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German Pages 296 Year 2018
Schriften zum Prozessrecht Band 245
Bürgerlich-rechtliche Generalklauseln als Schranken der Rechtsausübung in der Zwangsvollstreckung Von Alexander Schmitt-Kästner
Duncker & Humblot · Berlin
ALEXANDER SCHMITT-KÄSTNER
Bürgerlich-rechtliche Generalklauseln als Schranken der Rechtsausübung in der Zwangsvollstreckung
Schriften zum Prozessrecht Band 245
Bürgerlich-rechtliche Generalklauseln als Schranken der Rechtsausübung in der Zwangsvollstreckung
Von Alexander Schmitt-Kästner
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen hat diese Arbeit im Jahr 2017 als Dissertation angenommen.
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Alle Rechte vorbehalten
© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-15344-2 (Print) ISBN 978-3-428-55344-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-85344-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 durch den Fachbereich Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen als Dissertation angenommen. Nachweise aus Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis Juli 2017 berücksichtigt werden. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wolf-Dietrich Walker. Er hat den Anstoß zum Thema dieser Arbeit gegeben und mir bei der inhaltlichen Ausgestaltung und Schwerpunktsetzung viele wertvolle Freiheiten gelassen. Die Assistentenzeit an seiner Professur war aus fachlicher Sicht sehr lehrreich und förderlich für das Gelingen der Arbeit. Aber auch das persönliche Miteinander hat zu einer durchweg angenehmen Arbeitsatmosphäre beigetragen, aus der sich immer wieder neue Motivation schöpfen ließ. Herzlich danken möchte ich darüber hinaus Herrn Prof. Dr. Jens Adolphsen. Sein außerordentlicher Einsatz hat es möglich gemacht, das Promotionsverfahren noch im Sommersemester 2017 zum Abschluss zu bringen. Zu großem Dank verpflichtet bin ich auch Frau Anke Hunger für ihre wertvollen Korrekturarbeiten. Ihre gewissenhafte Durchsicht des Manuskripts war eine große Hilfe. Nicht unerwähnt bleiben sollen zudem die gewinnbringenden Gespräche mit den Kollegen an der Professur. Auf diese Weise ließ sich so manche Idee fortentwickeln. Der Diskurs half aber auch, sich nicht in abseitigen Gedanken zu verlieren. Großer Dank gebührt des Weiteren meinen Eltern, die mich auf meinem gesamten bisherigen Weg in vielfacher Weise unterstützt haben. Ihnen widme ich diese Arbeit. Schließlich möchte ich mich besonders bei meiner Frau Sophie bedanken. Sie hat mich stetig motiviert und mir vor allem in der Abschlussphase der Arbeit viel Freiraum verschafft. Limburg a. d. Lahn, im August 2017
Alexander Schmitt-Kästner
Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einführung
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§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Hinweis auf den Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Teil Grundlagen
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§ 3 Generalklauseln als Schranken der Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriff und Hintergrund der Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anwendungsdirektiven und Konkretisierungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsdirektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbot einer reinen Billigkeitsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderes Begründungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkretisierungsbedürfnis und Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . C. Wirkungsweise als Rechtsausübungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff der Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begrenzung der Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Schikaneverbot (§ 226 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verbot sittenwidriger Rechtsausübung (§§ 138, 826 BGB) . . a) Das sittenwidrige Rechtsgeschäft (§ 138 BGB) . . . . . . . . . . . . . b) Die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) . . . . . c) Das allgemeine Verbot sittenwidriger Rechtsausübung . . . . . . . 3. Das Verbot treuwidriger Rechtsausübung (§ 242 BGB) . . . . . . . . . 4. Abgrenzung der einzelnen Schranken voneinander und ihr Verhältnis zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 4 Die Geltung der Rechtsausübungsschranken im Zwangsvollstreckungsrecht A. Anwendbarkeit der Missbrauchsschranken im Vollstreckungsrecht . . . . . . . I. Das Schikaneverbot (§ 226 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verbot sittenwidriger Rechtsausübung (§§ 138, 826 BGB) . . . . . 1. Das sittenwidrige Rechtsgeschäft (§ 138 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 2. Die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) . . . . . . . . Das Verbot treuwidriger Rechtsausübung (§ 242 BGB) . . . . . . . . . . . . 1. Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschriebener Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfordernis einer Sonderverbindung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erheblichkeit der Kontroverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Antragsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eingriffsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vollstreckungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verhältnis zu Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme zum Erfordernis einer Sonderverbindung . . 2. Historische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Konkurrenzverhältnis zu speziellen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften und Kollision mit verfahrensrechtlichen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Generalklausel des § 765a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des Gläubigers oder anderer Verfahrensbeteiligter . . . . . . . . 2. Schuldnerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutungsgehalt des § 765a ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkurrenzverhältnis zu den bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrenzverhältnis zum Rechtsmissbrauchsverbot . . . . . . . . . . . III. Grundsatz der Formalisierung im Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . IV. Institut der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.
§ 5 Die Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Formalisierungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine inhaltliche Prüfung des Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Prüfung der dinglichen Zuordnung des Vollstreckungsobjekts . . B. Hintergrund des Formalisierungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Aufweichungen des Grundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40 42 43 43 43 43 44 44 44 45 46 46 47 47 48 49 50 51 51 52 52 53 55 55 56 57 59 60 61 63 64 64 64 65 66 67
Inhaltsverzeichnis Evidenzkontrolle der dinglichen Zuordnung des Vollstreckungsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausnahmsweise inhaltliche Prüfung des Vollstreckungstitels bei der Vollstreckung nach § 887 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prüfung materiell-rechtlicher Voraussetzungen bei der Anwendung vollstreckungsrechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckung einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung (§ 756 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pfändung körperlicher Sachen bei Gewahrsam eines Dritten (§ 809 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unpfändbarkeit von Zubehör (§ 865 Abs. 2 S. 1 ZPO) . . . . . . . . . . 4. Unpfändbarkeit mangels Übertragbarkeit (§ 851 ZPO) . . . . . . . . . 5. Vollstreckungsschutzanträge (§ 765a ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Konsequenzen für die Kompetenz zur Prüfung der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kein Absehen vom Vorliegen eines Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . . II. Ausnahmsweise inhaltliche Korrektur des Titels? . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prüfungskompetenz bei der missbräuchlichen Ausübung vollstreckungsrechtlicher Verfahrensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzierung zwischen Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsgericht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I.
§ 6 Die Interessenverteilung im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Interessen des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Interessen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Interessen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Eingriffe in die Rechtsstellung eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutz der an einem Grundstück Berechtigten im Zwangsversteigerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz des Drittschuldners bei der Forderungspfändung . . . . . . . . . . . D. Öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ausgleich der verschiedenen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Teil Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung § 7 Vollstreckungsmaßnahmen ohne berechtigtes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Schikanöse Teilvollstreckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erhebliche Differenz zwischen Gesamtforderung und Teilbetrag . . . .
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Inhaltsverzeichnis II. Mehrfache Wiederholung von Teilvollstreckungen . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wiederholte Vorpfändungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Mutwillige Teilungsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bezugspunkt des Rechtsmissbrauchsverbots als Differenzierungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Missbrauchseinwand gegen Verfahren der Teilungsversteigerung . . 2. Missbrauchseinwand gegen Aufhebungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . D. Überflüssiges Vermögensauskunftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Schikanöses Nachbesserungsverlangen zur Vermögensauskunft . . . . . . . . . . F. Zwecklose Immobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Nutzlosigkeit der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erlöschen des Rechts bei Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aussichtslose Verwertung für nachrangigen Gläubiger . . . . . . . . . . . . . H. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 8 Einsatz der Zwangsvollstreckung als unzulässiges Druckmittel . . . . . . . . . . A. Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft und Erzwingungshaft als Druckmittel zur Forderungseintreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand zum Offenbarungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage seit Einführung des Vermögensauskunftsverfahrens . . II. Erzwingungshaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Missbrauch befürwortende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wiederholte Anberaumung von Versteigerungsterminen als Druckmittel zur Forderungseintreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einsatz eines Herausgabetitels zur Beitreibung einer auf Zahlung gerichteten Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nicht titulierte Zahlungsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verknüpfung von Herausgabeanspruch und Zahlungsforderung durch Parteivereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Titulierte Zahlungsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reaktion des Gerichtsvollziehers auf missbräuchliche Anträge . . . . . . IV. Behandlung beschränkter Vollstreckungsanträge auf Herausgabe . . . . D. Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens als Druckmittel zur Forderungseintreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zahlungsdruck durch wiederholte Einstellungsbewilligungen in mehreren Einzelzwangsversteigerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis § 9 Vollstreckungsmaßnahmen mit untergeordnetem Interesse . . . . . . . . . . . . . A. Vollstreckung von Bagatellforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vollstreckung in bewegliches Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit der Vollstreckung als solcher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfordernis vorheriger Androhung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulässigkeit bestimmter Vollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . 4. Auswirkungen auf die Notwendigkeit der anfallenden Vollstreckungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vollstreckung in unbewegliches Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vollstreckung zur Unzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Taschenpfändung während der Hochzeitsfeierlichkeiten . . . . . . . . . . . II. Vollstreckung eines Haftbefehls an Feiertagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Berufen auf geringfügigen Fehlbetrag bei der Drittablösung in der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vermögensauskunft im Rahmen der Sicherungsvollstreckung trotz ausreichender Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Widersprüchliche Vollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Widersprüchliches Verhalten im Zusammenhang mit einer Zahlungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fortsetzung der Vollstreckung trotz widerspruchsloser Entgegennahme von Teilzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fortsetzung der Vollstreckung trotz längerer Hinnahme eines Zahlungsrückstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Widersprüchliches Verlangen nach Abgabe der Vermögensauskunft . . . . . . C. Beitreibung von Verzugszinsen nach Zurückweisung einer zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleisteten Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Vorteilsverschaffung auf Kosten anderer Verfahrensbeteiligter . . . . . . . . . . A. Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erschleichen eines Pfändungsvorrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfängliche Unpfändbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erschlichene öffentliche Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausforschungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Linie der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansicht des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwangsversteigerungsgebote ohne Erwerbswillen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigengebote durch Gläubigervertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis b) Kritik des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebote durch auf Veranlassung des Gläubigers handelnde Dritte . . 4. Rechtliche Konsequenzen eines wegen Rechtsmissbrauchs unwirksamen Gebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Pfändung von Entschädigungsansprüchen wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Negative Bietabkommen und Zuzahlungsvereinbarungen in der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Negative Bietabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zu Ausbietungsgarantien und -verträgen . . . . . . . . b) Sittenwidrigkeit negativer Bietabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuzahlungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen sittenwidriger Bietabreden und Zuzahlungsvereinbarungen für die Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksamkeit des Meistgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Negative Bietabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuzahlungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingreifen eines Zuschlagsversagungsgrundes . . . . . . . . . . . . . . VI. Schlechtmachen des Versteigerungsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Titelmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckung aus unrichtigen Urteilen und Vollstreckungsbescheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Klage nach § 826 BGB zur Durchbrechung der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkurrenzverhältnis zu den §§ 580 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . d) Voraussetzungen der Klage nach § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unrichtigkeit des Titels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kenntnis des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorliegen besonderer Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vollstreckung aus Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besonderheiten bei Vollstreckungsbescheiden . . . . . . . e) Anwendbarkeit der Regelungen des Restitutionsrechts auf die Klage nach § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erfordernis strafgerichtlicher Verurteilung (§ 581 ZPO) und Anwendbarkeit der Fristenregelungen (§ 586 ZPO)? . . bb) Versäumte Verteidigung gegen Verurteilung im Vorprozess (§ 582 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtskräftige Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143 144 146 147 147 147 148 150 150 150 151 152 153 153 153 154 154 156 157 158 158 160 162 163 163 164 164 164 166 167 167 168 168
Inhaltsverzeichnis
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(2) Rechtskräftige Vollstreckungsbescheide . . . . . . . . . . . . 2. Andere Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckbare Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuschlagsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Pfändung eines Regressanspruchs wegen anwaltlicher Pflichtverletzung bei Vollstreckung aus einem unrichtigen Titel . . . . . . . . . . . . . . . IX. Einstellungsbewilligung zur Ausschaltung konkurrierender Bieter . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Vollstreckung unter Ausnutzung einer durch Bruch des Bankgeheimnisses in Erfahrung gebrachten Pfändungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . XI. Doppelbefriedigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung des LAG Nürnberg vom 23.2.2005 . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung des OLG Hamm vom 29.11.2011 . . . . . . . . . . . . . . . XII. Fortsetzung der Vollstreckung ohne vorherige Abrechnung . . . . . . . . . XIII. Verlangen einer symbolischen Sicherheitsleistung in der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erwerb schuldnerfremder Sachen in der Versteigerung . . . . . . . . . . . . 1. Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Analogie zu § 1244 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Versagung des Eigentumserwerbs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rückübereignungsanspruch nach § 826 BGB . . . . . . . . . . . c) Sonderfall: Gläubiger als Ersteher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berufung auf Berechtigung am Grundstück erst im Beschwerdeverfahren gegen Zuschlagsversagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umgehung der Pflicht zur erhöhten Sicherheitsleistung bei Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot an den Schuldner . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169 170 171 171 172
§ 12 Verschleppung oder Vereitelung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vereitelung oder Verzögerung der Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zustellung des Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensrechtliche Regelung der Zustellung . . . . . . . . . . . . . . b) Verbleibende Fälle missbräuchlicher Zustellungsverzögerung bzw. -vereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Annahmeverweigerung bei Zustellung nach § 175 ZPO . .
192 192 192 192 193
172 173 174 174 175 177 177 177 179 180 182 183 183 183 183 184 184 185 186 186 189 190
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Inhaltsverzeichnis bb) Verhinderung der Zustellungsfiktion bei verweigerter Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anschein des Vorhandenseins einer Wohnung oder eines Geschäftsraums bei der Ersatzzustellung nach § 178 ZPO . . dd) Missbräuchliches Berufen auf Nichtvorliegen der Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Missbräuchliche Vereitelung der Heilung eines Zustellungsmangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kriterien für die Lösung offener Fälle über § 242 BGB . . . . . . aa) Heranziehung der im materiellen Recht entwickelten Grundsätze zur Zugangsvereitelung von Willenserklärungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Missbräuchliche Aushebelung der prozessualen Zustellungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Fälle vereitelter oder verschleppter Zustellung . . . . . . . . . . a) Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses . . . . b) Zustellungserfordernisse im Rahmen der Immobiliarvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Amtsniederlegung vor der Vermögensauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Missbräuchliche Berufung auf Einwendungen gegen die Vollstreckung mit der Klage nach § 767 ZPO (analog) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwirkung der Einwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rein formal bestehende Einwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichtung des Schuldners zur Neubegründung einer erloschenen Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berufung auf Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung trotz vertraglicher Verpflichtung zur Unterwerfung . . . . . . . . . . c) Offenkundiges Redaktionsversehen bei Vergleichsprotokollierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schikanöses Berufen auf Unmöglichkeit der Gegenleistung bei Zug-um-Zug-Verurteilung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unbillige Inanspruchnahme des pauschalierten Pfändungsfreibetrags V. Verzögernde Anträge im Zwangsversteigerungsverfahren . . . . . . . . . . 1. Missbräuchliche Befangenheitsanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Missbräuchliche Vollstreckungsschutzanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vollstreckungsabwehrklage wegen im Titel enthaltener verjährter Grundschuldzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses . . 3. Übertragung der Rechtsprechung zu wiederkehrenden Unterhaltsleistungen auf die Vollstreckung aus Grundschuldurkunden mit teilweise verjährten Zinsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
195 195 196 197 197
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Inhaltsverzeichnis 4. Urteil des BGH vom 21.10.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verzögerte Ausübung eines Gestaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Verschleppung des Ordnungsmittelverfahrens zur Herbeiführung des Verjährungseintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Nachträgliches Herbeiführen der Unpfändbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Pfändbarkeit . . . . 2. Arglisteinwand bei missbräuchlichem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweislastumkehr zu Lasten des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einschränkungen wegen der sozialpolitischen Dimension des § 811 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Vollstreckungsvereitelnde Gewahrsamsverschiebung . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewahrsam des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Scheingewahrsam“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besitzdienerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formalisierung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot titelloser Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anderweitige Vollstreckungsmöglichkeiten für den Gläubiger . . . XI. Vereitelung der Räumungsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reaktion des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik an der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschränkter Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortlaufende Besitzeinräumungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unbekannte Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfahrensverzögernde Rechtsbehelfe gegen die einstweilige Räumungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lösungsmöglichkeiten de lege lata und de lege ferenda . . . . . . . . . a) Besitzrechtlicher Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Heranziehung von § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Generell titellose Vollstreckung in Missbrauchsfällen . . . . bb) Titellose Vollstreckung bei nicht ermöglichter Identitätsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wohnungsbezogener Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Räumungstitel gegen „Unbekannt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Streichung des Anhörungserfordernisses in § 940a Abs. 4 ZPO f) Unterlassungsverfügung gegen den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . g) Einstweilige Verfügung auf Auskunftserteilung . . . . . . . . . . . . . h) Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 940a Abs. 2 ZPO
17 217 218 219 221 221 223 223 224 225 226 226 227 227 229 230 230 231 232 232 233 234 234 234 235 235 236 236 237 237 239 240 241 243 243 245 245
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Inhaltsverzeichnis 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Widerruf der Einwilligung in die Wohnungsdurchsuchung aus Gründen der Verfahrensverzögerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsorgliche Durchsuchungsanordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Annahme von Gefahr im Verzug? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unbeachtlichkeit des Widerrufs wegen Missbräuchlichkeit? . . XIII. Antrag auf Einstellung der Versteigerung wegen Übererlöses bei vorheriger Bereitschaft zur Verwertung sämtlicher Gegenstände . . . . . 1. Problemlage und Ansicht des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teilweise Vollstreckungsvereitelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verzicht auf den Schutz des § 818 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Widersprüchliches Verhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Verweigerung des Verzichts auf Einzelausgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einstellungsbewilligung zur Verfahrensverzögerung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wiederholte Einstellungsbewilligung im Zwangsversteigerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wiederholte Einstellungsbewilligung im Teilungsversteigerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Missbräuchliches Verlangen nach Feststellung abweichender Versteigerungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Selektive Grundpfandrechtsablösung zur Verhinderung der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Missbräuchliche Drittwiderspruchsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausnutzen einer rein formalen Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berufen auf durch unerlaubte Handlung erworbenes Interventionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenständliche Haftung des Vollstreckungsgegenstands oder persönliche Mithaftung des Dritten für die Vollstreckungsforderung . . a) Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bessere Rechtsstellung des Gläubigers am Vollstreckungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mithaftung des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wirtschaftliche Identität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Problem der titellosen Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen der berechtigten Inanspruchnahme des Dritten . . . . . . II. Meistgebote in der Zwangsversteigerung ohne Zahlungswillen oder Zahlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245 246 246 247 247 248 248 249 249 250 250 250 250 251 253 253 253 255 256 257 258 258 258 259 260 260 260 261 261 262 263 264
Inhaltsverzeichnis
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1. Verfahrensverschleppung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorteilsverschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Urteil des OLG Celle vom 30.11.2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urteil des OLG Naumburg vom 16.1.2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264 265 265 266 267
Vierter Teil Zusammenfassung der Ergebnisse
271
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
Erster Teil
Einführung § 1 Einleitung Das Vollstreckungsverfahren dient der zwangsweisen Forderungsdurchsetzung und damit dem Befriedigungsinteresse des Gläubigers. Dem Gläubiger stehen als Herr des Verfahrens zahlreiche Verfahrensinstrumente zur Verfügung. Er kann in den durch das Verfahrensrecht gezogenen Grenzen über den Ablauf der Vollstreckung disponieren. Dieser Rechtsmacht des Gläubigers sieht sich der Schuldner ausgesetzt. Aus seiner Sicht ist die Zwangsvollstreckung vor allem lästig, unter Umständen kann sie sogar existenzbedrohenden Charakter haben. Das Verfahrensrecht sieht daher zugunsten des Schuldners vielfältige Schutzregelungen und Verteidigungsmittel vor. Selbst außenstehenden Dritten werden durch die ZPO Rechte gewährt, wenn sie von der Vollstreckung betroffen sind. Das kann etwa der Fall sein, wenn in einen dem Dritten gehörenden Gegenstand vollstreckt wird. Aber auch als Drittschuldner kommen einem Dritten bestimmte Rechte zu. Räumt das Gesetz einer Person ein Recht ein, so besteht jedoch immer die Gefahr, dass es zu einer unredlichen, nicht schutzwürdigen Ausübung dieser Rechtsmacht kommt. In jedem Rechtsgebrauch kann auch ein Rechtsmissbrauch liegen. Deshalb verwundert es nicht, dass Rechte in der Zwangsvollstreckung gleichermaßen anfällig für eine missbräuchliche Ausübung sind. Praktische Beispiele belegen diesen Befund: Beauftragt der Gläubiger den Gerichtsvollzieher mit einer Taschenpfändung beim Schuldner, so stellt sich die Frage einer unzulässigen Rechtsausübung, wenn der Gläubiger sich dafür bewusst den Tag der Hochzeit des Schuldners aussucht. Droht der Gläubiger dem Schuldner wiederholt mit der Vollstreckung eines Titels, der auf Herausgabe einer Sache gerichtet ist, um in Wahrheit Druck auf den Schuldner auszuüben, eine noch nicht titulierte Zahlungsforderung zu begleichen, ist ebenfalls an einen unzulässigen Gebrauch eines Verfahrensrechts zu denken. Hat der Gläubiger mit Erfolg eine Sache des Schuldners pfänden lassen, führt dieser aber noch vor ihrer Verwertung die Unpfändbarkeit der Sache herbei, ist zu überlegen, ob dem Schuldner die Berufung auf die Unpfändbarkeitsvorschriften wegen Rechtsmissbrauchs zu versagen ist. Die Frage einer unzulässigen Vereitelung der Räumungsvollstreckung stellt sich, wenn der Schuldner an den herauszugebenden Räumlichkeiten weiteren Personen Besitz verschafft, gegen die der Gläubiger bislang keinen Räumungstitel erwirkt hat. Erwirbt ein Dritter im Wege der öffentlichen Versteigerung Eigentum an einer gepfändeten Sache, von der er weiß, dass sie nicht dem Schuldner gehört,
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1. Teil: Einführung
scheint ebenfalls ein korrigierendes Eingreifen angezeigt. Schließlich stößt es auf Bedenken, wenn ein Dritter im Zwangsversteigerungsverfahren ein Meistgebot abgibt und auch den Zuschlag erhält, er aber weder bereit noch in der Lage ist, die geschuldete Zahlung zu leisten. Die Beispiele verdeutlichen, dass der Gebrauch von Rechten im Vollstreckungsverfahren in ganz unterschiedlicher Weise die Frage nach Missbrauch aufwirft. Als missbräuchlich Agierende kommen nicht nur die unmittelbar am Verfahren Beteiligten, nämlich Gläubiger und Schuldner, in Betracht, sondern auch Dritte. Das Problem ist außerdem nicht auf bestimmte Verfahrensarten oder Verfahrensstadien beschränkt, sondern betrifft den gesamten Bereich der Zwangsvollstreckung. Das Missbrauchspotential im Vollstreckungsrecht lässt sich zu einem großen Teil darauf zurückführen, dass sehr unterschiedliche Interessen miteinander kollidieren und die vom Verfahrensrecht vorgesehene Lösung dieser Interessenkonflikte nicht immer auf die Akzeptanz aller Verfahrensbeteiligten stößt, weshalb sie versuchen, verfahrensrechtliche Vorgaben zu umgehen oder Rechte zweckentfremdet auszuüben. Hinzu kommt die mitunter große wirtschaftliche Bedeutung der Zwangsvollstreckung, wenn es um die Realisierung der gläubigerseitigen Forderung geht. Aber auch für den Schuldner kann die Vollstreckung immense wirtschaftliche Folgen haben, wenn man nur an die Zwangsversteigerung von Grundvermögen denkt. Eine Rechtsausübung, die im weiteren Sinne missbräuchlich ist, weil sie entweder gegen die guten Sitten verstößt, dem Grundsatz von Treu und Glauben zuwider läuft oder sogar als Schikane anzusehen ist, unterliegt der Begrenzung durch die bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln. Da es sich dabei um Normen des materiellen Rechts handelt, wirft ihre Heranziehung im Verfahrensrecht, konkret im Vollstreckungsrecht, aber in mehrfacher Hinsicht Fragen auf. Anders als im Erkenntnisverfahren bleiben im Vollstreckungsverfahren nämlich materiell-rechtliche Fragen im Grundsatz außen vor, da der vollstreckbare Titel den Vollstreckungszugriff legitimiert. Das gesamte Verfahren ist vielmehr stark formalisiert. Es stellt sich deshalb die Frage nach der Anwendbarkeit der materiell-rechtlichen Generalklauseln, und Kollisionsprobleme mit vollstreckungsrechtlichen Normen und Prinzipien müssen gelöst werden. Hinzu kommt, dass das Gewaltmonopol in staatlicher Hand liegt, weshalb sich der Gläubiger staatlicher Organe bedienen muss, um eine Befriedigung seines Anspruchs zu erreichen. Das wirft die Frage nach der Kompetenz der Vollstreckungsorgane auf, das Vorliegen eines Missbrauchs überhaupt prüfen zu dürfen. Neben diesen Problemen grundsätzlicher Natur bereiten aber auch die konkreten Fallgestaltungen aus der Vollstreckungspraxis Schwierigkeiten, wenn es um das Finden interessengerechter Lösungen geht. Die gesamte Thematik wirft also vielschichtige Fragen auf und ist durch fortwährende Aktualität gekennzeichnet. Bis in die jüngste Zeit beschäftigen die Gerichte nämlich immer wieder Fälle, in denen einzelne Akteure des Vollstreckungsverfahrens Rechte in missbräuchlicher Weise ausüben und sich die Frage nach einer Begrenzung ihrer Rechtsmacht stellt.
§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchung
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§ 2 Hinweis auf den Gegenstand und Gang der Untersuchung Die Arbeit nimmt nicht jegliche Generalklauseln des BGB in den Blick, sondern beschränkt sich auf eine Untersuchung derjenigen, die einer Rechtsausübung Grenzen setzen, wenn sie schikanös ist, gegen die guten Sitten verstößt oder mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar ist. Konkret handelt es sich also um die §§ 138, 226, 242 und 826 BGB. Mit dem Begriff der Zwangsvollstreckung ist das Vollstreckungsverfahren nach dem Achten Buch der ZPO einschließlich des ZVG gemeint. Keine Berücksichtigung findet die Vollstreckung nach den Verfahrensordnungen anderer Gerichtsbarkeiten, also insbesondere nicht die Verwaltungsvollstreckung, die Vollstreckung arbeitsgerichtlicher Titel oder das Vollstreckungsverfahren nach dem FamFG. Auch die europäischen Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen sind, insbesondere nach der EuGVVO1, der EuVTVO2 sowie der EuBagatellVO3, sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. Zwar ist das im Fünften Abschnitt geregelte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch Teil des Achten Buches der ZPO. Eine Befassung mit den §§ 916 ff. ZPO scheidet aber bereits thematisch aus, soweit es um die Beschaffung eines Titels im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geht, da es sich insoweit um ein spezielles Erkenntnis- und kein Vollstreckungsverfahren handelt. Anderes gilt zwar für die Vollziehung von im Eilverfahren ergangenen Entscheidungen, diese wirft aber keine weitergehenden Fragen auf, als sie ohnehin bereits für die Vollstreckung von im Hauptsacheverfahren ergangene Entscheidungen zu klären sind. Die Untersuchung wird nach einer kurzen Befassung mit dem Normtypus und der Wirkungsweise von Generalklauseln im Anschluss näher deren Geltung im Vollstreckungsrecht beleuchten. In diesem Zusammenhang ist auch ihr Verhältnis zu vollstreckungsrechtlichen Vorschriften und Verfahrensgrundsätzen zu klären. Die Rolle der Vollstreckungsorgane macht eine Befassung mit der Reichweite ihrer Prüfungskompetenz notwendig. Den Kern dieser Arbeit bildet die Untersuchung und Systematisierung konkreter Fallgestaltungen, die entweder die Rechtsprechung beschäftigt haben oder zumindest im Schrifttum diskutiert werden.
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Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 v. 12.12.2013. Verordnung (EG) Nr. 805/2004 v. 21.4.2004. Verordnung (EG) Nr. 861/2007 v. 11.7.2007.
Zweiter Teil
Grundlagen § 3 Generalklauseln als Schranken der Rechtsausübung A. Begriff und Hintergrund der Generalklauseln Eine konsensfähige Definition für den Begriff der Generalklausel lässt sich nicht ausmachen; vielmehr gibt es zahlreiche Erklärungsansätze, die den Charakter dieses Normtypus näher umschreiben und jeweils andere Schwerpunkte in der Begriffsbestimmung bilden.1 Charakteristisch für Generalklauseln ist, dass sie allgemein gehalten und bewusst offen bzw. unbestimmt formuliert sind.2 Ihnen können nicht unmittelbar subsumtionsfähige Regeln entnommen werden.3 Im Unterschied zu sonstigen Vorschriften bedürfen sie deshalb im Besonderen einer inhaltlichen Präzisierung und Ausformung im Einzelfall.4 Durch einfache Subsumtion lässt sich den Generalklauseln keine bestimmte Rechtsfolge entnehmen, da sie keine Tatbestandsmerkmale im klassischen Sinne enthalten.5 Sie greifen vielmehr auf moralische und rechtsethische Termini wie „Treu und Glauben“
1 Vgl. exemplarisch die unterschiedlichen Definitionen bei Engisch, Juristisches Denken, S. 213 („Gegenbegriff einer ,kasuistischen‘ Tatbestandsbildung“); Haubelt, S. 33 („gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Anordnung, die zwar unmittelbar gilt, aber wertausfüllungsbedürftig ist“); Weber, AcP 192 (1992), 516, 524 („Vorschriften, in denen sich die vom Gesetzgeber zur tatbestandlichen Fixierung verwandten Rechtsbegriffe durch einen so hohen Grad an Abstraktion und inhaltlicher Unbestimmtheit auszeichnen, daß ihnen neben den unvermeidlichen Randunschärfen im Begriffshof auch ein inhaltlich eindeutig belegbarer Begriffskern nicht mehr zugerechnet werden kann“). Hedemann, S. 2, sieht im Begriff der Generalklausel die römischrechtlichen Institute „bonum et aequum“, „bona fides“ und „exceptio doli“ vereint. Auer, S. 138, 141 ff., hält den Begriff der Generalklausel für nicht definierbar, da der Generalklauselcharakter einer Norm dem stetigen Wandel unterliege, weshalb nur eine historisch orientierte Betrachtung möglich sei; ähnlich auch schon Teubner, S. 115. 2 Engisch, Konkretisierung, S. 79; Garstka, Methodenlehre, 96, 115; Weber, AcP 192 (1992), 516, 524. 3 Bydlinski, Rechtdogmatik und praktische Vernunft, 187, 199. 4 Haubelt, S. 5; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 32; Schmidt, S. 16; Werner, Recht und Gericht, 196, 197. 5 Bartholomeyczik, S. 69; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 5; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 2.
§ 3 Generalklauseln als Schranken der Rechtsausübung
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oder die „guten Sitten“ zurück, wodurch sie besonders wertausfüllungsbedürftig sind.6 Im Spannungsverhältnis zwischen einer rein kasuistisch geprägten Rechtsordnung und der sogenannten Freirechtsbewegung7 stellen Generalklauseln einen Kompromiss dar.8 Sie bilden ein gesetzgeberisches Mittel, dem Einzelfall gerecht werdende Entscheidungen treffen zu können.9 Kein Gesetzgeber ist in der Lage, für jede Fallkonstellation eine adäquate Spezialregelung vorzusehen. Durch die Heranziehung von Treu und Glauben oder das Verdikt der Sittenwidrigkeit können Gerichte aber atypische Problemlagen einer sachgerechten Lösung zuführen, wodurch gerade die Besonderheiten des zu entscheidenden Falls angemessen gewürdigt werden. Daneben besteht auch das Bedürfnis, ein Norminstrumentarium parat zu haben, das mit der sich ständig fortentwickelnden Lebenswirklichkeit Schritt halten kann.10 Generalklauseln bieten ein Mittel, auf Veränderungen mit der nötigen Flexibilität reagieren zu können.11 Wertanschauungen sind einem ständigen Wandel unterworfen, dem durch den Einsatz entsprechend offen formulierter Normen bei der praktischen Rechtsanwendung Rechnung getragen werden kann. Mit der Ausfüllungsbedürftigkeit der Generalklauseln ist letztlich auch eine Ermächtigung des Richters zur Rechtsfortbildung verbunden.12
B. Anwendungsdirektiven und Konkretisierungsbedürfnis Mit den Vorzügen von Generalklauseln sind gleichsam aber auch Gefahren verbunden. Die Ausfüllungsbedürftigkeit der Normen lässt dem Richter bei seiner Entscheidungsfindung einen weiten Spielraum.13 Es wird deshalb auch von 6 Engisch, Juristisches Denken, S. 219; Haubelt, S. 9; Rüthers, Unbegrenzte Auslegung, S. 213 f.; Staudinger/Honsell, Einleitung zum BGB Rn. 71; Weber, AcP 192 (1992), 516, 523; Wieacker, S. 13. 7 Die Freirechtsbewegung hat ihre Ursprünge zu Beginn des 20. Jahrhunderts und verfolgt die Idee, dass ein Fall frei und ohne Heranziehung einer gesetzlichen Vorschrift beurteilt werden könne, wenn das Gesetz gerade für diesen speziellen Fall keine passende Regelung vorsehe oder ihre Anwendung zu einem als ungerecht empfundenem Ergebnis führen würde. Eine zusammenfassende Darstellung findet sich bei Schröder, FS Holzhauer, 265, 266 ff. 8 Weber, AcP 192 (1992), 516, 520. 9 Engisch, Konkretisierung, S. 79; Hedemann, S. 61; Schmidt, S. 20; Weber, AcP 192 (1992), 516, 525. 10 Garstka, Methodenlehre, 96, 116 f.; Hedemann, S. 60 ff.; Schmidt, Konkretisierung, S. 19; Weber, AcP 192 (1992), 516, 525. 11 Horn, NJW 2000, 40, 45; Schmidt, S. 20 f.; Weber, AcP 192 (1992), 516, 521 f. 12 Bartholomeyczik, S. 69; Bydlinsky, Rechtsdogmatik und praktische Vernunft, 187, 199; Ohly, AcP 201 (2001), 1, 7; Teubner, S. 42 ff., 107, 118. 13 Vgl. aus den Motiven zu § 138 BGB (Motive I, S. 211 f.): „Dem richterlichen Ermessen wird ein Spielraum gewährt, wie ein solcher großen Rechtsgebieten bisher unbekannt ist.“.
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einem „Stück offengelassener Gesetzgebung“ gesprochen.14 Das gilt zum einen bei der Frage, ob der Richter überhaupt eine Generalklausel heranzieht, als auch, welche Rechtsfolge er im konkreten Fall ausspricht. Damit ist die Gefahr erheblicher Rechtsunsicherheit und sogar Willkür verbunden.15 Gerade zur Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft boten die wertausfüllungsbedürftigen Begriffe deshalb ein geeignetes Mittel, Entscheidungen ganz im Sinne der totalitären Ideologie treffen zu können.16 Da eine Rechtsordnung aber auf Generalklauseln angewiesen ist, muss gewährleistet werden, dass ihre Heranziehung mit Bedacht erfolgt und nicht zu einem beliebig handhabbaren Mittel der Ergebniskorrektur verkommt.17 Deshalb sind beim Einsatz von Generalklauseln einige Direktiven zu beachten, und ihr Inhalt bedarf näherer Konkretisierung. I. Anwendungsdirektiven 1. Subsidiaritätsprinzip Die Gefahr willkürlicher Entscheidungen wird verringert, indem der Geltungsvorrang spezialgesetzlicher Normen beachtet wird. Vor der Argumentation mit einer Generalklausel ist stets in den Blick zu nehmen, ob sich der zu beurteilende Fall mit Hilfe des speziellen Normgefüges lösen lässt. Das bedeutet auch, dass eine Vorschrift zunächst mittels juristischer Methodik18 auszulegen ist und die Bildung von Analogien grundsätzlich vorrangig erfolgen sollte.19 Auf diese Weise gelingt es, die in einer spezialgesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommenden Interessenwertungen abzubilden. 2. Verbot einer reinen Billigkeitsrechtsprechung Mittels „Treu und Glauben“ oder der „guten Sitten“ dürfen keine Entscheidungen getroffen werden, die sich lediglich an Billigkeitserwägungen orientieren, da 14
Hedemann, S. 58. Hedemann, S. 67 ff.; Werner, Recht und Gericht, 196, 208. 16 Ein plastisches Beispiel dieses Denkens findet sich bei Siebert, Grundfragen, 189, 199: „[. . .] so stellen die Generalklauseln heute einen Weg dar, auf dem die neuen Rechtsgedanken in das geltende Recht eindringen und es, wenigstens zu einem Teile, in eine Übereinstimmung mit dem wesentlichen Inhalt der konkreten völkischen Gemeinschaftsordnung bringen können.“ Ausführlich zur Bedeutung der Generalklauseln im Dritten Reich Rüthers, S. 210 ff.; vgl. auch Auer, S. 118 ff. 17 Bartholomeyczik, S. 70; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 5; Weber, AcP 192 (1992), 516, 521 f. 18 Vgl. dazu im Einzelnen nur Reimer, Rn. 269 ff. 19 Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 4; Haubelt, S. 38 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 60; Mader, S. 132 ff.; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 213; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 7; differenzierend Bydlinski, Rechtsdogmatik und praktische Vernunft, 187, 203 Fn. 40; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 350. 15
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der Richter andernfalls seine Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG) missachten würde.20 Grundlage der richterlichen Entscheidung müssen immer die den Spezialnormen zugrunde liegenden Wertungen und Interessenabwägungen sein.21 So darf beispielsweise die Vollstreckung nicht nur deshalb für unzulässig erklärt werden, weil der Gläubiger ein solventes Unternehmen ist, das eine Forderung gegenüber einem nahezu vermögenslosen Schuldner realisieren möchte. 3. Besonderes Begründungserfordernis Soll ein dem Einzelfall nicht gerecht werdendes Ergebnis über die Heranziehung einer Generalklausel korrigiert werden, so erfordert dies eine besondere Begründung. Der Richter muss in seiner Entscheidung nachvollziehbar und substantiiert darlegen, weshalb er von der auf der Basis spezialgesetzlicher Vorschriften gefundenen Lösung abweichen möchte. II. Konkretisierungsbedürfnis und Fallgruppenbildung Um die praktische Anwendung von Generalklauseln zu erleichtern, vor allem aber um auf sie gestützte Entscheidungen vorhersehbarer zu machen, bedarf es ihrer Konkretisierung bzw. Präzisierung22.23 Eine Anknüpfung an die Tatbestandselemente „Treu und Glauben“ bzw. „gute Sitten“ bringt wegen ihrer Unbestimmtheit kaum einen Mehrwert.24 Man behilft sich deshalb mit einem Fallgruppensystem, das Rechtsprechung und Literatur im Laufe der Zeit herausgearbeitet haben.25 Dabei dienen die Fallgruppen dazu, dem Rechtsanwender eine Orientierung zu geben, um so den konkreten Einzelfall besser beurteilen zu können.26 Eine Vielzahl an Kasuistik wird systematisiert und führt im Ergebnis zu 20 BGH NJW 1985, 2579, 2580; Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 2. 21 Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 2; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 5; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 60; Staudinger/Honsell, Einleitung zum BGB Rn. 72. 22 Weber, AcP 192 (1992), 516, 538, hält Generalklauseln nicht für konkretisierungsfähig, sondern allenfalls für präzisierungsfähig, da ein subsumtionsfähiger Tatbestand gerade nicht vorliege, so dass es keine zu konkretisierenden Merkmale gebe. 23 Beater, AcP 194 (1994), 82, 88 f.; Bydlinski, Rechtsdogmatik und praktische Vernunft, 187, 189 ff.; Engisch, Konkretisierung, S. 79. Kritisch zur Konkretisierung von Generalklauseln Auer, S. 144 ff., insbesondere 175 ff.; Förster, AcP 209 (2009), 398, 437 ff.; Weber, AcP 192 (1992), 516, 525 ff. 24 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 9. 25 Vgl. nur MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 169 ff.; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 42 ff.; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 210 ff.; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 33 ff.; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 24 ff.; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 326 ff.; MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 64 ff. 26 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 45; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 210; Wieacker, S. 20.
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einer einheitlicheren Rechtsprechung und damit auch zu mehr Rechtssicherheit.27 Das Zurückgreifen auf Fallgruppen darf allerdings nicht dazu führen, dass der zu beurteilende Fall rein schematisch mit ihnen abgeglichen wird und eine den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung tragende Analyse unterbleibt.28 Lässt sich ein Fall unter keine der Fallgruppen einordnen, so darf nicht allein deshalb von der Heranziehung einer Generalklausel Abstand genommen werden, es muss vielmehr eine individuelle Betrachtung erfolgen. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall. Auch wenn eine Fallgruppe vermeintlich einschlägig ist, darf nicht stereotyp mit der entsprechenden Generalklausel operiert werden. Begreift man die Fallgruppenbildung als Ordnungsinstrument, das die Rechtsanwendung vereinfacht und Rechtssicherheit schafft, gleichsam aber nicht die Funktion übernimmt, subsumtionsfähige Tatbestände zu schaffen, die keinen Raum mehr für Einzelfallentscheidungen lassen, so ist sie ein sinnvolles Vorgehen.29
C. Wirkungsweise als Rechtsausübungsschranken Untersucht werden soll die Wirkungsweise der Generalklauseln, namentlich der §§ 138, 226, 242, 826 BGB, als Schranken der Rechtsausübung. Jede subjektive Rechtsposition unterliegt inhaltlichen Beschränkungen, die unmittelbar mit dem konkreten Recht verknüpft sind.30 Beispielsweise kann der Gläubiger eine Forderung des Schuldners nicht in unbeschränktem Umfang pfänden lassen, sondern hat die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO zu beachten; die Pfändung körperlicher Sachen wird durch die Unpfändbarkeitstatbestände des § 811 ZPO begrenzt. Soll die Vollstreckung im Wege der Pfändung einer Sache erfolgen, die sich nicht im Gewahrsam des Schuldners, sondern eines Dritten befindet, so muss dieser zur Herausgabe bereit sein (§ 809 ZPO). Über diese Beschränkungen hinaus, unterliegt die Rechtsausübung aber allgemeinen Schranken,31 die unter besonderen Umständen im Einzelfall eingreifen.32 Der Rechts27
Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 136; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 46. Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 7; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 73; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 48. 29 So auch Beater, AcP 194 (1994), 82 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 136; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 280; a. A. Förster, AcP 209 (2009), 398, 437 ff.; Weber, AcP 192 (1992), 516, 535 ff. 30 Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 126. 31 Diskutiert wird in dem Zusammenhang, ob diese Schranken von außen auf die subjektiven Rechte einwirken (Larenz/Wolf, § 16 Rn. 10; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 70; Erman/Wagner, § 226 Rn. 1: sog. Außentheorie) oder sie vielmehr nur in begrenztem Umfang bestehen, da die Schranken den Rechten immanent seien (so die h. M., vgl. BGH NJW-RR 2005, 619, 620; BAG NJW 1995, 275, 276; 1997, 2257, 2258; 2011, 2684, 2686; Bork, Rn. 343; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 101; MüKoBGB/Grothe, § 226 Rn. 1; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 63; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 38; Siebert, S. 85 ff.; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 274; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 216; Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 11: sog. Innentheorie). 32 Larenz/Wolf, § 16 Rn. 9; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 129. 28
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inhaber darf eine formal bestehende Rechtsposition nicht ausüben, wenn sein Verhalten als schikanös, treuwidrig oder sittenwidrig einzuordnen ist. Zusammenfassend lassen sich die §§ 138, 226, 242, 826 BGB auch als Missbrauchsschranken bezeichnen.33 Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die einzelnen Generalklauseln und ihr Verhältnis zueinander gegeben werden, nachdem zuvor der Begriff der Rechtsausübung näher erläutert worden ist: I. Begriff der Rechtsausübung Der Begriff der Rechtsausübung taucht im BGB an mehreren Stellen auf. Häufig wird er kontextartig bezogen auf die Ausübung eines konkreten Rechts gebraucht. So kann beispielsweise nach § 273 Abs. 3 S. 1 BGB die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abgewendet werden, in § 350 S. 1 BGB ist die Möglichkeit vorgesehen, für die Ausübung des Rücktrittsrechts eine Frist zu bestimmen, und § 464 BGB trägt sogar den Titel „Ausübung des Vorkaufsrechts“. Demgegenüber verwendet das Gesetz den Begriff der Rechtsausübung wesentlich seltener, wenn es ihn in einem weiteren Sinne verstanden haben will, es also um die Ausübung irgendeines Rechts geht. Hier sind § 226 BGB und § 612a BGB zu erwähnen. In den Generalklauseln der §§ 138, 242, 826 BGB taucht der Begriff nicht auf. Bei § 226 BGB wird darunter die inhaltliche Verwirklichung jeder Art von Rechten in tatsächlicher Form oder durch ihre gerichtliche Geltendmachung verstanden.34 Beim Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) muss der Arbeitnehmer aufgrund eines seiner Rechte tätig geworden sein.35 Der dieser Arbeit zugrunde liegende Begriff der Rechtsausübung ist ebenfalls weit zu verstehen und soll jeden Gebrauch irgendeines Rechts umfassen. Als Korrelat zur Ausübung eines Rechts gehört in negativer Form auch die Nichtausübung dazu. Konkret ist vom Begriff der Rechtsausübung also beispielsweise der Vollstreckungsantrag des Gläubigers ebenso umfasst wie die Berufung auf eine Unpfändbarkeitsvorschrift durch den Schuldner oder die Gebotsabgabe durch Bieter im Zwangsversteigerungsverfahren. Soll eine Rechtsausübung wegen Missbrauchs beschränkt werden, so muss der Missbrauchsvorwurf nicht allein an die Ausübung des konkreten Rechts anknüpfen, sondern kann bereits in einem vorherigen Verhalten seinen Ursprung haben. Stellt der Gläubiger zum Beispiel einen Vollstreckungsantrag, mit dem der Schuldner schikaniert werden soll, so ist für die Frage einer Beschränkung der Rechtsausübung unmittelbar und ausschließlich am konkret ausgeübten Recht anzusetzen. Entzieht aber beispielsweise der Schuldner einen Gegenstand dem 33 34 35
Bork, Rn. 343; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 129; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 75. Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 13. MüKoBGB/Müller-Glöge, § 612a Rn. 8.
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Vollstreckungszugriff des Gläubigers, indem er einen Dritten Gewahrsam daran begründen lässt, und verweigert der Dritte anschließend seine Herausgabebereitschaft (§ 809 ZPO), so liegt der Ausgangspunkt der Frage unzulässiger Rechtsausübung bereits in der tatsächlichen Handlung der Gewahrsamsverschiebung zwischen Schuldner und Drittem und nicht allein in dem Berufen auf das Recht aus § 809 ZPO. II. Begrenzung der Rechtsausübung 1. Das Schikaneverbot (§ 226 BGB) § 226 BGB bestimmt, dass eine Rechtsausübung unzulässig ist, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen. Damit die Rechtsausübung schikanös ist, muss ihr alleiniger Zweck darin bestehen, einen anderen zu schädigen.36 Kann mit der Handlung objektiv betrachtet auch ein berechtigtes, nicht verwerfliches Interesse verfolgt werden, so liegt keine Schikane vor.37 Es kommt aber nicht darauf an, dass die Geltendmachung des Rechts wirtschaftlich sinnvoll ist, solange nur überhaupt ein berechtigtes Interesse verfolgt wird.38 Der Schaden muss sich nicht verwirklicht haben39 und umfasst neben Vermögenseinbußen auch ideelle Beeinträchtigungen40. Ob in subjektiver Hinsicht Vorsatz des Handelnden hinzutreten muss, wird nicht einheitlich beantwortet. Vereinzelte Stimmen, die das Schikaneverbot allein aus objektiver Sicht bestimmen wollen, stellen auf den Zweck der Vorschrift und ihren Wortlaut ab.41 Ob die Rechtsausübung „nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen“, lasse sich nur rein objektiv beurteilen. Die überwiegende Meinung hingegen verlangt, dass der Handelnde vorsätzlich in schädigender Weise von seinem Recht Gebrauch macht.42 Der Vorsatz müsse sich sowohl auf die schädigende Handlung als auch die Schadenszufügung beziehen. Die praktischen Konsequenzen der verschiedenen Standpunkte sind gering, da Fallkonstellationen, in denen der Rechtsinhaber von seinem Recht zu einem ausschließlich schädigenden Zweck ohne Vorsatz Gebrauch machen könnte, schwer vorstellbar sind. Jeder, der seinem subjektiven Recht Geltung verschaffen möch36 RGZ 68, 424, 425; 98, 15, 17; 125, 108, 111; MüKoBGB/Grothe, § 226 Rn. 4; NK-BGB/Fuchs, § 226 Rn. 4; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 77. 37 MüKoBGB/Grothe, § 226 Rn. 4; Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 18. 38 Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 19. 39 Erman/Wagner, § 226 Rn. 9; MüKoBGB/Grothe, § 226 Rn. 4; Soergel/Fahse, § 226 Rn. 9; Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 17. 40 Brox/Walker, BGB AT, Rn. 684; Soergel/Fahse, § 226 Rn. 9; Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 16. 41 Bork, Rn. 344; Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 20 f.; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 77. 42 MüKoBGB/Grothe, § 226 Rn. 5; NK-BGB/Fuchs, § 226 Rn. 5; Soergel/Fahse, § 226 Rn. 8; sogar Schädigungsabsicht fordernd Erman/Wagner, § 226 Rn. 5.
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te, wird von bestimmten Interessen geleitet. Soll aber das motivierende Interesse ausschließlich in der Schädigung des anderen bestehen, so wird dem Berechtigten nahezu immer bewusst sein, dass er nur aus Schikane sein Recht ausübt. Andernfalls hätte er nämlich keine Motivation gehabt, das Recht zu verwirklichen. Wegen der von § 226 BGB geforderten „Exklusivität des Schädigungszwecks“ 43 ist der Anwendungsbereich der Vorschrift sehr eng und ihre Bedeutung marginal.44 Zumeist wird ein, wenn auch nur untergeordnetes, berechtigtes Interesse an der Rechtsausübung feststellbar sein, so dass das Schikaneverbot in diesen Fällen nie eingreift. 2. Das Verbot sittenwidriger Rechtsausübung (§§ 138, 826 BGB) a) Das sittenwidrige Rechtsgeschäft (§ 138 BGB) Die Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB erklärt Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, für nichtig. Der Begriff der „guten Sitten“ wird üblicherweise mit dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ umschrieben.45 Dieser Formel kann entnommen werden, dass in der Gemeinschaft wurzelnde außerrechtliche Verhaltensanforderungen und Wertvorstellungen heranzuziehen sind, wobei nicht auf einen besonders hohen oder sehr niedrigen Standard abgestellt werden soll, sondern auf den eines Durchschnittsmenschen.46 Neben dieser sozialethischen Dimension fließen auch der Rechtsordnung immanente und ausdrücklich normierte Prinzipien in den Begriff der „guten Sitten“ ein.47 Ist nicht bereits der Inhalt des Rechtsgeschäfts sittenwidrig, muss dessen Gesamtcharakter unter Berücksichtigung von Beweggrund, Inhalt und Zweck betrachtet werden.48 Regelmäßig kann die Bewertung eines Rechtsgeschäfts als sittenwidrig nur im Wege einer Interessenabwägung erfolgen.49 Dabei spielen
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Erman/Wagner, § 226 Rn. 5. Bork, Rn. 344; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 685; Leipold, BGB AT, § 36 Rn. 1; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 130; Soergel/Fahse, § 226 Rn. 4; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 77. 45 Vgl. nur RGZ 48, 114, 124; 80, 219, 221; BGH NJW 2004, 1380; 2004, 2668, 2670; 2017, 250, 251; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 14; Soergel/Hefermehl, § 138 Rn. 4. 46 Brox/Walker, BGB AT, Rn. 329; Hk-BGB/Dörner, § 138 Rn. 1, 3; Hk-BGB/Staudinger, § 826 Rn. 6; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 36, 38; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 2; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 2. 47 Hk-BGB/Dörner, § 138 Rn. 1, 3; Soergel/Hefermehl, § 138 Rn. 7. 48 BGH NJW 2008, 982, 983; 2008, 2026, 2027; 2017, 250, 251; BAG NZA 2006, 1354, 1355; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 329; Leipold, BGB AT, § 20 Rn. 21; Palandt/ Sprau, § 826 Rn. 4. 49 Brox/Walker, AT, Rn. 329; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 39; Staudinger/ Sack/Fischinger, § 138 Rn. 94 f. 44
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verfassungsrechtliche und in einfachen Gesetzen niedergelegte Wertungen eine zentrale Rolle, aber auch allgemeine Rechtsüberzeugungen und Richterrecht.50 Die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts kann aus einem Verhalten gegenüber dem Geschäftspartner, gegenüber der Allgemeinheit oder Dritten resultieren. Subjektiv müssen den am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien die den Sittenwidrigkeitsvorwurf begründenden Umstände bekannt oder jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sein.51 Nicht erforderlich ist Schädigungsabsicht oder das Bewusstsein, dass das eigene Handeln gegen die guten Sitten verstößt.52 Ergibt sich die Sittenwidrigkeit bereits aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts, so kommt es auf die subjektive Komponente nicht an.53 In diesen Fällen werden die sittenwidrigkeitsbegründenden Umstände den Parteien aber regelmäßig auch bekannt sein.54 Richtet sich das sittenwidrige Verhalten gegen die Allgemeinheit oder Dritte, müssen alle Beteiligten sittenwidrig handeln; anders verhält es sich nur, wenn gerade die Interessen des Vertragspartners verletzt werden oder es um ein einseitiges Rechtsgeschäft geht.55 Der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem der Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen muss, ist grundsätzlich der Abschluss des Rechtsgeschäfts.56 Ein Wandel der Wertvorstellungen57 kann aber zu berücksichtigen sein. Wandeln sich die Vorstellungen dahingehend, dass das ursprünglich wirksame Rechtsgeschäft nach heutigen Vorstellungen als sittenwidrig einzustufen ist, so bleibt es aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit bei der Wirksamkeit des Geschäfts; der Rechtsausübung kann aber der Einwand treuwidrigen Verhaltens
50 NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 40 ff.; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 96 ff. 51 RGZ 97, 253, 255; BGH NJW 1980, 2407, 2408; 1988, 1373, 1374; 2001, 1127; 2005, 2991, 2992; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 330; Erman/Arnold, § 138 Rn. 21; a. A. NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 95 ff. 52 BGH NJW 1993, 1587, 1588; 2001, 1127; 2005, 2991, 2992; Soergel/Hefermehl, § 138 Rn. 37. 53 BGH NJW 1985, 2405, 2406; Hk-BGB/Dörner, § 138 Rn. 4; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 7; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 146; Wolf/Neuner, § 46 Rn. 19. 54 BGHZ 94, 273; Erman/Arnold, § 138 Rn. 21. 55 Brox/Walker, BGB AT, Rn. 331; Wolf/Neuner, § 46 Rn. 23 ff.; Erman/Arnold, § 138 Rn. 23; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 8; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 132; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 98; Soergel/Hefermehl, § 138 Rn. 35 f.; Staudinger/ Sack/Fischinger, § 138 Rn. 152. 56 BGH NJW 1992, 896, 898; 1994, 1278, 1279; Hk-BGB/Dörner, § 138 Rn. 5; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 9; Erman/Arnold, § 138 Rn. 24; a. A. Brox/Walker, BGB AT, Rn. 332, wonach es auf den Zeitpunkt des Rechtserfolgs ankomme, wenn das Rechtsgeschäft nicht sofort abgewickelt werde. 57 Noch weiter differenzierend zwischen einem Wandel der Wertvorstellungen und der tatsächlichen Verhältnisse MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 135 ff.; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 127 f.
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gem. § 242 BGB entgegengesetzt werden.58 Im umgekehrten Fall der Lockerung der Wertvorstellungen muss das Rechtsgeschäft gem. § 141 BGB bestätigt werden, damit es wirksam wird.59 Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die guten Sitten ist die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Es handelt sich dabei um eine rechtshindernde Einwendung, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist.60 b) Die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) § 826 BGB normiert einen Schadensersatzanspruch zugunsten desjenigen, der von einem anderen sittenwidrig vorsätzlich geschädigt wurde. Da der Rechtsinhaber sein Recht grundsätzlich auch ausüben darf, wenn er andere dadurch schädigt,61 muss die Rechtsausübung eine besondere Verwerflichkeit kennzeichnen, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln oder der Relation von an sich erlaubtem Zweck und erlaubten Mitteln ergeben kann.62 Das Verhalten kann in einem Tun oder Unterlassen liegen, wobei für Letzteres eine über eine bloße Rechtspflicht hinausgehende moralische, den allgemeinen Wertvorstellungen entspringende Verpflichtung zum Handeln bestehen muss.63 Durch das sittenwidrige Verhalten muss bei einem anderen ein kausaler Schaden eingetreten sein. Dazu ist nicht erforderlich, dass ein Recht oder Rechtsgut verletzt worden ist; auch jeder reine Vermögensschaden ist ersatzfähig.64 § 826 BGB setzt voraus, dass der Anspruchsverpflichtete mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Der Vorsatz muss sich auf den Schaden beziehen. Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich, vielmehr reicht bedingter Vorsatz aus; dafür muss der Schädiger den Schaden für möglich gehalten und ihn billigend in Kauf
58 Erman/Arnold, § 138 Rn. 35; Hk-BGB/Dörner, § 138 Rn. 5; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 125; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 138; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 135 f.; Soergel/Hefermehl, § 138 Rn. 41, 43. 59 Hk-BGB/Dörner, § 138 Rn. 5; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 137; NK-BGB/ Looschelders, § 138 Rn. 126; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 138; auf eine Bestätigung gem. § 141 BGB verzichtend Erman/Arnold, § 138 Rn. 36; Soergel/Hefermehl, § 138 Rn. 44. 60 MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 155; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 380; Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 21; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 234. 61 RGZ 138, 373, 376; BGH NJW 1988, 700, 703. 62 RGZ 130, 89, 91; BGH NJW 2004, 2668, 2670; NJW 2017, 250, 251; Brox/Walker, SchuldR BT, § 47 Rn. 4; Erman/Schiemann, § 826 Rn. 8; Hk-BGB/Staudinger, § 826 Rn. 7; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 3. 63 BGH NJW 2017, 250, 251 f.; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 6; Palandt/Sprau, § 826 Rn. 7. 64 Brox/Walker, SchuldR BT, § 47 Rn. 2; Hk-BGB/Staudinger, § 826 Rn. 3; Palandt/ Sprau, § 826 Rn. 3.
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genommen haben.65 Der Handelnde muss den Schadensverlauf nicht in allen Einzelheiten vorausgesehen und gewollt haben, aber die Art und Richtung des Schadens sowie die Schadensfolgen müssen vom Vorsatz umfasst sein.66 Der Vorsatz des Handelnden hat sich ebenfalls auf die sittenwidrigkeitsbegründenden Tatsachen zu beziehen, wozu er diese kennen oder sich zumindest ihrer Kenntnis bewusst verschlossen haben muss; das Bewusstsein, sich sittenwidrig zu verhalten, ist hingegen nicht erforderlich.67 c) Das allgemeine Verbot sittenwidriger Rechtsausübung Aus den beiden Generalklauseln der §§ 138 und 826 BGB haben Rechtsprechung und Literatur die allgemeine Schranke sittenwidriger Rechtsausübung entwickelt. Danach erlaubt die Rechtsordnung nur eine mit den guten Sitten zu vereinbarende Rechtsausübung.68 Umfasst ist davon nicht nur rechtsgeschäftliches Handeln, sondern jede Form der Rechtsausübung. Soweit aber in der Rechtsfolge Schadensersatz begehrt wird, müssen die von § 826 BGB zusätzlich geforderten Voraussetzungen erfüllt sein.69 3. Das Verbot treuwidriger Rechtsausübung (§ 242 BGB) § 242 BGB richtet sich seinem Wortlaut nach zunächst nur an den Schuldner, der verpflichtet ist, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Das Prinzip von Treu und Glauben wird aber als allgemeiner Grundsatz verstanden, der nicht nur für den Schuldner gilt, sondern auch den Gläubiger in der Ausübung seiner Rechte beschränkt.70 Die Parteien sind zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet und haben die berechtigten Interessen des jeweils anderen zu achten.71 Eine zentrale Rolle spielt § 242 BGB in seiner Funktion als Einwand der unzulässigen Rechtsaus65 BGH NJW 2000, 2896, 2897; 2004, 446, 447; 2008, 2245, 2249; Brox/Walker, SchuldR BT, § 47 Rn. 12; Erman/Schiemann, § 826 Rn. 14; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 7; Palandt/Sprau, § 826 Rn. 10. 66 NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 8; Palandt/Sprau, § 826 Rn. 11; Soergel/Hönn, § 826 Rn. 62. 67 BGH NJW-RR 2009, 1207, 1209; Brox/Walker, SchuldR BT, § 47 Rn. 14; Erman/ Schiemann, § 826 Rn. 11; MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 33; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 9; Palandt/Sprau, § 826 Rn. 8; Soergel/Hönn, § 826 Rn. 52, 61; a. A. Sack, NJW 2006, 945, 946 ff. m.w. N. 68 BGH NJW 1979, 162, 163; Bork, Rn. 346; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 686; Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 135; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 19; Siebert, S. 110 f.; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 391. 69 Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 19. 70 Bork, Rn. 348; Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 1; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 274; Weber, JuS 1992, 631, 632 f.; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 81. 71 Bork, Rn. 348; Heinrich, FS Laufs, 585, 587 f.
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übung bzw. als Verbot des Rechtsmissbrauchs.72 Diese Wirkungsweise geht auf die römisch-rechtliche exceptio doli zurück, wobei noch zwischen der exceptio doli praeteriti, die an den arglistigen Rechtserwerb anknüpft, und der exceptio doli praesentis, der unzulässigen Geltendmachung eines Rechts, differenziert werden kann.73 Heute wird begrifflich zwischen dem individuellen und dem institutionellen Rechtsmissbrauch unterschieden. Bei ersterem folgt die unzulässige Rechtsausübung aus einem individuellen Verhalten des Rechtsinhabers im Einzelfall, letzterer zeichnet sich dadurch aus, dass die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm ergebenden Rechtsfolgen zu einem untragbaren Ergebnis führen würden und deshalb zurücktreten müssen.74 Wann genau sich der Rechtsinhaber in einer Treu und Glauben widersprechenden Art und Weise verhält, ist abstrakt nicht zu sagen. Es ist vielmehr immer im Einzelfall eine Würdigung der besonderen Umstände unter Abwägung der beteiligten Interessen erforderlich.75 Neben den Interessen der Beteiligten sind auch die in den maßgeblichen Normen zum Ausdruck kommenden Wertungen in den Blick zu nehmen.76 Eine Orientierung geben die im Laufe der Zeit von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Fallgruppen.77 Zu nennen sind insbesondere der unredliche Erwerb der eigenen Rechtsposition, die nicht schutzwürdige, zweckwidrige Ausübung eines Rechts und das widersprüchliche Verhalten, als dessen Unterfall auch die Verwirkung einzuordnen ist. Was die Anwendungsvoraussetzungen von § 242 BGB angeht, wird unterschiedlich beurteilt, ob die Norm in ihrer Funktion als Missbrauchsschranke eine Sonderverbindung voraussetzt und welche Qualität diese gegebenenfalls aufweisen muss. Eine verbreitete Ansicht78 setzt zwar eine Sonderverbindung voraus, stellt an ihr Vorliegen aber keine besonders hohen Anforderungen. Es müsse gerade kein Schuldverhältnis vorliegen, vielmehr reiche ein qualifizierter sozialer Kontakt aus.79 Nach anderer Ansicht kommt es bei der Anwendung von § 242
72 Vgl. nur Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 14; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 101 f.; Hk-BGB/Schulze, § 242 Rn. 21; Mader, S. 77 f.; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 202 ff.; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 64; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 38; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 11; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 213 ff. 73 Mader, S. 78; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 209. 74 Heinrich, FS Laufs, 585, 591 ff.; Hk-BGB/Schulze, § 242 Rn. 22; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 40; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 217. 75 BGH ZIP 2015, 41; Hk-BGB/Schulze, § 242 Rn. 14; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 208; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 219 ff. 76 Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 221. 77 Vgl. nur die umfangreichen Übersichten bei MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 243– 496; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 233–318. 78 Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 1; Hk-BGB/Schulze, § 242 Rn. 3, 23; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 93 ff., 221; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 5, 39; Siebert, S. 118 ff.; weitergehend aber BFH NJW 1990, 1251 (Rechtsbeziehung erforderlich). 79 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 221; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 5.
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BGB als Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nicht auf das Bestehen einer Sonderverbindung an.80 Im unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm liege gerade ein Schuldverhältnis vor, und soweit es um eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs gehe, müsse im Einzelfall betrachtet werden, ob der allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben herangezogen werden könne.81 An dieser Stelle der Arbeit soll offenbleiben, welche Ansicht den Vorzug genießt, da die Frage im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit von § 242 BGB im Vollstreckungsrecht erörtert wird.82 Ein Treu und Glauben zuwiderlaufendes Verhalten erfordert keinen Vorsatz; subjektive Merkmale können aber im Rahmen der Interessenabwägung Bedeutung erlangen.83 Die Rechtsfolge einer missbräuchlichen Rechtsausübung ist ihre Unzulässigkeit.84 Der Berechtigte kann sein Recht nicht verwirklichen und die erstrebten Rechtsfolgen werden ihm versagt.85 Umgekehrt kann aber auch der Gegenseite eine nicht bestehende Rechtsposition zuzuerkennen sein.86 In zeitlicher Hinsicht muss die Rechtsausübung nicht auf Dauer unzulässig sein, sofern die Voraussetzungen der Treuwidrigkeit später wieder entfallen.87 Prozessual ist die unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB als Einwendung zu behandeln und deshalb von Amts wegen zu berücksichtigen.88 4. Abgrenzung der einzelnen Schranken voneinander und ihr Verhältnis zueinander Das Schikaneverbot des § 226 BGB enthält die strengsten Anforderungen und ist deshalb bei Vorliegen seiner Voraussetzungen vorrangig heranzuziehen.89 Zumeist wird es aber am Ausschließlichkeitserfordernis hinsichtlich der Schadens-
80 Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 15; Henckel, S. 366; Looschelders, Rn. 64; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 12; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 14, 25, 32; Staudinger/ Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 127 ff. 81 Looschelders, SchuldR AT, Rn. 64. 82 Siehe dazu § 4 A. III. 83 Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 222; Wolf/Neuner, § 20 Rn. 81; differenzierend Findeisen, S. 227 ff. 84 Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 225. 85 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 226; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 28. 86 Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 28; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 225. 87 Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 130; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 275; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 227. 88 BGH NJW 2011, 3149, 3150; 2012, 301, 302; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 19; Hk-BGB/Schulze, § 242 Rn. 25; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 88; NKBGB/Krebs, § 242 Rn. 37; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 279; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 320. 89 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 134; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 18; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 374.
§ 4 Rechtsausübungsschranken im Zwangsvollstreckungsrecht
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zufügung mangeln, weshalb auf die übrigen Schranken zurückgegriffen werden muss. Eine sittenwidrige Rechtsausübung ist immer zugleich auch treuwidrig, da die Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten höher sind als an einen solchen gegen Treu und Glauben.90 Das aus den §§ 138, 826 BGB hergeleitete allgemeine Verbot sittenwidriger Rechtsausübung hat neben dem Rechtsmissbrauchsverbot keine eigenständige Bedeutung, da sich alle Fallgestaltungen insoweit bereits mit Hilfe von § 242 BGB lösen lassen.91 Außerdem ermöglicht § 242 BGB flexiblere Rechtsfolgen, die nicht nur in der Nichtigkeit bestehen müssen.92 Geht es aber um die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts, ist § 138 BGB als speziellere Vorschrift vorrangig heranzuziehen.93 § 826 BGB hat als Ausübungsschranke neben § 242 BGB eigenständige Bedeutung, da er in jedem Fall auch außerhalb von Sonderverbindungen herangezogen werden kann. Zudem gewährt nur er einen Anspruch auf Schadenskompensation in Geld.94 Wegen der tatbestandlichen Voraussetzung eines bereits eingetretenen Schadens wirkt § 826 BGB aber anders als § 242 BGB nur nachträglich rechtsbeschränkend, auch wenn im Wege der Naturalrestitution unter Umständen der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden kann.
§ 4 Die Geltung der Rechtsausübungsschranken im Zwangsvollstreckungsrecht Nachdem die Wirkungsweise der Generalklauseln als Schranken schikanöser, sittenwidriger oder treuwidriger Rechtsausübung dargestellt wurde, muss nun erörtert werden, ob sie auch im Zwangsvollstreckungsrecht Geltung beanspruchen können. Die Frage ist in doppelter Hinsicht nicht unproblematisch. Zum einen muss in methodischer Hinsicht geklärt werden, ob die im BGB normierten Rechtsausübungsschranken auch innerhalb der ZPO und dort auf das Vollstreckungsverfahren anwendbar sind. Darüber hinaus könnte der Geltung entgegenstehen, dass sich im Vollstreckungsrecht eigene Vorschriften finden, die selbst Ausdruck des Verbots unzulässiger Rechtsausübung sind und deshalb Vorrang genießen oder zumindest den Geltungsbereich der im BGB geregelten Schranken begrenzen könnten. 90 Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 23; Erman/Schiemann, § 826 Rn. 24; HkBGB/Schulze, § 242 Rn. 7; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 132; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 27; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 128; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 31; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 5. 91 Vgl. Medicus/Petersen, BGB AT, Rn. 135 f.; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 32. 92 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 132. 93 MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 5; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 132; NKBGB/Krebs, § 242 Rn. 27; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 366. 94 Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 395.
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A. Anwendbarkeit der Missbrauchsschranken im Vollstreckungsrecht I. Das Schikaneverbot (§ 226 BGB) Das Schikaneverbot findet nach nahezu einhelliger Meinung auch im gesamten Verfahrensrecht Anwendung, jedenfalls soweit keine Sondervorschriften bestehen.1 Geht man vom Wortlaut der Norm aus, wird diese Ansicht bestätigt. Danach muss nur die „Ausübung eines Rechts“ vorliegen, was auch gegeben ist, wenn ein Beteiligter des Vollstreckungsverfahrens von einem Recht Gebrauch macht. Aus systematischer Sicht ist eine Geltung im Prozessrecht zwar fernliegend, da der Standort der Norm im Allgemeinen Teil des BGB für eine Geltung ausschließlich im bürgerlichen Recht bei der Ausübung materieller Rechte spricht. Unter teleologischen Gesichtspunkten ist eine Erstreckung auf den Bereich der Zwangsvollstreckung aber zu befürworten. Auch ein am Vollstreckungsverfahren Beteiligter darf seine Rechte nicht in der Weise ausüben, dass die Ausübung nur den Zweck haben kann, einen anderen zu schädigen. Wegen seines sehr engen Anwendungsbereichs kommt dem Schikaneverbot aber auch im Vollstreckungsrecht nahezu keine praktische Bedeutung zu. Veranschaulicht werden soll dies an einer Entscheidung des LG Köln:2 Die Gläubigerin vollstreckte aus einem Haftbefehl nach § 901 ZPO a. F., der wegen Nichterscheinens des Schuldners zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlassen worden war.3 Noch offen war eine Forderung in Höhe von 2,10 DM. Das Gericht nahm wegen des erheblichen Missverhältnisses an, dass es der Gläubigerin nur um eine Schädigung des Schuldners gehe und wertete das Verhalten deshalb als Verstoß gegen das Schikaneverbot. Die Entscheidung kann in ihrer Argumentation nicht überzeugen. Selbst wenn im Vordergrund der Rechtsausübung die Schikanierung des Schuldners stand, so fehlt es am Ausschließlichkeitserfordernis, da die Vollstreckung auch zur Beitreibung der Forderung über 2,10 DM und zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung4 betrieben wurde.5 Noch weiter geht sogar die Ansicht, dass die Vollstreckung nie schikanöse Rechtsaus1 OLG Frankfurt, NJW 1979, 1613; Erman/Wagner, § 226 Rn. 3; MüKoBGB/Grothe, § 226 Rn. 2; NK-BGB/Fuchs, § 226 Rn. 2; Soergel/Fahse, § 226 Rn. 2; Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 41; a. A. noch RGZ 162, 65, 68. BeckOK BGB/Dennhardt, § 226 Rn. 3, sieht kein Bedürfnis für eine Geltung im Prozessrecht, da sich alle Fallgestaltungen auch mit prozessualen Instrumentarien lösen ließen. 2 LG Köln DGVZ 1991, 75. 3 Seit 1.1.2013 kann ein Haftbefehl nach § 802g Abs. 1 ZPO erlassen werden, wenn der Schuldner dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt. 4 Zum 1.1.2013 ist an die Stelle des Offenbarungsverfahrens das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft (§§ 802c ff. ZPO) getreten. 5 So auch jurisPK-BGB/Backmann, § 226 Rn. 7; zur Verwaltungsvollstreckung OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 8.8.2006 – OVG 9 L 27.06, juris.
§ 4 Rechtsausübungsschranken im Zwangsvollstreckungsrecht
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übung sein könne, da es immer um die Verwirklichung des in einem Erkenntnisverfahren festgestellten Anspruchs gehe.6 Selbst wenn man diese Einschätzung für zu weitgehend hält, bleibt es aber dabei, dass § 226 BGB auch im Vollstreckungsrecht nahezu bedeutungslos ist. Ob die Rechtsausübung im Fall des LG Köln möglicherweise wegen Treuwidrigkeit unzulässig war, wird noch zu klären sein. II. Das Verbot sittenwidriger Rechtsausübung (§§ 138, 826 BGB) Bei der Frage, ob das Verbot sittenwidriger Rechtsausübung auch in vollstreckungsrechtlichen Fallgestaltungen zum Einsatz kommen kann, muss zwischen § 138 und § 826 BGB differenziert werden: 1. Das sittenwidrige Rechtsgeschäft (§ 138 BGB) Eine Anwendung von § 138 BGB im Vollstreckungsrecht ist nur sehr eingeschränkt möglich, da die Vorschrift rechtsgeschäftliches Handeln voraussetzt. Die Rechtsausübung in der Zwangsvollstreckung ist aber selten rechtsgeschäftlicher Natur. Vielmehr geht es dort in erster Linie um hoheitliches Handeln der Vollstreckungsorgane7 oder um Prozesshandlungen der einzelnen Verfahrensbeteiligten. Beispielhaft zu nennen sind Vollstreckungsanträge des Gläubigers oder Befangenheitsanträge des Schuldners. Lediglich vereinzelt kann rechtsgeschäftliches Handeln auch im Rahmen der Vollstreckung von Bedeutung sein. Treffen der Gläubiger und der Schuldner eine Vereinbarung über die Durchführung der Zwangsvollstreckung, einen sogenannten Vollstreckungsvertrag,8 handelt es sich dabei um eine besondere Form eines Prozessvertrags.9 Da die ZPO nur lückenhafte Regelungen zu Prozessverträgen enthält, muss ergänzend auf das BGB zurückgegriffen werden.10 Wegen des auch rechtsgeschäftlichen Charakters ist auf Vollstreckungsverträge § 138 BGB anwendbar.11 Sittenwidrig können außerdem vertragliche Abreden zwischen Bietinteressenten einer Versteigerung sein, nicht mitzubieten oder bestimmte Bieter nicht zu 6
Henckel, S. 374. BGH NJW 2001, 434; 2011, 2149, 2150; Brox/Walker, ZVR, Rn. 12; Baur/Stürner/ Bruns, Rn. 5.13; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 1 Rn. 19; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 7. 8 Brox/Walker, ZVR, Rn. 199. 9 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 33 Rn. 1, 42; Philipp, Rpfleger 2010, 456. 10 MüKoZPO/Rauscher, Einleitung Rn. 437; Musielak/Voit/Musielak, Einleitung Rn. 66. 11 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 33 Rn. 15; Hergenröder, DGVZ 2013, 145, 147; Philipp, Rpfleger 2010, 456, 463. 7
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überbieten, um dadurch auf den Ablauf der Versteigerung manipulierend einzuwirken (sog. pacta de non licitando).12 Auch wenn Bietabreden direkt nicht als Ausübung eines Rechts in der Zwangsvollstreckung angesehen werden können, so nehmen sie doch mittelbar Einfluss auf den Gang einer Versteigerung und damit das Vollstreckungsverfahren. Eine Anwendung von § 138 BGB wird auch auf die im Rahmen einer Versteigerung abgegebenen Gebote in Betracht gezogen.13 Die rechtliche Qualität von Geboten wird unterschiedlich beurteilt. Zum Teil werden sie als reine Prozesshandlungen eingeordnet14 oder prozessrechtliche Erklärungen, auf die die Vorschriften des BGB über Willenserklärungen zumindest analoge Anwendung finden können sollen15. Andere sehen in ihnen privatrechtliche Willenserklärungen.16 Letztere Ansicht ist wegen der zumindest auch verfahrensrechtlichen Wirkung von Geboten abzulehnen. Folglich kann auch § 138 BGB auf Gebote in der Zwangsvollstreckung zumindest keine direkte Anwendung finden. Soweit eine analoge Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB auf Gebote im Versteigerungsverfahren befürwortet wird,17 ist aber auch dies abzulehnen. Da jede sittenwidrige Rechtsausübung gleichfalls treuwidrig ist, bedarf es keines Rückgriffs auf § 138 BGB, um sittenwidrige Gebote zu sanktionieren, vorausgesetzt § 242 BGB findet in diesen Fällen Anwendung.18 2. Die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) § 826 BGB setzt weder eine Sonderverbindung voraus noch werden hinsichtlich der Schädigungshandlung bestimmte Anforderungen aufgestellt, weshalb die Norm im Grundsatz auch im Vollstreckungsrecht Anwendung finden kann. In Betracht kommt § 826 BGB bei sittenwidrigen Vereitelungshandlungen oder dem Erschleichen unberechtigter Vorteile. In ihrer Funktion als Rechtsausübungsschranke erlangt die Vorschrift aber vor allem Bedeutung, wenn es um die Verhinderung der Vollstreckung aus unrichtigen Titeln geht.19
12 Vgl. zu Bietabkommen allgemein MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 109; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 512 ff. 13 Vgl. nur BGH NJW-RR 2005, 1359, 1361. 14 Böttcher, § 71 Rn. 4; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 65 Rn. 9; Musielak/Voit/ Becker, § 817 Rn. 3. 15 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 3615; Dierck/Morvilius/Vollkommer/Morvilius, 4. Kap. Rn. 479; Lippross/Bittmann, Rn. 588. 16 OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 441, 442; OLG Hamm Rpfleger 1998, 438, 439; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 71 Rn. 11; Hk-ZV/Stumpe, § 71 ZVG Rn. 2. 17 LG Mainz JurBüro 2001, 214; LG Lüneburg Rpfleger 2007, 419. 18 Siehe dazu im Einzelnen sogleich noch § 4 A. III. 19 Siehe dazu im Einzelnen noch § 11 A. VII.
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Im Verfahrensrecht wird eine deliktische Haftung auch befürwortet, wenn jemand sich eines staatlichen, gesetzlich geregelten Verfahrens in missbräuchlicher Weise bedient.20 Dafür lässt es die Rechtsprechung aber nicht ausreichen, dass das mit der Betreibung des Verfahrens verfolgte Begehren sachlich ungerechtfertigt ist und der anderen Seite daraus ein Nachteil entstanden ist; es kommt nur eine Haftung unter den strengen Voraussetzungen des § 826 BGB in Betracht, wofür ein Missbrauch des Verfahrens zur Schädigung des anderen erfolgt sein muss.21 Der Verfahrensgegner ist nämlich regelmäßig durch die verfahrensrechtlichen Verteidigungsmittel hinreichend geschützt und für den Ersatz von Schäden im Grundsatz auf § 717 und § 945 ZPO zu verweisen.22 Das gilt aber nur für die unmittelbar am Verfahren Beteiligten, denen eigene Rechte zustehen, und nicht für Dritte, die gleichsam nachteilig durch das Verfahren betroffen sein können.23 Für den Bereich der Zwangsvollstreckung hat diese Fallgruppe eine eher geringe praktische Bedeutung.24 Die Beteiligten haben sich gegen eine unberechtigte Vollstreckung grundsätzlich mit den zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen, also insbesondere der Erinnerung (§ 766 ZPO) und der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) zu verteidigen.25 Anders als im Erkenntnisverfahren ist der Vollstreckungsgläubiger bereits durch das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels legitimiert. Eine sittenwidrige Schädigung durch die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens wird daher ganz wesentlich nur Fälle betreffen, in denen der Titel erschlichen worden ist oder vom Gläubiger trotz Unrichtigkeit zur Vollstreckung ausgenutzt wird. Soweit es um die Schädigung Dritter geht, wie es beispielsweise bei der Vollstreckung in schuldnerfremdes Eigentum der Fall ist, kommt aber eine Haftung (auch)26 nach § 826 BGB in Betracht. Dass sich der Dritte im Wege der Widerspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen den Vollstreckungszugriff in sein Eigentum zur Wehr setzen kann, ist nicht gleichbedeutend mit den Verteidigungsmöglichkeiten der unmittelbar am Verfahren Beteiligten.27 Da der Gläubiger aber nicht zur Rückübereignung der verwerteten Sache in der Lage ist, kommt allenfalls eine Kompensation des Dritten in Geld in Betracht. 20 Vgl. nur MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 238 ff.; Staudinger/Oechsler, § 826 BGB Rn. 545 ff. 21 BGH NJW 1961, 2254, 2245; 1979, 1351, 1352; 2255; 2003, 1934 f.; 2004, 446, 447. Die Rechtsprechung sieht sich wegen des Vorwurfs überspannter Anforderungen an eine deliktische Haftung deutlicher Kritik im Schrifttum ausgesetzt, vgl. nur Baur/ Stürner/Bruns, Rn. 5.20; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 7 Rn. 18 f. jeweils m.w. N. 22 BGH NJW 1961, 2254, 2255. 23 BGH NJW 1992, 2014, 2015. 24 Eine Haftung nach § 826 BGB jeweils verneinend BGH WM 1984, 1249; NJW 1979, 1351, 1352 f.; BVerfG NJW 2015, 3083 ff. 25 Die vollstreckungsrechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten als unzureichend ansehend Lippross, JA 1980, 16 f. 26 Zu den sonstigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen Brox/Walker, ZVR, Rn. 464 ff. 27 BGH NJW 1992, 2014, 2015.
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III. Das Verbot treuwidriger Rechtsausübung (§ 242 BGB) Wie auch im materiellen Recht hat im Vollstreckungsrecht das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitete Rechtsmissbrauchsverbot die größte praktische Bedeutung. So wird § 242 BGB beispielsweise bemüht, um die Unwirksamkeit einer erschlichenen Zustellung28 oder eines missbräuchlichen Eigengebots eines Gläubigervertreters in der Zwangsversteigerung29 zu begründen, aber auch, um dem missbräuchlichen Verlangen einer symbolischen Sicherheitsleistung bei einer Grundstückszwangsversteigerung30 zu begegnen. Insgesamt fällt auf, dass die Rechtsprechung heute entgegen ihrer früheren Auffassung31 § 242 BGB zur Korrektur unzulässiger Rechtsausübung in ganz unterschiedlichen Vollstreckungsfällen heranzieht, eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage der Anwendbarkeit aber unterbleibt.32 Vielmehr beschränkt sich die Rechtsprechung auf eine positive Feststellung zumeist mit dem Hinweis, der Grundsatz von Treu und Glauben beherrsche auch das Verfahrensrecht. In gleicher Weise wird auch von vielen Stimmen in der Literatur Stellung genommen,33 wenn auch zum Teil mit der Einschränkung, dass vorrangige Spezialregelungen einer Anwendung entgegenstehen könnten.34 Eine genauere Analyse, ob die Vorschrift unter methodischen Gesichtspunkten im Vollstreckungsrecht Anwendung finden kann, lässt sich allerdings kaum finden,35 weshalb dies im Folgenden näher untersucht werden soll. 28
BGH NJW 1971, 2226. BGH NJW 2007, 3279, 3280; 2008, 1959, 1960. 30 BGH NJW 2012, 3376. 31 RGZ 162, 65, 68, lehnte die Anwendbarkeit der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln (namentlich § 226 und § 138 BGB) im Prozessrecht noch gänzlich ab. 32 Beispielhaft nur aus der jüngeren Rechtsprechung BGH NJW 2007, 3279, 3280; 2008, 1959, 1960; 2008, 3287; NJW-RR 2010, 1314; 2011, 959; NJW 2012, 3376; NJW-RR 2013, 1171, 1172; 2014, 82. 33 Aus dem zivilprozessualen Schrifttum: BLAH/Hartmann, Einl. III Rn. 54; Pfister, S. 29 f.; Lüttringhaus, ZZP 127 (2014), 29, 30; MüKoZPO/Rauscher, Einleitung Rn. 36; Schumann, JA 1976, 637, 640 ff. Aus dem vollstreckungsrechtlichen Schrifttum: Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.56; Bittmann, ZZP 97 (1984), 32, 40 f.; Findeisen, S. 220; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 1 Rn. 38; Hk-ZV/Bendtsen, § 829 Rn. 8; Lüke, ZZP 108 (1995), 425, 453; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 11; Schiffhauer, Rpfleger 1986, 326, 328 f.; Schneider, DGVZ 1977, 129, 131; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 704 Rn. 45; Walker, FS Stürner, 829; Wendland, ZZP 129 (2016), 347, 373; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rn. 32, 36. Aus dem privatrechtlichen Schrifttum: BeckOK BGB/Sutschet, § 242 Rn. 10; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 54; Hk-BGB/ Schulze, § 242 Rn. 4; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 113; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 18; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 4; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 1102. Die Anwendbarkeit ablehnend: Prütting, FS Stürner, 455, 457 ff.; Stamm, LMK 2012, 340746; Zeiss, S. 19 f., der aber für eine ungeschriebene Generalklausel mit dem prozessualen Verbot arglistigen Verhaltens eintritt. Konzen, S. 250 ff., hält § 242 BGB im Prozessrecht nur für Fälle der Verwirkung und des Missbrauchs prozessualer Befugnisse für anwendbar. Offenlassend Gaul, FS Baumgärtel, 75, 76 Fn. 3. 34 Siehe zum Konkurrenzverhältnis im Einzelnen sogleich noch § 4 B. 35 Anders für das gesamte Zivilverfahrensrecht Prütting, FS Stürner, 455, 457 ff. 29
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1. Wortlaut und Systematik a) Geschriebener Tatbestand § 242 BGB dürfte nach seinem Wortlaut und der Stellung im Gesetz nur als Maßstab für die Leistungsbewirkung durch den Schuldner herangezogen werden. Eine strenge Betrachtung von Normtext und Systematik sprechen daher dafür, die Norm nicht im Zivilverfahrensrecht anzuwenden.36 Gleichwohl gilt die Vorschrift aber bereits im materiellen Recht keineswegs nur im Schuldrecht, sondern im gesamten Privatrecht und auch nicht nur zugunsten des Gläubigers.37 Wortlaut und systematischer Standort der Vorschrift sind daher kein aussagekräftiger Anknüpfungspunkt, wenn es um die Frage der Anwendbarkeit auch im Vollstreckungsrecht geht.38 b) Erfordernis einer Sonderverbindung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal Verlangt man für die Anwendbarkeit von § 242 BGB wegen ihres systematischen Standorts im Schuldrecht als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung das Vorliegen einer Sonderverbindung zwischen den Beteiligten, könnte eine Anwendung im Vollstreckungsrecht am Fehlen einer solchen Verbindung scheitern. aa) Meinungsstand Ganz überwiegend wird für die Anwendung von § 242 BGB das Vorliegen einer Sonderverbindung zwischen den Beteiligten verlangt, sofern es darum geht, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben einen gegenseitigen Pflichtenkatalog in Form von Treue- und Rücksichtnahmepflichten zu begründen.39 Bei der hier aber allein interessierenden Funktion des § 242 BGB als Rechtsmissbrauchsverbot bzw. Einwand unzulässiger Rechtsausübung wird überwiegend auf das Erfordernis einer Sonderverbindung verzichtet.40 Die Gegenansicht fordert zwar eine
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So deshalb Prütting, FS Stürner, 455, 458 f. Einhellige Meinung, vgl. nur BGH NJW 1954, 508, 509; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 Rn. 4; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 99 ff.; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 1, 18; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 3. 38 Nach Ansicht von MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 92, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die sich aus dem Wortlaut des § 242 BGB ergeben, nicht maßgeblich. 39 BeckOK BGB/Sutschet, § 242 Rn. 14; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 12. 40 Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 15; Henckel, S. 366; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 12; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 14, 25, 30 ff. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 64; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 127 ff., sind der Meinung, dass sich die Frage im unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm gar nicht stelle, und soweit es um eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs gehe, im Einzelfall betrachtet werden müsse, ob der allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben herangezogen werden könne. 37
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Sonderverbindung, stellt an ihr Vorliegen aber überwiegend keine besonders hohen Anforderungen, da ein qualifizierter sozialer Kontakt ausreiche.41 bb) Erheblichkeit der Kontroverse Die Kontroverse würde an Bedeutung verlieren, ließe sich das Vorliegen einer Sonderverbindung in den meisten Fällen bereits positiv feststellen. Im Vollstreckungsrecht gibt es verschiedene Rechtsbeziehungen zwischen den am Verfahren Beteiligten, wobei genauer zu untersuchen ist, inwieweit sich diese als eine Sonderverbindung in der beschriebenen Art qualifizieren lassen. Das Verhältnis zwischen Gläubiger, Schuldner und Vollstreckungsorgan wird als Vollstreckungsrechtsverhältnis bezeichnet.42 Zu differenzieren ist zwischen den Einzelverhältnissen, nämlich einem solchen zwischen Gläubiger und Staat, repräsentiert durch die Vollstreckungsorgane, dem Verhältnis zwischen Staat und Schuldner und einem solchen zwischen Gläubiger und Schuldner. Sind am Vollstreckungsverfahren weitere Personen beteiligt, so können sich zu diesen ebenfalls Rechtsbeziehungen ergeben. (1) Antragsverhältnis Das Verhältnis zwischen Gläubiger und Staat wird als Antragsverhältnis gekennzeichnet.43 Da das Vollstreckungsverfahren grundsätzlich durch die Dispositionsmaxime beherrscht wird, werden die Vollstreckungsorgane nur auf Antrag des Gläubigers tätig.44 Als Inhaber eines vollstreckbaren Anspruchs hat der Gläubiger gegen den Staat als Inhaber des Vollstreckungsmonopols einen Vollstreckungsanspruch.45 Der Gläubiger ist also zum einen zwingend auf die Mithilfe des Staates angewiesen, er hat aber grundsätzlich auch einen Anspruch auf staatliches Tätigwerden. Die sich insoweit ergebende Beziehung zwischen Gläubiger und Staat reicht für die Annahme einer Sonderverbindung aus, da sie über einen qualifizierten sozialen Kontakt hinausgeht. (2) Eingriffsverhältnis Der eigentliche Vollstreckungszugriff auf Seiten des Schuldners erfolgt durch die staatlichen Vollstreckungsorgane. Dabei wird in Rechtspositionen des Schuld41 Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 1; Hk-BGB/Schulze, § 242 Rn. 3, 23; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 221; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 5, 39; Siebert, S. 118 ff.; weitergehend aber BFH NJW 1990, 1251 (Rechtsbeziehung erforderlich). 42 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 5.5; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 8 Rn. 1 ff. 43 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 5.6; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 8 Rn. 9. 44 MüKoZPO/Rauscher, Einleitung Rn. 406; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 11; Thomas/Putzo/Seiler, Vor § 704 Rn. 30; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rn. 19. 45 Brox/Walker, ZVR, Rn. 1.
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ners eingegriffen. Das Rechtsverhältnis zwischen Staat und Schuldner charakterisiert man daher auch als Eingriffsverhältnis.46 Wegen der grundrechtlichen Relevanz des Vollstreckungseingriffs ist die Beziehung zwischen Staat und Schuldner durch strenge Gesetzmäßigkeit geprägt.47 Die Vollstreckungsorgane haben strikte Verfahrensvorgaben zu beachten und unterliegen spezialgesetzlichen Schranken bei der Ausübung ihrer Vollstreckungsgewalt, insbesondere den Schuldnerschutzvorschriften der §§ 811 ff., 850 ff. ZPO. Die vielfältigen Beschränkungen der staatlichen Eingriffsbefugnis bewirken größtenteils weiter reichende Hürden als das Rechtsmissbrauchsverbot des § 242 BGB. Die Beziehung zwischen Staat und Schuldner rechtfertigt danach auch insoweit die Annahme einer Sonderverbindung. (3) Vollstreckungsverhältnis Auch wenn das gesamte Vollstreckungsrechtsverhältnis vor allem durch die jeweiligen Beziehungen zum Staat geprägt ist, geht es doch im Vollstreckungsverfahren vor allem darum, dass der titulierte Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner vollstreckt wird. Zwar lässt sich dieses Vollstreckungsverhältnis nicht mit dem materiell-rechtlichen Verhältnis zwischen den Parteien gleichsetzen, da im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich der vollstreckbare Titel und nicht der diesem zugrunde liegende materiell-rechtliche Anspruch maßgeblich ist.48 Gleichwohl dient der Titel der Durchsetzung des materiell-rechtlichen Anspruchs. Das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner wird also auf eine andere Ebene gestellt, wenn es zum Erlass des Titels kommt, da er den Gläubiger zur Einleitung von Zwangsmaßnahmen mit dem Zweck der Befriedigung befugt. Für die Annahme einer Sonderverbindung reicht das aus. Die Rechtsprechung sieht in der Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner sogar eine gesetzliche Sonderbeziehung privatrechtlicher Art mit Pflichten für den Gläubiger, die Interessen des Schuldners zu wahren.49 Auch wenn diese Ansicht in der Literatur zum Teil auf Ablehnung stößt,50 macht sie deutlich, dass das Verhältnis jedenfalls eine solche Qualität aufweist, die für die Anwendbarkeit von § 242 BGB ausreicht.51
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Baur/Stürner/Bruns, Rn. 5.10; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 8 Rn. 11. Baur/Stürner/Bruns, Rn. 5.10; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 8 Rn. 11. 48 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 8 Rn. 4, 16. 49 BGH NJW 1972, 1048, 1049; 1979, 1351; 1985, 3080, 3081. 50 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 5.15; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 8 Rn. 23; a. A. aber Wolf/Müller, NJW 2004, 1775 f. 51 So auch Findeisen, S. 220 f. 47
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(4) Verhältnis zu Dritten Rechtsbeziehungen zu Dritten werden nicht mehr als Teil des Vollstreckungsrechtsverhältnisses betrachtet.52 Gleichwohl können sich zu Dritten auf verschiedene Weise ebenfalls Rechtsbeziehungen ergeben. So können unbeteiligte Dritte durch einen Eingriff in ihre Rechte beispielsweise bei der Vollstreckung in schuldnerfremdes Eigentum betroffen sein. Eine planmäßige Drittbetroffenheit ergibt sich bei der Forderungspfändung in der Person des Drittschuldners. Insbesondere § 840 ZPO enthält verschiedene Erklärungsobliegenheiten des Drittschuldners, bei deren Verletzung er sich dem Gläubiger gegenüber sogar schadensersatzpflichtig machen kann (§ 840 Abs. 2 ZPO). Der BGH hielt in einem Fall, in dem ein Dritter wegen Verletzung seines Eigentums vom Gläubiger Schadensersatz verlangte, § 278 BGB für anwendbar, so dass sich der Gläubiger ein Verschulden seines Rechtsanwalts zurechnen lassen musste. Begründet hat der BGH die Anwendbarkeit der Zurechnungsnorm mit einer Sonderbeziehung privatrechtlicher Art zwischen dem Gläubiger und dem Dritten.53 Bei einem Dritten, der nur deshalb vom Vollstreckungsverfahren betroffen wird, weil ein unberechtigter Eingriff in seine Rechte erfolgt, erscheint die Annahme einer Sonderbeziehung zu weitgehend. Andernfalls ließen sich kaum mehr Fälle vorstellen, in denen es an einer Sonderbeziehung noch fehlen könnte. Die Ansicht des BGH spricht aber dafür, dass sich die Annahme einer Sonderverbindung zumindest bei planmäßig in das Verfahren einbezogenen Dritten, zu denen eine Verbindung gesteigerter Qualität besteht (z. B. Drittschuldner), rechtfertigen lässt. In sonstigen Fällen muss das Vorliegen einer Sonderverbindung aber verneint werden. cc) Stellungnahme zum Erfordernis einer Sonderverbindung Da es bei der Beziehung zu Dritten unter Umständen darauf ankommen kann, ob man für die Heranziehung von § 242 BGB das Vorliegen einer Sonderverbindung voraussetzt, ist zur Kontroverse Stellung zu nehmen. Der rechtsmissbräuchlich Handelnde bewegt sich außerhalb des Rechts und ist deshalb nicht schutzbedürftig. Für diesen Befund ist es unerheblich, ob jemand Teil einer Sonderverbindung ist. Das im Rechtsmissbrauchsverbot zum Ausdruck kommende Mindestmaß an gegenseitiger Achtung der Interessen des anderen muss auch außerhalb rechtlicher Sonderverbindungen gelten. Deshalb wird von der überwie52 Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 28 ff.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 8 Rn. 4; a. A. Lüke, ZZP 108 (1995), 425, 437. 53 BGH NJW 1972, 1048, 1049 f.; zustimmend Findeisen, S. 220 f.; im Ergebnis eine Rechtsbeziehung zum Dritten auch bejahend Lüke, ZZP 108 (1995), 425, 437, 453; eine privatrechtliche Sonderbeziehung ablehnend, dafür aber ein auf § 1004 BGB gründendes Rechtsverhältnis annehmend Henckel, JZ 1973, 32.
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genden Meinung zu Recht auf dieses Erfordernis verzichtet, wenn es um die Funktionsweise des § 242 BGB als Missbrauchsschranke geht. Zusammenfassend sprechen daher Wortlaut und Systematik nicht gegen eine Anwendung von § 242 BGB auch im Vollstreckungsrecht. 2. Historische Betrachtung Aus historischer Sicht hat man sich im Gesetzgebungsverfahren zwar bewusst gegen die Normierung eines allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots entschieden,54 man erwartete aber, dass entsprechende Fälle über § 226 BGB gelöst würden, was wegen des engen Wortlauts jedoch nicht gelang.55 Zwingende Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich lassen sich vor diesem Hintergrund also ebenfalls nicht ziehen. 3. Teleologische Auslegung Schließlich ist die Frage der Anwendbarkeit im Vollstreckungsrecht aus teleologischer Sicht zu beleuchten. Die vielfältige Heranziehung des § 242 BGB durch die Rechtsprechung macht bereits das praktische Bedürfnis deutlich, auf das Verhalten einzelner Beteiligter korrigierend einwirken und dem Einzelfall gerecht werdende Entscheidungen treffen zu können. Die Ausübung eines Rechts entgegen dem Gebot von Treu und Glauben kann auch im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nicht hingenommen werden. Agiert ein Verfahrensbeteiligter missbräuchlich und damit außerhalb des Rechts, muss solchem Verhalten wirksam begegnet werden können. Die Beteiligten sind gehalten, ihre Rechte nicht missbräuchlich zum Nachteil anderer auszuüben.56 Auch im Vollstreckungsrecht muss Rechtsmissbrauch sanktioniert werden können, da ein Verfahrensbeteiligter, der sich außerhalb des Rechts bewegt, nicht schutzwürdig ist. Begreift man das Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung als einen die gesamte Rechtsordnung umfassenden Rechtsgrundsatz,57 so folgt daraus, dass § 242 BGB grundsätzlich auch im Vollstreckungsrecht Beachtung finden kann.58
54 Anschaulich zusammenfassend Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 25 ff., insbesondere Rn. 35 f. und 215. 55 Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 9. 56 Findeisen, S. 221, spricht sogar von gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten. 57 In BGH NJW 1954, 508, 509 heißt es: „Jede Rechtsausübung muss nicht nur auf die eigenen Belange und die Belange des Volksganzen, sondern auch auf die jedes einzelnen Rücksicht nehmen (. . .), denn sie ist dem für die ganze Rechtsordnung maßgebenden Grundsatz von Treu und Glauben unterworfen wie er in § 242 BGB niedergelegt ist.“ 58 Bernhard, ZZP 66 (1953), 77, 86; in diese Richtung gehend auch Looschelders, SchuldR AT, Rn. 64; kritisch aber Konzen, S. 82. Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89, 91, und Siebert, S. 126, argumentieren mit der Einheit der Rechtsordnung.
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2. Teil: Grundlagen
Die gegenteilige Ansicht, wonach auch aus teleologischer Sicht eine Anwendung von § 242 BGB im Verfahrensrecht insgesamt verneint werden müsse,59 überzeugt nicht. Danach unterscheide sich das Wesen des Prozessrechtsverhältnisses klar von einer materiell-rechtlichen Sonderverbindung beispielsweise in Form eines Schuldverhältnisses. Die Interessenlage der Beteiligten sei nicht auf ein gemeinsames Ziel gerichtet, sondern regelmäßig sogar gegensätzlicher Natur.60 Das Vollstreckungsrechtsverhältnis unterscheidet sich aber vom Prozessrechtsverhältnis dahingehend, dass über den im Streit befindlichen materiellen Anspruch gerichtlich bereits entschieden worden ist. Die Parteien sind dadurch enger miteinander verbunden, selbst wenn ihre Interessen immer noch gegenläufig sind.61 Erst Recht gilt dies für den Fall, dass ein gerichtlicher Vergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder eine vollstreckbare Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) Grundlage der Vollstreckung sind. Die Anforderungen an die Rechtsausübung in einer materiell-rechtlichen Sonderverbindung sind in jedem Fall höher als in einem Prozessrechtsverhältnis und damit auch im Vollstreckungsrechtsverhältnis. Gleichwohl muss auch dort eine Rechtsausübung ihre Grenze finden, wo sie Missbrauch darstellt. Im Ergebnis ist eine Anwendung von § 242 BGB im Vollstreckungsrecht daher aus teleologischen Gründen zu befürworten.
B. Konkurrenzverhältnis zu speziellen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften und Kollision mit verfahrensrechtlichen Prinzipien Nachdem die Anwendbarkeit der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln im Vollstreckungsrecht im Grundsatz bejaht worden ist, muss nun der Frage nachgegangen werden, wie das Konkurrenzverhältnis zu vollstreckungsrechtlichen Regelungen und Prinzipien zu bewerten ist. Insbesondere mit § 765a ZPO enthält das Recht der Zwangsvollstreckung eine zentrale Norm zum Schutz des Schuldners. Darüber hinaus sind aber auch vollstreckungsrechtliche Prinzipien und Verfahrensgrundsätze in den Blick zu nehmen. Durch den korrigierenden Einsatz der Rechtsausübungsschranken könnte zum einen das Institut der Rechtskraft ausgehöhlt werden. Außerdem verdient die strenge Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens Beachtung, die einer Berücksichtigung materiell-rechtlicher Kriterien wie Treu und Glauben oder der guten Sitten entgegenstehen könnte. Schließlich kennt das Prozessrecht das spezielle Institut des Rechtsschutzbedürfnisses. 59
Prütting, FS Stürner, 445, 459 f. Zur Annahme eines Interessenwiderstreits bereits Gaul, ZZP 110 (1997), 3, 25. 61 So auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 8 Rn. 4, sie halten den Interessengegensatz zwischen den Parteien in der Vollstreckung aber für noch gravierender als im Erkenntnisverfahren. 60
§ 4 Rechtsausübungsschranken im Zwangsvollstreckungsrecht
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Bereits bei der Darstellung der Generalklauseln in ihrer Wirkung als Rechtsausübungsschranken wurde hervorgehoben, dass sie immer nur dann herangezogen werden dürfen, wenn nicht spezielle Vorschriften existieren, die für den maßgeblichen Fall eine Regelung vorsehen. Nur so lassen sich willkürliche Entscheidungen vermeiden und die in den Spezialnormen zum Ausdruck kommenden Wertungen und Interessen gemäß dem Willen des Gesetzgebers abbilden.62 Aus diesem Grund ist ein beträchtlicher Teil des Schrifttums zu Recht der Meinung, dass die Schrankenregelungen des BGB im Vollstreckungsrecht nur dann angewendet werden dürfen, wenn nicht spezielle Vorschriften gelten.63 Will ein Gläubiger beispielsweise in die Lohnforderung des Schuldners gegen dessen Arbeitgeber vollstrecken, so ist der Zugriff durch die §§ 850 ff. ZPO beschränkt. Unterhalb der Pfändungsgrenzen wird dem Gläubiger die Vollstreckung grundsätzlich verwehrt. Änderungen zu Gunsten des Gläubigers ergeben sich aber bereits dann, wenn seine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners herrührt (vgl. § 850f Abs. 2 ZPO), da in diesem Fall die Interessen des Gläubigers als schutzwürdiger einzustufen sind. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass insoweit kein Raum für eine Korrektur über die §§ 138, 226, 242, 826 BGB ist. Das Vollstreckungsrecht hat bereits eine eigene Abwägung der Interessen durch spezielle Vorschriften vorgenommen und muss nicht mittels der Generalklauseln des BGB korrigiert werden. I. Generalklausel des § 765a ZPO Die Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes auch im Vollstreckungsrecht zwingt dazu, das Verhältnis der §§ 138, 226, 242, 826 BGB zu § 765a ZPO zu untersuchen. § 765a ZPO stellt seinerseits eine Generalklausel des Zwangsvollstreckungsrechts zum Schutz des Schuldners dar und findet deshalb auch dort nur subsidiäre Anwendung im Verhältnis zu speziell geregelten Schuldnerschutzvorschriften.64 Als Auffangvorschrift mit Korrektivfunktion könnte sie einen Rückgriff auf die rechtsbeschränkenden Vorschriften des BGB ganz oder zumindest in bestimmten Bereichen ausschließen. Die Befassung mit dem Konkurrenzverhältnis zwischen § 765a ZPO und den Generalklauseln des BGB wirft nicht nur Fragen in Bezug auf die Geltung der BGB-Normen im Vollstreckungsrecht auf, sondern auch hinsichtlich der Prü62
Siehe dazu schon § 3 B. I. 1. Erman/Wagner, § 226 Rn. 3; Findeisen, S. 221; Henckel, S. 368 f., 392; Hk-BGB/ Schulze, § 242 Rn. 4; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 113; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 18 f.; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 4; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 95 f.; Staudinger/Repgen, § 226 Rn. 41. Aus der verfahrensrechtlichen Literatur: Stein/Jonas/ Münzberg, Vor § 704 Rn. 45. 64 MüKoZPO/Heßler, § 765a Rn. 12 f.; Musielak/Voit/Lackmann, § 765a Rn. 2; Schuschke/Walker/Walker, § 765a Rn. 5. 63
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2. Teil: Grundlagen
fungskompetenz der Vollstreckungsorgane. Im Folgenden soll es zunächst nur um die Frage der Sperrwirkung des § 765a ZPO gehen, bevor im weiteren Verlauf der Untersuchung das Problem der Prüfungskompetenz65 behandelt wird. Die Frage nach der Sperrwirkung erfordert eine Differenzierung danach, wie in Fällen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 765a ZPO zu verfahren ist und ob im Anwendungsbereich der Norm, wenn es also um den Schutz des Schuldners geht, tatsächlich ein Rückgriff auf die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften ausscheidet. 1. Schutz des Gläubigers oder anderer Verfahrensbeteiligter Geht es um den Schutz des Gläubigers oder anderer Verfahrensbeteiligter vor missbräuchlicher Rechtsausübung, so bewegt man sich außerhalb des Anwendungsbereichs von § 765a ZPO.66 Zu Gunsten dieser Verfahrensbeteiligten kommt auch eine analoge Anwendung von § 765a ZPO nicht in Betracht, da es bereits an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. § 765a ZPO ist auf den Schutz des Schuldners zugeschnitten und greift in den Absätzen 2 und 3 spezielle Vollstreckungsbereiche im Einzelnen heraus, in denen die Rechtsposition des Schuldners nochmals gestärkt wird. Auf den Schutz der Interessen des Gläubigers, beispielsweise vor Vereitelungshandlungen des Schuldners, oder den Schutz Dritter vor missbräuchlicher Rechtsausübung lässt sich die Vorschrift nicht übertragen. Der Umstand, dass sich im Achten Buch der ZPO keine dem § 765a ZPO entsprechende Vorschrift zugunsten des Gläubigers findet, lässt auch nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass Gläubiger eine missbräuchliche Rechtsausübung durch den Schuldner hinzunehmen haben.67 Es wäre nämlich mit dem vorrangigen Zweck des Vollstreckungsverfahrens, eine Befriedigung des Gläubigers zu erreichen, unvereinbar, wenn man zuließe, dass der Schuldner das Verfahren ohne rechtliche Konsequenzen nachteilig beeinflussen könnte. Auch die Gesetzesbegründung zu § 765a ZPO greift die Bedenken gegen einen immer weiter reichenden Schuldnerschutz auf und unterstreicht die Bedeutung des § 765a ZPO als eng auszulegende Ausnahmevorschrift, um missbräuchlicher Rechtsausübung durch den Schuldner vorzugreifen.68 Im Ergebnis entfaltet § 765a ZPO also keine Sperrwirkung, wenn es um den Schutz einer Rechtsposition des Gläubigers oder Dritter geht, also
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Siehe dazu im Einzelnen § 5. Gaul, FS Baumgärtel, 75, 76 Fn. 3 lässt ausdrücklich offen, ob § 242 BGB zumindest außerhalb des Anwendungsbereichs von § 765a ZPO angewendet werden kann. 67 Oerke, S. 99, weist darauf hin, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der ZPO immer nur den Schutz des Schuldners vor Augen gehabt habe, weshalb eine gläubigerschützende Vorschrift fehle. 68 BT-Drs. 1/3284, S. 13 f. 66
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die Ausübung eines Rechts durch den Schuldner oder Dritte missbräuchlich erfolgt.69 2. Schuldnerschutz a) Bedeutungsgehalt des § 765a ZPO Um beurteilen zu können, ob § 765a ZPO einer Anwendung der bürgerlichrechtlichen Generalklauseln entgegensteht, soweit es um den Schutz des Schuldners geht, ist eine nähere Betrachtung des Regelungsgehalts der Vorschrift erforderlich. § 765a ZPO stellt einen speziellen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelf dar, der systematisch im Ersten Abschnitt des Achten Buchs der ZPO unmittelbar vor der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) und der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geregelt ist. Inhaltlich gewährt § 765a ZPO dem Schuldner Schutz vor Maßnahmen, die wegen besonderer Umstände eine sittenwidrige Härte bedeuten. Die Belastung durch die Zwangsvollstreckung als solche reicht nicht aus, die Maßnahme muss vielmehr zu einem untragbaren Ergebnis führen.70 Wie auch die Generalklauseln des BGB dient § 765a ZPO als Korrektiv in Fällen mit besonders krassen Rechtsfolgen, würden die gesetzlichen Vorgaben stringent eingehalten und umgesetzt. Der Tatbestand der Vorschrift verlangt aber ausdrücklich auch eine Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers, da er gerade Inhaber eines Vollstreckungstitels und des sich daraus ergebenden Anspruchs auf Durchführung der Vollstreckung ist. Was den konkreten Anwendungsbereich angeht, hat § 765a ZPO eine herausgehobene Bedeutung in der Räumungsvollstreckung. Er wird dort herangezogen, wenn Vollstreckungsmaßnahmen voraussichtlich das Entstehen einer Notlage zur Folge haben, weil Leib und Leben des Schuldners71 gefährdet sind.72 Das betrifft insbesondere Fälle einer Suizidgefahr73, eine unmittelbar bevorstehende oder gerade erfolgte Entbindung74 sowie schwerwiegende gesundheitliche Risiken bei hohem Alter75.
69 So im Wesentlichen auch Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89, 90, der aber mit Rücksicht auf die formalen Bestimmungen des Vollstreckungsverfahrens für eine sehr zurückhaltende Anwendung der Normen des BGB plädiert. 70 BGH NJW 1965, 2107, 2108; 2005, 681, 682; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1482; HkZV/Bendtsen, § 765a Rn. 33. 71 Auch dem Schuldner nahestehende Dritte können in den Schutzbereich mit einbezogen sein, vgl. BGH NJW 2005, 1859; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1482c. 72 Brox/Walker, ZVR, Rn. 1482b; MüKoZPO/Heßler, § 765a Rn. 27; Musielak/Voit/ Lackmann, § 765a Rn. 7; Schuschke/Walker/Walker, § 765a Rn. 19. 73 Vgl. nur BVerfG NJW 2016, 3090; NJW-RR 2014, 1290 f.; NJW 2013, 290; NJWRR 2012, 393, 395; BGH NJW-RR 2016, 583, 585; NJW-RR 2015, 393, 394. 74 LG Bonn DGVZ 1994, 75. 75 BVerfG NJW 1998, 295; BGH NJW 2009, 3440.
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2. Teil: Grundlagen
§ 765a ZPO kommt auch im Zwangsversteigerungsverfahren zur Anwendung, wenn eine Verschleuderung des Grundstücks droht, weil ein krasses Missverhältnis zwischen dem Grundstückswert und dem abgegebenen Meistgebot vorliegt.76 Die Zuschlagsentscheidung kann dann zu vertagen sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Versteigerungsergebnis zu einem späteren Zeitpunkt besser sein werde.77 Darüber hinaus wird auf § 765a ZPO aber auch zurückgegriffen, wenn der Gläubiger entweder nur ein sehr untergeordnetes oder überhaupt kein Vollstreckungsinteresse hat, weil die Schikanierung des Schuldners im Vordergrund steht oder die Vollstreckung völlig zwecklos wäre, so dass das Interesse des Schuldners, von der Vollstreckung verschont zu bleiben, überwiegen wird.78 b) Konkurrenzverhältnis zu den bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln Die Auseinandersetzung mit dem Regelungsgehalt der Vollstreckungsschutzerinnerung macht deutlich, dass es inhaltliche Überschneidungen mit den Generalklauseln des BGB gibt. Ist die Vollstreckung beispielsweise völlig zwecklos oder soll sie nur den Schuldner schikanieren, so wird darin immer auch ein missbräuchliches Verhalten des Gläubigers zu sehen sein und damit ein Verstoß gegen § 242 BGB. § 765a ZPO könnte daher innerhalb seines Anwendungsbereichs gegen eine Geltung der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln sprechen. aa) Meinungsstand Ein beträchtlicher Teil des Schrifttums betrachtet § 765a ZPO als abschließendes, spezifisch vollstreckungsrechtliches Institut zur Verhinderung missbräuchlicher Rechtsausübung, das jedenfalls in seinem Anwendungsbereich einen Rückgriff auf die entsprechenden Vorschriften des BGB ausschließe.79 § 765a ZPO bringe für das Zwangsvollstreckungsrecht gerade das Gebot zum Ausdruck, dass 76 Böttcher, § 30a Rn. 38 f.; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 30a Rn. 32; Stöber, Einleitung Rn. 55.3. 77 BVerfG NJW 1978, 368, 369; BGH NZM 2005, 190, 191 f.; NJW-RR 2011, 1434 f. 78 Schuschke/Walker/Walker, § 765a Rn. 17, 24; Zöller/Stöber, § 765a Rn. 9. Vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 776a ZPO a. F. (BT-Drs. 1/3284, S. 13): „Jedoch kommen außer den in (. . .) genannten Beispielen – ,Vollstreckungsmaßregeln, die das Leben oder die Gesundheit des Schuldners oder seiner Angehörigen unmittelbar gefährden würden‘ – noch andere Umstände in Betracht, unter denen die Durchführung der Zwangsvollstreckung eine sittenwidrige Härte bedeuten kann, (. . .) ferner krasse Fälle mißbräuchlicher Ausnutzung des Offenbarungseidverfahrens.“ 79 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 f.; Gaul, FS Baumgärtel, 75, 76; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 1 Rn. 38, § 43 Rn. 5; Henckel, S. 368 f.; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 704 Rn. 45.
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eine schikanöse, sittenwidrige und treuwidrige Rechtsausübung unzulässig sei.80 Andernfalls werde auch das in der Vorschrift enthaltene Antragserfordernis unterlaufen.81 Die Vertreter dieser Ansicht stützen sich auch auf die historische Entwicklung des § 765a ZPO,82 wonach an den außerordentlichen Schuldnerschutz bewusst hohe Anforderungen gelegt worden sind und dieser im Interesse des Gläubigers nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zum Tragen kommen soll.83 Ein kleiner Teil des Schrifttums ist gegenteiliger Auffassung und meint, dass sich nicht für alle Fälle unzulässiger Rechtsausübung über die speziellen Schuldnerschutzvorschriften sowie § 765a ZPO eine befriedigende Lösung finden lasse.84 Eine differenzierende Ansicht hält § 765a ZPO innerhalb seines Anwendungsbereichs ebenfalls für abschließend; die Norm erfasse aber nur Fälle, in denen es um individuellen Rechtsmissbrauch zum Nachteil des Schuldners gehe.85 Die Verletzung öffentlicher Interessen werde durch die Institute des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses86 und des institutionellen Rechtsmissbrauchs abgedeckt. bb) Stellungnahme Der Vollstreckungsschutzantrag ist in seiner tatbestandlichen Ausgestaltung darauf angelegt, nach einer eingehenden Interessenabwägung ganz außergewöhnliche Härten zu verhindern. Die Vollstreckungsmaßnahme muss für den Schuldner nämlich unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeuten, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Exemplarisch trifft dies auf die Fälle einer Notlage für den Schuldner mit Körper- und Gesundheitsgefahren zu. Dem gewichtigen Interesse des Gläubigers an der Räumung und Herausgabe seines unbeweglichen Vermögens steht der Schutz des Schuldners vor nachteiligen Folgen für seine Gesundheit oder sogar sein Leben gegenüber. Diese Fälle erfordern eine eingehende Erörterung der sich gegenüberstehenden Positionen und eine Entscheidung unter 80 MüKoZPO/Heßler, § 765a Rn. 1; Schuschke/Walker/Walker, § 765a Rn. 1. Gaul, FS Baumgärtel, 75, 86 ff. spricht von einer spezifisch vollstreckungsrechtlichen Ausprägung und Verdichtung des Rechtsmissbrauchsgedankens und betont den darin liegenden Unterschied zur Auffassung, die in § 765a ZPO (bzw. den Vollstreckungsschutzvorschriften überhaupt) den materiell-rechtlichen Gedanken des Rechtsmissbrauchsverbots umgesetzt sieht (so Alisch, S. 105; Henckel, S. 362 ff.; kritisch zu dieser Ansicht aber Arens, AcP 173 (1973), 250, 271; Bötticher, ZZP 85 (1972), 1, 4 f.; Lippross, S. 109 f.). 81 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 1 Rn. 39; Lorenz, DGVZ 1997, 129, 138; Oerke, S. 91; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 704 Rn. 45. 82 Ausführlich dazu Gaul, FS Baumgärtel, 75, 77 ff. 83 BT-Drs. 1/3284, S. 12 f. 84 Alisch, S. 111; Bernhardt, ZZP 66 (1953), 77, 99; Pfister, S. 30. 85 Oerke, S. 82 ff. 86 Siehe dazu noch näher § 4 B. II.
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voller Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls. Es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob den Gläubiger ein moralischer Vorwurf trifft.87 Der Anlass für den Vollstreckungsschutzantrag resultiert in den Gefährdungsfällen aber aus der Sphäre des Schuldners, weil seine persönliche Konstitution oder die Lebensumstände, in denen er sich befindet, die Vollstreckungsfolgen besonders hart machen. Die mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte muss insoweit also gerade aus der Betroffenheit des Schuldners resultieren und nicht aus dem Vorgehen des Gläubigers.88 So gestaltet sich die Situation auch, wenn § 765a ZPO in der Zwangsversteigerung eingreift, weil ein krasses Missverhältnis zwischen Grundstückswert und Meistgebot vorliegt. Der Härtefall resultiert dann nicht aus einer missbräuchlichen Rechtsausübung des Gläubigers, sondern ist im ungünstigen Verlauf des Versteigerungsverfahrens begründet, worauf der Gläubiger keinen unmittelbaren Einfluss hat. Anders sieht die Lage aber aus, wenn der Gläubiger den Schuldner durch Vollstreckungsmaßnahmen schikanieren möchte oder andere verfahrensfremde Zwecke verfolgt. Dann hat die Missbräuchlichkeit gerade ihren Ursprung in dem Verhalten des Gläubigers. Der Gläubiger zweckentfremdet seine Rechtsmacht zum Nachteil des Schuldners. Zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Rechtsausübung muss insoweit auch keine Interessenabwägung mehr erfolgen, wie sie § 765a ZPO aber vorsieht. An einem schikanösen oder zweckwidrigen Vollstreckungsverlangen kann der Gläubiger von vornherein kein berechtigtes Interesse haben. Deshalb gehören diese Fälle nicht in den Anwendungsbereich von § 765a ZPO, so dass insoweit auch eine Sperrwirkung insbesondere zu § 242 BGB abzulehnen ist. Dass der Schutz des Schuldners vor einer missbräuchlichen Rechtsausübung des Gläubigers in der Konsequenz nicht von einem Antrag abhängt, wie ihn § 765a ZPO voraussetzt, ist gerechtfertigt. Resultiert die besondere Härte einer Vollstreckungsmaßnahme aus besonderen Umständen auf Schuldnerseite oder aus Gründen, die außerhalb des Einflussbereichs des Gläubigers liegen, so ist ihm zuzumuten, dass er einen Vollstreckungsschutzantrag stellt. Einer missbräuchlichen Rechtsausübung durch den Gläubiger fehlt aber bereits jedes schutzwürdige Interesse, so dass die Verteidigung dagegen nicht einem gesonderten Antragserfordernis wie in § 765a ZPO unterliegen sollte, wodurch der Schuldner noch zusätzlich beschwert wird. Über die Generalklauseln des BGB lässt sich auch eine höhere Einzelfallgerechtigkeit erreichen. Hat der Schuldner nämlich kein Vollstreckungsschutzverfahren in Gang gesetzt, so bliebe eine missbräuchliche Rechtsausübung ohne rechtliche Konsequenzen. Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung kann Berücksichtigung finden, ohne dass ein spezieller Rechtsbehelf eingelegt werden muss. 87
Brox/Walker, ZVR, Rn. 1482a; MüKoZPO/Heßler, § 765a Rn. 26 m.w. N. So treffend zur Abgrenzung von § 765a ZPO zur Rechtskraftdurchbrechung mit der Klage nach § 826 BGB Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 377. 88
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Einschränkend ist bei der Anwendung im Einzelfall aber in jedem Fall darauf zu achten, dass der Schuldnerschutz nicht uferlos wird. Es muss nämlich die gesetzgeberische Entscheidung Berücksichtigung finden, dass dem Schuldner über die zu seinen Gunsten bereits existierenden speziellen Verfahrensvorschriften hinaus ein zusätzlicher Schutz nur unter strengen Voraussetzungen gewährt werden soll, um eine erfolgreiche Vollstreckung für den Gläubiger nicht zur Ausnahme werden zu lassen.89 Auch der normtypische Unterschied zwischen § 765a ZPO und den Missbrauchsschranken des BGB spricht nicht zwingend für eine Sperrwirkung. § 765a ZPO stellt einen eigenen speziellen Rechtsbehelf des Schuldners in der Zwangsvollstreckung dar und setzt daher auch einen Antrag beim Vollstreckungsgericht voraus. Der Schuldner hat die Möglichkeit, sich mittels des Vollstreckungsschutzantrags gegen eine Vollstreckungsmaßnahme zu wehren, wenn alle anderen Schutzmechanismen nicht gegriffen haben. Die Generalklauseln des BGB hingegen sind Normen des materiellen Rechts und stellen in ihrer Funktion als Ausübungsschranken Einwendungen dar, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind.90 Was den im Schrifttum geäußerten Vorschlag einer differenzierteren Betrachtung betrifft, so lässt sich dieser nicht überzeugend durchhalten und ist für die praktische Rechtsanwendung kaum handhabbar. Häufig wird es nicht möglich sein, klar zwischen der Verletzung privater und öffentlicher Interessen zu trennen. Lässt beispielsweise der Gläubiger ohne berechtigtes Interesse wiederholt nur wegen eines Teilbetrags der Gesamtforderung die Vollstreckung betreiben, so wird dadurch der Gerichtsvollzieher unnötig belastet. Es liegt eine Verletzung öffentlicher Interessen vor. Darüber hinaus kommt aber auch eine Verletzung privater Interessen in Betracht. Soll der Schuldner schikaniert werden, indem er regelmäßig Besuch durch den Gerichtsvollzieher bekommt, so kann nicht geleugnet werden, dass dies auch seinen Interessen zuwider läuft.91 Eine klare Grenzziehung lässt sich folglich nicht umsetzen. II. Rechtsschutzbedürfnis 1. Anwendungsbereich Über die Bedeutung als Sachurteilsvoraussetzung einer Klage hinaus wird das Rechtsschutzbedürfnis allgemein als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Prozesshandlung angesehen.92 Fehlt es, ist die Prozesshandlung unzulässig und zurück89
BT-Drs. 1/3284, S. 12 f. Vgl. nur MüKoBGB/Grothe, § 226 Rn. 15; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 155; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 88. 91 A. A. aber Oerke, S. 84 f. 92 Brox/Walker, ZVR, Rn. 28; Schönke, S. 13 ff. 90
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zuweisen. Bei Rechtsbehelfen ist daher mangels Zulässigkeit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung in der Sache ausgeschlossen. Auch im Vollstreckungsverfahren setzt jede Prozesshandlung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus, was sowohl Vollstreckungsanträge93 als auch vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe umfasst.94 Daher werden nicht nur Anträge des Gläubigers beispielsweise auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses oder auf Abnahme der Vermögensauskunft erfasst, sondern auch Anträge anderer Verfahrensbeteiligter wie Vollstreckungsschutzanträge oder eine Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners und Rechtsbehelfe eines Dritten.95 Als allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung bzw. Sachurteilsvoraussetzung ist das Rechtsschutzbedürfnis von Amts wegen zu prüfen.96 2. Bedeutungsgehalt Im Vollstreckungsrecht folgt das Rechtsschutzbedürfnis aus Sicht des Gläubigers im Grundsatz allein aus dem Umstand, dass er über einen titulierten Anspruch verfügt, den er unter Zuhilfenahme des staatlichen Gewaltmonopols durchsetzen möchte.97 Nur ausnahmsweise ist ein Antrag mangels Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn es einen einfacheren und billigeren Weg zur Erreichung des Vollstreckungsziels gibt oder das Ziel auf dem gewählten Weg von vornherein nicht erreicht werden kann.98 Darüber hinausgehend wird einem Verfahrensbeteiligten aber auch dann das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen, wenn es an einem schutzwürdigen Interesse an der begehrten Vollstreckungsmaßnahme oder dem eingeleiteten Verfahren fehlt, weil ein verfahrensfremder Zweck verfolgt wird.99 Das gilt vor allem, wenn der Gläubiger den Schuldner nur schikanieren oder ihm Schaden zufügen will.100 93 Auch wenn in den §§ 753 Abs. 1, 754 Abs. 1 ZPO nur von „Auftrag“ die Rede ist, handelt es sich nach heute einhelliger Auffassung um einen verfahrensrechtlichen Antrag und keinen privatrechtlichen Auftrag, vgl. nur Hk-ZV/Sievers, § 753 Rn. 9; MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 13; Musielak/Voit/Lackmann, § 753 Rn. 1; Schuschke/Walker/ Walker, § 753 Rn. 1; Zöller/Stöber, § 753 Rn. 5. 94 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 12.13; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 23 Rn. 33; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 23; Schönke, S. 74; Thomas/Putzo/Seiler, Vor § 704 Rn. 45. 95 Zu den einzelnen Bereichen finden sich zahlreiche Beispiele bei Schönke, S. 74 ff. 96 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 12.13; Brox/Walker, ZVR, Rn. 17; Thomas/Putzo/Seiler, Vor § 704 Rn. 40; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rn. 15. 97 BGH NZM 2004, 347, 348 f.; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 12.13; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 23 Rn. 33. 98 Brox/Walker, ZVR, Rn. 28; Thomas/Putzo/Seiler, Vor § 704 Rn. 45; vgl. auch zum Erkenntnisverfahren Musielak/Voit/Foerste, Vor § 253 Rn. 8; MüKoZPO/Becker-Eberhard, Vor § 253 Rn. 11; Zöller/Greger, Vor § 253 Rn. 18 ff. 99 BGH NJW 2002, 3178, 3179; Hk-ZPO/Kindl, Vor §§ 704–945 Rn. 16; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rn. 17; Thomas/Putzo/Seiler, Vor § 704 Rn. 45; vgl. zum Erkenntnisverfahren RGZ 155, 72, 75; BGH NJW 1970, 2023, 2024; 1978, 2031, 2032; 2013, 464, 470; MüKoZPO/Becker-Eberhard, Vor § 253 Rn. 11 f.
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3. Konkurrenzverhältnis zum Rechtsmissbrauchsverbot Begreift man das Rechtsschutzbedürfnis auch als Instrument zur Verhinderung zweckwidriger Rechtsverfolgung, so ist das Konkurrenzverhältnis zu den Schrankenregelungen des BGB zu klären, vor allem dem Missbrauchsverbot des § 242 BGB.101 Missbräuchliche oder sogar schikanöse Rechtsausübung stellt nämlich ebenso keine schutzwürdige Interessenverfolgung dar. Das Institut des Rechtsschutzbedürfnisses darf in jedem Fall nicht dazu dienen, in versteckter Form für das Vollstreckungsverfahren materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch berücksichtigungsfähig zu machen.102 Geht es aber um den Einwand unzulässiger Ausübung eines Verfahrensrechts, so wird dadurch nicht der titulierte Anspruch in Frage gestellt. Nach einer Auffassung findet das Rechtsmissbrauchsverbot seinen Niederschlag gänzlich im Rechtsschutzbedürfnis.103 In eine ähnliche Richtung geht auch die Ansicht, das Rechtsschutzbedürfnis bilde das prozessuale Gegenstück zum institutionellen Rechtsmissbrauch im materiellen Recht und erfasse alle verfahrensrechtlichen Fälle zweckwidriger Rechtsausübung.104 Auf das Vollstreckungsverfahren können diese Ansichten nicht pauschal übertragen werden. Das Rechtsschutzbedürfnis hilft nämlich bereits dann nicht weiter, wenn die missbräuchliche Einwirkung auf das Vollstreckungsverfahren nicht in Form einer Prozesshandlung erfolgt ist. Entzieht der Schuldner beispielsweise einen Gegenstand dadurch dem Vollstreckungszugriff, dass er einen Dritten Gewahrsam an dem Gegenstand begründen lässt, der dann die nach § 809 ZPO erforderliche Herausgabebereitschaft verweigert, so lässt sich der Fall nicht unter Verweis auf das Rechtsschutzbedürfnis lösen. Gleiches gilt, wenn der Schuldner sich auf eine Unpfändbarkeitsvorschrift nach § 811 ZPO beruft, obwohl er die Unpfändbarkeit nachträglich selbst herbeigeführt hat. Nach anderer Auffassung ist als Abgrenzungskriterium auf die betroffenen Interessen bzw. das Schutzobjekt abzustellen. Das Rechtsschutzbedürfnis diene lediglich dem Schutz öffentlicher Interessen an einer geordneten Rechtspflege ohne unnötige Belastungen.105 Nach dieser Ansicht wären also Prozesshandlungen, die 100 BGH NJW 2002, 3178, 3179; DGVZ 2009, 131; 2016, 155; Wieczorek/Schütze/ Paulus, Vor § 704 Rn. 58. 101 Das FG München (EFG 1975, 194) verneinte beispielsweise das Rechtsschutzbedürfnis einer Klage gegen einen Berichtigungsbescheid wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben. Das OLG Oldenburg (MDR 1991, 968) hat einen Antrag nach § 765a ZPO für begründet gehalten, weil der Gläubiger kein Rechtsschutzinteresse an der Vollstreckung seines Räumungstitels gehabt habe. 102 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 12.13; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 23 Rn. 36. 103 Fahland, VOP 1981, 328, 332; Teichmann, JuS 1990, 269, 270. 104 Zeiss/Schreiber, Rn. 295 f. 105 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89, 99 ff.; ders., ZZP 86 (1973), 353, 368 f.; Oerke, S. 82 ff.
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2. Teil: Grundlagen
Interessen anderer Verfahrensbeteiligter negativ berühren, aus dem Anwendungsbereich des Rechtsschutzbedürfnisses auszuklammern und ggf. anhand der Generalklauseln des BGB zu überprüfen. Der Nachteil dieser Auffassung ist, dass die von einer beantragten Maßnahme betroffenen Interessen selten klar voneinander abgegrenzt werden können, um so den Anwendungsbereich des Rechtsschutzbedürfnisses bzw. der Generalklauseln des BGB sicher feststellen zu können. Deshalb geht auch die überwiegende Ansicht davon aus, dass nicht nur die Verletzung öffentlicher, sondern auch privater Interessen das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lassen kann.106 Vergegenwärtigt man sich nochmals den Bedeutungsgehalt des Rechtsschutzbedürfnisses, also die Fälle, in denen eine Prozesshandlung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen ist, so sind zwei unterschiedliche Wirkungsdimensionen auszumachen. Lässt sich das Ziel einer vollstreckungsrechtlichen Prozesshandlung auf einem einfacheren und billigeren Weg erreichen oder kann das Ziel von vornherein überhaupt nicht erreicht werden, so ist das fehlende Rechtsschutzbedürfnis auf den Aspekt der Verfahrensökonomie zurückzuführen. Staatliche Institutionen wie die Gerichte oder die Vollstreckungsorgane sollen nicht mit einem Verfahren oder der Durchführung einer Maßnahme belastet werden, wenn es dafür entweder einen einfacheren und billigeren Weg gibt oder das angestrebte Ziel überhaupt nicht erreicht werden kann. Hat beispielsweise der Schuldner gegen das Urteil, aus dem der Gläubiger die Vollstreckung betreibt, Berufung eingelegt, so fehlt ihm grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage, da Einwendungen gegen den titulierten Anspruch vor dem Instanzgericht erörtert werden können.107 Ein anderes Beispiel betrifft den Gläubiger, der kein Rechtsschutzinteresse an der Pfändung einer Forderung hat, die dem Schuldner nach keiner vertretbaren Rechtsauffassung zustehen kann108 oder deren Entstehen ausgeschlossen werden kann, so dass sie auch als künftige Forderung nicht pfändbar ist.109 In diesen Fällen geht es nicht um missbräuchliche Rechtsausübung. Das Vorgehen der Verfahrensbeteiligten ist nur aus prozessökonomischen Gründen unsinnig. In dieser Wirkungsdimension ist das Rechtsschutzbedürfnis ein rein verfahrensrechtlich verankertes Institut.
106 Vgl. nur BVerfG NJW 1983, 559 (keine Erzwingungshaft bei feststehender Leistungsunfähigkeit); OLG Frankfurt OLGZ 1978, 363, 364 (keine Pfändung einer mit Sicherheit nicht dem Schuldner zustehenden Forderung); Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 23; MüKoZPO/Becker-Eberhard, Vor § 253 Rn. 12; Pohle, FS Lent, 195, 205 f. 107 BAG NJW 1980, 141; NZA 1985, 709 (es sei denn, das Rechtmittel wurde als unzulässig verworfen oder der materiell-rechtliche Einwand kann nicht im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden); Schuschke/Walker/Raebel, § 767 Rn. 18; Zöller/ Herget, § 767 Rn. 4. 108 BGH NJW-RR 2008, 733. 109 Musielak/Voit/Becker, § 829 Rn. 8a.
§ 4 Rechtsausübungsschranken im Zwangsvollstreckungsrecht
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Anders gestaltet sich die Situation aber bei einer Verfolgung sachwidriger Zwecke, insbesondere weil der Schuldner mit einer Vollstreckungsmaßnahme nur schikaniert oder belästigt werden soll. Dann geht es im Kern um die Frage, ob die beantragte Maßnahme wegen Missbrauchs zurückzuweisen ist. Auf diese Frage kann aber das Institut des Rechtsschutzbedürfnisses isoliert keine Antwort geben, vielmehr muss auf das in § 242 BGB wurzelnde Rechtsmissbrauchsverbot zurückgegriffen werden. Das Rechtsschutzbedürfnis bildet in diesen Fällen den verfahrensrechtlichen Anknüpfungspunkt, um den Einwand unzulässiger Rechtsausübung zur Anwendung kommen zu lassen. Das Rechtsschutzbedürfnis entfaltet also keine Sperrwirkung zu Lasten des Rechtsmissbrauchsverbots, da ersteres bei der Zurückweisung missbräuchlicher Prozesshandlungen nicht ohne letzteres auskommt. In der Wirkungsweise macht es aber keinen Unterschied, ob die Prozesshandlung allein unter Berufung auf das Rechtsmissbrauchsverbot des § 242 BGB oder mangels Rechtsschutzbedürfnisses wegen zweckwidriger Rechtsverfolgung zurückgewiesen wird. III. Grundsatz der Formalisierung im Vollstreckungsrecht Um die Vollstreckung effektiv ablaufen zu lassen, erfolgt sie auf der Grundlage eines Titels, dessen inhaltliche Richtigkeit nicht der Überprüfung durch die Vollstreckungsorgane unterliegt.110 Materiell-rechtliche Fragen, die den zu vollstreckenden Anspruch, aber auch die Berechtigung des Schuldners am Objekt der Vollstreckung betreffen, bleiben im Grundsatz unberücksichtigt. Von einigen Literaturstimmen wird deshalb vertreten, dass der Grundsatz strenger Formalisierung einer Geltung der Generalklauseln des BGB Grenzen setze; das Verbot treubzw. sittenwidriger Rechtsausübung dürfe nur sehr zurückhaltend herangezogen werden.111 Bei genauer Betrachtung geht es aber nicht um die Frage, ob einer Geltung der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln in der Zwangsvollstreckung der Formalisierungsgrundsatz entgegensteht, sondern vielmehr darum, ob materiell-rechtliche Normen durch die Vollstreckungsorgane berücksichtigt werden dürfen oder ob die Prüfung möglicherweise ausschließlich den Gerichten in dafür speziell vorgesehenen Verfahren obliegt. Die Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane ist im Einzelnen noch zu untersuchen.112 Unter Verweis auf den Formalisierungsgrundsatz lässt sich eine Geltung der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln im Vollstreckungsverfahren aber nicht ablehnen.
110 Ganz h. M., vgl. nur Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.53, 13.1; Gaul/Schilken/BeckerEberhard, § 5 Rn. 42; MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 49; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 14; Schuschke/Walker/Walker, § 753 Rn. 9. 111 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 19. 112 Siehe dazu § 5.
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2. Teil: Grundlagen
IV. Institut der Rechtskraft Im Verfahrensrecht von zentraler Bedeutung ist das Institut der Rechtskraft. Mit dem Ablauf der Frist zur Einlegung des zulässigen Rechtsbehelfs gegen ein Urteil wird dieses formell rechtskräftig (§ 705 S. 1 ZPO). Die materielle Rechtskraft folgt der formellen und führt dazu, dass über denselben Streitgegenstand nicht erneut entschieden werden kann (vgl. § 322 ZPO).113 Das Institut der Rechtskraft verfolgt vor allem den Zweck, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen, soll aber auch die Funktionsfähigkeit der Justiz gewährleisten.114 Im Vollstreckungsrecht zeigt sich die Bedeutung der Rechtskraft beispielsweise an der Präklusionsnorm des § 767 Abs. 2 ZPO. Auch wenn der Gläubiger bereits einen Titel erlangt hat, aus dem er die Vollstreckung betreiben will, kann der Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage noch nachträglich gegen den im Urteil festgestellten Anspruch Einwendungen erheben. Gerade zum Schutz der Rechtskraft findet diese Möglichkeit aber ihre Grenze durch § 767 Abs. 2 ZPO.115 Danach sind Einwendungen nämlich nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der sie spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind. Da die Vollstreckungsgegenklage nur darauf gerichtet ist, die Vollstreckung aus dem Titel für unzulässig zu erklären, wirkt sie genau genommen ohnehin nicht auf die Rechtskraft des Titels als solche ein, sie lässt den titulierten Anspruch aber im Ergebnis wertlos werden.116 Vor diesem Hintergrund weisen einige Stimmen in der Literatur zu Recht darauf hin, dass im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens durch die Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben das Institut der Rechtskraft nicht ausgehöhlt werden dürfe.117 Das kann aber nur für solche Fälle von Bedeutung sein, in denen es tatsächlich um eine nachträgliche Korrektur der rechtskräftigen Entscheidung geht, also Einwendungen gegen die titulierte Forderung vorgebracht werden. Darum geht es beispielsweise beim Erschleichen eines Vollstreckungsbescheids durch bewusst wahrheitswidrige Angaben im automatisierten Mahnverfahren. Eine Rechtskraftdurchbrechung wird von der Rechtsprechung daher in entsprechenden Fällen lediglich in engen Grenzen über § 826 BGB zugelassen.118 Darüber hinaus ist kein Raum für eine weitere Aufweichung der Rechts113
MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 1; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 1. MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 2 ff.; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rn. 27 ff. 115 Musielak/Voit/Lackmann, § 767 Rn. 1; Schuschke/Walker/Raebel, § 767 Rn. 32; Thomas/Putzo/Seiler, § 767 Rn. 2. 116 Vgl. Zöller/Herget, § 767 Rn. 5. 117 BeckOK BGB/Sutschet, § 242 Rn. 9; Bittmann, ZZP 97 (1984), 32, 41; Findeisen, S. 221; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 113; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 4; Walker, FS Stürner, 829. 118 Siehe zu den Einzelheiten noch § 11 A. VII. Einen Überblick über den Meinungsstand geben BGH NJW 1968, 1275 ff.; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 472 ff. 114
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kraft, da andernfalls das hohe Gut der Rechtssicherheit nicht mehr in ausreichendem Maße gewährleistet wäre und Rechtsfrieden häufig nicht erreicht werden könnte. Macht aber beispielsweise der Schuldner geltend, der Gläubiger missbrauche eine ihm verfahrensrechtlich eingeräumte Rechtsposition, so geht es dabei nicht um eine Durchbrechung des rechtskräftigen Titels, sondern vielmehr um die Beschränkung des spezifischen Verfahrensrechts, so dass es insoweit keine Konflikte mit dem Grundsatz der Rechtskraft gibt. V. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Vollstreckt ein Gläubiger wegen einer Bagatellforderung, so wird zum Teil als Frage des Rechtsschutzinteresses, insbesondere aber unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit für den Bereich der Immobiliarvollstreckung diskutiert, ob die Vollstreckung nicht gänzlich zu versagen ist oder zumindest auf weniger einschneidende Maßnahmen beschränkt werden sollte.119 Auch in der Räumungsvollstreckung wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vollstreckungsbeschränkende Wirkung beigemessen.120 Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips sind staatliche Organe bei der Ausübung von hoheitlicher Gewalt an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden.121 Dieser ursprünglich auf den Bereich der Eingriffsverwaltung zurückgehende Grundsatz verlangt, dass staatliche Eingriffe einem legitimen Zweck dienen und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sind.122 Bei der Prüfung der Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat eine Abwägung der sich entgegenstehenden Interessen zu erfolgen.123 Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt vor, wenn das Ziel auf eine andere, weniger einschneidende Weise erreicht werden kann.124 Im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner kann der unverhältnismäßige Gebrauch eines Rechts gegen Treu und Glauben verstoßen, weil er dem Gebot schonender Rechtsausübung widerspricht.125 Folglich muss geklärt werden, wie sich der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und § 242 BGB in seiner Ausprägung als Verbot unverhältnismäßiger Rechtsausübung zueinander verhalten.
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Siehe dazu im Einzelnen noch § 9 A. Vgl. BVerfGE 52, 214, 221. Die neuere Rechtsprechung beruft sich aber mittlerweile nur noch auf eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, vgl. BVerfG NJW 1991, 3207; 1994, 1272; NJW-RR 2014, 584; 2014, 1290; BGH NJW-RR 2015, 393, 394. 121 Vgl. nur Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 VII. Rn. 107; Maurer, Rn. 55. 122 BVerfG NJW 1983, 559; 1989, 2525, 2527. 123 BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 197; Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 VII. Rn. 117. 124 Vgl. BVerfGE 36, 47, 59; 43, 101, 107; NJW 1988, 1195, 1197. 125 NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 88; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 450; Palandt/ Grüneberg, § 242 Rn. 54; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 277. 120
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2. Teil: Grundlagen
Nach überwiegender Ansicht kann auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Vollstreckungsrecht unmittelbar zurückgegriffen werden.126 Jede Vollstreckungsmaßnahme stelle einen staatlichen Eingriff durch die Vollstreckungsorgane in die Grundrechte des Schuldners dar.127 Betrachtet man isoliert das Rechtsverhältnis zwischen Vollstreckungsorgan und Schuldner, so ist dies richtig. Da das Vollstreckungsrecht aber gerade durch eine dreiseitige Beziehung zwischen Gläubiger, Staat und Schuldner gekennzeichnet ist, kann der unmittelbaren umfassenden Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugestimmt werden.128 Das Vollstreckungsrecht ist zwar als Verfahrensrecht dem öffentlichen Recht zugehörig, dient aber gerade der Verwirklichung des materiell-rechtlichen Anspruchs des Gläubigers. Der Staat tritt nur als Mittler zwischen den Parteien auf, da er die Vollstreckungsgewalt ausübt. Die prägende und im Vordergrund stehende Rechtsbeziehung besteht zwischen Gläubiger und Schuldner. Als Privatrechtssubjekt unterliegt der Gläubiger aber nicht der unmittelbaren Bindung durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.129 Gleichwohl kommt den Grundrechten und verfassungsrechtlichen Prinzipien eine mittelbare Wirkung auch zwischen Privatrechtssubjekten insoweit zu, als sie zur Konkretisierung der die Generalklauseln charakterisierenden wertausfüllungsbedürftigen Begriffe herangezogen werden.130 Richtiger Anknüpfungspunkt für die Begrenzung einer unverhältnismäßigen Rechtsausübung durch den Gläubiger ist daher § 242 BGB. Ob im Einzelfall aber eine Beschränkung der Rechtsausübung wegen Unverhältnismäßigkeit überhaupt in Betracht kommt, soll an dieser Stelle noch offen bleiben.131 Es
126 BVerfG NJW 1979, 2607; BGH NJW-RR 2010, 1649, 1651; Böhmer, Sondervotum zu BVerfGE 49, 220, 228, 232 ff.; Kirchner, Rpfleger 2004, 395, 399; MüKoZPO/ Rauscher, Einleitung Rn. 305 ff.; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 15; Schiffhauer, ZIP 1981, 832, 836; Schuschke/Walker/Schuschke, Einführung Rn. 5; Weyland, S. 30 ff.; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rn. 29; a. A. aber Fischer/Mroß, DGVZ 2016, 67, 71 f.; Gerhardt, ZZP 95 (1982), 467, 482 ff., 490; Jauernig/Berger, § 1 Rn. 43 f., Wieczorek/Schütze/Paulus, Vor § 704 Rn. 89 f., die eine Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gänzlich ablehnen. 127 Kirchner, Rpfleger 2004, 395, 399; Weyland, S. 31. 128 So auch Baur/Stürner/Bruns, Rn. 7.21; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 3 Rn. 47 ff.; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 704 Rn. 43. Fahland, VOP 1981, 328, 330, spricht sich auch gegen eine unmittelbare Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus, spricht dem Gläubiger aber bei unverhältnismäßigen Vollstreckungsmaßnahmen sein Rechtsschutzinteresse ab. 129 Wieczorek/Schütze/Paulus, Vor § 704 Rn. 90, spricht davon, dass „dem Gläubiger als Privatperson nicht eine für das Verhalten des Staates reservierte Maxime aufoktroyiert werden“ dürfe. 130 Vgl. nur MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 20 ff.; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 57 ff.; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 40 ff.; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 16; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 97 ff.; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 145 ff. 131 Siehe dazu näher noch § 9.
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muss jedenfalls sichergestellt werden, dass weder die Rechtsstellung des Gläubigers ausgehöhlt wird noch die Wertungen des Gesetzgebers, wie sie den Regelungen des Vollstreckungsrechts zugrunde liegen, umgangen werden.
C. Zusammenfassung Die bürgerlich-rechtlichen Missbrauchsschranken finden im Grundsatz auch im Vollstreckungsrecht Anwendung. Ihr Bedeutungsgehalt ist aber wegen der unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen sehr verschieden. § 226 BGB hat im Vollstreckungsrecht nahezu keine Bedeutung, da die Ausübung eines Rechts ganz selten ausschließlich der Schädigung eines anderen dient. Auch § 138 BGB nimmt wegen des Erfordernisses rechtsgeschäftlichen Handelns nur eine untergeordnete Rolle ein, kommt aber insbesondere bei negativen Bietabreden zum Tragen. § 826 BGB erlangt vor allem im Zusamenhang mit der Durchbrechung rechtskräftiger unrichtiger Titel Bedeutung. Den größten Stellenwert nimmt jedoch § 242 BGB als Anknüpfungspunkt des Verbots missbräuchlicher Rechtsausübung ein. Verlangt man für dessen Anwendbarkeit das Vorliegen einer Sonderverbindung, so lässt sich diese jedenfalls zwischen den unmittelbar am Verfahren Beteiligten feststellen. In der Ausprägung als Schranke missbräuchlicher Rechtsausübung sollte bei § 242 BGB aber auf die Voraussetzung einer Sonderverbindung verzichtet werden. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist nämlich ein die gesamte Rechtsordnung und damit auch das Vollstreckungsrecht überlagernder Rechtsgrundsatz. Zum Teil kollidieren die Missbrauchsschranken mit vollstreckungsrechtlichen Normen und verfahrensrechtlichen Instituten. Zu § 765a ZPO besteht ein Konkurrenzverhältnis, wenn es um den Schutz des Schuldners vor missbräuchlicher Rechtsausübung geht. Eine Auflösung der Konkurrenz sollte aber nicht in der Weise erfolgen, dass die bürgerlich-rechtlichen Missbrauchsschranken keine Anwendung finden können. Vielmehr ist § 765a ZPO nur in solchen Fällen heranzuziehen, in denen eine Vollstreckungsmaßnahme eine sittenwidrige Härte für den Schuldner darstellt, der Grund dafür aber nicht in einem schikanösen oder zweckwidrigen Verhalten des Gläubigers liegt, sondern entweder aus der Sphäre des Schuldners stammt, weil er sich beispielsweise in einer besonderen Notlage befindet, oder auf Umständen beruht, die außerhalb des Einflussbereichs des Gläubigers liegen. Bei der Anwendung der Missbrauchsschranken im konkreten Fall muss aber die gesetzgeberische Wertung berücksichtigt werden, dass zugunsten des Schuldners eine weitere Beschränkung der Rechte des Gläubigers nur unter ganz besonderen Umständen und unter besonderer Berücksichtigung der Gläubigerinteressen erfolgen darf. Zwischen dem Rechtsschutzbedürfnis und den Missbrauchsschranken kommt es zu keiner echten Konkurrenz, da zweckwidrigen und damit missbräuchlichen Prozesshandlungen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. In dieser Wirkungsweise ist
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2. Teil: Grundlagen
das Rechtsschutzbedürfnis aber Ausfluss des in § 242 BGB wurzelnden Verbots missbräuchlicher Rechtsausübung. Über die bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln darf es im Grundsatz zu keiner Aushöhlung der Rechtskraft kommen. Eine Durchbrechung der Rechtskraft kommt nach § 826 BGB allenfalls bei unrichtigen Titeln unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat als Ausprägung des auf § 242 BGB gründenden Gebots einer verhältnismäßigen Rechtsausübung auch im Vollstreckungsrecht Bedeutung. Im Einzelfall muss aber genau untersucht werden, ob nicht vollstreckungsrechtliche Normen existieren, durch die der Gesetzgeber für einen auftretenden Interessenwiderstreit bereits eine abschließende Regelung getroffen hat.
§ 5 Die Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane Nachdem die grundsätzliche Geltung der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln im Vollstreckungsrecht bejaht worden ist, stellt sich noch die Frage, ob auch die Vollstreckungsorgane zu ihrer Prüfung befugt sind. So muss geklärt werden, ob der Gerichtsvollzieher beispielsweise einen Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft wegen schikanöser Rechtsausübung zurückweisen oder er eine Sache im Gewahrsam eines Dritten trotz fehlender Herausgabebereitschaft pfänden kann, weil die Berufung auf § 809 ZPO missbräuchlich ist. Auch für das Vollstreckungsgericht, dessen Aufgaben weitgehend der Rechtspfleger übernimmt (vgl. §§ 3, 20 RPflG), muss geklärt werden, ob es den Erlass eines Pfändungsbeschlusses wegen unzulässiger Rechtsausübung ablehnen oder ein Gebot im Zwangsversteigerungsverfahren wegen Rechtsmissbrauchs unter Berufung auf § 242 BGB zurückweisen kann. Die Frage nach der Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane stellt sich vor allem wegen des im Vollstreckungsverfahren geltenden Formalisierungsgrundsatzes.
A. Formalisierungsgrundsatz Das Vollstreckungsverfahren ist geprägt durch ein stark formalisiertes Verfahren, das die Vollstreckungsorgane bindet und ihnen die Prüfung bestimmter Rechtsfragen entzieht. I. Keine inhaltliche Prüfung des Vollstreckungstitels Wird die Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren oder rechtskräftigen Urteil betrieben, ist über den zu vollstreckenden Anspruch des Gläubigers bereits in einem vorgeschalteten Erkenntnisverfahren gerichtlich entschieden worden. In diesem Verfahren hat das Gericht die Berechtigung des klägerischen
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Begehrens aus materieller Sicht geprüft. Die anschließende Vollstreckung soll dann im Grundsatz ohne die nochmalige Berücksichtigung materiell-rechtlicher Fragen ablaufen.1 Die Vollstreckungsorgane haben nur die Einhaltung der formalen Anforderungen zu kontrollieren, eine erneute Prüfung der Richtigkeit des Titels ist weder angezeigt noch zulässig.2 Das Vollstreckungsverfahren dient der Rechtsdurchsetzung allein auf Grundlage des Vollstreckungstitels.3 Vor diesem Hintergrund ist auch das Erfordernis der Vollstreckungsklausel zu sehen. Sie dient nämlich dazu, dass das Vollstreckungsorgan nicht mehr prüfen muss, ob überhaupt ein wirksamer und vollstreckbarer Ttel vorliegt.4 Am Institut der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) wird deutlich, dass bei der Vollstreckung materiell-rechtliche, den titulierten Anspruch betreffende Fragen keine Rolle spielen sollen, sondern diese Fragen in einem dazu bestimmten eigenen Verfahren geklärt werden müssen.5 Andernfalls missachtet man das Zuständigkeitsgefüge und lässt die Rechtskraft mitunter leerlaufen.6 Das führt zu der Gefahr erheblicher Rechtsunsicherheit. Beim Vorliegen eines nicht auf ein Erkenntnisverfahren zurückgehenden vollstreckbaren Titels gilt der Formalisierungsgrundsatz gleichermaßen. Der Gesetzgeber hat sich bei den in § 794 Abs. 1 ZPO aufgezählten sonstigen Titeln bewusst für deren Vollstreckbarkeit entschieden, so dass auch insoweit die Vollstreckungsorgane tätig werden müssen, ohne sich mit der inhaltlichen Richtigkeit auseinandersetzen zu dürfen.7 II. Keine Prüfung der dinglichen Zuordnung des Vollstreckungsobjekts Wegen der formalisierten Zugriffsvoraussetzungen haben die Vollstreckungsorgane sich grundsätzlich auch nicht davon zu überzeugen, dass der zu pfändende Gegenstand zum Vermögen des Schuldners gehört.8 Will der Gerichtsvollzieher eine Sache beim Schuldner pfänden, so lässt das Gesetz Gewahrsam 1 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 5 Rn. 39; MüKoZPO/Rauscher, Einleitung Rn. 408; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 14; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rn. 22. 2 Ganz h. M., vgl. nur Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.53, 7.25; Bittmann, ZZP 97 (1984), 32, 34 f.; Gaul, Rpfleger 1971, 81, 90 f.; ders., ZZP 85 (1972), 251, 293 ff.; Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard, § 5 Rn. 39; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 14; Schuschke/Walker/Schuschke, Einführung Rn. 13 f.; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 704 Rn. 21; Thomas/Putzo/Seiler, Vor § 704 Rn. 33. 3 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 5 Rn. 39. 4 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 17.2; Brox/Walker, ZVR, Rn. 103; Gaul/Schilken/BeckerEberhard, § 16 Rn. 6. 5 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.53; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1159. 6 Bittmann, ZZP 97 (1984), 32, 41 f.; Brehm, JZ 1978, 262, 263. 7 § 794 Abs. 1 ZPO ist nicht abschließend, da insbesondere auch Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen vollstreckt werden können (vgl. nur MüKoZPO/Wolfsteiner, § 794 Rn. 3). 8 BGH NJW 1957, 1877, 1878.
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genügen (§ 808 Abs. 1 ZPO). Ist tatsächlich ein Dritter Eigentümer der Sache, so muss dieser sich aktiv mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen die Pfändung zur Wehr setzen. Andernfalls läuft er Gefahr, sein Eigentum bei einer Verwertung zu verlieren.9 Auch bei der Pfändung einer Forderung durch das Vollstreckungsgericht wird das Bestehen der zu pfändenden Forderung nicht überprüft. Der Rechtspfleger schaut nur danach, ob dem Schuldner nach dem Vortrag des Gläubigers die Forderung nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann.10 Im Pfändungsbeschluss wird deshalb auch nur von der „angeblichen Forderung“ des Schuldners gesprochen.11 Schließlich kennt auch das Zwangsversteigerungsverfahren nur ein formalisiertes Verfahren. Gem. § 28 ZVG ist das Verfahren zwar von Amts wegen aufzuheben oder einstweilen einzustellen, wenn dem Vollstreckungsgericht ein der Zwangsversteigerung entgegenstehendes Recht bekannt wird. Das Recht muss aber aus dem Grundbuch ersichtlich sein. In der Bindung an die Grundbuchlage kommt der Gedanke der Formalisierung zum Ausdruck, da dem Rechtspfleger eine materiell-rechtliche Prüfung untersagt ist.12
B. Hintergrund des Formalisierungsprinzips Durch die strenge Formalisierung soll vor allem erreicht werden, dass der Gläubiger schnell und effektiv befriedigt wird.13 Die Vollstreckungsorgane sollen ohne die mitunter aufwendige Prüfung materiell-rechtlicher Fragen den für den Gläubiger zu vollstreckenden Anspruch realisieren. Daneben sichert die nur formale Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane aber auch das Institut der Rechtskraft ab. Ist der Vollstreckungstitel rechtskräftig geworden, darf es zu keiner Aushöhlung der Rechtskraft durch eine nochmalige materielle Auseinandersetzung mit dem titulierten Anspruch kommen.14 Ein weiterer Aspekt, der dem Formalisierungsgedanken zugrunde liegt, ist die den Vollstreckungsorganen nur eingeschränkt zur Verfügung stehende Möglichkeit zur Sachverhaltsaufklärung.15 Bei der Behandlung eines Vollstreckungsauf-
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Vgl. Brox/Walker, ZVR, Rn. 411 ff. BGH NJW 2004, 2096, 2097; NJW-RR 2008, 733; NJW 2013, 539, 540; Rpfleger 2014, 92, 93. 11 Brox/Walker, ZVR, Rn. 510; Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rn. 13. 12 Vgl. Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 28 Rn. 4. 13 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 5 Rn. 39. 14 Vgl. dazu näher Bittmann, ZZP 97 (1984), 32 ff. 15 Brehm, JZ 1978, 262, 263; Oerke, S. 86; vgl. auch Gaul, Rpfleger 1971, 81, 90 f.; Lippross, S. 108. 10
§ 5 Die Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane
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trags kann insbesondere keine aufwendige Beweisaufnahme zur Erforschung des Sachverhalts erfolgen.
C. Aufweichungen des Grundsatzes Dass die Vollstreckungsorgane nicht zur Prüfung materiell-rechtlicher Fragen befugt sind, wird allerdings nicht stringent durchgehalten, sondern erfährt zum Teil Aufweichungen. I. Evidenzkontrolle der dinglichen Zuordnung des Vollstreckungsobjekts Will der Gerichtsvollzieher eine im Gewahrsam des Schuldners befindliche Sache pfänden, so hat er dies ohne Prüfung der Frage nach der materiellen Berechtigung an der Sache zu tun.16 Dennoch kann der Gerichtsvollzieher von einer Pfändung absehen, wenn die Sache offensichtlich nicht im Eigentum des Schuldners steht.17 Offenkundig ist die fehlende Berechtigung des Schuldners, wenn nach den äußeren Umständen vernünftigerweise kein Zweifel an einer Drittberechtigung besteht.18 Als Beispiele nennt § 71 Abs. 2 S. 1 GVGA unter anderem die dem Handwerker zur Reparatur oder einem Frachtführer zum Transport überlassenen Sachen. Das Kriterium der Offensichtlichkeit indiziert zwar, dass es gerade keiner vertieften Prüfung durch den Gerichtsvollzieher mehr bedarf, ermöglicht ihm aber dennoch die Berücksichtigung materiell-rechtlicher Aspekte, weshalb insoweit eine Aufweichung der strengen Formalisierung vorliegt. Auch die Forderungspfändung durch das Vollstreckungsgericht unterbleibt, wenn dem Schuldner die Forderung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offensichtlich nicht zustehen kann oder sie offensichtlich unpfändbar ist.19 Das zeigt, dass auch der Rechtspfleger materielles Recht nicht gänzlich außen vor lassen darf. II. Ausnahmsweise inhaltliche Prüfung des Vollstreckungstitels bei der Vollstreckung nach § 887 ZPO Wie bereits dargestellt worden ist, erfolgt im Vollstreckungsverfahren keine inhaltliche Prüfung des Vollstreckungstitels durch die Vollstreckungsorgane. Wie 16
Schuschke/Walker/Walker, § 808 Rn. 4; vgl. auch § 71 Abs. 1 S. 1 GVGA. MüKoZPO/Gruber, § 808 Rn. 22 f.; Musielak/Voit/Becker, § 808 Rn. 5. 18 BGH NJW 1957, 544; Musielak/Voit/Becker, § 808 Rn. 5; Zöller/Stöber, § 808 Rn. 3. 19 BGH NJW 2004, 2096, 2097; NJW-RR 2008, 733; NJW 2013, 539, 540; MüKoZPO/Smid, § 829 Rn. 23; Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rn. 13; Thomas/Putzo/ Seiler, § 829 Rn. 9. 17
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2. Teil: Grundlagen
§ 775 Nr. 4 und 5 ZPO zu entnehmen ist, findet deshalb auch der gegen die Vollstreckung gerichtete materielle Einwand der Erfüllung grundsätzlich keine Berücksichtigung im Vollstreckungsverfahren. Der Schuldner muss vielmehr Vollstreckungsgegenklage erheben, um das Erlöschen der titulierten Forderung durch Erfüllung erfolgreich einwenden zu können. Einen Sonderfall stellt aber die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung gem. § 887 ZPO dar. Nach Ansicht des BGH und einiger Stimmen in der Literatur hat das Prozessgericht als im Verfahren nach § 887 ZPO zuständiges Vollstreckungsorgan den Erfüllungseinwand zu berücksichtigen.20 Argumentiert wird vor allem mit dem Wortlaut der Norm und prozessökonomischen Gründen. Die Besonderheit dieser Auffassung liegt darin, dass sie im Vollstreckungsverfahren damit sogar die Berücksichtigung einer materiell-rechtlichen Einwendung gegen den titulierten Anspruch zulässt. Zwar zeichnet sich das Verfahren nach § 887 ZPO dadurch aus, dass gerade das Prozessgericht und nicht der Gerichtsvollzieher oder Rechtspfleger als Vollstreckungsorgan zuständig ist. Dennoch übt das Prozessgericht im Verfahren des § 887 ZPO nicht die Funktion eines Gerichts im Erkenntnisverfahren aus, sondern wird im nachgelagerten Vollstreckungsverfahren tätig, das sich gerade durch andere Grundsätze auszeichnet. Auch wenn diese Prüfungskompetenz eine punktuelle Ausnahme darstellt, so lässt sich doch feststellen, dass der Formalisierungsgrundsatz insoweit Einschränkungen erfährt. III. Prüfung materiell-rechtlicher Voraussetzungen bei der Anwendung vollstreckungsrechtlicher Vorschriften Zu berücksichtigen ist auch, dass die Vollstreckungsorgane bei der Anwendung vollstreckungsrechtlicher Vorschriften häufig verpflichtet sind, materiell-rechtliche Voraussetzungen zu prüfen.21 Nachfolgend sollen einige Beispiele gegeben werden. 1. Vollstreckung einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung (§ 756 ZPO) Besondere Voraussetzung bei der Vollstreckung einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung ist das Anbieten der Gegenleistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise. Der Gerichtsvollzieher22 muss sich also mit der Frage auseinandersetzen, ob Annahmeverzug eingetreten ist, was sich nach mate20 BGH NJW 2005, 367, 369; NJW-RR 2007, 1475, 1476; 2011, 470 f.; OLG Bamberg NJW-RR 2008, 1422, 1423; BeckOK ZPO/Stürner, § 887 Rn. 22; Hk-ZV/Bendtsen, § 887 Rn. 38; Stein/Jonas/Brehm, § 887 Rn. 25; Thomas/Putzo/Seiler, § 887 Rn. 4, 17; Zöller/Stöber, § 887 Rn. 7; a. A. MüKoZPO/Gruber, § 887 Rn. 17; Musielak/ Voit/Lackmann, § 887 Rn. 19; Kannowski/Distler, NJW 2005, 865, 866 ff. 21 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 5 Rn. 53. 22 Wenn das Vollstreckungsgericht zuständig ist, gilt § 765 ZPO.
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riellem Recht bestimmt.23 Er hat insbesondere zu prüfen, in welcher Form die Gegenleistung angeboten werden muss und ob die angebotene Gegenleistung der geschuldeten entspricht.24 Das Gesetz räumt dem Vollstreckungsorgan somit die Befugnis zur Befassung mit einer materiell-rechtlichen Frage ein. Gerade wegen der darin liegenden Durchbrechung des Formalisierungsgrundsatzes wird die Vorschrift aber auch kritisch gesehen.25 2. Pfändung körperlicher Sachen bei Gewahrsam eines Dritten (§ 809 ZPO) Befindet sich ein dem Schuldner gehörender Gegenstand im Gewahrsam eines Dritten, so darf der Gerichtsvollzieher diesen Gegenstand nur dann pfänden, wenn der Dritte zur Herausgabe bereit ist. Von der Gewahrsamsprüfung hängt also ab, ob die Pfädung auch ohne die Bereitschaft des Dritten zur Herausgabe der Sache erfolgen kann. Der Gerichtsvollzieher muss sich also im Rahmen der Gewahrsamsprüfung mit besitzrechtlichen Fragen befassen, die dem materiellen Recht zuzuordnen sind. So ist insbesondere zu klären, ob der Dritte unmittelbaren Besitz hat oder nur bloße Besitzdienerschaft vorliegt, da letztere dazu führt, dass es auf die Herausgabebereitschaft nicht ankommt.26 3. Unpfändbarkeit von Zubehör (§ 865 Abs. 2 S. 1 ZPO) Grundstückszubehör, das dem Haftungsverband einer Hypothek unterfällt (§§ 1120 ff. BGB), ist gem. § 865 Abs. 2 S. 1 nicht isoliert pfändbar. Zweck der Regelung ist die Wahrung der wirtschaftlichen Einheit mit dem Grundstück, um einen höheren Erlös erzielen zu können.27 Pfändet der Gerichtsvollzieher gleichwohl ein Zubehörstück, so ist die Pfändung anfechtbar, da er für die Vollstreckung in unbewegliches Vermögen funktionell unzuständig ist.28 Er muss sich 23 Brox/Walker, ZVR, Rn. 172; MüKoZPO/Heßler, § 756 Rn. 11; Zöller/Stöber, § 756 Rn. 5. 24 Die Einzelheiten sind insoweit streitig, vgl. MüKoZPO/Heßler, § 756 Rn. 25 ff. 25 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 16 Rn. 39. Demgegenüber führt das OLG Schleswig-Holstein (DGVZ 1992, 56, 57 f.) aus: „Da der Gerichtsvollzieher gemäß § 756 ZPO nur vollstrecken darf, wenn der Rückgewährsgläubiger in Annahmeverzug ist, obliegt ihm stets auch die Prüfung, in welcher Weise der Rückgewährsschuldner in Verzug zu setzen ist. (. . .) Dem Gerichtsvollzieher ist die Beantwortung dieser Frage, wo zu erfüllen ist, auch zuzumuten; denn die Kenntnis der materiellen Rechtslage zur Frage, wie und wo ein Annahmeverzug bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung herzustellen ist, setzt das Gesetz bei den Gerichtsvollziehern voraus.“ 26 Brox/Walker, ZVR, Rn. 248; Hk-ZV/Kindl, § 809 Rn. 4; MüKoZPO/Gruber, § 809 Rn. 6. 27 Musielak/Voit/Becker, § 865 Rn. 1. 28 Brox/Walker, ZVR, Rn. 207, 229; MüKoZPO/Dörndorfer, § 865 Rn. 63; Musielak/Voit/Becker, § 865 Rn. 10; Schuschke/Walker/Schuschke, § 865 Rn. 5; Stein/Jonas/
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2. Teil: Grundlagen
also bei der Pfändung sowohl mit der Frage beschäftigen, ob bewegliche Gegenstände dem Zubehörbegriff des § 97 BGB unterfallen, als auch, ob entsprechendes Zubehör dem Haftungsverband einer Hypothek unterliegt. Dazu bedarf es einer nicht einfach ausfallenden Prüfung materiellen Rechts. 4. Unpfändbarkeit mangels Übertragbarkeit (§ 851 ZPO) Das Vollstreckungsgericht muss vor dem Erlass eines Pfändungsbeschlusses die Pfändbarkeit der Forderung prüfen. Ist die Forderung nicht übertragbar, so bestimmt § 851 Abs. 1 ZPO, dass sie auch nicht pfändbar ist. Ein Pfändungsverbot kann sich entweder aus einem gesetzlichen Übertragungsverbot oder dem Inhalt der Forderung (§ 399 Alt. 1 BGB) ergeben.29 Liegt ein vertragliches Abtretungsverbot nach § 399 Alt. 2 BGB zwischen Schuldner und Drittschuldner vor, so hat dieses gem. § 851 Abs. 2 ZPO keinen Einfluss auf die Pfändbarkeit, soweit der Gegenstand der Forderung nach §§ 811 ff., 850 ff. ZPO pfändbar ist.30 Andernfalls hätten es der Schuldner und der Drittschuldner in der Hand, die Forderung dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers zu entziehen.31 Die Regelung des § 851 ZPO zeigt, dass sich das Vollstreckungsgericht bei der Forderungspfändung auch mit der materiell-rechtlich zu beurteilenden Frage nach der Übertragbarkeit der Forderung befassen muss. Dazu ist insbesondere eine Prüfung von § 399 BGB erforderlich. 5. Vollstreckungsschutzanträge (§ 765a ZPO) Über einen Vollstreckungsschutzantrag hat gem. § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO das Vollstreckungsgericht zu entscheiden. Funktionell zuständig ist insoweit der Rechtspfleger (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG).32 Er hat bei der Beurteilung eines entsprechenden Antrags darüber zu befinden, ob eine Vollstreckungsmaßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Geht es um die Vollstreckung eines Herausgabeanspruchs, was insbesondere auch Räumungsansprüche umfasst,33 hat ausnahmsweise auch der Gerichtsvollzieher eine Vollstreckungsmaßnahme aufzuschieben, wenn der Schuldner das Vorliegen der Voraussetzungen des § 765 Abs. 1 S. 1 ZPO glaubhaft Münzberg, § 865 Rn. 36. A. A. (Nichtigkeit): OLG München MDR 1957, 428; Zöller/ Stöber, § 865 Rn. 11. 29 Brox/Walker, ZVR, Rn. 521 ff.; Hk-ZV/Meller-Hannich, § 851 Rn. 5. 30 Hk-ZV/Meller-Hannich, § 851 Rn. 24; Musielak/Voit/Becker, § 851 Rn. 8. 31 Brox/Walker, ZVR, Rn. 524. 32 Hk-ZV/Radke, § 20 RPflG Rn. 16. 33 Vgl. §§ 65 Abs. 1, 127 ff. GVGA.
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macht und die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über den Vollstreckungsschutzantrag zu spät käme (§ 765a Abs. 2 ZPO). Auch wenn es sich bei der Entscheidung über einen Vollstreckungsschutzantrag nicht um eine zwangsläufig von den Vollstreckungsorganen im Vollstreckungsverfahren zu beachtende Vorschrift handelt, so ist ihre Erwähnung als Durchbrechung des Formalisierungsgrundsatzes dennoch gerechtfertigt. Die Vollstreckungsorgane können mit einem entsprechenden Antrag des Schuldners nämlich während des Verfahrens konfrontiert werden, infolge dessen sie über den weiteren Verfahrensfortgang zu entscheiden haben. Die Prüfung des Antrags erfordert die Auseinandersetzung mit der Frage einer sittenwidrigen Härte und setzt eine eingehende materiell-rechtliche Untersuchung durch die Vollstreckungsorgane voraus. Die dargestellten Beispiele verdeutlichen, dass die zentralen Vollstreckungsorgane, nämlich der Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht, keinesfalls nur bloß verfahrensrechtliche Vorschriften mit formalen Voraussetzungen zu prüfen haben. Vielmehr sind sie mitunter zur Beantwortung sehr anspruchsvoller materiell-rechtlicher Fragen verpflichtet.34
D. Konsequenzen für die Kompetenz zur Prüfung der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln Nachdem gezeigt wurde, dass der Grundsatz der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens nicht stringent durchgehalten wird, sondern an verschiedenen Stellen Aufweichungen erfährt, ist nun zu klären, welche Folgen daraus für die Kompetenz der Vollstreckungsorgane zur Prüfung der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln gezogen werden können. I. Kein Absehen vom Vorliegen eines Vollstreckungstitels Das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels ist die Mindestvoraussetzung zur Legitimation der Rechtsdurchsetzung mittels staatlichen Zwangs.35 Diese allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung ist Ausfluss eines rechtsstaatliche Grundsätze wahrenden Verfahrens. Zusammen mit der Vollstreckungsklausel wird der Titel daher auch als Eingriffsermächtigung bezeichnet.36 Würde man in bestimmten Fällen eine Vollstreckung durch die dazu berufenen Organe auch zulassen, ohne dass ein den Vollstreckungseingriff legitimierender Titel existiert, wäre damit die Gefahr erheblicher Rechtsunsicherheit oder sogar Willkür verbunden. Ein Vollstreckungsorgan darf sich über das Erfordernis eines Vollstreckungstitels deshalb nicht unter Berufung auf Rechtsmissbrauch hinwegsetzen. 34 35 36
So auch Wieczorek/Schütze/Paulus, Vor § 704 Rn. 39. Vgl. BGH NJW 2008, 3287; Schuschke, DGVZ 2016, 37, 40. Henckel, S. 238.
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II. Ausnahmsweise inhaltliche Korrektur des Titels? Nach zum Teil vertretener Ansicht soll in Fällen offensichtlicher Unrichtigkeit des Titels das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung unter Berufung auf Treu und Glauben bzw. Arglist ablehnen dürfen.37 Argumentiert wird damit, dass auch die Vollstreckungsorgane gegen evidentes Unrecht einschreiten müssten.38 Streng formales und methodisch korrektes Vorgehen dürfe nicht zu Lasten der Gerechtigkeit gehen, der immer höherer Wert beizumessen sei.39 Gerade bei unterprivilegierten Bevölkerungsschichten herrsche ein rechtliches Informationsdefizit, so dass diesen Kreisen vornehmlich Unrecht widerfahre, was nicht unter Berufung auf ein formalisiertes Verfahren hingenommen werden dürfe.40 Dieser Auffassung muss widersprochen werden.41 Den Vollstreckungsorganen ist es nicht gestattet, die Vollstreckung deshalb nach § 242 BGB abzulehnen, weil der titulierte Anspruch dem Gläubiger entweder überhaupt nicht oder nicht im titulierten Umfang zusteht. Es wäre eine massive Kompetenzüberschreitung, würde man den Vollstreckungsorganen eine solche Befugnis zusprechen.42 Die Zuständigkeit zur inhaltlichen Kontrolle eines Vollstreckungstitels liegt bei den Prozessgerichten. Im Vollstreckungsverfahren kann sich der Schuldner nur noch über die Vollstreckungsabwehrklage mit Einwendungen gegen den titulierten Anspruch zur Wehr setzen, und zwar unten den Einschränkungen des § 767 Abs. 2 ZPO. Ein anderes Verständnis wäre auch mit dem Institut der Rechtskraft nicht zu vereinbaren, die bei einer inhaltlichen Korrektur rechtskräftiger Titel ins Leere laufen würde. Nur ganz ausnahmsweise kommt eine Durchbrechung der Rechtskraft wegen Rechtsmissbrauchs unter den Voraussetzungen einer Klage nach § 826 BGB in Frage.43 Dann ist dafür aber wiederum nur das Prozessgericht zuständig und nicht ein Vollstreckungsorgan. Die vermeintlich besondere Schutzbedürftigkeit unterprivilegierter Bevölkerungsschichten führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Jedem steht es frei, gegen zu Unrecht ergangene Entscheidungen die zulässigen Rechtsbehelfe einzulegen. Wer darüber in Unkenntnis 37 LG Koblenz DGVZ 1982, 45, 46 f.; AG Bremen JurBüro 1989, 1021, 1022; AG Nordhorn DGVZ 1983, 30 f.; AG Freiburg DGVZ 1982, 31; AG Wattenscheid DGVZ 1971, 94, 95; Böhmer, Sondervotum zu BVerfGE 49, 220, 228, 238 f.; Schneider, DGVZ 1977, 129, 131; ders., DGVZ 1978, 85, 86. 38 Böhmer, Sondervotum zu BVerfGE 49, 220, 228, 239; Schneider, DGVZ 1977, 129, 130. 39 Schneider, DGVZ 1977, 129, 131; ders., DGVZ 1978, 85. 40 Schneider, DGVZ 1977, 129, 130. 41 So auch AG Starnberg DGVZ 1993, 159; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 2.6, 7.25; Bittmann, ZZP 97 (1984), 32 ff.; Brehm, JZ 1978, 262, 263 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 26 Rn. 10; Geißler, DGVZ 1989, 129, 136; MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 49; Münzberg, DGVZ 1971, 167; Musielak/Voit/Lackmann, § 753 Rn. 13; Schuschke/Walker/Walker, § 753 Rn. 9. 42 Brehm, JZ 1978, 262, 263 f.; Bittmann, ZZP 97 (1984), 32, 42. 43 Siehe dazu im Einzelnen noch § 11 A. VII.
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ist, muss sich Rat bei Rechtskundigen holen und darf nicht darauf vertrauen, dass ihm nachträglich geholfen werde. III. Prüfungskompetenz bei der missbräuchlichen Ausübung vollstreckungsrechtlicher Verfahrensrechte 1. Grundsatz Anders zu beurteilen ist die Frage, ob die Vollstreckungsorgane bei der Anwendung spezifisch vollstreckungsrechtlicher Normen die Ausübung von Rechten unter Heranziehung von § 138 BGB oder vor allem § 242 BGB verweigern können. Wie bereits gezeigt wurde, ist das Vollstreckungsverfahren trotz seiner Formalisierung nicht frei von der Erörterung materiell-rechtlicher Fragen. Der Formalisierungsgrundsatz steht einer Berücksichtigung der Generalklauseln des BGB also nicht zwingend entgegen.44 Auch wenn es sich bei der Qualifizierung des Verhaltens eines Verfahrensbeteiligten als missbräuchlich ebenso wie bei der inhaltlichen Überprüfung des Vollstreckungstitels um eine materiell-rechtliche Frage handelt, besteht ein Unterschied. Prüft das Vollstreckungsorgan, ob ein Verfahrensrecht missbräuchlich ausgeübt wird, ist gerade nicht der titulierte Anspruch betroffen, sondern ein spezifisches Verfahrensrecht.45 Wird einem Verfahrensbeteiligten der Gebrauch eines ihm von der Verfahrensordnung eingeräumten Rechts wegen Missbrauchs verweigert, so ist damit keine (nochmalige) inhaltliche Überprüfung des titulierten Anspruchs verbunden. Auch in zeitlicher Hinsicht bestehen Unterschiede, da der Missbrauch von Verfahrensrechten überhaupt erst mit Beginn des Vollstreckungsverfahrens auftreten und beachtlich werden kann, was bei Einwendungen gegen den Titel häufig nicht der Fall ist. Gerade weil die Prüfung vollstreckungsrechtlicher Verfahrensnormen zur Kernkompetenz der Vollstreckungsorgane gehört, umfasst sie auch die Befassung mit der Frage nach einem Missbrauch. Sie ist so eng mit der Prüfung verbunden, ob alle Verfahrensvorgaben eingehalten worden sind, dass sich die Kompetenz der Vollstreckungsorgane auch darauf erstrecken muss. Auf diesem Weg ergeben sich auch keine Wertungswidersprüche zur Pflicht der Vollstreckungsorgane, das Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen zu prüfen und sich deshalb auch mit der Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis von Amts wegen zu befassen. Die Vollstreckungsorgane müssten nämlich andernfalls einen zweckwidrigen Pfändungsantrag mangels Rechts44 Vgl. Wendland, ZZP 129 (2016), 347, 373; so auch für die Frage nach der Kompetenz zur Prüfung des Verschuldens im Vollstreckungsverfahren Findeisen, S. 64. 45 Ähnlich differenzierend auch Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.57, 7.25, wonach am ehesten das „Wie“ und nicht das „Ob“ der Vollstreckung wegen Rechtsmissbrauchs beschränkt werden könne; ebenso auch Wendland, ZZP 129 (2016), 347, 373.
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schutzbedürfnisses zurückweisen, sie könnten aber auf der anderen Seite einen Vollstreckungsantrag beispielsweise wegen des Eingreifens eines Unpfändbarkeitstatbestands nicht durchführen, obwohl der Schuldner die Sachlage missbräuchlich herbeigeführt hat. Hat also beispielsweise der Gerichtsvollzieher zu entscheiden, ob er den Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft auffordern kann, so muss er sich bei der Prüfung der §§ 802c ff. ZPO auch mit der Frage befassen, ob der Antrag des Gläubigers dem Zweck des Vermögensauskunftsverfahrens entspricht, es diesem also um eine Aufdeckung der Vermögensgegenstände des Schuldners geht, in die vollstreckt werden kann. Betreibt der Gläubiger das Verfahren dagegen gar nicht zu diesem Zweck, sondern vielmehr, um den Schuldner zu schikanieren, so verhält sich der Gläubiger missbräuchlich, weshalb sein Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses vom Gerichtsvollzieher zurückzuweisen ist.46 Ein weiteres Beispiel betrifft Gebote im Zwangsversteigerungsverfahren, die in der Absicht oder in dem Wissen abgegeben werden, bei einem Zuschlag keine Zahlung vornehmen zu wollen oder zu können.47 Das Vollstreckungsgericht hat gem. § 71 Abs. 1 ZVG unwirksame Gebote zurückzuweisen. Für die Frage nach der Wirksamkeit eines Gebots wird nach überwiegener Ansicht auf die Regelungen im BGB über Willenserklärungen – zumindest analog – zurückgegriffen.48 Wenn sich der Rechtspfleger mit diesen Fragen beschäftigen muss, spricht nichts dagegen, dass er auch berücksichtigt, ob ein Gebot wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist.49 2. Differenzierung zwischen Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsgericht? Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass vor dem Hintergrund des § 765a ZPO zumindest der Gerichtsvollzieher keine Kompetenz habe, eine Vollstreckungsmaßnahme unter Berufung auf § 242 BGB zurückzuweisen.50 Neben der fehlenden Kompetenz des Gerichtsvollziehers zur Erörterung materiell-rechtli46 AG Köln JurBüro 1966, 159 (noch zu § 900 ZPO a. F.); Schuschke/Walker/Walker, § 802f Rn. 5. 47 Vgl. zu einem solchen Fall beispielsweise OLG Nürnberg Rpfleger 1999, 87 und näher noch § 12 C. II. 1. 48 OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 441, 442; OLG Hamm Rpfleger 1998, 438, 439; Brox/Walker, ZVR, Rn. 910; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 71 Rn. 11; Hk-ZV/Stumpe, § 71 ZVG Rn. 2; Stöber, § 71 Rn. 2.1; a. A. Böttcher, § 71 Rn. 4; Dierck/Morvilius/Vollkommer/Morvilius, 4. Kap. Rn. 479; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 65 Rn. 9. 49 Diese Kompetenz bejahend BGH NJW 2007, 3279, 3284; 2012, 3376, 3377; OLG Nürnberg Rpfleger 1999, 87; OLG Naumburg, Rpfleger 2002, 324, 325; Brox/Walker, ZVR, Rn. 910; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 71 Rn. 14; Stöber, § 71 Rn. 2.10; a. A. Stamm, LMK 2012, 340746. 50 AG Karlsruhe DGVZ 1986, 92; Braun, DGVZ 1979, 129, 134; Lippross, S. 108; Oerke, S. 86 ff.
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cher Fragen werden noch mangelnde Rechtskenntnisse und unzureichende Sachverhaltsaufklärungsmöglichkeiten eingewandt. § 765a Abs. 2 ZPO mache außerdem deutlich, dass zwischen der Kompetenz des Vollstreckungsgerichts und der des Gerichtsvollziehers zu differenzieren sei.51 Das Argument, der Gerichtsvollzieher sei nicht zur Prüfung materiell-rechtlicher Einwendungen befugt, lässt sich so pauschal nicht aufrechterhalten, weil die tatsächliche Rechtslage anders aussieht, wie die bereits dargestellten Beispiele zur Aufweichung des Formalisierungsgrundsatzes veranschaulicht haben. Was die Kompetenz des Gerichtsvollziehers in Rechtsfragen angeht, so ist diese zwar nicht mit der eines Richters zu vergleichen. Soweit aber das Vollstreckungsgericht zuständig ist, sind alle Aufgaben funktionell weitestgehend dem Rechtspfleger übertragen. Das betrifft insbesondere den Bereich der Forderungspfändung und auch das Verfahren nach § 765a ZPO (vgl. § 3 Nr. 3 lit. a, § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG). Außerdem ist der Rechtspfleger für das gesamte Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren zuständig (§ 3 Nr. 1 lit. i RPflG). In richterlicher Hand liegt insbesondere noch die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO). Ist also das Vollstreckungsgericht zuständig, entscheidet bei weitem nicht immer ein Jurist mit der Befähigung zum Richteramt. Die höhere fachliche Kompetenz des Vollstreckungsgerichts ist also nur ein sehr schwaches Argument. Häufig wird sich auch für den Gerichtsvollzieher die Frage nach missbräuchlicher Rechtsausübung mit seinem breiten verfahrensrechtlichen Wissen einfacher beantworten lassen als beispielsweise die Entscheidung über die Pfändbarkeit eines Gegenstands, der als Zubehör dem Haftungsverband einer Hypothek unterfallen könnte. Einzuräumen ist, dass die Möglichkeiten des Gerichtsvollziehers zur Sachverhaltsaufklärung in jedem Fall eingeschränkter sind als für das Vollstreckungsgericht im Verfahren nach § 765a ZPO. Das Vollstreckungsgericht entscheidet gem. § 764 Abs. 3 ZPO durch Beschluss, so dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung im Ermessen des Gerichts liegt (vgl. § 128 Abs. 4 ZPO). Außerdem kann über streitige Fragen Beweis erhoben werden.52 Deshalb kann vom Gerichtsvollzieher aber auch nur verlangt werden, dass er den Sachverhalt auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Tatsacheninformationen prüft und danach einen Antrag unter Umständen wegen Rechtsmissbrauchs zurückweist. Das gilt jedenfalls in Fällen offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. Der Gerichtsvollzieher kann den Sachverhalt aber auch mittels der ihm zur Verfügung stehenden Auskunfts- und Informationsrechte weiter aufklären. Ist der Gerichtsvollzieher mangels umfassender Sachverhaltsaufklä51
Oerke, S. 87 f.; darauf hinweisend auch Brehm, JZ 1978, 262, 263. Zum Verfahren nach § 765a ZPO: Brox/Walker, ZVR, Rn. 1484; Hk-ZV/Bendtsen, § 765a Rn. 74; MüKoZPO/Heßler, § 765a Rn. 84; Musielak/Voit/Lackmann, § 765a Rn. 19. 52
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rungsmöglichkeiten zu einer unrichtigen Einschätzung gelangt, kann immer noch eine Korrektur im Erinnerungsverfahren (§ 766 ZPO) erfolgen, in dem das Vollstreckungsgericht dann durch einen Richter entscheidet. Das dagegen vorgebrachte Argument, es handele sich dann um eine Vertauschung der Parteirollen, weil nun der Gläubiger ein Verfahren nach § 766 Abs. 2 ZPO einleiten und nicht der Schuldner sich gegen eine missbräuchliche Pfändung wehren müsse,53 überzeugt nicht. Es bleibt dabei, dass der Gläubiger auf der Grundlage seines Titels einen Anspruch auf Durchführung der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher hat. Ob dieser den Antrag unter Verweis auf eine angeblich fehlende Vollstreckungsvoraussetzung, einen angeblichen Unpfändbarkeitstatbestand oder unter Berufung auf eine angeblich missbräuchliche Rechtsausübung ablehnt, ändert für den Gläubiger nichts daran, dass er dann Erinnerung einlegen muss und der Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Handlung angewiesen wird, sollte der Gläubiger im Recht sein. Ist das Verhalten des Gerichtsvollziehers als schuldhafte Amtspflichtverletzung anzusehen, kann dem Gläubiger unter den Voraussetzungen von Art. 34 GG, § 839 BGB darüber hinaus ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen.54 Soweit auf die Differenzierung zwischen der Kompetenz des Gerichtsvollziehers und des Vollstreckungsgerichts in § 765a Abs. 1 und 2 ZPO abgestellt wird, so rechtfertigt sich die dortige Unterscheidung durch die Art des Verfahrens. § 765a ZPO stellt ein besonderes Rechtsbehelfsverfahren dar, das mit einer Entscheidung durch das Vollstreckungsgericht endet, die in Rechtskraft erwachsen kann (vgl. § 765a Abs. 5 ZPO). Gegen den Beschluss steht den Beteiligten nur das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu. Aufgrund der Tragweite des Beschlusses nach § 765a ZPO ist insoweit die Kompetenz des Gerichtsvollziehers beschränkt. Geht es aber um die Frage, ob ein Vollstreckungsorgan das Begehren eines Verfahrensbeteiligten zurückweist, weil dieser ein Recht missbräuchlich ausübt, so erwächst diese Entscheidung nicht in Rechtskraft, hat also weniger weitreichende Konsequenzen. 3. Einschränkung Die aufgezeigte Prüfungskompetenz findet aber dort ihre Grenze, wo die Vollstreckungsorgane nicht mehr allein einen Missbrauch vollstreckungsrechtlicher Verfahrensrechte zu prüfen haben, sondern sich damit auseinandersetzen müssten, ob sich ein Verfahrensbeteiligter wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf ein materielles Recht berufen kann, das seinerseits Anknüpfungspunkt einer vollstreckungsrechtlichen Verfahrensnorm ist.55 Ein Beispiel, auf das an anderer Stelle noch näher eingegangen wird,56 soll dies veranschaulichen: 53 54 55 56
So Oerke, S. 92. Brox/Walker, ZVR, Rn. 12. Vgl. BGH NJW 2008, 3287 Rz. 13. Siehe dazu § 12 A. X.
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Beabsichtigt der Schuldner, eine pfändbare Sache dem Vollstreckungszugriff zu entziehen, und räumt er dazu einem Dritten Gewahrsam ein, so hängt die Pfändung von der Herausgabebereitschaft des Dritten ab (vgl. § 809 ZPO). Der Gerichtsvollzieher könnte nun erwägen, dass sich der Dritte auf die fehlende Herausgabebereitschaft wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB nicht berufen kann und die Pfändung deshalb doch durchführen. Damit würde der Gerichtsvollzieher aber seine Kompetenz überschreiten. Er hat die in § 809 ZPO normierten Voraussetzungen zu prüfen, wozu die Frage nach dem Gewahrsam des Dritten und dessen Herausgabebereitschaft zählen. Die Vollstreckungsorgane sind nach hier vertretener Ansicht darüber hinaus auch noch ermächtigt, den Missbrauch eines Verfahrensrechts zu untersuchen. Also könnte man meinen, der Gerichtsvollzieher darf die Pfändung trotz fehlender Herausgabebereitschaft durchführen, weil der Schuldner und der Dritte sich die verfahrensrechtliche Regelung in § 809 ZPO missbräuchlich zunutze machen. Die verweigerte Herausgabebereitschaft kann aber nicht isoliert betrachtet werden, da der Anknüpfungspunkt für den Rechtsmissbrauch vielmehr die Besitzeinräumung durch den Schuldner zum Zwecke der Vollstreckungsvereitelung ist. Ermöglicht man aber dem Vollstreckungsorgan, auch zu prüfen, ob der Dritte sich wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf sein Besitzrecht berufen kann, so bewegt man sich außerhalb des Kompetenzrahmens.
E. Zusammenfassung Der das Vollstreckungsverfahren kennzeichnende Grundsatz der Formalisierung setzt den Vollstreckungsorganen Grenzen bei der Kompetenz zur Prüfung der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln. Die Vollstreckungsorgane sind nicht befugt, nachträglich eine inhaltliche Überprüfung bzw. Korrektur des Titels unter Berufung auf Rechtsmissbrauch vorzunehmen oder sogar gänzlich vom Vorliegen eines vollstreckbaren Titels abzusehen. Da der Formalisierungsgrundsatz aber auch nicht absolut gilt, steht er einer Prüfung der Missbrauchsschranken durch die Vollstreckungsorgane nicht in umfassender Weise im Weg. Vielmehr kann der Missbrauch von Verfahrensrechten durch die Vollstreckungsorgane unter Heranziehung der Generalklauseln des BGB begrenzt werden. Der Gerichtsvollzieher hat bei der Prüfung auf die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung zurückzugreifen, wenn der Missbrauch nicht offensichtlich ist. Die Prüfungskompetenz findet aber dort ihre Grenze, wo es im Kern nicht mehr um die Prüfung der missbräuchlichen Ausübung eines Verfahrensrechts geht, sondern darüber zu entscheiden ist, ob einem Verfahrensbeteiligten die Berufung auf eine materielle Rechtsposition wegen Rechtsmissbrauchs versagt ist.
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2. Teil: Grundlagen
§ 6 Die Interessenverteilung im Vollstreckungsverfahren Bevor die praktische Bedeutung der bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln im Zwangsvollstreckungsrecht anhand konkreter Fallgestaltungen untersucht wird, soll noch ein kurzer Blick auf die Verteilung der Interessen der am Zwangsvollstreckungsverfahren Beteiligten geworfen werden. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Verfahrensbeteiligter ein ihm zustehendes Recht missbräuchlich ausübt, ist nämlich regelmäßig eine Abwägung der betroffenen Interessen erforderlich.1 Neben den Interessen des Vollstreckungsgläubigers und des Vollstreckungsschuldners können auch öffentliche Belange und solche Dritter eine Rolle spielen. Wegen der erheblichen Unterschiede erweist sich eine überblicksartige Befassung mit den generellen Interessen der Beteiligten als sinnvoll. Soweit es allerdings um die Beurteilung einer Rechtsausübung im konkreten Einzelfall geht, müssen immer auch die maßgeblichen Spezialnormen in den Blick genommen werden, um eine exakte Erfassung der maßgeblichen Interessenlage zu gewährleisten.
A. Interessen des Gläubigers Im Zentrum des Zwangsvollstreckungsverfahrens steht das Interesse des Gläubigers an einer Befriedigung seines titulierten Anspruchs.2 Dieses Gläubigerrecht wird verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet.3 Der Schutz des Interesses an effektiver Vollstreckung dient der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtsordnung.4 Da das Vollstreckungsmonopol in staatlicher Hand liegt und kein Gläubiger im Wege der Selbsthilfe vorgehen darf, muss Sorge dafür getragen werden, dass Vermögenswerte des Schuldners dem Vollstreckungszugriff nicht uferlos entzogen werden, wenn es um die Heranziehung und Auslegung von Schuldnerschutzvorschriften geht. Über die Befriedigung als solche hinaus sind Gläubiger auch daran interessiert, dass diese möglichst schnell und kostengünstig erfolgt. Die Bedeutung des Gläubigerinteresses findet ihren Niederschlag an zahlreichen Stellen des Vollstreckungsrechts. So eröffnet das Gesetz zunächst den Zugriff auf eine Vielzahl unterschiedlicher Vermögensobjekte des Schuldners (Vollstreckung in körperliche Sachen, Forderungen und andere Vermögensrechte sowie in unbewegliches Vermögen). Dem Gläubiger stehen außerdem Auskunfts- und Informationsrechte zu, um Vermögenswerte des Schuldners
1
Siehe dazu schon § 3 C. II. 2. und 3. Brox/Walker, ZVR, Rn. 1; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 1 Rn. 2. 3 Vgl. nur BVerfG NZM 2005, 657; BGH NJW 1999, 1544, 1547; 2004, 954, 956; 2006, 505, 506; 2006, 1290, 1291. 4 BVerfG NJW 1983, 559. 2
§ 6 Die Interessenverteilung im Vollstreckungsverfahren
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ermitteln zu können.5 Zwangsbefugnisse des Gerichtsvollziehers wie das Recht zur Wohnungsdurchsuchung (§ 758 ZPO) dienen letztlich auch einer möglichst effektiven Vollstreckung im Interesse des Gläubigers. Betreiben mehrere Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner, so ist ihr jeweiliges Interesse zwar nach wie vor auf Befriedigung gerichtet, die Interessen können aber untereinander konkurrieren, wenn die Vermögenswerte des Schuldners nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichen oder die Attraktivität einzelner Vermögensgegenstände wegen ihrer Wertigkeit besonders hoch ist. Grundsätzlich verläuft jedes Vollstreckungsverfahren, das von einem Gläubiger angestoßen wird, unabhängig von etwaigen weiteren Verfahren.6 Die Gläubigerkonkurrenz wird durch das Prioritätsprinzip gelöst, wonach derjenige Gläubiger Vorrang genießt, der früher auf den Vermögensgegenstand zugegriffen hat (vgl. § 804 Abs. 3 ZPO, § 11 Abs. 2 ZVG). Abweichend davon kann es aber durch Sondervorschriften zur Begünstigung bestimmter Gläubiger kommen, weil sie ein „besseres“ Recht als andere haben (vgl. insbesondere § 804 Abs. 2 ZPO, § 10 ZVG).
B. Interessen des Schuldners Die Interessenlage auf Seiten des Schuldners gestaltet sich im Vergleich zum Gläubiger gegensätzlich. Der Schuldner muss die Zwangsvollstreckung über sich ergehen lassen, weil er den Anspruch des Gläubigers nicht freiwillig erfüllt hat oder erfüllen konnte. Sein Ziel ist es, entweder die Vollstreckung noch ganz abzuwenden oder zumindest den Eingriff in seine Rechts- und Vermögenspositionen so gering wie möglich zu halten. Die Vollstreckung berührt in starker Weise verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Schuldners. So ist durch den Zugriff auf seine Vermögenswerte generell sein Recht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG betroffen, es können aber auch weitere Grundrechte tangiert sein, wie das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG bei der Wohnungsdurchsuchung und Räumungsvollstreckung, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, das bei Suizidgefahr ebenfalls im Rahmen der Räumungsvollstreckung betroffen sein kann, sowie das Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, wenn mit Hilfe der Erzwingungshaft die Abgabe der Vermögensauskunft erreicht werden soll.7 Für das Interesse des Schuld5 Im Zentrum steht das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft mit der Möglichkeit auch der Einholung von Drittauskünften durch den Gerichtsvollzieher (§ 802l ZPO). Zu nennen ist aber auch der Anspruch auf Auskunftserteilung gegenüber dem Drittschuldner (§ 840 ZPO). 6 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 1.9; Schuschke/Walker/Schuschke, Einführung Rn. 4. Anders ist dies aber bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, in dem es gerade um die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger geht (vgl. § 1 InsO). 7 Vgl. im Einzelnen dazu Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 3 Rn. 10 ff.; Walker, GS Wolf, 561 ff.
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2. Teil: Grundlagen
ners, die Eingriffsintensität der Vollstreckung gering zu halten, finden sich Ausprägungen zum Beispiel in den Vorschriften zur (einstweiligen) Einstellung der Vollstreckung (§ 765a ZPO, § 30a ZVG), in den Pfändungsschutzvorschriften (§§ 811 ff., §§ 850 ff. ZPO), den Regelungen zur Verhinderung einer Verschleuderung des Schuldnervermögens (insbesondere § 812, § 817a ZPO, § 74a, § 75a ZVG) oder auch der Möglichkeit des Vollstreckungsaufschubs bei Zahlungsvereinbarungen (§ 802b Abs. 2 ZPO).
C. Interessen Dritter Soweit es um die Interessen Dritter8 geht, unterscheidet sich die Interessenlage sehr stark danach, in welcher Rolle der Dritte am Vollstreckungsverfahren beteiligt ist. I. Eingriffe in die Rechtsstellung eines Dritten Durch eine Vollstreckungsmaßnahme wird gelegentlich auch in die Rechtsposition Dritter eingegriffen. Kommt es zum Beispiel zur Pfändung einer körperlichen Sache, die sich im Gewahrsam eines Dritten befindet, bestimmt § 809 ZPO, dass die Pfändung nur unter der Einschränkung möglich ist, dass der Dritte zur Herausgabe bereit ist. Gegen eine ohne seine Zustimmung erfolgte Pfändung kann er sich mit der Erinnerung gem. § 766 Abs. 1 ZPO wehren.9 Erfolgt der Vollstreckungszugriff in einen Vermögensgegenstand, der nicht dem Schuldner, sondern einem Dritten gehört, kann der Dritte den drohenden Rechtsverlust durch Erhebung der Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO verhindern.10 In diesen Fällen hat der Dritte ein Interesse daran, dass nur Vermögensgegenstände des Schuldners als Vollstreckungsmasse dienen und keine Gegenstände dem Vermögen des Dritten entzogen werden. Entsprechendes gilt auch bei Schuldnerschutzvorschriften, die gleichsam den Zweck haben, noch weitere Personen zu schützen. So dient beispielsweise § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, der unter bestimmten Voraussetzungen Gegenstände, die zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlich sind, für unpfändbar erklärt, auch dem Schutz der Familienangehörigen des Schuldners, die auf eine Sicherung des Familienunterhalts angewiesen sind.11
8 Als „Dritte“ gelten alle Verfahrensbeteiligten, die nicht Gläubiger, Schuldner oder Vollstreckungsorgan sind. 9 MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 766 Rn. 30; Musielak/Voit/Lackmann, § 766 Rn. 19; Schuschke/Walker/Walker, § 766 Rn. 25; MüKoZPO/Gruber, § 809 Rn. 19; Musielak/Voit/Becker, § 809 Rn. 8; Schuschke/Walker/Walker, § 809 Rn. 8. 10 Weitere Interventionsrechte finden sich bei MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 17 ff.; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 18 ff. 11 BGH NJW-RR 2010, 642 f.; MüKoZPO/Gruber, § 811 Rn. 39; Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rn. 39.
§ 6 Die Interessenverteilung im Vollstreckungsverfahren
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II. Schutz der an einem Grundstück Berechtigten im Zwangsversteigerungsverfahren Wird ein Grundstück zwangsversteigert, so sind davon neben dem Schuldner und dem die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubiger regelmäßig auch noch weitere am Grundstück Berechtigte betroffen.12 Sie sind daran interessiert, dass ihre Rechtspositionen im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens berücksichtigt und gewahrt werden. Um dies sicherzustellen, finden sich im ZVG zahlreiche Vorschriften, die dem Interesse der am Grundstück Berechtigten Rechnung tragen (vgl. insbesondere §§ 28, 44, 52, 57, 67, 74a ZVG). III. Schutz des Drittschuldners bei der Forderungspfändung Nach der Pfändung und Überweisung einer Forderung des Schuldners ist der Gläubiger befugt, den Anspruch gegenüber dem Drittschuldner geltend zu machen. In dieser Situation sieht sich der Drittschuldner plötzlich einem neuen Einziehungsberechtigten gegenüber, woraus sich ein besonderes Schutzinteresse ergibt. So ist der Drittschuldner daran interessiert, seine bisherigen Einwendungen gegenüber dem Vollstreckungsschuldner auch dem Vollstreckungsgläubiger entgegenhalten zu können. Außerdem besteht für den Drittschuldner das Bedürfnis, auf die Wirksamkeit des Überweisungsbeschlusses vertrauen zu können, wenn er an den Vollstreckungsgläubiger zahlt, damit seine Leistung auch die gewünschte Erfüllungswirkung hat und er nicht ein zweites Mal zahlen muss.13
D. Öffentliche Interessen Zwar werden mit den Schuldnerschutzvorschriften vorrangig die Interessen des Schuldners geschützt. Sie sind aber darüber hinaus auch Ausdruck eines öffentlichen Interesses. Würde dem Gläubiger eine „Kahlpfändung“ ermöglicht, müsste der Schuldner mit Sozialleistungen auf Kosten der Gemeinschaft unterstützt werden.14 Eine unbeschränkte Vollstreckung in das Schuldnervermögen würde deshalb öffentliche Interessen beeinträchtigen. Beteiligt ist der Staat am Zwangsvollstreckungsverfahren durch die einzelnen Vollstreckungsorgane. Dazu muss er eine große Zahl an Personal vorhalten, was Kosten verursacht. Im Einzelfall können Vollstreckungsaufträge zudem arbeitsaufwendig und zeitintensiv sein. Der Staat ist deshalb daran interessiert, dass die 12
Siehe zu den einzelnen Beteiligten Stöber, § 9 Rn. 2.3 ff. Diesem Interesse dient die Wirksamkeitsfiktion in § 836 Abs. 2 ZPO. Zu Fällen, in denen die Schutzvorschrift nicht eingreift, Schuschke/Walker/Schuschke, § 836 Rn. 4. 14 Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rn. 1; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf/Lorenz, § 850 Rn. 4. 13
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2. Teil: Grundlagen
Vollstreckungsorgane nicht übermäßig in Anspruch genommen werden und zum „Laufboten“ des Gläubigers werden.15 Vorschriften, die einer Verfahrensbeschleunigung und damit vor allem dem Gläubiger dienen, haben mitunter auch den Zweck, die Justiz zu entlasten. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise auch § 807 ZPO zu sehen, der nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch die sofortige Abnahme der Vermögensauskunft beim Schuldner ermöglicht und so den Gerichtsvollzieher entlastet.16 Bei der Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an Entlastung der Justiz ist aber starke Zurückhaltung geboten, da die Beanspruchung staatlicher Institutionen zu Vollstreckungszwecken gerade dem Umstand geschuldet ist, dass sich das Vollstreckungsmonopol in staatlicher Hand befindet. Außerdem werden für die Amtshandlungen der Vollstreckungsorgane Kosten und Gebühren nach den entsprechenden Kosten- und Gebührenordnungen erhoben.
E. Ausgleich der verschiedenen Interessen Insgesamt sind die Interessen der Verfahrensbeteiligten vielfältig und oftmals sehr konträr ausgestaltet. Keinem Interesse gebührt ein grundsätzlicher Vorrang. Bei der Abwägung im Einzelfall ist aber immer im Blick zu behalten, dass das Vollstreckungsverfahren als solches dem Gläubiger zur Befriedigung seines Anspruchs verhelfen soll und der Schuldner die damit einhergehenden Einschränkungen im Grundsatz hinzunehmen hat. Sind im konkreten Fall darüber hinaus Dritte betroffen, so müssen auch deren Belange in einen gerechten Ausgleich mit den Interessen der Übrigen gebracht werden.
15 16
Pawlowski, ZZP 90 (1977), 345, 359. Schuschke/Walker/Walker, § 807 Rn. 14.
Dritter Teil
Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung Das gesamte Vollstreckungsrecht ist vielschichtig und komplex, da die Vollstreckung aus Titeln unterschiedlicher Form erfolgen kann, sich mit Blick auf die Art des zu vollstreckenden Anspruchs erhebliche verfahrensrechtliche Unterschiede ergeben, als Gegenstand des Vollstreckungszugriffs ganz verschiedene Vermögensgegenstände oder sogar der Schuldner in Person in Betracht kommen und letztlich auch sehr unterschiedliche Interessen eine Rolle spielen. Daraus resultierend gibt es eine unüberschaubare Fülle an potentiellen Fallgestaltungen, in denen Verfahrensbeteiligte ihre Rechte missbräuchlich ausüben können. Im Folgenden soll nur eine nähere Untersuchung von Fallkonstellationen unternommen werden, die entweder von der Rechtsprechung entschieden worden sind oder zumindest im Schrifttum zur Diskussion stehen. Das ausgewertete Fallmaterial wird dazu systematisiert und bestimmten Fallgruppen zugeordnet. Zwar darf die Bildung von Fallgruppen nicht dazu führen, dass die konkreten Einzelfälle einer schematischen Lösung zugeführt werden. Gleichwohl bietet diese Methode der Präzisierung des Anwendungsbereichs von Generalklauseln auch im Vollstreckungsrecht eine hilfreiche Orientierung bei der praktischen Rechtsanwendung und schafft Rechtssicherheit. Mitunter lässt sich ein konkreter Fall auch verschiedenen Fallgruppen zuordnen, so dass die hier vorgenommene Eingruppierung nicht immer zwingend ist. Bei der Bildung der Fallgruppen erfolgt eine Orientierung an dem Zweck, den ein Beteiligter des Vollstreckungsverfahrens oder Dritte mit der Ausübung ihrer Rechte verfolgen, bzw. an dem hinter der Rechtsausübung stehenden Interesse.
§ 7 Vollstreckungsmaßnahmen ohne berechtigtes Interesse Im Vollstreckungsverfahren gilt der Dispositionsgrundsatz.1 Danach entscheidet der Gläubiger als Herr des Verfahrens zunächst über Beginn und Ende der Vollstreckung. Innerhalb der vom Verfahrensrecht eingeräumten Möglichkeiten kann er auch die Art der Vollstreckung wählen und in welchen Vermögensgegen1 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.6 ff.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 5 Rn. 74 ff.; MüKoZPO/Rauscher, Einleitung Rn. 406; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 11; Schuschke/Walker/Schuschke, Einführung Rn. 10; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rn. 19.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
stand vollstreckt werden soll. Auch die Entscheidung über den Umfang der Vollstreckung obliegt dem Gläubiger. Rechtfertigen lässt sich die starke Stellung des Gläubigers durch den Umstand, dass er Inhaber eines titulierten Anspruchs gegen den Schuldner ist und das Vollstreckungsrecht seiner Befriedigung dient. Diese Rechtsstellung wird bisweilen aber auch zu dem Zweck eingesetzt, den Schuldner zu schikanieren oder über das normale Maß hinaus zu belästigen. Eine missbräuchliche Rechtsausübung liegt vor, wenn der Berechtigte an der Geltendmachung seiner Rechtsposition kein schutzwürdiges Interesse hat und die Schädigung des Gegenübers im Vordergrund steht.2 Einem entsprechenden Verfahrensantrag fehlt dann wegen Rechtsmissbrauchs bereits das Rechtsschutzbedürfnis. In welchen Fällen ein Gläubiger in dieser Weise seine Rechte unzulässig ausübt, bedarf der näheren Untersuchung.
A. Schikanöse Teilvollstreckungen Der Gläubiger ist grundsätzlich berechtigt, den Gerichtsvollzieher zu beauftragen, nur wegen eines Teilbetrags der titulierten Forderung die Vollstreckung einzuleiten.3 Das folgt gerade aus der Dispositionsbefugnis des Gläubigers über das Vollstreckungsverfahren. Außerdem ergibt sich die Zulässigkeit aus § 752 ZPO, der die Möglichkeit von Teilvollstreckungen voraussetzt. Bei der Beurteilung der Frage, wann Teilvollstreckungen in gesetzeswidriger Weise erfolgen, ist zwischen Teilvollstreckungen, bei denen der zu vollstreckende Teilbetrag und die titulierte Gesamtforderung weit auseinander liegen, und der mehrfachen Wiederholung von Teilvollstreckungen zu differenzieren. I. Erhebliche Differenz zwischen Gesamtforderung und Teilbetrag Der erste Fall eines weiten Auseinanderfallens der Forderungsbeträge kann isoliert nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.4 Lässt der Gläubiger nur wegen eines sehr kleinen Teilbetrags vollstrecken, so kann das darin begründet liegen, dass er an der Fähigkeit des Schuldners zweifelt, die Gesamtforderung zu tilgen. Da sich die anfallenden Rechtsanwaltsgebühren nach der Höhe der zu vollstreckenden und nicht der titulierten Forderung richten (vgl. § 25 Abs. 1 Nr. 1 2
Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 258. Vgl. nur BLAH/Hartmann, § 754 Rn. 6; Brox/Walker, ZVR, Rn. 210; Hk-ZPO/ Kindl, § 753 Rn. 7; MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 26; Musielak/Voit/Lackmann, § 753 Rn. 11; PG/Kroppenberg, § 753 Rn. 8; Schuschke/Walker/Walker, § 752 Rn. 6, § 753 Rn. 6; Zöller/Stöber, § 753 Rn. 7; a. A. AG Frankfurt DGVZ 1974, 92; AG Darmstadt DGVZ 1974, 13. 4 LG München DGVZ 1984, 28 f. (Teilvollstreckung über 500 DM bei einer Gesamtforderung von 63.332,53 DM); zustimmend Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.56; a. A. AG Fürstenfeldbruck DGVZ 1984, 28 (Rechtsmissbrauch wegen krassen Missverhältnisses); andeutungsweise so auch LG Oldenburg DGVZ 1980, 88. 3
§ 7 Vollstreckungsmaßnahmen ohne berechtigtes Interesse
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RVG),5 besteht ein berechtigtes Interesse des Gläubigers an einer Teilvollstreckung, um die Kosten gering zu halten.6 II. Mehrfache Wiederholung von Teilvollstreckungen Bei mehrfach wiederholten Teilvollstreckungen handelt der Gläubiger missbräuchlich, wenn er allein deshalb immer wieder Teilbeträge eintreiben lässt, um den Schuldner zu belästigen und damit zu schikanieren.7 In diesem Fall ist kein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers festzustellen, da es ihm nicht mehr vorrangig darum geht, seine Forderung einzutreiben. Es muss aber sehr zurückhaltend vom Einwand des Rechtsmissbrauchs Gebrauch gemacht werden, da der Schuldner sich gegen wiederholte Teilvollstreckungen leicht zur Wehr setzen kann, indem er die Gesamtforderung des Gläubigers einfach erfüllt.8 Trotz des beschränkten Vollstreckungsauftrags ist der Schuldner nämlich berechtigt, die gesamte titulierte Forderung zu tilgen, da sich der Gläubiger auf Beschränkungen seines Vollstreckungsauftrags gegenüber dem Schuldner nicht berufen kann (vgl. § 754 Abs. 2 S. 2 ZPO).9 Zu weitgehend ist deshalb auch die Auffassung, es liege schon immer dann Rechtsmissbrauch vor, wenn der Gläubiger Teilvollstreckungen wiederhole, obwohl der Schuldner zur Befriedigung der Gesamtforderung in der Lage sei.10 Diesem Verhalten kann der Schuldner wie eben gezeigt ein Ende bereiten. Im Übrigen hat der Gläubiger die Kosten wiederholter, aber grundloser Teilvollstreckungen11 zu tragen, da solche Kosten nicht notwendig im Sinne des § 788 ZPO sind, die darauf beruhen, dass der Gläubiger einzelne Vollstreckungsanträge gestellt hat, die auch in einem Antrag hätten zusammengefasst werden können.12
5 BeckOK RVG/Sommerfeldt/Sommerfeldt, § 25 Rn. 8; Mayer/Kroiß/Gierl, § 25 Rn. 6. 6 Dierck/Morvilius/Vollkommer/Hilzinger, 3. Kap. Rn. 92; mit einer Ersparnis von Kosten ebenfalls argumentierend OLG Schleswig DGVZ 1976, 135, 136; LG Frankfurt DGVZ 1974, 174; LG Kassel DGVZ 1974, 175, 176; AG Opladen DGVZ 1974, 93. 7 LG Darmstadt DGVZ 1974, 118; LG Frankfurt DGVZ 1974, 174; AG Landsberg DGVZ 1974, 123, 124; großzügiger LG Kassel DGVZ 1974, 175, 176; Brox/Walker, ZVR, Rn. 210; MüKoZPO/Heßler, § 752 Rn. 4, § 753 Rn. 26; Musielak/Voit/Lackmann, § 753 Rn. 11; PG/Kroppenberg, § 753 Rn. 8; Schneider, DGVZ 1982, 149, 151; Schuschke/Walker/Walker, § 752 Rn. 6, § 753 Rn. 6; Walker, FS Stürner, 829, 833. 8 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.56; Hk-ZPO/Kindl, § 754 Rn. 9; MüKoZPO/Heßler, § 754 Rn. 28; Stein/Jonas/Münzberg, § 754 Rn. 7. 9 MüKoZPO/Heßler, § 754 Rn. 28. 10 So aber Klein, DGVZ 1974, 83, 85; in diese Richtung gehend auch LG Frankfurt DGVZ 1974, 174; AG Wattenscheid DGVZ 1974, 93, 94. 11 Für jede weitere Teilvollstreckung fallen erneut Gebühren für das Tätigwerden des Gerichtsvollziehers an, vgl. § 10 Abs. 2 S. 1 GvKostG. 12 OLG München NJW 1958, 1687, 1688; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 788 Rn. 25.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
Der Gerichtsvollzieher hat missbräuchliche Teilvollstreckungsaufträge zurückzuweisen.13 Der Schuldner kann sich gegen solche Maßnahmen mit der Erinnerung nach § 766 ZPO oder bei Vorliegen einer Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde (§ 793 ZPO) zur Wehr setzen.14
B. Wiederholte Vorpfändungen Will der Gläubiger vor dem Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erreichen, dass der Schuldner über eine Forderung nicht mehr verfügen kann, so muss der Gläubiger einen Antrag auf Vorpfändung gem. § 845 ZPO stellen. Dem Drittschuldner wird dann aufgegeben, nicht an den Schuldner zu zahlen, und dem Schuldner wird jede Verfügung über die Forderung verboten. Die Vorpfändung hat die Wirkung eines rangwahrenden Arrestes, wenn die Pfändung der Forderung innerhalb eines Monats seit dem Tag der Zustellung der Benachrichtigung an den Drittschuldner erfolgt (vgl. § 845 Abs. 2 ZPO). Der Zweck einer Vorpfändung besteht somit darin, die nachteiligen Folgen einer verzögerten Beschlagnahme einer Forderung durch das Vollstreckungsgericht zu vermeiden.15 Die Vorpfändung kann auch wiederholt werden, sie entfaltet ihre Wirksamkeit dann aber erst ab dem Zeitpunkt der erneuten Zustellung an den Drittschuldner.16 Lässt der Gläubiger vor Beantragung eines Pfändungsbeschlusses wiederholt Vorpfändungen durch den Gerichtsvollzieher durchführen, so stellt sich die Frage, ob er dies unbegrenzt tun kann und ab wann sich die Rechtsausübung als gesetzeswidrig darstellt. § 845 ZPO sieht insoweit keine Einschränkungen vor. Eine zahlenmäßige Begrenzung ist nicht sinnvoll. Die Fälle sollten danach beurteilt werden, welchen Zweck der Gläubiger mit den wiederholten Vorpfändungen verfolgt. Ist der Gläubiger dazu nur deshalb angehalten, weil innerhalb der Monatsfrist des § 845 Abs. 2 ZPO eine Pfändung nicht bewirkt worden ist, liegen die Gründe dafür aber nicht in seiner Sphäre, so macht der Gläubiger von seinem Recht in gesetzeskonformer Weise Gebrauch. Ihm geht es dann nämlich immer noch darum, die vollstreckungssichernde Wirkung der Vorpfändung herbeizuführen. Das bestätigt auch ein Blick auf die Regelungen zur Kostentragung. Nach § 788 ZPO hat der Schuldner die Kosten der Zwangsvollstreckung nur zu tragen, soweit sie notwendig waren. Stellt der Gläubiger nicht innerhalb der Mo13 PG/Kroppenberg, § 753 Rn. 8; Schuschke/Walker/Walker, § 752 Rn. 6, § 753 Rn. 6. 14 MüKoZPO/Heßler, § 752 Rn. 5; Schuschke/Walker/Walker, § 752 Rn. 9. 15 OLG Köln OLGZ 1991, 154, 157; Brox/Walker, ZVR, Rn. 627; Musielak/Voit/ Becker, § 845 Rn. 1. 16 Hk-ZV/Bendtsen, § 845 Rn. 19; MüKoZPO/Smid, § 845 Rn. 16; Mümmler, JurBüro 1975, 1413, 1418; PG/Ahrens, § 845 Rn. 17; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 808; Zöller/Stöber, § 845 Rn. 6.
§ 7 Vollstreckungsmaßnahmen ohne berechtigtes Interesse
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natsfrist einen Pfändungsantrag beim Vollstreckungsgericht, so dass die Vorpfändung wirkungslos wird, sind die Kosten der Vorpfändung nicht notwendig und vom Gläubiger zu tragen, vorausgesetzt er hat das Versäumen der Frist zu vertreten.17 Verfolgt der Gläubiger allerdings vorrangig eine Störung oder Belästigung des Schuldners, so ist diese Rechtsausübung zweckwidrig und damit missbräuchlich.18 Entsprechenden Anträgen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Zur Abwehr zukünftiger zweckwidriger Vorpfändungen hat der Schuldner bei Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch aus den §§ 1004, 242 BGB.19
C. Mutwillige Teilungsversteigerung Steht ein Grundstück im Miteigentum mehrerer Personen, so kann von jedem Miteigentümer die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft gem. § 749 Abs. 1 BGB verlangt werden, um das Miteigentum aufzulösen.20 In der Praxis kommt es dazu häufig bei Ehegatten, die Miteigentum an einem Grundstück haben, wenn ihre Ehe geschieden worden ist. Da es sich bei bebautem Grundvermögen regelmäßig um einen unteilbaren Gegenstand handelt,21 erfolgt die Durchsetzung des Aufhebungsanspruchs gem. §§ 753 Abs. 1 S. 1 BGB, 180 Abs. 1 ZVG im Wege der Teilungsversteigerung. Auch wenn die Teilungsversteigerung keinen vollstreckbaren Titel voraussetzt (§ 181 Abs. 1 ZVG) und nicht zur Durchsetzung einer Geldforderung im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner dient, so handelt es sich doch um ein spezielles Verfahren der Zwangsvollstreckung, da die Versteigerung zur Durchsetzung des materiellen Aufhebungsanspruchs unter Zuhilfenahme staatlicher Organe auch gegen den Willen der anderen Teilhaber durchgeführt werden kann.22 Die mutwillige Teilungsversteigerung ist daher im Rahmen dieser Arbeit zu erörtern. I. Fallgestaltungen Der Antrag auf Durchführung der Teilungsversteigerung kann unter bestimmten Voraussetzungen mit Treu und Glauben unvereinbar sein.23 Dazu sollen drei Beispiele aus der Rechtsprechung dargestellt werden: 17 LAG Köln NZA 1993, 1152 (Leitsatz); AG Heilbronn DGVZ 2003, 13, 14; Musielak/Voit/Becker, § 845 Rn. 10; Schuschke/Walker/Schuschke, § 788 Rn. 24. 18 OLG Brandenburg NJOZ 2001, 1782; Walker, FS Stürner, 829, 835. 19 OLG Brandenburg NJOZ 2001, 1782. 20 MüKoBGB/K. Schmidt, § 1008 Rn. 14; NK-BGB/Nusser, § 1008 Rn. 10. 21 OLG Hamm NJW-RR 1992, 665, 666; MüKoBGB/K. Schmidt, § 752 Rn. 21; Palandt/Sprau, § 752 Rn. 3. 22 OLG Köln NJW-RR 1992, 126 f.; Böttcher, § 180 Rn. 3; a. A. OLG Karlsruhe Rpfleger 1991, 263. 23 BGH NJW 1962, 1244 f.; 1972, 818, 819; 1975, 687, 688; 1977, 1234, 1235; NJW-RR 2005, 308, 309; OLG München NJW-RR 1989, 715; OLG Karlsruhe Rpfleger
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
Das LG Essen24 hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem es um die Teilungsversteigerung eines Erbbaurechts25 durch einen geschiedenen Ehemann ging. Bei der Versteigerung wäre das Heimfallrecht des Grundstückseigentümers zum Tragen gekommen, so dass die Ehefrau das Erbbaurecht und ihr Wohnrecht verloren hätte. Für den Ehemann wäre die Versteigerung nicht mit einem Vorteil verbunden gewesen, da ihm die Ehefrau einen freihändigen Abkauf seines Anteils zu einem angemessenen Preis angeboten hatte und in der Teilungsversteigerung aus verschiedenen Gründen auch kein höherer Betrag hätte erzielt werden können. Das Gericht hat den Teilungsversteigerungsantrag als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen. In einem anderen Fall lehnte der BGH26 die Teilungsversteigerung von Grundvermögen ab, das den Partnern einer Anwaltssozietät zur Ausübung ihrer Tätigkeit dienen sollte. Zwischen den Teilhabern waren wechselseitige Vorkaufsrechte eingeräumt worden, um ein Eindringen Dritter von außerhalb zu verhindern. Dem die Teilungsversteigerung Betreibenden war für den Anteil die Bezahlung eines marktüblichen Preises angeboten worden. Schließlich hatte das OLG Frankfurt27 sich mit der Zulässigkeit der Teilungsversteigerung eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks zu befassen, in dem die geschiedene Ehefrau des die Teilung betreibenden Ehemanns noch wohnte. Die Ehefrau war wegen einer unfallbedingten Querschnittslähmung dauerhaft pflegebedürftig und sowohl aus physischen als auch psychischen Gründen in besonderem Maße an die ihr vertraute Wohnumgebung gebunden. Das Gericht hat die Versteigerung des Objekts deshalb als missbräuchlich und in der Folge für unzulässig angesehen. II. Bezugspunkt des Rechtsmissbrauchsverbots als Differenzierungskriterium Die drei Beispielsfälle machen die Notwendigkeit einer Differenzierung deutlich. Es muss unterschieden werden, ob es darum geht, dass zur Durchsetzung des Aufhebungsanspruchs in missbräuchlicher Weise auf das Verfahrensinstrument der Teilungsversteigerung zurückgegriffen wird oder vielmehr dem materiellen Aufhebungsanspruch als solchem der Einwand des Rechtsmissbrauchs 1992, 266; OLG Köln Rpfleger 1998, 168, 169; OLG Frankfurt FamRZ 1998, 641 f.; LG Essen FamRZ 1981, 457, 458; AG Meppen Rpfleger 1992, 266 f.; Böttcher, § 180 Rn. 17; Stöber, § 180 Rn. 9.5. 24 LG Essen FamRZ 1981, 457 f. 25 Die Aufhebung einer Gemeinschaft an einem Erbbaurecht richtet sich nach den für Grundstücke geltenden Vorschriften, vgl. MüKoBGB/Heinemann, § 11 ErbbauRG Rn. 37. 26 BGH NJW-RR 2005, 308 f. 27 OLG Frankfurt FamRZ 1998, 641 f.
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entgegensteht. Dann kommt eine Aufhebung im Wege der Teilungsversteigerung überhaupt nicht in Betracht. 1. Missbrauchseinwand gegen Verfahren der Teilungsversteigerung Das Gesetz sieht zur Aufhebung der Gemeinschaft an Grundvermögen in §§ 753 Abs. 1 S. 1 BGB, 180 Abs. 1 ZVG nur die Zwangsversteigerung in Form der Teilungsversteigerung vor und räumt damit auch dem Richter keine Möglichkeit der Teilung in anderer Form ein. In Ausnahmefällen kann es aber missbräuchlich sein, wenn sich der die Teilungsversteigerung Betreibende nicht auf eine seinen Vermögensinteressen umfänglich in anderer Weise Rechnung tragende Möglichkeit verweisen lässt.28 Ausnahmsweise kann daher auch eine Realteilung des Grundstücks29 in Betracht kommen oder die freihändige Veräußerung des Anteils, wegen dessen die Teilung betrieben wird, zu marktüblichen Konditionen30. Reine Billigkeitserwägungen dürfen aber nicht dazu führen, das Recht auf Teilungsversteigerung einzuschränken und den Betreibenden auf andere weniger einschneidende Möglichkeiten zu verweisen, da das Gesetz selbst davon ausgeht, dass gewisse Härten hinzunehmen sind, wie sich den Regelungen in § 180 Abs. 2–4 ZVG entnehmen lässt.31 In den ersten beiden geschilderten Fällen ist deshalb zu Recht das Teilungsversteigerungsverlangen als missbräuchlich angesehen worden, da mit der Versteigerung keine schutzwürdigen Interessen verfolgt wurden.32 Es hätte jeweils eine Veräußerung des Anteils ohne wirtschaftliche Einbußen erfolgen können, so dass die Teilungsversteigerung nur mit Nachteilen für die anderen Teilhaber der Gemeinschaft verbunden gewesen wäre. In diesen Konstellationen wird das Recht zum Betreiben der Teilungsvollstreckung zu verfahrensfremden Zwecken missbraucht. Vor diesem Hintergrund hat auch das AG Meppen33 zu Recht die Teilungsversteigerung in einem Fall für missbräuchlich erachtet, in dem eine einvernehmliche Regelung abgelehnt wurde, da die drohende Versteigerung nur dazu dienen sollte, den das Grundstück noch bewohnenden Vater dazu zu bewegen, sich mit der die Teilung betreibenden Tochter in noch weiteren Rechtsstreitigkeiten zu einigen. Dem das Verfahren betreibenden Teilhaber fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn er kein schutzwürdiges Interesse an der Auseinandersetzung im Wege der 28 BGH NJW 1972, 818, 819; NJW-RR 2005, 308, 309; LG Essen FamRZ 1981, 457; AG Meppen, Rpfleger 1992, 266, 267. 29 BGH NJW 1972, 818, 819. 30 BGH NJW-RR 2005, 308, 309; LG Essen FamRZ 1981, 457, 458. 31 BGH NJW 1972, 818, 819; OLG München NJW-RR 1989, 715; OLG Karlsruhe Rpfleger 1992, 266. 32 So auch Walker, FS Stürner, 829, 836. 33 AG Meppen Rpfleger 1992, 266 f.
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Teilungsversteigerung hat. Das Fehlen dieser Verfahrensvoraussetzung kann im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO oder der sofortigen Beschwerde gerügt werden, falls der Antragsgegner vor dem Erlass des Anordnungsbeschlusses angehört wurde, so dass eine Entscheidung ergangen ist.34 2. Missbrauchseinwand gegen Aufhebungsanspruch Anders verhält sich die Situation, wenn dem Aufhebungsanspruch aus § 749 Abs. 1 BGB als solchem § 242 BGB entgegensteht. Dann fehlt es bereits an einer Grundlage für die Teilungsversteigerung, die gerade der Durchsetzung dieses Anspruchs dient. Gegen eine gleichwohl eingeleitete Versteigerung kann sich der Betroffene mit einer Drittwiderspruchsklage wehren.35 Es handelt sich dann aber nicht um die missbräuchliche Ausübung eines Rechts in der Zwangsvollstreckung, da sich der Missbrauchseinwand gegen den materiell-rechtlichen Anspruch richtet und rechtsvernichtend wirkt. Der Fall ist vielmehr vergleichbar zu der Situation, in der sich der Schuldner gegen die Vollstreckung mit der Vollstreckungsabwehrklage zur Wehr setzt und in diesem Verfahren den Einwand des Rechtsmissbrauchs gegen den materiellen Anspruch erhebt.36 Eine solche Fallgestaltung liegt dem dritten Fall zugrunde.37 Dort hat das OLG Frankfurt zwar auch die Teilungsversteigerung als missbräuchlich zurückgewiesen, letztlich ging es aber um den Aufhebungsanspruch als solchen und nicht nur die Art der Durchsetzung. Deutlich wird dies an der Feststellung des Gerichts, dass der geschiedene Ehemann das im Grundstück verkörperte Vermögen dauerhaft nicht verwerten und nutzen könne. Es geht also nicht darum, dass ihm das verfahrensrechtliche Instrument der Teilungsversteigerung mangels berechtigten Interesses verwehrt wird, sondern dass seinem Aufhebungsanspruch überwiegende Interessen seiner geschiedenen Ehefrau entgegenstehen, die diese dem Anspruch aus § 749 Abs. 1 BGB unter Berufung auf § 242 BGB entgegenhalten kann.
D. Überflüssiges Vermögensauskunftsverfahren Das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft dient dem Gläubiger dazu, einen Überblick über die Vermögenssituation des Schuldners zu bekommen, um so dem Vollstreckungszugriff unterliegende Objekte zu identifizieren.38 Es soll 34
Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 180 Rn. 61, § 15 Rn. 19; Stöber, § 180 Rn. 7.20. Zur Statthaftigkeit der Drittwiderspruchsklage bei materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die Teilungsversteigerung BGH MDR 1973, 124; NJW-RR 2008, 1547, 1548; Böttcher, § 180 Rn. 18. 36 Zu einem solchen Fall beispielsweise BGH NJW 2015, 955, 958. 37 Vgl. zu anderen Fällen, in denen ebenfalls gerade dem Aufhebungsanspruch aus § 749 Abs. 1 BGB Treu und Glauben entgegenstehen, BGH NJW 1962, 1244 f.; OLG Karlsruhe Rpfleger 1992, 266. 35
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deshalb an einem schutzwürdigen Interesse des Gläubigers fehlen, wenn er die Vermögensauskunft begehrt, obwohl er entweder bereits sichere Kenntnis über die Vermögenslage des Schuldners hat39 oder weiß, dass dieser vermögenslos ist40. Es stellt sich die Frage, wann von sicherer Kenntnis des Gläubigers über die Vermögenslage des Schuldners ausgegangen werden kann. In jedem Fall nicht ausreichend ist die bloße Behauptung des Schuldners, der Gläubiger habe umfängliche Kenntnis der Vermögensverhältnisse.41 Es kann aber auch keine sichere Kenntnis des Gläubigers angenommen werden, wenn der Schuldner vor einem Notar eine Erklärung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben und diese sogar eidesstattlich versichert hat, da dann nämlich gerade keine Möglichkeit für den Gläubiger bestand, sein ihm im Vermögensauskunftsverfahren zustehendes Teilnahme- und Fragerecht42 auszuüben.43 Mangels Beteiligung des Gläubigers genügt auch die Offenlegung der Vermögensverhältnisse mit eidesstattlicher Versicherung durch den Schuldner in anderen Verfahren nicht, um einen Antrag auf Durchführung des Vermögensauskunftsverfahrens zurückzuweisen.44 Entsprechend verhält es sich mit telefonischen und schriftlichen Erklärungen des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners, die keinesfalls die Anforderungen der Vermögensauskunft erfüllen können.45 Anders entschieden wurde allerdings für den Fall, dass der Gläubiger aussichtsreiche Forderungen des Schuldners gegen einen Dritten kennt.46 Dem kann 38 BVerfG NJW 1983, 559; BGH NJW 2004, 2979, 2980 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren); Hk-ZV/Sternal, § 802c Rn. 2; MüKoZPO/Wagner, § 802c Rn. 2; Schuschke/Walker/Walker, § 802c Rn. 4. 39 BGH NJW 2004, 2905 f.; LG Frankenthal Rpfleger 1985, 33; LG Verden Rpfleger 1986, 186 f.; LG Köln NJW-RR 1987, 1407; LG Berlin Rpfleger 1992, 168, 169; LG Stade DGVZ 1999, 8, 10; LG Flensburg DGVZ 2000, 89; LG Detmold DGVZ 2007, 72 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren); Baur/Stürner/Bruns, Rn. 48.6; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1149; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 60 Rn. 17; Hk-ZV/Sternal, § 802c Rn. 13; Schuschke/Walker/Walker, § 802c Rn. 9; Zöller/Stöber, § 802c Rn. 3 (teilweise noch zum Offenbarungsverfahren). 40 BVerfG NJW 1978, 2023, 2024; 1983, 559; BGH Rpfleger 2009, 466; LG Itzehoe Rpfleger 1985, 153; Bittmann, Rpfleger 1983, 261, 262 f. (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 41 LG Verden Rpfleger 1986, 186 f.; LG Berlin Rpfleger 1992, 168, 169 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 42 Vgl. dazu § 802f Abs. 4 S. 2 ZPO, § 138 Abs. 1 S. 4 GVGA; Schuschke/Walker/ Walker, § 802f Rn. 20. 43 LG Düsseldorf Rpfleger 1981, 151; LG Frankenthal Rpfleger 1985, 33, 34; LG Detmold Rpfleger 1987, 165 f.; LG Flensburg DGVZ 2000, 89; LG Detmold DGVZ 2007, 72 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 44 BGH NJW 2004, 2905 f.: Verfahren nach § 95 AO; LG Stade DGVZ 1999, 8, 10: Arrestverfahren (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 45 LG Köln NJW-RR 1987, 1407 (noch zum Offenbarungsverfahren). 46 LG Darmstadt DGVZ 2005, 27: Lohnforderung gegen Arbeitgeber; LG Hamburg DGVZ 2006, 73 f.: Krankengeldforderung gegen die Krankenkasse (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren).
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nicht gefolgt werden. Bei Forderungen gegen Dritte ist immer unklar, ob sich diese tatsächlich realisieren lassen. Außerdem können sie Pfändungsbeschränkungen nach §§ 850 ff. ZPO unterliegen, so dass die Befriedigung des Gläubigers unsicher ist. Schließlich ist auch möglich, dass andere Gläubiger ebenfalls in die Forderungen des Schuldners vollstrecken und vorrangig befriedigt werden müssen, so dass der Gläubiger ebenfalls leer ausgeht. Die Entscheidungen überzeugen auch vor dem Hintergrund nicht mehr, dass sich der Gläubiger über das Vermögensauskunftsverfahren nach heutiger Rechtslage ohne vorherigen erfolglosen Pfändungsversuch einen umfassenden Überblick verschaffen kann, um so am effektivsten die Vollstreckung betreiben zu können.47 In diesen Fällen lässt sich ein berechtigtes Gläubigerinteresse an der Abnahme der Vermögensauskunft nicht leugnen. Gleichermaßen kaum vorstellbar ist die Situation, dass der Gläubiger sichere Kenntnis von der Vermögenslosigkeit des Schuldners hat, da davon regelmäßig gerade erst nach Abgabe der Vermögensauskunft und Eintragung in das Schuldnerverzeichnis ausgegangen werden kann.48 Es besteht immer die Möglichkeit, dass der Schuldner noch über verborgene Vermögenswerte verfügt oder er Veräußerungen vorgenommen hat, die der Anfechtung nach dem AnfG unterliegen (vgl. § 802c Abs. 2 S. 3 ZPO). Schließlich muss auch berücksichtigt werden, dass die mit dem Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft für den Schuldner verbundenen Nachteile, insbesondere also die Eintragung im Schuldnerverzeichnis, gelegentlich doch noch zu einer Befriedigung des Gläubigers führen.49 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass ein Gläubiger zwar missbräuchlich handelt, wenn er das Vermögensauskunftsverfahren gebraucht, obwohl er bereits umfassend informiert ist und ihm das Verfahren somit keinen weiteren Vorteil, sondern nur dem Schuldner Nachteile bringt. Faktisch ist aber kaum eine Fallgestaltung vorstellbar, in der einem Gläubiger deshalb das Rechtsschutzbedürfnis an seinem Antrag fehlen könnte.
E. Schikanöses Nachbesserungsverlangen zur Vermögensauskunft Verlangt der Gläubiger die Nachbesserung einer abgegebenen Vermögensauskunft, weil die vom Schuldner bezüglich einer Forderung gemachten Angaben unvollständig sind, so kann dieses Verlangen schikanös bzw. mutwillig sein, 47
Zu dieser Zielsetzung BT-Drs. 16/10069, S. 25. Zu Recht kritisch daher Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.56 Fn. 78, 6.67; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 60 Rn. 17; Stein/Jonas/Münzberg, § 900 Rn. 9 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 49 Brox/Walker, ZVR, Rn. 1127; Schuschke/Walker/Walker, § 802c Rn. 4. 48
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wenn die Pfändbarkeit der Forderung völlig ausgeschlossen ist.50 Da die Beurteilung der Pfändbarkeit aber nicht Sache des Schuldners ist, müssen dessen Angaben grundsätzlich umfänglich sein.51 Außerdem findet sich gerade in § 802c Abs. 2 S. 4 ZPO eine Regelung, wonach körperliche Sachen, die offensichtlich unpfändbar sind, weil sie § 811 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO unterfallen, nicht angegeben werden müssen, so dass bei allen anderen Gegenständen grundsätzlich keine Einschränkungen gemacht werden können.52 Praktisch bedeutet dies, dass eine Zurückweisung des Nachbesserungsverlangens wegen Missbrauchs nur dann in Betracht kommt, wenn die Unpfändbarkeit eines Gegenstands nach allen in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansichten feststeht. Andernfalls ist jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen, dass eine Pfändung Erfolg haben kann, was im Einzelnen dann nach Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den die Forderung erfassenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss geklärt werden müsste. In jedem Fall unzureichend ist, dass sich die Unpfändbarkeit nur aus dem Vorliegen einer sittenwidrigen Härte für den Schuldner gem. § 765a ZPO ergeben könnte, da dazu eine einzelfallbezogene Abwägung der Interessen erforderlich ist, deren Ergebnis nicht vorhergesagt werden kann.53
F. Zwecklose Immobiliarvollstreckung Nach § 803 Abs. 2 ZPO hat eine Pfändung zu unterbleiben, wenn sich von der Verwertung der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten lässt. Eine gleichwohl erfolgende Vollstreckung würde dem Schuldner nur Nachteile und dem Gläubiger keine Vorteile bringen, da der Schuldner den Gegenstand verlieren würde, ohne dass es zu einer auch nur teilweisen Befriedigung des Gläubigers käme. Eine vergleichbare Regelung, die eine zwecklose Immobiliarvollstreckung verbietet, existiert nicht. Inzwischen ist sogar höchstrichterlich geklärt, dass § 803 Abs. 2 ZPO in der Immobiliarvollstreckung auch nicht analog angewendet werden kann, da bei einer Zwangsverwaltung schon gar kein Verlust des Vermögensgegenstands droht und das ZVG im Übrigen spezielle Regelungen vorhält.54 So sieht insbesondere § 77 Abs. 2 ZVG vor, dass erst bei einem zweiten ergebnislosen Versteigerungs50 BGH Rpfleger 2009, 466 (noch zum Offenbarungsverfahren); DGVZ 2016, 155 f.; NJW-RR 2017, 632; 2017, 633, 634. 51 Stein/Jonas/Münzberg, § 807 Rn. 28 (noch zum Offenbarungsverfahren). 52 BGH DGVZ 2016, 155 f. 53 Ein solcher Fall lag der Entscheidung BGH Rpfleger 2009, 466 zugrunde. 54 BGH NJW 2002, 3178 ff. (Zwangsverwaltung); NZM 2004, 347 ff. (Zwangsversteigerung); zuvor schon OLG Hamm Rpfleger 1989, 34; LG Berlin Rpfleger 1987, 209; LG Krefeld 1996, 120 f.; LG Detmold Rpfleger 1998, 35; LG Koblenz Rpfleger 1998, 300; LG Frankfurt NZM 1998, 635; a. A. noch LG Augsburg Rpfleger 1986, 146; LG Bielefeld Rpfleger 1987, 424; LG Regensburg NJW-RR 1988, 447; LG Frankfurt Rpfleger 1989, 35; Wieser, Rpfleger 1985, 96, 98 f.
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termin das Verfahren aufgehoben wird oder auf Antrag die Zwangsverwaltung angeordnet werden kann. Es hat also zumindest ein Termin stattzufinden, auch wenn mit einer Befriedigung des Gläubigers nicht gerechnet wird.55 Dass selbst nach zwei ergebnislosen Terminen noch die Zwangsverwaltung angeordnet werden kann, macht deutlich, dass die Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit der Immobiliarvollstreckung in erster Linie Sache des Gläubigers ist.56 Es wird praktisch auch kaum vorkommen, dass die Verwertung des Versteigerungsobjekts zu keinem höheren Erlös führt, als es zur Deckung der Vollstreckungskosten erforderlich ist; wegen vorrangiger Rechte wird es nur oftmals zu keiner Befriedigung des betreibenden Gläubigers kommen.57 Allein die Zwecklosigkeit der Immobiliarvollstreckung kann auch nicht genügen, um das Rechtsschutzbedürfnis wegen Rechtsmissbrauchs zu verneinen, da man andernfalls auf diesem Weg doch die Regelungen des ZVG umgehen würde. Denkbar ist eine Zurückweisung des Antrags auf Anordnung der Zwangsversteigerung oder -verwaltung allenfalls, wenn der Gläubiger den Schuldner schikanieren will.58
G. Nutzlosigkeit der Vollstreckung I. Erlöschen des Rechts bei Pfändung Eine ähnliche Situation wie im Fall der zwecklosen Pfändung liegt vor, wenn es überhaupt nicht zu einer Verwertung kommen kann, weil das zu pfändende Recht mit der Pfändung erlischt. In einem Fall, der das OLG Frankfurt beschäftigt hat, vollstreckte die Gläubigerin in ein Nießbrauchsrecht, das in der Weise bestellt worden war, dass es bei einer Pfändung erlöschen sollte.59 In diesem Fall verfolgte die Gläubigerin kein schutzwürdiges Interesse, da es ihr erkennbar nicht um eine Befriedigung ihrer Forderung gehen konnte. Das aber ist allein schutzwürdiger Zweck der Zwangsvollstreckung. Dass die Gläubigerin sich als Eigentümerin des mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücks durch die Pfändung der Belastung hatte entledigen wollen, hat das OLG Frankfurt deshalb zu Recht als unerheblich angesehen.60 Eines Rückgriffs auf das Rechtsmissbrauchsverbot hätte es aber in diesem Fall nicht bedurft. Vielmehr wäre eine analoge Anwendung von § 803 Abs. 2 ZPO 55
BGH NZM 2004, 347, 348. LG Frankfurt NZM 1998, 635 f. 57 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 15 Rn. 18; Stöber, Einleitung Rn. 48.8. 58 BGH NJW 2002, 3178, 3179; NZM 2004, 347, 349; noch offenlassend LG Frankfurt NZM 1998, 635, 636. 59 OLG Frankfurt OLGZ 1980, 482 ff. Zur Zulässigkeit der Bestellung eines Nießbrauchsrechts unter einer auflösenden Bedingung MüKoBGB/Pohlmann, § 1030 Rn. 136; NK-BGB/Lemke, § 1030 Rn. 24; Palandt/Herrler, Einf. v. § 1030 Rn. 6. 60 OLG Frankfurt OLGZ 1980, 482, 483 f. 56
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möglich gewesen. Zwar hat der BGH einer Analogie im Immobiliarvollstreckungsrecht wie eben ausgeführt eine klare Absage erteilt.61 Die maßgeblich auf die Besonderheiten des ZVG gestützte Argumentation verfängt aber nicht bei der Rechtspfändung, da es sich insoweit um eine Vollstreckung in bewegliches Vermögen handelt und § 803 Abs. 2 ZPO dort gerade anwendbar ist. Auch wenn das Verbot der zwecklosen Pfändung bei der Rechtspfändung eine nur geringe Bedeutung hat, da selten im Vorfeld mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden kann, ob die Verwertung keinen die Kosten übersteigenden Erlös bringen wird,62 ist eine Analogie im hier zu beurteilenden Fall interessengerecht, da der Fall mit einer zwecklosen Pfändung vergleichbar ist. Es macht nämlich keinen Unterschied, ob die Verwertung einen Überschuss über die Kosten nicht erwarten lässt oder die Verwertung überhaupt nicht erfolgen kann, weil das zu pfändende Recht mit der Pfändung erlöschen würde, und damit erst Recht kein Überschuss erzielt werden kann. Die Konsequenzen sowohl der nutzlosen als auch der zwecklosen Pfändung sind auch identisch, da nämlich in beiden Fällen der Schuldner den Vermögensgegenstand verliert, eine Befriedigungswirkung gegenüber dem Gläubiger aber ausbleibt. II. Aussichtslose Verwertung für nachrangigen Gläubiger Mit einem ähnlich gelagerten Fall hatte sich das LG Berlin63 zu befassen. Ein Gläubiger hatte verschiedene Sachen des Schuldners im Wege der Anschlusspfändung (§ 826 ZPO) pfänden lassen. Aus dem zu erwartenden Versteigerungserlös hätten voraussichtlich noch nicht einmal die fünf vorrangigen Gläubiger ansatzweise befriedigt werden können. Da der Schuldner mit den Vorgläubigern Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen hatte, betrieben diese die Verwertung der gepfändeten Sachen nicht. Das Gericht hat an einer Verwertung durch den nachrangigen Gläubiger kein schutzwürdiges Interesse gesehen und diese deshalb für unzulässig gehalten. Zu Recht hat das LG Berlin die Anschlusspfändung durch den Nachgläubiger für wirksam erachtet, da nicht ausgeschlossen ist, dass er in eine günstigere Rangposition aufrücken kann, wenn zum Beispiel vorrangige Gläubiger befriedigt werden.64 Das Verbot des § 803 Abs. 2 ZPO findet bei der Anschlusspfändung nur dann Anwendung, wenn diese auch als Erstpfändung zwecklos gewesen
61 BGH NJW 2002, 3178 ff. (Zwangsverwaltung); NZM 2004, 347 ff. (Zwangsversteigerung). 62 Darauf hinweisend Dierck/Morvilius/Vollkommer/Dörndorfer, 6. Kap. Rn. 90; MüKoZPO/Gruber, § 803 Rn. 72; Musielak/Voit/Becker, § 803 Rn. 15b. 63 LG Berlin DGVZ 1971, 88 ff. 64 LG Berlin DGVZ 1971, 88, 90; Hk-ZV/Kindl, § 803 Rn. 14, § 826 Rn. 4; Musielak/Voit/Becker, § 826 Rn. 4; Schuschke/Walker/Walker, § 826 Rn. 5.
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wäre.65 Soweit das Gericht aber das Betreiben der Verwertung der gepfändeten Sachen durch den Nachgläubiger für unzulässig hält, muss dem widersprochen werden. Der Nachgläubiger hat das Recht, das Verfahren unabhängig von den anderen Gläubigern selbstständig weiterzubetreiben, was auch die Verwertung mitumfasst.66 Wie in § 116 Abs. 7 S. 1 GVGA geregelt ist, hat selbst die Stundung durch einen Gläubiger oder die Verfahrenseinstellung gegenüber einem Gläubiger keinen Einfluss auf die Fortsetzung der Vollstreckung durch die anderen Gläubiger. Zugunsten vorrangiger Gläubiger, die eine Stundung bewilligt haben, wird der ihnen zustehende Teil des Erlöses hinterlegt (vgl. § 116 Abs. 7 S. 3 GVGA). Reicht der Erlös nicht aus, um alle Gläubiger zu befriedigen, so hat der an aussichtsloser Rangstelle stehende Gläubiger auch ein Interesse an der Verwertung, da bei einer ratenweisen Befriedigung der vorrangigen Gläubiger dem nachrangigen Gläubiger der hinterlegte Betrag immer noch zu Gute kommen kann. Außerdem ist der Schuldner bei einer drohenden Versteigerung womöglich ebenfalls zum Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung mit dem nachrangigen Gläubiger bereit, um so eine Verwertung der gepfändeten Sachen doch noch zu verhindern.67
H. Zusammenfassende Betrachtung Vom Gläubiger eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen, denen keine berechtigte Interessenverfolgung zugrundeliegt, sind rechtsmissbräuchlich. Der Gläubiger verfolgt Ziele, die nicht dem Zweck des Vollstreckungsverfahrens, nämlich der Befriedigung seines titulierten Anspruchs, dienen, sondern vielmehr eine Schikanierung oder übermäßige Belästigung des Schuldners bezwecken, weshalb entsprechenden Anträgen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die untersuchten Fallgestaltungen haben aber gezeigt, dass Anträge des Gläubigers ohne berechtigtes Interesse eher eine Ausnahme darstellen. So ist der Gläubiger nämlich beispielsweise berechtigt, wiederholt nur wegen eines Teilbetrags die Vollstreckung zu betreiben, weil dieses Vorgehen auch im Interesse des Schuldners sein kann. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise, wenn der Schuldner dadurch schikaniert werden soll. Entsprechendes gilt für Vorpfändungen. Auch eine Teilungsversteigerung kann ausnahmsweise missbräuchlich sein, wenn sich das Interesse des die Teilung betreibenden Teilhabers auch auf andere Weise gleichermaßen verwirklichen lässt, ohne dass es zu einer Auflösung der Bruchteilsgemeinschaft im Wege der Versteigerung kommen muss. 65 Hk-ZV/Kindl, § 803 Rn. 14; MüKoZPO/Gruber, § 803 Rn. 70; Musielak/Voit/ Becker, § 803 Rn. 15a; Schuschke/Walker/Walker, § 803 Rn. 8; a. A. Zöller/Stöber, § 803 Rn. 9. 66 Hk-ZV/Kindl, § 826 Rn. 7; MüKoZPO/Gruber, § 826 Rn. 9. 67 Diesen Zweck als nicht schutzwürdig einstufend aber LG Berlin DGVZ 1971, 88, 91.
§ 8 Einsatz der Zwangsvollstreckung als unzulässiges Druckmittel
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Es darf aber auch nicht vorschnell von einer Vollstreckungsmaßnahme ohne berechtigte Interessenverfolgung ausgegangen werden, wie das Beispiel eines vermeintlich zwecklosen Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft zeigt. Die Einleitung eines solchen Verfahrens wird nahezu nie zweckwidrig sein, da der Gläubiger selten sichere Kenntnis der Vermögenslage des Schuldners haben wird. Auch eine Immobiliarvollstreckung hat nicht allein deshalb zu unterbleiben, weil sie voraussichtlich zwecklos sein wird, da dort § 803 Abs. 2 ZPO gerade keine Anwendung findet. Dieser Umstand darf nicht durch eine Heranziehung von § 242 BGB umgangen werden.
§ 8 Einsatz der Zwangsvollstreckung als unzulässiges Druckmittel Der Gerichtsvollzieher soll zwar in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein (§ 802b Abs. 1 ZPO), die Praxis zeichnet sich aber eher durch eine zwangsweise erfolgende Vollstreckung aus. Da Pfändungsversuche jedoch häufig erfolglos verlaufen, weil entweder Pfändungsschutzvorschriften eingreifen oder eine Verwertung der vorhandenen Vermögensgegenstände zu keiner vollständigen Befriedigung führt, versuchen Gläubiger mitunter auf verschiedene Weise, Druck auf den Schuldner auszuüben, dass dieser doch noch freiwillig zahlt. Gelegentlich soll der ausgeübte Druck auch dazu dienen, andere Ziele als die Befriedigung der titulierten Forderung zu erreichen. Insoweit kann es daher Überschneidungen mit der soeben behandelten Fallgruppe einer Vollstreckung ohne berechtigtes Interesse geben. In welchen Fällen der Gläubiger durch den Gebrauch seiner Verfahrensrechte unzulässigen Druck auf den Schuldner ausübt, muss näher untersucht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es der Vollstreckung wegen ihres Zwangscharakters immanent ist, Druck zu erzeugen.
A. Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft und Erzwingungshaft als Druckmittel zur Forderungseintreibung Der Gläubiger kann durch die Einleitung des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft Druck auf den Schuldner ausüben, dass dieser die titulierte Forderung erfüllt. Das Verfahren kann für den Schuldner nämlich erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen, wenn es letztlich zu einer Eintragung im Schuldnerverzeichnis kommt (§ 882c ZPO). Ein besonders wirkungsvolles Druckmittel stellt ein im Vermögensauskunftsverfahren erwirkter Erzwingungshaftbefehl (§ 802g ZPO) dar. Es ist näher zu untersuchen, ob der durch den Gläubiger insoweit erzeugte Zahlungsdruck auf den Schuldner mit dem Zweck des Verfahrens vereinbar ist.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
I. Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft 1. Meinungsstand zum Offenbarungsverfahren Noch unter Geltung des § 900 ZPO a. F. hatten sich verschiedene Gerichte mit der Frage zu befassen, ob der Gläubiger im Offenbarungsverfahren den Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung – mitunter sogar wiederholt – verlegen lassen konnte, nachdem der Schuldner eine Teilleistung auf die titulierte Gesamtforderung erbracht hatte, um so den Schuldner zu regelmäßigen Ratenzahlungen anzuhalten. Es herrschte überwiegend Einigkeit, dass der Gläubiger als Herr des Verfahrens Terminsverlegungen zulässigerweise beantragen könne und der durch diese Vorgehensweise auf den Schuldner ausgeübte Zahlungsdruck vom Gesetz nicht missbilligt werde, solange der ordnungsgemäße Geschäftsgang bei dem mit der Sache befassten Vollstreckungsorgan1 nicht durch zu häufige und kurzfristige Verschiebungen ernstlich gefährdet werde.2 Argumentiert wurde vor allem mit § 900 Abs. 3 ZPO a. F., der selbst indirekt mit der eidesstattlichen Versicherung gegenüber dem Schuldner drohe, falls dieser seiner Tilgungspflicht in Raten nicht nachkomme.3 Manche machten aber zur Einschränkung, dass es zu einer Tilgung erheblicher Teilbeträge kommen müsse.4 Vereinzelte Stimmen lehnten den Gebrauch des Verfahrens als Druckmittel zur ratenweisen Forderungseintreibung sogar gänzlich als missbräuchlich ab.5 2. Rechtslage seit Einführung des Vermögensauskunftsverfahrens Seit 1.1.2013 hat das Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft, jetzt geregelt in den §§ 802c ff. ZPO, das Offenbarungsverfahren abgelöst. Die bislang in § 900 Abs. 3 ZPO a. F. und anderen Vorschriften verstreut geregelten gütlichen 1 Bis zum 31.12.1998 war das Vollstreckungsgericht insoweit zuständiges Vollstreckungsorgan; erst durch das „Zweites Gesetz zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften“ vom 17.12.1997 (BGBl. I 1997, 3039) ist die Zuständigkeit auf den Gerichtsvollzieher übergegangen. 2 LG Mannheim NJW 1958, 1193; LG Darmstadt MDR 1959, 1019; LG Köln JurBüro 1977, 413; LG Detmold Rpfleger 1991, 212 f. mit zust. Anm. Schauf; LG Kaiserslautern JurBüro 2000, 46; Musielak/Voit, 9. Aufl., § 900 Rn. 16; Schuschke/Walker/ Schuschke, 5. Aufl., § 900 Rn. 7; Stein/Jonas/Münzberg, § 900 Rn. 77; Zöller/Stöber, 29. Aufl., § 900 Rn. 13. 3 LG Köln JurBüro 1977, 413; Wieser, NJW 1988, 665, 671; ders., DGVZ 1990, 177, 183. 4 LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 1985, 309 (Raten von jeweils 1.000 DM bei Gesamtforderung von 7.000 DM); LG Detmold Rpfleger 1991, 212, 213; Stein/Jonas/Münzberg, § 900 Rn. 77. 5 LG Oldenburg Rpfleger 1982, 303 (obiter); AG Köln JMBl NRW 1965, 163 f.; BLAH/Hartmann, 70. Aufl., § 900 Rn. 17; Limberger, Rpfleger 1985, 309; PG/Olzen, 4. Aufl., § 900 Rn. 15.
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Erledigungsformen in Form von Zahlungsvereinbarungen sind in § 802b Abs. 2 ZPO zusammengefasst worden.6 Danach kann der Gerichtsvollzieher – vorausgesetzt der Gläubiger hat dies nicht ausgeschlossen – dem Schuldner eine Tilgung durch Teilleistungen gestatten, wenn dieser glaubhaft macht, dass er die festgelegten Zahlungen erbringen kann. Dadurch erreicht der Schuldner einen Vollstreckungsaufschub (§ 802b Abs. 2 S. 2 ZPO). Es findet sich also weiterhin eine gesetzliche Ausprägung des Gedankens, dass der Schuldner mit einem Entgegenkommen rechnen kann, wenn er wenigstens durch Ratenzahlungen auf eine Befriedigung des Gläubigers hinarbeitet. Hinzu kommt aber noch die Regelung in § 802f Abs. 1 S. 1–2 ZPO. Danach leitet der Gerichtsvollzieher das Vermögensauskunftsverfahren dadurch ein, dass er dem Schuldner eine zweiwöchige Frist zur Begleichung der Forderung setzt und für den Fall einer nicht vollständigen Befriedigung des Gläubigers zugleich einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft bestimmt. Darin kommt gerade zum Ausdruck, dass das Verfahren der Vermögensauskunft Druck auf den Schuldner ausüben soll. Will der Schuldner weitere Vollstreckungsmaßnahmen in Form der Abnahme der Vermögensauskunft verhindern, muss er dem Zahlungsdruck nachgeben. Es spricht deshalb auch nach heutiger Rechtslage nichts dagegen, wenn der Gläubiger Termine zur Abgabe der Vermögensauskunft entweder verlegen lässt oder ihre Aufhebung und spätere Neuterminierung begehrt, sofern der Schuldner Teilleistungen vornimmt.7 Dabei sollte auch die Höhe der einzelnen Zahlungen unmaßgeblich sein, da der Schuldner es letztlich selbst in der Hand hat, wiederholten Verlegungsanträgen des Gläubigers durch eine vollständige Tilgung oder die Abgabe der Vermögensauskunft entgegenzutreten, um sich so dem Zahlungsdruck zu entziehen.8 Dem Gläubiger kann auch nicht vorgeworfen werden, er betreibe das Verfahren nicht ernsthaft, wenn er mehrfache Terminsverlegungen oder Neuterminierungen beantragt, da er letztlich für den Fall ausbleibender Teilleistungen gerade eine Abgabe der Vermögensauskunft erstrebt.9 Nichts anderes kann gelten, wenn der Gläubiger die bedingte Rücknahme seines Antrags für den Fall erklärt, dass der Schuldner bis zu einem bestimmten Termin eine Teilzahlung erbringt.10 Auch in diesem Fall übt der Gläubiger zulässigerweise Druck auf den Schuldner aus, seine Schuld doch noch zu begleichen.
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BT/Drs. 16/10069, S. 24. Vgl. BeckOK ZPO/Utermark/Fleck, § 802f Rn. 2a; Hk-ZPO/Rathmann, § 802f Rn. 4; Schuschke/Walker/Walker, § 802f Rn. 23. 8 Vgl. Brox/Walker, ZVR, Rn. 1158i; Walker, FS Stürner, 829, 834 (bezogen auf einen Verhaftungsauftrag). 9 LG Detmold Rpfleger 1991, 212, 213; a. A. AG Köln JMBl NRW 1965, 163 f. (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 10 Vgl. MüKoZPO/Heßler, § 754 Rn. 10; Musielak/Voit, 9. Aufl., § 900 Rn. 4 (noch zum Offenbarungsverfahren). 7
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II. Erzwingungshaft Noch intensiver wird die Frage gesetzeswidrigen Verhaltens des Gläubigers im Zusammenhang mit Verhaftungsanträgen erörtert. Auf Antrag des Gläubigers erlässt das Vollstreckungsgericht einen Erzwingungshaftbefehl, wenn der Schuldner sich der Abgabe der Vermögensauskunft verweigert oder unentschuldigt dem Termin fernbleibt (§ 802g Abs. 1 S. 1 ZPO). Wurde das Verfahren wegen der gesamten titulierten Forderung betrieben und auch ein Haftbefehl über die Gesamtforderung erwirkt, so sind Gläubiger mitunter daran interessiert, den Haftbefehl als Druckmittel zur Forderungseintreibung zu nutzen. Eine Möglichkeit besteht darin, dass der Gläubiger seinen Verhaftungsauftrag auf einen Teilbetrag beschränkt und diese Vorgehensweise so lange wiederholt, bis der Schuldner die gesamte Forderung durch mehrfache Teilzahlungen erfüllt hat. Dem Gläubiger steht es vor dem Hintergrund der Dispositionsmaxime frei, nur wegen eines Teilbetrags den Verhaftungsauftrag gegenüber dem Gerichtsvollzieher zu erteilen.11 Leistet der Schuldner den Teilbetrag, wendet er dadurch die Verhaftung ab.12 Fraglich ist aber, ob der Gläubiger durch die Wiederholung des Auftrags zur Eintreibung der gesamten Forderung das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft missbraucht. Die Frage stellt sich gleichermaßen, wenn der Gläubiger den Verhaftungsauftrag nach einer Teilleistung zurücknimmt oder er ihn von vornherein unter der Bedingung stellt, dass der Gerichtsvollzieher von der Verhaftung absehen soll, falls eine Teilleistung erbracht wird. 1. Missbrauch befürwortende Ansicht In Rechtsprechung und Schrifttum halten einige Stimmen Verhaftungsaufträge des Gläubigers, die unter der Einschränkung einer ausbleibenden Teilzahlung des Schuldners erteilt werden, für unzulässig.13 Bei wiederholten Aufträgen wegen eines Teilbetrags wird dieses Ergebnis vordergründig darauf gestützt, dass der Haftbefehl über die gesamte Forderung bei einem beschränkten Verhaftungsauftrag des Gläubigers und der Teilzahlung durch den Schuldner verbraucht sei, was zur Folge habe, dass er nicht wiederholt zur Grundlage einer Verhaftung gemacht werden könne.14 Dahinter steht aber letztlich immer der Gedanke des Verbots 11 OLG Schleswig DGVZ 1976, 135, 136; LG Frankfurt DGVZ 2000, 171 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren); Hk-ZV/Sternal, § 802g Rn. 27 f.; Musielak/Voit/ Voit, § 802g Rn. 14; Schuschke/Walker/Walker, § 802g Rn. 25; Zöller/Stöber, § 802g Rn. 18. 12 Hk-ZV/Sternal, § 802g Rn. 27; Zöller/Stöber, § 802g Rn. 20. 13 OLG Koblenz DGVZ 1964, 57, 58; Behr, Rpfleger 1988, 1, 10; BLAH/Hartmann, § 802g Rn. 15; Mager, DGVZ 1964, 103 f.; MüKoZPO/Eickmann, 4. Aufl., § 909 Rn. 6; Schneider, DGVZ 1979, 49, 52; Wieser, DGVZ 1990, 177, 180 f. (überwiegend noch zum Offenbarungsverfahren). 14 LG Bonn JurBüro 1988, 926, 927; LG Bielefeld DGVZ 1988, 14; AG Rahden DGVZ 1988, 14; AG Siegen DGVZ 1988, 121; LG Lübeck DGVZ 1989, 72; AG Bre-
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treuwidriger Rechtsausübung. Die Annahme eines Verbrauchs des Haftbefehls, der gerade über die gesamte Forderung ergangen ist, liegt nämlich nicht auf der Hand.15 Argumentiert wird aber mit dem Zweck des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft. Dieses diene nicht der Forderungseintreibung auf Raten, sondern nur der Auskunftsermittlung über die Vermögensverhältnisse des Schuldners. Der Zweck des gesamten Vollstreckungsverfahrens, dem Gläubiger die Beitreibung seiner Forderung zu ermöglichen, spiele als mittelbarer Zweck keine Rolle.16 Indem der Gläubiger mit der Ersatzhaft drohe und so Druck auf den Schuldner ausübe, die titulierte Forderung zu erfüllen, betreibe er ein „unzulässiges heimliches Spiel mit der Verhaftungsangst“.17 Darin sei ein „Rückfall in die Zeiten des Schuldturms“ zu sehen.18 Dass der Haftbefehl nicht als Druckmittel zum Einsatz kommen dürfe, ergebe sich auch aus der Regelung in § 911 ZPO a. F.19, wonach gegen den Schuldner, der ohne sein Zutun auf Antrag des Gläubigers aus der Haft entlassen ist, auf Antrag desselben Gläubigers eine Erneuerung der Haft nicht stattfindet.20 2. Gegenposition Dem kann nicht zugestimmt werden. Ein Verbrauch des Haftbefehls tritt nicht ein, wenn der Verhaftungsauftrag auf einen Teilbetrag beschränkt worden ist und der Schuldner diesen zahlt.21 Der Gläubiger hat den Haftbefehl gerade über die gesamte Forderung erwirkt, wodurch er seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, ihn auch in diesem Umfang gelten lassen zu wollen.22 Auch § 186 Abs. 3 men DGVZ 1990, 159; LG Freiburg DGVZ 1992, 15; AG Wiesbaden DGVZ 1997, 141; Behr, Rpfleger 1988, 1, 10; Wieser, DGVZ 1990, 177, 181; MüKoZPO/Eickmann, 4. Aufl., § 909 Rn. 7 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 15 Vgl. Schilken, DGVZ 1989, 33, 34, der hervorhebt, dass ein Verbrauch des Haftbefehls besonderer Begründung bedürfe, da er gerade über die gesamte Forderung und nicht nur einen Teilbetrag ergangen sei (noch zum Offenbarungsverfahren). 16 Wieser, NJW 1988, 665, 671; ders., DGVZ 1990, 177, 180 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 17 Behr, Rpfleger 1988, 1, 10 (noch zum Offenbarungsverfahren). 18 Wieser, NJW 1988, 665, 671; so auch LG Kiel DGVZ 1968, 134, 136 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 19 Entspricht der heutigen Regelung in § 802j Abs. 2 ZPO. 20 MüKoZPO/Eickman, 4. Aufl., § 909 Rn. 6 (noch zum Offenbarungsverfahren). 21 So auch LG Köln JurBüro 1985, 464; LG Aurich NJW-RR 1988, 1469; LG Frankfurt DGVZ 2000, 171 f.; AG Blomberg JurBüro 1993, 32; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1158i; Gilleßen/Polzius, DGVZ 1998, 97, 111; Hk-ZV/Sternal, § 802g Rn. 27 f.; Noack, DGVZ 1981, 164, 165; Oerke, DGVZ 1992, 130, 132; Schilken, DGVZ 1989, 33, 35; Schuschke/Walker/Walker, § 802g Rn. 9, 25; Stein/Jonas/Münzberg, § 909 Rn. 24; Zöller/Stöber, § 802g Rn. 20 (teilweise noch zum Offenbarungsverfahren); im Grundsatz zustimmend, aber anders für den Fall einer systematischen Druckausübung MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 29, 44. 22 Schilken, DGVZ 1989, 33, 34 (noch zum Offenbarungsverfahren).
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S. 2 GVGA spricht gegen einen Verbrauch des Haftbefehls. Dort heißt es, dass der Gerichtsvollzieher von einer Verhaftung nicht absehen darf, wenn der Schuldner nur eine Teilleistung erbringt. Dadurch soll dem Interesse des Gläubigers an einer vollständigen Befriedigung Rechnung getragen werden. Signalisiert nun der Gläubiger durch seinen beschränkten Verhaftungsauftrag, mit einer Teilzahlung einverstanden zu sein, so würde ein Verbrauch des Haftbefehls der Intention des § 186 Abs. 3 S. 2 GVGA völlig zuwider laufen. Der Gläubiger kommt dem Schuldner vielmehr entgegen, indem er sich auf Teilzahlungen einlässt.23 Dafür sollte man den Gläubiger nicht „bestrafen“.24 Die einen Verbrauch des Haftbefehls befürwortende Ansicht bewirkt somit, dass sich der Gläubiger veranlasst sieht, wegen der gesamten Forderung Verhaftungsauftrag zu erteilen, was für den Schuldner letztlich nachteilige Konsequenzen hätte. Das Argument, der Gläubiger setze den Haftbefehl zweckwidrig als Druckmittel ein, überzeugt nicht. Das gesamte Vollstreckungsverfahren dient in erster Linie dazu, dem Gläubiger zur Befriedigung zu verhelfen. Zwar liegt der Hauptzweck des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft richtigerweise in der Beschaffung von Informationen über die Vermögensverhältnisse des Schuldners. Dennoch greift die isolierte Betrachtung zu kurz, da es dem Gläubiger im Ergebnis auf eine Realisierung seiner titulierten Forderung ankommt, was er zumindest mittelbar durch das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft erreichen will.25 Letztlich begegnet aus diesen Gründen auch ein bedingter Verhaftungsauftrag bzw. die Rücknahme des Auftrags nach einer Teilzahlung keinen Bedenken.26 Soweit die gegenteilige Ansicht mit dem Rechtsgedanken des § 802j Abs. 2 ZPO argumentiert, hinkt der Vergleich, da die Vorschrift eine erneute Verhaftung auf Antrag desselben Gläubigers nur für den Fall untersagt, dass der Schuldner ohne sein Zutun aus der Haft entlassen worden ist. Ein Zutun des Schuldners wird insbesondere angenommen, wenn der Gläubiger einen Haftentlassungsantrag gestellt hat, weil der Schuldner Teilzahlungen geleistet hat.27 Wendet nun der Schuldner die Verhaftung von vornherein durch eine Teilzahlung ab, so ist dieser Fall vielmehr damit vergleichbar, was deshalb gegen eine Argumentation mit § 802j Abs. 2 ZPO spricht.
23 LG Stade DGVZ 1988, 28, 29; LG Aurich NJW-RR 1988, 1469; LG Frankfurt DGVZ 2000, 171, 172; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1158i; Schilken, DGVZ 1989, 33, 35; Walker, FS Stürner, 829, 834 (teilweise noch zum Offenbarungsverfahren). 24 Vgl. LG Aurich NJW-RR 1988, 1469. 25 Oerke, DGVZ 1992, 130, 133 f.; Schilken, DGVZ 1989, 33, 37. 26 Findeisen, S. 239; Oerke, DGVZ 1992, 130, 135; Schilken, DGVZ 1989, 33, 36; Hk-ZV/Sternal, § 802g Rn. 28; Musielak/Voit/Voit, § 802g Rn. 14 Fn. 96; Schuschke/ Walker/Walker, § 802g Rn. 25; Stein/Jonas/Münzberg, § 909 Rn. 24; Zöller/Stöber, § 802g Rn. 20. 27 Hk-ZV/Sternal, § 802j Rn. 5; Schuschke/Walker/Walker, § 802j Rn. 6; Zöller/Stöber, § 802j Rn. 3.
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Innerhalb der befürwortenden Ansicht gibt es vereinzelte Stimmen, die eine Grenze dort ziehen wollen, wo der Gläubiger seine Verhaftungsaufträge auf geringe Teilbeträge beschränkt und in kurzen Zeitabständen wiederholt, weil dadurch der Gerichtsvollzieher als Inkassounternehmen missbraucht werde.28 Diese Einschränkung hat aber zur Folge, dass unklar bleibt, wann im Einzelfall die zeitlichen Abstände zu gering sind und in welchem Verhältnis ein Teilbetrag zur Gesamtforderung mindestens stehen muss. Unter Umständen ist der Schuldner auch nicht in der Lage, höhere Teilbeträge zu leisten. Außerdem ist die Inanspruchnahme des Gerichtsvollziehers vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass das Gewaltmonopol in staatlicher Hand liegt und die Tätigkeit der Vollstreckungsorgane durch die Erhebung entsprechender Gebühren abgedeckt wird. Die vorgeschlagene Einschränkung ist daher abzulehnen.
B. Wiederholte Anberaumung von Versteigerungsterminen als Druckmittel zur Forderungseintreibung Beantragt der Gläubiger wiederholt die Verlegung der Versteigerung einer gepfändeten Sache, nachdem der Schuldner eine Teilzahlung auf die titulierte Forderung geleistet hat, macht er vom Vollstreckungsverfahren nicht in gesetzeswidriger Weise Gebrauch.29 Die Verwertung einer Pfandsache hat die Befriedigung des Gläubigers mit seiner titulierten Zahlungsforderung zum Ziel.30 Dass der drohende Verlust der gepfändeten Sache den Schuldner zur Zahlung anhält, ist Ausdruck der Zwangswirkung des staatlichen Vollstreckungsverfahrens. Das Verfahren der Verwertung wird daher nicht als Druckmittel missbraucht, sondern in gesetzeskonformer Weise gebraucht.31 Durch die Verwertung einer gepfändeten Sache im Wege öffentlicher Versteigerung gem. § 814 ZPO soll gerade auch ein möglichst hoher Erlös erzielt werden.32 Allerdings kann der Versteigerungserlös gleichwohl hinter der Höhe der Forderung des Gläubigers zurückbleiben. Der Gläubiger ist daher daran interessiert, dass seine titulierte Forderung beglichen wird. Aber auch dem Schuldner kommt es gewöhnlich entgegen, die gepfändete Sache behalten zu dürfen und die Forderung in Raten begleichen zu können. Die 28 LG Heidelberg Justiz 1964, 40, 42; LG Köln JurBüro 1985, 464, 465 f.; Findeisen, S. 240; Kirchner, DGVZ 1964, 145, 146 f.; Oerke, DGVZ 1992, 130, 135; Schilken, DGVZ 1989, 33, 37 (überwiegend noch zum Offenbarungsverfahren). 29 AG Berlin-Charlottenburg DGVZ 1978, 77, 78. 30 Brox/Walker, ZVR, Rn. 394. 31 A. A. aber Mager, DGVZ 1964, 103, 104 f.; Wieser, DGVZ 1990, 177, 184. Furtner, DGVZ 1968, 65, 67 f., will entsprechende Anträge erst dann als rechtsmissbräuchlich zurückweisen, wenn anhand der Anzahl der Wiederholungsanträge und der seit der Pfändung vergangenen Zeit erkennbar sei, dass es dem Gläubiger nur um Druckausübung gehe, damit der Schuldner die Zahlungsforderung vollständig erfülle. 32 MüKoZPO/Gruber, § 814 Rn. 2; Hk-ZV/Kindl, § 814 Rn. 1; Zöller/Stöber, § 814 Rn. 1.
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Vorgehensweise des Gläubigers ist also auch im Interesse des Schuldners, da sie eine zwangsweise Verwertung des Pfandobjekts vermeidet.33 Zwar sieht § 92 Abs. 3 S. 4 GVGA vor, dass die Versteigerung in der Regel nicht später als einen Monat nach der Pfändung stattfinden soll. Die Regelung hält ein Hinausschieben in begründeten Fällen aber für möglich. Lässt sich durch ein Hinauszögern der Versteigerung die Verwertung insgesamt verhindern, so handelt es sich um einen begründeten Fall.
C. Einsatz eines Herausgabetitels zur Beitreibung einer auf Zahlung gerichteten Forderung Ein mit den soeben dargestellten Konstellationen vergleichbares Problem stellt der Einsatz eines Herausgabetitels als Druckmittel zur Realisierung einer Zahlungsforderung dar. In diesen Fällen beauftragt der Gläubiger, der einen titulierten Herausgabeanspruch gegen den Schuldner hat, den Gerichtsvollzieher mit der Wegnahme der herauszugebenden Sachen, um so den Schuldner zur Leistung von Ratenzahlungen auf eine Zahlungsforderung zu bewegen. Der Auftrag wird vom Gläubiger nach einer erfolgten Teilzahlung zurückgenommen und bei ausbleibenden weiteren Teilzahlungen wiederholt. In erster Linie lässt sich ein solches Vorgehen bei Räumungstiteln34 oder im Zusammenhang mit Teilzahlungsgeschäften (§ 507 BGB)35 beobachten. Den Räumungstitel wird der Gläubiger zumeist nach einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs des Mieters (§§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB) erwirkt haben. Der Titel dient dann dazu, die noch offenen Mietforderungen einzutreiben. Bei Teilzahlungsgeschäften hat sich der Gläubiger gem. §§ 508 S. 1, 498 Abs. 1 S. 1 BGB wegen Zahlungsverzugs des Schuldners in der Regel durch Rücktritt vom Vertrag gelöst und sodann einen Herausgabetitel bezüglich der gelieferten Sachen erwirkt. Zwar ist durch den Rücktritt vom Vertrag auch der Zahlungsanspruch des Gläubigers erloschen, gleichwohl sind aber beide Parteien immer noch am wirtschaftlichen Erfolg des Geschäfts interessiert.36 Der Schuldner möchte die erhaltene Ware gerne behalten und der Gläubiger bevorzugt den Erhalt des Kaufpreises, da er mit der gebrauchten Ware häufig nur noch wenig anfangen kann. Das veranlasst den Gläubiger zum Versuch, den Schuldner mittels des Herausgabetitels weiterhin zu Ratenzahlungen anzuhalten. Die Frage nach der Zulässigkeit dieses Vorgehens bedarf einer differenzierten Betrachtung. 33 34
AG Berlin-Charlottenburg, DGVZ 1978, 77, 78. Vgl. z. B. AG Hannover DGVZ 1968, 60; AG Tempelhof-Kreuzberg DGVZ 1968,
58. 35
Vgl. z. B. OLG Köln DGVZ 1965, 55; LG Hannover DGVZ 1959, 121. Zum unter wirtschaftlichen Aspekten nachvollziehbaren Verhalten des Gläubigers LG Essen NJW 1968, 407, 408; Noack, DGVZ 1960, 81, 82, 84; Oerke, S. 181; Schneider, MDR 1964, 929. 36
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I. Nicht titulierte Zahlungsforderung 1. Grundsatz Betreibt der Gläubiger die Herausgabevollstreckung als Druckmittel, um eine nicht titulierte Geldforderung beizutreiben, geht die ganz überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum von rechtsmissbräuchlichem Verhalten aus.37 Das Vorgehen widerspreche dem Zweck des Verfahrens der §§ 883 ff. ZPO, das auf das Erwirken der Herausgabe von Sachen gerichtet sei.38 Der „Typenzwang der Vollstreckungsarten“ 39 dürfe nicht umgangen werden.40 Da der Gläubiger den Zahlungsanspruch nicht im Wege der Herausgabevollstreckung zu realisieren versucht, sondern die Herausgabevollstreckung nur als Druckmittel dienen soll, liegt kein Verstoß gegen den Typenzwang vor. Die Vorgehensweise widerspricht aber dem Zweck des Verfahrens, das gerade auf die Befriedigung wegen des Herausgabeanspruchs gerichtet ist. Hinzu kommt, dass die Rolle des Gerichtsvollziehers, der dem Schuldner in amtlicher Eigenschaft gegenübertritt, der Durchsetzung nicht titulierter Forderungen entgegensteht.41 Das Vollstreckungsverfahren ist wegen seiner Eingriffsqualität stark formalisiert,42 so dass die Vollstreckungsorgane in hoheitlicher Funktion nur wegen eines titulierten Anspruchs tätig werden dürfen. Es besteht auch ein Unterschied zum Einsatz des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft als Druckmittel. Dort wird vom Gläubiger zwar gleichermaßen die Befriedigung einer Zahlungsforderung angestrebt, er ist allerdings auch im Besitz eines entsprechenden Zahlungstitels und bedient sich keines anderen Vollstreckungsverfahrens als Druckmittel, sondern nur des „Hilfsverfahrens“ der §§ 802c ff. ZPO.43 Der herrschenden Meinung ist daher zuzustimmen, wenn sie den Einsatz eines Herausgabetitels als Druckmittel zur
37 OLG Köln DGVZ 1965, 55 f.; AG Köln DGVZ 1965, 58; AG Essen DGVZ 1967, 12; LG Hildesheim DGVZ 1967, 108; AG Tempelhof-Kreuzberg DGVZ 1968, 58 f.; AG Hannover DGVZ 1968, 60; LG Würzburg DGVZ 1970, 26, 27 f.; LG Hannover MDR 1979, 495; Findeisen, S. 237 f.; Maser, DGVZ 1960, 84, 85; MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 43; Mümmler, DGVZ 1970, 28 f.; Noack, DGVZ 1959, 81; ders., DGVZ 1960, 81, 84; ders., DGVZ 1966, 69; Oerke, S. 190; Pawlowski, ZZP 90 (1977), 345, 358; Schneider, MDR 1964, 929, 930; Stein/Jonas/Brehm, § 883 Rn. 13; Wieser, NJW 1988, 665, 670; ders., DGVZ 1990, 177, 178 f., 183; im Grundsatz auch, aber mit Einschränkungen Schuschke/Walker/Walker, § 753 Rn. 6; Walker, FS Stürner, 829, 834; a. A. LG Hannover DGVZ 1959, 121. 38 Noack, DGVZ 1960, 81, 82; ders., DGVZ 1966, 69; Oerke, S. 188; Schneider, MDR 1964, 929, 930; Wieser, NJW 1988, 665, 670; ders., DGVZ 1990, 177, 178, 183. 39 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 9 Rn. 2. 40 Oerke, S. 188, 190; Weyland, S. 161 f. 41 Maser DGVZ 1960, 84, 85; Schneider, MDR 1964, 929, 930; stärker auf die Neutralitätspflicht des Gerichtsvollziehers abstellend Noack, DGVZ 1960, 81, 83; Pawlowski, ZZP 90 (1977), 345, 358. 42 Siehe dazu näher bereits § 5 A. 43 Vgl. Noack, DGVZ 1960, 81, 84.
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Eintreibung eines nicht titulierten Zahlungsanspruchs für rechtsmissbräuchlich hält. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Gläubiger materiell-rechtlich einen Zahlungsanspruch gegen den Schuldner hat. Deshalb kann auch der Ansicht des LG Essen nicht gefolgt werden, das Missbrauch nur dann annehmen will, wenn der Gläubiger mit dem Herausgabetitel eine nicht titulierte Zahlungsforderung einzutreiben versucht, auf die er materiell-rechtlich auch keinen Anspruch hat, weil die Forderung entweder gar nicht entstanden oder aber erloschen ist.44 Das Gericht missachtet insoweit, dass der Gerichtsvollzieher nicht zur materiell-rechtlichen Anspruchsprüfung befugt ist, sondern sich nur am vorliegenden Vollstreckungstitel zu orientieren hat.45 Der Gerichtsvollzieher würde die materiell-rechtliche Lage also selbst dann nicht prüfen, wenn der Zahlungsanspruch tituliert wäre. Der zu Unrecht in Anspruch genommene Schuldner müsste sich dagegen mit der Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO zur Wehr setzen. Die Frage der materiellen Berechtigung des Gläubigers hinsichtlich des Zahlungsanspruchs ist als Abgrenzungskriterium daher untauglich. 2. Verknüpfung von Herausgabeanspruch und Zahlungsforderung durch Parteivereinbarung Zu Recht anders beurteilt hat das OLG Hamm allerdings die Situation, in der die Parteien einverständlich den titulierten Herausgabeanspruch mit einer Zahlungsforderung dadurch verbunden hatten, dass der Gläubiger mit Zustimmung des Schuldners erklärt hatte, von einer Vollstreckung abzusehen, solange der Schuldner die versprochenen Ratenzahlungen leistete.46 Die Parteien haben durch ihre Übereinkunft eine Vollstreckungsvereinbarung getroffen.47 Vollstreckungsvereinbarungen sind jedenfalls als vollstreckungsbeschränkende Verträge grundsätzlich zulässig, da der Gläubiger als Ausdruck seiner Dispositionsfreiheit die eigene Rechtsposition durch Vereinbarungen beschränken kann, und dem Schuldner daraus auch keine Nachteile erwachsen.48 Verzichtet der Gläubiger auf die Vollstreckung des Herausgabetitels, solange der Schuldner vereinbarungsgemäß seine Ratenzahlungen leistet, so liegt im wiederholten Antrag des Gläubigers, die Herausgabevollstreckung durchzuführen, und der anschließenden Rücknahme kein zweckwidriges Vorgehen, da der Schuldner an der Entstehung der Drucksituation selbst mitgewirkt und sich ihr bereitwillig unterworfen hat. 44
LG Essen NJW 1968, 407, 408. Oerke, S. 191; Wieser, NJW 1988, 665, 670; siehe allgemein dazu schon § 5. 46 OLG Hamm DGVZ 1985, 58; zustimmend Walker, FS Stürner, 829, 834; Baur/ Stürner/Bruns, Rn. 6.56. 47 Walker, FS Stürner, 829, 834. 48 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 33 Rn. 35, 38; Brox/Walker, ZVR, Rn. 201; MüKoZPO/Rauscher, Einleitung Rn. 445. 45
§ 8 Einsatz der Zwangsvollstreckung als unzulässiges Druckmittel
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Die Entscheidung des OLG Hamm wird teilweise dennoch abgelehnt, da der Typenzwang im Vollstreckungsrecht nicht zur Disposition der Parteien stehe.49 Richtig ist, dass über die Vollstreckungsarten nicht beliebig disponiert werden kann, weshalb die Parteien beispielsweise nicht vereinbaren können, dass eine vertretbare Handlung durch die Festsetzung eines Zwangsgelds erzwungen werden kann.50 Die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung geschieht im Wege der Ersatzvornahme (§ 887 Abs. 1 ZPO), wohingegen die Verhängung eines Zwangsgelds der Vollstreckung nicht vertretbarer Handlungen vorbehalten ist (§ 888 Abs. 1 S. 1 ZPO). Bei genauer Betrachtung disponieren die Parteien bei der Verknüpfung des Herausgabeanspruchs mit dem Zahlungsanspruch aber nicht über die Vollstreckungsart. Der Gläubiger hat mit dem Schuldner nicht vereinbart, dass die Zahlungsforderung im Wege der Herausgabevollstreckung beigetrieben werden soll. Der durch die wiederholte Ansetzung von Wegnahmeterminen mittelbar ausgeübte Zahlungsdruck auf den Schuldner kann letztlich also nicht mit einer Disposition der Parteien über die Vollstreckungsart gleichgesetzt werden. Wenn man den Vorwurf erhebt, der Gläubiger betreibe die Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe nicht ernstlich,51 so bleibt unberücksichtigt, dass der Gläubiger die Vollstreckung nur für den Fall ernstlich betreiben wird und laut Vollstreckungsvereinbarung sogar nur betreiben kann, dass der Schuldner seiner Ratenzahlungspflicht nicht nachgekommen ist. Ist der Schuldner aber auch trotz bevorstehender Wegnahme nicht mehr bereit oder in der Lage, weitere Raten zu zahlen, so ist der Gläubiger ganz gewiss an einer erfolgreichen Herausgabevollstreckung interessiert, um zumindest die gelieferten Sachen zurückzuerhalten. II. Titulierte Zahlungsforderung Befindet sich im Besitz des Gläubigers auch ein Zahlungstitel, kann nicht mehr generell von rechtsmissbräuchlichem Verhalten ausgegangen werden.52 Der Gerichtsvollzieher wird dann nämlich nicht mehr hoheitlich zur Befriedigung eines nicht titulierten Anspruchs tätig. Zwar verfolgt der Gläubiger mit der Herausgabevollstreckung immer noch nicht den eigentlichen Zweck des Verfahrens, wenn es ihm um eine Realisierung seiner Zahlungsforderung geht. Das sollte aber unschädlich sein, wenn es eine Berechtigung für die Verknüpfung von Herausgabe- und Zahlungsanspruch gibt, weil ein innerer Zusammenhang zwischen 49 Maser, DGVZ 1960, 84, 85; Oerke, S. 190; Wieser, DGVZ 1990, 177, 179; Weyland, S. 162. 50 OLG Hamm MDR 1968, 333; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 10.7; Brox/Walker, ZVR, Rn. 201. 51 Wieser, DGVZ 1990, 177, 178 f. 52 Pawlowski, ZZP 90 (1977), 345, 358; Walker, FS Stürner, 829, 834; a. A. Oerke, S. 190 ff.; Wieser, NJW 1988, 665, 670.
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beiden besteht.53 Dafür kann es nicht ausreichen, dass der Gläubiger Inhaber beider Ansprüche ist und der Schuldner der jeweils Verpflichtete. Zu weit geht auch noch das Kriterium der Konnexität, wie es § 273 BGB, § 33 und § 147 ZPO zugrunde liegt. Zwei Ansprüche sind in diesem Sinne konnex, wenn sie einem innerlich zusammengehörigen einheitlichen Lebensverhältnis entstammen.54 Dazu müssen die Ansprüche lediglich in einem natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.55 Für den hier zur Voraussetzung gemachten inneren Zusammenhang ist vielmehr zu fordern, dass die Ansprüche auf demselben Rechtsverhältnis beruhen. Dann kann ihre Verknüpfung nicht als zweckwidrig angesehen werden. Danach könnte der Gläubiger also beispielsweise mit einem Räumungstitel Druck auf den Schuldner ausüben, damit dieser die ebenfalls titulierte restliche Mietforderung begleicht. III. Reaktion des Gerichtsvollziehers auf missbräuchliche Anträge Missbraucht der Gläubiger den Herausgabetitel zur Zahlungseintreibung, hat der Gerichtsvollzieher den Vollstreckungsantrag abzulehnen.56 Das gilt bereits für den ersten rechtsmissbräuchlichen Antrag.57 Die gegenteilige Auffassung, wonach erst bei häufigen und kurzfristigen Terminsverlegungsanträgen Rechtsmissbrauch vorliege,58 überzeugt nicht. Bewertet man das Verhalten des Gläubigers als gesetzeswidrig, so kann es nicht auf die Zahl der Verlegungsanträge ankommen. Außerdem wäre die Bestimmung der maßgeblichen Anzahl noch erlaubter Wiederholungsanträge willkürlich. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, wie der Gerichtsvollzieher zur Überzeugung gelangt, dass Rechtsmissbrauch durch den Gläubiger vorliegt. Der Gläubiger wird in den meisten Fällen bei seinem Wegnahmeantrag gerade nicht mitteilen, dass es ihm in Wahrheit um die Eintreibung eines nicht titulierten oder mit dem Herausgabeanspruch nicht in Zusammenhang stehenden Zahlungsanspruchs geht. Daher kann in diesen Fällen in der wiederholten kurzfristigen Rücknahme von Wegnahmeanträgen nach Teilzahlungen und der anschließenden Wiederholung ein starkes Indiz für Rechts-
53
Vgl. MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 43. BGH NJW 1985, 189, 190; 1991, 2645, 2646; 2004, 3484, 3485; MüKoBGB/Krüger, § 273 Rn. 13; NK-BGB/Schmidt-Kessel, § 273 Rn. 16; Hk-ZPO/Bendtsen, § 33 Rn. 3; Musielak/Voit/Heinrich, § 33 Rn. 2; MüKoZPO/Patzina, § 33 Rn. 20 f. 55 BGH NJW 1991, 2645, 2646; 2004, 3484, 3485. 56 AG Köln DGVZ 1965, 58 f.; AG Essen DGVZ 1967, 12; LG Hildesheim DGVZ 1967, 108, 109; AG Tempelhof-Kreuzberg DGVZ 1968, 58, 59; AG Hannover DGVZ 1968, 60, 61; Stein/Jonas/Brehm, § 883 Rn. 13; Walker, FS Stürner, 829, 834; Wieser, NJW 1988, 665, 670. 57 Oerke, S. 196; Wieser, NJW 1988, 665, 670. 58 OLG Köln MDR 1964, 929; LG Hannover MDR 1979, 495. 54
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missbrauch gesehen werden, wobei sich keine starren Vorgaben machen lassen, wie oft die Anträge zurückgenommen worden sein müssen.59 Von einigen Vertretern aus Rechtsprechung und Schrifttum wird verlangt, dass der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger androht, dass er bei der nächsten Antragsrücknahme einen weiteren Wegnahmeantrag nicht mehr ausführen werde, damit der Gläubiger sich auf die Situation einstellen könne.60 Diese Auffassung überzeugt nicht, da der rechtsmissbräuchlich handelnde Gläubiger keiner Warnung bedarf, bevor sein Verhalten durch die Ablehnung des Vollstreckungsantrags sanktioniert wird. Will der Gerichtsvollzieher einen Antrag des Gläubigers ablehnen, so muss er ihm dies lediglich mitteilen.61 Beim Gläubiger kann sich kein schützenswertes Vertrauen gebildet haben, der Gerichtsvollzieher werde weiterhin seinen Anträgen nachkommen, wenn der Gläubiger von seinen Verfahrensrechten in gesetzeswidriger Weise Gebrauch macht. Die gegenteilige Ansicht stützt sich darauf, dass der Gläubiger aus dem Herausgabetitel nicht mehr weiter vollstrecken könne, wenn der Gerichtsvollzieher einen Antrag wegen Rechtsmissbrauchs abgelehnt habe.62 Die massive Sanktion in Form des Titelwegfalls rechtfertige sich aus dem Umstand, dass der Gläubiger andernfalls letztlich doch immer wieder seinen Antrag zurücknehmen könne.63 Zwar ist nachvollziehbar, dem Gläubiger aufgrund dieser einschneidenden Sanktion eine vorherige Warnung zukommen zu lassen, doch muss bereits die Annahme des Titelwegfalls abgelehnt werden. Geht der Schuldner im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO gegen die Vollstreckung aus einem Titel vor, so spricht das Gericht nur die zeitweise Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus, sollte lediglich eine vorübergehende Einwendung gegen den titulierten Anspruch bestehen.64 Der Gläubiger kann daher aus dem Titel zu einem späteren Zeitpunkt nach Wegfall der Einwendung gegen den Schuldner vorgehen. Verhält sich der Gläubiger bei der Vollstreckung aus einem Herausgabetitel rechtsmissbräuchlich, so handelt es sich auch nicht notwendigerweise um einen dauerhaften Zustand. Die Rechtsfolge des Titelwegfalls würde also weit über das Ziel hinausschießen. Der Gerichtsvollzieher muss also dem Antrag des Gläubigers wieder nachkommen, 59 AG Hannover DGVZ 1968, 60, 61; Mümmler DGVZ 1970, 28, 29; Oerke, S. 196; Wieser, NJW 1988, 665, 670. 60 OLG Köln MDR 1964, 929; LG Essen NJW 1968, 407, 408 f.; Oerke, S. 197; Schneider, MDR 1964, 929, 930; Stein/Jonas/Brehm, § 883 Rn. 14; Wieser, NJW 1988, 665, 670; ders., DGVZ 1990, 177, 179; Weyland, S. 162. Hingegen verneint das AG Essen (DGVZ 1967, 12) das Erfordernis einer Androhung jedenfalls vor der Ablehnung des elften Wegnahmeantrags. 61 Musielak/Voit/Lackmann, § 753 Rn. 13; MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 48. 62 OLG Köln MDR 1964, 929; AG Essen DGVZ 1967, 12; Oerke, S. 196 f.; Weyland, S. 162. 63 Oerke, S. 197. 64 Brox/Walker, ZVR, Rn. 1369; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 40 Rn. 135; HkZV/Schneiders, § 767 Rn. 60; Musielak/Voit/Lackmann, § 767 Rn. 44.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
wenn dieser nicht mehr als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.65 Um dennoch eine erneute Rücknahme des Wegnahmeantrags zu verhindern, die wiederum nur darauf beruht, dass der Schuldner eine Teilzahlung erbracht hat, ist die Rücknahme wegen Rechtsmissbrauchs als unbeachtlich anzusehen und die Vollstreckung des Herausgabeanspruchs durchzuführen. Gegen die unberechtigte Zurückweisung eines Antrags kann sich der Gläubiger mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) zur Wehr setzen. IV. Behandlung beschränkter Vollstreckungsanträge auf Herausgabe Stellt der Gläubiger einen bedingten Vollstreckungsantrag, indem er seinen Wegnahmeantrag unmittelbar mit der Einschränkung versieht, dass die Vollstreckung zu unterbleiben habe, wenn der Schuldner zumindest einen Teilbetrag auf die Zahlungsforderung leiste, so liegt gesetzeswidriges Verhalten ebenfalls dann vor, wenn es an einem Zahlungstitel fehlt oder der titulierte Zahlungsanspruch nicht den erforderlichen Zusammenhang mit dem Herausgabeanspruch aufweist.66 Der Unterschied eines beschränkten Antrags zur wiederholten Rücknahme eines unbeschränkten Antrags besteht darin, dass der Gerichtsvollzieher unmittelbar erkennen kann, dass der Gläubiger mit Hilfe der drohenden Wegnahme Zahlungsdruck auf den Schuldner ausüben will. Liegt ein Fall missbräuchlicher Rechtsausübung vor, hat der Gerichtsvollzieher den Antrag abzulehnen. Zum Teil wird insoweit zwar vertreten, der Gerichtsvollzieher handele bei der Entgegennahme von Zahlungen des Schuldners auf eine nicht titulierte Forderung privatrechtlich, so dass er frei darüber befinden könne, ob er einen beschränkten Antrag des Gläubigers ausführe oder ablehne.67 Diese Auffassung begegnet aber zu Recht Bedenken, wenn man berücksichtigt, dass aus Sicht des Schuldners gerade das Auftreten des Gerichtsvollziehers als staatliches Vollstreckungsorgan maßgeblich die Druckausübung unterstützt.68
D. Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens als Druckmittel zur Forderungseintreibung Entscheidet sich der Gläubiger für eine Vollstreckung in Grundvermögen des Schuldners, so erhofft er sich regelmäßig eine Befriedigung seiner Forderung 65
LG Hildesheim DGVZ 1967, 108, 110; AG Hannover DGVZ 1968, 60, 62. Für den Fall eines fehlenden Zahlungstitels so auch LG Hildesheim DGVZ 1967, 108, 109; LG Würzburg DGVZ 1970, 26, 27; einen beschränkten Antrag aber generell ablehnend Mümmler, DGVZ 1970, 28; Wieser, NJW 1988, 665, 670. 67 LG Hildesheim DGVZ 1967, 108, 109; LG Würzburg DGVZ 1970, 26, 28; Noack, DGVZ 1960, 81, 83 f. 68 Oerke, S. 198; Wieser, NJW 1988, 665, 670. 66
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durch den Versteigerungserlös aus der Zwangsversteigerung. Es kann aber vorkommen, dass schon vor dem Versteigerungstermin nahezu sicher feststeht, dass die Versteigerung nicht zu einer Befriedigung des betreibenden Gläubigers führen wird, weil das Grundstück zum Beispiel einen nur so geringen Wert hat, dass schon eine Befriedigung der im Rang vorgehenden weiteren Gläubiger nahezu aussichtslos ist.69 Die Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens ist dann nicht bereits wegen Zwecklosigkeit unzulässig.70 Der Gläubiger kann in diesen Fällen vielmehr gerade am Betreiben des Verfahrens interessiert sein, damit der auf den Schuldner einwirkende Druck, sein Grundvermögen zu verlieren, diesen möglicherweise doch noch zur freiwilligen Leistung bewegt. Darin wird allerdings nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht ein zweckwidriger Gebrauch des Zwangsversteigerungsverfahrens gesehen, da dieses einer Befriedigung aus der durchgeführten Versteigerung diene und nicht als Druckmittel zur Erreichung freiwilliger Leistungen gedacht sei.71 Dem muss widersprochen werden. Entscheidend ist, dass die gesamte Vollstreckung der Befriedigung des Gläubigers dient, so auch das Zwangsversteigerungsverfahren. Es spielt keine Rolle, ob es dazu erst durch den Erlös aus der Versteigerung kommt oder bereits vorher durch eine freiwillige Leistung des Schuldners. Deshalb ist der Einsatz des Zwangsversteigerungsverfahrens als Druckmittel zur Erreichung freiwilliger Leistungen nicht zu beanstanden.72 Die Ausübung von Zahlungsdruck ist letztlich Wesen des gesamten Vollstreckungsrechts.73 Hinzu kommt, dass die Konsequenzen für den Schuldner sogar weniger einschneidend sind, da es nicht zu einem Verlust des Grundvermögens kommt, wenn er freiwillig leistet.
E. Zahlungsdruck durch wiederholte Einstellungsbewilligungen in mehreren Einzelzwangsversteigerungsverfahren Der Gläubiger hat die Möglichkeit, während eines laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens die einstweilige Einstellung zu bewilligen (§ 30 Abs. 1 S. 1 ZVG). Von diesem Recht kann er ein zweites Mal Gebrauch machen, danach gilt eine weitere Einstellungsbewilligung gem. § 30 Abs. 1 S. 3 ZVG als Rücknahme des Versteigerungsantrags mit der Folge der Verfahrensaufhebung nach § 29 ZVG. Die Gerichte beschäftigen immer wieder Fälle, in denen Gläubiger ihre Forderung in Haupt- und Nebenforderungen oder auch in Teilforderungen auf69
Zu einem solchen Fall beispielsweise LG Oldenburg Rpfleger 1982, 303. Siehe dazu schon § 7 F. 71 Wieser, Rpfleger 1985, 96, 97. 72 BGH NZM 2004, 347, 349; LG Oldenburg Rpfleger 1982, 303. Davon zu trennen ist die Frage nach der Ersatzfähigkeit der Kosten der Zwangsvollstreckung. War eine Befriedigung des betreibenden Gläubigers von vornherein aussichtslos, so waren die Kosten nicht notwendig i. S. d. § 788 Abs. 1 ZPO (BGH NJW-RR 2015, 59). 73 Schiffhauer, Rpfleger 1983, 236, 238. 70
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spalten und dann in mehreren Einzelverfahren die Versteigerung betreiben. In den Einzelverfahren wird dann jeweils die Höchstzahl möglicher Einstellungsbewilligungen ausgereizt, so dass der Gläubiger insgesamt betrachtet mehr als drei Einstellungsbewilligungen ohne die Folge der Rücknahmefiktion vornehmen kann.74 Dadurch soll ein stetiger Zahlungsdruck auf den Schuldner ausgeübt werden. Zu klären ist, ob der Gläubiger sich dadurch missbräuchlich verhält. Ausgangspunkt ist, dass grundsätzlich jedes einzelne Verfahren, das der Gläubiger betreibt, selbstständig zu betrachten ist, und die Rücknahmefiktion nach § 30 Abs. 1 S. 3 ZVG auch erst eingreift, wenn im konkreten Einzelverfahren die dritte Einstellung bewilligt wird.75 In Betracht kommt aber, gestützt auf § 242 BGB von diesem Grundsatz abzuweichen und eine Rücknahme des Versteigerungsantrags schon vorher zu fingieren, wenn mit der Verfahrensaufspaltung ein gesetzeswidriger Zweck verfolgt wird. Die Regelung in § 30 Abs. 1 ZVG verfolgt einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der am Verfahren Beteiligten.76 Einerseits kann der betreibende Gläubiger über den Fortgang des Verfahrens disponieren, andererseits ist die Anzahl möglicher verfahrenseinstellender Bewilligungen aber auch limitiert, damit die Ansprüche der anderen am Grundstück Berechtigten auf fortlaufende Leistungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2–4, 13 ZVG) nicht stetig anwachsen.77 Darüber hinaus wird durch die Regelung in § 30 Abs. 1 ZVG auch der Schuldner geschützt. Eine Einstellung ist für ihn zwar regelmäßig vorteilhaft, weil er nochmals die Möglichkeit bekommt, die Zwangsversteigerung abzuwenden.78 Da der Gläubiger die Einstellung aber auch noch nach dem Schluss der Versteigerung bewilligen kann (vgl. § 33 ZVG), besteht für den Schuldner die Gefahr, dass bei einem hohen Meistgebot eine günstige Verwertung des Grundstücks verhindert wird. Die Begrenzung der Einstellungsbefugnis in § 30 Abs. 1 ZVG hat also einen sachlichen Grund und spiegelt eine gesetzgeberische Interessenbewertung wider, die nicht konterkariert werden darf. Erweitert der betreibende Gläubiger also durch eine künstliche Verfahrensaufspaltung sein Recht zur Einstellung des Verfahrens, um sich ein dauerhaftes Druckmittel zur Zahlungseintreibung zu verschaffen, ohne mit dem Verfahren ernsthaft die Versteigerung des Grundstücks zu verfolgen, so liegt darin ein Missbrauch.79 Insoweit besteht gerade auch ein Unterschied zu den Fallgestaltungen, 74
Vgl. beispielhaft den Sachverhalt bei LG Bonn Rpfleger 2001, 365. BGH, Beschl. v. 26.1.2012 – V ZB 220/11, BeckRS 2012, 05310 Rz. 8; OLG Düsseldorf Rpfleger 1991, 28, 29; LG Erfurt Rpfleger 2005, 375; Dassler/Schiffhauer/ Hintzen, § 30 Rn. 22; Stöber, § 30 Rn. 3.2, 5.4. 76 LG Bonn Rpfleger 2001, 365, 366; LG Erfurt Rpfleger 2005, 375. 77 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 30 Rn. 1; Hk-ZV/Noethen, § 30 ZVG Rn. 1; Stöber, § 30 Rn. 1.1. 78 OLG Schleswig KTS 1973, 272, 273 mit zust. Anm. Mohrbutter; Drischler, KTS 1975, 283, 284 f.; Stöber, § 30 Rn. 2.15. 79 BGH, Beschl. v. 26.1.2012 – V ZB 220/11, BeckRS 2012, 05310 Rz. 11; OLG Düsseldorf Rpfleger 1991, 28, 29 mit zust. Anm. Hintzen, Rpfleger 1991, 69, 70; LG 75
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in denen das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft80 oder wiederholte Versteigerungsanträge81 als Druckmittel eingesetzt werden, was nach hier vertretener Ansicht jeweils für zulässig gehalten wird. Dort sieht das Gesetz nämlich keine zahlenmäßige Beschränkung vor, die der Druckausübung durch den Gläubiger Grenzen setzen würde. Der Gläubiger kann auch nicht dadurch § 30 Abs. 1 S. 3 ZVG umgehen, dass er ein Verfahren wegen der Gesamtforderung betreibt und das Verfahren bezüglich eines Teils der Forderung abtrennt, indem er zum Beispiel den Versteigerungsantrag wegen der Zinsforderung zurücknimmt und anschließend diesbezüglich ein neues selbstständiges Verfahren in Gang setzt, um wiederum von § 30 Abs. 1 ZVG Gebrauch machen zu können.82 Das gilt gleichermaßen für den Fall, dass der Gläubiger nach zwei Einstellungsbewilligungen den Versteigerungsantrag zurücknimmt, dem Verfahren sodann aber wieder beitritt, weil ein anderer Gläubiger es zwischenzeitlich weitergeführt hatte.83 Anders zu beurteilen sind aber Fälle, in denen der Gläubiger zunächst ein Verfahren wegen der Hauptforderung einleitet und anschließend weitere wegen erst später fällig werdender Zinsforderungen. Dann verfolgt der Gläubiger mit der Verfahrensaufspaltung nämlich keinen gesetzeswidrigen Zweck, da die Vollstreckung wegen der Zinsforderungen nämlich deren Fälligkeit voraussetzt (vgl. § 751 Abs. 1 ZPO).84
F. Zusammenfassende Betrachtung Übt der Gläubiger in zweckwidriger Weise Druck auf den Schuldner aus, so ist sein Verhalten missbräuchlich. Es fehlt dann an einem Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der beantragten Vollstreckungsmaßnahme. Davon ist aber nur ausnahmsweise auszugehen, da dem Vollstreckungsverfahren als solchem immanent ist, Druck auf den Schuldner auszuüben, damit es zu einer Befriedigung des Gläubigers kommt. Es darf auch nicht vorschnell von einem Missbrauch durch den Gläubiger ausgegangen werden, wenn es in Wahrheit am Schuldner liegt, durch eine einfache Mitwirkung am Verfahren oder die Erfüllung des titulierten Anspruchs die Vollstreckungsmaßnahmen abzuwenden. Betreibt der Gläubiger Lüneburg Rpfleger 1987, 469; LG Bonn Rpfleger 1990, 433, 434; 2001, 365, 366; LG Dessau Rpfleger 2004, 724, 725 mit zust. Anm. Witthinrich; LG Erfurt Rpfleger 2005, 375; Böttcher, § 30 Rn. 17; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 30 Rn. 26; Hk-ZV/Noethen, § 30 ZVG Rn. 24; wohl auch Stöber, § 30 Rn. 3.2, 5.4. 80 Siehe dazu bereits § 8 A. 81 Siehe dazu bereits § 8 B. 82 LG Lüneburg Rpfleger 1987, 469; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 30 Rn. 24. 83 LG Bonn Rpfleger 1990, 433, 434; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 30 Rn. 24. 84 BGH, Beschl. v. 26.1.2012 – V ZB 220/11, BeckRS 2012, 05310 Rz. 12, 17; OLG Düsseldorf Rpfleger 1991, 28, 29; LG Dessau Rpfleger 2004, 724, 725; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 30 Rn. 25; Stöber, § 30 Rn. 3.2.
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daher das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft, um den Schuldner unter Druck zu setzen, die titulierte Forderung freiwillig zu erfüllen, so ist darin kein zweckwidriger Gebrauch eines Verfahrensrechts zu sehen. Das Vermögensauskunftsverfahren dient nämlich letztlich auch nur dazu, dem Gläubiger zur Befriedigung seines Anspruchs zu verhelfen. Aus denselben Gründen ist die Drohung mit der Vollstreckung eines Erzwingungshaftbefehls zur Forderungseintreibung nicht missbräuchlich. Hinzu kommt, dass der Schuldner sich dem Druck einfach dadurch entziehen kann, dass er die Vermögensauskunft abgibt. Der Gläubiger betreibt auch das Verfahren der Zwangsversteigerung nicht missbräuchlich, wenn keine Aussicht auf Befriedigung besteht, der Schuldner aber durch die drohende Verwertung des Grundstücks zu freiwilligen Zahlungen angehalten werden soll. Zahlungsdruck auf den Schuldner auszuüben, ist ein legitimer Zweck. Differenzierter fällt die Bewertung aus, wenn der Gläubiger einen Herausgabetitel dazu benutzt, den Schuldner zur Begleichung einer Zahlungsforderung zu drängen. Fehlt es an einem Zahlungstitel, so ist die Druckausübung grundsätzlich zweckwidrig, da der Gerichtsvollzieher als hoheitlich handelndes Vollstreckungsorgan nur wegen titulierter Ansprüche tätig werden darf. Zu einem anderen Ergebnis muss man aber kommen, wenn die Parteien die beiden Ansprüche durch eine Vollstreckungsvereinbarung miteinander verknüpft haben. Liegt ein Zahlungstitel vor, so ist die Druckausübung mit der Herausgabevollstreckung nur unzulässig, wenn die Ansprüche nicht auf demselben Rechtsverhältnis beruhen. Probleme erwachsen aus der unzureichenden Erkennbarkeit eines missbräuchlichen Vollstreckungsverlangens, da der Gläubiger in der Regel nicht offenlegen wird, dass er in Wahrheit die Erfüllung eines Zahlungsanspruchs verfolgt. Ein Indiz kann in der wiederholten und kurzfristigen Rücknahme eines Antrags auf Durchführung der Herausgabevollstreckung nach Teilzahlungen durch den Schuldner und einem anschließend erneut gestellten Antrag zu sehen sein. Verschafft sich der Gläubiger ein Druckmittel durch eine Vorgehensweise, die in klarem Widerspruch zu einschlägigen Verfahrensregelungen steht, so ist dieses Verhalten unzulässig. Das betrifft zum Beispiel die missbräuchliche Erweiterung der nach § 30 Abs. 1 ZVG vorgesehenen Möglichkeiten zur Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens, indem der Gläubiger versucht, die Gesamtforderung in mehreren Einzelverfahren beizutreiben, ohne für die Aufspaltung ein berechtigtes Interesse zu haben.
§ 9 Vollstreckungsmaßnahmen mit untergeordnetem Interesse Da die Zwangsvollstreckung durch eine sehr unterschiedliche Interessenverteilung gekennzeichnet ist, kommen Fallgestaltungen vor, in denen die Rechtsausübung durch den Gläubiger zwar der Verfolgung eines berechtigten Interesses dient, jedoch das entgegenstehende Interesse vor allem des Schuldners, unter
§ 9 Vollstreckungsmaßnahmen mit untergeordnetem Interesse
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Umständen aber auch anderer Verfahrensbeteiligter überwiegt. Eine besondere Rolle spielt insoweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Eine beantragte Vollstreckungsmaßnahme kann daher unzulässig sein, wenn sie den Schuldner unverhältnismäßig stark belastet. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat aber bereits in verschiedenen Regelungen des Vollstreckungsrechts seinen Niederschlag gefunden.1 So enthält beispielsweise § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO, der das Verbot der übermäßigen Pfändung regelt, eine Ausprägung dieses Grundsatzes. Aber auch in § 758a Abs. 4 ZPO kommt das Gebot verhältnismäßiger Rechtsausübung zum Ausdruck. Danach hat nämlich eine Vollstreckungsmaßnahme zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen insbesondere dann zu unterbleiben, wenn der zu erwartende Erfolg in einem Missverhältnis zu dem Eingriff steht. Ein weiteres Beispiel findet sich in § 812 ZPO, der eine Pfändung von Hausrat für den Fall untersagt, dass durch eine Verwertung nur ein Erlös erzielt werden könnte, der zu dem Wert der Gegenstände außer allem Verhältnis steht. Schließlich ist im Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO, der eine Abwägung des Schutzbedürfnisses auf Seiten des Schuldners mit dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers verlangt, ebenfalls eine Ausformung des Gebots einer verhältnismäßigen Rechtsausübung zu sehen. Findet sich keine spezielle Norm, so kann der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aber unter Umständen auch als Ausfluss des Rechtsmissbrauchsverbots nach § 242 BGB Bedeutung erlangen.2 Der Berechtigte hat sein Recht nicht in weiterem Maße auszuüben, als es zur Verwirklichung seiner eigenen Interessen erforderlich ist, um so die Gegenseite nicht übermäßig zu beeinträchtigen.3 Es ist aber Zurückhaltung bei einer Einschränkung der Rechtsausübung wegen Unverhältnismäßigkeit geboten, um nicht die gesetzgeberischen Interessenwertungen zu umgehen, wie sie in den abgestuften Regelungen des Vollstreckungsrechts zum Ausdruck kommen.4 Der Gläubiger hat grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse an der Durchführung der begehrten Vollstreckungsmaßnahmen und dieses Interesse muss nur zurücktreten, wenn die Belange des Schuldners deutlich überwiegen.
A. Vollstreckung von Bagatellforderungen Die Vollstreckung sehr geringer Forderungen oder kleiner noch offener Restbeträge wirft mit Blick auf das Gebot verhältnismäßiger Rechtsausübung Fragen 1
Vgl. Vollkommer, Rpfleger 1982, 1, 8. Siehe dazu schon § 4 B. V. 3 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 450; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 295; Staudinger/Looschelder/Olzen, § 242 Rn. 279 f. 4 So findet sich bereits bei Stürner (NJW 1979, 2334, 2338) die Warnung, dass „es nicht ratsam (ist), in das dogmatisch hoch entwickelte und filigrane System des Zivilund Zivilprozeßrechts allzu oft mit dem groben Raster der Verfassung regulierend einzugreifen; diese Rechtsgebiete hoher Tradition und hohen Differenzierungsgrads vertragen das Argumentieren mit großflächigen Grundsätzen schlecht, sie sind weit mehr Quelle verfassungsrechtlicher Maßstäbe als Objekt“. 2
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
auf. Diskutiert wird, ob die Vollstreckung von Bagatellforderungen wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig ist. Es muss danach differenziert werden, ob die Vollstreckung in bewegliches oder unbewegliches Vermögen erfolgt. I. Vollstreckung in bewegliches Vermögen 1. Zulässigkeit der Vollstreckung als solcher Nach einer früher in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansicht sollte die Vollstreckung sehr geringer Forderungen wegen der damit verbundenen unverhältnismäßigen Belastung des Schuldners unzulässig sein.5 Dem hält die heute herrschende Auffassung allerdings zu Recht entgegen, dass der Gläubiger auch wegen eines Kleinstbetrags erfolgreich die Vollstreckung betreiben können müsse.6 Das folgt bereits aus dem Vollstreckungsanspruch des Gläubigers als Ausgleich dafür, dass das Vollstreckungsmonopol in der Hand des Staates liegt.7 Andernfalls wäre der titulierte Anspruch letztlich wertlos.8 Der Schuldner könnte sich sogar ermuntert fühlen, bei Minimalforderungen von einer Zahlung gänzlich abzusehen.9 Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass wegen der geringen Höhe der Forderung für den Schuldner die einfache Möglichkeit besteht, den Anspruch zu erfüllen und so die Vollstreckung abzuwenden.10 Die einseitige Betrachtung der Position des Schuldners, der mit Kosten rechnen muss, die den Forderungsbetrag deutlich übersteigen, lässt auch außer Acht, dass es für den Gläubiger mit sehr hohem Aufwand verbunden ist, Minimalforderungen erfolgreich einzutreiben.
5 LG Lübeck DGVZ 1974, 77; LG Köln DGVZ 1991, 75; AG Warendorf DGVZ 1969, 27; AG Nordhorn DGVZ 1970, 60; AG Bad Hersfeld DGVZ 1970, 78; AG Dortmund DGVZ 1978, 121; AG Tostedt DGVZ 1978, 171 mit zust. Anm. Schneider; AG Kamen DGVZ 1983, 190; Schneider, DGVZ 1978, 166, 168; ders., DGVZ 1983, 132. 6 LG Lübeck DGVZ 1979, 73, 74; LG Berlin DGVZ 1979, 168, 169; LG Wuppertal NJW 1980, 297; LG Aachen DGVZ 1987, 139, 140; LG Moosbach NJW-RR 2001, 1439; AG Mönchengladbach DGVZ 1972, 122; AG München DGVZ 1975, 190, 191; AG Staufen DGVZ 1978, 189, 190; AG Braunschweig DGVZ 1981, 186; AG Karlsruhe NJW-RR 1986, 1256; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.56; Braun, DGVZ 1979, 109 ff., 129 ff.; Brox/Walker, ZVR, Rn. 28; Buß, NJW 1998, 337, 340 f.; Fischer/Mroß, DGVZ 2016, 67, 72; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 3 Rn. 51, § 26 Rn. 10; Jauernig/Berger, § 1 Rn. 42; MüKoZPO/Rauscher, Einleitung Rn. 306; MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 50, § 765a Rn. 34; Musielak/Voit/Lackmann, § 753 Rn. 13, § 765a Rn. 8; Schiffhauer, ZIP 1981, 832, 833 f.; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 704 Rn. 44 f.; Thomas/ Putzo/Seiler, § 753 Rn. 13; Zöller/Stöber, § 753 Rn. 8. 7 Brox/Walker, ZVR, Rn. 28; Walker, FS Stürner, 829, 832. 8 Schiffhauer, ZIP 1981, 832, 836; Zöller/Stöber, § 753 Rn. 8. 9 Jauernig/Berger, § 1 Rn. 42. 10 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.56; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 26 Rn. 10; MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 50; Walker, FS Stürner, 829, 836; Zöller/Stöber, § 753 Rn. 8.
§ 9 Vollstreckungsmaßnahmen mit untergeordnetem Interesse
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2. Erfordernis vorheriger Androhung? Eine vermittelnde Ansicht verlangt vom Gläubiger, dass er den Schuldner vor der Vollstreckung einer sehr geringen Restforderung nochmals zur Zahlung auffordern und die Vollstreckung androhen müsse.11 Dagegen spricht schon, dass die eigentliche Durchführung des Vollstreckungsverfahrens in der Hand des Gerichtsvollziehers liegt.12 Zwar sieht § 59 Abs. 1 S. 3 GVGA vor, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner vor der Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme unter Hinweis auf die Kosten der Zwangsvollstreckung auffordern kann, binnen kurzer Frist zu leisten oder den Leistungsnachweis zu erbringen, wenn die Kosten der Zwangsvollstreckung in einem Missverhältnis zu dem Wert des Vollstreckungsgegenstandes stehen würden und der Gerichtsvollzieher mit gutem Grund annehmen kann, dass der Schuldner der Aufforderung entsprechen wird. Die Vorschrift stellt es aber gerade in das Ermessen des Gerichtsvollziehers, dem Schuldner einen Hinweis zu erteilen.13 Außerdem setzt sie voraus, dass eine Forderungstilgung durch den Schuldner zu erwarten ist. Da die GVGA als Verwaltungsvorschrift keine Gesetzeskraft hat, geht von ihr auch keine Außenwirkung aus.14 Anders als bei der Vollstreckung von Duldungs- und Unterlassungstiteln, wo Ordnungsmittel dem Schuldner nach § 890 Abs. 2 ZPO vor der Zuwiderhandlung angedroht worden sein müssen, findet sich gerade keine Regelung im Gesetz, die ein entsprechendes Verhalten zur Voraussetzung der Vollstreckung von Bagatellforderungen machen würde. Ein solches Erfordernis aus § 242 BGB abzuleiten, kann deshalb nicht überzeugen. 3. Zulässigkeit bestimmter Vollstreckungsmaßnahmen Konsequenterweise ist nicht nur die Vollstreckung als solche zur Beitreibung einer Bagatellforderung zulässig. Der Gläubiger kann vielmehr auch begleitende Vollstreckungsanträge stellen, die letztlich der Befriedigung seiner Forderung dienen. Das gilt zunächst für die Einleitung des Verfahrens auf Abgabe der Ver11 LG Hannover DGVZ 1991, 190; AG Bremen JurBüro 1989, 1022; wohl auch AG Dinslaken DGVZ 1982, 159; Fahland, VOP 1981, 328, 333; Sibben, DGVZ 1988, 180, 182 f. LG Aachen DGVZ 1987, 139, 140, beruft sich zwar auch auf eine nochmalige Zahlungsaufforderung durch den Gläubiger, greift diese allerdings nur als zusätzliches Argument gegen die Unzulässigkeit der Vollstreckung auf und macht sie gerade nicht zur Voraussetzung (unzutreffend daher insoweit MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 50 Fn. 46). Götte, DGVZ 1986, 179, 180, hält zwar die Vollstreckung einer Bagatellforderung ohne nochmalige Leistungsaufforderung für zulässig, plädiert aber für eine Neuregelung mit einer entsprechenden Vorgabe. Braun, DGVZ 1979, 129, 133 f., spricht sich für eine nochmalige Mahnung nur ausnahmsweise aus, wenn der Schuldner versehentlich nicht die ganze Forderung beglichen habe. 12 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 26 Rn. 10; Götte, DGVZ 1986, 179, 180. 13 Fahland, VOP 1981, 328, 333, ist aber der Ansicht, bei Bagatellforderungen reduziere sich das Ermessen auf Null. 14 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 25 Rn. 11 f.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
mögensauskunft15 und sogar die Vollstreckung eines Haftbefehls zur Erzwingung der Vermögensauskunft16. Es gibt keinen Grund, weshalb dem Gläubiger der Gebrauch dieser Mittel verwehrt sein sollte, nur weil die Forderungshöhe gering ausfällt. Der Schuldner hat es insoweit vielmehr selbst in der Hand, den Maßnahmen zu entgehen, indem er die Forderung erfüllt oder die Vermögensauskunft abgibt.17 Unverhältnismäßig ist das Vorgehen des Gläubigers jedenfalls nicht. In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des LG Köln erwähnenswert, das die Vollstreckung eines Haftbefehls zur Erzwingung der Offenbarungsversicherung bei einer Restforderung von 2,10 DM für unzulässig hielt.18 Das Gericht argumentierte, dem Gläubiger sei es nur darum gegangen, den Schuldner „in die Knie zu zwingen“, was sich aus dem Missverhältnis zwischen der begehrten Vollstreckungsmaßnahme und der Forderungshöhe sowie dem vom Gläubiger betriebenen Aufwand ergebe.19 Zwar wird die Unzulässigkeit der Vollstreckungsmaßnahme nicht unter Verweis auf eine unverhältnismäßige Rechtsausübung begründet, sondern damit, dass der Gläubiger das Verfahren zweckentfremde.20 Das Gericht stellt aber zur Begründung einer zweckwidrigen Rechtsausübung maßgeblich auf die geringe Forderungshöhe ab.21 Darin kann der Entscheidung aber nicht gefolgt werden, da der Schuldner nur die geringe Forderung hätte erfüllen oder die Vermögensauskunft hätte abgeben müssen, um die Verhaftung abzuwenden. Mit der geringen Forderungshöhe lässt sich ein Missbrauch des Gläubigers nicht begründen. Eine geringe Forderungshöhe steht auch einer Durchsuchung nach § 758 ZPO nicht entgegen.22 Zwar ist mit der Durchsuchung ein nicht unerheblicher Eingriff in die Rechte des Schuldners verbunden. Die Gesetzeslage spricht aber gegen 15 LG Düsseldorf JurBüro 1997, 324; a. A. wohl OLG Frankfurt OLGZ 1981, 250, 252 f. (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 16 BVerfG NJW 1978, 2023, 2024; Fahland, VOP 1981, 328, 334; Hk-ZV/Sternal, § 802g Rn. 13; Wieczorek/Schütze/Paulus, § 802g Rn. 6 (teilweise noch zum Offenbarungsverfahren). 17 Vgl. BVerfG Rpfleger 1983, 80. 18 LG Köln DGVZ 1991, 75 (noch zum Offenbarungsverfahren). 19 Das Gericht bewertete das Vorgehen des Gläubigers nicht nur als missbräuchlich, sondern sogar als Schikane (§ 226 BGB). Mangels ausschließlichen Schädigungszwecks ist diese Einschätzung aber abzulehnen (siehe dazu näher schon § 4 A. I.). 20 Siehe zu Vollstreckungsmaßnahmen ohne berechtigtes Interesse bereits § 7. 21 Wenn insoweit Kirchner (Rpfleger 2004, 395, 398) der Ansicht ist, die Entscheidung verdiene Zuspruch, weil das Gericht gerade nicht mit der Forderungshöhe argumentiere, sondern mit den zweckwidrigen Motiven des Gläubigers, so lässt er unberücksichtigt, dass zur Begründung der zweckwidrigen Rechtsausübung durch den Gläubiger der Forderungshöhe gerade maßgebliche Bedeutung zugesprochen wird. 22 OLG Düsseldorf NJW 1980, 1171; LG Konstanz NJW 1980, 297; einschränkend LG Berlin DGVZ 1979, 168, 169; Brox/Walker, ZVR, Rn. 28; Dierck/Morvilius/Vollkommer/Hilzinger, 3. Kap. Rn. 244; a. A. LG Hannover NJW-RR 1986, 1256; wohl auch BVerfG NJW 1979, 1539, 1540.
§ 9 Vollstreckungsmaßnahmen mit untergeordnetem Interesse
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eine Beschränkung auf die Vollstreckung nicht geringer Forderungen. In § 758a Abs. 4 ZPO wird eine Vollstreckung zur Unzeit unter bestimmten Voraussetzungen für unzulässig erklärt. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die Durchsuchung an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit gewissen Grenzen unterliegt, gleichzeitig hat er aber auf Einschränkungen für die Vollstreckung geringwertiger Forderungen verzichtet. Auch die bisherigen Regelungen in § 755 Abs. 2 S. 4 und § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO23 sprechen gegen eine derartige Beschränkung. Danach durfte der Gerichtsvollzieher von der Möglichkeit zur Einholung von Auskünften bei Dritten nur dann Gebrauch machen, wenn die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500 Euro betrugen. Da die Benachteiligung von Kleinbetragsgläubigern auf erhebliche Kritik gestoßen ist,24 hat der Gesetzgeber die Regelungen inzwischen wieder aufgehoben.25 Das macht zum einen deutlich, dass der Gesetzgeber durchaus die Möglichkeit sieht, einzelne Vollstreckungsmaßnahmen erst ab einer bestimmten Forderungshöhe zuzulassen. Darüber hinaus zeigt die Aufhebung der Beschränkungen aber auch, dass Gläubiger mit Ansprüchen in geringer Höhe nicht schlechter gestellt werden sollen als alle übrigen Gläubiger. Da die Durchsuchung nicht unter dem Vorbehalt steht, dass die zu vollstreckenden Ansprüche eine bestimmte Mindeshöhe erreichen, ist eine Beschränkung deshalb abzulehnen. 4. Auswirkungen auf die Notwendigkeit der anfallenden Vollstreckungskosten Nach zum Teil vertretener Ansicht wird zwar die Vollstreckung von Bagatellforderungen für zulässig erachtet, die Vollstreckungskosten sollen aber als nicht notwendig im Sinne des § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen sein, wenn der Gläubiger es unterlassen hat, den Schuldner nochmals zur Zahlung des offenen Restbetrags aufzufordern.26 Dieser Auffassung kann so pauschal nicht gefolgt werden.27 Vollstreckungskosten sind notwendig, wenn der Gläubiger die Maßnahme bei verständiger Würdigung der Sachlage objektiv für erforderlich halten durfte, um die Befriedigung seines Anspruchs durchzusetzen.28 Die Notwendigkeit fehlt ins23 Eingefügt bzw. neugefasst durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.7.2009 (BGBl. I, S. 2258) mit Wirkung v. 1.1.2013. 24 Vgl. nur Fischer, DGVZ 2010, 113, 115; Fischer/Mroß, DGVZ 2016, 67, 73 („Kleingläubigerdiskriminierung“); Hk-ZV/Sternal, § 802l Rn. 10; Schuschke/Walker/ Walker, § 755 Rn. 9, § 802l Rn. 6; Walker, FS Klamaris, 921, 924, 929; Würdinger, JZ 2011, 177, 184. 25 Geändert mit Wirkung v. 26.11.2016 durch Gesetz v. 21.11.2016 (BGBl. I, S. 2591). 26 LG Tübingen DGVZ 2007, 70, 71; MüKoZPO/Heßler, § 753 Rn. 50; Stein/Jonas/ Münzberg, Vor § 704 Rn. 45, § 788 Rn. 24, 30; vgl. auch LG Hannover DGVZ 1991, 190. 27 So auch Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 26 Rn. 10. 28 BGH NJW-RR 2003, 1581; NJW 2005, 2460, 2462; NJW-RR 2015, 59, 60.
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besondere bei Kosten einer erkennbar unzulässigen, schikanösen oder aussichtslosen Vollstreckungsmaßnahme.29 Resultiert die geringe Restforderung daraus, dass der Gläubiger bereits weitgehend befriedigt worden ist, aber beispielsweise noch geringe Zinsansprüche offen sind, so muss der Gläubiger den Schuldner im laufenden Vollstreckungsverfahren nicht nochmals zur freiwilligen Leistung auffordern. Der Gläubiger ist vielmehr berechtigt, die Vollstreckung fortzuführen und die insoweit anfallenden Kosten sind dann auch notwendig. Der Schuldner weiß, dass die Vollstreckung droht und muss von sich aus tätig werden. Anders sieht es nur aus, wenn der Schuldner die geringfügige Restforderung versehentlich nicht beglichen hat und dies auch für den Gläubiger erkennbar war.30 II. Vollstreckung in unbewegliches Vermögen Wegen der besonderen Intensität einer in das unbewegliche Vermögen gerichteten Vollstreckung ist nach Ansicht einiger Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur die Zwangsversteigerung eines Grundstücks unzulässig, wenn die beizutreibende Forderung sehr gering ist und nicht zuvor erfolglos die Mobiliarvollstreckung durchgeführt wurde.31 Dieser Ansicht steht entgegen, dass das Gesetz keinen abgestuften Vollstreckungszugriff in Form einer Rangordnung der Mobiliar- vor der Immobiliarvollstreckung vorsieht, sondern vielmehr der Gläubiger frei darüber befinden kann, welche Vollstreckungsart er für sinnvoll hält, und zwar unabhängig von der Höhe der beizutreibenden Forderung.32 Oftmals ist die Mobiliarvollstreckung gerade wenig erfolgversprechend, weil keine pfändbaren Vermögenswerte vorhanden sind, da Pfändungsschutzvorschriften eingreifen.33 Der Gesetzgeber hat aus diesem Grund auch die noch in § 807 a. F. geregelte Nachrangigkeit des Offenbarungsverfahrens durch das Gesetz zur Reform der
29 BGH NJW-RR 2005, 212, 213; NJW-RR 2015, 59, 60; MüKoZPO/K. Schmidt/ Brinkmann, § 788 Rn. 25; Schuschke/Walker/Schuschke, § 788 Rn. 10. 30 Jauernig/Berger, § 1 Rn. 42; vgl. auch AG Bergheim DGVZ 1983, 29 f., das aber zu weitgehend allein den Umstand, dass der Schuldner den größten Teil der Forderung erfüllt hat, dafür ausreichen lässt, dass ein Versehen vorliegen müsse. 31 LG Frankenthal Rpfleger 1979, 433; LG Oldenburg Rpfleger 1981, 492; AG Mainz Rpfleger 1981, 26, 27; Böhmer, Sondervotum zu BVerfGE 49, 220, 228, 238; Fahland, VOP 1981, 328, 332; Kirchner, Rpfleger 2004, 395, 400 f.; MüKoZPO/Rauscher, Einleitung Rn. 307; zumindest in Ausnahmefällen Brox/Walker, ZVR, Rn. 854; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 15 Rn. 15 f.; Schiffhauer, ZIP 1981, 832, 836; 32 BGH NJW 1973, 894; OLG Schleswig Rpfleger 1979, 470, 471; Baur/Stürner/ Bruns, Rn. 6.14, 7.21, 34.44; Fischer/Mroß, DGVZ 2016, 67, 70; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 62 Rn. 40; Hk-ZV/Noethen, § 866 Rn. 3; Jauernig/Berger, § 1 Rn. 45; MüKoZPO/Dörndorfer, § 866 Rn. 9; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 864 Rn. 5; Stöber, Einleitung Rn. 48.4; Vollkommer, Rpfleger 1982, 1, 8 f.; diese Tatsache ebenfalls anerkennend Brox/Walker, ZVR, Rn. 854; Schiffhauer, ZIP 1981, 832, 834. 33 Darauf hinweisend auch Schiffhauer, ZIP 1981, 832, 834.
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Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.7.200934 aufgehoben und stattdessen dem Gläubiger das Recht eingeräumt, das Vermögensauskunftsverfahren unmittelbar zu Beginn der Vollstreckung betreiben zu können (vgl. § 802a Abs. 2 ZPO).35 Hinzu kommt, dass für die Vollstreckung durch die Finanzbehörden ausdrücklich geregelt ist, dass die Immobiliarvollstreckung erst durchgeführt werden soll, wenn eine Vollstreckung in bewegliches Vermögen erfolglos war (§ 322 Abs. 4 AO). Eine Rangordnung bei der Vollstreckung durch private Rechtssubjekte ist folglich abzulehnen. Auch die Forderungshöhe ändert nichts daran. Wie § 866 Abs. 3 S. 1 ZPO zu entnehmen ist, existiert für die Sicherungshypothek gerade eine ausdrücklich auf die Forderungshöhe abstellende Regelung. Zwar liegt dieser Regelung nur der Zweck zugrunde, das Grundbuch übersichtlich zu halten.36 Die Vorschrift zeigt aber gleichwohl, dass der Gesetzgeber durchaus in der Lage ist, bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen nur für den Fall zuzulassen, dass die zu vollstreckende Forderung eine Mindesthöhe erreicht. Es findet sich im Immobiliarvollstreckungsrecht darüber hinaus auch kein Verbot der übermäßigen Pfändung, wie es in § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO geregelt ist.37 Das Schweigen des Gesetzgebers zu einem Mindestbetrag für die Zulässigkeit zur Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens sollte daher ernst genommen werden. Letztlich hat der Schuldner auch wiederum die Möglichkeit, sich finanzielle Mittel zu beschaffen, um die Bagatellforderung zu befriedigen und so der Zwangsversteigerung zu entgehen.38 Unter Berufung auf § 139 ZPO wird zum Teil verlangt, dass das Vollstreckungsgericht bei der Zwangsversteigerung wegen einer Bagatellforderung den Schuldner über die nach § 30b Abs. 1 S. 2 ZVG vorgeschriebene Belehrung über einen Einstellungsantrag gem. § 30a Abs. 1 ZVG hinaus auch auf die Möglichkeit eines Vollstreckungsschutzantrags gem. § 765a ZPO39 hinweisen müsse.40 Eine solche Hinweispflicht ist abzulehnen, da sie nur dann Sinn machen würde, wenn allein der Umstand, dass es um die Vollstreckung einer Bagatellforderung geht, auch zur Begründetheit des Vollstreckungsschutzantrags führen könnte. Wie bereits ausgeführt wurde, stellt aber die Zwangsversteigerung wegen einer Bagatellforderung keine sittenwidrige Härte für den Schuldner dar, wenn nicht andere besondere Umstände hinzutreten. 34
BGBl. I, S. 2258. BT-Drs. 16/10069, S. 20, 24. 36 MüKoZPO/Dorndörfer, § 866 Rn. 2; Musielak/Voit/Becker, § 866 Rn. 1. 37 Vgl. OLG München, Beschl. v. 15.6.2016 – 34 Wx 210/16, BeckRS 2016, 11027, wonach auch eine analoge Anwendung nicht in Betracht kommen soll. 38 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 34.44; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 864 Rn. 5. 39 § 765a ZPO ist nach h. M. neben § 30a ZVG anwendbar (vgl. Stöber, Einleitung Rn. 61 m.w. N.). 40 Brox/Walker, ZVR, Rn. 854; Schiffhauer, ZIP 1981, 832, 836 f.; kritisch Baur/ Stürner/Bruns, Rn. 34.44. 35
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
B. Vollstreckung zur Unzeit Eine Rechtsausübung kann ihrer Art und Weise nach missbräuchlich sein, wenn sie zur Unzeit erfolgt.41 Das Interesse des Gläubiger an der Vollstreckungsmaßnahme tritt dann hinter dem Interesse des Schuldners, in diesem Zeitpunkt davon verschont zu bleiben, zurück. I. Taschenpfändung während der Hochzeitsfeierlichkeiten Nach Ansicht des AG München ist der Antrag auf Vornahme einer Taschenpfändung während der Hochzeitsfeierlichkeiten des Schuldners unzulässig.42 Das Vorgehen des Gläubigers ist in jedem Fall nicht zweckwidrig, da es ihm gerade um eine Befriedigung seiner Forderung geht. Das Gericht argumentiert daher auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bei einem Vergleich zwischen der Vollstreckungsmaßnahme und der zu vollstreckenden Forderung in Höhe von 282,44 DM nicht gewahrt sei. Das überzeugt nicht. Wie soeben dargestellt wurde, führt eine geringe Forderungshöhe – was bei dem streitgegenständlichen Betrag ohnehin fraglich ist – nicht dazu, dass das schutzwürdige Interesse des Gläubigers an der Vollstreckung hinter dem Interesse des Schuldners, von der Vollstreckung verschont zu bleiben, zurückstehen muss. Der Schuldner hat es gerade bei geringen Forderungen vielmehr selbst in der Hand, die Vollstreckung durch Begleichung seiner Schuld abzuwenden. Die konkrete Vollstreckungsmaßnahme ist aber auch nicht wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Rechte des Schuldners unzulässig. Im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten ist durchaus damit zu rechnen, dass eine Taschenpfändung zum Erfolg führt, weil der Schuldner zumeist pfändbare Vermögensgegenstände wie eine hochwertige Armbanduhr bei sich führen wird. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit nicht an der Vollstreckungsmaßnahme als solcher anknüpft, sondern vielmehr an den situativen Umständen der Durchführung, nämlich im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten. Das spricht ebenfalls gegen eine missbräuchliche Rechtsausübung wegen Unverhältnismäßigkeit. II. Vollstreckung eines Haftbefehls an Feiertagen Nach Ansicht des AG Groß-Gerau verstößt die Vollstreckung eines Haftbefehls an hohen kirchlichen Feiertagen oder an Silvester gegen den unantastbaren Kern der Menschenwürde.43 Auch dieser Entscheidung kann nicht gefolgt werden. In-
41 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 244; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 255. 42 AG München DGVZ 1985, 62 f.; im Ergebnis wohl zustimmend Baur/Stürner/ Bruns, Rn. 6.56. 43 AG Groß-Gerau DGVZ 1984, 29.
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dem das Gericht im Gebrauch eines Verfahrensrechts einen Verstoß gegen die Menschenwürde sieht, schießt es über das Ziel hinaus. Der Schuldner wird hier nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens gemacht,44 wenn der Gläubiger einen Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft vollstrecken lässt, selbst wenn dies an einem Feiertag oder Silvester geschieht. Aber auch der Missbrauchseinwand führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Gesetz findet sich mit § 758a Abs. 4 ZPO gerade eine Vorschrift, die eine Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen untersagt, wenn dies für den Schuldner eine unbillige Härte darstellt oder der zu erwartende Erfolg in einem Missverhältnis zu dem Eingriff steht. Innerhalb der Wohnung45 bedarf es dafür einer richterlichen Anordnung. Eine unbillige Härte lässt sich dann nicht annehmen, wenn die Vollstreckung zu gewöhnlichen Zeiten gerade nicht erfolgversprechend ist.46 Im entschiedenen Fall war der Schuldner die meiste Zeit auf einem Binnenschiff unterwegs und daher zu gewöhnlichen Zeiten schlecht anzutreffen, so dass sich die Vollstreckung an einem Feiertag rechtfertigen ließ.47 Außerdem hätte er die Verhaftung leicht durch Abgabe der Vermögensauskunft abwenden können. Neben § 758a Abs. 4 ZPO ist für einen Rückgriff auf § 242 BGB kein Raum und auch kein Bedürfnis auszumachen.48
C. Berufen auf geringfügigen Fehlbetrag bei der Drittablösung in der Zwangsversteigerung Droht einem Gläubiger durch die Zwangsversteigerung der Verlust seines nachrangigen Rechts, so kann er den bestrangig betreibenden Gläubiger befriedigen, um dadurch dessen Recht abzulösen (§§ 268, 1150, 1192 Abs. 1 BGB). Der Ablösungsberechtigte rückt in die Stellung des abgelösten Gläubigers ein, so dass er nach Anmeldung der Ablösung beim Vollstreckungsgericht einen Antrag auf einstweilige Einstellung des Verfahrens stellen kann (§ 30 Abs. 1 S. 1 ZVG), wodurch die Zwangsversteigerung zumindest vorerst verhindert wird.49 Erforderlich ist aber eine vollständige Ablösung des Gläubigers. Eine Teilleistung kann der Gläubiger vielmehr nach § 266 BGB zurückweisen.50 Zu einer nicht vollständigen Befriedigung kann es beispielsweise dadurch kommen, dass der Ablösungs44
Näher zur Objektformal Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 1 Abs. 1 Rn. 36 m.w. N. Nach dem weiten Wohnungsbegriff, wie ihn das BVerfG zu Art. 13 GG vertritt, zählen dazu insbesondere auch Geschäftsräume, Nebenräume und Hotelzimmer, vgl. MüKoZPO/Heßler, § 758a Rn. 4 ff. 46 MüKoZPO/Heßler, § 758a Rn. 77; Musielak/Voit/Lackmann, § 758a Rn. 19; Zöller/Stöber, § 758a Rn. 35. 47 Darauf hinweisend auch Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.56 Fn. 85. 48 So auch Walker, FS Stürner, 829, 836. 49 Böttcher, § 75 Rn. 37; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 75 Rn. 38. 50 BGH NJW-RR 2014, 82 Rz. 9; Böttcher, § 75 Rn. 17; vgl. auch schon BGH NJW 1990, 258, 260. 45
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
berechtigte nicht die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens zahlt, der Gläubiger aber auch wegen dieser Kosten die Versteigerung beantragt hat. Auf eine nicht vollständige Befriedigung soll der Gläubiger sich aber nach Treu und Glauben nicht berufen können, wenn der Fehlbetrag sowohl absolut als auch relativ geringfügig ist.51 Das Interesse des nicht vollständig abgelösten Gläubigers soll in diesen Fällen also hinter dem Interesse des ablösenden Gläubigers zurücktreten müssen. Diese Ansicht überzeugt nicht. Wie die Ausführungen zur Vollstreckung von Bagatellforderungen gezeigt haben, ist auch das Interesse an der Vollstreckung kleiner Forderungen schutzwürdig.52 Es ist deshalb Sache des Ablösungsberechtigten, für eine vollständige Befriedigung des Gläubigers zu sorgen, um in dessen Rechtsstellung einzutreten. Dazu hat er im Vorfeld die Möglichkeit, beim Gläubiger oder auch dem Vollstreckungsgericht entsprechende Auskünfte einzuholen; mit dem Auskunftsrecht korrespondiert auch eine entsprechende Auskunftspflicht des betreibenden Gläubigers.53 Nur so lässt sich sicherstellen, dass der Ablösungsberechtigte auch von seinem Ablösungsrecht effektiv Gebrauch machen kann. Versäumt der Ablösungsberechtigte aber, sich über die genaue Ablösungssumme zu erkundigen, so trägt er selbst bei einem sehr geringfügigen Fehlbetrag die Gefahr einer gescheiterten Ablösung. Damit wird auch vermieden, letztlich willkürlich festgelegte Grenzwerte bestimmen zu müssen, wann ein Fehlbetrag absolut und relativ so geringfügig ist, dass er nach § 242 BGB unberücksichtigt bleibt. Der betreibende Gläubiger ist aber dann nicht schutzwürdig, wenn er die Auskunft verweigert oder sogar falsche Angaben über die Ablösesumme macht. In diesem Fall wäre sein Berufen auf den Fehlbetrag rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich.
D. Vermögensauskunft im Rahmen der Sicherungsvollstreckung trotz ausreichender Sicherung Vergleichbar dem Arrest im einstweiligen Rechtsschutz dient die Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO dazu, die Interessen des Gläubigers zu schützen.54 Die Vorschrift ermöglicht dem Gläubiger die Vollstreckung aus einem nur gegen Sicherheit vorläufig vollstreckbaren Urteil, ohne dass er die Sicherheitsleistung erbringen muss. Allerdings umfasst die Sicherungsvollstreckung nicht 51 BGH NJW-RR 2014, 82 Rz. 12 (bei einem Betrag von rund 4.000 Euro und damit 16 % des Anspruches aber verneint); Böttcher, § 75 Rn. 17; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 75 Rn. 3; Staudinger/Wolfsteiner, § 1150 Rn. 28; Stöber, § 75 Rn. 2.5. 52 Siehe dazu im Einzelnen § 9 A. 53 So auch BGH NJW-RR 2014, 82, 83 f.; Böttcher, § 75 Rn. 17; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 75 Rn. 32. 54 Musielak/Voit/Lackmann, § 720a Rn. 1; Schuschke/Walker/Schuschke, § 720a Rn. 1.
§ 9 Vollstreckungsmaßnahmen mit untergeordnetem Interesse
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die Verwertung des gepfändeten oder beschlagnahmten Gegenstands (§ 720a Abs. 1 S. 2 ZPO), da es eben nur um eine Sicherung und nicht die Befriedigung des Gläubigers geht. Der Vorteil für den Gläubiger besteht darin, dass die Vollstreckung nach § 720a ZPO rangwahrende Wirkung hat, so dass ihm nicht andere Gläubiger infolge des Prioritätsprinzips zuvorkommen können.55 Betreibt der Gläubiger die Sicherungsvollstreckung, so ist davon auch das Recht zur Einleitung des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft umfasst, da der Zweck der Sicherungsvollstreckung ins Leere laufen würde, könnte der Gläubiger nicht in Erfahrung bringen, welche Vermögenswerte für die Vollstreckung zur Verfügung stehen.56 Der Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft soll aber rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Gläubiger bereits in anderer Weise hinreichend gesichert ist.57 Dann sei das Interesse des Gläubigers so untergeordnet, dass der Schuldner nicht zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet sei. In dem konkreten Fall, über den das OLG Hamburg zu entscheiden hatte, verneinte es aber einen Rechtsmissbrauch, weil zugunsten des Gläubigers zwar bereits eine Sicherungshypothek im Grundbuch eingetragen war, dieser aber zwei Grundschulden im Rang vorgingen.58 Dem ist zuzustimmen, da in einem solchen Fall offen ist, ob die Sicherungshypothek tatsächlich realisiert werden kann und es später tatsächlich zu einer Befriedigung des Gläubigers kommen wird, so dass dieser zu Recht daran interessiert ist, einen Überblick über die Vermögenslage des Schuldners zu bekommen. Da durch die differenzierte Regelung in § 720a ZPO die Interessen von Gläubiger und Schuldner bereits gleichermaßen Berücksichtigung gefunden haben, sollten im Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft bei der Sicherungsvollstreckung keine anderen Anforderungen gelten als bei einer auf Befriedigung gerichteten Vollstreckung. Es ist also vor einer Heranziehung von § 242 BGB zunächst auf spezielle Normen zurückzugreifen. In § 777 ZPO ist das Recht des Schuldners normiert, einer Zwangsvollstreckung wegen ausreichender Sicherung des Gläubigers nach materiellem Recht widersprechen zu können. Danach kann der Schuldner einer Zwangsvollstreckung in sein übriges Vermögen widerspre55
MüKoZPO/Götz, § 720a Rn. 1; Schuschke/Walker/Schuschke, § 720a Rn. 1. BGH NJW-RR 2006, 996 f.; 2007, 416; OLG Hamburg MDR 1999, 255; OLG Frankfurt Rpfleger 1996, 468; OLG München Rpfleger 1991, 66; OLG Koblenz Rpfleger 1991, 66 unter Aufgabe von OLG Koblenz NJW 1979, 2521; KG OLGZ 1989, 369; OLG Hamm MDR 1982, 416; OLG Stuttgart NJW 1980, 1698; OLG Düsseldorf NJW 1980, 2717; Hölk, MDR 2006, 841, 842; MüKoZPO/Götz, § 720a Rn. 4; Musielak/ Voit/Lackmann, § 720a Rn. 4; Schuschke/Walker/Schuschke, § 720a Rn. 6; Zöller/Stöber, § 720a Rn. 7; a. A. LG Mainz DGVZ 1987, 61; LG Berlin Rpfleger 1980, 352; Fahlbusch, Rpfleger 1979, 248, 249 (größtenteils noch zum Offenbarungsverfahren). 57 BGH NJW-RR 2007, 416 (obiter); OLG Hamburg MDR 1999, 255; Hölk, MDR 2006, 841, 842 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 58 OLG Hamburg MDR 1999, 255. 56
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
chen, wenn der Gläubiger eine bewegliche Sache im Besitz hat, an der ihm ein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht für die titulierte Forderung zusteht, soweit die Forderung durch den Wert der Sache gedeckt ist (§ 777 S. 1 ZPO).59 § 777 ZPO findet auch auf das Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft Anwendung.60 Diesen Einwand der ausreichenden Sicherung nach materiellem Recht muss der Schuldner im Wege der Erinnerung (§ 766 ZPO) geltend machen, von Amts wegen findet er keine Berücksichtigung.61 Das bedeutet aber, dass nicht vorschnell auf das Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung zurückgegriffen werden darf, um nicht die speziellen Anforderungen nach § 777 ZPO zu umgehen. Gleiches gilt für das Verbot der Überpfändung nach § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO, das einen vergleichbaren Zweck wie § 777 ZPO erfüllt und ebenfalls im Vermögensauskunftsverfahren Anwendung findet.62 Ist der Anwendungsbereich einer speziellen Norm nicht eröffnet, so kommt aber eine Heranziehung von § 242 BGB in Betracht. Die praktischen Fälle werden jedoch eher gering sein.
E. Zusammenfassende Betrachtung Hat der Gläubiger ein nur untergeordnetes Interesse an der begehrten Vollstreckungsmaßnahme, so kann die Rechtsausübung wegen Missbrauchs unzulässig sein. Da der Gläubiger aber auf der Grundlage eines Vollstreckungstitels und somit einer besonderen Legitimation seiner Rechtsausübung die Befriedigung seines Anspruchs erstrebt, darf nur ganz ausnahmsweise eine unverhältnismäßige Rechtsausübung angenommen werden. Das Interesse des Gläubigers an der Vollstreckung einer Bagatellforderung ist deshalb auch nicht dem Interesse des Schuldners untergeordnet, wegen der geringen Forderungshöhe von Vollstreckungsmaßnahmen verschont zu bleiben. Auch der Kleinbetragsgläubiger hat ein schutzwürdiges Vollstreckungsinteresse, wenn der Schuldner die Forderung nicht erfüllt. Dabei darf der Gläubiger auch auf weitere Vollstreckungsmaßnahmen wie das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft oder die Wohnungsdurchsuchung zurückgreifen. Er unterliegt auch keinen Beschränkungen in Bezug auf den Gegenstand, in den vollstreckt werden soll. Da das Vollstreckungsrecht keine Rangordnung vorsieht, darf vielmehr selbst wegen kleiner Forderungen die 59 Die Vorschrift wird in einigen Fällen über ihren Wortlaut hinaus angewendet, vgl. dazu näher MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 777 Rn. 4 ff. 60 LG Limburg Rpfleger 1982, 434; LG Detmold Rpfleger 1990, 432; LG Stade DGVZ 1999, 8, 10; LG Stuttgart Rpfleger 2000, 28 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs gem. § 900 Abs. 4 ZPO a. F.); HkZV/Sternal, § 802c Rn. 16; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 777 Rn. 2; Musielak/ Voit/Lackmann, § 777 Rn. 1; Zöller/Stöber, § 777 Rn. 2. 61 RGZ 98, 106, 109; LG Limburg Rpfleger 1982, 434, 435; BLAH/Hartmann, § 777 Rn. 5; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 777 Rn. 20; Musielak/Voit/Lackmann, § 777 Rn. 6; Schuschke/Walker/Walker, § 803 Rn. 4. 62 BGH NJW-RR 2011, 1693 f.
§ 10 Widersprüchliche Vollstreckungsmaßnahmen
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Immobiliarvollstreckung betrieben werden. Im Zwangsversteigerungsverfahren hat auch das Interesse des nicht vollständig abgelösten Gläubigers im Grundsatz selbst dann nicht hinter dem Interesse des ablösenden Gläubigers zurückzutreten, wenn es sich um einen absolut und relativ geringfügigen Fehlbetrag handelt, da der ablösende Gläubiger sich über die genaue Ablösesumme zu informieren hat. Etwas anderes gilt nur, wenn der nicht vollständig abgelöste Gläubiger die Teilleistung durch eine verweigerte oder falsche Auskunft veranlasst hat. Die untersuchten Fallgestaltungen haben deutlich gemacht, dass neben den gesetzlichen Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes praktisch nahezu kein Raum mehr dafür ist, im konkreten Einzelfall eine weitere Korrektur über die Heranziehung des Rechtsmissbrauchsverbots vorzunehmen. So kann das Verlangen nach Abgabe der Vermögensauskunft in der Sicherungsvollstreckung zwar im Einzelfall missbräuchlich sein, wenn der Gläubiger bereits über ausreichende Sicherheiten verfügt, so dass sein Interesse als untergeordnet einzustufen ist. Vor einem Rückgriff auf § 242 BGB sind aber vollstreckungsrechtliche Sondernormen zu beachten. Unter Umständen führt auch das Kostenrecht zu einem gerechten Ausgleich der Interessen, ohne dass die Vollstreckungsmaßnahme selbst wegen Unverhältnismäßigkeit unzulässig ist. So kann der Gläubiger nämlich bei der Vollstreckung wegen einer Bagatellforderung die Kosten mangels Notwendigkeit zu tragen haben, wenn er dem Schuldner die Vollstreckung nicht angedroht hat, obwohl er erkennen konnte, dass das Nichtbegleichen der noch offenen Restforderung erkennbar auf einem Versehen des Schuldners beruhte.
§ 10 Widersprüchliche Vollstreckungsmaßnahmen Verhält sich der Gläubiger widersprüchlich kann sein Interesse an der Vollstreckungsmaßnahme hinter dem Interesse des Schuldners oder anderer Verfahrensbeteiligter zurücktreten müssen. Beim venire contra factum proprium folgt der Vorwurf missbräuchlicher Rechtsausübung aus dem Umstand, dass das frühere Verhalten des Rechtsinhabers in Widerspruch zum gegenwärtigen steht.1 Zu beachten ist aber, dass die Rechtsordnung es dem Berechtigten grundsätzlich nicht verwehrt, seine Rechtsansichten zu ändern und sich anders als zuvor zu verhalten.2 Deshalb muss der Rechtsinhaber durch sein früheres Verhalten bei der Gegenpartei zurechenbar einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben, oder es müssen andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.3 Andere besondere Umstände können darin liegen, dass der 1 Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 16; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 284. 2 Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 106; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 92. 3 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 309; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 106; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 55; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 286 f.; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 317.
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Rechtsinhaber erhebliche Vorteile aus seinem früheren Verhalten gezogen hat oder er sich mit seinem Verhalten in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch begibt.4
A. Widersprüchliches Verhalten im Zusammenhang mit einer Zahlungsvereinbarung I. Fortsetzung der Vollstreckung trotz widerspruchsloser Entgegennahme von Teilzahlungen Der Gerichtsvollzieher kann mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung schließen, wenn der Gläubiger diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen hat (§ 802b Abs. 2 S. 1 ZPO). Schließt der Gerichtsvollzieher trotz eines vom Gläubiger erklärten Ausschlusses gleichwohl eine solche Vereinbarung ab, tritt der gesetzlich angeordnete Vollstreckungsaufschub (§ 802b Abs. 2 S. 2 ZPO) nicht ein. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht soll sich der Gläubiger aber ausnahmsweise wegen Treuwidrigkeit nicht auf die Unwirksamkeit der Zahlungsvereinbarung berufen können, wenn er Teilzahlungen widerspruchslos entgegengenommen habe, da er damit auf Seiten des Schuldners Vertrauen in die Wirksamkeit der Vereinbarung geschaffen habe.5 Es erweckt Zweifel, in einem solchen Fall das Interesse des Gläubigers an einer Fortsetzung der Vollstreckung hinter dem des Schuldners an einem Aufschub zurücktreten zu lassen. Für den Gläubiger steht die Befriedigung seiner Forderung im Zentrum. Er wird also jede Teilzahlung, die ihn näher an dieses Ziel heranbringt, dankbar entgegennehmen. Den Gläubiger damit zu belasten, einer Entgegennahme der Teilzahlungen widersprechen zu müssen, um nicht einen Vertrauenstatbestand beim Schuldner hervorzurufen, ist nicht zu rechtfertigen. Aus der Systematik des § 802b ZPO ergibt sich nämlich, dass der Gläubiger nur widersprechen muss, wenn er den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung nicht bereits ausgeschlossen hat. Die hier vertretene Ansicht steht auch im Einklang damit, dass der Schuldner nicht berechtigt ist, seine Teilzahlung zu kondizieren, wenn er zu Unrecht an die Wirksamkeit einer Zahlungsvereinbarung geglaubt hat. Die Zahlung hat vielmehr Erfüllungswirkung, und der Rechtsgrund ist im titulierten Anspruch zu sehen.6 Damit der Gläubiger einen Vertrauenstatbestand schafft, ist mehr erforderlich als bloße Untätigkeit. Dann wird man aber regelmäßig dazu kommen, dass der Gläubiger entgegen seiner urprünglich ablehnenden Haltung nun mit einer Zahlungs-
4 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 344; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 98; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 59. 5 Musielak/Voit/Voit, § 802b Rn. 15. 6 MüKoZPO/Wagner, § 802b Rn. 12.
§ 10 Widersprüchliche Vollstreckungsmaßnahmen
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vereinbarung einverstanden ist, so dass sein Verhalten i. S. d. § 184 BGB7 als Genehmigung aufgefasst werden kann. Auf § 242 BGB braucht dann nicht zurückgegriffen zu werden. II. Fortsetzung der Vollstreckung trotz längerer Hinnahme eines Zahlungsrückstands Ist der Gläubiger mit dem Abschluss einer Zahlungsvereinbarung einverstanden, so tritt ein Vollstreckungsaufschub ein (§ 802b Abs. 2 S. 2 ZPO). Dieser entfällt aber, sobald der Schuldner mit einer Zahlung ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät (§ 802b Abs. 3 S. 2, 3 ZPO). Dem Gläubiger soll die Fortsetzung der Vollstreckung nach § 242 BGB dennoch verwehrt sein, wenn er den Zahlungsrückstand längere Zeit hingenommen habe oder es sich nur um geringe rückständige Teilbeträge handele.8 Dieser Ansicht ist ebenfalls zu widersprechen. Ein Rechtsinhaber verwirkt sein Recht, wenn er es über einen gewissen Zeitraum hinweg nicht ausgeübt hat und dadurch bei der Gegenseite schutzwürdiges Vertrauen gebildet wurde, nicht mehr aus dem Recht in Anspruch genommen zu werden, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt.9 Neben das Zeitmoment muss also immer ein besonderes Umstandsmoment treten.10 Allein das Abwarten des Gläubigers kann nicht dazu führen, dass er sein Recht zur Fortsetzung der Vollstreckung nicht mehr ausüben kann. Die Entgegennahme verspäteter oder zu geringer Teilzahlungen begründet aber auch kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Zahlungsvereinbarung. Der Gläubiger hat vielmehr ein berechtigtes Interesse, erst einmal abzuwarten, um wenigsten mit zeitlichem Verzug doch noch weiter befriedigt zu werden. Für die hier vertretene Ansicht spricht auch, dass der Vollstreckungsaufschub unabhängig davon endet, ob der Schuldner mit einer Zahlung verschuldet oder unverschuldet in Rückstand gerät.11 Es liegt gerade am Schuldner, sich rechtzeitig mit dem Gläubiger in Verbindung zu setzen, um eine Modifizierung des vereinbarten Zahlungsplans zu erreichen.12 7 Zur Anwendbarkeit der Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB auf die Zahlungsvereinbarung als vollstreckungsrechtlicher Vertrag MüKoZPO/Wagner, § 802b Rn. 13. 8 Dierck/Morvilius/Vollkommer/Hilzinger, 3. Kap. Rn. 522; Musielak/Voit/Voit, § 802b Rn. 19. 9 BGH NJW 1989, 836, 838; 2003, 824; 2016, 3512, 3516; BAG NJW 2015, 2061, 2063; Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 17; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 123; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 356; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 300; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 332. 10 BGH NJW 2003, 824; 2006, 219, 220; 2016, 3512, 3516; 3518, 3521. 11 BT-Drs. 16/10069, S. 25; MüKoZPO/Wagner, § 802b Rn. 27; Musielak/Voit/Voit, § 802b Rn. 18; Schuschke/Walker/Walker, § 802b Rn. 9. 12 Vgl. Schuschke/Walker/Walker, § 802b Rn. 9; Thomas/Putzo/Seiler, § 802b Rn. 7.
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B. Widersprüchliches Verlangen nach Abgabe der Vermögensauskunft Hat der Schuldner innerhalb der letzten zwei Jahre die Vermögensauskunft abgegeben, so ist er zu einer erneuten Abgabe nur verpflichtet, wenn der Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen (§ 802d Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Sperrzeit gilt aber nicht für den Fall, dass der Schuldner anstelle der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO ein notariell beglaubigtes Vermögensverzeichnis vorgelegt hat.13 Dem Gläubiger bleibt bei der Vorlage eines Verzeichnisses nämlich die Möglichkeit verwehrt, den Schuldner gezielt nach Vermögenswerten zu befragen, um so möglicherweise anfechtbare Vermögensverschiebungen aufzudecken (vgl. § 802c Abs. 2 S. 3 ZPO).14 Außerdem ist nur die vor dem Gerichtsvollzieher abgegebene Versicherung an Eides statt strafbewehrt (vgl. § 156 StGB).15 Der Gläubiger soll aber nach § 242 BGB trotzdem nicht berechtigt sein, innerhalb der Sperrfrist die Abgabe der Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO zu verlangen, wenn er sich damit zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setze.16 In der Entscheidung des LG Hamburg hatte der Schuldner noch unter Geltung der früheren Regelungen zur Offenbarungsversicherung dem Gläubiger ein notariell beurkundetes Vermögensverzeichnis vorgelegt. Der Gläubiger drängte den Schuldner zu einer Ergänzung des vorgelegten Verzeichnisses. Dadurch habe er signalisiert, die private Vermögensauskunft zu akzeptieren, so dass das Verlangen nach einer Auskunft vor dem Gerichtsvollzieher nun widersprüchlich sei.17 Die besseren Argumente sprechen gegen diese Ansicht.18 Für den Schuldner wäre die Lage nicht anders, hätte der Gläubiger von Anfang an weiter auf der Abgabe der Vermögensauskunft vor dem Gerichtsvollzieher bestanden. Sein Verlangen wäre dann nämlich auch nach der einen Rechtsmissbrauch bejahenden Ansicht berechtigt gewesen.19 Allein im Nachbesserungsverlangen des Gläubigers einen Verzicht auf sein Recht aus § 802c ZPO zu sehen, ist zu weitge13 BGH NJW 2010, 1002, 1003; LG Frankenthal Rpfleger 1985, 33, 34; LG Flensburg DGVZ 2000, 89; LG Detmold DGVZ 2007, 72; LG Hamburg DGVZ 2014, 42, 43; Schuschke/Walker/Walker, § 802d Rn. 8; Zöller/Stöber, § 802c Rn. 34 (teilweise noch zum Offenbarungsverfahren). 14 LG Detmold DGVZ 2007, 72 (noch zum Offenbarungsverfahren). 15 LG Flensburg DGVZ 2000, 89; LG Detmold DGVZ 2007, 72 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 16 LG Hamburg DGVZ 2014, 42, 43; BeckOK ZPO/Fleck, § 802c Rn. 42; Hk-ZPO/ Rathmann, § 802c Rn. 5; Musielak/Voit/Voit, § 802d Rn. 2 Fn. 3; Schuschke/Walker/ Walker, § 802d Rn. 8. 17 LG Hamburg DGVZ 2014, 42, 43. 18 Ebenfalls ablehnend Mroß, DGVZ 2014, 43; Zöller/Stöber, § 802c Rn. 34. 19 LG Hamburg DGVZ 2014, 42, 43; Musielak/Voit/Voit, § 802d Rn. 2 Fn. 3; Schuschke/Walker/Walker, § 802d Rn. 8.
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hend.20 Es lässt sich keine gesicherte Rechtsposition des Schuldners ausmachen, die einem Antrag des Gläubigers auf Abgabe der Vermögensauskunft entgegenstehen könnte. Vielmehr müssten die Interessen des Schuldners deutlich überwiegen, um die verfahrensmäßigen Rechte des Gläubigers im Wege einer Heranziehung von § 242 BGB zu beschränken. Andernfalls würde man den verfassungsrechtlich verankerten Anspruch des Gläubigers auf eine effektive Vollstreckung konterkarieren.21 Verfolgt der Gläubiger aber keine schutzwürdigen Interessen mit der Betreibung des Vermögensauskunftsverfahrens, so ist sein Begehren zurückzuweisen.22 In dem vom LG Hamburg entschiedenen Fall ließ sich aber durchaus ein berechtigtes Interesse des Gläubigers an seinem Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft nach neuem Recht ausmachen. Mit dem Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung23 ist nämlich auch § 802l ZPO eingeführt worden, der dem Gerichtsvollzieher die Einholung von Drittauskünften ermöglicht. Durch dieses erweiterte Informationsrecht soll die Effektivität der Vollstreckung gestärkt und damit das Interesse des Gläubigers an einer Befriedigung seiner Forderung besser verwirklicht werden.24 Allein um auf diese neue Form der Sachaufklärung zurückgreifen zu können, hatte der Gläubiger deshalb ein Interesse an der Abgabe der Vermögensauskunft. Missbräuchliche Rechtsausübung lässt sich dem Gläubiger jedenfalls nicht vorwerfen, so dass sein Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft berechtigt war.
C. Beitreibung von Verzugszinsen nach Zurückweisung einer zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleisteten Zahlung Hat der Gläubiger ein vorläufig vollstreckbares Urteil erstritten, und leistet der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an den Gläubiger, so tritt dadurch zwar materiell-rechtlich keine Erfüllung ein,25 der Schuldner verhindert aber nach herrschender Ansicht, dass weitere Verzugszinsen anfallen.26 Es stellt sich die Frage, ob der Gläubiger missbräuchlich handelt, wenn er eine solche Zahlung unter Vorbehalt zunächst zurückweist und auch nicht mit der Vollstre-
20
So auch Mroß, DGVZ 2014, 43. Ähnlich Mroß DGVZ 2014, 43. 22 Vgl. dazu näher die Fallgestaltungen unter § 7 D. und E. 23 Gesetz v. 29.7.2009 (BGBl. I, S. 2258). 24 BT-Drs. 16/10069, S. 20. 25 Ganz h. M., vgl. nur BGH NJW 2014, 2199, 2200; MüKoZPO/Götz, § 708 Rn. 5 f. m.w. N. 26 BGH NJW 1981, 2244; 2012, 1717 f.; BAG NZA 2008, 757; MüKoZPO/Götz, § 708 Rn. 6 Fn. 17; Musielak/Voit/Lackmann, § 708 Rn. 4; Schuschke/Walker/ Schuschke, Vor §§ 708–720a Rn. 6; a. A. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 14 Rn. 71 m.w. N. 21
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ckung gedroht hat, nach dem rechtskräftigen Unterliegen des Schuldners im Rechtsmittelverfahren nun aber noch wegen der zwischenzeitlich weiter angefallenen Verzugszinsen die Vollstreckung betreibt. Die Rechtsausübung des Gläubigers ist nicht bereits deshalb missbräuchlich, weil er kein schutzwürdiges Interesse verfolgt. Der Gläubiger läuft bei einer Entgegennahme der ihm angebotenen Zahlung unter Vorbehalt Gefahr, bei einer aufhebenden oder abändernden Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz gegenüber dem Schuldner haften zu müssen. So macht er sich unter Umständen gem. § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO verschuldensunabhängig schadensersatzpflichtig oder kann im Falle einer erfolgreichen Revision gegen ein Berufungsurteil zumindest bereicherungsrechtlich in Anspruch genommen werden, ohne sich auf den Entreicherungseinwand berufen zu können (§ 717 Abs. 3 S. 3, 4 ZPO i.V. m. § 818 Abs. 4 BGB). Der Gläubiger hat deshalb ein berechtigtes Interesse, sich diesem Risiko nicht auszusetzen und die Zahlung zurückzuweisen.27 Hinzu kommt, dass der Schuldner durch die Einlegung des Rechtsmittels selbst dafür gesorgt hat, dass das Verfahren noch weitere Zeit in Anspruch nimmt. Ihm und nicht dem Gläubiger ist dann zuzumuten, auch die wirtschaftlichen Nachteile tragen zu müssen, wenn bei einem letztinstanzlichen Unterliegen weitere Verzugszinsen aufgelaufen sind. Verbleibt der Zahlungsbetrag weiterhin beim Schuldner, kann er auch mit dem Geld „arbeiten“, um die Nachteile möglichst gering zu halten.28 Die Rechtsausübung des Gläubigers könnte aber unzulässig sein, wenn die Interessen des Schuldners überwiegen, weil der Gläubiger sich widersprüchlich verhält. Dazu müsste er aber gerade die Vollstreckung angedroht haben, was im entschiedenen Fall nicht passiert war.29 Dann wäre es nämlich unbillig, würde er die Zahlung, mit der die Vollstreckung abgewendet werden soll, zurückweisen und später weitere Verzugszinsen fordern. Hat sich der Gläubiger für das Risiko der Vollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil entschieden, so muss er auch die damit verbundenen Nachteile tragen und sich bezogen auf die Verzugszinsen deshalb so behandeln lassen, als hätte er die Vorbehaltszahlung entgegengenommen.
27 BGH NJW 2012, 1717 f.; Cziupka/Frank, LMK 2012, 334555; Musielak/Voit/ Becker, § 815 Rn. 5; Musielak/Voit/Lackmann, § 708 Rn. 4. Ein Verstoß gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) kommt nach Ansicht des IX. Zivilsenats deshalb auch zu Recht von vornherein nicht in Betracht. 28 Nassall (jurisPR-BGHZivilR 10/2012 Anm. 1) weist darauf hin, dass die Position des Schuldners aber klar schlechter ist, wenn der Gläubiger im Wege der Sicherungsvollstreckung (§ 720a ZPO) die Kontopfändung betreibt, so dass der Schuldner nicht mehr auf das Geld zugreifen kann, gleichwohl aber in Verzug bleibt. Auch das ist aber hinzunehmen, da sich insoweit nur die Konsequenzen des Instituts der Sicherungsvollstreckung verwirklichen und der Schuldner dagegen mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§§ 707, 719 ZPO) vorgehen kann. 29 BGH NJW 2012, 1717, 1718; Cziupka/Frank, LMK 2012, 334555.
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D. Zusammenfassende Betrachtung Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens hat aus praktischer Sicht kaum Bedeutung, wenn es um eine Begrenzung der Rechtsausübung durch den Gläubiger geht. Es wird selten vorkommen, dass der Gläubiger beim Schuldner in der Weise berechtigtes Vertrauen hervorgerufen hat, dass ihm deshalb jetzt ein bestimmtes Verhalten untersagt ist. Entsprechendes gilt für die Verwirkung von Rechten in der Zwangsvollstreckung. Deshalb lässt sich dem Gläubiger auch im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Zahlungsvereinbarung kein widersprüchliches Verhalten vorwerfen, wenn er Teilzahlungen widerspruchslos entgegennimmt, sodann aber die Vollstreckung weiterbetreibt. Beim Schuldner wird dadurch kein berechtigtes Vertrauen begründet, dass der Gläubiger keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen vornimmt. Gleiches gilt für den Fall, dass der Gläubiger bei einer existierenden Zahlungsvereinbarung längere Zeit auf einen Zahlungsrückstand nicht reagiert hat. Die Untätigkeit könnte dem Gläubiger nur unter den strengen Voraussetzungen einer Verwirkung zum Vorwurf gemacht werden, an denen es aber mangelt. Schließlich verhält sich der Gläubiger auch nicht widersprüchlich, wenn er eine Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zurückweist, später aber auch wegen weiterhin aufgelaufener Verzugszinsen vollstreckt. Etwas anderes gilt nur, wenn er die Vollstreckung zuvor angedroht hat, da eine Zurückweisung dann in missbräuchlicher Weise widersprüchlich wäre.
§ 11 Vorteilsverschaffung auf Kosten anderer Verfahrensbeteiligter Auf dem Weg zur Befriedigung des titulierten Anspruchs hat vor allem der Gläubiger zahlreiche Verfahrensvorschriften zu beachten. Die Vollstreckung darf nur stattfinden, wenn neben den Prozessvoraussetzungen die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Hinzu kommen zahlreiche weitere Anforderungen für die konkreten Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelfall. Eine nicht unerhebliche Einschränkung verursachen auch die Vorschriften zum Schuldnerschutz. Das kann zu beträchtlichen Verzögerungen oder sogar einem gänzlichen Ausbleiben der Befriedigung führen. Darüber hinaus sind die Verfahrensregelungen zum Teil sehr kompliziert und für rechtsunkundige Beteiligte unbekannt. Das verleitet Gläubiger deshalb mitunter, Verfahrensvorgaben so zu umgehen oder in der Weise auszunutzen, dass sie sich auf Kosten anderer Vorteile verschaffen. Ein solches Verhalten muss nicht unbedingt immer zum Nachteil des Schuldners geschehen, sondern kann auch nachteilig die Rechtsstellung konkurrierender Gläubiger oder anderer Dritter betreffen. Neben dem Gläubiger können auch Dritte versucht sein, auf das Verfahren in der Weise einzuwirken, dass sie sich unberechtigte Vorteile verschaffen. Relevant wird das vor allem
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im Zwangsversteigerungsverfahren, da das ZVG viele komplexe Regelungen enthält. Es stellt sich daher die Frage, wann sich Gläubiger und Dritte bei einer Einwirkung auf das Verfahren zur Vorteilsverschaffung auf Kosten anderer missbräuchlich verhalten und inwieweit ihrer Rechtsausübung durch die bürgerlichrechtlichen Generalklauseln Grenzen gesetzt werden können.
A. Gläubiger I. Erschleichen eines Pfändungsvorrangs § 804 Abs. 3 ZPO sieht vor, dass derjenige Gläubiger ein rangbesseres Pfändungspfandrecht erwirbt, der den Vollstreckungsgegenstand früher pfänden lässt. Dieses Prioritätsprinzip veranlasst manche Gläubiger dazu, den Vollstreckungszugriff dadurch zu beschleunigen oder zu vereinfachen, dass sie bestimmte Verfahrensvorgaben missachten oder zu umgehen versuchen. 1. Anfängliche Unpfändbarkeit Das OLG Koblenz hatte sich mit einem Fall auseinanderzusetzen, in dem ein Gläubiger einen Anspruch aus § 7 StrEG hatte pfänden lassen, obwohl die gerichtliche Entscheidung, die dem Schuldner den Anspruch zuerkannt hatte, noch nicht rechtskräftig geworden war, so dass der Anspruch zunächst mangels Übertragbarkeit nicht der Pfändung unterlag (§ 13 Abs. 2 StrEG i.V. m. § 851 Abs. 1 ZPO).1 Nach Rechtskraft des Urteils hatte der Schuldner die Forderung abgetreten. Das OLG Koblenz prüfte, ob der Geltendmachung des Pfändungsvorrangs durch den Gläubiger gegenüber dem Zessionar der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstand, verneinte dies aber mit der Begründung, der Gläubiger habe die vorübergehende Unpfändbarkeit des Anspruchs übersehen. Außerdem hätten die mit der Norm verbundenen Schutzgesichtspunkte einer Verhinderung der Einflussnahme Dritter auf den Ausgang des Straf- und Entschädigungsverfahrens sowie eines Pfändungsschutzes des Berechtigten keine wesentliche Bedeutung mehr gehabt. Auch wenn der Entscheidung im Ergebnis zuzustimmen ist, überzeugt die Begründung nicht. Für eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsmissbrauchseinwand bestand kein Anlass. Ein Gläubiger verhält sich unredlich, wenn er sich einen Vorrang dadurch verschafft, dass er unter Verletzung von Verfahrensvorschriften die Pfändung betreibt. Einem solchen Verhalten kann allerdings bereits auf der Grundlage der Pfändungspfandrechtstheorien wirksam begegnet werden, ohne dass § 242 BGB bemüht werden müsste. Die Pfändung des Entschädigungsanspruchs vor der Rechtskraft des Urteils führte nicht zur Nichtig1
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keit, sondern nur zur Anfechtbarkeit der Maßnahme.2 Ob trotz eines fehlerhaften Vollstreckungsaktes ein Pfändungspfandrecht begründet wird, beurteilen die verschiedenen Pfändungspfandrechtstheorien unterschiedlich. Nach der öffentlichrechtlichen Theorie ensteht auch bei einer anfechtbaren, damit aber wirksamen Pfändung ein Pfändungspfandrecht.3 Eine nachträgliche Heilung sichere diesen Zustand nur.4 Die gemischt privatrechtlich-öffentlich-rechtliche Theorie hingegen lehnt das Entstehen eines Pfändungspfandrechts ab, wenn die Vollstreckung gegen eine Verfahrensnorm verstoßen hat und es sich dabei nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt.5 Es soll allerdings möglich sein, dass der Verfahrensmangel nachträglich mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) geheilt werde, wenn die Vollstreckungsmaßnahme nicht zuvor angefochten wurde.6 Einen Vorteil könnte sich ein Gläubiger also nur auf dem Boden der öffentlich-rechtlichen Theorie verschaffen. Da die Vertreter dieser Ansicht ein solches Ergebnis aber für materiell ungerecht halten, lehnen sie den Pfändungsvorrang ab, soweit die Fehlerhaftigkeit der Einflusssphäre des Gläubigers zuzurechnen ist und nicht durch das Vollstreckungsorgan verursacht wurde.7 Das soll insbesondere bei einer vorzeitigen Vollstreckung, nicht hingegen bei außerhalb der Sphäre des Gläubigers liegenden Zustellungsmängeln gelten.8 Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich ein Gläubiger nach der gemischt privatrechtlich-öffentlich-rechtlichen Theorie keinen unberechtigten Rangvorteil verschaffen kann, da er zunächst wegen des Verfahrensfehlers kein Pfändungspfandrecht erwirbt und eine Heilung nur für die Zukunft wirkt, so dass ein zwischenzeitlicher Vollstreckungszugriff anderer Gläubiger zu einem vorrangigen Pfändungspfandrecht bei diesen führt. Aber auch die Vertreter der öffentlich-rechtlichen Theorie kommen zum selben Ergebnis, da sich der Gläubiger nicht auf das Pfändungspfandrecht berufen kann, wenn er es gesetzeswidrig erworben hat. Ist der Mangel geheilt worden, bevor andere Gläubiger auf den Vollstreckungsgegenstand zugegriffen haben, so besteht kein Anlass, dem zunächst ohne Beachtung der Verfahrensvorgaben vollstreckenden 2 So zutreffend auch OLG Koblenz NJW-RR 1999, 508; allgemein zur Anfechtbarkeit bei einem Verstoß gegen § 851 ZPO BGH, Beschl. v. 28.10.2009 – VII ZB 82/09, BeckRS 2009, 29544; Hk-ZV/Meller-Hannich, § 851 Rn. 31; Musielak/Voit/Becker, § 851 Rn. 9; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf/Lorenz, § 851 Rn. 17. 3 BLAH/Hartmann, Grundz. § 803 Rn. 8; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 704 Rn. 128, § 803 Rn. 6, § 804 Rn. 7; Zöller/Stöber, § 804 Rn. 3. 4 Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 704 Rn. 138, § 750 Rn. 12. 5 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 11.6; 27.12; Brox/Walker, ZVR, Rn. 383; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 50 Rn. 62; MüKoZPO/Gruber, § 804 Rn. 15; Musielak/Voit/ Becker, § 804 Rn. 5a; Schuschke/Walker/Walker, Vor §§ 803, 804 Rn. 14 f.; Thomas/ Putzo/Seiler, § 804 Rn. 2. 6 Brox/Walker, ZVR, Rn. 389; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 11.8, 27.17; MüKoZPO/Gruber, § 804 Rn. 22; Musielak/Voit/Becker, § 804 Rn. 8; Schuschke/Walker/Walker, Vor §§ 803, 804 Rn. 18. 7 Stein/Jonas/Münzberg, § 750 Rn. 13, § 878 Rn. 18 ff.; Zöller/Stöber, § 878 Rn. 11. 8 Stein/Jonas/Münzberg, § 750 Rn. 13, § 878 Rn. 20; Zöller/Stöber, § 878 Rn. 11.
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Gläubiger seinen Rang zu verwehren. In dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall hat der Gläubiger somit sein Pfändungspfandrecht spätestens mit Eintritt der Rechtskraft und damit Heilung des Verfahrensfehlers erworben. Da die Abtretung sogar zeitlich erst im Anschluss daran erfolgte, konnte es schon zu keiner Benachteiligung des Zessionars kommen. Es gab jedenfalls keinen Grund, sich mit § 242 BGB auseinanderzusetzen. Den Rechtsmissbrauch nur deshalb abzulehnen, weil der Gläubiger die Unpfändbarkeit gem. § 13 Abs. 2 StrEG lediglich übersehen hatte und auch der Zweck der Norm nicht verletzt war, mag richtig sein, ist aber nicht das entscheidende Argument. 2. Erschlichene öffentliche Zustellung Etwas anders gelagert ist der Fall, wenn sich ein Gläubiger dadurch einen Vorteil verschafft, dass er die öffentliche Zustellung des Vollstreckungstitels erschleicht. Die Vollstreckung darf erst beginnen, wenn dem Schuldner der Titel zugestellt worden ist (§ 750 Abs. 1 S. 1 ZPO). Wollen mehrere Gläubiger Vermögenswerte des Schuldners pfänden lassen, so kann der Zeitpunkt der wirksamen Zustellung maßgeblich dafür sein, welcher Gläubiger das rangbeste Pfändungspfandrecht erwirbt. Die nachrangigen Gläubiger müssen damit rechnen, dass wenn der Verwertungserlös nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht, sie wegen ihres schlechteren Rangs im Verteilungsverfahren leer ausgehen. Der BGH ist der Ansicht, dass sich ein Gläubiger, der eine öffentliche Zustellung des Titels durch bewusst falsche Angaben erschlichen hat, wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf das rangbessere Pfandrecht berufen könne.9 Ob zur Begründung dieses Ergebnisses auf § 242 BGB zurückgegriffen werden musste, ist näher zu untersuchen. Die Argumentation mit dem Einwand aus § 242 BGB beruht maßgeblich auf der Annahme, dass eine öffentliche Zustellung auch dann wirksam ist, wenn die Voraussetzungen des § 185 ZPO10 nicht vorlagen, selbst wenn der Gläubiger bewusst falsche Angaben gemacht hat.11 Das folge aus dem Umstand, dass eine gerichtliche Entscheidung – hier in Form der Bewilligung gem. § 186 ZPO12 – solange wirksam sei, bis sie auf ein Rechtsmittel hin aufgehoben werde, was mangels Anfechtbarkeit der Bewilligung ausscheide. Hinzu komme der Aspekt der Rechtssicherheit, die nicht erreicht werden könne, wenn der Titel infolge einer unwirksamen Zustellung nicht rechtskräftig werde.13 Dieser strikte Standpunkt ist vom BGH zwischenzeitlich aufgegeben worden. Er ist nun der Auffassung, es lasse sich nicht mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf 9
BGH NJW 1971, 2226. § 203 ZPO a. F. 11 BGH (VIII. ZS) NJW 1971, 2226; bestätigt durch BGH (IV. ZS) NJW 1975, 827, 828. 12 § 204 ZPO a. F. 13 BGH (IV. ZS) NJW 1975, 827, 828. 10
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rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) vereinbaren, eine öffentliche Zustellung generell für wirksam zu halten; zumindest wenn das Gericht hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung nicht vorlagen, müsse die Zustellung unwirksam sein.14 Eine restriktivere Linie vertritt der V. Zivilsenat, der die öffentliche Zustellung nur insoweit für wirkungslos hält, als sie Fristen in Gang setze.15 Für die hier interessierenden Fälle eines arglistigen Erschleichens der öffentlichen Zustellung durch bewusst falsche Angaben, soll es aber auch nach dem Wandel der Rechtsprechung bei der Wirksamkeit der Zustellung bleiben, da das Gericht insoweit gerade nicht hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung in Wahrheit nicht vorlagen.16 Diese Auffassung ist richtig, da nur so Rechtssicherheit erreicht werden kann. Andernfalls könnte noch Jahre später die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung in Frage gestellt werden.17 Ist infolge der öffentlichen Zustellung Rechtskraft eingetreten, so ist die benachteiligte Partei durch die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO) und die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff. ZPO) geschützt. Außerdem kommt unter bestimmten Voraussetzungen eine Klage aus § 826 BGB in Betracht.18 Die Existenz der Klage aus § 826 BGB macht gerade deutlich, dass ein Erschleichen keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Entscheidung hat. Behandelt man die erschlichene öffentliche Zustellung als wirksam, bedeutet das aber bezogen auf das Vollstreckungsverfahren noch nicht, dass sich der Gläubiger auf unberechtigt verschaffte Vorteile berufen kann. Hat er also ein rangbesseres Pfändungspfandrecht nur aufgrund der erschlichenen öffentlichen Zustellung erworben, so lässt sich dieser Rechtsmissbrauch wirksam durch eine Heranziehung von § 242 BGB sanktionieren.19 Die Entscheidung des BGH überzeugt somit nicht nur im Ergebnis, sondern auch in der Begründung. 14 BGH (VIII. ZS) NJW 2002, 827, 828 ff. unter Bezugnahme auf die Vorgaben des BVerfG NJW 1988, 2361; BGH (VII. ZS) NJW-RR 2013, 307, 308; BGH (III. ZS) NJW 2017, 1735, 1736; jetzt auch BGH (II. ZS) NJW 2017, 886, 888, nachdem die Frage in einer früheren Entscheidung (NJW 1992, 2280 f.) noch offengelassen wurde; a. A. Gaul, JZ 2003, 1088, 1090 ff. 15 BGH (V. ZS) NJW 2007, 303 f.; ebenso Zöller/Stöber, § 186 Rn. 9 („eingeschränkte Zustellungswirkung“). 16 BGH (XII. ZS) NJW 2003, 1326, 1327 f.; OLG Köln NJW-RR 1993, 446; Barnert, ZZP 116 (2003), 447, 453 ff., der aber analog § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Nichtigkeitsklage zulassen will, wenn auch die Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 ZPO abgelaufen ist; Fischer, ZZP 107 (1994), 163, 178; MüKoZPO/Häublein, § 185 Rn. 18; Wieczorek/Schütze/Rohe, § 185 Rn. 39; a. A. OLG Hamm NJW-RR 1998, 497; BLAH/ Hartmann, § 185 Rn. 2; Stein/Jonas/Roth, § 185 Rn. 21; die Wirksamkeit zumindest anzweifelnd Münzberg, JZ 1972, 215. 17 BGH (XII. ZS) NJW 2003, 1326, 1327. 18 Darauf abstellend auch BGH (XII. ZS) NJW 2003, 1326, 1328; Wieczorek/ Schütze/Rohe, § 185 Rn. 39, 41 f.; siehe dazu im Einzelnen noch § 11 A. VII. 19 BGH NJW 1971, 2226; MüKoZPO/Häublein, § 185 Rn. 18.
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Der rangschlechtere Gläubiger kann gegen ein missbräuchlich erworbenes vorrangiges Pfändungspfandrecht mit der Widerspruchsklage (§ 878 ZPO) vorgehen.20 II. Ausforschungspfändung Will der Gläubiger in Forderungen des Schuldners vollstrecken, so muss er beim Vollstreckungsgericht einen Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses stellen (§ 829 ZPO). Das Gericht prüft dabei nicht, ob die Forderungen tatsächlich bestehen, sondern unterstellt den Vortrag des Gläubigers als wahr.21 Im Pfändungsbeschluss wird deshalb auch nur von der angeblichen Forderung gesprochen.22 Kann der Anspruch dem Schuldner nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen, so hat die Pfändung zu erfolgen.23 Der Antrag darf nur abgelehnt werden, wenn die Forderung dem Schuldner aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder sie ersichtlich unpfändbar ist.24 Probleme werfen Pfändungsanträge auf, die „ins Blaue hinein“ erfolgen und auf Ausforschung gerichtet sind. Von praktischer Relevanz sind vor allem Anträge auf Pfändung angeblicher Forderungen des Schuldners gegen eine Vielzahl von Kreditinstituten.25 1. Linie der Rechtsprechung Das LG Hannover hat einen Antrag wegen Rechtsmissbrauchs abgelehnt, mit dem angebliche Forderungen des Schuldners gegenüber 20 Kreditinstituten gepfändet werden sollten.26 Da die Wahrscheinlichkeit sehr groß sei, dass die einzelne Pfändung ins Leere gehe, liege eine unzulässige Ausforschungspfändung vor. Der Drittschuldner müsse vor solchen mit Arbeitsaufwand verbundenen Ausforschungsmaßnahmen geschützt werden. Diese Ansicht hat Bestätigung durch das OLG München erfahren, das eine Pfändung bei 264 Kreditinstituten als offensichtliche Verdachtspfändung für unzulässig hielt.27 Das Gericht argumentierte aber nicht mit Rechtsmissbrauch, sondern lehnte den Antrag wegen fehlender Bestimmtheit ab. 20 BGH NJW 1971, 2226; MüKoZPO/Dorndörfer, § 878 Rn. 25; Musielak/Voit/ Becker, § 878 Rn. 8; Schuschke/Walker/Walker, § 878 Rn. 14. 21 Vgl. nur BGH NJW 2013, 539, 540; Musielak/Voit/Becker, § 829 Rn. 8a; Hk-ZV/ Bendtsen, § 829 Rn. 78; Stein/Jonas/Brehm, § 829 Rn. 37. 22 Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rn. 34; Stöber, Rn. 486; Zöller/Stöber, § 829 Rn. 4. 23 MüKoZPO/Smid, § 829 Rn. 22; Stein/Jonas/Brehm, § 829 Rn. 37; Thomas/ Putzo/Seiler, § 829 Rn. 20; Zöller/Stöber, § 829 Rn. 4. 24 BGH NJW 2004, 2096, 2097; NJW-RR 2008, 733; NJW 2013, 539, 540. 25 Vgl. BGH NJW 2004, 2096 ff.; OLG München WM 1990, 1591; LG Hannover JurBüro 1985, 789 f. 26 LG Hannover JurBüro 1985, 789 f. 27 OLG München WM 1990, 1591.
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Schließlich hatte auch der BGH28 Gelegenheit, Stellung zu der Frage zu nehmen, wann ein Pfändungsantrag als Ausforschungspfändung unzulässig ist. Er hält Verdachtspfändungen bis zur Grenze der Ausforschungspfändung für nicht rechtsmissbräuchlich. Es fehle einem Antrag, mit dem die Pfändung angeblicher Forderungen des nicht gewerblich tätigen Schuldners gegen drei Geldinstitute an dessen Wohnort begehrt wird, nicht an der Schlüssigkeit. Insoweit handele es sich im Allgemeinen aber auch um die Obergrenze.29 Eine Umgehung des Offenbarungsverfahrens30 liege nicht vor, da die Einleitung dieses Verfahrens mit der Gefahr verbunden sei, dass der dann vorgewarnte Schuldner seine Konten leerräume. Die Drittschuldner würden durch Verdachtspfändungen auch nicht unzumutbar belastet.31 2. Ansicht des Schrifttums Im Schrifttum wird eine Ausforschungspfändung ganz überwiegend ebenfalls für unzulässig gehalten.32 Zur Begründung wird zum Teil auf die Belastung der Drittschuldner abgestellt33 oder das Problem in einer Umgehung des Offenbarungsverfahrens gesehen34. Der dogmatische Anknüpfungspunkt wird teilweise beim Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung ausgemacht,35 andere verorten die Frage bei der Schlüssigkeit des Gläubigervortrags36 oder der Bestimmtheit des Antrags37. Die Rechtsprechung des BGH wird zum Teil wegen der Festlegung einer Obergrenze kritisiert.38 Andere halten die Auffassung des BGH für zweifel-
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BGH NJW 2004, 2096 ff. BGH NJW 2004, 2096, 2097. 30 Seit 1.1.2013 ist an die Stelle des Offenbarungsverfahrens das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft (§§ 802c ff. ZPO) getreten (BGBl. I, S. 2258). 31 BGH NJW 2004, 2096, 2098. 32 Alisch, DGVZ 1985, 107, 108; Brox/Walker, ZVR, Rn. 502; Dierck/Morvilius/ Vollkommer/Dörndorfer, 6. Kap. Rn. 39; Feuerborn, EWiR 1990, 1035, 1036; Hk-ZV/ Bendtsen, § 829 Rn. 78; MüKoZPO/Smid, § 829 Rn. 17; Münzberg, ZZP 102 (1989), 129, 132; Musielak/Voit/Becker, § 829 Rn. 8a; Sauer, KTS 2004, 401 f.; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 485d; Sturhahn, LMK 2004, 146; Walker, FS Stürner, 829, 832 f.; a. A. Schulz, DGVZ 1985, 105 ff. 33 Alisch, DGVZ 1985, 107, 108; Bitter, WuB VI E. § 829 ZPO 4.04; d’Orville, WuB VI E. § 829 ZPO 1.85. 34 Alisch, DGVZ 1985, 107, 108 f.; Münzberg, ZZP 102 (1989), 129, 132; Zimmermann, ZVI 2004, 286, 287; a. A. Bitter, WuB VI E. § 829 ZPO 4.04; Gaul, DGVZ 2005, 113, 125; Schulz, DGVZ 1985, 105, 107. 35 Bitter, WuB VI E. § 829 ZPO 4.04; Münzberg, ZZP 102 (1989), 129, 132; Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rn. 37; Sturhahn, LMK 2004, 146. 36 Brox/Walker, ZVR, Rn. 502; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 485d; Walker, FS Stürner, 829, 833. 37 Hk-ZV/Bendtsen, § 829 Rn. 78; MüKoZPO/Smid, § 829 Rn. 17 f. 38 Gaul, DGVZ 2005, 113, 126; Hess, NJW 2004, 2350; Lürken, Rpfleger 2004, 572, 573; Sauer, KTS 2004, 401, 402. 29
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haft, da sie jedenfalls in begrenztem Umfang reine Verdachtspfändungen zulasse, die abzulehnen seien.39 3. Stellungnahme Der Ansicht des BGH ist zuzustimmen, wonach Pfändungsanträge rechtsmissbräuchlich sind, wenn sie nicht nur auf einem Verdacht beruhen, sondern allein der Ausforschung dienen. Dogmatisch zu verorten ist das Problem nicht bei der Frage der Bestimmtheit des Antrags. Der Gläubiger wird in seinem Antrag regelmäßig den Schuldner, die verschiedenen Drittschuldner und die zu pfändende Forderung hinreichend bestimmt bezeichnen. Wenn jeder einzelne Pfändungsantrag hinreichend bestimmt ist, kann es an der Bestimmtheit nicht deshalb plötzlich mangeln, nur weil der Antrag eine Vielzahl von Forderungen zum Gegenstand hat.40 Allein mit dem Kriterium der Schlüssigkeit lässt sich eine Abgrenzung zwischen einer zulässigen Verdachtspfändung und einer unzulässigen Ausforschungspfändung auch nur unzureichend treffen.41 Ein Antrag ist nämlich nicht allein deshalb unschlüssig, nur weil es sehr wahrscheinlich ist, dass einige der vom Gläubiger aufgeführten Forderungen nicht bestehen; es müsste vielmehr positiv feststehen oder offenkundig sein, dass die zu pfändenden Forderungen nicht bestehen.42 Zweifel wirft deshalb auch die Entscheidung des BGH auf, wenn er den Antrag auf Pfändung von Ansprüchen des nicht gewerblich tätigen Schuldners gegen drei Geldinstitute an dessen Wohnsitz noch für schlüssig hält, weil das Bestehen entsprechender Geschäftsbeziehungen des Schuldners nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht gänzlich ausgeschlossen sei. Ein solches Wahrscheinlichkeitsurteil soll doch gerade kein Maßstab bei der Prüfung der Schlüssigkeit sein.43 Es geht letztlich darum, dass der Gläubiger sich den Umstand, dass an seinen Vortrag im Pfändungsantrag so geringe Anforderungen gestellt werden, zunutze macht, um auf diese Weise potentielle Drittschuldner nach pfändbaren Forderungen auszuforschen. Richtiger Anknüpfungspunkt ist das Rechtsmissbrauchsverbot.44 Soweit der BGH in einem konkreten Fall eine zahlenmäßige Grenze gezogen hat, mag das für die Praxis eine hilfreiche Orientierung bieten, wirkt aber recht willkürlich.45 Liegt der Fall so, dass es der Gläubi39
Hk-ZV/Bendtsen, § 829 Rn. 78; MüKoZPO/Smid, § 829 Rn. 17. So auch Bitter, WuB VI E. § 829 ZPO 4.04; Gaul, DGVZ 2005, 113, 126; Münzberg, ZZP 102 (1989), 129, 132; Sturhahn, LMK 2004, 146; a. A. wohl K. Schmidt, EWiR 1985, 215, 216. 41 A. A. aber Brox/Walker, ZVR, Rn. 502; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 485d; Walker, FS Stürner, 829, 833. 42 BGH NJW 2004, 2096, 2097; Münzberg, ZZP 102 (1989), 129, 132; Schulz, DGVZ 1985, 105; Stein/Jonas/Brehm, § 829 Rn. 37 f. 43 Darauf zu Recht kritisch hinweisend Sauer, KTS 2004, 401, 402. 44 So auch LG Hannover JurBüro 1985, 789; Bitter, WuB VI E. § 829 ZPO 4.04; Münzberg, ZZP 102 (1989), 129, 132; Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rn. 37; Sturhahn, LMK 2004, 146. 45 So auch Gaul, DGVZ 2005, 113, 126; Hess, NJW 2004, 2350. 40
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ger mit einem Schuldner zu tun hat, an dessen Wohnort sich deutlich mehr als drei Kreditinstitute befinden, würde das den Gläubiger in nicht begründbarer Weise schlechter stellen.46 Es kann deshalb immer nur einzelfallbezogen betrachtet werden, ob ein Pfändungsantrag schon die Grenze unzulässiger Ausforschung überschreitet. Dabei muss besondere Berücksichtigung finden, dass – anders als zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH – nach heutiger Rechtslage die Einleitung des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft nicht mehr von einem erfolglosen Vollstreckungsversuch abhängt (vgl. § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Der Gläubiger kann den Schuldner also unmittelbar zur Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse zwingen. Außerdem sind die Informations- und Auskunftsrechte im Interesse des Gläubigers deutlich erweitert worden (vgl. nur § 802l ZPO). Der Gläubiger ist also nicht mehr in dem Maße wie früher auf eine Ausforschung angewiesen, um erfolgreich vollstrecken zu können. Beim Erlass eines Pfändungsbeschlusses hinsichtlich angeblicher Forderungen des Schuldners gegen eine Vielzahl von Kreditinstituten wird dieser Umstand daher besondere Berücksichtigung finden müssen und eine missbräuchliche Ausforschungspfändung unter Umgehung der §§ 802c ff. ZPO schneller nahe liegen. III. Zwangsversteigerungsgebote ohne Erwerbswillen 1. Problemlage Im ersten Versteigerungstermin ist der Zuschlag von Amts wegen zu versagen, wenn das abgegebene Meistgebot die Hälfte des Grundstückswerts nicht erreicht, § 85a Abs. 1 ZVG. Dadurch soll eine Verschleuderung des Grundstücks vermieden werden.47 Eine verwandte Vorschrift stellt § 74a Abs. 1 ZVG dar, wonach auf Antrag eines am Grundstück Berechtigten der Zuschlag zu versagen ist, wenn das Meistgebot unter 7 / 10 des Grundstückswerts zurückbleibt und der Anspruch des Berechtigten deshalb ganz oder teilweise nicht gedeckt ist. In einem weiteren anzuberaumenden Termin müssen die genannten Grenzen nicht mehr erreicht werden (§ 85a Abs. 2 S. 2 und § 74a Abs. 4 ZVG). Die Grenzen gelten nur einmalig, um einen Fortgang des Vollstreckungsverfahrens sicherzustellen und dadurch auch dem Befriedigungsinteresse des Gläubigers Rechnung zu tragen.48 Es soll so ein gerechter Ausgleich zwischen dem Schuldner- und dem Gläubigerinteresse erreicht werden. Dieser Grundsatz der Einmaligkeit49 verleitet Bieter allerdings dazu, im ersten Termin bewusst unterhalb der Grenzen liegende Gebote abzugeben, um das 46 Lürken, Rpfleger 2004, 572, 573, der als Beispiel den in Frankfurt a. M. wohnhaften Schuldner nennt. 47 BT-Drs. 8/693, S. 52. 48 BT-Drs. 8/693, S. 52. 49 BGH NJW-RR 2004, 302, 303; Stöber, § 74a Rn. 6.3, § 85a Rn. 5.3.
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Grundstück im zweiten Termin günstig ersteigern zu können. Fehlt es an Bietern, die bereit sind, das Grundstück zu einem Gebot zu ersteigern, das über der Hälfte bzw. 7 / 10 des Grundstückswerts liegt, so entspricht es aber gerade dem gesetzlichen Zweck, dass das Verfahren ohne Geltung der Grenzen fortgesetzt wird. Für den Schuldner besteht die Chance, dass sich in einem weiteren Termin doch noch Bieter finden, die das Grundstück zu einem höheren Meistgebot ersteigern. Das Interesse des Bieters an einem möglichst günstigen Erwerb des Grundstücks muss jedoch nicht hinter dem gegenteiligen Interesse des Schuldners zurücktreten.50 Deshalb lässt sich darin kein gesetzeswidriges Verhalten erblicken. Eine andere Bewertung könnte aber vorzunehmen sein, wenn das Gebot im ersten Termin von einem Bieter, ohne die Absicht, das Grundstück selbst zu erwerben, abgegeben wird, um einem anderen zu ermöglichen, das Grundstück im zweiten Termin günstig zu ersteigern. Praktisch bedeutsam sind insbesondere Fälle, in denen ein Gläubigervertreter ein Eigengebot abgibt, damit im zweiten Termin ein anderer Bieter das Grundstück ohne Bindung an die Wertgrenzen erwerben kann.51 Es kommen aber auch Fälle vor, in denen ein Dritter auf Veranlassung des Gläubigers entsprechende Gebote abgibt.52 Solche Gebote ohne Erwerbsabsicht sind jedenfalls keine Scheingebote nach §§ 116 ff. BGB und nicht bereits aus diesem Grund unwirksam, da es dem Bieter gerade darauf ankommt, dass das Gebot rechtliche Wirkung entfaltet, damit die Grenzen im zweiten Versteigerungstermin entfallen.53 Sie könnten aber einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben darstellen. 2. Eigengebote durch Gläubigervertreter a) Rechtsprechung des BGH Ursprünglich war der BGH der Ansicht, in den problematischen Fällen liege im ersten Termin mangels Erwerbswillens des Bieters überhaupt kein Gebot vor.54 Diese Position hat der V. Zivilsenat nach starker Kritik in der Literatur55 aber aufgegeben. Er vertritt nun die Auffassung, dass solche Gebote wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam seien.56 Das Vollstreckungsgericht habe sie gem. 50 Zum Ganzen BGH NJW 2006, 1355; 2007, 3279, 3281; OLG Koblenz Rpfleger 1999, 407; LG Kassel Rpfleger 1986, 397; Hornung, Rpfleger 2000, 363, 365. 51 Vgl. nur BGH NJW 2007, 3279 ff. 52 Vgl. BGH ZIP 2008, 1847 f. 53 BGH NJW 2006, 1355; 2007, 3279, 3280; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 85a Rn. 8; ähnlich auch Kirsch, Rpfleger 2000, 147, 148. 54 BGH NJW 2006, 1355 ff. 55 Groß, Rpfleger 2007, 91; Hasselblatt, NJW 2006, 1320, 1321 f.; Hintzen, Rpfleger 2006, 145, 146; Rimmelspacher/Bolkart, WuB VI E. § 85a ZVG 1.06; Weis, BKR 2006, 120. 56 BGH NJW 2007, 3279 Rz. 11 ff.; bestätigt in NJW 2007, 3360; Beschl. v. 19.7. 2007 – V ZB 15/07, BeckRS 2007, 13495; NJW-RR 2008, 360, 361; ZIP 2008, 1847; NJW-RR 2009, 25, 26; zustimmend Brox/Walker, ZVR, Rn. 910; Hk-ZV/Stumpe, § 85a
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§ 71 Abs. 1 ZVG zurückzuweisen. Da das Vollstreckungsgericht keine Beweisaufnahme durchführen könne und der Bieter seine wahre Intention nicht offenbaren müsse, spreche bei Eigengeboten von Gläubigervertretern eine tatsächliche Vermutung für missbräuchliche Rechtsausübung. Die Vermutung könne aber durch einen Widerspruch nach § 72 Abs. 2 ZVG und die Glaubhaftmachung eines gesetzeskonformen Interesses widerlegt werden.57 Der BGH vertritt sogar die Ansicht, dass für den bietenden Gläubiger generell andere Maßstäbe anzulegen seien, weshalb ein von ihm im ersten Termin unterhalb der Grenzen abgegebenes Gebot generell rechtsmissbräuchlich sei, wenn er damit eine Verwertung des Grundstücks im zweiten Termin ohne Beschränkung durch die Wertgrenzen beabsichtige.58 Argumentiert wird im Wesentlichen damit, dass ein Wegfall der Grenzen im zweiten Termin voraussetze, dass ein tatsächlich vorhandenes Erwerbsinteresse hinter dem Interesse des Schuldners an bestmöglicher Verwertung zurückstehen musste.59 Fehlte es in Wahrheit an einem eigenen Erwerbsinteresse des Bieters, müssten die Grenzen der §§ 74a Abs. 1, 85a Abs. 1 ZVG bestehen bleiben. Das ergebe sich aus dem Zweck der Vorschriften und ihrem Regelungszusammenhang. So liege der Vorschrift des § 77 ZVG der Gedanke zugrunde, dass das Fehlen von Bietern in den Risikobereich des Gläubigers falle, da ein ergebnisloser Termin die einstweilige Einstellung des Verfahrens bzw. ein zweiter ergebnisloser Termin sogar die Verfahrensaufhebung nach sich ziehe, aber nicht die Wertgrenzen entfallen lasse.60 b) Kritik des Schrifttums Diese den Schuldnerschutz hervorhebende Rechtsprechung wird in der Literatur als überschießend kritisiert.61 Es könne keinen Rechtsmissbrauch darstellen,
ZVG Rn. 9; Rimmelspacher, WuB VI E. § 85a ZVG 1.07; Walker, FS Stürner, 829, 835; so schon zuvor Rimmelspacher/Bolkart, WuB VI E. § 85a ZVG 1.06; a. A. OLG Koblenz Rpfleger 1999, 407, 408; LG Kassel Rpfleger 1986, 397. Ebenfalls mit missbräuchlicher Rechtsausübung argumentierte schon das LG Neubrandenburg (Rpfleger 2005, 42, 43), es ging aber davon aus, dass im ersten Termin ein wirksames Gebot mit der Rechtsfolge aus § 85a Abs. 2 S. 2 ZVG vorliege und erst im zweiten Termin der Zuschlag nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen sei. 57 BGH NJW 2007, 3279 Rz. 34 ff. 58 BGH NJW 2007, 3279 Rz. 18. 59 BGH NJW 2007, 3279 Rz. 18; so auch Rimmelspacher/Bolkart, WuB VI E. § 85a ZVG 1.06. 60 Damit verwirft der BGH die Ansicht, auch nach einem ergebnislosen Termin den Zuschlag nicht mehr nach §§ 85a Abs. 1, 74a Abs. 1 S. 1 ZVG zu versagen (NJW 2007, 3279 Rz. 19; bestätigt in NJW-RR 2008, 360, 361; zuvor schon Hornung, Rpfleger 2000, 363, 366); a. A. Kirsch, Rpfleger 2000, 147, 149; vgl. auch Storz/Kiderlen, NJW 2007, 3285. 61 Vgl. Böttcher, § 85a Rn. 5; Dierck/Morvilius/Vollkommer/Morvilius, 4. Kap. Rn. 492 f.; Hasselblatt, NJW 2006, 1320, 1321 ff.; Löhnig/Cranshaw, § 85a Rn. 20, 28 f.; Stöber, § 85a Rn. 4; Storz/Kiderlen, NJW 2007, 3285.
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wenn nur von einer gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht werde.62 Für den Gläubiger bestehe regelmäßig das Dilemma, ein Grundstück mit einem deutlich zu hoch festgesetzten Verkehrswert verwerten zu müssen.63 Der zweite Versteigerungstermin zeichne sich durch eine eigene Dynamik aus, so dass ohne Geltung der Wertgrenzen oftmals deutlich höhere Gebote erzielt würden.64 Der Schuldner sei nach einem Wegfall der Grenzen immer noch ausreichend über § 765a ZPO geschützt.65 Außerdem konkurriere der Gläubiger mit anderen Bietern, weshalb er wie jeder Dritte auch behandelt werden sollte.66 c) Stellungnahme Für Gläubiger mag faktisch das Problem bestehen, Grundstücke schlecht verwerten zu können. Daraus aber Rückschlüsse für den Regelungsgehalt der §§ 74a, 85a ZVG ziehen zu wollen, muss zurückgewiesen werden. Es wäre allein Aufgabe des Gesetzgebers, die Regelungen zu reformieren, sollten sie sich als nicht mehr praxistauglich erweisen.67 Die Argumentation mit der Dynamik des zweiten Termins kann ebenfalls nicht restlos überzeugen, da insoweit lediglich Wahrscheinlichkeiten und Erfahrungswerte zur Grundlage gemacht werden können. Die Entwicklung kann aber auch ganz anders ausfallen, so dass die Gebote im zweiten Termin deutlich unter den Grenzwerten liegen. In diesem Fall soll es aber zuvor im ersten Termin zur Abgabe zumindest eines wirksamen Gebots unterhalb der Wertgrenzen gekommen sein. Die Regelungen der §§ 74a Abs. 1, 85a Abs. 1 ZVG wären auch überflüssig, wenn bei Versteigerungen ohne die Geltung der Grenzwerte regelmäßig höhere Gebote erzielt würden. Der Rechtsprechung des BGH ist deshalb im Grundsatz zuzustimmen, soweit sie Gebote, mit denen die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG im Interesse des Gläubigers zu Fall gebracht werden soll, für missbräuchlich hält. Entgegen der Ansicht des BGH68 ist das entscheidende Kriterium aber nicht in der fehlenden Erwerbsabsicht des Bieters zu sehen. Für den Schuldner macht es nämlich keinen Unterschied, ob ein Bieter bewusst ein unterhalb der Grenze liegendes Gebot abgibt, um dann das Grundstück im zweiten Termin günstig erwerben zu können, 62
Böttcher, § 85a Rn. 5; Dierck/Morvilius/Vollkommer/Morvilius, 4. Kap. Rn. 493; Löhnig/Cranshaw, § 85a Rn. 20. 63 Groß, Rpfleger 2008, 545, 546; ders., Rpfleger 2007, 91, 92; Hasselblatt, NJW 2006, 1320, 1324. 64 Alff, Rpfleger 2005, 44; Hasselblatt, NJW 2006, 1320, 1324; Hintzen, Rpfleger 2006, 145, 146; Storz/Kiderlen, NJW 2007, 3285; Wedekind, ZfIR 2012, 162, 168. 65 Hasselblatt, NJW 2006, 1320, 1324; Storz/Kiderlen, NJW 2007, 3285; Stöber, § 85a Rn. 4.2. 66 Löhnig/Cranshaw, § 85a Rn. 29; vgl. auch Groß, Rpfleger 2008, 545, 547; Weis, BKR 2006, 120, 121. 67 Vgl. auch BGH NJW 2007, 3279 Rz. 25. 68 BGH NJW 2007, 3279 Rz. 16 ff.
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oder die Gebotsabgabe durch einen nicht am Erwerb Interessierten erfolgt und im zweiten Termin ein anderer Bieter den Zuschlag erhält. Es geht in beiden Fällen darum, auf einen zweiten Termin ohne Beschränkungen hinzuwirken. Entscheidend ist vielmehr, ob gesetzliche Schutzmechanismen durch eine bewusst zweckwidrige Gestaltung umgangen werden. Das geschieht, wenn die Wirkung der §§ 85a Abs. 3, 114a ZVG ausgehebelt werden soll, indem der Gläubigervertreter ein unterhalb der Grenzwerte liegendes Gebot abgibt, damit im zweiten Termin ein anderer Bieter das Grundstück günstig ersteigern kann.69 Hätte der Gläubiger nämlich das Gebot selbst abgegeben, hätte er auch den Zuschlag erhalten.70 § 85a Abs. 3 ZVG erklärt die Grenze des Abs. 1 für nicht anwendbar, wenn ein zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigter ein unter der Hälfte des Grundstückswerts liegendes Meistgebot abgegeben hat. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 114a ZVG zu sehen, der eine materielle Befriedigung des dinglich Berechtigten bis zur Grenze von 7 / 10 des Verkehrswerts des Grundstücks fingiert und dadurch eine Verschleuderung verhindert.71 Der Gläubiger hat also nach der gesetzgeberischen Konzeption nicht die gleichen Möglichkeiten, die Grenze des § 85a Abs. 1 ZVG zu Fall zu bringen, wie andere Bieter, da er den Beschränkungen durch die §§ 85a Abs. 3, 114a ZVG unterliegt.72 Eine Umgehung dieses Regelungsgefüges ist wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig. In diese Linie fügt sich auch die Rechtsprechung des BGH zur Umgehung von § 114a ZVG ein. Die Norm findet danach auch dann Anwendung, wenn der am Grundstück Berechtigte einen Strohmann, einen Treuhänder oder eine von ihm abhängige Gesellschaft das Grundstück ersteigern lässt.73 Das Gebot des Dritten ist dann zwar wirksam, es greift aber die Befriedigungsfiktion, um eine Umgehung des den Schuldner schützenden § 114a ZVG nicht zu ermöglichen.74 Der Unterschied besteht nur darin, dass sich der Gläubiger in diesen Fällen den Wert des Objekts verschaffen will.75 Bei einer Umgehung des § 85a Abs. 3 ZVG geht es ihm darum, dass das Grundstück im zweiten Termin ohne Beachtung der Wertgrenzen ersteigert werden kann.76
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Damit argumentierend auch BGH NJW 2007, 3279 Rz. 26 ff., 37. Diesen Gesichtspunkt ebenfalls in den Blick nehmend Groß, Rpfleger 2008, 545, 547, der dann aber die Gebote des Gläubigervertreters im eigenen Namen als solche im Namen des Gläubigers behandeln und die Befassung damit im Rahmen des Verteilungsverfahrens (§ 115 ZVG) vornehmen will; kritisch dazu Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 85a Rn. 12 Fn. 10; Löhnig/Cranshaw, § 85a Rn. 28 f. 71 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 114a Rn. 1; Hk-ZV/Stumpe, § 85a ZVG Rn. 20; Hk-ZV/Sievers, § 114a ZVG Rn. 1. 72 So auch BGH NJW 2007, 3279 Rz. 29. 73 BGH NJW 1992, 1702; NJW-RR 2005, 1359, 1361. 74 BGH NJW-RR 2005, 1359, 1361; Brox/Walker, ZVR, Rn. 931. 75 Stöber, § 114a Rn. 2.8. 76 BGH NJW 2007, 3279 Rz. 37. 70
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Ein Rechtsmissbrauch ist nach hier vertretener Ansicht aber abzulehnen, wenn ein Gläubigervertreter ein Gebot in eigenem Namen abgibt, nur um die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG zu Fall zu bringen, das Gebot aber bei einer Abgabe durch den Gläubiger auch nicht die Wirkung der §§ 85a Abs. 3, 114a ZVG ausgelöst hätte, weil es noch unter diesem Grenzwert geblieben ist.77 Dann lässt sich dem Gläubiger nicht der Vorwurf machen, dass eine Umgehung der Regelung in § 85a Abs. 3 ZVG beabsichtigt wird. Zu Recht hat der BGH die Missbräuchlichkeit in einem anderen Fall verneint, in dem eine Gläubigervertreterin zwar auch ausschließlich beabsichtigte, die Grenzwerte zu Fall zu bringen, das Gebot aber gerade nicht im eigenen Namen abgegeben hatte.78 Auf das Gebot hätte dann nämlich nach den §§ 85a Abs. 3, 114a ZVG der Zuschlag erteilt werden müssen, so dass objektiv keine Verkürzung des Schuldnerschutzes vorlag. Der Vertreterin waren die Vorschriften entweder unbekannt oder sie hatte gehofft, das Vollstreckungsgericht würde sie übersehen und deshalb nicht berücksichtigen. Dass es letztlich auch so kam, da das Gericht den Zuschlag mit der Begründung versagte, die Grenze des § 85a Abs. 1 ZVG sei nicht erreicht worden, lässt das Verhalten jedenfalls ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht rechtsmissbräuchlich werden. Der Fehler liegt beim Vollstreckungsgericht, das § 85a Abs. 3 ZVG nicht beachtet hat. 3. Gebote durch auf Veranlassung des Gläubigers handelnde Dritte Der BGH überträgt seine Rechtsprechung zu Eigengeboten von Gläubigervertretern ohne Erwerbsabsicht auch auf entsprechende Gebote sonstiger Dritter. Er nimmt dort aber keine tatsächliche Vermutung missbräuchlicher Rechtsausübung an, sondern verlangt, dass positiv festgestellt werde, dass es dem Bieter nur um eine Verkürzung des Schuldnerschutzes gehe.79 Diese Differenzierung ist sinnvoll, da ein Rechtsmissbrauch bei sonstigen Dritten anders als bei Gläubigervertretern nicht unbedingt auf der Hand liegt, so dass positive Feststellungen angestellt werden müssen. Soweit an dieser Rechtsprechung kritisiert wird, das Vollstreckungsgericht habe im Versteigerungsverfahren nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung, insbesondere scheide eine Beweisaufnahme aus,80 so ist das richtig. Gleichwohl hat sich das Vollstreckungsgericht auf die ihm bekannten Umstände zu stützen und Wahrnehmungen im Termin zu berücksichtigen. Außerdem kann noch im Beschwerdeverfahren eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung erfolgen. Auch soweit es um Gebote von Dritten geht, 77 A. A. BGH ZIP 2008, 1847 f. (zu einem Gebot eines auf Veranlassung des Gläubiger handelnden Dritten). 78 BGH NJW-RR 2009, 25, 26 mit zust. Anm. Bräuer, ZfIR 2009, 300, 301. 79 BGH ZIP 2008, 1847. 80 Keller, ZfIR 2008, 671, 672 f.
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die auf Veranlassung des Gläubigers handeln, kommt es für die Annahme von Rechtsmissbrauch aber entscheidend darauf an, dass eine Umgehung der §§ 85a Abs. 3, 114a ZVG erfolgt. Hätte also das Gebot bei einer Abgabe durch den Gläubiger nicht die Wirkung nach § 85a Abs. 3 ZVG ausgelöst, weil es noch unter diesem Grenzwert geblieben ist, so kann dem Gebot des Dritten nicht unter Berufung auf § 242 BGB die Wirksamkeit versagt werden.81 4. Rechtliche Konsequenzen eines wegen Rechtsmissbrauchs unwirksamen Gebots Liegt ein rechtmissbräuchliches Gebot vor, so ist dieses unwirksam und vom Vollstreckungsgericht nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückzuweisen.82 Der Schuldner kann sich gegen einen zu Unrecht nach § 85a Abs. 1 ZVG ergangenen Versagungsbeschluss mit der sofortigen Beschwerde zur Wehr setzen; § 97 Abs. 1 ZVG ist entgegen seinem Wortlaut mit Blick auf Art. 14 GG dahingehend verfassungskonform auszulegen.83 IV. Pfändung von Entschädigungsansprüchen wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen 1. Rechtsprechung des BGH Grundsätzlich besteht für den Gläubiger die Möglichkeit, eine gegen ihn selbst gerichtete Forderung des Schuldners gem. §§ 829, 835 ZPO pfänden und sich zur Einziehung überweisen zu lassen.84 Die sog. Selbstpfändung ist für den Gläubiger vor allem interessant, wenn eine Aufrechnung gegen die Schuldnerforderung nicht möglich ist, weil entweder die Aufrechnungsvoraussetzungen nicht vorliegen, Aufrechnungsverbote eingreifen oder der Aufrechnung prozessuale Gründe entgegenstehen.85 Der BGH hatte einen Fall zu beurteilen, in dem das Land Nordrhein-Westfalen wegen eines Justizkostenerstattungsanspruchs gegen einen Strafgefangenen vollstreckte, dem seinerseits gegen das Land ein Entschädigungsanspruch wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen zustand.86 Das Land ließ den Entschädigungsanspruch pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Grund dafür ist ein vom BGH aus § 242 BGB hergeleitetes Aufrech-
81
A. A. aber BGH ZIP 2008, 1847 f. BGH NJW 2007, 3279 Rz. 39 ff.; 2007, 3360; ZIP 2008, 1847. 83 BGH NJW-RR 2008, 688 f.; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 85a Rn. 12.2. 84 BGH NJW 2011, 2649, 2650 f.; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 30.5; Brox/Walker, ZVR, Rn. 513; Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rn. 11; Zöller/Stöber, § 829 Rn. 2. 85 Wann eine Selbstpfändung im Einzelnen zulässig sein soll, wird sehr unterschiedlich beurteilt, vgl. zum Meinungsstand BGH NJW 2011, 2649, 2650 f. m.w. N. 86 BGH NJW-RR 2011, 959. 82
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nungsverbot in diesen Fällen.87 In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat der VII. Zivilsenat auch die Pfändung eines solchen Entschädigungsanspruchs durch den Staat für unzulässig gehalten, da die Selbstpfändung letztlich nur zu einer zeitlich aufgeschobenen Aufrechnung führe. Andernfalls werde der Zweck der Entschädigungspflicht, dem Strafgefangenen Genugtuung zu verschaffen, staatliches Fehlverhalten zu sanktionieren und präventiv zu wirken, vereitelt.88 Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen.89 2. Stellungnahme Der Entscheidung ist insoweit zuzustimmen, als sie im Ergebnis von der Unpfändbarkeit des Entschädigungsanspruchs ausgeht. Der Zweck der Entschädigung würde konterkariert, könnte der Staat diesen Anspruch pfänden. Die öffentliche Hand soll durch die Selbstpfändung nicht ihrer Verpflichtung entgehen können, den Strafgefangenen für menschenunwürdige Haftbedingungen entschädigen zu müssen. Die dogmatische Begründung unter Heranziehung von § 242 BGB bedarf aber einer näheren Untersuchung. Auf den Grundsatz von Treu und Glauben hätte nämlich nicht zurückgegriffen werden müssen, wenn der Entschädigungsanspruch bereits aus einem anderen Grund nicht pfändbar gewesen wäre. Derartige Ansprüche könnten mangels Übertragbarkeit gem. § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar sein. Nicht übertragbar sind nach § 399 Alt. 1 BGB insbesondere Forderungen, bei denen die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann.90 Eine solche Inhaltsänderung tritt vor allem bei der Übertragung höchstpersönlicher oder zweckgebundener Ansprüche auf.91 Davon umfasst sind aber seit Aufhebung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. nicht mehr Schmerzensgeldansprüche wegen immaterieller Schäden, selbst wenn es sich dabei um einen Staatshaftungsanspruch handelt.92 Der Anspruch wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen findet seine Grundlage in § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG, stellt also einen Amtshaftungsanspruch
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BGHZ NJW-RR 2010, 167 f. BGH NJW-RR 2011, 959, 960. 89 Brox/Walker, ZVR, Rn. 530a; Hk-ZV/Bendtsen, § 829 Rn. 32; MüKoZPO/Smid, § 829 Rn. 2; Musielak/Voit/Becker, § 850 Rn. 8a; Schubert, JZ 2014, 1056, 1059. 90 Entgegen seines Wortlauts findet § 851 Abs. 2 ZPO nur auf die Fälle des § 399 Alt. 2 BGB Anwendung, vgl. BGH NJW 1985, 2263, 2264; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 25.8; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 54 Rn. 31; Hk-ZV/Meller-Hannich, § 851 Rn. 23; Musielak/Voit/Becker, § 851 Rn. 3; PG/Ahrens, § 851 Rn. 20; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf/Lorenz, § 851 Rn. 13; Zöller/Stöber, § 851 Rn. 3; a. A. BLAH/Hartmann, § 851 Rn. 16; differenzierend MüKoZPO/Smid, § 851 Rn. 8, 15; Stein/Jonas/ Brehm, § 851 Rn. 28 f. 91 MüKoBGB/Roth/Kieninger, § 399 Rn. 7; NK-BGB/Kreße, § 399 Rn. 2. 92 BGH NJW 2011, 2296, 2298; 2016, 636, 638 f. 88
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dar.93 Das spricht zunächst gegen die Unübertragbarkeit des Entschädigungsanspruchs. Bezogen auf einen Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK wegen konventionswidriger Sicherungsverwahrung hat der BGH die Unpfändbarkeit sogar ausdrücklich verneint.94 Andererseits hält der IX. Zivilsenat den Anspruch wegen Verletzung der Menschenrechtskonvention nach Art. 41 EMRK für unpfändbar.95 In der Entscheidung ging es um die Zugehörigkeit des Anspruchs zur Insolvenzmasse.96 Die Entschädigungsleistung sei derart mit der Person des Gläubigers verknüpft, dass eine Leistung an die Masse oder einen Vollstreckungsgläubiger den Leistungsinhalt grundlegend verändern und die Leistung daher als andere erscheinen würde; ein Ausgleich der persönlichen Beeinträchtigung und der dadurch bewirkten schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung könne so nicht erreicht werden.97 Gleichermaßen entschieden hat dies der IX. Zivilsenat für einen gegen die Katholische Kirche gerichteten Entschädigungsanspruch wegen sexuellen Missbrauchs.98 Die jeweilige Argumentation lässt sich auch auf den Entschädigungsanspruch wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen übertragen. Der Anspruch soll eine Verletzung der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) sanktionieren.99 Wollte man eine Pfändung des Anspruchs zulassen, so würde er seinen Zweck verfehlen, gerade dem Strafgefangenen persönlich einen Ausgleich für sein erlittenes Unrecht zu gewähren. Die Befassung mit der Rechtsprechung des BGH zur Frage der Unpfändbarkeit zeigt, dass es keine eindeutige Linie gibt. Es ist also keineswegs zwingend, die Pfändung des Entschädigungsanspruchs wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen nur gestützt auf § 242 BGB für unpfändbar zu halten. Gleichwohl ist diese Lösung letztlich die überzeugendere. Mit der Aufhebung von § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass auch Schadensersatzansprüche wegen immaterieller Schäden im Grundsatz übertragbar sein sollen. Etwas anderes kann deshalb für einen konkreten Anspruch nur in Ausnahmefällen gelten und bedarf einer besonderen Begründung. Im vom BGH entschiedenen Fall lag die Besonderheit darin, dass der Staat als Anspruchsverpflichteter die Forderung pfänden lassen wollte. Das hätte den Zweck des Anspruchs konterka-
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BGH NJW 2005, 58, 59; 2006, 3572; NJW-RR 2010, 167; NJW 2013, 3176. BGH NJW 2016, 636, 637 ff. 95 BGH NJW 2011, 2296, 2298. 96 Nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO gehören Gegenstände nicht zur Insolvenzmasse, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. Deshalb war insoweit die Unpfändbarkeit gem. §§ 851 Abs. 1 ZPO, 399 Alt. 1 BGB zu klären. 97 BGH NJW 2011, 2296, 2298 f.; kritisch dazu Schubert, JZ 2014, 1056, 1059. 98 BGH NJW 2014, 1009, 1010 f. 99 BGH NJW 2005, 58, 59; NJW-RR 2010, 167. 94
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
riert.100 Für den Staat musste der Anspruch also unpfändbar sein. Hätte der BGH aber eine Unpfändbarkeit nach §§ 851 Abs. 1 ZPO, 399 Alt. 1 BGB angenommen, so hätte damit auch festgestanden, dass auf einen Entschädigungsanspruch wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen auch andere Gläubiger des Strafgefangenen nicht zugreifen könnten. Das ist zum Schutz des Schuldners aber nicht mehr angezeigt, vielmehr gebietet dort das Befriedigungsinteresse der Gläubiger den Vorzug. V. Negative Bietabkommen und Zuzahlungsvereinbarungen in der Zwangsversteigerung 1. Negative Bietabkommen Ein Grundstück mit einem Wert von 270.000 Euro wird zwangsversteigert. Ein nachrangiger Gläubiger und ein Bietinteressent vereinbaren, dass der nachrangige Gläubiger in der Versteigerung keine Gebote abgibt und er im Gegenzug 50.000 Euro erhält, um so dem Bietinteressenten einen günstigeren Erwerb zu ermöglichen. Der Bietinteressent erklärt sich zur Abgabe eines Gebots mindestens in Höhe von 190.000 Euro bereit und bleibt damit auch im Versteigerungstermin Meistbietender, so dass er den Zuschlag erhält. Der nachrangige Gläubiger wäre bereit gewesen, bis zu einem Betrag von 240.000 Euro mitzubieten. Die erstrangige Grundpfandrechtsgläubigerin fällt mit ihrer Forderung über 290.000 Euro in Höhe von 100.000 Euro aus. Dieser Fall ist angelehnt an eine Entscheidung des OLG Karlsruhe101 und betrifft den klassischen Fall einer Bietabrede. Diese Form der Einflussnahme auf das Versteigerungsverfahren wirft die Frage nach der Zulässigkeit solcher Abreden und ihrer Behandlung auf. a) Abgrenzung zu Ausbietungsgarantien und -verträgen Als negative Bietabkommen werden in der Zwangsversteigerung Abreden bezeichnet, in denen sich ein Bietinteressent gegen Zahlung einer bestimmten Summe dazu verpflichtet, selbst nicht bei der Versteigerung mitzubieten, um so der anderen Partei zu ermöglichen, das Grundstück zu einem günstigeren Preis erstehen zu können.102 Abzugrenzen sind diese sog. pacta de non licitando von Ausbietungsgarantien, bei denen es darum geht, dass sich jemand zur Abgabe eines Gebots in einer bestimmten Mindesthöhe verpflichtet.103 Wegen der damit 100
Vgl. auch EGMR NJW 2001, 56, 61, der sogar von „Perversion“ spricht. OLG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1504 f. 102 BGH NJW 1961, 1012 f.; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 71 Rn. 20; Stöber, § 71 Rn. 8.8; Storz/Kiderlen, C.5.4.2. 103 Böttcher, § 71 Rn. 50. Ausbietungsgarantien gibt es in verschiedenen Erscheinungsformen, als selbstständige oder unselbstständige, sowie in unterschiedlicher Wirkungsintensität, vgl. ausführlich dazu Droste, MittRhNotK 1995, 37 ff. 101
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verbundenen, zumindest bedingten, Pflicht zum Erwerb des Grundstücks, sind Ausbietungsgarantien nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB auch beurkundungspflichtig.104 Eine Ausbietungsgarantie dient dazu, einen Grundpfandrechtsgläubiger vor einem Ausfall zu bewahren.105 Durch das zugesicherte Mindestgebot ist nämlich gewährleistet, dass ein Grundpfandrechtsgläubiger mit seiner Forderung gegen den Schuldner und Eigentümer des Grundstücks nicht ausfällt. Ähnlichkeit weisen auch Ausbietungsverträge auf, bei denen der Erwerbsinteressent aber gerade keine Erwerbsverpflichtung eingeht.106 Negative Bietabkommen verfolgen hingegen einen anderen Zweck. Durch sie soll Einfluss auf den Ablauf einer Zwangsversteigerung in der Form genommen werden, dass Bietinteressenten vom Bieten abgehalten werden.107 b) Sittenwidrigkeit negativer Bietabreden Bietabreden können wegen des mit ihnen verbundenen Eingriffs in das Versteigerungsverfahren unter Ausschaltung von Bietinteressenten nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein.108 Zwar verstoßen diese pacta de non licitando nicht in jedem Fall gegen die guten Sitten. Es gibt nämlich keine Bietpflicht, weshalb auf die Möglichkeit zum Mitbieten grundsätzlich auch verzichtet werden kann.109 Im Einzelfall kann sich die Sittenwidrigkeit aber aus Beweggrund, Inhalt und Zweck der Vereinbarung ergeben.110 Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist jedenfalls immer dann anzunehmen, wenn durch die Bietabrede andere Verfahrensbeteiligte, insbesondere der Schuldner und andere Gläubiger, geschädigt werden, weil sich der Ersteher des Grundstücks unberechtigte Vermögensvorteile dadurch verschafft, dass er das Grundstück zu einem niedrigeren Meistgebot ersteigern kann, als er es bei einem unbeeinflussten Versteigerungstermin hätte tun können.111 104
BGH NJW-RR 1993, 14 (noch zu § 313 BGB a. F.); Böttcher, § 71 Rn. 50. Droste, MittRhNotK 1995, 37, 38; Stöber, § 71 Rn. 8.1. 106 Dazu näher Droste, MittRhNotK 1995, 37, 54 f. 107 Droste, MittRhNotK 1995, 37, 55; Stöber, § 71 Rn. 8.1. 108 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 36.8; Brox/Walker, ZVR, Rn. 907; Dierck/Morvilius/ Vollkommer/Morvilius, 4. Kap. Rn. 514; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 64 Rn. 31; MüKoBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 109; NK-BGB/Looschelders, § 138 Rn. 353; Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 Rn. 512; Stöber, § 71 Rn. 8.8. 109 LG Bielefeld NJW 1960, 534; Droste, MittRhNotK 1995, 37, 55. 110 OLG Celle NJW 1969, 1764; OLG Köln NJW 1978, 47; OLG Frankfurt ZIP 1989, 399, 400; OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 413, 414; OLG Koblenz NJW-RR 2002, 1504; LG Bielefeld NJW 1960, 534; LG Saarbrücken Rpfleger 2000, 80 f.; Kirsch, Rpfleger 2006, 373, 376; Stöber, § 71 Rn. 8.8. 111 BGH NJW 1961, 1012, 1013; 1979, 162, 163 f.; OLG Köln BB 1963, 1280; NJW 1978, 47; OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 413, 414; OLG Koblenz NJW-RR 2002, 1504; OLG Naumburg, Urt. v. 26.2.2004 – 7 U 123/03, BeckRS 2004, 30339662; LG Bielefeld NJW 1960, 534; LG Saarbrücken Rpfleger 2000, 80, 81; Böttcher, § 71 Rn. 49; Dierck/Morvilius/Vollkommer/Morvilius, 4. Kap. Rn. 514; Staudinger/Sack/ Fischinger, § 138 Rn. 512; Stöber, § 71 Rn. 8.8. 105
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Dies ist dann der Fall, wenn die Bieterkonkurrenz geschmälert wird und der Ersteher das Grundstück deshalb zu einem besonders günstigen Preis erwerben kann. Der Zweck des Versteigerungsverfahrens, durch ein hohes Meistgebot eine möglichst wertangemessene und die Lasten deckende Verwertung des Grundstücks zu erzielen, wird dadurch ausgehebelt.112 Es reicht aus, dass nur ein Bietinteressent vom Bieten abgehalten wird, der bereit und in der Lage gewesen wäre, ein höheres Gebot als das Meistgebot abzugeben.113 So wurde auch im geschilderten Beispielsfall die Versteigerung dahingehend beeinflusst, dass das Grundstück nicht zu einem wertangemessenen Preis in Höhe von 240.000 Euro versteigert wurde, sondern nur für 190.000 Euro. Die vom Ersteher außerhalb des Verfahrens gezahlten 50.000 Euro sind weder dem Grundstückseigentümer und Schuldner noch der erstrangigen Gläubigerin zugeflossen, was bei einem unbeeinflussten Verfahrensablauf der Fall gewesen wäre. Ein mit den guten Sitten nicht zu vereinbarendes Verhalten kann sogar dann anzunehmen sein, wenn die Abrede wirtschaftlich gesehen nicht unbedingt nachteilig ist, weil es sich um ein schlecht verwertbares Grundstück handelt und keine anderen Interessenten vorhanden sind, das Herausziehen der Zahlung aus dem Zwangsversteigerungsverfahren in eine schuldrechtliche Vereinbarung aber die Schutzmechanismen des ZVG außer Kraft setzt und so den Schuldner und andere Gläubiger mit dem Ausfallrisiko belastet.114 Betrifft das negative Bietabkommen eine Teilungsversteigerung, so kann es ebenfalls sittenwidrig sein, wenn damit eine Schädigung anderer Miteigentümer verbunden ist.115 2. Zuzahlungsvereinbarungen Eng verwandt mit negativen Bietabreden sind Zuzahlungsvereinbarungen. In diesen Fällen verlangt ein betreibender Gläubiger nach dem Schluss der Versteigerung gegenüber dem Meistbietenden die Leistung einer Zuzahlung, damit der Gläubiger Abstand davon nimmt, auf eine Einstellung des Verfahrens hinzuwirken und so den Zuschlag an den Meistbietenden zu verhindern. In Betracht kommt etwa die Bewilligung einer einstweiligen Einstellung nach § 30 Abs. 1 S. 1 ZVG oder unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Antrag nach § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG. Der Meistbietende ist folglich gezwungen, außerhalb des Versteigerungsverfahrens und über das Meistgebot hinaus eine Zahlung an den Gläubiger zu erbringen, um den Zuschlag erhalten zu können. Eine Vereinbarung zwi112
BGH NJW 1961, 1012, 1013; 1979, 162, 163. BGH NJW 1961, 1012, 1013; WM 1965, 203, 204. 114 OLG Frankfurt ZIP 1989, 399, 401. 115 OLG Hamm OLGZ 1974, 123, 127, dort aber verneint, weil gerade eine wertangemessene Versteigerung in der Abrede sichergestellt worden war. Im konkreten Fall hielt das Gericht die Vereinbarung jedoch mangels notarieller Beurkundung für formnichtig. 113
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schen dem Meistbietenden und dem betreibenden Gläubiger, in der der Gläubiger auf eine Einstellungsbewilligung bzw. einen Einstellungsantrag gegen Leistung einer Zuzahlung verzichtet, lässt sich nicht mit dem Zweck des Versteigerungsverfahrens vereinbaren, da die Zuzahlung dem Versteigerungsverfahren entzogen wird und nicht zum Gegenstand des Verteilungsverfahrens gemacht werden kann, so dass dem Schuldner bzw. anderen Gläubigern ein Nachteil entsteht.116 Wegen der schädigenden Wirkung sind solche Vereinbarungen ebenfalls als sittenwidrig anzusehen.117 Es ist für den Meistbietenden im Übrigen auch überhaupt nicht sicher, dass es nach der Zuzahlung tatsächlich zum Zuschlag kommt, da darüber das Vollstreckungsgericht entscheidet und nicht der die Zuzahlung verlangende Gläubiger. Ist der Meistbietende nicht zur Zuzahlung bereit und kommt es deshalb auf Veranlassung des Gläubigers zur Einstellung des Verfahrens, so lässt sich darüber nachdenken, die Einstellungsbewilligung des Gläubigers wegen Rechtsmissbrauchs als unwirksam zu behandeln, da mit ihr verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden.118 Dabei ist aber zu bedenken, dass eine solche Vorgehensweise nicht in jedem Fall im Interesse der benachteiligten Verfahrensbeteiligten liegen muss. Das Meistgebot, auf das dann der Zuschlag erteilt wird, kann nämlich auch ungünstiger sein, als wenn nach einer Verfahrenseinstellung ein neuer Versteigerungstermin anberaumt worden wäre, in dem dann möglicherweise sogar ein höheres Meistgebot hätte erzielt werden können.119 3. Konsequenzen sittenwidriger Bietabreden und Zuzahlungsvereinbarungen für die Versteigerung Gelangt man zum Ergebnis, dass ein negatives Bietabkommen oder eine Zuzahlungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, so stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Versteigerung, konkret die Wirksamkeit der Gebote und den Zuschlag hat. a) Wirksamkeit des Meistgebots aa) Negative Bietabkommen Rechtsprechung und Literatur halten das bei Vorliegen einer sittenwidrigen Bietabrede abgegebene Meistgebot für wirksam.120 Es ist auch nicht ersichtlich, 116
BGH Rpfleger 2012, 640, 641; Kirsch, Rpfleger 2006, 373, 376. Kirsch, Rpfleger 2006, 373, 376. 118 Kirsch, Rpfleger 2006, 373, 376 f. Siehe zu missbräuchlichen Einstellungsbewilligungen zur Ausübung von Zahlungsdruck schon § 8 E. 119 Diese Konsequenz ebenfalls in den Blick nehmend BGH Rpfleger 2012, 640, 641. 120 OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 413, 414; LG Verden Rpfleger 1953, 243, 244; LG Saarbrücken Rpfleger 2000, 80, 81; Böttcher, § 71 Rn. 49; Dassler/Schiffhauer/ 117
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weshalb eine privatrechtliche Vereinbarung außerhalb des Versteigerungsverfahrens, die wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, Einfluss auf die Wirksamkeit der Gebote im Versteigerungstermin haben sollte. Die Vereinbarung bezweckt, den Kreis der Bieter zu beschränken und den Ablauf der Versteigerung manipulativ dahingend zu beeinflussen, dass ein möglichst niedriges Meistgebot erreicht wird. Die Sittenwidrigkeit resultiert also gerade aus der Gebotsverhinderung. Das Meistgebot des am negativen Bietabkommen beteiligten Bieters als unwirksam zu behandeln, hätte unter Umständen sogar die fatale Folge, dass ein noch niedrigeres Gebot eines anderen Bieters das Meistgebot darstellen würde, worauf der Zuschlag erteilt werden müsste. Das würde aber gerade dem Zweck, den Schuldner und Grundstückseigentümer zu schützen, zuwider laufen. bb) Zuzahlungsvereinbarungen Auf die Wirksamkeit des Meistgebots kann eine Zuzahlungsvereinbarung bereits deshalb keine Auswirkung haben, da diese erst nach Schluss der Versteigerung getroffen wird.121 b) Eingreifen eines Zuschlagsversagungsgrundes Auch wenn das Meistgebot wirksam ist, hat darauf aber nicht zwingend der Zuschlag zu erfolgen, wenn ein Zuschlagsversagungsgrund eingreift. Nach einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht ist in einem negativen Bietabkommen aber weder ein Zuschlagsversagungsgrund zu sehen noch könne darauf mit Erfolg eine Zuschlagsbeschwerde gestützt werden.122 Lediglich für den Fall, dass der Rechtspfleger vor Zuschlagserteilung von dem Bietabkommen Kenntnis erlange, sei er gehalten, von einem sofortigen Zuschlag abzusehen und den Schuldner auf die Möglichkeit eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO hinzuweisen.123 Diese Ansicht überzeugt nicht. Hat das Vollstreckungsgericht Kenntnis von der negativen Bietabrede, so ist der Zuschlag zu versagen. Es liegt dann ein Zuschlagsversagungsgrund i. S. d. § 83 Nr. 6 ZVG vor.124 Als sonstiger Grund, der zu einer Zuschlagsversagung führt, sind Verfahrensfehler oder Verfahrenshindernisse einzuordnen, die einer Fortsetzung des Verfahrens entgegenstehen oder be-
Hintzen, § 71 Rn. 20; Droste, MittRhNotK 1995, 37, 55; Kalter, KTS 1964, 193, 214; Stöber, § 71 Rn. 8.8; a. A. ohne nähere Begründung Hk-ZV/Stumpe, § 71 ZVG Rn. 16. 121 BGH Rpfleger 2012, 640. 122 OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 413, 414; LG Saarbrücken Rpfleger 2000, 80, 81; Böttcher, § 71 Rn. 49; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 71 Rn. 20; Kalter, KTS 1964, 193, 214; Kirsch, Rpfleger 2006, 373, 377; Stöber, § 71 Rn. 8.8. 123 OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 413, 414; LG Saarbrücken Rpfleger 2000, 80, 81. 124 So auch Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 83 Rn. 23.
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reits einer Einleitung des Verfahrens im Weg standen, zum Beispiel fehlende Partei- oder Prozessfähigkeit sowie Zustellungsmängel.125 Bei der sittenwidrigen Bietabrede handelt es sich zwar nicht um einen Verfahrensfehler oder ein Verfahrenshindernis, die Abrede wirkt aber manipulativ auf den Ablauf des Verfahrens im Versteigerungstermin ein. Die Versteigerung läuft somit nicht ohne negative Beeinflussung ab und führt zu einer Beeinträchtigung der Rechte anderer Verfahrensbeteiligter. Das rechtfertigt die Einordnung als sonstiger Zuschlagsversagungsgrund. Nach Ansicht des BGH liegt bei einer Zuzahlungsvereinbarung ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG vor.126 Die Zuzahlung wird aus dem Versteigerungsverfahren gezogen und der Verwertungserlös für das Grundstück fällt geringer aus, so dass der Betrag der Zuzahlung nicht dem Schuldner und den nach den Regeln des Verteilungsverfahrens zu befriedigenden Gläubigern zukommt.127 Diese Argumentation gilt dann aber erst recht für die Fälle negativer Bietabkommen, da dort sogar vor Beginn der Versteigerung manipulierend Einfluss genommen und eine Schädigung anderer Verfahrensbeteiligter bewirkt wird. Kein anderes Ergebnis rechtfertigt das Argument, das Vollstreckungsgericht habe nur formelle Voraussetzungen des Versteigerungsverfahrens zu prüfen und sich deshalb nicht mit dem Vorwurf einer sittenwidrigen Bietabrede auseinanderzusetzen.128 Zwar hat das Vollstreckungsgericht nur eingeschränkte materiellrechtliche Prüfungskompetenzen, das gilt aber nicht, soweit es um missbräuchliche Einwirkungen auf das Versteigerungsverfahren geht.129 Negative Bietabreden enthalten Vereinbarungen, wie sich Bietinteressenten im Versteigerungstermin zu verhalten haben, genauer gesagt die Verpflichtung eines Bietinteressenten, nicht mitzubieten. Der privatrechtliche Vertrag hat somit eine in das Verfahren eingreifende Dimension. Es liegt daher nahe, einen Vergleich mit Vollstreckungsvereinbarungen zu ziehen. Soweit die Parteien dort Regelungen treffen, die das gesetzlich vorgesehene Verfahren modifizieren sollen, sollte eine solche Vereinbarung seitens der Vollstreckungsorgane zu berücksichtigen sein.130 Zwar hat sich der BGH jüngst unter Berufung auf den Formalisierungsgrundsatz gegenteilig geäußert und die Kompetenz der Vollstreckungsorgane zur Prüfung einer vollstreckungsbeschränkenden Vereinbarung abgelehnt.131 In der Entscheidung ging es um die Frage, ob der Verstoß gegen eine solche Vereinbarung mittels der Voll125
Hk-ZV/Stumpe, § 83 ZVG Rn. 7. BGH Rpfleger 2012, 640 Rz. 13. 127 BGH Rpfleger 2012, 640 Rz. 8 f. 128 So aber LG Saarbrücken Rpfleger 2000, 80, 81; ähnlich auch LG Verden Rpfleger 1953, 243, 244. 129 Siehe dazu schon näher § 5. 130 So auch Brox/Walker, ZVR, Rn. 204; Musielak/Voit/Lackmann, Vor § 704 Rn. 18; Zöller/Stöber, Vor § 704 Rn. 25. 131 BGH NJW 2017, 2202, 2204. 126
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streckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden kann. Der BGH verneint dies und spricht sich für die Statthaftigkeit einer Klage analog § 767 ZPO aus.132 Berücksichtigt man aber, dass die Vollstreckungsorgane auch bei der Anwendung spezifischen Vollstreckungsrechts mitunter komplizierte materiellrechtliche Fragen zu prüfen haben, so ist die Auffassung des BGH keinewegs zwingend.133 Deshalb hat auch der Rechtspfleger eine gegen die guten Sitten verstoßende negative Bietabrede bei der Zuschlagsentscheidung zu berücksichtigen. Es genügt auch nicht, Verfahrensbeteiligte, die wegen des Bietabkommens einen Schaden erlitten haben, allein auf einen in einem eigenen Verfahren geltend zu machenden Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu verweisen.134 Zwar lässt sich dadurch unter Umständen der wirtschaftliche Schaden wegen der nicht wertangemessenen Versteigerung des Grundstücks rückgängig machen, die Geschädigten tragen in diesem Fall aber das volle Risiko des Ausfalls, wenn die Schädiger nicht zahlungsfähig sind. Hat das Vollstreckungsgericht keine Kenntnis von der Abrede erlangt und den Zuschlag an den Meistbietenden erteilt, so besteht für die benachteiligten Verfahrensbeteiligten konsequenterweise noch die Möglichkeit einer Zuschlagsbeschwerde.135 Ist der Zuschlagsbeschluss allerdings in Rechtskraft erwachsen, lässt sich der Zuschlagsversagungsgrund nicht mehr berücksichtigen. Es besteht dann aber für durch die Abrede geschädigte Verfahrensbeteiligte zumindest noch die Möglichkeit, in einem eigenen Verfahren den Anspruch wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB geltend zu machen.136 VI. Schlechtmachen des Versteigerungsobjekts An einen missbräuchlichen Eingriff in den Ablauf des Versteigerungsverfahrens ist auch zu denken, wenn sich ein Bieter unter Ausschaltung anderer Bieter dadurch Vermögensvorteile verschaffen will, dass er das Versteigerungsobjekt schlecht macht. Der sich so verhaltende Bieter kann sowohl ein Gläubiger als auch irgendein Dritter sein. In einer Entscheidung des OLG Köln hatte ein Mit132
BGH NJW 2017, 2202, 2204 f. Siehe zu den Durchbrechungen des Formalisierungsgrundsatzes näher schon § 5 C. 134 Zur Haftung nach § 826 BGB in diesen Fällen: OLG Köln BB 1963, 1280; OLG Frankfurt ZIP 1989, 399, 400 f.; OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 413, 414; LG Saarbrücken Rpfleger 2000, 80, 81; Böttcher, § 71 Rn. 49; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 71 Rn. 20; Kirsch, Rpfleger 2006, 373, 377; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 72; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 555; Stöber, § 71 Rn. 8.8. Unter weiteren Voraussetzungen kann sogar ein Schadensersatzanspruch wegen eines Kartellrechtsverstoßes nach § 33 GWB bestehen (dazu OLG Frankfurt ZIP 1989, 399, 401 f.). 135 A. A. insoweit ebenfalls OLG Karlsruhe Rpfleger 1993, 413 f.; LG Saarbrücken Rpfleger 2000, 80, 81; Böttcher, § 71 Rn. 49; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 71 Rn. 20. 136 Vgl. BGH NJW 1970, 565, 566; 1979, 162, 163. 133
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eigentümer im Rahmen einer Teilungsversteigerung vor dem Versteigerungstermin eine Liste mit Mängeln des Versteigerungsobjekts verteilt.137 Sein Ziel war es, das Objekt zu einem möglichst geringen Gebot zu ersteigern. Da die Mängelliste im Wesentlichen zutreffend war und das höchste Gebot sogar deutlich über dem festgesetzen Verkehrswert lag, verneinte das OLG zu Recht ein sittenwidriges Verhalten des Miteigentümers. Die Einflussnahme auf das Versteigerungsverfahren kann nicht als verwerflich angesehen werden, wenn in zutreffender Weise über das Versteigerungsobjekt informiert wird. Anders als in den Fällen sittenwidriger Bietabkommen wird das Verfahren gerade nicht verfälscht. Der den Zuschlag erhaltende Bieter profitiert nicht von einer negativen Einflussnahme auf das Versteigerungsverfahren. Er macht sich lediglich zunutze, dass die Versteigerung auf einer solideren Informationsgrundlage abläuft und es gerade zu einer dem wirklichen Wert des Objekts entsprechenden Verwertung kommt. Etwas anderes muss allerdings dann gelten, wenn durch einen Beteiligten bewusst falsche Informationen gestreut werden, um sich dadurch einen Vorteil im Versteigerungsverfahren zu verschaffen. Dann ist das Verhalten als sittenwidrig einzuordnen und kann einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB begründen. Anders als im Fall sittenwidriger Bietabreden ist im bewusst wahrheitswidrigen Schlechtmachen des Versteigerungsobjekts aber kein Zuschlagsversagungsgrund zu sehen. Der Unterschied zu negativen Bietabreden besteht darin, dass dort Bieter zielgerichtet durch eine Vereinbarung vom Mitbieten abgehalten werden. Auch wenn die Abrede nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist und folglich keine Verpflichtungen begründet, so hat sie doch die Wirkung, dass sich die Parteien an die Vereinbarung gebunden fühlen. Das Streuen von Fehlinformationen bezweckt zwar ebenfalls eine Schmälerung der Bieterkonkurrenz, hat aber nicht die gleiche Intensität, da es den Bietern immer noch selbst überlassen bleibt, ob sie auf die Informationen vertrauen oder nicht. VII. Titelmissbrauch Der Vollstreckungstitel legitimiert den Gläubiger zur zwangsweisen Durchsetzung seines Anspruchs. Nur bei Vorliegen eines Titels kann der Gläubiger die Vollstreckungsorgane mit der Durchführung bestimmter Vollstreckungsmaßnahmen beauftragen. Da die Vollstreckungsorgane aber nicht mehr die inhaltliche Richtigkeit des Titels überprüfen,138 besteht die Gefahr, dass der Gläubiger aus einem nach materiellem Recht unrichtigen Titel vollstreckt. Es ist näher zu untersuchen, wann in diesen Fällen ein Titelmissbrauch zu Lasten des Schuldners vorliegt und unter welchen Voraussetzungen ein solcher verhindert werden kann.
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OLG Köln NJWE-MietR 1996, 113 f. Siehe dazu näher schon § 5 A. I. und D. II.
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1. Vollstreckung aus unrichtigen Urteilen und Vollstreckungsbescheiden a) Problemlage Vollstreckt der Gläubiger aus einem unrichtigen rechtskräftigen Titel, so besteht eine Kollisionslage zwischen dem Institut der Rechtskraft auf der einen und dem Gerechtigkeitsempfinden auf der anderen Seite. Die Rechtskraft ist zentraler Bestandteil des Verfahrensrechts zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden.139 Hätte der Schuldner die Möglichkeit, eine gegen ihn ergangene Entscheidung grenzenlos zum Gegenstand einer erneuten Überprüfung zu machen, so wäre die Folge völlige Rechtsunsicherheit. Auch das Funktionieren der Justiz lässt sich nur dadurch sicherstellen, dass nicht wiederholt über dieselbe Angelegenheit entschieden werden muss und es dadurch zu einer Überlastung der Gerichte und möglicherweise sogar sich widersprechenden Entscheidungen kommt.140 Aus diesem Grund sieht die Prozessordnung vor, dass nach Ablauf der Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs die Entscheidung formell rechtskräftig wird (§ 705 ZPO). Die materielle Rechtskraft (vgl. § 322 ZPO) folgt der formellen und schließt eine nochmalige gerichtliche Befassung mit der identischen Streitfrage aus.141 Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass grundsätzlich auch sachlich unrichtige Entscheidungen hingenommen werden müssen, wenn sie in Rechtskraft erwachsen sind. Lediglich punktuell finden sich Ausnahmen einer Beseitigung der Rechtskraft. So kann unter bestimmten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO) beantragt werden oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff. ZPO) erfolgen. Rechtsbehelfe zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft lassen sich in der Abänderungsklage (§ 323 ZPO)142 und dem Vollstreckungsschutzantrag (§ 765a ZPO) sehen.143 Geht es aber um die Frage, ob die Vollstreckung aus einem unrichtigen Titel abgewendet werden kann, weil sie mit dem Gerechtigkeitsgefühl nicht zu vereinbaren wäre, erweisen sich die verfahrensrechtlich vorgesehenen Instrumente zumeist als entweder sachlich unanwendbar, oder aber es fehlt an den zum Teil strengen Voraussetzungen. Dem Schuldner hilft in diesen Fällen auch die Vollstreckungsabwehrklage nicht weiter, da die gegen den titulierten Anspruch
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Vgl. nur BVerfG NJW 1968, 147, 149; 1978, 1151, 1154. MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 3; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rn. 29. 141 Prozessuale Rechtskrafttheorie: BGH NJW 1961, 917; 1985, 1711, 1712; 2004, 1252, 1253; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 9 ff.; Zöller/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 17 ff. jeweils m.w. N. 142 H.M., vgl. nur BGH NJW 2005, 2313; 2008, 1446, 1447; 2010, 2437, 2438; Stein/Jonas/Leipold, § 323 Rn. 1; Zöller/Vollkommer, § 323 Rn. 2; a. A. MüKoZPO/ Gottwald, § 323 Rn. 9 m.w. N. 143 Vgl. zu den einzelnen Komplexen eingehender Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 369 ff. 140
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bestehenden Einwendungen bereits im Erkenntnisverfahren hätten geltend gemacht werden können und damit Präklusion gem. § 767 Abs. 2 ZPO eingetreten ist. Nicht überzeugen kann der Ansatz, wonach der Schuldner auch gegen die Vollstreckung eines erschlichenen Urteils oder die Ausnutzung eines unrichtigen Urteils Vollstreckungsabwehrklage erheben können soll.144 Es wird damit argumentiert, dass der Gläubiger durch den Erlass des Urteils eine eigenständige Rechtsposition erwerbe, weshalb im Falle eines Erschleichens dem Schuldner die Einrede des unrichtigen Rechtserwerbs analog § 853 BGB zustehe; gegen die Ausnutzung eines unrichtigen Urteils könne dieser sich mit dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung zur Wehr setzen.145 Die Präklusionsnorm des § 767 Abs. 2 ZPO stehe der Lösung nicht im Weg, da die Gegenrechte des Schuldners erst nach der letzten mündlichen Verhandlung entstünden.146 Diese Ansicht ist dogmatisch fragwürdig, da sie eine durch das Urteil vermittelte eigenständige Rechtsposition konstruiert, für die es keine Grundlage gibt. Das Urteil enthält einen Ausspruch über den materiell-rechtlichen Anspruch, begründet aber keine neue Rechtsposition. § 767 ZPO ist auch unzweifelhaft darauf zugeschnitten, Einwendungen gegen den materiell-rechtlichen Anspruch geltend zu machen. Die ganze Diskussion um die Frage einer Durchbrechung der Rechtskraft hat ihren Ausgangspunkt in der Unrichtigkeit des Urteils, weil der materiell-rechtliche Anspruch dem Gläubiger tatsächlich nicht zusteht. Anknüpfungspunkt ist folglich der materiell-rechtliche Anspruch. Da die gegen diesen gerichteten Einwendungen aber schon vor dem Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung hätten geltend gemacht werden können, steht § 767 Abs. 2 ZPO einer Lösung über die Vollstreckungsabwehrklage im Weg. Bei der Vollstreckung aus unrichtigen Vollstreckungsbescheiden stellt sich die Frage der Rechtskraftdurchbrechung in gleichem Maße wie bei Urteilen, da auch Vollstreckungsbescheide der materiellen Rechtskraft fähig sind.147 Die entgegenstehende Ansicht148 lässt sich aufgrund der klaren gesetzlichen Anordnung in § 700 Abs. 1 ZPO, wonach der Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichsteht, nicht überzeugend begründen.149
144
So aber Lukes, ZZP 72 (1959), 99, 113 ff. Lukes, ZZP 72 (1959), 99, 117 f. 146 Lukes, ZZP 72 (1959), 99, 118 ff. 147 BVerfG NJW 1991, 2412, 2413; BGH NJW 1987, 3256, 3257; 1987, 3259, 3260; 1988, 971, 972; NJW-RR 1990, 303, 304. 148 OLG Köln NJW 1986, 1350. 149 So auch Grunsky, ZIP 1986, 1361, 1365, 1373; ders., WM 1987, 1349 f.; Prütting/Weth, Rn. 58 ff. 145
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
b) Die Klage nach § 826 BGB zur Durchbrechung der Rechtskraft Der BGH lässt zurückgehend auf das RG150 in ständiger Rechtsprechung „in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen“ eine Klage nach § 826 BGB zur Durchbrechung der Rechtskraft zu, „wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt“.151 Die Rechtskraft wird in zweckwidriger Weise missbraucht, wenn sie dazu dient, „dem Unrecht den Stempel des Rechts zu geben“.152 Die Klage kann auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus dem unrichtigen Titel und dessen Herausgabe153 oder auf Leistung von Schadensersatz bei bereits erfolgter Vollstreckung gerichtet sein.154 Liegen die für eine Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB erforderlichen Voraussetzungen vor, kann der Schuldner dies auch als eigenständige Einwendung unzulässiger Rechtsausübung geltend machen.155 Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für eine Rechtskraftdurchbrechung muss aber auch insoweit § 826 BGB sein. Soweit der BGH in vereinzelten Entscheidungen auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zurückgreift, lässt er eine Rechtskraftdurchbrechung zwar nur unter den zu § 826 BGB entwickelten Anforderungen zu.156 Gleichwohl gilt es zu vermeiden, dass der Eindruck entsteht, die Rechtskraft lasse sich allein unter Berufung auf § 242 BGB und somit bei einem lediglich treuwidrigen Verhalten des Gläubigers durchbrechen.157 Der Schuldner ist vielmehr nur dazu berechtigt, die Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB im Wege der Einwendung unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB einzuwenden, weil der Gläubiger etwas verlangt, was er aus einem anderen Grund sogleich zurückgewähren müsste (dolo agit qui petit quod statim redditurus est).158
150 RGZ 46, 75, 79 f.; 61, 359, 364 f.; 75, 213, 214; 78, 389, 393 f.; 155, 55, 60; 168, 1, 12. 151 So insbesondere BGH NJW 1987, 3256, 3257; 1987, 3259, 3260; 1988, 971, 972; 1998, 2818; 1999, 1257, 1258; 2005, 2991, 2994; NJW-RR 2012, 304, 305; ebenfalls BAG NJW 1961, 573, 575 f.; BSG NJW 1987, 2038, 2039. 152 RGZ 61, 359, 365; BGH NJW 1964, 349; 1968, 1275, 1276. 153 BGH NJW 1958, 826. 154 BGH NJW 1986, 1751, 1752. 155 BGH NJW 1964, 2350, 2353; 1993, 3204, 3205; 1995, 967, 968; NJW-RR 1996, 826, 827; Beschl. v. 9.2.2012 – I ZB 4/12, BeckRS 2012, 05510; MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 233; Soergel/Hönn, § 826 Rn. 228; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 512; Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 248. 156 BGH NJW 1993, 3204, 3205; 1995, 967, 968; NJW-RR 1996, 826, 827. 157 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 7 Rn. 15; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rn. 276. 158 BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – I ZB 4/12, BeckRS 2012, 05510; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 512.
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In der Literatur wird die Rechtsprechung zum großen Teil befürwortet,159 teilweise wird die rechtskraftdurchbrechende Klage nach § 826 BGB sogar als Gewohnheitsrecht160 oder richterliche Rechtsfortbildung161 bezeichnet. Gewichtige Stellungnahmen lehnen die Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB aber auch entschieden ab.162 Die Kritik entzündet sich vor allem daran, dass eine Durchbrechung der Rechtskraft über § 826 BGB neben der ausdrücklich geregelten Restitutionsklage nach §§ 580 ff. ZPO nicht zulässig sei.163 Eine weitere Durchbrechung der Rechtskraft führe zu ihrer Aushöhlung und damit zu Rechtsunsicherheit.164 Unter Berufung auf eine Entscheidung des BVerfG, in der dieses von der Rechtsprechung außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffene außerordentliche Rechtsbehelfe für verfassungswidrig hält,165 wird von einigen Stimmen auch die Klage nach § 826 BGB für mit der Verfassung unvereinbar angesehen.166 Gegen das Argument der Rechtsunsicherheit ist einzuwenden, dass eine Heranziehung von § 826 BGB in sehr zurückhaltender Weise und beschränkt auf absolute Ausnahmefälle jedenfalls nicht zu einem Maß an Rechtsunsicherheit führt, das eine gänzliche Ablehnung der Rechtsprechung zur Rechtskraftdurchbrechung rechtfertigen würde. Die bisherige Rechtspraxis zeigt auch, dass nur in den seltensten Fällen eine Klage nach § 826 BGB zum Erfolg geführt hat.167 Der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit lässt sich ebenfalls nicht halten, da die Rechtsprechung lediglich zulässige Rechtsfortbildung betreibt.168 Als Generalklausel bedarf § 826 BGB gerade richterlicher Ausformung. Die Klage nach § 826 BGB 159 Brox/Walker, ZVR, Rn. 1328a; Geißler, NJW 1987, 166, 169; Grunsky, ZIP 1986, 1361, 1362; ders., WM 1987, 1349, 1351; MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 229; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 221; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 93; Palandt/Sprau, § 826 Rn. 52 ff.; Schuschke/Walker/Raebel, Anh. zu § 767 Rn. 1; Soergel/Hönn, § 826 Rn. 219; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rn. 272; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 375 ff.; ders., GS Wolf, 561, 570 ff.; Zöller/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 76. 160 Schuschke/Walker/Raebel, Anh. zu § 767 Rn. 1. 161 MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 221; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 93. 162 Stellvertretend BLAH/Hartmann, Einf. §§ 322–327 Rn. 30 ff.; Gaul, S. 99 ff.; ders., JuS 1962, 1, 3 ff.; ders.; JZ 1964, 515 ff.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 7 Rn. 15; Prütting/Weth, Rn. 178 ff.; Reinicke, NJW 1952, 3, 4 ff.; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 475 ff.; Thumm, S. 16 ff. 163 Gaul, JuS 1962, 1, 4 ff.; ders., JZ 1964, 515, 516 ff.; Jauernig, ZZP 66 (1953), 398, 403 ff.; Reinicke, NJW 1952, 3, 5; Thumm, S. 16 ff. Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 486, will § 581 Abs. 1 ZPO allerdings dahingehend teleologisch reduzieren, dass es keiner strafgerichtlichen Verurteilung bedürfe. 164 Gaul, JZ 1964, 514, 515; BLAH/Hartmann, Einf. §§ 322–327 Rn. 30; Prütting/ Weth, Rn. 181. 165 BVerfG NJW 2003, 1924, 1928. 166 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 7 Rn. 15; Prütting/Weth, Rn. 280 ff. 167 So schon Gaul, AcP 168 (1968), 27, 40; MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 229; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 221; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 372 f. 168 MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 221, wirft sogar die Frage auf, ob es nicht verfassungsrechtlich geboten sei, ein effektives Mittel zur Verteidigung gegen die Erschleichung oder Ausnutzung unrichtiger Titel zu gewährleisten.
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lässt sich auch nicht unter Berufung auf die Entscheidung des BVerfG als unzulässiger ungeschriebener Rechtsbehelf einordnen. Es kann bereits angezweifelt werden, dass die Klage nach § 826 BGB einen eigenständigen Rechtsbehelf darstellt. Ist das unrichtige Urteil nämlich bereits vollstreckt, geht es nur um eine vermögensrechtliche Rückgängigmachung, so dass allenfalls in dem Antrag auf Unterlassung der Vollstreckung ein eigenständiger Rechtsbehelf zu sehen sein könnte. Eine solche Aufspaltung einer materiell-rechtlichen Norm überzeugt aber nicht. Außerdem begründet das BVerfG seine Entscheidung mit fehlender Rechtsmittelklarheit, wenn der Betroffene nicht erkennen könne, welche Zulässigkeitsvoraussetzungen einzuhalten seien.169 Das ist aber gerade keine Frage, die sich bei der Klage nach § 826 BGB stellt. Es sind insoweit keine besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu beachten, da es sich um ein gewöhnliches erstinstanzliches Klageverfahren handelt.170 Das Verhältnis zu den Vorschriften der Restitutionsklage muss aber noch etwas genauer untersucht werden. c) Konkurrenzverhältnis zu den §§ 580 ff. ZPO Nach Ansicht der Rechtsprechung und weiter Teile des Schrifttums stehen die §§ 580 ff. ZPO einer Anerkennung der Klage aus § 826 BGB nicht im Weg und führen auch nicht zu ihrer Subsidiarität.171 Argumentiert wird mit dem unterschiedlichen Ziel beider Rechtsinstitute. Die Restitutionsklage sei auf eine Aufhebung des Titels durch Beseitigung der formellen und materiellen Rechtskraft gerichtet, wohingegen über § 826 BGB nur ein vermögensrechtlicher Ausgleich des durch den unrichtigen Titel verursachten Schadens erstrebt werde, was den Bestand des Titels aber unangetastet lasse.172 Hält man sich vor Augen, dass die Klage nach § 826 BGB gerade bei Leistungsurteilen letztlich doch den materiellen Gehalt des Titels in Frage stellt, so lässt sich das Nebeneinander der Klagen nicht allein mit einer unterschiedlichen Zielrichtung begründen. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber darin, dass die Restitutionsklage ihre Berechtigung maßgeblich aus dem Umstand herleitet, dass ein auf einer Straftat gründendes Urteil keinen Bestand haben soll.173 Dass das Urteil tatsächlich unrichtig war, ist 169
BVerfG NJW 2003, 1924, 1928. Zur Frage, ob einzelne Regelungen der §§ 581 ff. ZPO auf die Klage nach § 826 BGB entsprechend anzuwenden sind, siehe noch § 11 A. VII. 1. e). 171 BGH NJW 1968, 1275; MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 229; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 94; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 65; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rn. 271 f.; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 378 ff.; Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 234. 172 BGH NJW 1968, 1275, 1276. 173 BGH NJW 1968, 1275, 1276; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 379 f. Der Versuch, den Anwendungsbereich der §§ 580 ff. ZPO zur Schließung von Rechtsschutzlücken dadurch auszuweiten, dass § 581 Abs. 1 ZPO dahingehend teleologisch reduziert wird, dass es keiner strafgerichtlichen Verurteilung bedarf (so Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 486), stößt wegen der Außerachtlassung dieses Hintergrunds auf Bedenken. 170
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keine Voraussetzung, so dass es auch zu einer inhaltlichen Bestätigung der Entscheidung im Vorprozess kommen kann. Insoweit hat die Klage nach § 826 BGB also einen anderen Anknüpfungspunkt, da dort die Unrichtigkeit des Titels Anspruchsvoraussetzung ist. d) Voraussetzungen der Klage nach § 826 BGB Die Klage nach § 826 BGB hat drei Voraussetzungen: Zunächst muss der Titel materiell unrichtig sein, der aus dem Titel berechtigte Gläubiger muss Kenntnis der Unrichtigkeit haben, und besondere Umstände sind erforderlich, die die Vollstreckung als sittenwidrige Rechtsausübung erscheinen lassen.174 aa) Unrichtigkeit des Titels Ein Urteil ist materiell unrichtig, wenn der titulierte Anspruch dem Gläubiger überhaupt nicht oder zumindest nicht im titulierten Umfang zusteht. Die Unrichtigkeit kann sowohl auf tatsächlichen als auch rechtlichen Gründen beruhen.175 Geht es um das Erschleichen eines Urteils, so lässt sich die Unrichtigkeit dem Gläubiger allerdings nur aus tatsächlichen Gründen zum Vorwurf machen, da er insoweit durch sein Prozessverhalten, wenn er zur Sache vorträgt oder Beweisanträge stellt, auf die Entscheidung Einfluss nimmt; die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts liegt hingegen allein im Verantwortungsbereich des Gerichts, so dass beide Verfahrensparteien dem Risiko eines Fehlurteils aus Rechtsgründen in gleichem Maße ausgesetzt sind.176 Etwas anderes gilt bei der Unrichtigkeit von Vollstreckungsbescheiden. Da das Mahnverfahren automatisiert abläuft, erfolgt vor dem Erlass des Vollstreckungsbescheids keine gerichtliche Prüfung, auch nicht auf Schlüssigkeit. Der Gläubiger bestimmt folglich allein durch seine Angaben den Inhalt des Vollstreckungsbescheids, so dass ihm dann auch ein aus Rechtsgründen unrichtiger Vollstreckungsbescheid anzulasten ist.177 Liegt der Vorwurf an den Gläubiger darin, dass er ein unrichtiges Urteil ausnutzt, so kommt es nicht darauf an, ob das Urteil auf der Annahme falscher Tatsachen oder Rechtsfehlern beruht.178 Der Vorwurf knüpft in diesen Fällen nämlich gerade an das Ausnutzen an. 174
Vgl. nur BGH NJW 1999, 1257, 1258; 2002, 2940, 2943; NJW-RR 2012, 304,
305. 175
BGH NJW 1987, 3256, 3257. BGH NJW 1987, 3256, 3257; MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 230; Staudinger/ Oechsler, § 826 Rn. 491; Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 237. 177 BGH NJW 1987, 3256, 3257; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 528; Wieczorek/ Schütze/Büscher, § 322 Rn. 246. 178 Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 383. 176
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bb) Kenntnis des Gläubigers Die Klage nach § 826 BGB setzt voraus, dass der Gläubiger die Unrichtigkeit des Titels kennt.179 Handelt es sich um einen Fall des Erschleichens, so hat der Gläubiger von Beginn an Kenntnis. Beim Ausnutzen eines unrichtigen Titels lässt der BGH es ausreichen, wenn dem Gläubiger die Kenntnis erst durch die Entscheidung über die Klage nach § 826 BGB vermittelt wird.180 Um dem Vorsatzerfordernis des § 826 BGB Genüge zu tun, kann eine so späte Kenntniserlangung aber nur dann ausreichend sein, wenn der Anspruch auf (zukünftige) Unterlassung der Zwangsvollstreckung gerichtet ist und nicht eine bereits erfolgte Vollstreckung vermögensrechtlich rückgängig machen soll.181 Soweit darauf abgestellt wird, Kenntnis müsse im Zeitpunkt der Vollstreckungshandlung vorliegen,182 ist dies dahingehend zu präzisieren, dass es auf die zeitlich letzte Möglichkeit zur Rücknahme des Vollstreckungsantrags ankommt, da der Anspruch auf Unterlassung und damit auf Verhinderung der Zwangsvollstreckung gerichtet ist und der Gläubiger dies aufgrund seiner Dispositionsbefugnis noch durch eine Antragsrücknahme gewährleisten kann.183 cc) Vorliegen besonderer Umstände (1) Vollstreckung aus Urteilen Entscheidendes Kriterium zur Begrenzung der Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB stellt das Erfordernis ganz besonderer Umstände dar, die das Verhalten des Gläubigers als sittenwidrig erscheinen lassen.184 Auch insoweit muss zwischen dem Erschleichen und dem Ausnutzen eines Titels differenziert werden. Hat der Gläubiger den Titel erschlichen, so liegt darin bereits der die Sittenwidrigkeit begründende besondere Umstand.185 Ein Fall des Erschleichens liegt insbesondere vor, wenn der Gläubiger das Gericht durch unrichtigen Sachvortrag oder falsche Beweismittel täuscht,186 manipulativ auf den Schuldner einwirkt, da-
179
Vgl. nur BGH NJW 1999, 1257, 1258; 2002, 2940, 2943; NJW-RR 2012, 304,
305. 180
BGH NJW 1987, 3256, 3257; 1999, 1257, 1258. Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 494; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 384; Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 240. 182 Funke, NJW 1991, 2001, 2002. 183 Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 384. 184 BGH NJW 1951, 759; 1954, 880; 1958, 826, 827; 1983, 2317; 1987, 3256, 3257; 1987, 3259, 3260; NJW-RR 1988, 957, 959; NJW 1988, 971, 972; 1991, 30, 31; 1998, 2818, 2819; 1999, 1257, 1258; 2002, 2940, 2943; 2005, 2991, 2995. 185 MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 231; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 92; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 497; Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 242. 186 BGH NJW 1951, 759. 181
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mit dieser von der Einlegung eines Rechtsmittels absieht,187 oder in missbräuchlicher Weise den Verfahrensablauf beeinflusst.188 Liegt der Vorwurf an den Gläubiger im Ausnutzen eines unrichtigen Urteils, entfaltet die Voraussetzung der besonderen Umstände ihre eigentliche Bedeutung, da davon maßgeblich abhängt, ob die Rechtskraft ausnahmsweise durchbrochen werden kann. Wann vom Vorliegen besonderer Umstände auszugehen ist, hängt sehr stark vom Einzelfall ab. Die Rechtsprechung hat solche Umstände beispielsweise in einem Fall bejaht, in dem der Gläubiger sich zunutze gemacht hatte, dass der Schuldner wegen einer Inhaftierung in der DDR nicht zur Erhebung einer Abänderungsklage gegen einen Unterhaltstitel in der Lage war.189 Unzureichend für ein Ausnutzen ist jedenfalls allein die Tatsache, dass aus einem unrichtigen Titel vollstreckt wird.190 Deshalb ist auch die Ansicht abzulehnen, nach der in der Vollstreckung eines titulierten Anspruchs, der einen sittenwidrigen Vertrag zur Grundlage hat, ein fortgesetztes sittenwidriges Verhalten zu sehen sei.191 Die Konsequenz dieser Auffassung wäre eine nahezu vollständige Entwertung der Rechtskraft.192 Eine Einschränkung soll aber für Extremfälle gelten, in denen die Unrichtigkeit des Titels auf Grund der Sittenwidrigkeit des Vertrags so eindeutig und schwerwiegend ist, dass es zusätzlicher besonderer Umstände für eine Rechtskraftdurchbrechung nicht mehr bedürfe.193 Bislang ist zwar in keiner Entscheidung ein solcher Extremfall angenommen worden, weshalb die praktische Relevanz der Ausnahme als sehr gering einzustufen ist. Gleichwohl muss eine erleichterte Rechtskraftdurchbrechung in Extremfällen abgelehnt werden. Zum einen besteht schon Unklarheit, wann ein solcher Extremfall einmal anzunehmen sein soll, darüber hinaus lässt sich aber auch nur schwer rechtfertigen, weshalb gerade nur bei Verträgen, die wegen Sittenwidrigkeit nichtig sind, eine Ausnahme vom Vorliegen besonderer Umstände gemacht werden sollte.194
187 BGH NJW 1987, 3256, 3258; Grunsky, ZIP 1986, 1361, 1373; Geißler, NJW 1987, 166, 171. 188 Vgl. zu den einzelnen Fallkonstellationen mit weiteren Einzelheiten Staudinger/ Oechsler, § 826 Rn. 497 ff. 189 BGH NJW 1983, 2317, 2318. 190 BGH NJW 1987, 3256, 3257; 1991, 30, 31; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 226; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 385 f. 191 So aber Kothe, NJW 1985, 2217, 2225 ff. 192 BGH NJW 1991, 30, 31; Geißler, NJW 1987, 166, 171; Grunsky, ZIP 1986, 1361, 1368; ders., WM 1987, 1349, 1351; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 385 f. 193 BGH NJW 1987, 3256, 3258; 1991, 30; 2002, 2940, 2943; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 226; Soergel/Hönn, § 826 Rn. 231; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rn. 283; Zöller/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 74; offenlassend aber BGH NJW 1998, 2818, 2819. 194 Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 387.
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(2) Besonderheiten bei Vollstreckungsbescheiden Im Falle der Erwirkung eines unrichtigen Vollstreckungsbescheids lässt der BGH für das Vorliegen besonderer Umstände zwar allein die Wahl des Mahnverfahrens nicht genügen; etwas anderes soll aber gelten, wenn der Gläubiger seinen Anspruch nur deshalb im Mahnverfahren durchsetzt, weil er davon ausgeht, dass bereits eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung nicht zum Erfolg geführt hätte und der Schuldner sich aus Unerfahrenheit weder mit einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid noch einem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zur Wehr setzen werde.195 Diese Ansicht wird von einigen Literaturstimmen stark kritisiert, da nach ihr letztlich auf das Erfordernis besonderer Umstände verzichtet und allein in der gesetzlich eröffneten Wahl des Mahnverfahrens ein vorwerfbares Verhalten erblickt werde.196 Die Kritik wird hier so nicht geteilt. Es ist ein Unterschied darin zu sehen, ob der Gläubiger sich für das Mahnverfahren entscheidet, weil er davon ausgeht, dass er so gegen den nicht zahlenden Schuldner auf einfachem und schnellem Weg einen Titel erstreiten kann, oder er das Mahnverfahren ganz bewusst gerade deshalb wählt, weil eine Klage bereits mangels Schlüssigkeit abgewiesen würde.197 Der Gläubiger missbraucht in diesen Fällen das Mahnverfahren, das keine Schlüssigkeitsprüfung kennt, in gesetzeswidriger Weise, um einen nicht bestehenden Anspruch tituliert zu bekommen. Darin ist gerade das Erschleichen des Titels zu sehen, so dass es weiterer besonderer Umstände nicht bedarf. Besonders deutlich wird das sittenwidrige Verhalten des Gläubigers bei der Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs aus einem Partnerschaftsvermittlungsvertrag, der in entsprechender Anwendung von § 656 BGB nicht einklagbar ist,198 was der Gläubiger durch die Wahl des Mahnverfahrens und die Bezeichnung als „Zahlungsanspruch aus Schuldanerkenntnis“ zu umgehen versucht.199 Der Gläubiger handelt aber nicht sittenwidrig, wenn die Rechtslage nicht so offensichtlich war, dass eine klageweise Geltendmachung des Anspruchs von vornherein aussichtlos gewesen wäre.200 Ob eine Klage nach § 826 BGB letztlich Erfolg hat, obwohl es der Schuldner versäumt hat, sich im Mahnverfahren zu verteidigen, ist keine Frage des Vorliegens besonderer Umstände und noch an anderer Stelle zu erörtern.
195 BGH NJW 1987, 3256, 3258; NJW-RR 1990, 303, 304; NJW 2002, 2940, 2943; 2005, 2991, 2994. 196 Braun, JZ 1988, 48, 50; Geißler, NJW 1987, 166, 171 f.; Grunsky, ZIP 1986, 1361, 1372 f.; ders., WM 1987, 1349, 1351; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 531; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 387 f. 197 So wohl auch Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 246. 198 Vgl. dazu BGH NJW 1990, 2550. 199 OLG Stuttgart NJW 1994, 330, 331; KG KGR 1995, 70; Soergel/Hönn, § 826 Rn. 235; a. A. Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 534. 200 BGH NJW 1999, 1257, 1258.
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Die Rechtsprechung des BGH, die auf Fällen sittenwidriger Ratenkreditverträge beruht, verneint das Vorliegen besonderer Umstände, wenn der Schuldner nicht schutzbedürftig ist, weil es entweder an einem in wirtschaftlicher und geschäftlicher Hinsicht deutlichen Ungleichgewicht zwischen den Parteien fehle oder der Schuldner anwaltlich beraten und vertreten wurde.201 Diese Vorgaben werden zu Recht kritisiert, auch wenn das Ziel einer Begrenzung der Rechtskraftdurchbrechung als solches begrüßenswert ist.202 Die Frage der anwaltlichen Vertretung kann nicht darüber entscheiden, ob besondere Umstände vorliegen. Jede Partei muss für sich entscheiden, ob sie das Risiko eingeht, auf Rechtsrat zu verzichten. Entscheidet sie sich aber dafür, so sollte auch dieser Umstand nicht mit nachteiligen rechtlichen Konsequenzen verbunden sein. Das muss erst recht gelten, wenn man sich vor Augen führt, dass selbst bei anwaltlicher Vertretung falsch beraten werden kann.203 Die anwaltliche Vertretung sollte daher keine Rolle bei der Frage des Vorliegens besonderer Umstände spielen. Aber auch ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Parteien stößt als Kriterium auf Bedenken. Die wirtschaftliche Unerfahrenheit und Überforderung spielt bereits eine maßgebliche Rolle, wenn der Vertrag, aus dem der titulierte Anspruch abgeleitet wird, wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB nichtig ist. Diese Kriterien sollten dann nicht nochmals zur Grundlage der Voraussetzung einer Rechtskraftdurchbrechung gemacht werden, da das Vorliegen besonderer Umstände dann nämlich regelmäßig reflexartig ebenfalls zu bejahen wäre. Letztlich hat diese Rechtsprechung, die auf die Durchsetzung von Ansprüchen aus sittenwidrigen Ratenkreditverträgen zurückgeht, aber ohnehin seit der Einführung des § 688 Abs. 2 Nr. 1 ZPO204 erheblich an praktischer Bedeutung eingebüßt.205 e) Anwendbarkeit der Regelungen des Restitutionsrechts auf die Klage nach § 826 BGB aa) Erfordernis strafgerichtlicher Verurteilung (§ 581 ZPO) und Anwendbarkeit der Fristenregelungen (§ 586 ZPO)? Befürwortet man zusammen mit dem BGH und der herrschenden Lehre die Möglichkeit einer Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB, so stellt sich die Frage, ob einschränkend bestimmte Regelungen aus den §§ 581 ff. ZPO in entsprechender Anwendung heranzuziehen sind. Eine rechtkräftige strafgerichtliche 201 BGH NJW 1987, 3259, 3260; 1988, 971, 972 f.; 1998, 2818, 2819; 1999, 1257, 1258 f.; 2005, 2991, 2994 f. 202 Braun, JZ 1988, 48, 50 f.; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 532; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 388 ff.; Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 246; a. A. aber Grunsky, WM 1987, 1349, 1352. 203 Prütting/Weth, Rn. 225. 204 Eingefügt durch Gesetz v. 17.12.1990 (BGBl. I, S. 2840). 205 MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 234; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 533; Stein/ Jonas/Leipold, § 322 Rn. 278.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
Verurteilung, wie sie für die Restitutionsklage in den Fällen des § 580 Nr. 1–5 ZPO durch § 581 ZPO vorausgesetzt wird, lässt sich nicht zur Voraussetzung der Klage aus § 826 BGB machen, da diese einen anderen Hintergrund hat.206 Aber auch die speziellen Fristenregelungen in § 586 ZPO können nicht auf die Klage nach § 826 BGB angewendet werden.207 Die Ausschlussfrist von fünf Jahren seit Eintritt der Rechtskraft (§ 586 Abs. 2 S. 2 ZPO) würde die Funktion der Rechtskraftdurchbrechung gestützt auf § 826 BGB konterkarieren, da das Restitutionsrecht gerade auch wegen dieser Regelung nur unzureichenden Schutz vor der Vollstreckung unrichtiger Urteile bietet.208 bb) Versäumte Verteidigung gegen Verurteilung im Vorprozess (§ 582 ZPO) (1) Rechtskräftige Urteile Damit die Klage nach § 826 BGB aber nicht dazu dient, eine nachlässige Prozessführung zu korrigieren, zieht die Rechtsprechung209 unter teilweiser Zustimmung des Schrifttums210 die Regelung des § 582 ZPO aus dem Wiederaufnahmerecht in analoger Anwendung heran oder greift zumindest auf den in ihr zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken zurück. Hat der Schuldner es schuldhaft versäumt, sich gegen die zu Unrecht erfolgte Verurteilung zu wehren, so soll ihm auch die Klage nach § 826 BGB nicht weiterhelfen. Das bedeutet, dass der Schuldner seinen Vortrag im Verfahren der Klage nach § 826 BGB nicht auf denselben Tatsachenvortrag stützen kann wie im ersten Prozess; selbst Ergänzungen und neue Beweismittel, die nur den bisherigen Vortrag untermauern sollen, sind unzureichend.211 Andernfalls ließe sich jeder Prozess von Neuem aufrollen, was die Rechtskraft marginalisieren würde. Vor allem geht es aber um das schuldhafte Nichteinlegen von Rechtsbehelfen, worunter auch die Klagen nach §§ 323, 767 ZPO fallen.212 Nach anderer Ansicht führt das schuldhafte Versäumen eines 206 BGH NJW 1968, 1275, 1277; Grunsky, ZIP 1986, 1361, 1370; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 222; Soergel/Hönn, § 826 Rn. 227; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rn. 285; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 391; Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 234; Zöller/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 73. 207 BGH NJW 1968, 1275, 1276; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 222; Musielak/ Voit/Musielak, § 322 Rn. 94; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rn. 285; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 390 f. 208 MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 227; Stein/Jonas/Leipold, § 322 Rn. 271; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 391. 209 BGH NJW 1974, 557; 1979, 1046, 1048; NJW-RR 1988, 957, 959; NJW 1989, 1285, 1286; NJW-RR 2012, 304, 305; OLG Bamberg NJW 1960, 1062, 1063. 210 Grunsky, ZIP 1986, 1361, 1370; MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 231; Soergel/ Hönn, § 826 Rn. 227; Zöller/Vollkommer, Vor § 322 Rn. 73. 211 BGH NJW 1964, 349; 1968, 1275, 1277; 1974, 557; Grunsky, ZIP 1986, 1361, 1370; MüKoZPO/Braun, § 582 Rn. 10; Musielak/Voit/Musielak, § 582 Rn. 4; Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 234. 212 Soergel/Hönn, § 826 Rn. 227.
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Rechtsbehelfs nicht in jedem Fall zum Ausschluss der Rechtskraftdurchbrechung nach § 826 BGB, das nachlässige Vorgehen könne aber über § 254 BGB Berücksichtigung finden.213 Vor dem Hintergrund, dass der BGH die Klage nach § 826 BGB und die Restitutionsklage als gleichberechtigt nebeneinander stehend ansieht und auch jeweils ein unterschiedliches Klageziel ausmacht, stößt die Argumentation mit einer Analogie zu § 582 ZPO aus dogmatischer Sicht auf Bedenken.214 Dennoch ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, wie er sich auch in der Präklusionsnorm des § 767 Abs. 2 ZPO und des § 839 Abs. 3 BGB findet,215 auf den Anspruch aus § 826 BGB übertragbar und der Rechtsprechung im Ergebnis daher zuzustimmen, wenn sie nachlässiges Verhalten im Vorprozess dadurch sanktioniert, dass der Schuldner mit der Klage nach § 826 BGB keinen Erfolg haben kann. Die Klage ist dann als unbegründet216 abzuweisen. (2) Rechtskräftige Vollstreckungsbescheide Auf den ersten Blick erstaunlich ist, dass der BGH bei der Befassung mit der Vollstreckung aus unrichtigen Vollstreckungsbescheiden nicht auf § 582 ZPO oder den dort normierten Rechtsgedanken eingeht.217 Daraus lässt sich schließen, dass der BGH in diesen Fällen nachlässiges Prozessverhalten, das nur im versäumten Einlegen von Rechtsbehelfen gesehen werden kann, da der Schuldner im Mahnverfahren bis zum Erlass des Mahnbescheids nicht beteiligt wird, nicht sanktionieren will.218 Auf den Erfolg der Klage nach § 826 BGB hätte es folglich keinen Einfluss, wenn der Schuldner weder Widerspruch gegen den Mahnbescheid noch Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid einlegt. Es wird auch vertreten, dass sich dem Schuldner regelmäßig überhaupt kein Vorwurf machen lasse, auf das Einlegen von Rechtsbehelfen verzichtet zu haben; das gelte jedenfalls, wenn er in Unkenntnis darüber war, dass dem Gläubiger der geltend gemachte Anspruch überhaupt nicht zusteht.219 Dem kann so nicht gefolgt werden. Berücksichtigt man, dass die Rechtsprechung des BGH zur Durchbrechung 213 RGZ 78, 389, 394; Hk-ZPO/Saenger, § 322 Rn. 55; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 230; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 70; Palandt/Sprau, § 826 Rn. 58; Wieczorek/Schütze/Büscher, § 322 Rn. 234. 214 So auch Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 392 f. 215 OLG Bamberg NJW 1960, 1062, 1063. 216 Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 582 ZPO ist umstritten, ob das schuldhafte Versäumen, den Restitutionsgrund im früheren Verfahren geltend zu machen, zur Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Restitutionsklage führt (vgl. MüKoZPO/Braun, § 582 Rn. 2 m.w. N.). 217 Vgl. exemplarisch nur BGH NJW 1987, 3256 ff.; 1987, 3259 f.; NJW-RR 1990, 303 ff.; NJW 2005, 2991 ff. 218 Sich ausdrücklich gegen eine Anwendung von § 582 ZPO bei Vollstreckungsbescheiden aussprechend MüKoZPO/Braun, § 582 Rn. 11. 219 MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 230; Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 393 f.
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rechtskräftiger Vollstreckungsbescheide die Klage nach § 826 BGB dann scheitern lässt, wenn der Schuldner anwaltlich vertreten war,220 so muss man anerkennen, dass der BGH in diesen Fällen letztlich doch Einschränkungen bei nachlässigem Prozessverhalten vorsieht. In Fällen mit anwaltlicher Vertretung anders zu entscheiden, rechtfertigt sich nur vor dem Hintergrund, dass dann dem Schuldner der Vorwurf gemacht werden kann, das Nichtbestehen des Anspruchs nicht erkannt und sich gegen die Geltendmachung nicht verteidigt zu haben. Richtigerweise lässt die Einschaltung eines Anwalts aber nicht das Vorliegen besonderer Umstände entfallen, sondern führt dazu, dass die Klage wegen schuldhaft nachlässigen Prozessverhaltens abzuweisen ist. Verzichtet der Schuldner auf die Einholung von Rechtsrat und lässt er deshalb den Vollstreckungsbescheid in Unkenntnis der Unrichtigkeit rechtskräftig werden, so ist ihm dieser Umstand zum Vorwurf zu machen und die Klage abzuweisen.221 Im Musterformular für den Mahnbescheid im maschinell bearbeiteten Mahnverfahren222 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gericht den geltend gemachten Anspruch nicht geprüft hat und es sich bei Zweifeln am Bestehen des Anspruchs unbedingt empfiehlt, sich umgehend mit einem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen.223 Wegen des besonderen Ausnahmecharakters der Rechtskraftdurchbrechung ist dem Schuldner deshalb in diesen Fällen die Klage nach § 826 BGB zu versagen. Soweit dagegen der Einwand erhoben wird, § 826 BGB spiele dann bei der Vollstreckung aus unrichtigen Vollstreckungsbescheiden keine Rolle mehr,224 ist zu entgegnen, dass der Gläubiger immer noch sittenwidrig handelt, wenn er auf den Schuldner eingewirkt hat, auf die Erhebung eines Rechtsbehelfs wegen vermeintlicher Aussichtslosigkeit zu verzichten, um dadurch die Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids herbeizuführen. 2. Andere Vollstreckungstitel Als Mittel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft ist die Klage nach § 826 BGB nur heranzuziehen, wenn es sich um einen der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitel handelt.225
220
Vgl. BGH NJW 1987, 3259; siehe auch bereits § 11 A. VII. 1. d) cc) (2). So auch Grunsky, ZIP 1986, 1361, 1373; a. A. Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 394. 222 Anlage 2 der Verordnung zur Einführung von Vordrucken für das Mahnverfahren bei Gerichten, die das Verfahren maschinell bearbeiten vom 6.6.1978 (BGBl. I, S. 705). 223 Auf die Formularhinweise im Mahnverfahren ebenfalls eingehend, aber zu einem anderen Ergebnis kommend Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 394. 224 So Walker, Festgabe 50 Jahre BGH, 367, 393. 225 MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 237; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 69; Palandt/Sprau, § 826 Rn. 54; Staudinger/Oechsler, § 826 Rn. 541 ff.; weitergehend aber MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 227; Soergel/Hönn, § 826 Rn. 236. 221
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a) Prozessvergleich Betreibt der Gläubiger die Vollstreckung aus einem Prozessvergleich, so stehen dem Schuldner andere Verteidigungsmöglichkeiten offen. Ist die Wirksamkeit des Vergleichs betroffen, beispielsweise weil der Schuldner wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB zur Anfechtung berechtigt ist, so ist das ursprüngliche Verfahren fortzuführen.226 Damit werden sich ganz überwiegend die Fälle einer Erschleichung des Vergleichs lösen lassen.227 Geht es um Einwendungen, die nicht die Wirksamkeit des Vergleichs berühren, ist die Vollstreckungsabwehrklage tauglicher Rechtsbehelf. Anders als bei einem rechtskräftigen Urteil, kann der Schuldner mit der Klage nach § 767 ZPO auch noch Einwendungen gegen den Prozessvergleich vorbringen, die bereits vor dem Abschluss des Vergleichs vorlagen; § 767 Abs. 2 ZPO findet auf Prozessvergleiche nämlich keine Anwendung.228 Die Rechtsprechung bejaht beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 826 BGB auch eine Einwendung, auf die die Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung aus einem Prozessvergleich gestützt werden kann.229 Damit missachtet man aber, dass § 767 ZPO dazu dient, Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend zu machen. § 826 BGB knüpft an die Unrichtigkeit des Titels an und hat seine Berechtigung nur, wenn der Schuldner mit seinen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch gem. § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert ist. Da der Schuldner aber mit Einwendungen gegen den im Prozessvergleich titulierten Anspruch nicht präkludiert sein kann, besteht kein Bedürfnis, unter den für eine Klage nach § 826 BGB entwickelten Voraussetzungen eine Einwendung i. S. d. § 767 ZPO zu konstruieren. Ist der Vergleich gem. §§ 142 Abs. 1, 123 BGB oder § 779 BGB unwirksam, findet eine Verfahrensfortsetzung statt. Ansonsten bietet § 767 ZPO hinreichende Verteidigungsmöglichkeiten. Die Rechtsprechung ist daher abzulehnen.230 b) Vollstreckbare Urkunde Bei vollstreckbaren Urkunden (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) bietet ebenfalls die Vollstreckungsabwehrklage dem Schuldner ausreichende Schutzmöglichkeiten, 226
BGH NJW 1958, 1970; 1971, 467 f.; WM 1985, 673, Anders aber noch BGH JR 1970, 60, 61: Vollstreckungsabwehrklage. 228 BGH NJW 1953, 345; 1977, 583, 584; NJW-RR 1987, 1022. 229 RGZ 84, 131, 136; BGH JR 1970, 60, 61; OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 827; vgl. auch in Bezug auf einen Gebührenfestsetzungsbeschluss nach § 19 BRAGO a. F. (jetzt § 11 RVG) BGH WM 1976, 1097, 1098 f.; jeweils Gerichtskostenrechnungen betreffend BFH, Beschl. v. 25.2.2003 – VII K 1/03, BeckRS 2003, 25001693; Beschl. v. 15.11.2007 – IX E 11/07, BeckRS 2007, 25013025. 230 Ebenfalls ablehnender Ansicht NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 69; Palandt/ Sprau, § 826 Rn. 54; OLG Karlsruhe OLGZ 1976, 333, 335 (mit dem unterschiedlichen Charakter der Klage nach § 767 ZPO als prozessualer Gestaltungsklage und der Klage nach § 826 BGB als materiell-rechtlicher Leistungsklage argumentierend); in der Tendenz so auch, die Frage im Ergebnis aber offenlassend OLG Bremen, NJW-RR 2001, 1036, 1037. 227
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da § 797 Abs. 4 ZPO insoweit die Geltung von § 767 Abs. 2 ZPO ausschließt. Auf die Klage nach § 826 BGB zur Durchbrechung der Rechtskraft braucht deshalb nicht zurückgegriffen zu werden.231 c) Zuschlagsbeschluss Auch bei der Vollstreckung aus einem rechtskräftigen unrichtigen Zuschlagsbeschluss kann die Klage nach § 826 BGB oder unter ihren Voraussetzungen der Einwand unzulässiger Rechtsausübung erhoben werden.232 Das gilt nach Ansicht des BGH sogar dann, wenn der Zuschlagsbeschluss selbst nicht unrichtig ist, sondern nur die zu seiner Grundlage gewordene Festsetzung des Grundstückswerts.233 In diesen Fällen kann nämlich der Zuschlag nicht mit der Begründung angefochten werden, die Wertfestsetzung sei unrichtig erfolgt (§ 74a Abs. 5 S. 4 ZVG). Der rechtskräftige Festsetzungsbeschluss hat somit Bindungswirkung für das weitere Verfahren und damit auch den Zuschlag.234 Gegen den aufgrund der unrichtigen Wertfestsetzung nicht richtigen Zuschlagsbeschluss wird daher die Verteidigung unter den Voraussetzungen des § 826 BGB zu Recht zugelassen. VIII. Pfändung eines Regressanspruchs wegen anwaltlicher Pflichtverletzung bei Vollstreckung aus einem unrichtigen Titel Ein auf den ersten Blick fast eindeutiger Fall missbräuchlicher Rechtsausübung durch den Gläubiger hat wiederholt die Rechtsprechung beschäftigt. Der Gläubiger erstreitet gegen den Schuldner einen Titel, der materiell-rechtlich unrichtig ist. Der Prozessvertreter des Schuldners versäumt aber aus Nachlässigkeit die Frist zur Einlegung oder Begründung des statthaften Rechtsmittels, so dass die erstinstanzliche Entscheidung rechtskräftig wird. Anschließend beantragt der Gläubiger im Wege der Vollstreckung, den Anspruch des Schuldners gegen dessen Prozessvertreter wegen Pflichtverletzung aus dem Anwaltsvertrag pfänden und sich zur Einziehung überweisen zu lassen. Gegen die Vollstreckung aus dem unrichtigen Titel kann sich der Schuldner nicht erfolgreich zur Wehr setzen, da die für eine ausnahmsweise Durchbrechung der Rechtskraft nach § 826 BGB erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Gläubiger hat den Titel nämlich weder erschlichen noch liegen besondere Umstände vor, die dazu führen, dass der Gläubiger den unrichtigen Titel ausnutzt. Bedenken wirft das Vorgehen 231 OLG Hamm NJW-RR 1987, 1330, 1331 (spezialgesetzlicher Vorrang von § 767 ZPO); MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 237; Soergel/Hönn, § 826 Rn. 237; Staudinger/ Oechsler, § 826 Rn. 544. 232 RGZ 69, 277, 280; BGH NJW 1970, 565 f.; 1971, 1751, 1752; Stöber, § 81 Rn. 9.6. 233 BGH NJW 1971, 1751, 1752. 234 Böttcher, § 74a Rn. 45; Stöber, § 74a Rn. 9.8.
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des Gläubigers aber deshalb auf, weil die Pfändung des Regressanspruchs des Schuldners gegen den Rechtsanwalt voraussetzt, dass der Gläubiger einerseits seinen Anspruch mit dem unrichtigen Titel begründet, auf der anderen Seite aber nur dann erfolgreich die Forderungspfändung betreiben kann, wenn er sich auf die Anfechtbarkeit des Titels beruft. Die Rechtsprechung235 hatte sich mit der Frage des Rechtsmissbrauchs jeweils im Rahmen der Einziehungsklage des Gläubigers gegen den Rechtsanwalt des Schuldners zu beschäftigen, das Problem stellt sich aber auch schon bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch das Vollstreckungsgericht, denn ein missbräuchliches Gesuch ist zurückzuweisen. Nach Ansicht des LG Nürnberg-Fürth betreibe der Gläubiger „Rosinenpickerei“ und verhalte sich in einer Missbrauch begründenden Weise widersprüchlich.236 Die Schadensersatzforderung des Schuldners resultiere gerade erst aus der Vollstreckung des Gläubigers aus dem unrichtigen Titel. Zustimmung verdient hingegen die gegenteilige Ansicht.237 Zwar nimmt der Gläubiger im Rahmen der Vollstreckung und auch dem Einziehungsprozess einen Standpunkt ein, der sich nicht mit seinem Standpunkt im Erkenntnisverfahren vereinbaren lässt. Gleichwohl resultiert seine Rechtsposition gerade daraus, dass er zwar einen unrichtigen, aber dennoch rechtskräftigen Titel erstritten hat. Insoweit ist ihm kein Vorwurf zu machen, der eine Durchbrechung der Rechtskraft rechtfertigen könnte. Damit muss er aber auch in rechtmäßiger Weise die Vollstreckung betreiben können, andernfalls wäre der Titel faktisch entwertet. Deshalb greift die Argumentation des LG Nürnberg-Fürth auch zu kurz, wenn es annimmt, der Schadensersatzanspruch des Schuldners resultiere erst aus der Vollstreckung des Gläubigers. Vielmehr ist das Vermögen des Schuldners allein durch die Existenz des Titels, der den Anspruch des Gläubigers rechtskräftig feststellt, negativ belastet. Die Vollstreckung führt dann nur zu einem Vollzug der wirtschaftlich nachteiligen Rechtsposition auf Schuldnerseite. In jedem Fall ist keine Unbilligkeit darin zu sehen, dass der Gläubiger am Ende auf das Vermögen des Rechtsanwalts zugreift, um den titulierten Anspruch zu realisieren.238 IX. Einstellungsbewilligung zur Ausschaltung konkurrierender Bieter Kontrovers diskutiert wird im Hinblick auf das Recht des betreibenden Gläubigers, die Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens zu bewilligen (§ 30 235 BGH MDR 1983, 43; OLG Köln, Urt. v. 12.9.2000 – 15 U 18/00, BeckRS 2000, 30130987; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 6.3.2012 – 12 O 7787/11, BeckRS 2012, 09438. 236 LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 6.3.2012 – 12 O 7787/11, BeckRS 2012, 09438. 237 BGH MDR 1983, 43; OLG Köln, Urt. v. 12.9.2000 – 15 U 18/00, BeckRS 2000, 30130987; Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rn. 37. 238 BGH MDR 1983, 43.
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Abs. 1 ZVG), folgender Fall:239 In einem Versteigerungsverfahren gibt der bestrangig betreibende Gläubiger, der auch noch aus einem rangschlechteren zweiten Recht vorgeht, ein so hohes Meistgebot ab, dass die nachrangig betreibenden Gläubiger daraus ebenfalls befriedigt werden könnten. Nachdem letztere zufrieden den Saal verlassen haben, bewilligt ersterer noch vor dem Ablauf der Bietstunde die Einstellung des Verfahrens aus dem rangbesten Recht, was zum Erlöschen des Meistgebots führt (§ 72 Abs. 3 ZVG). Nach neuer Festsetzung des geringsten Gebots wird die Versteigerung fortgesetzt und der einzig im Saal verbliebene Gläubiger bietet gerade nur in dieser Höhe, so dass das Gebot deutlich unter dem erloschenen Meistgebot liegt. Er erhält den Zuschlag. Die übrigen Gläubiger fallen jetzt mit ihren Forderungen aus. 1. Meinungsstand Die überwiegenden Stimmen240 betrachten das Gesamtverhalten des Gläubigers als rechtsmissbräuchlich. Dieser missbrauche seine Verfahrensstellung, da er sein überlegenes Wissen im Zwangsversteigerungsrecht planmäßig ausnutze, um die konkurrierenden Bieter auszuschließen.241 Dem Gläubiger sei deshalb der Zuschlag zu versagen.242 Nach anderer Auffassung komme dies nur nach einem erfolgreichen Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners gem. § 765a ZPO in Betracht.243 Schiffhauer sieht beim Vollstreckungsgericht die Pflicht, die übrigen Verfahrensbeteiligten mit Blick auf § 139 ZPO über die geänderte Situation zu informieren und einen gesonderten Verkündungstermin für die Zuschlagsentscheidung zu bestimmen.244 Drischler meint hingegen, der Gläubiger bediene sich zwar eines „üble(n) Trick(s)“, agiere aber im Einklang mit dem Recht.245 2. Stellungnahme Zunächst ist festzuhalten, dass der Gläubiger formal von seinen ihm gesetzlich eingeräumten Befugnissen Gebrauch macht. Zugegebenermaßen verhält er sich unanständig, sein ausgeklügeltes Vorgehen ist deshalb aber noch nicht miss239
Erstmals berichtet von Drischler, KTS 1975, 283, 285. Hk-ZV/Noethen, § 30 ZVG Rn. 18; Schiffhauer, Rpfleger 1978, 397, 400; Stöber, § 30 Rn. 2.15; ders., ZIP 1981, 944, 947 f.; Vollkommer, Rpfleger 1982, 1, 7; das Vorgehen des Gläubigers nur kritisierend Storz, ZIP 1982, 416, 419. 241 Stöber, ZIP 1981, 944, 948. 242 Hk-ZV/Noethen, § 30 ZVG Rn. 18; Stöber, ZIP 1981, 944, 948; ders., Rn. 2.15. Storz, ZIP 1982, 416, 419, kritisiert die Zuschlagsversagung als inkonsequent, da bei Vorliegen einer missbräuchlichen und deshalb unwirksamen Einstellungsbewilligung das zuvor abgegebene Meistgebot nicht erloschen sei, so dass darauf der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. 243 Storz, ZIP 1982, 416, 419. 244 Schiffhauer, Rpfleger 1978, 397, 400. 245 Drischler, KTS 1975, 283, 285. 240
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bräuchlich. Eine ganz entscheidende Rolle spielt in dieser Fallkonstellation, dass der Gläubiger nur aus dem Grund so vorgehen konnte, weil sich die anderen Beteiligten vor Ablauf der Bietstunde entfernt hatten. Wären sie bis zum Ende geblieben, hätte zwar die Einstellungsbewilligung bezogen auf das Vorgehen aus dem rangbesten Recht nicht verhindert werden können, mit der anschließenden Abgabe des geringsten Gebots hätte der Gläubiger aber nicht Meistbietender bleiben müssen. Dass der Gläubiger sein Vorhaben also ohne Mithilfe der Benachteiligten nicht hätte verwirklichen können, spricht gegen Rechtsmissbrauch. Sofern eingewandt wird, der Missbrauch resultiere gerade daraus, dass der Gläubiger sein überlegenes Wissen um die Verfahrensabläufe in der Zwangsversteigerung ausnutze, um die schlechter informierten nachrangigen Gläubiger zu hintergehen,246 überzeugt dies nicht. Zunächst kann von allen Verfahrensbeteiligten erwartet werden, dass sie sich mit dem Verfahren der Zwangsversteigerung auseinandersetzen und sich die zur Wahrung ihrer Rechte und Interessen notwendigen Kenntnisse aneignen. Wenn jemand als Beteiligter den Versteigerungstermin vorzeitig verlässt, muss er damit rechnen, dass sich noch Veränderungen ergeben können. Daran ändert auch ein möglicherweise bestehendes Gefälle an Rechtskenntnis nichts. Das Verhalten des Gläubigers mag deshalb zwar aus Sicht der anderen Beteiligten als unanständig und moralisch verwerflich anzusehen sein, eine rechtliche Einstufung als missbräuchlich zieht das aber nicht notwendigerweise nach sich. X. Vollstreckung unter Ausnutzung einer durch Bruch des Bankgeheimnisses in Erfahrung gebrachten Pfändungsmöglichkeit Den BGH hat die Frage beschäftigt, ob der Pfändung einer Forderung der Rechtsmissbrauchseinwand entgegensteht, wenn der Gläubiger von der Existenz der Forderung nur durch die Auskunft eines Bankmitarbeiters erfahren hat, die dieser unter Bruch des Bankgeheimnisses erteilt hat.247 Das Gericht hat die Frage zwar verneint, aber die Einschränkung gemacht, dass anders zu entscheiden sein könnte, wenn der Gläubiger selbst darauf hinwirkt, dass ihm unter Verstoß gegen das Bankgeheimnis Informationen preisgegeben werden, die er dann für den Vollstreckungszugriff gebraucht.248 Zu Recht ist das Gericht der Ansicht, dass eine an sich zulässige Vollstreckungsmaßnahme nicht deshalb unzulässig wird, weil der Gläubiger vom Vollstreckungsobjekt nur erfahren hat, weil ein Dritter sich rechtswidrig verhalten hat. Dem Gläubiger selbst ist in dieser Situation überhaupt kein Vorwurf zu ma246 Vgl. BGH WM 1978, 1319, 1322 (noch zu §§ 60, 61 ZVG a. F.); Stöber, ZIP 1981, 944, 948. 247 BGH MDR 1973, 926 f. 248 BGH MDR 1973, 926, 927.
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chen. Der Verstoß gegen das Bankgeheimnis ist ihm auch nicht zuzurechnen. Auf ein Ausnutzen der so in Erfahrung gebrachten Vollstreckungsmöglichkeit zu verzichten, kann von ihm nicht verlangt werden.249 Es gilt aber auch nichts anderes, wenn der Gläubiger aktiv darauf hingewirkt hat, dass gegen das Bankgeheimnis verstoßen wird, um sich so Informationen zu verschaffen. Das Bankgeheimnis stellt eine Nebenpflicht aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Kreditinstitut und seinem Kunden dar250 und dient dazu, die Vermögensinteressen des Kunden zu schützen.251 Eine Verletzung der aus dem Bankgeheimnis folgenden Verschwiegenheitspflicht kann deshalb unter Umständen einen Schadensersatzanspruch des Kunden gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gegen die Bank zur Folge haben. Betroffen ist also nur das Vertragsverhältnis zwischen Bank und Kunde. Dritte und somit auch ein Gläubiger des Bankkunden sind nicht an das Bankgeheimnis gebunden. Es handelt sich auch nicht um einen Fall der Verleitung zum Vertragsbruch, was unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Haftung des Einfluss nehmenden Dritten nach § 826 BGB führen kann.252 Insoweit geht es vor allem um die Vereitelung von Leistungsansprüchen, wenn beispielsweise der Zweitkäufer in sittenwidriger Weise auf den Vertragsbruch des Verkäufers gegenüber dem Erstkäufer hingewirkt hat.253 Vorliegend steht aber gerade nur die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht in Rede. Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es dem Gläubiger letztlich um die Erfüllung seines titulierten Anspruchs gegen den Schuldner geht, weshalb eine sittenwidrige Schädigung abzulehnen ist. Aus einem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht lassen sich im Übrigen keine Konsequenzen für die Frage der Zulässigkeit einer darauf beruhenden Vollstreckungsmaßnahme herleiten, da die Forderungspfändung als eigenständiger Akt davon losgelöst zu betrachten ist. Dem Verstoß gegen das Bankgeheimnis eine Art Fernwirkung beizumessen, wie sie für Verfahrensverstöße durch Strafverfolgungsorgane im Zusammenhang mit Beweisverwertungsverboten diskutiert wird,254 ist dem Vollstreckungsrecht fremd und lässt sich keineswegs auf Verstöße von Privatrechtssubjekten gegen vertragliche Pflichten erstrecken. Auch der Zweck des Bankgeheimnisses, den Kunden vor Vermögenseinbußen zu schützen, ist gerade nicht berührt, wenn ein Gläubiger die Vollstreckung we249 Der BGH (MDR 1973, 926, 927) spricht von einem „von der Rechtsordnung nicht gebotenen Altruismus“. 250 Eine ausdrückliche Regelung findet sich auch in Ziff. 2 der AGB-Banken („Bankgeheimnis und Bankauskunft“). 251 BGH NJW 2006, 830, 833 f.; 2007, 2106, 2107. 252 Vgl. näher MüKoBGB/Wagner, § 826 Rn. 71 ff.; NK-BGB/Katzenmeier, § 826 Rn. 23 ff. 253 Vgl. zu einem solchen Fall BGH NJW 1981, 2184, 2185; zur sittenwidrigen Vereitelung eines Vermächtnisanspruchs BGH NJW 1992, 2152 ff. 254 Vgl. dazu MüKoStPO/Kudlich, Einleitung Rn. 488 ff.
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gen eines titulierten Anspruchs gegen den Schuldner betreibt. Der Gläubiger hat ein Interesse daran, dass sein Anspruch befriedigt wird, den der Schuldner nicht freiwillig erfüllt. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gläubiger nach heutiger Rechtslage sogar die Möglichkeit hat, im Rahmen des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft durch den Gerichtsvollzieher Daten bei Kreditinstituten abzufragen (vgl. § 802l Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO). XI. Doppelbefriedigung Betreibt der Gläubiger die Vollstreckung in der Weise, dass sie zu einer doppelten Befriedigung führen würde, weil er bereits zuvor umfänglich befriedigt worden ist, stellt sich die Frage, wie einem solchen Missbrauch wirksam begegnet werden kann. In der Rechtsprechung finden sich vereinzelte Beispiele, in denen eine durch den Schuldner erhobene Vollstreckungsabwehrklage erfolgreich auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB gestützt worden ist.255 Betrachtet man allerdings die Entscheidungen im Einzelnen, so kann der rechtlichen Begründung in beiden Fällen nicht gefolgt werden. Ein Rückgriff auf § 242 BGB ist weder erforderlich noch dogmatisch haltbar. 1. Entscheidung des LAG Nürnberg vom 23.2.2005 Die Entscheidung des LAG Nürnberg256 betraf einen Fall, in dem der Gläubiger mit dem Schuldner einen Prozessvergleich geschlossen hatte, der Lohnansprüche des Gläubigers zum Gegenstand hatte. Einen Teil der vom Vergleich umfassten Lohnansprüche hatte der Gläubiger aber bereits durch die damalige Bundesanstalt für Arbeit erhalten. In diesen Fällen findet gem. § 115 Abs. 1 SGB X ein gesetzlicher Forderungsübergang statt, so dass der nicht erfüllte Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung des Arbeitsentgelts auf den Leistungsträger übergeht. Das bedeutet aber, dass dem Gläubiger, der aus dem gerichtlichen Vergleich vollstreckt, die Aktivlegitimation fehlt, weil der Anspruch bei ihm nicht mehr existiert.257 Das LAG Nürnberg hat daher unnötigerweise auf § 242 BGB zurückgegriffen und die nur subsidiäre Geltung der Generalklausel missachtet. 2. Entscheidung des OLG Hamm vom 29.11.2011 Auch das OLG Hamm258 hat einer Vollstreckungsabwehrklage unter Verweis auf § 242 BGB stattgegeben. Dabei war das Gericht selbst der Ansicht, der Schuldner habe gegen die titulierte Forderung des Gläubigers erfolgreich mit ei255 256 257 258
LAG Nürnberg NZA-RR 2006, 100; OLG Hamm BauR 2012, 1433, 1436. LAG Nürnberg NZA-RR 2006, 100 f. So zutreffend Walker, FS Stürner, 829, 831 f. OLG Hamm BauR 2012, 1433 ff.
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ner Gegenforderung aufgerechnet, so dass die zusätzliche Heranziehung von § 242 BGB nicht hätte erfolgen dürfen.259 In dem Fall hatte der Gläubiger als Architekt Pläne für ein Bauvorhaben erstellt, das der Schuldner aber wegen finanzieller Schwierigkeiten letztlich nicht realisieren konnte. Seinen Honoraranspruch klagte der Gläubiger erfolgreich ein. Im Anschluss veräußerte er die Pläne nochmals an einen anderen Bauträger, der das Vorhaben sodann auch realisierte. Das OLG Hamm bejahte einen Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger aus Eingriffskondiktion.260 Die Entscheidung ist zwischenzeitlich zwar durch den BGH aufgehoben worden, da das OLG nach seiner Ansicht für einen Anspruch aus Eingriffskondiktion positiv hätte feststellen müssen, dass die Pläne urheberrechtsschutzfähig waren, diese Feststellung aber unterblieben war.261 Geht man davon aus, dass die Pläne nicht urheberrechtsschutzfähig waren, so ließe sich mit einem auf § 280 Abs. 1 BGB gestützten Anspruch auch nicht der aus der Zweitverwertung erzielte Veräußerungsgewinn abschöpfen, da die abstrakte Schadensberechnung nach dem Verletzergewinn dann nämlich ausscheidet.262 Selbst wenn man aber unterstellt, dass dem Schuldner letztlich kein Anspruch wegen der Zweitverwertung der Pläne zustand, so hätte das OLG Hamm der Vollstreckungsabwehrklage trotzdem nicht nach § 242 BGB stattgeben dürfen. Sieht man in der zweiten Veräußerung der Pläne ein missbräuchliches Verhalten des Gläubigers, würde diese Pflichtwidrigkeit nicht dazu führen, dass er an einer Geltendmachung seines zuvor ordnungsgemäß erworbenen und auch berechtigten Anspruchs gehindert wäre; die Verletzung eigener Pflichten kann nämlich grundsätzlich nur zum Entstehen von Gegenansprüchen führen.263 Liegen aber die materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistung von Schadensersatz oder wegen ungerechtfertigter Bereicherung nicht vor, so lässt sich dieses Ergebnis nicht über eine Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben korrigieren. Aus § 242 BGB kann insoweit auch kein Gegenanspruch konstruiert werden, da die Norm im Grundsatz rechtsbeschränkend und nicht anspruchsbegründend wirkt.264 Zwar finden sich vereinzelte Fallgestaltungen, in denen die Rechtsprechung aus § 242 BGB einen Anspruch ableitet,265 es handelt 259
So auch Walker, FS Stürner, 829, 831. Offen gelassen hat das Gericht, ob dem Schuldner auch ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB und §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB zustand. 261 BGH NJW 2013, 781, 782 f.; näher dazu Schwab, NJW 2013, 1135 ff. 262 BGH NJW 2013, 781, 783. Der Schuldner müsste vielmehr einen konkreten Schaden nachweisen, beispielsweise in Form entgangenen Gewinns aus einer seinerseitigen Veräußerung der Pläne an den das Projekt realisierenden Bauträger (Weise, NJWSpezial 2013, 108). 263 Vgl. BGH NJW-RR 2005, 743, 745 f.; NJW 2013, 781, 783; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 79. 264 Vgl. MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 229; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 70. 265 Der BGH begründet mit § 242 BGB einen Anspruch etwa in Extremfällen einer treuwidrigen Berufung auf einen Formmangel (vgl. BGH NJW 1998, 2350, 2352; 2004, 3330, 3331). Das BAG stützt den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im be260
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sich insoweit aber um Sonderkonstellationen, mit denen der hier zu beurteilende Fall nicht vergleichbar ist. Schließlich kann sich der Schuldner auch nicht gegen die Vollstreckung mit dem Einwand verteidigen, sie verstoße als solche gegen das Rechtsmissbrauchsverbot. Im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage können nämlich nur Einwendungen, die den titulierten Anspruch selbst betreffen, erhoben werden; das gilt auch für § 242 BGB.266 Die Befassung mit den beiden Entscheidungen zeigt, dass der Gefahr einer doppelten Befriedigung des Gläubigers nicht mit dem Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung aus § 242 BGB abgeholfen werden kann und muss. Es wird in diesen Fällen entweder an der Sachbefugnis des Gläubigers fehlen, weil mittlerweile ein anderer Anspruchsinhaber ist, oder der Schuldner kann sich mit dem Einwand des Untergangs der Forderung infolge Erfüllung oder Aufrechnung verteidigen. XII. Fortsetzung der Vollstreckung ohne vorherige Abrechnung In Ausnahmefällen soll der Gläubiger nach Ansicht des KG wegen Rechtsmissbrauchs daran gehindert sein, die Vollstreckung weiter zu betreiben, wenn er keine nachvollziehbare Abrechnung über die bisher beigetriebenen Beträge, die Verrechnung auf die einzelnen Forderungen und die noch offenen Restforderungen erteilt.267 Im entschiedenen Fall hatte die Gläubigerin die Vollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde zunächst nur wegen der Hauptforderung von insgesamt rund 59 Mio. DM betrieben und bereits über 63 Mio. DM eingetrieben. Über Nebenforderungen beabsichtigte sie erst nach Eingang der Hauptforderung eine Mitteilung zu machen. Der Entscheidung des KG muss widersprochen werden. Im Allgemeinen kann der Schuldner eine Einstellung der Zwangsvollstreckung insbesondere nach § 775 Nr. 5 ZPO erreichen, indem er einen Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis eines Kreditinstituts vorlegt. Werden bei einer Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher zunächst nur Teilbeträge eingetrieben, so ist dies außerdem auf der vollstreckbaren Ausfertigung zu vermerken und dem Schuldner eine Quittung auszustellen (§ 757 Abs. 1 ZPO). Der Schuldner kann sich gegen weitere Vollstreckungsmaßnahmen aber vor allem mit der Vollstreckungsabwehrklage zur Wehr setzen, wenn er der Ansicht ist, die titulierte Forderung sei erfüllt. In diesem Verfahren ist zwar der Schuldner für die rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Einwendungen und somit auch die Erfüllung beweispflichstehenden Arbeitsverhältnis auf § 242 BGB i.V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (vgl. BAG (GS) NZA 1985, 702, 703). 266 Musielak/Voit/Lackmann, § 767 Rn. 26; siehe dazu auch schon § 5 A. I. und D. II. 267 KG NJW-RR 2002, 1078.
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tig.268 Trägt er aber substantiiert vor, dass der Gläubiger bereits in einem die Hauptforderung deutlich übersteigenden Umfang erfolgreich vollstreckt hat, so sollte zu seinen Gunsten auf die Grundsätze der sekundären Behauptungs- und Beweislast zurückgegriffen werden. Danach hat die nicht beweisbelastete Partei eine gesteigerte Substantiierungslast, wenn die an sich beweisbelastete Partei die maßgebenden Tatsachen im Einzelnen nicht kennt, weil sie keinen Einblick in den Geschehensablauf hat, während dieser der Gegenpartei bekannt ist.269 Der Schuldner hat keinen Einblick, in welcher Weise der Gläubiger den die Hauptforderung überschießenden Betrag auf die einzelnen noch offenen Forderungen verrechnet. Es obliegt in diesem Fall daher dem Gläubiger, substantiiert darzulegen, welche Forderungen nach der Verrechnung noch nicht erfüllt sind. Eines Rückgriffs auf § 242 BGB bedarf es also nicht. Für diese Einschätzung spricht auch § 80 Abs. 3 GVGA. Danach kann der Gerichtsvollzieher unter besonderen Umständen vom Gläubiger eine Berechnung der Forderung verlangen. Diese Bestimmung hat zwar nur die Qualität einer Verwaltungsvorschrift270 und betrifft auch nur die Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher, spricht aber gegen die Möglichkeit, in besonderen Fällen beim Fehlen einer Abrechnung aus § 242 BGB einen Grund zur Verfahrenseinstellung herleiten zu können. XIII. Verlangen einer symbolischen Sicherheitsleistung in der Zwangsversteigerung Verlangt ein Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 67 Abs. 1 S. 1 ZVG für ein Gebot Sicherheitsleistung, so hat das Vollstreckungsgericht darüber sofort zu entscheiden (§ 70 Abs. 1 ZVG). Erklärt es die Sicherheitsleistung für erforderlich, so ist diese sofort zu leisten, eine Sicherheitsleistung durch Überweisung auf das Konto der Gerichtskasse muss vor dem Versteigerungstermin erfolgt sein (§ 70 Abs. 2 S. 1, 2 ZVG). Eine Barzahlung ist nach § 69 Abs. 1 ZVG ausgeschlossen. Die Höhe der Sicherheitsleistung richtet sich nach dem Verkehrswert des zu versteigernden Grundstücks und beträgt ein Zehntel davon (§ 68 Abs. 1 S. 1 ZVG). Der BGH 271 hatte sich mit einem Fall auseinanderzusetzen, in dem der Verkehrswert des Versteigerungsobjekts auf den symbolischen Wert von einem Euro festgesetzt worden war. Die Gläubigerin verlangte von der Meistbietenden Sicherheitsleistung, die das Vollstreckungsgericht auch für er-
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Vgl. Musielak/Voit/Lackmann, § 767 Rn. 29; Zöller/Herget, § 767 Rn. 11. BGH NJW 1987, 1201; 1990, 3151 f.; NJW-RR 2002, 1309, 1310; NJW 2005, 2614, 2615. 270 Hk-ZV/Kessel, Einl. GVGA u. GVO Rn. 2; Musielak/Voit/Lackmann, § 753 Rn. 2. 271 BGH NJW 2012, 3376 ff. 269
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forderlich hielt. Mangels geleisteter Sicherheit wurde das Gebot vom Vollstreckungsgericht nach § 70 Abs. 2 S. 3 ZVG zurückgewiesen. Das Verlangen der Gläubigerin hatte zum Hintergrund, dass sie nach der Zurückweisung des Meistgebots nun selbst Meistbietende war. Der BGH beurteilte das Verlangen nach einer Sicherheitsleistung als rechtsmissbräuchlich und unzulässig, so dass das Gebot nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen. Zur Begründung führt der V. Zivilsenat aus, der Zweck der Sicherheitsleistung lasse sich bei einem symbolischen Verkehrswert von einem Euro nicht erreichen, weshalb der Gläubiger kein berechtigtes Interesse daran habe. Das Verlangen nach einer Sicherheitsleistung könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sich so missbräuchliche Gebote verhindern ließen.272 Die Entscheidung ist zum Teil auf Zustimmung,273 aber auch auf Ablehnung274 gestoßen. Zu Recht hält der BGH die Sicherheitsleistung nicht für erforderlich, um missbräuchlichen Geboten vorzubeugen. Lässt sich ein solcher Missbrauch feststellen, so sind entsprechende Gebote nach § 242 BGB unwirksam und gem. § 71 Abs. 1 ZVG zurückzuweisen.275 Richtig ist auch die Annahme, dass der Zweck der Sicherheitsleistung bei einem Verkehrswert des Grundstücks von nur einem Euro nicht erreicht werden kann.276 § 69 ZVG dient dazu, die Verfahrensbeteiligten, denen ein aus dem abgegebenen Gebot zu befriedigendes Recht am Grundstück zusteht, vor einem Ausfall zu schützen sowie unseriöse Bieter von vornherein vom Bieten abzuhalten.277 Diese Sicherungs- und Abschreckungswirkung wird bei einer Sicherheitsleistung in Höhe von 0,10 Euro in jedem Fall verfehlt. Ob die beabsichtigte Wirkung aber auch in Fällen mit einem normalen Verkehrswert wirklich erzielt werden kann, lässt sich bezweifeln, da es trotz Sicherheitsleistung gleichwohl noch zu einem beträchtlichen Ausfall kommen kann und keine Gewähr dafür besteht, dass der Meistbietende nach Zuschlagserteilung tatsächlich zahlt.278 Die besseren Gründe sprechen jedenfalls gegen eine Heranziehung von § 242 BGB. Die §§ 67 ff. ZVG sind eindeutig und verlangen unabhängig von der Höhe des Verkehrswerts immer eine Sicherheitsleistung von einem Zehntel des Verkehrswerts. Eine Grenzziehung findet sich nicht. Hätte der Gesetzgeber eine Differenzierung gewünscht, so hätte er eine entsprechende Regelung ohne Probleme schaffen können. Die Entscheidung des
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Zum Ganzen BGH NJW 2012, 3376 Rz. 10 ff. Alff, ZfIR 2012, 796; Böttcher, § 70 Rn. 21; Dierck/Morvilius/Vollkommer/Morvilius, 4. Kap. Rn. 499. 274 Stamm, LMK 2012, 340746. 275 Siehe dazu näher schon § 11 A. III. 276 Alff, ZfIR 2012, 796; Böttcher, § 70 Rn. 21. 277 Böttcher, § 70 Rn. 1; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 67 Rn. 1; Hk-ZV/Stumpe, § 67 ZVG Rn. 1; Stöber, § 67 Rn. 1.1. 278 Zweifelnd auch Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 67 Rn. 2. 273
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BGH führt nur dazu, dass in Zukunft Unsicherheit herrscht, ab welchem Bezugswert eine Sicherheitsleistung nicht mehr verlangt werden kann, weil sie nur symbolischen Charakter hätte und damit ihren Zweck verfehlen würde.279 Eine Sicherheitsleistung von einem Euro wäre wohl gleichsam noch symbolischer Natur, bei einhundert Euro ließe sich aber schon anders entscheiden. Diese Rechtsunsicherheit macht es aus praktischer Sicht erforderlich, die Sicherheitsleistung vorsorglich in jedem Fall zu leisten, um nicht Gefahr zu laufen, dass der Rechtspfleger den Verkehrswert doch schon als nicht mehr nur symbolischer Natur ansieht, und ein Verlangen nach § 67 Abs. 1 ZVG deshalb nicht als missbräuchlich zurückgewiesen werden könnte. Auch die Gesetzeshistorie spricht für die Zulassung eines Antrags auf Sicherheitsleistung selbst in minimaler Höhe. Mit Gesetz vom 18.2.1998280 wurde als Bezugsgröße für die Sicherheitsleistung der Verkehrswert festgelegt. Zuvor richtete sich die Sicherheitsleistung noch nach dem Bargebot, so dass es während des Versteigerungstermins stetig zu Veränderungen mit der Folge einer Nachschusspflicht kommen konnte. Im Vorfeld war es nicht möglich, sich darauf einzustellen, wie hoch eine zu erbringende Sicherheitsleistung letztlich ausfallen würde. Mit der Orientierung an einer festen Bezugsgröße, nämlich dem Verkehrswert, sollte diese Problematik gerade entschärft werden.281 Der Verkehrswert wird vor dem Versteigerungstermin bekannt gemacht, so dass sich jeder Bietinteressent darauf einstellen kann, in welcher Höhe Sicherheit zu leisten ist, sollte ein entsprechender Antrag im Termin gestellt werden. Wenn nun aber die Bezugsgröße aus Praktikabilitätsgründen gerade fixiert worden ist, wäre eine Aufweichung in Fällen mit symbolischem Verkehrswert ein Rückschritt. Es stellt keinen großen Aufwand mehr dar, eine Sicherheit in vorgeschriebener Höhe zu stellen. Das gilt erst recht, wenn sie nur 0,10 Euro beträgt.282
B. Dritte Auch wenn vor allem der Gläubiger versucht ist, sich im Rahmen der Vollstreckung unberechtigte Vorteile zu verschaffen oder das Vollstreckungsziel unter Missbrauch gesetzlicher Vorschriften zu erreichen, so lässt sich entsprechendes Verhalten doch auch bei der Beteiligung Dritter am Vollstreckungsverfahren finden.
279
So schon Stamm, LMK 2012, 340746. BGBl. I, S. 866. 281 BT-Drs. 13/7383, S. 7. 282 So schon Stamm, LMK 2012, 340746. Der von Stamm angestellte Vergleich mit der Vollstreckung von Bagatellforderungen (dazu näher schon § 9 A.) ist allerdings zweifelhaft, da es dort um eine Verwirklichung des Befriedigungsinteresses des Gläubigers und die Effektivität der Vollstreckung geht, der Zweck der Vollstreckung also erreicht werden kann. Bei der Sicherheitsleistung in sehr geringer Höhe lässt sich der hinter dem Institut stehende Zweck aber gerade nicht erreichen. 280
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I. Erwerb schuldnerfremder Sachen in der Versteigerung Ein Missbrauch rechtlicher Befugnisse im Vollstreckungsverfahren durch Dritte kommt in Betracht, wenn eine nicht dem Schuldner gehörende Sache ersteigert wird. 1. Problemlage Erfolgt die Verwertung einer gepfändeten beweglichen Sache im Wege der öffentlichen Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher, so erwirbt der Ersteher mit der Ablieferung der Sache durch den Gerichtsvollzieher (§ 817 Abs. 2 ZPO) kraft hoheitlichen Aktes Eigentum.283 Erforderlich ist, dass die wesentlichen Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind und die Sache wirksam verstrickt worden ist.284 Nach ganz herrschender Meinung kommt es für den Eigentumserwerb nicht auf die materielle Rechtslage an, so dass der Ersteher mit der Ablieferung selbst bei der Versteigerung schuldnerfremder Sachen Eigentümer wird.285 Dieses Ergebnis stößt auf Unbehagen, wenn der Ersteher weiß, dass die gepfändete Sache nicht dem Schuldner gehört. 2. Lösungsansätze Zur Lösung des Problems finden sich verschiedene Ansätze. a) Analogie zu § 1244 BGB? Teilweise wird versucht, das Problem durch eine analoge Anwendung des § 1244 BGB zu lösen.286 Ist der Meistbietende bösgläubig, könnte er nach der dortigen Regelung kein Eigentum erwerben. Gegen eine Anwendung von § 1244 BGB spricht aber, dass die Vorschrift wegen des hoheitlichen Charakters der Eigentumsverschaffung durch den Gerichtsvollzieher im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht passt. Der Gerichtsvollzieher handelt hier nicht als Vertreter für den Gläubiger wie beim privatrechtlichen Pfandverkauf, sondern nimmt einen 283 Ganz h. M., vgl. nur RGZ 156, 395, 397 ff.; BGHZ 55, 20, 25; 100, 95, 98; 119, 75, 76; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 29.7; Brox/Walker, ZVR, Rn. 411; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 53 Rn. 27; MüKoZPO/Gruber, § 817 Rn. 12; Musielak/Voit/ Becker, § 817 Rn. 4; Stein/Jonas/Münzberg, § 817 Rn. 21; Zöller/Stöber, § 817 Rn. 8. 284 Vgl. nur Brox/Walker, ZVR, Rn. 412 ff.; Musielak/Voit/Becker, § 817 Rn. 4; Schuschke/Walker/Walker, § 817 Rn. 10; Thomas/Putzo/Seiler, § 817 Rn. 9. 285 Vgl. nur BGHZ 55, 20, 25; 100, 95, 98; 119, 75, 76; Brox/Walker, ZVR, Rn. 411; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 53 Rn. 27; Hk-ZV/Kindl, § 817 Rn. 10; MüKoZPO/ Gruber, § 817 Rn. 16; Musielak/Voit/Becker, § 817 Rn. 4; Schuschke/Walker/Walker, § 817 Rn. 10; Stein/Jonas/Münzberg, § 817 Rn. 24; Zöller/Stöber, § 817 Rn. 8. 286 Bruns/Peters, § 23 IV. 3. b); Henckel, S. 316 ff.; Marotzke, NJW 1978, 133, 134 ff. (hält den uneingeschränkten Eigentumserwerb sogar für verfassungswidrig); Pinger, JR 1973, 94, 96 ff.
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hoheitlichen Verfügungsakt vor.287 Hinzu kommt, dass sich der Gerichtsvollzieher – abgesehen von den Fällen evidenten Dritteigentums – keine Gedanken um die materielle Rechtslage am Pfändungsobjekt zu machen hat, da die Erforschung der Eigentumsverhältnisse nicht zum Gegenstand seiner Prüfungskompetenz gehört.288 b) Rechtsmissbrauch Lehnt man aus guten Gründen eine Analogie zu § 1244 BGB ab, so könnte einem Eigentumserwerb des Erstehers aber immer noch das Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung entgegenstehen. Weiß der Ersteher, dass der Schuldner nicht Eigentümer der Sache ist, ersteigert er sie aber dennoch, um auf Kosten des Berechtigten das Eigentum zu erwerben, so ist darin ein missbräuchliches Verhalten zu erblicken. Es stellt sich sodann aber die Folgefrage, welche rechtliche Konsequenz an das missbräuchliche Verhalten geknüpft wird. aa) Versagung des Eigentumserwerbs? Zum Teil wird vertreten, dass sich der arglistig handelnde Ersteher nicht auf das Eigentum berufen könne.289 § 242 BGB würde somit einem Eigentumserwerb im Weg stehen. Für diese Lösung spricht die Interessenlage der Beteiligten. Berücksichtigt man, dass der Ersteher gerade deshalb auch an schuldnerfremden Sachen Eigentum erwerben soll, damit der Rechtsverkehr geschützt wird, so verfängt dieses Argument nicht, wenn der Ersteher positive Kenntnis von der fehlenden Eigentümerstellung des Schuldners hat und er den wahren Eigentümer schädigen will.290 In diesem Fall ist das Interesse des Eigentümers an einer Erhaltung seiner Rechtsstellung höherwertiger als das Erwerbsinteresse des Erstehers.291 Gleichwohl sprechen gute Gründe gegen diese Lösung. § 242 BGB lässt sich zwar als Korrektiv der Rechtsausübung in der Zwangsvollstreckung heranziehen, kann aber nicht so weit reichen, dass hoheitliche Befugnisse staatlicher Organe dadurch eine Beschränkung erfahren. Der Gerichtsvollzieher verschafft dem Ersteher auf hoheitlichem Weg Eigentum an der versteigerten Sache, ohne dass die Ausübung seiner amtlichen Befugnisse unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben stünde. § 242 BGB verpflichtet nur die privatrechtlichen Verfahrensbeteiligten zu redlicher Ausübung ihrer Rechte. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass man den Fokus auf den Ersteher legt und diesem die Berufung
287
Brox/Walker, ZVR, Rn. 411; MüKoBGB/Damrau, § 1235 Rn. 1. Siehe dazu schon näher § 5 A. II. 289 Geißler, DGVZ 1994, 33, 36; Lippross/Bittmann, ZVR, Rn. 261; Mohrbutter, § 15 V; Tiedtke, S. 295. 290 Darauf hinweisend auch Marotzke, NJW 1978, 133, 136; Pinger, JR 1973, 94, 95 f.; Säcker, JZ 1971, 156, 159. 291 Pinger, JR 1973, 94, 95. 288
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auf den Eigentumserwerb versagt. Zwar kann darin dann konstruktiv eine Begrenzung der Rechtsausübung gesehen werden, wegen der Absolutheit des Eigentumsrechts292 lässt sich der Vorgang aber letztlich doch nur so erklären, dass man einen Eigentumserwerb des Erstehers verneint und somit doch dem hoheitlichen Akt des Gerichtsvollziehers seine Wirkung versagt. bb) Rückübereignungsanspruch nach § 826 BGB Aus den dargelegten Gründen ist deshalb ein anderer Ansatz vorzugswürdig, wonach dem geschädigten Voreigentümer unter den Voraussetzungen von § 826 BGB ein Anspruch auf Rückübereignung gewährt wird.293 Dafür spricht auch ein Blick auf die Rechtslage vor dem Rechtsverlust. Droht durch die Versteigerung einer schuldnerfremden Sache der Verlust des Eigentums, so ist der Dritte gehalten, sich durch Erhebung einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu verteidigen. Auch dort muss der Dritte also sein Recht klageweise geltend machen. Es ist ihm daher zuzumuten, nach einem Eigentumsverlust aus § 826 BGB gegen den Ersteher vorzugehen. Vergleicht man die Rechtsstellung berechtigter Dritter in der Zwangsversteigerung und in der Mobiliarvollstreckung, so lässt sich damit ebenfalls kein anderes Ergebnis überzeugend begründen.294 In der Versteigerung beweglicher Sachen kann sich der beeinträchtigte Dritte gegen den mit der Ablieferung der Sache verbundenen Eigentumserwerb mit keinem Rechtsbehelf mehr erfolgreich zur Wehr setzen.295 Im Gegensatz dazu ist der Zuschlagsbeschluss in der Zwangsversteigerung, der zum Eigentumserwerb des Erstehers führt (§ 90 Abs. 1 ZVG), zwar mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde lässt sich aber gem. § 100 Abs. 1 ZVG nur auf ganz bestimmte Gründe stützen. Macht ein Dritter mit der Berufung auf sein Eigentum ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht geltend, muss er die Verfahrensaufhebung bis zur Zuschlagsentscheidung beantragen (§ 37 Nr. 5 ZVG). Anschließend ist er mit seinem Einwand im Beschwerdeverfahren präkludiert.296 Auch der Umstand, dass der Versteigerungstermin mit einer genauen Bezeichnung des Grundstücks297 öffentlich bekannt zu machen ist (§§ 37 Nr. 1, 39 Abs. 1 ZVG), so dass der tatsächlich Berechtigte davon erfahren und sein Eigentum verteidigen kann, ist kein überzeu292
Vgl. MüKoBGB/Brückner, § 903 Rn. 13. Brox/Walker, ZVR, Rn. 462; Jauernig/Berger, § 18 Rn. 21; Stein/Jonas/Münzberg, § 817 Rn. 21; Schuschke/Walker/Walker, § 817 Rn. 11; Schuschke/Walker/Raebel, Anh. zu § 771 Rn. 15; Walker, FS Stürner, 829, 843. 294 A. A. aber Marotzke, NJW 1978, 133, 135 f. 295 MüKoZPO/Gruber, § 817 Rn. 27; Musielak/Voit/Becker, § 817 Rn. 7; Schuschke/Walker/Walker, § 817 Rn. 17. 296 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 37 Rn. 31, § 100 Rn. 6. 297 Zu den Anforderungen im Einzelnen Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 37 Rn. 4 ff. 293
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gendes Argument gegen einen Eigentumserwerb des arglistigen Erstehers in der Mobiliarversteigerung.298 Zwar verlangt § 816 ZPO nur eine allgemeine Bezeichnung der zu versteigernden Sache, die geringeren Anforderungen rechtfertigen sich aber vor dem Hintergrund, dass bewegliche Sachen noch im Versteigerungstermin in Augenschein genommen werden können, was bei der Zwangsversteigerung nicht möglich ist. Außerdem lassen sich die unterschiedlichen Vorgaben in den Verfahrensordnungen auf den hohen wirtschaftlichen Bedeutungsgehalt von Immobilien zurückführen, weshalb ein Vergleich der Mobiliarmit der Immobiliarvollstreckung ohnehin nur geringe Aussagekraft hat. Hält man danach also eine Haftung des arglistigen Erstehers aus § 826 BGB für den dogmatisch richtigen Weg, so muss dem Ersteher aber mehr vorwerfbar sein, als dass er Kenntnis der fehlenden Berechtigung des Schuldners hatte. Die Sittenwidrigkeit seines Verhaltens kann zum Beispiel in einem bewussten Zusammenwirken mit dem Gläubiger oder dem Schuldner zum Nachteil des tatsächlich Berechtigten liegen. c) Sonderfall: Gläubiger als Ersteher Etwas anders gestaltet sich die Rechtslage, wenn der Gläubiger arglistig eine schuldnerfremde Sache ersteigert. Dann kommen als Anspruchsgrundlagen neben § 826 auch § 280, §§ 687 Abs. 2, 677, 678, §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 und § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.299 Der Unterschied bei einer Inanspruchnahme des Gläubigers besteht darin, dass bereits dessen positive Kenntnis von der fehlenden Eigentümerstellung des Schuldners genügt, um mit dem Anspruch auf Rückübereignung durchzudringen. Im Vergleich zur Situation bei Dritten ist dieses Ergebnis aber angemessen, da der Gläubiger als Herr des Verfahrens jederzeit von der Verwertung der gepfändeten Sache Abstand nehmen kann und ihn wegen seiner herausgehobenen Rolle auch erhöhte Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten treffen. II. Berufung auf Berechtigung am Grundstück erst im Beschwerdeverfahren gegen Zuschlagsversagung § 85a Abs. 3 ZVG sieht als Ausnahme zur Regelung in Abs. 1 vor, dass ein zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigter unter bestimmten weiteren Voraussetzungen den Zuschlag im ersten Versteigerungstermin auch dann erteilt bekommt, wenn sein Meistgebot nicht die Hälfte des Grundstückswerts erreicht. Der Zuschlag ist aber gem. § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG gleichwohl auf Antrag eines nachrangigen Gläubigers zu versagen, wenn das Meistgebot unter 7 / 10 des Grund298
So aber Marotzke, NJW 1971, 133, 135 f. Brox/Walker, ZVR, Rn. 473 ff.; Lippross/Bittmann, ZVR, Rn. 260 ff.; a. A. Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 186. 299
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stückswerts geblieben ist und der nachrangige Gläubiger mit seinem Anspruch ganz oder teilweise ausfällt, bei einem Erreichen des Grenzwerts der Anspruch aber gedeckt gewesen wäre. Bleibt das Meistgebot im ersten Versteigerungstermin unterhalb der Hälfte des Grundstückswerts und legt der Meistbietende nicht offen, dass er zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigt ist, was beispielsweise bei einer Briefgrundschuld auch nicht dem Grundbuch entnommen werden kann, so wird das Vollstreckungsgericht den Zuschlag gestützt auf § 85a Abs. 1 ZVG versagen. Legt nun der Meistbietende unter Offenlegung seiner Berechtigung sofortige Beschwerde gegen den Zuschlagsversagungsbeschluss ein, um doch noch den Zuschlag im Hinblick auf § 85a Abs. 3 ZVG erteilt zu bekommen, so kann der nachrangige Gläubiger nicht mehr mit Erfolg einen Antrag nach § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG stellen, da dieser nur bis zum Schluss der Verhandlung über den Zuschlag gestellt werden kann (§ 74a Abs. 2 ZVG). Ein solcher Fall hat das LG Magdeburg dazu bewogen, sich die Frage zu stellen, ob dem am Grundstück Berechtigten wegen Rechtsmissbrauchs der Zuschlag letztlich doch zu versagen war.300 Auch wenn das Gericht aus hier nicht maßgeblichen Gründen zum Ergebnis kam, dass der Zuschlag zu Recht nicht erteilt wurde, lehnte es einen Rechtsmissbrauch ausdrücklich ab. Ein anfängliches Verschweigen der Berechtigung am Grundstück sei vor dem Hintergrund der Bestimmungen in § 81 Abs. 2 und 3 ZVG nicht missbräuchlich. Das ZVG gestatte gerade verdeckte Gebote, und der Bieter müsse nicht seine wahre Interessenlage offenbaren. Diese Argumentation überzeugt nicht. Ein Bieten in verdeckter Stellvertretung setzt voraus, dass die Stellvertretung bis zur Zuschlagserteilung an den Vertreter offengelegt wird. Das Gleiche gilt bei einer Abtretung des Rechts aus dem Meistgebot. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens kann eine Stellvertretung oder Abtretung nicht mehr mit Erfolg offengelegt werden.301 Insoweit lässt sich also aus den Regelungen in § 81 Abs. 2 und 3 ZVG kein Argument dafür herleiten, dass eine Offenlegung der Berechtigung am Grundstück auch noch nach Erteilung des Zuschlags im Beschwerdeverfahren erfolgen kann.302 Die Frage missbräuchlichen Verhaltens würde sich aber auch gar nicht stellen, wenn der am Grundstück Berechtigte mit seinem erstmals im Beschwerdeverfahren gemachten Vorbringen nicht mehr gehört würde. Zwar lässt § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Beschwerdeverfahren zu, nach § 96 ZPO genießen die spezielleren Vorschriften der §§ 97 bis 104 ZVG aber bei einer sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung über den Zuschlag Vorrang. Aus der Regelung in § 100 Abs. 1 ZVG, wonach nur bestimmte, vor der Entscheidung über den Zuschlag liegende Beschwerdegründe in Betracht kommen, wird
300 301 302
LG Magdeburg Rpfleger 2014, 535 f. Böttcher, § 81 Rn. 19, 21. Alff, Rpfleger 2014, 536.
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gefolgert, dass die Beschwerde gegen die Zuschlagserteilung nicht auf solche einen Zuschlagsversagungsgrund begründende Tatsachen gestützt werden kann, die zeitlich nach der Zuschlagsentscheidung liegen oder dem Versteigerungsgericht erst nachträglich bekannt geworden sind.303 Die Rechtsprechung argumentiert damit, dass der mit dem Zuschlag verbundene Eigentumserwerb möglichst rechtssicher sein müsse, weshalb man eine Aufhebung des Zuschlags nur eingeschränkt zulassen dürfe. Uneinheitlich wird die Rechtslage allerdings beurteilt, wenn es um die Berücksichtigung neuer oder bislang unbekannter Tatsachen bei der Beschwerde gegen eine den Zuschlag versagende Entscheidung geht.304 Betrachtet man den Wortlaut von § 100 Abs. 1 ZVG, so findet sich keine Differenzierung zwischen einer den Zuschlag erteilenden und einer diesen versagenden Entscheidung. Ein Vergleich mit anderen Vorschriften zeigt aber, dass der Gesetzgeber insoweit durchaus differenzierte Regelungen getroffen hat, wie insbesondere den §§ 97 Abs. 1, 98, 104 ZVG entnommen werden kann. Das spricht gegen eine unterschiedliche Behandlung, wenn es um die Berücksichtigungsfähigkeit neuer Tatsachen geht. Zwar lässt sich bei einer Beschwerde gegen eine den Zuschlag versagende Entscheidung nicht auf das Argument zurückgreifen, der Eigentumserwerb des Erstehers müsse möglichst rechtssicher sein. Dennoch würde es insbesondere für den Schuldner Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen, könnte er nachträglich noch Versagungsgründe schaffen und sich dann auf diese im Beschwerdeverfahren berufen.305 Der vom LG Magdeburg zu beurteilende Fall zeigt ebenfalls, dass eine Berücksichtigung der erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens offengelegten Berechtigung am Grundstück zu einer unangemessenen Benachteiligung des nachrangigen Gläubigers geführt hätte, da diesem ein Antrag nach § 74a Abs. 1 ZVG zu diesem Zeitpunkt bereits verwehrt war. Somit greift auch bei einer sofortigen Beschwerde gegen eine den Zuschlag versagende Entscheidung die aus § 100 Abs. 1 ZVG hergeleitete Präklusion für neuen Tatsachenvortrag. Auf den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs muss daher nicht zurückgegriffen werden, wenn ein am Grundstück Berechtigter seine Berechtigung erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens offenlegt, um von der Regelung in § 85a Abs. 3 ZVG profitieren zu können.
303 BGH NJW 1965, 2107, 2108; 2006, 505, 507; NJW-RR 2008, 1741, 1743; 2014, 400, 401; OLG Köln Rpfleger 1992, 491; Böttcher, § 100 Rn. 3; Dassler/Schiffhauer/ Hintzen, § 100 Rn. 6; Hk-ZV/Michelsen, § 100 ZVG Rn. 12; Stöber, § 96 Rn. 2.2, § 100 Rn. 2.4. Eine Ausnahme lässt die Rechtsprechung bei einer Suizidgefahr des Schuldners zu, vgl. BGH NJW 2006, 505, 507; NJW-RR 2008, 1741, 1743. 304 Dafür: LG Aachen Rpfleger 1985, 452; Böttcher, § 100 Rn. 3; Stöber, § 96 Rn. 2.2. Dagegen: Alff, Rpfleger 2014, 536 f.; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 100 Rn. 7; Hk-ZV/Michelsen, § 100 ZVG Rn. 13. 305 Vgl. Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 100 Rn. 7; Hk-ZV/Michelsen, § 100 ZVG Rn. 13.
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III. Umgehung der Pflicht zur erhöhten Sicherheitsleistung bei Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot an den Schuldner Gibt der Schuldner im Versteigerungstermin Gebote ab, so kann der Gläubiger eine erhöhte Sicherheitsleistung verlangen (§§ 67 Abs. 1, 68 Abs. 3 ZVG). Hintergrund der Regelung ist das erhöhte Schutzbedürfnis des betreibenden Gläubigers vor unzureichender Bonität des Schuldners.306 Dieses Gläubigerrecht lässt sich dadurch umgehen, dass ein Dritter das Meistgebot abgibt, dann aber vor Zuschlagserteilung die Rechte daraus an den Schuldner abtritt (§ 81 Abs. 2 ZVG). Diese Vorgehensweise soll als rechtsmissbräuchliches Umgehungsgeschäft zur Unwirksamkeit der Abtretung führen.307 Diese Ansicht lässt sich nicht aufrechterhalten. Gibt ein Dritter das Meistgebot ab, um anschließend die Rechte daraus an den Schuldner abzutreten und so das Recht des Gläubigers auf erhöhte Sicherheitsleistung auszuhebeln, so liegt zwar eine Umgehung des § 68 Abs. 3 ZVG vor, die Abtretung hat aber auf der anderen Seite auch zur Folge, dass der Zedent neben dem Zessionar als Gesamtschuldner weiter für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung aus dem Meistgebot haftet (§ 81 Abs. 4 ZVG). Da die gesamtschuldnerische Haftung jedoch keinen Ersatz für eine erhöhte Sicherheitsleistung bis zur Deckung der Ansprüche des betreibenden Gläubigers darstellt, führt dies allein nicht dazu, die Umgehung als unschädlich anzusehen.308 Anstatt die Abtretung wegen Rechtsmissbrauchs für unwirksam zu halten, sollte in diesen Fällen der Schuldner vielmehr verpflichtet sein, die erhöhte Sicherheitsleistung noch erbringen zu müssen, bevor ihm der Zuschlag erteilt werden kann. § 68 Abs. 4 ZVG lässt ausdrücklich zu, dass die erhöhte Sicherheitsleistung bis zur Entscheidung über den Zuschlag erbracht wird. Dagegen lässt sich einwenden, dass für die Sicherheitsleistung in üblicher Höhe nach § 68 Abs. 1 ZVG die Pflicht zur sofortigen Entrichtung (§ 70 Abs. 2 S. 1 ZVG) eingreift.309 Hat aber der Meistbietende seinerseits die Sicherheitsleistung nach § 68 Abs. 1 ZVG erbracht, sollte damit diesem Erfordernis genüge getan sein, so dass der Schuldner nach der Abtretung nur noch die darüber hinausgehende erhöhte Sicherheitsleistung erbringen muss. Hat der betreibende Gläubiger es unterlassen, nach § 67 Abs. 1 ZVG die Leistung einer Sicherheit zu verlangen, so muss er in Kauf nehmen, dass er dann auch bei einer Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot keine erhöhte Sicherheitsleistung verlangen kann.
306
Böttcher, § 70 Rn. 24; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 68 Rn. 11. AG, LG und OLG Bremen Rpfleger 1999, 88, 89 (im Ergebnis wurde die Abtretung aber aus noch anderen Gründen zu Recht als unwirksam angesehen). 308 § 81 Abs. 4 ZVG nicht als ausreichendes Äquivalent ansehend ebenfalls AG, LG und OLG Bremen Rpfleger 1999, 88, 89. 309 Böttcher, § 70 Rn. 52; Stöber, § 68 Rn. 5. 307
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Der Gläubiger hat dann schließlich immer noch die Möglichkeit, eine Einstellung des Verfahrens zu bewilligen (§ 30 Abs. 1 ZVG).
C. Zusammenfassende Betrachtung Wenn sich Verfahrensbeteiligte auf Kosten anderer unberechtigte Vorteile verschaffen, so kann eine solche Rechtsausübung unter Heranziehung der bürgerlich-rechtlichen Missbrauchsschranken zu begrenzen sein. Einen unberechtigten Vorteil erschleicht sich der Gläubiger insbesondere durch eine Umgehung zwingender Verfahrensvorschriften. So kann sich ein Gläubiger nicht auf ein vorrangiges Pfandrecht berufen, das er nur deshalb erworben hat, weil er die öffentliche Zustellung des Vollstreckungstitels durch unrichtige Angaben erschlichen hat. Ebenfalls missbräuchlich verhält sich der Gläubiger, wenn er den großzügigen Prüfungsmaßstab bei einem Antrag auf Forderungspfändung für Ausforschungspfändungen ausnutzt. Zur Ermittlung der Vermögensverhältnisse des Schuldners ist das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft vorrangig. Eine Verfahrensvorschrift wird auch dann im Interesse des Gläubigers missbräuchlich umgangen, wenn ein Gläubigervertreter oder ein auf Veranlassung des Gläubigers handelnder Dritter ein Gebot im Zwangsversteigerungsverfahren abgibt, um den Grenzwert des § 85a Abs. 1 ZVG zu Fall zu bringen, der Gläubiger dazu aber selbst wegen der Regelung in § 85a Abs. 3 ZVG nicht in der Lage gewesen wäre. Ein unberechtigt erworbener Vorteil kann auch darin liegen, dass der Gläubiger in eine gegen ihn selbst gerichtete Forderung vollstreckt, um in zweckwidriger Weise ein Aufrechnungsverbot zu umgehen. Das trifft auf Fälle zu, in denen der Staat einen Entschädigungsanspruch des Schuldners pfänden lässt, der gerade auch dazu dient, staatliche Institutionen für ein bestimmtes Fehlverhalten zu sanktionieren. Der Zweck des Anspruchs würde durch den Pfändungszugriff vereitelt. Ein Missbrauchsvorwurf lässt sich auch erheben, wenn Verfahrensbeteiligte durch Abreden manipulierend auf den Gang des Verfahrens einwirken. Deshalb sind Bietabreden und Zuzahlungsvereinbarungen sittenwidrig, wenn dadurch das Versteigerungsverfahren verfälscht wird und dem Verfahren zum Nachteil anderer Vermögenswerte entzogen werden. Diese Abreden haben zwar keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Gebote, führen aber zu einem Zuschlagsversagungsgrund. Eine unzulässige Vorteilsverschaffung kann auch darauf beruhen, dass sich Verfahrensbeteiligte den Umstand zunutze machen, dass den Vollstreckungsorganen eine nur eingeschränkte Prüfungskompetenz zukommt. Es erfolgt nämlich keine inhaltliche Überprüfung der Richtigkeit des Titels und im Grundsatz auch keine Prüfung der materiellen Berechtigung des Schuldners am Gegenstand der Vollstreckung. Der Gläubiger verhält sich daher missbräuchlich, wenn er einen
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unrichtigen Titel zur Vollstreckung ausnutzt. Gleiches gilt für den Erwerb schuldnerfremder Sachen durch den Gläubiger oder einen Dritten in der Versteigerung, wenn diese positive Kenntnis der fehlenden Berechtigung des Schuldners haben. In beiden Fällen ist aber für den auf § 826 BGB gestützten Anspruch auf Unterlassung der Vollstreckung bzw. Rückübereignung der abgelieferten Sache erforderlich, dass besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Das hat seinen Grund darin, dass einer Korrektur missbräuchlicher Rechtsausübung ihrerseits Grenzen gesetzt sind. So darf die Rechtskraft nicht unbegrenzt ausgehöhlt werden, wenn die Vollstreckung aus unrichtigen Titeln untersagt werden soll, und nicht jeder Erwerb schuldnerfremder Sachen soll rückgängig gemacht werden können, da die hoheitliche Eigentumsverschaffung durch den Gerichtsvollzieher ansonsten nicht mehr rechtssicher wäre. Bei der Klage nach § 826 BGB zur Rechtskraftdurchbrechung ist vor diesem Hintergrund auch das Erfordernis zu sehen, dass der Schuldner es nicht versäumt haben darf, sich gegen die Verurteilung oder den rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid zu verteidigen. Hinzu kommt, dass in diesen Fällen auch allenfalls eine nachträgliche Korrektur über § 826 BGB möglich ist und nicht bereits der unrichtige Titel oder der Eigentumserwerb unwirksam sind. Zurückhaltung ist angebracht, wenn sich ein Verfahrensbeteiligter dadurch Vorteile verschafft, dass er bessere Kenntnisse des Verfahrensrechts hat oder die Unwissenheit anderer zum eigenen Vorteil nutzt. Taktisch schlaues Vorgehen und trickreiches Agieren sind in begrenztem Maße zulässig. Wenn deshalb ein Beteiligter davon profitiert, dass andere die Regelungen des ZVG nicht im Detail durchschaut haben oder bestimmte Modalitäten nicht kennen, so sind die darauf gründenden Vorteile im Grundsatz nicht missbräuchlich erworben worden. Es ist Sache jedes Einzelnen, sich mit den geltenden Verfahrensnormen vertraut zu machen und notfalls fachkundigen Rat einzuholen. Etwas Anderes kann aber gelten, wenn sich ein Verfahrensbeteiligter in der Weise missbräuchlich verhält, dass er auf andere so einwirkt, dass dadurch erst eine Fehlvorstellung hervorgerufen wird. Dann wird nämlich die Grenze zwischen zulässiger trickreicher und unzulässiger missbräuchlicher Rechtsausübung überschritten. Schließlich verbietet sich eine Korrektur über die bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln, wenn ein interessengerechtes Ergebnis bereits über die Heranziehung vollstreckungsrechtlicher Spezialnormen erreicht werden kann. So muss im Falle einer drohenden Doppelbefriedigung des Gläubigers nicht § 242 BGB bemüht werden, da dem Gläubiger zumeist seine Aktivlegitimation fehlen wird, weil der Anspruch entweder auf eine andere Person übergegangen oder zwischenzeitlich erloschen ist. Gegen die Vollstreckung muss sich der Schuldner dann mit der Vollstreckungsabwehrklage zur Wehr setzen, die dazu dient, entsprechende Einwendungen gegen den titulierten Anspruch vorzubringen. Aber auch die Umgehung von Vorschriften des Zwangsversteigerungsverfahrens lässt sich häufig durch eine interessengerechte Auslegung der einschlägigen Normen verhindern.
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So ist der Gläubiger beispielsweise bis zur Erteilung des Zuschlags noch berechtigt, vom Schuldner eine erhöhte Sicherheitsleistung zu beanspruchen, auch wenn der Meistbietende zuvor eine Sicherheit in üblicher Höhe geleistet und später sein Meistgebot an den Schuldner abgetreten hat. Eine Heranziehung von § 242 BGB hat schließlich zu unterbleiben, wenn dadurch klare gesetzliche Verfahrensvorgaben, die ohne Probleme beachtet werden können, in der Weise gelockert werden, dass Rechtsunsicherheit die Folge ist. Deshalb ist dem Verlangen nach Sicherheitsleistung für ein Gebot in der Zwangsversteigerung auch bei einem symbolischen Verkehrswert des Grundstücks zu entsprechen.
§ 12 Verschleppung oder Vereitelung der Vollstreckung Die drohende Zwangsvollstreckung wird vom Schuldner als lästiges Übel empfunden. Ihm steht nämlich der zwangsweise Zugriff auf seine Vermögensgegenstände bevor, wenn es nicht doch noch zu einer gütlichen Erledigung kommt. Neben der Pfändung und Verwertung seiner Vermögensgegenstände muss er auch mit der Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft rechnen. Ist diese mit der Eintragung im Schuldnerverzeichnis verbunden, können erhebliche wirtschaftliche Nachteile die Folge sein. Der Schuldner hat deshalb ein besonderes Interesse daran, der Vollstreckung doch noch zu entgehen. Hat auf der einen Seite der Gläubiger eine Vielzahl von Verfahrensvorgaben zu beachten, wenn er erfolgreich die Vollstreckung betreiben möchte, so bieten sich für den Schuldner auf der anderen Seite vielfältige Möglichkeiten, auf das Verfahren zum Nachteil des Gläubigers einzuwirken, indem der Vollstreckungszugriff erheblich erschwert, verzögert oder sogar gänzlich vereitelt wird. Es stellt sich daher die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Verhalten des Schuldners in diesen Fällen mit einem Rückgriff auf die Missbrauchsschranken des BGB begegnet werden kann. Gerade im Zwangsversteigerungsverfahren kann es sogar vorkommen, dass nicht der Schuldner, sondern ein betreibender Gläubiger oder Dritte dergestalt auf das Verfahren einwirken, dass es zu einer nicht unerheblichen Verzögerung kommt.
A. Schuldner I. Vereitelung oder Verzögerung der Zustellung 1. Zustellung des Vollstreckungstitels Als allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung normiert § 750 Abs. 1 ZPO, dass gegen den Schuldner erst dann die Zwangsvollstreckung betrieben werden darf, wenn ihm vorher der zu vollstreckende Titel zugestellt worden ist oder in bestimmten Fällen zumindest gleichzeitig mit der Vollstreckungsmaßnahme zuge-
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stellt wird. Auch wenn eine Vollstreckungsmaßnahme, die unter Verstoß gegen § 750 Abs. 1 ZPO durchgeführt wird, nicht nichtig, sondern nur anfechtbar ist,1 so kann der Schuldner doch das Verfahren dadurch torpedieren, dass er die Zustellung verzögert oder sogar ganz verhindert. Das Vollstreckungsorgan wird nämlich regelmäßig die Vollstreckung ablehnen, wenn die Zustellung nicht nachgewiesen ist (vgl. § 44 Abs. 1 S. 1 GVGA). Die Zustellung hat den Zweck, dem Schuldner rechtliches Gehör zu verschaffen, indem sie ihn über das Bevorstehen der zwangsweisen Durchsetzung des titulierten Anspruchs informiert und ihm Gelegenheit gibt, das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen zu prüfen und etwaige Einwendungen zu erheben.2 Als Vollstreckungsvoraussetzung ist die Zustellung des Titels selbst noch nicht Teil der eigentlichen Zwangsvollstreckung. Wegen des engen Zusammenhangs mit der Vollstreckung3 wird aber gleichwohl darauf eingegangen, wie auf missbräuchliche Verschleppungs- oder Vereitelungshandlungen des Schuldners insoweit reagiert werden kann. Praktisch bedeutsam ist die Frage, weil sich der Schuldner allein durch eine Verzögerung des Vollstreckungsbeginns wertvolle Zeit verschaffen kann, Vermögensgegenstände dem Vollstreckungszugriff zu entziehen. Darüber hinaus ist der Zeitpunkt der Zustellung beispielsweise von ausschlaggebender Bedeutung, wenn es um die Wahrung der Frist zur Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung geht (§§ 929 Abs. 2, 3, 936 ZPO), oder welchen Rang ein Pfändungspfandrecht einnimmt. a) Verfahrensrechtliche Regelung der Zustellung Wegen der nur subsidiären Geltung von § 242 BGB ist zunächst ein Blick auf die in der Prozessordnung befindlichen Regelungen zur Zustellung zu werfen. Die §§ 166 ff. ZPO enthalten verschiedene Möglichkeiten für eine Zustellung von Amts wegen. Geht es um eine Zustellung im Parteibetrieb, verweist § 191 ZPO im Wesentlichen auf die Vorschriften über die Amtszustellung.4 In Fällen einer Zustellungsverhinderung ist insbesondere § 179 ZPO von Bedeutung, der eine Zustellungsfiktion für den Fall normiert, dass der Adressat die Annahme unberechtigt verweigert und das zuzustellende Schriftstück in der Wohnung oder 1 BGH NJW 1976, 851; 1976, 1453; MüKoZPO/Heßler, § 750 Rn. 96; Musielak/ Voit/Lackmann, § 750 Rn. 19; Schuschke/Walker/Walker, § 750 Rn. 44; Stein/Jonas/ Münzberg, § 704 Rn. 7; Zöller/Stöber, § 750 Rn. 24. 2 BGH NJW-RR 2007, 358, 359; NJW 2007, 3357, 3358; DGVZ 2013, 34, 35. 3 Vgl. zur engen Verknüpfung der Zustellung mit der eigentlichen Zwangsvollstreckung auch die Streitfrage über den statthaften Rechtsbehelf, wenn das Vollstreckungsorgan die Zustellung ablehnt: Nach überwiegender Ansicht ist § 766 Abs. 2 ZPO statthaft, da in der verweigerten Zustellung gleichsam auch die Verweigerung der Vollstreckung liege (KG OLGZ 1967, 41, 42 f.; MüKoZPO/Heßler, § 750 Rn. 95; Schuschke/ Walker/Walker, § 750 Rn. 46); nach anderer Ansicht ist der Gläubiger hingegen auf einen Antrag nach § 23 EGGVG zu verweisen (OLG Hamm DGVZ 2011, 130, 131). 4 Einzelheiten finden sich bei MüKoZPO/Häublein, § 191 Rn. 2.
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in dem Geschäftsraum zurückgelassen wird. Darüber hinaus ermöglicht die ZPO in verschiedener Form Ersatzzustellungen. Lässt sich der Zustellungsadressat beispielsweise nicht in seiner Wohnung oder den Geschäftsräumen antreffen, so kann die Zustellung in der Wohnung an einen erwachsenen Familienangehörigen (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und in den Geschäftsräumen an eine beschäftigte Person (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) bewirkt werden. Unterhält der Adressat keinen Briefkasten und scheitert deshalb eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO, kommt eine solche durch Niederlegung in der Geschäftsstelle des Amtsgerichts im Zustellungsbezirk in Betracht (§ 181 ZPO). Taucht schließlich der Schuldner unter, so dass sein Aufenthaltsort unbekannt ist, bietet das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung (§§ 185 ff. ZPO). Die einzelnen Vorschriften zeigen daher, dass der Gesetzgeber die Gefahr der Verfahrensverschleppung bzw. -vereitelung erkannt und dafür entsprechende Reaktionsmöglichkeiten geschaffen hat. b) Verbleibende Fälle missbräuchlicher Zustellungsverzögerung bzw. -vereitelung Es stellt sich somit die Frage, ob es überhaupt einen verbleibenden Anwendungsbereich für § 242 BGB und das Bedürfnis für einen Rückgriff auf das Rechtsmissbrauchsverbot gibt. aa) Annahmeverweigerung bei Zustellung nach § 175 ZPO Erfolgt die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein (§ 175 ZPO) und verweigert der Schuldner die Annahme, so lassen sich diese Fälle nicht durch einen Rückgriff auf § 179 ZPO lösen, da die Norm auf diese Art der Zustellung keine Anwendung findet.5 Aus diesem Grund wird zum Teil eine Korrektur über § 242 BGB befürwortet.6 Auch wenn sich das Verhalten des Schuldners als missbräuchlich darstellt, so sprechen die besseren Gründe gegen einen Rückgriff auf das Rechtsmissbrauchsverbot. Wie die Regelung in § 179 S. 3 ZPO zeigt, war dem Gesetzgeber bewusst, dass es durch eine Verweigerung der Annahme zur zumindest vorläufigen Verhinderung der Zustellung kommen kann. Dass es an einer entsprechenden Norm für die Zustellung mittels Einschreibens mit Rückschein fehlt, spricht aus systematischer Sicht gegen eine Korrektur über § 242 BGB.7 Die Gesetzesbegründung zu § 175 ZPO geht außerdem selbst davon 5 Musielak/Voit/Wittschier, § 175 Rn. 2; Stein/Jonas/Roth, § 175 Rn. 4; Thomas/ Putzo/Hüßtege, § 175 Rn. 5; Zöller/Stöber, § 175 Rn. 3; vgl. auch BSG NJW 2003, 381, 382. 6 BLAH/Hartmann, § 175 Rn. 5; MüKoZPO/Häublein, § 175 Rn. 5; PG/Tombrink, § 175 Rn. 2; wohl auch Findeisen, S. 265 ff. 7 Hess, NJW 2002, 2417, 2419; im Ergebnis auch Stein/Jonas/Roth, § 175 Rn. 4; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 175 Rn. 5; Zöller/Stöber, § 175 Rn. 3.
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aus, dass bei einer Annahmeverweigerung die Sendung als unzustellbar an den Absender zurückzuschicken ist.8 Hinzu kommt, dass sich bei einer Zustellung nach § 175 ZPO die Annahmeverweigerung nicht wie im Falle des § 179 ZPO in der Zustellungsurkunde dokumentieren lässt (vgl. § 182 Abs. 2 Nr. 5 ZPO).9 Es ist auch angemessen, den Absender auf die anderen zur Verfügung stehenden Zustellungsformen zu verweisen, so dass er von vornherein einen sichereren Zustellungsweg wählen kann.10 In diesem Fall stellt sich somit nicht die Frage einer Heranziehung von § 242 BGB. bb) Verhinderung der Zustellungsfiktion bei verweigerter Annahme In den Fällen des § 179 ZPO bleibt eine unberechtigte Annahmeverweigerung wirkungslos, weil die Zustellung fingiert wird. § 179 S. 1 ZPO verlangt aber, dass das Schriftstück in der Wohnung oder in dem Geschäftsraum zurückgelassen wird. Auch wenn die Zurücklassung in zeitlicher Hinsicht der Annahmeverweigerung nachfolgen muss, tritt die gem. § 179 S. 3 ZPO an die Annahmeverweigerung geknüpfte Zustellungsfiktion dennoch nicht ein, wenn das Schriftstück nicht zurückgelassen wird, da ansonsten der Zweck, dem Adressaten eine spätere Kenntnisnahme noch zu ermöglichen,11 nicht erreicht werden könnte.12 Konsequenterweise greift die Fiktionswirkung deshalb auch dann nicht, wenn das Schriftstück wegen der wahrheitswidrigen Behauptung des Adressaten, am angetroffenen Ort keine Wohnung zu haben, nach § 179 S. 2 ZPO zurückgesendet wird.13 In einem solchen Fall stößt das Zustellungsrecht folglich an seine Grenzen, so dass das Bedürfnis für eine Ergebniskorrektur über § 242 BGB besteht. cc) Anschein des Vorhandenseins einer Wohnung oder eines Geschäftsraums bei der Ersatzzustellung nach § 178 ZPO Die Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO setzt voraus, dass der Zustellungsadressat am Zustellungsort tatsächlich eine Wohnung oder einen Geschäftsraum unterhält und diesen auch nutzt; die Eigenschaft als Wohnung oder Geschäftsraum geht verloren, wenn die Nutzung aufgegeben wird.14 Der Verlust der Wohnungseigenschaft setzt eine Verlegung des Lebensmittelpunkts an einen 8
BT-Drs. 14/4554, S. 19. Darauf hinweisend schon Hess, NJW 2002, 2417, 2419. 10 Stein/Jonas/Roth, § 175 Rn. 4. 11 Dazu BT-Drs. 14/4554, S. 21. 12 MüKoZPO/Häublein, § 179 Rn. 7. 13 Zu einem solchen Fall VGH München NJW 2012, 950 f. 14 BVerfG NJW-RR 2010, 421, 422; BGH NJW 1998, 1958, 1959; NJW-RR 2008, 1565; 2010, 489, 490; NJW 2011, 2440, 2441. 9
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anderen Ort voraus.15 Erweckt der Adressat den Eindruck, er unterhalte am Zustellungsort eine Wohnung oder einen Geschäftsraum, beispielsweise weil er eine falsche Adresse angegeben hat oder noch ein Namensschild an der Haustür befestigt ist, obwohl er die Nutzung tatsächlich aufgegeben hat, so liegen die Voraussetzungen von § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO zwar nicht vor, es stellt sich aber die Frage einer missbräuchlichen Zustellungsvereitelung nach § 242 BGB.16 Nach zum Teil vertretener Ansicht soll eine Heranziehung von § 242 BGB von vornherein ausscheiden, weil rechtsmissbräuchliches Verhalten nur im Falle des § 179 ZPO Berücksichtigung finden könne.17 Den Zustellungsregelungen der ZPO insoweit abschließenden Charakter beizumessen, überzeugt jedoch nicht. § 179 ZPO kann allenfalls dann abschließend sein, wenn es um einen Fall der Annahmeverweigerung geht.18 Ansonsten lassen sich weder den Gesetzesmaterialien entsprechende Hinweise entnehmen noch erscheint es zweckmäßig, darüber hinausgehend in allen anderen Fällen eine missbräuchliche Zustellungsverhinderung folgenlos hinnehmen zu müssen. dd) Missbräuchliches Berufen auf Nichtvorliegen der Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung Ist eine Zustellung an den Schuldner nicht möglich, weil er einen unbekannten Aufenthaltsort hat und kein Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigter existiert, so kann eine öffentliche Zustellung (§ 185 ZPO) erfolgen. Wann der Aufenthaltsort unbekannt ist und welche Anforderungen an die Nachforschungspflichten zu stellen sind, wird im Einzelnen unterschiedlich beurteilt. Zum Teil lässt man eine erfolglose Anfrage beim zuletzt zuständigen Einwohnermelde- und Postamt genügen, andere verlangen darüber hinaus noch weitere Nachforschungen beispielsweise bei Nachbarn, dem Arbeitgeber, der Staatsanwaltschaft oder Auskunfteien.19 Ist der Schuldner untergetaucht, um seinen Aufenthaltsort zu verschleiern, lagen aber dennoch die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung wegen der hohen Anforderungen nicht vor, so ist an eine Heranziehung des Rechtsmissbrauchsverbots zu denken, wenn der Schuldner sich auf die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung beruft.20 15 BVerfG NJW-RR 2010, 421, 422; BGH NJW 1978, 1858; NJW-RR 2005, 415; 2008, 1565. 16 BVerfG NJW-RR 2010, 421, 422; BGH NJW 2011, 2440, 2441; OLG Frankfurt, WRP 2016, 637, 638 mit zust. Anm. Ruhl; für die Zustellung eines Bußgeldbescheids OLG Jena NStZ-RR 2006, 238. 17 OLG Bamberg NJW 2006, 1078; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.2.2005 – 1 Ss 341/04, StraFo 2005, 197, 198 (jeweils zur Zustellung eines Bußgeldbescheids). 18 Vgl. dazu schon § 12 A. I. 1. b) aa). 19 Vgl. zum Meinungsstand nur MüKoZPO/Häublein, § 185 Rn. 5 ff.; Stein/Jonas/ Roth, § 185 Rn. 7. 20 BGH NJW 2002, 827, 830; NJW-RR 2008, 1310 f.
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ee) Missbräuchliche Vereitelung der Heilung eines Zustellungsmangels Ist die Zustellung wegen eines Zustellungsmangels unwirksam, so wird der Fehler dadurch geheilt, dass das zuzustellende Dokument der Person, an die hätte zugestellt werden müssen, tatsächlich zugeht (vgl. § 189 ZPO). Hat der Schuldner beispielsweise einen Prozessbevollmächtigten bestellt, so haben Zustellungen an ihn zu erfolgen (§ 172 Abs. 1 S. 1 ZPO). Wird stattdessen eine Zustellung an den Schuldner selbst bewirkt, so ist diese unwirksam.21 Geht dem Prozessbevollmächtigten das zuzustellende Dokument aber tatsächlich zu, so wird der Fehler geheilt. Dazu muss der Prozessbevollmächtigte das Schriftstück jedoch „in die Hand bekommen“ haben.22 Eine bloße Unterrichtung über den Inhalt reicht nicht aus.23 Setzt also der Schuldner seinen Prozessbevollmächtigten über die an ihn bewirkte Zustellung des Titels beispielsweise telefonisch oder per E-Mail in Kenntnis, so genügt dies nicht für eine Heilung des Zustellungsmangels. Es stellt sich aber die Frage einer missbräuchlichen Zustellungsvereitelung, wenn der Prozessbevollmächtigte bewusst darauf hinwirkt, dass ihm der Titel nicht übermittelt wird, um so die Wirkung des § 189 ZPO zu verhindern.24 c) Kriterien für die Lösung offener Fälle über § 242 BGB Da nicht alle möglichen Fallgestaltungen einer Zustellungsverzögerung/-verhinderung durch die §§ 166 ff. ZPO befriedigend gelöst werden können, ist zu klären, nach welchen Kriterien sich eine Ergebniskorrektur über § 242 BGB richten soll. aa) Heranziehung der im materiellen Recht entwickelten Grundsätze zur Zugangsvereitelung von Willenserklärungen? Zum Teil wird vorgeschlagen, bei der missbräuchlichen Zustellungsverhinderung auf die im materiellen Recht entwickelten Grundsätze zur Behandlung der Zugangsvereitelung von Willenserklärungen zurückzugreifen.25 Für den Bereich der Zwangsvollstreckung ergebe sich aus dem nachwirkenden Prozessrechts-
21 BGH NJW 1984, 926; 2002, 1728, 1729 (jeweils noch zu § 176 ZPO a. F.); MüKoZPO/Häublein, § 172 Rn. 20; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 172 Rn. 13. 22 BGH NJW 2001, 1946 (noch zu § 187 ZPO a. F.); BFH NJW 2014, 2524. 23 BGH NJW 1992, 2099, 2100 (noch zu § 187 ZPO a. F.). 24 KG, Beschl. v. 21.12.2004 – 5 U 160/04, BeckRS 2005, 00821 (Zustellung einer einstweiligen Verfügung zur Wahrung der Vollziehungsfrist). 25 BGH NJW-RR 2011, 233; OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.9.2003 – 8 U 26/03, BeckRS 2003, 30327966; Findeisen, S. 266 f.; MüKoZPO/Häublein, § 175 Rn. 5, § 178 Rn. 11; vgl. auch BVerwG NVwZ 1991, 73, 74 f.; Beschl. v. 22.4.2004 – 6 B 8/04, BeckRS 2004, 22567.
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verhältnis die Rechtspflicht, dafür Sorge zu tragen, dass erfolgreich zugestellt werden könne.26 Zweifel lässt der Rückgriff auf die zur Zugangsvereitelung entwickelten Grundsätze schon deshalb aufkommen, weil die ZPO selbst zwischen der förmlichen Zustellung und dem Zugang des Schriftstücks differenziert. So kann ein Zustellungsmangel gem. § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang geheilt werden. Der formalisierte Akt der Zustellung hat andere Qualität als der Zugang. Die Anforderungen sind deshalb im Grundsatz auch höher. Vor allem ist aber der Nutzen einer Heranziehung der materiell-rechtlichen Grundsätze sehr fragwürdig, wenn man diese näher betrachtet. Auch wenn viele Fragen der Zugangsvereitelung im Detail umstritten sind,27 so werden doch im Wesentlichen die Fälle der Annahmeverweigerung und sonstige in der Sphäre des Empfängers liegende Zugangshindernisse wie eine fehlende oder fehlerhafte Empfangseinrichtung diskutiert.28 Grundsätzlich verlangt die herrschende Meinung vom Absender einen erneuten Versuch, die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangen zu lassen, es sei denn der Adressat vereitelt den Zugang arglistig.29 Gerade auf diese Sachverhaltsgestaltungen hat die ZPO mit ihren Zustellungsnormen aber Antworten parat. Unberechtigte Annahmeverweigerungen lassen sich über § 179 ZPO lösen. Fehlt eine Empfangseinrichtung, so kann der Weg der Ersatzzustellung durch Niederlegung beim Amtsgericht (§ 181 ZPO) beschritten werden. Für die nicht mit den §§ 166 ff. ZPO in den Griff zu bekommenden Fälle lässt sich auch aus dem materiellen Recht keine Lösung herleiten, so dass ein anderer Weg in den Fällen der Zustellungsverhinderung gesucht werden muss. bb) Missbräuchliche Aushebelung der prozessualen Zustellungsformen Sinnvoller ist es deshalb, die Fälle danach zu beurteilen, ob der Schuldner durch sein Verhalten versucht, die in der ZPO vorgesehenen Zustellungsformen auszuhebeln. Bietet die ZPO ihrerseits die Möglichkeit, beispielsweise durch eine Ersatzzustellung doch noch eine wirksame Zustellung zu erreichen, so kann und darf nicht auf § 242 BGB zurückgegriffen werden. Schaltet der Schuldner aber die insoweit vorhandenen Mechanismen dadurch aus, dass er beispielsweise über das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Tatsachen in arglistiger Weise täuscht, oder verschleiert er bewusst seinen Aufenthaltsort, so handelt er rechtsmissbräuchlich mit der Folge, dass das zuzustellende Schriftstück nach § 242 BGB als zugestellt zu behandeln ist bzw. der Schuldner sich nicht auf die feh26
Findeisen, S. 268. Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Staudinger/Singer/Benedict, § 130 Rn. 79 ff. 28 Vgl. nur Brox/Walker, BGB AT, Rn. 157 ff.; MüKoBGB/Einsele, § 130 Rn. 34 ff. 29 Vgl. nur BGH NJW 1998, 976, 977; NK-BGB/Faust, § 130 Rn. 73. 27
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lende Zustellung berufen kann. Erforderlich ist aber, dass der Schuldner vorsätzlich handelt, allein Fahrlässigkeit genügt nicht.30 Verweigert der Schuldner die Annahme der Sendung und täuscht er vor, am Ort der Zustellung keine Wohnung zu unterhalten, so dass das Schriftstück nicht nach § 179 S. 1 ZPO zurückgelassen, sondern zurückgesendet wird, so ist dieses Verhalten eine arglistige Aushebelung der von § 179 S. 3 ZPO angeordneten Zustellungsfiktion und deshalb rechtsmissbräuchlich. Entsprechendes gilt, wenn der Schuldner vorspiegelt, an einem bestimmten Ort eine Wohnung zu unterhalten, so dass eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO durchgeführt wird, die Wirksamkeit der Zustellung aber an der tatsächlich nicht vorhandenen Wohnung scheitert.31 Anders ist der Fall hingegen zu beurteilen, wenn lediglich aus Nachlässigkeit versäumt wurde, ein Namensschild zu entfernen oder einen Nachsendeauftrag zu erteilen und deshalb die Zustellung keinen Erfolg hatte.32 In diesen Fällen nur fahrlässiger Zustellungsverhinderung muss ein erneuter Zustellungsversuch unter Ausschöpfung der von der ZPO eingeräumten Zustellungsformen unternommen werden. Schließlich wird die Möglichkeit der Heilung eines Zustellungsmangels nach § 189 ZPO missbräuchlich vereitelt, wenn ein Prozessbevollmächtigter bewusst darauf hinwirkt, dass der Schuldner den fälschlicherweise ihm zugestellten Titel nicht weiterleitet. Es reicht aber nicht aus, dass der Schuldner und der Prozessbevollmächtigte sich passiv verhalten und es deshalb nicht zu einer Heilung kommt.33 Dann ist der Gläubiger gefordert, den Zustellungsfehler durch eine erneute ordnungsgemäße Zustellung an den Prozessbevollmächtigten zu heilen. 2. Weitere Fälle vereitelter oder verschleppter Zustellung Nicht nur bei der Zustellung des Vollstreckungstitels sind Verzögerungs- und Vereitelungshandlungen möglich, auch bei Vollstreckungsmaßnahmen kann es für die Wirksamkeit auf eine erfolgreiche Zustellung eines die Maßnahme anordnenden Beschlusses ankommen. Sowohl bei der Forderungspfändung als auch in der Immobiliarvollstreckung wird verschiedentlich eine wirksame Zustellung verlangt, um bestimmte Rechtswirkungen herbeizuführen. a) Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Der Pfändungs- und auch der Überweisungsbeschluss sind gem. §§ 829 Abs. 2, 835 Abs. 3 S. 1 ZPO sowohl an den Drittschuldner als auch den Schuld30 So auch BGH NJW 2011, 2440, 2441; NJW-RR 2011, 233; a. A. Findeisen, S. 268. 31 BVerfG NJW-RR 2010, 421; BGH NJW 2011, 2440, 2441. 32 BGH NJW 2011, 2440, 2441; NJW-RR 2011, 233. 33 So aber wohl KG, Beschl. v. 21.12.2004 – 5 U 160/04 (Zustellung einer einstweiligen Verfügung zur fristgerechten Vollziehung).
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ner zuzustellen. Neben dem Schuldner kommt somit auch der Drittschuldner in Betracht, wenn es um eine Verhinderung der Zustellung geht. Anders als die Zustellung an den Schuldner34 ist die wirksame Zustellung an den Drittschuldner Voraussetzung dafür, dass die Pfändung wirksam ist (vgl. § 829 Abs. 3 ZPO).35 Auch wenn die Gefahr einer Zustellungsvereitelung durch den Drittschuldner deutlich geringer ist als durch den Schuldner, da der Drittschuldner in aller Regel nicht daran interessiert sein wird, die Vollstreckung zu verhindern, so ist ein gewisses Missbrauchspotential gerade wegen der konstitutiven Wirkung der Zustellung an den Drittschuldner dennoch nicht zu leugnen. Es ist insbesondere vorstellbar, dass Schuldner und Drittschuldner kollusiv zusammenwirken, um den Nichteintritt der Pfändungswirkung durch eine Verschleppung oder Vereitelung der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu erreichen. Um den Gläubiger vor solchem Missbrauch zu schützen, muss deshalb auch in diesen Fällen eine Korrektur über § 242 BGB möglich sein. b) Zustellungserfordernisse im Rahmen der Immobiliarvollstreckung Das Verfahren der Immobiliarvollstreckung ist sehr stark formalisiert, weshalb dort ergehende Beschlüsse den Beteiligten zumeist zugestellt werden müssen. Häufig ist die wirksame und auch fristgerechte Zustellung Voraussetzung dafür, dass die getroffene Maßnahme Wirksamkeit erlangt oder kein Verfahrensfehler vorliegt. So muss zum Beispiel der Anordnungsbeschluss, der zur Beschlagnahme des Grundstücks führt (§§ 15, 20 ZVG), dem Schuldner zugestellt werden (§§ 8, 22 Abs. 1 ZVG). Ohne die wirksame Zustellung kommt es nicht zur Beschlagnahme.36 Darüber hinaus müssen der Anordnungsbeschluss und die Terminsbestimmung auch noch unter Wahrung einer bestimmten Vorlauffrist vor dem Versteigerungstermin zugestellt worden sein (§ 43 Abs. 2 ZVG). Die Nichtbeachtung führt zu einem Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 1 ZVG. Vor allem der Schuldner, aber auch andere Verfahrensbeteiligte können also auch hier auf das Verfahren verzögernd einwirken. Das ZVG sieht zwar in den §§ 6 ff. ZVG Zustellungserleichterungen vor, wenn der Aufenthalt des Zustellungsadressaten unbekannt ist, so dass zunächst auch auf die vorhandenen Zustellungsmöglichkeiten zurückzugreifen ist. Gleichwohl ist in den dadurch nicht erfassten Fällen nach denselben Maßstäben wie bei der Zustellung des Vollstreckungstitels rechtsmissbräuchliches Verhalten zu sanktionieren.
34 MüKoZPO/Smid, § 829 Rn. 36; Musielak/Voit/Becker, § 829 Rn. 15; Schuschke/ Walker/Schuschke, § 829 Rn. 50. 35 BGH NJW 2000, 730; Hk-ZV/Bendtsen, § 829 Rn. 92; MüKoZPO/Smid, § 829 Rn. 40; Musielak/Voit/Becker, § 829 Rn. 14; Schuschke/Walker/Schuschke, § 829 Rn. 49; Zöller/Stöber, § 829 Rn. 15. 36 Böttcher, § 22 Rn. 4; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 22 Rn. 2.
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II. Amtsniederlegung vor der Vermögensauskunft Findet die Vollstreckung gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung statt, so hat die Abgabe der Vermögensauskunft durch deren gesetzlichen Vertreter zu erfolgen.37 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des gesetzlichen Vertreters ist der Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft, da nur derjenige rechtsverbindliche Erklärungen für die juristische Person oder die Personenvereinigung abgeben kann, der zur Vertretung ermächtigt ist.38 Das birgt aber die Gefahr, dass der gesetzliche Vertreter vor dem Termin sein Amt niederlegt bzw. abberufen wird, um sich so der Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft zu entziehen. Deshalb bleibt der gesetzliche Vertreter auch nach dem Ende seiner Organstellung vermögensauskunftspflichtig, wenn seine Amtsniederlegung in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise der Vereitelung des Auskunftsverfahrens dient.39 Soweit in diesen Fällen verschiedentlich der Begriff der „Scheinhandlung“, „Scheinabberufung“ oder „Scheinniederlegung“ gebraucht wird,40 ist dies missverständlich. Die Amtsniederlegung erfolgt gerade nicht nur zum Schein, da ihr sonst bereits nach § 117 Abs. 1 BGB die Wirkung versagt bleiben würde.41
37 Hk-ZV/Sternal, § 802c Rn. 19; MüKoZPO/Wagner, § 802c Rn. 12; Musielak/Voit/ Voit, § 802c Rn. 3; Schuschke/Walker/Walker, § 802c Rn. 13. 38 So die heute ganz h. M., vgl. BGH NJW-RR 2007, 185, 186; OLG Schleswig Rpfleger 1979, 73; OLG Köln Rpfleger 1983, 361; OLG Hamm ZIP 1984, 1482; OLG Bamberg DGVZ 1998, 75 f.; OLG Köln Rpfleger 2000, 399; LG Bochum DGVZ 2002, 22, 23; Behr, Rpfleger 1988, 1, 3; ders., JurBüro 1994, 65, 66; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1147; Hk-ZV/Sternal, § 802c Rn. 21; MüKoZPO/Wagner, § 802c Rn. 12; Musielak/Voit/Voit, § 802c Rn. 3; Noack, DGVZ 1982, 145, 146; Schneider, MDR 1983, 724, 725; Schuschke/Walker/Walker, § 802c Rn. 13; Stein/Jonas/Münzberg, § 807 Rn. 51; Thomas/Putzo/Seiler, § 802c Rn. 7 (überwiegend noch zum Offenbarungsverfahren); a. A. OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 27 (noch zum Offenbarungsverfahren); BLAH/ Hartmann, § 802c Rn. 52: Zugang der Ladung zum Termin. 39 BGH NJW-RR 2007, 185, 186; OLG Düsseldorf MDR 1961, 328, 329; OLG Schleswig Rpfleger 1979, 73 f.; OLG Köln Rpfleger 1983, 361; OLG Hamm ZIP 1984, 1482, 1483; OLG Zweibrücken DGVZ 1990, 40, 41; OLG Bamberg DGVZ 1998, 75 f.; OLG Köln Rpfleger 2000, 399; LG Hannover DGVZ 1981, 60; LG Bonn DGVZ 1989, 120; LG Bochum Rpfleger 2001, 442, 443; DGVZ 2002, 22, 23; Behr, Rpfleger 1988, 1, 3; ders., JurBüro 1994, 65, 66; BLAH/Hartmann, § 802c Rn. 57; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1147; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 60 Rn. 11; Hk-ZV/Sternal, § 802c Rn. 21; Limberger, DGVZ 1984, 129, 130; MüKoZPO/Wagner, § 802c Rn. 15; Musielak/Voit/ Voit, § 802c Rn. 3; Schneider, MDR 1983, 724, 725 f.; Schuschke/Walker/Walker, § 802c Rn. 14; Stein/Jonas/Münzberg, § 807 Rn. 54; Thomas/Putzo/Seiler, § 802c Rn. 8; Zöller/Stöber, § 802c Rn. 7 f. (überwiegend noch zum Offenbarungsverfahren). 40 OLG Zweibrücken DGVZ 1990, 40, 41; Behr, Rpfleger 1988, 1, 3; ders., JurBüro 1994, 65, 66; Limberger, DGVZ 1984, 129, 130; MüKoZPO/Wagner, § 802c Rn. 15; Musielak/Voit/Voit, § 802c Rn. 3; Schneider, MDR 1983, 724, 726; Stein/Jonas/Münzberg, § 807 Rn. 54; Thomas/Putzo/Seiler, § 802c Rn. 8 (teilweise noch zum Offenbarungsverfahren). 41 Vgl. BGH NJW-RR 2007, 185, 186 (noch zum Offenbarungsverfahren).
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Streit besteht darüber, ob der Missbrauch positiv festgestellt werden muss42 oder unter bestimmten Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis43 eingreift. Hat der gesetzliche Vertreter sein Amt erst nach dem Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft oder der Ladung zum Termin niedergelegt und wurde kein neuer Vertreter bestellt, so sollte der Beweis des ersten Anscheins für eine missbräuchliche Verfahrensvereitelung sprechen. Es wird nämlich selten einen Grund dafür geben, weshalb die juristische Person oder Personenvereinigung handlungsunfähig gemacht wurde.44 Vielmehr spricht der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Amtsniederlegung und dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft für Rechtsmissbrauch. Es liegt dann am ausgeschiedenen Vertreter, sich durch das Vorbringen nachvollziehbarer Gründe zu entlasten. Erfolgt zugleich mit der Abberufung auch eine Neubestellung, so schließt dies einen Missbrauch nicht unbedingt aus,45 da die Auskunft des Ausgeschiedenen regelmäßig mehr Informationsgehalt aufweisen wird und so für den Gläubiger wertvoller ist. Es sind aber weitere Anhaltspunkte für die Annahme von Missbrauch nötig. Lehnt der neu bestellte Geschäftsführer einer GmbH beispielsweise die Übernahme des Amtes zeitnah ab, so dass der ursprüngliche gesetzliche Vertreter wieder bestellt wird, so spricht dies dafür, dass der ursprüngliche Geschäftsführer nur die Abgabe der Vermögensauskunft verhindern wollte.46 Entsprechendes gilt, wenn die Einberufung der Gesellschafterversammlung zur Amtsniederlegung in nicht zu erklärender Weise unter Verzicht auf sämtliche Formen und Fristen erfolgt ist.47 Es hängt insoweit letztlich stark vom Einzelfall ab, ob die Niederlegung der organschaftlichen Vertretung nur den Zweck hat, das Verfahren zum Nachteil des Gläubigers in missbräuchlicher Weise zu beeinträchtigen. Konsequenterweise kann der ausgeschiedene gesetzliche Vertreter, der sich nach § 242 BGB nicht auf seine Amtsniederlegung berufen kann, auch durch Erzwingungshaft (§ 802g ZPO) zur Abgabe der Vermögensauskunft angehalten werden, selbst wenn ein neues Vertretungsorgan bestellt worden ist.48 42 Dafür OLG Köln Rpfleger 1983, 361; OLG Bamberg DGVZ 1998, 75 f.; LG Bonn DGVZ 1989, 120; LG Bochum DGVZ 2002, 22, 23; Schneider, MDR 1983, 724, 726; wohl auch OLG Schleswig Rpfleger 1979, 73, 74 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 43 MüKoZPO/Wagner, § 802c Rn. 15; für eine Vermutung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens Schuschke/Walker/Walker, § 802c Rn. 14; offenlassend BGH NJW-RR 2007, 185, 186 (noch zum Offenbarungsverfahren). 44 MüKoZPO/Wagner, § 802c Rn. 15. 45 So aber Limberger, DGVZ 1984, 129, 130; dazu tendierend auch OLG Schleswig Rpfleger 1979, 73, 74 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren). 46 OLG Hamm ZIP 1984, 1482, 1483 (noch zum Offenbarungsverfahren). 47 OLG Köln Rpfleger 2000, 399 (noch zum Offenbarungsverfahren). 48 BGH NJW-RR 2007, 185, 187; OLG Stuttgart OLGZ 1984, 177, 178; OLG Köln Rpfleger 2000, 399, 400; a. A. LG Bremen DGVZ 1990, 139 (allerdings lag der Entscheidung wohl auch keine missbräuchliche Amtsniederlegung zugrunde); Behr, JurBüro 1994, 65, 67 (jeweils noch zum Offenbarungsverfahren).
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III. Missbräuchliche Berufung auf Einwendungen gegen die Vollstreckung mit der Klage nach § 767 ZPO (analog) Mit der Vollstreckungsabwehrklage kann der Schuldner materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend machen, sofern er mit ihrem Vorbringen nicht gem. § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert ist. Beruft sich der Schuldner auf eine ihm rein formal betrachtet zustehende Einwendung, um dadurch die Vollstreckung zu vereiteln, stellt sich die Frage nach missbräuchlicher Rechtsausübung. Neben der Verwirkung spielen insoweit Fälle eine Rolle, in denen der Schuldner von seiner Verbindlichkeit zwar frei geworden, aber gleichsam zur Neubegründung verpflichtet ist. Ein vergleichbares Problem stellt sich, wenn der Schuldner mit der Klage analog § 767 ZPO die Unwirksamkeit des Titels vorbringt, er aber die vertragliche Pflicht hat, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. 1. Verwirkung der Einwendung Damit Verwirkung eintritt, darf der Berechtigte sein Recht trotz der Möglichkeit dazu über einen längeren Zeitraum hin nicht geltend gemacht haben, und beim Verpflichteten muss bei objektiver Betrachtung die begründete Erwartung aufgekommen sein, der Rechtsinhaber werde sein Recht auch nicht mehr ausüben, weshalb der Verpflichtete sich so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Geltendmachung ein unzumutbarer Nachteil entstünde.49 Erforderlich ist also immer sowohl ein Zeit- als auch Umstandsmoment. Die Anforderungen an das Vorliegen einer Verwirkung sind sehr hoch, weshalb ein Schuldner nur in absoluten Ausnahmefällen seine Einwendung einmal verwirkt haben wird.50 Der Umstand, dass die Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bislang nicht mit entsprechenden Fällen konfrontiert war, zeigt die geringe praktische Bedeutung. 2. Rein formal bestehende Einwendung Von größerer praktischer Bedeutung ist die Verteidigung des Schuldners gegen die Vollstreckung unter Berufung auf eine nur formal bestehende Einwendung. a) Verpflichtung des Schuldners zur Neubegründung einer erloschenen Verbindlichkeit In einem vom BGH 51 entschiedenen Fall hatte der Schuldner sich wegen verschiedener Verbindlichkeiten in einer notariellen Urkunde der sofortigen Zwangs49 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH NJW 2014, 2646, 2650; BAG NJW 2015, 2061, 2062 f. 50 MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 72; Verwirkung als Gegeneinwand auch zulassend Musielak/Voit/Lackmann, § 767 Rn. 28. 51 BGH NJW 1990, 1662 f.
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vollstreckung unterworfen. Zwischen dem Schuldner und einem Dritten wurde hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten eine Schuldübernahme vereinbart. Der Gläubiger erklärte die nach § 415 Abs. 1 BGB zur Wirksamkeit der Schuldübernahme erforderliche Genehmigung, es fehlte insoweit aber an einer wirksamen Kausalabrede zwischen Gläubiger und Schuldner, da diese wegen eines Formmangels nichtig war. Wird eine Genehmigung rechtsgrundlos erlangt, ist der Schuldner bereicherungsrechtlich zur Wiederherstellung der alten Verbindlichkeit verpflichtet.52 Ist die Forderung – wie auch im entschiedenen Fall – bereits fällig, so muss der Gläubiger aber nicht erst Neubegründung der Verbindlichkeit verlangen, sondern kann vom Schuldner direkt Erfüllung der Verbindlichkeit beanspruchen.53 Unter diesen Voraussetzungen stellte sich für den BGH die Frage, ob der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage erfolgreich einwenden konnte, er sei durch die gläubigerseitige Genehmigung von seiner Verbindlichkeit frei geworden. Der BGH hielt zwar den Einwand des Schuldners für begründet, versagte ihm aber nach § 242 BGB die Berufung darauf, da er verpflichtet gewesen sei, die Vollstreckung aus einer neu zu errichtenden vollstreckbaren Urkunde gleichen Inhalts zu dulden.54 Auch wenn das Ergebnis der Entscheidung zu begrüßen ist, dem Schuldner einen Erfolg seiner Vollstreckungsabwehrklage zu versagen, so ist näher zu untersuchen, ob dazu auf § 242 BGB zurückgegriffen werden musste. Würde man den bereicherungsrechtlichen Anspruch des Gläubigers, der ja letztlich wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch auf Zahlung gerichtet war, als in der vollstreckbaren Urkunde mittitulierten Anspruch ansehen, so hätte dem Schuldner überhaupt keine Einwendung zugestanden. Bei einer Klage bleibt der Streitgegenstand derselbe, wenn der Kläger sein Zahlungsbegehren ursprünglich auf einen vertraglichen Anspruch gestützt hat und dann zu einem bereicherungsrechtlichen wechselt, da sich dadurch nicht der Klagegrund ändert, sondern nur die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage.55 Auch bei vollstreckbaren Urkunden versteht die herrschende Meinung zwar den Anspruch als solchen im prozessualen Sinne.56 Aus der Urkunde kann sich aber eine Beschränkung auf bestimmte materiell-rechtliche Ansprüche ergeben, was ggf. im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.57 In jedem Fall ausgeschlossen ist die Auswechslung des titulierten Anspruchs mit der Folge, dass es zu einer Änderung des Leistungsinhalts kommt, weil der Schuldner dann Ansprüchen ausgesetzt wäre, deren Grund und Höhe er 52
Staudinger/Lorenz, § 812 Rn. 66, § 818 Rn. 3. BGH NJW 1990, 1662, 1663; Staudinger/Lorenz, § 818 Rn. 3. 54 BGH NJW 1990, 1662, 1663. 55 MüKoZPO/Becker-Eberhard, § 263 Rn. 18; Musielak/Voit/Foerste, § 263 Rn. 3. 56 Vgl. nur MüKoZPO/Wolfsteiner, § 794 Rn. 163 ff.; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rn. 105 jeweils m.w. N.; a. A. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 13 Rn. 52. 57 BGH ZIP 1981, 158, 160 f.; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 16.16; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 13 Rn. 61; kritisch zur Auslegung Münzberg, JZ 1998, 378, 386. 53
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bei Abgabe der Unterwerfungserklärung nicht überblicken konnte.58 Im hier interessierenden Fall hat der BGH den Bereicherungsanspruch des Gläubigers als nicht von der vollstreckbaren Urkunde umfassten Anspruch angesehen und deshalb den Weg über § 242 BGB gewählt, um der Vollstreckungsabwehrklage gleichwohl den Erfolg zu versagen.59 Die zurückhaltende Erstreckung der Unterwerfungserklärung auch auf andere materiell-rechtliche Ansprüche ist überzeugend, da der Schuldner mit der Abgabe der Unterwerfungserklärung dem Gläubiger einen Titel an die Hand gibt, ohne dass es zu einer vorherigen gerichtlichen Feststellung des materiell-rechtlichen Anspruchs gekommen wäre.60 Von der Möglichkeit, die Reichweite der Unterwerfungserklärung auch auf andere als den oder die von den Parteien auf Grundlage des Lebenssachverhalts in den Blick genommenen materiell-rechtlichen Ansprüche auszudehnen, sollte zurückhaltend und nur bei klaren Anhaltspunkten für einen entsprechenden Parteiwillen Gebrauch gemacht werden.61 Die Lösung dieser Fälle über eine Heranziehung von § 242 BGB ist somit eine sinnvolle Vorgehensweise und verdient Zustimmung. Ist der Schuldner nach materiellem Recht dazu verpflichtet, die Vollstreckung zu dulden, so ist die Berufung auf die nur rein formal bestehende Rechtsposition missbräuchlich. Einem Rechtsinhaber ist es verwehrt, etwas zu fordern, was er sogleich zurückzugewähren hätte (dolo agit qui petit quod statim redditurus est).62 Deshalb verhält sich auch der Schuldner treuwidrig, wenn er mit der Vollstreckungsabwehrklage eine formal berechtigte Einwendung geltend macht, er aber aus einem anderen Rechtsgrund unstreitig materiell-rechtlich zur Leistung verpflichtet ist, dieser Anspruch aber lediglich vom angegriffenen Titel nicht umfasst wird.63 b) Berufung auf Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung trotz vertraglicher Verpflichtung zur Unterwerfung Die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit stellt sich ebenfalls, wenn der Schuldner mit der Klage analog § 767 ZPO die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklä58 So zum Beispiel bei einem an die Stelle des Kaufpreiszahlungsanspruchs getretenen Schadensersatzanspruch, BGH NJW 1980, 1050, 1051; OLG Köln NJW-RR 1995, 1107, 1108; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1024. 59 BGH NJW 1990, 1662, 1663; so auch schon zuvor BGH NJW 1981, 1601, 1603; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 16.16; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 13 Rn. 61; a. A. Münch, ZIP 1991, 1041, 1045, der streng auf den prozessualen Anspruchsbegriff abstellt; wohl für diesen Fall auch Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rn. 20, § 794 Rn. 131 Fn. 658. Im konkreten Fall die Vollstreckungsabwehrklage für begründet haltend, da er die formnichtige Kausalvereinbarung in eine wirksame umdeuten will, so dass es an einem bereicherungsrechtlichen Anspruch fehle, Brehm, JR 1990, 510. 60 Vgl. BGH NJW 1980, 1015, 1051; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1024; Räfle, ZIP 1981, 821. 61 So auch Räfle, ZIP 1981, 821; Zöller/Stöber, § 794 Rn. 32. 62 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 440; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 86; Staudinger/ Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 279. 63 Im Grundsatz so auch Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rn. 16.
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rung64 geltend macht, obwohl er vertraglich dazu verpflichtet ist, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Die Rechtsprechung hatte sich mit zahlreichen Fällen aus dem Bereich der Kreditwirtschaft zu befassen, in denen sich der Schuldner mit der Klage analog § 767 ZPO gegen die Inanspruchnahme aus einer vollstreckbaren Urkunde zur Wehr setzte, weil die Unterwerfungserklärung zumeist mangels wirksamer Stellvertretung bei ihrer Abgabe unwirksam war.65 Im Gegensatz dazu hatten sich die Darlehensnehmer aber in den Kreditverträgen wirksam zur Abgabe eines selbstständigen Schuldversprechens mit einer Vollstreckungsunterwerfung verpflichtet. Daraus zieht der BGH den Schluss, die Berufung auf die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung sei als Verstoß gegen Treu und Glauben anzusehen und damit unbeachtlich, da der Darlehensnehmer aus der Nichterfüllung seiner Verpflichtung zur Vollstreckungsunterwerfung keine Vorteile ziehen dürfe.66 Diese Rechtsprechung hat in der Literatur zu Recht Zustimmung gefunden.67 Der Anspruch auf Abgabe der Unterwerfungserklärung muss aber durchsetzbar sein, so dass der Einwand aus § 242 BGB nicht greift, wenn Verjährung eingetreten ist.68 Zweifel könnte der Weg über § 242 BGB noch hervorrufen, wenn man bedenkt, dass bei einer Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung überhaupt kein wirksamer Vollstreckungstitel vorliegt. Das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels ist nach § 750 Abs. 1 ZPO aber Voraussetzung der Zwangsvollstreckung, und auf diese Voraussetzung kann auch bei missbräuchlicher Rechtsausübung nicht unter Heranziehung von § 242 BGB verzichtet werden.69 Im hier zu beurteilenden Fall liegt gegen den Schuldner jedoch zumindest ein äußerlich scheinbar wirksamer Titel vor, so dass einer Heranziehung von § 242 BGB das Titelerfordernis nicht im Weg steht.70
64 Näher zur Klage analog § 767 ZPO bei Einwendungen gegen den Vollstreckungstitel Kaiser, NJW 2010, 2933 ff. 65 Vgl. exemplarisch den Sachverhalt bei BGH NJW 2010, 1144, in dem die Vollmacht wegen eines Verstoßes gegen das frühere Rechtsberatungsgesetz nach § 134 BGB nichtig war. 66 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 2004, 59, 61; 62, 63; 839, 840 f.; 844, 845 f.; NJW-RR 2004, 1275, 1276; NJW 2005, 1576, 1577; 2985, 2986; 2006, 2118, 2119; 2007, 1813, 1814; 2010, 1144, 1145. 67 Brox/Walker, ZVR, Rn. 89; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 72; MüKoZPO/Wolfsteiner, § 794 Rn. 272; Musielak/Voit/Lackmann, § 767 Rn. 28, § 794 Rn. 35; Schuschke/Walker/Walker, § 794 Rn. 63. 68 Jacoby, ZIP 2010, 464, 465 f.; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 72; diesen Umstand unberücksichtigt lassend BGH NJW 2010, 1144, 1145. 69 Siehe dazu näher schon § 5 D. I. 70 Vgl. Jacoby, ZIP 2010, 464, 465. Siehe auch noch zu den Fällen, in denen überhaupt kein Titel vorliegt, § 12 A. X. 3. b) und XI. 4. b).
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c) Offenkundiges Redaktionsversehen bei Vergleichsprotokollierung Ebenfalls unter Rückgriff auf § 242 BGB hat das OLG Düsseldorf eine Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen, in der es um ein redaktionelles Versehen bei der Protokollierung eines Prozessvergleichs ging.71 Der Unterhaltsschuldner hatte sich gegenüber der Gläubigerin in einem ersten Verfahren vergleichsweise dazu verpflichtet, neben der Zahlung eines laufenden Trennungsunterhalts rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von rund 4.500 Euro zu zahlen. In einem zweiten Verfahren, in dem es um eine Änderung des laufenden Unterhaltsanspruchs ging, wurde ein weiterer Vergleich zwischen den Parteien geschlossen. Darin verpflichtete sich der Schuldner unter näher bezeichneten Voraussetzungen zu einer Einmalzahlung in Höhe von 670 Euro. Die Gläubigerin verpflichtete sich ihrerseits, „aus dem (im ersten Verfahren geschlossenen) Vergleich über Trennungsunterhalt (. . .) keine Rechte mehr herzuleiten“. Der im ersten Vergleich titulierte Anspruch auf rückständigen Trennungsunterhalt im Umfang von 4.500 Euro wurde im zweiten Verfahren nicht thematisiert. Den Streitwert im zweiten Verfahren bezifferte das Gericht auf rund 2.500 Euro. Als die Gläubigerin wegen des rückständigen Trennungsunterhalts einen Vollstreckungsversuch unternahm, wendete sich der Schuldner dagegen mit der Vollstreckungsabwehrklage unter Berufung auf den zweiten Vergleich. Das OLG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen, da der zweite Vergleich ein offenkundiges redaktionelles Versehen enthalte, so dass sich der Schuldner missbräuchlich verhalte, wenn er sich auf eine rein formale Rechtsposition berufe.72 Die Entscheidung hat sowohl Zustimmung73 als auch Ablehnung74 erfahren. Soweit die ablehnende Ansicht damit argumentiert, dem Schuldner habe zur Klarstellung des fehlerhaften Vergleichsinhalts nur die Klage aus § 767 ZPO zur Verfügung gestanden, da § 319 ZPO auf den Prozessvergleich nicht anwendbar sei, so ist diese Feststellung zwar richtig.75 Die Frage, ob sich der Schuldner missbräuchlich verhält, hat damit aber nichts zu tun. Auch wenn dem Schuldner nur die Vollstreckungsabwehrklage als prozessualer Rechtsbehelf zustand, so kann die mit ihr erhobene Einwendung wie in den zuvor dargestellten Fällen des Berufens auf eine formal bestehende Einwendung gleichwohl missbräuchlich sein. Dennoch vermag die Begründung des OLG Düsseldorf in mehrfacher Hinsicht nicht zu überzeugen. Das Gericht stellt zunächst fest, dass der Inhalt des Vergleichs allein anhand des Wortlauts zu beurteilen sei, da eine Berücksichti71
OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1093, 1094. OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1093, 1094. 73 Walker, FS Stürner, 829, 837. 74 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 40 Rn. 108. 75 So die h. M., vgl. nur BAG NJW 2009, 1161, 1163; MüKoZPO/Musielak, § 319 Rn. 3; Zöller/Vollkommer, § 319 Rn. 3 72
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gung anderer außerhalb des Titels liegender Umstände ausscheide.76 Die Rechtslage sei danach eigentlich eindeutig. Berücksichtige man aber, dass der rückständige Trennungsunterhalt im zweiten Verfahren überhaupt nicht thematisiert worden sei und der festgesetzte Streitwert dies auch erkennen lasse, müsse daraus der Schluss gezogen werden, dass der Protokollierung offenkundig ein redaktionelles Versehen zugrunde liege.77 Indem das Gericht zur Begründung eines angeblich offenkundigen Redaktionsversehens auf Informationen aus den Verfahrensakten zurückgreift, setzt es sich zu seinen zuvor gemachten Ausführungen in Widerspruch. Es ermittelt den Inhalt des Vergleichs gerade nicht ausschließlich anhand des Wortlauts. Darüber hinaus trifft es aber auch nicht zu, dass für die Auslegung des Vergleichs nur auf dessen Wortlaut abgestellt werden könne. Das kann nämlich nur dann gelten, wenn es um die Frage der Vollstreckbarkeit des Vergleichsinhalts geht, da das damit befasste Vollstreckungsorgan sich nur auf den Vergleichstext und nicht andere Umstände sowie den wirklichen Willen der Parteien stützen kann.78 Ansonsten ist der Inhalt eines Vergleichs nach allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln.79 Dem OLG Düsseldorf war es also nicht verwehrt, auf Informationen aus den Verfahrensakten zurückzugreifen, um den von den Parteien beabsichtigten Inhalt des Vergleichs zu ermitteln. Muss man aber bei einem vermeintlich eindeutigen Wortlaut zur Bestimmung des eigentlich von den Parteien beabsichtigten Inhalts den Vergleichstext unter Heranziehung äußerer Umstände auslegen, so lässt sich nicht mehr von einem offenkundigen Redaktionsversehen sprechen. Der Schuldner beruft sich dann nicht missbräuchlich auf ein nur formal bestehendes Recht. Im Übrigen hätte es auch keines Rückgriffs auf § 242 BGB bedurft. Der zweite Vergleich war nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) dahingehend auszulegen, dass er sich nicht auf den rückständigen Trennungsunterhaltsanspruch bezog. Folglich war der Anspruch der Gläubigerin aus dem ersten Vergleich nicht erloschen und die Klage des Schuldners mangels Vorliegens einer Einwendung unbegründet. d) Schikanöses Berufen auf Unmöglichkeit der Gegenleistung bei Zug-um-Zug-Verurteilung? Das LG Berlin80 hat in einer Entscheidung die Vollstreckungsabwehrklage zweier Schuldner wegen Schikane nach § 226 BGB für unbegründet gehalten. Die Gläubigerin hatte im Vorprozess einen Zahlungstitel über rund 2.000 DM erstritten, allerdings nur Zug um Zug gegen Leistung verschiedener Gegenstände 76 OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1093, 1094 unter Verweis auf OLG Frankfurt VersR 1995, 1061; OLG Stuttgart Rpfleger 1997, 446; Zöller/Stöber, § 794 Rn. 14a. 77 OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1093, 1094. 78 BGH NJW 1993, 1995, 1996; BAG NJW 2012, 2538, 2539. 79 BGH NJW-RR 1995, 1201, 1202; MüKoBGB/Habersack, § 779 Rn. 45. 80 LG Berlin NJW-RR 1989, 638 f.
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an die Schuldner (zwei Radiatoren, vier Gardinenbretter, eine Vorhangstange und ein 20 Jahre alter, beschädigter Couchtisch). Bei der Vollstreckung aus dem Zahlungstitel bot die Gläubigerin nicht den streitgegenständlichen Couchtisch, sondern nur einen vergleichbaren, wertlosen Tisch an. Die Schuldner machten mit ihrer Klage Unmöglichkeit der Gegenleistung geltend. Das LG Berlin wies diese mit der Begründung ab, die Schuldner verhielten sich schikanös, da sie an dem wertlosen Couchtisch weder ein wirtschaftliches noch ein ideelles Interesse hätten, sondern es ihnen nur um eine Schädigung der Gläubigerin ginge. Die Entscheidung des LG Berlin stößt in ihrer Begründung auf Bedenken. Zunächst ist die Bewertung des schuldnerischen Verhaltens als Schikane zweifelhaft, da mit der Vollstreckungsabwehrklage zumindest auch der Zweck verfolgt worden ist, die Vollstreckung mangels Angebots der Gegenleistung zu verhindern, so dass ein ausschließlicher Schädigungszweck – wie er für die Anwendung von § 226 BGB aber erforderlich ist81 – nicht bejaht werden kann. Hält man das Verhalten der Schuldner dann aber zumindest für rechtsmissbräuchlich, so hätte eine Lösung immer noch über § 242 BGB gesucht werden können. Doch auch dieser Weg wäre dogmatisch angreifbar, da er missachten würde, dass auf die Generalklauseln nur subsidiär zurückgegriffen werden darf. Das Gericht folgt mit seiner Entscheidung der zutreffenden Ansicht, dass der Schuldner mit der Klage nach § 767 ZPO bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung einwenden kann, dass die Gegenleistung des Gläubigers unmöglich geworden ist.82 Ausschlaggebend für diese Ansicht ist, dass der Schuldner mit dem Einwand der Unmöglichkeit der Gegenleistung geltend macht, selbst von seiner Leistungspflicht freigeworden zu sein (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB).83 Im vorliegenden Fall konnten die Schuldner aber allenfalls Teilunmöglichkeit einwenden, da die Gläubigerin neben dem Couchtisch noch andere Gegenstände herausgeben musste, wozu sie auch in der Lage war. § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB bestimmt, dass bei einer Teilleistung § 441 Abs. 3 BGB entsprechende Anwendung findet, die Gegenleistung also gemindert wird. Eine Minderung der Gegenleistung ist aber dann nicht vorzunehmen, wenn der unmöglich gewordene Teil der Leistung wertlos war. Für den hier zu beurteilenden Fall bedeutet dies, dass die Unmöglichkeit der Herausgabe des wertlosen Couchtisches zu keiner Reduzierung des Zahlungsanspruchs hätte führen können. Das LG Berlin hätte die Vollstreckungsabwehrklage also bereits deshalb als unbegründet abweisen müssen, weil eine unterstellte Teilunmöglichkeit auf Gläubigerseite keine Auswirkungen auf den Zahlungsanspruch gehabt hätte. Auf den Vorwurf missbräuchlicher Rechtsausübung kam es also überhaupt nicht an. 81
Vgl. dazu näher § 3 C. II. 1. KG NJW-RR 1989, 638; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 16 Rn. 50; MüKoZPO/Heßler, § 756 Rn. 44, 61; Stein/Jonas/Münzberg, § 756 Rn. 21; Zöller/Stöber, § 756 Rn. 16. 83 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 16 Rn. 50. 82
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e) Zusammenfassung Die Berufung auf eine mit der Vollstreckungsabwehrklage oder der Klage analog § 767 ZPO geltend gemachte Einwendung kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Rechtsposition nur formal besteht. Es darf aber nicht vorschnell eine Lösung in der Argumentation mit § 242 BGB gesucht werden, wenn sich der zu beurteilende Fall auch ohne einen Rückgriff auf die Generalklausel interessengerecht lösen lässt. IV. Unbillige Inanspruchnahme des pauschalierten Pfändungsfreibetrags Arbeitseinkommen des Schuldners ist nur in den Grenzen des § 850c ZPO pfändbar. Gewährt der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung bestimmten Personen Unterhalt, so erhöht sich dadurch der Pfändungsfreibetrag entsprechend der näheren Aufschlüsselung in § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO. Der Gesetzgeber hat bei der Festlegung der Beträge eine Pauschalierung vorgenommen, damit im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht um die Höhe von Unterhaltsleistungen gestritten werden muss und das Verfahren dadurch praktikabel ablaufen kann.84 Für den Arbeitgeber als Drittschuldner ließe sich auch gar nicht prüfen, in welcher Höhe der Schuldner tatsächlich Unterhalt gewährt.85 Das bedeutet, dass eine Anpassung des Pfändungsfreibetrags im Grundsatz auch dann nicht erfolgt, wenn der Schuldner tatsächlich Unterhaltsleistungen in geringerer Höhe erbringt, als nach § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO pauschal vom Gesetzgeber veranschlagt wurde.86 Andernfalls würde die mit der Pauschalierung verbundene gesetzgeberische Intention auch nicht erreicht. Lediglich in besonderen Ausnahmefällen soll eine Anpassung des erhöhten Pfändungsfreibetrags an die tatsächliche Höhe der Unterhaltsleistungen aus Billigkeitsgründen möglich sein, wobei der BGH dies für einen Fall ausdrücklich verneint hat, in dem die Höhe des tatsächlich gezahlten Unterhalts nur 10 % des gesetzlich geschuldeten Betrags ausmachte.87 Im Einzelfall eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des pauschalierten Pfändungsfreibetrags durch eine Anpassung an den tatsächlich geleisteten Unterhalt zu verhindern, ist interessengerecht.88 Der Schuldner vereitelt nämlich in Teilen die Vollstreckungsmöglichkeit des Gläubigers, wenn er zu Unrecht von einem er84 Darauf hinweisend BGH NJW-RR 2004, 1370, 1371; 2007, 938, 939; Rpfleger 2011, 163. 85 BGH NJW-RR 2004, 1370, 1371; Walker, FS Stürner, 829, 839. 86 BGH NJW-RR 2007, 938, 939; Rpfleger 2011, 163; Brox/Walker, ZVR, Rn. 565; Hk-ZV/Meller-Hannich, § 850c Rn. 5, 7; MüKoZPO/Smid, § 850c Rn. 11; Musielak/ Voit/Becker, § 850c Rn. 4; PG/Ahrens, § 850c Rn. 14; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf/ Lorenz, § 850c Rn. 4; Zöller/Stöber, § 850c Rn. 5. 87 BGH Rpfleger 2011, 163 f. 88 Ebenfalls zustimmend Brox/Walker, ZVR, Rn. 565; Walker, FS Stürner, 829, 839.
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höhten Pfändungsfreibetrag profitiert. Die praktische Bedeutung einer solchen Korrektur wegen Rechtsmissbrauchs wird aber gering ausfallen, wenn allein in dem Umstand, dass der Schuldner seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht tatsächlich in erheblichem Umfang nicht nachkommt, noch kein besonderer Ausnahmefall zu sehen ist. Gerade durch ein solches Verhalten werden sich Schuldner nämlich in erster Linie einen Vorteil zu verschaffen versuchen. Hinzu kommt die bereits gesetzlich in § 850c Abs. 4 ZPO vorgesehene Möglichkeit, auf Antrag des Gläubigers den Pfändungsfreibetrag anzupassen, wenn ein Unterhaltsberechtigter eigene Einkünfte erzielt. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO nicht zur Anwendung kommt, wenn der Schuldner tatsächlich überhaupt keine Unterhaltsleistungen erbringt, obwohl er gesetzlich dazu verpflichtet ist.89 Damit der Schuldner nicht die Möglichkeit hat, durch eine tatsächliche Unterhaltsleistung, die völlig außer Verhältnis zum eigentlich geschuldeten Unterhaltsbetrag steht, den unpfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu erhöhen, sollte eine solche Leistung letztlich so behandelt werden, als würde überhaupt keine Zahlung erfolgen.90 V. Verzögernde Anträge im Zwangsversteigerungsverfahren Der Schuldner kann versuchen, den Ablauf des Zwangsversteigerungsverfahrens dadurch zu stören, dass er Anträge stellt, die zu einer Verfahrensverzögerung führen sollen. Von Bedeutung sind insbesondere Befangenheitsanträge und Vollstreckungsschutzanträge. 1. Missbräuchliche Befangenheitsanträge Soll im Zwangsversteigerungsverfahren der Rechtspfleger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, so sind nach § 10 S. 1 RPflG die Vorschriften der ZPO zur Richterablehnung heranzuziehen. Danach muss ein Grund vorliegen, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu begründen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dient der Befangenheitsantrag nur dazu, das Verfahren zu verschleppen, so ist er rechtsmissbräuchlich.91 Mit dem Instrument der Richter- oder Rechtspflegerablehnung soll als Ausfluss des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) ein faires Verfahren unter Beteili89 BAG NJW 2013, 3532; Brox/Walker, ZVR, Rn. 565; MüKoZPO/Smid, § 850c Rn. 11; Musielak/Voit/Becker, § 850c Rn. 4; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf/Lorenz, § 850c Rn. 4; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 1047. 90 Für diese Lösung auch Hk-ZV/Meller-Hannich, § 850c Rn. 7. 91 Speziell zum Zwangsversteigerungsverfahren BGH NJW-RR 2005, 1226, 1227; NJW-RR 2008, 216, 217; OLG Köln Rpfleger 1980, 233, 234; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 66 Rn. 23; Stöber, Einleitung Rn. 26.3. Vgl. zu sonstigen Verfahren nur BVerfG NJW-RR 2008, 512, 514; RGZ 44, 402 f.; BGH NJW 1992, 983, 984; Musielak/Voit/ Heinrich, § 44 Rn. 5; MüKoZPO/Stackmann, § 44 Rn. 6; Zöller/Vollkommer, § 45 Rn. 4.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
gung neutraler Entscheidungsträger gewährleistet werden.92 Ein nur der Verschleppung dienender Antrag steht dem Ziel eines fairen Verfahrens diametral gegenüber, da er zu einer Aushöhlung des gläubigerseitigen Rechts auf effektive Vollstreckung führt. Solche Anträge sind mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits als unzulässig zurückzuweisen.93 Indizien für eine Verschleppungsabsicht können insbesondere häufig wiederholte Anträge94 oder eine fehlende Begründung95 sein. Die Vorlage des Gesuchs an den zur Entscheidung berufenen Richter würde für sich gesehen aber schon zu einer Verfahrensverzögerung führen, da über die Ablehnung des Rechtspflegers nach § 10 S. 2 RPflG der Richter zu entscheiden hat. Um der Verschleppungsabsicht wirkungsvoll begegnen zu können, ist bei einem missbräuchlichen Ablehnungsantrag deshalb der Rechtspfleger selbst befugt, den Antrag als unzulässig abzuweisen.96 Es muss sich insoweit aber um eine reine Formalentscheidung handeln, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gesuch darf nicht erforderlich sein.97 Die Gefahr der Verfahrensverschleppung besteht auch noch aus einem weiteren Grund für den Fall, dass ein Befangenheitsantrag im Versteigerungstermin gestellt wird. Ein noch nicht beschiedener Ablehnungsantrag gegen den Rechtspfleger stellt nämlich einen Zuschlagsversagungsgrund i. S. d. § 83 Nr. 6 ZVG dar, da der Rechtspfleger in diesem Fall gem. § 10 S. 1 RPflG i.V. m. § 47 Abs. 1 ZPO nur unaufschiebbare Handlungen vornehmen darf, worunter die Zuschlagsentscheidung nicht fällt.98 Handelt es sich jedoch um ein missbräuchliches Ablehnungsgesuch, so soll dies nach § 242 BGB zu Recht nicht gelten.99 Der
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Vgl. nur BVerfG NJW 2007, 3771, 3772; NJW-RR 2008, 72, 73; 512, 513. OLG Köln Rpfleger 1980, 233, 234; MüKoZPO/Stackmann, § 44 Rn. 6; Musielak/Voit/Heinrich, § 44 Rn. 5. 94 OLG Köln Rpfleger 1980, 233, 234. 95 OLG Braunschweig NJW 1976, 2024, 2025. 96 BVerfG NJW-RR 2008, 512, 514; BGH NJW-RR 2005, 1226, 1227; Dassler/ Schiffhauer/Hintzen, § 66 Rn. 23; Ertle, Rpfleger 2003, 14, 16 f.; Hk-ZV/Radke, § 10 RPflG Rn. 4; Stöber, Einleitung Rn. 26.3; noch a. A. Engel, Rpfleger 1981, 81, 84. Vgl. allgemein zum zivilprozessualen Verfahren BGH NJW 1992, 983, 984; MüKoZPO/ Stackmann, § 45 Rn. 2; Musielak/Voit/Heinrich, § 45 Rn. 3; Zöller/Vollkommer, § 45 Rn. 4. 97 BVerfG NJW 2007, 3771, 3772 f.; NJW-RR 2008, 72, 73 f.; Beschl. v. 15.6.2015 – 1 BvR 1288/14, BeckRS 2015, 52391. Sehr weitgehend und zu pauschal BAG NZA 2016, 1100 (Orientierungssatz Nr. 4) wonach eine Selbstablehnung wegen Verfahrensverschleppung grundsätzlich ausscheide, da regelmäßig eine Auseinandersetzung mit dem Prozessverlauf und dem Akteninhalt erforderlich sei. 98 BGH NJW-RR 2008, 216, 217; OLG Celle NJW-RR 1989, 569; Stöber, Einleitung Rn. 26.4 99 BGH NJW-RR 2008, 216, 217; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 66 Rn. 23, § 83 Rn. 34; Hk-ZV/Stumpe, § 83 ZVG Rn. 7; Stöber, § 83 Rn. 4.1; Walker, FS Stürner, 829, 840. 93
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Rechtspfleger muss den missbräuchlichen Antrag auch nicht vor der Zuschlagsentscheidung beschieden haben, sondern kann ihn im Rahmen der Zuschlagsentscheidung als unzulässig abweisen.100 2. Missbräuchliche Vollstreckungsschutzanträge Auch mit Vollstreckungsschutzanträgen versuchen Schuldner das Zwangsversteigerungsverfahren zu verschleppen. Praktische Bedeutung hat vor allem der Antrag nach § 765a ZPO. Zwar steht dem Schuldner mit § 30a ZVG noch ein anderer Rechtsbehelf zur Verfügung, da dieser aber innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, eingelegt worden sein muss (§ 30b Abs. 1 ZVG), fällt die praktische Bedeutung eher gering aus.101 Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO kann der Schulder bis zur Erteilung des Zuschlags, unter Umständen also auch noch nach Ende des Versteigerungstermins, beantragen.102 Ein nur der Verschleppung dienender und damit missbräuchlicher Antrag nach § 765a ZPO ist aber wiederum bereits mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, kann also keinen Erfolg haben.103 Anders als bei einem Befangenheitsantrag stellt sich insoweit nicht die Frage nach einem Zuschlagsversagungsgrund i. S. d. § 83 Nr. 6 ZVG.104 Vielmehr kann über den Antrag nach § 765a ZPO im Rahmen der Zuschlagsentscheidung mitentschieden werden,105 so dass es zu keiner Verzögerung kommt. VI. Vollstreckungsabwehrklage wegen im Titel enthaltener verjährter Grundschuldzinsen 1. Problemlage In letzter Zeit haben die Rechtsprechung wiederholt Vollstreckungsabwehrklagen beschäftigt, die im Wesentlichen immer folgenden Sachverhalt zur Grundlage hatten: Der Gläubiger vollstreckt aus einer notariellen Grundschuldurkunde wegen des dinglichen Anspruchs nebst Zinsen. Ein Teil der Zinsen ist verjährt, weshalb der Schuldner die Einrede der Verjährung erhebt. Obwohl der Gläubiger zwischenzeitlich erklärt hat, auf die Geltendmachung der verjährten Zinsen zu 100
BGH NJW-RR 2008, 216, 217; vgl. auch Engel, Rpfleger 1981, 81, 84. Engel, Rpfleger 1981, 81, 84; Ertle, Rpfleger 2003, 14. 102 OLG Nürnberg NJW 1954, 722, 723; OLG Düsseldorf Rpfleger 1987, 514; Stöber, Einleitung Rn. 57.2. 103 LG Trier Rpfleger 1991, 70, 71. 104 Nur ein berechtigter Antrag nach § 765a ZPO stellt einen Versagungsgrund i. S. d. § 83 Nr. 6 ZVG dar, wenn der Zuschlag gleichwohl erteilt worden ist (OLG Nürnberg NJW 1974, 722, 723). 105 Nach dem Schluss der Versteigerung ist sogar nur noch eine Entscheidung über den Zuschlag möglich, in der sich dann auch mit dem Antrag aus § 765a ZPO auseinanderzusetzen ist (vgl. OLG Köln Rpfleger 1997, 34, 35; Stöber, Einleitung Rn. 58.3). 101
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verzichten und insoweit nicht mehr die Vollstreckung zu betreiben, erhebt der Schuldner Vollstreckungsabwehrklage.106 In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage rechtsmissbräuchlich ist, weil es dem Schuldner nicht um die Verhinderung einer unberechtigten Zwangsvollstreckung geht, sondern vielmehr das Verfahren, regelmäßig eine drohende Zwangsversteigerung des Grundstücks, verschleppt werden soll. Zu untersuchen ist die Frage des Rechtsmissbrauchs bereits im Rahmen der Zulässigkeit der Klage, da einer missbräuchlichen Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.107 In den hier interessierenden Sachverhaltskonstellationen geht es darum, dass der Schuldner das prozessuale Institut der Vollstreckungsabwehrklage möglicherweise nur zu verfahrensfremden Zwecken benutzt, indem er das Verfahren zu verschleppen versucht; die materiell-rechtliche Geltendmachung der Verjährungseinrede hingegen ist berechtigt und in keinem Fall rechtsmissbräuchlich.108 2. Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses Die Voraussetzungen, unter denen das Rechtsschutzbedürfnis verneint werden kann, sind bei der Vollstreckungsabwehrklage hoch. Im Grundsatz hat der Schuldner so lange ein Bedürfnis nach Rechtsschutz, wie der Gläubiger noch im Besitz des Vollstreckungstitels ist, selbst wenn der Gläubiger auf sein tituliertes Recht verzichtet hat oder Gläubiger und Schuldner sich einig darüber sind, dass eine Vollstreckung nicht mehr stattfindet.109 Hintergrund dieser geringen Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses ist der Umstand, dass die Gefahr einer Vollstreckung erst dann nicht mehr besteht, wenn der Gläubiger seinen Titel an den Schuldner herausgegeben hat. Die Erklärung eines Verzichts hat keine andere Wirkung als beispielsweise die Erfüllung durch den Schuldner, da der Verzicht letztlich wie jede andere materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch vom Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen ist.110 Der Gläubiger ist vor einer überflüssigen Vollstreckungsabwehrklage dadurch hinreichend geschützt, dass er ein sofortiges Anerkenntnis 106 Vgl. exemplarisch OLG Celle, Urt. v. 20.2.2013 – 4 U 122/12, BeckRS 2013, 16897; LG Regensburg WM 2013, 1964; LG Mainz Rpfleger 2014, 330. 107 Siehe zum Rechtsschutzbedürfnis näher schon § 4 B. II. 108 Dazu ausführlich unter Berücksichtigung der zu § 8 Abs. 4 UWG entwickelten Grundsätze OLG Hamm WM 2015, 673, 675 f. 109 BGH NJW 1955, 1556; WM 1974, 59, 61; NJW 1984, 2826, 2827; 1992, 2148; 1994, 1161, 1162; Beschl. v. 15.12.2011 – IX ZR 230/09, BeckRS 2012, 00067; NJW 2017, 674; BLAH/Hartmann, § 767 Rn. 47; Hk-ZV/Schneiders, § 767 Rn. 33; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 43; Musielak/Voit/Lackmann, § 767 Rn. 18; Schuschke/Walker/Raebel, § 767 Rn. 18; Zöller/Herget, § 767 Rn. 8. 110 MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 62; Schuschke/Walker/Raebel, § 767 Rn. 23; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rn. 42; Zöller/Herget, § 767 Rn. 12.
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erklären kann, so dass der Schuldner nach § 93 ZPO die Kosten zu tragen hat.111 Benötigt der Gläubiger den Titel weiterhin, weil er noch nicht vollständig befriedigt ist, so entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage nach § 767 ZPO grundsätzlich ebenfalls nicht, so lange der Titel nicht an den Schuldner herausgegeben worden ist, da sich der Gläubiger nach § 733 ZPO eine weitere auf die Restforderung beschränkte vollstreckbare Ausfertigung besorgen kann.112 Der BGH lässt aber von diesen Grundsätzen dann eine Ausnahme zu, wenn eine Vollstreckung unzweifelhaft nicht mehr droht.113 Zurück geht diese Rechtsprechung auf einen Fall, in dem es um einen Titel auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen ging.114 Der Schuldner hatte den Unterhaltsanspruch für zwei streitgegenständliche Monate unstreitig erfüllt, und die Gläubigerin erklärte sich nach einer erst in der zweiten Instanz erfolgten Änderung der Klage in eine Vollstreckungsabwehrklage entsprechend für befriedigt. Der BGH sah aus diesem Grund insoweit unzweifelhaft nicht mehr die Gefahr einer Vollstreckung. Auf die für den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses bislang immer erforderliche Herausgabe des Titels an den Schuldner kam es dem Senat nicht an, da der Titel bei wiederkehrenden Unterhaltsleistungen gerade für die künftig fällig werdenden Ansprüche noch benötigt werde.115 Zusammenfassend ist also bei einem Titel auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen dessen Herausgabe an den Schuldner keine Voraussetzung dafür, dass einer Klage nach § 767 ZPO das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, sofern eine Vollstreckung unzweifelhaft nicht mehr droht. 3. Übertragung der Rechtsprechung zu wiederkehrenden Unterhaltsleistungen auf die Vollstreckung aus Grundschuldurkunden mit teilweise verjährten Zinsansprüchen Verschiedene Instanzgerichte haben die Ausnahmerechtsprechung des BGH auf die hier interessierenden Fälle übertragen. Danach fehle einer Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung aus einer Grundschuldurkunde das Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine Vollstreckung wegen verjährter Zinsansprüche unzweifelhaft nicht drohe.116 Der Schuldner mache von seinem prozessualen Recht 111
BGH NJW 1984, 2826, 2827; NJW 2017, 674. BGH NJW 1955, 1556; WM 1974, 59, 61; NJW 1992, 2148. 113 BGH NJW 1984, 2826, 2827; NJW-RR 1989, 124; NJW 1992, 2148; 1994, 1161, 1162; Beschl. v. 15.12.2011 – IX ZR 230/09, BeckRS 2012, 00067. 114 BGH NJW 1984, 2826, 2827. 115 Den Gläubiger in diesen Fällen gleichwohl auf die Beschaffung einer weiteren beschränkten vollstreckbaren Ausfertigung verweisend Romeyko, FamRZ 2007, 1217, 1218, so dass ohne Herausgabe des Titels an den Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfalle. 116 OLG Frankfurt WM 2013, 1275 f.; OLG Celle, Urt. v. 20.2.2013 – 4 U 122/12, BeckRS 2013, 16897; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.5.2014 – 24 W 2/13, BeckRS 2015, 07931; Urt. v. 10.10.2014 – 24 U 116/13, BeckRS 2015, 05762; LG Regensburg WM 2013, 1964; LG Mainz Rpfleger 2014, 330 f. 112
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nur Gebrauch, um in erster Linie das Verfahren zu verschleppen oder Gebühreninteressen zu befriedigen.117 Ein berechtigtes Interesse an der Klage nach § 767 ZPO existiere nicht. Die Übertragung der Rechtsprechung des BGH zur Vollstreckung aus einem Unterhaltstitel auf einen Titel mit verjährten Grundschuldzinsen hat in der Literatur Zustimmung erfahren.118 Die Vergleichbarkeit lässt sich damit begründen, dass es sich sowohl bei Unterhaltsleistungen119 als auch den hier interessierenden Grundschuldzinsen120 um wiederkehrende Leistungen handelt, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr erbracht werden müssen.121 Damit das Rechtsschutzbedürfnis verneint werden kann, kommt es aber ganz entscheidend darauf an, dass eine Vollstreckung wegen der verjährten Zinsen unzweifelhaft nicht droht. Wann dieses Kriterium erfüllt sein soll, wird nicht einheitlich beurteilt. Dem BGH reichte im entschiedenen Fall dafür aus, dass die Gläubigerin sich wegen der beiden Monate, für die der Schuldner den Unterhaltsanspruch erfüllt hatte, für befriedigt erklärte. Die Vollstreckung war von ihr insoweit auch nicht betrieben worden. Anders beurteilte aber das OLG Karlsruhe einen Fall, in dem der Gläubiger noch nach Erfüllung des Unterhaltsanspruchs für einen streitgegenständlichen Monat einen Vollstreckungsversuch unternahm, anschließend aber schriftsätzlich im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage erklärte, die Vollstreckung habe sich insoweit erledigt.122 Für die hier interessierenden Fälle einer Vollstreckung wegen verjährter Grundschuldzinsen reichte dem OLG Frankfurt aus, dass der Gläubiger von vornherein nur die Vollstreckung wegen der Hauptforderung und nicht verjährter Zinsansprüche betrieben hatte.123 Nach anderer Auffassung musste der Gläubiger auf die verjährten Zinsansprüche verzichtet haben.124 Als unschädlich wurde aber angesehen, dass der Gläubiger zunächst auch wegen verjährter Zinsen vollstreckt hatte, weil der Schuldner noch nicht die Verjährungseinrede erhoben hatte.125 Wann genau 117 Auf letztere Motivation hinweisend OLG Frankfurt WM 2013, 1275, 1276; Beschl. v. 9.5.2014 – 24 W 2/13, BeckRS 2015, 07931; Urt. v. 10.10.2014 – 24 U 116/ 13, BeckRS 2015, 05762. 118 Brox/Walker, ZVR, Rn. 1332; Clemente, ZfIR 2013, 559, 560; Harter, EWiR 2013, 599, 600; Kirsch, Rpfleger 2014, 331; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 43. 119 Staudinger/Peters/Jacoby, § 197 Rn. 86. 120 BGH NJW 2010, 2041, 2046; MüKoBGB/Grothe, § 197 Rn. 31; Staudinger/Peters/Jacoby, § 197 Rn. 80. 121 BGH NJW 2001, 1063, 1064; 2005, 3146, 3147; NJW-RR 2008, 1235. 122 OLG Karlsruhe JurBüro 1990, 399, 400. 123 OLG Frankfurt WM 2013, 1275 f.; Beschl. v. 9.5.2014 – 24 W 2/13, BeckRS 2015, 07931; Urt. v. 10.10.2014 – 24 U 116/13, BeckRS 2015, 05762. 124 OLG Celle, Urt. v. 20.2.2013 – 4 U 122/12, BeckRS 2013, 16897; OLG Hamm WM 2015, 673, 675; LG Regensburg WM 2013, 1964; LG Mainz Rpfleger 2014, 330 f. 125 OLG Celle, Urt. v. 20.2.2013 – 4 U 122/12, BeckRS 2013, 16897.
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die Zwangsvollstreckung unzweifelhaft nicht mehr droht, ist also durch die Instanzrechtsprechung noch nicht abschließend geklärt worden. 4. Urteil des BGH vom 21.10.2016 Jüngst hat der BGH126 selbst Gelegenheit gehabt, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob seine Rechtsprechung im Zusammenhang mit wiederkehrenden Unterhaltsleistungen auch auf die Vollstreckung von Grundschuldzinsen übertragen werden kann, und hat der Übertragbarkeit eine Absage erteilt. Bei den Zinsansprüchen komme es anders als bei den Unterhaltsforderungen gerade mangels Erfüllung nicht zu einem Erlöschen, sondern es werde nur die Durchsetzbarkeit infolge der Verjährungseinrede des Schuldners gehemmt.127 Deshalb seien die Fälle schon nicht vergleichbar. Auch wenn diese Ansicht sehr formalistisch anmutet, so ist dem BGH doch darin beizupflichten, dass ein nicht mehr durchsetzbares, aber noch existentes Recht eine andere Qualität aufweist als ein erloschenes. Der BGH kommt damit aber nicht zum Ergebnis, dass der Gläubiger eine Vollstreckungsgegenklage in jedem Fall hinnehmen muss. Vielmehr erkennt er das Bedürfnis, dass Schuldnern Grenzen gesetzt werden müssen, wenn sie eine Vollstreckungsabwehrklage nur aus Gründen der Verfahrensverschleppung erheben und damit einen verfahrensfremden Zweck verfolgen. Damit der Schuldner sein Verfahrensrecht in missbräuchlicher und damit unzulässiger Weise ausübt, lässt das Gericht es aber nicht ausreichen, dass der Gläubiger die Vollstreckung wegen verjährter Grundschuldzinsen nicht mehr betreibt, nachdem der Schuldner die Einrede der Verjährung erhoben hat. Der BGH verlangt vielmehr das Vorliegen weiterer Indizien. Der Schuldner müsse die Vollstreckungsabwehrklage im laufenden Versteigerungsverfahren zur Unzeit erhoben haben. Ein solcher Zeitpunkt liege vor, wenn der Gläubiger dem Verlangen des Schuldners freiwillig nur nachkommen könnte, würde er eine Verzögerung des Verfahrens in Kauf nehmen. So lasse sich eine Herausgabe des Titels an den Schuldner verbunden mit der Beschaffung einer weiteren beschränkten vollstreckbaren Ausfertigung kurz vor einem anberaumten Versteigerungstermin nicht mehr realisieren, ohne dass es zu einer Terminsverlegung kommen müsse. Darüber hinaus verlangt der BGH aber zumindest ein weiteres Indiz, um auf einen Rechtsmissbrauch des Schuldners schließen zu können. Entweder der zu erwartende Vollstreckungserlös decke nicht annähernd die Hauptforderung sowie die unverjährten Zinsansprüche und der Schuldner verfüge auch sonst über kein nennenswertes Vermögen128 oder der Gläubiger habe auf die verjährten Zinsansprüche verzichtet.129 126
BGH NJW 2017, 674 ff. BGH NJW 2017, 674 ff. 128 Mit diesem Umstand auch schon argumentierend OLG Celle, Urt. v. 20.2.2013 – 4 U 122/12, BeckRS 2013, 16897; LG Mainz Rpfleger 2014, 330, 331. 127
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Die Ansicht des BGH verdient Zustimmung, da sie für die problematischen Fälle einer beabsichtigten Verfahrensverschleppung eine praktikable Lösung bietet. Der missbräuchlich agierende Schuldner wird seine Vollstreckungsabwehrklage immer zu einem Zeitpunkt erheben, der eine Terminsverlegung notwendig macht, da nur so die gewünschte Verfahrensverschleppung erreicht werden kann. Dem Gläubiger sollte aber nicht zu viel zugemutet werden, wenn es darum geht, ob er dem Verlangen des Schuldners noch ohne eine Verzögerung des Verfahrens hätte nachkommen können. Die positive Feststellung des ersten Indizes wird mit dieser Maßgabe in der Praxis selten Probleme bereiten. Was die weiteren Indizien angeht, wovon zumindest eines vorliegen muss, ist die Lösung des BGH interessengerecht. Wenn mit einer Befriedigung des Gläubigers nicht annähernd zu rechnen ist, besteht für den Schuldner auch kein Bedürfnis, sich gegen eine Vollstreckung wegen verjährter Grundschuldzinsen zu wehren. Gleiches gilt bei einem Verzicht des Gläubigers auf die verjährten Zinsforderungen. Der Gläubiger hat es aufgrund dieser Möglichkeit sogar selbst in der Hand, einer missbräuchlichen Vollstreckungsgegenklage im Vorfeld schon das Fundament zu entziehen. Das ist begrüßenswert, um den unlauteren Motiven des Schuldners nicht zum Erfolg zu verhelfen. VII. Verzögerte Ausübung eines Gestaltungsrechts Will sich der Schuldner gegen eine Inanspruchnahme aus dem Titel erfolgreich mit der Vollstreckungsabwehrklage zur Wehr setzen, so darf er mit seiner Einwendung nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sein. Geht es um ein gesetzliches Gestaltungsrecht (z. B. Anfechtung, Aufrechnung, Minderung oder Rücktritt), so kommt es nach ständiger Rechtsprechung und nach Ansicht eines Teils der Literatur auf den Zeitpunkt an, in dem das Recht objektiv hätte ausgeübt werden können.130 Zurück geht die Rechtsprechung auf die Vorstellung, so einen reibungslosen Ablauf des Vollstreckungsverfahrens zu fördern und schikanöses Verzögerungsverhalten des Schuldners zu unterbinden.131 Die herrschende Literatur nimmt gleichwohl aus guten Gründen den gegenteiligen Standpunkt ein, wonach es für die Frage der Präklusion bei Gestaltungsrechten auf den Zeitpunkt der Ausübung ankomme.132 Folgt man dieser Ansicht, so besteht zumindest theo129 Zum Ganzen BGH NJW 2017, 674 Rz. 23 ff. mit zust. Anm. Würdinger und zust. Anm. Storz, EWiR 2017, 253, 254. 130 Vgl. nur BGH NJW 2005, 2926, 2927; NJW-RR 2006, 229, 230; NJW 2009, 1671; BLAH/Hartmann, § 767 Rn. 52 ff.; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 82; PG/Scheuch, § 767 Rn. 47 f.; Schuschke/Walker/Raebel, § 767 Rn. 33; Thomas/Putzo/Seiler, § 767 Rn. 22a; Zöller/Herget, § 767 Rn. 14. 131 RGZ 64, 228, 230. Mit ausführlicher Kritik an diesem Verständnis Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 40 Rn. 64 f. m.w. N. 132 So insbesondere Baur/Stürner/Bruns, Rn. 45.14; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1346; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 40 Rn. 62 ff.; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 162; Musielak/Voit/Lackmann, § 767 Rn. 37; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rn. 32 ff.
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retisch die Gefahr, dass der Schuldner sein Gestaltungsrecht erst im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ausübt, um so das Verfahren zu verschleppen und die Interessen des Gläubigers zu beeinträchtigen. Diese Fälle werden aber höchst selten vorkommen, da sich kaum ein Schuldner darauf einlassen wird, zunächst eine Verurteilung in Kauf zu nehmen, um dann erst im Vollstreckungsverfahren ein ihm zustehendes Gestaltungsrecht auszuüben.133 Sollte es dennoch zu einer missbräuchlich verspäteten Ausübung kommen, was aber voraussetzt, dass der Schuldner von seinem Recht nicht deshalb erst im Vollstreckungsverfahren Gebrauch macht, weil er beispielsweise bislang keine Kenntnis davon hatte, so kann das Berufen auf die Einwendung gegen den titulierten Anspruch nach § 242 BGB unbeachtlich sein.134 VIII. Verschleppung des Ordnungsmittelverfahrens zur Herbeiführung des Verjährungseintritts Hat der Gläubiger einen Titel erstritten, der den Schuldner zu einem Unterlassen verpflichtet, so kann für jede Zuwiderhandlung gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festgesetzt (§ 890 ZPO) und das festgesetzte Ordnungsmittel anschließend vollstreckt werden. Bereits die Festsetzung unterliegt aber der Verjährung, die sich nach Art. 9 Abs. 1 EGStGB richtet.135 Nach Eintritt der Verjährung ist die Festsetzung ausgeschlossen. Sie beträgt zwei Jahre und beginnt, sobald die Handlung beendet ist (Art. 9 Abs. 1 S. 1–3 EGStGB). Ein Ruhen der Verjährung sieht die Bestimmung nur für den Fall vor, dass nach dem Gesetz das Verfahren zur Festsetzung des Ordnungsgeldes nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann (Art. 9 Abs. 4 EGStGB). Allein die Einleitung des Ordnungsmittelverfahrens hemmt die Verjährung nicht.136 Dieser Umstand hat in 133 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 45.14; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1346; Musielak/Voit/ Lackmann, § 767 Rn. 37; Walker, FS Stürner, 829, 840; Wieczorek/Spohnheimer, § 767 Rn. 85. 134 Otto, JA 1981, 653; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rn. 38 (mit Ausnahme der Aufrechnung, bei der § 533 ZPO analog gelte); Walker, FS Stürner, 829, 840. Nach teilweise vertretener Ansicht soll die verspätete Ausübung eines Gestaltungsrechts oder zumindest die Erklärung der Aufrechnung in Analogie zu den §§ 296 Abs. 2, 533 ZPO behandelt werden (Jauernig/Berger, § 12 Rn. 14; MüKoZPO/Gottwald, § 322 Rn. 163; Musielak/Voit/Lackmann, § 767 Rn. 37; Musielak/Voit/Musielak, § 322 Rn. 42; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 Rn. 38). Da die Vollstreckungsabwehrklage aber ein neues Verfahren in Gang setzt und auch einen eigenständigen Streitgegenstand aufweist, ist die Analogiebildung zweifelhaft. 135 BGH NJW 2005, 509; 2011, 3791; BLAH/Hartmann, § 890 Rn. 28; Hk-ZV/ Bendtsen, § 890 Rn. 58; MüKoZPO/Gruber, § 890 Rn. 40, Musielak/Voit/Lackmann, § 890 Rn. 15; Schuschke/Walker/Sturhahn, § 890 Rn. 39; Stein/Jonas/Brehm, § 890 Rn. 51; Zöller/Stöber, § 890 Rn. 24; vgl. auch zur Vollstreckungsverjährung (Art. 9 Abs. 2 EGStGB) BGH MDR 2013, 675. 136 BayObLG, Beschl. v. 18.5.1995 – 2Z BR 25/95, BeckRS 1995, 08371; OLG Düsseldorf WRP 2002, 464, 466; KG, Beschl. v. 29.11.2011 – 5 W 258/11, BeckRS 2011, 27577; OLG Celle, Beschl. v. 27.12.2011 – 13 W 110/11, BeckRS 2012, 05100.
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der Vergangenheit Schuldner dazu veranlasst, das Verfahren der Festsetzung so weit in die Länge zu ziehen, dass eine rechtskräftige Entscheidung erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgen konnte, die dann zu Gunsten des Schuldners ausfiel.137 Um gerade auch einem solchen Verhalten entgegenzuwirken, hat der BGH entschieden, dass bereits mit Festsetzung eines Ordnungsmittels die Verfolgungsverjährung endet, auch wenn die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist.138 Diese Rechtsprechung hat in der Literatur begründetermaßen Zuspruch erfahren.139 Bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist allerdings, wie es sich auswirkt, wenn der Schuldner in missbräuchlicher Weise auf das Verfahren verzögernd einwirkt, so dass selbst das Verfahren vor dem Prozessgericht als Vollstreckungsgericht nicht mehr vor Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist zu Ende geführt werden kann. Das Problem tritt in gleicher Weise auf, wenn das Prozessgericht eine zurückweisende Entscheidung trifft und erst die Rechtsmittelinstanz zu einer stattgebenden Entscheidung gekommen wäre, den Antrag aber nun wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung zurückweisen muss. Die missbräuchliche Verfahrensverschleppung des Schuldners hinnehmen zu müssen, ist unbefriedigend.140 Art. 9 Abs. 1 EGStGB hilft insoweit nicht weiter, da der Norm nicht entnommen werden kann, dass eine zurückweisende Entscheidung des Prozessgerichts den Eintritt der Verfolgungsverjährung verhindert.141 Die Ruhensanordnung in Art. 9 Abs. 1 S. 4 EGStGB ist ebenfalls nicht einschlägig. Daraus den Schluss zu ziehen, ein Missbrauch des Schuldners müsse nach geltender Rechtslage hingenommen werden,142 ist aber nicht zwingend. Der Eintritt der Verfolgungsverjährung ist vielmehr wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben unbeachtlich, wenn der Schuldner die Verfahrensverzögerung missbräuchlich herbeigeführt hat. Die Verjährung hat vor allem den Zweck, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen.143 Die Verjährung von Ansprüchen hat außerdem zum Hintergrund, dass sich der Schuldner nicht mehr gegen eine Inanspruchnahme verteidigen muss, wenn nach längerer Zeit der Nachweis rechtshindernder oder rechtsvernichtender Einwendungen zunehmend schwierig sein kann.144 Hat 137 Vgl. beispielsweise OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.1.2004 – 6 W 159/03, BeckRS 2004, 01235. 138 BGH NJW 2005, 509. 139 Teplitzky, GRUR 2007, 177, 186; Schuschke/Walker/Sturhahn, § 890 Rn. 39. 140 So auch Schuschke/Walker/Sturhahn, § 890 Rn. 39; Uhrich, GRUR-Prax 2012, 48. 141 KG, Beschl. v. 29.11.2011 – 5 W 258/11, BeckRS 2011, 27577; OLG Celle, Beschl. v. 27.12.2011 – 13 W 110/11, BeckRS 2012, 05100. 142 So ausdrücklich KG, Beschl. v. 29.11.2011 – 5 W 258/11, BeckRS 2011, 27577. 143 Zum Zweck der Verfolgungsverjährung nach der mit Art. 9 EGStGB verwandten Vorschrift des § 31 OWiG Blum/Gassner/Seith/Louis, § 31 Rn. 4; KK OWiG/Graf, § 31 Rn. 2. 144 MüKoBGB/Grothe, Vor § 194 Rn. 6.
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der Schuldner das Verfahren beispielsweise durch zeitaufwendige Beweisanträge verschleppt, der Gläubiger aber seinerseits alles Erforderliche dafür getan, dass es zu einer Festsetzung des Ordnungsmittels noch innerhalb der Verjährungsfrist hätte kommen können, so ist der Schuldner nicht schutzwürdig. Die Situation ist vergleichbar mit Fällen, in denen der Schuldner die Hemmung der Verjährung treuwidrig vereitelt und anschließend die Verjährungseinrede erhebt.145 Die Verfahrensverzögerung muss dem Schuldner aber zugerechnet werden können, damit sie missbräuchlich sein kann. Dauert das Verfahren daher besonders lang, weil die Sachverhaltsaufklärung aufwendig und die Rechtsfragen schwierig sind, muss die in Art. 9 Abs. 1 EGStGB angeordnete Verfolgungsverjährung beachtet werden. Ein Ruhen der Verjährung durch Einleitung des Ordnungsmittelverfahrens lässt sich nur durch eine Änderung des Gesetzgebers erreichen. IX. Nachträgliches Herbeiführen der Unpfändbarkeit Vollstreckt der Gläubiger in körperliche Sachen des Schuldners, so hat eine Pfändung durch den Gerichtsvollzieher zu unterbleiben, wenn die Sache unpfändbar ist (§ 811 ZPO). Probleme ergeben sich, wenn die Unpfändbarkeit erst nach der Pfändung eintritt. Pfändet der Gerichtsvollzieher beispielsweise den Pkw des Schuldners und nimmt dieser nach der Pfändung eine berufliche Tätigkeit als Taxifahrer auf, für die er sein Fahrzeug benötigt, so wäre der Pkw nachträglich nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO146 unpfändbar geworden. In einem anderen Fall wird die Vollstreckung in einen Computer des Schuldners betrieben, der dem Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unterfällt.147 Da der Schuldner aber neben dem Computer noch einen Laptop besitzt, ist sein Zugang zum Internet weiterhin sichergestellt, so dass der Pfändungsschutz nicht eingreift.148 Veräußert der Schuldner den Laptop aber nach der Pfändung des Computers, wird letzterer nachträglich unpfändbar. Anders als im ersten Beispiel stößt das Verhalten des Schuldners im zweiten Beispiel auf Bedenken, da er durch den Verkauf die Unpfändbarkeit bewusst herbeigeführt hat und dadurch möglicherweise die Vollstreckung vereitelt. 1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Pfändbarkeit Die Frage der Behandlung nachträglicher Unpfändbarkeit würde sich gar nicht stellen, sähe man den Zeitpunkt der Pfändung als maßgeblich an. Ein beachtli145
Zu einem solchen Fall BGH NJW-RR 2005, 415, 416. Vgl. Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rn. 41. 147 Vgl. VG Gießen NJW 2011, 3179. 148 Vgl. zum Erfordernis der Internetnutzungsmöglichkeit zur Informationsbeschaffung, zur Kommunikation, zur Geschäftsabwicklung oder als Unterhaltungsmedium OLG München, Beschl. v. 23.3.2010 – 1 W 2689/09, BeckRS 2010, 07737; LG Stuttgart, Urt. v. 15.5.2009 – 15 O 306/08, BeckRS 2010, 01167. 146
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cher Teil aus Rechtsprechung149 und Literatur150 sieht dies auch so mit dem Argument, dadurch lasse sich missbräuchliches Verhalten des Schuldners effektiv unterbinden. In anderen Fällen sei der Schuldner ausreichend durch § 765a ZPO geschützt.151 Außerdem bewirke die Pfändung, dass der Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners ausscheide und seiner Verfügungsbefugnis entzogen sei, wodurch das Schicksal der Pfändung nicht mehr durch Verschiebungen im freien Schuldnervermögen berührt werden könne.152 Dieser Ansicht wird zu Recht entgegengetreten und stattdessen der Zeitpunkt der Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung für maßgeblich erachtet.153 Dafür spricht, dass die Vollstreckung während des gesamten Verfahrens und nicht nur zum Zeitpunkt der einzelnen Vollstreckungsmaßnahme rechtmäßig sein muss.154 Ansonsten lässt sich nämlich nicht nachvollziehbar erklären, weshalb im umgekehrten Fall Mängel auch noch bis zur Entscheidung über die Erinnerung geheilt werden können.155 Auch ein Vergleich mit den vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen nach § 767 und § 771 ZPO spricht für das Abstellen auf den späteren Zeitpunkt. Die Zulässigkeit und Begründetheit dieser Klagen richtet sich nämlich ebenfalls nach der Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.156 Die auf den Pfändungszeitpunkt abstellende Ansicht betreibt auch „Rosinenpickerei“, wenn sie im umgekehrten Fall, in dem eine anfänglich unpfändbare Sache nachträglich pfändbar wird, wegen § 811d ZPO auf den späteren Zeitpunkt abstellt.157 Das mag aus Gläubigersicht zu begrüßen sein, widerspricht aber dem Sinn des Pfändungsschutzes.158 Soweit die andere Ansicht da149 KG NJW 1952, 751; OLG Düsseldorf DGVZ 1954, 136; LG Berlin DGVZ 1965, 8; LG Münster DGVZ 1968, 189 (in besonders gelagerten Fällen soll eine Berücksichtigung nachträglicher Unpfändbarkeit aber zur Vermeidung untragbarer Ergebnisse möglich sein); LG Bochum DGVZ 1980, 37, 38; AG Sinzig DGVZ 1990, 95. 150 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 23.8; Jauernig/Berger, § 32 Rn. 22; Thomas/Putzo/Seiler, § 811 Rn. 3a; Zöller/Stöber, § 811 Rn. 9. 151 LG Bochum DGVZ 1980, 37, 38; Jauernig/Berger, § 32 Rn. 22; Thomas/Putzo/ Seiler, § 811 Rn. 3a. 152 OLG Düsseldorf DGVZ 1954, 136. 153 LG Stuttgart DGVZ 2005, 42, 43; Brox/Walker, ZVR, Rn. 295; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 52 Rn. 22; Hk-ZV/Kindl, § 811 Rn. 8; MüKoZPO/Gruber, § 811 Rn. 19; Musielak/Voit/Becker, § 811 Rn. 7; PG/Flury, § 811 Rn. 8; Säcker, NJW 1966, 2345, 2347; Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rn. 11; Stein/Jonas/Münzberg, § 811 Rn. 17; vgl. auch BFH, Beschl. v. 3.8.2012 – VII B 40/11, BeckRS 2012, 96189. 154 Brox/Walker, ZVR, Rn. 295. 155 Vgl. nur MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 766 Rn. 50; Musielak/Voit/Lackmann, § 766 Rn. 23; Schuschke/Walker/Walker, § 766 Rn. 39; Thomas/Putzo/Seiler, § 766 Rn. 23. 156 Brox/Walker, ZVR, Rn. 295; Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rn. 11. 157 So aber Baur/Stürner/Bruns, Rn. 23.8; Jauernig/Berger, § 32 Rn. 22; Thomas/ Putzo/Seiler, § 811 Rn. 3a; Zöller/Stöber, § 811 Rn. 9. 158 Brock, DGVZ 1997, 65, 66; Brox/Walker, ZVR, Rn. 295; Säcker, NJW 1966, 2345, 2347.
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rauf abstellt, der gepfändete Gegenstand scheide aus dem Schuldnervermögen aus, so kann dieses Argument nicht überzeugen. Ganz überwiegend verbleiben gepfändete körperliche Sachen im Gewahrsam des Schuldners (vgl. § 808 Abs. 2 ZPO) und scheiden durch die wirksame Verstrickung nicht aus seinem Vermögen aus. Der Verlust der Verfügungsbefugnis (vgl. §§ 136, 135 BGB) lässt sich nicht mit dem Ausscheiden aus dem Vermögen gleichsetzen. Es besteht letztlich aber auch kein Bedürfnis, auf den Pfändungszeitpunkt abzustellen, wenn missbräuchliches Verhalten des Schuldners auf anderem Weg verhindert werden kann. 2. Arglisteinwand bei missbräuchlichem Verhalten Führt der Schuldner nachträglich die Unpfändbarkeit einer gepfändeten Sache herbei, um dadurch die Vollstreckung zu verhindern, so handelt er rechtsmissbräuchlich. Sein Verhalten ist mit dem in § 162 BGB geregelten Sachverhalt vergleichbar, in dem eine Partei eine ihr günstige Bedingung treuwidrig herbeiführt. Damit darf der Schuldner nicht durchkommen, weshalb dem Gläubiger der Arglisteinwand gestützt auf § 242 BGB zustehen muss.159 Führt der Schuldner wie im eingangs geschilderten Beispielsfall die Unpfändbarkeit bewusst herbei, indem er den ihm noch zur Verfügung stehenden Laptop veräußert, so handelt er arglistig. Eine noch weitergehende Ansicht will dem Schuldner sogar dann den Schutz des § 811 ZPO versagen, wenn er ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das dem Umstand der Pfändung nicht hinreichend Rechnung getragen hat.160 Danach müsste man im Fall der Pfändung des Computers dem Schuldner den Pfändungsschutz bereits dann versagen, wenn der Laptop infolge eines vom Schuldner zu vertretenden Umstands untergegangen wäre. Das würde die Anforderungen überspannen. Dem Schuldner muss es weiterhin möglich sein, den Laptop ohne Einschränkungen bestimmungsgemäß zu gebrauchen. Geht der Laptop dabei infolge von Unachtsamkeit unter, beispielsweise weil er dem Schuldner aus der Hand fällt und irreparabel beschädigt wird, so rechtfertigt dies nicht die Versagung des Pfändungsschutzes. Es lässt sich auch dogmatisch nicht erklären, woraus sich eine so weitgehende Beschränkung von § 811 ZPO ergeben soll. Als rechtsbeschränkende Norm ist nur § 242 BGB ersichtlich, der missbräuchliches Verhalten verlangt. 3. Beweislastumkehr zu Lasten des Schuldners Für den Gläubiger ist aber noch nicht viel gewonnen, da er regelmäßig in Beweisschwierigkeiten kommen wird, möchte er dem Schuldner missbräuchliches Verhalten nachweisen. Deshalb wird zu Recht eine Beweislastumkehr zu Lasten 159
Brock, DGVZ 1997, 65, 66; Säcker, NJW 1966, 2345, 2346. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 52 Rn. 22; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 811 Rn. 10. 160
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des Schuldners befürwortet.161 Das bedeutet, dass der Schuldner nicht nur die Unpfändbarkeit zu beweisen hat, sondern auch den Nachweis führen muss, dass er die Unpfändbarkeit nicht missbräuchlich herbeigeführt hat. 4. Einschränkungen wegen der sozialpolitischen Dimension des § 811 ZPO Die Heranziehung von § 242 BGB könnte mit Blick auf den hinter § 811 ZPO stehenden sozialpolitischen Zweck problematisch sein. Auch wenn § 811 ZPO auf den individuellen Schutz des Schuldners abzielt, dient die Vorschrift gleichermaßen dem Schutz der Allgemeinheit und somit öffentlichen Interessen, da die Solidargemeinschaft bei Zulassung einer „Kahlpfändung“ für die Sicherung des Existenzminimums des Schuldners aufkommen müsste.162 Aus diesem Grund wird in der Literatur auch vertreten, der hinter dem Pfändungsschutz stehende öffentliche Zweck schließe eine Beschränkung des § 811 ZPO durch das Rechtsmissbrauchsverbot gänzlich aus.163 Nicht ganz so weit geht die Ansicht, die die nachträgliche Unpfändbarkeit auch bei Missbrauch des Schuldners dann für beachtlich hält, wenn anderfalls das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet wäre.164 Der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum umfasst die Gewährleistung der physischen Existenz des Menschen (insbesondere Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Gesundheit) sowie die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß auch Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben, wobei die Anforderungen an die Gewährleistung der physischen Existenz strenger sind.165 Die Vollstreckung in unpfändbare Sachen entzieht dem Schuldner nicht unbedingt sein Existenzminimum, so dass in diesen Fällen das öffentliche Interesse gerade nicht betroffen ist. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass auch das Sozialrecht Sanktionsmöglichkeiten vorsieht, wenn Leistungsempfänger ihre Pflichten verletzen oder ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachkommen (vgl. § 31a SGB II, § 39a SGB XII).166 Die Sicherstellung des Existenzminimums bedeutet 161 Brock, DGVZ 1997, 65, 66; Brox/Walker, ZVR, Rn. 295; Hk-ZV/Kindl, § 811 Rn. 8; MüKoZPO/Gruber, § 811 Rn. 19; Musielak/Voit/Becker, § 811 Rn. 7; Säcker, NJW 1966, 2345, 2346; Schuschke/Walker/Walker, § 811 Rn. 11; Stein/Jonas/Münzberg, § 811 Rn. 17. Dem Schuldner nur die sekundäre Darlegungslast aufbürdend PG/ Flury, § 811 Rn. 8, was aber zumeist zum gleichen Ergebnis führen wird. 162 Brox/Walker, ZVR, Rn. 277; MüKoZPO/Gruber, § 811 Rn. 6; Zöller/Stöber, § 811 Rn. 1. 163 Findeisen, S. 277 ff. 164 Walker, FS Stürner, 829, 839. 165 BVerfG NJW 2010, 505, 508. 166 Wegen der Möglichkeit eines vollständigen Wegfalls der Leistungen wird die Verfassungsmäßigkeit teilweise aber angezweifelt, vgl. die Nachweise bei KKW/Knickrehm/Hahn, § 31a SGB II Rn. 12. Das BVerfG (NVwZ 2016, 1318 ff.) hat dazu in ei-
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nicht, dass an missbräuchliches Verhalten des Schuldners keine Sanktionen geknüpft werden dürften.167 Es ist in diesen Fällen daher angemessen, dem Interesse des Gläubigers an einer effektiven Vollstreckung den Vorzug zu geben und dem missbräuchlich handelnden Schuldner mangels Schutzwürdigkeit den Schutz des § 811 ZPO zu versagen, soweit nicht seine physische Existenz betroffen ist. Würde man ihm also einen Gegenstand entziehen, den er zur Erwirtschaftung seiner Existenzgrundlage benötigt, so ist auch bei Rechtsmissbrauch der Pfändungsschutz zu gewährleisten. Geht es aber um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, beispielsweise durch den Zugang zum Internet, so ist der Verlust dieses Rechts infolge missbräuchlichen Verhaltens sachgerecht. X. Vollstreckungsvereitelnde Gewahrsamsverschiebung Will der Gerichtsvollzieher eine körperliche Sache pfänden, die sich nicht im Gewahrsam des Schuldners, sondern eines Dritten befindet, so muss der Dritte nach § 809 ZPO zur Herausgabe der Sache bereit sein. Verweigert der Dritte die Herausgabe, so hat der Gerichtsvollzieher von der Pfändung abzusehen. Das führt dazu, dass Schuldner sich die Regelung in § 809 ZPO dergestalt zunutze machen, dass sie in kollusivem Zusammenwirken mit einem Dritten den Gewahrsam am Pfändungsgegenstand auf den Dritten übertragen und der Dritte dann gegenüber dem Gerichtsvollzieher erklärt, zur Herausgabe nicht bereit zu sein, um damit letztlich die Vollstreckung zu vereiteln. Das AG Flensburg hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, in dem sich der zu pfändende Pkw der Schuldnerin bei ihrem Bruder befand; die Fahrzeugpapiere waren aber bei der Schuldnerin verblieben, da es ihr nur um eine Vereitelung der Vollstreckung ging.168 In einem anderen Fall, der dem AG Dortmund zur Entscheidung vorlag, stellte sich die Frage nach der Pfändbarkeit von vier Lastzügen.169 Die Vollstreckung richtete sich gegen eine GmbH, die Komplementärin einer OHG war. Die Geschäftsführerin der Schuldnerin war zugleich Geschäftsführerin der OHG. Die im Eigentum der Schuldnerin stehenden Lastzüge befanden sich auf dem Hof der OHG, die Schuldnerin unterhielt aber selbst gar keine Geschäftsräume mehr. Das Vorgehen der Schuldner in den beiden geschilderten Fällen diente jeweils nur der Vereitelung der Zwangsvollstreckung und war damit rechtsmissbräuchlich. Fraglich ist nur, ob und ggf. wie eine solche Gewahrsamsverschiebung mit dem Ziel
nem konkreten Normenkontrollverfahren mangels ausreichender Begründung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage keine Sachentscheidung getroffen. 167 Vgl. BVerfG NJW 1987, 1930 f. (zur Sanktion des Wegfalls von Arbeitslosengeld); BSG, Urt. v. 29.4.2015 – B 14 AS 19/14 R, BeckRS 2015, 72370 (zur Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II). 168 AG Flensburg DGVZ 1995, 60. 169 AG Dortmund DGVZ 1994, 12.
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der Vollstreckungsvereitelung zu Lasten des Gläubigers unberücksichtigt bleiben kann. 1. Meinungsstand Nach überwiegender Auffassung ist die fehlende Herausgabebereitschaft auch dann beachtlich, wenn der Schuldner in missbräuchlichem Zusammenwirken mit einem Dritten bei diesem Gewahrsam begründet hat.170 Argumentiert wird mit dem Formalisierungsprinzip der Zwangsvollstreckung, das eine Prüfung materiell-rechtlicher Fragen durch den Gerichtsvollzieher ausschließe.171 Es fehle auch an einem Titel, um die Vollstreckungsmaßnahme gegenüber dem Dritten zu rechtfertigen.172 Andere schließen sich dieser Auffassung an, wollen aber dann eine Ausnahme machen, wenn der Missbrauch ganz offensichtlich zu Tage trete und zweifelsfrei feststehe, beispielsweise weil der Dritte eine vereitelnde Gewahrsamsverschiebung offen einräumt oder die Sachen vor den Augen des Gerichtsvollziehers weggeschafft werden sollen.173 Die gegenteilige Ansicht hält eine Pfändung trotz fehlender Herausgabebereitschaft wegen Rechtsmissbrauchs für zulässig.174 Teilweise wird auch darauf abgestellt, dass sich die Frage der Herausgabebereitschaft in den Arglistfällen zumeist nicht stelle, weil es an dem von § 809 ZPO vorausgesetzten Gewahrsam des Dritten fehle.175 Die verschiedenen Auffassungen sollen im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen werden. 2. Gewahrsam des Dritten Würde es in den Fällen missbräuchlicher Gewahrsamsverschiebung bereits am Gewahrsam des Dritten fehlen, so ließe sich die Pfändung problemlos durchführen, da es auf die Voraussetzungen des § 809 ZPO nicht ankäme. Ein Rückgriff auf § 242 BGB wäre dann auch ausgeschlossen. 170 BGH NJW-RR 2004, 352, 353; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 28.10; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 51 Rn. 24; MüKoZPO/Gruber, § 809 Rn. 7; PG/Flury, § 809 Rn. 4; Thomas/Putzo/Seiler, § 809 Rn. 4. 171 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 28.10. 172 BGH NJW-RR 2004, 352, 353; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 51 Rn. 24. 173 LG Tübingen DGVZ 1992, 138; Brox/Walker, ZVR, Rn. 254; Hk-ZV/Kindl, § 809 Rn. 4; Musielak/Voit/Becker, § 809 Rn. 5; Pawlowski, DGVZ 1976, 33, 35 f.; Schuschke/Walker/Walker, § 809 Rn. 3; Stein/Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 4; Walker, FS Stürner, 829, 837 f. 174 LG Berlin DGVZ 1969, 71, 73; LG Stuttgart DGVZ 1969, 168, 170; AG Dortmund DGVZ 1994, 12; AG Gelsenkirchen ZIP 1997, 2092; wohl auch OLG Frankfurt OLGZ 1969, 461, 463; BLAH/Hartmann, § 809 Rn. 3; Noack, MDR 1967, 894, 895; Werner, DGVZ 1986, 49, 54. 175 AG Rottenburg DGVZ 1992, 137; AG Flensburg DGVZ 1995, 60; Hk-ZV/Kindl, § 809 Rn. 4; MüKoZPO/Gruber, § 809 Rn. 6; Knoche, ZZP 214 (2001), 399, 423 ff.; Stein/Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 4; Werner, DGVZ 1986, 49, 53; Zöller/Stöber, § 809 Rn. 5.
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a) „Scheingewahrsam“ Von einigen Vertretern aus Rechtsprechung und Literatur wird mit dem Begriff des „Scheingewahrsams“ argumentiert; der Dritte, dem es nur auf eine Vereitelung der Vollstreckung zugunsten des Schuldners ankomme, erlange tatsächlich keinen Gewahrsam an der verschobenen Sache.176 Die Argumentation mit „Scheingewahrsam“ stößt auf Bedenken. Unter Gewahrsam versteht man die tatsächliche Sachherrschaft, die nicht mit der Inhaberschaft identisch ist, so dass der mittelbare Besitzer und der Besitzdiener keinen Gewahrsam haben.177 Es geht also um eine tatsächliche und keine rechtliche Beziehung zwischen der Person und der Sache.178 „Scheingewahrsam“ ist deshalb nicht erklärbar. Entweder es liegt tatsächliche Sachherrschaft vor oder nicht. Die bloße Behauptung, des Schuldners, die zu pfändende Sache befinde sich nicht im eigenen, sondern im Gewahrsam des Dritten, ist ohne Bedeutung. Einen Rechtsschein kann es bei rein tatsächlichen Vorgängen anders als bei rechtlichen nicht geben. So erzeugen die Parteien eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts, sind sich aber insgeheim einig, dass sie die mit dem Geschäft verbundene Rechtsfolge nicht herbeiführen wollen.179 Ein solches Auseinanderfallen von äußerem Geschehen und innerem Willen ist bei rein tatsächlichen Vorgängen nicht vorstellbar. Ganz entscheidend ist aber auch, dass die Schaffung von „Scheingewahrsam“ nicht dem Willen der Beteiligten entspricht.180 Nur durch die erfolgreiche Begründung von Gewahrsam beim Dritten kann erreicht werden, dass der Gerichtsvollzieher § 809 ZPO zu beachten hat. Die Lösung der Fälle durch die Annahme von „Scheingewahrsam“ ist deshalb abzulehnen. b) Besitzdienerschaft Könnte der mit dem Schuldner kollusiv zusammenwirkende Dritte als bloßer Besitzdiener eingeordnet werden, so dass er keinen Gewahrsam an der verschobenen Sache hätte, ließe sich dadurch verhindern, dass die Pfändung an der fehlenden Herausgabebereitschaft scheiterte.181 Das Vorliegen von Besitzdienerschaft 176 AG Rottenburg DGVZ 1992, 137; AG Flensburg DGVZ 1995, 60; Hk-ZV/Kindl, § 809 Rn. 4; MüKoZPO/Gruber, § 809 Rn. 6; Stein/Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 4; Werner, DGVZ 1986, 49, 53. 177 Hk-ZV/Sternal, § 808 Rn. 6; MüKoZPO/Gruber, § 808 Rn. 6 f.; Schuschke/Walker/Walker, § 808 Rn. 1. 178 Brox/Walker, ZVR, Rn. 235. 179 BGH NJW 1962, 295, 297. 180 Musielak/Voit/Becker, § 809 Rn. 5; ebenfalls ablehnend Walker, FS Stürner, 829, 837. 181 Mit ausführlicher Begründung die Lösung in der Annahme von Besitzdienerschaft sehend Knoche, ZZP 214 (2001), 399, 423 ff.; bei offensichtlicher Kollusion zwischen Schuldner und Drittem sich ebenfalls für die Annahme von Besitzdienerschaft aussprechend Dierck/Morvilius/Vollkommer/Hilzinger, 3. Kap. Rn. 147.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
(§ 855 BGB) setzt nach herrschender Meinung voraus, dass jemand für einen anderen die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt und dabei zu diesem in einem Abhängigkeitsverhältnis steht und deshalb dessen Weisungen unterworfen ist.182 Die Rechtsprechung verlangt darüber hinaus noch, dass das Abhängigkeitsverhältnis nach außen erkennbar ist.183 Manche Literaturstimmen halten auch einen Besitzdienerwillen für erforderlich.184 Da der Begriff des Besitzdieners normativen Charakter hat, ist im Einzelfall eine Gesamtbetrachtung der Umstände unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung vorzunehmen.185 Orientierung sollten die in § 855 BGB konkret bezeichneten Unterordnungsverhältnisse geben, wonach die Ausübung tatsächlicher Gewalt über eine Sache im Haushalt oder Erwerbsgeschäft eines anderen Besitzdienerschaft begründet. Die breite Kasuistik zum Begriff der Besitzdienerschaft186 zeigt, dass die Anwendung der Norm im Einzelnen wertungsoffen ist.187 Betrachtet man nun die hier interessierenden Fälle missbräuchlicher Gewahrsamsverschiebung, so lässt sich häufig nachvollziehbar begründen, den Dritten als Besitzdiener einzuordnen.188 Dennoch weckt die uneingeschränkte Lösung über dieses Rechtsinstitut Zweifel. Es fehlt bereits an einer Vergleichbarkeit mit den in § 855 BGB genannten Fallgestaltungen. Ein Unterordnungsverhältnis wie beispielsweise zwischen dem Hausherrn und einem Au-pair-Mädchen oder dem Werkstattmeister und seinem angestellten Lehrling ist strukturell durch eine Weisungsabhängigkeit charakterisiert. Das zwischen dem Schuldner und dem Dritten bestehende Verhältnis kann ein weisungsabhängiges Verhältnis sein, muss es aber nicht. Es ist entscheidend durch das gemeinsame Ziel geprägt, in missbräuchlicher Weise den Vollstreckungszugriff zu vereiteln. Die Absicht besteht gerade darin, unmittelbaren Besitz und damit auch Gewahrsam des Dritten zu begründen. Lässt sich der neben der tatsächlichen Sachherrschaft dafür erforderliche Besitzwille189 nicht feststellen, so können der Schuldner und der Dritte jedenfalls ohne großen Aufwand auch eine Ausgestaltung ihres Verhältnisses in der Weise vereinbaren, dass der Dritte zum Besitzer wird. Beispielsweise kann ihm der Schuldner gestatten, den ausgehändigten Gegenstand auch für sich selbst zu benutzen, oder die Beteiligten einigen sich auf eine Verwahrung, was den Dritten ebenfalls zum unmittelbaren Besitzer werden ließe (vgl. § 868 BGB). So hätte im eingangs geschilderten Fall des AG Flensburg die Schuldnerin ihrem Bruder das Fahrzeug auch zusammen 182
Vgl. nur MüKoBGB/Joost, § 855 Rn. 3; NK-BGB/Hoeren, § 855 Rn. 2. BGH NJW 1958, 1286, 1287. 184 MüKoBGB/Joost, § 855 Rn. 13; Soergel/Stadler, § 855 Rn. 6. 185 BeckOK BGB/Fritzsche, § 855 Rn. 1; NK-BGB/Hoeren, § 855 Rn. 2; Palandt/ Herrler, § 855 Rn. 1; Staudinger/Gutzeit, § 855 Rn. 5. 186 Vgl. die Aufzählung bei MüKoBGB/Joost, § 855 Rn. 14 f.; Staudinger/Gutzeit, § 855 Rn. 19 ff. 187 So auch Knoche, ZZP 214 (2001), 399, 427. 188 Im Einzelnen dazu Knoche, ZZP 214 (2001), 399, 427 f., 433 ff. 189 So die ganz überwiegende Auffassung, vgl. nur MüKoBGB/Joost, § 854 Rn. 8 ff. 183
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mit den Papieren überlassen können und ihm als Gegenleistung für die Hilfe bei der Vollstreckungsvereitelung die Nutzung des Pkw gestatten können. Geht es den Beteiligten dann immer noch allein um die Vollstreckungsvereitelung, so ist das Vorgehen unverändert rechtsmissbräuchlich. In diesen Fällen dann zur Lösung des Problems auf Besitzdienerschaft zu schließen, um die im Ergebnis begrüßenswerte Rechtsfolge herbeizuführen, § 809 ZPO nicht anwenden zu müssen, macht in Wahrheit den Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB zum Anknüpfungspunkt für die tatbestandliche Prüfung von § 855 BGB. Die Besitzdienerschaft wird dann nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben bestimmt. Der Grund für eine Heranziehung von § 855 BGB ist folglich gerade im Missbrauch durch den Schuldner und den Dritten zu sehen. Auf den eigentlich hinter § 855 BGB stehenden Zweck, nicht der Person mit der tatsächlichen Sachherrschaft die Besitzschutzansprüche zuzugestehen, sondern dem dahinter stehenden Weisungsbefugten,190 kommt es also gar nicht an. Im Ergebnis lässt sich eine missbräuchliche Gewahrsamsverschiebung also im Einzelfall über die Rechtsfigur der Besitzdienerschaft lösen. Es verbleiben aber Fallgestaltungen, in denen die Beteiligten mit Erfolg Gewahrsam des Dritten begründen, so dass § 855 BGB nicht weiterhilft. Eine Überdehnung dieses Rechtsinstituts, nur um eine Argumentation mit Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) zu vermeiden, ist abzulehnen. 3. Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung Da sich Gewahrsam des Dritten nach hier vertretener Meinung nicht in jedem Fall überzeugend verneinen lässt, muss untersucht werden, ob § 809 ZPO wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB unangewendet bleiben kann. Die Voraussetzungen für einen Missbrauch sind erfüllt, wenn der Schuldner und der Dritte in der Weise kollusiv zusammenwirken, dass der Gewahrsam aus dem Grund verschoben wird, die Vollstreckung zu vereiteln. Verfolgen die Beteiligten ein darüber hinausgehendes berechtigtes Interesse, muss die fehlende Herausgabebereitschaft des Dritten beachtet werden. Gegen eine Korrektur über Treu und Glauben wird aber vorgebracht, dass der Gerichtsvollzieher zu einer solchen materiellrechtlichen Prüfung nicht befugt sei und es auch an einem Vollstreckungstitel gegen den Dritten fehle.191 190
MüKoBGB/Joost, § 855 Rn. 1; Palandt/Herrler, § 855 Rn. 1. BGH NJW-RR 2004, 352, 353 (im Zusammenhang mit der Frage nach einem Verfolgungsrecht des Gerichtsvollziehers); Baur/Stürner/Bruns, Rn. 28.10; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 51 Rn. 24; MüKoZPO/Gruber, § 809 Rn. 7; PG/Flury, § 809 Rn. 4; Thomas/Putzo/Seiler, § 809 Rn. 4; im Grundsatz jedenfalls auch Brox/Walker, ZVR, Rn. 254; Hk-ZV/Kindl, § 809 Rn. 4; Pawlowski, DGVZ 1976, 33, 35 f.; Schuschke/Walker/Walker, § 809 Rn. 3; Stein/Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 4; Walker, FS Stürner, 829, 837 f. 191
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
a) Formalisierung der Zwangsvollstreckung Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt wurde,192 steht der Formalisierungsgrundsatz einer Berücksichtigung des Verbots missbräuchlicher Rechtsausübung im Grundsatz nicht im Weg. Der Gerichtsvollzieher ist in vielfacher Hinsicht zur Prüfung zum Teil sehr anspruchsvoller materiell-rechtlicher Fragen verpflichtet. Dabei beschränkt sich seine Prüfung auf die für ihn erkennbaren Umstände und verfügbaren Dokumente, da er keine Beweisaufnahme durchführen, sondern lediglich die Beteiligten befragen kann. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen können aber im Erinnerungsverfahren durch das Vollstreckungsgericht erfolgen. Es muss aber um die missbräuchliche Ausübung eines Verfahrensrechts gehen. Der Gerichtsvollzieher ist deshalb nicht zur Prüfung befugt, ob sich ein Verfahrensbeteiligter auf ein materielles Recht wegen Rechtsmissbrauchs nicht berufen kann.193 So liegt der Fall aber hier. Die fehlende Herausgabebereitschaft des Dritten wegen Rechtsmissbrauchs als unerheblich anzusehen, lässt sich nur damit begründen, dass der Dritte sich letztlich nicht auf sein Besitzrecht an der zu pfändenden Sache berufen kann, weil ihm der Schuldner den Besitz nur zum Zwecke der Vollstreckungsvereitelung eingeräumt hat. Müsste der Gerichtsvollzieher also prüfen, ob sich der Dritte auf sein Besitzrecht und damit den Gewahrsam an der Sache wegen Rechtsmissbrauchs nicht berufen kann, so wäre damit eine materielle Rechtsposition zu hinterfragen und nicht nur die missbräuchliche Ausübung eines Verfahrensrechts zu untersuchen. Das ist aber nicht Aufgabe der Vollstreckungsorgane. Anders zu beurteilen sind im Hinblick auf die Prüfungskompetenz nur die offensichtlichen Missbrauchsfälle, wenn der Dritte also beispielsweise die vollstreckungsvereitelnde Gewahrsamsverschiebung offen einräumt oder die Sachen vor den Augen des Gerichtsvollziehers weggeschafft werden sollen.194 Dann erübrigt sich nämlich eine materiell-rechtliche Prüfung durch den Gerichtsvollzieher. b) Verbot titelloser Inanspruchnahme Eine weitere Hürde ist in dem Erfordernis zu sehen, dass eine Vollstreckungsmaßnahme gegen den am Verfahren bislang unbeteiligten Dritten, der zur Herausgabe nicht bereit ist, nur auf der Grundlage eines Titels erfolgen darf.195 Als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und des 192
Siehe dazu näher schon § 5. Vgl. im Zusammenhang mit der Räumungsvollstreckung BGH NJW 2008, 3287 Rz. 13; siehe dazu auch schon § 5 D. III. 3. 194 LG Tübingen DGVZ 1992, 138; Brox/Walker, ZVR, Rn. 254; Hk-ZV/Kindl, § 809 Rn. 4; Musielak/Voit/Becker, § 809 Rn. 5; Pawlowski, DGVZ 1976, 33, 36; Schuschke/Walker/Walker, § 809 Rn. 3; Stein/Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 4; Walker, FS Stürner, 829, 837 f. 195 Vgl. nur Stein/Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 4; siehe auch § 70 Abs. 2 S. 5 GVGA. 193
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Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) darf mit der Vollstreckung einhergehender staatlicher Zwang nur gegen Personen ausgeübt werden, gegen die auch ein Titel existiert. Das gilt auch bei missbräuchlicher Rechtsausübung.196 Könnte man dieses Erfordernis über eine Berufung auf § 242 BGB außer Kraft setzen, wäre die Gefahr missbräuchlicher oder willkürlicher Vollstreckungsmaßnahmen gegen unliebsame Schuldner oder Dritte groß. Dass nach § 809 ZPO die Pfändung einer im Gewahrsam eines Dritten stehenden Sache auch ohne einen Titel gegen den Dritten zulässig ist, sofern er zur Herausgabe bereit ist, lässt sich damit begründen, dass seine Bereitschaft zur Herausgabe eine Form des Verzichts auf den durch § 750 ZPO gewährleisteten Schutz darstellt.197 Selbst eine missbräuchliche Gewahrsamsverschiebung, die für den Gerichtsvollzieher offensichtlich ist, kann das Titelerfordernis nicht obsolet werden lassen.198 Insoweit kann auch ein Vergleich zu den Fällen gezogen werden, in denen dem Schuldner ein offensichtlicher Herausgabeanspruch gegen den Dritten zusteht. Auch dort muss der Dritte nämlich zur Herausgabe bereit sein, wenn es an einem gegen diesen gerichteten Vollstreckungstitel fehlt.199 Im Ergebnis bedeutet dieser Befund, dass die verbliebenen Fälle missbräuchlicher Gewahrsamsverschiebung nicht über das Rechtsmissbrauchsverbot gelöst werden können. 4. Anderweitige Vollstreckungsmöglichkeiten für den Gläubiger Würde man dem Gläubiger zumuten, das missbräuchliche Verhalten des Schuldners im Zusammenwirken mit dem Dritten folgenlos hinnehmen zu müssen, käme dies einer Rechtsschutzverweigerung gleich und würde dem Missbrauch weiter Vorschub leisten. Deshalb sind anderweitige Möglichkeiten in den Blick zu nehmen, wie der Gläubiger erfolgreich die Vollstreckung betreiben kann. Eine Möglichkeit besteht darin, dass der Gläubiger den Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Dritten nach § 847 ZPO pfänden lässt und sich, sollte der Dritte die Sache nicht freiwillig herausgeben, im Wege der Einziehungsklage 196 BGH NJW-RR 2004, 352, 353 (im Zusammenhang mit der Frage nach einem Verfolgungsrecht des Gerichtsvollziehers); BGH NJW 2008, 3287 f. (zur Räumungsvollstreckung); Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 51 Rn. 24; Stein/Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 4; Thomas/Putzo/Seiler, § 809 Rn. 4. 197 Knoche, ZZP 214 (2001), 399, 405. 198 A. A. aber Brox/Walker, ZVR, Rn. 254; Hk-ZV/Kindl, § 809 Rn. 4; Musielak/ Voit/Becker, § 809 Rn. 5; Pawlowski, DGVZ 1976, 36; Schuschke/Walker/Walker, § 809 Rn. 3; Stein/Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 4; Walker, FS Stürner, 829, 837 f. 199 LG Oldenburg DGVZ 1983, 58; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 28.10; Brox/Walker, ZVR, Rn. 254; MüKoZPO/Gruber, § 809 Rn. 7; Schuschke/Walker/Walker, § 809 Rn. 3; Stein/Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 4; Thomas/Putzo/Seiler, § 809 Rn. 4; Zöller/ Stöber, § 809 Rn. 6; a. A. BLAH/Hartmann, § 809 Rn. 2, 7; Werner, DGVZ 1986, 49, 54.
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einen Titel gegen den Dritten besorgt, aus dem er dann die Vollstreckung nach § 883 Abs. 1 ZPO betreiben kann.200 Daneben kann der Gläubiger gegen den Dritten auch einen Titel nach dem AnfG erstreiten. Die Gewahrsamsverschiebung stellt als bloße Besitzübertragung eine Rechtshandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 AnfG dar.201 Durch die Besitzübertragung kommt es auch zu einer Benachteiligung des Gläubigers, da eine Pfändung dann nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 809 ZPO möglich ist.202 Die weiteren Voraussetzungen der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung ergeben sich aus § 3 Abs. 1 AnfG. Der danach erforderliche Vorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Dritten liegen unzweifelhaft vor, wenn beide kollusiv zusammenwirken. Der Gläubiger hat dann nach § 11 Abs. 1 S. 1 AnfG einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Dritten, so dass dieser sich nicht mehr auf seine fehlende Herausgabebereitschaft nach § 809 ZPO berufen kann.203 Problematisch an beiden Vorgehensweisen ist nur, dass der Dritte die in seinem Gewahrsam befindliche Sache zwischenzeitlich weiterverschieben kann, womit der Gläubiger wiederum das Nachsehen hat. Diese verbleibende Gefahr ist aus Gläubigersicht unbefriedigend, muss aber vor dem Hintergrund, dass der Sachpfändung mittlerweile nur noch eine eher untergeordnete Bedeutung zukommt,204 letztlich hingenommen werden. XI. Vereitelung der Räumungsvollstreckung 1. Ausgangslage Zur Vollstreckung eines Räumungstitels hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen (vgl. § 885 Abs. 1 ZPO). Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung setzt eine Räumung voraus, dass der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel gegen jede Person vorweisen kann, die Besitz an den Wohn- oder Geschäftsräumen hat.205 Ausgenommen sind nur Personen, denen selbst keine Besitzposition zukommt, wie es auf den Besitzdiener oder bloße Besucher in den Mieträumen zutrifft.206 200
Brox/Walker, ZVR, Rn. 256; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 51 Rn. 24; Stein/ Jonas/Münzberg, § 809 Rn. 5. 201 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 35 Rn. 29; Hk-ZV/Haertlein, § 1 AnfG Rn. 4; MüKoAnfG/Kirchhof, § 1 Rn. 17. 202 Vgl. MüKoAnfG/Kirchhof, § 1 Rn. 69, 123. 203 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 51 Rn. 24; MüKoAnfG/Kirchhof, § 11 Rn. 44; MüKoZPO/Gruber, § 809 Rn. 12. 204 Vgl. zu diesem Befund die Begründung des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drs. 16/10069, S. 20. 205 BGH NJW-RR 2003, 1450, 1451 (Untermieter); NJW 2004, 3041 f. (Ehepartner des Mieters); 2008, 1959 (nichtehelicher Lebensgefährte des Mieters). 206 BGH NJW 2008, 3287 Rz. 15.
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Das Problem einer missbräuchlichen Vereitelung der Räumungsvollstreckung setzt bereits an diesem Punkt an. Der Schuldner kann nämlich die Räumung dadurch torpedieren, dass er weiteren Personen Besitz an den herauszugebenden Räumlichkeiten einräumt, so dass der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung nicht erfolgreich durchführen kann, wenn gegen die mitbesitzenden Dritten ein Titel fehlt. So braucht der Schuldner nur kurz vor der Räumung beispielsweise einen Untermieter in die Wohnung aufzunehmen, damit der Gerichtsvollzieher im Räumungstermin unverrichteter Dinge wieder abziehen muss, da der Untermieter ohne einen gegen ihn gerichteten Räumungstitel nicht aus dem Besitz gesetzt werden kann. Eine Steigerung erfährt die ungünstige Lage des Gläubigers noch dadurch, dass der BGH am Erfordernis eines Vollstreckungstitels gegen den Dritten selbst dann festhält, wenn die Besitzeinräumung durch den Schuldner allein zum Zweck der Vollstreckungsvereitelung erfolgt ist, und zwar unabhängig davon, ob nur der Verdacht des Missbrauchs besteht oder dieser sogar erwiesen ist.207 Argumentiert wird mit der in § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO normierten allgemeinen Voraussetzung der Zwangsvollstreckung, die staatlichen Zwang nur gegen Personen zulasse, gegen die auch ein vollstreckbarer Titel vorliege, und nicht durch Billigkeitserwägungen außer Kraft gesetzt werden könne.208 Außerdem überschreite es die Kompetenz des Gerichtsvollziehers, könnte er sich nicht allein auf den Titel verlassen, sondern müsste in eine materiell-rechtliche Prüfung einsteigen, ob dem Dritten die Berufung auf sein Besitzrecht wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB zu versagen ist.209 2. Reaktion des Gesetzgebers Da diese Situation dem Schuldner die missbräuchliche Vollstreckungsvereitelung erheblich erleichtert und damit aus Gläubigersicht sehr unbefriedigend ist,210 hat der Gesetzgeber mit einer Neuregelung des § 940a ZPO211 reagiert. Danach kann gegen den Dritten, der im Besitz der Mietsache ist, eine einstweilige Räumungsverfügung angeordnet werden, wenn der Vermieter einen vollstreckbaren Räumungstitel gegen den Mieter vorlegen kann und vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat (§ 940a Abs. 2 ZPO). Die neue Vorschrift soll dem Vermieter ausweislich der Gesetzesmaterialien ein effektives Instrument gegen missbräuch207
BGH NJW 2008, 3287 Rz. 10 ff. BGH NJW 2008, 3287 Rz. 10, 12. 209 BGH NJW 2008, 3287 Rz. 13. 210 Vgl. nur die Kritik an der Rechtsprechung bei Klimesch/Wedel, ZMR 2012, 679, 680: „Für Vermieter ist der Super-GAU eingetreten“. 211 Neugefasst durch das Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln vom 11.3.2013 (BGBl. I, S. 434). 208
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liche Vereitelungshandlungen an die Hand geben, indem auf schnellerem Weg der erforderliche Räumungstitel beschafft werden kann.212 3. Kritik an der Neuregelung Zahlreiche Stellungnahmen aus dem Schrifttum zeigen aber, dass die begrüßenswerte Absicht des Gesetzgebers, rechtsmissbräuchlichem Schuldnerverhalten Einhalt zu gebieten, nur defizitär geglückt ist. Im Wesentlichen werden folgende Punkte kritisiert: a) Beschränkter Anwendungsbereich Die Vorschrift ist ihrem Anwendungsbereich nach auf die Räumung von Wohnraum beschränkt und es verbietet sich auch eine analoge Anwendung auf Gewerberaummietverhältnisse,213 so dass sie von vornherein keine Lösung für Missbrauchsfälle in letzterem Bereich bieten kann. Auch der Weg über eine Befriedigungsverfügung nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 935, 940 ZPO) ist nicht gleich effektiv, da an diese deutlich höhere Anforderungen als an eine solche nach § 940a Abs. 2 ZPO gestellt werden.214 Zwar mag das Missbrauchspotential bei Gewerberaummietverhältnissen geringer sein,215 gleichwohl ist es nicht gänzlich in Abrede zu stellen. Ebenfalls vom Anwendungsbereich ausgenommen sind Fälle, in denen es um die Räumung aus einem Zuschlagsbeschluss geht, da dann gerade kein Vermieter, sondern der Ersteher die Vollstreckung betreibt, so dass § 940a Abs. 2 ZPO tatbestandlich nicht einschlägig ist.216 b) Fortlaufende Besitzeinräumungen Die Möglichkeit, sich einen Titel im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einfacher beschaffen zu können, ändert nichts an der Gefahr, dass der Mieter bei jedem weiteren Räumungstermin neue Besitzer der Mieträume präsentiert, gegen die dann mangels Räumungstitels wiederum nicht vollstreckt werden kann.217 212
BT-Drs. 17/10485, S. 16, 34. Vgl. nur KG NJW 2013, 3588 f.; OLG Celle NJW 2015, 711; OLG München NZM 2015, 167; LG Köln NJW 2013, 3589 f.; Musielak/Voit/Huber, § 940a Rn. 1; Schuschke/Walker/Schuschke, § 940a Rn. 7; Walker, FS Pekcanitez, 515, 519; mit ausführlicher Begründung Wendt, S. 116 ff. Hingegen mit einem Erst-Recht-Schluss argumentierend LG Hamburg NJW 2013, 3666; Fleindl, ZMR 2013, 677, 685; Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a ZPO Rn. 57; Streyl, NZM 2012, 249, 256. 214 Dazu näher Wendt, S. 117 ff.; vgl. auch Walker, FS Pekcanitez, 515, 530. 215 So Streyl, NZM 2012, 249, 256. 216 Flatow, NJW 2013, 1185, 1191; Walker, FS Pekcanitez, 515, 520. 217 Dötsch, ZMR 2012, 83, 84; Fleindl, NZM 2012, 57, 65; Hinz, NZM 2012, 777, 793; ders., ZMR 2012, 153, 166; Klimesch/Wedel, ZMR 2012, 679, 680; Walker, FS Pekcanitez, 515, 528. 213
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Das gilt in besonderem Maße vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner vor dem Erlass der einstweiligen Verfügung anzuhören ist (§ 940a Abs. 4 ZPO).218 Soweit diese Gefahr von Teilen des Schrifttums geleugnet wird, da der Schuldner nicht so viele Personen zur Verfügung habe, die Räumung auf längere Sicht zu verhindern,219 muss diese Einschätzung bezweifelt werden. Es leuchtet nicht ein, weshalb ein hartnäckiger Mieter, der unter allen Umständen eine erfoglreiche Räumung verhindern oder zumindest erheblich verzögern möchte, nicht in der Lage sein soll, in beträchtlicher Zahl neue Personen zu gewinnen, denen er Besitz an den Mieträumen verschaffen kann. c) Unbekannte Dritte Darüber hinaus stößt § 940a Abs. 2 ZPO auch dann an seine Grenzen, wenn der Vermieter die Personalien des mitbesitzenden Dritten nicht in Erfahrung bringen kann.220 Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt im Grundsatz nämlich voraus, dass der Antragsgegner im Gesuch bezeichnet wird (§§ 920, 936 ZPO).221 Inwieweit davon unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden kann, muss sogleich näher untersucht werden. d) Verfahrensverzögernde Rechtsbehelfe gegen die einstweilige Räumungsverfügung Der Dritte kann die gegen ihn ergangene einstweilige Räumungsverfügung anfechten. So stehen ihm als Rechtsbehelfe der Widerspruch (§§ 936, 924 ZPO) oder bei Erlass der einstweiligen Verfügung durch Urteil die Berufung (§ 511 ZPO) offen. Außerdem kann er beantragen, dass gegen den Vermieter angeordnet wird, im Hauptsacheverfahren Räumungsklage zu erheben; kommt dem der Vermieter nämlich nicht fristgerecht nach, kann der Schuldner einen Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung stellen (§§ 936, 926 ZPO). Darin wird weiteres Verzögerungspotential zu Ungunsten des Räumungsgläubigers gesehen.222 Allerdings sind Rechtsbehelfe, die nur zur Verfahrensverzögerung eingelegt werden, ohne dass ihnen eine berechtigte Interessenverfolgung zugrunde liegt, missbräuchlich. Es fehlt dann bereits am Rechtsschutzbedürfnis und sie sind als unzulässig zurückzuweisen. Dass dem Dritten überhaupt Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, ist Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verfahrens und damit hinzunehmen. 218 Ausführlich dazu Wendt, S. 311 ff., 380 f., der die Anhörungspflicht sogar für verfassungswidrig hält. 219 Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a ZPO Rn. 5; Streyl, NZM 2012, 249, 255. 220 Horst, MDR 2013, 249, 250; Walker, FS Pekcanitez, 515, 526 f. 221 Hk-ZV/Haertlein, § 920 Rn. 4; MüKoZPO/Drescher, § 920 Rn. 3; Musielak/ Voit/Huber, § 920 Rn. 6. 222 Schuschke, S. 112 f.; ders., NZM 2012, 209, 211; ders., DGVZ 2016, 37, 42; Walker, FS Pekcanitez, 515, 527 f.
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Hinzu kommt, dass aus der Räumungsverfügung auch nach Einlegung der Rechtsbehelfe weiter vollstreckt werden kann, da auch der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. §§ 936, 924 Abs. 3 ZPO). Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird bei einer missbräuchlichen Verfahrensverzögerung kaum in Betracht kommen, so dass eine weitere Verzögerungsgefahr also eher gering ist.223 4. Lösungsmöglichkeiten de lege lata und de lege ferenda Da die gesetzliche Neuregelung also nicht jegliches Missbrauchspotential beseitigt hat, ist näher zu untersuchen, wie den verbliebenen Problemen effektiv begegnet werden kann. Neben dem Problem des beschränkten Anwendungsbereichs geht es vor allem um die Gefahr, dass der Schuldner wiederholt neuen Personen Mitbesitz einräumt und der Gläubiger die Identität der mitbesitzenden Dritten nicht kennt. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage, ob ein Rückgriff auf § 242 BGB Abhilfe schaffen kann. a) Besitzrechtlicher Lösungsansatz Das Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung (§ 242 BGB) müsste überhaupt nicht bemüht werden, ließe sich das Problem des Titelerfordernisses bereits im Wege spezialgesetzlicher Rechtsanwendung lösen. Zum Teil wird vertreten, dass zur Räumung gegen die sich in den Mieträumlichkeiten aufhaltenden Dritten überhaupt kein eigener Titel existieren müsse, da man diese Personen allenfalls als Besitzdiener, nicht hingegen als Besitzer einordnen könne. Der Gerichtsvollzieher werde nämlich ohne die Vorlage von Legitimationspapieren, wie einem Untermietvertrag, ohne namentliche Kennzeichnung am Briefkasten und fehlender Anmeldung bei der Meldebehörde kaum Besitz des Dritten feststellen können.224 Mitunter wird sich sogar für die Fiktion einer Besitzdienerschaft ausgesprochen, falls der Mieter auf ausdrückliche Anfrage des Vermieters die Aufnahme des Dritten in die Mieträume nicht mitgeteilt hat.225 Dieser besitzrechtliche Ansatz überzeugt nicht.226 Der Gerichtsvollzieher hat im Räumungstermin vor Ort eingehend zu prüfen, ob der Dritte tatsächlich Besitz an dem zu räumenden Objekt hat. Sollte sich danach feststellen lassen, dass der Dritte nur zu Vereitelungszwecken kurzfristig in die Wohnung oder die Ge223 Die Neuregelung insoweit ebenfalls eher unkritisch sehend Dötsch, ZMR 2012, 83 f.; a. A. Schuschke, S. 112 f.; ders., NZM 2012, 209, 211; ders., DGVZ 2016, 37, 42; 224 Flatow, NJW 2013, 1185, 1191; Mroß/Fischer, DGVZ 2016, 195, 201; SchmidtFutterer/Streyl, § 940a ZPO Rn. 28; ähnlich Klüver, DGVZ 2012, 116, 118. 225 Klimesch, ZMR 2009, 431, 432; Scholz, ZMR 2009, 99, 100 f. 226 Vgl. auch schon zur Kritik an diesem Ansatz im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Gewahrsamsverschiebung an beweglichen Sachen § 12 A. X. 2. b).
§ 12 Verschleppung oder Vereitelung der Vollstreckung
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schäftsräume aufgenommen worden ist, ohne selbst Besitz zu begründen, so steht einer erfolgreichen Räumung nichts im Weg. Die Bewertung durch den Gerichtsvollzieher hat aber unabhängig davon zu erfolgen, ob Missbrauch im Raum steht, und die Feststellung der besitzrechtlichen Lage kann nicht allein an formalen Aspekten festgemacht werden.227 Zwar spricht eine erfolgte behördliche Anmeldung oder die gegenüber dem Vermieter gemachte Anzeige der Aufnahme einer weiteren Person in die Mieträume für Besitz des Dritten,228 ihr Fehlen rechtfertigt aber nicht zwingend den Gegenschluss. Richtet sich der Dritte beispielsweise so beim Schuldner ein, dass er persönliche Gegenstände wie Kleidungsstücke, eine Zahnbürste und vereinzelte Möbelstücke in die Wohnung verbringt,229 so wird man Mitbesitz des Dritten kaum leugnen können, auch wenn die unter normalen Umständen dazugehörenden Formalitäten fehlen. Der Aufwand für den Schuldner, auf diesem Weg die Räumungsvollstreckung zu vereiteln, hält sich auch in Grenzen, so dass mit einem entsprechenden Verhalten durchaus zu rechnen ist. b) Heranziehung von § 242 BGB Lässt sich auf der Ebene spezialgesetzlicher Rechtsanwendung keine befriedigende Lösung finden, ist an eine Heranziehung von § 242 BGB zu denken. Der missbräuchlichen Vollstreckungsvereitelung mittels Treu und Glauben Grenzen zu setzen, wird in mehrfacher Hinsicht diskutiert: aa) Generell titellose Vollstreckung in Missbrauchsfällen Entgegen der Rechtsprechung des BGH230 und eines erheblichen Teils des Schrifttums231 wird von einigen Stimmen befürwortet, in Fällen missbräuchlicher Vollstreckungsvereitelung durch den Schuldner eine Lösung über § 242 BGB zuzulassen und vom Erfordernis eines Vollstreckungstitels gegen mitbesitzende Dritte gänzlich abzusehen.232 Neben der Instanzrechtsprechung, die noch aus der 227 Schuschke, DGVZ 2009, 160, 161 f.; ders., DGVZ 2016, 37, 41; Schuschke/Walker/Schuschke, § 940a Rn. 20. 228 BGH NJW 2008, 1959, 1960. 229 Vgl. Klimesch, ZMR 2009, 431, 432. 230 BGH NJW 2008, 3287 f. 231 Blank/Börstinghaus/Blank, § 546 Rn. 81; Hk-ZV/Bendtsen, § 885 Rn. 23; Mroß/ Fischer, DGVZ 2016, 195, 202; MüKoZPO/Gruber, § 885 Rn. 15; Musielak/Voit/Lackmann, § 885 Rn. 7; PG/Hilbig-Lugani, § 885 Rn. 21; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 885 Rn. 27; Schuschke, DGVZ 2009, 160; ders., DGVZ 2016, 37, 40; Staudinger/ Rolfs, § 546 Rn. 60; Streyl, NZM 2012, 249, 251; Wendt, S. 159, 161, 164; Zöller/Stöber, § 885 Rn. 5. 232 BLAH/Hartmann, § 885 Rn. 14; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1447b; Fleindl, NZM 2012, 57, 65; Klimesch, ZMR 2009, 431, 432; ders., ZMR 2015, 459, 460; Klimesch/ Wedel, ZMR 2012, 679, 681; Schmid/Harz/Riecke, §§ 885, 885a ZPO Rn. 71 ff.; Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rn. 13; Thomas/Putzo/Seiler, § 885 Rn. 5, 9; Walker, FS Stürner, 829, 841.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
Zeit vor dem Beschluss des BGH vom 14.8.2008 stammt,233 findet sich auch eine neuere Entscheidung des LG Hannover, in der sich das Gericht für eine titellose Räumung gegenüber Personen ausspricht, die nur zu Vereitelungszwecken Mitbesitz eingeräumt bekommen haben.234 Argumentiert wird vor allem damit, dass der am Missbrauch mitwirkende Dritte nicht schutzbedürftig sei. Wenn man in den Missbrauchsfällen eine Lösung über § 242 BGB nicht zulasse, werde außerdem in nicht zu rechtfertigender Weise in das Eigentumsrecht des Vermieters eingegriffen, da ihm eine effektive Zwangsräumung verwehrt bleibe.235 Der BGH habe in einer früheren Entscheidung vom 19.3.2008236 auch bewusst offengelassen, ob bei einem Verstoß gegen Treu und Glauben ausnahmsweise vom Titelerfordernis abgesehen werden könne.237 Die Argumentation mit dem Beschluss des BGH vom 19.3.2008 verfängt nicht, da sich der I. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 14.8.2008 klar gegen eine Räumung von Mitbesitzern ohne Räumungstitel ausgesprochen hat, selbst wenn rechtsmissbräuchliches Verhalten festgestellt werden kann.238 In letzterem Beschluss hat der BGH auch keinen Raum für eine abweichende Beurteilung in besonders gelagerten Ausnahmefällen gelassen. Gegen eine Lösung über § 242 BGB spricht aber vor allem der mit der Einfügung von § 940a Abs. 2 ZPO verbundene Wille des Gesetzgebers.239 Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die neue Vorschrift nämlich gerade als Reaktion auf das vom BGH aufgestellte Erfordernis eines Vollstreckungstitels gegen mitbesitzende Dritte selbst bei missbräuchlicher Vollstreckungsvereitelung zu sehen.240 Der Gesetzgeber hat sich also bewusst gegen eine Lösung über § 242 BGB entschieden, indem er eine spezielle Norm geschaffen hat. Darüber kann sich nicht hinweggesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung des BGH auch richtig ist. Das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels ist die Mindestvoraussetzung zur Legitimation der Rechtsdurchsetzung mittels staatlichen Zwangs.241 Durch diese allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung wird ein Verfahrensablauf gewährleistet, der rechts233 OLG Hamburg NJW 1992, 3308; KG, NZM 2003, 105; AG Hamburg-Barmbek und LG Hamburg DGVZ 2005, 164 f.; LG Lübeck DGVZ 2008, 172, 173; AG Ludwigshafen ZMR 2003, 197; AG Hamburg-St. Georg DGVZ 2007, 63. 234 LG Hannover NJW-RR 2015, 395, 396. 235 Klimesch/Wedel, ZMR 2012, 679, 681. 236 BGH NJW 2008, 1959 Rz. 17. 237 Klimesch, ZMR 2009, 431, 432; Klimesch/Wedel, ZMR 2012, 679, 681; so in anderem Zusammenhang auch Horst, MDR 2013, 249, 251. 238 BGH NJW 2008, 3287 Rz. 10 ff. 239 So schon Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a ZPO Rn. 5; Streyl, NZM 2012, 249, 255; Wendt, S. 164 f. 240 BT-Drs. 17/10485, S. 34. 241 Vgl. BGH NJW 2008, 3287 Rz. 10, 12; Schuschke, DGVZ 2016, 37, 40.
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staatliche Grundsätze wahrt. Auch im Verfahrensrecht findet das Rechtsmissbrauchverbot des § 242 BGB zwar grundsätzlich Anwendung, es kann aber bei einem Tätigwerden der Vollstreckungsorgane nicht das Erfordernis eines Vollstreckungstitels außer Kraft setzen, selbst wenn Rechtsmissbrauch vorliegt.242 Außerdem ist die Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane – hier des Gerichtsvollziehers – darauf beschränkt, die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorgaben sicherzustellen. Dazu gehört zwar auch die Berücksichtigung einer missbräuchlichen Ausübung von Verfahrensrechten, nicht aber die Prüfung, ob ein Verfahrensbeteiligter oder Dritter sich auf ein materielles Recht, und zwar konkret den Mitbesitz an den Räumlichkeiten, wegen Rechtsmissbrauchs nicht berufen kann. Würde man ihm diese Prüfung zubilligen, so würden die Grenzen zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren verwischt.243 bb) Titellose Vollstreckung bei nicht ermöglichter Identitätsfeststellung Die Gesetzgebungsmaterialien zu § 940a ZPO sprechen sich allerdings selbst dafür aus, vom Erfordernis eines Vollstreckungstitels gegen mitbesitzende Dritte wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben abzusehen, wenn gegen die Mitbesitzer keine einstweilige Verfügung erstritten werden kann, weil sie in kollusivem Zusammenwirken mit dem Mieter ihre Personalien nicht offenlegen.244 Zur Begründung wird dazu auf eine Entscheidung des LG Lübeck245 verwiesen. Das stößt auf Unverständnis, weil genau diese Entscheidung durch den Beschluss des BGH vom 14.8.2008246 aufgehoben worden ist.247 Gleichwohl finden sich doch Stimmen, die im Sinne der Gesetzesmaterialien eine Räumung ohne eigenen Vollstreckungstitel gestützt auf § 242 BGB für zulässig erachten, wenn die Mitteilung der Personalien des mitbesitzenden Dritten verweigert wird.248 Auch wenn der Rechtsmissbrauch des Mieters im Zusammenwirken mit dem Dritten eine Sanktionierung erfordert, verbietet sich eine Lösung über § 242 242
Siehe dazu schon § 5 D. I., § 12 A. X. 3. b). BGH NJW 2008, 3287 Rz. 13. 244 BT-Drs. 17/10485, S. 34. 245 LG Lübeck DGVZ 2008, 172 ff. 246 BGH NJW 2008, 3287 f. 247 Die Gesetzesbegründung insoweit ebenfalls kritisierend Dötsch, ZMR 2012, 83; Flatow, NJW 2013, 1185, 1191; Hinz, NZM 2012, 777, 793; ders., ZMR 2012, 153, 165; Hk-ZV/Haertlein, § 940a Rn. 15; Horst, MDR 2013, 249, 251; MüKoZPO/Gruber, § 885 Rn. 15; Schmid/Harz/Harsch, § 940a ZPO Rn. 21; Staudinger/Rolfs, § 546 Rn. 60, 64; Streyl, NZM 2012, 249, 251; Thomas/Putzo/Seiler, § 940a Rn. 3; Walker, FS Pekcanitez, 515, 526 f.; Wendt, S. 163. 248 Dötsch, ZMR 2012, 83; Fleindl, ZMR 2013, 677, 682; Hinz, NZM 2012, 777, 793; ders., ZMR 2012, 153, 165; Zöller/Vollkommer, § 940a Rn. 5; für eine weitere Beschränkung auf besondere Fälle Horst, MDR 2013, 249, 251, wobei offenbleibt, wann ein solcher Fall vorliegen soll. 243
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BGB.249 Der Gesetzgeber hat zwar erkannt, dass die Schaffung des § 940a Abs. 2 ZPO nicht die Gefahr beseitigt, dass dem Räumungsgläubiger die Identität des mitbesitzenden Dritten verborgen bleibt, so dass auch ein unter erleichterten Bedingungen zu beschaffender Titel nicht erstritten werden kann. Durch die Neuregelung ist ein Rückgriff auf § 242 BGB aber verbaut worden. Man kann nicht einerseits der Linie des BGH folgen und einen Titel auch im Falle missbräuchlicher Vollstreckungsvereitelung für nötig erachten, andererseits dann aber doch in einem speziellen Fall eine Ausnahme wegen unzulässiger Rechtsausübung zulassen wollen. Das ist widersprüchlich und kann nicht überzeugen. Der Gesetzgeber räumt damit nur indirekt sogar selbst ein, dass der Weg eines im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einfacher zu beschaffenden Räumungstitels nicht in jedem Fall effektiv ist. Damit stellt er aber die eigenen Reformbestrebungen letztlich in Frage. Im Ergebnis lassen sich die verbliebenen Fälle missbräuchlicher Vereitelung der Räumungsvollstreckung also nicht über § 242 BGB lösen. c) Wohnungsbezogener Titel Einen ganz anderen Ansatz verfolgen die Vertreter eines wohnungsbezogenen Räumungstitels. Danach sollte § 885 ZPO so geändert werden, dass aus einem Räumungstitel gegen den Mieter auch gegen Mit- und Nachbesitzer der Mieträume vollstreckt werden kann. Orientiert wird sich insoweit an § 93 ZVG, der die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss gegen jeden Besitzer250 des Grundstücks ermöglicht.251 Dadurch würde erreicht, dass die Zwangsräumung gegen mitbesitzende Dritte ohne einen auch gegen sie gerichteten Vollstreckungstitel erfolgen könnte. Entbehrlich wäre danach aber nur ein eigener Vollstreckungstitel, nicht hingegen die namentliche Bezeichnung der mitbesitzenden Dritten für die Durchführung der Räumung. Eine Vollstreckung gegen Unbekannte ermöglicht nämlich auch der Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG nicht. Vielmehr müssen die Besitzer namentlich in der Vollstreckungsklausel genannt werden.252 Effektiv wäre eine dahingehende Gesetzesänderung somit nur bezogen auf die Gefahr, dass der Mieter laufend neuen Personen Mitbesitz einräumt. Ungelöst
249 So schon Dierck/Morvilius/Vollkommer/Hippler, 7. Kap. Rn. 90; Flatow, NJW 2013, 1185, 1191; Hk-ZV/Haertlein, § 940a Rn. 15; MüKoZPO/Gruber, § 885 Rn. 15; Schmid/Harz/Harsch, § 940a Rn. 21; Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a ZPO Rn. 28; Staudinger/Rolfs, § 546 Rn. 64; Streyl, NZM 2012, 249, 251; Walker, FS Klamaris, 921, 922 f.; Wendt, S. 171 ff. 250 Hk-ZV/Stumpe, § 93 ZVG Rn. 2; Stöber, § 93 Rn. 2.1. 251 Zum Ganzen Dötsch, ZMR 2012, 83, 84; Fischer, NZM 2013, 249, 252; Mroß/ Fischer, DGVZ 2016, 195, 202; MüKoZPO/Gruber, § 885 Rn. 16; Schuschke, NZM 1998, 58, 61 f.; ders., NZM 2005, 10, 12; ders., DGVZ 2009, 160, 164 f. 252 Hk-ZV/Stumpe, § 93 ZVG Rn. 4 f.; Stöber, § 93 Rn. 2.1 ff.
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bliebe das Problem, wie namentlich unbekannte Personen aus dem Besitz gesetzt werden können. Insoweit wird vorgeschlagen, bei verweigerter Namensnennung aus dem wohnungsbezogenen Räumungstitel dann auch die Vollstreckung gegen die in den Räumlichkeiten angetroffenen Personen betreiben zu können.253 Der Gesetzgeber hat sich aber mit der Schaffung von § 940a Abs. 2 ZPO gegen das Modell eines wohnungsbezogenen Titels entschieden. Die Norm ist gerade darauf ausgerichtet, auf vereinfachtem Weg einen personenbezogenen Räumungstitel beschaffen zu können, und in der Gesetzesbegründung wird ein wohnungsbezogener Titel ausdrücklich abgelehnt.254 d) Räumungstitel gegen „Unbekannt“ Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Vertreter des Schrifttums, die den Erlass einer Räumungsverfügung auch gegen unbekannte Besitzer der Mieträume zulassen wollen, selbst wenn diese wechseln.255 Zurück geht diese Ansicht auf entsprechende Lösungsvorschläge für die Fälle von Hausbesetzungen. Dort sind die Besitzer der Räumlichkeiten für den Gläubiger auch meistens namentlich nicht zu ermitteln. Hinzu kommt oft noch ein laufender Wechsel des Personenkreises. Zum Teil wird deshalb vertreten, dass eine namentliche Bezeichnung der aus dem Besitz zu setzenden Personen nicht erforderlich sei, sich der Titel also gegen „Unbekannt“ richten könne, wenn eine unverwechselbare Beschreibung des Personenkreises eine eindeutige Identifizierung ermögliche.256 Zur Begründung wird auf § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO verwiesen, wonach die Parteien nur zu bezeichnen sind. Eine Namensnennung verlange nur § 130 Nr. 1 ZPO, auf den § 253 Abs. 4 ZPO zwar verweise, der aber nur eine Sollvorschrift darstelle.257 Manche Stimmen sprechen sich sogar in noch weitergehendem Umfang dafür aus, eine Titulierung des Räumungsanspruchs gegen „Unbekannt“ auch bei wechselnden Besitzern zuzulassen.258 Diese Ansicht wird von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum aber abgelehnt.259
253 Hinz, ZMR 2012, 153, 165; ablehnend Fischer, DGVZ 2012, 151, 154 f.; ders., NZM 2013, 249, 251; Wendt, S. 169 f. 254 „Die Alternative, einen ,wohnungsbezogenen‘ Räumungstitel vorzusehen, widerspricht den Grundsätzen des deutschen Vollstreckungsrechts.“ (BT-Drs. 17/10485, S. 33 f.). 255 Majer, NZM 2012, 67, 69 f.; Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rn. 14, § 920 Rn. 16. 256 Vgl. nur OLG Köln NJW 1982, 1888; OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 1164; LG Krefeld NJW 1982, 289, 290; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 39.10; MüKoZPO/Gruber, § 885 Rn. 5; Raeschke-Kessler, NJW 1981, 663. 257 OLG Köln NJW 1982, 1888; LG Berlin NJW-RR 1998, 713, 714. 258 Vgl. nur LG Kassel NJW-RR 1991, 381, 382; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 39.10; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1629; Lisken, NJW 1982, 1136, 1137; Schuschke/Walker/Walker, § 885 Rn. 14, § 920 Rn. 16; Thomas/Putzo/Seiler, § 885 Rn. 8; unter Berufung auf
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Auch für die einstweilige Räumungsverfügung ist letztere Auffassung nicht haltbar.260 Man bewegt sich damit nämlich nicht mehr auf der Grundlage eines personenbezogenen Räumungstitels, wie er von § 940a Abs. 2 ZPO vorausgesetzt wird, sondern führt einen wohnungsbezogenen Titel ein, der in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich abgelehnt wird.261 Um dennoch wenigstens dem Problem der verweigerten Namensnennung effektiv begegnen zu können, sollte eine einstweilige Räumungsverfügung aber auch gegen nicht namentlich benannte Besitzer ergehen können, wenn ihre Identität durch eine ausreichende Beschreibung zweifelsfrei festgestellt werden kann. Der Vermieter muss die genaue Anzahl der Personen, gegen die die Räumungsverfügung ergehen soll, angeben262 und die Personen anhand von Merkmalen beschreiben, die eine zweifelsfreie Zuordnung ermöglichen.263 Der Gesetzgeber hat in der Begründung zu § 940a Abs. 2 ZPO selbst zum Ausdruck gebracht, dass er dem Vermieter auch dann eine effektive Vollstreckung ermöglichen will, wenn die Personalien mitbesitzender Dritter nicht ermittelt werden können. Zwar wird dort die Ansicht vertreten, dass auf einen Titel gegen die ihren Namen nicht offenbarenden Besitzer wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB verzichtet werden könne,264 was – wie soeben gezeigt wurde – dogmatisch jedoch nicht haltbar ist. Gleichwohl kommt damit zum Ausdruck, dass die Räumungsvollstreckung an der fehlenden Namenskenntnis nicht scheitern soll. Wenn sich der Gesetzgeber in diesen Fällen sogar gegen das Erfordernis eines Vollstreckungstitels ausspricht, so muss erst recht die Vollstreckung mittels eines Titels gegen den mitbesitzenden Dritten möglich sein, in dem es nur an einer namentlichen Bezeichnung fehlt, solange er zweifelsfrei identifiziert werden kann. Da § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO aber ausdrücklich verlangt, dass die Person gegen die die Vollstreckung erfolgt, namentlich benannt wird, müsste vom Gesetzgeber eine dahingehende Klarstellung für die problematischen Fälle erfolgen.
§ 325 Abs. 1 ZPO im Ergebnis auch Majer, NZM 2012, 67, 70; mit Einschränkungen Zöller/Vollkommer, § 935 Rn. 4. 259 Vgl. nur OLG Köln NJW 1982, 1888; LG Hannover NJW 1981, 1455; LG Krefeld NJW 1982, 289, 290; BezG Potsdam OLGZ 1993, 324, 325 ff.; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 70 Rn. 24; MüKoZPO/Becker-Eberhard, § 253 Rn. 53 ff.; MüKoZPO/Gruber, § 885 Rn. 5. 260 So auch Horst, MDR 2013, 249, 250; Staudinger/Rolfs, § 546 Rn. 63; Wendt, S. 169. 261 BT-Drs. 17/10485, S. 33 f. 262 Vgl. zu Fällen, in denen diese Anforderung nicht erfüllt war, OLG Köln, NJW 1982, 1888 („etwa 60 unbekannte Personen“); OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 1164 („sieben bis zehn unbekannte Personen“); LG Hannover NJW 1981, 1455 („Anzahl von etwa 20 bis 100 Personen“). 263 Raeschke-Kessler, NJW 1981, 663. 264 BT-Drs. 17/10485, S. 34.
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e) Streichung des Anhörungserfordernisses in § 940a Abs. 4 ZPO Die Räumungsvollstreckung auf der Grundlage von § 940a Abs. 2 ZPO ließe sich in jedem Fall effektiver gestalten, wenn der Mieter und der Dritte nicht vorgewarnt wären, dass der Vermieter eine einstweilige Verfügung gegen den Dritten erwirkt. Die Gefahr, dass in den Mieträumen laufend neue Mitbesitzer angetroffen werden, würde dadurch nämlich weiter minimiert. Erreicht werden könnte das dadurch, dass der Dritte nicht vor Erlass der einstweiligen Verfügung angehört wird, wie es derzeit aber § 940a Abs. 4 ZPO verlangt.265 Mit einer solchen Korrektur der neuen Vorschrift ist jedoch nicht zu rechnen, da entsprechende Vorschläge bereits im Gesetzgebungsverfahren gemacht worden sind, der Gesetzgeber sie aber bewusst nicht aufgegriffen hat.266 f) Unterlassungsverfügung gegen den Schuldner Um den Schuldner davon abzuhalten, ständig weiteren Personen Mitbesitz an den Mieträumen einzuräumen, findet sich der Vorschlag, dass dem Mieter im Wege einer Unterlassungsklage bei Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, die weitere Besitzeinräumung an Dritte ohne Zustimmung des Vermieters zu unterlassen.267 Für den Zeitraum nach Beendigung des Mietverhältnisses könne zwar nicht auf § 541 BGB zurückgegriffen werden, der einen Unterlassungsanspruch nur bei vertragswidrigem Gebrauch gewährt und damit ein noch existentes Mietverhältnis verlangt, einen Anspruch auf Unterlassung müsse der Vermieter aber auch nach Beendigung haben.268 Begründet wird der Unterlassungsanspruch dogmatisch damit, dass der Mieter den Räumungsanspruch des Vermieters aus § 546 Abs. 1 BGB nach Kündigung des Mietverhältnisses durch eine unberechtigte Besitzeinräumung an Dritte verletze, so dass der Mieter nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zur Unterlassung dieses Verhaltens verpflichtet sei.269 Die Idee einer Unterlassungsverfügung gegen den Mieter verdient zwar Aufmerksamkeit, der Unterlassungsanspruch lässt sich dogmatisch aber besser begründen. Die §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB sind im Grundsatz auf den Ersatz eines bereits eingetretenen Schadens gerichtet. Dazu müsste es also zumindest schon zu einer Besitzeinräumung des Mieters gegenüber einem oder mehreren Dritten gekommen sein. Wie die Rechtsprechung zu § 826 BGB zeigt, lässt sich auf der anderen Seite aber auch aus einer Anspruchsgrundlage, die auf den Ersatz eines Schadens gerichtet ist, ein Unterlassungsanspruch herleiten, wenn die 265 266 267 268 269
Dafür Hinz, NZM 2012, 777, 793; ders., ZMR 2012, 153, 166; Wendt, S. 395 f. Näher dazu mit Nachweisen Wendt, S. 310 f. Sick, ZMR 2010, 493, 496 ff. Sick, ZMR 2010, 493, 497 ff. Sick, ZMR 2010, 493, 498 ff.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
Vollstreckung aus einem unrichtigen Titel abgewendet werden soll.270 Insoweit handelt es sich aber um besondere Ausnahmefälle, und der Anspruch ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Außerdem muss generell vorrangig untersucht werden, ob sich nicht anstelle eines sekundären Schadensersatzanspruchs ein verschuldensunabhängiger Primäranspruch auf Unterlassung finden lässt.271 Zwar ist § 541 BGB tatbestandlich nicht anwendbar, dennoch lässt sich die in der Norm zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers in gleicher Weise für den Zeitraum nach Beendigung des Mietverhältnisses fruchtbar machen.272 Den Mieter treffen nämlich auch nachvertragliche Pflichten.273 Ein Verhalten, das die Durchsetzung des Räumungsanspruchs nicht unerheblich verzögert oder sogar vereitelt, stellt eine Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen des Vermieters (§ 241 Abs. 2 BGB) dar. Der Vermieter hat daher einen noch aus dem Mietvertrag resultierenden Anspruch, dass der Mieter nach Vertragsbeendigung den Räumungsanspruch nicht durch eine unberechtigte Besitzeinräumung an Dritte beeinträchtigt. Für eine entsprechende Unterlassungsklage reicht aber nicht die abstrakte Gefahr, dass der Mieter weiteren Personen Besitz einräumen könnte, um so die Räumungsvollstreckung zu vereiteln. Der Unterlassungsanspruch nach § 541 BGB verlangt deshalb zum Beispiel die vorherige Abmahnung des Mieters und auch andere Unterlassungsansprüche setzen eine Wiederholungsgefahr voraus (vgl. z. B. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, § 8 Abs. 1 S. 1 UWG). Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist abzulehnen.274 Das bedeutet aber, dass es zumindest zu einer einmaligen Vereitelung der Räumungsvollstreckung gekommen sein muss, um eine Wiederholungsgefahr begründen zu können. Den Unterlassungsanspruch sollte der Vermieter dann aber wie die einstweilige Räumungsverfügung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen können. Bei einer Befriedigungsverfügung (§§ 935, 940 ZPO) werden zwar hohe Anforderungen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes gestellt,275 insoweit kann aber mit dem gesetzgeberischen Zweck der Einfügung von § 940a Abs. 2 ZPO argumentiert werden, eine effektive Räumungsvollstreckung zugunsten des Vermieters zu ermöglichen.276 Allein die Möglichkeit, sich auf schnellerem Weg einen Räumungstitel gegen 270
Siehe dazu im Einzelnen schon § 11 A. VII. BeckOK BGB/Lorenz, § 280 Rn. 63. 272 Soweit Sick, ZMR 2010, 493, 497 f., eine Analogie vornehmlich mit dem Argument ablehnt, der Wortlaut des § 541 BGB sei eindeutig, lässt er unberücksichtigt, dass sich die Frage einer Gesetzesanalogie gerade nur dann stellt, wenn der ungeregelte Fall vom Wortlaut der Norm nicht erfasst wird, da andernfalls auch eine Lösung im Wege der Gesetzesauslegung gefunden werden könnte. 273 MüKoBGB/Häublein, § 535 Rn. 175. 274 A. A. aber Sick, ZMR 2010, 493, 499. 275 Vgl. näher Brox/Walker, ZVR, Rn. 1612 ff.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 76 Rn. 12. 276 So BT-Drs. 17/10485, S. 16. 271
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bislang unbekannte Mitbesitzer beschaffen zu können, läuft nämlich ins Leere, wenn bei jedem erneuten Vollstreckungsversuch neue Mitbesitzer präsentiert werden. Sicherlich lassen sich durch eine Unterlassungsverfügung mit der Androhung von Ordnungsmitteln nicht alle Mieter davon abschrecken, gleichwohl weiteren Personen Besitz an den Mieträumlichkeiten einzuräumen, und für den Vermieter ist dieser Weg auch mit zusätzlichen Kosten und Aufwand verbunden, die Missbrauchsgefahr kann aber doch weiter verringert werden und der Räumungsgläubiger einer erfolgreichen Vollstreckung näher kommen.277 g) Einstweilige Verfügung auf Auskunftserteilung Soweit es darum geht, dass Dritte, denen missbräuchlich Mitbesitz eingeräumt worden ist, ihre Personalien nicht offenlegen, so kann der Vermieter versuchen, den Mieter – auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes – auf Auskunft in Anspruch zu nehmen.278 Hält man eine entsprechende Leistungsverfügung zur Sicherung einer effektiven Räumungsverfügung nach § 940a Abs. 2 ZPO für zulässig,279 so ist diese jedenfalls wiederum mit erheblichem Aufwand für den Schuldner verbunden.280 h) Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 940a Abs. 2 ZPO Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 940a Abs. 2 ZPO auch auf Geschäftsraummietverhältnisse281 und die Vollstreckung durch den Ersteher eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung wäre zwar zu begrüßen,282 ist jedoch nicht zu erwarten, da entsprechende Kritik an der Neuregelung bereits im Gesetzgebungsverfahren geäußert worden ist, letztlich aber kein Gehör gefunden hat.283 5. Zusammenfassung Insgesamt lassen sich die Fälle einer missbräuchlichen Vereitelung der Räumungsvollstreckung auch nach Einfügung von § 940a Abs. 2 ZPO noch nicht restlos befriedigend lösen. Eine Heranziehung von § 242 BGB scheidet aber aus, um das Titelerfordernis aufzuheben. Mit Hilfe einer Unterlassungsverfügung 277
Zweifelnd aber Dötsch, ZMR 2012, 83, 84. Dierck/Morvilius/Vollkommer/Hippler, 3. Kap. Rn. 90; Hk-ZV/Haertlein, § 940a Rn. 15; Schmidt-Futterer/Streyl, § 940a ZPO Rn. 28; Staudinger/Rolfs, § 546 Rn. 64; Streyl, NZM 2012, 249, 254; Walker, FS Pekcanitez, 515, 527. 279 So Streyl, NZM 2012, 249, 254; Walker, FS Pekcanitez, 515, 527. 280 Kritisch dazu auch Fleindl, NZM 2013, 677, 682. 281 So schon Streyl, NZM 2012, 249, 256; Wendt, S. 374 f. 282 So auch Walker, FS Pekcanitez, 515, 529 f. 283 Dazu mit Details aus dem Gesetzgebungsverfahren Wendt, S. 132 ff. 278
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kann die Gefahr, dass der Mieter fortlaufend weiteren Personen Besitz an den Mieträumlichkeiten einräumt, reduziert werden, auch wenn dieser Weg für den Gläubiger beschwerlich ist. Mittels des Grundsatzes von Treu und Glauben lässt sich ebenfalls nicht das Problem lösen, dass mitbesitzende Dritte namentlich unbekannt sind, weil weder der Mieter noch sie ihre Personalien offenlegen. Zugunsten des Räumungsgläubigers muss es aber für die Anordnung einer einstweiligen Räumungsverfügung und ihrer Vollstreckung ausreichen, wenn die Mitbesitzer so genau beschrieben werden, dass eine eindeutige Identifizierung möglich ist. Ansonsten kann nur eine einstweilige Verfügung auf Auskunft gegen den Mieter weiterhelfen. XII. Widerruf der Einwilligung in die Wohnungsdurchsuchung aus Gründen der Verfahrensverzögerung Zur Pfändung von Gegenständen, die sich in der Wohnung des Schuldners befinden, ist grundsätzlich eine richterliche Durchsuchungsanordnung erforderlich (§ 758a Abs. 1 S. 1 ZPO). Eine Ausnahme besteht für den Fall, dass der Schuldner in die Durchsuchung einwilligt.284 Die Einwilligung ist aber jederzeit frei widerrufbar.285 Die gegenteilige Ansicht286 vermag nicht zu überzeugen, da eine widerrufene Einwilligung keine Auswirkungen auf bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere eine erfolgte Pfändung, hat,287 so dass der Gläubiger keine vermeintlich gesicherte Rechtsposition verliert. 1. Problemlage Probleme erwachsen aus der freien Widerrufbarkeit aber, wenn der Gerichtsvollzieher mit Einwilligung des Schuldners in dessen Wohnung Gegenstände gepfändet und sie im Gewahrsam des Schuldners belassen hat, der Schuldner aber bei Abholung zur Verwertung dem Betreten der Wohnung widerspricht. Nach ganz herrschender Auffassung erfordert die Abholung dann nämlich eine richterliche Durchsuchungsanordnung.288 Nach Ansicht des AG Wiesbaden hingegen
284 § 758a Abs. 1 S. 1 ZPO hat insoweit nur klarstellende Bedeutung, vgl. BT-Drs. 13/341, S. 15 f. 285 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 26 Rn. 44; Kühne, DGVZ 1979, 145, 146; MüKoZPO/Heßler, § 758a Rn. 35; Musielak/Voit/Lackmann, § 758a Rn. 4; Schuschke/ Walker/Walker, § 758a Rn. 16; Stein/Jonas/Münzberg, § 758a Rn. 14; Zöller/Stöber, § 758a Rn. 14. 286 BLAH/Hartmann, § 758a Rn. 10a. 287 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 26 Rn. 44; MüKoZPO/Heßler, § 758a Rn. 35; Schuschke/Walker/Walker, § 758a Rn. 16. 288 Behr, DGVZ 1980, 49, 57; Bischof, ZIP 1983, 522, 526; Kottmann, DÖV 1980, 899, 902; MüKoZPO/Heßler, § 758a Rn. 35; Schneider, NJW 1980, 2377, 2381; Schuschke/Walker/Walker, § 758a Rn. 16; Zöller/Stöber, § 758a Rn. 14.
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handele es sich beim bloßen Abholen gepfändeter Sachen um keine Durchsuchung, weshalb eine richterliche Anordnung auch nicht erforderlich sei.289 Eine differenzierende Meinung stellt darauf ab, ob die abzuholende Sache sich noch am selben Ort in der Wohnung befindet wie im Zeitpunkt der Pfändung, da der Gerichtsvollzieher dann nicht mehr danach suchen müsse.290 Für die herrschende Auffassung sprechen die überzeugenderen Argumente. Ob der Gerichtsvollzieher nach der gepfändeten Sache suchen muss oder es wirklich nur darum geht, sie in der Wohnung abzuholen, lässt sich regelmäßig nicht vorhersagen, da der Gerichtsvollzieher nicht wissen kann, wo sich der gepfändete Gegenstand nun in der Wohnung befindet.291 Der Gerichtsvollzieher würde also immer Gefahr laufen, eine rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahme vorzunehmen und müsste zur Absicherung doch vorsorglich auf eine richterliche Anordnung bestehen. Rein formalistisch auf ein „Durchsuchen“ abzustellen, würde auch nicht dem Zweck des Art. 13 GG entsprechen, vor einem staatlichen Eingriff in die Unverletztlichkeit der Wohnung zu schützen.292 Die Abholung der gepfändeten Sache stellt nämlich einen der Durchsuchung notwendigerweise nachgelagerten Akt dar, damit die Sache auch verwertet werden kann, und hat ebenfalls Eingriffscharakter. Auch die Regelung in § 61 Abs. 8 Hs. 2 GVGA macht nur vor diesem Hintergrund Sinn. Dort ist ausdrücklich bestimmt, dass für die Abholung gepfändeter, im Gewahrsam des Schuldners belassener Sachen, keine weitere Durchsuchungsanordnung erforderlich ist, wenn eine solche bereits für die Pfändung vorgelegen hat. 2. Lösungsmöglichkeiten Fraglich ist nur, ob es in jedem Fall einer richterlichen Anordnung bedarf, auch wenn der Schuldner die Einwilligung nur widerrufen hat, um das Verfahren zu verschleppen. Hat der Gerichtsvollzieher mit Einwilligung des Schuldners in dessen Wohnung einen Gegenstand gepfändet und will er diesen zu einem späteren Zeitpunkt für den Versteigerungstermin abholen, so kommt es nämlich zu einer Verfahrensverzögerung und mitunter auch nicht unerheblichen Kosten,293 wenn nun der Schuldner die Einwilligung widerruft. a) Vorsorgliche Durchsuchungsanordnung? Den Gläubiger darauf zu verweisen, vorsorglich eine Durchsuchungsanordnung zu erwirken, ist kein geeignetes Mittel, da für einen solchen Antrag nach
289 290 291 292 293
AG Wiesbaden DGVZ 1980, 28. Werner, DGVZ 1986, 65, 70. Bischof, ZIP 1983, 522, 526; Schneider, NJW 1980, 2377, 2381. Behr, DGVZ 1980, 49, 57; Schneider, NJW 1980, 2377, 2381. Auf die Kostenproblematik hinweisend Bischof, ZIP 1983, 522, 526.
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allgemeiner Meinung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.294 Etwas anderes kann nur in Ausnahmefällen gelten, wenn die Gefahr erheblicher zusätzlicher Transportkosten besteht.295 b) Annahme von Gefahr im Verzug? Auch über die Annahme von Gefahr im Verzug, wodurch eine Durchsuchungsanordnung entbehrlich wird (vgl. § 758a Abs. 1 S. 2 ZPO), lässt sich das Problem nicht befriedigend lösen.296 Gefahr im Verzug liegt nur vor, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde.297 Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Schuldner pfändbare Gegenstände dem Vollstreckungszugriff entziehen will.298 Widerruft der Schuldner die Einwilligung bei der Abholung der gepfändeten Sachen, so ist allein darin kein konkreter Anhaltspunkt für eine Gefährdung des Durchsuchungserfolgs zu sehen.299 Es kann eben gerade Intention des Schuldners sein, nur das Verfahren in die Länge zu ziehen. c) Unbeachtlichkeit des Widerrufs wegen Missbräuchlichkeit? Eine Möglichkeit könnte aber darin bestehen, den Widerruf wegen missbräuchlicher Rechtsausübung nach § 242 BGB für unbeachtlich zu halten. Für besondere Ausnahmefälle wird dies auch in der Literatur vertreten.300 Anknüpfungspunkt kann allein die zeitliche Verzögerung sein, da der Gefahr erheblicher Zusatzkosten über eine ausnahmsweise zulässige vorsorgliche Durchsuchungsanordnung effektiv begegnet werden kann.301 Zweifel an der Korrektur über § 242 BGB kommen aber auf, wenn man bedenkt, dass der Gläubiger auch von vornherein gezwungen gewesen wäre, eine Durchsuchungsanordnung zu erwirken, hätte der Schuldner überhaupt keine Einwilligung erteilt.302 Wann dann aber noch ein Ausnahmefall vorliegen soll, ist fraglich. Dem Schuldner widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen, ist ebenfalls nicht möglich, da die Einwilligung gerade jederzeit widerrufbar ist. Der Gläubiger hat sich somit darauf einzustel294 Bischof, ZIP 1983, 522, 526; MüKoZPO/Heßler, § 758a Rn. 50; Musielak/Voit/ Lackmann, § 758a Rn. 12; Zöller/Stöber, § 758a Rn. 19; vgl. auch § 61 Abs. 10 S. 2 GVGA. 295 LG Mannheim MDR 1979, 943 f. (Beauftragung eines Spediteurs zum Abtransport mehrerer Möbelstücke). 296 So aber Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 26 Rn. 44; Schneider, NJW 1980, 2377, 2383; Stein/Jonas/Münzberg, § 758a Rn. 14. 297 Wortlaut zurückgehend auf BVerfG NJW 1979, 1539, 1540. 298 Behr, DGVZ 1980, 49, 54; MüKoZPO/Heßler, § 758a Rn. 38; Musielak/Voit/ Lackmann, § 758a Rn. 9. 299 So auch Bischof, ZIP 1983, 522, 526. 300 MüKoZPO/Heßler, § 758a Rn. 35; Schuschke/Walker/Walker, § 758a Rn. 16. 301 Vgl. nochmals LG Mannheim MDR 1979, 943 f. 302 Darauf hinweisend auch Schuschke/Walker/Walker, § 758a Rn. 16.
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len, dass es selbst nach einer anfänglichen Einwilligung des Schuldners in die Durchsuchung noch bei der Abholung der gepfändeten Sachen zu einem Widerruf kommen kann, in Folge dessen eine richterliche Anordnung eingeholt werden muss. XIII. Antrag auf Einstellung der Versteigerung wegen Übererlöses bei vorheriger Bereitschaft zur Verwertung sämtlicher Gegenstände 1. Problemlage und Ansicht des BGH Erfordert die Verwertung gepfändeter Sachen besondere Sachkunde, wie es beispielsweise auf die Verwertung von Kunstgegenständen zutrifft, bietet sich eine Versteigerung durch eine andere Person als den Gerichtsvollzieher an (§ 825 Abs. 2 ZPO).303 Beantragt werden kann diese Verwertungsart vom Gläubiger oder vom Schuldner. Der private Dritte wird aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses tätig, die Verwertung erfolgt aber privatrechtlich.304 Die Regelung in § 818 ZPO, wonach die Versteigerung eingestellt wird, sobald der Erlös zur Gläubigerbefriedigung und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung ausreicht, gilt dort nicht unmittelbar.305 Der mit § 818 ZPO verbundene Schutz des Schuldners vor einem übermäßigen Vollstreckungseingriff in sein Recht am Eigentum gebietet aber, dass das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners306 den privaten Dritten anweisen kann, vor dem Erzielen eines Übererlöses die Versteigerung einzustellen.307 Den Antrag kann der Schuldner auch noch bis kurz vor der beabsichtigten Versteigerung stellen.308 Initiiert der Schuldner das Verwertungsverfahren nach § 825 Abs. 2 ZPO und erklärt er sich zunächst mit einer Verwertung sämtlicher gepfändeter Gegenstände bereit, um einen Übererlös für sich zu verwenden, so soll ein nachträglich gestellter Einstellungsantrag nach Ansicht des BGH aber wegen widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich sein, es sei denn der Schuldner habe einen anerkennenswerten Grund für sein Verhalten.309
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Brox/Walker, ZVR, Rn. 430; Schuschke/Walker/Walker, § 825 Rn. 23. BGH NJW 1992, 2570; 2007, 1276, 1277; 2013, 2519, 2521. 305 BGH NJW 2007, 1276, 1277 mit dem zutreffenden systematischen Argument, dass sich in § 818 ZPO anders als in § 817a Abs. 2 S. 3 ZPO kein Verweis auf § 825 Abs. 2 ZPO finde. 306 Sich für ein entsprechendes Vorgehen des Vollstreckungsgerichts von Amts wegen aussprechend MüKoZPO/Gruber, § 818 Rn. 7, § 825 Rn. 14; Vollkommer, NJW 2007, 1278, 1279. 307 BGH NJW 2007, 1276, 1277; Brox/Walker, ZVR, Rn. 430; Musielak/Voit/Becker, § 818 Rn. 2, § 825 Rn. 6; K. Schmidt, JuS 2007, 688, 689; Schuschke/Walker/Walker, § 818 Rn. 2, § 825 Rn. 21, 27. 308 BGH NJW 2007, 1276, 1277 f. 309 BGH NJW 2007, 1276, 1278. 304
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2. Stellungnahme Die Entscheidung des BGH kann bezogen auf die Ausführungen zu einem Rechtsmissbrauch durch den Schuldner nicht überzeugen.310 Es bereitet schon Schwierigkeiten, die Entscheidung in die in dieser Arbeit gebildeten Fallgruppen einzuordnen. a) Teilweise Vollstreckungsvereitelung? Man könnte in dem späteren Antrag des Schuldners nach § 818 ZPO eine Form der teilweisen Vollstreckungsvereitelung sehen, da es nun nicht mehr – wie zunächst vom Schuldner angestoßen – zu einer Verwertung sämtlicher Pfandgüter kommen kann. Eine solche Einordnung muss aber sogleich Widerspruch hervorrufen, da dem Schuldner schwerlich der Vorwurf der Vollstreckungsvereitelung gemacht werden kann, wenn es doch gerade zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers kommt und auch die Kosten der Zwangsvollstreckung gedeckt sind. b) Verzicht auf den Schutz des § 818 ZPO? Zu einer anderen Bewertung gelangt man auch nicht, indem man damit argumentiert, der Schuldner habe durch seine ursprüngliche Bereitschaft zu einer vollständigen Verwertung auf den Schutz des § 818 ZPO verzichtet.311 Zwar kann der Schuldner auf den Schutz des § 818 ZPO verzichten, da es hier anders als bei § 811 ZPO nicht auch um öffentliche Interessen geht, die einem disponiblen Charakter der Norm entgegenstehen könnten.312 Dennoch wäre es zu weit gehend, allein in dem früheren Einverständnis des Schuldners mit einer weitergehenden Verwertung einen Verzicht zu erblicken. Für eine solche Einschränkung des Schuldnerschutzes müsste man zumindest verlangen, dass der Schuldner zuvor darüber belehrt worden ist, welche Konsequenzen mit seiner Bereitschaft zu einer umfassenden Verwertung verbunden sind. c) Widersprüchliches Verhalten? Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs des Schuldners wegen widersprüchlichen Verhaltens313 stößt ebenfalls auf Bedenken, wenn man die zu dieser Fall310 Ebenfalls kritisch Vollkommer, NJW 2007, 1278, 1279. Hält man das Vollstreckungsgericht bereits von Amts wegen für verpflichtet, auf den privaten Dritten einzuwirken, kommt ein missbräuchlicher Einstellungsantrag des Schuldners ohnehin nicht in Betracht. 311 In diese Richtung gehend aber BGH NJW 2007, 1276, 1278: „Damit gäbe der Schuldner zu erkennen, dass er den durch § 818 ZPO gewährten Schutz nicht in Anspruch nehmen will“. 312 Vgl. zum nach h. M. zwingenden Charakter des § 811 ZPO nur Brox/Walker, ZVR, Rn. 302 ff.; MüKoZPO/Gruber, § 811 Rn. 13 ff. 313 Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht wird auch in den Fällen widersprüchlichen Verhaltens nicht auf § 242 BGB zurückgegriffen, sondern in dem früheren
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gruppe entwickelten Anforderungen berücksichtigt. Bei widersprüchlichem Verhalten folgt der Vorwurf missbräuchlicher Rechtsausübung nämlich aus dem Umstand, dass das frühere Verhalten des Rechtsinhabers im Widerspruch zum gegenwärtigen steht.314 Da die Rechtsordnung es dem Berechtigten grundsätzlich aber nicht verwehrt, sich anders als zuvor zu verhalten, muss durch das frühere Verhalten des Rechtsinhabers bei der Gegenpartei zurechenbar ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sein, oder es müssen andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.315 Andere besondere Umstände können darin liegen, dass der Rechtsinhaber erhebliche Vorteile aus seinem früheren Verhalten gezogen hat oder er sich mit seinem Verhalten in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch begibt.316 In der hier zu beurteilenden Situation fehlt es an einem Vertrauenstatbestand auf Gläubigerseite. Der Gläubiger kann an einer über seine Befriedigung hinausgehenden Vollstreckung nämlich kein berechtigtes Interesse haben. Es gibt daher keine schutzwürdige Rechtsposition des Gläubigers, die durch den nachträglichen Antrag des Schuldners beeinträchtigt werden könnte. Aber auch die Interessen des privaten Dritten sprechen nicht für ein anderes Ergebnis. Das Vollstreckungsgericht hat vielmehr bereits mit der Erteilung des Auftrags zu einer Verwertung nach § 825 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Dritten darauf hinzuweisen, dass es noch zu einem beschränkenden Antrag des Schuldners nach § 818 ZPO kommen kann. Andere besondere Umstände lassen sich ebenso wenig ausmachen. Im Ergebnis ist der Schuldner daher auch nachträglich noch berechtigt, seine ursprüngliche Bereitschaft zur umfassenden Verwertung der gepfändeten Gegenstände zu revidieren. XIV. Verweigerung des Verzichts auf Einzelausgebote Sollen mehrere Grundstücke in einem Verfahren versteigert werden, so sind diese im Grundsatz einzeln auszubieten (§ 63 Abs. 1 S. 1 ZVG). Das gilt in gleiVerhalten ein konkludenter Verzicht auf die Rechtsposition gesehen, die gegenwärtig geltend gemacht wird (Wieling, AcP 176 (1976), 334, 335 ff.). Mit der h. M. ist diese Ansicht aber abzulehnen, da die Konstruktion eines rechtsgeschäftlich erklärten Verzichts an ihre Grenzen stößt, wenn eine solche Erklärung zu ihrer Wirksamkeit einer bestimmten Form bedarf oder es sich gerade um ein unverzichtbares Recht handelt (vgl. nur Heinrich, FS Laufs, 2006, 585, 599; MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 318; Soergel/ Teichmann, § 242 Rn. 312; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 285; Teichmann, JA 1985, 497, 500). 314 Brox/Walker, SchuldR AT, § 7 Rn. 16; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 284. 315 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 309; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 Rn. 106; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 55; Staudinger/Olzen/Looschelders, § 242 Rn. 286 f.; Soergel/Teichmann, § 242 Rn. 317. 316 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 344; NK-BGB/Krebs, § 242 Rn. 98; Palandt/ Grüneberg, § 242 Rn. 59.
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cher Weise bei Grundstücksbruchteilen.317 Das Vollstreckungsgericht kann aber auch die Gesamtausbietung anordnen, wenn das Grundstück mit einem einheitlichen Bauwerk überbaut ist (§ 63 Abs. 1 S. 2 ZVG), was regelmäßig bei Bruchteilseigentum der Fall sein wird.318 Außerdem kann nach § 63 Abs. 2 S. 1 ZVG ein Gesamtausgebot auch auf Antrag eines Beteiligten erfolgen. Von den Einzelausgeboten darf aber nur abgesehen werden, wenn alle anwesenden Beteiligten, deren Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht zu berücksichtigen sind – worunter auch der Schuldner fällt319 –, darauf verzichtet haben (§ 63 Abs. 4 ZVG). Das gilt auch bei der Anordnung eines Gesamtausgebots durch das Vollstreckungsgericht.320 Wird die Versteigerung unter Missachtung dieser Vorgaben durchgeführt, so stellt dies einen Zuschlagsversagungsgrund dar (§ 83 Nr. 2 ZVG). Nach Ansicht des OLG Karlsruhe soll das Unterbleiben von Einzelausgeboten aber trotz eines unterbliebenen Verzichts nach § 63 Abs. 4 ZVG dann unbeachtlich sein, wenn die Verweigerung der Verzichtserklärung rechtsmissbräuchlich war, da es dem Schuldner oder auch anderen Beteiligten nur um eine Verschleppung oder Vereitelung des Versteigerungsverfahrens gegangen sei.321 Es stößt auf Bedenken, sich über eine fehlende Verzichtserklärung unter Berufung auf Rechtsmissbrauch hinwegzusetzen. Wird die Zustimmung zum Verzicht auf Einzelausgebote verweigert, so entfällt dadurch nicht die Möglichkeit eines Gesamtausgebots. Die Grundstücke oder Bruchteile müssen nur zusätzlich auch einzeln ausgeboten werden. Das Gesetz sieht dies sogar als Regelfall vor und verlangt keine Begründung für eine Verweigerung des Verzichts.322 Dem Vorrang von Einzelausgeboten liegt die Vorstellung zugrunde, dass dadurch eine bestmögliche Verwertung erzielt werden könne.323 Mit der Möglichkeit des Verzichts auf Einzelausgebote soll das Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden.324 Hinzu kommt die Erwartung eines höheren Bietinteresses, wenn eine wirtschaftlich zusammenhängende Einheit im Ganzen versteigert wird.325 Verweigert nun ein Beteiligter die Verzichtserklärung aus missbräuchlichen Grün317 BGH NJW-RR 2009, 158; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 63 Rn. 7; Stöber, § 63 Rn. 1.4. 318 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 63 Rn. 11. 319 Vgl. § 9 ZVG. 320 BGH NJW-RR 2009, 158. 321 OLG Karlsruhe Rpfleger 1994, 376, 377; zustimmend Böttcher, § 63 Rn. 3; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 63 Rn. 9; Ertle, Rpfleger 2003, 14, 17; Hk-ZV/Stumpe, § 63 ZVG Rn. 26; a. A. Stöber, § 63 Rn. 2.6; offenlassend BGH NJW-RR 2009, 158, 159; OLG Jena Rpfleger 2000, 509. 322 Stöber, § 63 Rn. 2.6. 323 BGH NJW-RR 2003, 1077, 1078; 2009, 158; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 63 Rn. 2. 324 BT-Drs. 13/9438, S. 9. 325 BGH NJW 2003, 1077, 1078; 2009, 158; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 63 Rn. 3.
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den, so lassen sich die gesetzgeberischen Ziele zumindest in der Theorie gleichwohl noch erreichen, da das Verfahren schlicht wie im Regelfall abläuft. Die gesetzgeberische Wertung, dass es grundsätzlich zu Einzelausgeboten kommen soll, darf nicht über § 242 BGB umgangen werden. Der Chance auf eine bessere Verwertung wird der höhere Stellenwert beigemessen als der Verfahrensbeschleunigung. Eine Heranziehung des Verbots missbräuchlicher Rechtsausübung wirft auch dogmatische Fragen auf. Sich über die fehlende Verzichtserklärung hinwegzusetzen, würde letztlich nämlich bedeuten, aus § 242 BGB einen Anspruch auf Abgabe der Erklärung herzuleiten. Die Generalklausel dient aber in erster Linie als eine Schranke der Rechtsausübung, hat also Abwehrcharakter. Eine anspruchsbegründende Wirkungsweise wird nur in eng begrenzten Ausnahmefällen befürwortet.326 Die hier zu beurteilende Konstellation lässt sich damit nicht vergleichen.
B. Gläubiger Der Gläubiger hat naturgemäß kein Interesse daran, dass es zu einer Vereitelung oder Verzögerung der Vollstreckung kommt. Im Zwangsversteigerungsverfahren sind aber Fälle zu beobachten, in denen konkurrierende Gläubiger versuchen, das Verfahren beispielsweise wegen noch laufender Verhandlungen mit dem Schuldner zu verzögern oder ausnahmsweise im Interesse des Schuldners eine Versteigerung noch zu verhindern, weil eine persönliche Bindung zum Schuldner, etwa als Ehepartner, existiert. I. Einstellungsbewilligung zur Verfahrensverzögerung 1. Wiederholte Einstellungsbewilligung im Zwangsversteigerungsverfahren Nach § 30 Abs. 1 ZVG kann der Gläubiger bis zu dreimal einstweilig die Einstellung des Verfahrens bewilligen. Der Gläubiger hat daher die Möglichkeit, auf diese Weise das Verfahren in die Länge zu ziehen und zeitweise zu blockieren. Es stellt sich die Frage, wann von einem missbräuchlichen Gebrauch des Rechts zur Einstellungsbewilligung auszugehen ist. Das OLG Celle327 hatte einen Fall zu beurteilen, in dem die bestrangig betreibende Gläubigerin wegen einer Forderung von 207,07 DM zum wiederholten Mal die Einstellung der Zwangsversteigerung eines Grundstücks mit einem Ver-
326 So wird insbesondere von der Rechtsprechung in Extremfällen eine anspruchsbegründende Wirkung bei der treuwidrigen Berufung auf einen Formmangel angenommen (vgl. z. B. BGH NJW 1998, 2350, 2352; 2004, 3330, 3331) oder ein Anspruch auf Einwilligung in eine Vertragsaufhebung konstruiert (vgl. BGH NJW 1997, 2878 f.). 327 OLG Celle WM 1987, 1438 f.
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kehrswert von 780.000 DM bewilligte. Das Gericht sah kein berechtigtes Interesse der Gläubigerin für ihre Rechtsausübung und beurteilte die zweite Einstellungsbewilligung als rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam. Im Wesentlichen wurde damit argumentiert, dass die starke Stellung des bestrangigen Gläubigers gerade vor dem Hintergrund der hohen Diskrepanz zwischen Forderungshöhe und Verkehrswert des Grundstücks nicht dazu führen dürfe, dass er das Verfahren kontrollieren und letztlich blockieren könne. Für die nachrangigen Gläubiger bestehe die Gefahr, mit ihren Forderungen auszufallen, wenn in einem späteren Termin geringere Gebote abgegeben würden. Ob in diesem Fall eine missbräuchliche Rechtsausübung vorliegt, lässt sich nur mit einem Blick auf den hinter der Regelung in § 30 Abs. 1 ZVG stehenden Zweck beantworten.328 Die Norm versucht, Gläubiger- und Schuldnerinteressen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.329 Einerseits kann der Gläubiger über den Fortgang des Verfahrens disponieren, andererseits ist die Anzahl möglicher verfahrenseinstellender Bewilligungen limitiert. Aus Sicht des Schuldners ist eine Einstellung regelmäßig vorteilhaft, weil er nochmals die Möglichkeit bekommt, die Zwangsversteigerung abzuwenden.330 Für nachrangige Gläubiger mag eine Einstellung bisweilen nachteilig sein, wenn es für sie vorerst nicht zu einer (zumindest teilweisen) Befriedigung aus dem Versteigerungserlös kommt. Diese aus der nachrangigen Stellung resultierenden Nachteile sind aber hinzunehmen und können nicht über das Verbot des Rechtsmissbrauchs korrigiert werden.331 Der Entscheidung des OLG Celle kann vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden. Auch wenn die Forderung, wegen der die Gläubigerin die Vollstreckung betreibt, völlig außer Verhältnis zum Verkehrswert des Objekts steht, so lässt sich dies nicht als Argument heranziehen, die durch § 30 Abs. 1 ZVG begründete Position der Gläubigerin einzuschränken. Der Gläubiger soll das Verfahren wiederholt einstellen lassen können, ohne dass er dafür eine Begründung oder ein besonderes Interesse vorweisen muss. Der nachrangig betreibende Gläubiger kann die Verfahrensherrschaft des bestrangig betreibenden Gläubigers auch beenden, indem er ihn nach § 268 BGB befriedigt. Es kommt nicht darauf an, ob die Ablösung dadurch motiviert ist, so einen Rechtsverlust zu verhindern, oder der ablösende Gläubiger nur selbst in die Lage kommen will, die Vollstreckung weiter betreiben zu können.332 328
So auch Kirsch, Rpfleger 2006, 373, 376. LG Bonn Rpfleger 2001, 365, 366; LG Erfurt Rpfleger 2005, 375. 330 OLG Schleswig KTS 1973, 272, 273 mit zust. Anm. Mohrbutter; Drischler, KTS 1975, 283, 284 f.; Stöber, § 30 Rn. 2.15. 331 OLG Schleswig KTS 1973, 272, 273; Böttcher, § 30 Rn. 14; Hk-ZV/Noethen, § 30 ZVG Rn. 18; Stöber, § 30 Rn. 2.15; so im Grundsatz auch, im konkreten Fall aber wohl Rechtsmissbrauch bejahend Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 30 Rn. 12 Fn. 19. 332 Staudinger/Bittner, § 268 Rn. 11; vgl. auch BGH NJW 1994, 1475; NJW-RR 2010, 1314, 1315. 329
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2. Wiederholte Einstellungsbewilligung im Teilungsversteigerungsverfahren Nach Ansicht des LG Braunschweig333 kann der Antragsteller im Teilungsversteigerungsverfahren rechtsmissbräuchlich handeln, wenn er zum wiederholten Mal eine Einstellung nach dem Ende des Versteigerungstermins und vor Verkündung der Zuschlagsentscheidung bewilligt, obwohl ein deutlich über dem Verkehrswert des Grundstücks liegendes Meistgebot334 abgegeben worden ist und auch kein nachvollziehbares Interesse für die späte Einstellungsbewilligung vorgebracht werden kann. Das Verfahren der Teilungsversteigerung unterscheidet sich vom normalen Zwangsversteigerungsverfahren dadurch, dass es weder einen Gläubiger noch einen Schuldner gibt, sondern ein im Gesamteigentum stehender Vermögensgegenstand versteigert wird. Das Verfahren läuft mit einigen Besonderheiten aber nach den Regeln des Zwangsversteigerungsgesetzes ab, da es um die Durchsetzung des Anspruchs auf Auseinandersetzung der Gemeinschaft geht.335 Nach § 180 Abs. 1 ZVG gilt auch im Verfahren der Teilungsversteigerung § 30 ZVG. Wie soeben dargestellt worden ist, hat der Gesetzgeber mit der Regelung in § 30 Abs. 1 ZVG eine Interessenabwägung vorgenommen, wonach der betreibende Gläubiger die Einstellung des Verfahrens zweimal ohne eine besondere Begründung oder das Vorbringen eines nachvollziehbaren Interesses bewilligen kann.336 Für den Antragsteller bei der Teilungsversteigerung gilt nichts anderes. Soweit das LG Braunschweig für die Begründung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben auf das wiederholte Bewilligen der Einstellung durch den Antragsteller abstellt, ist dies kein tauglicher Anknüpfungspunkt. Das Gesetz ermöglicht diese Verfahrensweise gerade. Auch der „späte“ Zeitpunkt der Einstellungsbewilligung kann nicht als Argument herangezogen werden. Der Antragsteller kann damit bis zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung warten (vgl. § 180 Abs. 1 i.V. m. § 33 ZVG). Vorher ist auf Seiten der anderen Miteigentümer und Beteiligten auch noch keine gesicherte Rechtsposition erlangt worden, die es rechtfertigen könnte, den späten Zeitpunkt der Einstellungsbewilligung als missbräuchlich erscheinen zu lassen. Daran ändert auch das weit über dem Verkehrswert liegende Meistgebot des Antragstellers nichts. Die Entscheidung des LG Braunschweig ist daher abzulehnen.337
333 LG Braunschweig Rpfleger 1998, 482 ff. Die erstmalige Einstellungsbewilligung hatte die Kammer noch als zulässige Rechtsausübung gewertet (LG Braunschweig Rpfleger 1998, 256, 257). 334 Im konkreten Fall überstieg das Meistgebot den festgesetzten Verkehrswert um 566.000 DM. 335 Stöber, § 180 Rn. 6.2. 336 Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 30 Rn. 3; Stöber, § 30 Rn. 2.3. 337 A. A. Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 180 Rn. 79.
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II. Missbräuchliches Verlangen nach Feststellung abweichender Versteigerungsbedingungen Nach § 59 Abs. 1 S. 1 ZVG kann jeder Beteiligte des Zwangsversteigerungsverfahrens (§ 9 ZVG) spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Feststellung des geringsten Gebots und der Versteigerungsbedingungen verlangen. Solche Anträge stellen Gläubiger, unter Umständen aber auch der Schuldner mitunter nur deshalb, um das Verfahren undurchsichtig zu machen und die Vollstreckung zu verzögern, denn Versteigerungstermine verlaufen dann häufig ergebnislos, weil die Bietinteressenten verunsichert sind.338 Das LG Oldenburg bewertete aus diesem Grund den Antrag eines Gläubigers sogar als schikanöse Rechtsausübung, weil er damit bis zum Versteigerungstermin gewartet hatte, obwohl der Rechtspfleger vorab wegen einer komplizierten Rechtslage gem. § 62 ZVG einen Erörterungstermin zur Stellung entsprechender Anträge anberaumt hatte.339 Auch wenn die Annahme von Schikane wegen des von § 226 BGB vorausgesetzten ausschließlichen Schädigungszwecks schwer begründbar ist, verdient die Entscheidung gestützt auf das Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung nach § 242 BGB im Grundsatz Zustimmung.340 Verzichtet der Gläubiger auf die Teilnahme an einem eigens anberaumten Erörterungstermin oder stellt er dort keinen Antrag nach § 59 Abs. 1 S. 1 ZVG jeweils in dem Bewusstsein, durch eine spätere Antragstellung das Verfahren verzögern zu können, so handelt er dem gesetzlichen Zweck der Norm zuwider und verhält sich treuwidrig. Die Vorschrift dient nämlich dazu, das Verfahren flexibel gestalten zu können, um im Interesse der Beteiligten die Bieterkonkurrenz zu fördern und letztlich eine bestmögliche Verwertung des Versteigerungsobjekts zu erreichen.341 Missbrauch ist aber abzulehnen, wenn es berechtigte Gründe gibt, weshalb ein Beteiligter den Erörterungstermin nicht wahrgenommen hat, oder sich zwischenzeitlich Veränderungen ergeben haben, die einen Antrag auf abweichende Feststellung der Versteigerungsbedingungen erst im Versteigerungstermin rechtfertigen. Einem missbräuchlichen Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weshalb er zurückzuweisen ist. Durch Anträge nach § 59 Abs. 1 S. 1 ZVG kann es auch noch in anderer Weise zu Verwirrung und damit einer Verschleppung des Verfahrens kommen. Steht nicht fest, ob durch die geforderte Abweichung das Recht eines anderen Beteiligten beeinträchtigt wird, muss das Grundstück nach § 59 Abs. 2 ZVG doppelt ausgeboten werden. Das können Gläubiger oder der Schuldner sich zunutze machen, 338
Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 59 Rn. 1, 7. LG Oldenburg Rpfleger 1976, 225. 340 Ebenfalls zustimmend Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 59 Rn. 8; Ertle, Rpfleger 2003, 14, 17; Schiffhauer, Rpfleger 1986, 326, 328. 341 Böttcher, § 59 Rn. 1; Hk-ZV/Stumpe, § 59 ZVG Rn. 2. 339
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um das Verfahren undurchsichtig werden zu lassen.342 Da aber nicht jedes taktische Vorgehen und Ausnutzen einer besseren Kenntnis der Verfahrensrechte als missbräuchlich und damit unzulässig angesehen werden darf, ist insoweit Zurückhaltung mit einer Heranziehung von § 242 BGB geboten. In erster Linie ist es nämlich Sache der beteiligten Akteure, sich über ihre Rechte zu informieren und Unsicherheiten durch die Einholung fachkundigen Rats auszuräumen. III. Selektive Grundpfandrechtsablösung zur Verhinderung der Zwangsversteigerung Die Rechtsprechung hat die Frage beschäftigt, ob ein nachrangiger Gläubiger sich rechtsmissbräuchlich verhält, wenn er selektiv nur das Recht mit dem besten Rang, aus dem ein anderer Gläubiger die Zwangsversteigerung betreibt, ablöst und anschließend das Verfahren einstweilen einstellen lässt, um den Schuldner vor einer Versteigerung des Grundstücks zu bewahren.343 Im konkreten Fall wurde für das Grundstück mit einem festgesetzten Verkehrswert von 2,8 Mio. Euro ein Meistgebot in Höhe von 2,1 Mio. Euro abgegeben. Für die Zuschlagsentscheidung beraumte das Vollstreckungsgericht einen Verkündungstermin an, da der Schuldner vortrug, in Verhandlungen mit einem Kreditgeber zu stehen. In der Zwischenzeit ließ die Ehefrau des Schuldners eine nachrangige Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eintragen. Gegenüber dem bestrangigen Gläubiger, der die Versteigerung aus insgesamt drei Grundpfandrechten betrieb, löste sie selektiv nur die Grundschuld mit dem besten Rang ab und meldete ihre Ansprüche aus diesem Recht und der Zwangssicherungshypothek an. Anschließend beantragte sie die einstweilige Einstellung, um eine Zuschlagsversagung nach § 33 ZVG zu erreichen. Der Gläubiger ist berechtigt, bis zur Zuschlagsentscheidung auch aus einem nach der Beschlagnahme des Grundstücks bestellten Recht noch die Ablösung nach § 268 BGB zu betreiben.344 Deshalb war die Ehefrau des Schuldners also formal ablöseberechtigt. Dass sie mit ihrer Vorgehensweise in erster Linie die Zwangsversteigerung verhindern wollte, hält der V. Zivilsenat zu Recht nicht für missbräuchlich.345 Der ablösende Gläubiger verfolgt gerade das berechtigte Ziel, eine Verwertung des Grundstücks zu verhindern, um einem möglicherweise eintretenden Ausfall mit dem eigenen Recht entgegenzuwirken.346 Auch gegen die selektive Ablösung nur des Grundpfandrechts mit dem besten Rang kann nichts eingewandt werden; es lässt sich nämlich weder aus § 268 Abs. 3 S. 2 BGB noch 342
Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 59 Rn. 7. BGH NJW-RR 2010, 1314 ff. 344 BGH NJW-RR 2007, 165, 166; 2010, 1314 Rz. 11. 345 BGH NJW-RR 2010, 1314 Rz. 11 ff.; ebenfalls zustimmend Böttcher, § 75 Rn. 18a; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 75 Rn. 30. 346 BGH NJW-RR 2010, 1314 Rz. 12. 343
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aus dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Pflicht des ablösenden Gläubigers herleiten, alle Rechte abzulösen, aus denen der abgelöste Gläubiger die Zwangsversteigerung betreibt.347 Schließlich ist auch unerheblich, dass so ein hohes und damit günstiges Meistgebot hinfällig geworden ist. Der abgelöste Gläubiger ist wegen seines bestrangigen Rechts befriedigt worden. Aus den anderen Rechten kann er die Versteigerung ohne Beschränkung weiterbetreiben, da sich die einstweilige Einstellung des nunmehr bestrangigen Gläubigers lediglich auf die Betreibung aus dem bestrangigen Recht bezieht.348 Die Ehefrau des Schuldners hat von den Regelungsinstrumenten des ZVG zu Gunsten des Schuldners, aber auch in ihrem eigenen Interesse in taktisch kluger Weise Gebrauch gemacht. Missbräuchlich ist dieses Vorgehen deshalb aber nicht. Dem abgelösten Gläubiger stand es außerdem frei, seine Rechtsstellung dadurch zu sichern, dass er seine bestrangige Grundschuld von der Ehefrau des Schuldners unmittelbar rückabgelöst hätte.349 Eine Rückablösung kann zum Beispiel durch eine Rücküberweisung des Ablösungsbetrags erfolgen. Ein solches Vorgehen ist aber nur so lange möglich, wie aus dem abgelösten Recht noch die Zwangsvollstreckung betrieben wird. Es darf also noch nicht zu einer einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens gekommen sein.350
C. Dritte I. Missbräuchliche Drittwiderspruchsklage Mit der Widerspruchsklage (§ 771 ZPO) kann sich ein Dritter gegen die Vollstreckung in einen Gegenstand zur Wehr setzen, an dem ihm ein die Veräußerung hinderndes Recht zusteht. Mit dem Erfolg der Klage wird die Vollstreckung in den konkreten Gegenstand für unzulässig erklärt.351 Dadurch kann dieser Rechtsbehelf durch den Dritten aber auch zu dem Zweck gebraucht werden, das Vollstreckungsverfahren zu vereiteln. Es lassen sich verschiedene Fallgestaltungen unterscheiden, in denen an eine unzulässige Rechtsausübung des Dritten zu denken ist. 1. Ausnutzen einer rein formalen Rechtsposition Macht der Dritte ein rein formal bestehendes Interventionsrecht geltend, an dessen Verteidigung er aber kein schutzwürdiges Interesse (mehr) hat, so ist die347
BGH NJW-RR 2010, 1314 Rz. 12; 2012, 87 Rz. 16. Bei der Betreibung der Zwangsversteigerung aus mehreren Rechten durch einen Gläubiger handelt es sich jeweils um selbstständige Verfahren, vgl. BGH NJW-RR 2010, 1314 Rz. 13; 2012, 87 Rz. 15. Vgl. zur Selbstständigkeit der Verfahren bei der Betreibung durch mehrere Gläubiger BGH NJW 2009, 81, 82. 349 Da diese Frage im entschiedenen Fall nicht geklärt war, hat der BGH die Sache an das Beschwerdegericht zurückverwiesen (BGH NJW-RR 2010, 1314 Rz. 13 ff.). 350 BGH NJW-RR 2010, 1314 Rz. 15; Palandt/Grüneberg, § 268 Rn. 2. 351 Brox/Walker, ZVR, Rn. 1445; Musielak/Voit/Lackmann, § 771 Rn. 35. 348
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ses Verhalten missbräuchlich.352 Das kann beispielsweise in bestimmten Fällen für den Sicherungseigentümer gelten. Beruft sich der Dritte auf sein Sicherungseigentum an der Sache, in die der Gläubiger vollstreckt, so kann er sich dagegen nach herrschender Meinung mit der Klage aus § 771 ZPO zur Wehr setzen.353 Der Dritte handelt dann aber missbräuchlich, wenn seine Forderung gegen den Schuldner, derentwegen er das Eigentum zur Sicherheit übereignet bekommen hat, befriedigt ist, da er zumindest schuldrechtlich zur Rückübereignung verpflichtet ist, wenn die Übereignung nicht auflösend bedingt war.354 In gleicher Weise missbräuchlich verhält sich der Dritte, wenn er die vom Gläubiger angebotene Zahlung zur Erfüllung der Restforderung gegenüber dem Schuldner zurückweist.355 Der Gläubiger sollte aber den Rückübereignungsanspruch des Schuldners gegen den Dritten gepfändet haben.356 Andernfalls setzt er sich der Gefahr aus, dass der Dritte nach einem Widerspruch des Schuldners die Annahme der Leistung in berechtigter Weise verweigert (vgl. § 267 Abs. 2 BGB). Außerdem kann der Dritte eine vorzeitige Leistung zurückweisen, wenn damit ein Nachteil für ihn verbunden wäre, wie es beispielsweise auf einen verzinslichen Darlehensrückzahlungsanspruch zutrifft, wenn im Darlehensvertrag keine Vorfälligkeitsentschädigung vorgesehen ist.357 2. Berufen auf durch unerlaubte Handlung erworbenes Interventionsrecht Rechtsmissbrauch wird ebenfalls angenommen, wenn der Dritte sein Interventionsrecht durch eine unerlaubte Handlung erworben hat.358 Eine Literaturmeinung will dem Dritten die Berufung auf sein Interventionsrecht aber erst versagen, wenn ein Fall von § 826 BGB vorliegt.359 Im Ergebnis ist es berechtigt, die Drittwiderspruchsklage abzuweisen, wenn der Dritte sich das Interventionsrecht zum Beispiel durch Täuschung erschlichen hat. Dann fehlt ihm ein schutzwürdi352
Brox/Walker, ZVR, Rn. 1442; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 46. Vgl. nur Brox/Walker, ZVR, Rn. 1417 m.w. N.; zur Gegenansicht, die die Vorzugsklage (§ 805 ZPO) für einschlägig erachtet, MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 29 m.w. N. 354 BGH NJW 1987, 1880, 1882; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 151; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 46; Stein/Jonas/Münzberg, § 771 Rn. 58; Walker, FS Stürner, 829, 843. 355 OLG Celle NJW 1960, 2196; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 46.18; BLAH/Hartmann, § 771 Rn. 10; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1442; Büchler, S. 76; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 151; Walker, FS Stürner, 829, 843. 356 So lag der Fall auch bei OLG Celle NJW 1960, 2196; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 46.18; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 151; Stein/Jonas/Münzberg, § 771 Rn. 58. 357 Vgl. Büchler, S. 77; Stein/Jonas/Münzberg, § 771 Rn. 58. 358 Brox/Walker, ZVR, Rn. 1442; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 46; Walker, FS Stürner, 829, 842. 359 So auch MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 51. 353
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ges Interesse an der Verteidigung seiner formalen Rechtsposition. So wie das Vollstreckungsrecht den Pfändungsschutz des Schuldners beschränkt, wenn die Forderung des Gläubigers auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht (§ 850f Abs. 2 ZPO), so sollte auch die Abweisung der Widerspruchsklage wegen Missbrauchs ein vorsätzliches Verhalten des Dritten erfordern, aber nicht unbedingt eine sittenwidrige Schädigung. Hat der Schuldner in kollusivem Zusammenwirken mit einem Dritten diesem Gegenstände übereignet, um sie dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers zu entziehen, so ist die Klage des Dritten aus § 771 ZPO nicht wegen Rechtsmissbrauchs abzuweisen. Vielmehr ist in diesem Fall vorrangig zu prüfen, ob die Rechtshandlung nach dem AnfG anfechtbar ist, was der Gläubiger dem Dritten auch einredeweise nach § 9 AnfG entgegenhalten kann.360 Bereits an einem wirksam erworbenen Interventionsrecht fehlt es, wenn der Eigentumserwerb wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, so dass auch in diesen Fällen nicht auf § 242 BGB zurückgegriffen werden muss.361 3. Gegenständliche Haftung des Vollstreckungsgegenstands oder persönliche Mithaftung des Dritten für die Vollstreckungsforderung Neben den Fällen eines nur formal bestehenden Interventionsrechts kommt eine Beschränkung der Widerspruchsklage auch in Betracht, wenn der Gläubiger ein Recht an dem Vollstreckungsgegenstand hat, das dem Interventionsrecht des Dritten vorgeht, oder der Dritte neben dem Schuldner persönlich für die Vollstreckungsforderung haftet. Es geht also um Fälle einer gegenständlichen oder schuldrechtlichen Mithaftung.362 a) Fallgestaltungen aa) Bessere Rechtsstellung des Gläubigers am Vollstreckungsobjekt Ist der Gläubiger Inhaber eines dem Recht des Dritten vorgehenden Rechts an dem Vollstreckungsgegenstand, so haftet der Gegenstand für die Vollstreckungsforderung, und der Dritte ist materiell-rechtlich zur Duldung der Vollstreckung verpflichtet.363 Das gilt zum Beispiel für die Vollstreckung eines Hypotheken360
MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 51. Brox/Walker, ZVR, Rn. 1432; Zöller/Herget, § 771 Rn. 15. 362 In dieser Form differenzierend MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 48 f. 363 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 46.18; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1436; BLAH/Hartmann, § 771 Rn. 10; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 149; MüKoZPO/K. Schmidt/ Brinkmann, § 771 Rn. 48; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 38; Stein/Jonas/Münzberg, § 771 Rn. 57; Zöller/Herget, § 771 Rn. 15. 361
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gläubigers in Mietzinsansprüche des Grundstückseigentümers, wenn ein im Grundbuch an schlechterer Rangstelle eingetragener Nießbraucher Widerspruchsklage erhebt.364 Ebenso verhält es sich bei einem Sicherungseigentümer, der das Eigentum mit einem Verpächterpfandrecht belastet erworben hat und sich nun gegen die Vollstreckung wehrt.365 Schließlich ist ein Dritter, dem ein Zubehörgegenstand zur Sicherheit übereignet worden ist, zur Duldung der Vollstreckung verpflichtet, wenn der Gegenstand dem Haftungsverband einer Hypothek unterfällt (§ 1120 BGB) und deshalb belastet ist.366 In diesen Fällen soll der Gläubiger dem Dritten dessen Duldungspflicht nach § 242 BGB entgegenhalten können.367 bb) Mithaftung des Dritten Eine Abweisung der Drittwiderspruchsklage nach § 242 BGB wird auch diskutiert, wenn der Dritte für die titulierte Forderung neben dem Schulder persönlich haftet.368 So muss etwa der selbstschuldnerisch haftende Bürge nach § 765 Abs. 1 S. 1 BGB auch für die Hauptschuld einstehen, der persönlich haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft ist nach §§ 128 S. 1, 161 Abs. 2 HGB akzessorisch für die Gesellschaftsschulden verantwortlich, und bei einem Gesamtschuldverhältnis zwischen Schuldner und Drittem haftet der Dritte ebenfalls für die titulierte Forderung.369 cc) Wirtschaftliche Identität? Schließlich werden in diesem Zusammenhang auch Fälle einer wirtschaftlichen Identität zwischen dem Dritten und dem Schuldner diskutiert. So soll beispielsweise einer Einmann-GmbH die Klage aus § 771 ZPO verwehrt sein, wenn der gepfändete Gegenstand wirtschaftlich dem Vermögen des Alleingesellschafters zuzuordnen ist.370 Diese Auffassung ist abzulehnen, da das Vermögen der Gesell364
RGZ 81, 146, 150 f. RGZ 143, 275, 277 f. 366 OLG Hamm NJW-RR 1986, 376, 377. 367 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 46.18; Brox/Walker, ZVR, Rn. 1436; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 41 Rn. 149; Walker, FS Stürner, 829, 843; Zöller/Herget, § 771 Rn. 15. Nach a. A. (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 48) soll in diesen Fällen nicht auf § 242 BGB zurückgegriffen werden müssen, wenn man die Widerspruchsklage als ein Instrument zur Abwehr eines Eingriffs des Gläubigers in ein Recht des Dritten begreife. Es fehle nämlich an einem solchen Eingriff, wenn das Recht des Dritten mit dem gläubigereigenen Recht belastet oder nur nachrangig ist. 368 Vgl. nur Brox/Walker, ZVR, Rn. 1437 ff.; Hk-ZV/Handke, § 771 Rn. 37; Musielak/Voit/Lackmann, § 771 Rn. 33; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 40 ff. 369 Zu diesen und weiteren Beispielen Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 41 ff.; Stein/Jonas/Münzberg, § 771 Rn. 61. 370 OLG Hamm NJW 1977, 1159; zustimmend Baur/Stürner/Bruns, Rn. 46.5; Geißler, NJW 1985, 1865, 1870. 365
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schaft und das des Alleingesellschafters getrennte Vermögensmassen bilden.371 Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Alleingesellschafter gerade auch persönlich für die Gesellschaftsschuld mithaftet oder er sein Recht dadurch missbräuchlich ausübt, dass er sich in widersprüchlicher Weise auf sein Eigentum beruft, obwohl er noch kurz zuvor behauptet hat, die Gesellschaft sei Eigentümerin der gepfändeten Sache.372 Allein mit wirtschaftlicher Identität lässt sich aber kein Rechtsmissbrauch begründen. b) Problem der titellosen Inanspruchnahme Das wesentliche Problem der aufgezeigten Fälle ist darin zu sehen, dass bei einem besseren Recht des Gläubigers am Vollstreckungsgegenstand kein Duldungstitel gegen den Dritten vorliegt, und es bei einer persönlichen Mithaftung des Dritten an einem Zahlungstitel diesem gegenüber fehlt. Es findet also eine titellose Inanspruchnahme des Dritten statt. Vor allem die Fälle der persönlichen Haftung des Dritten werden deshalb kritisch gesehen.373 Die Mithaftung des Dritten knüpft insoweit nämlich nicht am Vollstreckungsgegenstand an, sondern die Person des Dritten soll mit ihrem Vermögen zusätzlich zum Schuldner für die Vollstreckungsforderung einstehen.374 Der Dritte hat nicht nur den Vollstreckungszugriff auf das Haftungsobjekt zu dulden, sondern die Haftung wird auf das Vermögen des Dritten erstreckt, als dessen Teil das konkrete Zugriffsobjekt anzusehen ist, ohne dass der Gläubiger einen Titel gegen den Dritten vorweisen könnte. Hinzu kommt bei der Inanspruchnahme eines persönlich haftenden Gesellschafters, dass nach § 129 Abs. 4 HGB aus einem gegen die Gesellschaft gerichteten Titel gegen die Gesellschafter nicht vollstreckt werden darf. Gleichwohl geht die herrschende Meinung zu Recht davon aus, dass der Dritte auch ohne das Vorliegen eines gegen ihn gerichteten Vollstreckungstitels mit seiner Widerspruchsklage keinen Erfolg hat.375 Rechtfertigen lässt sich diese Ansicht damit, dass der Gläubiger auch eine Widerklage erheben könnte, die Abweisung der Drittwiderspruchsklage nach § 242 BGB aber prozessökonomischer 371 BGH NJW 2004, 217, 218; Büchler, S. 83; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 50; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 44. 372 Hk-ZV/Handke, § 771 Rn. 38; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 50 f. 373 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 46.20; Büchler, S. 92 ff.; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 49; Stein/Jonas/Münzberg, § 771 Rn. 59; Zöller/Herget, § 771 Rn. 15. 374 Büchler, S. 87 f. 375 BGH, Urt. v. 1.6.1953 – IV ZR 196/52, LM § 771 ZPO Nr. 2; NJW 1981, 1835, 1836 (noch zur Vermögensübernahme nach § 419 BGB a. F.); Brox/Walker, ZVR, Rn. 1437 ff.; BLAH/Hartmann, § 771 Rn. 10; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 152 ff.; Hk-ZV/Handke, § 771 Rn. 37; Musielak/Voit/Lackmann, § 771 Rn. 33; PG/Scheuch, § 771 Rn. 39; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 40 ff.; Walker, FS Stürner, 829, 843; mit gewissen Einschränkungen im Ergebnis auch Büchler, S. 92 ff.; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 49; Stein/Jonas/Münzberg, § 771 Rn. 59; Zöller/Herget, § 771 Rn. 15.
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ist.376 Mit der Klage nach § 771 ZPO hat sich der Dritte gerade auf die Ebene einer materiell-rechtlichen Auseinandersetzung begeben, so dass er sich im Grundsatz auch die Mithaftung entgegenhalten lassen muss.377 § 129 Abs. 4 HGB hat die aktive Vollstreckung aus einem gegen die Gesellschaft gerichteten Titel im Blick und steht einer Verteidigung gegen die Klage aus § 771 ZPO deshalb nicht im Weg.378 Es besteht auch ein Unterschied zu Vollstreckungsmaßnahmen durch den Gerichtsvollzieher, die nach hier vertretener Auffassung ohne einen Titel gegen die in Anspruch genommene Person nicht unter Berufung auf § 242 BGB zuzulassen sind.379 Im Verfahren der Drittwiderspruchsklage ist das Prozessgericht mit der Prüfung der materiell-rechtlichen Lage befasst und kann auf der Grundlage einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung eine Entscheidung treffen, wohingegen sich der Gerichtsvollzieher am Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen orientieren muss. Außerdem geht es in den hier zu beurteilenden Fällen nicht um einen gezielten Vollstreckungseingriff gegenüber dem Dritten. Das Vollstreckungsorgan greift vielmehr im Rahmen der Vollstreckung gegen den Schuldner und auf der Grundlage des gegen diesen gerichteten Titels auf einen Vermögensgegenstand des Dritten zu. Nimmt man die Rechtsposition des Dritten näher in den Blick, so erleidet dieser auch keine Nachteile, da ihm die prozessualen Garantien erhalten bleiben und sich auch an der Verteilung der Beweislast nichts ändert.380 Ebenfalls für die Zulässigkeit einer titellosen Inanspruchnahme des Dritten spricht die Gefahr, dass bei einer erfolgreichen Widerspruchsklage der gepfändete Vermögensgegenstand dem Vollstreckungszugriff entzogen werden kann und der Gläubiger dadurch einen Nachteil erleiden würde.381 c) Grenzen der berechtigten Inanspruchnahme des Dritten Gleichwohl sind der Abweisung der Drittwiderspruchsklage nach § 242 BGB auch Grenzen gezogen. So darf es zu keiner Rechtsschutzverkürzung zu Lasten des Dritten kommen, weil diesem beispielsweise ein spezieller Rechtsweg abgeschnitten wird.382 Es reicht auch nicht aus, dass der Gläubiger irgendeinen Anspruch gegen den Dritten hat, dieser muss vielmehr genau für die Vollstreckungs376
BGH NJW 1981, 1835, 1836. Brox/Walker, ZVR, Rn. 1438; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 154. 378 Büchler, S. 96 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 154. 379 Siehe dazu näher schon § 12 A. X. 3. b) und XI. 4. b). 380 Brox/Walker, ZVR, Rn. 1438; Stein/Jonas/Münzberg, § 771 Rn. 59. 381 BGH NJW 1981, 1835, 1836. 382 So aber im Fall des LG Düsseldorf DGVZ 2000, 87, 88 (Mithaftung des Gesellschafters für Steuerschuld der Gesellschaft nach § 69 AO, ohne dass gegen ihn ein Haftungsbescheid nach § 191 AO ergangen wäre, gegen den er sich hätte wehren können); zustimmend Musielak/Voit/Lackmann, § 771 Rn. 33; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 44; a. A. zu Recht Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 149; Stein/Jonas/ Münzberg, § 771 Rn. 59. 377
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
forderung mithaften.383 Die Widerspruchsklage kann dann nämlich nicht als missbräuchlich angesehen werden, und der Gläubiger ist auf den dafür vorgesehenen Weg der Widerklage zu verweisen. Selbst bei einem titulierten Anspruch gegen den Dritten darf nichts anderes gelten.384 Der Gläubiger muss in diesem Fall aus dem Titel, der sich gegen den Dritten richtet, die Vollstreckung gegen diesen betreiben und verdient auch mit Blick auf konkurrierende Gläubiger keine privilegierte Behandlung. II. Meistgebote in der Zwangsversteigerung ohne Zahlungswillen oder Zahlungsfähigkeit 1. Verfahrensverschleppung Erhält ein Bieter den Zuschlag, weil er Meistbietender war (§ 81 Abs. 1 ZVG), so hat er spätestens zum Verteilungstermin das Bargebot zu entrichten (§§ 49, 107 ZVG). Kommt der Ersteher des Grundstücks seiner Zahlungspflicht nicht nach, wird die Forderung gegen ihn auf die am Grundstück Berechtigten übertragen (§ 118 Abs. 1 ZVG). Ist der Ersteher nicht zahlungswillig oder zahlungsfähig, so wird der betreibende Gläubiger regelmäßig von seinem Wahlrecht Gebrauch machen müssen, das Grundstück erneut zwangsversteigern zu lassen (§§ 118 Abs. 2 S. 2, 133 ZVG). Da die Wiederversteigerung aber Zeit kostet, hat es der Meistbietende in der Hand, durch seine Vorgehensweise eine Verzögerung des Verfahrens herbeizuführen. Oft wird ein solches Verhalten auf eine Absprache mit dem Schuldner zurückgehen, der den Verlust des Grundstücks verhindern oder zumindest hinauszögern will. In diesen Fällen kommt eine Zurückweisung des Gebots als rechtsmissbräuchlich in Betracht, da der Bieter von seinem Recht in bewusst gesetzeswidriger Weise Gebrauch macht.385 Ein Verhalten, das allein die Verfahrensverschleppung beabsichtigt, ist mit der Gewährleistung einer effektiven Vollstreckung nicht zu vereinbaren. Der Rechtspfleger hat entsprechende Gebote daher gem. § 71 Abs. 1 ZVG wegen Verstoßes gegen § 242 BGB386 als unwirksam zurückzuweisen. 383 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, § 41 Rn. 150; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 49; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 40. 384 Büchler, S. 106 ff.; Schuschke/Walker/Raebel, § 771 Rn. 40; a. A. Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, § 41 Rn. 150 Fn. 536 385 LG Essen und OLG Hamm Rpfleger 1995, 34 f.; AG, LG und OLG Bremen Rpfleger 1999, 88 f.; OLG Koblenz Rpfleger 1999, 407, 408; OLG Nürnberg Rpfleger 1999, 87; LG Mainz JurBüro 2001, 214; LG Lüneburg Rpfleger 2007, 419, 420; AG Dortmund Rpfleger 1994, 119 mit zust. Anm. Stumpe; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 71 Rn. 14; Hk-ZV/Stumpe, § 71 ZVG Rn. 14; Stöber, § 71 Rn. 2.10; Walker, FS Stürner, 829, 844. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Betruges in diesen Fällen ablehnend BGH NJW 2016, 3383 ff.; anders aber OLG Rostock Rpfleger 2015, 160. 386 Vgl. BGH NJW 2007, 3279 Rz. 14; nach a. A. soll sich die Unwirksamkeit aus § 138 BGB (analog) ergeben LG Essen Rpfleger 1995, 34, 35; LG Mainz JurBüro 2001, 214; LG Lüneburg Rpfleger 2007, 419; Böttcher, § 71 Rn. 45.
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Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs darf sich aber nicht auf vage Vermutungen stützen und dem Bieter ist vor der Zurückweisung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, um dem Erfordernis rechtlichen Gehörs Genüge zu tun.387 In jedem Fall unzureichend ist allein die Tatsache, dass der Schuldner Meistbietender ist. Berechtigten Zweifeln an der Liquidität des Schuldners kann der Gläubiger nämlich durch einen Antrag auf Sicherheitsleistung gem. §§ 67 Abs. 1, 68 Abs. 3 ZVG begegnen.388 Stammt das Meistgebot von einem in das Schuldnerverzeichnis aufgenommenen Bieter (vgl. § 882c Abs. 1 ZPO), so sollte aber eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass auf das Gebot keine Zahlungen geleistet werden können, und deshalb Missbrauch vorliegt.389 Im Rahmen der Anhörung besteht für den Bieter die Möglichkeit, die Vermutung zu widerlegen, beispielsweise weil er für einen anderen geboten hat. Der Rechtspfleger kann seine Überzeugung von missbräuchlichem Verhalten auch unter Berücksichtigung anderer Verfahren gewinnen, wenn ein Bieter bereits mehrfach Meistgebote ohne Zahlungsbereitschaft abgegeben hat.390 2. Vorteilsverschaffung a) Urteil des OLG Celle vom 30.11.2011 Bieter ohne Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit beabsichtigen durch ihre Gebote vorrangig, das Verfahren zu verschleppen. Mit der Erteilung des Zuschlags sind aber auch Vorteile verbunden, da dem Ersteher zum Beispiel von dem Zuschlag an die Nutzungen des Grundstücks gebühren (§ 56 S. 2 ZVG). Es stellt sich dann die Frage, ob die insoweit erworbenen Rechte vom Ersteher auch ausgeübt werden können oder ihnen ebenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht. Das OLG Celle ist der Ansicht, dass einem Ersteher, der seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen will und kann, wegen des darin liegenden Rechtsmissbrauchs ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 56 S. 2 ZVG gegen Besitzer und Nutzer des Grundstücks verwehrt sei.391 Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass das Verhalten, auch wenn es in erster Linie die betreibenden Gläubiger beeinträchtige, dazu führe, dass sich der Ersteher ebenfalls Dritten gegenüber nicht auf die missbräuchlich erworbene Rechtsposition berufen könne. Mit dem Zuschlag erwibt der Ersteher das Eigentum am zugeschlagenen Grundstück (§ 90 Abs. 1 ZVG), so dass ihm konsequenterweise im Anschluss 387 OLG Nürnberg Rpfleger 1999, 87; LG Lüneburg Rpfleger 2007, 419, 420; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 71 Rn. 14; Stöber, § 71 Rn. 2.10. 388 Stöber, § 71 Rn. 2.10. 389 A. A. Stöber, § 71 Rn. 2.10. 390 LG Essen und OLG Hamm Rpfleger 1995, 34 f.; LG Mainz JurBüro 2001, 214; AG Dortmund Rpfleger 1994, 119, 120. 391 OLG Celle, Urt. v. 30.11.2011 – 4 U 52/11, BeckRS 2011, 27280.
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daran auch die Nutzungen des Grundstücks gebühren und er die Lasten der Immobilie zu tragen hat (§ 56 S. 2 ZVG). Hat der Ersteher nicht die Absicht oder ist er nicht in der Lage, auf sein Meistgebot Zahlungen vorzunehmen, so handelt er – wie soeben dargestellt wurde – rechtsmissbräuchlich und sein Gebot ist unwirksam. Das Gebot hätte deshalb nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückgewiesen werden müssen, und dem Meistbietenden hätte der Zuschlag nicht erteilt werden dürfen, weil es entweder noch andere Gebote gab und damit ein anderer Meistbietender war oder es keine anderen Gebote gab, so dass das Vollstreckungsgericht nach § 77 ZVG hätte verfahren müssen. Jedenfalls erging der Zuschlag an den Ersteher zu Unrecht. Darauf kommt es aber nicht an, wenn der Zuschlagsbeschluss rechtskräftig geworden ist, weil die Beschwerdeberechtigten ihn nicht rechtzeitig (vgl. § 98 ZVG) angefochten haben. Weder die Gläubiger noch die ebenfalls beschwerdeberechtigten Grundstücksnutzer (vgl. § 97 Abs. 1 i.V. m. § 9 Nr. 2 ZVG) haben sich gegen den Zuschlagsbeschluss mit einer Beschwerde zur Wehr gesetzt. In diesem Verfahren hätte die Missbräuchlichkeit des Gebots erfolgreich gerügt werden können. Dass eine Anfechtung unterblieben ist, geht letztlich zu Lasten der Beschwerdeberechtigten. Auch wenn das OLG Celle die Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses nicht unmittelbar missachtet, da es den Eigentumserwerb des Erstehers nicht wegen Rechtsmissbrauchs für unwirksam hält, so wird die Rechtskraft doch in der Weise ausgehöhlt, als die gesetzlich damit einhergehende Rechtsfolge des § 56 S. 2 ZVG nicht anerkannt wird. Es ist darüber hinaus aber auch nicht ersichtlich, weshalb die Nutzer des Grundstücks schutzwürdig sein sollten. Die mangelnde Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit des Erstehers beeinträchtigt nur die betreibenden Gläubiger. Für die Immobiliennutzer stellt sich die Situation nicht anders dar, als wenn ein wirksames Gebot abgegeben worden wäre. Dem Ersteher seinen Anspruch nur deshalb zu verweigern, weil er aus seinem missbräuchlichen Verhalten keine Vorteile ziehen soll, überzeugt so pauschal nicht. Die Konsequenz des rechtskräftigen Zuschlagsbeschlusses ist, dass der Ersteher zwar Rechte erworben hat, ihn gleichsam aber auch Pflichten treffen, da er zum Beispiel die Lasten des Grundstücks zu tragen hat. Für die Gläubiger, bei denen mangels Zahlung des Erstehers eine Befriedigung ihrer Ansprüche ausbleibt, richtet sich das weitere Verfahren nach § 118 ZVG, was in aller Regel zu einer Wiederversteigerung führen wird. Die Rechtsausübungsschranken haben nicht den Zweck, den missbräuchlich Handelnden pauschal zu bestrafen, indem ihm eine Rechtsposition aberkannt wird, obwohl auf der anderen Seite keine vorrangigen schutzwürdigen Interessen bestehen, die zum Gegenstand einer Abwägung gemacht werden müssen. Der Entscheidung des OLG Celle kann daher nicht gefolgt werden. b) Urteil des OLG Naumburg vom 16.1.2002 Anders gelagert ist der Fall, in dem sich ein Bieter in kollusivem Zusammenwirken mit dem Schuldner den Zuschlag zu einem sehr geringen Meistgebot da-
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durch verschaffte, dass zunächst der Schuldner das Grundstück ohne Zahlungsbereitschaft ersteigert hatte, so dass eine erneute Versteigerung stattfinden musste. Vor der Wiederversteigerung hatte der Schuldner dem Bieter noch Grundpfandrechte eingeräumt, damit der Bieter das Grundstück sodann wegen der Regelung in § 85a Abs. 3 ZVG erwerben konnte, ohne dass der Grenzwert in § 85a Abs. 1 ZVG beachtet werden musste. Das OLG Naumburg hat das Meistgebot des Bieters im Wiederversteigerungstermin für unwirksam gehalten, da er seine Rechtsposition missbräuchlich erworben habe.392 Dem ist zuzustimmen, da sich das Zusammenwirken des Schuldners und des Bieters als unzulässige Vorteilsverschaffung auf Kosten der anderen Verfahrensbeteiligten darstellt.393 Der Schuldner hat das Grundstück nur ersteigert, um eine Wiederversteigerung herbeizuführen, in der der Bieter dann das Grundstück wegen der ihm eingeräumten Grundpfandrechte als am Grundstück Berechtigter erheblich unter Wert ersteigern konnte. Das Vorgehen ist mit dem Zweck des Zwangsversteigerungsverfahrens unvereinbar. Der Fall ist insoweit auch anders gelagert als die zuvor dargestellte Entscheidung des OLG Celle. Dort ging es gerade um die Ausübung eines Rechts des Erstehers, das unmittelbar aus dem rechtskräftigen Zuschlagsbeschluss folgte. Hier ist dem Schuldner zwar auch rechtskräftig der Zuschlag erteilt worden, so dass die fehlende Zahlungsbereitschaft insoweit nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Es geht aber nicht um die Ausübung eines aus dem Zuschlag resultierenden Rechts. Entscheidend ist, dass der Schuldner einen Wiederversteigerungstermin erreichen wollte, damit dort der Meistbietende wegen der ihm zwischenzeitlich eingeräumten Grundpfandrechte den Zuschlag als ein zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigter und deshalb ohne die Begrenzung durch § 85a Abs. 1 ZVG erhalten konnte. Hinzu kommt, dass in dem hier zu beurteilenden Fall gerade auch eine Benachteiligung der übrigen Verfahrensbeteiligten vorlag, was eine Sanktionierung dieses missbräuchlichen Verhaltens erforderte.
D. Zusammenfassende Betrachtung Machen Verfahrensbeteiligte in zweckwidriger Weise von ihren Rechten Gebrauch, indem sie so auf den Verfahrensablauf einwirken, dass es zu einer Vereitelung oder Verschleppung der Zwangsvollstreckung kommt, so ist dieses Verhalten rechtsmissbräuchlich und kann durch die Missbrauchsschranken des BGB zu begrenzen sein. Die untersuchten Fallgestaltungen haben gezeigt, dass in erster Linie der Schuldner versucht, auf diesem Weg eine erfolgreiche Vollstreckung noch zu verhindern, aber auch Dritte und in Einzelfällen konkurrierende Gläubiger des Zwangsversteigerungsverfahrens dafür in Betracht kommen. 392 393
OLG Naumburg Rpfleger 2002, 324, 325. So auch Dassler/Schiffhauer/Hintzen, § 83 Rn. 24.
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3. Teil: Fallgestaltungen unzulässiger Rechtsausübung
Eine Möglichkeit der Verfahrensbeeinflussung besteht darin, bereits zu vereiteln, dass die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen geschaffen werden, ohne die der Gläubiger die Vollstreckung nicht betreiben kann. So verhält sich der Schuldner missbräuchlich, wenn er eine erfolgreiche Titelzustellung verhindert, indem er die Zustellungsregeln bewusst aushebelt. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass der Schuldner arglistig vorspiegelt, an einem bestimmten Ort eine Wohnung zu unterhalten, so dass eine vermeintlich mögliche Ersatzzustellung letztlich nicht wirksam ist. Der Schuldner muss sich dann so behandeln lassen, als hätte eine wirksame Zustellung stattgefunden. Entsprechendes gilt, wenn der Schuldner im laufenden Verfahren in Vereitelungsabsicht die persönlichen Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme aufhebt. Daher liegt ein Fall von Rechtsmissbrauch vor, wenn der Schuldner als Geschäftsführer einer Gesellschaft zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet ist, er aber ohne nachvollziehbaren Grund unmittelbar vor dem Termin sein Amt niederlegt. Der Geschäftsführer muss sich dann nach § 242 BGB so behandeln lassen, als hätte die Amtsniederlegung nicht stattgefunden. Verfahrensbeteiligte und Dritte üben ihre Rechte ebenfalls missbräuchlich aus, wenn sie sich auf eine rein formal bestehende Rechtsposition berufen, an deren Durchsetzung sie aber kein schutzwürdiges Interesse haben. So kann etwa das Berufen auf eine nur formale Einwendung im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage nach Treu und Glauben unbeachtlich sein, weil der Schuldner nach materiellem Recht die titulierte, aber erloschene Verbindlichkeit neu zu begründen hat. Ebenso kann die Klage analog § 767 ZPO unbegründet sein, weil der Schuldner vertraglich verpflichtet ist, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Auch Dritte haben kein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung eines ihnen nur formal zustehenden Interventionsrechts im Wege der Klage nach § 771 ZPO. Rechtsmissbrauch liegt ebenfalls vor, wenn der Schuldner sachgrundlos einen Rechtsbehelf allein zu dem Zweck einlegt, das Verfahren zu verzögern. Deshalb fehlt Befangenheitsanträgen und Vollstreckungsschutzanträgen, mit denen nur ein ungestörter Verfahrensablauf vereitelt werden soll, das Rechtsschutzbedürfnis. Damit nicht bereits die Entscheidung über das unzulässige Befangenheitsgesuch zu einer Verzögerung führt, ist der abgelehnte Rechtspfleger oder Richter selbst berechtigt, den Antrag zurückzuweisen. Gleichfalls mangels Rechtsschutzbedürfnisses ist eine Vollstreckungsabwehrklage wegen im Titel enthaltener verjährter Grundschuldzinsen abzuweisen, wenn bestimmte Indizien den Schluss zulassen, dass es dem Schuldner nur um eine Verfahrensverschleppung geht. Ähnlich gelagert sind auch die Fälle, in denen Bieter im Zwangsversteigerungsverfahren Meistgebote ohne Zahlungsbereitschaft bzw. Zahlungsfähigkeit abgeben, wodurch es regelmäßig zu einer Wiederversteigerung und damit einer nicht unerheblichen Verfahrensverzögerung kommt.
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Eine weitere Möglichkeit der Einflussnahme auf das Verfahren besteht darin, dass der Schuldner den Gegenstand, in den vollstreckt werden soll, dem Gläubigerzugriff entzieht. So kann das nachträgliche Herbeiführen der Unpfändbarkeit nach § 811 ZPO missbräuchlich sein und zur Folge haben, dass eine Verwertung gleichwohl erfolgen darf. Dem steht auch die sozialpolitische Dimension der Schuldnerschutzvorschriften nicht entgegen, solange es nicht zu einer Bedrohung der physischen Existenz des Schuldners kommt. Ein pfändbarer Gegenstand wird gleichermaßen dem Zugriff des Gläubigers entzogen, wenn der Schuldner einem Dritten Gewahrsam an einer Sache verschafft, so dass es auf dessen Herausgabebereitschaft ankommt. Sofern in diesen Fällen nicht bloße Besitzdienerschaft vorliegt, lässt sich die fehlende Herausgabebereitschaft aber nicht durch eine Heranziehung von § 242 BGB umgehen. Der Gerichtsvollzieher ist nämlich nicht zur Prüfung befugt, ob der Dritte sich auf seinen Gewahrsam wegen Rechtsmissbrauchs nicht berufen kann. Außerdem muss das Verbot einer titellosen Inanspruchnahme beachtet werden, das selbst bei Rechtsmissbrauch aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht durch § 242 BGB aufgehoben werden kann. Eine Lösung ist nur über eine Pfändung und Einziehung des Herausgabeanspruchs des Schuldners gegen den Dritten oder eine Anfechtung der den Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung zu suchen. Auch bei der Vereitelung der Räumungsvollstreckung geht die Prüfungskompetenz des Gerichtsvollziehers nicht so weit, dass er beurteilen darf, ob der Dritte an den Räumlichkeiten missbräuchlich Besitz begründet hat. Außerdem fehlt es insoweit ebenfalls an einem Titel gegen den Dritten. Der Gläubiger muss in erster Linie versuchen, über eine einstweilige Räumungsverfügung gegen den Dritten nach § 940a Abs. 2 ZPO Abhilfe gegen den Missbrauch zu schaffen. Keine Probleme bereitet das Verbot der titellosen Inanspruchnahme hingegen, wenn ein Dritter persönlich oder gegenständlich neben dem Schuldner für die Vollstreckungsforderung haftet. Die Drittwiderspruchsklage kann in diesen Fällen trotz eines bestehenden Interventionsrechts gestützt auf § 242 BGB abgewiesen werden. An den Fällen der missbräuchlichen Gewahrsamsverschiebung und der vereitelten Räumungsvollstreckung zeigt sich, dass das Rechtsmissbrauchsverbot nicht in jedem Fall herangezogen werden kann, obwohl eine unberechtigte Vollstreckungsvereitelung vorliegt. Der Grund dafür kann darin liegen, dass die Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane an ihre Grenzen stößt oder grundlegende Verfahrensprinzipien einer Korrektur über § 242 BGB im Weg stehen. Das gilt auch für den Fall, dass spezielle Verfahrensregelungen existieren, die eine Sperrwirkung entfalten. So steht bei einer Vereitelung der Räumungsvollstreckung die Regelung in § 940a Abs. 2 ZPO einer Lösung über § 242 BGB entgegen, da die Vorschrift gerade für diese Fallgestaltungen geschaffen worden ist. Hinzu kommt, dass die nur subsidiäre Geltung der Generalklauseln zu beachten ist, wenn sich Missbrauchsfälle auch mit Hilfe der einschlägigen Spezialnormen
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interessengerecht lösen lassen. Deshalb darf auf § 242 beispielsweise nicht zurückgegriffen werden, wenn die Zustellungsvorschriften für den Fall einer Vereitelung selbst eine Möglichkeit vorsehen, wie trotzdem wirksam zugestellt werden kann. Dasselbe gilt, wenn aus einem offensichtlich fehlerhaft protokollierten Vergleich eine vermeintliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch hergeleitet wird, aber bereits im Wege der Auslegung der genaue Vergleichsinhalt ermittelt werden kann, wonach der titulierte Anspruch unverändert fortbesteht. Zurückhaltung bei der Heranziehung des Rechtsmissbrauchsverbots ist geboten, wenn der Gläubiger durch eine Sanktionierung des vermeintlich missbräuchlichen Verhaltens eine bessere Rechtsposition erwerben würde, als sie ihm bei einem gewöhnlichen Verfahrensablauf zustünde. Über die Missbrauchsschranken sollen keinem Verfahrensbeteiligten Vorteile verschafft werden, es soll nur eine Begrenzung eines andere in missbräuchlicher Weise benachteiligenden Verhaltens erreicht werden. Deshalb muss der Gläubiger es hinnehmen, wenn der Schuldner eine zuvor erteilte Einwilligung in die Wohnungsdurchsuchung später widerruft, wodurch es zu einer Verfahrensverzögerung kommt, da ein Durchsuchungsbeschluss beschafft werden muss. Der Schuldner hätte nämlich auch zu Beginn von einer Einwilligung in die Durchsuchung absehen können. Gleiches gilt für den verweigerten Verzicht auf Einzelausgebote. Der gesetzliche Regelfall sieht Einzelausgebote vor, weshalb dem Schuldner kein Missbrauch vorzuwerfen ist, wenn er keinen Verzicht darauf erklärt. In diesem Zusammenhang sind auch die Fälle vermeintlich missbräuchlicher Einstellungsbewilligungen eines Gläubigers im Zwangsversteigerungsverfahren zu sehen. Von Gesetzes wegen darf ein Gläubiger bis zu dreimal die Verfahrenseinstellung bewilligen, ohne dass er dazu eine Begründung vorweisen oder ein anerkanntes Interesse verfolgen muss. Eine Einschränkung dieses Rechts über § 242 BGB scheidet daher aus. Rechtsmissbrauch ist bezogen auf Vereitelungs- oder Verzögerungshandlungen wie auch bei der Vorteilsverschaffung auf Kosten anderer zu verneinen, wenn Verfahrensbeteiligte sich nur taktisch klug verhalten und ihre Rechte geschickt ausüben. Bewilligt daher ein Gläubiger die Einstellung des Verfahrens, nachdem er zuvor das rangbeste Recht des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers erfolgreich abgelöst hat, so ist dieses Vorgehen nicht missbräuchlich. Verglichen mit den bisherigen Fallgruppen hat das Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung einen hohen Stellenwert, wenn es darum geht, einer Verschleppung oder Vereitelung der Zwangsvollstreckung effektiv zu begegnen. Dieser Befund ist vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass im Interesse des Gläubigers eine effektive Vollstreckung gewährleistet sein muss. Die Rechtsstellung des Schuldners ist vor allem durch die Vollstreckungsschutzregelungen bereits weitgehend abgesichert, so dass eine Verfahrensbeeinflussung zum Nachteil des Gläubigers in besonderem Maße zu vermeiden ist.
Vierter Teil
Zusammenfassung der Ergebnisse I.
Die Untersuchung hat gezeigt, dass die in dieser Arbeit in den Blick genommenen bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln auch im Vollstreckungsrecht als Schranken einer missbräuchlichen Rechtsausübung von Bedeutung sind. Die Missbrauchsschranken stellen ein wichtiges Instrument dar, um auf atypische Fallgestaltungen flexibel reagieren zu können und dem Einzelfall gerecht werdende Lösungen zu finden. Damit sie aber nicht zu einem Mittel willkürlicher Entscheidungen werden und ihr Gebrauch zu Rechtsunsicherheit beiträgt, sind vor ihrer Anwendung auch im Vollstreckungsrecht bestimmte Grundsätze zu beachten. So darf auf die Generalklauseln nur zurückgegriffen werden, wenn sich den spezialgesetzlichen Normen keine Lösung für den konkreten Fall entnehmen lässt. Außerdem hat eine reine Billigkeitsrechtsprechung zu unterbleiben. Andernfalls bestünde nämlich die Gefahr, dass gesetzgeberische Wertungen nicht hinreichend abgebildet oder sogar ganz außer Acht gelassen würden.1
II.
Im Einzelnen spielen die Missbrauchsschranken vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen eine abgestufte Rolle. Das Schikaneverbot des § 226 BGB hat auch im Vollstreckungsrecht wegen seiner hohen Anforderungen kaum einen Anwendungsbereich.2 Verfahrensbeteiligte üben ihre Rechte nämlich nahezu nie ausschließlich zu dem Zweck aus, andere zu schädigen. Da § 138 BGB rechtsgeschäftliches Handeln verlangt, kommt der Norm auch nur eine untergeordnete Bedeutung zu.3 Eine Ausnahme ist für Bietabreden zu machen, durch die der Ablauf des Zwangsversteigerungsverfahrens nachteilig beeinflusst werden soll und die der Kontrolle nach § 138 BGB unterliegen. § 826 BGB findet im Grundsatz auch im Vollstreckungsrecht Anwendung, da die Norm aber als Rechtsfolge einen Anspruch auf Schadensersatz vorsieht, geht es grundsätzlich nur um eine nachträgliche Korrektur sittenwidriger Rechtsausübung.4 Im Wege der Naturalrestitution kann unter Umständen eine Wiederherstellung des früheren Zustands verlangt werden. Geht es um eine auf § 826 BGB gestützte Durchbrechung der Rechtskraft, so kann ausnahmsweise auch vorbeugend 1 2 3 4
Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu §
3 B. I. 4 A. I. 4 A. II. 1. 4 A. II. 2.
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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
die Unterlassung der Vollstreckung aus dem unrichtigen Titel beansprucht werden. Die mit Abstand größte Bedeutung hat aber § 242 BGB in seiner Ausprägung als allgemeines Verbot des Rechtsmissbrauchs.5 Soweit für dessen Anwendbarkeit das Vorliegen einer Sonderverbindung zwischen den Betroffenen verlangt wird, lässt sich eine solche zwischen den unmittelbar am Verfahren Beteiligten begründen. Im Zentrum steht insoweit das Vollstreckungsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Auch wenn ihre Interessen gegenläufiger Natur sind, so verbindet sie doch in besonderer Weise der Umstand, dass der Gläubiger Inhaber eines bereits titulierten Anspruchs gegen den Schuldner ist. Da das Rechtsmissbrauchsverbot aber einen die gesamte Rechtsordnung überlagernden Grundsatz darstellt, sollte dieser auch im Vollstreckungsrecht zur Anwendung kommen, ohne dass es auf das Erfordernis einer Sonderverbindung ankommt. III. Das Vollstreckungsrecht enthält insbesondere mit § 765a ZPO eine eigene Generalklausel zum Schutz des Schuldners, und es gelten allgemeine zivilprozessuale Grundsätze, weshalb Kollisionsfragen und Abgrenzungsschwierigkeiten zu den bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln auftreten. § 765a ZPO stellt einen Rechtsbehelf dar, der dem Schuldner in außergewöhnlichen Härtefällen Schutz bieten soll. Er verlangt ausdrücklich auch eine Auseinandersetzung mit dem Interesse des Gläubigers. Strukturell passt die Norm deshalb in solchen Fällen, in denen die sittenwidrige Härte der Vollstreckungsmaßnahme entweder auf einer Notlage aus der Sphäre des Schuldners beruht oder auf einen Umstand zurückzuführen ist, der außerhalb des Einflussbereichs des Gläubigers liegt. Beispielhaft sind das Fälle der Räumungsvollstreckung, in denen eine erhebliche Gesundheits- oder sogar Lebensgefahr für den Schuldner droht, oder Fallkonstellationen einer Verschleuderung von Grundvermögen in der Zwangsversteigerung. Übt der Gläubiger aber ein Verfahrensrecht in missbräuchlicher Weise aus, weil er den Schuldner zum Beispiel schikanieren oder in unzulässiger Weise unter Druck setzen will, so passt die Regelung in § 765a ZPO, der auch nur auf Antrag Berücksichtigung findet, nicht.6 Auch das Verbot des Rechtsmissbrauchs weist eine Schnittmenge mit dem Rechtsschutzbedürfnis auf, wenn es um zweckwidrige Prozesshandlungen geht. Insoweit tritt das Rechtsschutzbedürfnis aber nicht in Konkurrenz zu den bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln, sondern ist vielmehr selbst Ausfluss des in § 242 BGB wurzelnden Rechtsmissbrauchsverbots.7 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet zwischen Privatrechtssubjekten keine unmittelbare Anwendung. Auch im Vollstreckungsrecht kann trotz der zwingenden Betei5 6 7
Siehe dazu § 4 A. III. Siehe dazu § 4 B. I. 2. Siehe dazu § 4 B. II.
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ligung des Staates wegen der im Zentrum stehenden Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner deshalb nicht unmittelbar darauf zurückgegriffen werden. Als eine Ausprägung von Treu und Glauben haben die Verfahrensbeteiligten aber im Grundsatz das Gebot verhältnismäßiger Rechtsausübung zu wahren.8 IV.
Ist ein Vollstreckungsorgan mit der missbräuchlichen Ausübung eines Rechts durch einen Verfahrensbeteiligten konfrontiert, so wirft die eingeschränkte Prüfungskompetenz der staatlichen Organe Fragen auf. Das Vollstreckungsrecht wird durch den Grundsatz der Formalisierung geprägt, wonach die Vollstreckungsorgane im Wesentlichen von der Prüfung materiellrechtlicher Fragen entbunden sind.9 Das bedeutet vor allem, dass es zu keiner inhaltlichen Überprüfung des Vollstreckungstitels kommt, was auch im Falle von Rechtsmissbrauch gilt. Da der Formalisierungsgrundsatz aber in verschiedener Hinsicht Aufweichungen erfährt, steht er der Kompetenz der Vollstreckungsorgane zur Prüfung einer missbräuchlichen Ausübung eines Verfahrensrechts nicht im Weg.10 Hinzu kommt, dass sowohl der Gerichtsvollzieher als auch der Rechtspfleger zum Teil sehr anspruchsvolle materiell-rechtliche Fragen zu klären haben, wenn sie mit vollstreckungsrechtlichen Normen umgehen müssen. Innerhalb der ihnen zustehenden Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung haben sie daher auf einen Missbrauch von Verfahrensrechten zu reagieren.11 In bestimmten Fallgestaltungen wird die Prüfung durch eine tatsächliche Vermutung missbräuchlicher Rechtsausübung erleichtert. Die Prüfungskompetenz stößt aber an ihre Grenzen, wenn beurteilt werden soll, ob einem Verfahrensbeteiligten oder Dritten wegen Rechtsmissbrauchs verwehrt ist, sich auf eine materielle Rechtsposition zu berufen. Das betrifft zum Beispiel die Fälle der vereitelten Räumungsvollstreckung, wenn der Schuldner einem Dritten Mitbesitz eingeräumt hat und der Gläubiger gegen diesen bislang keinen Räumungstitel erwirkt hat. Dann ist der Gerichtsvollzieher nicht befugt, dem Dritten das Berufen auf sein Besitzrecht wegen Rechtsmissbrauchs zu versagen. Außerdem ist dieser Fall ein Beispiel dafür, dass der Gerichtsvollzieher nicht ermächtigt ist, vom Vorliegen eines Vollstreckungstitels wegen missbräuchlicher Rechtsausübung abzusehen, da diese allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung die Grundlage für ein rechtsstaatliche Grundsätze wahrendes Verfahren darstellt.
V.
Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich die Fälle, in denen Rechte in der Zwangsvollstreckung missbraucht werden, verschiedenen Fallgruppen zu8
Siehe dazu § 4 B. V. Siehe dazu § 5 A. 10 Siehe dazu § 5 C. 11 Siehe dazu § 5 D. 9
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ordnen lassen. Die Bildung von Fallgruppen erleichtert die praktische Anwendung der Generalklauseln und trägt zu mehr Rechtssicherheit bei. Gleichwohl darf es zu keinem schematischen Abgleich mit den Fallgruppen kommen. Die verschiedenen Interessen der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten12 und die in den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen gebieten vielmehr, immer eine einzelfallabhängige Betrachtung vorzunehmen. Aus diesem Grund lassen sich verallgemeinerungswürdige Aussagen, unter welchen Voraussetzungen Rechte in der Zwangsvollstreckung der Beschränkung durch die bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln unterliegen, auch nur mit einer gewissen Zurückhaltung treffen. VI. Beantragt der Gläubiger eine Vollstreckungsmaßnahme, an deren Durchführung er kein berechtigtes Interesse hat, so verhält er sich missbräuchlich. Der Antrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen. Das betrifft insbesondere Fälle einer schikanösen oder den Schuldner übermäßig belästigenden Rechtsausübung. Beispielhaft sind hier schikanöse Teilvollstreckungsanträge oder Vorpfändungen zu nennen.13 Dem Gläubiger darf aber nicht vorschnell der Vorwurf eines zwecklosen oder überflüssigen Antrags gemacht werden. So gilt das Verbot des § 803 Abs. 2 ZPO beispielsweise nicht im Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung.14 Es muss letztlich immer genau untersucht werden, ob der Gläubiger nicht doch ein schutzwürdiges Interesse verfolgt. Deshalb sind Fallgestaltungen, in denen mit einer Vollstreckungsmaßnahme keine schutzwürdigen Interessen verfolgt werden, eher die Ausnahme. VII. Dem Gläubiger fehlt für eine Vollstreckungsmaßnahme gleichermaßen das Rechtsschutzbedürfnis, wenn er sie dazu missbraucht, in unzulässiger Weise Druck auf den Schuldner auszuüben. So ist der Gläubiger nicht befugt, sich weitergehende Druckmittel zu verschaffen, als sie das Verfahrensrecht selbst vorsieht. Mittels eines Herausgabetitels darf der Gläubiger daher nicht Druck auf den Schuldner ausüben, eine nicht titulierte Zahlungsforderung zu begleichen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang zum Herausgabeanspruch steht.15 Auch die nach § 30 Abs. 1 ZVG zulässige Anzahl von Verfahrenseinstellungen kann der Gläubiger nicht durch eine künstliche Verfahrensaufspaltung erweitern, um sich so ein noch effektiveres Druckmittel zu verschaffen.16 Da dem Vollstreckungsverfahren aber immanent ist, Druck auf den Schuldner auszuüben, den titulierten Anspruch zu erfül12 13 14 15 16
Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu § Siehe dazu §
6. 7 A. und B. 7 F. 8 C. 8 E.
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len, muss mit dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zurückhaltend umgegangen werden. Der Gläubiger kann den Schuldner daher mit dem Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft unter Druck setzen und auch mit der Vollstreckung eines Erzwingungshaftbefehls drohen, um wiederholte Teilzahlungen zu erreichen.17 Es darf in diesen Fällen auch nicht außer Acht gelassen werden, dass sich der Schuldner dem Druck durch eine Mitwirkungshandlung einfach entziehen könnte. VIII. Es kann vorkommen, dass das Interesse des Gläubigers an einer Vollstreckungsmaßnahme hinter dem Interesse des Schuldners oder auch eines konkurrierenden Gläubigers zurücktreten muss und die Rechtsausübung deshalb nach § 242 BGB unzulässig ist. Der Gläubiger hat im Grundsatz nämlich das Gebot einer verhältnismäßigen Rechtsausübung zu wahren.18 Das Vollstreckungsrecht enthält aber bereits eigenständige Regelungen, in denen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Ausdruck kommt. Außerdem muss auf Seiten des Gläubigers das hohe Interesse an einer effektiven Vollstreckung seines titulierten Anspruchs gewürdigt werden. Deshalb stehen auch dem Kleinbetragsgläubiger die gesetzlich vorgesehenen Vollstreckungsmaßnahmen uneingeschränkt zur Verfügung. Hinzu kommt, dass das Verfahrensrecht keine Rangordnung vorsieht, so dass auch wegen kleiner Beträge die Immobiliarvollstreckung betrieben werden kann. IX. Es finden sich nahezu keine Fälle, in denen das Interesse des Gläubigers zurücktreten muss, weil er sich in missbräuchlicher Weise widersprüchlich verhält oder er sein Recht verwirkt hat. Es fehlt nämlich regelmäßig an einem schutzwürdigen Vertrauen auf Seiten des Schuldners, dass er nicht mehr mit einer Vollstreckungsmaßnahme zu rechnen hat.19 X.
17 18 19 20 21
Verschaffen sich Verfahrensbeteiligte durch einen Gebrauch ihrer Rechte auf Kosten anderer unberechtigte Vorteile, so ist ihr Verhalten wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig. Eine unzulässige Vorteilsverschaffung kann insbesondere in einer Umgehung gesetzlich einzuhaltender Verfahrensvorgaben liegen, wie es zum Beispiel auf ein erschlichenes vorrangiges Pfändungspfandrecht zutrifft, wenn der Gläubiger die öffentliche Zustellung durch unrichtige Angaben erwirkt hat.20 Einen solchen Fall stellt auch die Abgabe von Eigengeboten durch Gläubigervertreter im ersten Versteigerungstermin dar, wenn dadurch der Grenzwert des § 85a Abs. 1 ZVG zu Fall gebracht werden soll, dem Gläubiger selbst ein solches Vorgehen aber wegen der Regelung in § 85a Abs. 3 ZVG nicht möglich gewesen wäre.21 Siehe dazu § 8 A. Siehe dazu § 9. Siehe dazu § 10. Siehe dazu § 11 A. I. Siehe dazu § 11 A. III.
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Auch im Erschleichen oder Ausnutzen eines unrichtigen Vollstreckungstitels ist eine unberechtigte Vorteilsverschaffung zu sehen.22 Insoweit macht sich der Gläubiger neben der Rechtskraft des Titels außerdem die eingeschränkte Prüfungskompetenz der Vollstreckungsorgane zunutze, denen eine inhaltliche Überprüfung des Vollstreckungstitels nämlich verwehrt ist. Eine andere Form der unberechtigten Vorteilsverschaffung liegt darin, dass Verfahrensbeteiligte in missbräuchlicher Weise auf den Verfahrensablauf Einfluss nehmen, wodurch andere benachteiligt werden, wie es beispielsweise bei sittenwidrigen Bietabreden der Fall ist.23 Nicht in allen Fällen der Vorteilserschleichung kann der Rechtsmissbrauch aber unmittelbar sanktioniert werden, indem die Rechtsausübung für unzulässig erklärt wird. Rechtsinstitute wie die Rechtskraft oder zentrale Verfahrensgrundsätze wie die hoheitliche Eigentumsverschaffung durch den Gerichtsvollzieher bei der Ablieferung versteigerter Sachen würden dadurch zu stark entwertet. Es lässt sich allenfalls unter den strengen Voraussetzungen des § 826 BGB der ursprüngliche Zustand im Wege der Naturalrestitution wiederherstellen. Schließlich darf nicht jede Form der Vorteilsverschaffung auf Kosten anderer zur Annahme von Rechtsmissbrauch führen. Nutzt ein Verfahrensbeteiligter bessere Rechtskenntnisse oder ein Informationsdefizit anderer zum eigenen Vorteil, wie es gelegentlich im Zwangsversteigerungsverfahren wegen der dort geltenden komplizierten Regelungen vorkommt, so ist dieses Verhalten grundsätzlich zulässig, wenn nicht bewusst falsche Informationen verbreitet oder bestimmte Fehlvorstellungen in zurechenbarer Weise hervorgerufen wurden. XI. Wie auch bei der unberechtigten Vorteilsverschaffung nehmen die Missbrauchsschranken einen hohen Stellenwert ein, wenn es um die Vereitelung oder Verschleppung der Vollstreckung geht. Vor allem auf Seiten des Schuldners lassen sich solche Verhaltensweisen feststellen. Um dem Zweck des Vollstreckungsverfahrens in Form der Befriedigung des Gläubigers Rechnung zu tragen, müssen solche Bestrebungen so weit, wie es auf der Grundlage des geltenden Rechts möglich ist, eingedämmt werden. Beruft sich daher der Schuldner auf eine rein formale Rechtsposition, an deren Geltendmachung er kein schutzwürdiges Interesse hat,24 oder legt er einen Rechtsbehelf nur aus Verschleppungsabsicht ein,25 so handelt er rechtsmissbräuchlich. Das Gleiche gilt für einen von der Vollstreckung betroffenen Dritten, wenn er die Klage nach § 771 ZPO auf ein Interventionsrecht stützt, dieses aber nur formal besteht, oder er neben dem Schuldner auch 22 23 24 25
Siehe dazu § 11 A. VII. Siehe dazu § 11 A. V. Siehe dazu § 12 A. III. Siehe dazu § 12 A. V.
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selbst für die Vollstreckungsforderung haftet.26 Rechtsmissbrauch kann sich auch daraus ergeben, dass der Schuldner einen Vermögensgegenstand dem Vollstreckungszugriff entzieht. Deshalb ist dem Schuldner zum Beispiel verwehrt, sich auf die Pfändungsschutzvorschrift des § 811 ZPO zu berufen, wenn er nachträglich arglistig die Unpfändbarkeit einer bereits gepfändeten Sache herbeiführt, solange durch die Verwertung nicht seine physische Existenz bedroht wird.27 In bestimmten Fällen stoßen die Missbrauchsschranken aber auch an ihre Grenzen. Da die Vollstreckungsorgane selbst im Falle einer missbräuchlichen Vollstreckungsvereitelung nicht vom Erfordernis eines Vollstreckungstitels absehen dürfen, ist die Rechtslage für den Gläubiger nicht zufriedenstellend, wenn der Schuldner den Gewahrsam an einer Sache auf einen Dritten verschiebt28 oder anderen Personen Mitbesitz an der zu räumenden Wohnung einräumt29. Der Gläubiger muss dann versuchen, die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Insbesondere bei der vereitelten Räumungsvollstreckung ist er deshalb gehalten, den gesetzlich vorgesehenen Weg über eine einstweilige Räumungsverfügung gegen den Dritten nach § 940a Abs. 2 ZPO zu bestreiten. Die Heranziehung von § 242 BGB darf auch nicht dazu führen, dass der Gläubiger letztlich eine bessere Rechtsposition erhält, als sie ihm zustünde, wenn es nicht zu der vermeintlich missbräuchlichen Rechtsausübung gekommen wäre. Das gilt zum Beispiel für ein durch den Schuldner grundlos widerrufenes Einverständnis in eine Wohnungsdurchsuchung.30 Hätte der Schuldner diese von vornherein verweigert, so hätte der Gläubiger nämlich ebenfalls einen Durchsuchungsbeschluss beantragen müssen. XII. In der Gesamtbetrachtung hat die Geltung der bürgerlich-rechtlichen Missbrauchsschranken im Vollstreckungsrecht ihre Berechtigung, um einem unredlichen Verhalten von Verfahrensbeteiligten und Dritten Einhalt zu gebieten und dadurch ein effektives und gesetzeskonformes Verfahren der Zwangsvollstreckung zu gewährleisten. Es muss aber stets im Blick behalten werden, ob das vollstreckungsrechtliche Normgefüge mit seinen Wertungen eine Heranziehung der Generalklauseln im Einzelfall tatsächlich zulässt.
26 27 28 29 30
Siehe dazu § 12 C. I. Siehe dazu § 12 A. IX. Siehe dazu § 12 A. X. Siehe dazu § 12 A. XI. Siehe dazu § 12 A. XII.
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Sachverzeichnis Amtsniederlegung 201 f. Anschlusspfändung 95 Antragsverhältnis 44 Ausforschungspfändung 138 ff. Bagatellforderung 61, 115 ff., 182 Bankgeheimnis 175 f. Befangenheitsantrag 39, 211 ff. Besitzdienerschaft 69, 227 ff., 236 Bietabkommen 39 f., 150 ff., 157 Bietabreden siehe Bietabkommen Doppelbefriedigung 177 Drittwiderspruchsklage 41, 66, 80, 90, 185, 258 ff. Eigengebote 42, 142 ff. Eingriffsverhältnis 44 f. Einstellungsbewilligung 111 ff., 153, 173 ff., 253 ff. Einzelausgebot 251 ff. Entschädigungsanspruch 134, 147 ff. Erwerb schuldnerfremder Sachen 183 ff. Erzwingungshaft 58, 79, 97, 100 ff., 118, 122 f., 202 Existenzminimum 224 Fallgruppenbildung 27 f., 35, 83, 250 Formalisierungsgrundsatz 59, 64 ff., 155 f., 230 Gebot in der Zwangsversteigerung 22, 29, 40, 42, 52, 54, 64, 74, 112, 141 ff., 150 ff., 157, 174 f., 180 ff., 186 f., 189, 251 ff., 254 f., 256, 257 f., 264 ff. Gerichtsvollzieher 21, 55, 64 ff., 79, 82, 84 ff., 97 ff., 100 ff., 104 ff., 107 ff., 117, 119, 123, 128, 130 f., 177, 179 f.,
183 ff., 221, 225 ff., 232 ff., 246 f., 249, 263 Gestaltungsrechte 218 f. Gewahrsamsverschiebung 30, 225 ff., 236 Grundpfandrechtsablösung 123 f., 254, 257 f. Grundschuldzinsen 213 ff. Herausgabebereitschaft 30, 57, 64, 69, 77, 226 ff. Herausgabetitel 104 ff. Nutzungsentschädigung 265 Offenbarungsverfahren 98, 120, 139 Öffentliche Zustellung 136 f., 194, 196 Ordnungsmittelverfahren 219 ff. Pfändungsfreibetrag 210 f. Pfändungsvorrang 134 f. Prozessvergleich 171, 177, 207 Prüfungskompetenz 23, 50, 59, 64 ff., 155, 184, 230, 239 Räumungsvollstreckung 21, 51, 61, 79, 232 ff. Rechtskraft 48, 54, 56, 60 f., 64 ff., 72, 76, 132, 134, 136 f., 156, 157 ff., 172 f., 220, 266 f. Rechtsschutzbedürfnis 48, 53, 55 ff., 73 f., 84, 87, 89, 92, 94, 212 f., 214 ff., 235, 248, 256 Restitutionsrecht 167 f. Scheingewahrsam 227 Sicherheitsleistung 29, 42, 124, 180 ff., 189, 265
Sachverzeichnis Sicherungsvollstreckung 124 ff., 132 Sonderverbindung 35 f., 37, 40, 43 ff. Subsidiaritätsprinzip 26, 49, 162 Teilungsversteigerung 87 ff., 152, 157, 255 Teilvollstreckung 84 ff. Titelerfordernis 206, 231, 236, 238 Titelmissbrauch 157 ff. Übererlös 249 ff. Unpfändbarkeit 21, 28, 29, 57, 69 f., 74, 76, 93, 134 ff., 148 ff., 221 ff. Unterlassungsverfügung 243 ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 61 ff., 115, 122, 127 Verjährung 206, 213 ff., 219 ff. Vermögensauskunft 38, 56, 64, 74, 79, 82, 90 ff., 92 f., 97 ff., 105, 113, 118, 121, 123, 124 ff., 130 f., 139, 141, 177, 192, 201 f. Versteigerungsbedingungen 256 f. Verwirkung 35, 42, 129, 203 Vollstreckbare Urkunde 48, 171 f. Vollstreckungsabwehrklage 41, 51, 56, 58, 60, 65, 68, 72, 90, 106, 109, 158 f., 171, 177 ff., 179, 203 ff., 213 ff., 218 f. Vollstreckungsgegenklage siehe Vollstreckungsabwehrklage
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Vollstreckungsbescheid 60, 158 f., 163, 166, 169 f. Vollstreckungsgericht 55, 64 ff., 86 f., 98, 100, 121, 123 f., 138, 142 f., 146 f., 153, 154 ff., 173, 174, 180, 181, 187, 220, 230, 249 ff., 252, 257, 266 Vollstreckungskosten 94, 119 f. Vollstreckungsschutzantrag 52 ff., 56, 70 f., 115, 121, 154, 158, 174, 211, 213 Vollstreckungsvereinbarung 106 f., 114, 155 Vollstreckungsverhältnis 45 Vorpfändung 86 f. Widersprüchliches Verhalten 128 ff., 248 f., 250 f. Wohnungsbezogener Titel 241 f. Wohnungsdurchsuchung 79, 118 f. 246 f. Zahlungsfähigkeit 22, 74, 264 ff. Zahlungsvereinbarung 128 f. Zuschlagsversagungsgrund 154 ff., 157, 174, 186 ff., 200, 212, 213, 252, 257 Zuschlagsbeschluss 156, 172, 185, 234, 240, 266, 267 Zustellungsvereitelung 196, 197, 200 Zuzahlungsvereinbarung 152 ff.