rüdler nach Mainz12: „Mit Erstaunen lesen wir ein Plakat vom 26. Messidor, unterzeichnet von unserem Domänenempfänger Rosel, dem Regierungskommissar Biergans und dem Agent Municipal Ningelgen, in dem unter Bezugnahme auf einen Beschluß der Zentralver­ waltung Aachen vom 17. Messidor angekündigt wird, daß alle in unserem Schloß und seinen Nebenanlagen noch vorhandene Mobilien am 1. Fructidor öffentlich verstei­ gert werden sollen. Wie schmerzlich uns das berührt, werden Sie, Bürger Kommissar, verstehen können, wenn Sie die Gründe dieser unserer Bittschrift und die Lage unserer Einwohner kennen lernen. Es ist allgemein bekannt, daß das hiesige Schloß erbaut und ausgestattet wurde von weiland dem Fürsten Clemens August und daß es durch sein Testament dem Lande Kurköln und damit auch dem Nutzen der Einwohner der Stadt Brühl gewidmet worden ist. Jeder Bürger hat immer gespürt, daß dieses Schloß und seine Parkanlagen eine gute Einnahmequelle für die hiesigen Einwohner ist, da viele von ihnen Gastwirte sind, die von den Fremden leben, die hierher kommen, um das Schloß zu sehen, sich zu vergnügen und ihr Geld zum Vorteil der ganzen Bürgerschaft auszugeben. Aus diesem Grund hat sich bisher jeder Bürger alle Mühe gegeben, das Schloß ebenso wie die Parkanlagen in gutem Zustand zu erhalten. Wir hatten sogar das Glück, daß zufolge unserer Bemühungen von allen Generälen sogar in den Zeiten, als viel Militär hier lag, Schutzwachen gestellt wurden. Keinem einzigen Einwohner ist es jemals eingefallen, sich gegen Anordnungen dieser oder jener rechtmäßigen Obrigkeit aufzulehnen, aber wenn jetzt auf Befehl der Zentralverwaltung die vorerwähnten Mobilien - obwohl sie für die Republik nur von geringem Wert sind, da sie nur aus Stühlen, Tischen, Kommoden und einigen Porträts bestehen - verkauft werden, dann ist klar, daß schon allein durch die Entfernung der Porträts die Pracht der Räume und damit des ganzen Schlosses beeinträchtigt werden wird. Das auf diese Weise seines Schmucks beraubte Schloß wird in Zukunft nicht 297

mehr von neugierigen Fremden besichtigt werden. Folglich werden mangels Fremden­ zustroms die meisten Einwohner ruiniert werden. Das zeigt, daß sie für ihre wirt­ schaftliche Existenz immer das Schloß und dessen Pracht brauchen. Wir wiederholen, daß wir immer jede Anordnung jeder beliebigen Obrigkeit befolgen werden, aber wo es jetzt um den Befehl geht, die für das Schloß unentbehr­ lichen Mobilien zu verkaufen, geht es um das wichtigste Interesse der Brühler Ein­ wohner. Sie werden deshalb erlauben, daß wir uns damit nicht schweigend abfinden können, ohne hiermit an die Erhaltung unseres Schlosses und seines Mobiliars erin­ nert zu haben. Sie werden deshalb erlauben, Bürger Kommissar, daß wir, weil wir keinen anderen Weg wissen, diese unsere Bittschrift unmittelbar an Sie richten, voll Vertrauen darauf, daß Sie erkennen, daß der Verkauf dieser Mobilien der Republik nicht so viel einbringen wie er der Stadt Brühl schaden würde. Ihr Verantwortungsbewußtsein für das Öffentliche Wohl und für die Stadt Brühl wird diesen Verkauf nicht zulassen; im Gegenteil, Sie werden ihn den zuständigen Behörden, insbesondere dem hiesigen Domänenverwalter Rosel, verbieten. Wir werden niemals ihre Güte vergessen, von der unsere Existenz abhängt. Wir flehen Sie nochmals an und verbleiben mit respekt­ vollstem Gruß die Unterzeichneten Einwohner von Brühl Joan Peter Müller (Wirt) - Hendricheß Schmitz (Wirt) - Henricus Duell (Bote) Servatius Kretz (Kaufmann) - Mathias Fries (Bäcker) - Georg Maeurer (Metzger) Johan Baptist Knopf (Kaufmann) - Cornelius Knott (Bäcker) - Valentin Meyer (Wirt) - Godfrid Ries (Kaufmann) - Joan Kribben (Bierbrauer) - Teodor Mack (Maurer) Peter Schwezer (Wirt) - Aegidius Thenhaven (Chryrurgus) - Bernard Bongard (Bäcker) - Theodor Kentenich (Metzger) —Peter Linden (Faßbinder) - Henrich Hesemans (Wirt) - Andreas Engels (Metzger) - J. J. Martini (Apotheker) —Zerres (Rentmeister a. D.)“ Diese in holprigem Französisch - ebenso holprig wie Rosels Deutsch in dem Versteigerungsplakat - und holprigem Stil verfaßte Bittschrift enthält einige Unge­ reimtheiten. So steht die Behauptung, jeder Bürger habe sich bisher alle Mühe gegeben, das Schloß ebenso wie die Parkanlagen in gutem Zustand zu erhalten, in krassem Widerspruch zu den Berichten Rosels über die häufigen Diebstähle - er bezeichnte einmal das Verhalten der Brühler als „brigandage inoui“ (unerhörte Räuberei) - und die fortwährende Verwüstung des Schloßparks. Auch ist sicher übertrieben, daß die wirtschaftliche Existenz der Brühler von der Unversehrtheit des Schlosses und seines Mobiliars abhänge. Diese Behauptungen werden aber verständ­ lich, wenn man die - in der Bittschrift nicht angegebenen - Berufe der Unterzeichner berücksichtigt. Alle Unterzeichner hatten Interesse am Fremdenverkehr; heutzutage wären sie wohl Mitglieder eines Verkehrsvereins mit dem Rentmeister a. D. Zerres als Geschäftsführer. Immerhin zeigt aber diese Bittschrift — ebenso wie die oben erwähnte Bittschrift von 1795 -, wie wichtig das Schloß als Ziel auswärtiger Besucher sogar in den damaligen schweren Zeiten für das Brühler Wirtschaftsleben gewesen ist. Die an Rüdler gerichtete Bittschrift blieb ohne Erfolg. Er ließ darauf nur kurz vermerken, daß der Verkauf gemäß den Gesetzen der Republik stattfinden solle. 298

Wie gesetzlich vorgeschrieben, beauftragte Rosel zur Vorbereitung der Versteige­ rung drei Sachverständige —den Schreinermeister Sebastian Weiser, den Altwaren­ händler Abraham Levi und den Schlossermeister Michael Reissinger -, die Werte der einzelnen Objekte zu schätzen. Am 8. Th./26. Juli trugen diese die von ihnen geschätzten Werte in das oben erwähnte Inventar ein13. Sie waren sehr niedrig. Beispielsweise sind 38 samtbezogene Stühle mit 95 frs angesetzt, ein kleiner Schreib­ tisch mit 4 frs, ein kleiner bemalter Schrank mit 3 frs, 36 antike Gläser mit 30 frs. Insgesamt wurde der Wert der im Schloß Augustusburg befindlichen Versteigerungs­ objekte auf 3300 frs geschätzt. Dazu kamen noch Objekte aus dem Chinesischen Haus mit 180 frs und aus Falkenlust mit 523 frs. Welche Erlöse die Versteigerung dann tatsächlich gebracht hat, und wer die Käufer waren, ist nicht bekannt, da die Versteigerungsprotokolle bisher nicht aufgefunden worden sind. Bekannt ist nur, daß die Versteigerung insgesamt 567 frs gekostet hat14. Versteigert wurden nur bewegliche Gegenstände. Im Schloß verblieben die Kachel­ öfen, die Tapisserien sowie die fest angebrachten Gemälde, insbesondere die Supra­ porten. Diese wurden am 26. Fl. VII/14. Mai 1799 von Ningelgen, Rosel und Plentz an ihren Standorten grob inventarisiert15. So war das Schloß Augustusburg leer, als es am 7. Br. XII/31. Oktober 1803 von der 4. Kohorte der Ehrenlegion übernommen wurde. In dem Übergabeprotokoll16 wird kein bewegliches Inventar erwähnt. Auch zu der Zeit, als es ein Lehn des Fürsten von Eckmühl war, befanden sich darin keinerlei Möbel oder Gerätschaften17. IV. Als das Schloß selbst kein lohnendes Einbruchsziel mehr war, wandten sich die Interessenten verstärkt den Nebenanlagen und dem Schloßpark zu. Im Park waren anscheinend schon alle Statuen, Ziervasen und sonstige Skulpturen sowie die kupfer­ nen Installationen der Springbrunnen und ein Teil der Bassin-Einfassungen gestohlen worden, bevor Rosel nach Brühl kam. Im Germinal VII beginnen dann die Klagen Rosels18, daß fortwährend Stangen der Außengitter gestohlen würden. Da diese Diebstähle nicht verhindert werden könnten, schlug er vor, die noch stehenden Gitter abzubrechen und als Alteisen zu verkaufen. Das wurde aber abgelehnt. Am 22. Br. IX kam Rosel nochmals auf diesen Vorschlag zurück; mittlerweise seien fast alle Gitterstangen gestohlen worden. Mit Genehmigung des Präfekten (Simon) wurden nun die restlichen Gitter abgebrochen und in einem Saal des Schlosses gelagert. Am 18. Vd. XI wurde schließlich alles Eisenwerk sowie einiges Gerümpel, das sich in einer Dachkammer des Schlosses anfand, in Gegenwart des Maires öffent­ lich versteigert. Als das der neue Präfekt (Mechin) erfahren habe, berichtet Rosel, habe er sich sehr darüber aufgeregt. Sehr begehrt, weil zu hohen Preisen zu verkaufen, war Blei. In der Nacht vom 30. Pr. zum 1. Me. VII wurde das Bleidach der Orangerie im Gewicht von 4 Zentnern gestohlen. Auch ein Bleidach des Küchenbaus wurde gestohlen, nachdem in der Nacht vom 18. zum 19. Br. IX ein Orkan fast alle Dächer in Brühl abgedeckt oder 299

schwer beschädigt hatte. Rosel empfahl eine Neueindeckung mit Dachziegeln, weil ein Bleidach sofort gestohlen würde. In diesen Jahren wurde auch die bleierne Rohrleitung, durch die das für die Springbrunnen im Schloßpark benötigte Wasser aus dem Fredebroich herangeführt wurde, von den jeweiligen Grundstückseigentümern anscheinend restlos ausgegra­ ben. E. Henner, Eigentümer der vormals dem Kloster Benden gehörenden Lände­ reien, vergab dafür sogar besondere „Schürfrechte“,9. Im Schloßpark ließ Rosel 33 Bleirohre ausgraben und in seinen eigenen Garten verlegen20. 1809 wurden die restlichen auf dem Schloßgelände verlegten Bleirohre ausgegraben und auf 3 Lastkar­ ren nach Köln verbracht. Als alles einigermaßen Wertvolle gestohlen war, wandten sich die Interessenten auch geringwertigen Objekten zu. Das zeigen zwei Briefe, die Rosel als „charge par S(on) A(ltesse) Monseigneur le Prince d’Eckmuhl de la surveillance de son Palais ä Bruhl“ am 26. und 28. März 1810 an den Maire Zaaren schrieb21. Am 26. berichtete er, daß die große Schloßtreppe schwer beschädigt worden sei; Unbekannte hätten 52 Säulen der Balustrade und 8 große Steintische zerschlagen und die darin stecken­ den Blei- und Eisenklammern gestohlen. Er wisse, daß es unmöglich sei, die Täter zu ermitteln. Vielleicht sei es aber gut, wenn der Pfarrer von Brühl von der Kanzel herab einmal darauf hinweise, wie sehr das Ansehen der Stadt Brühl durch solche Taten geschädigt werde, die den Tätern doch keinen nennenswerten Geldwert einbrächten; für einige Francs Altmetall-Erlös sei ein Schaden von 600 Francs verursacht worden. Zaaren versuchte ihn zu beschwichtigen und antwortete, da hätten sich offenbar Betrunkene einen Jux gemacht. Das ließ Rosel aber nicht gelten. Wer sich einen Jux machen wolle, stehle nicht, und Betrunkene machten sich nicht die Mühe, Dutzende von schweren Steinen zu zerschlagen, um daraus ein bißchen Blei und Eisen zu klauben. In Brühl gebe es üble Burschen („de grands vauriens“). Außerdem habe der städtische Nachtwächter, dem er - Rosel —doch Brennholz liefere, offenbar geschla­ fen, denn sonst hätte er den Lärm des Zertrümmerns der Steine hören müssen.

1 LHA Koblenz Nr. 241/704. Regest - mit falscher Datierung und falscher Zuordnung - bei P. Dohms, Die Inventare der Schlösser. . ., Düsseldorf 1978, S. 243. 2 HStAD M 4- R Nr. 1313. 3 Diese Bittschrift enthält die Autogramme fast aller damaligen Brühler Bürger. Man vermißt nur die Unter­ schriften des Pfarrers H. Gareis, des Vikars J. Weisweiler und des Burbacher Halfen Th. Ningelgen. 4 HStAD RD Nr. 3442 f. 614. 5 Ebda. f. 627. 6 Zu Plentz vgl. Kap. 20 Anm. 8. 7 HStAD RD Nr. 3442 f. 537—540. In gleicher Weise wurde auch im Chinesischen Haus und in Falkenlust Inventur gemacht. 8 HStAD RD Nr. 3442 f. 543. 9 Ebda. f. 572. 10 StAB Akten 34, 19 f. 7. 11 HStAD RD Nr. 3442 f. 527. HAK Edikte XVII. 63.

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12 LHA Koblenz Nr. 241/705. Mit falscher Datierung und einigen Lesefehlern abgedruckt bei Dohms a. a. O. (Anm. 1). 13 Urschrift Pfarrarchiv St. Margareta Akten A. V. 9. Beglaubigte Abschrift HStAD RD Nr. 3442 f. 559. 14 HStAD RD Nr. 3442 f. 475. 15 Ebda. f. 97. 16 HStAD RD Nr. 3444 f. 229. 17 Vgl. Kap. 20 IV. 18 Dieser Abschnitt beruht im wesentlichen auf den Berichten Rosels in HStAD Nr. 3442 —3445. 19 HAK Franz. Verw. Nr. 902. 20 Pfarrarchiv St. Margareta Akten A. V. 21 StAB Akten 36 f. 7.

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B rü h l , S itz eines F ürstentum s

i.

Am 15. August 1809, seinem 40. Geburtstag, Unterzeichnete Kaiser Napoleon im Schloß Schönbrunn bei Wien ein für die Brühler Geschichte bedeutsames Dekret1: „Napoleon. . . In dem Willen, Unserem Cousin2, dem Herzog von Auerstädt, Marschall des Kaiserreichs, einen Beweis Unserer Zufriedenheit mit den Diensten zu geben, die er Uns in Unseren Armeen geleistet hat, haben wir erhoben und erheben mit dieser Urkunde zu einem Fürstentum, das den Namen „Fürstentum Eckmühl“ tragen soll, das Schloß zu Brühl mit seinen Gärten, Ländereien und sonstigem Zubehör in seinem Bereich und angemessenen Einkünften. Dieses Fürstentum soll mit allen Rechten als unmittelbares Lehn Unserer Krone zustehen Unserem Cousin, dem Herzog von Auerstädt, und seinen männlichen, ehelichen, natürlichen3 Nach­ kommen nach dem Recht der Erstgeburt. Falls dessen männliche, eheliche, natürliche Nachkommenschaft erlischt, was Gott verhüten möge, soll dieses Fürstentum Unserer Krone heimfallen. Wir bestimmen, daß dieses Fürstentum und das Herzogtum Auerstädt in Zukunft nur dann dem selben Rechtsinhaber zustehen sollen, wenn nur ein einziger Erbbe­ rechtigter lebt. Falls mehrere Erbberechtigte vorhanden sind, soll der Titel des Fürsten von Eckmühl samt den damit verbundenen Rechten und Einkünften dem ältesten Sohn und dessen Nachkommenschaft zustehen und der Titel des Herzogs von Auer­ städt samt den damit verbundenen Rechten und Pflichten dem Zweitältesten Sohn und dessen Nachkommen. Wir wollen, daß der Titel des Fürsten von Eckmühl dem Inhaber dieses Fürsten­ tums in Unserem Reich, an Unserem Hof und anderswo keine anderen Rechte und Prärogativen gewährt als diejenigen, die Herzogen zustehen, und daß sein Rang unter den Herzogen durch die Zeitfolge der Verleihung der Titel bestimmt wird. Wir wollen auch, daß der Fürst von Eckmühl in Paris ein Palais habe, das untrenn­ bar zum Fürstentum Eckmühl gehört und dessen Wert mindestens zwei Jahresein­ künften dieses Fürstentums entspricht. Für den Fall, daß das Fürstentum Eckmühl und das Herzogtum Auerstädt zwei verschiedenen Inhabern zufallen, wie oben gesagt wurde, bestimmen Wir, daß jeder Titelträger in Paris ein Palais im Wert von zwei Jahreseinkünften seines Titels haben soll. Gleichzeitig bestimmen wir, daß das Schloß Brühl binnen fünf Jahren so hergerich­ tet werden soll, daß es von dem Fürsten von Eckmühl bewohnt werden kann. Wir wollen, daß diese Urkunde nur als vorläufig betrachtet werden soll, und beauftragen Unseren Cousin Fürst Areti, Kanzler des Reichs, Unseren Generalanwalt 302

Abb.26 Louis Nicolas Davoust (1770-1823), Fürst von Eckmühl. (Foto: Landesbildstelle Rheinland) 303

und Unser Heroldsamt, Unserer Absicht die nötige Rechtsform zu geben und eine Urkunde auszufertigen, die allen herkömmlichen Rechtsregeln entspricht. Mit Unter­ zeichnung der endgültigen Urkunde durch Uns soll diese jetzige Urkunde hinfällig sein. Gegeben in Unserem Kaiserlichen Hauptquartier zu Schönbrunn am 15. August 1809. Napoleon Geheimer Zusatzartikel: Wir bestimmen, daß das vorerwähnte Fürstentum mit Einkünften in Höhe von 500 000 Frs jährlich ausgestattet wird. Dementsprechend verpfänden Wir mit Wirkung vom 1. Juli (1809) die Provinz Fulda als Sicherheit für diese Einkünfte, so lange diese Provinz Uns zur Verfügung steht. Die 500 000 Frs sollen ihm (dem Fürsten von Eckmühl) aus den Erträgen dieses Landes (Fulda) gezahlt werden. Falls Wir diese Provinz an einen Unserer Verbündeten abtreten, soll die Verpfändung in den Abtretungsvertrag aufgenommen werden mit der Auflage, sie binnen zehn Jahren oder länger abzulösen. Die Einkünfte (des Fürsten von Eckmühl) sollen dann durch Eintra­ gung einer mit 5% verzinslichen Forderung ins Staatsschuldbuch von Frankreich oder durch französische Ländereien gewährleistet werden. Napoleon“

II. Wer war dieser Herzog von Auerstädt? Wie kam Napoleon dazu, ihn zum Fürsten von Eckmühl zu erheben? Als Überwinder der Revolution und Gestalter einer neuen Ordnung in Frankreich hatte Napoleon schon frühzeitig die Notwendigkeit erkannt, einen Stand aufzubauen, der die Funktionen des Adels des Anden Regime übernehmen sollte. Zu diesem Zwecke stattete er fähige Männer mit Dotationen (fundierten Geldrenteneinkünften) aus, um ihnen zu ermöglichen, sich ohne Sorge um das tägliche Brot Öffentlichen Aufgaben zu widmen, und sie für Dienste zu belohnen, die sie dem durch Napoleon verkörperten Staat geleistet hatten4. Als Napoleon sich dann zum Kaiser der Franzo­ sen gekrönt hatte, ergänzte er diese Dotationen durch die Vergabe von Titeln und Würden, die von „Reichsbaron“ über „Reichsgraf“ und „Herzog“ bis zu „Fürst“ reichten. Diese Würdenträger sollten, bei Zeremonialakten in prunkvolle Gala geklei­ det, seinen kaiserlichen Hofstaat bilden. —In Anknüpfung daran, daß vorzeiten die meisten Herzoge und Fürsten ihre Würde durch kriegerische Erfolge errungen hatten, belohnte Napoleon mit diesen Titeln5 vor allem seine siegreichen Generäle. Einer der fähigsten und erfolgreichsten - aber auch rücksichtslosesten - Generäle Napoleons war Louis Nicolas Davoust (1770—1823), der schon mit 35 Jahren Mar­ schall des französischen Kaiserreichs wurde. Zum Dank dafür, daß er am 18. Oktober 1806 in der Schlacht bei Auerstädt die ihm entgegengestellte preußische Hauptarmee vernichtet und damit die Unterwerfung ganz Preußens ermöglicht hatte, erhob ihn Napoleon 1808 zum Herzog von Auerstädt. Als dann der Krieg mit Österreich ausbrach, eröffnete Davoust am 23. April 1809 durch seinen Sieg bei Eggmühl6 den französischen Truppen den Weg donauabwärts nach Wien, das bereits am 13. Mai kapitulieren mußte. Nach der Schlacht bei Wagram7 baten die Österreicher um Waffenstillstand, der am 12. Juli in Znaim unterzeichnet wurde. So konnte Kaiser Napoleon seinen 40. Geburtstag in Schönbrunn feiern, dem Schlosse seines Gegners 304

- und künftigen Schwiegervaters des Kaisers Franz I. von Österreich. In Schön­ brunn wurde dann auch am 14. Oktober 1809 der Friedensvertrag unterzeichnet, der Österreich zu einer Macht zweiten Ranges abstufte. III. Das Schloß Augustusburg zu Brühl hatte in der turbulenten Zeit nach dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen schwer gelitten. Zwar hatten 6 Invalide, unter­ stützt von freiwilligen Brühler Bürgern, die Schloßwacht übernommen, als die kur­ fürstliche Wachkompagnie am 14. Mai 1793 zur Reichsarmee abgerückt war; dieser Wachdienst wurde aber Anfang Oktober 1794 eingestellt; Plünderer hatten nun freie Bahn. Der Burggraf (Schloßkastellan) Peter Plentz8 wachte über das Schloß so gut er nur irgend konnte, oft unter Einsatz seines Lebens; er konnte aber nicht verhindern, daß fast allnächtlich eingebrochen wurde. Fast alle Bleidächer wurden fachmännisch abmontiert und gestohlen9. Die hohen Eisengitter, die den heutigen Schloßplatz nach Westen begrenzten und die im Park das Gartenparterre am Spiegelweiher nach Süden abschlossen, wurden nach und nach größtenteils entwendet10. Eigentlich wäre die Municipalite (Gemeindeverwaltung) Brühl für den polizeili­ chen Schutz des Schlosses und seiner Anlagen verantwortlich gewesen; sie war aber damit offensichtlich überfordert11. Auch die Domänendirektion Aachen, der schon am 1. Fri. III/21. November 1794 alle kurfürstlichen Besitzungen als „Domaine National“ unterstellt worden waren, war machtlos. Bemüht, aus allen von ihr verwalteten Objekten durch Vermietung oder Verpachtung möglichst hohe Geldbeträge herauszuholen, vernachlässigte sie das im wesentlichen unvermietbare12 Schloß Augustusburg. Nur die zur Erhaltung der Bausubstanz unbedingt notwendigen Ausgaben, insbesondere für Dachreparaturen, wurden genehmigt. So war es der Domänendirektion sicherlich nicht unlieb, daß das Schloß in die Dotation der Ehrenlegion einbezogen wurde und damit einen anderen Kostenträger erhielt. Am 7. Br. XII/20. Oktober 1803 wurde die Ehrenlegion in den Besitz des Schlosses und seiner Nebenanlagen eingewiesen13; die Einnahmen und die - wesent­ lich höheren - Ausgaben dieses Komplexes wurden ab 1. Vd. XII von dem Brühler Domänenverwalter J. B. Rosel auf Rechnung der Ehrenlegion verbucht. Völlig unklar war aber, was die Ehrenlegion mit alledem machen sollte. Anfangs dachte man anscheinend daran, das Schloß zu einer Art Veteranenheim umzubauen und ihm das Franziskanerkloster als Hospiz anzugliedern. Auch wurde erwogen, bei dem Schloß ein Gestüt einzurichten14. Diese in Paris ersonnenen Pläne erwiesen sich aber sogleich als undurchführbar. So blieb es schließlich eine leere Formalität, daß die Ehrenlegion das Schloß Augustusburg zum Sitz ihrer 4. Kohorte bestimmte, von dem aus deren Liegenschaften im Roer-Departement verwaltet wurden. Chef der 4. Kohorte war damals der Marschall Nicolas Soult (1769 —1851). An ihn erinnerten sich die Brühler sehr ungern. Als Brigadegeneral hatte er im Februar 1797 einige Wochen lang in Brühl Quartier genommen und sich durch seine rücksichtslose Arroganz und die maßlosen Ansprüche, die er für seine Unterbringung und Bekösti305

gung stellte, denkbar verhaßt gemacht. Als der Munizipalpräsident F. Gail und die Vertreter der Stadt, Th. Ningelgen und J. J. Martini, ihm vortrugen, daß das völlig verarmte Städtchen seine Ansprüche beim besten Willen nicht erfüllen könne, wurden sie von ihm derart rüde behandelt, daß sie ihre Ämter niederlegen wollten15. Als Chef der 4. Kohorte der Ehrenlegion hat sich Soult dann aber anscheinend nie in Brühl blicken lassen. Auch der Kanzler der 4. Kohorte, Graf Salm-Dyck, kam von seinem Schloß Dyck aus nur ab und zu, um seinen Bürovorsteher J. G. Kerris zu inspizieren, der von 1803 bis 1809 im Oratorium wohnte, die Liegenschaften der 4. Kohorte verwaltete und die Oberaufsicht über die Schloßanlagen führte. Bernhard Bongard16, der 1803 als Nachfolger von Plentz Schloßverwalter geworden war, der Parkwächter Gerhard Frauenberg17, und Joseph Weyhe, „jardinier en chef, conservateur des plantes etrangeres du parc de Bruhl", traten in die Dienste der Ehrenlegion. An dem Schloß, das völlig leer stand, ließ auch die Ehrenlegion nur die allernotwen­ digsten Reparaturen ausführen. Der Schloßpark verwilderte. Weyhe ließ darin das Holz schlagen, daß er zur Beheizung seiner Gewächshäuser und seiner Wohnung brauchte, und die Brühler holten sich aus dem Park, in stetem Kampf mit dem Parkwächter, Holz für ihren Hausbedarf und Futter für ihr Vieh. IV. Am 17. September 1804 kam Napoleon, damals noch Erster Konsul, auf dem Weg von Köln nach Bonn durch Brühl. Dabei besichtigte er auch kurz das Schloß Augustusburg, nach seiner Gewohnheit im Eilschritt, bei dem sein Gefolge kaum mithalten konnte. Beim Anblick des Treppenhauses soll er bedauert haben, daß er es nicht für eines seiner Schlösser mitnehmen könne. An diesen Eindruck erinnerte sich Napoleon anscheinend, als er Schlösser suchte, die würdig waren, Sitz eines Fürsten zu sein. Am 28. Februar 1809 verfügte er, daß ihm die Ehrenlegion das Schloß Brühl mit Park, Gärten und allen Nebenanlagen verkaufen solle, und kurz darauf dotierte er das „Palais Imperial de Brulh“ mit Liegenschaften, aus deren Erträgen - jährlich 121 108 frs - die Unterhaltung des Schlosses bezahlt werden solle18: Juristisch wurden diese Dekrete allerdings erst ein Jahr später ausgeführt: Am 25. Mai 1810 verkaufte der Großkanzler der Ehrenlegion das Schloß mit allem Zubehör für 400 000 frs an den Intendant General du Domaine Extraordinaire. Beide Vertragspartner, die Ehrenlegion und der Krondomänenfonds, sollten mit Wirkung vom 1. Januar 1810 in ihre Rechte eintreten. So wurde das Schloß Augustusburg eine kaiserliche Krondomäne. Am 8. Juni 1810 wurde L. N. Davoust, Fürst von Eckmühl, rechtswirksam damit belehnt. Rückwir­ kend zum 1. Januar 1810 traten Weyhe, Frauenberg und Bongard in seine Dienste. Domänenverwalter Rosel, dem die Domänendirektion schon am 21. August 1809 die Oberaufsicht über alle Schloßanlagen wieder übertragen hatte19, wurde von Davoust beauftragt, in dieser Funktion nebenamtlich weiterhin für ihn tätig zu sein. Ob Davoust jemals in Brühl gewesen ist, ließ sich bisher nicht ermitteln. Es ist unwahrscheinlich, denn er war in Diensten Kaiser Napoleons derart beansprucht, 306

daß er sich höchstens ab und zu kurz in Paris aufhalten konnte, aber wohl kaum Zeit für eine Fahrt nach Brühl hatte20. Die Berichte und Abrechnungen, die Rosel und später Poncelet dem Fürsten von Eckmühl nach Paris schickten, sind erhalten. Aus diesen Schriftstücken ist das Budget für das Jahr 1812 bemerkenswert: Ausgaben: 1) Gehalt des Concierge (Bongard) 2) Gehalt des Parkwächters (Frauenberg) 3) Gehalt des „jardinier botaniste“ (Weyhe) 4) Grundsteuer 3) Vergütung des „artiste hydrotique“ (J. Litterscheid) für die Wartung der Fontänen, der Kücheninstallationen u. dgl. 6) Für die Instandhaltung der Dächer 7) Für Reparaturmaterial, Blei u. dgl. 8) Für Unterhaltungskosten allgemein Ausgaben insgesamt Einnahmen tatsächlich: 1) 4,50 ha Land beim Schloß, verpachtet 2) 3,50 ha Sandgrube 3) Fischerei in den Schloßteichen Einnahmen, möglich: 4) Ein Gemüsegarten, zu verpachten für 5) Ein Pavillon im Park, die Fasanerie 6) Die Zimmer über den alten Ställen 7) Ein Haus, das Oratorium Einnahmen insgesamt: Zuschußbedarf

600 frs 400 frs 1600 frs 300 frs 200 frs 250 frs 350 frs 1000 frs 4800 frs

250 frs 70 frs 120 frs 100 frs 100 frs 100 frs 60 frs 800 frs 4000 frs

Nachschrift: Die Instandsetzung der Fontänen und die Möblierung des Schlosses würde etwa eine Million Francs kosten! 1811 wurde Rosel als Domänenempfänger nach Grünstadt/Pfalz versetzt. Deshalb erschien er am 9. Juli 1811 mit Bongard, Frauenberg, H. Neukirchen, dem Wächter des Chinesischen Hauses, und F. Poncelet, seinem Bürovorsteher (Weyhe war ver­ reist) vor dem Friedensrichter in Brühl21. Er erklärte, er sei - anfangs von der Domänendirektion, dann von dem Fürsten von Eckmühl - mit der Aufsicht über das Schloß betraut worden. Zufolge seiner Versetzung nach Grünstadt könne er diese Funktion nicht mehr ausüben. Da er den Fürsten von Eckmühl nicht erreichen könne, setze er von sich aus F. Poncelet als seinen Nachfolger ein. Bongard, Frauen­ berg und Neukirchen gaben zu Protokoll, was sich in ihren Bereichen seit dem 1. Januar 1810 verändert hatte; es war so gut wie nichts. Poncelet nahm das Amt an. Aus den Berichten Rosels und Poncelets18ist bemerkenswert: Im Schloß und seinen Dependancen befinden sich keinerlei Möbel oder Gerätschaften. Die Vergoldungen an den Türen bestehen noch. Im Chinesischen Haus wurde ein kleines Gesims entfernt, das sich jetzt im Schloß befindet. Zur Erhaltung der schönen Plafonds im 307

Schloß sind Reparaturen an den Fenstern und Türen dringend notwendig. Da die meisten Orangenbaum-Kübel durch Altersschwäche zerfallen, sind 60 neue Kübel anzuschaffen. Das Oratorium in der Nähe der Gewächshäuser ist völlig vernachläs­ sigt. Der Küchenbau ist verwahrlost, wird aber im 1. Stock bewohnt. Der „Fasanerie“ genannte Pavillon zerfällt. Die Orangerie ruiniert durch ihren Brennholzbedarf den Park. Der Pavillon im Park und die Orangerie sollten wegen Unwirtschaftlichkeit abgebrochen werden —auch gegen den Willen der Brühler Bürger —, bevor sie ganz zerfallen. Am 14. Januar 1814 erstattete Poncelet seine Abrechnung für 1813. Sie weist 812,50 frs Einnahmen aus, anscheinend aus Pachten und Flolzverkäufen; demgegenüber stehen Ausgaben für kleine Handwerkerrechnungen in Höhe von 410,65 frs, so daß ein Überschuß von 401,85 frs erscheint. Diese Rechnung ist aber unvollständig, da sie die Gehälter der Angestellten des Fürsten nicht enthält. Diese Gehälter wurden erst Jahre später ausgezahlt. V. An dem Tage, an dem Poncelet diesen seinen letzten Bericht schrieb, am 14. Januar 1814, brach zufolge der Vormarschs der preußisch-russischen Armee die französische Verwaltung in den rheinischen Departements zusammen. Am 30. Mai 1814 wurde in Paris der Friedensvertrag geschlossen, nach dem Frankreich die Rheinlande, die es am 9. Februar 1801 durch den Friedensvertrag von Luneville erhalten hatte, wieder her­ ausgab. Damit hörte das Schloß Augustusburg zu Brühl auf, eine kaiserlich französische Krondomäne zu sein; die Lehnsrechte des Fürsten von Eckmühl erloschen, bevor er dazu kam, das Schloß wieder so herzurichten, daß es von ihm bewohnt werden konnte. Das Schloß Augustusburg wurde in der Folgezeit eine königlich preußische Krondomäne.

1 Hier zitiert nach P. Dohms, Die Inventare der Schlösser und Gärten zu Brühl, Düsseldorf 1978, S. 277. Vom Verfasser frei übersetzt. 2 Das Wort „cousin“ bezeichnet hier keine leibliche Verwandtschaft. Mit diesen Worten redeten zu jener Zeit die europäischen Monarchen einander an, die ja alle irgendwie miteinander verwandt waren. Napoleon verwendete es - selbstverständlich nur einseitig - gegenüber Günstlingen, die er besonders auszeichnen wollte. 3 Gewöhnlich bedeutet „fils naturel“ „unehelicher Sohn“. Das ist aber hier nicht gemeint, wie das davorstehende Wort „ehelich“ zeigt. Gemeint ist vielmehr, daß Adoptivsöhne - „juristische Söhne“ - ausgeschlossen sein sollten. 4 Vgl. Kap. 21 V. 5 Zur Wahrung der staats- und verwaltungsrechtlichen Einheit des Kaiserreichs waren mit diesen Titeln keine Hoheitsbefugnisse innerhalb bestimmter Territorien, sondern nur Ehrenrechte und Einkünfte verschiedenster Art verbunden. Fürstentitel wurden jeweils an ein bestimmtes Kronlehn geknüpft. 6 8301 Eggmühl, zwischen Landshut und Regensburg gelegen, wird in den damaligen französischen Quellen immer Eckmuhl geschrieben. 7 Nach den Schlachten bei Wagram und in der Lobau wurden Marschall Alexandre Berthier mit dem Titel „Herzog von Wagram“ und General Georges Mouton mit dem Titel „Graf von Lobau“ und entsprechenden

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Dotationen ausgezeichnet. Zur Dotation Berthiers gehörte u. a. der Weyerhof in Schwadorf, zur Dotation Moutons u. a. das St. Apostel-Land bei Palmersdorf. Vgl. Kap. 21 V. Peter Plentz, geboren etwa 1740, war 1787 als Nachfolger von J. A. Keggenhoff zum Burggrafen der Augustusburg bestellt worden und hatte dessen Dienstwohnung in der Kölnstraße bezogen. 1794 blieb er auf seinem Posten. Weil er aber kein „Landesbeamter“ war, sondern zum Hofstaat des vertriebenen Kurfürsten gehörte, mußte er drei Jahre lang ohne Gehalt kümmerlich von seinen Ersparnissen leben, da keine Dienststelle sich für die Zahlung seines Gehalts zuständig fühlte. Erst 1798 erkannte die französische Domänendirektion die Notwendigkeit, für das Schloß einen besoldeten Verwalter zu haben. Alle, die Plentz kannten, erklärten, daß nur er für diesen Posten in Betracht komme. Dazu mußte er allerdings im Schloß wohnen, um dieses auch Nachts hüten zu können. Dagegen sträubte sich aber Plentz. Von ganzem Herzen kurfürstlich gesinnt, glaubte er, das Schloß seines Herrn zu profanieren, wenn er darin Wohnung nehme. N ur mit Mühe gelang es dem Domänenempfänger Rosel, Plentz umzustimmen und ihn zugleich der Administration Centrale so eindring­ lich zu empfehlen, daß diese ihn am 5. November 1798 zum Concierge du Chateau ernannte (HStAD RD Nr. 3442 und Nr. 3781). Plentz konnte aber nicht verwinden, daß sein Herr, der Kurfürst Max Franz, im Exil starb und dessen Schloß der Verwahrlosung preisgegeben war. Er wurde darüber gemütskrank. Im Januar 1803 mußte ihn sein Schwiegersohn E. Roth, Gastwirt in Godesberg, zu sich holen (HAK Franz. Verw. NR. 877). Viele Einzelheiten dazu findet man in den Berichten des Domänenverwalters Rosel (HStAD RD Nr. 3442), in denen das Verhalten der Brühler als „brigandage inoui“, als unerhörte Räuberei, bezeichnet wird. Das Stadtarchiv Brühl enthält nichts über diese Diebstähle, noch nicht einmal die Protokolle, von denen Abschrif­ ten in den Akten der Domänenverwaltung liegen. Vermutlich sind die einschlägigen Akten später vernichtet worden, weil man niemanden kompromittieren wollte. Da diese Diebstähle nicht verhindert werden konnten, ließ die Domänendirektion die Reste der Außengitter abwracken und als Alteisen versteigern. So geriet die Existenz dieser Außengitter völlig in Vergessenheit. Kein Kunsthistoriker hat sich anscheinend darüber Gedanken gemacht, warum am Schloß Falkenlust heute noch Außengitter vorhanden sind, am Schloß Augustusburg dagegen nicht. In Brühl gab es damals keine Ortspolizei. Gendarmen mußten von Fall zu Fall in Köln angefordert werden und konnten deshalb niemanden auf frischer Tat ertappen. Fast alle Untersuchungen verliefen im Sande, weil kein Brühler jemals etwas von Diebstählen gehört oder gesehen hatte. Zeitweise waren das Oratorium, die Fasanerie und einige Räume des Küchenbaus vermietet. Als die Domänen­ verwaltung für den Küchenbau keine Mieter mehr fand, ließ sie zwei Familien dort unentgeltlich wohnen mit der Verpflichtung, darüber zu wachen, daß nicht weiterhin Türen, Fenster und Fußböden gestohlen würden. HStAD RD Nr. 3444 f. 229. Als Zubehör des Schlosses werden in dem Übergabeprotokoll aufgezählt: a) der mit dem Schloß durch eine Galerie verbundene Küchenbau, b) die mit dem Schloß durch eine Galerie verbundene Orangerie, c) das Oratorium am Ende der Orangerie, d) ein Botanischer Garten, etwa 1 1/2 ha groß, mit dem Haus des Chefgärtners und zwei Gewächshäusern, e) ein Park, etwa 50 ha groß, darin ein „Fasanerie“ genannter Pavillon, ein Gemüsegarten mit einem Gärtner­ haus, drei große Weiher und mehrere Bassins, f) ein in der Stadt gelegener Stall für 60—70 Pferde. HStAD RD Nr. 3444 f. 83. StAB 34, 16 f. 23 - Soult hatte eigenmächtig - als Druckmittel - in jedes Brühler Haus so viel Einquartierung gelegt, daß Handel und Wandel lahmgelegt wurden. Ähnlich hatte sich Soult vorher auch in Bonn verhalten; dort hatte er die Abholzung der Poppelsdorfer Allee angedroht und einen Agent Municipal verhaften lassen. Bernhard Bongard, geboren etwa 1769 in Bonn, hatte 1797 eine Brühlerin geheiratet. Er war bis zu seinem Tode 1836 Schloß verwalten Gerhard Frauenberg, 1769 in Brühl geboren, wurde am 25. Fl. IX zum Parkaufseher bestellt, weil er vorher freiwillig beim 2. Inf. Rgt in Straßburg gedient hatte (RD Nr. 3443, f. 97). Er behielt die Stelle bis zum Ende der Franzosenzeit; 1829 war er belgischer Forstbrigadier. P. Dohms a. a. O . (Anm. 1), S. 275—278; auch für die folgenden Angaben.

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19 Aufgrund des kaiserlichen Dekrets vom 28. Februar 1809 wurden alle Liegenschaften der 4. Kohorte auf die staatliche Tilgungskasse übertragen, um von dieser veräußert zu werden. Ungewiß blieb zunächst nur, wie im Text erwähnt, das Schicksal des Schlosses Augustusburg. Wegen dieser Ungewißheit gab es anscheinend Mißverständnisse. Anfang August 1809 verließ Kerris Brühl, so daß niemand mehr die Oberaufsicht über die Schloßanlagen hatte. Das benutzten Unbekannte, um Bleirohre aus dem Park zu entwenden. Am 18. August 1809 erfuhr der Domänen Verwalter Rosel, daß drei mit Bleirohren beladene Lastkarren nach Köln gebracht worden waren. Als er das der Domänendirektion meldete, beauftragte ihn diese, sofort die Aufsicht über das Schloß zu übernehmen und die Bleirohre zurückzuholen; falls das nicht mehr möglich sei, sollte er die Beteiligten ermitteln. Außerdem solle er sofort von dem Schloß rechtswirksam Besitz ergreifen, dessen Zustand durch den Maire und den Friedensrichter feststellen lassen sowie ein Inventar der Mobilien erstellen (HStAD RD Nr. 3445 f. 322). 20 Davoust —manchmal auch Davout geschrieben —wurde 1811 von Napoleon als Generalgouverneur des Departements der Elbmündung eingesetzt. 1813 igelte er sich in der Stadt Hamburg ein; er übergab diese erst nach Abschluß des Pariser Friedens vom 30. Mai 1814. Während der 100 Tage nach der Rückkehr Napoleons aus Elba war er dessen Kriegsminister. Nach der Schlacht bei Waterloo schloß er am 3. Juli 1815 den Waffenstillstand. 21 HAK Franz. Verw. Nr. 915.

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D ie G roße B od en refo rm im B rü h ler R a u m

i.

Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts wurde die Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Rheinlande durch zwei Vermögensumschichtungen von Grund auf verändert. Die erste Umschichtung bestand darin, daß die Vermögen der durch den Konsular­ beschluß vom 20. Pr. X/9. Juni 1802 aufgehobenen geistlichen Körperschaften Staats­ eigentum wurden. Die zweite bestand darin, daß ab 1803 nach und nach fast alle dem Staat gehörenden Liegenschaften —soweit sie nicht zur Erfüllung von Öffentlichen Aufgaben, zu denen man auch die Bewirtschaftung von Forsten rechnete, nötig waren - an Privatleute übereignet wurden. Beide Operationen werden gewöhnlich mit dem Stichwort „Säkularisation (Ver­ weltlichung) des vormals geistlichen Grundbesitzes“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist aber irreführend, da die Grundstücksmengen, die jeweils ihre Eigentümer wechsel­ ten, nicht identisch waren. Viele Grundstücke, die 1802 Staatseigentum geworden waren, beispielsweise fast alle Waldungen, blieben auch in der Folgezeit Staatseigen­ tum. Andererseits wurden viele Grundstücke, die schon vor 1802 - als kurfürstliches Kameralland - Staatseigentum gewesen waren, ab 1803 in Privateigentum überführt. Auch in ihren Wirkungen waren die beiden Operationen voneinander verschieden. 1802 wurde der Grundbesitz vieler „Toter Hände“ auf eine andere Tote Hand übertra­ gen, ohne daß sich dadurch die Sozial- und Wirtschaftsstruktur des Landes merklich veränderte. Solche Veränderungen bewirkte erst die ab 1803 einsetzende Privatisie­ rung der Staats grundstücke. Deshalb ist es nützlich, nur die erste Vermögensumschichtung „Säkularisation“ zu nennen, die zweite dagegen - ihrer Wirkung entsprechend - als „Große Bodenre­ form“ zu bezeichnen. Zeitlich folgten der Säkularisation einige Jahre der Unschlüssigkeit darüber, was man mit dem durch die Säkularisation sehr vermehrten Bestand an Staatsländereien machen solle - es war die Zeit der „Dotationen“ -, bis dann Geldmangel die Veräuße­ rung aller „überflüssigen“ Ländereien erzwang. Einziger Zweck der ab 1803 getätig­ ten Verkäufe war sicherlich die Beschaffung von Bargeld; daß diese Verkäufe insge­ samt eine längst nötige Bodenreform bewirkten, war eine wohl unbeabsichtigte, aber um so folgenreichere Nebenwirkung. II. Der zeitliche und juristische Ablauf der Säkularisation ist von Richard Büttner so eingehend und zuverlässig dargestellt worden1, daß es hier genügt, nur das Ergebnis

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der Säkularisation im Brühler Raum festzustellen, also aufzulisten, wieweit dadurch im Brühler Raum der Bestand an Staatsgrundstücken vermehrt worden ist. Dieser „Liste B“ wird vorangestellt eine „Liste A“, die alle Liegenschaften enthält, die schon vor 1802 Staatsgrundstücke waren. Aus dem vorerwähnten Grunde sind in keiner Liste Waldungen aufgeführt. Nicht aufgeführt sind auch die Objekte, die - wie das Schloß Augustusburg mit seinen Nebenanlagen und das Franziskanerkloster2 — nicht in Privateigentum überführt worden sind. Für diese beiden Listen gibt es keine Vorbilder. Es gibt kein Generalinventar der kurfürstlichen Liegenschaften; Pächterlisten sind nur lückenhaft und vereinzelt über­ liefert. Andererseits gibt es auch keine zuverlässige Zusammenstellung der säkulari­ sierten Grundstücke. Alle Angaben in den Suppressionsetats3 der aufgehobenen geistlichen Körperschaften sind unvollständig. Deshalb können Flächenangaben und Angaben über die Pächter und die Pachtbeträge fast nur aus den Versteigerungsproto­ kollen entnommen werden. Und auch dabei sind die Zusammenstellungen HStAD Roer-Departement Nr. 3240 und HStAD Gen. Gouv. Niederrhein Nr. 1762 unbrauchbar; sie enthalten zahlreiche Lücken, Falschbezeichnungen, Additions- und sonstige Schreibfehler. Deshalb mußten hunderte von Versteigerungsprotokollen auf Brühler Objekte hin durchmustert werden. Auf solchen Durchmusterungen beruhen die nachstehenden Listen; Vergleichsrechnungen und Durchmusterung zahlreicher Akten aus kurfürstlicher Zeit machen wahrscheinlich, daß kein nennenswertes Objekt übersehen worden ist4. Bei der Ermittlung der Flächengrößen ergaben sich Schwierigkeiten dadurch, daß die Maßeinheit der Kurfürstenzeit, der kölnische Morgen, in französischer Zeit meist nicht mit 0,3176 ha, sondern zur Vereinfachung mit 0,32 ha angesetzt wurde und daß später die preußische Verwaltung weder mit kölnischen Morgen noch mit Hektaren, sondern mit magdeburgischen Morgen (1 Morgen = 0,2533224 ha) rechnete. Deshalb dürfen an die Genauigkeit und Vergleichbarkeit von Flächenangaben keine allzu hohen Ansprüche gestellt werden. Auch die in den Listen vermerkten Pachtbeträge sollen nur grob über die Höhe der Renditen der einzelnen Objekte orientieren. Für die Erstellung von Statistiken sind diese Angaben in mehrfacher Hinsicht ungeeignet: Zunächst ist zu berücksichtigen, daß die Angaben zeitlich inhomogen sind, da die Versteigerungen, auf deren Protokollen sie meist beruhen, zu unterschiedlichen Zeiten - von 1803 bis 1819 - stattfanden und sich die Höhe der Pacht vermutlich in vielen Fällen seit dem Jahre 1803 - der Zeitbasis der nachstehenden Listen —verändert hatte5. Auch eignen sich die angegebenen Beträge nicht zu Durchschnittsbildungen, da sie meist auf Versteigerungen beruhen, bei denen höchstpersönliche Interessen der Pächter ausschlaggebend waren. Und schließlich wirkte sich aus, daß die Pachtbeträge in den Listen in Franken angegeben sind und deshalb die aus Protokollen der preußi­ schen Zeit entnommenen Angaben von Reichstalern oder preußischen CourantTalern auf Franken umgerechnet werden mußten6. Trotz diesen Ungenauigkeiten dürften aber die nachstehenden Listen insgesamt eine hinreichend vollständige „Eröffnungsbilanz“ der Bodenreform darstellen. 312

III. In der folgenden Liste A7 sind die vormals kurfürstlichen Liegenschaften zusammen­ gestellt, die in der Zeit von 1803 bis 1819 an Privatleute veräußert worden sind:

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

1. Häuser und Gärten Haus Brühl Nr. 11, Neue Kellnerei, vermietet an J. B. Rosel für 100 Fr jährlich. Haus Nr. 28, Alte Kellnerei, verm. am J. Müller für 40 Fr. Haus Nr. 29, Hubertusburg, verm. an F. Poncelet und J. Kessel für 92 Fr. Haus Nr. 223 am Wall,verm. an N. Heller für 15 Fr. Haus Nr. 224 am Wall,verm. an G. Grahn für 39 Fr. Haus Nr. 225 am Wall,verm. an Wwe. Kauss für 21 Fr. Haus Nr. 226 am Wall,verm. an M. Schröder für 12 Fr. Schloß Falkenlust, verm. an F. Hackspiel für 200 Fr. Garten am Holzmagazin, 0,22 ha groß. Garten an der Hubertusburg, 0,15 ha groß.

2. Gutshöfe 11. Burghof mit 67,3 ha Land, verpachtet an Johann Knott für 1500 Fr und Zahlung der Contribution. 12. Palmersdorfer Hof mit 53 ha Land, verpachtet an Erben Kribben für 800 Fr und Zahlung der Contribution.

13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32.

3. Äcker und Wiesen, Streubesitz ohne Hofstellen 1,28 ha Brühl, verp. an F. Kentenich für 108 Fr. 0,40 ha Brühl, verp. an F. Hackspiel für 40 Fr. 3,55 ha Brühl, verp. an P. Koch für 134 Fr. 0,78 ha Brühl, verp. an F. Eisei für 25 Fr. 2,14 ha Brühl, verp. an P. Koch und H. Merkenich für 101 Fr. 0,96 ha Brühl, verp. an Chr. Kleefuß für 35 Fr. 8,68 ha Brühl, verp. an F. Albracht für 320 Fr. 1,60 ha Brühl, verp. an F. Kentenich für 108 Fr. 1,92 ha Brühl, verp. an P. Eul für 90 Fr. 0,32 ha Brühl, verp. an J. Hackspiel für 15 Fr. 0,64 ha Brühl, verp. an D. Krall für 30 Fr. 1,60 ha Brühl, verp. an J. Herbertz für 80 Fr. 2,58 ha Brühl, verp. an F. Kentenich für 120 Fr. 0,64 ha Brühl, verp. an J. Krall für 30 Fr. 0,32 ha Brühl, verp. an J. Weisweiler für 25 Fr. 1,34 ha Badorf, verp. an J. Klein für 72 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an G. Commer für 62 Fr. 0,92 ha Badorf, verp. an J. Wesseling für 69 Fr. 0,48 ha Badorf, verp. an W. Segschneider für 42 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an Th. Engel für 42 Fr. 313

33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 314

0,64 ha Badorf, verp. an Th. Engel für 80 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an P. Pusacker für 30 Fr. 1,28 ha Badorf, verp. an H. Commer für 81 Fr. 1,28 ha Badorf, verp. an M. Kertz für 60 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an C. Nolden für 80 Fr. 2,26 ha Badorf, verp. an M. Mertz für 250 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an M. Strauff für 83 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an P. Klein für 65 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an J. Keller für 32 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an G. Stein für 67 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an P. Stein für 42 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an H. Pingsdorf für 64 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an J. Leyendecker für 60 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an W. Oebels für 34 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an W. Scheffer für 43 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an Wwe. Leyendecker für 30 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an J. Frühe für 70 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an H. Germund für 93 Fr. 1,28 ha Badorf, verp. an W. Engel für 156 Fr. 1,28 ha Badorf, verp. an J. Kühl für 136 Fr. 1,12 ha Badorf, verp. an J. Wild für 130 Fr. 0,64 ha Badorf, verp. an P. Esser für 80 Fr. 0,64 ha Pingsdorf, verp. an Joh. May für 30 Fr. 0,64 ha Pingsdorf, verp. an J. Broicher für 30 Fr. 0,80 ha Pingsdorf, verp. an J. B. Flommelsheim für 68 Fr. 1,24 ha Pingsdorf, verp. an Th. Segschneider für 84 Fr. 0,64 ha Pingsdorf, verp. an P. Commer für 62 Fr. 0,64 ha Pingsdorf, verp. an J. Klemmer für 66 Fr. 0,80 ha Pingsdorf, verp. an J. May für 73 Fr. 0,64 ha Pingsdorf, verp. an J. Bollenbeck für 47 Fr. 1,92 ha Pingsdorf, verp. an J. Krüger für 100 Fr. 0,28 ha Pingsdorf, verp. an W. Schieffer für 35 Fr. 1,28 ha Kierdorf, verp. an F. Kühl für 60 Fr. 1,28 ha Kierdorf, verp. an J. Breuer für 60 Fr. 0,64 ha Kierdorf, verp. an J. Kessenich für 30 Fr. 1,28 ha Kierdorf, verp. an W. Ippen für 89 Fr. 2,08 ha Vochem, verp. an P. Moritz für 226 Fr. 0,64 ha Vochem, verp. an P. Bollig für 42 Fr. 0,64 ha Vochem, verp. an St. Palm für 33 Fr. 0,96 ha Vochem, verp. an M. Mey für 72 Fr. 0,64 ha Vochem, verp. an W. Fischenich für 30 Fr. 2,71 ha Schwadorf, verp. an Th. Steinhausen für 150 Fr. 1,38 ha Schwadorf, verp. an Th. Harzenbusch für 64 Fr.

76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86.

2,34 ha Schwadorf, verp. an H. Bender für 110 Fr. 1,81 ha Schwadorf, verp. an J. Scheffer für 101 Fr. 2,00 ha Schwadorf, verp. an H. Cremer für 90 Fr. 1,05 ha Schwadorf, verp. an P. Nettesheim für 45 Fr. 0,16 ha Schwadorf, verp. an Th. Steinhausen für 11 Fr. 2,24 ha Schwadorf, verp. an P. Hagen für 95 Fr. 0,72 ha Schwadorf, verp. an H. Wieland für 61 Fr.9 1,24 ha Schwadorf, verp. an N. Brodesser für 59 Fr. 0,28 ha Schwadorf, verp. an Wwe. Hagen für 39 Fr. 0,64 ha Schwadorf, verp. an P. Cremer für 19 Fr. 2,34 ha Schwadorf, verp. an H. Bender für 71 Fr.

87. 88. 89. 90. 91. 92.

4. Sonstiges Falkenluster Allee Lindforst, 4,68 ha groß. Hasenbusch, 0,60 ha groß. 0,40 ha Ödland am Judenbüchel, vormals verpachtet an Th. Ningelgen für 16 Fr. 0,24 ha Ödland am Judenbüchel, verp. an J. Wichartz für 38 Fr. Kurfürstl. Turffgrube Badorf, verp. an N. Dreesen für 505 Fr.10

IV. In der folgenden Liste B sind die im Brühler Raum gelegenen Liegenschaften aufge­ zählt, die ehemals geistlichen Körperschaften gehörten und nach deren Aufhebung an Privatleute veräußert wurden.

93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107.

Vormals Kloster Benden Klostergebäude mit Kirche, Wirtschaftsgebäude und 47,80 ha Land, verpachtet an M. Huppertz für 1000 Fr. Rodderhof mit 36,37 ha Land und einer Turffgrube, verpachtet an J. A. Braun für Naturalien im Wert von etwa 1000 Fr. Theismühle mit 4,45 ha Land, verp. an H. Osten für 380 Fr. Klostermühle mit 6,45 ha Land, verp. an P. Osten für 365 Fr. Vendelsgut mit 2,38 ha Land, verp. an H. Dux für 75 Fr. 8 ar Garten in Brühl, verp. an L. Wichterich für 7 Fr. 8 ar Garten in Brühl, verp. an Pastor Königsfeld für 20 Fr. 12 ar Garten in Brühl, verp. an A. Krall für 16 Fr. 0,56 ha an der Jappgeyen, verp. an F. Müller für 30 Fr. 2,56 ha beim Kloster, verp. an P. Bremann für 60 Fr. 6,08 ha am Kierberg11, verp. an M. Huppertz für 199 Fr. 0,96 ha im Uhlfeld am Kierberg, verp. an H. Meiß für 64 Fr. 1,28 ha bei Heide, verp. an H. Hommerich für 36 Fr. 2,40 ha bei Heide, verp. an Th. Stemmeier für 50 Fr. Haus in Heide mit 1,93 ha Land, verp. an W. Schmitz für 80 Fr. 315

108. 8,20 ha bei Kierberg, verp. an J. Kessenich für 225 Fr. 109. 1,86 ha bei Schwadorf12. Vormals Stift St. Cäcilien 110. Siemershof in Palmersdorf mit 59,52 ha Land, verpachtet an P. Schurff für 1000 Fr. Vormals Stift St. Maria im Kapitol 111. 9,50 ha bei Vochem, die Pellekaul, verp. an Ferd. Schmitz für 360 Fr. Vormals Stift St. Ursula 112. Zehntscheuer in Vochem, nicht verpachtet. Vormals Stift St. Aposteln 113. 5,41 ha bei Brühl, verp. an P. Schieffer für 242 Fr. Vormals Stift St. Georg 114. Fronhof Vochem mit 81,74 ha Land, verp. an J. G. Bollig für 1375 Fr. 115. 22,33 ha am Spickenbusch, verp. an M. Mewis, J. Weber und L. Weber für 445 Fr. Vormals Stift St. Kunibert 116. Weyerhof in Schwadorf mit 57 ha Land, verp. an P. Kautz für 1400 Fr. 117. 16,53 ha bei Brühl, verp. an J. P. Müller für 628 Fr. Vormals Stift St. Severin 118. Petershof in Geildorf mit 46,88 ha Land, verpachtet an P. Broicher für 1060 Fr. 119. 7,30 ha bei Brühl, verp. an F. Kentenich für 380 Fr. Vormals Kloster Burbach 120. Burbacher Hof mit 37,68 ha Land, verp. an Th. Ningelgen für 900 Fr. Vormals Kloster St. Lucia 121. Hausschenkenhof mit 11,20 ha Land, verp. an T. Wiskirchen für 350 Fr. Vormals Kloster St. Mauritius 122. 4,4 ha Land bei Brühl, verp. an J. P. Müller für 219 Fr. Vormals Kloster St. Nikolaus 123. 6,40 ha Land bei Brühl, verp. an J. Weisweiler für 200 Fr. Vormals Kloster Sion 124. Janshof mit 40,26 ha Land, verp. an M. Zons für 1200 Fr. 316

Vormals Kanonie Bödingen 125. Bödinger Hof mit 37,68 ha Land, verp. an Wwe. Dreesen für 725 Fr. Vormals Karthäuser 126. Karthäuserhof in Kierberg mit 17,60 ha Land, verp. an H. Scheffer für 360 Fr.

127. 128. 129. 130.

Vormals Abtei St. Pantaleon Abtshof in Badorf mit 39,20 ha Land, verp. an P. J. Decker für 800 Fr. Michelshof in Geildorf mit 34,67 ha Land, verp. an Wwe. Heimerzheim für 850 Fr. 0,72 ha Land bei Baborf, verp. an Ursula Engels für 40 Fr. Pantaleonsmühle in Brühl mit 8,48 ha Land, verp. an J. Ippen für 550 Fr.

Vormals Johanniter-Commende St. Johann und Cordula13 131. Kempishof mit 32,60 ha Land, verp. an Wwe. Longerich für 460 Fr. 132. Commandeursgärten, 4,26 ha, verpachtet in 87 Teilstücken für insgesamt 493 Fr. V. So konnte die Domänendirektion Aachen im Jahre 1803 allein im Brühler Raum über mehr als 920 ha Liegenschaften mit einem jährlichen Pachtertrag von mehr als 26 000 Franken verfügen; ganz abgesehen von dem zum Schloß Augustusburg gehörenden Gelände9. Nach den damaligen Verwaltungsmaximen waren alle diese Liegenschaften überflüssig, da sie nicht zur Erfüllung staatlicher Aufgaben nötig waren. Diese Verfügungsmöglichkeit - die in ähnlicher Weise in allen rheinischen Departe­ ments bestand - entsprach geradezu ideal den Intentionen des damaligen Ersten Konsuls Napoleon Bonaparte. Als Überwinder der Revolution hatte er die Notwen­ digkeit erkannt, eine neue gesellschaftliche Oberschicht aufzubauen, welche die Funk­ tionen des Adels des Ancien Regime übernehmen sollte: Fähige und Napoleon treu ergebene Männer sollten ein gesichertes Renteneinkommen erhalten, das ihnen ermöglichte, sich ohne Sorgen um das tägliche Brot Öffentlichen Aufgaben zu widmen, oder sollten für Dienste belohnt werden, die sie dem durch Napoleon verkörperten Staat geleistet hatten. Als Rechtsform, solche Renteneinkommen zuzuwenden, wählte Napoleon die „Dotation“: Für die Gremien oder Personen, die begünstigt werden sollten, wurden aus dem Gesamtbestand der staatlichen Liegenschaften jeweils ein bestimmter Teilbe­ stand ausgegliedert, dessen Erträge der Dotationsinhaber erhielt. Die den einzelnen Dotationsfonds zugewiesenen Liegenschaften blieben Staatseigentum; sie durften nur mit ausdrücklicher kaiserlicher Genehmigung verkauft oder getauscht werden. Diese Fonds wurden meist von den örtlichen Domänenbüros für Rechnung des jeweiligen Dotationsinhabers verwaltet. Der erste Dotationsempfänger im Brühler Raum war die am 29. El. X/19. Mai 1802 gestiftete Ehrenlegion. Am 29. Fri. XII/21. Dezember 1803 wurden ihr Liegenschaf­ ten mit einem jährlichen Ertrag von 262 284 Fr zugewiesen14. Am 20. Fl. XII/10. Mai 317

1804 folgte eine zweite Dotation mit einem Jahresertrag von 450 000 Fr. Schon bald aber wurde einTeil dieser Grundstücks-Dotationen rückgängig gemacht: Das Gesetz vom 11. PI. XIII/31. Januar 1805 bestimmte, daß jede der 16 Kohorten der Ehrenle­ gion nur Liegenschaften mit einem Ertrag von 100 000 Fr behalten solle. Der Über­ hang wurde gegen Ausstellung von 5%igen Obligationen von der Staatlichen Til­ gungskasse übernommen, die dann diese Grundstücke zur Deckung von Staatsschul­ den veräußerte. Der zweite Dotationsempfänger war der Senat, der am 14. Niv. XI/4. Januar 1803 eine Dotation von insgesamt 1 Million Fr jährlich erhielt. Zu diesem Fonds gehörte im Brühler Raum nur der Weyerhof in Schwadorf15. Schon am 7. Ger. XIII/28. März 1805 wurde aber die Senats-Dotation in der Weise umgestaltet, daß die Tilgungskasse alle Liegenschaften gegen 5%ige Obligationen eintauschte. Diese Liegenschaften wurden dann den Armeelieferanten Vanlerbergh und Konsorten verpfändet. Am 14. Niv. XI/4. Januar 1803 erhielten auch die einzelnen Senatoren persönliche Dotationen. Im Brühler Raum wirkte sich das nur für den Senator von Poitiers aus: Ihm wurde der Weilerhof, die Flubertusburg und das Schloß Falkenlust zugewiesen16. -Anders als die Senats-Dotation wurden die Senatoren-Dotationen nicht auf Obliga­ tionen der Tilgungskasse umgestellt. So konnte der Senator von Poitiers, Claude Henry Beigrand de Vaubois, mit kaiserlicher Genehmigung am 23. Fri. XIV vor dem Präfekten von Vienne einen Vertrag mit dem Pariser Immobilienhändler Henry Moynat schließen, durch den er seine rheinischen Dotationsgüter gegen andere, für ihn günstiger gelegene Liegenschaften tauschte17. Dadurch wurden die ursprünglich der Senatorie Poitiers zugewiesenen Liegenschaften zu Gegenständen des freien Grundstückshandels18. Schließlich erhielten aufgrund der Dekrete vom 1. März 1808 und 4. Mai 1809 auch einige Generäle persönliche Dotationen. Im Brühler Raum waren dies Georges Mouton, Graf von Lobau, dem am 1. Dezember 1810 u. a. der Pachtertrag von 9,48 ha Ackerland bei Brühl, vormals St. Aposteln, zugewiesen wurde19, und Alexandre Berthier, Herzog von Wagram, der am 2. November 1810 die Nutznießung des Weyer­ hofs in Schwadorf erhielt15. - Beide Objekte blieben Staatseigentum, so daß sie durch den Pariser Friedensvertrag vom 30. Mai 1814 preußische Staatsdomänen wurden. Die Nutzungsrechte der bisherigen Dotationsinhaber erloschen am 30. Mai 1814. VI. Bei Durchmusterung der Liegenschaftsbestände auf ihre Eignung, Dotationsfonds zugewiesen zu werden, erkannte die Domänendirektion, daß es verwaltungstechnisch zweckmäßig war, für Dotationen möglichst nur Objekte mit hohen Erträgen insbesondere große Gutshöfe - zu verwenden, Objekte mit Bagatell-Erträgen dagegen zur Einsparung von Verwaltungskosten umgehend zu veräußern. So begann die Domänendirektion am 1. Pr. XI/21. Mai 1803 ihre erste Versteigerungs-Serie. Bevor von den Versteigerungen der Brühler Objekte im einzelnen berichtet wird, sei zunächst das Verfahren kurz skizziert: Alle im Roer-Departement belegenen Objekte wurden in Aachen unter Vorsitz des 318

Präfekten oder seines Vertreters versteigert. Das bedeutete für die Brühler Interessen­ ten, daß sie Reisekosten für 3 Tage aufwenden mußten, wenn sie an einer Versteige­ rung teilnehmen wollten, denn eine Fahrt von Brühl nach Aachen erforderte damals einen vollen Tag. So ist es verständlich, daß nur wenige Brühler persönlich nach Aachen fuhren. Die meisten beauftragten einen Bekannten, der ohnehin in Aachen zu tun hatte, oder einen Makler, für sie Gebote abzugeben. Fast immer war wohl die Maklerprovision niedriger als die Reisekosten gewesen wären. Zudem waren nur wenige Brühler so geschäftsgewandt, daß sie in den Versteigerungsterminen gegen­ über den Berufshändlern sicher hätten auftreten können. Wer allerdings jemanden als stillen Stellvertreter eingesetzt hatte, der mußte zur Aufdeckung der stillen Stellvertre­ tung nach Aachen fahren, um seine Unterschrift unter den Verkaufsakt zu leisten. Zur Vorbereitung der Versteigerung erstellte jeweils ein Sachverständiger eine mehr oder minder ausführliche Beschreibung des betreffenden Objekts, in der er auch das Mindestgebot festlegte. Das Mindestgebot sollte verhindern, daß die Domänenver­ waltung aus dem Versteigerungserlös eine niedrigere Rendite erhielt als aus dem Objekt selbst. Deshalb wurde das Mindestgebot jeweils aus dem Ertrag des Objekts abgeleitet. Nach Art. 105 des Gesetzes vom 15. Vt. XII sollte für Landgüter das 20fache, für Häuser, Gebäude, Mühlen und Hammerwerke das 12fache des Jahreser­ trags als Mindestgebot angesetzt werden20. Bei unvermieteten Objekten wurde das Mindestgebot von dem Sachverständigen frei festgelegt. Die Zahlungsbedingungen waren - wegen der allgemeinen Kapitalknappheit im Lande —sehr günstig: Ein Fünftel der Kaufsumme war drei Monate nach dem Zuschlag zinslos fällig, die anderen vier Fünftel mußten dann in vier Jahresraten mit jeweils 5% Zinsen gezahlt werden; Sofortzahler erhielten einen Nachlaß von 6%. Dieses Abzahlungsverfahren war ein starker Anreiz für „Güterschlächter“: Spekulan­ ten, die ohne Bargeldeinsatz große Höfe ersteigert hatten, verkauften deren Lände­ reien oft alsbald parzellenweise gegen Barzahlung weiter; und zwar an Leute, die zwar den Kaufpreis für eine oder zwei Parzellen sofort bezahlen konnten, aber unvermögend waren, größere Beträge aufzubringen. So haben in Brühl die Brüder Wilhelm und Bernhard Boisseree den Burbacher Hof und Carl Scholl den Kempishof und den Bödinger Hof gewinnbringend ausgeschlachtet. Der wesentliche Inhalt der vorerwähnten Objektbeschreibungen und Versteige­ rungsbedingungen wurde in die Plakate - „Affichen“ - übernommen, durch welche die Versteigerungen öffentlich angekündigt wurden. Diese Affichen mußten von den Maires der größeren Orte und der Orte, in denen die zu versteigernden Objekte lagen, 30 Tage vor dem Termin öffentlich ausgehängt werden. In den Versteigerungsterminen wurden nur die abgegebenen Höchstgebote proto­ kolliert. Den Zuschlag erteilte der Präfekt jeweils erst 14 Tage später. Innerhalb dieser Frist wurden etwaige rechtliche Einwendungen und die Zahlungsfähigkeit der Bieter überprüft. Auch konnten die Bieter bis zum Zuschlag noch zurücktreten oder erklä­ ren, daß sie ihr Gebot nicht für sich selbst, sondern als stiller Stellvertreter für eine bestimmte andere Person abgegeben hätten. In letzterem Falle mußte der still Vertre­ tene dies durch eigenhändige Unterschrift bestätigen. 319

VII. In der Serie I21 der Versteigerungen wurden, wie bereits erwähnt, vorwiegend einzelne Häuser abgestoßen, mit deren Verwaltung sich die Domänendirektion nicht belasten wollte. Das erste Brühler Objekt, das versteigert wurde, war das Haus Nr. 11 in der Kölnstraße, die vormalige kurfürstliche Neue Kellnerei, die am 11. Fl. XI für 100 Fr jährlich an den Domänenempfänger J. B. Rosel vermietet worden war. Als dieses Haus am 10. Mess. XI ausgeboten wurde, fand sich kein Bieter. Dann reichte aber Rosel ein schriftliches Gebot in Höhe von 3425 Fr ein, und dafür erhielt er am 26. Mess. XI den Zuschlag22. Am 15. Fru. XI wurden fünf weitere Brühler Häuser ausgeboten. Das Haus Nr. 28, die Alte Kellnerei, ersteigerte der Brühler Kaufmann G. I. Seidlitz für 1875 Fr. Ein Häus’chen am Wall - Nr. 225 -, das für 21 Fr jährlich vermietet war, ging für 1025 Fr an einen Aachener Makler; dieser trat dann aber zurück, vermutlich nachdem er das Haus besichtigt hatte; es wurde am 1. Vd. XIV nochmals ausgeboten und für 365 Fr von dem Aachener Canonicus Christian Theodor Heucken ersteigert. Dieser Canonicus hatte am 15. Fr. XI schon die Häuser Nr. 223, 224 und 226 ersteigert, und zwar durch zwei verschiedene Makler, Brammertz und Dautzenberg. Er hatte keinerlei Beziehungen zu Brühl und hat vermutlich die Häuser nie gesehen. Offenbar war ihm nur daran gelegen, sein Kapital günstig anzulegen. Bei dem Haus Nr. 224 spielten ihm allerdings seine Makler einen Streich: Gegeneinander bietend trieben sie den Preis von 165 Fr bis auf 1300 Fr23. Ebenfalls in der Serie I wurden dann auch zwei große Höfe versteigert, der Vochemer Fronhof und der Janshof in Rondorf. Das entsprach keineswegs der Intention dieser Serie und ist wohl nur durch persönliche Beziehungen zu erklären: Die Liste der in der Serie I zu versteigernden Objekte war durch den Brühler Domänenempfän­ ger J. B. Rosel erstellt worden. Dieser war ein guter Freund und GelegenheitsGeschäftspartner des Rechtskonsulenten Louis Clausen, der am 29. Vt. X die um 21 Jahre (!) ältere Tochter des sehr wohlhabenden Vochemer Fronhalfen Johann Bollig geheiratet hatte und dadurch ein Schwager des derzeitigen Fronhalfen Joh. Georg Bollig geworden war. Bollig wird nun befürchtet haben, daß „sein“ Hof wie die anderen großen Brühler Höfe der Dotation der Ehrenlegion zugewiesen würde, so daß er weiterhin Pächter bleiben müsse, obwohl er doch genug Geld zum Ankauf hatte. Deshalb hat er vermutlich Rosel über seinen Schwager Clausen veranlaßt, den Vochemer Fronhof mit einem Mindestgebot von 27 500 Fr auf die Versteigerungsliste zu setzen. So billig bekam er diesen Hof allerdings nicht. Im Termin vom 20. Fri. XII wurde Clausen, der in eigenem Namen bot, auf 50 400 Fr hochgetrieben24. Aber er bekam den Zuschlag. Ähnlich liefen die Dinge wohl auch beim Rondorfer Janshof Johann Conzen, der bisherige Janshalfc, der am 15. Vt. XI den Hof für 89 300 Fr ersteigerte24, war ebenfalls ein Schwager L. Clausens. Auch die beiden anderen Brühler Objekte, die noch im Zuge der Serie I versteigert wurden, sind von Rosel wohl aus persönlichen Gründen auf diese Liste gesetzt worden: Am 20. Fri. XII ersteigerten J. P. Müller, ebenfalls ein Geschäftsfreund 320

Rosels, und der bisherige Pächter Ferdinand Schmitz gemeinsam die Pellkaul für 6300 Fr24, und am 15. Vt. XII ersteigerte Rosel die hinter seinem Haus Nr. 11 liegen­ den vormals kurfürstlichen Gärten für zusammen 1075 Fr25. VIII. Auch in der Serie II26 der Versteigerungen, die nach Abschluß der Serie I am 5. Pr. XIII anlief, veräußerte die Domänendirektion Objekte, die sich schlecht für die Zuweisung zu einem Dotationsfonds eigneten, weil ihre Rendite zu gering oder zu ungewiß war. Im Brühler Raum waren dies: Die Zehntscheuer27, die das Stift St. Ursula im Jahre 1752 in Vochem gebaut hatte. Seit Aufhebung der Zehntpflicht - am 20. Fri. VI/11. Dezember 1797 - stand diese Scheuer leer. Ein Auswärtiger namens Berchem ersteigerte sie für 885 Fr. Einer der Brühler Gärten des Klosters Benden28 wurde am 10. Thermidor XIII für 275 Fr jemandem zugeschlagen, dessen Name in den Akten nicht zu entziffern ist. Das Haus Nr. 225 - von dem bereits berichtet worden ist, daß es am 15. Fru. XI für 1025 Fr versteigert worden war, der Ersteigerer aber dann zurücktrat - wurde am 1. Vd. XIV nochmals ausgeboten29 und von dem Aachener Canonicus Chr. Th. Heucken für 365 Fr ersteigert. Schwierigkeiten ergaben sich bei der Veräußerung des Klosters Benden, bei dem das Klostergebäude und die Kirche für die Interessenten nur Zugaben waren zu dem Gutsbetrieb, der immerhin 48 ha Land umfaßte. - Am 10. Thermidor XIII wurde das Kloster erstmals ausgeboten30; das Mindestgebot betrug 58 000 Fr, abgeleitet aus einem Jahresertrag von 3020 Fr; zu diesem Preis fand sich kein Käufer. Als aber der alte Pachtvertrag Ende 1805 ausgelaufen war, wurde er von dem Pächter M. Huppertz nur mit einer Pacht von 1000 Fr jährlich erneuert. Daraus ergab sich ein Mindestgebot von 20 000 Fr, zu dem das Kloster am 5. März 1806 nochmals ausgeboten wurde31. Den Zuschlag erhielt nun für 31 400 Fr ein Kölner Spekulant namens Everhard Henner. Am 25. Juli 1806 wurden 22,33 ha Land am Spickenbusch32, Mindestgebot 7150 Fr, für 11 000 Fr von der Lütticher Maklerfirma Minette & Defay ersteigert. Am selben Tage ersteigerte E. Henner den Hausschenkenhof in Brühl33, Mindestge­ bot 5600 Fr, für 11 000 Fr namens des Pächters dieses Hofs Tilmann Wiskirchen. Am 25. Oktober 1806 begann dann die Domänendirektion mit der Veräußerung der sogenannten Schloßländerei, also des oben in Abschn. III als Nr. 13 bis Nr. 86 aufgezählten vormals kurfürstlichen Streubesitzes ohne Hofstelle, und einiger Grund­ stücke, die dem Kloster Benden gehört hatten34. Als Interessenten für diese Äcker und Wiesen kamen letztlich nur deren bisherige Pächter in Betracht. Diese waren aber durchweg vermögenslose Kleinbauern und Tagelöhner, die den jeweils geforderten Mindestkaufpreis nicht aufbringen konnten. So ging nur ein einziges der ausgebote­ nen Objekte (Nr. 19) an einen Brühler, den Gastwirt Joh. Peter Müller, der sehr rührig auch mit Immobilien spekulierte. Die Objekte Nr. 16, 17, 22—24, 27 und 102 wurden von auswärtigen Maklern ersteigert; wann und zu welchen Preisen diese die 321

Objekte später weiterveräußert haben, ließ sich bisher nicht aufklären. Ein Makler ersteigerte auch die Objekte Nr. 105, 106 und 107; er ließ aber seine Rechte verfallen, vermutlich deshalb, weil er keine Abnehmer für diese Objekte fand. Am selben Tage wurden auch die drei Brühler Mühlen versteigert, die noch nicht - wie beispielsweise die beiden Stadtmühlen - Privatleuten gehörten. Diese Mühlen waren schon am 25. Thermidor XIII versteigert worden. Aus nicht mehr aufklärbaren Gründen war aber damals den Meistbietenden der Zuschlag versagt worden, so daß sie am 25. Oktober 1806 nochmals ausgeboten wurden: Die Pantaleonsmühle35, die ihr Pächter J. Ippen für 16 200 Fr ersteigert hatte, wurde jetzt für 10 800 Fr dem Makler Minette zugeschlagen, der im Aufträge des Brühler Bürgermeisters F. J. Zaaren handelte. Die Bender Theismühle36, die der Aachener Makler Cremers für 15 100 Fr erstei­ gert hatte, wurde jetzt für 8000 Fr dem Makler E. Henner zugeschlagen, der für Henrich Osten, den bisherigen Pächter, handelte. Die Bender Klostermühle37, die ihr Pächter Peter Osten für 3025 Fr ersteigert hatte, wurde jetzt für 5525 Fr ebenfalls dem Makler E. Henner zugeschlagen, der für Peter Ostens Schwager Theodor Mainzer, Köln, handelte. So blieben von den auf die Liste der Serie II gesetzten Objekten aus dem Brühler Raum nur noch zwei übrig. Sie wurden am 25. Mai 1808 versteigert38: Den Lindforst, Mindestgebot 1250 Fr, ersteigerte für 3225 Fr der Makler Theissen für Carl Reinhard39; und den Hasenbusch, Mindestgebot 150 Fr, ersteigerte für 155 Fr der Makler Lefebre für den Kaufmann J. Boismard, Köln. IX. Wie bereits oben zu V. erwähnt, wurden die Dotationen, die der Ehrenlegion zunächst in Gestalt von rentierlichen Liegenschaften gewährt worden waren, aufgrund des Gesetzes vom 11. PI. XIII/31. Januar 1805 größtenteils gegen 5%ige Obligationen der Staatlichen Tilgungskasse ausgewechselt. Dadurch erhielt die Tilgungskasse im RoerDepartement die Verfügungsmacht über Hunderte41 von großen Gutshöfen, mit deren Veräußerung sie - als Serie III der Versteigerungen42 - am 20. Januar 1807 begann. Dieses Massenangebot von großen, teuren Objekten überforderte den Grund­ stücksmarkt, insbesondere die Kaufkraft der Brühler. Die Objekte, die im Brühler Raum im Zuge der Serie III versteigert wurden, gingen fast alle an auswärtige Speku­ lanten. Zum 20. März 180743 bot die Domänendirektion aus dem Kanton Brühl erstmals 7 große Höfe aus, die zur Dotation der Ehrenlegion gehört hatten. Für zwei dieser Höfe, den Burghof Brühl und den vormals kurfürstlichen Hof Palmersdorf, wurde die Ausbietung wieder zurückgenommen, da sie mittlerweile der Dotation der 4. Kohorte der Ehrenlegion zugewiesen worden waren. So wurden am 20. März 1807 folgende Brühler Höfe versteigert: Der Siemershof, Mindestgebot 16 000 Fr. Er ging für 30 300 Fr über den Makler 322

H. J. Weyer an die Kölner Firma Boismard & Hollinger; genauer, wie sich später herausstellte, an deren Teilhaber J. Boismard. Der Burbacher Hof, Mindestgebot 18 000 Fr. Er ging für 40 100 Fr über den Makler Matthias Müller an den Steuereinnehmer Wilhelm Boisseree, Köln. Der Abtshof Badorf, Mindestgebot 11 200 Fr. Er ging für 25 200 Fr über den Makler Minette an P. J. Klein, Köln, und P. J. Decker, Badorf44. Der Kempishof, Mindestgebot 16 850 Fr. Er ging für 25 300 Fr an Carl Scholl, Köln. Der Rodderhof, Mindestgebot 13 120 Fr. Er ging für 18 100 Fr je zur Hälfte an Theodor Mauel und Johann Schmitz, beide Ackerer in Ober-Büllesheim45. Am 20. Mai 1807 wurden dann versteigert46: Der Bödinger Hof in Brühl, Mindestgebot 14 500 Fr. Er ging für 26 800 Fr über den Makler Reinhart an Carl Scholl, Köln. Der Pantaleonshof in Geildorf, Mindestgebot 20 000 Fr. Er ging für 29 800 Fr an den Makler Chr. Renner, Köln. Der Janshof in Brühl, Mindestgebot 24 000 Fr. Er ging für 37 100 Fr über den Makler Warmich je zur Hälfte an F. J. Zaaren und J. P. Müller, beide in Brühl. Der Severinshof in Geildorf, Mindestgebot 25 000 Fr. Er ging für 46 000 Fr an P. J. Kley, Köln44. Am 20. Juni 180747 wurde der Karthäuserhof in Kierberg für 5700 Fr ausgeboten. Er wurde für 6050 Fr durch den Makler Schüller, Lechenich, für den Ackerer Joh. Peter Hennes, Ahrem, ersteigert. Als letztes Objekt der Serie III wurden schließlich am 6. August 181048 8,20 ha Bender Land in Kierberg, Mindestgebot 3600 Fr, für 4400 Fr von E. Henner erstei­ gert. Dieses Objekt war bereits am 25. Juni 1807 mit einem Mindestgebot von 4500 Fr ausgeboten worden, hatte aber damals für diesen Preis keinen Käufer gefunden. X. Nachdem die meisten der in der Serie III ausgebotenen Höfe versteigert worden waren —das letzte Objekt dieser Serie wurde allerdings erst am 19. Juni 1813 an den Mann gebracht -, lief am 25. September 1807 die Serie IV49 an. In dieser Serie sollten anscheinend sämtliche nicht in irgendwelchen Dotationsfonds gebundenen Objekte abgestoßen werden. Im Brühler Raum waren dies vor allem die Teilstücke der Schloßländerei, deren Versteigerung schon am 25. Oktober 1806 begonnen hatte, dann aber durch das Anlaufen der Serie III unterbrochen worden war. Hinsichtlich dieser Objekte war die Marktlage schwierig. Fast alle Pächter waren zu arm, den Kaufpreis für ihr Pachtland aufzubringen. Für Spekulanten andererseits waren diese Objekte reizlos, da als Letzt­ erwerber fast überall nur die bisherigen Pächter in Betracht kamen. Auch hatten die Spekulanten offenbar all ihr verfügbares Kapital zum Erwerb der in der Serie III versteigerten großen Höfe eingesetzt. So begann die Serie IV für die Domänendirektion mit einer Enttäuschung. Im ersten Termin - am 25. September 180750 - wurden 7 Brühler Objekte ausgeboten. 323

Nur ein einziges - das Bender Bohlengut51 - fand einen Käufer. Die anderen 6 Objekte blieben ohne Gebot. Ähnlich liefen die Dinge im zweiten Brühler Termin am 16. November 180752: Von 12 ausgebotenen Brühler Objekten blieben 7 ohne Gebot. Noch enttäuschender verlief derTermin vom 11. März 180853: In dem vorbereiteten Versteigerungsprotokoll vermerkte der Sekretär, daß sich zu diesem Termin niemand eingefunden habe. Das veranlaßte die Domänendirektion, die Mindestgebote mehrmals herabzuset­ zen. Hier ist kein Raum, auf die einzelnen Herabsetzungsverfügungen und deren Begründungen näher einzugehen. Zwei Beispiele mögen für viele stehen: Das Objekt Nr. 53 - 1,12 ha Ackerland in Badorf, verpachtet an Johann Wild - war am 25. September 1807 für 2656 Fr ausgeboten worden; kein Gebot. Am 11. März 1808 wurde es nochmals für 2125 Fr ausgeboten; kein Gebot. Dann wurde es für 1700 Fr ausgeboten; kein Gebot. Schließlich wurde es am 21. Dezember 1812 für 1435 Fr ausgeboten und für 1825 Fr von J. Gottlob, Badorf, ersteigert54. Das Objekt Nr. 75 - 1,38 ha Ackerland in Schwadorf, verpachtet an Th. Harzenbusch - war am 5. April 1808 für 1280 Fr ausgeboten worden; kein Gebot. Dann wurde es für 1024 Fr ausgeboten; kein Gebot. Am 20. Januar 1812 nochmals ausgebo­ ten; kein Gebot. Am 10. Dezember 1812 schließlich für 740 Fr ausgeboten, wurde es für 1000 Fr von dem Lütticher Makler Defay ersteigert55. An diesen beiden Objekten zeigt sich, daß die bei den Versteigerungen gebotenen Preise so sehr von persönlichen Erwägungen bestimmt wurden, daß es sinnlos ist, fiktive Durchschnittspreise zu bilden. In beiden Fällen konnten die übrigen Acker­ pächter mangels Geld nicht mithalten. J. Gottlob ersteigerte das Objekt Nr. 53 offen­ sichtlich zur Erweiterung der Klüttengrube, die er 1807 auf dem Nachbargrundstück angelegt hatte. Das Objekt Nr. 75 andererseits konnte nur als Acker genutzt werden; der erfahrene Makler Defay meinte aber wohl, daß er die 1,38 ha gutes Ackerland mit Gewinn werde abstoßen können, wenn nur erst einmal die durch das Überangebot verursachte Baisse der Grundstückspreise überwunden sei. Die Termine vom 10. und 21. Dezember 1812, bei denen die vierte Herabsetzung der Mindestgebote wirksam wurde, gestalteten sich zu einem großen „Räumungsver­ kauf“. Alle ausgebotenen Brühler Objekte wurden abgesetzt. Mit einer einzigen Ausnahme: der vormals kurfürstlichen Badorfer Turffgrube10. XI. Obwohl die Serie IV der Versteigerungen zunächst nur so geringen Erfolg hatte, bot die Domänendirektion, die immer stärker unter Verkaufsdruck kam, alsbald noch drei weitere Serien an: Am 5. Januar 180956 lief aufgrund der „Cession du 10 nov. 1808“ die Serie V an. In dieser Serie wurde als einziges Brühler Objekt 40 ar Ödland am Judenbüchel - der vormaligen Wasen - versteigert, eine Bagatelle, die man offenbar vorher vergessen hatte. Dieses Objekt, Mindestgebot 320 Fr, ging für 360 Fr an den Makler Brammertz57. Am 5. Dezember 1809 lief die Serie VI58 an, welche die Objekte enthielt, die der 324

4. Kohorte der Ehrenlegion als Dotation zugewiesen worden waren. Am 5. Oktober 1810 wurden versteigert59: Der Burghof Brühl, Mindestgebot 46 896 Fr. Er ging für 64 000 Fr je zur Hälfte an J. J. Neuß, Broich bei Eschweiler, und J. P. Weyers, Neusen bei Broich60. Der vormals kurfürstliche Hof Palmersdorf, Mindestgebot 27 809 Fr. Er ging für 46 000 Fr an J. Boismard, Köln. Am 10. Januar 1810 schließlich lief die Serie VII61 an, die letzte Serie der Versteige­ rungen von Staatsländereien. Auf den Affichen wird sie bezeichnet als „Verkauf von Gütern, welche von der Kompagnie Vanlerbergh herkommen und durch ein Kayserliches Dekret vom 4. Märtz 1808 der Großen Armee übertragen worden (waren)“62. Sie enthielt nur drei Brühler Objekte, die am 30. Juni 1812 versteigert wurden63. „Zwey Stücke Ackerland enthaltend zusammen 1 Hektar 22 Aren, gelegen zu Brühl, herkommend vom Kloster zu Benden, verpachtet an Heinrich Hommerich, laut eines den 22. Feburar 1813 für die 3 ersten Jahre auslaufenden Pachts, für 36 Franken. Ausgesetzt zu 720 Franken.“ Dieses Objekt ersteigerte für 910 Fr Henrich Schmitz, Kierberg. „Zwey andere Stücke Ackerland enthaltend zusammen 2 Hektaren 40 Aren, nämli­ cher Lage und Herkunft, verpachtet an Joseph Schall, laut Pachts wie gemeldtet, für 62 Franken. Ausgesetzt zu 1240 Franken.“ Dieses Objekt ging für 1550 Fr an den Lütticher Makler Thonon. „Ein Haus samt Hof, einem kleinen Schoppen, Stallung, ein Baumgarten von ungeföhr 20 Aren, und 1 Hektar 93 Aren Bauland an 3 Stücken, nämlicher Lage und Herkunft, verpachtet an Werner Schmitz, zufolge Pachts wie gemeldtet, gegen 80 Franken. Ausgesetzt zu 1600 Franken.“ Dieses Objekt ging für 2125 Fr an den Lechenicher Viehhändler Jacob Cahen. XII. Als die Finanzlage des französischen Kaiserreichs infolge des verlorenen Rußland­ kriegs nahezu hoffnungslos geworden war, wurden durch Gesetz vom 20. März 1813 auch alle nicht unbedingt für öffentliche Zwecke benötigten Gemeindegrundstücke zugunsten der Staatlichen Tilgungskasse enteignet. Diese Grundstücke ließ die Til­ gungskasse ab 30. April 1813 vor den Unterpräfekten versteigern. So wurden am 12. Juni, 11. September und 1. Oktober 1813 vor dem Unterpräfekten in Köln auch zwei Dutzend Brühler Objekte, durchweg Kleingärten, ausgeboten und meist auch versteigert64. Für das Thema dieser Untersuchung sind diese Objekte unwesentlich; diese Versteigerungen werden nur beiläufig erwähnt, um zu zeigen, wie sehr damals infolge der drückenden Finanznot des Staats der Grundstücksmarkt überlastet wurde65. Der letzte Termin der Gemeinde-Serie war auf den 15. Januar 1814 angesetzt worden66. Es ist aber unwahrscheinlich, daß er stattgefunden hat, denn bei Ansetzung dieses Termins hatte die französische Verwaltung offensichtlich nicht vorausgesehen, was sich dann am 14. Januar 1814 ereignete. 325

XIII. In der Silvesternacht 1813/14 hatte eine von Marschall Blücher geführte preußisch-rus­ sische Armee im Zuge der Verfolgung der französischen Truppen den Rheinübergang bei Kaub erzwungen. Einige Tage später überschritten preußisch-russische Truppen auch den Niederrhein. Daraufhin brach die französische Verwaltung in den rheini­ schen Departements zusammen. In einer „Blitzaktion“, auf die anscheinend niemand vorbereitet war, wurden am 14. Januar 1814 alle französischen Beamten nach Inner­ frankreich evakuiert. Die Dramatik der Nacht vom 13. zum 14. Januar 1814 lassen zwei an den damaligen Bürgermeister Zaaren gerichtete Briefe erahnen, die im Stadtarchiv Brühl liegen67: „Wesseling, den 14. Januar 1814, ein Uhr morgens. Wollen Sie bitte, Herr Bürgermeister, so gefällig sein, den in Brühl stationierten Steuerbeamten, Gendarmen und Zollbeamten mitteilen, daß die Truppen die Rhein­ linie räumen und daß sie sich heute den 14. um 7 Uhr (zum Abtransport) am Kölntor einfinden sollen. Ich habe die Ehre, Sie hochachtungsvoll zu grüßen, Rougeot, Major“ „Brühl, den 14. Jan. 1814, vier Uhr morgens. Herr Bürgermeister! Die Umstände zwingen mich abzureisen, da nach dem Schreiben des Herrn Majors von Wesseling, das Sie mir mitgeteilt haben, die Rheinlinie geräumt wird. Ich über­ gebe die Akten, Dokumente und Register, die mir anvertraut sind, in Ihre Obhut und Verantwortung, und ich bin sicher, daß Sie Verständnis für diesen meinen Brief haben werden. Diese unglückliche Lage verschafft mit die Ehre, Ihnen meine Familie anzuvertrauen; sie verdient, wie Sie wissen, daß man sich ihrer annimmt. Ich habe die Ehre, Sie zu grüßen, Mallarme, Domänenempfänger Nach Mallarmes Flucht führte Bürgermeister Zaaren zunächst die Geschäfte des Domänenempfängers weiter, bis der preußische Generalgouverneur für den Niederund Mittelrhein, Geh. Staatsrat Sack, Joh. Jakob Lützeier als Rentmeister für die Kantone Brühl und Lechenich einsetzte. Diesem übergab Zaaren am 20. Juni 1814 alle Akten des Domänenbüros Brühl68: 20 Register und Konvolute, in denen sich laut des Übergabeprotokolls zahlreiche für die Brühler Geschichte wichtige Dokumente befanden. Am 17. Februar 1818 übernahm dann Domänen-Rentmeister Pütter die Rentei Brühl69. Während seiner Amtszeit wurden anscheinend alle im Brühler Raum gelege­ nen Staatsländereien, die nicht Forsten oder Zubehör des Schlosses Augustusburg waren, an Privatleute veräußert. Zum 1. Juli 1822 wurde die Rentei Brühl aufgelöst70. Ihre laufenden Akten wurden größtenteils von der Rentei Köln übernommen. Wo die vorerwähnten Dokumente abgelegt worden sind, konnte bisher nicht ermittelt werden. 326

XIY. In Altpreußen gab es von jeher viele Staatsdomänen; die königlich-preußischen Domänenpächter bildeten einen ähnlich selbstbewußten Stand wie die Halfen im Rheinland. Trotzdem übernahm die preußische Verwaltung für ihre neuen rheinischen Provinzen die französische Maxime, alle nicht für öffentliche Zwecke benötigten Staatsländereien an Privatleute zu veräußern. Als erstes Objekt aus dem Brühler Raum wurde der Weyerhof in Schwadorf veräußert, und zwar freihändig: Am 26. Februar 1818 verkaufte der Oberpräsident an die Herren Abraham Schaaffhausen und Friedrich Herstatt von der Leyen, Banquiers zu Köln, 48 Höfe zu einem Gesamtkaufpreis von 2,28 Millionen Franken71. Nr. 38 dieser Liste war „Der Weyer-Hof zu Schwadorf, enthaltend 180 Morgen Länderey, herkommend vom Stifte zu St. Cunibert zu Cöln und verpachtet laut Contract vom 15. August 1811 vor Notar Zaaren für die Zeit vom 22. Februar 1812 bis 1821 an Peter Kautz zu Schwadorf für die jährliche Pacht-Summe von 1400 frs = 367 Th 12 Sgr.“ Von dem Gesamtkaufpreis entfielen 51 520 Fr auf diesen Hof. Alle anderen Ländereien wurden öffentlich versteigert. Deshalb findet man im Amtsblatt der Regierung Köln ab 1817 zahlreiche Versteigerungs-Ankündigungen. Zum 15. Juli 1818 wurde ausgeboten72: „Ein Stück Ackerland, 7 Morgen 75 Ruthen groß, in Brühl, herkommend von dem Kloster Benden und verpachtet an Joseph Schall.“ Der Brühler Viehhändler Servatius Kaufmann (vormals Voos Cahn) erstei­ gerte dieses Objekt für 610 Rth. Am 20. Oktober 1819 folgten73: Nr. 1 „16 Morgen 130 Magdeburger Ruthen Garten, gelegen zu Brühl, herkom­ mend vom ehemaligen Teutschen Orden (richtig: Johanniter)“. Über dieses Objekt wird im Anhang „Commandeursgärten“ berichtet. Nr. 4 „24 Morgen Magdeb. Ruthen Land, gelegen zu Brühl, herkommend von dem Stifte St. Aposteln“. Dieses Objekt ersteigerte J. Boismard für 3810 Rth. Nr. 5 „64 Morgen 128 Ruthen Land, gelegen zu Brühl, herkommend vom Stifte St. Cunibert“. Dieses Objekt ersteigerte der bisherige Pächter J. P. Müller für 6010 Rth. Nr. 6 „17 Morgen 76 Ruthen Land, gelegen daselbst, verpachtet an Joh. Peter Müller in Brühl“ (vormals St. Mauritius). Nr. 7 „168 Magdeb. Ruthen Land, gelegen daselbst, herkommend vom ehemaligen Churfürsten, verpachtet an Jacob Wichartz in Brühl“ (am Judenbüchel). Nr. 22 „4 Morgen 155 Magdeb. Ruthen Land, gelegen zu Schwadorf, herrührend vom Churfürsten, verpachtet an Hrn. Brodesser in Schwadorf“. Dieses Objekt ging für 225 Rth an J. Boismard. Nr. 23 „8 Morgen 114 Magdeb. Ruthen, gelegen zu Schwadorf, herrührend vom Churfürsten, verpachtet an H. Bender und Consorten“. Nr. 24 „112 Magedb. Ruthen Land, gelegen zu Schwadorf, verpachtet an Wittib Hagen in Schwadorf“. Dieses Objekt ging für 490 Fr an J. Boismard. Nr. 26 „2 Morgen 95 Magdeb. Ruthen Land, gelegen zu Schwadorf, herrührend vom Churfürsten, verpachtet an Peter Cremer in Schwadorf“. 327

Die in dem Termin vom 20. Oktober 1819 versteigerten Objekte sind die letzten, die in dieser Untersuchung erfaßt worden sind. Auch später noch hat die Rentei Köln zahlreiche Brühler Parzellen zur Versteigerung ausgeboten. Dabei handelte es sich aber anscheinend durchweg um Gartenland an der Comesstraße und der Rheinstraße, das vordem Zubehör des Schlosses Augustusburg war und für das Thema dieser Untersuchung unwesentlich ist74. Deshalb wird die „Schlußbilanz“ der „Großen Bodenreform im Brühler Raum“ auf den 20. Oktober 1819 erstellt. XV. Wie bereits in Abschnitt VI. berichtet, wurde jedes Objekt vor der Versteigerung durch einen Sachverständigen besichtigt75 und in einer Expertise beschrieben. Diese Beschreibungen liefern interessante Aufschlüsse über den damaligen Zustand der kurfürstlichen und geistlichen Höfe, die jahrhundertelang die Wirtschaftsstruktur des Brühler Raums geprägt hatten. Deshalb wird ihr wesentlicher Inhalt nachstehend wiedergegeben7ft. Die Ländereien sind in den Expertisen meist ausführlich, mit vielen Flurnamen, beschrieben; zur Raumersparnis wird hier nur ihre Gesamtgröße und ihre - betriebswirtschaftlich interessante - Stückelung angegeben. Die vordem zu den Höfen gehörenden Waldungen werden in den Expertisen nicht erwähnt, da sie nicht mit versteigert wurden. Die Nummernfolge entspricht der in den Abschnitten III. und IV. angegebenen Numerierung der Versteigerungsobjekte. Nr. 11 Burghof77 Ein Wohnhaus, das zur einen Seite an das Haus Nr. 42 des Herrn Zaaren grenzt und zur anderen Seite die Ecke einer öffentlichen Straße bildet. Es enthält im Erdgeschoß eine große gepflasterte Küche sowie ein großes, zwei mittelgroße und zwei kleine Zimmer; darunter zwei gewölbte Keller, einen mittelgroßen und einen kleinen; im Obergeschoß drei mittelgroße und acht kleine Zimmer; darüber ein großer Speicher, neben dem sich noch ein kleiner Abstellplatz befindet. Das Haus ist ein schieferge­ deckter Ziegelbau. Dazu ein Hof, Wirtschaftsgebäude (nicht näher beschrieben), etwa 50,64 ar Garten, 4,72 ha Wiesen in 3 Stücken und 62 ha Ackerland in 6 Stücken. Nr. 12 Kurfürstl. Palmersdorfer Hof78 Der Hof ist von einem Garten umgeben. Das Wohnhaus enthält im Erdgeschoß eine mittelgroße gepflasterte Küche, drei mittelgroße und zwei kleine Zimmer, zwei kleine gepflasterte Flure und einen Abtritt; darunter zwei kleine gewölbte Keller; im Ober­ geschoß sechs große und sechs kleine Zimmer; darüber einen großen Speicher. Schiefergedeckter Ziegelbau. Dazu ein Hof mit (nicht näher beschriebenen) Wirt­ schaftsgebäuden, etwa 77,64 ar Gemüse- und Baumgärten, 30 ar Wiesen sowie 52 ha Ackerland in 12 Stücken. Nr. 93 Kloster Benden79 Das Kloster Benden mit Gebäuden, Kirche, 1 ha Garten, 3 ha Wiesen, 47 ar Weide­ land, 43,35 ha Ackerland und eine Obstplantage mit 60 Bäumen. 328

Nr. 94 Rodderhof80 Einstöckiges Wohnhaus mit Küche, nicht gewölbtem Keller und drei Zimmern; darüber ein Speicher. Hof, Scheune, Pferde- und Kuhstall, Schweinekoben („toit ä porcs“), Scheuer, Wagenschuppen. Alle Bauten strohgedecktes Lehmfachwerk, Hof­ stelle 800 qm groß, südlich begrenzt durch den Wald. 64 ar Gartenland und 38,40 ha Ackerland in 5 Stücken. Nr. 110 Cäcilianerhof Palmersdorf81 Das Wohnhaus enthält einen gewölbten Keller, im Erdgeschoß eine Küche und vier Zimmer, im Obergeschoß drei Zimmer und darüber einen Speicher. Hof, Scheune, Pferdestall, Kuhstall, zwei Schweinekoben, Schuppen, Backofen. Alles ist aus Holz und Lehm gebaut und mit Stroh gedeckt. Dazu 96 ar Gartenland und 59,52 ha Ackerland in 7 Stücken. Nr. 114 Fronhof Vochem82 Das Wohnhaus enthält im Erdgeschoß 4 Zimmer und eine Küche, im Obergeschoß 5 Zimmer; darüber einen Speicher, Backhaus, Schmiedewerkstatt, Stall für 7 Pferde, Stall für 22 Kühe; über den Ställen je einen Speicher, eine Scheune sowie unter dem Hauptgebäude einen Keller. Dazu 63 ar Gartenland und 80,84 ha Ackerland in 13 Stücken. Nr. 116 Weyerhof83 Lehmfachwerkbau, teils mit Ziegeln, teils mit Stroh gedeckt. Die Hofstelle mit Gärten und dem den Hof umgebenden Weiher ist 1,9 ha groß. Dazu 55 ha Ackerland. Nr. 118 Severinshof Geildorf84 Das Wohnhaus enthält im Erdgeschoß eine Küche und vier Zimmer, im Obergeschoß fünf Zimmer; darüber einen Speicher. Gewölbter Keller, Backhaus, Hof, Scheune, Pferdestall, Kuhstall, Schweinekoben. Alles Lehmfachwerkbauten, teils mit Ziegeln, teils mit Stroh gedeckt. Dazu 46,88 ha Äcker und Wiesen in 30 Stücken. Nr. 120 Burbacher Hof85 Das Wohnhaus enthält im Erdgeschoß eine Küche, einen gewölbten Keller und 4 Zimmer, im Obergeschoß 3 Zimmer; darüber einen Speicher. Hof, Scheune, Pferde­ stall, zwei Kuhställe, Wagenschuppen, Backofen etc. Das Wohnhaus ist aus Ziegelstei­ nen gebaut und mit Ziegeln gedeckt, ebenso ein Teil des Pferdestalls; alles andere ist Lehmfachwerk, strohgedeckt und in sehr schlechtem Zustand. Die Hofstelle ist etwa 1600 qm groß. Dazu 16 ar Gartenland und 50,88 ha Ackerland in 48 (weit verstreuten) Stücken. Nr. 121 Hausschenkenhof86 Das Wohnhaus enthält im Erdgeschoß eine Küche und 2 Zimmer, im Obergeschoß 2 Zimmer; darüber einen Speicher. Hof, Scheune, Pferdestall, Kuhstall, Schweinekoben. Strohgedeckte Lehmfachwerkbauten, sehr alt und baufällig. Die Hofstelle mit kleinem Garten ist etwa 6 ar groß. Dazu 11,20 ha Ackerland in 22 (!) Stücken. 329

Nr. 124 Janshof87 Das Wohnhaus enthält im Erdgeschoß Keller, Küche und 4 Zimmer, im Obergeschoß 5 Zimmer; darüber einen Speicher. Hof, Backhaus, zwei Pferdeställe, ein Kuhstall, drei Schweinekoben, Scheune, Wagenschuppen. Alles Lehmfachwerk, strohgedeckt. Dazu 40,24 ha Ackerland in 32 Stücken. Nr. 125 Bödinger Hof88 Das Wohnhaus enthält einen nicht gewölbten Keller, im Erdgeschoß eine Küche und 5 Zimmer, im Obergeschoß 5 Zimmer; darüber einen Speicher. Hof, Backhaus, Pfer­ destall, zwei Kuhställe, drei Schweinekoben, Scheune, Wagenschuppen. Alles Lehm­ fachwerk, strohgedeckt. Dazu 37,68 ha Ackerland in 42 Stücken. Nr. 126 Karthäuserhof Kierberg89 Wohnhaus in sehr schlechtem Bauzustand. Im Erdgeschoß ein Keller, eine Küche und 3 Zimmer; darüber ein Speicher. Hof, Pferdestall, Kuhstall, Schweinekoben, Scheune. Alles strohgedeckte Lehmfachwerkbauten. Hofstelle und Garten je etwa 800 qm groß. Dazu 17,60 ha Ackerland in 4 Stücken. Nr. 127 Abtshof Badorf90 Das Wohnhaus enthält im Erdgeschoß eine Küche, einen gewölbten Keller und 4 Zimmer, im Obergeschoß 4 Zimmer und darüber einen Speicher. Hof, Scheune, Pferdestall, Kuhstall, Schweinekoben, Wagenschuppen und Kelter. Strohgedeckte Lehmfachwerkbauten. Hofstelle und Garten sind je 24 ar groß. Dazu 1,52 ha Wingert in 3 Stücken, 1,28 ha Wiesen und 36,40 ha Ackerland in 8 Stücken. Nr. 128 Pantaleonshof Geildorf91 Das Wohnhaus enthält zwei Kellerräume, im Erdgeschoß eine Küche und 5 Zimmer, darüber einen Speicher. Backhaus, Hof, Stall für 5 Pferde, Stall für 20 Kühe, Schwei­ nekoben, Scheune. Strohgedeckte Lehmfachwerkbauten; nur die Scheune ist mit Ziegeln gedeckt. Alle Bauten sind in schlechtem Zustand. Dazu 35,48 ha Ackerland in 16 Stücken und 88 ar Wingert in 7 Stücken. Nr. 131 Kempishof92 Das Wohnhaus enthält im Erdgeschoß eine Küche, einen gewölbten Keller, 2 Kamin­ stuben (?, „poeles“), im Obergeschoß 4 Zimmer; darüber einen Speicher. Scheune, Stall für 4 Pferde, Stall für 16 Kühe, Holzschuppen, Schweinekoben, Ölmühle mit Pferdegöpel (erst vor 2 Jahren vom Pächter eingerichtet). Alles Ziegelfachwerk, mit Ziegeln gedeckt. Die Hofstelle ist 720 qm, der Garten 800 qm groß. Dazu 32,60 ha Ackerland in 16 Stücken. Außer diesen vormals kurfürstlichen oder geistlichen Gutshöfen gab es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts noch fünf Gutshöfe in Privatbesitz, von denen - leider! - keine zeitgenössischen Beschreibungen überliefert sind: 330

a) den Brassartshof am Steinweg. Er gehörte 1808 einer Erbengemeinschaft De Bors in Mecheln, die ihn bald darauf parzellenweise verkaufte. b) den Daberger Hof. Er gehörte im 17. und 18. Jhd. einer Familienstiftung und wurde anscheinend um das Jahr 1800 von dem damaligen Pächter Adam Bollig angekauft. c) die Schallenburg in Schwadorf. Sie gehörte 1794 noch dem Frhn. C. A. v. Schall, wurde aber von diesem anscheinend bald darauf an den bisherigen Pächter Eber­ hard Spürck verkauft. d) den Struchshof in Schwadorf. Er gehörte 1795 einem Herrn v. Frantz in Köln. Am 23. Oktober 1802 ersteigerte ihn ein Heinrich Herriger aus Rheindorf. e) den Burghof in Vochem. Er gehörte seit 1789 dem Frhn. C. W. v. Harff in Dreiborn/Eifel. Welche Ländereien damals zu diesen Höfen gehörten, ließ sich bisher nicht auf­ klären. XVI. Die Verstaatlichung des vormals geistlichen Grundbesitzes im Jahre 1802 und die 1803 beginnende Überführung der nicht für Öffentliche Zwecke benötigten staatlichen Grundstücke in Privathand war die weitaus größte Vermögensumschichtung, die jemals im Rheinland durchgeführt worden ist. Im Brühler Raum wechselten etwa 80% der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke ihre Eigentümer, und da dieser Raum damals noch rein landwirtschaftlich strukturiert war, wurden durch diese Eigentumsveränderungen althergebrachte Strukturen von Grund auf verändert. In den Abschnitten III. und IV. dieser Untersuchung sind die Objekte, die damals in Privateigentum überführt wurden oder werden sollten, - als „Anfangsbilanz“ einzeln aufgelistet. In den weiteren Abschnitten wurde über die Etappen der Privati­ sierung berichtet. Im folgenden soll nun die „Schlußbilanz“ dieser Maßnahmen erstellt, also gezeigt werden, wer die neuen Eigentümer waren. Diese Schlußbilanz ist wegen der Lückenhaftigkeit der überlieferten Akten ebenso ungenau wie die Anfangsbilanz. Sie kann nur einen groben Überblick vermitteln; statistische Einzeluntersuchungen können daraus nicht abgeleitet werden. Insbesondere läßt sich der Begriff „neuer Eigentümer“ nicht präzise definieren. Ältere Autoren94 haben sich damit begnügt, aus den Versteigerungsprotokollen jeweils die Namen derjenigen herauszuschreiben, die den Zuschlag erhielten. Das ist aber nicht zweckgerecht, weil damit oft nur die Namen von Maklern oder Immobi­ lienhändlern, nicht aber die Namen der „Letzterwerber“ - derer, die kauften, um zu behalten - ermittelt werden. Oft sind Grundstücke von Spekulanten ersteigert worden in der Absicht, sie nicht zu behalten, sondern bei nächster Gelegenheit ganz oder teilweise weiterzuveräußern. Über solche Weiterveräußerungen geben nur - aber dafür ausnahmslos - Notarurkun­ den Auskunft, da alle Grundstückskäufe notariell beurkundet werden mußten. Sämt­ liche Notarurkunden der damaligen Zeit darauf durchzusehen, wäre aber eine Sisy­ phusarbeit95. 331

XVII. Über die Erwerber der in den Listen A und B93 aufgezählten Objekte konnte ermittelt werden: 1) Haus Nr. 11 - Ersteigert am 26. Me. XI/18. Juli 1803 für 3425 frs von dem Domänenverwalter J. B. Rosel96. Dieser bewohnte das Haus, bis er 1811 nach Grünstadt/Rheinpfalz versetzt wurde. Dann vermietete er es; etwa 1817 verkaufte er es. 2) Haus Nr. 28 - Erst, am 30. Fru. XI/17. September 1803 für 1875 frs durch den Aachener Makler Crommen für den Brühler Kaufmann I. G. Seidlitz. Dessen Erben verkauften das Haus am 4. September 1828 an Alexander Fröhlich. 3) Haus Nr. 29 - Dieses Objekt, die vormalige „Hubertusburg“, wurde am 14. Ni. XI/4. Januar 1803 der Senatorie Poitiers zugewiesen. Am 23. Fri. XIV/ 14. Dezember 1805 verkaufte der Senator von Poitiers das Objekt an den Immo­ bilienhändler H. Moynat, Paris. Dieser verkaufte es am 10. Juli 1807 weiter an J. B. Rosel, der es an den Gastwirt P. J. Weisweiler vermietete. Am 13. November 1817 kaufte Weisweiler dann die Hubertusburg und baute sie zu einem Hotel um, das er „Belvedere“ nannte. 4) Haus Nr. 223 - Erst, am 30. Fru. XI/17. September 1803 für 940 frs durch den Aachener Notar Brammertz für den Aachener Kanonikus Chr. Th. Heucken. Am 11. März 1818 verkauften dessen Erben das Haus an den Maurer Johann Giel. 5) Haus Nr. 224 - Erst, am 30. Fru. XI/17. September 1803 für 1300 frs durch den Aachener Notar Dautzenberg für den Kanonikus Heucken. 1824 verkauften dessen Erben an den Mieter Georg Grahn. 6) Haus Nr. 225 —Erst, am 15. Vd. XIV/7. Oktober 1805 für 365 frs durch Notar Brammertz für den Kanonikus Heucken. 1808 verkaufte Heucken an den Brühler Kaufmann Georg Rieß. 7) Haus Nr. 226 - Erst, am 30. Fru. XI/17. September 1803 für 675 frs durch Notar Brammertz für den Kanonikus Heucken. 1808 verkaufte Heucken an den vorma­ ligen Brassartshalfen J. Meuffeler. 8) Schloß Falkenlust - Wie die Hubertusburg wurde Falkenlust der Senatorie Poi­ tiers zugewiesen und dann an Moynat verkauft. Am 29. Juni 1807 verkaufte Moynat das Schloß an L. Clausen, Vochem, und dieser verkaufte es am 22. Oktober 1807 an Carl Reinhard97. 9) Garten am Holzmagazin 10) Garten an der Hubertusburg - Beide Gärten wurden am 30. Vt. XII/21. März 1804 für 1075 frs durch Dautzenberg für J. B. Rosel ersteigert. Dieser verkaufte sie 1817 mit der Hubertusburg an P. J. Weisweiler. 11) Burghof - Erst, am 5. Oktober 1810 für 64 400 frs von J. J. Neuß aus Broich b. Eschweiler und J. P. Weyers aus Neusen, Mairie Broich, je zur Hälfte60. Diese verkaufen den Hof vor dem 19. Februar 1816 an Joh. Wilh. Meuser, Köln, der ihn dann parzelliert. 332

12) Kurf. Palmersdorfer Hof - Erst, am 5. Oktober 1810 für 46 000 frs von dem Kaufmann J. B. Boismard, Köln. 13) 1,28 ha Brühl - Erst, am 3. März 1811 für 1775 frs von dem Stadtmüller Franz Kentenich, Brühl. 14) 0,40 ha Brühl 15) 0,78 ha Brühl - Beide Objekte erst, am 10. November 1806 für 2000 frs von dem Makler H. J. Weyer, Köln. Von diesem kauft sie am 27. November 1807 Carl Reinhard. 16) 3,55 ha Brühl - 1808 vergeblich ausgeboten, aber wohl bald danach versteigert. Versteigerungsprotokoll nicht erhalten. 17) 2,14 ha Brühl —Erst, am 10. November 1806 für 2125 frs durch den Lütticher Makler Minette für Franz Kentenich, Brühl. 18) 0,96 ha Brühl - Erst, am 5. März 1808 für 1200 frs durch Gautier, Aachen, für die Frau des J. B. Rosel. 19) 8,68 ha Brühl - Erst, am 10. November 1806 für 9950 frs durch J. R Müller, Brühl, für Friedrich Knott, Brühl. 20) 1,60 ha Brühl - Erst, am 20. März 1812 für 1950 frs von dem Kaufmann Christian Renner, Köln. 21) 1,92 ha Brühl - Erst, am 10. Februar 1808 für 1475 frs durch den Makler Nelles für B. Boisseree, Köln. Dieser verkauft das Grundstück am 10. Mai 1808 weiter an Carl Reinhard. 22) 0,32 ha Brühl - Erst, am 10. Februar 1808 für 245 frs durch den Makler C. Grein, Köln, für Franz Kentenich, Brühl. 23) 0,64 ha Brühl 24) 1,60 ha Brühl - Beide Objekte erst, am 25. Oktober 1806 für 1950 frs durch den Makler Abraham Jacob für Franz Kentenich, Brühl. 25) 2,58 ha Brühl - Versteigerungsprotokoll nicht aufzufinden. Vielleicht war es das Objekt, das am 15. Juli 1818 für 610 Rth von Servatius Kaufmann, Brühl, erstei­ gert wurde. 26) 0,64 ha Brühl - Erst, am 30. Juni 1808 für 605 frs von J. W. Lohkamp, Köln98. 27) 0,32 ha Brühl - Erst, am 10. November 1806 für 300 frs durch den Makler Abraham Levy, Bergheim, für Franz Kentenich, Brühl. 28) 1,34 ha Badorf - Erst, am 20. März 1811 für 950 frs von J. G. Knott, Brühl. 29) 0,64 ha Badorf - Erst, am 30. Januar 1812 für 640 frs von Chr. Renner. 30) 0,92 ha Badorf —Erst, am 30. Januar 1812 für 795 frs von Chr. Renner. 31) 0,48 ha Badorf - Erst, am 30. Januar 1812 für 420 frs durch Renner für Wilhelm Segschneider, Badorf. 32) 0,64 ha Badorf - Erst, am 30. Januar 1812 für 625 frs durch Renner für J. G. Knott, Brühl. 33) 0,64 ha Badorf - Erst, am 30. Januar 1812 für 825 frs durch Renner für J. G. Knott, Brühl. 34) 0,64 ha Badorf-Erst, am 10. Februar 1808 für 765 frs von Peter Pusacker, Badorf. 333

35) 1,28 ha Badorf- Erst, am 16. November 1807 für 1500 frs durch den Makler J. P. Warmich, Aachen, für F. J. Zaaren, Brühl. 36) 1,28 ha Badorf - Erst, am 16. November 1807 für 1500 frs durch Warmich für J. Schieffer und P. J. Decker, Badorf. 37) 0,64 ha Badorf - Erst, am 30. Januar 1812 für 825 frs von Chr. Renner. 38) 2,26 ha Badorf - Erst, am 30. Januar 1812 für 2600 frs durch Renner für J. G. Knott, Brühl. 39) 0,64 ha Badorf - Erst, am 20. Februar 1812 für 775 frs von Chr. Renner. 40) 0,64 ha Badorf - Erst, am 20. Februar 1812 für 780 frs von Chr. Renner. 41) 0,64 ha Badorf - Erst, am 10. Februar 1812 für 1300 frs von J. B. Flommelsheim, Pingsdorf. 42) 0,64 ha Badorf —Erst, am 20. Februar 1812 für 695 frs von Gerhard Stein, Badorf, dem bisherigen Pächter. 43) 0,64 ha Badorf- Erst, am 10. Februar 1808 für 750 frs von Jacob Gottlob, Badorf. 44) 0,64 ha Badorf —Erst, am 10. Dezember 1812 für 1125 frs von Peter Mager und Johan Stein, Badorf. 45) 0,64 ha Badorf - Erst, am 10. Dezember 1812 für 1225 frs von M. Füssenich, Badorf. 46) 0,64 ha Badorf - Erst, am 10. Februar 1808 für 550 frs durch den Makler C. Menzen, Köln, für Bernhard Boisseree, Köln. 47) 0,64 ha Badorf - Erst, am 10. Dezember 1812 für 1200 frs durch J. Gottlob für Johann Schwerfen, Pingsdorf. 48) 0,64 ha Badorf - Erst, am 16. November 1807 für 700 frs durch Warmich für P. Schieffer, Badorf. 49) 0,64 ha Badorf - Erst, am 20. Februar 1812 für 825 frs von J. G. Knott, Brühl. 50) 0,64 ha Badorf —Erst, am 10. Dezember 1812 für 1050 frs von dem Immobilien­ händler Defay, Lüttich. 51) 1,28 ha Badorf - Erst, am 20. Dezember 1812 für 1525 frs von Chr. Renner. 52) 1,28 ha Badorf - Erst, am 25. März 1811 für 2550 frs von J. G. Knott, Brühl. 53) 1,12 ha Badorf - Erst, am 21. Dezember 1812 für 1050 frs von Defay, Lüttich. 54) 0,64 ha Badorf - Erst, am 20. Februar 1812 für 775 frs von Chr. Renner. 55) 0,64 ha Pingsdorf—Erst, am 30. Juni 1808 für 605 frs von J. W. Lohkamp, Köln. 56) 0,64 ha Pingsdorf —Erst, am 25. März 1811 für 550 frs von J. Gottlob, Badorf. 57) 0,80 ha Pingsdorf-Erst, am 20. Februar 1812 für 990 frs von J. G. Knott, Brühl. 58) 1,24 ha Pingsdorf —Erst, am 10. Dezember 1812 für 1975 frs von J. Gottlob, Badorf. 59) 0,64 ha Pingsdorf - Erst, am 21. Dezember 1812 für 1175 frs von Th. Commer, Pingsdorf. 60) 0,64 ha Pingsdorf - Erst, am 21. Dezember 1812 für 970 frs von Johann Klemmer, bisherigem Pächter. 61) 0,80 ha Pingsdorf - Erst, am 20. Februar 1812 für 980 frs von J. G. Knott, Brühl. 62) 0,64 ha Pingsdorf- Erst, am 21. Februar 1812 für 700 frs von Caspar Grein, Köln. 334

63) 1,92 ha Pingsdorf - Erst, am 20. April 1811 für 1750 frs durch den Makler Coopmann, Aachen, für den Kaufmann I. G. Seidlitz, Brühl. 64) 24 ar Wingert und 4 ar Acker in Pingsdorf - Erst, am 10. Oktober 1808 für 645 frs durch den Maklter Cremer für J. Gottlob, Badorf. 65) 1,28 ha Kierberg - Erst, am 10. Februar 1808 für 1450 frs durch den Makler Nelles für M. Hupertz, Kierberg. 66) 1,28 ha Kierberg - Erst, am 10. Februar 1808 für 1450 frs durch Nelles für M. Hupertz. 67) 0,64 ha Kierberg - Erst, am 10. Februar 1808 für 720 frs durch Nelles für M. Hupertz. 68) 1,28 ha Kierberg - Erst, am 16. November 1807 für 1550 frs durch M. Hupertz für Franz Kentenich, Brühl. 69) 2,08 ha Vochem —Erst, am 21. Dezember 1812 für 4075 frs von H. Meer, Kierberg. 70) 0,64 ha Vochem —Erst, am 30. März 1808 für 840 frs von J. W. Lohkamp, Köln. 71) 0,64 ha Vochem - Erst, am 10. Februar 1808 für 730 frs durch Nelles für B. Boisseree, Köln. 72) 0,96 ha Vochem - Erst, am 30. März 1808 für 1440 frs vonj. W. Lohkamp, Köln. 73) 0,64 ha Vochem —Erst, am 10. Februar 1808 für 725 frs durch Nelles für B. Boisseree. 74) 2,71 ha Schwadorf - Erst, am 21. März 1808 für 2425 frs durch den Makler Fenger, Aachen, für J. Gierlichs, Badorf. 75) 1,38 ha Schwadorf —Erst, am 10. Dezember 1812 für 1000 frs von Defay, Lüttich. 76) 2,34 ha Schwadorf —Erst, am 10. Dezember 1812 für 1800 frs von Defay, Lüttich. 77) 1,81 ha Schwadorf —Erst, am 10. Dezember 1812 für 1325 frs von C. Grein, Köln. 78) 2,00 ha Schwadorf - Erst, am 10. Dezember 1812 für 1575 frs von J. Gottlob, Badorf. 79) 1,05 ha Schwadorf-Erst, am 20. Januar 1812 für 580 frs von J. Cahen, Lechenich. 80) 0,16 ha Schwadorf - Erst, am 10. Dezember 1812 für 160 frs von Defay. 81) 2,24 ha Schwadorf - Erst, am 10. Dezember 1812 für 1575 frs von Defay. 82) 0,72 ha Schwadorf - Versteigert anscheinend erst nach 1819. Versteigerungsproto­ koll noch nicht aufgefunden. 83) 1,24 ha Schwadorf —Erst, am 10. Oktober 1819 für 225 Rth von Boismard. 84) 2,08 ha Schwadorf —Erst, am 20. Oktober 1819 für 490 Rth von Boismard. 85) 0,64 ha Schwadorf -W ie Nr. 82. 86) 2,34 ha Schwadorf - Wie Nr. 82. 87) Falkenlust-Allee - Am 25. April 1809 freihändig für 400 frs an C. Reinhard verkauft". 88) Lindforst - Erst, am 10. Juni 1808 für 3225 frs durch Theissen für C. Reinhard. 89) Hasenbusch - Erst, am 10. Juni 1808 für 155 frs durch Lefebre, Jülich, für J. Boismard. 90) Ödland am Judenbüchel - Erst, am 30. Mai 1810 für 360 frs von Brammertz, Köln. 91) Ödland am Judenbüchel - Wie Nr. 82. 335

92) Turffgrube Badorf —Viermal vergeblich zur Ersteigerung ausgeboten. Anschei­ nend nach 1819 freihändig von Zaaren angekauft993. 93) Kloster Benden - Erst, am 5. März 1806 für 31 400 frs von Everhard Henner, Köln31. 94) Rodderhof - Erst, am 4. April 1807 für 18 100 frs von Th. Mauel und Joh. Schmitz, Ober-Büllesheim, je zur Hälfte45. 95) Theismühle - Erst, am 10. November 1806 für 8000 frs durch Henner für H. Osten. 96) Klostermühle - Erst, am 10. November 1806 für 5525 frs durch Henner für Th. Mainzer, Köln. 97) Vendelsgut - Erst, am 10. Oktober 1807 für 3150 frs durch H. Weisweiler für Xavier Prouvy, Brühl51. 98) Garten Brühl - Wie zu Nr. 82. 99) Garten Brühl-Erst, am 10. März 1812 für 270 frs von Seb. Jos. Schmitz, Brühl. 100) Garten Brühl - Erst, am 30. April 1811 für 265 frs von Anton Krall, dem bisherigen Pächter. 101) 0,56 ha Brühl - Erst, am 20. April 1811 für 875 frs durch Coopmann, Aachen, für J. Zaaren, Brühl. 102) 2,56 ha bei Benden - Erst, am 10. November 1806 für 1700 frs von Minette. Vermutlich später an Henner weiterverkauft. 103) 6,08 ha Kierberg - Erst, am 16. November 1807 für 4900 frs von E. Henner und C. Grein, Köln. 104) 0,96 ha Kierberg - Erst, am 10. März 1812 für 1975 frs von Chr. Herkenrath, Kierberg. 105) 1,28 ha Heide - Erst, am 30. Juni 1812 für 910 frs von H. Schmitz, Brühl. 106) 2,40 ha Heide - Erst, am 30. Juni 1812 für 1550 frs von Thonon, Lüttich. 107) Haus in Heide - Erst, am 30. Juni 1812 für 2125 frs von J. Kahn, Lechenich. 108) 8,20 ha Kierberg - Erst, am 20. August 1810 für 4400 frs von Henner. 109) 1,86 ha Schwadorf —Nicht aufzuklären12. 110) Siemershof - Erst, am 4. April 1807 für 30 300 frs durch Weyer für J. B. Hollinger, Köln, und J. J. Boismard, Köln, je zu 1/2. Am 3. Oktober 1807 verkaufte Hollinger seine Hälfte an Boismard. 111) Pellkaul - Erst, am 30. Fri. XII/27. Dezember 1803 für 6300 frs von J. P. Müller und dem bisherigen Pächter Ferdinand Schmitz, Vochem, je zu Vi. Am 4. Sep­ tember 1808 verkaufte J. P. Müller seine Hälfte in 12 Teilstücken an Vochemer und Fischenicher Kleinbauern. 112) Zehntscheuer - Erst, am 15. Fri. XIII/6. November 1804 für 885 frs durch Henner für J. Berchem, Fischenich. 113) Apostel-Land - Erst, am 20. Oktober 1819 für 3810 Rth von Boismard. 114) Fronhof Vochem - Erst, am 30. Fri. XII/27. Dezember 1803 für 50 400 frs von L. Clausen, Vochem. 115) Spickenbusch - Erst, am 25. Juli 1806 für 11 000 frs von Minette & Defay, Lüttich100. 336

116) Weyerhof - Am 26. Februar 1818 für 21 520 frs an die Bankiers Abr. Schaaffhausen und Friedrich Herstatt, Köln, verkauft. Von diesen vor 1825 an Martin Kautz, Dickopshof, weiterverkauft15. 117) Kuniberter-Land - Erst, am 20. Oktober 1819 für 6010 Rth von J. P. Müller, dem bisherigen Pächter. 118) Severinshof Geildorf — Erst, am 5. Juni 1807 für 46 300 frs von P. J. Kley, President des Hospices de Cologne. 119) 7,30 ha Brühl - Wie Nr. 82. 120) Burbacher Hof - Erst, am 4. April 1807 für 40 100 frs durch M. Müller für Wilhelm Boisseree, Köln. Von diesem und seinem Bruder Bernhard parzelliert. 121) Hausschenkenhof - Erst, am 25. Juli 1806 für 11 000 frs durch Henner für den bisherigen Pächter Tilmann Wiskirchen. 122) Mauritius-Land - Erst, am 11. November 1820 für 2320 Rth von J. Chr. Zehn­ pfennig, Köln101. 123) Nicolai-Land - Erst, am 15. Dezember 1807 für 5625 frs durch J. Gänsen für den bisherigen Pächter J. Weisweiler. 124) Janshof - Erst, am 5. Juni 1807 für 37 000 frs durch Warmich für J. P. Müller zu 1/4 und J. Zaaren zu 3/4. 125) Bödinger Hof —Erst, am 5. Juni 1807 für 26 800 frs durch den Makler Reinhart für Carl Scholl, Köln. Dieser parzelliert den Hof alsbald. 126) Karthäuserhof Kierberg - Erst, am 20. August 1807 für 6050 frs durch Schüller, Lechenich, für J. P. Hennes, Ahrem47. 127) Abtshof Badorf - Erst, am 4. April 1807 für 25 200 frs durch Minette für P. J. Kley, Köln, und den bisherigen Pächter P. J. Decker je zu V244. 128) Michelshof Geildorf - Erst, am 5. Juni 1807 für 29 800 frs von Christian Renner, Köln. 129) 0,72 ha Badorf - Erst, am 21. März 1808 für 830 frs von Jacob und Nikolaus Müller, Badorf. 130) Pantaleonsmühle - Erst, am 10. November 1808 für 10 800 frs durch Minette für J. Zaaren. 131) Kempishof - Erst, am 4. April 1807 für 25 300 frs von Carl Scholl, Köln. Dieser parzelliert den Hof alsbald. 132) Commandeursgärten - Veräußert in 89 Teilstücken am 20. Oktober 1819, vgl. dazu den folgenden Exkurs102. XVIII. Wer waren nun die Letzterwerber dieser Objekte, also diejenigen, die kauften, um zu behalten? Wer diese Frage untersucht, muß sich darüber klar sein, daß es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts noch kein Bodenkreditwesen im heutigen Sinne gab und alle Objekte bar bezahlt werden mußten. Zwar waren die Zahlungsbedingungen sehr günstig103, aber in allen Fällen konnte bei den Versteigerungen nur mitbieten, wer genug bares Geld hatte. 337

Damit schieden die meisten Bewohner des Brühler Raums von vornherein als mögliche Käufer aus. Sie waren vermögenslose Tagelöhner, kleine Handwerker oder Krämer, die ihre geringen Geldeinnahmen für ihren notdürftigen Lebensunterhalt verbrauchten. Es gab keine Gewerbetreibenden oder Kaufleute, die größere Beträge flüssig machen konnten, denn der Brühler Raum war damals noch rein landwirtschaft­ lich strukturiert; die „Turffkaulen“, in denen man damals Braunkohle förderte, waren wirtschaftlich belanglose Kleinstbetriebe. In der Landwirtschaft dominierten die großen Pachthöfe, die von „Halfen“ bewirtschaftet wurden; nur einige wenige Acker­ bürger hatten eigenes Land. Die Lage der Halfen war sehr unterschiedlich: Nur der Vochemer Fronhalfe J. Bollig war schon in kurfürstlicher Zeit so wohlhabend, daß er Geld verleihen konnte. Andererseits ging der Daberger Hälfe W. Fasbender in Konkurs, und der letzte Brassartshalfe starb als Bettler. —Dazu kam, daß die zu Ende der Kurfürstenzeit vorhandenen Barvermögen durch die Kontributionen dezimiert waren und daß in der Folgezeit nur wenige Leute Gelegenheit hatten, neue Vermögen anzusammeln. Infolgedessen wurden von den Objekten, deren Erwerb einen größeren Kapitalein­ satz erforderte, nur ganz wenige von Einheimischen ersteigert. Joh. Georg Bollig, Sohn des 1795 verstorbenen Fronhalfen Johann Bollig, konnte es sich leisten, über seinen Schwager L. Clausen für den Vochemer Fronhof (Nr. 114) 50 400 frs zu zahlen. Auch der Hausschenken-Halfe T. Wiskirchen konnte „seinen“ Hof (Nr. 121) zu Eigentum erwerben; aber nur deshalb, weil die Hofgebäude so verfallen waren, daß sie in der Wertschätzung mit Null angesetzt waren und keinen anderen Bieter anreiz­ ten. P. J. Decker, der Hälfe des Badorfer Abtshofs (Nr. 127), hatte zwar als „marchand de tourbe“ (Klüttenhändler), wie er sich mehrmals bezeichnete, einige Geld-Einnah­ men, konnte aber nur die Hälfte des für den Abtshof zu zahlenden Preises aufbringen. Er ersteigerte den Hof gemeinschaftlich mit P. J. Kley104; auch später war er nicht imstande, die andere Hälfte zu bezahlen; am 23. Juni 1811 trennte er sich von seinem Miteigentümer durch Realteilung44. Der Maire J. Zaaren hatte als Notar größere Bareinnahmen. So konnte er u. a. am 5. Juni 1807 zusammen mit dem Ackerbürger J. P. Müller den Janshof (Nr. 124) ersteigern. Er verpachtete den Hof und verkaufte ihn dann, nachdem er seinen Miteigentümer abgefunden hatte, 1828 an Franz Becker. Alle anderen Großobjekte gingen an Auswärtige. Einige erwarben einen Hof als Dauerkapitalanlage, ließen ihn ungeteilt oder vergrößerten ihn noch. So ersteigerte E. Henner31 das Kloster Benden (Nr. 93) und baute es zu einem Landsitz für sich aus. J. J. Boismard105 kaufte die beiden Palmersdorfer Höfe (Nr. 12 und 110), rundete sie ab und behielt sie als Pachthöfe. Anscheinend erwarb auch der Kölner Immobilien­ händler Chr. Renner den Michelshof in Geildorf (Nr. 128) als Dauerkapitalanlage. Auch die beiden Bauern aus Ober-Büllesheim, Th. Mauel und J. Schmitz, die am 4. April 1807 den Rodderhof (Nr. 94) ersteigerten, ohne zu ihm ersichtliche Bezie­ hungen zu haben, führten ihn als Pachthof weiter. J. P. Ahrem dagegen, der am 20. August 1807 den Kartäuserhof in Kierberg (Nr. 126) ersteigerte, hat diesen 338

anscheinend nur als „Schnäppchen“ gekauft; schon am 3. März 1809 verkaufte er den Hof weiter47. Eine Sonderstellung nimmt C. Reinhard ein, für den sein Freund Sulpiz Boisseree das Schloß Falkenlust (Nr. 8) als Landsitz kaufte. Reinhard rundete diesen Besitz durch die Objekte Nr. 14,16, 21, 87, 88 ab und gliederte ihm durch mehrere notarielle Käufe einen Gutsbetrieb an106. Andererseits betätigten sich mehrere Spekulanten als Güterschlächter: Sie ersteiger­ ten einen großen Hof und verkauften dessen Ländereien alsbald in kleinen Teilstücken weiter. So brauchten sie meist nur die erste Rate des Hof-Kaufpreises als Eigenkapital einzusetzen; die folgenden Raten konnten sie mit den Erlösen aus den mittlerweile verkauften Teilstücken finanzieren. Auf diese Weise zerschlugen die Brüder Bernhard und Wilhelm Boisseree, Köln107, den Burbacher Hof (Nr. 120) und Carl Scholl, Köln, den Bödinger Hof (Nr. 125) und den Kempishof (Nr. 131). Auch der Burghof (Nr. 11) wurde von auswärtigen Spekulanten zerschlagen. Damit wurden diese Höfe, die geschlossen nur von kapitalkräftigen Unternehmern ersteigert werden konnten, in Teile zerlegt, die auch für Leute mit weniger Geld erschwinglich waren. Betrachtet man allerdings die Erwerber solcher Teilstücke, so findet man darunter keine vordem landlose Pächter, sondern nur Ackerbürger, die ihren Besitz abrundeten. Ähnlich lagen die Dinge bei den vormals kurfürstlichen Ländereien ohne Hofstelle (Nr. 13—86), die in Teilstücken —von meist 2 Morgen Größe —so versteigert wurden wie sie vordem verpachtet gewesen waren. Hier hatte nur ein einziger Ackerpächter genug bares Geld, sein vordem gepachtetes Land (Nr. 42) zu Eigentum zu erwerben. Die Badorfer und Pingsdorfer Grundstücke, unter denen Braunkohle anstand, wurden durchweg von Turffgräbern ersteigert, die durch Klüttenverkauf genug bare Einnahmen hatten. J. Zaaren kaufte Objekt Nr. 35, Keimzelle der späteren „Zaarensgrube“, und dazu das Objekt Nr. 101, auf dem er die „Gabjeigrube“ anlegte. J. G. Knott kaufte die Objekte Nr. 28, 32, 33, 38, 49, 57 und 61, die er später in die Grube „Catharinenberg“ einbrachte. J. Gottlob kaufte die Nr. 43, 56 und 58 als Vorratsland für seine „Gottlobsgrube“; die Überschüsse seiner Grube legte er auch anderweitig an (Nr. 78). Turffgräber waren nachweisbar auch P. Pusacker (Nr. 34), J. B. Hom­ melsheim (Nr. 41), J. Stein (Nr. 44), M. Füssenich (Nr. 45) und wahrscheinlich J. Schwerfen (Nr. 47, P. Schieffer (Nr. 48) und Th. Commer (Nr. 59). Der in Schwadorf gelegene Streubesitz war nur landwirtschaftlich nutzbar und deshalb fast unverkäuflich, weil die Pächter nicht genug Geld zum Eigentumserwerb hatten und für Spekulanten Streubesitz ohne Hofstelle uninteressant war. Infolgedes­ sen wurden diese Objekte in dem großen „Räumungs-Ausverkauf“ des Jahres 1812 durchweg von Immobilienhändlern zum —drei Mal herabgesetzten108- Mindestgebot ersteigert. Wann und an wen die Händler diese sehr billig erworbenen Grundstücke weiterverkauft haben, konnte bisher nicht geklärt werden. So hat die „Große Bodenreform“ nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen nur ganz wenigen vordem landlosen Ackerpächtern zu Eigentum verholfen. Wichtig war aber, daß im Brühler Raum alle landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in Privat­ eigentum überführt wurden. Die vordem kurfürstlichen oder geistlichen Höfe waren 339

durchweg verwahrlost109, weil ihre Eigentümer sie nur als höchstpersönliche Renten­ quelle betrachteten und zu ihren Lebzeiten so viel wie möglich herausholten, da sie nicht an Erben zu denken brauchten. Als Eigentum von Privatleuten dagegen, die für ihre Kinder und Kindeskinder sorgten, wurden diese Höfe und Äcker nunmehr unvergleichbar besser bewirtschaftet. XIX. Wer vor fünfzig Jahren die Brühler Heimatforscher nach dem Verlauf der Säkularisa­ tion des geistlichen Grundbesitzes befragte, erhielt die einhellige Antwort: „An jenem Kirchenraub haben sich Protestanten und Juden schamlos bereichert. Kein Katholik hat sich daran beteiligt; der Bischof hatte es ihnen verboten“110. Wenn man sich aber die Mühe macht, die Berge von zeitgenössischen Akten zu diesem Thema durchzuarbeiten, dann erkennt man, daß das eine im späten 19. Jh. frei erfundene Legende ist. In den zeitgenössischen Akten findet man nicht den geringsten Hinweis darauf, daß irgend jemand gegen die Verstaatlichung des Besitzes der 1802 aufgehobenen geistlichen Körperschaften protestiert hat, zumal ja auch Papst Pius VII. diese Säkula­ risation widerspruchslos hinnahm111. Ebensowenig findet man Hinweise darauf, daß irgend jemand religiöse Bedenken hatte, bei den späteren Versteigerungen vormals geistlichen Grundbesitzes mitzubieten. Vielmehr zeigt Abschn. XVII, daß - ausnahmslos112 —alle vormals geistlichen Grundstücke von Katholiken ersteigert worden sind. Aufschlußreich ist, daß der erste, der in Brühl als Spekulant in Erscheinung trat, ein Kanonikus war, der Aachener Stiftsherr Ch. Th. Heucken23; außer den Brühler Häusern hat er auch das Haus Entenfang in Berzdorf, vormals den Pröpsten von St. Gereon gehörig, ersteigert und bald darauf weiterverkauft. Aufschlußreich ist auch, daß der Kölner Kanonikus J. W. Lohkamp98von dem Domänenverwalter J. B. Rosel als „einer der großen Aufkäufer“ gelobt wurde. Die nach 1802 durchgeführte Privatisierung geistlicher Güter hat einige Ähnlichkeit mit der nach 1933 durchgeführten „Arisierung“ der Judenvermögen. Während aber der Verfasser mehrere Fälle kennt, in denen sich die „Arisierer“ jüdischer Unterneh­ men als Treuhänder betrachteten und die Unternehmen nach 1945 mit korrekter Rechnungslegung über die Zwischenzeit den wahren Eigentümern Zurückgaben, kennt er keinen einzigen Fall, in dem ein Katholik, der geistliches Gut ersteigert hatte, dieses später wieder einer geistlichen Institution zuwandte.

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Exkurs Die „Commandeursgärten“

Als um die Mitte des 13. Jh. die Hintersassen des erzbischöflichen Fronhofs Merreche nach Brühl umgesiedelt wurden, erhielt der Vogt von Merreche eine große Hofstelle an der Nordwestecke der damaligen Siedlung sowie umfangreiche sonstige Lehen im Brühler Raum. Im Besitz dieser Vogtsfamilie - die sich nach der Umsiedlung nicht mehr „von Merreche“, sondern nach einem anderen ihrer Lehen, dem Domkapitels­ hof in Hersei, „von Hersei“ nannte - blieb dieser „Herselshof“ über 400 Jahre lang. 1668 verkauften die Hersels, die auch die Vochemer Burg besaßen, ihren Brühler Hof an den kurfürstlichen Amtsverwalter Andreas Kempis, nach dem er dann „Kempishof“ genannt wurde. Im Jahre 1739 schließlich verkaufte eine Enkelin des Andreas Kempis diesen Hof an die Johanniter-Commende St. Johann und Cordula zu Köln, deren Komtur das Herrenhaus bezog, so daß der Hof nunmehr „Commandeurshof“ genannt wurde. Zu diesem Hof gehörte ein verpachteter Gutsbetrieb, der zu Ende der Kurfürsten­ zeit noch rund 33 ha Land umfaßte, sowie 14 Morgen 1 Viertel 3 Pinten Gartenland in drei Stücken, die sogenannten „Commandeursgärten“. Wo diese Gärten lagen, zeigt ein Übersichtsplan, der 1764 bei einer Neuvermessung der Ländereien des Commandeurshofs gezeichnet wurde (Abb. 22). In diesem Plan bezeichnet A die Hofstelle des Commandeurshofs; B „vor der Cöllenpforten“, C „vor der Müll“ (der Unteren Stadtmühle) und D „in der Maar“ (der früheren Gysemaar, die schon seit dem 17. Jh. völlig verlandet war) bezeichnen die Comman­ deursgärten. Schon mindestens seit der Mitte des 18. Jh. waren diese Gärten nicht insgesamt verpachtet, sondern wie Schrebergärten in mehr als 80 Parzellen aufgeteilt, die einzeln verpachtet waren. Was diese Art der Verpachtung für die damalige Sozialstruktur der Stadt Brühl bedeutete, zeigt die im Jahre IX der französischen Zeitrechnung (1801) erstellte Einwohnerliste (Kap. 17). In dieser Liste werden von 253 selbständig Erwerbstätigen 108 als „Tagelöhner“ bezeichnet; und andere Quellen zeigen, daß auch von denen, die in jener Liste als „Handwerker“ bezeichnet wurden, viele nicht von ihrem Handwerk leben konnten. Nun gab es aber im damaligen Brühl - abgese­ hen von vier kleinen Klüttenkaulen - keinen einzigen Gewerbebetrieb, der Tagelöh­ nern Arbeitsplätze bieten konnte, und die Gutshöfe hatten allenfalls zur Saat- und zur Erntezeit Bedarf an Saisonarbeitern. So fragt man sich: Wovon haben eigentlich die vielen „Tagelöhner“ sich und ihre Familien ernährt? - Als einzige Antwort bietet sich die Vermutung an: Nur die intensive Bewirtschaftung von Kleingärten hat diese Leute vor dem Verhungern bewahrt. Ein Blick auf die Pächterlisten der Commandeursgärten vom Jahre 1788 (HAK St. Johann und Cordula Akten 32) bestätigt diese Vermutung: Fast alle Pächter werden in der Einwohnerliste vom Jahre IX als Tagelöhner bezeichnet. 341

Mit Aufhebung der Johanniter-Commende wurden die „Commandeursgärten“ Eigentum der Französischen Republik. Ebenso wie der Kempishof wurden sie im Jahre XII der Dotation der Ehrenlegion zugewiesen, und zwar als besonderer Posten. Dabei unterlief allerdings dem Schreiber der Dotationsliste ein Fehler: Er bezeichnete als vormaligen Eigentümer des Kempishofs und der Gärten nicht die JohanniterCommende, sondern den Deutschen Orden. Dieser Fehler wurde in alle folgenden Akten übernommen und hat alle daraus abgeleiteten Statistiken verfälscht. Anders als der Kempishof wurden die Commandeursgärten nicht aufgrund des kaiserl. Dekrets vom 13. Vt. XIII verkauft. Offenbar befürchtete der ortskundige Domänenverwalter J. B. Rosel - ebenso wie später sein Amtsnachfolger Pütter -, bei einer Versteigerung würden die Gärten in die Hände von Spekulanten geraten, die dann durch willkürliche Pachterhöhungen die Existenzgrundlagen der Pächter gefährden könnten. So wurden die Commandeursgärten schließlich preußische Domänen. Am 1. März 1815 wurden alle Pachtverträge erneuert. Da aber solche Kleinstverpachtungen nicht in das Schema der preußischen Domänenverwaltung paßten, verfügte die Regierung Köln 1819 die Veräußerung der Gärten. Dazu berichtete der Brühler Rentmeister Pütter: „Damit die Gartenländereyen zu Brühl, welche in 89 Loosen getheilt an die Einwohner von Brühl verpachtet sind, bey dem Verkaufe im Ganzen nicht in die Hände von Wucherern gefallen wären, wodurch ein großer Theil der Einwohner Brühls ruinirt seyn würde, so haben wir jedes einzelne Loos nach einer von uns gemachten dem Werthe des Stücks angemeßenen Taxe zum Verkaufe ausgestellt.“ (HStAD Regierung Köln Nr. 4694) Dementsprechend wurden am 20. Oktober 1819 im Brühler Schloß veräußert „10 Morgen 130 Magdeburger Ruthen Garten, gelegen zu Brühl, herkommend vom ehemaligen Teutschen Orden (!). . .“ (Amtsblatt der Regierung Köln 1819, Öff. Anz. Nr. 40), aufgeteilt in 89 Parzellen, von denen die meisten 397 qm, einzelne bis zu 11,91 ar groß waren. Die kleinen Parzellen kosteten durchschnittlich 30 Rth, die größten 75 Rth. Dabei erwies sich aber, daß selbst diese verhältnismäßig niedrigen Preise für die meisten Pächter unerschwinglich waren. Wie das Versteigerungsprotokoll (HStAD Regierung Köln Nr. 4695) zeigt, haben nur wenige Pächter ihren Schrebergarten zu Eigentum übernommen; fast alle Gärten wurden von wohlhabenden Brühler Bürgern - oder sogar von Auswärtigen —erworben. 1 Richard Büttner, Die Säkularisation der Kölner geistlichen Institutionen, Köln 1971. Auf diese ausgezeichnete Abhandlung wird hinsichtlich aller Einzelheiten —Fundstellen, Literatur usw. —, die hier aus Raumgründen nicht gebracht werden können, Bezug genommen. 2 Über die Schicksale des Schlosses Augustusburg und des Franziskanerklosters in der Franzosenzeit wird in Kap. 18 und 20 berichtet. 3 Bei der Suppression (Aufhebung) einer jeden geistlichen Körperschaft erstellten zwei Staatskommissare ein Inventar (Suppressionsetat) der beweglichen und unbeweglichen Habe der betreffenden Körperschaft. Da diese Bestandsaufnahmen nur auf Augenschein und mündlichen Auskünften beruhten, sind sie alle unvollständig; viele Vermögensteile sind dabei verschwiegen worden.

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Die Suppressionsetats des Franziskanerklosters und des Klosters Benden wurden am 17. und 18. Thermidor X durch den Notar F. W. Schmitz und den Domänenempfänger J. B. Rosel erstellt. Sie liegen im HStAD unter der Signatur Roer-Departement Nr. 468. 4 In den Fällen, für die keine Versteigerungsprotokolle überliefert sind, wurde auf die von den Sachbearbeitern der Domänenverwaltung mit Randvermerken versehenen Affichen (Versteigerungs-Ankündigungs-Plakate) zurückgegriffen. Die Fälle, in denen Objekte nicht öffentlich versteigert, sondern von Dotationsinhabern privat verkauft worden sind, werden im Text einzeln besprochen. Über die Verkäufe und Versteigerungen im preußischer Zeit vgl. Abschnitt XIV des Texts. 5 Soweit ersichtlich, ist die Domänen Verwaltung in alle vor Inkrafttreten der Verordnung vom 26. Vt. VI/16. März 1798 abgeschlossene Pachtverträge eingetreten. Wenn ein Pachtvertrag ausgelaufen war, wurde das Objekt öffentlich - vor dem Maire oder dem Unterpräfekten - an den Meistbietenden verpachtet. Dabei ergaben sich manchmal höhere, manchmal aber auch niedrigere Pachten. Beispielsweise stieg die Pacht des Kempishofs, die ursprünglich 460 Fr betrug, bei der Neuverpachtung am 7. PI. X auf 1055 Fr, während der Palmersdorfer Hof, dessen Pacht ursprünglich 1000 Fr betrug, bei der Neuverpachtung am 3. Vd. XIV nur 800 Fr brachte. Bei der Erstvermietung des Schlosses Falkenlust am 24. Fru. VI blieb der Kölner Bankier Abraham Schaafhausen mit 440 Fr Meistbietender, während bei der Zweitvermietung am 29. Vt. IX Ferdinand Hackspiel mit einem Gebot von 200 Fr den Zuschlag erhielt. Beim Kloster Benden, das Martin Huppertz am 7. Fru. X für 3020 Fr gepachtet hatte, blieb Huppertz bei der Zweitverpachtung Ende 1805 mit 1000 Fr Meistbietender. 6 Zu den Schwierigkeiten der Umrechnung vgl. Büttner a. a. O., S. 232. 7 Jedes der in den Listen A und B aufgeführten Objekte ist in der Affiche, in der es zur Versteigerung ausgeboten wurde, mehr oder minder ausführlich beschrieben worden. Aus Raummangel können diese Beschreibungen hier nicht abgedruckt werden; Interessenten können sie beim Verfasser einsehen. Die Beschreibungen der großen Höfe sind aber so aufschlußreich, daß sie in Abschn. XV abgedruckt werden. 8 Die Objekte 83.-86., 91., 113., 116., 117., 122. und 132. sind erst in preußischer Zeit verkauft worden. 9 Ungewißheit besteht hinsichtlich einiger vormals kurfürstlicher Grundstücke in Brühl, bei denen schon in französischer Zeit unklar war, ob sie Domänenland oder Zubehör des Schlosses Augustusburg waren. Dazu gehörte beispielsweise das Gelände der vormaligen Dragonerställe entlang der heutigen Kempishofstraße, das sich die Stadt Brühl aneignete (HStAD Regierung Köln, Rentei Köln III. 67), das Gartenland beim heutigen Bahnhof, das 1829 teils versteigert, teils nochmals verpachtet wurde (Reg. Amtsblatt Köln 1829 Nr. 244 und Nr. 359), die Wohnung des Holzmagaziniers u. dgl. Für das Thema dieser Untersuchung - die Große Boden­ reform - sind diese Objekte aber unwesentlich. 10 Mitte der 1780er Jahre, Einzelheiten sind noch ungeklärt, hatte die Hofkammer auf dem Schnorrenberg bei Badorf eine Klüttengrube erschlossen. Bis zur Einrichtung der französischen Domänenverwaltung wurde diese Grube als staatlicher Regiebetrieb geführt. Dann wurde sie - als „tourbiere“ (Torfgrube) - verpachtet: Am 7. Flo. IX an Johann Wesseling für 435 Fr (HStAD Roer-Dep. Nr. 3447) und dann am 15. Fri. XIII an Nikolaus Dreesen für 505 Fr (a. a. O., Nr. 3142). Da eine solche Grube für die Domänen Verwaltung einen Fremdkörper darstellte, wurde sie alsbald zur Versteigerung ausgeboten: am 25. Juni 1808 zu einem Mindest­ gebot von (12x505=) 6060 Fr, am 11. März 1811 zu 4850 Fr, am 30. Januar 1812 zu 3638 Fr und am 10. Dezem­ ber 1812 zu 3275 Fr. In keinem Falle fand sich aber ein Bieter. - Seit dem 11. November 1811 war diese „Churfürstengrube“ an den Brühler Bürgermeister F. J. Zaaren verpachtet. Nach Einführung der Regalität der Braunkohle beantragte Zaaren dafür eine Bergbaukonzession. Diese wurde aber erst 1832 seinen Töchtern erteilt, als das Gelände der ehemaligen Churfürstengrube schon längst ausgekohlt war. 11 Dieses Objekt wird in den Akten der Domänenverwaltung als „herkommend vom Kloster Burbach“ bezeich­ net, gehörte aber vormals zweifelsfrei dem Kloster Benden. 12 Dieses Land hatte das Kloster Benden im Jahre 1664 als Mitgift der späteren Priorin Cäcilia Rospatt erhalten (HStAD Benden Urk. 37). Es wird noch im Suppressionsetat aufgeführt, erscheint aber dann nicht mehr in den Akten der Domänenverwaltung. Vermutlich war das Land vom Kloster Benden zu Erbpacht ausgegeben worden, so daß nicht das Grundstück als solches, sondern die dafür zu leistende Erbpacht verstaatlicht wurde. 13 Die Objekte 131. und 132. werden in den Akten der Domänenverwaltung irrig als „herkommend vom Deutschen O rden“ bezeichnet. - Über die Commandeursgärten wird ausführlich im Anhang berichtet.

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14 HStAD Roer-Dep. Nr. 388. 15 Am 5. Fri. XII/5. Dezember 1803 wurde der Vertreter des Senat Conservateur durch den Domänenempfänger Rosel in den Besitz des Weyerhofs eingewiesen (HStAD RD Nr. 3789). Am 5. April 1805 wurde der Weyerhof der Compagnie Vanlerbergh verpfändet (Büttner a. a. O., S. 293). Am 1. August 1807 wurde die Verpfändung wieder aufgehoben; zusammen mit 558 anderen Objekten wurde der Weyerhof dem Fonds Domaine Extraordinaire einverleibt (HStAD RD Nr. 3328). 1810 gehörte dieser H of zur Dotation des Fürsten von Wagram (HStAD RD Nr. 3792). Am 15. August 1811 verpachtete dieser den H of an die Eheleute P. Kautz (Notar Zaaren UR Nr. 2004). Mit kaiserlicher Genehmigung ließ Fürst Wagram am 1. April 1812 sehr viele Liegen­ schaften seiner Dotation versteigern (HAK Franz. Verw. Nr. 562), nicht aber den Weyerhof. Deshalb wurde dieser Hof durch den Pariser Frieden eine preußische Staatsdomäne. Am 26. Februar 1818 verkaufte der Oberpräsident an die Bankiers Abraham Schaaffhausen und Friedrich Herstatt 48 Gutshöfe, darunter den Weyerhof zu Schwadorf (HStAD Regierung Köln Nr. 3954). Diese verkauften den H of dann an Martin Kautz, Dickopshof, denn M. Kautz verpachtete ihn 1825 an Hilger Giesen (Notar Gänsen UR Nr. 1825). 16 HStAD RD Nr. 386 und Nr. 588. 17 Notar Wienkens, Aachen, UR Nr. 209. 18 Am 29. Juni 1807 verkaufte Moynat Falkenlust für 14 000 Fr an Louis Clausen, Vochem (Notar Schmitz UR Nr. 153), und am 22. Oktober 1807 verkaufte Clausen das Schlößchen für 22 000 Fr an Carl Reinhard (Notar Schmitz UR Nr. 169). - Die Hubertusburg verkaufte Moynat-am 10. Juli 1807 an J. B. Rosel (Notar Merlo UR Nr. 8328). - Den Weilerhof hatte Moynat schon am 7. April 1806 an Carl Scholl, H ürth, verkauft (Notar Wienkens UR Nr. 209). 19 HStAD RD Nr. 3317. - Auch dieses Objekt wurde 1814 preußisches Domänenland; es wurde in zwei Teilstükken 1820 und 1827 versteigert. 20 HAK Franz. Verw. Nr. 555. - Diese N orm erwies sich aber bald als zu starr. Als die Domänenverwaltung seit 1808 unter Verkaufszwang kam, mußte sie ihre Mindesgebote mehrmals herabsetzen, um Käufer zu finden. So wurde beispielsweise das Objekt 77 am 5. April 1808 zu (20x101=) 2020 Fr, am 11. März 1811 zu 1616 Fr und am 20. Januar 1812 zu 1293 Fr vergeblich ausgeboten. Erst am 12. Dezember 1812, als das Mindestgebot auf 1165 Fr herabgesetzt war, fand sich ein Käufer; und zwar war dies ein Kölner Immobilienhändler, der Pächter konnte nicht mithalten. 21 Die Serie I „Biens vendus pour le compte directe du Tresor Public“ lief über 51 Termine in der Zeit vom 1. Pr. XI bis zum 15. Ger. XII. Die Versteigerungsprotokolle sind lückenlos erhalten; sie liegen im HStAD unter der Signatur Roer-Dep. Nr. 3164—3166. 22 A. a. O . Nr. 3164, Affiche 1/4 Art. 16. Das Mindestgebot betrug 660 Fr. Wenn Rosel am 10. Mess XI persönlich in Aachen gewesen wäre, hätte er das Haus vermutlich sehr viel billiger bekommen. 23 24 25 26 27 28 29 30 31

A. a. O. Nr. 3164, Aff. 1/14 Art. 17, 18 und 19. Gleichzeitig ersteigerte Heucken auch das Haus Entenfang. A. a. O. Nr. 3166, Aff. 1/31 Art. 25 und 26. A. a. O . Nr. 3166, Aff. 1/48 Art. 2. Die Versteigerungs-Serie II lief in 140 Terminen vom 5. Pr. XIII bis zum 28. Juni 1813. 30. Br. XIII - Aff. 11/24 Art. 11. RD Nr. 3181. 10. Th. XIII - Aff. 11/53 Art. 3. RD Nr. 3199. 1. Vd. XIV - Aff. 11/58 Art. 29. RD Nr. 3185. 10. Th. XIII - Aff. 11/53 Art. 13. RD Nr. 3199. 5. März 1806 - Aff. 11/76 Art. 17. RD Nr. 3170. - Henner, ursprünglich Spezereiwarenhändler in Köln, Hohe Straße Nr. 1817, hatte in Köln und anderswo viele Objekte ersteigert, teils für fremde und teils für eigene Rechnung, und sich anscheinend dadurch ein beträchtliches Vermögen erworben. Das Kloster Benden baute er, nachdem er die Kirche abgebrochen hatte, zu einem Landsitz für sich um. 1820 ließ er sich die BraunkohlenKonzession „Hennersgrube“ verleihen. 1846 verkauften seine Erben den Gutshof Benden sowie die Konzes­ sion Hennersgrube an Friedrich Giesler (W. Prasuhn, BHB 1966, S. 29). 32 25. Juli 1806 - Aff. 11/89 Art. 3. RD Nr. 3205. - Vgl. dazu Kap. 5. III. 33 25. Juli 1806 - Aff. 11/89 Art. 33. RD Nr. 3205. 34 25. Oktober 1806 - Aff. 11/99 Art. 2-10. RD Nr. 3206.

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Vgl. dazu MBG S. 79. Vgl. dazu MBG S. 79. Vgl. dazu MBG S. 79. Aff. 11/120 Art. 8 und 9. RD Nr. 3217. Reinhard hatte am 22. Oktober 1807 das Schloß Falkenlust gekauft (Anm. 18). 1808 erwarb er in mehreren Käufen noch 20 ha Ackerland dazu und gliederte dem Schloß einen Gutshof an. Am 25. April 1809 kaufte er durch einen vor dem Präfekten geschlossenen Vertrag die Falkenluster Allee für 400 Fr. 40 J. Boismard hatte am 20. März 1807 den Siemershof in Palmersdorf ersteigert, dessen Land an den Hasenbusch grenzte. 41 Die Liste der Güter der Ehrenlegion, die aufgrund des kaiserl. Dekrets vom 13. Vt. XIII verkauft werden sollten, enthält allein für das Roer-Departement 1154 Posten (RD Nr. 3369). 42 Die Versteigerungs-Serie III lief in 81 Terminen vom 20. Januar 1807 bis zum 19. Juni 1813. 43 Aff. III/9. RD Nr. 3208. —Außer den im Text genannten Höfen wurden am 20. März 1807 noch versteigert: Der Fronhof in Fischenich, der Kirchhof in Keldenich, der Großrotterhof in Rondorf, der Karthäuserhof in Fischenich, der Büchelshof in Rondorf, der Magerhof in Meschenich, der Fronhof in Kendenich und der Kalscheurer Hof. 44 P. J. Decker war der Pächter des Abtshofs, P. J. Kley wird in den Akten als „jurisconsulte“ bezeichnet. Kley ersteigerte dann auch den Severinshof in Geildorf. Am 29. Januar 1808 verkaufte Kley diesen Hof und seine Hälfte des Abtshofs an den Kaufmann J. A. Leven, Köln (Notar Merlo UR Nr. 1573). Am 23. Juni 1811 teilten J. A. Leven und P. J. Decker die Ländereien des Abtshofs hälftig auf; Decker übernahm dabei die Hofgebäude (Notar Zaaren UR Nr. 1984). 45 Irgendwelche Beziehungen der beiden Käufer zu Brühl sind nicht erkennbar. Offensichtlich haben sie den Rodderhof samt der dazu gehörenden Klüttenkaule - der „Roddergrube“ - nur als Kapitalanlage erworben. Dafür spricht, daß sie die Bewirtschaftung des Hofs nicht selbst übernahmen, sondern den bisherigen Pächter Joh. Adam Braun bis zu seinem Tode (1821) als Pächter behielten. 46 Aff. III/21. RD Nr. 3213. - Außerdem wurden in diesem Termin der Godorfer H of und der Hagenhof in Berzdorf versteigert. Der Langenackerhof wurde erfolglos ausgeboten. 47 Aff. III/33. RD Nr. 3210. - Irgendwelche Beziehungen Ahrems zu Kierberg sind nicht festzustellen. Er hat den H of vermutlich nur spekulativ ersteigert und hat ihn schon am 3. März 1809 je zur Hälfte an den Priester Wilhelm Werbrun und den Faßbinder Wilhelm Münster, beide zu Köln, für 5150 Fr weiterverkauft (RD Nr. 3782). 48 Aff. III/64. RD Nr. 3223. —Henner hat dieses Grundstück offenbar zur Abrundung seines Gutsbetriebs Benden (Anm. 31) erworben. - In diesem Termin wurden auch der Zehnthof in Keldenich und der Langenakkerhof versteigert. 49 Die Versteigerungs-Serie IV - „Güter, welche der Tilgungs-Kasse durch das Gesetz vom 24. April 1806 sind übertragen worden“ - lief in 146 Terminen vom 25. September 1807 bis zum 27. Oktober 1813. 50 Aff. IV/1. RD Nr. 3214. 51 Aff. IV/1 Art. 11. - Diesen kleinen Hof, der auch Vendelsgut genannt wurde, hatte das Kloster Benden am 25. November 1615 gekauft (StAB Akten 22). Nach der Taxation des Notars F. W. Schmitz vom 5. August 1807 bestand er aus einem Wohnhaus mit einer kleinen Scheune und einem Stall für drei Kühe; dazu gehörten 2,56 ha Ackerland auf der Bohle und 32 Ar Baumgarten am Haus. Das Mindestgebot betrug zunächst 1500 Fr, wurde dann aber auf 1200 Fr ermäßigt. Ersteigert wurde dieses Objekt für 1375 Fr durch J. Weisweiler, Brühl, für den damaligen Brühler Steuereinnehmer Xavier de Prouvy. Dieser kündigte alsbald dem bisherigen Pächter Henrich Dütz und setzte am 11. Mai 1808 Johann Franken als Pächter an (Notar F. W. Schmitz UR Nr. 268). Am 27. Dezember 1812 verkaufte er das Anwesen an den Kaufmann Carl Benedikt Büssing, Köln (Notar Zaaren UR Nr. 2106). 52 Aff. IV/5. RD Nr. 3214. 53 Aff. IV/20. RD Nr. 3371. 54 Aff. IV/138 Art. 13. RD Nr. 3229 b. 55 Aff. IV/137 Art. 1. RD Nr. 3229 b.

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56 Die Versteigerungs-Serie V lief in 28 Terminen vom 5. Januar 1809 bis zum 11. November 1811. 57 30. Mai 1810. Aff. V/19 Art. 10. RD Nr. 3222. 58 Die Versteigerungs-Serie VI „Cession du 28 fevr. 1809“ lief in 23 Terminen vom 5. Dezember 1809 bis zum 4. August 1813. 59 Aff. VI/16 Art. 15 und 16. RD Nr. 3224. 60 Die beiden Erwerber - J. P. Weyers war wohl der bekannte Makler - verkauften den Burghof dann - wann und zu welchem Preis, ist noch ungeklärt - an den Kölner Kaufmann Joh. Wilhelm Meuser, der ihn ab 1816 ausschlachtete. Am 18. Februar 1816 versteigerte Meuser 14,63 ha Ackerland in 22 Teilstücken (Notar Gänsen UR Nr. 1049), einige freihändige Verkäufe folgten, und am 16. Mai 1817 schließlich versteigerte er die Hofstelle in 4 Teilstücken, wobei der Ackerer Andreas Meyer den eigentlichen Burghof für 12 441,70 Fr erwarb (Notar Gänsen UR Nr. 1317). Zu letzterem vgl. G. Zilliken in BHB 1926, S. 2. 61 Die Versteigerungs-Serie VII lief in 15 Terminen vom 10. Januar 1810 bis zum 7. Juli 1813. 62 HAK Franz. Verw. Nr. 563. 63 Aff. VII/12 Art. 3 -5 . RD Nr. 3228. 64 Aff. 12 zum 12. Juni 1813 RD Nr. 3231. - Aff. 44 zum 11. September und Aff. 61 zum 1. Oktober 1813 RD Nr. 3232. 65 Die Gemeinde-Serie sollte in 111 Terminen bis zum 15. Januar 1814 laufen. Erhalten sind aber nur die Versteigerungsprotokolle bis zum 26. November 1813 (Aff. 106); anscheinend sind die folgenden Termine ausgefallen. Staatsgrundstücke wurden in 484 Terminen, Gemeindegrundstücke in 106 Terminen und Grundstücke des Fürsten Wagram (HAK Franz. Verw. Nr. 562) in 20 Terminen ausgeboten. Rechnet man für jeden Termin durchschnittlich 20 Objekte, so wurden allein im Roer-Departement von 1803 bis 1813 über 12 000 Objekte auf den Markt geworfen. Und das zu einer Zeit, als es noch keine leistungsfähigen Kreditbanken gab! 66 Aff. 111 vom 8. Dezember 1813. RD Nr. 3232. 67 StAB Akten 36. 68 HStAD Gen. Gouv. Niederrhein Nr. 1566. 69 Amtsblatt der Regierung Köln (ARK) 1818, S. 46. 70 ARK 1822 Off. Anz. Nr. 26. 71 HStAD Regierung Köln Nr. 3954. 72 HStAD Regierung Köln Nr. 3945. 73 HStAD Regierung Köln Nr. 4695. 74 ARK 1826 Öff. Anz. Nr. 41 und ARK 1829, S. 156. - Nach Büttner a. a. O., S. 286 ist das St. Aposteln-Land (Objekt 113) in den Jahren 1820 und 1827 versteigert worden. Protokolle darüber sind aber bisher nicht aufgefunden worden. 75 Uber die Sachverständigen Ancion und Regnier ist nichts näheres bekannt. Franz Werner Schmitz war vom 8. Vd. XIV bis zum 16. Februar 1809 Notar in Brühl; am 1. März 1809 wurde er zum Friedensrichter in Brühl ernannt. 76 Die meist französisch geschriebenen Expertisen sind hier vom Verfasser frei übersetzt. 77 Expertise Ancion vom 3. August 1809 in HStAD RD Nr. 3224. 78 E. Ancion vom 31. August 1809 in RD Nr. 3224. 79 Von dem Kloster Benden ist weder eine Expertise noch das Versteigerungsprotokoll überliefert. Deshalb kann hier nur der Text des Versteigerungs-Ankündigungsplakats (RD Nr. 3170, Affiche 11/76 Art. 17) wiedergegeben werden. Er zeigt, daß man glaubte, für die Kaufinteressenten seien nur die Ländereien wichtig, Klostergebäude und Kirche dagegen Dreingaben. 80 E. Schmitz vom 2. Februar 1807 in RD Nr. 3208. 81 E. Schmitz vom 9. Februar 1807 in RD Nr. 3208. 82 E. Regnier vom 4. Fri. XII in RD Nr. 3160. 83 Von dem Weyerhof ist keine Expertise überliefert, da er nicht versteigert, sondern der Dotation des Marschalls Berthier zugewiesen wurde. Deshalb kann hier nur die Kurzbeschreibung aus der Dotationsliste (RD Nr. 3792) wiedergegeben werden.

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E. Schmitz vom 14. April 1807 in RD Nr. 3213. E. Schmitz vom 7. Februar 1807 in RD Nr. 3208. E. Schmitz vom 22. März 1806 in RD Nr. 3205. E. Schmitz vom 29. März 1807 in RD Nr. 3213. E. Schmitz vom 22. März 1807 in RD Nr. 3213. E. Schmitz vom 11. Mai 1807 in RD Nr. 3210. E. Schmitz vom 5. Februar 1807 in RD Nr. 3208. E. Schmitz vom 25. März 1807 in RD Nr. 3213. E. Schmitz vom 1. Februar 1807 in RD Nr. 3208. Kap. 21 III. und IV. Z. B. G. Kliesing, Die Säkularisation in den kurkölnischen Ämtern Bonn» Brühl. . ., Bonner Diss. 1932. Der Verfasser hat nur die rund 8000 Urkunden der damaligen Brühler Notare Zaaren, Schmitz und Gänsen planmäßig durchgesehen. Die zwei Dutzend Urkunden Kölner und Aachener Notare, die er zusätzlich herangezogen hat, waren Zufallsfunde in den Akten der Domänenverwaltung. 96 MBG. S. 75. 97 BHB 1956, S. 1. 98 Kanonikus J. W. Lohkamp, Regens des Priesterhauses Weidenbach in Köln, war einer der rührigsten Grund­ stücksspekulanten jener Zeit. Rosel schrieb über ihn: „L. ist einer der großen Aufkäufer von Domänenland. Er war oft nützlich, indem er die Preise in die Höhe trieb“ (HStAD RD Nr. 3445 f. 388). Anscheinend verkaufte er alle von ihm ersteigerten Grundstücke bei nächster Gelegenheit weiter. Da er aber diese Verkäufe wohl vor Kölner Notaren tätigte, konnten die Letzterwerber der Brühler Grundstücke bisher nicht ermittelt werden. 1801, kurz vor der Aufhebung des Stifts St. Severin, war Lohkamp durch päpstliche Provision Stiftsherr zu St. Severin geworden. 1803 beantragte er die ihm deshalb zustehende Geistlichen-Pension. Der Unterpräfekt reichte diesen Antrag befürwortend an den Präfekten weiter (HStAD RD Nr. 2830.571). 99 Das war der einzige Fall, daß die Domänendirektion ein Objekt freihändig verkaufte. Auf Wunsch von Reinhard hatte der Finanzminister den Präfekten ermächtigt, die Falkenluster Allee zum Schätzpreis zu verkaufen (HStAD RD Nr. 2837.1995). Nachdem Sachverständige den reinen Bodenwert auf 400 frs geschätzt hatten, wurde das Grundstück zu diesem Preis auf Reinhard übertragen; mit der ausdrücklichen Auflage, die Allee immer in gutem Zustand zu erhalten und keinesfalls zu Ackerland zu roden (HStAD RD Nr. 3445 f. 347). 99a Der preußische Fiskus verkaufte am 6. 4. 1829 „das Grundstück, genannt die Churfürstliche Klüttenkaul“ für 156 Rth an F. J. Zaaren. (Archiv Decker V. 28) 100 Vgl. dazu Kap. 5. III. 101 Zehnpfennig hatte am 30. Januar 1812 den Engeldorfer Hof, vormals dem Kloster Benden gehörig, für 58 000 frs ersteigert. 102 Aus Raumgründen konnten nicht für alle vorstehend erwähnten Daten die einzelnen Fundstellen angegeben werden. Interessenten können sie beim Verfasser einsehen. 103 Vgl. Kap. 21 VI. 104 P. J. Kley wird dabei als „President des Hospices de Cologne“ bezeichnet. Er kaufte auch noch andere Höfe, z. B. den Bender H of in Walberberg. 105 Joh. Jos. Boismard, 1810 als „Interesse des messageries entre Meuse et Rhin, Cologne“ bezeichnet, h a t-teils allein, teils mit Partnern - viele große Höfe ersteigert, die meisten aber dann weiterverkauft. 106 Vgl. im einzelnen BHB 1956, S. 1. 107 Wilhelm Boisseree war der erste, der dieses Verfahren in Brühl praktizierte. Anscheinend hielt man diese Güterschlächterei zunächst für unerlaubt und nichtig. Deshalb besorgte sich Boisseree eine ausdrückliche Genehmigung des Schatzministers dafür. Am 20. Februar 1808 übersandte er diese Genehmigung dem Unterpräfekten mit der Bitte, sie öffentlich bekanntzugeben, damit niemand die Rechtsgültigkeit seiner Verkäufe bezweifle (HStAD RD Nr. 2835.8676).

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108 109 110 111 112

Kap. 21 X. Kap. 21 XV. Diese Meinung wurde auch in der Literatur vertreten. Vgl. dazu R. Büttner a. a. O . (Anm. 1), S. 374. In Art. 13 des Konkordats hatte Papst Pius VII. die Säkularisation des geistlichen Grundbesitzes anerkannt. In der Erwerberliste (Abschn. XVII) ist der einzige Protestant Carl Reinhard, der hier nicht in Betracht kommt, weil nicht er selbst, sondern sein zweifellos gut katholischer Freund Sulpiz Boisseree das Schloß Falkenlust auswählte. Der einzige Jude in dieser Liste ist der Immobilienhändler Cahen, Lechenich, der in dem Ausverkauf von 1812 - gleich allen anderen katholischen Immobilienhändlern - die Objekte Nr. 79 und Nr. 107 ersteigerte, aber sicher nicht behielt.

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D ie B rü h ler B ürgerm eister-K ette

Am 27. April 1285 war das vordem unscheinbare Dörfchen am Brühl durch Erzbi­ schof Siegfried von Westerburg zur Stadt erhoben worden1. Deshalb haben die Brühler Bürger im Jahre 1985 in vielen Veranstaltungen aller Art „700 Jahre Stadt Brühl“ gefeiert. Rechtzeitig vor diesem Jubiläum hat die Stadt eine BürgermeisterKette anfertigen lassen2. Diese Kette zeigt in sechs Medaillen, aus welchen Siedlungen die heutige Stadt Brühl im Laufe von sieben Jahrhunderten zusammengewachsen ist. Die große Medaille ist eine Nachbildung des ältesten Schöffensiegels, das zugleich Stadtsiegel war, nach einem Abdruck aus dem Jahre 13243. Dieses Siegel zeigt St. Pe­ trus, den Schutzpatron des Erzstifts Köln, zu dem der Brühler Raum seit der Mero­ wingerzeit gehörte, mit Himmelsschlüssel und Evangelienbuch über einem Schild mit dem kurkölnischen Kreuzwappen. Sieben Männerköpfe umgeben ihn. Sie sind Symbole der sieben von den Bürgern gewählten Schöffen, die nach dem Privileg von 1285 die Stadt regierten. Aus diesem Siegel ist später das Wappen der Stadt Brühl entstanden. Es ist in seiner Art einmalig. Kein anderes Siegel oder Wappen ist ihm gleich4. Die Medaille darüber ist das Sinnbild für Vochem. Der Fronhof Vochem, der seit dem Jahre 1067 dem Stift St. Georg zu Köln gehörte, hatte ein eigenes mit Schöffen besetztes Hofgericht. Das Siegel, das dieses Gericht führte, zeigt das kurkölnische Kreuzwappen mit einem Schrägbalken. Die Medaille ist einem Abdruck aus dem Jahre 1335 nachgebildet5. Die Medaille rechts darüber repräsentiert Brühl-Ost durch den uralten Fronhof Palmersdorf, der seit dem Jahre 929 dem Stift St. Cäcilien zu Köln gehörte. Dieser Hof hat sich nicht zu einem Dorf entwickeln können, weil seine Schweid schon sehr früh in die Brühler Schweid einbezogen worden war. Trotzdem hatte er bis zum Ende der Kurfürstenzeit ein eigenes Gericht, dessen Siegel die hl. Cäcilia zeigt. Der im Jahre 1440 gefertigte Siegelstempel ist noch erhalten. Er war das Vorbild dieser Medaille6. Darüber ist das Sinnbild für Schwadorf. Schwadorf war vorzeiten eine „Herrlich­ keit“ des Stifts St. Severin zu Köln. Deshalb führte das dortige Fronhofsgericht ein Siegel, das den hl. Severin zeigt. Die Medaille ist einem Abdruck aus dem Jahre 1573 nachgebildet7. Links über der Vochemer Medaille ist das Symbol für Kierberg und Heide. Diese Orte hatten kein eigenes Gericht, weil sie schon von altersher zu Brühl gehörten. Sie werden repräsentiert durch ein Siegel des Klosters St. Maria in den Benden, das seit 349

Abb. 27 Die Brühler Bürgermeisterkette. 350

seiner Gründung im Jahre 1207 eng mit den beiden Orten verbunden war. Die Medaille ist einem Siegelabdruck aus dem Jahre 1381 nachgebildet, das die Gottesmut­ ter als Patronin des Klosters zeigt8. Über dieser Medaille ist das Sinnbild für Badorf und Pingsdorf. Badorf war seit dem Jahre 965 eine „Herrlichkeit“ der Abtei St. Pantaleon zu Köln. Jahrhundertelang bestand dort ein Fronhofsgericht, von dem aber kein Siegel überliefert ist. Deshalb wurde hier, nach einem Abdruck aus dem Jahre 1448, ein Abbild des Abtssiegels eingesetzt, das den hl. Pantaleon als Patron der Abtei sowie der beiden Pfarrkirchen Badorf und Pingsdorf zeigt9. So repräsentieren die sechs Medaillen geschichtsbewußt die heutige Stadt Brühl mit ihren Vororten. Die Kette aus Gold und Lapislazuli, die sie verbindet, zeigt die Stadtfarben gold und blau. In jeder Einzelheit beziehungsreich, ist die Brühler Bür­ germeister-Kette in ihrer Art einmalig. 1 Vgl. F. Wündisch, Das alte Brühler Stadtrecht von 1285, Brühl 1985, Bd. 5 der Schriftenreihe zur Brühler Geschichte. 2 Zur Schonung der Steuerzahler wurden ihre Kosten durch freiwillige Spenden Brühler Bürger aufgebracht. 3 HAK Antoniter Urk. 7. 4 O. H upp wies in seinem Sammelwerk „Deutsche Wappen“ - hier zitiert nach der von K. Stadtier besorgten Neuausgabe, Bremen 1972, Bd. 7, S. 30 - auf mögliche französische Vorbilder - Dijon, Meulan, Soissons - hin. Abbildungen jener Siegel haben M. J. Giesen in der Kölnischen Rundschau vom 23. April 1957 und H, Horst­ mann in der Beilage zur Kölnischen Rundschau vom 30. Oktober 1957 gebracht. Sie haben nur sehr wenig Ähnlichkeit mit dem Brühler Siegel; auch ist nicht einsichtig, woher die Brühler Schöffen Kenntnis von jenen französischen Siegeln gehabt haben könnten. O . H upp schrieb a. a. O . auch - ohne Quellenangabe daß das Brühler Siegel erstmals schon 1308 bezeugt sei. Dafür ist bisher kein Beleg aufgefunden worden. 5 HA K Deutschordenshaus St, Katharinen U rk. 1/280. —Der Schrägbalken in dem Kreuzwappen zeigt, daß die Grundherrschaft Vochem spätestens 1067 von der erzbischöflichen Grundherrschaft Merreche abgetrennt worden ist. 6 Der Siegelstempel wird heute im Stadtmuseum Köln aufbewahrt. 7 HAK Karthäuser Urk. 2/926. 8 HAK HU A Nr. 1/3381. Es ist ein Konvents-Siegel Typ IV. Vgl. F. Wündisch, Bender Urkundenbuch, Brühl 1979, S. 69. 9 HAK St. Pantaleon Urk. 1/296.

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P ersonen-R egister

Auswahl. Jahreszahlen ohne Klammer bedeuten Geburts-/Todesjahre; eingeklam­ mert bedeuten sie Jahre der Erst-/Letzterwähnung. Adolffs Jakob (1622)—1654 Schöffe 122 Albracht Friedrich (1734) —1812 Ackerer 207, 209 Albrecht Anton (1766)—1813 Glaser 270 Anno II. (1067) Erzbischof 25 v. Arenfels Dietrich (1318) Ritter 51 Arnold (1275) Pfarrer von Pingsdorf 22 v. Artz Veit Jörg (1724 —1734) Obristfalkenmeister 161, 172, 174, 179, 180 AsperschlagAdolf (1565) Unterkellner 139 Augereau Pierre (1797) General 219, 220 Axer Matheis (1800 —1801) Burghalfe Vochem, Conseiller Municipal 230 Basse Johann (1607) Elausschenk 140 Baudouin Franz Joseph (1802 —1809) Canonicus 244, 246, 263 Baur Simon (1801) Franziskaner 283 Becker Ffenrich (1676—1688) Siebener 122 Beiss Johann (1801) Franziskaner 283, 284 v. Belderbusch Kaspar Anton (1763) Staatsminister 166 Berdolet Marc Antoine (1802 —1807) Bischof 233, 241, 261, 286, 292 Berthier Alexandre (1810) Marschall 309, 318 Biergans Franz Th. M. (1798 —1800) Kommissar 222—227, 230, 257, 259, 282, 285, 297 Blümgen Henrich (1700)—1716 Schöffe 122 Bock Ferdinand (1662—1681) Siebener 122 Bodife Simon (1645)—1688 Oberkellner, Schöffe 122 Bodife Wilhelm Andreas (1667—1738) Hälfe, Schöffe 122 Boismard Johann Joseph (1807—1810) Kaufmann in Köln 322, 325, 347 Boisseree Bernhard (1807) Kaufmann in Köln 337, 369 Boisseree Sulpiz (1806—1807) Kaufmann in Köln 169, 338, 347 Boisseree Wilhelm (1807) Steuereinnehmer in Köln 319, 322, 337, 347 Bollig Johann (1795) Fronhalfe Vochem 256, 320 Bollig Johann Georg (1798 —1803) Fronhalfe in Vochem 226, 230, 320 Bongard Bernhard (1803)—1836 Schloßverwalter 268, 306, 309 Bonn Bruno (1808) Pfarrer in Badorf 234 Braun Bertram (1794—1796) Rodderhalfe 187, 201 Bremmer Johann Georg (1794)-1807 Pfarrer in Schwadorf 189, 234, 255, 261 352

Breuer Christine 1793 Schulschwester 242 Breuer Gerhard (1631 —1664) Siebener 113, 122 Breuer Hilger d. Ä. (1632) —1658 Unterkellner, Siebenerl03, 110, 122 Breuer Hilger d. J. (1656) —1700 Bäcker, Schöffe 122 Breuer Johann Carl (1703 —1724) Gerichtsschreiber 127 Breuer Ludger (1666) —1721 Kurf. Leibgardist, Schöffe 122 Brück Mathias (1704—1741) Chyrurgus, Schöffe 122 de Brule (1220) Ritterfamilie in Burgbrohl 47 Bruno (953—965) Erzbischof 28 Burberhalfe Johann (1526—1546) Siebener 122 Buschmann Cyriacus (1689) Dr. jur. utr. Amtsverwalter 111, 165 Cadusch Gerhard (1722) —1778 Hofbaumeister, Schöffe 122 Cadusch Johann (1715) —1743 Hofbaumeister, Schöffe 122, 165 Cain/Kaufmann Jonas (1801 —1809) Händler 91, 249, 251 Cain/Kaufmann Vosen/Servas (1801 —1809) Händler 91 Le Camus (1809) Bischof 241 Caprara (1802) Kardinallegat 232 Christian! (Chürstgens) Johann (1626—1681) Schöffe 122 Clausen Louis 1771 -1815 Jurist 169, 171, 199, 201, 247, 254, 257, 320, 344 Clemens August v. Wittelsbach (1725)—1761 Kurfürst-Erzbischof 15, 17, 133, 161-167, 169-175, 182-184, 297 Coen Niclas (1590—1609) Schöffe 122 Comes Jakob (1801) Franziskaner 283 Commender Berthold (1812) Zeichenlehrer 248 Commer Wilhelm (1638) —1679 Schöffe 122 Contzen Peter (1603 —1607) Herselshalfe, Schöffe 113, 122 Coppelman Jakob (1369) Geldhändler 81 Cremer Sebastian (1796) Hufschmied 201 Danckers Henrich (1731 —1735) Milanenmeister 176, 178 Danckers Peter (1723 —1735) Reihermeister 162, 172, 174, 177 David/Sürth Philipp (1788 —1801) Judenkantor 85, 90, 91, 249, 251 Davoust Louis Nicolas (1770 —1823) Marschall 238, 304, 310 Decker Peter Josef (1795 —1811) Abtshalfe Badorf, Adjoint in Brühl 194, 226, 230, 254,323 Deppeier Michael (1734) Reiherwärter 184 Dicoh Johann Henrich (1801) Franziskaner 283, 284 Dietrich v. Moers (1446) Kurfürst-Erzbischof 65, 77 Disteler Christian (1625)—1666 Hausschenk, Schöffe 123, 137 v. Dorne Reimar (1291) Ritter 60 Dorsch A. J. (1794—1799) Regierungskommissar 190, 257, 260 v. Dorslar Gobelin (1333) Vogt von Palmersdorf 32 Dreesen Franz David (1808) Pfarrer in Berzdorf 234 Dreykhausen Peter Joseph (1752 —1809) Lehrer 243, 263 353

Ehmans Franz (1764) Landmesser in Köln 156 Eichhof Johann Peter (1794 —1796) Kantonsverwalter in Köln 191, 194, 195, 199-206, 257, 258 Elser Gedeon (1798) Franziskaner 282 Engelbert von der Mark (1217) Erzbischof 17 Ernst v. Wittelsbach (1587—1592) Kurfürst-Erzbischof 71, 72, 112 Esch Johann Ernst (1742) Kaufmann 133 Esckbaum Virgilius (1727) Burggraf 83 Ewalt Johann (1710) —1725 Lucienhalfe 123 Eysel Anton (1750)—1788 Fasanenmeister 17 FabriHubert (1635)—1701 Notar, Stadtschreiber 126, 138 Fabn Wilhelm 1688 —1751 Stadtschreiber, Schöffe 123, 127, 128, 133 Falckenstein Johann (1743)—1774 Bäcker, Schöffe 87, 123 Fasbender Jakob (1667—1684) Hausschenk, Schöffe 123, 137 Fasbender Wilhelm (1742) Daberger Hälfe 256 Fasbender Winand (1606 —1628) Kunibertshalfe 123 Feuerpeil Tilmann (1617)—1673 Notar, Stadtschreiber, Schöffe 123, 126 Firk Anton (1604—1627) Schmied, Schöffe 113, 123 Fischenich Albert (1550) kurf. Kellner 137 v. Fischenich Cono (1309—1320) Ritter 42, 52, 54, 62 Florckin Gaudenz (1652) Schultheiß in Roisberg 138, 140 Florckin Melchior (1685) —1697 Hausschenk, Schöffe 123, 137 Flügel Johann Georg (1801) Franziskaner 283, 284 Fonck Maria (1567—1569) Bender Äbtissin 77 Forn Balthasar (1655)—1674 Burghalfe, Schöffe 123 Forn Emund (1648) —1683 Schneider, Schöffe 123 Franz v. Habsburg-Lothringen (1792—1809) Kaiser 185, 219, 305 Frauenberg Gerhard 1769 —(1829) Parkwächter 306, 309 Friedrich v. Saarwerden (1373 —1392) Kurfürst-Erzbischof 112 Friedrich Wilhelm (1815) König von Preußen, Großherzog vom Nieder-Rhein, Herzog von Cleve, Berg und Geldern, Fürst von Mors, Graf von Essen und Werden 254 Fries Matheis (1801) Bäcker 272 Friling Jose( (1797—1798) Munizipalsekretär 221, 225, 226 Frohn Johann (1795 —1798) Amtsbote 195, 225 Frühe Matheis 1721—1762 Pächter der Theismühle 75 Fuchs Heinrich Josef (1780—1809) Lehrer 244 v. Fürstenberg Karl Egon (1681)—1682 Fürstbischof 99 v. Fürstenberg Wilhelm (1629 —1704) Kardinal 96, 99, 100, 102, 104, 109 Furck Sebastian (1628) Kupferstecher 147 Fuß Niclas (1590)—1637 Schöffe 123 Gail Franz 1763 —(1798) Munizipalpräsident 202, 208, 210, 211, 214, 219, 220, 258, 259 354

Garnen Jakob (1768)-1840 196, 217, 219-221, 225, 229, 230, 259, 272, 282 Gareis Henrich (1785)—1815 Pfarrer und Maire 90, 95, 227, 230—235, 243—249, 263, 266, 278, 283, 286 Gatzen Bernhard (1709) Dr. jur. utr. Amtsverwalter 138 Gatzen Mathias (1703) —1731 Siebener 123 Gebhard Truchseß von Waldburg (1583 —1587) Kurfürst-Erzbischof 70, 72 Geisenkirchen Asverus (1593) kurf. Kellner 48 Genger Maria (1783 —1798) Bender Äbtissin 187 Gerard Joh. Wilhelm (1757—1789) Falkenlust-Verwalter 167 Gerold Franz (1801) Amtsförster 140, 271 v. Gerolt Bernhard Franz (1794—1796) Geh. Hofrat, Präsident des Arrondissements Bonn 190, 201, 205, 206, 257, 293 Gibels Catharina (1578)—1616 Bender Äbtissin 70 Giersberg Johann Nikolaus (1801) Kempishalfe, Conseiller Municipal 230, 278 de Gladio Johannes (1301) Pfarrer von Brühl 23, 25 Göbel Johann Peter (1801) Franziskaner 283 Gottfried Graf von Arnsberg (1369) 81 Gottlob Jakob (1812) Klüttenbäcker Badorf 254, 324, 335, 339 Grein Johann (1795) Schneider, Dolmetscher 195, 256 Gymnichs Christina (1587—1588) Bender Äbtissin 71, 72 Hackenbroich Adrian (1675)—1724 Schlosser, Siebener 123 Hackspiel Ferdinand 1772 —(1806) Falkenlust-Verwalter 167, 168, 171, 280, 343 Hackspiel Jakob 1735-1809 Gastwirt, Siebener 118,123,129,188,194,199,200,209, 211, 212, 217, 230, 235, 278 von Hagen Wikbold (1303) Pfarrer von Brühl 23 Hardevust Bruno (1277) Kölner Patrizier 60, 76 Hareko Simon (1742) Faßbinder und Wirt 134 Hauck Bela (1496) Bender Äbtissin 77 Hegel Martin (1748) —1795 Chyrurgus, Schöffe 123, 129 Heinrich v. Virneburg (1304 —1332) Erzbischof 50, 51, 54 Heidt Ernst Salentin (1742) —1773 Kaufmann, Schöffe 123 Hendricks Daniel (1801) Franziskaner 283 Henn Ivo (1794) Franziskaner 189 Henner Eberhard (1806—1820) Erwerber des Klosters Benden 139, 140, 291, 299, 321, 344 Henseler Johann d. Ä. (1676)—1703 Handwerksmeister, Siebener 123 Henseler Johann d. J. 1723 —1786 Schöffe 123 Hermann v. Hessen (1490—1493) Kurfürst-Erzbischof 84 Hermans Henry (1755 —1756) kurf. Leibschneider Bonn 183 Hermülheim Peter (1800—1801) Conseiller Municipal 230 v. Hersei Hermann (1425) Ritter 85, 94 v. Hersei Georg Franz Wilhelm (1668) Verkäufer des Kempishofs 47 v. Hersei Margarethe (1207) Stifterin des Klosters Benden 57 355

Herstatt Friedrich (1818) Bankier Köln 327, 344 Herter Clemens August 1730—1793 Notar, Stadt- u. Gerichtsschreiber 127, 189, 190, 194-196, 294 Herter Johann (1644) —1688 Schlosser, Landmesser, Schöffe 124 Herter Simon (1727)—1767 kurf. Hofgärtner 127 Hertmanni Andreas (1770) —1802 Amtsverwalter 188, 217, 258, 259, 277 Hertmanm Cornel (1725)—1747 Gastwirt, Siebener 123 Hertmanni Franz Josef 1753 —1832 Schultheiß, Schöffe 118, 123, 129, 188, 189, 194-196,217, 221, 235 Hertmanni Johann Gabriel (1733) —1765 Amtsverwalter, Schöffe 124 Hesemans Henrich (1794) —1811 Wirt, Adjoint, Cons. Municipal 225,230, 260, 270 Heucken Christian Theodor (1803 —1805) Aachener Stiftsherr 320, 321, 332, 340 Heypar Damian (1635 —1672) Gastwirt, Schöffe 124 Hircelin (vom Hirsch) Johann (1383) Offizial, Stiftsherr 62 Hoche Lazare (1797) General 119, 215, 216, 219, 258 Hoefnagel Georg (1575) Zeichner 145 Hoen Henrich Jodocus d. Ä. (1670—1699) Oberkellner 94, 107 Hoerdt Agnes (1748 —1769) Bender Äbtissin 76 Hogenberg Abraham (1604) Drucker u. Verleger Köln 154, 159 Hogenberg Franz (1575) Drucker u. Verleger Köln 146, 148, 159 Holtzem Nikolaus (1664)—1668 Schöffe 124 Holtzem Reiner 1688—1751 Gastwirt, Schöffe 124, 128 Hommelsheim Joh. Baptist (1812) Klüttenbäcker Pingsdorf 314, 334, 339 Huppertz Martin (1800—1802) Pächter des Benderhofs, Cons. Mun. 230, 315, 343 Hylla (1325) Bender Äbtissin 62 Isgens Adelheid (1464—1488) Bender Äbtissin 77 Isgens Dorothea (1503) Bender Äbtissin 65 Johann XXII. (1318) Papst 54 Johann, Dechant von Bonn (1329) Brühler Amtmann 54 Joseph Clemens v. Wittelsbach (1688 —1719) Kurfürst-Erzbischof 99, 161, 172 Kalcker Johann Gottfried (1742) Vikar Brühl u. Pfarrer Vochem 134 Karg Johann Friedrich (1688 —1691) Minister 99, 103 Karl Albert v. Wittelsbach (1742) Kurfürst, Kaiser 133 Karl Marteil (720) Hausmeier 18 v. Katzenellenbogen Wilhelm (1384) Landesherr von Keldenich 62 Kaul Matthias (1763—1799) Munizipalsekretär 225, 260, 296 Kautz Peter (1812 —1821) Pächter des Weyerhofs Schwadorf 327 Keggenhoff Johann Andreas (1786) Burggraf 94 Kemp Ernst (1670)—1690 Zimmermann, Siebener 124 Kempis Andreas (1668) Oberkellner 47 Kentenich Franz (1801 —1811) Stadtmüller 268 Kentenich Johann Josef 1734—1788 Metzger, Schöffe 118, 124 Kerris Jacob Gottfried (1803 —1809) Kanzleichef der Ehrenlegion 238, 306, 310 356

Kieser Eberhard (1623) Verleger 148 Klespe (1808 —1813) Unterpräfekt 241, 247, 262 Kley Peter Josef (1807) Jurist Köln 323, 345 Kley Theodor (1760) —1793 Gastwirt, Siebener 118, 124, 129 Kluth Jakob (1801) Franziskaner 283, 284 Knoerzer Adam (1799) Franziskaner 282 Knott Johann (1796—1801) Burghalfe 201 Koch Peter (1799—1801) Wirt, Gerichtsbeisitzer 229 Königsfeld Jacob (1795 —1808) Vikar in Brühl, Pfarrer in Vochem 234, 276 Konrad von Hochstaden (1261) Erzbischof, Stifter der Pfarrei Brühl 22 Krämer Sebastian (1796 —1801) Schmied 268 Krähe Henrich Gottfried (1798 —1813) Gerichtsschreiber 225, 229 Kretzer Servatius (1798 —1801) Kaufmann 129, 212, 217 Krihhen Clemens (1796—1801) kurf. Palmersdorfer Hälfe 201, 280 Kribben Johann 1682 —1749 Zimmermann, Siebener 124, 139 Kribben Johann (1794 —1812) Bierbrauer, Conseiller Municipal 129, 196, 201, 229, 247 Küpper Adolf (1794) Pfarrverweser Schwadorf 189 Kürten Anton (1801) kurf. Krautgärtner 271 Kunibert (7. Jh.) Bischof 18, 19, 24 Kuosin Blithildis (1351 —1363) Bender Äbtissin 62 Kyrion Sybertus (1801) Franziskaner 243 Ladoucette (1809—1813) Präfekt 241 Lameth Alexandre (1806—1809) Präfekt 171, 286, 287 Landgraf Joh. Baptist (1801) Franziskaner 282, 283, 284 Langen Gottfried (1708)—1737 Ackerer, Schöffe 124 Laportiere Peter (1764) Maler 156 Laquey Johann (1742) Kaufmann 133 Laumond Charles (1804) Präfekt 237 Lauten Henrich (1801) Schneider 276 Lechnich Peter (1742) Glaser 133 Lenneper Christian (1679 —1715) Pfarrer Brühl 103 Lerch Johann Anton (1807) Pfarrer Vochem 234 Leuff Ägidius (1801) Franziskaner 283, 284 Leutz Johann (1613 —1624) Sattler, Siebener 124 Levi/Roos Abraham/Jakob (1758)—1835 Altwarenhändler 91, 251, 268, 299 Lievenbrück Joseph (1795 —1798) Maire 199, 201—204, 207, 221, 257—259, 282 Litterscheidt Peter (1801) Brunnenmeister 140, 271 (von) Löven Johann (1667)—1702 Falkenmeister 161 Lohkamp]. W. (1801 —1808) Stiftsherr Köln 333, 335, 340, 347 Longerich Gottfried (1783 —1794) Stadtmüller, Siebener 118, 129, 188, 201 Ludwig XIV. (1681 —1689) König von Frankreich 100, 110 Ludwig XVI. (1792—1793) König von Frankreich 185, 227, 228, 249 357

Mainzer Theodor (1806) Erwerber der Bender Mühle 322 Mallarme Francois Auguste (1811 —1814) Domänenverwalter 252, 292, 326 Martini Jakob Josef (1755 —1802) Apotheker, Schöffe, Adjoint 119, 129, 168, 194, 196, 200, 202, 208, 214, 217, 220, 257, 258, 260, 261, 276 Martini Wendelin (1674—1687) Gerichts- u. Stadtschreiber 126 Mauel Paulus (1747) Pfarrer 266 Max Emanuel v. Wittelsbach (1725) Kurfürst 172, 173 Max Franz v. Habsburg-Lothringen (1784—1797) Kurfürst-Erzbischof 166, 185-187, 197, 219, 220, 261, 263, 293, 295 Maximilian Friedrich v. Königsegg (1761 —1784) Kurfürst-Erzbischof 166, 167 Max Heinrich v. Wittelsbach (1665 —1688) Kurfürst-Erzbischof 32, 96, 99, 111, 127, 160 Mechin (1803-1804) Präfekt 236, 237, 281, 299 Meilmans Metza (etwa 1430) Bender Äbtissin 64 Meisner Daniel (1683) Schriftsteller 148 Meller Alexander (1622 —1651) Burbacher Hälfe, Schöffe 124 Meller Rudolf (1622 —1651) Palmersdorfer Hälfe, Siebener 124 Merian Matthäus (1646) Verleger und Stecher 150 Meuffeler (1796) Brassartshalfe 201, 256, 275, 332 Meyer Andreas (1816) Käufer des Burghofs 346 Meyer Valentin (1761)—1820 Gerber, Schöffe 119, 124, 129, 188, 196, 201, 209, 212, 217 Milser Peter 1676—1724 Gastwirt, Schöffe 124 Mirgelbach Adelheid (1575) Bender Nonne 69 Moll Henrich (1568) —1614 Notar, Gerichts- u. Stadtschreiber 125 Moll Michael (1614) Notar, Gerichts- u. Stadtschreiber 126 Mouton Georges (1810) General 309, 318 Müller Ignaz 1758 —1800 Kaufmann, Schöffe 118, 124, 129, 188, 196 Müller Jacob (1805) Vikar 243 Müller Johann Peter 1757—1832 Bierbrauer, Baumeister, Siebener 124, 229, 235, 267, 276, 287, 288, 320 Müller Peter (1791 —1797) Ackerer, Siebener 118, 129, 188, 217, 255 Murat Joachim (1806) Großherzog von Cleve-Berg 287 Nacken Johann Nikolaus (1801) Franziskaner 283, 284, 286 Napoleon Bonaparte (1799—1814) Kaiser 218, 219, 229, 232, 236, 239, 240, 243, 251-253, 262, 287, 290, 302, 304, 306, 317 Nettesheim Wilhelm (1652—1689) Bürger 138 Ningelgen Theodor (1750—1810) Burbacher Hälfe, Agent Municipal 201, 212, 213, 221, 225-227, 230, 258, 261, 267, 295-297, 299, 316 Ostler (1797) Forstinspektor 220 Osten Henrich (1806) Ersteigerer der Theismühle 322 Otto (1262 —1294) Pfarrer von Kendenich u. Merreche 21, 22, 25 Palmbusch Johann Josef (1798) Agent von Urfeld 226 358

Peffgen Paul (1726) Lucienhalfe 138 Peltzer Johann (1592) —1627 Schlosser, Siebener 113 Peters Caspar (1793 —1813) Lehrer 248, 263 Pfertzwey Nikolaus Josef (1801) Franziskaner 283 Philipp von Heinsberg (1169 —1185) Erzbischof 15, 21, 40 Pius VII. (1801 -1809) Papst 139, 232, 241, 340, 348 Plentz Peter (1740—1803) Schloßverwalter 94, 168, 269, 295, 299, 305, 309 Plucks Druda (1425 —1446) Bender Äbtissin 64, 76 Poncelet Francois (1801—1814) Schloßverwalter 269, 307, 308 Procureur J. F. (1796—1797) Kantonsverwalter 206-214, 257 de Prouvy Xavier (1807—1812) Steuereinnehmer 345 Pyreth Johann (1801) Chyrurgus 270 Raufftesch (1318) Brühler Burgmann 49 Recks Christine (1742) Schulschwester 134 Reinhard Carl Friedrich (1807—1809) Diplomat 169, 322, 332, 344, 345, 347 Reissinger Michel (1798 —1801) Schlosser 299 Reymann Joseph (1801) Wegegeld-Erheber 278 Rick Johann (1683—1689) Burggraf 94, 105, 107 Rieß Gottfried (1771) —1827 Kaufmann, Siebener 119, 124, 201, 209, 217, 230, 235, 252, 254, 276, 294, 332 Roidkin Renier (1730) Zeichner 154 Roist v. Werß Joh. Wilhelm (1688 —1690) Amtmann 103, 110 v. Roll Ignaz (1740—1761) Obristfalkenmeister 166, 184 Rolshausen Johann (1801) Franziskaner 283 Rolshoven Johann Georg (1766 —1799) Hälfe, Agent von Meschenich 225, 226, 260 Roos/Levi Jakob/Abraham (1758) —1835 Altwarenhändler = Levi Abraham Rosel Jean Baptiste (1798 —1811) Domänenverwalter 169, 238, 268, 283—288, 290, 292, 295, 296, 299-310, 313, 320, 332, 340-343 Rüdler F. J. (1797—1798) Regierungskommissar 221, 224, 249, 282, 297 Ruland Bernhard (1754) —1787 Apotheker, Schöffe 118, 124 Ruland Johannes (1663 —1687) Amtsförster, Schöffe 124 (von) Rungs Jakob (1672)—1697 Baumeister, Schöffe 124 Ruttenhach Christina (1512 —1541) Bender Äbtissin 65, 66, 70, 77 Sack Johann August (1814) Geh. Staatsrat 253 v. Saffenberg Wilhelm (1236) Edelherr 60 Salentin v. Isenburg (1569) Kurfürst-Erzbischof 68 Salomon (1197) Jude 80 v. Scampar Ludwig (1761) Domherr Dr. jur. utr. 170, 183 Schaaffhausen Abraham (1798 —1818) Bankier Köln 168, 327, 343, 344 Schaffer Derich (1743) Besitzer des Bohlenguts 43 v. Schall Clemens August (1794) Eigentümer der Schallenburg 190, 331 Schall v. Bell Wilhelm Josef (1687) Amtmann 110 Schallenberg Peter (1795) Ratsbote 195 359

Scheben Tilman (1697)-1711 Schöffe 124 Schenk Jakob (1586) Schöffe 119 Schenk v. Nideggen Martin (1587) Landsknechtsführer 72 Schieffer Johann 1736 —1789 Ackerer, Schöffe 124 Schieffer Peter (1801) Ackerer, Conseiller Municipal 201, 254 Schieffer Philipp (1801) Franziskaner 283 v. Schiller (1730) Geh. Hofrat, Kriegs- u. Baukommissar 164 Schlieff Andreas (1801) Franziskaner 283 Schiller Joseph (1808) Lehrer 244 Schloßmecher Johann = Peltzer Johann Schmal Lucchesius (1783) Franziskaner 243 Schmitt Johann (1551 —1591) Schmied, Schöffe 125 Schmitt Matheis (1606—1627) Schöffe 125 Schmitz Franz Werner 1776—(1821) Notar, Friedensrichter 139, 247, 253, 282, 283, 288, 291, 343, 346 Schmitz Matheis (1645)—1662 Ackerer, Schöffe 125 Schmölders Peter (1731) —1752 Falkenlust-Verwalter 165, 167, 180, 184 Schnock Johann Franz (1801) Franziskaner 283, 284 Scholl Adam Josef (1776 —1845) Arzt Dr. med., Bürgermeister 255, 265 Scholl Carl (1807) Kaufmann Köln 319, 323, 344 Schopen Martin (1795 —1799) Ackerer Schwadorf, Schöffe, Agent Mun. 189,194,226 Schrils Constantin (1699—1722) Beichtiger in Benden 57, 65, 66, 74 Schröder Georg (1667) —1697 Wirt, Schöffe 125, 127 Schuppen Severus (1798)—1835 Franziskaner 282, 283, 284, 291 Schug Johann Caspar (1803 —1812) Schuldirektor 246, 248 Schugt Georg (1787—1812) Lehrer 244, 248 Schumacher Johann u. Gerhard (1803 —1812) Lehrer 247, 248 Schurff Peter (1796 —1801) Cäcilianerhalfe 201, 280 Scolniovsky Henrich Andreas (1801) Franziskaner-Guardian 282—284 Seidlitz Gabriel Ignaz (1748-1832) Kaufmann 196, 212, 213, 221, 229, 235, 258, 268, 287, 288, 320, 332 Seron Wilhelm (1725) —1753 Fuhrunternehmer, Gastwirt, Siebener 125 Siegfried v. Westerburg (1275 —1288) Erzbischof 22—25, 49, 60, 117, 349 Simon (1800-1802) Präfekt 230, 232, 299 Soult Nicolas 1769-1851 Marschall 211-213, 238, 305, 309 Sourdis (1688 —1689) Generalleutnant 100, 101 v. Sponheim Johann (1320) Burggraf in Brühl 52 Spürck Eberhard (1794) Pächter der Schallenburg 189, 190, 331 Stein Arnold Josef (1789—1801) Lehrer, Stadtschreiber 127, 194, 195, 242, 278 Stemmeier Jakob (1716)—1763 Stadtmüller, Schöffe 125 Sürdt Johann (1685)—1737 Sioniterhalfe, Schöffe 125 Sürth/David Philipp (1788 —1801) Judenkantor 85, 90, 91, 249, 251 Sybertz (1801 —1803) Unterpräfekt 232, 234 360

Tampier Henrich (1690) Falkner 161 Thenhaven Ägidius (1798 —1801) Chyrurgus 268 Thenbaven Johann (1801) Chyrurgus 268 Tuchscherer Martin (1656—1679) Burggraf 83, 94 Unbescheiden Dietrich (1452) Ritter, Vogt von Palmersdorf 32 Unbescheiden Goddert (1384) Ritter, Vogt von Palmersdorf 32 Ungenade Johann (1318) Brühler Burgmann, Schöffe 49, 55 Ungenade Wilhelm (1318) Brühler Burgmann, Schöffe 49, 55 Vaytz Peter (1511 —1534) Schöffe 125 (von) Vernich Hilger (1605 —1639) Burbacher Hälfe, Siebener 125 Verpoorten Wilhelm (1801) Franziskaner 283 Vinhoven Johann (1652) kurf. Kellner 48 Vogel Johannes Philippus Neri Maria (1773) Hofrat 96, 169 Vosmar Christian (1703) —1743 Siebener 125 Vundengut Gobelin (1318) Brühler Burgmann, Schöffe 55 Vundengut Winand (1318) Brühler Burgmann, Schöffe 55 v. Walbott-Bornheim Clemens August (1774)—1793 Amtmann 259 v. Walbott-Bornheim Johann Jakob (1725) Ritterschafts-Direktor, Amtmann 162 v. Walbott-Bornheim Max Friedrich (1793 —1803) Amtmann, Präsident der Assemblee Cantonale 119, 217, 259, 266 Wandel Mathias (1801) Franziskaner 283 Warffengil Arnold (1318) Brühler Burgmann, Schöffe 49, 54, 55 Wann (980) Erzbischof 20 Weisser Johann d. Ä. (1734)—1760 Lucienhalfe 138 Weisser Johann d. J. (1760 —1801) Lucienhalfe 138, 217, 271, 299 Weisser Sebastian (1778 —1801) Schreiner 129, 274 Weisweiler Heinrich 1709—1774 Stadtschreiber, Siebener 125, 127 Weisweiler Johann 1686 —1771 Notar, Stadt- u. Gerichtsschreiber, Schöffe 127 Weisweiler Johann Joseph (1795 —1796) Priester 201 Weisweiler Peter 1689—1778 Wirt u. Hufschmied, Siebener 125 Weisweiler Peter Josef (1817) Gastwirt 332 v. Werth Henrich (1724—1725) Falkenmeister 162, 172, 174 Weyhe Joseph (1801 —1811) Kunstgärtner 280, 306 Widelfeld Johann Adam (1801) Franziskaner 283 Wikbold v. Holte (1302 —1304) Erzbischof 23, 26, 49 Wikfnd (929—941) Erzbischof 20, 160 Windt Hermann Josef (1807) Pfarrverweser Schwadorf 234 Winterich Heinrich (1665) Pfarrer 127 Wiskirchen Tilman (1798 —1806) Lucienhalfe 138, 321 Wolff Georg (1620—1640) Schöffe 125 Wolff Gerhard (1608 —1622) Siebener 125 Wolff Johann (1524—1550) Duppenbecker, Schöffe 125 Wolff Johann (1570) —1629 Schöffe 125 361

Wolff Peter (1575—1606) Schultheiß, Hofkellner u. Hausschenk 137, 140 Wolff Peter (1799—1801) Gerichtsbote 229, 275 Wollersheim Johann Wilhelm (1726)—1742 Schultheiß u. Schöffe 125 Wolseiffer Arnolt (1798) Agent von Hemmerich 225 von Wylich Quirin (1525) Generalvikar 65 Zaaren Franz Jakob 1772—1829 Notar, Maire, Bürgermeister 229, 233, 234, 236, 241, 243-248, 250, 252, 255, 261, 263, 265, 267, 275, 284-286, 290, 300, 322, 323, 326, 338, 343, 347 Zerres Zachäus (1791 —1798) Oberkellner, Maire 84, 194, 195, 199, 214, 221, 298 Zier Johann Joseph (1795—1801) Faßbinder 269 Zilliken Reiner (1801) Uhrmacher 272 Zimmermann Peter (1801) Franziskaner 283 Zöpffel Andreas (1725)—1734 Reiherwärter 175, 180 v. Zudendorf-Fischenick Conzo (1440) Ritter 76 v. Zudendorf Gerhard (1269) Vogt von Palmersdorf 32 v. Zweiffel Eberhard (1452) Herr zu Palmersdorf 32 v. Zweiffel Maria Margaretha, geb. Bawyr v. Frankenberg, und Philipp Wilhelm verkaufen 1680 den Palmersdorfer Hof 32

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Weitere Veröffentlichungen des Verfassers zur Brühler Geschichte Auswahl

Aufsätze Ein sudetendeutscher Künstler (J. G. Sandtner) als Brühler Bürger. BHB 1951,6 Die „Revolution im Rathaus“ anno 1717. BHB 1951,13 Die alten Kirchenbücher der Pfarrei St. Margareta zu Brühl. BHB 1156,39 Um die Comesstraße in Brühl. BHB 1957,7 Die alten Badorfer Klüttengruben. BHB 1957,25; 1959,4 Der Bödinger Hof in Brühl. BHB 1957,34 Vom Schulwesen im alten Brühl. BHB 1958,25; 1959,1,9 Die Vochemer Freilassungsurkunde vom Jahre 1200. BHB 1959,20 Um den ältesten Brühler Friedhof. BHB 1960,2 Vom Rodderhof und seiner Klüttenkaule. BHB 1960,17 Zur Entstehung des Brühler Gemeindegebiets. BHB 1962,18,26; 1963,2,14,27; 1964,3 Vom Hause „Zum Stern“. BHB 1963,18 Vom Hause „Zum Schwan“. BHB 1963,22 Um das Hessenkreuz. BHB 1963,31 Was alte Steuerakten erzählen können (Analyse des Akzise- und Wegegeld-Aufkom­ mens in den Jahren 1618—1649 und 1717—1747). BHB 1964,5 Das Fahnenweihe- und Knappenfest der Gewerkschaft Roddergrube 1887. BHB 1965,5 Zur Geschichte von Badorf. BHB 1965,8,17,22,31 Zur Geschichte der St. Sebastianus-Bruderschaft in Brühl. BHB 1966,10,26 Erinnerung an Gustav Wegge. BHB 1967,2 Der Palmersdorfer Hof. BHB 1967,14 Vom alten Vochem. BHB 1967,29 Wie die ersten Bayern nach Pingsdorf kamen. BHB 1968,10 Mozart auf der Reise - in Brühl. BHB 1968,37 Was wissen wir von Merreche? BHB 1969,1 Hoggendorf. BHB 1969,21 Die erste wissenschaftliche Beschreibung rheinischer Braunkohlengruben. BHB 1970,1,15 Grube Berggeist. BHB 1971,30; 1972,2 Grube Maria Glück. BHB 1972,9,19,30 Grube Brühl. BHB 1973,3,11 Clemens August und die St. Sebastianus-Schützen. BHB 1975,21 Die alte Brühler Stadtbefestigung. BHB 1977,1,9,17 Wo lag der Siedlungskern von Alt-Brühl? MBG 1977,7 Um das Haus „Zur Luhrdanne“. MBG 1978,24 Brühl und der letzte Kurfürst von Köln. MBG 1978,28 363

Das „Hospitälchen“. MBG 1978,30 Die „uralten“ Brühler Familien. MBG 1978,43 Die alten Brühler Mühlen. MBG 1982,76,79 Böningergasse oder Bödingergasse? MBG 1983,92 Um das „Kreuz vor dem Kölntor“. MBG 1983,116 800 Jahre Geschichte eines Grundstücks (Galerie am Schloß). BHB 1984,1 Vom alten Brühler Rathaus. BHB 1984,9,19,30 Vom Burbacher Hof zum Belvedere-Parkplatz. BHB 1985,3 Alte Brühler Hausnamen. BHB 1987,1,14

Schriften Von Klütten und Briketts. 1. Aufl. Weiden 1964, 2. Aufl. Brühl 1980 Quellen zur Brühler Geschichte, hrsg. von der Stadt Brühl: I. (1979) Bender Urkundenbuch. II. (1984) Das Altarchiv der Pfarrei Schwadorf. III. (1984) Der Bestand „Französische Zeit“ des Archivs der Stadt Brühl. IV. l (1984) Brühler Regesten Bd. I 929 —1499, 2. Aufl. 1986 IV.2 (1985) Brühler Regesten Bd. II 1500-1798, 2. Aufl. 1987 Das alte Brühler Stadtrecht von 1285, Brühl 1985, Bd. 5 der Schriftenreihe zur Brühler Geschichte.

Unveröffentlicht (Manuskript im Archiv der Stadt Brühl) Brühler Urkundenbuch. 290 Volltexte aus den Jahren 929 bis 1807.

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In einen Rahmen von zwölf Jahrhunderten ist dieses Mosaikbild einer kurkölnischen Stadt eingespannt. Es reicht von den Zeiten des heiligen Bischofs Kunibert bis zum Ende der französischen Zeit im Jahre 1814. Zahllose Mosaiksteinchen veranschaulichen bemerkenswerte Epochen und Alltags-Begebenheiten der Brühler Geschichte. In vielen spiegelt sich Landesgeschichte - Brühl war 100 Jahre lang Landeshauptstadt - und in manchen sogar Reichs­ geschichte. Vor allem die französische Zeit wird ausführlicher als in anderen rheinischen Stadtgeschichten geschildert. Mehr als 900 Anmerkungen beweisen, daß nichts romanhaft erdichtet wurde, sondern jede Einzelheit wissenschaftlich zuverlässig aus Urkunden und Akten entnommen worden ist, von denen die meisten bisher unausgewertet waren.

ISBN 3-7927-0893-0