»Breadwinners« und »Housekeepers«: Geschlechterrollen im englischen Güterrecht des 19. Jahrhunderts und das Deutsche Bürgerliche Gesetzbuch 9783412215064, 9783412208608


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German Pages [370] Year 2012

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»Breadwinners« und »Housekeepers«: Geschlechterrollen im englischen Güterrecht des 19. Jahrhunderts und das Deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
 9783412215064, 9783412208608

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Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung

Band 13 Herausgegeben von Stephan Meder und Arne Duncker

Stavros Kitsakis

»Breadwinners« und »Housekeepers« Geschlechterrollen im englischen Güterrecht des 19. Jahrhunderts und das Deutsche Bürgerliche Gesetzbuch

2012 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Ausschnitt aus: Edgar Degas, Porträt von Henri Michel-Levy in seinem Studio, 1879 (Lissabon, Museum Calouste Gulbenkian) © INTERFOTO / Photoaisa

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Prime Rate Kft., Budapest Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Hungary ISBN 978-3-412-20860-8

Στυς γνες µυ

Vorwort Der Soziologe Anthony Giddens hat einmal gesagt, dass es für die Ausformung seines Denkens ausschlaggebend gewesen sei, dass er sich im Ursprung seiner Forschung mit der sozialen Konstruktion des Geschlechterverhältnisses befasst habe. Ob sich aus der vorliegenden, meiner ersten Beschäftigung mit derselben Thematik, eine Sozialtheorie ergeben wird, ist nicht abzusehen. Aber ich kann jetzt verstehen, warum das dadurch ermöglicht wird. Das Geschlechterverhältnis lässt einen erahnen, mit welcher Spannung und in welchem ständigen Zusammenhang individueller und gesellschaftlicher Entscheidungen das soziale Leben gelebt wird. Zudem erlaubt die Analyse des Geschlechterverhältnisses am Beispiel einer zentralen Institution, des Rechts, das Bewusstsein der, wie mir jetzt scheint, unausweichlichen Diskrepanz zwischen den erwähnten Entscheidungen, den daraus hervorgehenden Handlungen und schließlich des Ergebnisses und der Konsequenzen dieser Handlungen. Das soziale Leben ist voller Risiken. Die Geschichte der Frauenbewegungen lehrt uns, dass dies kein Grund ist, nicht zu handeln. Wir wissen nie, ob sich der Kreis schließen wird. Das ist an sich weder gut noch schlecht. Es ist interpretationsbedürftige Realität. Meine Beschäftigung mit dieser Problematik und dann mit dem engeren Fragenkreis der rechtlichen Stellung der Ehefrau im englischen Recht des 19.  Jahrhunderts hat sich freilich nicht von selbst ergeben. Die Richtungen des Lebens hängen entscheidend von den Menschen ab, denen man während dieses Lebens begegnet. In Hannover hatte ich Gelegenheit, Prof. Dr. Stephan Meder zu begegnen. Er hat zunächst mein Interesse für die Rechtsgeschichte geweckt und gefördert. In einem zweiten Schritt hat er mir, vor Giddens, nahegelegt, dass das Verständnis der Gesellschaft, das ein junger Mensch sucht, nicht unbedingt oder nicht nur durch den Sog komplexer Rechtsverhältnisse der modernen Wirtschaft hindurchgeht, was meine ursprüngliche Orientierung war. Menschen und ihre Verhältnisse sind nicht nur kompliziert genug. Sie sind auch faszinierend. Und, wenn sie durch die Perspektive der Geschichte betrachtet werden, werden sie sogar entscheidend. Dafür danke ich ihm. Den Anstoß für eine Promotion an der Juristischen Fakultät in Hannover bekam ich ursprünglich von einem der bedeutensten Denker nationaler und europäischer Demokratie des vorigen und unseres Jahrhunderts, dem inzwischen verstorbenen Prof. Dimitris Th. Tsatsos. Ich werde ihn dankbar in Erinnerung behalten. Die vorliegende Untersuchung ist Teil eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojekts, bei dessen

VIII

Vorwort

Durchführung ich mitwirken durfte. Neben Prof. Meder, der mich in den Kreis der Mitarbeiter aufgenommen hat, möchte ich meinen Kollegen aus den Jahren 2007/2008 danken. Die einsamen Stunden in der Bibliothek sind ebenso notwendig wie die Inspiration durch das Gespräch mit kompetenten Leuten. Denn man denkt schließlich nicht für sich selbst, sondern immer mit Blick auf die Kommunikation. Aus diesem ersten Kreis der Kommunikation möchte ich namentlich Dr. Arne Duncker, Herrn Christoph Sorge und Frau Eileen Lachmann danken. Aus demselben Kreis gesondert möchte ich noch meinen Dank an Frau Ina Krückeberg richten.  Für die angenehme, spannende und zudem sehr oft lehrreiche Kommunikation danke ich noch meinem engen Freund und in Hannover noch langjährigen Nachbarn Dr. Triantafyllos Zolotas.  Ohne die Hilfe, das Verständnis für die Freude und die unermessliche, nahezu richtungsweisende Geduld meiner Lebensgefährtin und ständiger Gesprächspartnerin, Frau Panagiota Xylaki, wäre die Arbeit kaum zustande gebracht worden. Die Anfertigung einer Dissertation kann schon mal oder sogar mehrfach in Turbulenzen geraten. Die Präsenz eines Co-Piloten mit klarem Kopf ist in solchen Fällen unschätzbar. Ein Dank ist hier sicherlich nicht genug.  Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet. Sie haben die Voraussetzungen für deren Abfassung, materieller und immaterieller Natur, überhaupt erst geschaffen.  Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2010/2011 von der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover als Dissertation angenommen. Das Manuskript ist im Mai 2008 abgeschlossen worden. Athen, den 04.03.2012

Stavros Kitsakis

Inhalt Abkürzungsverzeichnis........................................................................ XVII Einleitung .............................................................................................. 1 A. Gegenstand der Untersuchung .................................................... 1 B. Forschungsstand und Quellen ..................................................... 2 C. Gang der Untersuchung ................................................................ 6 I. Erster Teil .................................................................................... 6 II. Zweiter Teil – Vergleichende und historische Methode........... 7 Erster Teil: Common Law – Equity – Statute Law ..................... 16 A. Common Law.................................................................................... 16 I. Begriffliche Einführung............................................................... 17 II. Real Property............................................................................... 19 1. Die Eigentumsverhältnisse...................................................... 19 2. Vermögensverwaltung und Vermögensverfügung.................... 21 3. Tenancy by the Curtesy........................................................... 23 4. Dower...................................................................................... 26 5. Verfügungsbefugnis der Ehefrau über ihr eigenes Vermögen................................................................................ 30 6. Ergebnis.................................................................................. 34 III. Personal Property ...................................................................... 35 1. Chattels Personal..................................................................... 35 2. Choses in Action..................................................................... 39 3. Chattels Real........................................................................... 41 IV. Die Obligationen der Ehefrau..................................................... 43 1. Geschäftsunfähigkeit der Ehefrau........................................... 43 2. Rechtsgeschäftliche Handlungsmöglichkeiten der Ehefrau.... 47 a) Schuldenhaftung................................................................ 47 b) Die Ehefrau als Vertreterin ihres Ehemannes.................... 49 aa) Necessaries.................................................................. 50 bb) Grenzen der weiblichen Vertretereigenschaft.............. 53 c) Unterhaltsrechtliche Handlungsmöglichkeiten der Ehefrau.............................................................................. 57

X

Inhalt

d) Vertragliche Normierung der weiblichen Geschäftsfähigkeit.............................................................. 63 e) Dogmatisches und Undogmatisches.................................. 64 3. Ausnahmen nach Common Law: Selbständiges Handeln der Ehefrau.............................................................................. 65 a) Abwesenheit des Ehemannes............................................. 65 b) Die Handelsfrau................................................................. 67 c) Ergebnis............................................................................. 70 V. Legal Unity................................................................................... 70 1. Prozessfähigkeit der Ehefrau................................................... 70 2. Die Eheleute gegenüber Dritten – gemeinsamer Eigentumserwerb.................................................................... 72 3. Die Eheleute untereinander.................................................... 73 a) Verträge unter den Ehegatten............................................ 75 b) Ausnahmen........................................................................ 76 VI. Ursprünge der „Legal Unity“...................................................... 77 1. Gemeinschaft und Individualität im Common Law............... 77 2. Vormundschaft des Ehemannes.............................................. 80 3. Coverture................................................................................. 82 4. Gemeinschaft und Schutz (Vormundschaft) als getrennte Konzepte?................................................................ 83 VII. Ergebnis zum Common Law ..................................................... 86 B. Equity ................................................................................................ 88 I. Motive zum Wandel.................................................................... 88 II. Die Dualität des Richterrechts................................................... 90 1. Die Geschichte der Rechtsquellendualität.............................. 90 2. Die Rivalität zu den Common-Law-Gerichten...................... 91 3. Ein Equity-Güterrechtssystem?.............................................. 93 III. Separate Estate ......................................................................... 95 1. Die Konstruktion.................................................................... 96 a) Typische Fallkonstellationen.............................................. 96 b) Trustee............................................................................... 97 2. Form des jeweiligen Vertrags/Trust......................................... 99 a) Schriftlichkeit.................................................................... 100 b) Inhaltliche Anforderungen................................................. 100 3. Verwaltung und Verfügung..................................................... 102 a) Vorfrage: Eigentumsrechtliche Zuordnung und begriffliche Irritationen...................................................... 103 b) Verwaltung......................................................................... 104

Inhalt

XI

c) Verfügung........................................................................... 104 aa) Bewegliches Vermögen................................................ 104 bb) Unbewegliches Vermögen........................................... 105 d) Erbrechtliche Dimensionen des Verfügungsrechts............. 106 e) Haftungsrechtliche Dimensionen des Verfügungsrechts.... 107 aa) Art und Umfang der Haftung – Geschäftsfähigkeit... 107 bb) Formfragen.................................................................. 109 4. Prozess – Rechtsgeschäfte unter den Ehegatten – Legal Unity............................................................................. 113 a) Passivlegitimation und Parteifähigkeit der Ehefrau........... 113 b) Aktivlegitimation............................................................... 113 c) Verträge unter den Ehegatten............................................ 114 5. Der Schutzcharakter des „separate estate“............................... 115 a) Immanente Schutzdimension............................................ 115 b) „Restraint on alienation“ und „Restraint upon anticipation“....................................................................... 115 aa) Dogmatische Konstruktion der Verfügungsbeschränkung............................................ 117 bb) Form der Verfügungsbeschränkung............................. 119 6. Dauer des „separate estate“...................................................... 121 IV. Wife’s Equity to a Settlement..................................................... 122 1. Die Konstruktion.................................................................... 122 2. Umfang................................................................................... 123 3. Erweiterung des Rechts: Aktivlegitimation der Ehefrau......... 123 V. Zusammenfassung zu Equity...................................................... 125 VI. Strukturelle Probleme des Richterrechts ................................. 126 1. Ökonomische Klassengegensätze............................................ 127 2. Der Ruf nach Gesetzen........................................................... 130 C. Statute Law (Transformation der sozialen imaginären Bedeutungen)................................................................................... 132 I. Die gesetzlichen Änderungen.................................................... 132 1. Erster Entwurf zum ehelichen Güterrecht.............................. 132 2. Parlamentsdiskussion zum Scheidungsgesetz.......................... 134 3. The Divorce and Matrimonial Causes Act 1857..................... 135 4. Married Women’s Property Act 1870...................................... 137 a) Die Parlamentarische Debatte........................................... 137 b) Die wichtigsten gesetzlichen Änderungen......................... 146 aa) Separate estate............................................................. 147 bb) Geschäftsfähigkeit der Ehefrau................................... 151

XII

Inhalt

cc) Haftung....................................................................... 152 dd) Prozessfähigkeit........................................................... 153 ee) Unterhaltspflicht......................................................... 154 c) Ergebnis............................................................................. 155 5. Married Women’s Property Act 1882 ..................................... 157 a) Separate Estate................................................................... 159 aa) Verwaltungsbefugnis................................................... 159 bb) Verfügungsbefugnis..................................................... 161 b) Geschäftsfähigkeit.............................................................. 162 aa) Verträge....................................................................... 162 bb) Haftung....................................................................... 163 cc) Insolvenzfähigkeit....................................................... 165 c) Deliktsfähigkeit.................................................................. 165 d) Prozessfähigkeit................................................................. 166 e) Unterhaltspflicht der Ehefrau............................................ 167 f ) Legal Unity........................................................................ 167 II. Ergebnis zum ersten Teil ........................................................... 168 Zweiter Teil: Vergleich BGB – englische Reformen .................. 170 A. Das eheliche Güterrecht des BGB als historische Kontinuität......................................................................................... 170 I. Elemente des Wandels im Geschlechterverhältnis des BGB..................................................................................... 170 II. Das Patriarchalprinzip im ehelichen Güterrecht des BGB..................................................................................... 171 1. Verfügungs- und Verwaltungsrecht......................................... 172 a) Verwaltungsgemeinschaft................................................... 172 b) Vorbehaltsgut..................................................................... 174 c) Einschränkungen des Verfügungsrechts aus dem Vorbehaltsgut..................................................................... 176 2. Geschäftsfähigkeit und Haftungsfragen.................................. 176 3. Die Schlüsselgewalt................................................................. 177 4. Systemvielfalt des deutschen Rechts........................................ 178 5. Exkurs: Das englische Güterrechtssystem des 19. Jahrhunderts...................................................................... 180 6. Ergebnis.................................................................................. 184 B. Das viktorianische Imaginäre ....................................................... 187 I. Das viktorianische Familienbild.................................................. 188

Inhalt

II. III.

XIII

1. Der familiäre Innenraum......................................................... 188 2. Patriarchalismus...................................................................... 189 3. Die weibliche Rolle................................................................. 190 4. Das Öffentliche und das Private.............................................. 193 Religion ....................................................................................... 195 Ergebnis ..................................................................................... 196

C. Strukturelle Zugänge zum Verstehen.......................................... 198 I. Säkularisierung und Rechtsreform............................................. 198 1. Wandel des Religiösen............................................................ 199 2. Säkularisierung des englischen Eherechts............................... 200 3. Religion und Frauenrechte...................................................... 202 II. Ökonomische Strukturen ........................................................... 204 1. Wirtschaft und Frauenrechte in der englisch viktorianischen Welt................................................................ 205 a) Der ökonomische Wandel.................................................. 206 b.) Die Industrialisierung und die Frauenbewegung............... 210 c) Frauen und Arbeit.............................................................. 210 aa) Catherine Barmby....................................................... 211 bb) Barbara Bodichon....................................................... 212 D. Die Frauenbewegung ..................................................................... 214 I. Frauen und das Common Law – Stellungnahmen einzelner Personen .................................................................... 214 1. Barbara Bodichon.................................................................... 215 2. Caroline Norton...................................................................... 217 3. Francis Power Cobbe............................................................... 223 4. Anna Jameson......................................................................... 225 II. Kollektives Handeln .................................................................... 228 1. English Woman’s Journal........................................................ 228 2. Frauenvereine.......................................................................... 230 3. Ergebnis.................................................................................. 232 III. Zwei Frauenbewegungen........................................................... 232 1. Ideologie.................................................................................. 233 2. Rechtsbewusstsein................................................................... 236 3. Ergebnis.................................................................................. 239 IV. Das Schicksal des kollektiven Handelns der Frauen................ 239 1. Petitionen................................................................................ 239 2. Verfassungsgeschichtliche Differenzen.................................... 241 3. Männliche Verfechter der Fraueninteressen in England......... 243

XIV

Inhalt

a) Die Zusammenarbeit von Männern und Frauen............... 243 b) Die englische Parlamentsdiskussion................................... 244 c) Vergleichende Betrachtung................................................ 257 4. Hindernisse auf dem Weg der deutschen Frauenbewegung.... 261 a) Die sog. 48er Reaktion....................................................... 261 b) Die politisch-symbolische Imagination des „Männlichen“..................................................................... 263 V. Ergebnis ..................................................................................... 266 E. Das juristische Imaginäre ............................................................. 268 I. Die Welt der Ehe als Paradoxie und die Sonderstellung einer Familienrechtsdiskussion.................................................. 268 II. Recht und Moral oder Staatliche Gesetzgebungsbefugnis und Eherecht .............................................................................. 270 1. Der Liberalismus und „Die Privatheit der Familie“................. 271 2. Der Liberalismus und die Freiheit der Frau............................ 272 3. Der Utilitarismus..................................................................... 275 a) Utilitarismus und Liberalismus.......................................... 276 b) Utilitarismus und Frauenrechte.......................................... 276 4. Ergebnis.................................................................................. 279 III. Recht und Moral: Deutschland.................................................. 279 1. Der deutsche Liberalismus...................................................... 280 2. Die doppelte deutsche Tradition............................................. 281 a) Recht – Familie – Moral.................................................... 282 aa) Fichte.......................................................................... 283 bb) Hegel........................................................................... 284 cc) Savigny........................................................................ 285 dd) Die Pandekten............................................................. 287 ee) Das BGB..................................................................... 287 b) Die zweite deutsche Tradition: Die konkrete Moral der Familie......................................................................... 288 3. Ergebnis.................................................................................. 289 IV. Die Funktion des Gesetzes: Recht und Tradition..................... 290 1. Die Rechtsentstehungstheorien Englands............................... 292 2. Wandel im 19. Jahrhundert..................................................... 295 3. Englische Erkenntnistheorie und Frauenrechte...................... 298 4. Die Rechtsentstehungstheorie des deutschen Gesetzgebers.... 303 a) Die Tradition der historischen Rechtsschule...................... 303 b) Die Rechtsentstehung nach dem BGB-Gesetzgeber......... 305 c) Funktion des Gesetzes....................................................... 306

Inhalt

XV

d) Sonderstellung des Familienrechts..................................... 307 5. Ergebnis.................................................................................. 308 V. Strukturelle Eigenheiten der Rechtsordnungen........................ 310 1. Die Natur des Gesetzes: Kodifikation – Einzelfallgesetz........ 310 2. Deutsche „Partikularitäten“..................................................... 311 3. Englische „Partikularitäten“.................................................... 313 a) Internationale Netze als Einflussfaktor: Das „Fremde“ und das „Eigene“................................................................ 314 b) Die Equity als Triebkraft der englischen Familienrechtsreformen..................................................... 316 aa) Die Equity als Argument............................................ 317 bb) Die Equity als juristisches Vorbild.............................. 317 4. Ergebnis zum juristischen Imaginären.................................... 320 Schluss .................................................................................................. 323 A. Gesamtergebnis .............................................................................. 323 B. Ausblick ............................................................................................ 325 Literaturverzeichnis ............................................................................. 331 Quellen ................................................................................................... 331 A. Englische Gerichtsurteile (eigenständig zitierte) ........................... 331 B. Englische Gesetze .......................................................................... 331 C. Andere Dokumente und Gesetzesbegründungen .......................... 332 D. Sonstige Quellenliteratur .............................................................. 332 E. Sekundärliteratur............................................................................ 336

Abkürzungsverzeichnis AcP Archiv für die civilistische Praxis ADHGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch AJCompL American Journal of Comparative Law All. E.R. All England Law Reports Am. J. L. H. American Journal of Legal History Arch.d.Ph.dr. Archives de philosophie du droit BGB Bürgerliches Gesetzbuch Ch. Div. Chancery Division CPO Civilprozeßordnung ders. derselbe d.h. das heißt dies. dieselbe ebda. ebenda FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht HWPh Ritter, Joachim/Gründer, Karlfried, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 8, Darmstadt 1992. HRG Erler, Adalbert/Kaufmann, Ekkehard: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Band. I, Berlin 1978. Hrsg. Herausgeber insb. insbesondere Kap. Kapitel L.Q.R The Law Quarterly Review M.L.R. The Modern Law Review m.w.H. mit weiteren Hinweisen sog. sogenannt SZ (RA) Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung) SZ (GA) Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte (Germanistische Abteilung) vgl. vergleiche ZEuP Zeitschrift für europäisches Privatrecht ZNR Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte

„Die Grundfarbe der Geschichte ist grau, in unendlichen Schattierungen“ Thomas Nipperdey

Einleitung A. Gegenstand der Untersuchung Die Rechtslage der Ehefrau, namentlich in der Neuzeit, ist unlängst verstärkt in das Forschungsspektrum der Rechtsgeschichte eingetreten. Die Forschung auf diesem Gebiet hat mittlerweile auch einen ziemlich elaborierten Erkenntnisstand erreicht, der demjenigen der übrigen Geschichts- und Sozialwissenschaften durchaus vergleichbar scheint. Woran es noch fehlt, ist der vergleichende Blickwinkel. Im Zeitalter der Globalisierung, der europäischen Rechtsvereinheitlichung, ja, der europäischen Identitätsbildung überhaupt, ist der wissenschaftliche Drang größer denn je, nach Spuren dieser Einheitlichkeit und Identität sowie auch nach deren Grenzen in der Vergangenheit zu suchen. Ein solches Projekt ist wiederum nichts anderes als die Aufklärung über die Legitimität künftiger Inanspruchnahme der Rechtsgeschichte im Rahmen des genannten Prozesses der Rechtsvereinheitlichung. Den vergleichenden Blickwinkel macht sich diese Arbeit zu Eigen und untersucht die rechtliche Konstitution des Geschlechterverhältnisses in Deutschland und England, die rechtliche Instituierung der ökonomischen Beziehungen der Ehegatten, also das, was man in Deutschland das „eheliche Güterrecht“ zu nennen pflegt. Bereits der Titel der Arbeit deutet auf den zugrundegelegten Ausgangspunkt und zugleich die Rechtfertigung des Vergleichs hin. Es handelt sich um zwei grundlegende Kategorien, in welchen die juristische Konstruktion des innerfamiliären Geschlechterverhältnisses ihre Legitimation fand. Im Zeitalter der sozialen Ausdifferenzierung, in welchem das Haus eben auch nur seine Funktion zu erfüllen hat und nicht mehr als der Kernbereich eines Menschenlebens begriffen werden kann, wird es möglich, von einem „Ernährer“ der Familie zu sprechen und parallel dazu die Führung des Haushalts als komplexes1 und tragendes Element einer „Rolle“ zu betrachten, die jemandem besonders zugewiesen werden soll. Diese Struktur und die Tatsache, dass der Ehemann selbstverständlich der „Breadwinner“ war, während die Ehefrau als „Housekeeper“ fungierte, ist der 1

Denn es beinhaltet viel mehr als lediglich die Sorge um seine Sauberkeit und Gemütlichkeit. Den Haushalt führen, bedeutet vor allem Kindererziehung.

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Einleitung

Ausgangspunkt, von dem aus sich die vergleichende Gegenüberstellung erklärt. Dies ist nämlich in beiden Ländern/Rechtsordnungen im 19. Jahrhundert vor allem dann der Ausgangspunkt, wenn es darum geht, die jeweilige juristische bzw. gesetzgeberische Entscheidung im ehelichen Vermögensrecht zu legitimieren. Umfangreiche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Ehemannes am Vermögen der Ehefrau unter Ausschluss normativer Reziprozität erklären sich dann rechtspolitisch daraus, dass der Ehemann eben die ehelichen Lasten zu tragen hat. Die einzelnen Elemente dieser Argumentationslinie zu untersuchen, bildet eine zentrale Aufgabe der folgenden Ausführungen. Dabei fällt das Hauptgewicht, aus Gründen, die gleich erklärt werden, auf die Analyse des englischen Rechts. Doch das eigentliche „Erwachen“ des vergleichenden Geistes geschieht, nachdem man das Gemeinsame festgestellt hat. Dann ragt nämlich das Unterschiedliche heraus. Die Entwicklungen bzw. die Standpunkte der beiden Rechtsordnungen in Bezug auf die vermögensrechtliche Lage der Ehefrau weichen voneinander erheblich ab. Diese Divergenz zu verstehen, sie in ihrem zeiträumlichen Rahmen als sinnvoll zu begreifen, bildet die zweite Aufgabe, welcher sich diese Untersuchung widmen will.

B. Forschungsstand und Quellen Nicht nur zum rechtlichen Geschlechterverhältnis, sondern auch zum ehelichen Güterrecht insbesondere sind in den letzten Jahrzehnten schon einige Untersuchungen entstanden.2 Gegenüber diesen oder einigen davon muss die 2

Eine sehr frühe, thematisch umfassende Untersuchung des englischen Familienrechts im 19. Jahrhundert ist die von Graveson/Crane, A Century of Family Law 1857–1957 (1957). Ebenfalls auf das gesamte englische Familienrecht dieser Zeit bezieht sich die Arbeit von Shanley, Feminism, Marriage and the Law (1989). Hinsichtlich des deutschen Familienrechts seien hier noch einige der Spezialuntersuchungen genannt, die im Zuge des Forschungsprojekts entstanden sind, aus welchem die vorliegende Arbeit auch hervorgegangen ist. Diese sind in chronologischer Reihenfolge: Duncker, Arne, Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe. Persönliche Stellung von Frau und Mann im Recht der ehelichen Lebensgemeinschaft 1700–1914 (2003); Czelk, Andrea, “Privilegierung” und Vorurteil. Positionen der Bürgerlichen Frauenbewegung zum Unehelichenrecht und zur Kindstötung im Kaiserreich (2005); Rabe, Christine Susanne, Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Die Krause-Schule und die bürgerliche Frauenbewegung im 19. Jahrhundert (2006); Riedel, Tanja-Carina, Gleiches Recht für Frau und Mann. Die bürgerliche Frauenbewegung und die Entstehung des BGB (2008). Als umfassende Untersuchungen der deutschen Rechtsentwicklung des Geschlech-

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Einleitung

Ausgangspunkt, von dem aus sich die vergleichende Gegenüberstellung erklärt. Dies ist nämlich in beiden Ländern/Rechtsordnungen im 19. Jahrhundert vor allem dann der Ausgangspunkt, wenn es darum geht, die jeweilige juristische bzw. gesetzgeberische Entscheidung im ehelichen Vermögensrecht zu legitimieren. Umfangreiche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Ehemannes am Vermögen der Ehefrau unter Ausschluss normativer Reziprozität erklären sich dann rechtspolitisch daraus, dass der Ehemann eben die ehelichen Lasten zu tragen hat. Die einzelnen Elemente dieser Argumentationslinie zu untersuchen, bildet eine zentrale Aufgabe der folgenden Ausführungen. Dabei fällt das Hauptgewicht, aus Gründen, die gleich erklärt werden, auf die Analyse des englischen Rechts. Doch das eigentliche „Erwachen“ des vergleichenden Geistes geschieht, nachdem man das Gemeinsame festgestellt hat. Dann ragt nämlich das Unterschiedliche heraus. Die Entwicklungen bzw. die Standpunkte der beiden Rechtsordnungen in Bezug auf die vermögensrechtliche Lage der Ehefrau weichen voneinander erheblich ab. Diese Divergenz zu verstehen, sie in ihrem zeiträumlichen Rahmen als sinnvoll zu begreifen, bildet die zweite Aufgabe, welcher sich diese Untersuchung widmen will.

B. Forschungsstand und Quellen Nicht nur zum rechtlichen Geschlechterverhältnis, sondern auch zum ehelichen Güterrecht insbesondere sind in den letzten Jahrzehnten schon einige Untersuchungen entstanden.2 Gegenüber diesen oder einigen davon muss die 2

Eine sehr frühe, thematisch umfassende Untersuchung des englischen Familienrechts im 19. Jahrhundert ist die von Graveson/Crane, A Century of Family Law 1857–1957 (1957). Ebenfalls auf das gesamte englische Familienrecht dieser Zeit bezieht sich die Arbeit von Shanley, Feminism, Marriage and the Law (1989). Hinsichtlich des deutschen Familienrechts seien hier noch einige der Spezialuntersuchungen genannt, die im Zuge des Forschungsprojekts entstanden sind, aus welchem die vorliegende Arbeit auch hervorgegangen ist. Diese sind in chronologischer Reihenfolge: Duncker, Arne, Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe. Persönliche Stellung von Frau und Mann im Recht der ehelichen Lebensgemeinschaft 1700–1914 (2003); Czelk, Andrea, “Privilegierung” und Vorurteil. Positionen der Bürgerlichen Frauenbewegung zum Unehelichenrecht und zur Kindstötung im Kaiserreich (2005); Rabe, Christine Susanne, Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Die Krause-Schule und die bürgerliche Frauenbewegung im 19. Jahrhundert (2006); Riedel, Tanja-Carina, Gleiches Recht für Frau und Mann. Die bürgerliche Frauenbewegung und die Entstehung des BGB (2008). Als umfassende Untersuchungen der deutschen Rechtsentwicklung des Geschlech-

Forschungsstand und Quellen

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vorliegende Untersuchung abgegrenzt werden. Es müssen ihre konkretisierenden Konturen näher bestimmt werden. Zunächst soll dies in Bezug auf das deutsche Recht geschehen. Hier teilt die Arbeit den Untersuchungsgegenstand mit der Monographie von Jens Lehmann „Die Ehefrau und ihr Vermögen“ (2006). Die Koinzidenz beschränkt sich dabei nicht lediglich auf den Untersuchungsgegenstand. Sie erstreckt sich auf weitere zentrale Bereiche des Erkenntnisinteresses. Namentlich gilt das für die zentrale Einbeziehung der Frauenbewegung und ihrer Forderungen hinsichtlich des ehelichen Güterrechts. Lehmann untersucht all dies in Bezug auf die Entstehungszeit des BGB. Die maßgeblichen Rechtsnormen, die bedeutendsten Personen der deutschen Frauenbewegung im Hinblick auf das eheliche Güterrecht sowie die signifikantesten Züge des entsprechenden juristischen Diskurses werden im Rahmen der genannten Arbeit ausgiebig durchleuchtet. Auf den dort gewonnenen Erkenntnissen fußt die vorliegende Untersuchung. Das ist der Grund, weshalb das deutsche Recht im ersten Teil der Untersuchung überhaupt nicht und im zweiten Teil nur deswegen zur Sprache kommt, um die vergleichende Fragestellung formulieren zu können. Nichts anderes gilt für die übrigen Elemente, vor allem für die Einzelheiten betreffend die Rechtsforderungen der deutschen Frauenbewegung. Aus diesen Gründen wird hier schließlich von einer vergleichenden Perspektive bzw. von einem vergleichenden Blickwinkel der Arbeit und nicht von einer rechtsvergleichenden Analyse gesprochen. Weil nämlich fast jede Interpretation nicht aus einem Nebeneinander der Rechtsordnungen, sondern aus dem Blickwinkel des deutschen Rechts hervorgeht. Dagegen wird die Auseinandersetzung mit dem englischen Recht relativ ausführlich ausfallen. Dabei sind auch diesbezüglich sehr informative monographische Leistungen vorhanden,3 von denen sich die Untersuchung auch absetzen muss. Aus dem deutschen Sprachraum existiert, soweit ersichtlich,



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terverhältnisses müssen schließlich noch U. Gerhard, Gleichheit ohne Angleichung (1990) und dies. (Hrsg.), Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), erwähnt werden. Mit der Entwicklung des ehelichen Güterrechts hat man sich ebenfalls früh genug auseinandergesetzt, allerdings nicht monographisch. Gemeint ist das unter der Heraugeberschaft Friedmanns zustande gekommene Gemeinschaftswerk „Matrimonial Property Law“ aus dem Jahre 1955, welches noch rechtsvergleichend ausgerichtet ist. Dem angesprochenen Forschungsprojekt ist in dieser Hinsicht noch die Untersuchung von Jens Lehmann, Die Frau und ihr Vermögen (2006) entsprungen, die sich nur auf die deutsche Rechtsentwicklung bezieht. Dasselbe gilt für die früher entstandene Arbeit von Klaus Schmid, Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (1990). Das sind die im Folgenden angesprochenen.

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Einleitung

aus neuester Zeit eine einzige Arbeit zum englischen Güterrecht des 19. Jahrhunderts. Es handelt sich um die Dissertation von Andrea Eggestein „Uxor und Feme Covert“ (1995). Diese widmet sich einer vergleichenden Untersuchung des englischen und des römischen Ehegüterrechts. Vor allem mit der im ersten Teil der vorliegenden Arbeit unternommenen Analyse des englischen Güterrechts ergeben sich durchaus inhaltliche Überschneidungen. Obwohl der Ansatz der Arbeit von Eggestein – der Vergleich des englischen mit dem römischen Recht – im Verbund mit der Art und Weise, in welcher er durchgeführt wird, etwas kurios anmutet 4 und nur aus einem besonderen Geist der heutigen Zeit verständlich wird, bildet dies nicht die entscheidende Differenz zum vorliegenden Vorhaben. Diese ergibt sich vielmehr aus dem der gegenwärtigen Untersuchung zugrundegelegten Erkenntnisinteresse. Dessen erste Dimension ist schon angedeutet worden. Hier werden insbesondere diejenigen Rechtsregelungen thematisiert, die als maßgeblich für die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Mann und Frau in der Familie angesehen werden. Im Vordergrund steht also nicht so sehr oder nicht nur die Untersuchung der juristischen Konstruktion an sich, sondern der Legitimation, welche dieser die Ehefrau diskriminierenden Konstruktion im Rahmen eines bestimmten Kulturkreises (bzw. im Rahmen von zwei Kulturkreisen) zuteil wurde. Beim Herausarbeiten der genannten Diskriminierung wurden bestimmte historische Quellen herangezogen. Im Gegensatz zur Arbeit von Eggestein waren diese nicht die zahllosen englischen Gerichtsurteile aus der Tiefe der Jahrhunderte, welche die Gestalt und den Inhalt des Common Law geformt hatten. Insofern konnte auf die nicht zuletzt in dieser Hinsicht verdienstvolle Untersuchung von Eggestein zurückgegriffen werden. Das Augenmerk ist hier vielmehr auf diejenigen Äußerungen, vorwiegend aus der Rechtsliteratur, aber auch aus den Gerichtsurteilen des 19. Jahrhunderts, gerichtet, die Aufschluss über die maßgeblichen geschlechterbezogenen Wertungen zur Gestaltung bzw. Legitimation des damals geltenden Rechts zu geben vermochten.5 Der hier eingenommene Blickwinkel, namentlich bei der Untersuchung des Common Law, versucht damit eine bestimmte Art von 4

Gemeint ist die zeitliche und kulturelle Entfernung der verglichenen Rechtsordnungen, wobei es Eggestein gar nicht darum zu gehen scheint, diese Entfernung zu untersuchen. Gemeint ist außerdem die Vorbildfunktion des römischen Rechts, welche ein solcher Vergleich suggeriert, die hier nicht geteilt werden kann. 5 Es wird dementsprechend versucht, eine Lücke der deutschsprachigen Forschung zu schließen, auf welche Schubert neulich hingewiesen hat. Vgl. Schubert, SZ (GA), 2006, S. 881. Eine von demselben Autor geforerte Kritik aus heutiger (englischer) Sicht wird allerdings nicht geleistet.

Forschungsstand und Quellen

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Sinnerfüllung zu erfassen: nämlich wie die zeitgenössischen Juristen das alte Recht mit zum Teil neuen Mitteln zu begründen versucht haben.6 Aus der Einschränkung der Untersuchung auf das 19. Jahrhundert ergibt sich schließlich die zweite Dimension des gegenwärtigen Erkenntnisinteresses. Es soll das geschlechterbezogene Imaginäre7 des 19. Jahrhunderts erfasst werden. Die erwähnten Begründungen durch die zeitgenössischen englischen Juristen bilden einen wesentlichen Teil dieses Imaginären. Darin finden selbstverständlich auch die güterrechtlichen Reformen dieser Zeit ihren zentralen Platz und bilden hier ebenfalls einen wesentlichen Teilbereich der Untersuchung im Rahmen ihres ersten Teils. Das besondere Imaginäre des 19. Jahrhunderts durch die Auswertung der juristischen Literatur sowie die genannten Reformen des Rechts sind schließlich beides Gesichtpunkte, die nicht im Mittelpunkt der erwähnten Untersuchung des englischen Rechts von Eggestein stehen. Insofern soll diesbezüglich eine Lücke im deutschsprachigen Schrifttum geschlossen werden. Zum ehelichen Güterrecht Englands sind schließlich in den letzten Jahren auch einige englischsprachige Monographien entstanden,8 und die Sprache kann nicht den einzigen Grund darstellen, um dieselbe Problematik einer erneuten Untersuchung zu unterwerfen. Was solche Arbeiten anbelangt, die sich mit einzelnen Bereichen der rechtlichen Entwicklung befassen, namentlich mit der Jurisprudenz der Equity,9 betrifft die inhaltliche Überschneidung einen sehr geringen Bereich des ersten Teils der vorliegenden Untersuchung. Wichtiger ist allerdings, dass sie sich erstens zeitlich außerhalb des hier vorgesehenen Rahmens bewegen und zweitens, dass bei ihnen die Frauenbewegung keine Rolle spielt. Deren Bedeutung für die englischen Reformen ist hier aber geradezu elementar.

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Es wird an Ort und Stelle begründet, warum in Bezug auf bestimmte Regelungen (etwa diese, die das unbewegliche Vermögen betreffen) doch auf ältere Quellen – Coke oder ältere Urteile – zurückgegriffen wurde. Nämlich, weil erstens Frauendiskriminierung selbstverständlich keine Entdeckung der französischen Revolution und insofern nicht alles neu war; zweitens, um den zuweilen dennoch hervortretenden Kontrast der „neuen“ Diskriminierung mit derjenigen anderer Epochen zu prononcieren; und schließlich, weil sich die entscheidenden Legitimationsversuche an den jeweils praktisch bedeutenden Rechtsgegenständen ablesen lassen. Diese ändern sich aber mit der Zeit. 7 Zu diesem Begriff vgl. sogleich unten. 8 Welche gleich im Text erwähnt werden. 9 Diese sind etwa Bonfield, Lloyd, Marriage Settlements 1601–1740 (1983), sowie Staves, Suzan, Married Women’s Separate Property in England 1660–1883 (1990).

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Einleitung

Gerade Letzteres kann aber als der Schwerpunkt von zwei anderen englischsprachigen Arbeiten angesehen werden. Es handelt sich zum einen um die Untersuchung „Wives and Property“ von Lee Holcombe (1983), zum anderen um diejenige von Mary Lyndon Shanley, „Feminism, Marriage and the Law in Victorian England, 1850–1895“ (1989), wobei Letztere keinen güterrechtlichen Schwerpunkt kennt. Die Abgrenzung zum gegenwärtigen Forschungsvorhaben ergibt sich erstens aus der inhaltlichen Gewichtung der Schwerpunkte. Hier wird der dogmatischen Konstruktion nicht nur erheblich mehr Raum, sondern genauso viel Pflege zuteil. In beiden erwähnten Untersuchungen werden insoweit kaum historische Quellen herangezogen. Das juristische „Dogma“ interessiert sie wenig. Daraus folgt, dass sie ebenso wenig die juristische Literatur der Zeit auswerten, was man mitunter auch kritisch verstehen könnte. Über die hier herangezogenen Quellen wurde schon gesprochen. Der besondere Charakter der vorliegenden Untersuchung ergibt sich aber deutlicher, wenn man die dogmatische Analyse des englischen Rechts beiseite schiebt und den zweiten Teil dieser Arbeit berücksichtigt. Daraus erhellt: Hier wird eine genuin vergleichende Perspektive eingenommen. Bestimmte Aspekte der Geschichte des englischen Güterrechts werden im Vergleich und aus dem Blickwinkel von bestimmten Aspekten der Geschichte des deutschen Güterrechts analysiert, d.h. der Vergleich findet mal im Nebeneinander, mal implizit statt, um die differierenden Ergebnisse der beiden Geschichten zu interpretieren. Obwohl in beiden genannten Monographien das Phänomen „Frauenbewegung“ im Vordergrund steht, beschränken sich die Arbeiten von Holcombe und Shanley auf die englische Geschichte. Hier aber wird dankbar an ihre Erkenntnisse angeknüpft, um von dort aus die „Andersheit“10 zweier so ähnlich aussehender Rechtskulturen herauszuarbeiten.

C. Gang der Untersuchung I. Erster Teil Im ersten Teil der Untersuchung wird das englische Recht in Bezug auf die vermögensrechtliche Lage der Ehefrau im 19. Jahrhundert analysiert. Begonnen wird mit dem Common Law. Das Verständnis seiner Normen und seiner Prinzipien ist notwendig, um die spätere, und auch später in der Arbeit zu 10 Bei diesem Terminus handelt es sich um die deutsche Übersetzung (Suhrkamp, 1984) des französischen bzw. des von Castoriadis verwendeten Begriffs der „alterité“. Dieser Übersetzung wird hier gefolgt.

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Einleitung

Gerade Letzteres kann aber als der Schwerpunkt von zwei anderen englischsprachigen Arbeiten angesehen werden. Es handelt sich zum einen um die Untersuchung „Wives and Property“ von Lee Holcombe (1983), zum anderen um diejenige von Mary Lyndon Shanley, „Feminism, Marriage and the Law in Victorian England, 1850–1895“ (1989), wobei Letztere keinen güterrechtlichen Schwerpunkt kennt. Die Abgrenzung zum gegenwärtigen Forschungsvorhaben ergibt sich erstens aus der inhaltlichen Gewichtung der Schwerpunkte. Hier wird der dogmatischen Konstruktion nicht nur erheblich mehr Raum, sondern genauso viel Pflege zuteil. In beiden erwähnten Untersuchungen werden insoweit kaum historische Quellen herangezogen. Das juristische „Dogma“ interessiert sie wenig. Daraus folgt, dass sie ebenso wenig die juristische Literatur der Zeit auswerten, was man mitunter auch kritisch verstehen könnte. Über die hier herangezogenen Quellen wurde schon gesprochen. Der besondere Charakter der vorliegenden Untersuchung ergibt sich aber deutlicher, wenn man die dogmatische Analyse des englischen Rechts beiseite schiebt und den zweiten Teil dieser Arbeit berücksichtigt. Daraus erhellt: Hier wird eine genuin vergleichende Perspektive eingenommen. Bestimmte Aspekte der Geschichte des englischen Güterrechts werden im Vergleich und aus dem Blickwinkel von bestimmten Aspekten der Geschichte des deutschen Güterrechts analysiert, d.h. der Vergleich findet mal im Nebeneinander, mal implizit statt, um die differierenden Ergebnisse der beiden Geschichten zu interpretieren. Obwohl in beiden genannten Monographien das Phänomen „Frauenbewegung“ im Vordergrund steht, beschränken sich die Arbeiten von Holcombe und Shanley auf die englische Geschichte. Hier aber wird dankbar an ihre Erkenntnisse angeknüpft, um von dort aus die „Andersheit“10 zweier so ähnlich aussehender Rechtskulturen herauszuarbeiten.

C. Gang der Untersuchung I. Erster Teil Im ersten Teil der Untersuchung wird das englische Recht in Bezug auf die vermögensrechtliche Lage der Ehefrau im 19. Jahrhundert analysiert. Begonnen wird mit dem Common Law. Das Verständnis seiner Normen und seiner Prinzipien ist notwendig, um die spätere, und auch später in der Arbeit zu 10 Bei diesem Terminus handelt es sich um die deutsche Übersetzung (Suhrkamp, 1984) des französischen bzw. des von Castoriadis verwendeten Begriffs der „alterité“. Dieser Übersetzung wird hier gefolgt.

Gang der Untersuchung

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untersuchende Kritik seitens der englischen Frauenbewegung zu verstehen. Denn das Common Law präsentiert durchgängig und ziemlich eingleisig das Prinzip des Patriarchalismus in seiner familienrechtlich-vermögensrechtlichen Ausprägung. Bei der Untersuchung der Regelungen des Common Law muss man sich folgenden Umstand ins Bewusstsein rufen: Sie sind zum größten Teil im „tiefen“ Mittelalter entstanden und seitdem weitgehend unverändert geblieben. Ihre Begrifflichkeiten und ihr Inhalt sind dementsprechend zunächst aus diesem sozioökomischen Kontext verständlich, woraus sich hier ebenfalls eine gewisse Zurückhaltung bei der Übersetzung solcher englischen Begriffe ergibt. Aber unabhängig von ihrem zeitlichen Ursprung gehören sie vor allem zum Imaginären des 19. Jahrhunderts, was diese Arbeit aus mehreren Perspektiven genauer untersucht. In der Reformdiskussion wurden sie gerade als Teile dieses Imaginären mitunter kritisiert.11 Nach dem Common Law wird eine Eigentümlichkeit des englischen Rechts untersucht, die in dem hier relevanten Rechtsbereich besonders prominent und bedeutsam ist: Die Equity. Es handelt sich um das Rechtssystem, das seit dem 17. Jahrhundert parallel zum Common Law die vermögensrechtliche Selbständigkeit der Ehefrau kontinuierlich ausbaut und die Fundamente des Common Law untergräbt. Schließlich wird sich die Untersuchung den wichtigsten gesetzlichen Reformen zuwenden, die sich in den Jahren 1870 und 1882 ereigneten. Das Ergebnis dieser Reformen war Gütertrennung als gesetzliches Güterrechtssystem; ein komplett abweichendes Ergebnis von demjenigen des BGB.

II. Zweiter Teil – Vergleichende und historische Methode Im zweiten Teil wird es um den Vergleich der Rechtsordnungen gehen; der deutschen Rechtsordnung des BGB mit derjenigen englischen Normengesamtheit, die sich nach 1882, dem Jahr der letzten hier zu untersuchenden Reform des ehelichen Güterrechts in England, ergeben hatte. Der größte Unterschied lässt sich an ihrem Verhalten gegenüber dem Prinzip des Patriarchalismus in seiner güterrechtlichen Applikation ablesen. Das englische Recht bricht damit, das BGB nicht. Die Untersuchung zielt darauf ab, diesen Unterschied im Ergebnis zu verstehen. Dafür muss man sich mit verschiedenen Verständniszugängen auseinandersetzen; etwa mit den Maßstäben des Ökonomischen und des Religiösen. 11 S. etwa Hansard, 201 (1870), S. 879.

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Das ist zugleich die Frage nach der zeitlichen Differenz, mit welcher sich gewisse soziale Entwicklungen in England und Deutschland ereigneten und geltend machten. Diese sind auch nicht ohne Bedeutung. Doch als Aufstellung von allgemeingeltenden Maßstäben/Strukturen zum Vergleich zweier Rechtskulturen verspricht ein solches Vorgehen keine Antwort auf die gestellte Frage. Namentlich, weil seine historische Fundierung, die „Tatsachen“, überhaupt keinen Weg weisen. Aber auch, weil allgemeingeltende Strukturen keinen Sinn für „Andersheit“ besitzen.12 Die fruchtbarste Perspektive eröffnet sich dagegen durch die Zuwendung zu den beiden Frauenbewegungen. Dafür war ein konkretes philosophisches Vorverständnis sehr hilfreich, ja entscheidend. Dies macht sich die Sozial- und Geschichtsphilosophie von Cornelius Castoriadis zu Eigen.13 Aufgrund dieser Anlehnung wird hier oft vom Imaginären gesprochen. Die Verwendung dieses Begriffs im Rahmen dieser Untersuchung soll nun etwas näher erläutert werden. Wenn hier also oft vom Imaginären14 des 19. Jahrhunderts gesprochen wird,15 dann ist die Rede entweder von einer „ontologische(n) Realität“,16 oder vom schöpferischen Potential der Geschichte. Was die erste Bedeutung des Begriffs anbelangt, ist seine bei Castoriadis immer wieder, obwohl meist implizit, betonte Differenzierung zum Begriff des „Fiktiven“ hervorzuheben. Die „imaginäre Bedeutung“ ist nicht etwas, was sich in der Phantasie eines Einzelnen abspielt. Die gesellschaftlichen imaginären Bedeutungen sind auch nicht das Ergebnis der Reflexion über die Geschichte, wie etwa die „Idealtypen“ Webers.17 Sie „machen“ vielmehr „das von den Subjekten konkret oder ‚durchschnittlich‘ Gemeinte überhaupt erst möglich“.18 Sie sind 12 Auf diesen Begriff und seine differierende Semantik gegenüber dem in der Rechtsvergleichung in letzter Zeit öfter herangezogenen Begriff der „Differenz“ wird ebenfalls gleich eingegangen werden. 13 Zu dieser Philosophie zusammenfassend etwa Ciaramelli, in: Critchley/Schroeder, A Companion to Continental Philosophy, S. 492–503; aus sozialwissenschaftlicher Perspektive ebenso adäquat die Darstellung bei Joas/Knöbl, Sozialtheorie, S. 558–579. Es dürfte klar sein, dass im Folgenden nur auf die hier übernommenen Ergebnisse dieser Philosophie Bezug genommen werden kann. 14 Insoweit nur eine Abkürzung der gesellschaftlichen imaginären Bedeutungen. 15 Ausführlich wird die gesellschaftliche Dimension des Begriffs von Castoriadis selbst analysiert, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 579–609. 16 So Pechriggl, Journal Phänomenologie, 27/2007, S. 34. Eine Deutung, die im Übrigen die subjekttheoretische Interpretation der Castoriadis’schen Philosophie durch Habermas (Der philosophische Diskurs der Moderne, insb. S. 387f.) ins Wanken bringt. 17 Vgl. Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 599–601. 18 Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 600.

Gang der Untersuchung

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die instituierte, die reale Welt, die historisch untersucht wird. Das Imaginäre ist also nichts anderes als die Bedeutung dieser Welt für ihre Angehörigen, die durch ihre Institution (in Sprache, Religion, ökonomischen Verhältnissen und nicht zuletzt Recht) festlegt, „was für eine Gesellschaft ist und was nicht, was Wert hat und was wertlos ist, aber auch wie dasjenige, dem Sein oder Wert zukommen kann, ist oder nicht ist, Wert hat oder nicht hat“.19 Noch bedeutsamer für das gegenwärtige Vorhaben als der beschriebene Zugang zum Historischen hat sich die allein durch die Castoriadis’schen Philosophie eröffnete Möglichkeit erwiesen, zum Schöpferischen vorzudringen.20 Die Rechtsreformen, namentlich solche, die von einer Emanzipationsbewegung begleitet werden, werden hier als Schöpfungen, d.h. als Audrucksweisen und zugleich Triebkräfte von etwas Neuem, verstanden. Das Neue besteht selbstverständlich nicht allein in den Reformen, sondern in der neuen Form des Zusammenlebens der Geschlechter und schließlich in der Welt, die diese neue Form hervorgebracht hat. Die Philosophie von Cornelius Castoriadis ermöglicht dabei die historische Betrachtung dieser Welt bzw. einer ihrer Institutionen, bei den Frauenbewegungen und ihren Kämpfen anzusetzen. Denn ihre zentrale Frage nach der Autonomie besitzt von Anfang an eine gesellschaftliche Dimension.21 Sie verlangt und berücksichtigt das Handeln als grundlegende Kategorie der Konstitution einer Gesellschaft. Dabei wird Raum für das dieses Handeln tragende Subjekt22 und somit für seine Bedeutung in der Geschichte außerhalb des Netzes der Strukturen freigehalten. 19 Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 602 (Hervorhebung im Original). Die untrennbare Verschränkung der gesellschaftlichen imaginären Bedeutungen mit der Gestalt und dem Inhalt der Institutionen erlaubt, dem Bild des Gesetzgebers als des einzigen Schöpfers des Rechts zu entgehen und von Anfang an besagten Inhalt in diesem Imaginären zu suchen. So ist schließlich das Recht weder reiner Wille noch nur Macht. 20 Hierzu könnte man freilich das ganze Werk von Castoriadis zitieren. Hier sei etwa auf den gesamten zweiten Teil von Gesellschaft als imaginäre Institution, sowie auf den Text L’imaginaire: la création dans le domaine social-historique, in: Domaine de l’homme, S. 272–295 hingewiesen, wo die sozial-historische Dimension des schöpferischen Imaginären zusammenfassend beleuchtet wird. 21 Für eine philosophische Analyse der Frauenbewegungen unter dem Gesichtspunkt der Autonomie vgl. Pechriggl, Corps Transfigurés I, S. 270–297 (es handelt sich um die letzte „Thése“, die unter Betreuung von Castoriadis vor seinem Tode entstanden ist). 22 Das Individuum ist der Gepäckträger der Institutionen seiner Gesellschaft, sagt Castoriadis in: Mode d’être du social-historique, in: Figures du Pensables, S. 270, wo auch auf die Berechtigung und die Grenzen des sog. methodologischen Individualismus kurz eingegangen wird. Zum Letzteren ausführlich Castoriadis, Individu, société, rationalité, histoire, in: Le monde morcelé, S. 47–86.

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Aber zugleich kann in dieser Geschichtsphilosophie „keine Rede davon sein, die Gesellschaft im eigentlichen oder auch nur metaphorischen Sinne in ein ‚Subjekt‘ zu verwandeln“.23 „Das Gesellschaftliche setzt sich aus Intersubjektivem zusammen, ist ihm aber vorausgesetzt“.24 Erst vor diesem Hintergrund der Nicht-Reduzierbarkeit der Gesellschaft auf das Subjekt und umgekehrt können hier einige oft auftretende, noch zu untersuchende Widersprüche trotz dieser ihrer Struktur als Signale einer Gesellschaftsentwicklung, d.h. als Elemente einer zusammenhängenden Geschichte, interpretiert werden. Es handelt sich dabei zum einen um die Divergenzen zwischen den einzelnen Frauenrechtsforderungen selbst. Verschiedene Frauen fordern Unterschiedliches, einmal Gleichheit oder nur Gleichberechtigung und ein anderes Mal nur Schutz, und können dennoch als Mitglieder derselben Frauenbewegung verstanden werden. Zum zweiten ist da noch die Divergenz zwischen all diesen sich widersprechenden Forderungen und dem Endergebnis des ganzen Gesetzgebungsverfahrens. Die erwähnte Nicht-Reduzierbarkeit ermöglicht die genannte Interpretation, indem sie einen vielschichtigen Begriff des Handelns zugrunde legt. Denn es sind sicherlich die Frauen, welche handeln. Aber dieses Handeln findet in einem konkreten gesellschaftlichen Rahmen statt. Der Castoriadis’sche Begriff der creatio ex nihilo25 bietet den Zugang zu den Frauenbewegungen als den Moment des Aufbruchs und diese dann den Zugang zum Verständnis ihrer Welten. Von dort aus gebietet sich die Verflechtung der Darstellung der Frauenbewegungen mit politischen oder ökonomischen Gegebenheiten. Die Geschichte ist Schöpfung von Neuem. Dieses besteht aus den imaginären Bedeutungen der ganzen untersuchten Welt.26 Dieses Verständnis wirft dann auch ein wenig Licht auf den unten noch anzutreffenden Begriff des „Bruchs“, als welcher die Reform des englischen Rechts in ihrem Zusammenhang mit dem Patriarchalprinzip und dem tradierten Verständnis vom Geschlechterverhältnis interpretiert wird, und seinen Zusammenhang mit der Frage der historischen Kontinuität. Den Bruch stellt das historische 23 Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 245. 24 Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 184. 25 Dazu Castoriadis, Temp et création, in: Le monde morcelé, S. 334 mit der Unterscheidung zwischen creatio ex, cum und in nihilo. S. noch die editorische Anmerkung zu Sujet et Verité, S. 39. Zu diesem umstrittenen Begriff der Castoriadis’schen Philosophie instruktiv Breckmann, Creatio ex nihilo, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, 2007 (1/2), insb. S. 17–21. 26 Wenn also im Folgenden gelegentlich von den englischen Rechtsreformen als Momente der historischen Schöpfung gesprochen wird, dann dürfte damit klar sein, dass die Rechtsreformen eben nur Momente, Emanationsformen der damit angesprochenen neuen Zeit (Welt) bilden.

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Ergebnis dar, die neue juristische Konstitution des innerfamiliären Geschlechterverhältnisses. Dieser Bruch stellt sich aber für seine Träger,27 wie auch noch gezeigt werden soll, selbstverständlich nicht außerhalb jeglicher Tradition dar. Die Utilitaristen und die englischen Liberalen des 19. Jahrhunderts, die im zweiten Teil der Untersuchung als Element des neuen Imaginären in Anspruch genommen werden, knüpfen vielfach an die Lockesche Tradition und es ist ihnen dabei gleichgültig, wie Locke und seine Zeitgenossen über Geschlechtergleichberechtigung gedacht haben mögen. Das Individuum denkt und vor allem spricht immer im Rahmen des schon Instituierten. Dies allein schließt aber nicht aus, dass es Neues zu denken und hervorzubringen vermag, sobald es über dieses Instituierte reflektiert.28 Wurden bisher theoretische Dimensionen der historischen Interpretation im Rahmen des zweiten Teils der Untersuchung erörtert, soll nun auch der vergleichende Aspekt derselben ins Blickfeld gerückt werden. In diesem zweiten Teil der Untersuchung wird eine bestimmte historisch-vergleichende Betrachtungsweise appliziert. Ihre theoretischen Grundlagen bestimmen von Anfang an die Fragestellung und müssen deswegen hier weiter thematisiert werden. Es werden zwei unterschiedliche Rechtsentwicklungen verglichen. Dass dies weitere, schwerwiegende Fragen aufwirft, führt einem kein geringerer als Hans-Georg Gadamer vor Augen: „Das Wesen des Vergleichens setzt die Ungebundenheit der erkennenden Subjektivität, die über das eine wie über das andere verfügt, bereits voraus. Es macht auf eine erklärte Weise gleichzeitig. Man muss deshalb bezweifeln, ob die Methode des Vergleichens der Idee der historischen Erkenntnis wirklich genügt …“ und zitiert Yorck, der sagt: „Vergleichung ist immer ästhetisch, haftet immer an der Gestalt“.29 Man denke hier als erstes an das von der Disziplin der Rechtsvergleichung vielfach aufgestellte – hier so genannte – Postulat vom neutralen Dritten.30 Sobald einem 27 Woraus ebenfalls deutlich wird, dass die „Schöpfung“ zum einen eine interpretatorische Leistung ist. Andererseits wird man betonen müssen, dass es durchaus, und zwar nicht selten eine andere Seite gibt. Nämlich diejenige, wonach sich eine neue imaginäre Bedeutung auch für ihre Träger als neu präsentiert. Man wird z.B. bei Mill, The Subjection of Women kaum den Eindruck haben, dass er sich auf irgendeine Tradition beruft. Er ruft höchstens seine kritische Gerechtigkeitstradition herbei. 28 Dies ist die Leistung des „radikalen Imaginären“. Vgl. dazu Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 603–609; vgl. hier auch Castoriadis, Sujet et Vérité, S. 198f. Zur Frage der historischen Kontinuität vgl. noch am Schluss der Arbeit (Abschnitt „Ausblick“) in der Diskussion des Begriffspaares das „Eigene“ und das „Fremde“. 29 Wahrheit und Methode, S. 237f. 30 Darauf scheinen beispielsweise die Gedanken von Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 3, hinauszulaufen. Sprechen sie doch von der Bildung einer dem Zweck nach universell geltenden Systematik als Ergebnis der rechtsvergleichenden

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seine eigene Geschichtlichkeit bewusst wird, enthüllt sich die Bodenlosigkeit, d.h. Lebensferne, eines solchen Postulats. Die Aufstellung eines allgemeingültigen Maßstabs, an dem die zu vergleichenden Rechtsordnungen zu messen wären, wird also auch aus diesem Grunde abgelehnt. Diese Arbeit versucht dagegen dem Rechtsvergleichen seine ihm von Gadamer, insoweit zu Recht, abgesprochene Bedeutsamkeit für die historische Erkenntnis zurückzugeben, indem sie sich darauf konzentriert, die jeweilige Individualität hervortreten zu lassen und ihre Identität herauszufinden. Es gilt dabei, das „Eigene“ und das „Fremde“, die „Andersheit“ in ihrer Welt und für sie zu erkennen. „Andersheit“ kann sich hier nur auf die „andere“ Kultur beziehen. Dies erfordert für die vorliegende Untersuchung zunächst überhaupt die Erweiterung des Forschungsspektrums: Recht muss als Kultur, d.h. als Teil der Kultur begriffen werden.31 Als Kultur werden dabei, in weitgehender Übereinstimmung mit dem heute in den Kulturwissenschaften allgemein geltenden Kulturbegriff, diejenigen Kategorien des sozialen und privaten Lebens begriffen, aus denen sich eine Gesellschaft konstituiert,32 also die Gesamtheit dessen, was oben als die gesellschaftlichen imaginären Bedeutungen eines bestimmten kulturellen Raumes definiert wurde. Auch aus diesem Grund wird im zweiten Teil der Untersuchung nicht nur das genuin Rechtliche, sondern ebenso zentral das Politische aber auch das Ästhetische33 und andere Bereiche des die jeweilige Gesellschaft konstituierenden gesellschaftlichen Imaginären in ihren Zusammenhängen mit den Rechtsreformen untersucht. Für den vergleichenden Blickwinkel wird bei einem solchen Verständnis seines Gegenstandes zunächst die Frage virulent, auf welche Weise eine kulturelle Individualität bewahrende und ihre historisch vorhandenen Grenzen nicht verkennende Untersuchung des Rechts mit Hilfe des Begriffs der Kultur vorzunehmen ist. Notwendig dafür ist vor allem, dass der Forschungsgegenstand „Kultur“, d.h. die einzelnen Kulturen nicht als „vorgegebene(n) Wesenheiten wohl unterschieden in Raum und Zeit“ verstanden und verglichen werUntersuchung. Wozu sie gelangen wollen, indem sie allein die Frage nach der Funktionalität der vergleichenden Rechtsnormen stellen. 31 Vgl. dazu Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, S. 183–185; Schmoeckel, Auf der Suche, S. 3–5, 7; Gephart, Recht als Kultur, insb. Erster Teil, Kap. 1, 2; vgl. auch Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 27–41, und schließlich noch Kroeschell, Haus und Herrschaft, S. 57–61. 32 Von wem ist eine Frage der Betrachtungsweise. Für den Historiker kommt es freilich auf die Sichtweise der diese kulturellen Bedeutungen tragenden Individuen an. Für den Begriff „Kultur“ vgl. noch Hansen, Kultur und Kulturwissenschaft, S. 11–18. 33 Das heißt hier vor allem das Kulturelle im engeren Sinne. Das ist der Bereich der „schönen Künste“.

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den.34 Gerade im europäischen Raum des 19. Jahrhunderts muss man vielmehr von einem stratifizierten Kulturbegriff,35 d.h von mehreren kulturellen Ebenen innerhalb derselben Nation ausgehen, die unterschiedliche Grade der Offenheit oder Geschlossenheit gegenüber anderen Nationen aufweisen.36 Das will sagen, dass es grundsätzlich die Möglichkeit der „Universalisierung“, der Auffindung inhaltlich kommunizierender Kulturemanationen gibt. Es liegt die Tatsache gleichbedeutender, oder besser: gleichklingender, gesellschaftlicher imaginärer Bedeutungen vor. „Kultur“ ist also für die Forschung auch in Bezug auf das 19. Jahrhundert auf keinen Fall mit „Nation“ gleichzusetzen, obwohl sie für die Zeitgenossen von dort aus begriffen und definiert wird. Die „Nation“ kann daher kaum einen Ansatzpunkt zur Erfassung der „Andersheit“ bilden. Deswegen wird die Untersuchung im gleichen Kapitel mit der Konstatierung eines solchen Imaginären, des hier sog. „viktorianischen Imaginären“ beginnen und dessen für Deutschland und England gemeinsame Bedeutung betreffend das Geschlechterverhältnis herauszustreichen versuchen.37 Dieses „viktorianische Imaginäre“ bildet eben eine Welt, in welcher weder der deutsche noch der englische Bürger des 19. Jahrhunderts die Orientierung verlieren würde. Bei der Darstellung der hier entwickelten vergleichenden Betrachtungsweise ist aber nicht nur der Abstand vom ethnozentrischen Kulturverständnis,38 sondern zugleich die Distanzierung des hier zugrunde gelegten oben schon erwähnten Begriffs der „Andersheit“ von demjenigen der „Differenz“ hervorzuheben. „Andersheit“ bildet hier, wie angedeutet, einen zentralen Begriff der

34 So auch Rüsen, Theoretische Zugänge zum interkulturellen Vergleich historischen Denkens, in: Rüsen/Gottlob/Mittag (Hrsg.), Die Vielfalt der Kulturen, S. 47. 35 Dieser Begriff der Kultur sollte nicht mit der soziologischen Frage nach Teil- und Subkulturen und schließlich mit der Problematik des innerstaatlichen Rechtspluralismus (dazu Raiser, Grundlagen, S. 315–317) vermengt werden, denn Letztere scheint mehr die rechtsschöpfenden Instanzen zu fokussieren (wovon wiederum der sog. „kulturelle Rechtspluralismus“ abzuweichen scheint, vgl. Raiser, aaO. S. 316f.). Hier geht es aber um die gesellschaftlichen Bedeutungen. Außerdem wird gerade die Frage der staatsübergreifenden Geltung gesellschaftlicher Bedeutungen untersucht. 36 „Nation“ ist hier als zeitgenössisches imaginäres Substrat der Gesellschaftskonstituierung angesprochen. Der Begriff würde heute im Rahmen der Definition einer solchen Kulturstratifizierung wohl kaum seinen Platz erhalten. 37 Es wird also implizit die These aufgestellt, dass die von den meisten Zeitgenossen oder wenig Späteren behauptete weitgehende Geschlossenheit der europäischen Gesellschaften im hier untersuchten Zeitraum nur eine relative gewesen ist. 38 S. wieder Rüsen, Theoretische Zugänge zum interkulturellen Vergleich historischen Denkens, in: Rüsen/Gottlob/Mittag (Hrsg.), Die Vielfalt der Kulturen, S. 49.

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vorliegenden Untersuchung.39 Die Annahme von „Andersheit“ zwischen den verglichenen Rechtsordnungen ist die Vorbedingung dafür, dass ihre Identität begriffen wird. Einer solchen Ausgangsposition widerstrebt, Kultur als bloße „Kombination von Elementen“ zu betrachten. Die Besonderheit der Kulturen kann nicht in „unterschiedlichen Konstellationen der gleichen Elemente“ erblickt werden.40 Dem entspricht vielmehr das Konzept der „Differenz“, wobei man nicht sehr weit entfernt vom sog. „Strukturalismus“ und seinem linguistisch inspirierten Vokabular liegt.41 Die Differenz von Elementen kann sich nur auf ihre Position innerhalb eines vorherbestimmten Ganzen beziehen. Sie spricht das Problem der „Möglichkeit des Vielen“ an, ohne dass dabei die Identität, innerhalb welcher die Vielen existieren, verloren geht. Aber die einzelne Rechtsordnung und Rechtskultur wird nur dann als solche verstanden, wenn ihre Elemente nicht aufgrund dessen definiert werden, „was sie nicht sind“, d.h. aufgrund ihrer unterschiedlichen Position in einem universalgeltenden Schema, „sondern aufgrund dessen, was sie sind“.42 Nur dann wird man eine Rechtsordnung und das Neue, welches sie beinhaltet, als solche verstehen, wenn man sie in ihrer Individualität begreift und das Neue als das ihr Eigene erfasst. Das bisher dargestellte Verständnis der „Geschichte als Schöpfung von Neuem und Anderem“, das hier zugrunde gelegt wird, hat noch eine letzte methodologische Konsequenz für diese Arbeit. Der Zugang zur Geschichte wird nämlich problematisch, wenn man Geschichte kausal erklären möchte. Denn Kausalität ist die Verleugnung der Veränderung. Sie behauptet, dass „die Wiederholung derselben Ursachen immer dieselben Wirkungen hervorbringen“.43 Dabei sind für den sozial-historischen Bereich sowohl das Vorhandensein von Ursachen und Wirkungen als auch dasjenige von denselben Ursachen und

39 Vgl. dazu im Rahmen einer Untersuchung des philosophischen Zeitbegriffs Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 326–331. 40 So aber Rüsen, Theoretische Zugänge zum interkulturellen Vergleich historischen Denkens, in: Rüsen/Gottlob/Mittag (Hrsg.), Die Vielfalt der Kulturen, S. 49. 41 Vgl. etwa Joas/Knöbl, Sozialtheorie, S. 474–495. 42 Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 328 (Hervorhebung im Original). Zur „Andersheit“ gegenüber der „Differenz“ vgl. noch ders., Temp et Création, in: Le monde morcelé, S. 309f., 333f. 43 Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 294. Die verschiedenen Versuche am Konzept der Kausalität für die historische Forschung im sozial-historischen Bereich theoretisch festzuhalten (s. etwa Acham, Grundlagenprobleme, etwa S. 45–50), führen nur zu einer Verwässerung eines jeglichen naturwissenschaftlichen Kausalitätsmodells.

Gang der Untersuchung

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Wirkungen mehr als fraglich.44 Dies wird schließlich durch die ganze Untersuchung im zweiten Teil deutlich werden. Sie konzentriert sich auf die Besonderheiten, aus welchen sich die hier abweichenden historischen Entwicklungen verstehen lassen. Die Historische Rechtsschule etwa ist demgemäß keine Ursache der deutschen Rechtsentwicklung. Sie ist ein hervorstechendes Merkmal der Identität dieser Gesellschaft, deren Recht untersucht wird. Sie ist eine Bedingung unter anderen für die konkrete Gestalt des BGB-Familienrechts gewesen. Eine solche methodische Positionierung ist schließlich die Vorbedingung dafür, auch Parallelen, etwa im Rahmen des sozialen Handelns (Frauenbewegung), in ihrer schöpferischen Substanz und nicht bloß als Glieder einer leblosen Kausalkette zu erfassen. Nur so kann erreicht werden, dass die Methode des Vergleichens der historischen Erkenntnis näher kommt.

44 Ausführlich zur Frage der Kausalität im Rahmen der historischen Interpretation Castoriadis, Sujet et Vérité, S. 28–35.

Erster Teil:  Common Law – Equity – Statute Law Dieser Abschnitt gewährt einen umfassenden, mit Einzelheiten nur soweit nötig belasteten Einblick in das englische Ehegüterrecht des 19. Jahrhunderts. An erster Stelle steht das Common Law, das Recht, das durch die Gesetzesreformen geändert werden soll, das Recht gegen welches die englische Frauenbewegung wettern wird. Dieses englische Recht, das hier als eheliches Güterrecht eingeordnet ist, weist jedoch Problemlagen auf, die im deutschen Recht eine andere dogmatische Einordnung erhalten. So betrifft ein großer Teil der „Legal Unity“-Doktrin die persönlichen Ehewirkungen und nur durch sie das eheliche Güterrecht. Diese dogmatische Erscheinung hier aus diesem Grund nicht zu behandeln, wäre aber mit dem damaligen Rechtsverständnis der englischen Juristen nicht vereinbar, denn für sie hing die „Legal Unity“- Doktrin anscheinend unmittelbar mit dem ehelichen Güterrecht zusammen, ja war sogar Teil dessen. Insofern besteht hier ein Unterschied zwischen „ehelichem Güterrecht“ und „Property of Husband and Wife“. Um aber auf diesen Unterschied nicht ständig hinweisen zu müssen, wird häufig und abstrakt vom Vermögen der Ehefrau gesprochen. Die Auswahl dieses Begriffs geschieht zudem nicht zufällig, denn er entspricht im Großen und Ganzen der Terminologie englischer Juristen des zu untersuchenden Zeitraums. Er scheint mit dem Begriff des ehelichen Güterrechts nicht inkompatibel, wenngleich er sich als etwas umfassender erweisen wird.

A. Common Law Die Grundkategorien des Common Law und des ganzen diesen Bereich betreffenden englischen Rechts – seit alters her und jedenfalls bis in das 19. Jahrhundert hinein einerseits sog. „real property“ und andererseits sog. „personal property“ genannt1 – bilden die Ausgangspunkte dieser Untersuchung zur vermögensrechtlichen Stellung der Ehefrau. Je nachdem, welcher Kategorie ein Gegenstand zugeordnet wird, entscheidet sich, welche Rechte dem Ehemann zustehen.2 Über die Herkunft der Begriffe besteht in der englischen Rechtsgeschichte gewisse Uneinigkeit. Diese Querele ist hier jedoch ohne wesentliche Bedeutung und wird heute selbst von englischen Rechtshistorikern eher bei1 2

Dazu etwa Campbell, Principles, S. 98f. Manchester, Modern Legal History, S. 369.

Begriffliche Einführung

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läufig erwähnt oder gar nicht als solche hervorgehoben.3 Dennoch sollen die maßgeblichen Auffassungen aufgeführt werden, weil damit nicht nur ein besseres begriffliches Verständnis erreicht werden, sondern auch der Tatbestand einer fehlenden begrifflichen Transformation zum Vorschein kommen kann, auf welchen hier allerdings nicht eingegangen wird.

I. Begriffliche Einführung Beide oben genannten Begriffe werden mit der mittelalterlichen Feudalordnung in Verbindung gebracht, was dazu führt, dass ihre Entwicklung – in überaus materialistischer Manier – in direktem Zusammenhang mit ihrer Bedeutung für konkrete Stände der mittelalterlichen englischen Gesellschaft gesehen wird.4 Demnach kann man gleichbedeutend mit „real property“ die Bezeichnung „hereditaments“5 verwenden. Dieser Begriff galt für bewegliche wie unbewegliche Gegenstände, welche nach besonderen Regeln von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Besonderer erbrechtlicher Regeln bedurften aber vor allem Rechte, die in die Nähe eines Grundstücks „angesiedelt“ waren, ihr rechtliches Gepräge also durch ihre Verknüpfung mit einem Grundstück bekamen, seien diese Eigentums- oder andersartige Rechte. Die Inhaberschaft solcher Rechte bedeutete im Rahmen einer Wirtschaftsverfassung, die auf Grundeigentum basierte, vor allem Macht. „Naturgemäß“ waren die Inhaber dieser Macht besorgt um deren Erhalt.6 Mit „real property“ bezeichnete man folglich Rechte, die sowohl mit Grundbesitz verbunden waren als auch besonderen Regeln der Rechtsübertragung unterlagen.7 Gleichwohl wird die Begriffsbildung auch auf einen weiteren Umstand zurückgeführt, und darin besteht gerade die erwähnte Uneinigkeit. Es wird nämlich darauf hingewiesen, dass die Gegenstände, welche als „real property“ bezeichnet wurden, mittels eines Herausgabeanspruchs, einer sog. „real action“, eingeklagt werden konnten. Die begriffliche Entwicklung von „real action“ zu 3 4 5 6

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S. etwa Baker, Introduction, S. 380, der beide Möglichkeiten in einem Atemzug nennt. Campbell, Principles, S. 99. Campbell, Principles, S. 98; s. auch 32 Hen. 8, c. 28, zit. nach Clancy, A Treatise, S. 166. So dass man die Bedeutung dieser Regeln eher mit der konkreten Wirtschaftsverfassung als mit den höheren Ständen, d.h. mit dem Adel in Verbindung bringen sollte. Denn schon sehr früh beschränkte sich in England das Recht auf wirtschaftliche Verwertung des Grundbesitzes, d.h. vornehmlich zeitweilige Übertragung oder Vererbung, nicht auf den Feudalherrn. Ausführlich zur Entwicklung des Erbrechts und gleichzeitigen Verwässerung des Feudalrechts Baker, Introduction, S. 248–277. Baker, Introduction, S. 380; ähnlich auch Manchester, Modern Legal History, S. 302.

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„real property“ ist von da aus problemlos nachzuvollziehen. Es fällt dann auch leicht, darin ein Beispiel des sog. prozessualen Charakters des Common Law zu erkennen. Aus der Entgegensetzung zum eben beschriebenen Begriff „real property“ entwickelte sich der Begriff „personal property“. Daraus wird deutlich, dass das Land und alles, was damit zusammenhing, zur Entstehungszeit dieser Begriffe das Erkenntnis- und Regelungsinteresse der Menschen weitgehend besetzt hielt. Demgemäß erfuhren die dieser Kategorie zugedachten Begriffe („real property“) eine tiefere Durchdringung.8 Unter „personal property“ verstand man also Rechte, die die Voraussetzungen des „real property“ nicht erfüllten, die also erstens nicht mit Grundbesitz verbunden waren, zweitens nicht den genannten Übertragungsregeln unterstanden und bei welchen drittens der Berechtigte im Falle ihrer Verletzung auf den Ersatz des Wertes anstelle der Substanz verwiesen werden konnte. Statthaft war in diesem Fall meistens eine Schadensersatzklage.9 Materialistisch gewendet handelte es sich um Rechtsnormen, die ihre Entstehung in erster Linie den Bedürfnissen der „niederen“ Stände verdankten und Fragen der Übertragung von Vieh und Landerzeugnissen gerecht werden sollten. Später wird derselbe Begriff umfunktioniert, um Lebenssachverhalte zu erfassen, die im städtischen Markt, in der aufkommenden Warenwirtschaft in Erscheinung traten.10 Im Zeitalter der industriellen Revolution bleibt er schließlich unverändert. Begriffe an sich sind aber ohnehin kaum ein Leitfaden im Denken des englischen Juristen und vermögen dementsprechend genauso wenig das Verständnis des englischen Rechts zu erleichtern. Das ergibt sich nicht nur aus den oben wiedergegebenen, zum Teil pragmatischen Definitionen. Was als „real property“ galt, entschied sich letztlich danach, welche Gegenstände der Stand der Grundbesitzer als notwendig für seinen Machterhalt erachtete und für welche ihm die Gerichte des Common Law besondere Übertragungsregeln zubilligten.11 Alles andere war „personal property“.

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So auch Baker, Introduction, S. 380. Baker, Introduction, S. 380, 298. Campbell, Principles, S. 99. Zur Konkretisierung der Begriffe durch Beispiele sei auf klare Darstellungen aus der englischen rechtshistorischen Literatur verwiesen. S. etwa Baker, Introduction, S. 246.

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II. Real Property 1. Die Eigentumsverhältnisse Was die vermögensrechtliche Stellung der Frau in der Ehe anbelangt, so soll zunächst der in die Ehe eingebrachte Grundbesitz, den die Ehefrau meist von ihrer Familie erhalten hat, näher betrachtet werden.12 Eigentumsrechtlich ist dieser zwar klar einzuordnen, gleichwohl bleibt die Rechtslage gerade in dieser Hinsicht kompliziert. Der von der Frau am Anfang der Ehe eingebrachte Grundbesitz ist nämlich einer derjenigen Vermögensabschnitte, der tiefsinnige juristische Konstruktionen, wie etwa die Trennung von Rechtsinhaberschaft und Rechtszuständigkeit, heraufbeschworen hat. Der mitgebrachte Grundbesitz und der Grundbesitz überhaupt ist erwartungsgemäß die Sache, von welcher vor allem die älteren Quellen zum größten Teil handeln.13 Was geschieht also in erster Linie eigentumsrechtlich mit dem unbeweglichen Vermögen, das die Ehefrau von ihrer Familie bzw. von ihrem Vater bekommt und womit sie die Lebensgrundlage der jungen Ehe verstärken soll? So selbstverständlich es auch ist, dass eine solche Ausstattung der Ehefrau erst allmählich und nicht im Entstehungszeitpunkt der Norm eine breite Bevölkerungszahl anging, so optimistisch14 vermag der erste Befund in puncto Frauenrechte zu stimmen. Denn, wie man bei Stephen liest („Commentaries“), ist der Grundbesitz das einzige Vermögenssegment der Ehefrau, das nach der Hochzeit nicht in das Eigentum des Ehemannes überführt wird.15 Am „real property“ der Ehefrau bekommt der Ehemann nach Common Law nur ein sog. „estate of freehold in her right“.16 Mit „freehold“ bezeichnete man den freien Lehnsmann und „an estate in the land is a time in the land, or

12 Das unbewegliche Vermögen der Ehefrau, welches während der Ehe der Familie zufließen soll, wird in anderen rechtsdogmatischen Zusammenhängen zu behandeln sein, nämlich mittelbar durch die Klärung der Frage nach der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau. Das daraus hervorgehende Gesamtergebnis ist: Alleiniger diesbezüglicher Eigentumserwerb der Ehefrau ist mangels Geschäftsfähigkeit ihrerseits während der Ehe nicht möglich. 13 Dies wegen der angesprochenen Gesellschaftsverfassung, welche die zu beschreibenden Regeln erzeugt hat. 14 Das ist natürlich ein Begriff, der Erwartungen anspricht und somit zeitlich in die Zukunft weist. Aber der Teppich des Vergangenen wird entrollt, und was sich darunter findet, bildet die Erwartung für das historisch Spätere. 15 Stephen, Commentaries (21. Aufl.) II, S. 494. 16 Coke, The first part of the institutes, Vol.II, 351a.

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land for a time“.17 „Freehold“ ist selbstverständlich im 19. Jahrhundert eine begriffliche Reminiszenz fern liegender Zeiten, denn es gibt zu dieser Zeit weder irgendeine Erscheinungsform der Leibeigenschaft noch gilt eine Art Lehnsrecht. Die ursprüngliche Bedeutung von „estate“ gibt aber zu verstehen, dass es sich bei diesem Rechtsinstitut nicht um ein Eigentumsrecht gehandelt haben kann. Vielmehr scheint der Begriff „estate“ aus historischer Perspektive die zeitliche Begrenzung des betreffenden Rechts anzusprechen.18 Und obwohl diese Semantik kontextuell bzw. personell verschoben ihre Relevanz im industriellen Zeitalter durchaus behält (in Form erbrechtlicher Verfügungseinschränkungen), geht es hier in erster Linie um die sachliche Bestimmung des Rechts des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau. So sagt uns Edward Coke,19 dass der Ehemann ein „freehold estate“ am Grundbesitz seiner Ehefrau bekommt, allerdings nur „in her right“. Etwas ausführlicher bringt man das zum Ausdruck mit der Formel: „husband and wife are jointly seized in right of the wife“.20 Sie besitzen also gemeinsam, das Eigentumsrecht steht aber der Ehefrau zu. Das kommt dadurch zum Ausdruck, dass nach dem Tod beider Ehegatten, falls der Ehemann zuletzt verstirbt, seine Erben keinerlei Rechte am fraglichen Gegenstand haben, welcher einen Teil des Erbvermögens der Ehefrau bildet und demgemäß unter ihren Erben verteilt wird.21 Darüber hinaus wird eine mögliche Klage gegen den Ehemann, deren Gegenstand der Grundbesitz der Ehefrau darstellt, abzuweisen sein, weil eine solche Klage nur gegen beide Ehegatten zulässigerweise erhoben werden kann. Das geschieht wiederum, weil es sich um das Eigentum der Ehefrau handelt.22 Nach alledem darf man sich, zugegebenermaßen mit einer gewissen Dosis vorurteilsbedingter Ironie, fragen: Hatte das Common Law die Forderung von Olympe de Gouges nach Anerkennung der Eigentumsfähigkeit der Frau23 etwa so eindrucksvoll antizipiert? Und worin lag schließlich der Sinn der Forderungen der englischen Frauenbewegung in dieser Hinsicht?

17 Walsingham’s Case (1573), zit. nach Baker, Introduction, S. 259. S. ebda. zu beiden Termini. 18 Es geht um das Verhältnis zwischen Lehnsherrn und Lehnsmann, vgl. Baker, Introduction, S. 258. 19 Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 351a. 20 Zit. nach Clancy, A Treatise, S. 161. 21 Holdsworth, A History III, S. 525. 22 Holdsworth, A History III, S. 526; Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 408. 23 Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin, Art. 17, abgedruckt in: U. Gerhard, Gleichheit, Anhang. S. zu dieser Frage auch ebda., S. 66–69.

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2. Vermögensverwaltung und Vermögensverfügung „[…] God has divided reasonable creatures into two sexes, namely male and female. The male is the superior (soveraigne), the female inferior (pluis base). Aristotle in his politics says, Mas est praestantior; deterior fœmina. Also men are for the most part more reasonable than women, and have more discretion in guiding things than women have; for men are more apt than women in all government and direction.“24

Der Optimismus wird schnell getrübt und die Sinnhaftigkeit der Frauenrechtsforderungen wird sich ebenso schnell entfalten, wie der Blick Fragen der Vermögensverwaltung und -verfügung erfasst. Über die Vermögensverwaltung verliert man nämlich kaum ein Wort. Denn es steht fest: „During their joint lives the husband is entitled to the profits, and has the sole control and management.“25 Selbstverständlich also, dass sie in die Hände des Mannes gelegt wird. Abgesehen von seiner herrschenden Position, die seit langem außer Frage steht, spreche dafür auch der Umstand – bestätigt uns die philosophische Reflexion von Jeremy Bentham –, dass er derjenige sei, der durch seine Arbeit zum Erwerb der Familiengüter am wesentlichsten beitrage.26 Der Mann herrscht als „breadwinner“ der Familie – eine den neuen Gegebenheiten der familiären Arbeitsteilung angepasste, wenn auch rechtsdogmatisch wenig durchdachte27 Legitimation des geltenden Rechts. Mit den Verfügungsbefugnissen des Ehemannes am unbeweglichen Vermögen der Ehefrau musste sich das Recht dagegen ausführlicher auseinandersetzen. Obwohl der Ehemann nur ein Besitzrecht innehat und das auch noch gemeinsam mit seiner Ehefrau, kann er während der Ehe ungehindert und ohne ihre Beteiligung über ihren Grundbesitz auf vielfältige Weise verfügen.28 Gegen solche Verfügungen kann sich die Ehefrau erst nach dem Tod ihres 24 Sharington v. Strotton (1565), in: Baker & Milsom, Sources of English Legal History, S. 490. 25 Stephen, New Commentaries II, S. 246. 26 Vgl. Bentham, Oeuvres I, S. 120. Seine Haltung gegenüber den Rechten der Frauen kann aber höchstens als ambivalent, jedoch keinesfalls als negativ angesehen werden. Hierzu und zu seinem möglichen Einfluss auf die Reform des englischen Rechts im letzten Abschnitt der Arbeit. Vgl. im zweiten Teil, E. II. 3b. Zur herrschaftsbezogenen Legitimation der männlichen Verwaltungsgewalt s. aus der rechtsdogmatischen Literatur etwa Clancy, A Treatise, S. 2. 27 Denn das Common Law unterschied nicht danach, welche Vermögensgüter auf die Erwerbstätigkeit des Ehemannes zurückzuführen waren und welche nicht, da alle der Verwaltungsbefugnis des Ehemannes unterstanden. 28 Dazu und zum Folgenden Clancy, A Treatise, S. 161–179; Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 409, erwähnen zusätzlich die Möglichkeit des Eheman-

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Ehemannes zur Wehr setzen. Sie kann über das sog. „Writ cui in vita“, einen sehr alten Rechtsbehelf, ihr Grundstück unter Verdrängung des bisherigen Besitzers, z.B. des Käufers, wieder in Besitz nehmen.29 Allerdings ist es dem Ehemann ursprünglich möglich, sogar das Eigentumsrecht seiner Ehefrau an sich zu beeinträchtigen, d.h. es seines dinglichen Charakters zu berauben, ihr genanntes Recht auf Inbesitznahme des Grundbesitzes zu entkräften und sie auf einen schuldrechtlichen Anspruch zu verweisen.30 Dies wurde aber durch ein Gesetz aus dem Jahre 1540 eingeschränkt,31 welches bestimmte, dass „[…] no fine, feoffment, or other act thereafter to be made, suffered, or done by the husband only of any manors &c. being the inheritance or freehold of his wife during the coverture, shall in any wise be or make a discontinuance thereof, or prejudicial to the wife or her heirs, or to such as shall have right, title, or interest to the same by the death of such wife or her heirs, or such other to whom such right shall appertain after her death, may enter into such manors, &c. according to their rights and titles therein, any such fine, feoffment, or other act of the husband to the contrary notwithstanding, fines levied by the husband and wife, whereunto the wife is party and privy, only excepted”.

Rechtsdogmatisch ähnelt diese Gesetzesvorschrift einer Verfügungsbeschränkung, einer „geminderte(n) sekundäre(n) Zuordnung subjektiver Rechte“32 zur Ehefrau. Denn obwohl die Rechtszuständigkeit beim Ehemann liegt, bleibt die Ehefrau Inhaberin des Rechts. Die Besonderheit gegenüber dem heutigen Verständnis einer Verfügungsbeschränkung, und überhaupt gegenüber einer Verfügungsbeschränkung, in welcher Elemente der Gleichberechtigung zwischen den Ehegatten erblickt werden können, besteht indes darin, dass jegliches Recht der Ehefrau erst nach dem Tod des Ehemannes, nach Beendigung des „coverture“, wirksam wird.33 Im Verhältnis zu ihrem Ehemann erlangt die Ehefrau also gerade keine subjektiven Rechte, auch keine geminderten; und da sie an der jeweiligen Transaktion auf keinerlei Weise mitwirken soll, es

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nes, seine Ehefrau von ihrem Grundstück auszuschließen, wogegen sie sich aber beim kirchlichen Gericht verteidigen konnte. Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 410; Holdworth, A History III, S. 22; Palmer, Origins of Property, S. 28f. Der Käufer konnte in diesem Fall vom Erben des Ehemannes Schadloshaltung verlangen. Clancy, A Treatise, S. 162. Zum dort verwendeten Begriff der „Discontinuance“ und seinen Wirkungen s. Baker, Introduction, S. 264f., 274. Wills Act, 32 Hen. 8. cap. 28. sec. 6. So die prägnante Bezeichnung der Verfügungsbeschränkungen bei Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, S. 367. So wird das Verhältnis der Eheleute während der Ehe bezeichnet.

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sei denn, es handelt sich um eine endgültige Eigentumsübertragung,34 kann man auch kaum von einer „funktionellen Mitberechtigung“35 sprechen. Durch das genannte Gesetz wurden nämlich nicht die Rechte der Ehefrau an ihrem Gut gegenüber ihrem Ehemann, sondern nur ihre Rechtsbehelfe gegenüber Dritten36 verstärkt. Wie auch immer; durch diese Beschränkung bewährt sich die Bezeichnung des Rechts der Ehefrau als „Eigentum“. Denn mit Auflösung der Ehe, was in vormodernen Zeiten meistens durch den Tod des einen Ehegatten geschah,37 wird das Gut dem Erbvermögen der Ehefrau zugerechnet und soll ausschließlich ihren Erben und nicht den Erben des Ehemannes zugute kommen.38 „Eigentum“ erweist sich eben als solches und erlangt seine Bedeutung durch seine Verbindung mit einer Blutsverwandtschaft. Die Frau ist deswegen Eigentümerin, weil der fragliche Gegenstand zu ihren Blutsverwandten zurückkehren wird. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es anerkannte Dogmatik, dass Verfügungen des Ehemannes nur so lange Bestand haben, wie sein Interesse am Grundbesitz seiner Ehefrau besteht. Und dieses besteht wiederum, solange die Ehe währt.39 3. Tenancy by the Curtesy Das Recht des Ehemannes am Grundbesitz seiner Ehefrau war auf die Dauer des „coverture“, grundsätzlich auf die Dauer der Ehe, beschränkt. Beim Tod des Ehemannes wurde besagtes Vermögen wieder der Disposition der Ehefrau überlassen, wie auch immer diese Befugnis inhaltlich konkretisiert worden war. Umgekehrt war das Lebensende der Ehefrau die Bedingung dafür, dass die Rechte ihrer Erben – zu welchen der Ehemann nicht gehörte – wirksam wurden. Der Ehemann verlor die Rechte am fraglichen Vermögensgegenstand der Ehefrau erst durch ihren Tod. Allerdings brauchte der Ehemann den Eintritt dieses Zeitpunkts nicht zu befürchten, zumindest nicht aus vermögensrechtlichen Gründen versteht sich, wenn das Ehepaar während der Ehe das 34 35 36 37

S. dazu unten im ersten Teil, A. II. 5. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, S. 367. So auch Clancy, A Treatise, S. 162. Die Scheidung der Ehe unterlag in England bis 1857 fast unüberwindlichen praktischen Schwierigkeiten. S. dazu vorläufig James, in: Graveson/Crane, S. 24–26. 38 S. etwa Holdsworth, A History III, S. 526; bezeichnenderweise ist damit nicht gesagt, dass der Ehefrau irgendwelche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse am Grundbesitz zustünden. 39 Stephen, New Commentaries II, S. 246.

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Glück der Nachkommenschaft erfahren hatte. Diese waren dann nämlich die Erben des mütterlichen Vermögens.40 Gleichzeitig sorgte die Nachkommenschaft dafür, dass die Rechte des Ehemannes verstärkt wurden, und zwar noch lange bevor die Nachkommen tatsächlich erbten. In diesem Kontext begegnet uns das Rechtsinstitut des „Tenancy by the Curtesy“. Es schreibt vor, dass der Ehemann die Rechte am Grundbesitz der Ehefrau, die ihm durch die Ehe übertragen wurden, bis zu seinem Lebensende besitzen darf, wenn die vorgenannte Bedingung – die Zeugung von Nachkommen – während der Ehe erfüllt wurde.41 Daraus ergibt sich der Unterschied zum bisher beschriebenen rechtlichen Zustand, und zwar wird der Zusammenhang zwischen der Berechtigung des Ehemannes am Vermögen seiner Ehefrau und der Dauer der Ehe gelöst, denn Erstere bleibt auch nach Beendigung der Ehe bestehen. Die Entstehung bzw. Fortsetzung der Herrschaft des Witwers über das Vermögen seiner verstorbenen Ehefrau wird von vier Voraussetzungen abhängig gemacht.42 Erstens muss eine gültige Ehe mit der Verstorbenen bestanden haben. Zweitens sollte die Ehefrau bestimmte Formen des Besitzes am fraglichen Vermögen ausgeübt haben. Drittens ist es notwendig, dass ein gemeinsames Kind lebend geboren wurde und vor dem Tod seiner Mutter gelebt hat. In demselben Zusammenhang ist es von Bedeutung, dass dieses Kind in Bezug auf das Vermögen seiner Mutter erbberechtigt ist. Das ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der fragliche Grundbesitz seinerzeit der Ehefrau und ihren männlichen Erben überlassen worden war und danach nur Töchter geboren wurden.43 In einem solchen Fall wird ihr Ehemann allen Grund haben, frauenfeindlich eingestellt zu sein. Die vierte Voraussetzung schließlich bildet der Tod der Ehefrau. Es bleibt ohne Relevanz, ob der Ehemann ein weiteres Mal heiratet.44

40 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 414. 41 Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 29a; Blackstone, Commentaries II, S. 126; Clancy, A Treatise, S. 180. 42 Zu verschiedenen Komplikationen im Einzelnen Clancy, A Treatise, S. 183–194. 43 Beispiel nach Clancy, A Treatise, S. 184; s. auch Helton v. Kene (1344), in: Baker & Milsom, Sources of English Legal History, S. 48. 44 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 415f. In diesem Umstand ist nach beiden Autoren der Grund für die eigenartige Bezeichnung des Rechtsinstituts als „Tenancy by the law of England“ zu sehen, weil die zweite Ehe des verwitweten Ehemannes nach dem Recht der Normandie die zeitliche Grenze seiner Rechte darstellte und dieser Kontrast das ausschlaggebende Motiv des Engländers gewesen sei.

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Sir Frederick Pollock und Frederick William Maitland schreiben über die soeben untersuchte Regelung, dass ihr von den englischen Juristen45 die Eigenschaft der „Liberalität“ oder der „Großzügigkeit“ zugeschrieben wurde.46 Denn sie bewirkte den zeitweiligen Ausschluss des Feudalherrn aus dem Genuss des Grundbesitzes und untergrub dadurch sein Vormundschaftsrecht am Erben der Verstorbenen.47 Allerdings liegt uns eine Liberalität vor, betonen die genannten Rechtshistoriker, und man kann ihrem Urteil nur beipflichten, die sich nur aus der Freiheit des Mannes konstituiert. Eine Einseitigkeit, die „the popular point of view“ wiedergibt.48 Des Weiteren hat man sich in England nach den Grundlagen der angesprochenen Berechtigung des Ehemannes am Vermögen seiner verstorbenen Frau gefragt. Im Jahre 1848 etwa liest man: „[…] if a woman seized of lands hath issue by her husband, and dies, the husband is the natural guardian of the child, and as such is in reason entitled to the profits of the lands in order to maintain it […]“.49 Es ist also das Vormundschaftsrecht des Vaters über die Person und das Vermögen seines Kindes, das ihn mit dem genannten Recht ausstattet. Später, gegen Ende des Jahrhunderts und in Bezug auf älteres, nicht unbedingt geltendes Recht, machen die Rechtshistoriker Pollock und Maitland darauf aufmerksam, dass sich in den älteren Quellen Hinweise auf ein Vormundschaftsrecht des Mannes nicht nur über seine Kinder, sondern auch über seine Ehefrau befänden – ein Recht, das sich dann auch auf ihr Vermögen erstrecke.50 Man versäumt nicht, zugleich auf andere angelsächsische Traditionen wie diejenige von Kent hinzuweisen,51 bei denen eine geschlechterbezogene Differenzierung nicht vorgenommen wurde. Man schließt sodann daraus, dass erst das feudale Common Law die Gleichheit der Geschlechter in der Familie zerstört habe.52 Eine Schlussfolgerung, die stark an romantische und nicht45 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 417. Hier scheinen englische Juristen des 12. und 13. Jahrhunderts gemeint zu sein. Das ergibt sich einerseits aus dem Zusammenhang der Hinweise, andererseits aus dem Umstand, dass das Buch die Geschichte dieser Zeit erzählt. 46 So auch heute Baker, Introduction, S. 271. Er bezieht diese Großzügigkeit genau auf den Umstand, dass eine zweite Ehe des verwitweten Ehemannes seine Berechtigung unberührt lässt. 47 Vgl. Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 417f. 48 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 417. 49 Stephen, New Commentaries I, S. 252f. 50 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 417f. 51 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 418f.; s. auch Clancy, A Treatise, S. 195 m.w.H. 52 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 419.

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romantische Idealisierungen der alten Germanenwelt durch gewisse Juristen im Kaiserreich erinnert. 4. Dower Gerade letztere Bemerkung von Pollock und Maitland leitet zum nächsten Gesichtspunkt über. Anhand des Rechtsinstituts „dower“ lässt sich nämlich zeigen, dass das feudale Rechtsverständnis in England nicht viel für die Gleichberechtigung innerhalb der Familie übrig hatte. Ein Rechtsverständnis, das trotz des vergleichbar frühen Rückzugs der entsprechenden Gesellschaftsverfassung in England mit bemerkenswerter Zähigkeit durchzuhalten vermochte. Die Entstehung des „dower“ führt man zunächst auf die Notwendigkeit zurück, die finanzielle Versorgung der Ehefrau für die Zeit nach dem Tod ihres Ehemannes zu sichern.53 Die Tradition besagt, dass sich der Ehemann bei der Hochzeit am Tor der Kirche verpflichtet, für den Fall seines Todes einen Teil seines unbeweglichen Vermögens seiner hinterbliebenen Ehefrau zur Verfügung zu stellen.54 Das daraus gewachsene Gewohnheitsrecht bleibt bis in den hier untersuchten Zeitraum hinein wirksam.55 Seine besondere Erwähnung an dieser Stelle ist in erster Linie deshalb gerechtfertigt, weil das Rechtsinstitut „dower“ gewissermaßen die Kehrseite des „Tenancy by the Curtesy“ darstellt. Zwar geht es dabei selbstverständlich nicht um die Fortsetzung der Rechte der Frau an dem unbeweglichen Vermögen ihres Ehemannes – sie besaß ja keine Rechte, deren Geltung nach dem Tod des Ehepartners fortgesetzt werden konnte. Es geht aber um die Neubegründung solcher Rechte, und es lässt sich dann fragen: Wenn der Ehemann nach dem Tod der Ehefrau unter Umständen die Herrschaft über ihren Grundbesitz unter zeitweiliger Abdrängung ihrer Erben behalten durfte, wie verhält es sich mit entsprechenden Rechten der Ehefrau an dem Vermögen ihres verstorbenen Ehegatten? Obgleich dies nicht zum engeren Untersuchungsgegenstand gehört, ergibt sich hier die Gelegenheit, einen wesentlichen Bereich der finanziellen nachehelichen Absicherungsmöglichkeiten näher zu betrachten, die der englischen Frau bis zum 19. Jahrhundert zur Verfügung standen. 53 Zur damit zusammenhängenden Verpflichtung des Feudalherrn, sich um die finanzielle Versorgung der Witwe seines Pächters zu kümmern, Palmer, Origins of Property, S. 17. 54 S. Glanvill, The Treatise on the Laws and Customs, Vol. VI, S. 1. 55 Allerdings nur eine seiner Formen, das sog. „dower of the common law“, s. Stephen, New Commentaries I, S. 258; zu den anderen Formen des „dower“ s. etwa Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 34a–36a, 38b.

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„Tenant in dower is where a man is seized of certain lands or tenements in fee simple, fee tail general, or as heir in special tail, and taketh a wife, and dieth, the wife, after the decease of her husband, shall be endowed of the third part of such lands and tenements as were her husbands at any time during the coverture, to have and to hold the same wife in severalty by metes and bounds for term of her life, whether she had issue or no, and of what age so ever the wife be […].”56

Drei der damit zum Ausdruck gebrachten Voraussetzungen stimmen spiegelbildlich mit denjenigen des „Tenancy by the Curtesy“ des Ehemannes überein: a) Eine gültige Ehe muss zustande gekommen sein. b) Der Ehemann muss den fraglichen Grundbesitz besessen haben. c) Der Zeitpunkt seines Todes ist maßgeblich für die Begründung des Anspruchs der Ehefrau auf das „dower“.57 Umso interessanter erscheinen die Voraussetzungen, die von dem genannten Recht des Ehemannes abweichen. In der zitierten Begriffserklärung von Littleton springt als erstes die quantitative Begrenzung der Berechtigung der Ehefrau ins Auge. Ihr steht nämlich nur ein Drittel des Grundbesitzes ihres Ehegatten zu.58 Den Rest teilen sich seine Erben. Das „Tenancy by the Curtesy“ kannte eine solche Beschränkung nicht: „An estate by the curtesy of England is that to which a man is by law entitled on the death of his wife, in the lands and tenements of which she was seized during the marriage […].“59 Dem Mann steht also alles zu und für die Erben der Ehefrau bleibt nichts übrig60 – natürlich abgesehen vom gemeinsamen Kind. Mithin fungiert gerade der Nachkomme als Medium zum Übergang des Rechts der 56 Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 31a. 57 Dazu im Einzelnen Clancy, A Treatise, S. 197f. 58 Wertmäßig und nicht quantitativ Stephen, New Commentaries I, S. 254; dies geschah, um den Erwerb der Erben des Mannes nicht allzu sehr zu mindern. So Baker, Introduction, S. 269f. 59 So Stephen, New Commentaries I, S. 251f.; selbstverständlich nicht anders, aber weniger markant in Bezug auf den angesprochenen Unterschied Littleton, in: Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 36. 60 Zu gewohnheitsrechtlichen Ausnahmen, die das Recht der Ehefrau auf die Hälfte des Grundbesitzes erweiterten, s. Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 33b. Es handelt sich im Übrigen um dieselbe partikular geltende Gewohnheit von Kent, die auch beim „Tenancy by the Curtesy“ das Recht des Ehemannes quantitativ auf die Hälfte des Grundbesitzes beschränkt hat (s. oben bei und in Fn. 94) Pollock & Maitland (The History of English Law II, S. 421f.) stellen außerdem eine Reihe von gleichlautenden Gewohnheiten vor, die in der Vergangenheit galten und konstatieren, dass die hälftige Berechtigung der Ehefrau fast Common Law geworden wäre, was sich aber schließlich aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung nicht hatte durchsetzen können, wobei adelige Interessen überwogen haben sollen. Danach musste die jeweilige Gewohnheit im Prozess besonders geltend gemacht werden.

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Ehefrau auf ihren Ehemann. Dagegen, und das ist die zweite Abweichung, ist es für das Recht der Ehefrau unerheblich, ob ein Abkömmling vorhanden ist. Nach zeitgenössischer Interpretation – nämlich einer solchen des 19. Jahrhunderts – kann sich dieser Umstand für die Ehefrau praktisch nur günstig auswirken.61 Nimmt man aber eine theoretische Perspektive ein, indem man sich auf die Grundlagen beider hier verglichenen Rechtsinstitute konzentriert, dann lässt sich aus der zuletzt erwähnten Divergenz der hier verglichenen Rechtskonstruktionen ein bestimmtes Frauenbild herauslesen. Das fortgesetzte Recht des Ehemannes gründet sich auf seine natürliche Herrschaftsstellung über seine Nachkommenschaft, wenn nicht sogar auf seine natürliche Herrschaftsstellung über seine Ehefrau. Sie vermag sich sogar gegen die Interessen des Feudalherrn zu behaupten, solange es einen gibt, was aber auch nur die Macht des Ehemannes untermauert. Gleichzeitig vernimmt man im Hinblick auf die Grundlegung des „dower“ Folgendes: „[…] the reason which our law gives for adopting it is a very plain and sensible one: for the sustenance of the wife, and the nurture and education of the younger children.“62 Basiert nun das Recht des Ehemannes auf seinem Vormundschaftsrecht, geht es bei der Regelung zugunsten der Ehefrau um deren finanzielle Absicherung nach dem Tod ihres Versorgers. Es scheint nun kein besonders gewagtes Unternehmen zu sein, das verwendete Begriffspaar Vormundschaft – Absicherung durch ein anderes zu ersetzen, nämlich durch Herrschaft – Bedürftigkeit und dabei zwei allzu bekannte Geschlechterbilder rousseauscher Inspiration in ihrem Gegensatz zutage zu fördern.63 Bezeichnend ist schließlich aber ein weiteres, neues Erklärungsmotiv, das man diesem Bedürftigkeitspostulat beigibt. Das „dower“ soll als Kompensation für die Ehefrau gegenüber der Übermacht des Ehemannes dienen.64 Neu ist das Motiv deshalb, weil es nicht bei Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts – hier William Blackstone und Edward Coke – auftaucht, denen die bloße Inferiorität der Ehefrau als selbstverständliche Erklärung einer Versorgungsregelung gilt. Ihnen ging es sozusagen um die Kompensation natürlicher Mängel, hier einer Ungerechtigkeit bzw. um die Notwendigkeit einer andersgearteten Legitimation eines alten Modells. Letztere Legitimationsart wird notwendig, wenn sich der Argumentierende 61 Clancy, A Treatise, S. 197. 62 Stephen, New Commentaries I, S. 255; so auch Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 31a mit Erklärung in Fn. 8, die außerdem im Jahre 1832 geschrieben wurde. 63 Vgl. Rousseau, Émile, exemplarisch S. 465f., 474f.; dasselbe Frauenbild schwebte auch Hobbes vor, s. etwa Leviathan, Teil 1, Kap. 6, S. 55; s. vorläufig auch Parsons, The Law of Contracts, S. 291, oder Wharton, An exposition of the laws, S. 173. 64 Vgl. Stephen, New Commentaries II, S. 250; Parsons, The Law of Contracts, S. 283.

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unter einem vorher von seinen geistigen Vorfahren nicht empfundenen Druck zu befinden glaubt. Und hier kommt einem nur das der Französischen Revolution entstammende revolutionäre Gebot der Gleichheit aller Menschen in den Sinn. Man sah sich möglicherweise gezwungen zu rechtfertigen, warum der Ehefrau während der Ehe die Fähigkeit abgesprochen wird, für sich und ihre Kinder selbst zu sorgen. Die rechtliche Behandlung der Ehefrau verliert ihre Selbstverständlichkeit und wird womöglich unter der alten Rechtfertigungsnorm als Anomalie empfunden. Je nach Plausibilität einer solchen Erklärung springt die Nähe einer auf Kompensation basierenden Argumentation zum Gedanken der Gleichberechtigung der Geschlechter ins Auge; freilich als Versuch, Letztere zu verhindern! Denn aus der übrigen Argumentation des hier in Anspruch genommenen englischen Autors65 artikuliert sich keinesfalls eine Empfindung des positiven Rechts als ungerecht gegenüber der Person der Ehefrau.66 Die Betrachtung bestimmter Grenzen des Rechts auf das „dower“ deckt weitere Ungleichheiten in der Familie auf. Das Gebot der ehelichen Treue sowie seine Verletzung erweckt dabei besonderes Interesse. Die Untreue des einen Ehegatten gegenüber dem anderen war schon ein fast traditioneller Gesichtspunkt, an welchem das deutsche Recht seine Vorstellungen von (Un-) Gleichheit in die Praxis umsetzte67 und Gerechtigkeitsgesichtspunkte tatsächlich „diskriminiert“ haben.68 So auch das englische Recht: Verlässt die Ehefrau ihren Ehemann für die Liebe eines anderen Mannes, verliert sie ihren Anspruch auf das „dower“, erklärt das „Statute of Westminster the Second“.69 65 Zum Teil anders Parsons, der aber als Amerikaner in einem Rechtssystem lebt, welches solche Legitimationsversuche in rechtsdogmatischer Hinsicht nicht mehr zulässt. Denn es wird bereits – in einigen Staaten – Geschlechtergleichberechtigung praktiziert. 66 Das Gesagte wäre anhand Stephens Biographie und seiner vielleicht daraus hervorgehenden Stellung zu den Postulaten der Französischen Revolution zu überprüfen. Insoweit war allerdings nichts zu finden. 67 Dazu etwa Blasius, Reform gegen die Frau, in: U. Gerhard (Hrsg.), Frauen in der Geschichte des Rechts, S. 659–661. S. noch Hull, Sexualstrafrecht, in: U. Gerhard (Hrsg.), Frauen in der Geschichte des Rechts, S. 230f. 68 Sie historisch zu rechtfertigen, d.h. auf einen Grund zurückzuführen und damit die genannten Gerechtigkeitsgesichtspunkte offen zu legen, ist gegenwärtig nicht die Aufgabe. Vgl. dazu knapp v. Dülmen, Kultur und Alltag I, S. 38ff. Bezeichnend ist etwa seine Aussage auf S. 46, wonach die „Tugend“ der Frau im Handwerkerhaushalt für den Namen und den Kredit des Ehemannes bedeutsam war. 69 Edw. 1, c. 34. Ausführlicher Clancy, A Treatise, S. 200f.; s. auch Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 32a f.; s. auch Sidney v. Sidney All. E.R. 1558–1774 (1734), S. 332f.

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Eine Bestimmung im Übrigen, die das bis dahin geltende Common Law modifiziert hat.70 Eine entsprechende Begrenzung des „Tenancy by the Curtesy“ gab es nicht. Der Grund für diese Differenzierung des Richterrechts lag freilich zum einen in dem Umstand, dass es vom Gesetzesrecht so vorgesehen war,71 zum anderen werden die materiellen bzw. die ethischen Gründe der Ungleichbehandlung in der zitierten Entscheidung nicht verhüllt. Die Untreue der Ehefrau kann zur Konsequenz haben, dass die Erben ihres und des männlichen Vermögens tatsächlich keine Nachkommen dieser Familie sind. Das würde nicht nur die Familie selbst, sondern auch die nächsten Erben schädigen.72 Seine letzte und endgültige Grenze findet das Rechtsinstitut „dower“ schließlich im Willen des Gesetzgebers. Im 19. Jahrhundert wird es nämlich im Zusammenhang mit der kontinuierlichen Durchsetzung männlicher Testierfreiheit aufgehoben. Die weibliche Testierfreiheit sollte dagegen noch lange auf sich warten lassen. Zugleich „vergisst“ der englische Gesetzgeber das Gegenstück des „dower“, das „Tenancy by the Curtesy“, aufzuheben.73 5. Verfügungsbefugnis der Ehefrau über ihr eigenes Vermögen Bei der vorangegangenen Untersuchung des Eigentumsrechts der Ehefrau und der Verwaltungs- und Verfügungsrechte ihres Ehemannes kann der Eindruck entstehen, als würde die Analyse am falschen Ende beginnen. Denn wenn die Verfügungsbeschränkungen des Ehemannes über das Grundeigentum seiner Ehefrau die sekundäre Zuordnung subjektiver Rechte darstellt, dann scheint die entsprechende primäre Zuordnung, die Verfügungsbefugnisse der Ehefrau über ihr Eigentum während der Ehe vorrangig zu sein. Die Reihenfolge wird jedoch von den hier verwendeten Quellen bestimmt. Beispielsweise ergibt sich für Blackstone und Stephen nur die Frage, ob der Ehemann in seinen Machtbefugnissen über das Eigentum seiner

70 So Stephen, New Commentaries I, S. 256. 71 So Sidney v. Sidney, All. E.R. 1558–1774 (1734), S. 334. 72 Sidney v. Sidney, All. E.R. 1558–1774 (1734), S. 333. Zu den relevanten sexuellen Sitten vgl. auch Stone, Family, S. 501–507. 73 Holcombe, Wives and Property, S. 34. Eigentlich handelte es sich um das Recht des Ehemannes, durch eigene (auch letztwillige) Verfügung das Recht seine Ehefrau von ihrem Recht auf „dower“ auszuschließen. Vgl. Baker, Introduction, S. 270f. und Stat. 3 & 4 Will. IV, c. 105.

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Ehefrau eingeschränkt werden kann74. Dies ist der Ausgangspunkt, von dem aus die „Dogmatik“ des Common Law ihre Konstruktionen vornehmlich entwickelt. Um die Fortsetzung derselben Frage geht es natürlich auch bei der erbrechtlichen Regelung „Tenancy by the Curtesy“, wo gewissermaßen die Problematik der Machtkonkurrenz zwischen Vater und Ehemann gelöst werden sollte.75 Ob dagegen der Ehefrau selbst Verfügungsbefugnisse über ihr Eigentum zuerkannt wurden, ist eine Frage, die erst im Anschluss daran gestellt wird. Als nächstes soll die dogmatische Klärung der weiblichen Verfügungsfähigkeit vorgenommen werden. Was ursprünglich, nach ältestem Common Law galt, erschließt sich relativ leicht: „Originally, however, there was no mode by which the real property of married women could, even with the husband’s concurrence, be conveyed by them during their coverture, for the rigour of the antient law (jealous of the husbands authority and power) declared the wife incapable, in any case, of binding herself or her heirs in any direct mode of alienation.“76

Das strenge alte Recht verhinderte also ausnahmslos die Verkehrsfähigkeit des unbeweglichen Vermögens der Ehefrau. Aber die interessante Frage ist, auf welche Weise sich dieses Recht gewandelt hat und welche Art von Verfügungsfähigkeit der Ehefrau Mitte des 19. Jahrhunderts zustand. Die Analyse deckt mindestens zwei Handlungsmotive für die rechtsetzende Autorität auf, vor deren Hintergrund die jeweilige Interpretation zu verlaufen hat. Zum einen müssen die Konsequenzen einer entsprechenden juristischen Aufwertung der Ehefrau für die rechtliche Stellung des Ehemannes bedacht werden und zum zweiten muss immer geklärt werden, unter welchen Bedingungen die Ehefrau der „Gefahr“ der eigenen Handlungsmacht ausgesetzt werden kann. Außerdem sind zwei Möglichkeiten der Eigentumsverfügung auseinanderzuhalten, weil der Ehefrau zu deren Rückgängigmachung unterschiedliche Rechtsbehelfe zustanden. 74 Typisch bei Stephen, (New Commentaries II, S. 249), wo das Phänomen eigener Verfügungsfähigkeit der Ehefrau an bestimmten Gegenständen („Paraphernalia“) als eine Ausnahme interpretiert wird. Dabei muss man gleich betonen, dass diese beiden Autoren nicht auf die gleiche Weise die gegenwärtige Fragestellung nach den Rechten der Ehefrau wahrnehmen. Es scheint vielmehr, als hätte Stephen schon von Gleichberechtigung der Geschlechter gehört. Jedenfalls ist die Regelung des Common Law von Blackstone zu keinem Zeitpunkt als problematisch erachtet worden. 75 S. auch Baker, Introduction, S. 269. 76 Stephen, New Commentaries II, S. 247.

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Zunächst ist auf bloße Belastungen des fraglichen Grundbesitzes einzugehen. Diesbezüglich ist wiederum zwischen zwei Fallkonstellationen zu differenzieren. Es war der Ehefrau nämlich durchaus möglich, Teilrechte an ihrem Grundbesitz auf einen Dritten zu übertragen, wozu das Instrument des „Fine“ eingesetzt wurde. Dabei handelte es sich um eine fingierte gerichtliche Auseinandersetzung zwischen der Ehefrau und dem potentiellen Erwerber, bei welcher der Dritte – in der Rolle des Klägers – die Herausgabe des Besitzes verlangte. Das Ganze führte unter richterlicher Überwachung zu einem kompromissartigen Übergang des Eigentums.77 Dadurch wurde der Ehefrau die Möglichkeit zugestanden, sich und ihre Erben vom Genuss des Grundstücks auszuschließen. Ein solcher Rechtsakt der Ehefrau hatte einschneidende Konsequenzen. Namentlich wurde ihr die Berufung auf den Status der Ehefrau, die Einrede des „coverture“, versagt78 – das übliche Rechtsmittel, wodurch jeder zwischen einer Ehefrau und einem Dritten geschlossene Vertrag ohne Beteiligung des Ehemannes zu Fall gebracht werden konnte.79 Die Übertragung ihres Rechts war insoweit endgültig. Wie man jetzt vielleicht erwartet, galt Letzteres jedoch nicht für den Ehemann. Dieser konnte jederzeit, sowohl während als auch nach der Ehe, seine Rechte am Land seiner Frau gegenüber jedem Dritten effektiv geltend machen. Denn an dieser Stelle tritt in lapidarer Deutlichkeit der erste determinierende Faktor der Rechtsgestaltung zutage: „no act of a feme covert can transfer that interest which the intermarriage has vested in the husband“.80 Forderte der Ehemann die Rechte am Grundbesitz seiner Frau von einem Dritten zurück, ergab sich hierdurch für die Ehefrau die einzige Möglichkeit, ihr weggegebenes Recht zurückzuerlangen.81 Endgültig ausgeschlossen bzw. der vertraglichen Regelung überlassen war die Rückkehr des Rechts an seinen Ursprung, wenn der Ehemann in den Vertrag einbezogen worden war.82 Somit konnte die Ehefrau ihren Grundbesitz nur unter Mitwirkung ihres Ehemannes auf eine solche Weise belasten, die dem Dritten ungehinderte Nutznießung des Grundbesitzes ermöglichte und dem wirtschaftlichen Zweck einer solchen Belastung voll entsprach. Nichts anderes galt im Grunde, wenn es sich um die Übertragung des Eigentumsrechts handelte, denn jede Eigentumsübertragung der Ehefrau über 77 78 79 80 81 82

Holdsworth, A History III, S. 236f.; Stephen, New Commentaries II, S. 247. Clancy, A Treatise, S. 177f. Vgl. dazu vorläufig Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 127 Clancy, A Treatise, S. 178. Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 46a. a.E. Wills Act, 32 Hen. 8., c. 28.

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ihr unbewegliches Vermögen ist nichtig.83 Natürlich kann sich keine Gesellschaft auf lange oder kurze Sicht die absolute Verkehrsunfähigkeit unbeweglichen Vermögens leisten – erst recht keine, die ihre Wirtschaftsverfassung darauf aufgebaut hat. Und wie es die „Logik“ des Rechts verlangt, wurde es ermöglicht, auch dieses Prinzip unter bestimmten Bedingungen zu durchbrechen. Das oben beschriebene „Fine“ öffnete der Ehefrau wieder den Weg zur materiellen Freiheit. Einer Freiheit aber, deren Grenzen erneut von den Interessen des Ehemannes bestimmt wurden. Für die Frau galt jedenfalls, dass sie durch dieses Verfahren die Aussicht verlor, nach dem Tod ihres Ehemannes durch den Rechtsbehelf „cui in vita“ die Transaktion rückgängig machen zu können. Später, im Jahre 1833, wurde die Fiktion des Prozesses durch eine vertragsnähere Form der Übertragung des besagten Rechts ersetzt. Im Gesetz84 wird vorgeschrieben, dass für die Eigentumsübertragung ein sog. „deed“ erforderlich ist, also nichts anderes als ein förmlicher Vertrag. Doch eines bleibt den juristischen Formen gemein: ihr Telos. Dabei liegt die bemerkenswerte Eigentümlichkeit dieser Verfahren nicht in dem Zweck, den Übertragenden zu schützen. Vielmehr fällt hier auf, wie sich das Recht um den Schutz der Ehefrau – also um den Schutz des konkret Übertragenden – mit besonderem Eifer kümmert, was sich insbesondere aus der Ausgestaltung der Verfahren ergibt. Für die nähere Untersuchung bietet sich das Beispiel des „deed“ an. Als vertragsnahe Konstruktion vermag es hier die Transformation in heutige Begriffe zu erleichtern. Es ist bei der Vornahme eines solchen Rechtsgeschäfts keineswegs ausreichend, die Schriftform zu wahren. Die Ehefrau muss vor den Richtern erscheinen, denen die Aufgabe zufällt, die Freiheit ihres relevanten Willensentschlusses festzustellen. Ein Richter ist es nämlich, der die Ehefrau getrennt von ihrem Ehemann befragen soll, bevor der Vertrag Gültigkeit erlangen kann,85 was ebenso auf das Rechtsinstitut „Fine“ zutrifft. Stellte der Richter fest, dass die Ehefrau gar nicht den Wunsch hegte, auf ihr Eigentum zu verzichten, dann war der Vertrag nichtig und dem Ehemann wurde der Zorn des Rechtssystems angedroht.86 Man sieht hier, wie früh sich das Recht der vorausgesetzten geistigen Schwäche, Manipulierbarkeit bzw. Ungewandtheit der Ehefrau in Geschäftsangelegenheiten angenommen hatte. Genauso früh schirmt das englische Rechtssystem die Ehefrau nach beiden Seiten der Gefahr ab: nach der Seite des gnadenlosen Marktes und nach derjenigen des 83 84 85 86

Blackstone, Commentaries II, S. 293; Stephen, New Commentaries I, S. 452. Stat. 3 & 4 Will. IV. c. 74. Einzelheiten bei Stephen, New Commentaries II, S. 247. Für einen solch frühen Fall s. Year Books 3, 4 Ed. II, S. 151.

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listigen Ehemannes. Etwa zur gleichen Zeit, zu der die genannten Verfahrensweisen erschienen,87 wurde der Grundgedanke gepflegt, dass der Ehemann über seine Ehefrau deswegen herrschen solle, weil er ihr Schutz biete. Dies lässt zumindest eine Teilwidersprüchlichkeit des gesetzlichen Schutzmotivs deutlich erkennen.88 6. Ergebnis Zum Schluss der Untersuchung zum unbeweglichen Vermögen der Ehefrau nach Common Law lässt sich aus dieser „vormodernen“ Institution ein bestimmtes Frauenbild herauslesen: Die Ehefrau fungiert als „Brücke“ zwischen ihrer alten und ihrer neuen Familie, zwischen ihrem Vater und ihrem Ehemann.89 Außer wenigen, hier und da auftauchenden neuen Rechtfertigungsvokabeln der alten Institution, gab es aus dem 19. Jahrhundert nicht viel Neues zu vermelden. Das verwundert insoweit nicht, als das unbewegliche Vermögen in der ersten Phase des industriellen Zeitalters seine hohe Bedeutung allmählich einzubüßen scheint. Dessen Stelle nimmt das nachfolgend untersuchte bewegliche Eigentum ein, über das den zeitgenössischen Quellen weit mehr Informationen zu entnehmen sind. Letzteres bezieht sich freilich weniger auf den Inhalt des Rechts, denn dieses blieb auch in Bezug auf das bewegliche Vermögen der Ehefrau noch unverändert. Vielmehr werden nachfolgend verstärkt neue Legitimationsversuche des alten Rechts das Erkenntnisinteresse der Untersuchung besetzen. Dies geschieht in der Absicht herauszufinden, welches das eigene imaginäre Substrat (also der Sinn) des englischen Common Law für seine Interpreten im 19. Jahrhundert war.

87 Holdsworth, A History III, S. 245, spricht vom 13. Jahrhundert. Die eben zitierte Stelle aus den Year Books stammt aus dem Zeitraum zwischen Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts. 88 Vgl. zur Ambivalenz des Schutzmotivs im Rahmen der deutschen Diskussion des 19.  Jahrhunderts Czelk, Gleichberechtigung und Schutz, in: Meder/Duncker/Czelk (Hrsg.), Frauenrecht und Rechtsgeschichte. Die Rechtskämpfe der deutschen Frauenbewegung, S. 317–333. 89 Vgl. dazu weiter die bei Baker & Milsom, Sources of English Legal History, S. 38–41, abgedruckten Urteile, namentlich Nuuel v. Wilstrop, S. 39.

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III. Personal Property Die Ehe wirkt, sagt Coke90, im Hinblick auf das bewegliche Vermögen („personal property“) der Ehefrau wie ein Geschenk für den Ehemann. Alles, was die Ehefrau bei Eingehung der Ehe besitzt, wird Eigentum des Ehemannes91, und zwar ipso jure: „A […] method of acquiring property in goods and chattels is by marriage; whereby those chattels, which belonged formerly to the wife, are by act of law vested in the husband, with the same degree of property, and with the same powers, as the wife, when sole, had over them”. 92

Der Wechsel des Rechtsinhabers ist also vollständig. Soweit der Grundsatz; der zwar durchaus einen ersten Eindruck von der Vermögenslosigkeit der Ehefrau im Hinblick auf das bewegliche Vermögen, aber nicht die ganze Wahrheit vermittelt. Diese ergibt sich erst durch die dogmatische Differenzierung. Die Gegenstände, die in dieser Untersuchung als bewegliches Vermögen bezeichnet werden, sind in der zeitgenössischen englischen Literatur in drei Kategorien unterteilt93, und die Verwirklichung des genannten Prinzips erfuhr entsprechende Schattierungen. 1. Chattels Personal Bei den sog. „chattels personal“ handelt es sich allgemein um bewegliche Gegenstände, wie Tiere, Geld oder auch Schmuckstücke der Ehefrau.94 Zu diesem Begriff zählt auch das Arbeitseinkommen der Ehefrau95 – ein Umstand, der zu kurzem gedanklichen Verweilen anregt. Nicht nur, weil die Frauenarbeit und die Nutzung des Arbeitsertrags einen zentralen, ja einen der ersten Gesichtspunkte überhaupt darstellt, worauf einige englische Frauen etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Aufmerksamkeit richteten, was übrigens durchaus als die „Geburt der englischen Frauenbewegung“ angesehen werden kann. Und auch nicht nur, weil es dieselbe Problematik war, welcher sich nicht 90 Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 351a. 91 Lord Hastings v. Douglas, All. E.R. 1558–1774 (1634), S. 578; Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 300a; Clancy, A Treatise, S. 1; Campbell, Principles, S. 71: „absolute interest“. 92 Blackstone, Commentaries II, S. 433. 93 Clancy, A Treatise, S. 3. 94 Blackstone, Commentaries II, S. 387. 95 Clancy, A Treatise, S. 3.

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allein der englische Gesetzgeber als erstes 1870 angenommen hat;96 obwohl beides Umstände sind, aus welchen die Bedeutung der anzusprechenden Regelung einleuchten würde. Vielmehr kommt durch die Betrachtung der damaligen Rechtsliteratur ein Umstand zum Vorschein, der von weitaus weniger Gewicht ist, aber dennoch erwähnenswert erscheint. Während nämlich im zitierten Kompendium von James Clancy aus dem Jahre 1827 oder in demjenigen von Theophilus Parsons,97 dessen Zeilen 1853 veröffentlicht wurden, das rechtliche Schicksal des Arbeitsertrags der Ehefrau besondere Erwähnung findet, ist dies für William Blackstone am Ende des 18. Jahrhunderts kein Umstand gewesen, der besonderer Hervorhebung bedurft hätte. Das provoziert fast eine Argumentation, deren Kerngedanke um den Prozess der Industrialisierung der englischen Gesellschaft kreist. Man könnte diese Erscheinung darauf zurückführen, dass den Juristen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Vorstellung von der arbeitenden Frau viel gegenwärtiger war als noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wo sich die Strukturen des „ganzen Hauses“ noch nicht aufgelöst hatten oder ihre Auflösung noch nicht als solche empfunden wurde. In diesem Zusammenhang wäre die sog. Frühindustrialisierung zu nennen, die zu einem Anwachsen der Zahl arbeitender Frauen geführt hatte. Eine derartige Argumentation würde des Weiteren mit dem konservativen Charakter harmonieren, den die englische Rechtsgeschichte dem Werk Blackstones insgesamt bescheinigt. Er könnte ihn nämlich daran gehindert haben, gegenüber dem Wandel der Gesellschaft einen offenen Blick zu bewahren. In anderen Zusammenhängen war dies genau der Umstand, der ihm vor allem die Polemik Jeremy Benthams sicherte.98 Damit käme man insgesamt der Vermutung eines neuen juristischen Bewusstseins für diesen Wandel erheblich näher. Doch gilt es, dieser Interpretation jetzt den Boden zu entziehen, und zwar ohne auf eine Hervorhebung der essentiellen Differenzierung zwischen Frauenarbeit und Ehefrauenarbeit angewiesen zu sein, auf die in etwas größerem Zusammenhang noch zurückzukommen ist.99 Die Suche nämlich in weiteren Quellen nach dieser Abweichung gegenüber Blackstone blieb ergebnislos. Die zweite große (zweibändige) Monogra96 Der französische Gesetzgeber hat 1907 dieselbe Frage außerhalb des Code Civil geregelt. S. überblickartig Kaden, Arbeitserwerb der Ehegatten, insbesondere der Ehefrau, in: Rechtsvergleichendes Handwörterbuch, S. 246–252. 97 Vgl. Parsons, The Law of Contracts, S. 286. 98 Dazu insgesamt Holdsworth, A History XII, S. 727–731. 99 Vgl. zunächst etwa Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter, S. 248–252, bzw. Stone, Family, S. 419f.

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phie von Donnison Roper zu diesem Thema100 geht, soweit ersichtlich, ebenfalls mit keinem besonderen Wort auf das Arbeitseinkommen der Ehefrau ein. Und auch Stephens „New Commentaries“, der damit das Werk von Blackstone zwar fortzuführen, aber nach eigener Aussage101 auch zu aktualisieren gedachte,102 widmet dem gesuchten Begriff nicht die notwendigen Worte. Aus diesem Grund ist der Zufall als Erklärung einer Textabweichung zu akzeptieren, die wegen des zeitlichen Abstands Neugier erregte. Vor dem Hintergrund dieses „Zufalls“ und seiner Zukunft ist nun auf die Ausgestaltung des Rechts in diesem Bereich einzugehen. Das Eigentumsrecht des Ehemannes entfaltete sich in weitgehender Unbeschränktheit. Sein Eigentumsrecht war nach wie vor unbestritten und ohne Konkurrenz. Der Ehemann konnte über den jeweiligen Gegenstand während seines Lebens und auch letztwillig nach Belieben verfügen. Im Prozess war er darüber hinaus allein aktiv- und passivlegitimiert. Und erbrechtlich – wenn kein Testament existierte – gebührten besagte Gegenstände seinen Erben und nicht denjenigen seiner Ehefrau.103 „The right of the husband is subject, indeed, in one respect, to exception.“104 Es gibt bestimmte Gegenstände, die während der Ehe in der alleinigen Nutzung der Ehefrau stehen. Es handelt sich um solche, die ihrem persönlichen Gebrauch dienten, etwa ihre Kleidung und ihr Schmuck.105 Diese Gegenstände hat man mit dem Begriff „Paraphernalia“ erfasst. Bis zur Eheschließung stehen sie im Eigentum des Ehemannes106 und ab diesem Zeitpunkt gehen sie 100 A Treatise of the Law of Property Arising from the Relation between Husband and Wife. 101 Stephen, New Commentaries I, im Vorwort. 102 Einem Zweck, dem er allerdings nach fremder Aussage nicht genügend nachgekommen ist. So etwa Dicey, Camb. Law Journal IV, S. 289f., zit. nach Holdsworth, A History XII, S. 715f. 103 S. insgesamt Blackstone, Commentaries II, S. 435; Clancy, A Treatise, S. 3; s. auch Stephen, New Commentaries II, S. 249. 104 Stephen, New Commentaries II, S. 249. Bei Blackstone (Commentaries II, S. 435f.) wird die zu untersuchende Regelung nicht als Ausnahme, sondern als ein Fall erfasst, in welchem umgekehrt zur bisherigen Regel die Ehefrau Eigentum an Sachen erwirbt, die vor der Ehe dem Ehemann gehörten. 105 „Suitable to her rank and degree“ liest man des Weiteren bei Blackstone, Commentaries II, S. 436; eine Unterscheidung, auf welche man auch bei Stephen, New Commentaries II, S. 249, in der Mitte des 19. Jahrhunderts trifft. Nach Aussage von Clancy wurde diese Rangunterscheidung in der Judikatur aber allmählich aufgegeben (A Treatise, S. 93). 106 Blackstone, Commentaries II, S. 435, weswegen diese Regelung bei Blackstone (Commentaries II, S. 435f.) nicht als Ausnahme, sondern als Umkehrung der sonst

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in den Besitz der Ehefrau über. Hier ist zunächst nicht klar gewesen, wem die Gegenstände während der Ehe eigentumsrechtlich zuzuordnen waren. Während die Richter Richardson und Croke im Jahre 1634 davon ausgehen, dass die fraglichen Gegenstände für die Dauer der Ehe im Eigentum des Ehemannes verbleiben,107 schreibt Blackstone etwa eineinhalb Jahrhunderte später, dass der Ehefrau durch die „Paraphernalia“ ermöglicht würde, Eigentum an gewissen Gütern des Ehemannes zu erlangen.108 Sieht man aber von der dogmatischen Zuordnung der genannten Rechtsfigur einmal ab, dann lässt sich Einigkeit über das Verfügungsrecht an den fraglichen Gegenständen konstatieren. Dem Ehemann wurde im Gegensatz zu seiner Ehefrau, die im Laufe der Ehe über die fraglichen Gegenstände nicht verfügen konnte,109 zeit seines Lebens uneingeschränktes Verfügungsrecht zugestanden.110 Nicht ohne Bedeutung erscheint es, dass die herrschende ( Juristen-)Moral eine solche Handlung – nämlich die tatsächliche Verfügung des Ehemannes über diese Vermögensgegenstände – als „unkindly“ verurteilen würde.111 Juristisch gehörten die „Paraphernalia“ also der Ehefrau, faktisch aber wohl dem Ehemann.112 Sollte sich der Ehemann nun als anständig genug erweisen und von diesem Recht bis zu seinem Lebensende keinen Gebrauch machen, dann wurden die fraglichen Gegenstände bei Eintritt dieses, nicht immer tragischen, Ereignisses in das Eigentum der Ehefrau überführt.113 Darüber hinaus war es dem Ehemann nicht gestattet, über die „Paraphernalia“ letztwillig zu verfügen114 oder sie über Vermächtnisse zum Gegenstand der Vermögenshaftung zu machen. Der sich damit abzeichnenden „Machtvollkommenheit“ der Ehefrau wurden aber schließlich vom äußeren, nicht familiären Interessenkreis Grenzen gesetzt: Schied der Ehemann verschuldet aus dem Leben, dann wurde auch diese Vermögensmasse zur Deckung seiner Schulden herangezo-

107 108 109 110 111 112 113 114

geltenden Regel konstruiert wird. Aus dem Grund, dass sie bis zur Ehe im Eigentum des Ehemannes standen, werden sie schließlich im Zusammenhang mit dem Rechtsinstitut „dower“ behandelt. Da sie nämlich ebenfalls der Ehefrau von ihrem Ehemann zugewendet werden. Lord Hastings v. Douglas, All. E.R. 1558–1774 (1634), S. 578. Blackstone, Commentaries II, S. 435. Clancy, A Treatise, S. 94. Blackstone, Commentaries II, S. 436. S. etwa Blackstone, Commentaries II, S. 436; Clancy, A Treatise, S. 93 m.w.H. Hier wird von der hohen Darstellungskunst Savignys (System des heutigen römischen Rechts I, S. 354 Fn. h) Gebrauch gemacht, der aber von der „dos“ spricht. Comyns, A Digest of the Laws of England II, S. 229 Fn. m; Townshend v. Windham, All. E.R. 1558–1774 (1750), S. 432; s. auch Holdsworth, A History III, S. 527. Clancy, A Treatise, S. 95. Das war in dem genannten Urteil Lord Hastings v. Douglas noch strittig, All. E.R. 1558–1774 (1634), S. 576ff.

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gen.115 Allerdings nur zum Teil – die Garderobe der Ehefrau wurde, soweit sie ihrer bedarf, nicht angetastet.116 2. Choses in Action Das zweite bewegliche Vermögenssegment der Ehefrau bilden die sog. „choses in action“. Bei diesen handelt es sich um nicht-körperliche Gegenstände, also in erster Linie um Forderungsrechte,117 die sich nicht im Besitz des Berechtigten befinden. Seine Rechtsposition beschränkt sich zunächst auf „merely a bare right to occupy the thing in question; the possession whereof may however be recovered by a suit or action at law“, wie Blackstone sagt.118 In diesem Kontext erlangt die „reduced into possession“-Doktrin Bedeutung.119 Sie besagt, dass dem Ehemann zwar die jeweilige Forderung zusteht, aber nur dann, wenn er seinen Anspruch darauf während der Ehe auf irgendeine Weise geltend macht. Dafür wurde es als ausreichend betrachtet, wenn er z.B. diese Forderung dem Schuldner gegenüber erhob, ohne dass die tatsächliche Leistung seitens des Letzteren notwendig war. Überdies genügte es,120 wenn ihm die Forderung gerichtlich zugesprochen wurde, ohne dass eine Zwangsvollstreckung bereits erfolgt sein musste.121 Schließlich waren die Voraussetzungen des „reduced into possession“ ebenfalls gegeben, wenn er besagte Forderung auf einen Dritten zedierte.122 Dieser Rechtslage muss man die Vorschrift hinzufügen, nach welcher der Ehemann bei Vornahme jeglicher Prozesshandlung, namentlich bei Einreichung einer Klage, gehalten war, seine Frau zum Prozess hinzuzuziehen; was aber nicht bedeutet, dass er zur Vornahme dieser Handlung ihrer Zustimmung bedurfte.123 Dies ändert sich wiederum, wenn es um „choses in action“ ging, die 115 116 117 118 119 120 121 122 123

Townshend v. Windham, All. E.R. 1558–1774 (1750), S. 432. Blackstone, Commentaries II, S. 436. Vgl. auch Roper, A Treatise of the Law of Property I, S. 224. Blackstone, Commentaries II, S. 396. S. Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 351a Fn. (1). Dort auch zu Einzelheiten; s. auch Clancy, A Treatise, S. 3f. „Selbstverständlich“ möchte man sagen, aber der Engländer sagt es gerade nicht! Vielleicht, weil es ihm unbedeutend erscheint, seine Argumente in eine logisch-systematische Reihenfolge zu bringen. Comyns, A Digest of the Laws of England II, S. 225. Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 351a Fn. (1). Clancy, A Treatise, S. 4; weitere Beispiele bei Bright, A treatise on the law of husband and wife I, S. 116ff.

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die Ehefrau während der Ehe erworben hatte. Es steht nunmehr im Belieben des Ehemannes, ob er seine Frau zur Klage hinzuzieht oder nicht, auch wenn er die Voraussetzungen des „reduced into possession“ nicht erfüllt hat.124 Dasselbe gilt, wenn zwar der Entstehungsgrund der Forderung vor der Ehe liegt, die Forderung aber erst nach dem Eingehen der Ehe zur Entstehung gelangt ist, etwa beim Auseinanderfallen von Verpflichtungszeitpunkt und Fälligkeit des Anspruchs bei Ausstellung eines Schuldscheins125. Nimmt der Ehemann dagegen die entsprechenden Handlungen nicht vor, dann entfaltet sich die genannte Doktrin in erbrechtlicher Perspektive als Ausnahme vom absoluten Herrschaftsrecht des Ehemannes über das bewegliche Vermögen der Ehefrau. Stirbt nämlich der Ehemann zuerst, erbt seine Ehefrau die fraglichen Forderungen und nicht die Erben ihres Ehemannes, denn er hat von dem ihm zustehenden Recht eben keinen Gebrauch gemacht.126 Verstirbt umgekehrt die Ehefrau zuerst, dann scheint sich seine Lage auf den ersten Blick nicht günstiger zu gestalten.127 Der Ehemann ist zwar der Verwalter der betreffenden Forderung, geerbt hat er sie dagegen nicht.128 Er kann sie deswegen nicht mehr als Berechtigter einklagen, was bedeutet, dass er nie mehr die Voraussetzungen des „reduced into possession“ wird erfüllen können.129 Diese Einschränkung hat jedoch keine große Bedeutung, weil der Ehemann die Forderungen ja als Verwalter des Vermögens seiner Ehefrau gerichtlich geltend machen und sie ebenso wirksam seinem Vermögen einverleiben kann.130 Und überhaupt ist zu bezweifeln, dass es sich bei dieser Doktrin um eine wirkliche Ausnahme handelt, inwiefern also dadurch das Recht die Motivation durchblicken lässt, die rechtliche Stellung der Ehefrau aufzuwerten, auch wenn eine solche Aufwertung nur durch eine Einschränkung der Rechte des Ehemannes an ihrem Vermögen stattfinden sollte. Denn es galt als allgemeine Bedingung jedweden Rechtserwerbs durch einen Mann, dass er den Besitz am jeweils in Frage kommenden Gegenstand erlangte. Ohne den Besitz blieb ihm der begehrte Erwerb versagt.131 Die „reduced into possession“-Doktrin erscheint aus dieser Perspektive bloß als eine konsequente Durchführung und Konkretisierung dieses Grundsatzes. Es gibt keinen Anlass zu der Vermutung, dass 124 125 126 127 128 129 130

Clancy, A Treatise, S. 4f. Beispiel nach Clancy, A Treatise, S. 7. Blackstone, Commentaries II, S. 434. Wobei hierbei als „günstiger“ bewertet werden könnte, dass er am Leben ist. Clancy, A Treatise, S. 4. Blackstone, Commentaries II, S. 435. Butler, in: Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 351a Fn. (1); Stephen, New Commentaries II, S. 249. 131 Holdsworth, A History III, S. 527.

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dieser Grundsatz zur Verbesserung der rechtlichen Stellung der Ehefrau in der Familie aufgestellt wurde. 3. Chattels Real Die letzte Art von beweglichem Vermögen der Ehefrau, mit welchem sich das Recht zu beschäftigen hatte, stellen die sog. „chattels real“ dar, worunter Nutzungs- und Sicherungsrechte an einem Grundstück oder ähnliche Rechte, wie beispielsweise zeitlich begrenzte Mietrechte, pachtartige Grundstücksrechte oder Mietzinsrechte (terms of years) zu verstehen sind. „Marriage is, as it were, an executory gift of the chattels real of the wife.“132 Offensichtlich liegt dem neuzeitlichen englischen Juristen – Coke spricht ebenfalls von einem Geschenk – sehr viel an dem Bild der Ehe als Geschenk an den Ehemann, und zwar materieller Natur. Es drängt sich geradezu auf, daraus auf eine Einseitigkeit des Verhältnisses der Geschlechter in der Ehe, insbesondere in vermögensrechtlicher Hinsicht, zu schließen. Namentlich dann, wenn sich im umgekehrten, obgleich ziemlich seltenen Fall, in dem die Ehefrau am Vermögen ihres Ehemannes („Paraphernalia“) einen Anteil haben darf, die Symbolik der Schenkung überhaupt nicht eingesetzt wird. Aufschlussreich ist ferner, dass der eben zitierte Autor (Bell) bezüglich der gegebenen Funktionsbestimmung der Ehe von „executory gift“ spricht. Das bedeutet im Wesentlichen, dass der Ehemann erst nach „Vollzug“ der Schenkung als Eigentümer angesehen werden kann, wobei der Vollzug jedoch davon abhängt, ob er über das besagte Recht verfügt oder ob seine Gläubiger Befriedigung seiner Schulden daraus verlangen,133 was Bell als eine „Anomalie“ empfindet.134 Bei dieser Regelung geht es nicht mehr um die zuvor erwähnte allgemeine Voraussetzung, dass der Ehemann ohnehin den Besitz der fraglichen Sache zu ergreifen hat, bevor er als ihr Eigentümer angesehen werden kann. Er „besitzt“ die „chattels real“ seiner Ehefrau ja schon.135 Hier tritt seine eigentumsrechtliche Stellung wohl in der Tat einen Schritt zurück und es scheint sich um eine wirkliche Ausnahme vom aufgestellten Grundsatz zu handeln. Der Ehemann wird nämlich während der Ehe nicht Inhaber der genannten Rechte. Sie werden ihm vielmehr „in her right“136 zu132 133 134 135 136

Bell, The law of property, S. 102; von „gift“ spricht auch Bacon, Abridgement I, S. 476. Bell, The law of property, S. 102. Bell, The law of property, S. 102. So Clancy, A Treatise, S. 9. Bacon, Abridgement I, S. 476; Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 300a, 351a.

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gestanden, was nichts anderes bedeutet, als dass er das Recht seiner Ehefrau ausübt. Die Entscheidung über das Eigentumsrecht wird freilich auch hier erst in dem Moment bekannt gegeben, in welchem das Erbrecht Relevanz erlangt. So kommt es, dass die hier untersuchten Vermögensstücke beim Tod des Ehemannes vollständig in das Vermögen seiner Witwe übergehen, wenn der Ehemann seine Verfügungsrechte darüber zeit seines Lebens nicht ausgeübt hat.137 Überlebt dagegen der Ehemann seine Ehefrau, werden die fraglichen Rechte sein Eigentum.138 Noch wichtiger für die Ehefrau dürfte aber die Frage sein, wie weit die Schenkung an ihren Ehemann während der Ehe gehen kann. Ziemlich weit, ohne Zweifel! Denn solange er lebt, hat er nicht nur ein Verwaltungsrecht darüber, er kann nicht nur die Früchte der „chattels real“ ungehindert und uneingeschränkt genießen, sondern er kann, ja er wird dazu fast gedrängt, nach eigenem Gutdünken darüber zu verfügen, ohne von seiner Ehefrau, der Rechtsinhaberin, daran gehindert werden zu können. Letztere ist an seine diesbezüglichen vertraglichen Verfügungsverpflichtungen auch dann gebunden, wenn er vor der Vornahme der Verfügungen verstorben war.139 Darüber hinaus werden sie seinem persönlichen Haftungsverband zugerechnet, wie das übrige bewegliche Vermögen der Ehefrau.140 Was ihm schließlich noch verwehrt bleibt, ist, über dieses Vermögen letztwillig zu verfügen und so nach seinem Tode Einfluss darauf zu nehmen.141 Letzteres ist nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass sowohl die „choses in action“ als auch die „chattels personal“ den Erben des Ehemannes zustehen. Die Einschränkung der Testierfreiheit des Ehemannes erinnert an die Regelungen betreffend das unbewegliche Vermögen. Daraus wird eine doppelseitige Stellung der „chattels real“ deutlich, die auch begrifflich hervorgehoben wird. Sie stellen bewegliches Vermögen dar, dessen Schicksal aber eng mit dem Boden verbunden ist. Daher wird wieder bei den Regelungen differenziert, je nachdem, ob sie den Zeitraum der Ehe oder die Verteilung des Vermögens nach dem Tod des einen Ehegatten betreffen. Je mehr man sich also dem Grundstücksrecht nähert, desto intensiver wird die Trennung von Rechtsinhaberschaft und Rechtszuständigkeit.

137 Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 46b, 351a; Clancy, A Treatise, S. 91f.; Campbell, Principles, S. 71. 138 Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 46b. 139 So Dewes, The injustice, S. 8. 140 Stephen, New Commentaries II, S. 248. 141 Bacon, Abridgement I, S. 476; Stephen, New Commentaries II, S. 248.

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Soviel also zum beweglichen Eigentum und zum Eigentum überhaupt. Die obigen Bemerkungen können durchaus als Zusammenfassung des Gesagten dienen. Der Ehemann ist also im Großen und Ganzen der Eigentümer, aber der Ehefrau werden Sachen zur Befriedigung ihrer „Weiblichkeit“ belassen. Einschränkungen der männlichen Machtvollkommenheit treten schließlich zutage, wenn man sich in die Nähe des Grundstücksrechts und damit dem alten Konflikt zwischen Ehemann und Vater bewegt.

IV. Die Obligationen der Ehefrau Was oben von den Quellenzeugnissen und ihrem Bezug zum eigenen sozioökonomischen Umfeld gesagt wurde, kommt im Bereich des Vertrags noch deutlicher zum Vorschein. Für Coke sind die Geschäftsfähigkeit oder die Prozessfähigkeit kaum diskussionswürdig. In den Kompendien des 19. Jahrhunderts besetzen solche Fragen jedoch den größten Raum, denn im industriellen Zeitalter Englands tritt die dynamische Dimension des Eigentums, d.h. die Möglichkeit seiner vertraglichen Nutzung, in den Vordergrund. Dem Juristen war es nun ein besonderes Bedürfnis zu bestimmen, wem diese Macht eingeräumt wird. Vielleicht darf man deswegen noch nicht sagen, der Vertrag habe die Industrialisierung getragen, obwohl dies durchaus nahe liegt. Aber es steht fest, dass sich aus der folgenden Analyse und erst daraus der Juristengeist Englands hinsichtlich der Fragestellung dieser Untersuchung eröffnen wird. Die Triebkraft der genannten Dynamik, der Händler, entdeckt die Ehefrau als mögliche Vertragspartnerin immer stärker.142 Vermutlich wuchs auf diese Weise in den Ehefrauen mit der Zeit das Bedürfnis, ein Stück Privatautonomie zu kosten. Gerade dieses Bedürfnis kam sehr laut und deutlich durch die Frauenbewegung zur Sprache. Aber bevor seine „Befriedigung“ durch den Gesetzgeber untersucht wird, sollen im Folgenden seine Verhinderungen durch das altehrwürdige Common Law dargestellt werden. 1. Geschäftsunfähigkeit der Ehefrau Solange eine Frau noch nicht zum Altar geführt wurde, konnte sie ungehindert von ihrer „sittlichen, jedem einzelnen Menschen innewohnenden 142 Vgl. in diesem Zusammenhang Landes, Wohlstand, S. 238, m.w.H. zur frühneuzeitlichen, von den Zeitgenossen beklagten Realität, dass Frauen bei sog. fliegenden Händlern anscheinend oft einkauften.

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Freiheit“143 Gebrauch machen, Verträge eingehen und so nach ihrem Belieben über ihr Vermögen disponieren.144 Denn das Common Law, wie Chitty berichtet, habe nie den römisch-rechtlichen Grundsatz perpetua tutela mulierum anerkannt.145 Wendet man sich aber dem Zeitraum der bestehenden Ehe zu, ändert sich die Perspektive. Die Frau trat mit der Ehe in den Rechtszustand des „coverture“ ein und unterlag damit gewissen rechtlichen Einschränkungen.146 Einer der Hauptgründe dafür ist der Schutz der Familie vor ihrer geschäftlichen Unerfahrenheit. Die Folgen einer Rechtsnorm, die der Ehefrau erlauben würde, für das Vermögen der Familie rechtlich verbindlich zu handeln – d.h. für den Ehemann, denn er besitzt und verwaltet den Großteil dieses Vermögens und haftet aus seinen Verbindlichkeiten –, könnte sich für die Familie als katastrophal erweisen, sagt John Edward Bright.147 Roper scheint seiner Argumentation gewissermaßen einen engeren Gesichtspunkt zugrunde zu legen – man könnte auch sagen: er scheint seine Motive bzw. die Motive des Rechts ehrlicher darzustellen. Es geht ihm nämlich um die Existenz des Ehemannes, die geschützt werden muss. Geschützt vor einer Ehefrau, die durch ihre Kurzsichtigkeit, Leichtgläubigkeit, Unerfahrenheit gegenüber den Listigkeiten des „entfesselten Prometheus“ sein ganzes Vermögen verprassen könnte. Ein Vermögen, das er womöglich von seiner Ehefrau bekommen, wohlgemerkt ipso jure und ohne Rücksicht auf Gefühlen entspringende Willensbildungen und -äußerungen, und unter seine Obhut gestellt hatte. Es kam also vor, dass das Vermögen vor seinem Eigentümer, der Ehefrau, geschützt werden musste. Eine Merkwürdigkeit, an welche sich der heutige, im Zeitalter des Verbraucherschutzes lebende Leser und Verbraucher nicht erst gewöhnen muss.148 Im Hinblick auf „the safety of the husband“149 trifft das Common Law also folgende Regelung: Die Ehefrau besitzt während der Ehe keinen rechtlich 143 Wieder wird Savigny (System des heutigen römischen Rechts II, S. 2) um seiner Rhetorik Willen zitiert. 144 Comyns, A Digest of the Laws of England II, S. 208; ausführlich zur Rechtslage der unverheirateten Frau Wharton, An exposition of the laws, S. 180ff. 145 Chitty, A Treatise, S. 202. 146 Man verwendet den Begriff „coverture“ hauptsächlich in Bezug auf die Geschäftsfähigkeit der Ehefrau, obgleich die Ehe den Auslöser der bisher beschriebenen Einschränkungen, die ihr Vermögen betreffen, darstellt. 147 Bright, A treatise on the law of husband and wife II, S. 37f. 148 Damit wird hier aber die nötige Berücksichtigung der Unerfahrenheit einer Ehefrau nicht mit der Notwendigkeit eines Verbraucherschutzes auf eine Stufe, etwa unter der Überschrift „Emanzipation des Individuums“, gestellt. 149 Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 108. Die Motive sind vielfältig und werden sich in den folgenden Zeilen zeigen.

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erheblichen Willen und kann demzufolge keine Verträge im eigenen Namen eingehen: „The will of the wife is subject to the will of the husband.“150 Versucht sie das dennoch, dann ist jede ihrer entsprechenden Handlungen nichtig und sie kann demzufolge nicht wegen Nichterfüllung ihrer Verbindlichkeit zur Verantwortung gezogen werden.151 Ihr steht im Prozess die Einrede des „coverture“ zu,152 was bedeutet, dass sie den Anspruch des Gläubigers bzw. seine Klage mit dem Argument entkräften kann, dass sie verheiratet ist. Eine Klage übrigens, die man nicht gegen sie allein richten kann. Denn eine Ehefrau kann in einer zivilrechtlichen Angelegenheit, sei sie vertraglicher oder haftungsrechtlicher Natur, nicht ohne ihren Ehemann verklagt werden,153 was für den Bereich des unbeweglichen Vermögens schon ausgeführt wurde.154 Diese „notwendige Streitgenossenschaft“ wurde in Bezug auf die vertragliche Haftung dahingehend modifiziert, dass nur der Ehemann der Verurteilung unterworfen war.155 Dasselbe galt bei Delikten, die aus einem geschäftlichen Kontakt resultierten, auch wenn kein Vertrag zustande gekommen war, wie etwa bei Schadensersatzansprüchen wegen Betrugs.156 Bei anderen Delikten dagegen erlaubt das Common Law der Ehefrau selbst zu haften, was zweifellos eine kleine Anerkennung des freien Willens war.157 150 Lord Hale bei Manby v. Scott, in: Wharton, An exposition of the laws, S. 490. 151 Pollock, Principles of Contract, S. 56. 152 S. etwa Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 127; mit verfahrensrechtlichen Einzelheiten Wharton, An exposition of the laws, S. 386. 153 New Commentaries II, S. 252f. 154 Erwähnenswert erscheint wieder, dass etwa Stephen zur Darlegung der hier untersuchten Rechtslage durchweg nur prozessuales Vokabular einsetzt – ein Umstand, der ein Gefühl vom oft beschriebenen englischen Rechtsverständnis vermitteln kann. S. dazu auch Radbruch, Der Geist des englischen Rechts, S. 36: „Das englische CaseLaw handelt nur vom Recht, das sich im Streit befindet, nicht vom Recht im Stande der Ruhe“; Atiyah, Pragmatism, Kap. 1, insb. S. 18–26, der dies im Rahmen einer Lokalisierung des englischen Rechts zwischen Theorie und Praxis diskutiert und aus der Sicht der heutigen rechtsvergleichenden Kontroversen abwägend argumentiert; weniger klar und viel zu kurz, weil mit dem Blick auf die Negation der Differenzen gerichtet, welche wie es scheint, durch das Ideal eines zukünftigen jus commune generiert wird, Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 70, S. 557. 155 Clancy, A Treatise, S. 13. 156 Vgl. Pollock, The Law of Torts, S. 49. 157 Pollock, The Law of Torts, S. 49. Allerdings nur ein ganz kleines Stück Anerkennung, denn im Bereich der strafrechtlichen Haftung ist zum Teil wieder der Ehemann derjenige, der zur Verantwortung gezogen wird, und zwar diesmal allein. Das traf in dem Fall zu, wo der Ehemann bei der Begehung der Straftat durch seine Ehefrau anwesend war. Und dies, weil man annahm, dass die Ehefrau unter seinem Einfluss zur Tat genötigt wurde. S. dazu Stephen, New Commentaries II, S. 253.

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Der eben untersuchte Unterschied in der rechtlichen Behandlung lässt sich in das bekannte allgemeinhistorische Interpretationsschema „privat-öffentlich“ integrieren. Als Öffentlichkeit verstand man im 19. Jahrhundert die Geschäftswelt, von welcher die Ehefrau auszuschließen war,158 womit ihr zugleich der häusliche Bereich zugewiesen wurde. Das war die Art und Weise, mit der die Handlungssphären der Ehegatten im 19. Jahrhundert getrennt und gleichzeitig diese bestimmte Auffassung des Geschlechterverhältnisses propagiert wurde. Es wird im zweiten Teil dieser Arbeit zu zeigen sein, dass das erwähnte Schema den politischen, naturwissenschaftlichen und philosophischen Diskurs Englands und Deutschlands beherrschte.159 Damit korrespondierte auch der juristische Diskurs. Gerne übernahm der englische Jurist mittels der vorgegebenen Begründung eine bestimmte Rollenverteilung innerhalb der Familie, in der jeder seinen Teil der Verantwortung zu tragen hatte. Davon übernahm der Ehemann „to travel abroad and to defend“, die Ehefrau aber „to save, to stay at home, and to distribute that which is gotten, for the nurture of the children and family“.160 Und dies, weil der Ehemann durch seine Lebensart und Ausbildung, „has acquired more experience, more aptitude for business, and a greater depth of judgement than the woman“161 – ein Urteilsvermögen, auf das weder Familie noch Nation verzichten konnten. So schuf die Umsetzung dieses Familienverständnisses die Fundamente seiner Perpetuierung.162 Letztere rezipiert mitunter das Common Law. Im Folgenden konzentriert sich die Untersuchung auf die rechtlichen „Unfähigkeiten“ der Ehefrau in der Geschäftswelt sowie auf die Tatsache, dass in der ersten Hälfte des Jahrhunderts die das Recht mittragenden Subjekte, seine Interpreten, kaum einen Versuch unternommen haben, das hinter diesen „Unfähigkeiten“ stehende Wertungsmodell zu modifizieren.

158 S. dazu Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter, S. 249f.; vgl. noch Fraisse, in: Duby/ Perrot IV, S. 65–72. 159 Young spricht von „the doctrine of the Two Spheres“ (Portrait, S. 91). Zur Diskussion in Deutschland in derselben Zeit Schwab, Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 294. 160 Thomas Smith, Book of the Commonwealth of England, zit. in: Bingham, The Law of Infancy and Coverture, S. 164. 161 Bingham, The Law of Infancy and Coverture, S. 162. 162 Denn der mangelnden Erfahrung der Frau soll ja gerade nicht durch die Übertragung von mehr Befugnissen entgegengewirkt werden. Solange bleibt aber die Frau eben hoffnungslos unerfahren.

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2. Rechtsgeschäftliche Handlungsmöglichkeiten der Ehefrau a) Schuldenhaftung163 Die angesprochene Vertragsunfähigkeit der Ehefrau bedeutet nicht, dass deren Gläubiger leer ausgehen mussten. Es ist demzufolge keinesfalls so, dass die Handlungen der Ehefrauen im Warenverkehr keine rechtlichen Konsequenzen zeitigten. Im Normalfall liefen diese Konsequenzen allerdings über die Person des Ehemannes, so dass sich die Ehefrau wirtschaftlich nur mittelbar entfalten konnte. War ein Geschäft mit einer Ehefrau, abgeschlossen in gutem Glauben und mit ebenso guten Vorsätzen, negativ verlaufen, konnten also die Gläubiger ihren Anspruch auf die Gegenleistung gegen die Ehefrau nicht durchsetzen,164 dann konnten sie sich an denjenigen halten, der auch sonst das Vermögen der Familie verwaltete. Daraus ergibt sich die Rechtsfolge: Der Ehemann haftet für die Schulden seiner Gattin.165 Die Tatsache, dass er als Verwalter und zum größten Teil auch Eigentümer der Verfügungsberechtigte des gesamten familiären Vermögens war bzw. durch die Ehe geworden war, stellt im Übrigen eine prinzipielle Begründung seiner Haftung dar, weswegen sich diese zugleich auf die vorehelichen Schulden erstreckt.166 Dafür, dass der Ehemann das Vermögen seiner Ehefrau bekommt, soll er etwas leisten.167 Dabei muss die Haftung des Ehemannes unter einem doppelten Aspekt analysiert werden, d.h. sie kommt sozusagen zwei Leistungsempfängern zugute. Solange man sich dem Spannungsfeld Ehemann – Ehefrau fernhält, stehen die „Gläubiger der Ehefrau“ im Mittelpunkt der Sorgen des Common Law.168 Also die Geschäftsleute, die mit der Frau in vertragliche Beziehungen eintreten wollten, weil sie auf die Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche gegen ihre Vertragskontrahentin vertrauten. Sie konnten ja nicht im Voraus wissen, 163 Die Annahme der Haftung wird hier als Handlungsmöglichkeit gedeutet, weil dadurch ja ihre rechtsgeschäftliche Handlung als wirksam betrachtet wird. 164 Weil sie spätestens im Prozess die Einrede des „coverture“ erhoben hatte. 165 Die Konstruktion ist etwa aus dem römischen Recht bekannt (vgl. etwa Savigny, System des heutigen römischen Rechts III, § 113). Mitten im 19. Jahrhundert genießt die hier untersuchte Regelung noch die Zustimmung der meisten Juristen, und eine Notwendigkeit ihrer Abschaffung wurde noch nicht gesehen. 166 Dazu etwa Clancy, A Treatise, S. 13ff. 167 Clancy, A Treatise, S. 13; Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 73. Allerdings ist seine Haftung nicht unter die Bedingung gestellt, dass er tatsächlich auch etwas bekommt, s. Comyns, A Digest of the Laws of England II, S. 237. 168 Clancy, A Treatise, S. 13.

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dass sie als potentielle Beklagte aufgrund ihrer nunmehr eingegangenen Ehe ausfallen würde. Der Verlust eines bestimmten Schuldners wird gelegentlich von juristischer Seite für einen zu vermeidenden Umstand gehalten. Deswegen greift an dieser Stelle das Common Law kompensierend ein und zieht den Ehemann zur Verantwortung. Noch bedeutender ist die Rolle der genannten Regelung (Haftung des Ehemannes) für die Ehefrau selbst. Sie tritt nämlich, gleichsam als Kompensation für den Verlust des Vermögens und die Geschäftsunfähigkeit der Ehefrau ein. Wieder ist es Stephen, der eiligst versichert, dass das Common Law ein Recht, wenn nicht der Gleichbehandlung, so doch des Gleichgewichts ist, das „in consideration of this incapacity […] excepts her, in respect of all rights and causes of action accruing to her during the coverture“.169 Derselbe Argumentationstypus wird verwendet zur Rechtfertigung der Regelung, dass den Ehemann darüber hinaus auch die außervertragliche, insbesondere deliktische Haftung seiner Ehefrau trifft. Die Bedeutung dieser Argumentation mag klar werden, wenn sie mit Alternativbegründungen derselben Vorschriften verglichen wird. Man wird sich nämlich dann vergegenwärtigen, dass hier auch mit dem Motiv der Herrschaft hätte argumentiert und die Stellung des Ehemannes mit dem Bild „nach innen als Herrschaft, nach außen als Haftung“ hätte aufgefasst werden können, um die einprägsame Formulierung von Heinrich Brunner170 zu gebrauchen. Dieser Argumentationstypus tritt nicht nur als Vorstellung, sondern auch als Tatsache auf. Die rechtlichen Einschränkungen in diesem Bereich, welchen die Ehefrau unterworfen wurde, sowie die damit einhergehende Haftung des Ehemannes sind für sie „the simple consequence of that sole authority which the law has recognized in the husband, subject to judicial interference whenever he transgresses its proper limits“, sagt Peregrine Bingham in seiner Monographie zur rechtlichen Stellung der Ehefrau171 und fährt fort: „In that variety of wills with which human nature is ordinarily constituted, it is absolutely necessary for the preservation of peace, that where two or more persons are destined to pass their lives together, one should be endued with such a pre-eminence as may terminate all contestation.“

Das Argument der Notwendigkeit eines endgültiges friedenstiftendes Entscheidungsrechts wird also auch bemüht und die Herstellung von Frieden ist bekanntlich Anfangs- und Endzweck allen Rechts. Aber warum der Mann? 169 Stephen, New Commentaries II, S. 250; so auch Prater, An Essay, S. 99. 170 Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I, S. 92. 171 The Law of Infancy and Coverture, publiziert 1816.

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Die Antwort lautet: „Simply, because he is the stronger.“172 Seine Herrschaft geht also auf die Natur zurück. Ja, sie ist sogar gottgegeben: „God hath given the man greater wit, better strength, better courage, to compel the woman to obey by reason or force; and to the woman beauty, fair countenance, and sweet words, to make the man obey her again for love.“173 Im Gegensatz zu diesem herrschaftslegitimierenden Argumentationsmuster scheint die Kompensationsbegründung als solche in diesem Kontext dem geltenden Recht jedenfalls ein Fragezeichen hinzuzufügen und damit dem Zeitgenossen die Anzweifelung der Richtigkeit seiner Regelungen zu ermöglichen. Denn sie bringt das Bild des Ungleichgewichts ins juristische Bewusstsein, wobei zugleich dessen Ungerechtigkeit propagiert und die Notwendigkeit des Ausgleichs akzentuiert wird. Damit ist sicherlich noch nicht das Postulat einer Änderung des geltenden Rechts verbunden, weil die oben genannte Begründung zum Zwecke der Legitimation des bestehenden Rechts eingesetzt wird. Aber von Kompensation kann man nur dann sprechen, wenn man sich ein Gleichordnungsverhältnis vorstellt, während der Begriff „Herrschaft“ eine Unterordnung suggeriert. Hiermit scheinen zumindest die Weichen zu einem Wandel der diesbezüglichen juristischen Argumentation gestellt zu werden. Nicht ohne Bedeutung ist schließlich, dass in der auf solche Weise strukturierten Analyse von Stephen174 die Natur- oder Gottgegebenheit der beschriebenen Rollenverteilung der Geschlechter in der Familie nicht einmal andeutungsweise zum Zuge kommt. Ein fundamentaler Wandel der diesbezüglichen Legitimationsstrukturen innerhalb der politischen Herrschaftsphilosophie, der sich bereits seit einigen hundert Jahren vollzog,175 spiegelt sich nun auch in der juristischen Argumentation mit bemerkenswerter Verzögerung in einem einflussreichen Lehrbuch176 wider. b) Die Ehefrau als Vertreterin ihres Ehemannes Nachfolgend werden die juristischen Konstruktionen näher betrachtet, mit welchen die Herrschaft des Ehemannes bzw. das Gleichgewicht in der Familie, aber auch die Sicherheit für die Gläubiger sowie ein gewisser Handlungsspielraum für die Ehefrau geschaffen werden. Dafür eignet sich vorzüglich die 172 Alle Zitate aus Bingham, The Law of Infancy and Coverture, S. 162. 173 Thomas Smith, Book of the Commonwealth of England, zit. in: Bingham, The Law of Infancy and Coverture, S. 164. 174 Vgl. New Commentaries, II, S. 250. 175 Schwab, Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 280–284. 176 S. Holdsworth, A History XII, S. 715f.

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juristische Einrichtung der Vertretung, wovon das Common Law tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Die Ehefrau handelte also unter bestimmten Umständen als Vertreterin ihres Ehemannes.177 Es fragt sich, unter welchen Voraussetzungen sie auf diese Weise im Geschäftssverkehr auftreten durfte. In erster Linie wird verlangt, dass die Ehefrau für ihr Handeln von ihrem Ehegatten autorisiert wurde und ihn folglich auch verpflichten darf.178 Dafür ist nachzuweisen, dass der Ehemann seiner Ehefrau seine Zustimmung, d.h. eine Vollmacht erteilt hat. Es ist dabei unerheblich, ob es sich um eine ausdrückliche oder stillschweigende Vollmachterteilung handelt.179 Allein die stillschweigende Bevollmächtigung der Ehefrau bedarf immer besonderer Anhaltspunkte zu ihrer Annahme. Solche sind etwa dann gegeben, wenn die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft für Außenstehende durch gemeinsame Lebensführung, namentlich unter gemeinsamem Dach wahrnehmbar machen. Dies lässt die Annahme der stillschweigenden Vollmachterteilung sogar zu einer widerlegbaren Vermutung derselben aufsteigen.180 Unter denselben Bedingungen ist schließlich auch eine Genehmigung des Rechtsgeschäfts möglich, etwa wenn der Ehemann über den Vertrag informiert ist und vom erworbenen Gut Gebrauch macht.181 Mithin ergeben sich zwei weitere Fragen: Erstens, welchen Umfang kann die Haftung des Ehemannes annehmen oder wo findet die Handlungsfähigkeit der Ehefrau im Geschäftsverkehr ihre Grenzen? Zweitens fragt sich, was von Seiten des Ehemannes unternommen werden muss, um die genannte Vermutung zu widerlegen, wie er also ein Handeln seiner Gattin überhaupt verhindern bzw. unwirksam machen kann. aa) Necessaries Maßgeblich zur Markierung des Bereichs innerhalb dessen die Ehefrau für die Familie handeln kann, ist der Begriff der „necessaries“. Ihre Vertretungsmacht wird nur dann vermutet, wenn sie für sich oder für die Familie „necessaries“ 177 Stephen, New Commentaries II, S. 250; sehr klar auch Parsons, The Law of Contracts, S. 287. Bei diesem Autor handelt es sich zwar um einen amerikanischen Juristen, er wird dennoch zitiert, weil er englisches Recht im hier relevanten Zeitraum referiert, das sich aus den dort zitierten Quellen leicht erschließen lässt. 178 Roper, The Law of Contracts II, S. 108f., und Fn. c., insb. S. 110; Clancy, A Treatise, S. 23. 179 Clancy, A Treatise, S. 23. 180 Clancy, A Treatise, S. 23. 181 Vgl. Lord Hale bei Scot v. Manby, in: Wharton, An exposition of the laws, S. 489; Comyns, A Digest of the Laws of England II, S. 242.

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einkauft.182 Damit ist sie berechtigt, für ihren Ehemann Lebensmittel, Kleidung und andere notwendige oder schöne Gegenstände zu erwerben, die sie dann möglicherweise selbst nutzt, oder medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen.183 Aber wie schön dürfen denn die Gegenstände sein? Wer bestimmt schließlich, was in diesem Zusammenhang als notwendig erachtet werden kann? „The general presumption is, that the wife has authority to order necessaries sent to their establishment, and suitable to her estate and degree.“184 Die viktorianische Gesellschaft mag längst bürgerlich gewesen sein. Gleichwohl, oder gerade deswegen, war sie sich ihrer Klassenstruktur überaus bewusst.185 Hatte die Historiographie der Familie diesem Umstand vielleicht für eine Weile nicht genügend Beachtung geschenkt,186 so ist er den englischen Juristen des 19. Jahrhunderts, soweit ersichtlich, nicht einmal für einen Moment entgangen. Wichtiger noch ist aber die Konsequenz, die sie daraus für die einzelne Familie zogen: „[…] the husband shall determine what shall be the state and position that his family shall live in. The husband has a right to fix the standard of living for his family, and no tradesman supplying goods ought to be able to go to a jury and ask if that is a proper standard. That standard of living set up by the husband is the standard which the jury should consider when the question comes before them.“187

Ob also eine Sache als „necessary“ zu verstehen ist, war keine Frage, die von den Geschworenen entschieden werden konnte. Denn sonst wäre die Macht, den Lebensstandard der Familie zu bestimmen, vom Ehemann auf die Geschworenen übergegangen.188 Die Familie hatte sich nun von der Außenwelt endgültig abgesondert. Entscheidungen wurden im inneren Kreis getroffen, ohne Einfluss von Außenstehenden. Dass dazu nicht die Ehefrau berufen war, wird im gleichen Atemzug wie selbstverständlich artikuliert. 182 Clancy, A Treatise, S. 23; Roper, The Law of Contracts II, S. 109f.; für Parsons handelt es sich bei den „necessaries“ um einen Umstand, der zur Begründung der genannten widerlegbaren Vermutung führen kann (The Law of Contracts, S. 288). 183 Vgl. Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 110, bzw. Harrisson v. Grady, All. E.R. 1861–1873 (1865), S. 664. 184 Harrisson v. Grady, All. E.R. 1861–1873 (1865), S. 666. 185 Der Begriff „bürgerlich“ wird im Rahmen dieser Arbeit entweder in diesem Sinne oder als Gegensatz zu „feudal“, wenn es um ökonomische Zusammenhänge geht, eingesetzt. Soweit schließlich von der „bürgerlichen Welt“ im Allgemeinen gesprochen wird, dann bezieht er sich zunächst eher zeitlich auf die deutsche und englische Welt des 19. Jahrhunderts. 186 So Klippel, Neue Literatur zur Sozialgeschichte der Familie, FamRZ 1985, S. 446. 187 Harrisson v. Grady, All. E.R. 1861–1873 (1865), S. 666. 188 Ebda.

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Entscheidend sind offensichtlich Status und sozialer Rang des Ehemannes. Dies erfordert aber Vorkehrungen des Rechts für die Sicherheit des Verkehrs, denn die Großstadt war in jener Zeit keine Seltenheit und beispielsweise in London konnte man den Überblick schnell verlieren. Das bedeutet, dass dem jeweiligen Händler nicht bekannt sein musste, welcher sozialen oder finanziellen Schicht der Ehemann seiner Vertragspartnerin angehörte und ob dieser seine Forderungen würde erfüllen können. Es ist fast selbstverständlich, dass sich eine auf das Wachstum des Handels angewiesene Wirtschaft solche Unsicherheit nicht leisten kann. Die Folge dessen konnte aber nicht sein, dass jegliches geschäftsbezogenes Handeln der Frau rechtlich unwirksam bleiben musste. Es war im Gegenteil dafür zu sorgen, dass ein Ehemann auch für einen Erwerb durch seine Ehefrau haften kann, der seinem Status und vor allem seinem Vermögen ganz und gar nicht entsprach. Den Grund dafür gibt der einflussreiche Richter Lord Ellenborough (1750–1818) folgendermaßen an: „However low a man’s circumstances may be, if he permits his wife to assume an appearance which he is unable to support, he is answerable for the consequences. When a tradesman is thereby deceived, the loss must fall on him, who connived at the deception. Whatever may be the husband’s degree, he sends his wife out into the world with a credit corresponding to the rank in which by his sanction she affects to be placed.“189

Er kann sich zur Unterstützung seiner Ansicht auf eine langbewährte Tradition berufen. Einer seiner Vorgänger hatte im Rahmen eines der grundlegendsten Urteile in diesem Rechtsbereich nicht weniger markant gesagt: „It shall not be left to the Jury to dress my wife in what apparel they think proper“.190 Die nach Ellenborough191 zitierten Worte sowie diejenigen seines Vorgängers machen nicht nur auf das Spannungsverhältnis zwischen den Ehegatten und ihren Gläubigern aufmerksam, einen Tatbestand von immer deutlicher hervortretender Präsenz, hauptsächlich im Rahmen der bürgerlichen Ökonomie. Sie spiegeln ebenfalls ganz deutlich wieder, wer damit beauftragt wird, das reibungslose Zusammenleben von Familie und Markt zu meistern, nämlich der Ehemann, dessen Rolle es im Normalfall ist, mit den Händlern in Kontakt zu treten. Schließlich ist er der „breadwinner“ der Familie.192 Bewältigt er diese Aufgabe nicht, aus welchen Gründen auch immer, und schickt er 189 S. Clancy, A Treatise, S. 49. 190 Lord Hale in Manby v. Scott, zit. nach Parsons, The Law of Contracts, S. 291. Die nach Wharton zitierte Fassung des genannten Urteils beinhaltet diese Äußerung von Lord Hale nicht. 191 Zu ihm vgl. Holdsworth, A History XIII, S. 499–516. 192 Holcombe, Wives and Property, S. 30f.; Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 7.

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seine Ehefrau „hinaus in die Welt“, eben als seine Vertretung, dann hat er die Verantwortung dafür zu tragen, wenn ihr die Erfahrung fehlt. Das eingangs geschilderte Rollenverständnis für die Geschlechter in der Familie und die ihnen zugewiesenen Handlungssphären werden mit diesen Worten noch einmal vor Augen geführt. Im Außenbereich trug eben der Mann die Verantwortung, auch wenn der Ehefrau kleine Schritte in die Öffentlichkeit erlaubt waren. bb) Grenzen der weiblichen Vertretereigenschaft Kann der Ehemann eigentlich auch diese kleinen Schritte seiner Ehefrau in die Außenwelt verhindern? Kann er sich, wird man vielleicht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefragt haben, gegen die Haftbarmachung durch seine Ehefrau wehren? Eine mögliche und übliche Grenze jeglichen rechtlichen Könnens eines Vertreters bildet das Wissen des potentiellen Vertragspartners des Vertretenen um das Fehlen seiner Vertretungsmacht. Einerseits fragt sich, ob und wie viel der jeweilige Vertragspartner von der Vertretereigenschaft der Ehefrau wissen muss und welche Sorgfaltsanstrengungen ihm in dieser Hinsicht zugemutet werden können, damit der Ehemann aus dem abgeschlossenen Vertrag nicht haftet. Andererseits stellt sich die Frage, ob der Ehemann durch eigene Handlungen der vermuteten Vertretungsmacht seiner Gattin ein Ende setzen kann. Bezüglich der ersten Frage sind die richterlichen Aussagen recht diffus. Lord Ellenborough bürdet im genannten Urteil jedem Kaufmann auf, Untersuchungen anzustellen, bevor er einer unbekannten Ehefrau vertraut.193 In dem mehrmals zitierten Urteil dieses Richters ist das Dilemma der Situation gut zu erkennen. Der Ehemann trägt die Verantwortung für seine Ehefrau, und der Markt ist frei von jeder Gefahr durch unbezahlte Schulden. Andererseits birgt der Handel mit einer Frau „bekanntlich“ das Potential einer solchen Gefahr und der Händler sollte sich nicht unbekümmert in jede Geschäftsbeziehung mit einer Ehefrau einlassen. In diesem Spannungsfeld, dessen Kräfte nur durch eine Sicherheit bietende Lösung zu neutralisieren wären, sind bezeichnenderweise die Person und die rechtliche Stellung der Ehefrau kein Faktor, den man in seine Überlegungen einzubeziehen gedenkt. Mit der Lösung der hier interessierenden Problematik kommt man durch die Konkretisierung des Begriffs der „necessaries“ weiter. Die Frage ist nicht mehr, an wem sich der Verkäufer zu orientieren hatte, um herauszufinden, was sich die Familie leisten darf. Vielmehr fragte man sich, wie er zu diesem Wissen kommen könne, um die Vermutung der Vertretereigenschaft seines Gegenübers zu begründen. Hier bietet sich der jeweilige Vertragsgegenstand an: Im 193 Clancy, A Treatise, S. 49.

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Fall Montague v. Benedict194 bestellte eine Frau eine Reihe von Ornamenten. Es handelte sich um einen Kauf, der den finanziellen Verhältnissen des Ehepaares offenbar nicht entsprach. Der Richter wies demgemäß die Geschworenen an, in ihrem Urteil darüber, ob eine Bevollmächtigung seitens des Ehemannes vorlag, neben dem Status und dem Vermögen der Parteien ebenfalls die Natur der bestellten Gegenstände zu berücksichtigen. Denn die dem Begriff „necessaries“ innewohnende Vermutung zugunsten der weiblichen Handlungsfähigkeit gilt ohne Zweifel, soweit es sich um Gegenstände handelt, die der Familie in ihrem täglichen Auskommen helfen.195 Das deutet implizit darauf hin, dass andernfalls Vorbehalte des Händlers bzw. der Geschworenen angebracht sind. In einem weiteren Urteil196 aber, in welchem der vom Händler beklagte Ehemann über ein üppiges Vermögen verfügte und auch der Umstand des Zusammenlebens vorlag, ging man vom Grundsatz der Haftung des Ehemannes aus, obgleich es sich bei den gekauften Sachen ebenfalls nicht um Produkte zum täglichen Gebrauch handelte. Daraus ergibt sich auch, dass alle maßgeblichen Umstände ex post beurteilt werden und es eigentlich gar nicht auf das Wissen des Vertragskontrahenten des Ehemannes ankommt. Denn, wie eine viel spätere Entscheidung in aller erwünschten Deutlichkeit sagt, ist es irrelevant, ob der Händler zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Vertretereigenschaft der Ehefrau oder von ihrer „Eigenschaft“ eine Ehefrau zu sein, wusste.197 Von Bedeutung war lediglich, dass das Vorliegen der relevanten Umstände zur Annahme einer ausdrücklich oder stillschweigend erteilten Vollmacht der Ehefrau im Prozess bewiesen werden konnte. Möglicherweise erleichterte dieses Vorgehen nicht nur die Durchsetzung der Gläubigeransprüche, sondern förderte auch die Handlungsfähigkeit der Frau selbst, indem sie im Moment des Vertragsschlusses keine lästigen Fragen des Händlers über die finanziellen Verhältnisses ihrer Familie beantworten musste. Auf jeden Fall liegt damit die Fiktion einer Vollmachterteilung vor, auf welcher die Haftung des Ehemannes gegründet wird. Entsprechend hat man sich eine objektive, vom konkret vorliegenden Willen des Ehemannes 194 Zit. nach Clancy, A Treatise, S. 50. 195 Vgl. auch Lord Hale bei Manby v. Scott, in: Wharton, An exposition of the laws, S. 490: „I confess, that when a wife, though not particularly appointed, contracts for necessaries for herself, her family, her husband, or her children, this is great evidence to a jury to make them find the assent of the husband; for it cannot be reasonably thought that any man would be so barbarous as to deny his assent to have she necessities of his family supplied; and so it may be believed and found he did assent; but this only in case of cohabitation.“. 196 Morton v. Within, zit. nach Clancy, A Treatise, S. 51. 197 Paquin v. Beauclerk, All. E.R. 1904–1907 (1906), S. 731f., 733.

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zu abstrahierende Begründung der Haftung zugelegt: Die Verpflichtung des Ehemannes „grows out of the marital relation. He is the husband; he is the stronger, she is the weaker“198 – die immer wiederkehrende Kraft der Natur oder die natürliche Kraft. Es bleibt die Frage zu beantworten, was der Ehemann selbst unternehmen konnte, um den schuldrechtlichen Konsequenzen des Handelns seiner Ehefrau zu entgehen. Für ihn galt es, den Anschein, das grundsätzliche Vertrauen des Kaufmanns auf den Umstand zu zerstören, dass ein Mann, der seine Ehefrau in die Welt hinausgelassen hat, dies auch mit der entsprechenden Verantwortung tat. Er muss sich dafür zweifellos an die Gläubiger richten, die nach seiner Vermutung mit seiner Frau in geschäftlichen Kontakt treten werden. Er könnte ihnen gegenüber dann erklären, dass sie seiner Ehefrau kein Vertrauen mehr schenken sollten.199 So hat der Ehemann im Fall Etherington v. Parrot, nachdem er für die „Sünden“ seiner Ehefrau „Buße“ getan, d.h. die von ihr verursachten Schulden ausgeglichen hatte, dem Gläubiger durch seinen Annahmeboten ausrichten lassen, mit seiner extravaganten Ehefrau keinen Vertrag mehr einzugehen. Damit hatte er für das Gericht alles Notwendige getan, um zu verhindern, dass Letztere in seinem Namen handelt und Verträge abschließt, aus denen er leistungspflichtig werden würde. Denn es kommt, wie Lord Holt noch einmal klarstellt, darauf an, die Einwilligung des Ehemannes festzustellen. Wenn diese fehlte, genügten auf keinen Fall andere Umstände wie das Zusammenleben der Ehegatten, wodurch lediglich auf die Einwilligung geschlossen werde. Schließlich bestehe kein Zweifel daran, dass er berechtigt war, der Ehefrau eine bestehende Vertretungsmacht zu entziehen. Denn ihre Macht, die vertragliche Haftung ihres Ehemannes auszulösen, war nur abgeleitet und ansonsten „absolutely under his power and government“.200 Weiter geht allerdings auch das Common Law nicht. Dem Ehemann war es nicht möglich, die Handlungsfähigkeit seiner Ehefrau einzuschränken, indem er seine fehlende Einwilligung durch die Presse publik machte.201 Was allerdings nicht bedeutet, dass es keine Ehemänner gab, die auch dieses Mittel ergriffen. Das Beispiel von Caroline Norton – auf welches unten ausführlich eingegangen wird – zeigt zudem, dass es sich dabei nicht unbedingt um Fälle von besonders verschwenderischen Ehefrauen gehandelt haben muss. Zugleich 198 Parsons, The Law of Contracts, S. 291. 199 Clancy, A Treatise, S. 24. 200 Etherington v. Parrot, zit. nach Clancy, A Treatise, S. 24; s. dazu auch Lord Hale bei Manby v. Scott, in: Wharton, An exposition of the laws, S. 490. 201 Bacon, Abridgement I, S. 488; Clancy, A Treatise, S. 24.

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lässt sich ihren Ausführungen entnehmen, dass ein solches Verhalten des Ehemannes zumindest innerhalb der Mittelschicht nicht nur rechtlich verpönt war. Es scheint auch dem Verhaltenskodex widersprochen zu haben, durch welchen sich das englische Bürgertum zu definieren und sich von den Unterschichten abzuheben suchte. Dessen Überwachung zeichnete sich wohl durch besondere Strenge aus.202 Diesem Verhaltenskodex entsprang im 19. Jahrhundert der Begriff des „Gentleman“.203 Die Ehefrau unterliegt also dem Grundsatz, dass sie keine gültigen Verträge abschließen und sogar nicht einmal deliktisch haften kann. Im Vorangegangenen wurde der Kampf um die Ausnahme von diesem Grundsatz beschrieben, die keine Ausnahme ist, weil durch die Vertretungskonstruktion gerade vermieden wird, dass die Ehefrau geschäftsfähig wird – aber handlungsfähig wird sie dadurch allemal. Es stellte sich, wie bei jeder juristischen Konstruktion, die Frage nach den Grenzen dieser sog. Ausnahme, also konkret nach den Grenzen der durch die Vertretungskonstruktion erreichten privatrechtlichen Handlungsfähigkeit der Ehefrau. Soweit der Wille des Ehemannes maßgeblich bleibt und als eine solche Grenze fungieren kann, ist das Wichtigste bereits gesagt. Dieses Kriterium hilft aber nicht weiter, wenn die Gerichte von diesem Willen abstrahieren. Dann ergibt sich diese Grenze aus der zuletzt zitierten Formulierung in Houliston v. Smyth, nach der nämlich nur eine „modest woman“ die eheliche Heimstätte verlassen und hoffen konnte, weiterhin Kredite auf Kosten ihres Ehemannes zu bekommen. Zweifellos handelt es sich nicht um eine „ehrbare Frau“, wenn sie nicht nur ihren Ehemann verlassen hat, sei es auch aus gutem Grund, sondern ihm noch danach auch untreu gewesen ist.204 Ebenso klar ist der Fall zu entscheiden, in welchem die Ehefrau ihren Ehemann ohne einen der oben genannten Gründe, also ohne guten Grund205 verlassen hat: Der Ehemann haftet nicht. Darin liegt die weitere Grenze der weiblichen Handlungsfähigkeit. Die Ehefrau kann nicht in seinem Namen handeln. Der Ehemann muss die Gläubiger nicht über die Umstände des Falles in Kenntnis setzen.206 Wer einer solchen Frau vertraut, handelt auf eigene Gefahr und die Ehefrau selbst sowieso. 202 S. dazu etwa Young, Portrait, S. 23f. 203 Vgl. etwa Clark, The Making, S. 253–261. 204 So in Covier v. Hancock unter Heranziehung des analogen Gedankens beim „dower“, zit. nach Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 115, auch zur Ausnahme von dieser Norm. 205 So der Ausdruck von Clancy, A Treatise, S. 32. 206 Clancy, A Treatise, S. 32f.; anders dagegen Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 114f., der meint , dass im Prozess der Ehemann derjenige ist, der die diesbezügliche Beweislast trägt. Nach Morrison wurde dies erst in der ersten Hälfte des

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Strittiger war dagegen die Rechtslage im Urteil Manby v. Scott, in welchem die entsprechende Kontroverse sehr prägnant zum Vorschein kommt. Die Ehefrau hatte ihren Ehegatten ohne dessen Einverständnis verlassen und zwölf Jahre lang von ihm getrennt gelebt. Nun kehrte sie heim, aber ihr Ehemann wollte sie weder wieder aufnehmen noch für ihren Unterhalt sorgen, wogegen einige Gläubiger der Ehefrau gerichtlichen Schutz (ihren eigenen) forderten. Die Richter Twisden und Malett sind sich einig: „The husband should be charged“, denn sonst hätte die Ehefrau verhungern müssen: „She could not earn her living by her labour for whatever she gained by her labour the husband should have […] The husband’s prohibiting the plaintiffs to trust her, could not deprive her of the liberty which the law gives to her for preservation of her life.“207

Die beiden Richter befürworten damit eine – aus heutiger Sicht – für ihre Zeit ziemlich fortschrittliche Ansicht und wollen im Grunde, rechtsdogmatisch betrachtet, einen ersten Schritt zur Abkoppelung der Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes vom Verhalten der Ehefrau vollziehen. Dagegen schenken die Richter Foster und Wyndham der Problematik einen etwas „umfassenderen“ Blick und möchten die Interessen des Mannes auch berücksichtigt wissen. Nach ihnen kann der Ehemann nicht aus dem Umstand unterhaltspflichtig gemacht werden, dass seine Ehefrau ihn entgegen seinem Willen verlassen hat und sich irgendwann einmal dazu entschlossen hat, zu ihm zurückzukehren. Dieser Fall müsste deswegen genauso wie der Fall der Abwesenheit der Ehefrau beurteilt werden. Denn, wäre es anders, dann könnten die Ehefrauen „[…] leave their husbands in their youth and return in their old age, when they could not be so assisting to their husbands as before. Their society, assistance and comforts to their husbands was one consideration of their maintenance“.208 Das endgültige Urteil fiel in der nächsten Instanz, und zwar zugunsten des Ehemannes. c) Unterhaltsrechtliche Handlungsmöglichkeiten der Ehefrau Die Ehefrau kann also ihr bewegliches oder unbewegliches Vermögen, soweit ihr ein solches verbleibt, weder verwalten noch über dasselbe verfügen. Ob sie 19. Jahrhunderts endgültig festgelegt, in: Graveson/Crane, A Century of Family Law, S. 128. 207 Manby and another v. Scott, All. E.R. 1558–1774 (1660), S. 275. Es handelt sich wahrscheinlich nicht um die Worte der Richter selbst, sondern um diejenigen des Berichterstatters des Urteils. 208 Manby and another v. Scott, All. E.R. 1558–1774 (1660), S. 275f.

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ferner am Arbeitsmarkt teilnimmt, hängt gleichsam vom Gemütszustand ihres Ehemannes, jedenfalls aber von seiner Einwilligung ab und ihr eventuelles Einkommen gehört ihr, rechtlich gesehen, ohnehin nicht. Demzufolge ist sie finanziell absolut oder größtenteils von ihrem Ehemann abhängig. Von dieser Feststellung ausgehend kann man die Frage nach der Handlungsfähigkeit der Ehefrau unter einem anderen Blickwinkel betrachten und auf diese Weise noch zwei in der Rechtsdogmatik traditionell getrennt behandelte Gebiete – das eheliche Güterrecht und das Unterhaltsrecht – in einem weiteren Moment beobachten, in welchem ihre Verwandtschaft ans Licht kommt.209 Damit wird ein treueres Bild von der Behandlungsweise, welche die englische Dogmatik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts diesem Fragenkreis zuteil werden ließ, nachgezeichnet. Man beginnt dort nämlich mit der Feststellung: „Everyone is obliged by the common law of England to supply his wife with necessaries, such as meat, drink, clothes, medicine, &c. &c.“210 Und über diese „necessaries“211 darf sie auch im Namen ihres Ehemannes Verträge schließen.212 Damit stellt sich heraus, dass die „necessaries“ und die darauf bezogene Geschäftsfähigkeit der Ehefrau in der Verpflichtung des Ehemannes ihre Grundlage finden, während der Ehe für ihren Unterhalt zu sorgen.213 209 Die Berechtigung der heutigen Dogmatik, Güterrecht und Unterhaltsrecht voneinander zu trennen, soll hier im Übrigen nicht in Zweifel gezogen werden. Zur Verwandtschaft beider Rechtsgebiete s. auch Müller-Freienfells, in: Simitis/Lenz, Familie und Familienrecht, S. 258. 210 Clancy, A Treatise, S. 23; ähnlich auch Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 110, sowie Stephen, New Commentaries II, S. 251. 211 Hier könnte Verwirrung entstehen, da der Begriff der „necessaries“ oben schon angesprochen wurde. Der Unterschied besteht darin, dass es sich hier um die „necessaries“ für die Ehefrau selbst und nicht für die Familie handelt. Weswegen hier die Problematik der alleinlebenden Ehefrau relevant wird. 212 So etwa Stephen, New Commentaries II, S. 251, bzw. Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 110. 213 Letzteres – die Unterhaltsverpflichtung – wird aber deswegen normiert, weil der Ehefrau fast jegliche eigenständige Ausübung von Rechten vorenthalten bleibt, gleichsam als Kompensation, s. Stephen, New Commentaries II, S. 251. Dazu noch die prägnanten Worte von Lord Hale bei Manby v. Scott, in: Wharton, An exposition of the laws, S. 490, die noch einmal darauf hinweisen, wie das Common Law zum Teil ein Produkt erträumter bzw. imaginärer Gegensätze ist: „It is more necessary for the common law that takes away all property from her, to make provision for the subsistence, else that which we pretend to be the most reasonable and provident law in the world, would bet he most barbarous; but in this we differ.“ Womit das Common Law einmal mehr als „imaginäre Institution“, mitunter auch als Ergebnis des imaginierten Selbstbildes, auftritt. Im Folgenden werden nur solche Aspekte des ehelichen Un-

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Zur soeben beschriebenen ökonomischen Abhängigkeit der Ehefrau kommt bis 1857 der Umstand hinzu, dass eine Scheidung, die die Ehefrau in die Rechtslage einer feme sole, also einer geschäftsfähigen Person, versetzen würde, nur unter sehr schweren Bedingungen zu erreichen war.214 Trotzdem kam es vor, dass der Ehemann seine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung nicht erfüllte. Geschah dies während intakter Ehe, worunter man – angesichts der nahezu absoluten Unmöglichkeit der Scheidung – die Zeit zu verstehen hat, in welcher die Ehegatten „unter einem Dach“ lebten, fühlte sich das Common Law noch nicht zum Einschreiten berufen. Man verwies die Ehefrau hingegen gern auf Rechtsbehelfe, die etwa die kirchlichen Gerichte oder der Lordkanzler bereitstellten.215 Im Jahre 1834 gesellte sich für die Ehefrau der Ausweg des „Poor relief Act“ hinzu. Demnach war sie berechtigt finanzielle Unterstützung zu beantragen, deren Rückerstattung dann die leistende Körperschaft von ihrem Ehemann verlangen konnte.216 Da das Rechtssystem mit seiner Flexibilität und Offenheit der Ehefrau all diese Perspektiven anbot (!), blieben ihre sonstigen Aktivitäten vertraglicher Natur während der Ehe an das Erfordernis der männlichen Einwilligung angekoppelt.217 Wenn sich die Eheleute trennten, besaß die Ehefrau nach Beginn des Getrenntlebens grundsätzlich nur besagte Vollmacht, was gleichzeitig bedeutete, dass es dem Ehemann frei stand, sie ihr zu entziehen.218 Die Rechtssprache und auch die Rechtslage219 änderte sich für die Ehefrau signifikant, sobald der

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terhaltrechts beleuchtet, die im direkten Zusammenhang mit der vertragsbezogenen Handlungsfähigkeit der Ehefrau stehen. Bedingungen, die Hindernisse ökonomischer, verfahrensmäßiger sowie geschlechtsbezogener Natur sind. Vgl. Barton, in: Graveson/Crane, S. 352–373. Dazu Lord Hale bei Manby v. Scott, in: Wharton, An exposition of the laws, S. 492; Clancy, A Treatise, S. 23, wo mit Hinweis auf die genannte Entscheidung behauptet wird, dass die kirchliche Instanz der Ehefrau in einem solchen Fall die Scheidung vom Ehemann erlauben und ihr noch Unterhaltsansprüche einräumen wird. Lord Hale vertritt wiederum die Meinung, dass diesen Ansprüchen die Durchsetzungsmittel des Common Law voll zur Verfügung stehen, denn die kirchlichen Gerichte leiten ihre Befugnis Recht zu sprechen von diesen ab. Diese Durchsetzungsmittel aber beschränkten sich auf die Inhaftierung des Ehemannes und man kann sich vorstellen, wie wenig dies der mittellosen Frau nutzen kann, vgl. Holcombe, Wives and Property, S. 31. Und Morrisson, in: Graveson/Crane, S. 25–29 informiert darüber, dass es für eine Frau eben nicht so einfach war, über die kirchliche Instanz von der Ehe entbunden zu werden. Vgl. dazu Holcombe, Wives & Property, S. 31. Clancy, A Treatise, S. 23. Clancy, A Treatise, S. 28. Keinesfalls wird hier ein Kausalitätsverhältnis behauptet.

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Ehemann sich seinen Verpflichtungen dadurch zu entziehen suchte, dass er seine Ehegattin der ehelichen Wohnung verwies. Es war ihm dann ein Leichtes, seine Einwilligung zu widerrufen bzw. zu verweigern und so die Ehefrau zur völligen Handlungsunfähigkeit zu verurteilen. Wie gesagt, handelt es sich hierbei nicht um das Verhalten, das die englische Gesellschaft, und zwar von Alters her,220 von einem Ehemann, dem berufenen Beschützer der Familie und der Ehefrau,221 erwartete. Die Hüter des Common Law haben es auch nicht zugelassen. Man spricht deswegen nicht mehr von „implied authority“, also von einer stillschweigend erteilten Vollmacht seitens des Ehemannes. Die Haftung des Ehemannes folgt vielmehr der Person der Ehefrau.222 Es kommt für seine Pflicht, Unterhalt zu leisten, nicht mehr auf seinen Willen an. Indem er seine Ehefrau grundlos aus der ehelichen Wohnung entfernt, erteilt er ihr eine Vollmacht für „necessaries“, die er nicht mehr widerrufen kann,223 wofür man dann den Begriff „authority of necessity“224 bzw. „agency of necessity“225 gebildet hat: „If he put her out of doors, though he advertise her, and caution all persons not to trust her, or, if he even gave particular notice to individuals not to give her credit, still he would be liable for necessaries furnished to her, for the law has said, that where a man turns his wife out of doors, he sends with her credit for her reasonable expenses.“226

In einem weiteren Schritt hat man den Anwendungsbereich dieses Tatbestands auf den Fall erweitert, in welchem die Ehefrau selbst, d.h. aus eigenem Antrieb, die eheliche Wohnung verlässt, jedoch infolge des Verhaltens ihres Ehepartners.227 Allerdings geriet man damit in Schwierigkeiten und zugleich in Berührung mit den Schattenseiten des Familienlebens, wenn man zu bestimmen suchte, welches Verhalten des Mannes zu dieser weitgehenden Annahme zwang. Denn nur Zwang konnte dazu führen, vom Grundsatz abzuweichen, und zwar ein starker Zwang auf die Person der Ehefrau, damit die Intensität ihres Empfindens die fest gesponnenen Fasern der richterlichen Robe zu durchsickern vermochte. Der Grundsatz besagte, dass die Ehefrau unter dem 220 Morrisson, in: Graveson/Crane, Kap. 6, S. 128. 221 S. dazu Sheperd v. Mackoul, Doktrin der „necessity of preserving the life and health of the wife“, zit. nach Parsons, The Law of Contracts, S. 303. 222 So der Ausdruck von Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 113. 223 Vgl. Clancy, A Treatise, S. 28. 224 So in dem Bericht des Urteils R. v. Flintan, All. E.R. 1824–1834 (1830), S. 685. 225 Vgl. Morrison, in: Graveson/Crane, S. 128; s. auch Holdsworth, A History III, S. 530. 226 Harris v. Morris, zit. nach Clancy, A Treatise, S. 29. 227 Clancy, A Treatise, S. 30; Comyns, A Digest of the Laws of England II, S. 242 Fn. y.

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Schutz ihres Ehemannes zu leben hat.228 So konnte eine Frau, die, nachdem sie sich genötigt sah, an demselben Tisch mit der Geliebten ihres Ehemannes zu speisen und nachdem sie in ihrem Zimmer von ihm eingeschlossen wurde, dem ehelichen „Refugium“ entfloh und das Nötigste durch Kauf im Namen ihres Ehemannes zu erwerben suchte, das Mitgefühl des Richters nicht erwecken, weil es sich nicht um unmittelbare Gewalt gehandelt hatte, was man als Voraussetzung hinstellte.229 Doch das hielt nicht lange, denn der nächste Fall bewog die Richter zu einer Ausnahme. Hier230 war die Ehefrau, obwohl geistig gesund, von ihrem Ehemann in einer Irrenanstalt eingesperrt worden. Sie entkam, beging aber den Fehler, zu ihrem Ehemann zurückzukehren. Er bedrohte sie mit einer Pistole und mit einer erneuten Einsperrung in der Irrenanstalt. Nachdem sie nun endgültig fortging, bat sie einen Händler um das Nötigste unter Berufung auf die Kreditwürdigkeit ihres Ehemannes. Der Gläubiger klagte gegen ihn auf Leistung des Gegenwerts. Für die Richter war in diesem Fall zunächst klar, dass eine Frau nicht erst warten muss, bis der Ehemann tatsächlich gewalttätig geworden ist, bis man also von unmittelbarer Gewalt sprechen kann, bevor sie ihn mit Recht verlassen kann. Nachdem man sich im Folgenden über das Urteil in der Sache Horwood v. Heffer empört gezeigt hatte, denn es widersprach „the law of morality and religion“, weswegen es nicht das Recht von England sein konnte, konstatierte man das neue Recht, das aber schon immer da gewesen war. Mit Berufung auf den Fall Harris v. Morris galt nun weiterhin, „if a man renders his house unfit for a modest woman to continue in it, she is authorized in going away“. Es stand nun fest, dass eine Ehefrau dieses Recht in Anspruch nehmen konnte, deren Ehemann es für richtig hielt, seine Geliebte in die eheliche Wohnung mitzubringen. In diesem Fall gilt also, um zum Ausgangspunkt der herangezogenen Urteile zurückzukommen, dass die Ehefrau vertragliche Verpflichtungen im Namen ihres Ehemannes eingehen kann. Die geschilderten Fälle veranschaulichen eine Seite der Realität des Ehefrauen-Daseins im England der damaligen Zeit allzu deutlich, handelte es sich auch nur um eine potentielle Realität. Ohne eine reelle Möglichkeit, sich von ihrem Ehemann scheiden zu lassen, ist die Ehefrau ihrem Schicksal ausgeliefert, welches im Grunde davon abhängt, ob der Ehemann den Anstand eines Gentlemans besitzt oder nicht. Dass die letztere Variante nicht nur eine Eventualität bildet, liegt auf der Hand, wenn man Äußerungen von Juristen liest, 228 S. etwa Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 114. 229 In Horwood v. Heffer, zit. nach Clancy, A Treatise, S. 30 230 Houliston v. Smyth, zit. nach Clancy, A Treatise, S. 31.

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welche auf das Thema des männlichen Züchtigungsrechts („correction“231) zu sprechen kommen. Es entspricht zwar in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts längst geltendem Recht, dass sich eine Ehefrau gegen häusliche Gewalt gerichtlich wehren darf und die dafür nötigen Kosten dem Ehemann als „necessaries“ aufbürden kann.232 Aber wie Blackstone berichtet,233 nahmen die Ehemänner der unteren sozialen Schichten mit Zustimmung der Gerichte das Recht für sich in Anspruch, die Freiheit ihrer Ehefrauen in gewissen Fällen einzuschränken. Es liegen weit mehr Zeugnisse der Rigorosität und Kargheit des Lebens vor, welches die Frauen dieses recht breiten Randes der englischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert fristeten.234 Im Gegensatz zu den Frauen der Mittelschicht, die auf den Rückhalt einer finanziell besser stehenden Familie hoffen konnten,235 war es den Ehefrauen der unteren sozialen Schichten doch nur durch die Anerkennung ihrer Vertragsfähigkeit – als Grundvoraussetzung dafür, für sich selbst zu sorgen – möglich, einem gewalttätigen Ehemann zu entkommen. So ist die Ehefrau, die in dem oben zitierten Fall Houliston v. Smyth, zu ihrem Ehemann zurückkehrte, nachdem sie aus der Anstalt entkommen konnte, in welcher sie auf Veranlassung ihres Ehegatten eingeschlossen worden war, kein extremes Beispiel, wenn man sich die Frage stellt, was sie sonst hätte tun können. Sie hätte, wie sie es auch schließlich getan hat, allein leben können, unter strengster Befolgung der Bestimmung ihrer Lebensweise durch den sie hassenden Ehemann und vor allem ohne ernstzunehmende Aussicht, den Fesseln des Gesetzes zu entkommen. 231 Vgl. Blackstone, Commentaries I, S. 432. 232 Vgl. Clancy, A Treatise, S. 52, der aber von „great violence“ spricht; vgl. auch Parsons, The Law of Contracts, S. 303f. 233 Blackstone, Commentaries I, S. 433. 234 Vgl. die Beispiele bei Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 13–16 m.w.H; s. auch Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 322. 235 Was aber auch nicht bedeutete, dass sie es leicht hatten, wie abermals das Beispiel Caroline Nortons belegt. Sie unterlagen womöglich in stärkerem Maße sozialen Zwängen, welche durch das herrschende Frauenbild suggeriert wurden. Schon in den ersten Jahren ihrer Ehe kamen die charakterlichen Schwächen ihres Ehemannes deutlich zum Vorschein. Sie begannen zudem, sich nicht nur auf ihre Person, sondern auch auf ihr Vermögen schädlich auszuwirken. Nachdem sie nun ihrer Mutter darüber berichtet hatte, drückte diese zwar ihre Hoffnung aus, dass alles geregelt würde, fügte aber in festem Glauben an ihre Worte ihrer Tochter gegenüber hinzu: „It is a manifest duty that you should exert yourself, for your poor children.“ (English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 28). Nichts hatte nämlich daran zu rütteln, dass die Ehefrau duldsam, auf das Wohl ihrer Kinder und ihrer Familie bedacht, den Moiren zusehen sollte, wie sie ihren Lebensfaden spinnen.

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Daraus erhellt sich die Bedeutung, die dem Recht, geschäftlich selbständig zu agieren, in der sozialen Verfassung des 19. Jahrhunderts zukam. In Bezug auf die Familie zeichnet sich diese soziale Verfassung vor allem durch den – für die Ehefrau – unkompensierten Verlust von Solidaritätsinstanzen236 aus. Die seit langem zu beobachtende Abkapselung der Kernfamilie gegenüber der Nachbarschaft und dem engeren sozialen Umkreis, soweit es um interne Angelegenheiten ging, führte nämlich zum Verlust einer Kontrollinstanz über die Herrschaft des Ehemannes.237 Diese Funktion hätte dann die Vertragsfreiheit übernehmen und so die Herrschaft des Ehemannes neutralisieren oder wenigstens auf ein annehmbares Maß reduzieren können. Die Ehefrau hätte nunmehr die Perspektive gehabt, ihr Leben finanziell in die eigenen Hände zu nehmen. Mit den „necessaries“ und der Anerkennung ihrer Inanspruchnahme wie in den beschriebenen Fällen hat die englische Rechtsprechung Anfang des 19. Jahrhunderts einen Schritt in diese Richtung gemacht. Er sollte jedoch der Letzte sein.238 d) Vertragliche Normierung der weiblichen Geschäftsfähigkeit Die Untersuchung der – hier genannten – Vertragsunfähigkeit der Ehefrau rundet sich mit der Frage ab, ob diese der Ehefrau vertraglich ausbedungen werden kann.239 Um im Rahmen des rechtlich Möglichen innerhalb des Un236 Deutlich erkennbar in den unteren sozialen Schichten, den Arbeiterfamilien, die vom Land in die Stadt zogen, um in der aufblühenden Industrie Beschäftigung zu finden (Urbanisierung). Damit ging das eine soziale Geflecht verloren, ohne dass erkennbar ein anderes aufgebaut werden konnte. Vgl. zum Ganzen etwa Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 317. Vgl. noch Brooks, in: Wohl, The Victorian Family, S. 82–100, der am Beispiel der Ruskins u.a. zeigt, wie der engere familiäre Kreis die einzige solche Solidaritätsinstanz sein sollte: Die Familie lebt allein, aber es handelt sich um eine selbstgewählte Einsamkeit, wie es sich aus Ruskins Beschreibung in: „Praeterita“, Band I, leicht ergibt. 237 Dazu etwa v. Dülmen, Kultur und Alltag I, S. 174–184. Eine solche Kontrollinstanz konnte lediglich bei der bürgerlichen Mittelschicht und dem Adel, der als ebenfalls bürgerlicher weiterhin existierte, hergestellt werden. Das Ideal des Gentleman verlangt vom Ehemann würdiges Verhalten gegenüber seiner Ehefrau sowie deren finanzielle Absicherung. 238 Womit gemeint ist, dass erst der Gesetzgeber eine Änderung in der Frage der Vertragsfähigkeit der Ehefrau herbeigeführt hat. Im Übrigen haben die Gerichte des Common Law erst 1891 entschieden, dass dem Ehemann fortan nicht mehr das Recht zustehen sollte, die Freiheit seiner Ehefrau zu beeinträchtigen. 239 Die Formulierung könnte befremdend wirken, doch sie lehnt sich bloß an das damalige Regel-Ausnahme-Verhältnis des Common Law an. Die Regel war ja, dass die Ehefrau rechtsgeschäftlich nicht selbständig handeln kann und dies könnte eventuell vertraglich anders geregelt werden.

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tersuchungsraums zu bleiben, ist der eventuelle Anwendungsbereich einer solchen Vertragsfreiheit, d.h. der raumzeitliche Radius der vorliegenden Fragestellung, einzuschränken. Es ist nämlich kein Drang des Common Law erkennbar, die vorgegebene Rollenverteilung in der intakten Familie anzutasten. Deswegen muss man sich auf Situationen beziehen, in welchen die Ehefrau getrennt vom Ehemann lebt und ein Geschäft betreibt, oder auf solche, in welchen die Eheleute ihre Trennung vertraglich besiegelt haben („agreement of separation“). Aber auch hier ist eine vertraglich vereinbarte Normumgehung nicht gestattet. Denn „no agreement between husband and wife can change their legal capacities and characters“.240 Damit ist die Allzuständigkeit des Ehemannes und zugleich die Bedeutungslosigkeit des weiblichen Willens auch in diesem Bereich gegen Angriffe der privaten Willkür abgeschirmt. Weil darüber hinaus „[…] the law of God, of nature, of reason, and […] the common law“241, kurzum alle metaphysischen oder positivistischen, gottgegebenen oder von Menschenhand erschaffenen Ordnungsvorstellungen eine bestimmte Rollenverteilung diktieren. e) Dogmatisches und Undogmatisches Die bisherige Analyse scheint andere Wege zu gehen, als diejenige des großen englischen Rechtshistorikers Holdsworth. Diese Beobachtung soll kurz ausgeführt und relativiert werden. Er meint nämlich in demselben Kontext und mit besonderer Nüchternheit, dass die Geschäftsunfähigkeit der Ehefrau einfach eine Konsequenz des Umstandes sei, dass sie kein Vermögen besitzen konnte.242 Das ist zwar einleuchtend, wenn man sich daran erinnert, dass ihr in Bezug auf das unbewegliche Vermögen, das auch während der Ehe in ihrem Eigentum verblieb, gewisse Möglichkeiten zugesprochen wurden, ihren Willen gemeinsam mit ihrem Ehemann zur Geltung zu bringen.243 Ganz richtig ist es dennoch nicht, wenn Holdsworth sagt, dass die Ehefrau durch die Ehe 240 Pollock, Principles of Contract, S. 57. 241 Beide Zitate aus Lord Hale bei Manby v. Scott, in: Wharton, An exposition of the laws, S. 491. 242 Holdsworth, A History III, S. 528. Eine Begründung, die man dann gern übernommen hat. Holcombe, Wives and Property, S. 27, bzw. Morrisson, in: Graveson/Crane, S. 121 Fn. 12, bzw. S. 126 Fn. 12. 243 Vgl. im ersten Teil, A. II. 5.; Holdsworth nennt zur Untermauerung seiner Ansicht auch weitere Argumente wie etwa, dass die Ehefrau als Vertreterin ihres Ehemannes auftreten kann (dazu sogleich). Allerdings ist die Beachtung des eigenen Willens der Ehefrau durch das Recht wohl nicht damit verbunden.

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nicht willens- bzw. geschäftsunfähig wird („personally incompetent“).244 Denn Lord Hale verneint in dem eben zitierten Grundurteil245 die rechtliche Relevanz des Willens der Ehefrau jedenfalls insoweit, als es darum geht, sich selbst vertraglich zu binden. Deswegen befindet sich die Interpretation dieser Untersuchung aber nicht unbedingt im Widerspruch zum Urteil von Holdsworth, sondern sie vollzieht sich lediglich auf einer anderen Ebene. Während er einen juristisch-dogmatischen Grund der Regelung nennt, ist das Augenmerk dieser Arbeit stets auf die dahinter stehenden Wertungen der Regelungsschöpfer gerichtet.246 Die hier genannten Motive befinden sich in vollem Einklang und verstehen sich als Konsequenz der Motive – wie sie oben gedeutet wurden. Sie führen dazu, dass der Ehefrau das Eigentum am beweglichen Vermögen weitgehend abgesprochen wird. Im Bewusstsein dieser Wertungen lassen sich die folgenden Ausnahmen vom Prinzip der Geschäftsunfähigkeit der englischen Ehefrau verstehen. 3. Ausnahmen nach Common Law: Selbständiges Handeln der Ehefrau Es ist nun an der Zeit, den wirklichen Ausnahmen nachzuspüren, den Regelungen, welche die Ehefrau als Rechtsperson mit eigener Geschäftsfähigkeit anerkennen. Der grundlegende Unterschied zum Vorangegangenen besteht darin, dass damit die quantitative Einschränkung des Rechts auf die „necessaries“ entfällt und der Ehefrau damit nicht zuletzt volle Entscheidungskompetenz in Vermögenssachen konzediert wird. Das Common Law sah sich mit der Zeit womöglich genötigt, Raum für solche Ausnahmen zu schaffen. a) Abwesenheit des Ehemannes Die Ehefrau erlangt die Fähigkeit Verträge abzuschließen, wenn sich ihr Ehemann außer Landes bzw. im Exil befindet,247 wobei Letzteres die erste Einschränkung der Ausnahme impliziert. Die Abwesenheit des Ehemannes darf 244 Die Übersetzung beruht darauf, dass Holdsworth den Ausdruck im Rahmen seiner Ausführungen zur Vertragsfähigkeit der Ehefrau gebraucht. 245 Manby v. Scott, in: Wharton, An exposition of the laws, S. 490. 246 Auf die „Metadogmatik“ sozusagen. 247 Insoweit kann man tatsächlich von einer Notlage sprechen, welche das entscheidende Motiv der angerufenen Richter gewesen sein mag.

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nicht auf seinen Willen zurückzuführen sein. Eine Reise des Ehemannes ins Ausland aus beruflichen Gründen oder vielleicht ein längerer, möglicherweise jahrelanger Vergnügungsaufenthalt außerhalb Englands ist damit durchaus kein Grund, der Ehefrau Macht und Verantwortung zu übertragen. Andernfalls könnte es ja vorkommen, dass der Mann das Land verlässt, um seine Ehefrau in die Rechtssituation der geschäftsfähigen Person eintreten zu lassen!248 Da es nicht gestattet ist, aus einer verheirateten Frau mit rechtlichen Mitteln (Vertrag) eine unverheiratete Frau zu „kreieren“, muss die Abwesenheit des Ehemannes also das Ergebnis einer Notwendigkeit gewesen sein.249 Dies bedeutet hauptsächlich, dass er des Landes verwiesen gewesen sein muss. Erst allmählich und nach langem Grübeln konnte man sich darauf einigen, dass ein lebenslanger Landesverweis nicht unbedingt vorliegen muss, um die Ehefrau mit Geschäftsfähigkeit auszustatten und erkannte, dass die Notwendigkeit dazu möglicherweise auch dann besteht, wenn die Ehefrau nur einige Jahre allein überleben muss.250 Das Ergebnis dieser „beeindruckenden“ juristischen Reflexionen der sozialen Realität erweist sich schließlich jedenfalls auch in einer weiteren dogmatischen Hinsicht als ertragreich. Man hatte anscheinend den Zwang gespürt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was denn mit der Ehe passieren mag, wenn deren weibliches Element befugt wäre, Verträge mit fremden Menschen abzuschließen und ob eine solche Ehe noch Bestand beanspruchen könne. Nicht ganz, lautet die Antwort – der Ehevertrag ist vielmehr ausgesetzt, gilt also nicht, und die Ehefrau ist als eine alleinstehende, unverheiratete Frau zu betrachten.251 Die Tatsache nur, dass sich die Richter bei Fragen nach der Dauer der Abwesenheit des Ehemannes oder auch nach dem Zweck seiner Reise und schließlich nach seiner Staatsangehörigkeit lange aufhielten,252 zeigt, dass sie sich nicht so einfach vom Bild der Familie als Rechts- und 248 Diese drohende „Gefahr“ scheint Ropers Argumentation zu beobachten. Vgl. Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 121. 249 Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 121; vgl. insgesamt Clancy, A Treatise, S. 54–63. 250 Clancy, A Treatise, S. 56f.; Wharton, An exposition of the laws, S. 375. 251 Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 121; ähnlich äußert sich auch Clancy, A Treatise, S. 55. 252 Es kam dabei auch darauf an, welches Verhältnis das Heimatland des Ehemannes zu England hatte. Bestand eine Feindschaft zwischen den Ländern, wurde die Ehefrau als „feme sole“ betrachtet, andernfalls nicht, s. Wharton, An exposition of the laws, S. 375. Vermutlich beruht diese Regelung auf der Überlegung, dass ein „alien enemy“ nicht nach England zu seiner Ehefrau kommen wird und im Übrigen auch nicht erwünscht ist.

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Lebensgemeinschaft,253 die durch den Ehemann repräsentiert wird, verabschieden wollten. Eine Ehefrau, die am vertraglichen Geschäftsverkehr selbständig teilnimmt, war anscheinend noch – fast alle Zitate stammen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – ein schwer vorstellbares Kuriosum für die zeitgenössischen Juristen. b) Die Handelsfrau Weniger kurios musste den Juristen dagegen die zweite Ausnahme des Common Law erscheinen. Sie betraf nämlich die Anerkennung der Geschäftsfähigkeit einer Ehefrau, die ein Handelsgewerbe betreibt – eine schon aus der Antike bekannte Erscheinung. Ob den Schöpfern des Common Law diese Geschichte bekannt war und welche Rolle sie im Prozess der Rechtsfindung gespielt haben mag, soll hier nicht ausgeleuchtet werden. Es gab allerdings eine andere Geschichte, die für die Entstehung dieser Vorschrift ausschlaggebend gewesen ist. In der Stadt London, die schon im Mittelalter als kommerzieller Mittelpunkt Englands galt,254 hatte sich nämlich eine Gewohnheit entwickelt, die dann zum Gewohnheitsrecht befördert wurde: „Where a feme, covert of the husband, useth any craft in the said city on her sole account, whereof the husband meddleth nothing, such a woman shall be charged as a feme sole concerning every thing that toucheth the craft; and if the husband and wife be impleaded, in such case the wife shall plead as a feme sole; and if she be condemned she shall be committed to prison till she have made satisfaction, and the husband and his goods shall not in such case be charged nor impeached.“255

Aus dieser Definition ergeben sich auch die Voraussetzungen der hier untersuchten Regelung, bei denen im 19. Jahrhundert eines sicher ist: Sie müssen eng ausgelegt werden.256 Die besagte Gewohnheit wurde erstens nur innerhalb der Stadt London anerkannt und war nur dort rechtlicher Natur fähig. Die ihr entspringenden Rechte und Pflichten konnten daher nur von den Gerichten dieser Stadt geltend gemacht werden.257 Dies hatte zur Folge, dass der Rechts253 Zu diesem Bild s. etwa Nipperdey, Bürgerwelt und starker Staat, S. 115–117; ausführlich (aber zeitlich bezogen auf das mittelalterliche „Haus“) Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I, S. 91–110. 254 So Griffith, in: Morgan, The Oxford History, S. 240. 255 Aus Dokumenten der städtischen Verwaltung, zit. nach Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 124 (Hervorhebungen im Original). 256 So Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 124. 257 Pollock, Principles of Contract, S. 60; Clancy, A Treatise, S. 71.

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mittelweg versperrt war, weil die Instanzgerichte nicht der Stadt-, sondern der Landesgerichtsbarkeit angehörten.258 Letzteren war versagt, auf den Inhalt dieses Gewohnheitsrechts Einfluss zu nehmen und dieses fortzubilden.259 Eine zweite eng auszulegende Voraussetzung war, dass die Ehefrau ihr Handelsgeschäft für eigene Rechnung, ohne Einmischung ihres Ehemannes, betreiben sollte.260 Unter diesen Voraussetzungen wird eine verheiratete Frau also als eine feme sole betrachtet,261 was ihr die Möglichkeit gibt, Verträge im eigenen Namen abzuschließen, aus welchen nur sie und nicht ihr Ehemann haftbar gemacht werden kann.262 Nicht ohne eine gewisse Verwunderung über diese das Ehepaar aufteilende Sichtweise des Common Law an den Tag zu legen, sagt Clancy: „A married woman, who has carried on Trade as a feme sole trader in the city of London, has been considered so far as distinct and separate from her husband that when, after her death, he made a promise to pay for goods furnished to her for the purposes of her trade, the promise was held to be void, as having been without consideration, it being a debt for which he was not liable.“263

Diese Rechtsfolge erweckt den Eindruck weitgehender Selbständigkeit einer Kauffrau im Geschäftsverkehr und infolgedessen könnte man ja folgendermaßen argumentieren: Möge sich doch jede Ehefrau, zumindest jede Ehefrau von London, im Handelsgewerbe versuchen, um damit dem Common LawRegime zu entgehen und auch etwas von der „freimachenden Stadtluft“ einzuatmen. So einfach war das freilich nicht! Das geschilderte Gewohnheitsrecht war seit alters her anerkannt, und die Entwicklung des 19. Jahrhunderts hinsichtlich des Handelsaufschwungs in London hätte seiner Übung gewiss nicht hinderlich werden können. Die Existenz dieses Gewohnheitsrechts kann zudem, je nach den Umständen, unter denen es anerkannt wurde, auf vielfältigen Gründen beruhen. Es ist beispielsweise durchaus vorstellbar, dass es im ersten relevanten Prozess konkret um eine bestimmte Frau ging, etwa um eine handelsgewandte und namhafte Frau, der man die Geschäftsfähigkeit nicht versagen wollte. Oder man könnte bezweckt haben, einem Mann Schutz vor den Gläubigern seiner Ehefrau zu 258 Pollock, Principles of Contract, S. 60. 259 Pollock, Principles of Contract, S. 60. 260 Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 124; Clancy, A Treatise, S. 70; Pollock, Principles of Contract, S. 60. 261 Bacon, Abridgement I, S. 505. 262 Stephen, New Commentaries II, S. 252. 263 Clancy, A Treatise, S. 71. Womöglich konnte der Ehemann dennoch als Verwalter des Vermögens seiner verstorbenen Gattin zur Verantwortung gezogen werden.

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bieten, ohne dass diese hätten leer ausgehen müssen, wozu der noch (mittelbar) zur Verfügung stehende vermögende Vater der fraglichen Ehefrau den entscheidenden Impuls geliefert haben mag. Welche auch immer die konkreten richterlichen Motive zur Aufstellung dieses Gewohnheitsrechts gewesen sein mögen, es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Schöpfer dieser Regelung nicht im Sinne hatten, die Vorrangstellung des Ehemannes gegenüber seinem „Weib“, seine Allzuständigkeit und Entscheidungskompetenz in der Familie in Zweifel zu ziehen. In dieser Hinsicht wird jetzt den Regelungen Raum gewidmet, welche die angeführte Ausnahme bis zur Unkenntlichkeit bzw. Sinnlosigkeit relativieren lassen. Zunächst einmal ist da der Prozess. Mag die Ehefrau auch als feme sole, die grundsätzlich allein passivlegitimiert264 ist, anzusehen sein, so muss dennoch der Name des Ehemannes in der gegen sie gerichteten Klageschrift aufgenommen werden. Die Ausnahme erscheint hier deswegen geboten, weil die Ehefrau nicht berechtigt ist, eine Prozessvollmacht zu erteilen, die den Rechtsanwalt zu einer prozessualen Anerkenntnis ermächtigt („warrant of attorney“).265 Außerdem ist ihr versagt, ihr unbewegliches Vermögen durch ihre Verträge in Gefahr zu bringen, indem sie dieses Vermögen etwa als Sicherheit einsetzt. Führt man sich vor Augen, dass England ökonomisch betrachtet schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts über eine ausgebaute Kreditwirtschaft verfügte,266 kann man sich die wettbewerbsbezogenen Nachteile vorstellen, denen das Handelsgeschäft einer verheirateten Frau unterworfen war. Konkret betraf das Verbot die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall der Nichtleistung („bond“), weil auch ihre Erben dadurch gebunden werden konnten. Diese Befugnis, war ihr auch durch das Gewohnheitsrecht nicht eingeräumt worden.267 Des Weiteren sind der Wille des Ehemannes und sein alleiniges Entscheidungsrecht zu berücksichtigen. Er allein hat über den Modus der familiären Arbeitsteilung zu bestimmen. So soll er sich zwar nicht in das Geschäft seiner Ehefrau einmischen, es bleibt ihm aber unbenommen, ihr die weitere, also die Zukunft betreffende Tätigkeit zu verbieten.268 Und am Ende schließt sich der Kreis der Regelungen für die Kauffrau und ihre Rechte mit einer völligen Rückkehr zum Gewohnten: Der Ertrag des Handelsgeschäfts der Ehefrau gebührt, 264 Dies wird aus der Aussage von Wharton abgeleitet, dass eine „feme sole“ im Hinblick auf ihr Vermögen dieselben Rechte besitzt wie ein Mann bzw. wie eine Person „of the more robust sex“, wie er sagt (An exposition of the laws, S. 173). 265 Bright, A treatise on the law of husband and wife I, S. 78. 266 So etwa Landes, Wohlstand und Reichtum, S. 272. 267 Vgl. dazu Roper, A treatise of the law of Property II, S. 125f. 268 Bright, A treatise on the Law of husband and wife I, S. 77; Clancy, A Treatise, S. 73.

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nachdem die Forderungen der Gläubiger befriedigt wurden, dem Ehemann269 genauso wie jede andere Geldforderung der Ehefrau („chattels real“). Vielleicht zwingt die Besonderheit, dass es sich hier um eine rechtlich anerkannte, selbständige Tätigkeit der Ehefrau handelt, zu einer besonderen juristischen Konstruktion. Englische Richter haben es aber noch nie daran fehlen lassen und es fällt ihnen nicht schwer, zwischen dem Handel selbst (der Tätigkeit also, der die Frau nachgeht und die ihr ermöglicht werden soll) und dem Vermögen, welches daraus entsteht, zu differenzieren.270. Den Erfolg erntet abermals der Ehemann und er wird wissen, wie er seine Gattin dafür zu belohnen hat! c) Ergebnis In diesem Abschnitt wurde die Geschäftsfähigkeit der Ehefrau und, da eine solche unter der Geltung des Common Law kaum existiert hat, ihre übrigen rechtlichen Möglichkeiten, sich am Geschäftsleben aktiv oder wenigstens nur passiv zu beteiligen, untersucht. Dabei wurden die im hier relevanten Untersuchungszeitraum tätigen Interpreten des Rechts nach den ihre Tätigkeit leitenden Wertungen befragt. Das Common Law verinnerlicht beispielsweise das Prinzip der geschlechterbezogenen Trennung innerhalb der sozialen Wirkungsräume. Es teilt mit voller Überzeugung das Postulat des alleinigen Entscheidungsrechts des Ehemannes in der Familie und, wenn die Geschichte Emanzipationskeime aufglimmen lassen will, ist das Common Law an Ort und Stelle, um diese systematisch zu neutralisieren. Diese Geschichte des Common Law verlief aber nicht ohne selbst insgesamt auf einer prinzipiellen Entscheidung zu beruhen. Obwohl die Existenz eines solchen wertungstragenden Grundprinzips im englischen Recht nicht als notwendig betrachtet werden kann, ist es dennoch vorhanden: das Prinzip der „Legal Unity“. Im Folgenden sollen seine wichtigsten Elemente und seine eigenen Grundlagen näher untersucht werden.

V. Legal Unity 1. Prozessfähigkeit der Ehefrau Um sich den theoretischen Grundlagen durch die Dogmatik anzunähern, werden zunächst die prozessrechtlichen Ausprägungen der „Legal Unity“ ana269 Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 125. 270 Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 125.

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lysiert. In der bisherigen Untersuchung des ehelichen Güterrechts wurde die prozessuale Lage der Ehefrau stets berücksichtigt bzw. nicht anders als ein wesentliches Element zur Beantwortung der Frage nach dem geltenden Recht behandelt.271 Im Ergebnis war der Ehemann fast immer sowohl aktiv- als auch passivlegitimiert. In der rechtlichen Notwendigkeit ihrer prozessualen Hinzuziehung als Partei, vor allem bei Prozessen, die den Grundbesitz der Ehefrau betrafen, sind zweifellos Elemente einer Prozessfähigkeit zu erkennen, die mit der Anerkennung des Eigentumsrechts in diesen Fällen korrespondieren. Die Elemente der Prozessfähigkeit der Ehefrau, die auch in ihrer „materiellrechtlichen“ Dimension als Verfügungsbeschränkungen des Ehemannes272 schon angesprochen wurden, treten deutlicher in den Fällen hervor, in welchen die Ehefrau gerichtlich gegen ihren Ehemann vorgehen konnte.273 Diese Elemente sind jedoch rar, denn der Grundsatz der alleinigen Aktiv- und Passivlegitimation des Ehemannes in Vermögensangelegenheiten blieb bestehen.274 Am Ende des 19. Jahrhunderts war dies allerdings nur noch eine historische Tatsache. Das Recht hatte sich größtenteils verändert, wodurch der oben genannte Grundsatz seine Selbstverständlichkeit vollends eingebüßt hatte und nunmehr in das Erkenntnisinteresse der Historiker eintrat. Die alleinige Aktiv- und Passivlegitimation der Ehefrau, soweit ihr Vermögen betroffen war, war jetzt gültiges Recht. Genau dieser Umstand scheint erheblichen Einfluss auf die Form ausgeübt zu haben, in welcher die entsprechenden Fragen gestellt wurden. Sir Frederick Pollock und Frederick William Maitland wundern sich nämlich darüber, wie es kommen konnte, dass der Ehemann in den meisten Fällen, in denen es um das Eigentum der Ehefrau ging, prozessual mitberechtigt und mitverpflichtet war. Sie finden die Grundlage dieser Regelung in der berühmt-berüchtigten englischen Doktrin der „Legal Unity“,275 und zwar ebenso lapidar wie prägnant formuliert in der Darstellung von Blackstone: „By marriage, the husband and wife are one person in law“.276 Er sagt zwar, dass sich seine diesbezüglichen Ausführungen auf die persönlichen Wirkungen der 271 So stets in der Frage nach der Eigentumszuordnung. 272 Bei den Übersetzungen wurde immer die materiell-rechtliche Terminologie vorgezogen, während die Quellen oft im prozessualen Gewand auftraten. Letzteres kann man als Beweis und Beispiel des sog. aktionenrechtlichen Denkens der englischen Juristen auffassen, denen fast immer die Lage vor Gericht vorschwebt. 273 Vgl. hier auch Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 408. Mehr dazu im nächsten Abschnitt („Die Eheleute untereinander“). 274 S. etwa Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 126f.; Wharton, An exposition of the laws, S. 374; s. auch Blackstone, Commentaries I, S. 431. 275 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 406. 276 Blackstone, Commentaries I, S. 430.

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Ehe beziehen. In der Praxis imprägniert die Doktrin der „Legal Unity“ aber alle Bereiche des Familienrechts und geht vielfach darüber hinaus, etwa ins Strafrecht. Im familienrechtlichen Zusammenhang erlangt sie ihre wesentliche Bedeutung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Damit setzte es sich in der englischen Familienrechtsdogmatik durch, die „Legal Unity“ im Rahmen des ehelichen Güterrechts zu behandeln.277 Im ehelichen Güterrecht beschränkte sich ihre Wirkung keinesfalls auf den Bereich der Prozessfähigkeit, obwohl die Unfähigkeit der Ehefrau vor Gericht selbständig aufzutreten, in der dogmatischen Begründung weiterer, aus der „Legal Unity“ abgeleiteten Einschränkungen eine elementare Rolle spielte. Solche Einschränkungen betreffen einerseits die rechtliche Stellung der Ehegatten gegenüber Dritten, namentlich, wenn ihnen gemeinsam ein Vermögensgegenstand übertragen wird, andererseits die rechtliche Normierung des Innenraumes der Ehegattengemeinschaft. 2. Die Eheleute gegenüber Dritten – gemeinsamer Eigentumserwerb Littleton sagt,278 dass die Eheleute die eine Hälfte und die dritte Person die andere Hälfte erwerben, wenn ein Grundstück an den Ehemann, an die Ehefrau und an einen Dritten zu gleichen Teilen übertragen wird. Erwerben die Eheleute zusammen mit zwei anderen Männern, dann jeweils zu einem Drittel, weil das Ehepaar vor dem Recht als „eine“ Person, „one person in law“, gilt. Littleton bemüht in seiner Darstellung den Terminus „joint tenants“ (gesamthänderisch gebundenes Miteigentum), um die eigentumsrechtliche Stellung der Ehegatten zu erfassen. Bright scheint dies im Jahre 1849 nicht zu genügen. Er geht von dem Fall aus, dass jemand den Eheleuten ein Grundstück überträgt, also ohne weitere Erwerber, und er meint, das Rechtsinstitut „joint tenancy“ bringe die Verdichtung der Gemeinschaft, welche zwischen den Eheleuten bestehe, nicht ausreichend zum Ausdruck. Ihre Partnerschaft basiere auf einer viel engeren Verbindung, als ein trockenes „joint tenancy“ erreichen könne und wolle. Es sei eben die Einheit von Ehefrau und Ehemann, die „unity of persons in husband and wife“, die bewirkt, dass beide Ehepartner 277 S. aus neuerer Zeit etwa Hailsham, Halsbury’s Nr. 1012. Nichts anderes galt im 19. Jahrhundert, für das auf das Folgende verwiesen wird. 278 Und Coke übernimmt seine Aussage (The first part of the institutes, Vol. II, 291, 187b; s. auch für eine weitere Fallkonstellation ders., The first part of the institutes, Vol. II, 350b, 351a).

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in einem solchen Fall Eigentümer eines Ganzen werden und keinem bloß Teile davon gehören sollen. Sie erwerben also „by entireties“.279 Und bevor ihn etwa John Austin der begriffsjuristischen Haarspalterei mit unnützem und verwirrendem metaphysischem Vokabular bezichtigen kann,280 nennt Bright die Eigentümlichkeit dieser Art des Eigentumserwerbs: Der Ehemann kann über das betreffende Grundstück nicht derart verfügen, dass die Interessen der den Mann überlebenden Ehefrau tangiert werden. Das bedeutet aber, die Wirkung der Verfügungen, die er über das Grundstück vornimmt, beschränkt sich auf die Dauer der Ehe, auf die Dauer des „coverture“. Demnach hätte der fiktive Angriff Austins eine gewisse Berechtigung auf Grund dessen, dass dieselbe Verfügungsbeschränkung immer besteht, wenn in die jeweilige Transaktion (unbewegliches) Eigentum der Ehefrau involviert ist.281 Was allerdings wirklich anders ist, sind die erbrechtlichen Folgen. Seine Witwe wird nämlich Eigentümerin des ganzen Grundstücks und muss sich nicht mit einem Teil dessen begnügen (vgl. das Rechtsinstitut „dower“). Die übrigen Erben des Ehemannes sind davon ausgeschlossen. 3. Die Eheleute untereinander Noch größere Bedeutung entfaltet die hier untersuchte Doktrin innerhalb der ehelichen Gemeinschaft, ja sie errichtet hier ihr eigentliches Wirkungsfeld. Sie war dafür zuständig, dass jene Gemeinschaft nicht aufgelöst wird. Damit wird nicht nur der Blickwinkel dieser Untersuchung verschoben, sondern auch die Argumente der historischen Akteure haben sich inhaltlich umzustellen. Durch die Zuwendung des Interesses auf die innereheliche Welt bzw. auf einen Teil derselben verlässt die Betrachtung, ganz nach der Norm der hier untersuchten Zeit, den Bereich der Öffentlichkeit. Das bedeutet aber, dass ab jetzt alle Argumente, die sich aus der geschlechterbezogenen Rollentrennung nähren, die jegliche Tätigkeit der Ehefrau auf den häuslichen Bereich beschränken wollen, ein großes Maß ihrer Tauglichkeit einbüßen. Denn ihr Gegenstand war gerade nicht die Individualität der Ehefrau innerhalb der Familie. Allerdings hat man nach Durchsicht der hier herangezogenen Quellen festzustellen, dass kaum neue Argumente in Erscheinung treten. Dies mag man folgendermaßen interpretieren: Im gesamten 19. Jahrhundert war die Fa279 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 25; so auch Wharton, An exposition of the laws, S. 360. 280 Was er freilich, soweit ersichtlich, nie gemacht hat, aber durchaus hätte tun können. 281 Stephen, New Commentaries II, S. 247.

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milie eine der herrschenden Handlungsnormen.282 Bis zum letzten Drittel des Jahrhunderts war sie auch eine unbestrittene Handlungsnorm. Aus den emanzipatorischen Forderungen der Aufklärung und den uneingelösten Versprechen der Französischen Revolution folgerte man anscheinend keinen Angriff auf die eheliche Gemeinschaft als solche. Dafür spricht auch das Beispiel von Mary Wollstonecraft, deren Ausführungen bezeichnenderweise lange Zeit in der Frauenbewegung kein breites Echo fanden, obwohl sie bei ihren Zeitgenossen durchaus als ein solcher Angriff galten. Ja, bis zum letzten Drittel des Jahrhunderts galt es für die Männer, nur den inneren Widerspruch aufzulösen, der dadurch entstand, dass man einerseits die Welt neu aufbauen, es andererseits aber ohne die Frau tun wollte. Der Aufbau des innerfamiliären Raums stand noch nicht zur Debatte. Erst die Angriffe der Frauenbewegung seit den 50er Jahren, namentlich diejenigen der 80er Jahre, aber auch die Gesetzgebung, welche hier noch untersucht wird, evozierten später neue argumentative Ansätze bzw. alte Argumente in neuem Gewand.283 Man befürchtete, dass ein Wandel der Geschlechterbeziehungen in der Familie nur die Erosion derselben und schließlich den Zusammenbruch des ganzen staatlichen Gefüges hervorrufen würde. Erst dann wird die arbeitende Frau nicht nur als Kuriosum wahrgenommen, weil sie sich außerhalb ihrer Rolle betätigt, sondern auch als Bedrohung der familiären Gemeinschaft. Im Ergebnis sind die Argumente über die Inferiorität der Frau und ihrer beschränkten Handlungssphäre doch nicht untauglich geworden. Sie kommen nur an jenem Ort vor, an welchem die Juristen das tradierte Familienrechtssystem in Gefahr sehen. Solange man die Verknüpfung des inneren mit dem äußeren Raum der Familie noch nicht vollzogen hatte, begnügte man sich mit alten „vorindustriellen“ und „vorbürgerlichen“ Argumenten.284 Am Anfang und bis frühestens zur Hälfte des 19. Jahrhunderts handelt es sich eben noch darum, die rechtliche Gestalt des Ehegattenverhältnisses zu rechtfertigen und nicht die Stellung der Familie innerhalb des Gesamtgefüges der gesellschaftlichen Institutionen neu zu definieren. 282 So auch Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 43, bzw. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 316. 283 Wenig später kam die Psychoanalyse mit ihrer Möglichkeit das eigene, unbewusste Ich auch außerhalb der Familie zu finden, wogegen diese Argumente nicht mehr viel ausrichten konnten. 284 Zur Vervollständigung: Nicht die Verbindung von Staat und Familie ist, wie angedeutet, industriell und bürgerlich, sondern vielmehr die später in dieser Arbeit zu behandelnden Klagen über den Erziehungsauftrag der Ehefrau, dem sie nicht nachkommen kann, wenn sie arbeitet.

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a) Verträge unter den Ehegatten Der Hauptaspekt, unter welchem die vermögensrechtlichen Elemente der ehelichen Gemeinschaft analysiert werden, ist der vertragliche Aspekt. Bedeutsam ist hier vor allem, dass die Schuldverhältnisse und die daraus entstandenen schuldrechtlichen Verpflichtungen, die zwischen den Ehegatten vor der Ehe eingegangen worden waren, als erlassen gelten. Die Eheleute können sie ja nicht einklagen,285 und zwar deswegen, weil sie – wie bereits geschildert – für das Gesetz eine Person bilden. Aus demselben Grund wird ebenfalls die Frage, ob der eine Ehegatte dem anderen ein Vermögensstück übertragen kann, von allen verneint. Da die Eheleute für das Gesetz eine Person bilden, können sie kein Eigentum oder eigentumsähnliche Rechte („interest“) aufeinander übertragen.286 Bedeutsam erscheint in diesem Kontext auch, dass zumindest drei Autoren des 19. Jahrhunderts – Stephen, Roper und Bright – die Akzente ein wenig anders setzen, während Coke besagte Frage nach wie vor auf beide Ehegatten bezogen beantwortet.287 Sie fragen nämlich in erster Linie allesamt, ob der Ehemann Eigentum auf die Ehefrau übertragen kann.288 Diese Akzentverschiebung scheint für Stephen nicht ohne Bedeutung zu sein. Er reflektiert über die gesetzliche Regelung und folgert, dass die Möglichkeit der Eigentumsübertragung unter Eheleuten oder auch die Möglichkeit, andere Verträge miteinander einzugehen, eine separate Rechtspersönlichkeit der Ehefrau voraussetzen würde.289 Im Rahmen der „Legal Unity“ besitzt die Ehefrau also überhaupt keine Rechtspersönlichkeit. Dies verwehrt im Übrigen den Eheleuten auch die Möglichkeit, gerichtlich gegeneinander vorzugehen. Charakteristischerweise spricht aber Stephen nur von der Rechtspersönlichkeit der Ehefrau. Daraus ergibt sich schließlich, dass die „Legal Unity“-Doktrin die Rechtspersönlichkeit des Ehemannes nicht antastet.

285 S. etwa Wharton, An exposition of the laws, S. 366; Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 18. 286 Lord Hastings v. Douglas, All. E.R. 1558–1774 (1634), S. 577; vgl. auch Campbell, Principles, S. 71f. 287 Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 187b. 288 Stephen, New Commentaries II, S. 244; Roper, A Treatise of the Law of Property I, S. 51; Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 29. 289 Stephen, New Commentaries II, S. 244. Stephen spricht freilich von „separate existence“ und nicht von „separate legal existence“.

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b) Ausnahmen In Bezug auf die Schulden der Eheleute zueinander galt folgende Ausnahme: Sollte die Ehefrau die Funktion des Nachlassverwalters übernommen haben, was ihr möglich war,290 und der Ehemann zu den Schuldnern des betreffenden Vermögens zählen, konnte die Ehefrau besagte Schulden durchaus einklagen, weil sie als Treuhänderin die Interessen Dritter wahrnahm.291 Und es sei eine bekannte Common Law-Maxime, sagt Bright, dass das Gesetz keine Verletzung bestehender Rechte verursachen soll.292 Ausgenommen sind schließlich auch solche Vereinbarungen der Ehegatten, bei welchen sich der Ehemann zu einer Leistung verpflichtet, die nach seinem Tod erfolgen soll. Positiv und abstrakter gewendet bedeutet dies, dass nur solche Schulden als erlassen gelten, die während der Ehe eingeklagt werden konnten. Was dagegen nur später geltend gemacht werden kann, liegt außerhalb des Zeitraums, in welchem die Ehegatten eine „Legal Unity“ bilden.293 Darüber hinaus findet sich eine Ausnahme von der beschriebenen Übertragungsregel, die auch von den Common-Law-Gerichten als solche anerkannt wurde. Sie ergab sich aus dem schon erwähnten Reformgesetz des 16. Jahrhunderts, dem Statute of Uses (1536).294 Demnach konnte der Ehemann das betreffende Grundstück auf einen Dritten zugunsten des erwerbenden Ehegatten übertragen.295 Schließlich war es selbstverständlich möglich, dass die Ehefrau ein Grundstück von ihrem Ehemann erbte. Genauso konnte Letzterer gegenüber seiner Ehefrau eine Schenkung von Todes wegen vornehmen. Bei diesen Regelungen handelt es sich freilich nicht um Ausnahmen. Solche Übertragungen sind vielmehr deswegen möglich, weil mit dem Tod des Ehemannes die Einheit der beiden Personen, wenigstens in rechtlicher Hinsicht, aufgelöst wird.296

290 Vgl. etwa Stephen, New Commentaries II, S. 244. 291 Wharton, An exposition of the laws, S. 367. 292 „The law works no injury“, Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 21 m.w.N. 293 Vgl. Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 21f.; Wharton, An exposition of the laws, S. 367. 294 27 Hen. 8. c. 10, abgedruckt etwa in Digby, An Introduction, S. 312ff. 295 Wharton, An exposition of the laws, S. 360, Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 29. 296 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 30; s. auch Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 112 a, b.

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VI. Ursprünge der „Legal Unity“ 1. Gemeinschaft und Individualität im Common Law Wie bereits erwähnt, beschränkt sich die Anwendung bzw. Berufung auf die „Legal Unity“ nicht auf die beiden Bereiche, die gerade untersucht wurden. Sie wird vielmehr zur Legitimierung fast jeder Entscheidung des ehelichen Güterrechts herangezogen. Am deutlichsten wird das in der Darstellung von Clancy, der alle bisher untersuchten Regelungen von vornherein mit der „Legal Unity“ erklärt. So etwa den Umstand, dass die Ehefrau kein bewegliches Vermögen besitzen kann. Auf dieselbe Grundentscheidung des Common Law führt er die Regelung zurück, dass das unbewegliche Vermögen der Ehegatten der Verwaltungsmacht des Ehemannes unterstellt wird.297 Bei Clancy wird die aus dem oben Gesagten vertraute geschlechterbezogene Akzentuierung eingesetzt, wenn es in der Frage des beweglichen und unbeweglichen Vermögens die einseitige Ausrichtung der „Legal Unity“ zu rechtfertigen gilt: „The husband is the head of the wife, and therefore all that she hath belongs to him.“298 Die Ehefrau lässt sich nach Clancy als eigenständige Existenz gar nicht vorstellen.299 Bei Bright dagegen, der die Doktrin im Rahmen der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten untersucht, wird das Element der Gemeinschaft stärker in den Vordergrund gerückt und als Begründung der genannten Doktrin vorgelegt.300 Die Semantik scheint zwischen Herrschaft und Gemeinschaft zu oszillieren. Dass beide Bedeutungen nebeneinander bestehen können, hatte unlängst Blackstone gezeigt. Er beginnt, wie erwähnt, mit den Worten: „By marriage, the husband and wife are one person in law“ und fährt fort „that is, the very being or legal existence of the woman is suspended during the marriage, or at least is incorporated and consolidated into that of the husband“.301 Dieselben Worte übernimmt ungefähr 83 Jahre später Wharton.302 Die theoretische Struktur dieses Gemeinschaftsverständnisses wird deutlich, wenn man sich die folgende Alternative kurz vor Augen führt. In Deutschland propagiert Otto von Gierke das Konzept der genossenschaft297 298 299 300 301 302

Clancy, A Treatise, S. 1f. Clancy, A Treatise, S. 2. Genauso wenig etwa für Blackstone, Commentaries I, S. 430. Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 25. Blackstone, Commentaries I, S. 430. Wharton, An exposition of the laws, S. 311.

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lich aufgebauten Ehegemeinschaft.303 Einerseits wird sie auch bei ihm als ein Verhältnis der Über- und Unterordnung aufgefasst, andererseits schreibt sie eine gewisse Reziprozität der Rechte und Pflichten der Ehegatten vor – ein durchaus vorindividualistisches Bild.304 Schließlich erkennt das Konzept eine komplementäre Rolle der Ehefrau in der Familie an. Das eheliche Güterrecht des Common Law hat dagegen keinen Raum für die Rechtsperson Frau. Germanische oder welcher Provenienz auch immer, genossenschaftliche Reziprozitätskonzepte penetrieren das englische Rechtsdenken nicht und erreichen somit diese normative Ebene nicht. Das Common Law geht also grundlegend von der „Legal Unity“ der Ehegatten aus, d.h. von der rechtlichen Einheit zwischen Ehemann und Ehefrau. 303 Eine nicht historische, sondern kritische Darstellung der wichtigsten Züge dieses Konzepts und der Stellung der Ehefrau darin findet sich bei Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, in der Kritik des Familienrechts und davon insb. S.  404f., 407f.; ausführlich diskutiert wird die Frage der „juristische(n) Natur der Gütergemeinschaft“ bei Stobbe, handbuch, Band 4, S. 215–229. Zur Ehe als Genossenschaft ebda., S. 224–226. Zur historischen Perspektive vgl. noch etwa Beseler, System I, S. 542–545. Zum genossenschaftlichen Verständnis, welches bei Gierke (wobei Gierke selbst bekannterweise die Gütergemeinschaft propagierte), aber auch bei Sohm, der Verwaltungsgemeinschaft des BGB zugrunde gelegt wurde, vgl. Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 452. Zum Familien- und Frauenbild dieses Verständnisses s. noch ebda., S. 354. Letztlich entwickelt Gierke nach Repgen eine synthetische Konzeption von Gemeinschaft, die dementsprechend grundsätzlich Raum für die weibliche Rechtspersönlichkeit freihält und dem Ehemann die Verwaltung des Vermögens aufgrund seines höheren bzw. besonderen Status in der Familie überlässt (Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 495f.). Zu „Gemeinschaft“ und „Patriarchalismus“ im Familienrecht vgl. noch Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 405. Das genannte Konzept war sicher keine Erfindung Gierkes oder etwa der Germanisten. Man erkennt solche genossenschaftlichen Elemente sowohl in der „eine Person“Theorie von Hegel (Grundlinien der Philosophie des Rechts, Notizen zu § 167) – wenngleich Hegel anscheinend beabsichtigt, andere Elemente der Ehe zu betonen –, als auch bei Fichte, vgl. etwa Grundlage, § 7. Ist aber die oben wiedergegebene Interpretation Repgens richtig, dann hat man hier den entscheidenden Unterschied zweier Genossenschaftskonzepte innerhalb der deutschen Entwicklung zu suchen. Gerade bei Fichte begegnet einem noch eine bemerkenswerte Koinzidenz mit Blackstone in den juristischen Konsequenzen ihrer Konstruktionen. Zum Fichteschen Gemeinschaftsverständnis vgl. weiter Meder, Schuld – Zufall – Risiko, S. 166–170; vgl. auch U. Gerhard, Gleichheit, S.  154–157, die mitunter noch auf die Germanisten eingeht, sowie allgemeiner über die zeitgenössische philosophische Konzeption der Auflösung der Dualität in der Unität Fraisse, in: Duby/Perrot, S. 66, 68. Zum Ganzen noch einmal im zweiten Teil, E. III. 2b. 304 Vgl. etwa v. Dülmen, Kultur und Alltag I, S. 39–43, 158–161.

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Sie befinden sich im Rechtszustand einer Gemeinschaft, die hierarchisch aufgebaut ist. In dieser Hierarchie ist der Ehemann der Kopf, was bedeutet, dass er in Vermögensangelegenheiten das einzige Rechtssubjekt der Gemeinschaft ist. Fragt man nach den Grundlagen der „Legal Unity“ selbst, sind diese im konkreten Verständnis von der ehelichen Gemeinschaft zu erblicken. Seine Ursprünge – was die Quellen betrifft, auf welche die Juristen etwa seit Coke und auch im 19. Jahrhundert Bezug nehmen – sind sehr alt. Sie stammen von Henry de Bracton, dem Juristen des 13. Jahrhunderts, auf den sich in diesem Kontext alle berufen.305 Bei ihm hat die Idee noch einen tief religiösen Klang: „vir & uxor sint quasi unus sanguis & una caro & unum corpus“,306 womit man unmittelbar an Genesis, 2, 24 erinnert wird – eine Stelle, die von Bracton allerdings in diesem Kontext nicht zitiert wird. Dieses Gemeinschaftskonzept wird jedenfalls von Coke übernommen.307 Dadurch findet es auch Zugang zum Werk von Blackstone.308 In Bezug auf Letzteren nun meint Holcombe, dass ihm bei seinen Ausführungen eine Gemeinschaft vorschwebt, die vom Ehemann nach außen repräsentiert wird.309 Demnach wird die ganze Familie und folglich auch die Ehefrau in vermögensrechtlichen Angelegenheiten vom Ehemann repräsentiert. Deswegen wird ihre Rechtspersönlichkeit von seiner Rechtspersönlichkeit während der Ehe absorbiert. Der Repräsentationsgedanke ist eine relativ alte Vorstellung aus einer Zeit, in welcher andere Familienstrukturen herrschten.310 Für Hegel in Deutschland ist er dennoch weiterhin leitend.311 Tatsächlich nimmt auch Blackstone an einer anderen Stelle seiner Darstellung Bezug auf die verfassungsrechtliche Repräsentationstheorie, die das Wahlrecht betrifft, und die er als zu seiner Zeit geltendes Recht propagiert.312 Er spricht aber höchstens abstrakt von den Personen, die unter der unmittelbaren Herrschaft anderer stehen. Und obwohl dies in seinem Konzept der ehelichen Gemeinschaft die Stellung der Ehefrau anspricht, nimmt er auf sie nicht ausdrücklich

305 Zu Bracton kurz, aber auf dem neuesten Stand Baker, Introduction, S. 176; ausführlich, jedoch zum Teil veraltet: Pollock & Maitland, The History of English Law I, S. 206–210. 306 Bracton, De Legibus et Consuetudinibus Angliae, V 422. 307 S. etwa Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 112b. 308 S. Blackstone Commentaries I, S. 430 Fn. 1. 309 Holcombe, Wives and Property, S. 25f. 310 Vgl. wieder v. Dülmen, Kultur und Alltag I, S. 39–43. 311 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 171; s. auch Fichte, Grundlage des Naturrechts, Grundriss des Familienrechts, § 34. 312 Blackstone, Commentaries I, S. 165.

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Bezug. Die beiden Untersuchungsgegenstände Verfassungsrecht und Ehegüterrecht bringt er ebenfalls nicht miteinander in Verbindung. Man wird dennoch nicht leugnen können, dass der Familienvater, der die ganze Familie nach außen vertritt, ein sehr lebhaftes Bild der juristischen und politischen Argumentation zu Lebzeiten von Blackstone und auch später darstellte, und zwar nicht nur für Georg Friedrich Wilhelm Hegel oder nur in Deutschland – woraus die Interpretation von Lee Holcombe, obwohl wie gesagt nicht ummittelbar begründbar, an Plausibilität gewinnt. Was die juristische Seite betrifft, so sagte im Zusammenhang mit der „Legal Unity“ bereits Clancy, „the husband is the head of the wife“ und dass die ganze Verantwortung deswegen auf ihn fiele.313 Daneben findet auch der politische Diskurs Raum, das patriarchale Bild anzuhängen. Ganz prominent steht dafür James Mill, der Vater von John Stuart Mill. In seinem berühmten „Essay on Government“ verlangt er eine radikale Demokratisierung des Wahlrechts. Sobald er aber die Familie in seine Argumentation einschließt, zeigt er sich der alten Tradition verpflichtet und vertritt die Auffassung, dass die Interessen einer Frau in die ihres männlichen Vertreters eingeschlossen seien und deswegen von ihm vertreten werden können.314 2. Vormundschaft des Ehemannes Bleibt man bei dem bisher Gesagten stehen, dann kreisen alle Deutungsversuche in Bezug auf die „Legal Unity“ um das Vorstellungsbild der Gemeinschaft. Die Eheleute als ein Fleisch und Blut, als eine Person, um deren Willen die Rechte der Ehefrau – und extrem selten auch des Ehemannes – Abstriche in Kauf nehmen müssen. Die Darstellung des berühmten Rechtshistorikers und Rechtsanthropologen Henry Sumner Maine315 hingegen hilft, eine weitere Komponente des Common Law-Geschlechterverhältnisses in der Familie bzw. eine weitere Erklärung der weitgehenden Rechtlosigkeit der Ehefrau zu erkennen. Auch er spricht von der Langlebigkeit der Fiktion, welche die Rechte der Frau während der Ehe als suspendiert ansieht. Er ordnet sie aber in den weiteren Begründungszusammenhang der Vormundschaft des Eheman313 Clancy, A Treatise, S. 2. 314 James Mill, Essay on Government, S. 21; vgl. auch die Souveränitätstheorie von Burgh, Political Disquisitions III, S.  272, zit. nach Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 467, der mit „people“ männliche Eigentümer meint; zur vollständigen Ansicht von James Mill vgl. aber noch Williford, Bentham on the rights of Women, S. 175, Fn. 29. 315 Zu ihm vgl. etwa Holdsworth, A History XV, S. 361–363.

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nes über die Person seiner Ehefrau („tutelage“) ein.316 Die Vormundschaft des Ehemannes nahm er im Hinblick auf das Recht archaischer Gesellschaften in weitem Umfang an, so etwa in Bezug auf das altrömische Recht. Als Grundlage der entsprechenden Rechtsnorm bezüglich der Ehefrau sah er den Umstand an, dass sie vor ihrer eigenen Schwäche geschützt werden sollte. Damit eröffnet er eine zweite Argumentationsmöglichkeit neben der Gemeinschaft, mit welcher das untersuchte Common Law zu rechtfertigen und seine theoretische Einkleidung – „Legal Unity“ – erklärbar wäre. Den Unterschied könnte man folgendermaßen zum Ausdruck bringen: Während die Rede von der „Gemeinschaft“ die Aufmerksamkeit auf die Familie und die Notwendigkeit ihrer Erhaltung lenkt, ihren hohen Wert herausstreicht und daraus Rechtseinschränkungen für die Ehefrau ableiten will, also die Person der Ehefrau als solche erst auf einer zweiten Ebene in den Blick nimmt, hebt die Konzeption der „Vormundschaft“ gleich als erstes die „strukturelle Unterlegenheit“ – um ein aktuelles Stichwort aufzunehmen317 – der Ehefrau gegenüber dem Ehemann hervor318 und konstruiert sich genuin geschlechtsspezifisch. Durch beide Konzeptionen, namentlich aber durch die Vokabel vom Schutz des Schwächeren sowie durch die Erfassung des Geschlechterverhältnisses in der Ehe als ein Verhältnis der eben notwendigen rechtlichen Bevormundung der Ehefrau durch den Ehemann, wird man an den Diskurs über die Regelung der sog. „Frauenfrage“ im Rahmen der Entstehung des BGB erinnert. Auf die Polysemie von „Schutz“, d.h. dessen mehrseitige und sogar gegenläufige argumentative Inanspruchnahme,319 welche sich auch im englischen Diskurs wiederfindet, sowie auf die übrige anzutreffende Koinzidenz der Argumente, die von gewissen „kanalüberwindenden“ kulturellen Berührungspunkten zeugen, wird im Folgenden noch einzugehen sein. Zunächst muss jedoch die Frage geklärt werden, welche Rolle das englische Recht dem genannten Argumentationstopos („Legal Unity“) und dem ihn begleitenden dogmatischen Gewand (Schutz-Vormundschaft) im untersuchenden Zeitraum zugeordnet hatte. Dass der Ehefrau etwa im Geschäftsverkehr für viele englische Juristen dieser Zeit eine geschlechtsspezifische Schwäche anhaftete, ist oben zur Genüge nachgewiesen worden. Deswegen trat grundsätzlich nur der Ehemann dort auf und aus keinem anderen Grund stand die 316 Maine, Ancient Law, S. 94. 317 Dazu Meder, Rechtsgeschichte, S. 418, 420 m.w.H. 318 Zu einem ähnlichen Prinzipienkonflikt in Deutschland im Hinblick auf das elterliche Sorgerecht s. Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 362f. 319 Vgl. dazu Meder, Rechtsgeschichte, S. 75–78, 416–418; Czelk, Gleichberechtigung und Schutz, in: Meder/Duncker/Czelk, S. 329f.

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Verwaltung des beweglichen oder unbeweglichen ehelichen Gutes in der Regel ihm zu. Hier fokussiert die Fragestellung den Zusammenhang zwischen dem Begriffspaar Schutz – Vormundschaft und der Doktrin der „Legal Unity“. Wurde von den englischen Juristen ein solcher Zusammenhang gesehen und behauptet? Oder führten sie jede rechtliche Einschränkung der Ehefrau auf die Notwendigkeit zurück, das gemeinschaftliche Eheband zu stärken? 3. Coverture „When a small brooke, or little river, incorporated with Rhodamus, Humber, or the Thames, the poor rivulet loseth her name; it is carried and recarried with the new associate; it beareth no sway, it possesseth nothing during coverture. A woman, as soon as she is married, is called covert, in Latine, nupta, that is, vailed, as it were, clouded and overshadowed, &c. she hath lost her streame; she is continually sub potestate viri. Bracton terms her under the scepter of her husband […], I may more truelly farre away say to a married woman, her new selfe is her superior, her companion, her master.“320

Zweifellos, der Gedanke des Schutzes der Ehefrau durch ihren Ehemann, die Assoziation des Weiblichen mit Schwäche und des Männlichen mit Stärke, war im 19. Jahrhundert nicht nur lebendig, sondern erlangte im sog. viktorianischen Familienmodell normative Kraft. Was Jean-Jacques Rousseau als Wertung seiner Zeit konstatiert hatte – „Dans l’union des sexes chacun concourt également à l’objet commun, mais non pas de la même manière […] L’un doit être actif et fort, l’autre passif et faible“321 –, wusste man als Jurist schon längst. Matthew Bacon etwa schreibt: „For the happiness and honour of both parties (the law) places the wife under the guardianship of the husband, and entitles him, for sake of both, to protect her from the danger of unrestrained intercourse with the world […].“322 In persönlicher Hinsicht ist die Ehefrau also unter die Vormundschaft ihres Ehemannes gestellt. Aber nicht nur personenrechtlich, denn sie muss ja vor den Tücken der Welt geschützt werden. Deswegen stellt sie sich mit der Ehe in jeder Hinsicht unter die protegierenden Flügel ihres Ehemannes,323 nämlich „Under whose wing, protection, and cover“, wie Blackstone seine oben begonnene Definition zu Ende führt.324 Auch der Abschluss seiner zitierten Definition soll hier nicht vorenthalten 320 321 322 323 324

Wharton, An exposition of the laws, S. 312 Fn. a. Rousseau, Émile, S. 466. Zit. nach R. v. Jackson, All. E.R. 1891–1894, S. 64. So Wharton, An exposition of the laws, S. 311. Blackstone, Commentaries I, S. 430.

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werden. Er ist bezeichnend für die Bewertung des hier beschriebenen Common Law durch sein mächtigstes Orakel und vermag auch die Sitten der höheren sozialen Kreise seiner Zeit ein bisschen lebendiger zu präsentieren: „[…] even the disabilities, which the wife lies under, are for the most part intended for her protection and benefit. So great a favourite is the female sex of the laws of England.“325 In dem Idealbild des Ehemannes, der seine Ehefrau vor den Gefahren der Außenwelt abschirmt, liegt schließlich der tiefere Grund dafür, dass man im Common Law dieser Zeit den Ehestand, wenn man sich auf die Person der Ehefrau bezieht, mit dem Begriff „coverture“ umschreibt. Für die Frau selbst hatte sich seit der Zeit der „Year Books“, in welchen man das sog. „law French“ pflegte, die Bezeichnung „feme covert“ etabliert.326 4. Gemeinschaft und Schutz (Vormundschaft) als getrennte Konzepte? Als Ergebnis lässt sich festhalten: Durch die „Legal Unity“ wollte man keineswegs nur die enge, innige Beziehung der Eheleute, wie man etwa zu dieser Zeit in Deutschland sagt, zum Ausdruck bringen. Auch war das daraus abgeleitete Modell der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht die einzige Wahrheit, welche entscheidende Beschneidungen der weiblichen Rechte gebot. Daneben bemühte man durchaus das Bild der Vormundschaft, das im Rahmen seiner Interpretation reibungslos in die Notwendigkeit des Schutzes der Ehefrau hinüberglitt. Hier fügt sich die nächste Frage ein: Waren all das wirklich Teile derselben rechtsdogmatischen Konstruktion „Legal Unity“ oder wurden sie als unterschiedliche rechtliche Ausprägungen des Ehegattenverhältnisses begriffen? Der oben kurz angeschnittene Strukturunterschied beider Konzeptionen kann tatsächlich dazu verleiten, nach ihrer getrennten Behandlung in der Rechtsgeschichte zu suchen. Holcombe327 konstruiert jedenfalls einen solchen Gegensatz und das ist auch der Grund, weswegen hier die beiden untersuchten Grundelemente Gemeinschaft und Schutz, so deutlich getrennt voneinander behandelt wurden. Um die Frage zu beantworten, ob eine solche Betrach325 Blackstone, Commentaries I, S. 433. 326 Wharton, An exposition of the laws, S. 312; Stephen, New Commentaries, S. 245; s. auch Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 407, die auch die Bezeichnung „coverte de baron“ erwähnen. 327 Holcombe, Wives and Property, S. 18f.

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tungsweise der Wahrheit entspricht, muss man je nach Sichtweise, je nach gesuchter Wahrheit differenzieren. Holcombe bezieht sich ausdrücklich328 auf die Behandlung der Thematik durch die Rechtshistoriker. Er hat Recht, wenn er meint, dass in ihren Interpretationen die güterrechtliche Stellung der Ehefrau auf mehr als ein Prinzip zurückgeführt wird. Nicht ganz korrekt ist es allerdings, die „Legal Unity“ als das Dach aller Theorieansätze anzusehen. Sie bildet zwar durchaus den Ausgangspunkt jeder Diskussion. Aber vor allem Pollock und Maitland329 greifen die Prinzipqualität der „Legal Unity“ an. Sie schelten sie als impraktikabel, als ein Prinzip, welches dem Rechtsanwender keine weiteren Anweisungen gebe und deswegen nicht wirklich Bedeutung erlangt habe. Dagegen habe man immer, und zwar schon in der frühen Zeit von Bracton und Glanvill, auf welche sie verweisen, Zuflucht in die Idee der Ehevormundschaft nehmen müssen. Sie biete eine tragfähige Grundlage, worauf man die vermögensrechtlichen Einschränkungen der Ehefrau zugunsten ihres Ehemannes stützen könne. Lediglich in der Verpflichtung des Ehemannes, seine Ehefrau zu Prozessen hinzuzuziehen, die Verfügungen über ihr Vermögen zu verhandeln sowie im Hinblick auf erbrechtliche Verfügungsbeschränkungen diskutieren Pollock und Maitland die Möglichkeit, Kernelemente der Idee einer Gemeinschaft im Common Law zu erkennen und lehnen dies schließlich ab. Aber was lehnen sie eigentlich ab? Es geht ihnen um die Gütergemeinschaft, d.h. um die systematische Einordnung des Common Law und nicht bloß um eine dahinter stehende, herrschaftslegitimierende Grundlage des geltenden Rechts.330 Pollock und Maitland trennen beide Konzeptionen stets voneinander und betrachten die Ehevormundschaft („guardianship“) unter Ablehnung der „Legal Unity“ als das leitende Prinzip des Common Law. Darin folgt ihnen auch Glanville Williams.331 Zwar betont er, dass die Konzeption der „Legal Unity“ nicht ohne Bedeutung für die Entwicklung des englischen Rechts gewesen sei.332 Speziell für das 19. Jahrhundert aber, auf welches sich die Historiker Pollock und Maitland nicht beziehen, meint er, dass die Doktrin kaum mehr als eine rhetorische Funktion erfüllt habe, wobei er sich auf zwei Gerichtsurteile bezieht. Dies lädt förmlich dazu ein, sich Gedanken über die Interdependenzen zwischen sozialen Normen, Rechtsnormen 328 Holcombe, Wives and Property, S. 18. 329 Pollock & Maitland, The History of English Law I, S. 485, bzw. II, S. 406. 330 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 432f. S. auch unten im zweiten Teil, A. II. 5 wo u.a. versucht wird, das Systematisierungsbedürfnis der beiden großen Rechtshistoriker zu erklären. 331 Williams, The Legal Unity of Husband and Wife, M.L.R. S. 18. 332 Williams, The Legal Unity of Husband and Wife, M.L.R. S. 18.

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und juristischer Rhetorik zu machen, sich also zu fragen, was sich hinter einer bestimmten Wortwahl verbergen könnte und welchen Zweck die Entlarvung einer Argumentation als bloße Rhetorik verfolgen mag. Immerhin sind einige Zeugnisse dafür vorhanden, dass sich die englischen Juristen des 19. Jahrhunderts mit Vorliebe auf die besagte Doktrin berufen haben. Darauf, ob sie es ernst meinten oder nicht, wird hier nicht eingegangen, denn die Ausgangsfrage ist hier, ob „Legal Unity“ und Ehevormundschaft von englischen Rechtshistorikern tatsächlich, wie Holcombe meint, getrennt behandelt wurden. Wie gesagt, geht auch Williams diesen Weg. Die Richtigkeit der erstgenannten Doktrin lehnt er ab. Denn sie vermöge nicht, die Vorrangstellung des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau zu legitimieren. Sie spreche ja nur von Gemeinschaft. Dabei gibt er zu, dass die Interpretation, welche der Gemeinschaftsgedanke im englischen Recht annahm und welche Blackstone prägnant prononcierte, durchaus imstande war, das Über- und Unterordnungsverhältnis der Ehegatten im Common Law zu begründen. Dennoch vermisst er wie Pollock und Maitland die vermögensrechtliche Konsequenz einer Geltung der „Legal Unity“, nämlich die Gütergemeinschaft unter den Ehegatten. Deswegen hält er schließlich die Vormundschaft für die Hauptidee hinter dem untersuchten Common Law-Gebäude. Holdsworth schließlich diskutiert jegliche Idee von Gemeinschaft nur in Verbindung mit einer Gütergemeinschaft, die er nicht in das Common Law hineininterpretieren will. Als Grundlage derselben nimmt er ebenfalls eine „profitable guardianship“ des Ehemannes, d.h. eine Vormundschaft, für welche ausnahmsweise die Interessen des Vormunds im Vordergrund stehen, an.333 Anders sieht es aus, wenn man sich auf die Behandlung bezieht, welche der „Legal Unity“ von den zeitgenössischen Juristen zuteil wurde.334 Diejenigen, die darauf eingehen, erwähnen den Gedanken der Gemeinschaft und denjenigen des Schutzes bzw. der Vormundschaft im gleichen Atemzug.335 Am deutlichsten weist wieder Blackstone darauf hin, dass beides als Manifestationen desselben Ausgangspunktes zu betrachten sind – der rechtlichen „Tatsache“ nämlich, dass die Eheleute vom Gesetz als eine Person behandelt werden. Dies beruht darauf, dass sich die Ehefrau einerseits in eine Gemeinschaft begab und andererseits auf die Tatsache, dass sie des Schutzes bedarf, womit die Verein333 Holdsworth, A History III, S. 526, 532. 334 Damit wird zugleich die Interpretation der genannten Historiker in Zweifel gezogen. Gerechterweise muss man aber wieder darauf hinweisen, dass sich nur Williams auf die Bedeutung der „Legal Unity“ im 19. Jahrhundert bezieht und dies nicht den Schwerpunkt seiner Abhandlung darstellt. 335 Vgl. etwa Wharton, An exposition of the laws, S. 311f.; s. auch Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 112a, b (one person in the law; sub potestate viri).

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barkeit beider Konzeptionen demonstriert wird. Man könnte hinzufügen, dass sie nicht nur keine unterschiedlichen oder sogar kollidierenden Prinzipien darstellen, sondern die Fundierung und Legitimation des hier behandelten Common Law komplementär und alternierend, je nach konkretem Rechtsbereich, übernehmen. Wie die dogmatische Analyse dieser Untersuchung ergeben hat, wurde der Gesichtpunkt des Schutzes der Eheleute, der öfter im Hinblick auf Fragen der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau auftauchte, dem Prinzip der Vormundschaft entnommen. Es galt, die Ehefrau und die Familie vor den Gefahren des Marktes zu beschützen. Je weiter man sich in das innere der heimischen Stätte wagte, desto bewusster wurde es (im Übrigen auch der Ehefrau), dass die Einbindung in die eheliche Gemeinschaft mit Lasten und Entbehrungen verbunden ist, und zwar insbesondere mit Entbehrungen an Rechten! Dies bestätigt sich durch Stephen,336 der meint, „while the wife is thus considered for some purposes as the same person with her husband (also „Legal Unity“ oder „one person at law“, wie er das Vorangegangene betitelt) she is in other point of view a distinct and subordinate person, being under his cover, protection and influence“. Als solche Gesichtspunkte diskutiert er dann das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Ehemannes über das Vermögen der Ehefrau. Vorher dagegen hatte er der „Legal Unity“ Fragen wie Vermögenstransaktionen unter den Ehegatten untergeordnet. Darin scheint sich der unterschiedliche Sinn beider Legitimationstopoi des Common Law zu erschöpfen.337

VII. Ergebnis zum Common Law Die Untersuchung zum Common Law ist hiermit abgeschlossen, und eine Zusammenfassung scheint sich zu erübrigen. Aus einer kritischen Perspektive heraus drängt sich nämlich der Eindruck auf, dass sich das englische Recht im Hinblick auf die zentrale Fragestellung dieser Arbeit kaum der Differenziertheit rühmen kann. Was seine Wertungen betrifft, ist das offensichtlich. In seiner Dogmatik dagegen gibt es zwar die erwähnten eigentumsrechtlichen Unterschiede zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen. Wendet man sich aber den Verwaltungs- und Verfügungsrechten der Ehegatten zu, 336 Stephen, New Commentaries II, S. 245. 337 Der Umstand, dass sie überhaupt einen zum Teil abweichenden Sinn haben könnten, scheint allerdings erst Stephen aufzugehen. Alle früheren, Blackstone eingeschlossen, haben vermutlich nur den Weg geebnet. Da aber Stephen diesen Weg nun beschreitet, scheint diese Interpretation nicht allzu abseits der historischen Realität.

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dann verläuft die Linie ziemlich gerade: Der Ehemann ist alleiniger Inhaber dieser Rechte. Betrachtet man den Bereich der Privatautonomie, so sind es letztlich fast nur geschichtliche Errungenschaften, die der Rechtsperson „Ehefrau“ ein kurzes Auftauchen erlauben. Dies alles scheint so zu sein, weil das Common Law das innerfamiliäre Geschlechterverhältnis auf eine bestimmte Art konstruiert. Ehemann und Ehefrau sind eine Person, und diese Person ist eben der Ehemann. Auf diese Einheit der Geschlechter soll noch einmal kurz eingegangen werden, um ein allgemeinhistorisches Urteil zu bestätigen. Der Eindruck nämlich, dass die Trennung der Handlungssphären der Geschlechter zumindest als gesamtkulturelle, also auch rechtliche Norm nichts Neues ist, scheint durchaus zutreffend. Dass die Norm gleichzeitig im geschlechterbezogenen Diskurs des 19. Jahrhunderts eine prominente Stellung einnimmt, welche ihr in früheren Zeiten kaum zuteil wurde,338 bestätigt sich ebenfalls. Man braucht im vorliegenden Kontext nur darauf hinzuweisen, auf welche Weise Coke die „Legal Unity“-Doktrin einsetzt und diese der grundlegenden Rolle gegenüberzustellen, die dasselbe Rechtsprinzip bei den meisten Autoren des Untersuchungszeitraums spielt. Beim Ersteren kann man dabei gerade nicht von einem allgemeinen Prinzip sprechen. Die Bedeutung der „Legal Unity“-Doktrin beschränkt sich auf bestimmte kurzgeschnittene Problemstellungen. Bei anderen Rechtsfragen findet sie dagegen keine Erwähnung. So kann man auch aus dem Blickwinkel des Common Law mit der angesprochenen Ansicht schließlich übereinstimmen. Die Rollen- und Sphärentrennung der Geschlechter – und scheinbar paradoxerweise ihrer juristischen Einheit – avanciert erst in unserem Jahrhundert zu einem eigenständigen und zentralen Argumentationstopos.339 Im zweiten Teil der Untersuchung wird, wie bereits angedeutet, noch herausgearbeitet, dass sich dies nicht nur aus der Perspektive des Common Law ereignet und die Verknüpfung von Trennung und Einheit kein Paradoxon darstellt, sondern Ausfluss desselben Imaginären ist. Zuerst ist jedoch eine andere Entwicklung genauer zu beleuchten, die lange vor dem 19. Jahrhundert parallel zum Common Law beginnt und seine Eintönigkeit gleichsam durchbrechend verläuft: die Equity.

338 Kocka, Das lange 19. Jahrhundert, in: Gebhard, Handbuch B. 13, S. 107, 109; so auch insgesamt, nicht nur bezogen auf diese Norm: Shoemaker, Gender in English Society, S. 308. 339 Fraisse, in: Duby/Perrot IV, S. 72–80; zu ihrer Überwindung ebda., S. 80–99.

B. Equity I. Motive zum Wandel Spätestens ab dem 16. Jahrhundert erscheint ein neuer Spieler auf dem Plan, dessen Einmischung sich für die güterrechtliche Lage der Ehefrau als entscheidend erweisen sollte, und zwar das Gericht der Equity. Es wird ein Güterrechtssystem entwickeln, welches dem Common Law in vielem auf schroffe Weise widersprechen wird. Die Gründe dafür sollen hier nicht erforscht werden, die geläufigen Vermutungen in dieser Hinsicht finden wegen ihrer mittelbaren Bedeutung für die vorliegende Untersuchung dennoch Erwähnung. Dass darunter ökonomische Erklärungsmuster herrschen, überrascht nicht. So bleibt das Wort von Maitland, dass der Lordkanzler seine Gerichtsbarkeit als „Zufluchtsstätte der Schwachen“ ansah,1 zwar immer noch bekannt, seinen ethischen Gehalt scheint man aber nicht mehr wahrnehmen zu wollen.2 Und die zu dieser Zeit weiterhin bestehende Nähe dieses Gerichts zur Kirche wird durchaus als Exemplifizierung eines konkreten Machtgewebes angesprochen. Aber eben nur als solche. Als viel fruchtbarer wird in der Forschungsliteratur dagegen ein anderer Interpretationsansatz angesehen. Es handelt sich dabei um die Hervorhebung von neuen Dimensionen des alten „Konflikts“ des Vaters mit dem Ehemann in einem ebenfalls neu gestalteten Umfeld. Im 17. Jahrhundert soll eine neue Aristokratie und Klasse von Grundbesitzern das Feld mit dem festen Vorsatz betreten haben, sich ihren Platz in der Gesellschaft zu erringen und diesen zu stabilisieren. Das vorgefundene Common Law verleiht dem Ehemann einiges an Rechten am unbeweglichen Vermögen seiner Ehefrau. Demgegenüber bewertet die zeitgenössische Gesellschaftsschicht der Grundbesitzer ihr Grundeigentum als zur Familie zugehörig. Offenbar reicht es nicht mehr, dass der Ehemann nicht Eigentümer wird. Denn zum Streben des Ehemannes auch etwas davon zu haben, dass er eine begüterte Tochter heiratet,3 gesellt sich das neue und feste Interesse der Gesetzgebung daran, dass das Land wirtschaftli-

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Maitland, Equity, S. 6. Man könnte durchaus die Vermutung anstellen, dass solche ethisch beladenen Interpretationen als naiv zur Seite gestellt werden. Dass sie nur dem homo economicus naiv erscheinen, fällt dabei kaum ins Gewicht. Vgl. zur Relevanz dieses Konflikts in diesem Zusammenhang Simpson, A History of the Land Law, S. 209.

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che Beweglichkeit erlangt.4 Einen gerechten Interessenausgleich scheint nur noch die Vertragsgestaltung vornehmen zu können. Die Regeln der Equity sind denn auch nichts anderes als die gerichtliche Anerkennung vertraglicher Vereinbarungen. Vor dem Hintergrund des bis jetzt erlangten Vorverständnisses ist schließlich eine weitere Frage anzuschneiden. Warum kann gerade die Equity den behaupteten sozialen Wandel aufnehmen? Die Regeln der Equity waren, anders als das Common Law, Produkte ihrer Zeit. Der jeweilige Lordkanzler schöpft die Motive seiner Entscheidung aus den Bedürfnissen seiner Zeit und der Rechtssubjekte, die sich an ihn wenden.5 Außerdem sind die Regeln der Equity ein Produkt der Neuzeit. Erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts und bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts beginnen ihre Prinzipien, feste Gestalt anzunehmen.6 Dies alles paart sich mit einer flexibleren Betrachtungsweise der Bindungswirkung von Präjudizien, die dieser Gerichtsbarkeit zumindest in ihrer Anfangsphase eigen war.7 Es war demgemäß viel leichter, hier nach bestimmten sozialen und ökonomischen Ausgangspunkten der Rechtsentwicklung zu suchen als bei dem auf unvordenkliche Zeiten zurückgehenden Common Law. Dessen längst ausformulierte Präjudizientheorie befindet sich im 17.  Jahrhundert gerade in einer Konsolidierungsphase und hat bis zum Ende des 18.  Jahrhunderts eine genau definierte und weit ausdifferenzierte Festigkeit erreicht. Im 19. Jahrhundert sorgt gerade sie für die vom Handelsverkehr geforderte Rechtssicherheit.8 Schon die Bedeutung eines solchen, eher theoretischen Unterschiedes zwischen den beiden englischen Gerichtsbarkeiten führt zum grundsätzlichen Faktum des englischen Rechts. Dieses entwickelt sich gerade im Hinblick auf den untersuchten Rechtskreis gleichsam „dialektisch“. Dies stellt bekanntermaßen eine Eigentümlichkeit des englischen Rechts dar.

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Vgl. Simpson, A History of the Land Law, S. 234f., 292f.; s. auch Bonfield, Marriage Settlements, xiii; etwas umfassender ordnet schließlich Stone (Family, S. 330–334) die Modifikationen durch die Equity in den damaligen historischen Kontext ein. Holdsworth, A History I, S. 466. Holdsworth, A History I, S. 465. Holdsworth, A History I, S. 466; s. aber S. 468. Zur Präjudizientheorie des Common Law Blackstone, Commentaries I, S. 69–74; zu den Wandlungen dieser Theorie vgl. Holdsworth, A History XII, S. 146–162; vgl. auch kurz Dawson, The Oracles, S. 413, 483.

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II. Die Dualität des Richterrechts Die Dualität des englischen Richterrechts ist im heutigen Zeitalter der Rechtsvergleichung und der gesetzlich angeordneten Illusion einer europäischen Integration9 in der Tat kein Umstand, auf den man gesondert hinweisen muss. Equity und Common Law bestanden und judizierten jahrhundertelang nebeneinander und oft aneinander vorbei. Dass sie auch gegeneinander judizierten, ist, wie gesagt, der Umstand, dem hier nachgegangen wird. 1. Die Geschichte der Rechtsquellendualität Die Besonderheit des Phänomens der englischen Richterrechtsdualität besteht zunächst nicht in der Existenz einer Equity, einer Gerichtsbarkeit also, die sich ihrer Selbstdisposition gemäß der Einzelfallgerechtigkeit verschrieben hatte. „Epieikia“ haben unzählige Rechtssysteme versucht, walten zu lassen. Die Eigentümlichkeit des englischen Rechts lokalisiert Holdsworth vielmehr in der Tatsache, dass sich hier zwei getrennte Gerichtsbarkeiten herausgebildet haben und bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1873) in dieser Gestalt bestanden.10 11 9 Die Illusion besteht in dem Glauben, dass eine sonst kaum vorhandene und genausowenig sonstwo angestrebte Integration nur auf rechtlicher Ebene erfolgen kann. Ein merkwürdiger Begriff von „Integration“ scheint solchen Vorstellungen zugrunde zu liegen – wohl ein „liberaler“. Der genannten Illusion scheinen dagegen diejenigen nicht oder jedenfalls weniger verfallen, die zugleich für eine Annäherung der europäischen Juristenausbildung plädieren. 10 Zur Entwicklung der Equity bis zum 19.  Jahrhundert Holdsworth, A History I, S. 446–469. Interessant ist hier außerdem, dass Holdsworth die Auffindung der genannten Eigentümlichkeit der englischen durch die Kontrastierung zur römischen Equity (Ius honorarium) erleichtert. Heute verzeichnet man im Zuge der mehrfach genannten Europäisierung des Rechts, von welcher historisch konstatierbare Differenzen der Rechtssysteme als Hindernisse aufgefasst werden, zunehmend eine Tendenz, solche Differenzen in den Hintergrund treten zu lassen. Dabei hat man es an fundierten Gegenüberstellungen beider Billigkeitsgerichtsbarkeiten auch in Deutschland nicht fehlen lassen, vgl. vor allem Kaser, SZ (RA) 1984, S. 1ff. Er weist deutlich darauf hin (S. 7), dass die historische Realität und die – vor allem politischen – Motive, welche beiden Systemen zu ihrer Entstehung verhalfen, unterschiedlich waren. Darüber hinaus könnte man auf die Stellung des mittelalterlichen Königs und seiner Beamten als moralische, d.h. außergesetzliche Instanz hinweisen, eine Stellung, welche dem Amt des Prätors – im Gegensatz zum Lordkanzler (vgl. Holdworth, A History I, S. 401f.) – auch nicht auf abstrakter Ebene zuzukommen scheint. Zum Ideal des Königs als gerechter Beschützer der Bedürftigen s. auch Glanvill 1. (Prologue). Schließlich weist

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2. Die Rivalität zu den Common-Law-Gerichten11 Zur Entstehungszeit der Equity verliefen ihre Beziehungen zu den CommonLaw-Gerichten weitgehend harmonisch.12 Es handelt sich dabei um die erste Phase der Entwicklung der Equity, was beinhaltet, dass man von mehreren Phasen ausgeht.13 Von besonderem Interesse ist eine der nächsten Phasen dieser Entwicklung. Gemeint ist die Zeit, in welcher sich der Konflikt beider Gerichtsbarkeiten entfaltet. Es handelt sich um die bewegte Zeit der Stuarts, der erfolglosesten englischen Dynastie,14 die den größten Teil des 17. Jahrhunderts einnimmt. Der Zusammenstoß hatte sich schon im vorangegangenen Jahrhundert angekündigt. Der Lordkanzler verfügte nämlich über ein Instrument, mit dessen Einsatz er Gefühle des Ärgernisses bei seinen Kollegen des Common Law erregte: Er konnte die Unterlassung der Vollstreckung von Urteilen der Gerichte des Common Law anordnen.15 Als sich dann zwei starke Persönlichkeiten ungefähr gleichzeitig in der Führungsposition der beiden Gerichtsbarkeiten gegenübertraten, Lord Ellesmere seitens der Equity und Sir Edward Coke seitens des Common Law, nahm die Dialektik konkrete Gestalt an. Lord Ellesmere hatte sich wieder

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Holdsworth auf entscheidende Differenzen in der Gerichtsorganisation hin (History I, S. 449). Ob es im 19. Jahrhundert schon ein diese Differenzen einebnendes englisches Bewusstsein gegeben hat (s. dazu Holdsworth, History I, S. 446 mit Hinweis auf Pollock), ist offensichtlich eine ganz andere Frage, die abermals vor Augen führt, wie „Illusionen“ Geschichte schreiben und deswegen von den Historikern als solche ernst genommen werden müssen, was hier übrigens in großem Umfang geschieht. Er dokumentiert zudem zum wiederholten Mal die immense Bedeutung des Verfahrensrechts für das Entstehen jeder Rechtstradition. Es war nämlich das Bedürfnis nach mehr Flexibilität im Rahmen des Gerichtsverfahrens, woraus die Equity ursprünglich hervorging. Vgl. Holdsworth, A History I, S. 450. Der erste Band seiner insgesamt 16 Bände umfassenden Geschichte des englischen Rechts ist einer Gesamtdarstellung der Geschichte des Gerichtsverfahrensrechts gewidmet, denn: „The rules which govern the jurisdiction and the procedure of the courts are the substantive part of the early bodies of law“ (S. 1). Vgl. Holdsworth, A History I, S. 394ff., 447f., 449ff.; ders., A History V, S. 220. So ausdrücklich Holdsworth, A History V, S. 215. So das Urteil eines heutigen Historikers: Morril, in: Morgan, The Oxford History of Britain, S. 327. Selbstverständlich kommt es auf den jeweiligen Blickwinkel an. Wenn man bedenkt, dass diese Zeit Konflikte (Handlungen) und Ideen hervorrief, die in der sog. „Glorious Revolution“ (1688) ihren – namentlich für den späteren englischen Liberalismus – symbolhaften Höhepunkt erfuhren, dann lässt sich der „Erfolg“ anders verteilen. Dieser Höhepunkt war allerdings sicher nicht der Zweck der Monarchen dieser Dynastie. Holdsworth, A History I, S. 457; vgl. auch Maitland, Equity, S. 6.

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einmal die Befugnis eingeräumt, Unterlassungsurteile bezüglich der Vollstreckung von Common-Law Urteilen auszusprechen. Im Zuge der Vollstreckung dieser Urteile landeten viele unverbesserliche Gläubiger im Gefängnis, weil sie auf die Durchsetzung ihrer Ansprüche bestanden und sich damit der Autorität des Lordkanzlers widersetzten.16 Sir Coke zögerte nicht lange und begann, die Gefangenen zu entlassen. Überdies ermutigte er sie, gegen ihre Ankläger – also gegen diejenigen, die die Urteile der Equity angeregt hatten – vorzugehen, da Letztere mit den Verurteilungen die Autorität der Common-Law-Gerichte angegriffen hätten. Der Fall wird schließlich dem König zur Entscheidung vorgelegt. James I. entscheidet im Jahre 1616 zugunsten der Equity.17 Dass Sir Coke der parlamentsfreundlichen Opposition zugerechnet wurde, war seinem Anliegen sicherlich nicht von Nutzen.18 Ein Jahr später schied Lord Ellesmere aus dem Leben und seinen Platz besetzte derjenige Richter, der die Equity in ihre nächste Phase führen sollte: Lord Francis Bacon.19 Bevor er begann, die Entscheidungsfindung des ihm anvertrauten Gerichts zu rationalisieren, war er bestrebt, die durch den geschilderten Konflikt entstandenen Feindseligkeiten im Bereich der englischen Justiz – an denen er im Übrigen nicht unbeteiligt gewesen war20 – zu eliminieren.21 Die beiden Gerichtsbarkeiten fanden nie wieder zu ihrem alten Verhältnis der Zusammenarbeit zurück. Andererseits entwickelte sich nunmehr eine Theorie, die jegliches Konfliktpotential aus ihrer Beziehung entfernen sollte. Denn ein Konflikt kann vor allem dort entstehen, wo mehrere Personen für sich dasselbe beanspruchen. Im 19. Jahrhundert konstatiert man ein friedliches Nebeneinander von Equity und Common Law.22 Man sagt, die Equity wirke ergänzend auf das Common Law ein. Damit ist gemeint, dass das Common Law das englische Rechtssystem repräsentiert.23 Insoweit hat sie also 16 Über die geringe Überzeugungskraft der vorgetragenen juristischen Argumente berichtet Holdsworth, A History I, S. 461f. 17 Zum geschilderten Fall und seinen Konsequenzen Holdsworth, A History I, S. 461– 463, bzw. Baker, Introduction, S. 108f. Letzterer macht auch auf die Persönlichkeiten der Richter aufmerksam, die den Konflikt zum Ausbruch brachten. 18 Vgl. dazu Baker, Introduction, S. 109; Holdsworth, A History I, S. 463; s. noch Morril, in: The Oxford History of Britain, S. 355f., der demokratiebezogene Motive von Coke in Zweifel zieht. 19 Zu ihm Holdsworth, A History V, S. 239–261. 20 S. Holdsworth, A History I, S. 463. 21 So Baker, Introduction, S. 109. 22 Dazu Maitland, Equity, S. 17. 23 Maitland, Equity, S. 19; dies spiegelt sich im Sprachgebrauch der englischen Juristen sogar heute noch wider. Man verleiht nämlich nur dem Common Law das Prädikat „law“. Die Equity erfasst man dagegen als eine eigenständige Gattung und spricht

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komplementären Charakter. Zugleich entwickeln sich ihre Rechtsinstitute weitgehend unabhängig vom Regelwerk des Common Law. Die Komplementarität bezieht sich also auf das Gesamtsystem des englischen Rechts. Ob man darüber hinaus bei der Equity selbst von einem einigermaßen geschlossenen Gesamt(sub)system ausgehen kann, ist noch bei Maitland am Anfang des 20. Jahrhunderts fraglich. Das ließe sich nur insofern behaupten, als sich die Equity ganzer Rechtsgebiete annimmt, mit denen sich das Common Law nicht befasst.24 Die Theorie der Richterrechtsdualität ist demzufolge darauf angelegt, die Entscheidungsfelder der zwei Gerichte auseinanderzuhalten. Es handelt sich allerdings nicht um eine Theorie, die Maitland oder irgendein anderer brillanter englischer Jurist hervorgezaubert hätte. Maitland argumentiert stets historisch, was bedeutet, dass er sich auf die Judikatur des 19.  Jahrhunderts beruft. Daraus ergibt sich, warum das alles hier Erwähnung findet. Es geht unter anderem darum, die Motive der entscheidenden Richter oder der schreibenden Wissenschaftler auszuloten. Dabei wird im Folgenden immer darauf zu achten sein, dass die geschilderte Rivalität trotz aller Versöhnungsversuche ein Umstand ist, den man immer auf der höchsten Ebene des richterlichen Bewusstseins findet. Jede neue Entscheidung der Equity über die Rechte der Frau beginnt mit einer Konstatierung der gegensätzlichen Entscheidung des Common Law. Anschließend unternimmt man entweder eine systematische Rechtfertigung des Eingriffs in das Feld des Common Law, was bedeutet, dass man zu begründen sucht, warum es sich in diesem Fall um das eigene Entscheidungsfeld handelt, oder man propagiert die Ungerechtigkeit der Regelungen des Common Law und begründet auf diese Weise jedes Mal die Initiative des Lordkanzlers. Dass man aber das Verhältnis der Gerichtsbarkeiten ständig anspricht, zeugt vom Bewusstsein des Konflikts, das in diese Analyse als Interpretationselement einbezogen wird. 3. Ein Equity-Güterrechtssystem? Man kommt im Rahmen einer juristischen Arbeit nicht umhin, oder ist jedenfalls geneigt, alles systematisch zu ordnen und zu beleuchten. So wird hier von einem Güterrechtssystem gesprochen, das bereits als verdächtig „entlarvt“ wurde. Es wird auch gleich vorweggenommen, dass ein Güterrechtssystem in sie nur mit „equity“ an, vgl. dazu etwa Jolowicz, La Jurisprudence en droit anglais, Arch.d.Ph.dr. 1985, S. 106, oder auch Maitland, Equity, S. 12–22, 43. 24 Maitland, Equity, S. 19.

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der Equity noch weniger feststellbar ist als im Common Law. Der Lordkanzler hat diesbezüglich in der Tat nur ergänzend und fragmentarisch eingegriffen. Die englischen Historiker stellen in diesem Kontext keine systematischen Überlegungen an, die zeitgenössischen Juristen erst recht nicht. Kann man dann von einem Equity-Güterrechtssystem sprechen? Equity heißt ursprünglich, und zwar historisch – nicht sprachlich– Einzelfallgerechtigkeit und moralische Gerechtigkeit.25 Sie wurde auch als solche wahrgenommen, weil verschiedene Fälle vor dasselbe Gericht gelangten und demselben Verfahren unterworfen wurden.26 Am Anfang des 19.  Jahrhunderts hat die Gerichtsbarkeit der Equity inhaltlich viel mehr aufzuweisen als nur dieses Faktum. Nicht nur ihre methodische Vorgehensweise folgte den neuzeitlichen Vorgaben rationalen Entscheidens.27 Damit ging die Bildung und Anerkennung einiger grundlegender Prinzipien einher, die das Urteil der Richter leiten sollten. Das bekannteste dieser Prinzipien ist das Rechtsinstitut des „Trust“, dem auch im hier untersuchten Zusammenhang größte Bedeutung zukam. Solche Prinzipien tragen entscheidend dazu bei, die Rechtsprobleme, mit welchen sich das Equity-Gericht beschäftigte, systematisch zusammenzufassen. Auf diese Weise bilden sich Systeme, festgesetzte Interdependenzen. Sie werden nach Rechtsinstituten bestimmt (die „Trust“-Gerichtsbarkeit), die Systematisierung nach Lebensbereichen bleibt hingegen dem Common Law vorbehalten. In Bezug auf die rechtliche Stellung der Ehefrau greift die Equity ein, je nach Gelegenheit und Möglichkeit, woraus sich mehrere Abweichungen vom Common Law bilden, denen höchstens der Gesichtspunkt gemeinsam ist, dass sie das vermögensrechtliche Schicksal der Ehefrau angehen. Heute hingegen hat man sowohl ein Familienrechts- als auch ein Güterrechtssystem im englischen Recht.28 Allerdings gibt es auch keine getrennten Gerichtsbarkeiten mehr. In Bezug auf das 19.  Jahrhundert kann von einem 25 Zu diesen Elementen der Equity vgl. etwa Holdsworth, A History I, S. 395–399, 399f., 446, 453. 26 Maitland, Equity, S. 20; zur Entstehung einer unabhängigen Gerichtsbarkeit und den Gründen der Abtrennung vom übrigen Rechtsprechungsapparat vgl. Holdsworth, A History I, S. 405–410. 27 Zum sukzessiven Bedeutungszuwachs der Präjudizien und dem dazu parallel laufenden Rückgang der Relevanz des einzelnen Richters oder jedenfalls zu diesem imaginären Handlungssubstrat englischer Juristen Holdsworth, A History I, S. 465–469 mit zahlreichen weiteren Hinweisen. 28 Vgl. zum Letzteren beispielsweise Bromley/Lowe, Family Law, Kap. 18.

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Familienrechtssystem sicherlich noch nicht die Rede sein,29 obgleich der Weg zum heutigen Standpunkt damals anscheinend bereits eingeschlagen wurde. Die zeitgenössischen englischen Juristen sprachen bei ihren Reformüberlegungen aber sehr wohl von einem Familienrechtssystem. Auch in der Literatur des 19.  Jahrhunderts stellt das Rechtsverhältnis zwischen der Ehefrau und ihrem Ehemann eine besondere Problematik dar. Es entstehen, wie schon mehrfach gesagt, Monographien dazu, in denen die Stellung der Ehefrau im Rahmen der Equity-Rechtsprechung ausführlich und vor allem in einem gesonderten Abschnitt behandelt wird. Im 19.  Jahrhundert hat die rechtliche Aufwertung30 der Ehefrau durch das Gericht des Lordkanzlers eine zunächst undefinierte Eigenständigkeit errungen. So viel rechtliche Systematik kann man bejahen und damit zu den einzelnen Teilen übergehen.

III. Separate Estate Der größte Bruch mit dem Common Law ereignete sich, als der Lordkanzler das Konzept des „separate estate“ der Ehefrau, d.h. ihres getrennten Vermögens, erfasste. Dies geschah recht früh, nämlich während des 16. Jahrhunderts. Wie Holdsworth berichtet, war das die Zeit, in welcher die Rigorosität des alten Common Law und die so verordnete Unfähigkeit der Ehefrau mit ihrem Vermögen umzugehen, von den Frauen der wohlhabenden Klassen zunehmend als erdrückend empfunden wurde.31 Die Rechtsnormen hatten während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihre feste Gestalt angenommen. Das bürgerliche Zeitalter hatte in dieser Hinsicht wenig zu bieten. Dies gilt im Übrigen nicht nur für das „separate estate“, sondern auch für die weiteren Instrumente der Equity, die zur Verbesserung der Rechtsstellung der Ehefrau in der Familie beitrugen. Wenn sie jetzt dennoch präsentiert werden, dann deshalb, weil sich gerade hier die Annahme einmal mehr als richtig erweist, dass man Gesetze nicht verstehen kann, ohne ihre Vergangenheit, ihre Vorgänger zu kennen. Den englischen Gesetzen des 19. Jahrhunderts, welche die familiäre Geschlechterbeziehung juristisch geradezu revolutioniert haben, ist das nächste Kapitel gewidmet (erster Teil, C.). In diesen Gesetzen wird unmittelbar an die hier zu beschreibende Tradition angeknüpft, die es so in Deutschland nicht gegeben hat. 29 So auch Manchester, Modern Legal History, S. 371. 30 Vor allem die Wirkungsgeschichte der Equity berechtigt, von einer rechtlichen Aufwertung zu sprechen. 31 Holdsworth, A History V, S. 310.

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1. Die Konstruktion Man sprach also vom „separate estate“ der Ehefrau und deutete damit an, was man zu erreichen bezweckte, nämlich der Ehefrau die Möglichkeit der Verfügung über ihr eigenes Vermögen und damit eine Art Eigentum zu verschaffen, wie es nach Common Law nicht möglich war. So wurde etwa im Ergebnis erreicht, dass der Kauffrau der Ertrag ihrer Handelstätigkeit zur eigenen Disposition verblieb, da dieser als ihr „separate estate“ anerkannt wurde.32 Es sei daran erinnert, dass dies im Common Law grundlegend anders war.33 Mit einem „separate estate“ wird grundsätzlich jedes Recht des Ehemannes am betreffenden Vermögen ausgeschlossen: „It entirely destroys the notion of the husband having any interest in it against her disposition.“34 Die Motivation zu dieser Regelung setze oft beim Vater der begünstigten Ehefrau an. Es ging nämlich häufig darum, das der Ehefrau von ihrem Vater in die Ehe mitgegebene Vermögen dem Dispositionsrecht des Ehemannes zu entziehen und es so innerhalb der Familie zu erhalten. Wie erreicht man aber, dass die Ehefrau Eigentümerin wird, wenn sie es doch nicht sein darf ? Eine fallbezogene Anordnung hätte vielleicht der königlichen Macht anderer Zeitalter oder anderer Länder entsprochen, jedoch nicht der Verfassung Englands im 16. oder 17. Jahrhundert. Und für ein allgemeines Gesetz in diese Richtung war die Zeit sicher noch nicht gekommen. Die Lösung heißt: Man überträgt das betreffende Vermögenssegment einem anderen, also nicht direkt der Ehefrau, der es für Letztere verwaltet. Diese Lösung entfaltet sich nicht zufällig in den Gängen der Chancery. Hier hatte man längst das dafür geeignete juristische Instrument erfunden, den „Trust“. Das Geheimnis, was ein „Trust“ ist, kann hier nicht gelöst werden.35 Dafür soll aber dessen Konstruktion in den hier in Frage stehenden Fällen näher betrachtet werden. a) Typische Fallkonstellationen Dafür ist als erstes auf typische Fallkonstellationen hinzuweisen. Besonders oft scheint folgende Fallgestaltung vorgekommen zu sein: Jemand überträgt auf einen Dritten (im Folgenden auch „Trustee“ oder Treuhänder genannt) einen 32 Vgl. dazu Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 125; so auch Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 77. 33 Vgl. oben im ersten Teil A. IV. 3b. 34 Cooper v. Macdonald, 1877, Ch. Div. VII, S. 293 m.w.H. Demnach umfasste sie allerdings nicht die Vergrößerung des betreffenden Vermögens, S. 294. 35 Hierzu die brillante kurze Darstellung von Maitland, Equity, S. 42ff.

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Geldbetrag, woraus er einer bestimmten Frau, etwa der Tochter des Übertragenden, eine Rente oder auch Zinsen in bestimmten Zeitabschnitten auszuzahlen hat. Auf diesen Betrag hat der Ehemann, so ist es im konstituierenden Dokument vorgeschrieben, keinen rechtlichen Einfluss und kann den Betrag deswegen auch nicht selbst beanspruchen.36 Wichtig ist nun, dass jeglicher Anspruch dem Begünstigten, sprich der Ehefrau, zustand, wie etwa bei einem Vertrag zugunsten Dritter, und nicht ihrem Vater.37 Indem die Ehefrau also alleinige Anspruchsberechtigte war, war sie insoweit auch allein Verfügungsberechtigte, worin eben das Neue gegenüber dem Common Law bestand. Möglich war darüber hinaus, obwohl dies wahrscheinlich nicht so oft vorkam, dass die Ehefrau selbst vor der Ehe ein solches „Trust“ ins Leben rief, indem sie ihr Vermögen auf einen Dritten übertrug und es damit von vornherein der Disposition ihres künftigen Ehegatten entzog. Es war zunächst umstritten, ob solche Rechtsgeschäfte dem Ehemann gegenüber wirksam waren, wenn sie ohne Kenntnis desselben bzw. in der Absicht, ihn zu täuschen, stattgefunden hatten.38 Spätestens bei Bright (1849) wird das ohne Zweifel bejaht.39 b) Trustee In dieser Hinsicht lässt sich fragen, wer als „Trustee“ bestimmt werden konnte. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass diese Rolle oft einem Dritten anvertraut wurde, einem Unbeteiligten, der es übernahm, die Interessen der Frau und ihres Vermögens – sie müssen ja nicht korrespondieren – zu wahren. Dieser verpflichtete sich dazu vertraglich gegenüber dem bisherigen Vermögensbesitzer. Merkwürdiger mutet die zweite Möglichkeit an. Sie bestand darin, dass der Ehemann selbst zum Treuhänder für die Güter seiner Ehefrau bestimmt wurde. Er hatte dann, gleichsam schizophren, das Vermögen seiner Frau vor sich selbst zu beschützen. Dies konnte auf zweierlei Weise zustande kommen. Der Ehemann übernahm diese Verpflichtung vertraglich, etwa indem er vor der Ehe selbst vereinbarte, dass die Ehefrau einen Teil ihrer Güter als ihr getrenntes Vermögen besitzen konnte. Die Einigung hätte sich auch auf das von der Ehefrau während der Ehe erworbene Vermögen beziehen und dieses als 36 Zu dieser Fallkonstellation s. Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 331. 37 Maitland, Equity, S. 31. 38 Verneinend Clancy, A Treatise, S. 351f. 39 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 204f.

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ihr eigenes einordnen können.40 Schloss der Ehemann den Vertrag mit dem Vater seiner künftigen Ehefrau, dann wurde er der Treuhänder ihres Vermögens. Hindernisse stellten sich dagegen dem Eintritt der gewünschten Rechtsfolge in den Weg, wenn solche Verträge mit der Ehefrau selbst als Kontrahentin abgeschlossen wurden. Sie hatten unter der Herrschaft der „Legal Unity“ keinen Geltungsanspruch. Daran hielt sich die Equity aber nicht und betrachtete sie als voll verbindlich.41 Daraus entstand dann wiederum ein „separate estate“ der Ehefrau. Der Ehemann musste aber nicht notwendigerweise Partei des Rechtsakts sein, aus welchem die Ehefrau ihre Rechte zog.42 Seine diesbezüglichen Pflichten könnten ihm auch einseitig, namentlich letztwillig übertragen werden. So geschah es etwa in dem Fall Parker v. Brooke.43 Dort trug der bisherige Vermögensinhaber dem Ehemann die treuhänderische Verwaltung des Vermögens (eines Grundstücks) der Ehefrau auf. Als Letzterer dann das betreffende Grundstück mehrfach belastete und einer der daraus Berechtigten schließlich dessen Besitz ergriff, ging die Ehefrau – nach dem Tod ihres Ehemannes – gegen seine diesbezüglichen Verträge gerichtlich vor. Das Gericht bestätigte, dass der Ehemann gemäß dem artikulierten Willen des Erblassers in seinen Verfügungsbefugnissen beschränkt war, da er das Grundstück nur treuhänderisch besaß. Die Ehefrau warf ihm die Übertretung seiner daraus fließenden Rechte vor, die darin bestehen sollte, dass er mit dem Beklagten kollusiv gegen ihre Interessen gewirkt hatte.44 Sie hatte damit Erfolg. Die Gerichte gingen aber einen Schritt weiter. Seit 1725 war anerkannt, dass der Ehemann auch dann zum „Trustee“ des Vermögens seiner Ehefrau wird, wenn der Vermögensüberlasser überhaupt keine Vorkehrungen in diese Richtung getroffen hatte, also auch dann, wenn der Ehemann nicht dazu be-

40 Campbell, Principles, S. 73. 41 Vgl. dazu auch Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 330f.; Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 157ff.; Hulme v. Tenant, S. 332; Wharton, An exposition of the laws, S. 376. 42 Atherley, Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 330. 43 Zit. nach Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 216f. 44 Gutgläubiger Eigentumserwerb war durchaus auch von einem Trustee möglich, und zwar nach Equity-Regeln, vgl. Maitland, Equity, S. 47. Ob ein solcher Fall hier vorlag, weswegen der Einwand des kollusiven Verhaltens notwendig wurde, ist aus den Ausführungen von Bright nicht ersichtlich. Allerdings ging es hier nicht konkret um einen Eigentumserwerb.

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stellt worden war.45 Eine Entscheidung, die sich aus dem allgemeinen Grundsatz der Equity nährt, welcher besagt, dass „a trust shall never fail for want of a trustee“.46 Dies galt sowohl in Bezug auf bewegliches als auch auf unbewegliches Vermögen. In dem Fall Bennet v. Davis47 hatte A seiner Tochter B, der Ehefrau des C, ein Grundstück als ihr getrenntes Vermögen übertragen und erklärte formgerecht, dass ihr Ehemann von jeglicher Nutzung des Grundstücks ausgeschlossen werden sollte. Außerdem sollte es nach dem Tod der Tochter ihren Erben und nicht dem Ehemann zukommen, womit er ausdrücklich das zuvor beschriebene „Tenancy by the Curtesy“48 ausschloss. Nachdem der Ehemann C insolvent geworden war, beantragte die Ehefrau gerichtlich, dass das besagte Grundstück zu ihrem „separate estate“ erklärt werden solle. Dagegen wandte einer der Gläubiger ein, dass ein „separate estate“ nicht habe entstehen können, da der Erblasser keinen Treuhänder vorgesehen hatte. Darauf entgegnete das Gericht, dass der Ehemann der Treuhänder sei und es keinen Unterschied mache, ob dieses „Trust“ rechtsgeschäftlich zustande gekommen sei oder vom Gericht, also gesetzlich („by the act of the law“) angeordnet worden war. Was auch immer der Gläubiger bekommen würde, es wäre mit diesem Rechtsverhältnis zugunsten der Ehefrau belastet. 2. Form des jeweiligen Vertrags/Trust Eine Frage, der man breiten Diskussionsraum widmete, waren die Formerfordernisse für die Entstehung des „separate estate“. Es geht ja nicht nur um die erhebliche Untergrabung der Autorität der Common-Law-Gerichte, wozu man überzeugende Gegengewichte, etwa den eindeutig gebietenden Willen eines wohlhabenden Erblassers, präsentieren musste. Man rüttelte auch an den Fundamenten der tradierten ehemännlichen Herrschaft. Spätestens gegen Ende des 18. Jahrhunderts war den Beteiligten wohl bewusst, dass auch das eheliche Geschlechterverhältnis hinterfragt werden würde, weil – wie einer der Rechtsanwälte in dem Grundsatzurteil Hulme v. Tenant aus dem Jahre 1778 festhält 45 Kerly, An Historical Sketch of the Equitable Jurisdiction of the Courts of Chancery, S. 220; Campbell, Principles, S. 73; Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 214. Vollends etabliert hat sich die Regel etwas später. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es noch vereinzelte Urteile, die die Bestimmung eines „Trustee“ als ein konstitutives Element zur Entstehung eines „separate estate“ ansahen. Vgl. dazu auch White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 332. 46 Stephen, New Commentaries II, S. 253. 47 Zit. nach Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 214f. 48 Vgl. oben im ersten Teil, A. II. 3.

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– „Trustees“ bestellt werden, um die Ehefrau davor zu bewahren, sich selbst unter dem Einfluss ihres Ehemannes zu schädigen,49 dass also das Vermögen der Ehefrau vor dem ansonsten allein dafür Zuständigen geschützt werden muss. a) Schriftlichkeit Es besteht zunächst kein Zweifel daran, dass die gültige Konstituierung eines solchen „Trust“ nur schriftlich erfolgen konnte. Soweit es um Verträge zwischen dem Ehemann oder einem sonstigen Treuhänder und dem Vermögensinhaber ging, ergab sich dies schon aus dem „Statute of Frauds“ (1677). Demnach hatten Verträge, die Bezug auf die Ehe nahmen, nur in schriftlicher Form Gültigkeit. Davon konnte in einem Equity-Verfahren nur in dem Fall abgesehen werden, dass die schriftliche Niederlegung des nachweislich Beabsichtigten auf Grund arglistigen Verhaltens der zu belastenden Partei unterlassen wurde.50 Überdies bedurften Testamente, Vermächtnisse oder sonstige letztwillige Verfügungen für ihre Gültigkeit ohnehin der schriftlichen Form. Aber auch darüber hinaus geht man mit unerschütterlicher Selbstverständlichkeit von der schriftlichen Niederlegung der jeweils in Frage stehenden Willensbekundung aus, so dass die genaue Reichweite, namentlich des genannten Gesetzes hier nicht näher untersucht wird. b) Inhaltliche Anforderungen Was den Inhalt der schriftlichen Niederlegung des/der maßgeblichen Willen(s) angeht, wird vor allem betont, dass die Gerichte die Regeln des Common Law nicht modifizierten, wenn daraus nicht die eindeutige Absicht abgelesen werden konnte, der Ehefrau ein Vermögen zur persönlichen und alleinigen Nutzung zukommen zu lassen.51 Dementsprechend werden klare Formulierungen zugunsten der Ehefrau verlangt. Die Bestimmung etwa, dass der Ehefrau einfach etwas geschenkt wird oder ihr ein Geldbetrag ausgezahlt werden muss, war keinesfalls hinreichend.52 Denn, wie oben erwähnt, wurde die Ehefrau in Bezug auf bestimmte Gattungen von Gegenständen formell schon nach Common Law als Eigentümerin angesehen. Die Engländer haben 49 Das Urteil ist abgedruckt in White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 324ff., die zitierte Aussage befindet sich auf S. 325. 50 Vgl. dazu Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 81, 85f.; Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 218 Fn. a. 51 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 206; Stephen, New Commentaries II, S. 253. 52 Vgl. White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 339.

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aber die Substanz des „separate estate“ zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verloren, die darin bestand, der Ehefrau ein weitgehend alleiniges Verfügungsund Verwaltungsrecht an bestimmte Güter zu verleihen. Um diese alleinige Rechtszuständigkeit zu begründen, musste sich der Ausschluss des Ehemannes vom Genuss seiner herkömmlichen Rechte deutlich ergeben. In dem Fall Dakins v. Beresford53, übertrug B Vermögen auf den Treuhänder C mit der Anweisung, dieses zu verkaufen und aus dem Erlös der Ehefrau von D eine jährliche Rente in bestimmter Höhe zu zahlen. Die Eheleute lebten getrennt und der Ehemann D verlangte die Herausgabe der besagten Geldsumme an ihn. Die Ehefrau entgegnete, dass der Wille des anweisenden „Trustor“54 dahin auszulegen sei, der Ehefrau ein „separate estate“ zu gewähren, womit sie alleinige Anspruchberechtigte sei. Der Richter entschied für den Ehemann, denn solange und soweit die Rechte des Ehemannes am Vermögen der Ehefrau55 nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurden, blieb er der Berechtigte – ein „separate estate“ entsteht also nicht. Ebenso wenig entstand ein „separate estate“ im Fall Lumb v. Milnes56. Dort übertrug der Verstorbene einen Teil seines Vermögens auf einen Treuhänder. Dieser sollte der Nichte des Übertragenden, der Ehefrau des C, halbjährlich aus dem Zinsertrag des Kapitals eine bestimmte Geldsumme auszahlen. Letztere hatte auch zu bestimmen, wie über das Grundkapital selbst verfügt werden sollte. Die Frage war, ob die Gläubiger des Ehemannes während der Lebenszeit der Ehefrau auf die ihr geschuldete Geldsumme zugreifen konnten. Wäre ein „separate estate“ entstanden, dann wäre dies eben nicht uneingeschränkt möglich gewesen.57 Der Richter erblickte in der Formulierung des Erblassers keine die Rechte des Ehemannes eindeutig ausschließende Willensbekundung und gab somit den Gläubigern Recht. In beiden Fällen hatte es der Übertragende versäumt oder mit Bedacht unterlassen, den ausschließlichen Anspruch seiner jeweils Begünstigten im maßgeblichen Dokument deutlich zum Ausdruck zu bringen. Die besondere Vorsicht der Gerichte, ihre langjährige, beharrliche Beschäftigung mit Formfragen und auch die Rede vom ehemännlichen Recht am Vermögen der Ehefrau („marital right“58) lassen erkennen, was eingangs bereits 53 Zit. nach Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 207. 54 Das ist der ursprüngliche Vermögensinhaber und Übertragende, hier also B. 55 Hier ging es um einen Geldbetrag, also um „Personal Property“, welchen der Ehemann zweifellos allein beanspruchen und zu Eigentum erwerben konnte. 56 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 207f. 57 Wie schon gesagt, hätten die Gläubiger darauf zwar zugreifen können, aber die Rechte der Frau wären dadurch nicht berührt worden. 58 Wie schon gesagt, hätten die Gläubiger darauf zwar zugreifen können, aber die Rechte der Frau wären dadurch nicht berührt worden.

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erwähnt wurde: Den Gerichten ist bewusst, dass hier das normative Geschlechterverhältnis tangiert wird. Sie bemühen sich, weitreichende Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu vermeiden. Dass sie aus Frauenfreundlichkeit handelten, lässt sich also durchaus bezweifeln. Neben Rücksichten gegenüber dem Vermögensübertragenden ist zur Erklärung der Formstrenge die gesteigerte Rücksicht zu nennen, welche der Lordkanzler außer Acht ließ als er mit seiner Entscheidung das Common Law brach, also in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Gerichtsbarkeit eingriff. Schließlich muss man beachten, dass in einer Vielzahl der Fälle die Interessen Dritter (Gläubiger des Ehemannes) berührt wurden und die Entscheidung des Gerichts, die Entstehung eines „Trust“ für die Ehefrau zu bejahen, das betroffene Vermögen nicht nur dem Ehemann, sondern auch seinen Gläubigern im Fall seiner Insolvenz entziehen würde. Unsichere Interpretationen hätten insoweit den Marktverkehr verunsichert. Die Richter blieben nicht in der Negation stehen, indem sie lediglich bestimmten, wann ein „separate estate“ nicht entstanden war. Sie wollten dem Willen des Vermögensübertragenden so weit wie möglich Geltung verschaffen. Als Regel galt, dass eine bestimmte, vorgeschriebene Formulierung nicht existierte. Vielmehr sollte es auf die Natur der Transaktion oder auf die näheren Umstände, d.h. auf den Kontext ankommen, in welchem das konstituierende Rechtsgeschäft vonstatten ging.59 Andererseits entwickelten die Gerichte eine gewisse Typologie, die größtenteils in der Literatur des 19. Jahrhunderts, welche nunmehr eine bedeutende Systematisierungsfunktion zu übernehmen begonnen hatte, herausgearbeitet wurde. Bestimmte Formulierungsweisen, durch die ein „separate estate“ entstehen konnte, wurden hervorgehoben.60 Im Wesentlichen sollte sich aus dem Dokument ergeben, dass das betreffende Vermögen der Ehefrau zur alleinigen und ausschließlichen Herrschaft zustehen sollte. 3. Verwaltung und Verfügung Hatte der Überlassende die richtige Formulierung gewählt, dann entstand ein „separate estate“. Welche güterrechtlichen Folgen sich daraus für die Ehefrau ergaben, wird jetzt in zwei Schritten analysiert. Zunächst wird die Eigentums59 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 211; White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 338. 60  Beispielsweise: „For her own use, and at her own disposal“; „sole and separate use“; „sole use, benefit, and disposition“; „free from the power of her husband“;„notwithstanding the coverture“. S. dazu Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 210ff. bzw. White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 338.

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zuordnung des übertragenen Vermögens hinterfragt und im Anschluss daran werden vor allem die Verfügungsfähigkeit der Ehefrau hinsichtlich des genannten Vermögens sowie ihre Verwaltungsfähigkeit zu diskutieren sein. a) Vorfrage: Eigentumsrechtliche Zuordnung und begriffliche Irritationen War die Ehefrau nun Eigentümerin des Vermögens, welches ein anderer zu ihren Gunsten besaß und verwaltete? Sobald diese Frage gestellt wird, gerät man in das befremdliche Magnetfeld zwischen Common Law und Equity, das eine klare begriffliche Einordnung verhindert. Dies geschieht nicht etwa, weil das Recht des Eigentums an den Verhältnissen einer anderen Epoche (des Mittelalters) mit ganz anders gearteten sozioökonomischen Vernetzungen gebildet wurde. Die klare begriffliche Einordnung wird verhindert, weil das juristische Instrumentarium, das man zur Hervorbringung des „separate estate“ gewählt hatte, das „Trust“, von vornherein darauf konzipiert war, die Eigentumsfrage im Unklaren zu belassen. Da man nach Common Law in der letztwilligen Verfügung seines Vermögens ziemlich eingeschränkt war, kreierte man die „Uses“ – die Vorgänger des „Trust“. Auf diese Weise blieb man auch nach dem Abschied aus dem Diesseits Herr über sein Land. Sobald aber der Begünstigte „Eigentümer“ genannt wurde, lief er Gefahr, den zu vermeidenden Einschränkungen des Common Law doch unterworfen zu werden.61 Andererseits ist der „Trustee“ kaum Eigentümer des fraglichen Vermögens zu nennen, kann er doch nur nach den Anweisungen der begünstigten Ehefrau – um zur vorliegenden Fallkonstellation zurückzukehren – über dieses verfügen. Deswegen sprach man auch vom Begünstigten als dem wahren Eigentümer.62 Zuweilen waren aber auch richterliche Versuche einer begrifflichen Klärung zu vernehmen. So spricht Richter Jessel („Master of the Rolls“) in seinem Urteil in der Sache Cooper v. Macdonald aus dem Jahre 1855 von der Ehefrau als Inhaberin einer „absolute ownership“.63 Ein wenig früher hatte Lord Eldon so etwas wie einen „equitable owner“ erfunden. Die meisten Juristen sprechen von „property“64 und gehen gleich dazu über, die Verfügungsbefugnisse über den jeweiligen Gegenstand des „Trust“ zu klären. Dort leistet man sich auch keine begrifflichen Experimente – es gilt nämlich die Realität zu normieren. 61 62 63 64

Dazu Maitland, Equity, S. 32. Hinweise bei Maitland, Equity, S. 32. Cooper v. Macdonald, 1877, Ch. Div. VII, S. 296. So Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 204, bzw. Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 330.

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Und nur auf dieser Ebene wollte man sich dem Spannungsverhältnis zwischen Common Law und Equity stellen. b) Verwaltung Die Verwaltung des Vermögens durch den „Trustee“ unterliegt den allgemeinen Regeln dieses Rechtsverhältnisses, weist keine geschlechtsspezifischen Besonderheiten auf und liegt insoweit abseits der hier verfolgten Zwecke. Die Verwaltung des Vermögens durch die Ehefrau selbst wird zu einer rechtserheblichen Tatsache, sobald sie das Vermögen (ihr Vermögen?) vom „Trustee“ erhält. Es genügt zu erwähnen, dass der Ehemann keinen Zugriff darauf hat, denn es steht, wie Edmond Gibson Atherley prägnanterweise formuliert, unter ihrer absoluten Herrschaft65 – zumindest gegenüber ihrem Ehemann. Das ist gewiss ein erheblicher Wandel gegenüber dem Common Law. Dort hatte die Ehefrau insoweit kaum ein Mitspracherecht. Erst im Rahmen der Verfügungsgewalt des Ehemannes bzw. in deren teilweiser Beschränkung kam ihr so etwas wie eine „geminderte sekundäre Zuordnung subjektiver Rechte“ zu. Hier hat sich schon vom Ansatz her die Blickrichtung geändert, zugleich war dies die erste „revolutionäre“ Modifikation, welche die Equity mit sich brachte. Nun geht es um die Anerkennung der Ehefrau als Rechtssubjekt auf primärer Ebene und um ihre eigenen Dispositionsbefugnisse. Die entscheidende Frage ist also, inwieweit ihr das zugewendete Vermögen zur Verwirklichung ihrer Handlungsfreiheit und Konstituierung ihrer rechtlichen Eigenständigkeit innerhalb der familiären Gemeinschaft verhilft. c) Verfügung Im Hinblick auf die Verfügungsfähigkeit der Ehefrau muss zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden werden. aa) Bewegliches Vermögen Was das bewegliche Vermögen anbelangt, ist die Verfügungsfähigkeit der Ehefrau zunächst in denjenigen Fällen anerkannt worden, in welchen sie und ihr Ehemann vor der Ehe eine Vereinbarung getroffen hatten, die ihr ein solches Recht einräumte.66 Noch war hier der leitende Gedanke, dass der Ehemann 65 „Absolute dominion“ (A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 331). 66 Peackock v. Monk, zit. in Hulme v. Tenant, in: White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 328; s. zum Sachverhalt auch Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 220.

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selbst seinen Willen, auf sein Herrschaftsrecht zu verzichten, artikuliert hatte. Erst in einem späteren Urteil argumentierte man grundsätzlicher. Die Verfügungsfähigkeit sah man nun als unmittelbaren Ausfluss und notwendiges Korrelat des Herrschaftsrechts der Ehefrau, welches ihr mit der Anerkennung eines „separate estate“ eingeräumt wurde.67 Das entscheidende Rechtsprinzip wurde spätestens in dem schon erwähnten Grundsatzurteil Hulme v. Tenant mit aller Klarheit ausgesprochen: „A feme covert is competent to act as a feme sole, with respect to her separate property, where settled to her separate use.“68 Dazu gehörte, dass Ihre Verfügungsfähigkeit nicht speziell vorgesehen werden musste.69 Gewisse Einschränkungen bestanden dennoch. Bei Ausübung ihres Verfügungsrechts hatte die Ehefrau nämlich bestimmte Formvorschriften einzuhalten. Insbesondere konnte sie nur entweder mit einem „deed“, d.h. mit einem notariell beurkundeten Vertrag oder durch Testament verfügen.70 Andererseits unterlag ihre Willensbildung in diesen Fällen keiner gerichtlichen Kontrolle wie etwa im Fall der Verfügung mittels eines „deed“ nach Common Law. Und sicherlich musste sie dafür auch nicht das Einverständnis ihres Ehemannes einholen.71 bb) Unbewegliches Vermögen Wenn unbewegliches Vermögen („real property“) betroffen ist, muss man weiter differenzieren. Es ist darauf zu achten, was genau der Ehefrau zugewendet wurde. Der besonders häufige Fall wurde bereits erwähnt, in dem der Vermögensinhaber ein Grundstück auf einen Treuhänder mit der Anweisung überträgt, der Ehefrau die sich daraus ergebenden Früchte oder Nutzungen zu gewähren. Soweit reicht dann auch ihr Verfügungsrecht. Sie kann nur über das jeweils von den Treuhändern Geschuldete uneingeschränkt verfügen. Darüber hinaus bleibt ihr unbenommen, das betreffende Grundstück zu

67 Fettiplace v. Gorges, zit. nach Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 220f. Dort auch zur nachfolgenden Rechtsprechung, die dieses Prinzip voll anerkannte. 68 Hulme v. Tenant, in: White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 328. 69 Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 335f. 70 Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 334. 71 Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 335.

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belasten und es auf diese Weise als Kreditmittel einzusetzen.72 Darin kann sie auch nicht von den „Trustees“ beschränkt werden, es sei denn, eine solche Befugnis der „Trustees“ war vom Vermögensinhaber ausdrücklich vorgesehen worden.73 d) Erbrechtliche Dimensionen des Verfügungsrechts Die Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers während seines Lebens und mit Wirkung nur in diesem Zeitraum ist allerdings nur eine Dimension eines Verfügungsrechts. Zu einem vollständigen Verfügungsrecht über das Privateigentum gehört aus heutiger Perspektive die Befugnis des Berechtigten, das Schicksal seines Eigentums wirksam über seine Lebenszeit hinaus bestimmen zu können. Nach dem Common Law war es beiden Ehegatten verwehrt, Verfügungen von Todes wegen zu treffen. Denn so würden sie die Interessen des Feudalherrn erheblich beeinträchtigen. Was die Testierfreiheit der Ehefrau betrifft, wird man sicherlich die Notwendigkeit berücksichtigen, dem Ehemann sein „Tenancy by the Curtesy“ zu erhalten.74 Die maßgebenden Wertungen, welche das Common Law in dieser Frage leiteten, bleiben hier nur zum Teil gültig. Die Person des Feudalherrn fällt im 16. Jahrhundert weitgehend weg. Jetzt sind es immer die „Familieninteressen“ – wenn man es auf wie Rudolph von Jhering ausdrücken möchte –, welche die Rechtsgeschichte steuern.75 Im gegenwärtigen Kontext finden diese Wertungen und Interessen sogar eine weitere Grundlage im geäußerten Willen des ursprünglichen Vermögensinhabers, was eine besondere Legitimation der Gerichte gebildet haben könnte, ihnen Rechtsgeltung zu verschaffen. Es hatte sich nämlich die Gewohnheit gebildet, dass wenn der Vermögensinhaber der Begünstigten ein absolutes, Testierfreiheit einschließendes Verfügungsrecht einräumen wollte, er dies auch besonders vorzusehen hatte. Denn das Vermögen sollte prinzipiell innerhalb seines ursprünglichen Familienkreises bleiben und weder verloren gehen noch zersplittert werden. Herr über alle darüber hinausgehenden Entscheidungen blieb der Vater, der Patriarch. Hatte dieser nun vorgesehen, dass seine Erbin über das ihr übertragene Grundstück auch letztwillig verfügen sollte, dann erstreckte sich ihr Verfügungsrecht

72 White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 332; Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 225f. 73 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 229. 74 Vgl. zum Ganzen oben im ersten Teil, A. II. 5. 75 Wobei man selbstverständlich noch „Interesse“ definieren müsste.

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ohne Zweifel auch darauf.76 Andernfalls konnte sie eben über die Substanz der betreffenden Sache testamentarisch nicht verfügen.77 Dies änderte sich schließlich im Jahre 1865. Fünf Jahre vor dem ersten gesetzlichen Eingriff zur Verbesserung der Stellung der Ehefrau wurde entschieden, dass die Dispositionsbefugnis der Ehefrau über ihr „separate estate“ auch deren letztwillige Verfügungen umfasst.78 e) Haftungsrechtliche Dimensionen des Verfügungsrechts Soweit die Ehefrau also einen „separate estate“ besitzt, kann sie darüber verfügen – so lautet der Grundsatz. Dies bedeutet, dass sie Verträge abschließen kann. Aus ihrer Verfügungsfähigkeit folgt dann ihre diesbezügliche Geschäftsfähigkeit, ihre Vertragsfähigkeit. Im Hinblick auf das Common Law hieß es bei Holdsworth in umgekehrter Systematik, ihre mangelnde Fähigkeit, Verträge abzuschließen sei eine Folge des Umstands, dass sie über kein Vermögen verfügen konnte.79 aa) Art und Umfang der Haftung – Geschäftsfähigkeit Aus den Verträgen, welche die Ehefrau jetzt schließen kann, erwächst ihr also eine Haftung als notwendiges Korrelat der schuldrechtlichen Obligation.80 Die interessante Frage lautet nun wie bei jeder Haftung: Womit hat sie für diese Verpflichtung einzustehen, wie weit reicht ihre Haftung? Die Antwort läuft auf die nächste Fragen hinaus: Erlangt die Ehefrau etwa dadurch Rechtspersönlichkeit, dass ihr ein „separate estate“ zuerkannt wird? Wenn ja, in welchem Grad? Kann man hier den umfassenden Begriff der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau einsetzen? Hier präsentiert sich ein weiterer Fall der „Andersheit“ des juristischen Denkens im England der Epoche, die hier untersucht wird. Ein Denken, dass nicht nach begrifflicher Abstraktion sucht. Die Antwort steckt im erwähnten Grundsatz, dass von ihr abgeschlossene Verträge nur soweit gegen sie vollstreckt werden, als ihr ein „separate estate“ 76 White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 331; Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 336f. 77 Vgl. auch Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 224. 78 Kerly, An Historical Sketch of the Equitable Jurisdiction of the Courts of Chancery, S. 221. 79 Vgl. Holdsworth, A History III, S. 528. 80 Der englische Jurist vollzieht den Schritt (heute etwas weniger als damals) über die Obligation höchstens im schweigenden Denken und äußert meistens nur die Frage nach der Haftung.

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zuerkannt wird.81 Nur das mit diesem Begriff umschriebene Vermögen haftet. Eine persönliche Haftung der Ehefrau dagegen entsteht daraus nicht.82 Die Trennung der beiden Vermögensmassen bewährt sich auch verfahrensrechtlich. Der Zugriff auf das getrennte Vermögen der Ehefrau erfolgt, wie im erwähnten Urteil Hulme v. Tenant, indem sich das Gericht an die „Trustees“ wendet und sie anweist, an den oder die Gläubiger zu leisten.83 Nicht etwa die Ehefrau selbst hat sich um die Erfüllung ihrer Verpflichtung zu kümmern! Aus der Konstatierung des Vorliegens eines „separate estate“ folgt also keinesfalls die „contractual capacity“ der Ehefrau. Das wurde genauso in der zeitgenössischen Literatur reflektiert. Dem genannten Ergebnis dieser Reflexion werden zwei Begründungen zugrunde gelegt. Die eine, sie erscheint gegen Ende des Jahrhunderts, spricht davon, dass die vorhandene Haftungsfähigkeit der Ehefrau lediglich eine Konsequenz der Trust-Regel wäre, wonach „he who has the benefit must also bear the burden“.84 Frühere Quellen dagegen entnehmen dasselbe Ergebnis nicht so sehr den dogmatischen Besonderheiten der Equity, die womöglich zu ihrer Zeit noch gar nicht ausgereift waren, sondern konzentrieren sich auf den fragmentarischen Charakter der Rechtsänderung durch die Equity: „The woman is a feme sole, as to the present enjoyment of the property, but no further.“85 „Her separate existence, both as regards her liability and her rights, is here abundantly aknowledged; not, indeed, that her person can be made liable, but her property may, […].“86 Gerade letztere Argumentation bringt deutlich zutage, dass ein „separate estate“ kaum etwas mit der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau zu tun haben sollte. Die Entstehung eines Sondervermögens, auf welches sie ungestört zugreifen kann, ist vielmehr der Umstand, auf den die Richter die Aufmerksamkeit gelenkt wissen wollen. Der Grund dafür liegt vermutlich nicht nur in der Intention, die Rechtsposition der Ehefrau nicht allzu sehr zu stärken, sondern auch im Bewusstsein des Bruchs der Common81 So etwa die Formulierung von Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 254. 82 White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 337; Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 254; so zusammenfassend auch Paquin v. Beauclerk, All. E.R. 1904–1907 (1906), S. 731. 83 Hulme v. Tenant, in: White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 329. 84 So Campbell, Principles, S. 496. 85 Lord Langdale, zit. nach White/Tudor(1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 341. 86 Lord Brougham, zit. nach White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 331.

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Law-Prinzipien, der umso mehr manifest erschiene, je deutlicher man von der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau spräche.87 bb) Formfragen Es ist jetzt zu klären, in welcher Form solch eine eingeschränkte Haftung überhaupt entstehen konnte. Bis zum 19. Jahrhundert galt vielfach, dass Verträge der Ehefrau nur in schriftlicher Form bindend sein konnten. Mündlich eingegangene Vereinbarungen legte man dagegen als unverbindliche Abreden („appointments“) aus.88 Dies änderte sich im 19. Jahrhundert allmählich. Lord Brougham, der mit seiner Fragestellung das mäeutische Vorgehen englischer Richter im Rahmen ihre Entscheidungsfindung hervortreten lässt, entscheidet folgendermaßen: „[…] can there be any reason for holding that her liability, or, more properly, her power affecting the separate estate, shall only be exercised by a wtitten intrument? Are we entitled to invent a rule, to add a new chapter to the Statute of Frauds, and to require writing, where that act requires none? […] No such distinction can be taken upon any conceivable principle.“89

White und Tudor nehmen im Jahre 1858 als Grundsatz an, dass auch mündliche Verträge der Ehefrau ihre Bindungswirkung entfalten können.90 Allerdings war damit nicht jede Formfrage erledigt, denn man musste weiterhin einen Weg finden, mündliche Verträge der Ehefrau, die sich auf ihr „separate estate“ bezogen, von den „general personal engagements“ genannten Verträgen zu unterscheiden, bei welchen die Haftung nicht auf das getrennte Vermögen der Ehefrau beschränkt wurde bzw. etwa wegen eines Formfehlers beschränkt werden konnte.91 Ob aus solchen Verträgen eine Haftung der Ehefrau begründet werden kann, war die eigentliche Frage des mehrfach erwähnten Urteils Hulme v. Tenant. Dass dies verneint wurde, ergibt sich aus dem oben Gesagten. Demselben Urteil ist aber auch das maßgebliche Kriterium der Entscheidung zu entnehmen. Dieses befindet sich wiederum in der dort verwendeten und hier 87 Zu diesem Bewusstsein vgl. die Äußerungen von Lord Cottenham in White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 341. 88 Dazu und zum Folgenden vgl. Hume v. Tenant, in: White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 333ff. m.w.H.(1858). 89 Murray v. Barlee, zit. nach White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 335. 90 Murray v. Barlee, zit. nach White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 334f. 91 S. Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 250f.

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wiedergegebenen Definition eines „general engagement“: Es handelt sich eben um einen Vertrag, in welchem versäumt wurde, die Verpflichtung der Ehefrau mit ihrem „separate estate“ zu verknüpfen, einen Vertrag also, nach welchem die Ehefrau mit ihrem persönlichen Vermögen haften soll. Dies ist aber nicht möglich und unmöglich bleibt es weiterhin.92 Damit schließt sich der Kreis wieder. Das Gericht des Lordkanzlers übt sich schließlich ausdrücklich in Selbstbeschränkung und nimmt vor allem Abstand von der Sanktionierung einer abstrakten Haftungsfähigkeit der Ehefrau: „[…] an engagement, which would make a feme sole liable to the whole extent of the contract as to her person, […] it is clear such general engagement, entered into by a feme covert, will not bind her as such.“93 Wesentlich ist also, dass die Vertragskontrahenten, die Ehefrau und ihr Vertragspartner, das getrennte Vermögen der Ehefrau als Haftungsmasse definieren. Wie stellt man aber fest, ob die Haftung der Ehefrau auf ihr „separate estate“ bezogen wurde? Durch den Verzicht auf die schriftliche Niederlegung der maßgeblichen Willensmanifestationen intensiviert sich das Fragezeichen. Spätestens hier wird das Problem der Willensauslegung evident und auch als solches ausgesprochen. Im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Schriftform scheinen die Gerichte eine ausdrückliche Bezugnahme auf das „separate estate“ verlangt zu haben.94 Davon rückt man ab, als es gilt, bestimmten Vertragsversprechen Wirksamkeit zu verleihen. Konkret handelte es sich um die Vereinbarung einer Vertragsstrafe sowie um die Haftung aus Wertpapieren. Die Möglichkeit der Ehefrau, sich auf diese Weise zu verpflichten, hatte die Equity nämlich, ebenfalls entgegen dem Common Law, anerkannt.95 Konfrontiert mit der Alternative, die Undurchsetzbarkeit der eingegangenen Verpflichtung aus Formfehlern – dem Fehlen der ausdrücklichen Bezugnahme auf das „separate estate“ – abzuleiten, sucht Lord Brougham nach dem Willen der Frau außerhalb des schriftlich Fixierten, nämlich nach ihrer Intention. Er nimmt schließlich das Vorliegen der erforderlichen Willensrichtung an, denn „in no other way could the instrument thus made by her have any validity or operation“.96 Er setzt 92 Hulme v. Tenant, in: White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 329; s. auch Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 249. 93 Hulme v. Tenant in: White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 329. 94 So wird der Ausdruck „execution of power“ ausgelegt. Vgl. Lord Brougham, in: White/ Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 334. 95 Vgl. dazu Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 126, bzw. Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 252ff. 96 Lord Brougham, in: White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 334.

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somit den offenbar keinesfalls modernen Auslegungskanon ein, der besagt, dass derjenigen Auslegung der Vorzug zu gewähren ist, die dem Willen der Beteiligten am meisten zur Wirksamkeit verhilft. Handelt es sich bei seinem Grundsatz um ein Instrument, um eine methodische Anweisung zur richterlichen Entscheidung, so ist es als solches keinesfalls „leer“. Es lässt sich vielmehr mit der Motivation auffüllen, die Gläubiger der Ehefrau nicht zu enttäuschen, die mit ihr im Vertrauen auf das Vorhandensein eines haftbaren Vermögens in Vertragsverhandlungen getreten waren. Ob diese Motivation tatsächlich hinter der Handlung des Richters liegt, lässt sich allerdings höchstens erahnen, denn einerseits wird die genannte Neuerung in Bezug auf Schriftformen vollzogen, welche in der dynamischen englischen Wirtschaft dieser Zeit einen großen Teil gerade ihrer Dynamik repräsentieren (Wertpapiere), andererseits handelt es sich um einen Richter, der diese Dynamik sowohl kennt als auch lebhaft unterstützt.97 Schließlich steht die Vermutung der genannten Motivation nicht der Möglichkeit entgegen, dass Richter Brougham auch zur Förderung der Rechtsstellung der Frau handelte; diese Motivation könnte also ebenfalls ein möglicher Inhalt seiner Methode gewesen sein.98 Nach dem oben Gesagten wäre sie durchaus in Betracht zu ziehen. Dass Lord Brougham tatsächlich viel zur Verbesserung der Frauenrechte getan hat, mag die geäußerte Vermutung untermauern. Bei den gerade erwähnten Fallkonstellationen geht es um Momente der Geschäftsbeziehung, die außerhalb der Schriftlichkeit nicht existierten (Wertpapiere). Erst recht sucht man die Intentionen der Vertragsparteien zu erkunden, wenn die Schriftform zu keinem Zeitpunkt des geschäftlichen Kontakts vorhanden ist. Dies ist eine weitere Besonderheit im dem mehrfach genannten Urteil von Lord Brougham.99 Er bringt die Vorgehensweise früherer Tage, bei der sich die Willensinterpretation auf besondere Fälle konzentrierte, welche auf die Bezugnahme auf das „separate estate“ schließen ließen und im Sinne einer gesetzlichen Vermutung herangezogen wurden, zu Fall.100 Seitdem war unabhängig von fallbezogenen Anhaltspunkten immer nach dem Willen der Ehefrau zu suchen. Mehr als alles andere scheint diese Rechtsoperation die 97 Die besondere und zentrale Rolle gerade dieses Richters bei den englischen Reformen im Allgemeinen und bei den güterrechtlichen Reformen im Besonderen werden im nächsten Teil der Arbeit behandelt. Vgl. im zweiten Teil, D. IV. 3a. 98 Womit zugleich gesagt sei, dass die Annahme einer Verknüpfung von Methode und Inhalt keine materialistische Geschichtsphilosophie zum Hintergrund hat. 99 Murray v. Barlee, zit. nach White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 334. 100 Genauso äußert sich zuvor Lord Eldon, zit. nach White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 337.

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Stellung der Ehefrau rechtstheoretisch zu fördern, ist doch der freie Wille im Zeitalter Immanuel Kants das Hauptelement privatrechtlicher Existenz. Aber in der Ansicht, nach welcher der Wille der Ehefrau zum Abschluss eines Vertrags ausschlaggebend sein musste,101 und zwar in ihrer Verbindung mit einer gesteigerten Rücksichtnahme auf die Interessen Dritter, keimt bereits das Aufkommen objektiver Momente in der Willens- und Vertragsauslegung. Dies äußert sich in der etwas verwirrten und jedenfalls verwirrenden Argumentation von Lord Cottenham. Er stellt ohne Zweifel entschieden auf den Willen der Parteien ab. Doch, so sagt er, seitdem die Equity der Ehefrau ein „separate estate“ und die daraus folgende und darauf bezogene Vertragsfähigkeit anerkannt habe, habe sie zugleich den Gläubigern der Ehefrau in diesem Vermögen eine zuverlässige Haftungsgrundlage zu gewährleisten. Diese sei aber nicht in einer persönlichen Haftung der Frau – also nicht in der Annahme eines „general engagement“ –, sondern eben in der Verfügbarkeit des „separate estate“ zu erblicken.102 In ihrer Anmerkung zu diesem und anderen Urteilen weisen White und Tudor ausdrücklich darauf hin, dass sich Urteile, die mehr Gewicht auf den subjektiven Willen der Frau gelegt haben, mit der späteren Judikatur eher intransigent verhalten.103 Offenbar hatte der Prozess bereits eingesetzt, den Oliver W. Holmes in seinem berühmten Buch „The Common Law“ (1881), freilich in anderen Zusammenhängen und im Hinblick auf ganz andere Problemkonstellationen, analysiert hatte. Das Vorangegangene lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Ehefrau kann ein „separate estate“ besitzen und darüber verfügen, was bedeutet, dass sie auch Verträge abschließen kann. Persönlich kann sie sich allerdings nicht binden, deswegen muss im jeweiligen Vertrag stets Bezug auf die genannte Vermögensmasse genommen worden sein, denn sonst entsteht keine Haftung der Ehefrau. Die Bezugnahme muss jedoch weder schriftlich noch ausdrücklich erfolgen. Der relevante Vertragsinhalt wird vielmehr anhand des Parteienwillens auszulegen sein, unabhängig vom eventuell schriftlich Niedergelegten. Der Parteiwille zergliedert sich in das Interesse der Ehefrau einen Vertrag abzuschließen und in das Interesse der Gläubiger an einem sicheren Haftungsobjekt, wobei das Interesse der Gläubiger dasjenige der Ehefrau zu überwiegen beginnt.

101 Denn der Wille, den die Richter annehmen, hat diese bestimmte Richtung. Sie nähern sich der Willensauslegung mit diesem bestimmten Vorverständnis. 102 Owens v. Dickenson, zit. nach White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 336. 103 White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 337.

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4. Prozess – Rechtsgeschäfte unter den Ehegatten – Legal Unity Bisher rüttelte die juristische Konzeption des „separate estate“ an allen fundamentalen Annahmen des Common Law. Demnach wird „unverholen“ die Möglichkeit eines eigenen Vermögens der Ehefrau bejaht, mit der Konsequenz, dass sie in die Lage versetzt wird, vertragliche Beziehungen mit Dritten einzugehen, ohne dass der Ehemann Einfluss darauf nehmen kann. Dies setzt sich auch im Rahmen der prozessualen Verwirklichung ihrer Rechte fort – freilich mit gewissen Modifikationen – womit das Prinzip der „Legal Unity“ in unmittelbarem Zusammenhang steht. a) Passivlegitimation und Parteifähigkeit der Ehefrau Verklagt wird das „separate estate“, was bedeutet, dass die Anordnung des Gerichts an die Treuhänder desselben gerichtet wird. Das ändert aber nichts daran, dass die Ehefrau im Gerichtsverfahren eine essentielle Rolle übernimmt. Ohne ihre Anwesenheit und ihre Anhörung („without her answer“) kann das Gericht kein Urteil über ihr getrenntes Vermögen fällen.104 Des Weiteren ist die Ehefrau allein verantwortlich dafür, den prozessrechtlichen Verhaltenspflichten einer Partei – etwa wahrheitsgemäß zur Klärung des Sachverhalts beizutragen – nachzukommen, und zwar auch dann, wenn ihr Ehemann zusammen mit ihr verklagt worden ist. Für eventuelle Verstöße wird sie allein zu belangen sein.105 b) Aktivlegitimation Was speziell die Aktivlegitimation der Ehefrau anbelangt, so wurde die Entstehung des „separate estate“ sehr früh mit dem erforderlichen Schutzregiment versorgt. Hervorzuheben ist nur, dass die Aktivierung der dazu gehörigen Schutzmechanismen ebenso früh der Ehefrau selbst anvertraut wurde. So kann sie in diesem Zusammenhang gegen die Treuhänder vorgehen, wenn diese ihre Pflichten verletzen.106 Noch bedeutender ist allerdings, da sich die familienrechtliche Stellung der Ehefrau in erster Linie durch das Verhältnis gegenüber ihrem Ehemann definiert, dass sie ihr Vermögen auch gegen ihren Gatten gerichtlich schützen kann. Letzteres ist nicht nur ein Novum gegen104 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 255. 105 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 255f. 106 Hierzu und zum Folgenden vgl. Kerly, An Historical Sketch of the Equitable Jurisdiction of the Courts of Chancery, S. 142 m.w.H.

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über dem Common Law, welches sich, wie oben ausgeführt, ein Vorgehen des einen Ehegatten gegen den anderen überhaupt nicht vorstellen konnte. Denn es basierte auf der Annahme, dass die Eheleute eine unzertrennliche Gemeinschaft verkörpern, und eine solche kann sich unmöglich gegen sich selbst wenden – umso mehr, wenn die Ehefrau diejenige ist, die sich gegen den Ehemann richtet. Denn dieser war der Kopf der Gemeinschaft, mehr noch: Der Ehemann war die ganze Gemeinschaft, insofern als die Ehefrau als Rechtspersönlichkeit in ihm aufging. Die Entscheidung der Equity kann deswegen als der Beginn einer tiefgreifenden Erosion der grundlegenden Begrifflichkeiten des Common Law angesehen werden. Eine begriffliche Erosion, ohne welche die unten noch herauszuarbeitende historische Erosion des ganzen CommonLaw-Gebäudes107 nicht erfassbar ist. c) Verträge unter den Ehegatten Schließlich sind Rechtsgeschäfte unter den Ehegatten gültig. Anders verhielt es sich nach dem Common Law, denn vertragliche Vereinbarungen des Ehemannes mit seiner Gattin konnten von keinem der beiden eingeklagt werden. Denn sie stellten, wie gesagt, eine Gemeinschaft dar. Eine juristische Gemeinschaft, die mit dem Begriff der „Legal Unity“ umschrieben und konstituiert wurde. Man erkennt hier, dass diese Ausnahmen das Fundament des Common Law konkret angreifen. So hatte sich in dem Fall Cannel v. Buckle die Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann verpflichtet, ihm nach ihrer Eheschließung – und unter dieser Bedingung – ein ihr gehörendes Grundstück zu übertragen. Das Gericht hielt die Vereinbarung für gültig. Zwar war die richterliche Begründung, dass es unsinnig wäre, die Bedingung für die Entstehung der Verpflichtung, nämlich die Ehe, zugleich als eine Bedingung zu ihrem Untergang zu betrachten, recht formal.108 Aber Bright109 sieht durchaus, dass hier das Prinzip der „Legal Unity“ durchbrochen wird. Im Rahmen von solchen Transaktionen wird die Ehefrau eben als „feme sole“, also als eine unverheiratete Frau angesehen.110

107 108 109 110

Vgl. im zweiten Teil unter E. V. 3b. Zit. nach Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 19. Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife I, S. 18f. Außerdem wird die Gültigkeit ihres Willensentschlusses, wieder im Gegensatz zum Common Law, auch nicht gerichtlich überwacht. S. Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 257f.

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5. Der Schutzcharakter des „separate estate“ Oben wurde vom ungestörten Zugriff der Ehefrau auf ein Sondervermögen als dogmatische Einordnung des „separate estate“ gesprochen. Aber dies ist nicht ganz exakt. Es bestand nämlich die Möglichkeit, diesen Zugriff erheblich einzuschränken.Außerdem hielt sich beim „separate estate“ die Verantwortungsübertragung von vornherein in Grenzen, was sich auch begrifflich artikuliert. a) Immanente Schutzdimension Eine der dogmatischen Konstruktion immanent anhaftende und von der Jurisprudenz sorgfältig bewahrte Schutzdimension wurde bereits oben behandelt. Sie bestand in der Beschränkung der Haftung auf ein Sondervermögen und den damit einhergehenden Ausschluss jeder persönlichen Haftung. Was nun ihre Zweckrichtung anbelangt, wird man wohl kaum falsch liegen, wenn man diesen Aspekt der dogmatischen Konstruktion in die oben schon herausgearbeitete Argumentationslinie einreiht, nach welcher die Frau selbst und die Familie vor deren geschäftlicher Unerfahrenheit geschützt werden sollen. Im Rahmen des Common Law hat sich die Bearbeitung ausführlich mit diesem Grundsatz befasst.111 Hinsichtlich der gesetzlichen Reformen wird darauf noch zurückzukommen sein.112 b) „Restraint on alienation“ und „Restraint upon anticipation“ Eine zweite Einschränkung ähnlicher Richtung kommt nun hinzu, allerdings gleichsam „von außen“. Der ursprüngliche Vermögensinhaber konnte anordnen, dass seine Begünstigte während der Ehe nur in sehr engem Rahmen das Recht haben sollte, das ihr zustehende Vermögen zu nutzen bzw. darüber zu verfügen. Eine solche Maßnahme seinerseits wurde ohne jegliches Zögern in eine einzige Richtung interpretiert: Es sollte vermieden werden, dass der Ehemann sich durch seinen Einfluss auf die Ehefrau deren Vermögen aneignet.113 Dies eröffnet zunächst einen besseren Einblick in das Frauenbild der EquityJurisdiktion, wobei durchaus zu differenzieren ist. Was man zugeben wird, ist, dass die Gerichtsbarkeit des Lordkanzlers ohne Weiteres bereit war, das Frauenbild der englischen Gesellschaft mit rechtli111 Vgl. oben im ersten Teil, A. IV. 1., bzw. ebenfalls im ersten Teil, A. VI. 3. 112 Vgl. etwa aus dem zweiten Teil, D. I. 2. 113 Vgl. White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 325, 339, 340..

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chen Mitteln zu sanktionieren. Bei der Bearbeitung des Common Law wurde bereits deutlich, dass man im 19. Jahrhundert und sicherlich auch früher weitgehend davon ausging, dass die Ehefrau von ihrem Ehemann manipulierbar war. Deswegen musste sie hier, wie überhaupt im geschäftlichen Bereich, geschützt werden. Im Rahmen der Untersuchung des Common Law ist die Initiative der Gerichte, bei bestimmten Transaktionen die ordnungsgemäße Willensbildung der Ehefrau zu hinterfragen, als ein solcher Schutzmechanismus eingeordnet worden.114 Indem die hier angesprochenen Richter der „Chancery Jurisdiction“ den genannten Willen des ursprünglichen Vermögensinhabers anerkannten, verschafften sie diesem Frauenbild auch Zugang zur Equity. Daher wird die hier zu bearbeitende Regelung als Schutzmechanismus des Rechts interpretiert. Andererseits soll nicht verschwiegen werden, dass zwischen Equity und Common Law auch in dieser Frage ein elementarer Unterschied bestand. Wenn vom Vermögensüberlassenden keine Einschränkungen vorgesehen wurden, dann sahen auch die Equity-Gerichte keine zusätzlichen Einschränkungen vor. Obwohl man die betreffenden Richter deswegen keinesfalls frauenfreundlicher Motive „schuldig“ sprechen kann, geht man doch schon sehr lange davon aus, dass die Übernahme von Verantwortung einen wesentlichen Bestandteil jeglichen Entwurfs individueller Autonomie sowie der bürgerlichrechtlichen Privatautonomie darstellt. Die Equity-Gerichte haben eine solche Verantwortungsübernahme nicht prinzipiell verhindert. Die Einschränkung der Verfügungsfähigkeit der Ehefrau wird in ihrer dogmatischen Ausgestaltung nachfolgend näher betrachtet. Hier trifft man zunächst auf die Begriffe „Restraint on alienation“ und „Restraint upon anticipation“, wobei man die Präpositionen „on“ und „upon“ durchaus umtauschte.115 Im Grunde scheint der erste Begriff die Wirkung einer Norm zu bezeichnen und der zweite die Art und Weise, wie sich diese Wirkung zu realisieren hat; es geht also zuerst um die Einschränkung der Verfügungsfähigkeit der Ehefrau und dann darum, zu bestimmen, wie diese verwirklicht werden soll. Sie stehen insofern in Zusammenhang, als „without power of anticipation, it is clear that alienation by her is restrained“.116 Obwohl sie anscheinend nicht gleichzeitig entstanden sind117 und offenbar auch nicht dasselbe bedeuteten, werden sie

114 S. im ersten Teil, A. II. 5. 115 Vgl. zum einen White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 339, zum anderen Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 274. 116 White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 342. 117 Vgl. etwa Hart, The Origins of the Restraint upon Anticipation, L.Q.R., S. 220.

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von der Literatur des 19.  Jahrhunderts in einem Atemzug genannt, wovon auch hier nicht abgewichen werden soll. aa) Dogmatische Konstruktion der Verfügungsbeschränkung Im Folgenden wird vor allem aus Gründen der interessanten Entstehungsgeschichte, die dieses Rechtsinstitut aufweist, auf das „Restraint upon anticipation“ eingegangen. Zur Schilderung soll der Fall Jackson v. Hobhouse dienen: Es wurde ein Geldbetrag auf mehrere Treuhänder übertragen, damit sie diesen verwalten und ihrerseits den daraus zu ziehenden Zinsertrag an die Begünstigte, eine Ehefrau, zur getrennten Nutzung übertragen. Bei der Regelung der ersten Übertragung wurde außerdem vorgesehen, dass die Ehefrau auf keinen Fall antizipierend („upon anticipation“) über das ganze ihr zustehende Vermögen, d.h. über den gesamten Zinsertrag des Vermögens, soll disponieren können. Das bedeutet, dass das Verfügungsrecht der Ehefrau über ihr Vermögen quantitativ auf jede einzelne Leistung der Treuhänder beschränkt war, worin ein „Restraint upon anticipation“ besteht. Dennoch setzten sie und ihr Ehemann besagtes Vermögen als Kreditsicherheit ein. Am Geschäft beteiligte sich auf der Schuldnerseite auch ein Dritter als Bürge. Nachdem er allein die Schuld beglichen hatte, wandte er sich gegen seine beiden Mitschuldner und verlangte von den Treuhändern Leistung aus dem eingesetzten Vermögen der Ehefrau. Dies wurde ihm von Lord Eldon verweigert, und zwar unter Hinweis auf die genannte Formel, welche solchen Transaktionen der Ehefrau entgegenstand.118 „Zufällig“ liegen Informationen über die genauen Ursprünge dieser dogmatischen Konstruktion vor und es erscheint besonders interessant, davon zu berichten. Zunächst einmal handelt es sich um eine Entdeckung des späten 18., vielleicht auch der ersten Jahre des 19. Jahrhunderts. Die zeitgenössische Literatur sowie Walter H. Hart in seinem diesen Ursprüngen nachgehenden Artikel sind sich einig, dass der Fall einer gewissen/ungewissen Miss Watson alles auslöste.119 Das „Restraint upon anticipation“ war eine Entdeckung des bereits bekannten Richters Lord Thurlow, der im oben zitierten Urteil Hulme v. Tenant entschied. Im Fall von Miss Watson handelte er jedoch nicht als Richter, sondern als Rechtsberater des ursprünglichen Vermögensinhabers und hat damit den juristisch wesentlichen Inhalt des konstituierenden Doku-

118 Fall zit. nach Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 275. 119 Vgl. einerseits Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 274, bzw. White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity, S. 339, andererseits Hart, The Origins of the Restraint upon Anticipation, L.Q.R., S. 224 m.w.H.

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ments zum „Trust“ verfasst.120 Dort sah er vor, dass die Ehefrau über das ihr zustehende Vermögen nur unter „Restraint upon anticipation“ sollte verfügen können. Doch wie kam er zu dem Entschluss, die Verfügungsfähigkeit der Ehefrau dermaßen einzuschränken? Er war doch derjenige gewesen, der in der Sache Hulme v. Tenant der weiblichen Emanzipation den Weg geebnet hatte. Nach diesem Fall war ihm als Richter ein anderer Fall begegnet: Der Ehemann heiratete seine Gattin unter umstrittenen, aber rechtsgültigen Umständen.121 Das Equity-Gericht, Lord Thurlow, hat daraufhin das Vermögen der Ehefrau, da sie unter der Vormundschaft des Gerichts stand, einem „Trust“ unterworfen, um es dem Zugriff des Ehemannes zu entziehen. Dieser aber war insolvent und daher verzweifelt. Dies war für ihn ein Zustand besonderer Inspiration. Er fand eine Regelungslücke des „Trust“ und nutzte sie aus. Das Vermögen der Ehefrau wurde nun doch Haftungsobjekt eines Schuldverhältnisses. Lord Thurlow gab als Richter des folgenden Prozesses alles dafür, das getrennte Vermögen der Ehefrau vor dem Zugriff der Gläubiger ihres Ehemannes zu bewahren. Er musste am Ende resignieren. Dann kam der Fall von Miss Watson. Als Rechtsberater konnte Lord Thurlow nun den Zwängen entgehen, denen er als Richter unterworfen war. Der Triumph der eigenhändigen Durchsetzung seiner Entdeckung, diesmal aus der Richterbank, war ihm wahrscheinlich nicht mehr vergönnt. Das hat dann sein Freund Lord Eldon für ihn getan.122 Es soll schließlich auf eine letzte Einzelheit hingewiesen werden. Sie betrifft die Frage nach den Grenzen der Verfügungseinschränkung im Rahmen des geschäftlichen Kontakts. Es handelt sich um das Problem des gutgläubi120 Dies zeigt ein weiteres Mal, wie mangelhaft jede Rechtsquellenlehre ist, die nur den Gesetzgeber als Rechtsschöpfer anerkennt, wie arm viele heutige vergleichende Betrachtungen sind, die der Kautelarjurisprudenz im jeweiligen Rechtssystem höchstens eine marginale, eher bloße Anwesenheit suggerierende Rolle einräumen. Selbstverständlich findet das alles unter der Geltung einer Rechtsquellenlehre statt, die keine Rechtsursprungslehre sein will. Eine Lehre, die sich vorstellt, ohne historischen Sinn irgendetwas festlegen zu können – eine Lehre, die in möglichst ungeschichtlicher Weise in einer geschichtlichen, d.h. realen Welt, unangetastet bleiben soll. In einer historisch-vergleichenden Untersuchung dieses Fragenkreises wäre es interessant der Frage nachzugehen, inwiefern das jeweilige Juristenbewusstsein diese Einflussnahme wahrnimmt bzw. wahrgenommen hat. Es scheint ein wesentliches Anliegen des „Gesetzespositivismus“-Phänomens zu sein, solche grundsätzlich „irrationalen“ Wahrnehmungen zu verhindern. 121 Es handelte sich nach Hart wahrscheinlich um eine sog. „Gretna-Green-Ehe“. Dazu ausführlich Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 577ff. 122 Allerdings auch nicht als Erster. Zu weiteren Einzelheiten s. Hart, L.Q.R., S. 220ff., woraus alles Vorangegangene entnommen ist.

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gen Dritten. Desjenigen Vertragspartners der Ehefrau also, der von der Existenz einer solchen Verfügungsbeschränkung seines Gegenübers nichts wusste. Konnte er deswegen die Verfügungsbeschränkung umgehen? Die Entschiedenheit, mit welcher diese Frage von Lord Eldon in dem oben erwähnten Urteil Jackson v. Hobhouse verneint wurde, überrascht ein wenig. Denn die vorangegangenen Ausführungen zum Common Law haben gezeigt, dass Überlegungen zum Gläubigerschutz, also letztlich zur Gewährleistung von rechtsgeschäftlicher Rechtssicherheit, durchaus angestellt wurden. Auch ist von niemandem, soweit ersichtlich, behauptet worden, dass die Gerichtsbarkeit des Lordkanzlers tendenziell weniger marktfreundlich entschieden hätte. Das ganze „Trust-Regime“ diente nicht zuletzt der Dynamisierung der Wirtschaft. Man hätte demzufolge erwarten können, dass der Richter Differenzierungen vornehmen und je nach Wissensmöglichkeit des betroffenen Gläubigers anders entscheiden würde. Doch was er Letzterem zu sagen hat, ist, dass das Gericht dem Willen des ursprünglichen Vermögensinhabers nicht widersprechen könne, auch wenn dieser von der Ehefrau bezüglich ihrer Verfügungsbeschränkung getäuscht worden wäre.123 Der Gläubigerschutz wurde zwar als Problem wahrgenommen, bildete im Ergebnis aber kein Gegengewicht zu den Verfügungsbeschränkungen „Restraint on alienation“ und „Restraint upon anticipation“.124 bb) Form der Verfügungsbeschränkung Die letzte Frage, die beantwortet werden muss, ist die Formfrage. Zur Gültigkeit einer solchen Verfügungsbeschränkung bestehen keine besonderen Formvorschriften. Von diesem Grundsatz kann man ausgehen.125 Das bedeutet, sie konnte schriftlich oder mündlich, ausdrücklich oder stillschweigend zustande kommen. Erfahrungsgemäß ergeben sich daraus Probleme, um entscheidungsrelevante Kriterien festzulegen. Bisher konnte verfolgt werden, wie sich englische Richter und die sie begleitende Literatur in ähnlichen Problemkonstellationen auf bestimmte Ausdrücke gestützt oder auch gesetzliche Vermutungen aufgestellt haben, auf welche sie dann rekurrierten. Geschlechtsspezifisch interessant ist in diesem Zusammenhang die folgende Bemerkung von Atherley. Er geht im Jahre 1813 davon aus, dass „in settling property, however, to a married woman’s separate use, the intention generally

123 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 275, der im Jahre 1849 insoweit von keiner Änderung der Rechtslage berichtet. 124 Vgl. auch Coke, The first part of the institutes, Vol. II, 351a, Fn. 1 IV. 125 White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 341.

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is, that she shall not have an absolute unrestrained dominion over it; but on the contrary, that it should be an unalienable interest“.126 Er stellt also die Verfügungsbeschränkung der Ehefrau als Grundsatz des englischen Rechts dar und richtet seine Aufmerksamkeit auf diejenigen Formulierungen, die der genannten Vermutung eine konkrete Gestalt geben könnten. Er nennt zwar nicht die Gründe, welche seine erwähnte Überzeugung fundieren und charakteristischerweise zitiert er auch keine gleichlautende Judikatur. Seine Ansicht befindet sich aber im Einklang mit dem oben beschriebenen Bild von der Ehefrau, von dem man meinen könnte, es sei durch die Equity, wenn auch nicht durchweg, „adoptiert“ worden. Anders klingt es dagegen schon, wenn White und Tudor (1858) meinen, der Wille zur Statuierung einer solchen Verfügungsbeschränkung müsse sich klar ergeben.127 Vollends in die Atherleys Auffassung entgegengesetzte Richtung weist schließlich auch Bright (1849). Er meint nämlich, dass es zunächst überhaupt umstritten gewesen sei, ob eine solche Verfügungsbeschränkung hätte stattfinden dürfen. Nachdem sie aber seit dem „Miss-Watson- Fall“ Eingang in das geltende Recht erhalten hatte, begründete eine Reihe von Urteilen die Annahme, dass starke Indizien notwendig seien, damit eine solche Verfügungsbeschränkung angenommen werden könne.128 In der Tat haben es sich die Gerichte mit der Annahme eines „Restraint upon alienation“ nicht leicht gemacht. Eine solche Annahme haben sie insbesondere in Fällen verneint, in welchen relativ starke Ausdrücke verwendet wurden, die eine Verfügungsbeschränkung gerechtfertigt haben könnten. Dies haben die Gerichte auch recht früh getan, so dass man nicht behaupten kann, ihre Entscheidungen seien das Ergebnis des Einflusses von gewandelten Frauenbildern (seit der Zeit von Atherley).129 Man kann also davon ausgehen, dass eine Vermutung zugunsten der uneingeschränkten Verfügungsfreiheit der Ehefrau bestand.130 Dennoch wurden an die Konstatierung des Gegenteils keine hohen Anforderungen gestellt. Man gab sich meistens mit dem Ausdruck „Restraint on alienation“ oder „Restraint upon anticipation“ zufrieden. 126 Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 331 (Hervorhebung im Original). 127 White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 341. 128 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 276. 129 Schon Lord Eldon hat nämlich auf diese Weise entschieden, in: Parkes v. White, zit. nach White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 342. Dort ebenfalls zu den erwähnten Ausdrücken. 130 Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 276ff., geht auch auf ein anderslautendes Urteil ein und begründet entsprechend, weswegen es keine Autorität beanspruchen kann.

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Dass die Beweislastregelung schließlich auf die Normierung der Schriftform hinausläuft, hat man damals auch gesehen.131 6. Dauer des „separate estate“ „As the separate use, and the restraint upon alienation, which is a modification of it, are creatures of equity, called into existence merely for the purpose of securing to the wife the enjoyment of her own property free from marital tights and influence, they cease to exist when they are not necessary for that purpose.“132

Das bedeutet, jegliche Verfügungsbeschränkung wird mit dem Ende des „coverture“ aufgehoben.133 Die Ehefrau wird nunmehr als eine „feme sole“ nicht bloß betrachtet, sondern sie ist eine solche. Und bei einer „feme sole“ – die implizierte Differenzierung ist mentalitätstragend und -bildend gewesen – kann man nicht von Eigentum sprechen „any more than a man“, ohne damit auch das Merkmal zu meinen, welches Eigentum nach Common Law konstituiert: das Verfügungsrecht.134 Es fragt sich endlich, was aus dem nicht mehr geltenden „separate estate“ wurde, wenn die begünstigte Ehefrau eine neue Ehe einging. Spätestens seit dem Urteil Tullet v. Armstrong galt unangefochten, dass ein „separate estate“ bei jeder Ehe entsteht bzw. neu entsteht. So wie es also gegenüber dem Ehemann auch dann gültig ist, wenn es vor der Ehe und ohne sein Wissen konstituiert wurde, so lebt ein „separate estate“, das zuvor bestanden hat, wieder auf, wenn eine neue Ehe eingegangen wird.135 131 S. auch Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 332. Die betreffenden Dokumente handelten ohnehin meistens von der letztwilligen Regelung des Vermögensschicksals, so dass sie immer schriftlich abgefasst sein mussten. Die hier relevanten Fragen sprechen aber die Problematik an, ob man daraus Aussagen, die nicht schriftlich artikuliert wurden, herauslesen kann. Die Argumentationsweisen von Atherley und Bright widersprechen sich auch in einer weiteren Hinsicht: Während Letzterer nämlich die einschlägigen Gerichtsurteile prüft, um zur erwünschten Formulierung einer gesetzlichen Vermutung zu gelangen, stellt Ersterer seine Vermutung auf und geht dann mit diesem Vorverständnis auf die Analyse der Judikatur ein. Dies verstärkt den Eindruck, dass es sich um seine eigene Vermutung/Wertung handelt. 132 White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 339. 133 Ebda., S. 340. 134 Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 333. 135 Das Urteil ist zum Teil abgedruckt in: White/Tudor (1858), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 340; zu demselben Fragenkomplex vgl. Bright, A Treatise on the Law of Husband and Wife II, S. 284f.

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IV. Wife’s Equity to a Settlement Neben dem „separate estate“ existierten weitere Einrichtungen der Equity, durch welche die eigenständige Handlungsfreiheit der Ehefrau Realität erlangte. Von besonderer Bedeutung und deswegen hier erwähnt, war das sog. „Wife’s equity to a settlement“. Seine Ratio manifestiere sich, sagt Atherley, am Gegensatz zum Common Law. Während es nämlich fast alle Besitzrechte dem Mann einräumte, sei dies für die Equity-Gerichte lange unangemessen gewesen. Eine nicht zu bändigende Unruhe über die finanzielle Versorgung von Ehefrau und Kindern habe sie dabei umgetrieben, so wenig sie auch mit den Gerichten des Common Law in Konflikt geraten wollten.136 Man befindet sich offenbar auf demselben Argumentationsstrang wie bisher. Allerdings ist zu betonen, dass im jetzt diskutierten Zusammenhang die Interessen des Vaters der Ehefrau deutlich zurücktreten. Denn, wie aus Atherleys Rationalisierungsversuch ersichtlich wird, geht es hier um Versorgung, für die keine Vorkehrungen getroffen wurden. Nur das Vermögen der Familie – d.h. des Ehemannes und seiner Ehefrau, welches freilich als Vermögen des Ehemannes gilt – wird hier tangiert. 1. Die Konstruktion Das genannte Rechtsinstitut tritt in Fällen auf, in welchen dem Ehemann bewegliches Vermögen („personal property“) durch die Person seiner Ehefrau zukommt, etwa indem sie dieses erbt, ihm die Inbesitznahme des fraglichen Vermögens aber nur ein Equity-Gericht ermöglichen kann.137 Das Gericht wird ihm die Inbesitznahme des beanspruchten Vermögensstücks nicht erlauben, solange er nicht einen Teil dieses Vermögens für die zukünftige Versorgung seiner Ehefrau und seiner Kinder absondert.138 Dadurch wird augenscheinlich die schon erwähnte Regelung des Common Law durchbrochen, wonach jegliches Vermögen der Ehefrau in das Eigentum oder mindestens in das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Ehemannes übergeht. Potentieller Adressat der gerichtlichen Entscheidung ist nicht nur der Ehemann, sondern beispielsweise auch ein Dritter, der Zessionar ihres Ehemannes, 136 So zur Ratio der Norm Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 343. 137 Vgl. Campbell, Principles, S. 73f. 138 Vgl. Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 343; Campbell, Principles, S. 73f.

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an welchen dieser das fragliche Vermögen übertragen hat. Denn sonst könnte er „trip up all the care and caution of the court; for the husband would have nothing to do but take up money of a third person“.139 Dasselbe galt, wenn es sich bei dem Dritten um einen Gläubiger des Ehemannes handelte,140 also um jemanden, der mit der ökonomischen Unersättlichkeit des Ehemannes nicht in Verbindung stand, sondern eher die Konsequenzen seiner damit verbundenen Unfähigkeit durchzusetzen versuchte. Hier tritt der Lordkanzler derjenigen Betrachtungsweise gegenüber, nach welcher das Schicksal der Familie an das geschäftliche Können des Ehemannes unlösbar gekoppelt war, eine Ansicht, die sich im Rahmen des Common Law weitgehend durchgesetzt hatte. 2. Umfang Man hat sich darüber hinaus über den Umfang der Versorgung Gedanken gemacht, die der Ehefrau und ihren Kindern gebührte. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte schließlich Lord Hardwicke entschieden, dafür einen bestimmten Betrag festzusetzen.141 3. Erweiterung des Rechts: Aktivlegitimation der Ehefrau Bisher wurde davon gesprochen, dass die genannten Versorgungsleistungen durch die Gerichtsentscheidung vorgesehen bzw. angeordnet werden sollten. Außerdem wurde der Fall vorausgesetzt, dass der Ehemann etwas einklagt und sein Konsens zu diesen Leistungen vom Gericht zu einer Bedingung seines stattgebenden Urteils gemacht wurde. Bei Frau Elisbank, der Ehefrau von Lord Elisbank, lag der Fall anders:142 Sie ist eins von vier Geschwistern, welchen das Vermögen von der im Jahre 1795 verstorbenen Frau Cranstown zufällt. Einer der zwei Brüder, Lewis Montolieu, übernimmt rechtmäßig die Rolle des Nachlassverwalters, der nun das Vermögen einklagt.143 Frau Elisbank 139 So Lord Hardwicke, zit. nach Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 344. 140 Atherley, A Practical Treatise of the Law of Marriage and other Family Settlements, S. 345. 141 Dazu Kerly, An Historical Sketch of the Equitable Jurisdiction of the Courts of Chancery, S. 223. 142 Elisbank v. Montolieu, zit. nach White/Tudor (1910), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 650ff. 143 Nicht für eigene Rechnung. Offenbar handelte es sich um das vorgesehene Verfahren.

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klagt ihrerseits gegen ihn und ihren Ehemann auf Festsetzung eines Teils des besagten Vermögens zur finanziellen Absicherung ihrer selbst und ihrer Familie. Der Beklagte weigert sich in seiner Replik zu leisten, und zwar, weil er den eingeklagten Betrag mit Schuldposten des Ehemannes der Klägerin gegenüber diesem zur Aufrechnung bringen will. Am 19. Februar 1801 landet die Klageschrift vor Lord Loughborough. Er hat zunächst keinen Zweifel daran, dass der Aufrechnungsanspruch des Beklagten keinen Erfolg haben wird. Wie er sagt, fungiert der Nachlassverwalter als Treuhänder für die nächsten Verwandten, so auch für Frau Elisbank. Im Normalfall hätte er vom Gericht verlangen sollen, die Aufteilung des Erbes zu regeln, wobei er in erster Linie die Interessen der Begünstigten des Treuhandverhältnisses zu wahren gehabt hätte. Seinen Pflichten gemäß hätte sich der Nachlassverwalter demnach weigern müssen, dem Ehemann den seiner Ehefrau gebührenden Anteil, den der Ehemann im Normalfall einklagen würde, zu gewähren, bevor er für die Ehefrau einen Teil davon gesichert hätte. Zwar gab es weitere Ansprüche der Ehefrau aus vorehelichen Verträgen mit ihrem Ehemann – welche Montolieu für seine Aufrechnungsposten gehalten hatte. Doch der Richter ging davon aus, dass die darin vorgesehenen Leistungen für die Versorgung der Ehefrau und ihrer Kinder nicht genügten.144 Insoweit war alles recht unkompliziert. „The difficulty was, that it was very unusual in point of form – the bill coming on the part of the wife, instead of the husband.“145 Richter Loughborough wundert sich zwar, zögert aber nicht, weiterhin eine diesbezügliche Aktivlegitimation der Ehefrau zu bejahen. Er sieht sich nicht einmal veranlasst, seine Entscheidung eingehend zu begründen – eine Entscheidung, die von den Späteren in ihrer grundlegenden Bedeutung durchaus anerkannt wurde.146 Am Ende bleibt festzuhalten, dass die Ehefrau am Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Equity Eintritt in die Gerichtsstätte, in diese Räumlichkeiten, in welchen bis dahin ausnahmslos über sie, aber ohne sie Recht gesprochen wurde, erhalten hatte. Und es handelte sich überdies um einen selbständigen Eintritt bzw. Auftritt der Ehefrau, wodurch sie als eigenständige, um die Durchsetzung ihrer Interessen ringende Persönlichkeit anerkannt und wahrgenommen wurde.147 144 Elisbank v. Montolieu, in: White/Tudor (1910), A Selection of Leading Cases in Equity I, S. 653. 145 Ebda. 146 Kerly, An Historical Sketch of the Equitable Jurisdiction of the Courts of Chancery, S. 223. 147 Weitere, in dieser Arbeit nicht behandelte Rechtsinstitute sind etwa das sog. „pinmoney“, vgl. Simpson, A History of The Land Law, S. 237, oder Bright, A Treatise on

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V. Zusammenfassung zu Equity Am Anfang des 19. Jahrhunderts hatte es der Lordkanzler, diese institutionalisierte Subjektivität, geschafft, auch dem Problemkreis des Familienrechts seinen unauslöschbaren Stempel aufzudrücken. Aus sinnverwandten, aber dennoch verschiedenartigen Motivationen heraus, hat er auf maßgebliche Weise den Status quo des englischen Rechts in dieser Frage umgestaltet. Maßgeblich waren die neuen Regelungen in doppeltem Sinn: Erstens war es ihnen „bestimmt“, auf die kommenden, umfangreicheren gesetzlichen Reformen dieses Rechtsgebiets erheblichen Einfluss zu nehmen. Zweitens waren sie ohne Zweifel, und zwar im zeitlichen Rahmen ihrer Gegenwart, für die davon betroffenen Frauen maßgeblich. Den Frauen gab die Equity nun die rechtliche Möglichkeit, einen Teil ihres Vermögens selbst zu verwalten und darüber zu verfügen. Dies geschah durch die Normierung des „separate estate“. Daraus folgte eine partielle Anerkennung der Geschäftsfähigkeit und der Prozessfähigkeit der Ehefrau. Im Hinblick auf ihre Haftung blieb jedoch dieses quantitativ bestimmte Vermögen das einzige Haftungsobjekt und seine unmittelbaren Verwalter, die von seinem ursprünglichen Besitzer ernannten Treuhänder, fungierten als ständige Referenzeinheiten und Adressaten des richterlichen Urteils. Eine persönliche Haftung der Ehefrau wurde nicht anerkannt. Die Gerichte gingen aber weiter und überließen die Ehefrau nicht einfach der Sorgfalt ihres Vaters. Mit dem Rechtsinstitut „Wife’s equity to a settlement“ setzten sie ohne das Hilfsmittel des „Trust“ fort, was sie mit diesem begonnen hatten. Was die Handlungsmotive der jeweiligen Richter anbelangt, es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sie nicht unbedingt, eher selten, wenn nicht sogar niemals einem neuen Verständnis der sozialen Rolle der Ehefrau entsprangen.148 Dennoch lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass diese Handlungsmotive nicht ganz frei von geschlechtsspezifischen Elementen waren. Mehrere richterliche Äußerungen deuten darauf hin, dass sich die Equity als die Hüterin der Frauen verstand, so wie sie auch sonst als Beschützerin der Schwachen auftrat.149 Allerdings entspricht die Übernahme der Beschützerthe Law of Husband and Wife II, S. 288f.; zum Rechtsinstitut „The wife’s reversion“ s. Kerly, An Historical Sketch of the Equitable Jurisdiction of the Courts of Chancery, S. 223f. Auf diese Rechtsinstitute wird deswegen nicht eingegangen, weil ihre Behandlung für die hier zugrunde gelegten Interessen keinen weiteren Erkenntnisgewinn verspricht. 148 So auch Kahn-Freund, in: Friedman, Matrimonial Property Law, S. 275. 149 Dazu Maitland, Equity, S. 6: Die Equity als „Zufluchtsstätte der Schwachen“.

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rolle gegenüber der Frau vollständig dem damals herrschenden Frauenbild, womit die Entscheidungspraxis höchstens als konsequent beurteilt werden kann und weit entfernt von einem Bruch mit dem patriarchalischen Familienideal zu liegen scheint. Die Gleichberechtigung der Geschlechter war am Anfang des 19. Jahrhunderts, zumindest für die zeitgenössischen Juristen, sicherlich etwas Unvorstellbares. Andererseits deutet der Begriff des „Bruches“ auch auf die Wirkungsgeschichte des richterlichen Handelns hin.150 Im zweiten Teil der Untersuchung wird noch herausgearbeitet, dass der hier geschilderte Eingriff der Richter in das Gerüst des Common Law radikal genug war, um zu den Triebkräften des Wandels hinzugezählt werden zu dürfen.151 Damit wird hier die analysierte Judikatur nicht heilig gesprochen. Die Idee der Gleichberechtigung der Geschlechter schwebte den Richtern, wie gesagt, höchstwahrscheinlich nicht einmal ansatzweise vor und doch erhob die Jurisprudenz der Equity den Anspruch, der „schwachen“ Ehefrau Schutz zu gewähren. Damit wird der Ehemann zum ersten Mal aus der Rolle des Beschützers gedrängt, mehr noch: Die Ehefrau sollte gerade vor und nicht von ihrem Ehemann geschützt werden. An dieser Stelle bricht die Equity das absolutistische (d.h. die Rechtspersönlichkeit der Ehefrau vereinnahmende) Gemeinschaftskonzept des Common Law, das den Ehemann bisher als Beschützer seiner Ehefrau vor der Außenwelt angesehen hatte. Zugleich nimmt die Equity Impulse auf, welche von einer neuen, dem Individuum zugeschriebenen Gesellschaftsimagination ausgehen.152

VI. Strukturelle Probleme des Richterrechts Die Rechtsprechung der Equity hat stillschweigend die Missstände des Common Law offenbart, indem sie versuchte, seine Rigorosität gegenüber der Ehefrau abzumildern. Darüber hinaus hat sie einen weiteren Missstand definiert; 150 Wenn in diesem Zusammenhang die Rede vom richterlichen Handeln ist, so nur deshalb, weil aus der vorangegangenen Untersuchung der Schluss gezogen worden ist, dass Rechtsnormen aus der herangezogenen Judikatur des 19. Jahrhunderts ihren Ursprung auch im menschlichen Handeln haben und nicht bloß als das Ergebnis eines weitgehenden autonomen systemischen Automatismus betrachtet werden können. 151 Vgl. im zweiten Teil, E. V. 3b. Der Begriff des „Radikalen“ hat hier einen bestimmten Sinn. Er deutet nämlich nicht auf die „Substanz“ des Geschehens, sondern auf seine imaginäre „Wurzel“ hin. Letztere versteht sich nicht als „Ursache“, sondern vielmehr als „Moment geschichtlicher Schöpfung“. 152 Zur geschlechts- und familienbezogenen Entwicklung des englischen Individualismus, auch in Verbindung mit dem Recht, s. Stone, Family, S. 221–269.

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diesmal nicht des Common Law, sondern des englischen Rechtssystems insgesamt, und zwar durch ihre bloße Existenz. Zu Beginn dieses Kapitels wurde von der eigentümlichen Dualität des englischen Richterrechts gesprochen.153 Holdsworth beschreibt im Zusammenhang mit dem Vertragsrecht die nebeneinander urteilenden Gerichtsbarkeiten als belebendes Element des englischen Rechts und untersucht, inwiefern sich der erwähnte Konflikt als eines der wesentlichen Strukturmerkmale dieser Rechtsordnung erwiesen hatte.154 Eine solche positive Einschätzung der Trennung der Gerichtsbarkeiten mögen die jeweiligen Zeitgenossen lange geteilt haben. Im Zeitalter der gesetzlichen Reformen geriet sie alsbald unter starken Beschuss. Der prominenteste Reformer des englischen Rechts, Jeremy Bentham, prangerte seinen diesbezüglichen Zustand entschieden an und weitere Kritiker folgten.155 Die hier verfolgte Problematik steht damit jedoch nur indirekt im Zusammenhang, denn es ging den Kritikern vorrangig um die Komplexität des englischen Rechts, dessen Reduktion bekanntlich ein wesentliches Anliegen speziell des benthamschen und des utilitaristischen Denkens überhaupt war. Bentham und sein Freund John Austin äußerten bei dieser Gelegenheit allgemeine Bedenken hinsichtlich der Rechtsnormqualität des Richterrechts.156 Hier ist jedoch ein anderes Problem, das der Richterrechtsdualität erwuchs, Gegenstand der Untersuchung. 1. Ökonomische Klassengegensätze Dieses Problem ergibt sich, wenn man die Frage stellt, welchen Teil der Bevölkerung die Equity-Entscheidungen unmittelbar betrafen. In seiner geistvollen historischen Interpretation des englischen Rechts im 19. Jahrhundert stellt der liberal-konservative Rechtsgelehrte,157 der „Erfinder“ des „Rule of Law“, Albert Venn Dicey (1835–1922), fest: „There came, therefore, to be not in theory but in fact one law for the rich and another for the poor.“158 Die Trennung der Gerichtsbarkeiten hatte trotz aller Bemühungen oder vielmehr neben allen 153 Erster Teil, B. II. 154 Holdsworth, A History I, S. 456; zu demselben Problemkreis auch Rheinstein, Das angloamerikanische Schuldverhältnis, insb. Kap. 3 und 4. 155 Dazu Holdsworth, A History XIII, S. 292. Zur früheren Kritik ders., A History I, S. 433. 156 Vgl. etwa Bentham, Fragment on Government,Kap. 1, S. 41, und Austin, Lectures II, S. 642. 157 Vgl. dazu Hilton, S. 733 (im Namensverzeichnis). 158 Dicey, Lectures, S. 383.

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Bemühungen, ihr Verhältnis in theoretischer Harmonie zu konzipieren, die ökonomisch definierten Klassengegensätze der englischen Gesellschaft in den Bereich des Rechts zurückgeholt. Das Dramatische dieses Ergebnisses besteht u.a. darin, dass damit das durch die bürgerliche Welt propagierte Ideal der formellen Gleichheit, der Gleichheit vor dem Gesetz, durchbrochen wurde. Vermutlich war dies einer der Gründe, weswegen Dicey, wie auch mehrere Parlamentarier im Zusammenhang mit den Reformdiskussionen159 darin eine Ungerechtigkeit empfanden.160 Doch wie äußerte sich die genannte Klassendifferenzierung? Zur Beantwortung dieser Frage ist es notwendig, einerseits die Kosten des Gerichtsverfahrens selbst und andererseits die Kosten des Weges dahin zu berücksichtigen. Mit Letzterem ist nichts anderes gemeint, als dass die Rechtsbehelfe der Equity für die Betroffenen nur beim Vorhandensein bestimmter realer Bedingungen finanzieller Natur Relevanz erlangten. Erforderlich war, dass ein Vermögen existierte, und zwar ein solches, dessen Umfang die Übernahme der Kosten zur Konstituierung eines „Trust“ rechtfertigen würde. Wenn man sich an die Diskussion erinnert, die um die Formerfordernisse eines „Trust“ kreiste, dann erübrigt sich jedwedes weitere Nachdenken darüber, ob die Hilfe von Rechtsanwälten wirklich notwendig war. Ebenso war ein Vermögen entsprechenden Umfangs die unabdingbare Voraussetzung für die Eheleute, um überhaupt auf die Idee zu kommen, einen Vertrag abzuschließen, der zur Entstehung eines „separate estate“ führen würde. Diese Möglichkeiten standen also nur denjenigen sozialen Schichten, die über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügten, offen. Demzufolge bildeten sich zwei Klassen von Ehefrauen161, und zwar die reichen Ehefrauen, die etwas mehr Freiheit genießen konnten, und die ärmeren Frauen, die ständig der realen Gefahr ausgesetzt waren, dass ihr hart erarbeitetes Einkommen von ihrem Ehemann verschwendet werden könnte. Denn ihm gehörte es ja!162 159 Vgl. die Darstellung bei Shanley, Feminism, S. 67–78; s. auch Hansard, 192 (1868), S. 1359. 160 Das geht hervor aus Dicey, Lectures on the Relations, S. 383, Fn. 1. 161 Ein Klassengegensatz, dem noch nichts Ideologisches „anhaftet“. 162 Darauf weist auch Dicey, Lectures, S. 383, hin. Aber diese Problemlage wurde viel früher wahrgenommen und bereits 1856 im englischen Parlament vorgetragen, s. Hansard, 142 (1856), S. 1279ff. Auch die spätere Parlamentsdiskussion ist angefüllt mit solchen Beispielen, s. sehr lebhaft Hansard, 192 (1868), S. 1374. Schließlich bildet ein solcher Lebenssachverhalt – konkret der verlassenen Ehefrau, deren Ehemann zurückkommt, um sich ihr Erarbeitetes anzueignen – einen zentralen Abschnitt des Dramas von Caroline Norton (English Laws for Women in the Nineteenth Century), worauf später eingangen wird.

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Dazu könnte eingewandt werden, dass immer noch gewisse Möglichkeiten übrig blieben, der Ehefrau auch außerhalb einer friedvollen ehelichen Gemeinschaft einen würdigen Lebensstandard zu erhalten. Die Neuerungen der Equity beschränkten sich, wie bereits erwähnt, nicht auf das „Trust“, sondern es wurde oben beispielsweise auch von dem Rechtsinstitut „Wife’s equity to a settlement“ gesprochen. Doch um die dort in Rede stehenden Unterhaltsleistungen zu erhalten, musste die Ehefrau vor dem Gericht des Lordkanzlers klagen. Damit ergibt sich die zweite Dimension der genannten Klassendifferenzierung. Wie sich aus der bisherigen Untersuchung leicht ergibt, war sie nicht in den Voraussetzungen des Verfahrensrechts, welche die Ehefrau an der Geltendmachung ihres Anspruchs hätten hindern können, zu erblicken. Die Klassendifferenzierung wurde vielmehr durch einen Umstand gefördert, der nicht nur die Frauen betraf und im 19. Jahrhundert zahlreich Kritik geerntet hatte: die hohen Kosten, mit welchen jedes Verfahren verbunden war. Der Grund für diese Kosten lag einerseits im politischen, andererseits im juristischen Bereich. Eine Realität, die jedermann zusätzlich einzukalkulieren hatte, der Billigkeit beanspruchen wollte, war die Korruption.163 Das Richteramt beim Gericht des Lordkanzlers – ein Gericht, das anfangs unmittelbar in die königliche Maschinerie eingeflochten war164 – bedeutete das Innehaben politischer Macht.165 Nicht selten löste man diese Macht auf finanzielle Weise ein. Doch es war nicht nur die Korruption. Dieselben Beamten sorgten auf vielerlei Weise dafür, dass ihre Bemühungen, Gerechtigkeit walten zu lassen, immer lohnend war. Der vorgeschriebene Gang des Verfahrens verlief etwa folgendermaßen: Für jeden Fall waren mindestens fünf Schritte erforderlich, davon war jeder mit zusätzlichen Kosten – und selbstverständlich – mit zusätzlicher Dauer verbunden. „A right of litigation which is limited alone by the means of gratifying it, places the poor suitor at the mercy of his rich antagonist“, sagt man noch im Jahr 1826.166 Der Fall eines gewissen Sir John Bramston vermag diesen Sachverhalt zu verdeutlichen: Seine Großmutter hatte einen gerichtlichen Streit begonnen. Da sie das Glück seiner Vollendung nicht mehr erfahren durfte, übernahm er als ihr Erbe die Fortsetzung des Verfahrens. Der Wert des Streitgegenstands lag zu diesem Zeitpunkt bei 4 Pounds. Am Ende des Verfahrens stand Bramston mit Gesamtkosten von über 200 Pounds da! 163 164 165 166

Vgl. hierzu insgesamt Holdsworth, A History I, S. 424–428, 439–442. Dazu etwa Holdsworth, A History I, S. 395–404. Vgl. Holdsworth, A History I, S. 424f., 439. Zit. nach Holdsworth, A History I, S. 438.

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Unter diesen Umständen muss man die weitgehende Nutzlosigkeit der sog. „Wife’s equity to a settlement“ für Ehefrauen, die sich als Angehörige der finanziell schwächeren Schichten ansehen mussten, nicht betonen. Die Equity konnte das soziale Problem, dass verschuldete oder verschwenderische Ehemänner das Vermögen der Familie vollständig verbrauchten, innerhalb der Gesellschaftsklassen, die am meisten davon betroffen waren, folglich nicht lösen. 2. Der Ruf nach Gesetzen Die Realität der Equity sowie die Struktur des englischen Richterrechts standen im 19. Jahrhundert ständig und bis zu ihrer Reformierung in der Kritik. Der geschilderte Verfahrensgang, die damit verbundenen hohen Kosten und die sich daraus ergebende lange Verfahrensdauer waren Hauptpunkte, an denen sich die Kritik von Bentham entzündete167. Wie bereits gesagt, kam dieselbe Kritik auch im Rahmen der parlamentarischen Diskussion zur Sprache. Auch viele Frauen bzw. die Frauenbewegung hatte diese Schwachpunkte des englischen Richterrechts deutlich gesehen und dort auf Möglichkeiten der Verbesserung hingewiesen.168 Wie diese ganze Kritik mit den Gesetzesreformen zusammenhängt,169 wird im zweiten Teil dieser Arbeit herauszuarbeiten sein. Hier ist zunächst einmal herauszustreichen, dass dieser Tadel nicht nur als ein Ruf nach Gerechtigkeit, sondern auch als Offenlegung der Schwachpunkte des Richterrechts insgesamt zu verstehen ist. Man sah, dass das englische Richterrecht nicht fähig war, den sozialen Wandel umzusetzen und herbeizuführen. Das Gesetzesrecht wird heraufbeschworen, weil das Richterrecht nicht mehr genügt. Gerade die durch die bisherige Untersuchung gewonnenen historischen Erkenntnisse ermöglichen es, Verständnis für diese Kritik aufzubringen. Sie lassen möglicherweise auch vermuten, dass das Richterrecht einen sehr raschen und bedeutenden sozialen Wandel nicht effektiv integrieren kann. 167 Vgl. Holdsworth, A History I, S. 426. 168 Die Kritik der Frauen bezieht sich immer auf die Klassengegensätze, welche das Richterrecht verursachte. Vgl. vorläufig Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 148. Eine allgemeiner gefasste Kritik vor allem zur Verfahrensdauer im Gericht des Lord-Kanzlers formulierte bekanntlich Charles Dickens in seinem Roman Bleak House. Dazu Holdsworth, Charles Dickens as a legal Historian, S. 79–115, oder Wertheim, Law, Literature and Morality, S. 125–134. 169 Nämlich als die negative Seite des positivistischen Imaginären, welches der englischen Rechtsphilosophie des 19. Jahrhunderts eigen ist.

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Die Vermutung bestätigt sich in dieser Allgemeinheit allerdings nicht, wenn man bedenkt, dass gesetzliche Reformen nicht notwendig geworden waren in einem Rechtsgebiet wie dem Handels- und Gesellschaftsrecht, dessen grundlegender Wandel mit dem Phänomen der Industrialisierung der englischen Gesellschaft unlösbar verknüpft ist. Hier hatte Lord Mansfield die erforderlichen Fundamente geschaffen, auf die sich die nachfolgende Verfeinerung der Rechtsstrukturen stützen konnte.170 Insbesondere am Beispiel dieses Richters171 lässt sich zeigen, dass große Reformen eines Rechtsgebietes, wie etwa die umstürzlerische Änderung der familienrechtlichen Stellung der Ehefrau, durch das Richterrecht vorwiegend aus zwei Gründen nur sehr schwer zu erreichen sind. Beide stellen Grundelemente des sog. Richterrechtes dar. Erstens besitzt die Entscheidung eines Gerichts immer nur in Bezug auf einen Einzelfall Verbindlichkeit, was bedeutet, dass immer nur ein kleiner Schritt vollzogen werden kann. Auch wenn die englischen Gerichte hier wesentlich anders vorgehen und vorgegangen sind als ihre kontinentalen Äquivalente, bilden sie ihre Prinzipien aus einer Masse von Einzelfallentscheidungen durch das Denkverfahren der Analogie. Aber die Analogie ist ein „konservatives Verfahren“.172 Der zweite Grund macht sich im vor allem im Rahmen der Equity bemerkbar. Das englische Richterrecht und seine Entwicklungsrichtung werden wesentlich vom einzelnen Richter in doppelter Weise geprägt. Zum einen ist die individuelle Richterpersönlichkeit von höchster Signifikanz. Die Bedeutung von Lord Eldons Bereitschaft, das Konzept seines Freundes Lord Thurlow in richterliche Praxis umzuwandeln, ist in diesem Zusammenhang nicht zu übersehen. Zum Zweiten ist aber die Tatsache, dass der englische Richter eben als einzelne Persönlichkeit auftritt und irgendwann das Feld dem nächsten einzelnen Richter überlässt, dass also im englischen Gericht des 19. Jahrhunderts die individuelle Persönlichkeit das Übergewicht gegenüber der Körperschaft oder der bürokratischen Organisation zu besetzen scheint, von ebenso immenser Bedeutung. Denn dies lenkt den Blick wieder auf das Rechtsgebiet selbst, um das es im jeweiligen Fall geht, und schließlich auf die Gesellschaft. In einem Rechtsgebiet, dessen Reformdruck nicht für alle Richter spürbar ist, werden die Programme eines reformwilligen Richters bald durch seinen Nachfolger dem Misserfolg ausgeliefert. Wenn man nun in Rechnung stellt, dass der Richterberuf nur Männern offen stand, dann leuchtet die Bedeutung des Arguments für das Familienrecht und die Geschlechterverhältnisse unmittelbar ein. 170 Weitere Beispiele und Argumentationen für die Flexibilität des Common Law gibt Holdsworth, A History XII, S. 157. 171 Zum Folgenden vgl. auch Holdsworth, A History XII, S. 153. 172 So Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 346.

C. Statute Law (Transformation der sozialen imaginären Bedeutungen) Das Richterrecht hatte sich in dieser historischen Situation als unfähig oder unwillig erwiesen, sich dem sozialen Wandel zu stellen. Damit war die Zeit des Gesetzgebers gekommen, und die Gesetze haben – etwas überspitzt formuliert – alles verändert. Am Ende dieser Gesetzgebung, was für diese Untersuchung das Jahr 1882 darstellt, gab es ein Rechtssubjekt, welches zugleich Träger des Prädikats Ehefrau sein konnte, und noch einiges mehr. Der Weg dorthin war alles andere als leicht. Auch wenn die zu untersuchenden Gesetze in einer Zeit des sozialen Wandels, der sozialen Umwälzung zustande kommen, beeinflussen zu derselben Zeit die dargestellten Frauen- und Familienbilder des Common Law das Bewusstsein der Menschen noch sehr stark. Wie sich dieselben Bilder auch an anderen Kulturerscheinungen außerhalb des Rechts ablesen lassen und es schließlich dazu kommen konnte, dass der englische Gesetzgeber damit gebrochen hat, während der deutsche Gesetzgeber einen anderen Weg einschlug, diese Frage zu beantworten, bildet den Gegenstand des zweiten Teils der Untersuchung. Hier werden gleichsam die Fundamente dafür geschaffen, indem neben den Gesetzen selbst, auf die wichtigsten Teile der parlamentarischen Debatte Bezug genommen und die direkte Verknüpfung zwischen Recht und Politik verdeutlicht wird. Diese besteht vor allem in der Koinzidenz zwischen den Begründungen, die die Richter des Common Law ihrer Judikatur zugrunde gelegt hatten und den Argumentationsstrukturen derjenigen Parlamentarier, die sich der Reform widersetzten.

I. Die gesetzlichen Änderungen 1. Erster Entwurf zum ehelichen Güterrecht Im Jahre 1856 wird im englischen Parlament (House of Commons) über das eheliche Güterrecht zum ersten Mal im Hinblick auf seine Änderung diskutiert. Gleichzeitig findet die Diskussion über die Reform des Scheidungsrechts statt, welches im nächsten Jahr den Auftakt der Reformchronologie des englischen Eherechts bilden sollte.1 Auslöser war ein Antrag des Abgeordneten Perry, das geltende eheliche Güterrecht zu reformieren. Der Attorney General 1

Zur Simultaneität beider Diskussionen vgl. Hansard, 142 (1856), S. 1281. Diese Diskussion wurde keineswegs „verursacht“ durch diejenige zum Scheidungsrecht. Sie ging

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war zunächst in seiner Ablehnung gemäßigt. Er sprach von einem generellen Klima des Wandels, meinte aber, dass der Vorschlag nicht reif war, um daraus ein Gesetz zu konstruieren.2 Viel interessanter ist die Wortmeldung von Malins.3 Er wies auf die Möglichkeiten des geltenden Rechts hin, die sich einer Ehefrau, die ihr Vermögen in den eigenen Händen behalten wolle, böten. Er meinte selbstverständlich die oben erörterten Equity-Regelungen. Er sähe darin einfach zu handhabende Instrumente, und er würde einer Angleichung des Common Law mit der Equity in dieser Frage gar nicht im Wege stehen. Damit wäre auch die Klassendifferenzierung im Güterrecht überwunden. Sollte aber der „ehrenwerte und gelehrte Gentleman“ (Perry) darüber hinausgehen wollen, sollte er sich die Trennung jedes Haushalts wünschen, dann würde er sich vehement dagegen wehren. Denn der Vorschlag, dass der Ehemann seinen und die Frau ihren eigenen Haushalt pflegen sollten, war „contrary not only to the law of England, but to the law of God“. So viel zunächst zur Säkularisierung in England. Das Recht Englands basierte nach Malins auf einem der vernünftigsten Prinzipien, dem Prinzip der „Legal Unity“. Er war so sehr von der Wahrheit dieses Prinzips überzeugt, dass er nicht mit Sicherheit sagen konnte, dass die Equity mit ihren davon abweichenden Regeln den Interessen der Gesellschaft nicht zuwider gehandelt hatte. Ja, er war sogar dessen sicher, dass die Existenz eines getrennten weiblichen Vermögens, wie es vorgeschlagen wurde, diesen Interessen widersprach. Er gab zwar Hinweise auf die Unzulänglichkeit des Unterhaltsrechts bei einer Scheidung, welche eine Änderung des Güterrechts erforderlich machten.4 Aber am Ende überwog bei ihm das Bewusstsein, dass nur die Einheit der Ehegatten der ideale Ausgangspunkt für eine Gesellschaft sein könne: „Nothing could surely be more frightful than to teach wives that their interests were on one side, and those of their husband on the other.“5 Zwischen Materiellem und Ideellem auf solche Weise oszillierend und beide auf lehrreiche Art verbindend wird Phillimore zu derselben Beurteilung der Equity geführt.6 Die Diskussion schließt mit den Worten des Abgeordneten Chambers:

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vielmehr auf eine Initiative der Frauenbewegung zurück. Ob auch die Debatte zum Scheidungsrecht solche Ursprünge aufweist, ist hier nicht zu klären. Hansard, 142 (1856), S. 1277. Hansard, 142 (1856), S. 1277–1279. Hansard, 142 (1856), S. 1279f. Hansard, 142 (1856), S. 1281. Hansard, 142 (1856), S. 1282.

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„He thought that, whatever might be the number and pressure of the grievances complained by his hon. and learned Friend (Sir E. Perry) they would bear no comparison to the mischiefs that would follow from the assertion of the vicious principle involved in the Resolution before the House. All the evils to which his hon. and learned Friend referred arose from a breach of the obligations of religion and morality in the married state; but the proposal now before the House would give the force of law to evils infinitely greater. No doubt the evils which now existed required remedy and ought to be attended to; but to introduce into every house in England the principle of separate rights, separate interests, and a separate legal existence between man and wife, was to nullify and destroy the law of marriage altogether, so far as regarded its sacredness and sanctity.“7

Der Antrag wurde abgelehnt. 2. Parlamentsdiskussion zum Scheidungsgesetz In demselben Jahr befand sich, wie bereits angedeutet, die seit einiger Zeit verlaufende Diskussion über eine Reform des englischen Scheidungsrechts in ihrem Endstadium.8 Eine Scheidung der Ehe war in England bis 1857 nur unter besonderen Bedingungen, nämlich durch Erlass eines sog. „private act“, also eines vom Parlament auf den Einzelfall und individuell beschränkten „Gesetzes“, möglich. Dies geschah dann auch in Abweichung von der kirchlichen Gerichtsbarkeit, die sonst über Scheidungsverfahren allein zu entscheiden hatte. Nach einem solchen „private act“ wurde eine Ehe ausschließlich wegen Nichtigkeit aufgehoben. Es versteht sich, dass die Herbeiführung eines solchen Parlamentsaktes von einem Einzelnen mit immensen Kosten verbunden war und auch erhebliche Einflussmöglichkeiten zur Vorbedingung hatte. Auch deswegen wurde ein „private act“ nicht oft erlassen. Diese Umstände hatten bei den unteren Klassen der Gesellschaft9 zum Wiedererscheinen des archaischen Frauenkaufs zum Zwecke der Scheidung geführt.10 Das ursprüngliche Ziel der Gesetzesinitiative bestand darin, die kirchliche Gerichtsbarkeit zu entkräften. Die bis dahin absolut männerdefinierte Not7 Hansard, 142 (1856), S. 1283. 8 Vgl. dazu Shanley, Feminism, S. 35–44. 9 Die viktorianische Gesellschaft war sich ihrer Klassenstruktur bewusst und sogar stolz darauf. Man sprach von den „unteren“ bzw. von den „niederen Klassen“, und es war selbstverständlich, dass ihre „Niedrigkeit“ auf vielerlei Weisen und Ebenen feststellbar war. 10 Vgl. Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 353. Ausführlich noch Stone, Road to Divorce, S. 143–148, woraus sich entnehmen lässt, dass diese Sitte wiederum nur sehr geringe gerichtliche Anerkennung fand.

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wendigkeit einer Scheidungsmöglichkeit sollte dementsprechend zum Inhalt des neuen Gesetzes werden. Erst nachdem sich engagierte Frauen einzeln oder organisiert in die Debatte einschalteten, sind bestimmte Fraueninteressen in den Blick der verschiedenen Kommissionen getreten, die aufgrund der anstehenden Reform konstituiert worden waren. Die Frage, die sich dadurch ergeben hatte, war freilich zum Teil auch das Ergebnis der gesetzlichen Differenzierung zwischen einer bloßen Trennung und einer Scheidung. Im ersten Fall nämlich galt die Frau auch nach dem Verfahren als verheiratet, und es stellte sich die Frage, wie sie denn nun ohne männliche Unterstützung und als Ehefrau weiterhin weitgehend entrechtet überleben sollte. Aus diesem Grund hat das „Select Commitee on the Divorce Bill“ von 1856 vorgeschlagen, dass eine Frau, die rechtmäßig getrennt von ihrem Ehemann lebt, aber nicht geschieden ist, wie eine feme sole zu behandeln sein sollte. Es sollte ihr also gestattet werden, Eigentum zu erwerben und Verträge abzuschließen.11 3. The Divorce and Matrimonial Causes Act 1857 Mit dem Erlass des The Divorce and Matrimonial Causes Act 1857 war für die englische Rechtsgeschichte das Ende einer sehr langen kirchlichen Gerichtsbarkeit erreicht.12 Von nun an war anstelle des alten kirchlichen Gerichts das neu konstituierte „Court for Divorce and Matrimonial Causes“ getreten, dem fast alle Zuständigkeiten in Ehesachen übertragen wurden (Art. II i.V.m. Art. VI des Gesetzes). Eine der Möglichkeiten, welche das neue Gesetz den Eheleuten bot, war die Trennung von Tisch und Bett, „Judicial Separation“ genannt, was aber nichts weiter als die begriffliche Säkularisierung des alten Scheidungsprinzips a Mensa et Toro bedeutete (vgl. Art. VII). Der Richtungswechsel, der durch das neue Gesetz signalisiert wird, blitzt in Art. XVI auf: „A Sentence of Judicial Separation […], may be obtained, either by the Husband or by the Wife, […].“ War der Ehescheidung bzw. der Trennung von Tisch und Bett bis dahin der Charakter der Bestrafung einer untreuen Ehefrau eigen,13 erlangt sie selbst nun auf einmal ein entsprechendes Antragsrecht. Diesem Rechtsanspruch schließen sich einige vermögensrechtliche (güter- und unterhaltsrechtliche) Neuschöpfungen an.

11 Shanley, Feminism, S. 39, die diese Konzession der Kommission mit den güterrechtlichen Frauenforderungen desselben Jahres in Verbindung bringt. 12 Zu einem inhaltlichen Überblick vgl. Holdsworth, A History XV, S. 205f. 13 So Shanley, Feminism, S. 36.

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Nach Art. XXI ist eine Ehefrau, die von ihrem Ehemann verlassen wurde, berechtigt, den Schutz ihres Vermögens zu beantragen. Es geht um das Vermögen, welches das Produkt ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit ist. Geschützt wurde schließlich derjenige Teil ihres Arbeitseinkommens, das sie erworben hatte, nachdem sie von ihrem Ehemann verlassen worden war. Die Ehefrau wird geschützt vor ihrem Ehemann. Der erste Prinzipienbruch wird fassbar, und die Equity-Nachfolge wird angetreten. Gegen ihren Ehemann kann die Ehefrau notfalls auch gerichtlich vorgehen. Einige Sätze zuvor in demselben Artikel ist auch der entscheidende Begriff gefallen: Die Ehefrau soll ihr Arbeitseinkommen und sonstiges Vermögen wie eine „feme sole“ besitzen, was dahingehend zu verstehen ist, dass sie es als solche verwalten und auch über dieses frei verfügen kann. Dieser Grundsatz wird schließlich auf jeden Fall der „Judicial Separation“ ausgedehnt. In Art. XXV des Matrimonial Causes Act 1857 wird die angesprochene Dispositionsbefugnis der Ehefrau ausdrücklich erwähnt. Im nächsten Artikel desselben Gesetzes (Art. XVI) werden die dogmatischen Konsequenzen daraus gezogen. Eine Dispositionsbefugnis über ein Vermögen bzw. über seine einzelnen Bestandteile wäre sinnlos ohne die gleichzeitige Befugnis Verträge abzuschließen, die dieses Vermögen oder seine Bestandteile zum Gegenstand haben könnten. Mit dem Nachdenken über solche Sinnlosigkeiten haben sich die Engländer bekanntlich keinen Namen gemacht. „Daher“ wird hier vorgeschrieben, dass die Ehefrau ebenso als eine „feme sole“ anzusehen ist, wenn es darum geht, Verträge abzuschließen, Prozesse zu führen oder wegen einer unerlaubten Handlung zur Verantwortung gezogen zu werden. Mit dem Gesetz zur Einführung der Scheidung befindet man sich mitten im Reformprozess des ehelichen Güterrechts. Das Gesetz berührte zentral die Frage der Verwaltungs- und Verfügungsfähigkeit der Ehefrau über ihr eigenes Vermögen. Solche Regelungen wie die eben geschilderten führen fundamentale Änderungen des bisher geltenden Rechts herbei. Die Ehefrau erhält die Möglichkeit, unbewegliches Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen. Hinzu kommt, dass sie auch der sozialen (deliktischen) Verantwortlichkeit für fähig erachtet wird. Man war zwar beim Erlass dieses Gesetzes weit davon entfernt, das Ideal der Gleichberechtigung der Geschlechter als seine Richtschnur anzusehen, doch ist es eine ganz andere Frage, inwieweit diesem Ideal, das – wie noch zu zeigen ist – schon als konkrete Forderung lebt, durch diese Gesetzesinitiative der Weg geebnet wurde. Dies war auf jeden Fall eine große Errungenschaft. Was aber folgt, ist ein 13jähriger Abbruch der Entwicklung zur grundlegenderen Änderung des englischen Güterrechts. Das eheliche Güterrecht war ja nicht der Gegenstand des Matrimonial Causes Act von 1857. Seine

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Innovationen betrafen einen harten, aber statistisch und vorstellungsbezogen beschränkten Lebensbereich. Das Imaginäre, die Norm der Zeit, wurde weiterhin von der Ehe besetzt.14 Die zerbrochene Ehegemeinschaft war dementsprechend die Ausnahme. Erst wenn die genannten Änderungen im ehelichen Güterrecht auftreten, kann man vom allmählichen Wandel der Kultur sprechen. Denn nur, wenn die institutionelle Veränderung (die Rechtsreform) die Norm in ihrem Inneren (das Geschlechterverhältnis in der Ehe) berührt, liegt ein Übergang von der Notwendigkeit zur Einsicht vor. 4. Married Women’s Property Act 1870 Dreizehn Jahre nach der Reform des Scheidungsrechts reformiert das erste von zwei grundlegenden Gesetzen das eheliche Güterrecht und gestaltet damit den Innenbereich der Ehe vollkommen um. Die dazwischen liegende Zeit, die Kämpfe der Frauenbewegung und ihrer Unterstützer, in welchen hier der maßgebliche – aber keineswegs alleinige – Faktor (oder „Grund“) der Reform gesehen wird, wird erst vom vergleichenden Blick im zweiten Teil der Untersuchung erfasst.15 Hier soll sie zunächst zugunsten der Gesetze selbst zurückstehen. a) Die Parlamentarische Debatte Das Gesetz von 1857 (Matrimonial Causes Act) war im Ergebnis kein günstiges Ereignis für die güterrechtliche Stellung der Ehefrau in England. Als im Jahre 1868 auf Initiative der englischen Frauenbewegung im „House of Commons“ ein neuer Vorschlag zur Reform des englischen Güterrechts vorgetragen wurde, war das genannte Gesetz der erste Orientierungspunkt der Kritik. Einer der redseligsten Reformgegner, der Abgeordnete Lopes, war nicht nur deswegen empört, weil eine Trennung der Vermögen beider Ehegatten die heimische Harmonie gefährden würde; sondern auch, weil er davon ausging, dass alle Härten eines zerstörten familiären Lebens durch das erwähnte Scheidungsgesetz genügend Abmilderung erfahren hätten.16 Der „Attorney General“17 argumentiert auf derselben Basis. Seinen Äußerungen ist eine besondere Sichtweise des Problems entnehmbar. Viele der Diskussionsteilnehmer, namentlich der Reformgegner, teilten die Überzeugung, 14 15 16 17

Vgl. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 316, 318. Vgl. vor allem im zweiten Teil, D. Hansard, 192 (1868), S. 1353. Berater der Regierung in Rechtsfragen.

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dass es sich bei der Debatte hauptsächlich um die Sicherung des Einkommens der Ehefrau handelte. Insbesondere sollte das Einkommen der ärmeren Frauen gesichert werden, denn den besser situierten stünden ja die Instrumente der Equity zur Verfügung. Die alternative Sichtweise wäre die Ausrichtung der Diskussion auf eine prinzipielle Umgestaltung des Geschlechterverhältnisses. Gerade dies wurde hier jedoch abgelehnt. Und für den Sicherungszweck würde es genügen, den Anwendungsbereich bestimmter Vorschriften des Scheidungsgesetzes zu erweitern. Selbstverständlich wird damit nicht empfohlen, die dort im Ansatz normierte Gütertrennung zu übernehmen. Der „Attorney General“ schlug vor, es der Ehefrau in Notfällen zu erlauben, um gerichtlichen Schutz ihres Vermögens gegen ihren Ehemann zu ersuchen.18 Der Abgeordnete Hill,19 der sich ein Jahr später (1869) in einer weiteren Diskussion zu Wort meldet, konzentriert sich ebenfalls auf die Lage der armen arbeitstätigen Ehefrau und verweist dann auf das 1857er Gesetz. Das Argument übernehmen viele.20 Dieses Argument und zugleich das Scheidungsgesetz selbst stellen im Ergebnis den Verfechtern der Reform zumindest rhetorisch ein doppelstufiges Hindernis in den Weg. Erstens existierte ein Gesetz, welches scheinbar die Ansätze zur Lösung der offenkundigsten sozialen Probleme bot. Dadurch wurde zweitens die Schwierigkeit erhöht, von der Notwendigkeit weit darüber hinausgehender gesetzgeberischer Maßnahmen zu überzeugen. Man bekundete seinen Konsens über eine kleine Maßnahme und stellte ihn zugleich als äußerste Grenze des Machbaren hin. Somit erscheint eine Hinwendung des Interesses der parlamentarischen Gemeinschaft auf die Umgestaltung des innerfamiliären Geschlechterverhältnisses außerordentlich erschwert. Doch solche ausgeklügelten rhetorischen Strategien, die man im Zeitalter der Massenmedien antrifft, haben in der hier untersuchten Zeit, wenn überhaupt, höchstens singuläre Geltungskraft. Es war also keinesfalls so, dass die Tendenz des Gesetzesentwurfs nicht erkannt und angesprochen wurde – im Gegenteil! Aber man bestritt vehement und vielfältig sowohl seine Notwendigkeit als auch seine Richtigkeit. 1870, dem Jahr des ersten „Sieges“, war sich beispielsweise Lord Penzance, noch sicher, dass „the opinions of those who advocated the entire separation of husband and wife as regards property has not been accepted by the community“.21 Aber noch bevor man die Akzeptanz der Reform durch die Gesellschaft thematisierte, verlieh man seiner eigenen „Akzeptanzkapazi18 19 20 21

Hansard, 192 (1868), S. 1369. Hansard, 195 (1869), S. 779. Hansard, 192 (1868), S. 1373; s. auch ders., 195 (1869), S. 792. Hansard, 203 (1870), S. 397.

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tät“, seinen eigenen Befürchtungen Ausdruck. Die Meinungen, die schon 1856 zu vernehmen waren, meldeten sich wieder zu Wort. Lope etwa betont, dass die vorgeschlagene Reform „would […] materially affect the existing relations between husband and wife, and introduce discomfort, ill feeling, and distrust where hitherto harmony and concord prevailed“.22 Eine solche Harmonie könne schließlich nur dadurch gesichert werden, dass es in der Familie ein starkes Oberhaupt gäbe, dem bei Meinungsverschiedenheiten das alleinige Entscheidungsrecht zukomme.23 Hierin sind nicht nur Argumente der Common-Law-Gerichte, sondern auch Gesetz gewordene Überzeugungen des BGB-Gesetzgebers erkennbar. Dass dieses letzte Entscheidungsrecht dem Ehemann zustehen sollte, brauchte Lopes in seinen oben erwähnten Satz nicht aufzunehmen. Das gehört noch zu den stillen Selbstverständlichkeiten der Zeit.24 Er formuliert aber auch deutlicher. Er glaube nicht, sagt er, dass das geltende Recht im Prinzip ungerecht sei. „It was in accordance with public feeling which recognised the fact that the wife was the weaker vessel, that there ought to be one head of the house, and that the husband was the proper head, being physically, at all events, better fitted to bear the brunt of the outer world than his wife.“25

Eine grundlegende Reform dieses Rechts würde die natürliche Ordnung, die öffentliche Meinung und schließlich die Gesetze und die Realität des Marktes ignorieren. Darüber hinaus würde es die unzweifelbare Autorität des Ehemannes untergraben. Er war nämlich davon überzeugt, „that the whole tenour of the Bill was to ignore the authority of the husband, that it would diminish the proper responsibility of the wife, and that it was likely to lead to the formation of a domestic imperium in imperio“.26

22 Hansard, 192 (1868), S. 1353; vgl. auch ders., 195 (1869), S. 774: „[…] if it became law it would go far to impair the confidence that ought to exist between husband and wife, and which was the mainspring of domestic happiness“. 23 Hansard, 192 (1868), S. 1354. 24 Um die Parallele zum BGB gleich aufzulockern, sei darauf hingewiesen, dass Lope hier zwar gewissermaßen schon mit der Natur der Ehefrau argumentiert, aber es handelt sich eben um eine gesellschaftlich bedingte Natur. Dagegen scheint die Rede vom „Wesen der Ehe“ in der deutschen Diskussion eine unwandelbare Natur propagieren zu wollen. Auf die Bedeutung dieser Differenzierung wird noch im zweiten Teil (vor allem unter E, „Das juristische Imaginäre“) eingegangen. 25 Hansard, 195 (1869), S. 775. 26 Hansard, 195 (1869), S. 778.

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Es gab also nichts Ungleiches oder gar Hartes im englischen Recht27 „and he honestly believed if the married women in England were appealed to they would be found opposed to it“. Deswegen solle man die Reformen beiseite lassen und stattdessen den Blick wieder auf die glückliche Verfassung des englischen Hauses richten.28 Doch die englische Frauenbewegung hatte viele verheiratete Frauen in ihren Reihen und ihre Ansicht schon bekundet. Ja, sie hatte diese ganze Diskussion initiiert. Im Parlament war auch bereits mehrmals auf ihre Rolle hingewiesen worden. Darüber hinaus hätten umfangreiche, von der Regierung im Auftrag gegebene empirische Erhebungen im Vorfeld der Reformen das angenehme Bild des englischen Hauses eigentlich erschüttern müssen.29 Die Kluft zwischen den zwei sich daraus ergebenden Realitätswahrnehmungen erscheint bemerkenswert. Wie in der ersten Debatte im Jahre 1856 fehlte auch hier nicht der Rekurs auf die Religion, wenngleich dieser etwa gegenüber den Gerichtsurteilen, die hier untersucht wurden, beschränkten Ausmaßes war. Zunächst bemühte man die in der Kirche übliche Formel des Eheversprechens. Man „kontemplierte“ und sagte sich, dass es nach einem solchen Gesetz für eine Ehefrau sehr schwierig sei, zu sagen, „she would love, honour, and obey a man“, wenn sie nunmehr eine „feme sole“ sein sollte.30 Worauf entgegnet wurde, das kirchliche Heiratsversprechen stimme schon mit dem Gesetz nicht mehr überein, seitdem der Ehemann an seine Ehefrau kein „dower“ mehr zu leisten hätte. Das überzeugt aber den Abgeordneten Hope nicht ganz, der sich statt auf die Formeln auf die Idee selbst zurückzieht. „Old-fashioned people like him were not ashamed to declare that it was written in nature and in Scripture that the husband was and ought to be lord of his household, the regulator of its concern, and the protector of its inmates, which, if this Bill passed, he would no longer be.“31

Eine weitere Argumentation, die erwähnenswert erscheint, hängt gewissermaßen mit dem englischen Nationalbewusstsein zusammen. Man ist nämlich 27 Hansard, 192 (1868), S. 1353. 28 Hansard, 195 (1869), S. 778. 29 Herausgegeben als „The Select Committee reports on married women’s property“, wovon zwei Bände mit einem Gesamtumfang von mehr als zweitausend Seiten England betreffen. Auf die dortige Bestandsaufnahme der englischen Familienrealität um die Jahrhundertmitte weisen insbesondere die Verfechter der Reform im Rahmen der Parlamentsdebatte regelmäßig hin. 30 Hansard, 192 (1868), S. 1373. 31 Hansard, 195 (1869), S. 786. Es ist immer der Berichterstatter der parlamentarischen Diskussion, der spricht!

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nicht nur heute um die „Transplantation“32 rechtlicher Institute bemüht. Bereits damals gab es Versuche, mit der güterrechtlichen Aufwertung der Ehefrau, die kurz zuvor in den Vereinigten Staaten von Amerika stattgefunden hatte, zu argumentieren.33 Die Reformgegner wehrten sich entschieden gegen eine solche Argumentationsweise. Man wandte ein, die Rechtsinstitutionen von zwei so unterschiedlichen Ländern zu vergleichen, sei wie dieselbe Medizin auf zwei unterschiedliche Zustände bei einem alten Mann und bei einem Neugeborenen anzuwenden.34 Das Argument wird noch vertieft, die Grundprinzipien beider Rechtssysteme kursorisch miteinander verglichen und dieselbe Annahme etwa mit dem Argument untermauert, dass in England immer noch das Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe herrsche, während in Amerika die Ehescheidung Gang und Gäbe sei.35 Ein weiterer „Rechtsvergleicher“ hält die Vorbildfunktion der amerikanischen Welt deswegen für unglücklich, weil „in America husbands and wives lived in hotels, without the comfort of the homes in which the english so much delighted, and their case did not apply to us“.36 Dieses merkwürdige Argument eröffnet mit aller Deutlichkeit, welches Ideal einigen Abgeordneten im House of Commons vorschwebte. Ernsthafter mutet zunächst der Vortrag von Lord Shaftesbury im House of Lords zu derselben Frage an. Er definiert genau drei Differenzen zwischen den beiden Ländern, die eine Übernahme des amerikanischen Rechts nicht erlauben würden. Erstens bestünde in den USA völlige Gleichberechtigung der Ehegatten; zweitens sei die Ehescheidung dort ein viel häufigeres Phänomen und drittens gefiele es den amerikanischen Männern, wenn ihre Ehefrauen auch nach der Ehe einen Teil ihres 32 Dieser Begriff der Rechtsvergleichung ist in den letzten Jahren sehr in Mode gekommen. Repräsentativ sei hier das Werk von Watson, Legal Transplants, genannt. Der Begriff wird hier nicht nur wegen seines szientistischen Untertons in Anführungszeichen gesetzt. Zur Kritik auf diese Richtung der Rechtsvergleichung sei auf Legrand, The Same and the Different, in: ders./Munday, Comparative Legal Studies, S. 246f., bzw. auf Teubner, Legal Irritants, S. 11–13, hingewiesen. Insofern wäre der alte Begriff der „Rezeption“ vorzuziehen. Denn durch seine Konnotation mit der Vorstellung historischer Kontinuität (dazu Schanbacher, Rezeption, juristische, in: Ritter/Gründer, HWPh, B. 8, S. 1007) erhebt er die Gesellschaftsbezogenheit des Rechts ins Bewusstsein, die eine Bezogenheit des Rechts mit seiner jeweiligen Gesellschaft bedeutet, und spricht die Komplexität von jedem „Rechtstranfer“ deutlich aus. 33 Vgl. dazu vor allem aus dem zweiten Teil dieser Arbeit unter E. V. 3a. Zu den Änderungen in den USA vgl. etwa Chused, Late Nineteenth Century Married Women’s Property Law, Am. J.L.H., 24 (1985), S. 4f. m.w.H. 34 Hansard, 195 (1869), S. 778f. 35 Hansard, 195 (1869), S. 784; zum Vergleich s. ders., 195 (1869), S. 790f. 36 Hansard, 201(1870), S. 889.

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Vermögens behielten.37 Ein Kommentar zur maßlosen Zirkelhaftigkeit dieser Argumentation erübrigt sich. Immerhin bemüht sich Lord Shaftesbury in seinen weiteren Ausführungen auch um eine klassenspezifische Differenzierung seiner Sicht, und zwar anscheinend zugunsten der ärmeren Schichten. Sein Maßstab ist dabei ein je nach Klassenzugehörigkeit differentes Frauenbild. Bezeichnend ist, dass er den Frauen der Arbeiterklasse, die notgedrungen auf dem Arbeitsmarkt schon lange ihre Erfahrungen sammelten, ein größeres Urteilsvermögen sogar auch gegenüber ihren Ehemännern zuerkennen möchte, den sog. „Ladies“38 jedoch nicht, und zwar wohl deshalb, weil sie nicht gelernt hätten, mit Vermögensangelegenheiten umzugehen. Hinsichtlich der Ersteren war Lord Shaftesbury demzufolge bereit, Maßnahmen zum Schutz ihres Vermögens zu unterstützen, was auch auf mehrere andere Abgeordnete zutrifft.39 Es geht auch hier um die Beschränkung jeglicher Maßnahme auf den Schutz des Einkommens der arbeitenden Ehefrau. Die Argumentation bewegt sich offenbar in denselben Bahnen wie die eingangs repräsentativ durch Lopes dargestellte, gräbt aber insofern etwas tiefer, als Lord Shaftesbury die Problematik der geschlechtsbezogenen Sozialisation streift. Seine Vorurteile lassen ihn jedoch nicht den kritischen Weg von Wollstonecraft beschreiten, die gerade einen Wandel der Sozialisation, d.h. hier der Erziehung, der Frauen propagierte. Der Abgeordnete bleibt bei Vorschlägen stehen, welche die Lage der Frau lediglich innerhalb des Status quo verbessern würden. Immer wieder kehrt man zur arbeitstätigen Frau zurück, welche als die Frau aus der armen Arbeiterklasse spezifiziert wird. Immer wieder erkennt man die sozialen Probleme in den unteren Schichten der englischen Gesellschaft und die absolute Unzulänglichkeit der „Protection Order“ des Scheidungsgesetzes. Immer wieder empfiehlt man eine Erweiterung seines Anwendungsbereichs.40 Aber die Vorschläge des Gesetzesentwurfs gehen sogar relativ gemäßigten Diskussionsteilnehmern, etwa Penzance, zu weit. Und dies, weil ein Haus eine einzige Entscheidungsinstanz benötigen würde. „Was it desirable to set up in a household two holders of the purse, two powers, co-equal at first and likely to become adverse at the end?“ Er bringt aber auch neue Gesichtspunkte in die Debatte ein und mahnt die Verfechter des sog. „rights of women“: Wenn es denn so wäre, „[…] that man in taking wife took a partner with separate interests, entitled to trade separately, and to spend her property how she chose, 37 38 39 40

Hansard, 202 (1870), S. 612. Hansard, 202 (1870), S. 613f. So etwa der Lordkanzler, Hansard, 202 (1870), S. 614f. Hansard, 198 (1869), S. 979ff.

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it was doubtful how far there would remain an inducement to the male portion of the community to enter into such a contract […]“, welche Attraktivität würde dem Vertrag der Ehe in den Augen der Männer denn verbleiben, wenn sie sich in diesem Vertrag nur einem gleichberechtigten Partner gegenübersähen! Und welchen Schaden trüge schließlich die Gesellschaft davon, wenn junge Männer sich von der Institution der Ehe abwenden würden! Aber er hoffe doch, dass im House of Lords solche Menschen säßen, die verstünden, was es bedeute, der Herr im eigenen Haus zu sein!41 Ein weiteres Argument der Reformgegner schöpft sich aus einem Rechtsinstitut der Equity, das oben bearbeitet wurde. Es handelt sich um die sog. „marriage settlements“. Von Seiten der Reformverfechter wurde nämlich darauf hingewiesen, dass man die Rechtsprechung der Equity im ehelichen Güterrecht, als Ausdruck des Unmutes dieser Menschen über das Common Law interpretieren solle.42 Dies zeige sich an der Tatsache, dass Teile der Bevölkerung in Zusammenarbeit mit diesem Gericht nach vertraglichen Auswegen aus dem Anwendungsbereich des Common Law suchten. Die Antwort der Reformgegner darauf ist diesmal eine genuin juristische. Man beharrt nämlich darauf, dass mit den „marriage settlements“ ein ganz anderer Zweck verfolgt würde, als der, welcher dem neuen Gesetz zu Grunde lag. Dieses beabsichtige, alles weibliche Vermögen in den Händen der Ehefrau zu belassen und ihr zu erlauben, damit nach Gutdünken zu verfahren. Jene aber seien Symptome der Pflicht und der Notwendigkeit, ein unreifes Wesen, die Ehefrau, vor sich selbst zu beschützen. Die „marriage settlements“ seien nicht gegen den Ehemann gerichtet.43 Dem fügte man hinzu, dass durch Letztere nicht nur die Frau vor sich selbst, sondern auch die Familie vor der Frau geschützt werden sollte.44 Die Konkordanz mit der Rechtsprechung des Common Law ist augenscheinlich. Schon die Erweiterung des Blickwinkels von den beiden Ehegatten auf die Interessen der Kinder und dann auf die Familie als Ganzes führt zur the41 Vgl. insgesamt Hansard, 202 (1870), S. 603ff. Auf derselben Linie dann auch Lord Westbury, Hansard, 202 (1870), S. 606f., der eine solche Freiheit der Ehefrau geradezu als ein Joch für die Ehemänner ansieht, S. 607. Bemüht wird auch das französische Vorbild des Code Civil, nach welchem eine Gütergemeinschaft bestand, die dem Mann alle Befugnisse einräumte. 42 Vgl. dazu aus dem zweiten Teil der Untersuchung E. V. 3b, aa. 43 Hansard, 195 (1869), S. 777; 198 (1869), S. 402f.; zu demselben Motiv mit dem Vorschlag für die Ehefrau, deswegen einen Vermögensbetreuer vorzusehen, ders., 201 (1870), S. 889. 44 Hansard, 192 (1868), S. 1367; ähnlich ders., 195 (1869), S. 790, m. H. auf die Rechte der Kinder.

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matischen Kulmination der Argumente. Man spricht von „Revolution“ und fürchtet die Umwälzung der Geschlechter- und Eigentumsverhältnisse45 durch das neue Gesetz – der Geist von Friedrich Engels meldet sich an! Das Güterrechtssystem dieses Landes sei doch nicht über Nacht entstanden. Es gründe sich vielmehr auf eine tausendjährige Tradition, deren tragendes Prinzip und essenziellste Sorge die Einheit der Familie sei. Man sei in ein System hineingewachsen, in welchem die Familie wie ein einzelner Mensch „einen Kopf“ hatte sowie auf dem klaren Verhältnis von „supremacy“ und „subjection“ basierte.46 Jetzt wolle man der Familie zwei Köpfe aufsetzen. Das könne nur Zwiespalt und Verwirrung verursachen.47 Die „Erosion der Familienstrukturen“, die Umwandlung der Ehe in eine bloße Partnerschaft sei nach diesem Gesetz unvermeidbar.48 Die revolutionäre Dynamik des Gesetzes verursacht bei den Reformkritikern eine omnipräsente Angst.49 Man versucht auf Alternativen hinzuweisen, die solch eine Umwälzung des Geschlechterverhältnisses verhindern könnten.50 Oder man empfiehlt, die bald gesetzlich vorzunehmende Fusion beider bisher in dieser Frage rivalisierenden Gerichtsbarkeiten abzuwarten und alles Weitere den Richtern zu überlassen.51 Bezeichnend sind schließlich in demselben Zusammenhang die ständigen Bestrebungen der Verfechter des Gesetzes, ihren Kollegen die Revolutionsangst zu nehmen.52 Von den Ehegatten auf die Familie und von der Familie auf das Gemeinwesen! Jahrhunderte lang persistiert diese Assoziation in der Phantasie der Menschen, wenn es darum geht, Herrschaft oder ihre spezielle Form, die patriarchalische Herrschaft, zu legitimieren.53 Aus seinem Mikrokosmos versucht 45 Hansard, 192 (1868), S. 1355f.; 202 (1870), S. 606f. 46 Hansard, 192 (1868), S. 1356; 198 (1869), S. 403f., wo ausdrücklich von der Gleichberechtigung der Geschlechter gesprochen wird. 47 Hansard, 192 (1868), S. 1356. 48 Hansard, 192 (1868), S. 1360; vgl. ders., 201 (1870), S. 888, wo man meint, das neue Gesetz würde den Mann zu täuschendem Verhalten treiben, um an das Vermögen seiner Ehefrau zu kommen. 49 Vgl. noch Hansard, 198 (1869), S. 984. 50 Einen prominenten Platz nimmt dabei das Dotalsystem des Code Civil ein, s. etwa Raikes, Hansard, 201 (1870), S. 888f. Zu dem dort erwähnten Alternativentwurf von Raikes s. Holcombe, Wives and Property, S. 171f. 51 Vgl. dazu wieder Hansard, 201 (1870), S. 888ff. 52 Hansard, 201 (1870), S. 878f. 53 Der Weg von der Hausherrschaft zur „societas civilis“ und von dort zur Königsherrschaft der ständischen Gesellschaft wird von Moraw, in: Geschichtliche Grundbegriffe, III, „Herrschaft“, ausführlich geschildert. Zur Legitimierung der Hausvaterstellung vgl. näher v. Dülmen, Kultur und Alltag. S. 41f. Ursprünglicher zu dieser

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der Mensch sich mit seiner Welt (Makrokosmos) zu versöhnen.54 Nur der Endbezugspunkt modifiziert sich historisch bedingt: vom Vater auf den König und vom König auf den Staat. Auch im 19. Jahrhundert okkupiert dieses Vorstellungsbild das Bewusstsein vieler Menschen.55 Stets präsent in den Argumenten der Reformgegner ist die Imagination des Ehemannes als Stützpfeiler der Gesellschaft und die Befürchtung, dass ein Verfall der Familiensitten den Verfall des stattlichen Gefüges nach sich ziehen würde. Man solle sich fragen, sagt ein Opponent des Gesetzes, ob es lohnend sei, für den Schutz des Arbeitseinkommens der Ehefrau ein Gesetz zu erlassen, „that might disturb the whole state of society“.56 Solcher Art waren die Ängste der englischen Parlamentarier gewesen, die sich gegen die Reform des ehelichen Güterrechts in den Jahren 1868 bis 1870 artikulierten. Die Kontinuität der Ideen in Recht und Politik war nur ein Vorgeschmack auf das erdrückende „viktorianische“ Imaginäre. Trotzdem kamen Gesetze zustande, die diesem Imaginären widersprachen. Darin besteht im Grunde die Tatsache, dass eine „Evolution“ zur „Geschichte“ wird. Dazu und zu denjenigen, die sich gegen besagte Norm gestellt und am Ende gesiegt haben, wird im nächsten Teil der Untersuchung ausführlich zu sprechen sein. Jetzt wird mit einem Blick auf den Inhalt der Gesetze und die juristischen Veränderungen, die durch sie ins Leben gerufen werden sollten, die Untersuchung der Entwicklung des englischen Güterrechts im 19. Jahrhundert abgeschlossen.

Thematik Wesel, Der Mythos, S. 142–148, insb. 147; den Übergang zur Neuzeit, die Entstehung des neuen Freiheitspostulats (Locke), aus dem die Frau dann herausgenommen wurde, thematisieren U. Gerhard, Gleichheit, S. 21, 31–37, bzw. Moraw, aaO., S. 15f. 54 Dazu etwa Hartmann, Einführung in die Philosophie 18, bzw. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 509 m.w.H. 55 Zum Aufkommen dieser Argumentation im 19. Jahrhundert vgl. Schwab, Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 288–293; s. auch Fraisse, in: Duby/Perrot IV, S. 84f. (zu Marx); vgl. noch Savigny, System des heutigen römischen Rechts I, S. 343f.; Rousseau, Émile, S. 473, und Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 201. Die Familie wird aber im 19. Jahrhundert namentlich ab der zweiten Hälfte nicht als Mikrographie der Gesellschaft, sondern als der verbliebene Ort der Moral, die Schule, in welcher die Prinzipien der Gesellschaft erlernt werden (nach J. S. Mill allerdings eine „Schule des Despotismus“) angesehen. Daraus entsteht auch die Rolle der (duldsamen) Ehefrau, deren wichtigste Aufgabe in der Erziehung der Kinder besteht, und die in der Stille Einfluss auf die Gesellschaft durch ihren Ehemann ausübt. 56 Hansard, 195 (1869), S. 791.

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b) Die wichtigsten gesetzlichen Änderungen Wie bereits erörtert, wurden dem englischen Gesetzgeber57 insgesamt drei Regelungsalternativen angeboten, und zwar erstens, einige der Regelungen des Scheidungsgesetzes von 1857 auf das eheliche Zusammenleben auszudehnen, was definitiv nicht geschah, zweitens die normative Gleichstellung der Ehefrau mit dem Ehemann vorzuschreiben oder drittens das bisher erprobte Konzept der Equity zu übernehmen. Schon diese Aufreihung macht deutlich, dass es sich im Grunde, vor allem aus dem Blickwinkel der Gleichberechtigung der Geschlechter, um zwei Modelle handelt.58 Denn, obwohl die Regelungen des besagten Scheidungsgesetzes einen sehr eingeschränkten und die Interessen der Frauen keinesfalls befriedigenden Anwendungsbereich hatten, basierten sie auf dem Prinzip der grundsätzlichen Gleichstellung der Ehefrau mit dem Ehemann. Nur galt dies einzig und allein für die Zeit nach der gerichtlichen Trennung der Ehegatten. Letzteres war sicherlich grundlegend und wahrscheinlich eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass das Gesetz damals zustande kam. Strukturell aber verkörpert dieses Gesetz eine erste Spur von Gleichberechtigung im Familienbereich. Das Konzept der Equity glitt dagegen auf engeren Schienen. Denn es war historisch betrachtet ohne Zweifel eine treibende Kraft der Geschlechtergleichberechtigung, eine Behauptung, die noch zu konkretisieren sein wird.59 Doch weder entstehungsgeschichtlich noch dogmatisch baute der Lordkanzler auf dieses Prinzip. Ursprünglicher Zweck der Änderungen war ja die Wahrung der Interessen der einen Familie gegenüber der anderen. Und dogmatisch gab es doch einige Einschränkungen der Willensfreiheit der Frau, die sich aus Überlegungen ergaben, deren Ausgangspunkt immer die Inferiorität des weiblichen Geschlechts war. Der Gesetzgeber des Jahres 1870 – und das gilt auch für die nachfolgenden Gesetze – entschied sich für eine weitgehende Übernahme des Equity-Konzepts. Die englische Gesetzgebung übernimmt das Modell der Gleichberechtigung erst im Jahre 1935 endgültig.60 Die Hintergründe dieser Gesetzgebung liegen außerhalb des Rahmens dieser Untersuchung. Hier ist nur der Anfang des Prozesses relevant und der wurde 1870 mit dem Married Women’s Property Act gemacht. 57 Wenn man einen in besonderem Maße kontroversen Meinungsaustausch – oder einen Teil desselben – gerade verlassen hat, dann mutet es einem etwas unwahr an, von „einem“ englischen Gesetzgeber zu sprechen. 58 So auch Holdsworth, A History XV, S. 194f. 59 Im zweiten Teil unter E. V. 3b. 60 Holdsworth, A History XV, S. 195.

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aa) Separate estate Der Married Women’s Property Act 1870 regelt den sachlichen Anwendungsbereich über die Heranziehung und Bestimmung des Begriffs „separate estate“. Das genannte Gesetz übernimmt offensichtlich die Terminologie der Equity. Insbesondere sucht Art. I näher festzulegen, welche Vermögenssegmente zum getrennten Vermögen der Ehefrau erklärt werden können. In erster Linie ist das Arbeitseinkommen vom Gesetz erfasst. Auch in der parlamentarischen Debatte bestand ein breiter, fast einhelliger Konsens darüber, dass es vorrangig galt, ein relevantes soziales Problem der unteren Gesellschaftsschichten zu lösen – das Problem der erheblichen Zahl von Ehemännern, die ihre arbeitstätigen Ehefrauen mit dem Siegel des Rechts ihres Einkommens beraubten. Dagegen sollten die Frauen geschützt werden und so erklärt Art. I, dass der Lohn und sonstiges Einkommen einer verheirateten Frau zu ihrem eigenen Vermögen gehört, welches sie unabhängig von ihrem Ehemann besitzen und verwalten kann. Des Weiteren wird vorgesehen, dass bezüglich dieser Vermögensgegenstände nur eine Annahme der entsprechenden Leistung durch die Ehefrau selbst als Erfüllung gilt. Mit dieser gesetzlichen Bestimmung werden die entsprechenden Aussagen des Common Law vollständig konterkariert und fallen weg. Der Ehemann hatte grundsätzlich keine Zuständigkeiten hinsichtlich des Einkommens der Ehefrau mehr, was das Gesetz ausdrücklich ausspricht. Der genannte Art. I unterscheidet dann insgesamt drei Kategorien des „Arbeitsertrags“ (hier als allgemeiner Begriff für die dort erwähnten „wages“ und „earnings“ verwendet), die als getrenntes Vermögen betrachtet werden können. In der ersten Kategorie des Arbeitsertrags finden sich Verdienste aus einem Arbeitsverhältnis oder einer sonstigen Beschäftigung oder einer gewerblichen Tätigkeit. Für die gewerbliche Tätigkeit war besonders vorgeschrieben, dass die Ehefrau sie getrennt von ihrem Ehemann auszuüben habe. Das bedeutete zwar nicht, dass die Eheleute getrennt leben sollten. Die Voraussetzung war aber andererseits nicht gegeben, wenn der Ehemann aus den sich daraus ergebenden Rechtsgeschäften persönlich haften sollte.61 Die Möglichkeit der Ehefrau, selbständig eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben, konnte aber durch einen vorehelichen oder nachehelichen Vertrag mit ihrem Ehemann beeinflusst werden. Denn hatten die Eheleute einen solchen Vertrag abgeschlossen, dann musste die Ehefrau, soweit dieser Vertrag für sie bindend war,62 nach dessen Bedingungen handeln. Die Notwendigkeit für einen solchen Vertrag lag auch 61 Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 26f. 62 Das gilt nämlich nur für den vorehelich geschlossenen Vertrag, s. Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 26.

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nach Inkrafttreten dieses Gesetzes (wenigstens potentiell) noch vor. Denn durch dieses Gesetz wurde der Ehefrau keine allgemeine Geschäfts- oder Vertragsfähigkeit verliehen, sondern eine solche wie bei der Regelung der Equity immer nur in Bezug auf ein vorhandenes Vermögen angenommen.63 Das heißt aber, dass sie, um zu diesem Vermögen zu kommen, der Zustimmung ihres Ehemannes bedurfte, etwa um eine gewerbliche Tätigkeit aufzunehmen. Erst das daraus fließende Einkommen konnte sie selbständig verwalten. In diesem Zusammenhang ergab sich schließlich – in einer Auseinandersetzung der Ehefrau mit den Erben des Ehemannes – die weitere Frage, ob bei einer gewerblichen Tätigkeit, die auf der Grundlage eines solchen Vereinbarung der Eheleute aufgenommen wurde, zum getrennten Vermögen der Ehefrau auch das Grundkapital oder die Vorräte im Geschäft der Ehefrau gehörten. Im Grundsatzurteil zu dieser Frage Ashworth v. Outram64 kam Richter Malins zu dem Schluss, dass das Gesetz nicht nur den Arbeitsertrag der Ehefrau meinen konnte, sondern im Fall der Führung einer gewerblichen Tätigkeit auch die Mittel gemeint sein mussten, womit der genannte Ertrag erzielt wurde.65 Die zweite Kategorie des Arbeitsertrags, die nach dem Married Women’s Property Act von 1870 als Verdienst zu verstehen und daher dem „separate estate“ zuzurechnen war, ist bemerkenswert. Der Gesetzgeber erklärt hier alles zum Vermögen der Ehefrau, was sie durch Einsatz ihrer literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Fähigkeiten erworben hat. Es handelt sich um eine gehaltvolle Vorschrift, deren Aussagen oder besser gesagt, die Motive ihrer Aussagen die Fähigkeit des Rechts bzw. – weniger abstrakt – die Funktion des englischen Rechts des 19. Jahrhunderts offenbaren, der Kulturdynamik Ausdruck verleihen. Die besondere Erwähnung der literarischen Tätigkeit einer Ehefrau „aktiviert“ das Gesetz tatsächlich in Bezug auf Ehefrauen, die man der gehobenen Mittelklasse zuordnen würde. In diesem Teil der Bevölkerung befand sich nämlich eine beachtliche Anzahl von Frauen, für welche die prosaische Artikulierung der einzige Ausweg aus der privaten Bedeutungslosigkeit war. Andererseits will das Gesetz die wissenschaftliche Tätigkeit einer Ehefrau besonders berücksichtigen, eine Tätigkeit, gegen welche sich die maßgeblichen, männlich besetzten Institutionen noch vehement wehren.66 Aber auch in dieser Hinsicht gibt es 1870 sowohl erheblichen Druck von Sei63 Vgl. Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 26. 64 Ashworth v. Outram (1877), 5 Ch. Div. 934. 65 So auch Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 26 m.w.H., welche die erwähnten Vermögensgrößen unter das Begriffspaar „wages and earnings“ subsumieren. 66 S. dazu etwa Levine, Victorian Feminism, S. 96, bezüglich des Medizinstudiums.

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ten der Frauenbewegung als auch erste Signale des Wandels. Diesem Wandel scheint das Gesetz Vorschub zu leisten.67 Die dritte Kategorie betrifft schließlich Erträge, die sich aus der Investition des Einkommens oder sonstigen eigenen Vermögens seitens der Ehefrau ergeben. Die folgenden Vorschriften des Gesetzes bestimmen noch weitere Vermögensgegenstände, die von nun an als „separate estate“ der Ehefrau anzusehen waren. Besondere Erwähnung finden in Art. II mögliche Bankeinlagen der Ehefrau, die durch die Charakterisierung als ihr getrenntes Vermögen der Kontrollbefugnis des Ehemannes entzogen werden konnten. Das galt nach derselben Vorschrift nur dann nicht, wenn die Geldmittel, auf welche besagte Geldeinlagen zurückzuführen waren, Geldmittel des Ehemannes waren, welche die Ehefrau ohne sein Einverständnis angelegt hatte. Dann wurde seine Meinung wieder relevant. Dieselbe Struktur liegt auch Art. IV des Gesetzes zugrunde, wo es um die Beteiligung der Ehefrau an verschiedenen Formen von Gesellschaften ging. Solange die Ehefrau eigene Geldmittel investierte, konnte sie unabhängig von ihrem Ehemann agieren. Andernfalls hatte er ein Mitspracherecht und gegebenenfalls stand ihm die alleinige Berechtigung am jeweiligen Kapital zu. Eine zusätzliche Erweiterung erfährt der Begriff des „separate estate“ im Rahmen von Art. X. Abs. 1. Demnach ist es einer Ehefrau gestattet, eine Lebensversicherung abzuschließen (wobei der Ehemann oder sie selbst der Versicherte sein kann) und den Versicherungsvertrag selbständig zu verwalten. Neu ist daran allerdings lediglich, dass ein solcher Vertrag gültig ist, also der Ehefrau insoweit Vertragsfähigkeit zugesprochen wird. Die Verwaltungsbefugnis bezüglich des Vertragsgegenstandes erscheint demgegenüber eher als ein Derivat dieser Vertragsfähigkeit. Von Interesse für den Gesetzgeber waren schließlich verschiedene Vermögensgrößen, die der Ehefrau von Todeswegen zugefallen waren. Art. VII enthält in Bezug auf mehrere Kategorien unterschiedliche Bestimmungen. Im Allgemeinen handelt die Vorschrift vom sog. „personal property“. Diese Art des Vermögens wird nun zum „separate estate“ der Ehefrau erklärt, soweit sie es in gesetzlicher Erbfolge von einem Verwandten erbt. Die Ehe ist also auch in dieser Hinsicht kein Geschenk mehr für den Ehemann.68 Das gilt aber auch nur soweit die Ehefrau auf die beschriebene Weise zu ihrem Vermögen kommt. Erwirbt sie dagegen das fragliche Vermögen über eine testamentari67 Ob Letzteres bewusst geschieht oder nicht, ist den vorliegenden Quellen nicht zu entnehmen. 68 So die oben zitierten Worte von Sir Edward Coke in Bezug auf „personal property“. Vgl. im ersten Teil unter A. III. (am Anfang).

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sche Verfügung oder über einen notariell beurkundeten Vertrag („deed“), dann besteht eine nicht unbedeutende Einschränkung. Ihr „separate estate“ kann in diesen Fällen nämlich nur eine vom Gesetz festgesetzte Höhe des Gesamtbetrags erfassen: 200 Pounds und nicht mehr. Warum sich dies so verhielt, lässt sich nicht herausfinden. Andererseits scheint die genannte Einschränkung immer nur für die jeweilige Zuwendung gegolten zu haben. Wurde der Ehefrau dagegen ein größerer Betrag als 200 Pounds zugewendet, jedoch verteilt über mehrere testamentarische Verfügungen oder mehrere notariell beurkundete Verträge, dann wurde der Gesamtbetrag zu ihrem „separate estate“, soweit jede einzelne Verfügung die besagte Höhe nicht überstieg.69 Art. VIII befasst sich wieder ausschließlich mit Vermögen, das die Ehefrau über ihr gesetzliches Erbrecht erworben hat. Handelte Art. VII vom „personal property“, geht es jetzt um das unbewegliche Vermögen. Mochte dieses im Zeitalter der Gesetzesreformen etwa gegenüber der Epoche, in welcher die Common-Law-Regeln entstanden waren, doch erheblich an Bedeutung eingebüßt haben, und mag Letzteres auch den parlamentarischen Machtzentren durchaus bewusst gewesen sein, die tradierten Regeln wollte man dennoch nicht unberührt lassen. Die Frage ist sicherlich, inwieweit daran gerüttelt wurde. Wohl nur zum Teil, denn an den Eigentumsverhältnissen änderte auch das alte Common Law ohnehin nichts. Die Ehe war in dieser Hinsicht nicht als Geschenk an den Ehemann charakterisiert worden. Allerdings stand diesem das alleinige Nutznießungrecht zu. Das ändert sich nunmehr radikal. Das Verwaltungsrecht der Ehefrau erstreckt sich von nun an auf den Pachtzins und auf andere Gewinne, die sich aus dem fraglichen Grundstück ergeben, wie das Gesetz sagt. Nur eine Leistung des Schuldners an die Ehefrau selbst wirkt als eine Erfüllung. Es besteht kein Zweifel, dass sich auch das Verfügungsrecht der Ehefrau über dieses Vermögen, Pachtzins und andere Gewinne, erstreckt. Insoweit ist die „güterrechtliche Autonomie“ vollzogen. Aber nur insoweit, weiter geht das Gesetz nicht. Namentlich kann die Ehefrau nicht über das Grundeigentum selbst verfügen. Dafür gelten andere Bestimmungen, die dem männlichen Willen wieder Relevanz verleihen.70 Nichts anderes gilt schließlich auch in Bezug auf eine testamentarische Verfügung der Ehefrau, die ihr das Gesetz auch nicht gestattete. Zum getrennten Vermögen der Ehefrau waren dies die wichtigsten Kategorien, die durch den Married Women’s Property Act 1870 in Abweichung zum bis dahin geltenden Common Law geregelt wurden. Mit Ausnahme der soeben inspizierten Einschränkungen bezüglich des unbeweglichen Vermö69 So Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 39. 70 Vgl. Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 41.

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gens erhielt die Ehefrau eine immense Erweiterung ihrer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse. Nicht unwichtig ist zu erwähnen, dass das Gesetz nicht nur die Zahl der zum „separate estate“ möglicherweise gehörenden Vermögensgegenstände anwachsen ließ, sondern auch ihre beweisrechtliche Bestimmung als solche erleichterte. Wie die kurz nach Erlass des Gesetzes erfolgte Kommentierung mit Bezugnahme auf die neueste Rechtsprechung erklärte, galt nunmehr die umgekehrte Beweislast. Handelte es sich also um eines der im Gesetz als „separate property“ gekennzeichneten Vermögensrechte, dann galt dies auch als solches. Die Beweislast oblag demjenigen, der behauptete, dass das fragliche Recht nicht zum getrennten Vermögen der Ehefrau gehörte.71 Die Umschreibung des Begriffs „separate estate“ im ersten Reformgesetz lässt sich mit der Erwähnung einer letzten Einschränkung abrunden. Nur solches Vermögen könnte zum getrennten Vermögen der Ehefrau erklärt werden, welches sie während der Ehe erworben hatte.72 Dies stimmt auch mit dem erklärten Hauptzweck des Gesetzes, in erster Linie das Arbeitseinkommen der Ehefrau der männlichen Kontrollbefugnis zu entziehen, überein. Was der Ehefrau vor der Ehe zugekommen war, konnte dagegen nur mit Einverständnis des Ehemannes zum „separate estate“ erklärt werden. Ein auf solche Art und Weise zustande gekommenes getrenntes Vermögen unterschied sich auch vom gesetzlichen, d.h. von diesem Gesetz vorgesehenen „separate estate“, da es ja auf eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Eheleuten zurückzuführen war.73 bb) Geschäftsfähigkeit der Ehefrau Das Gesetz schreibt vor, dass die Ehefrau berechtigt sein soll, ein umfangreiches Vermögen zu besitzen, d.h. die Eigentümerin dieses Vermögens zu sein, und zwar unabhängig von ihrem Ehemann. Des Weiteren schreibt das Gesetz vor, dass sie ihr Vermögen selbständig verwalten kann. Ein etwas komplexer ausgestaltetes, dennoch vorhandenes Verfügungsrecht über dieses Vermögen wird ihr ebenfalls eingeräumt. Dass die sich daraus ergebende Vertragsfähigkeit der Ehefrau separat behandelt werden soll, ist nicht nur dem Zwang der juristischen Konstruktion74 zu verdanken. Es soll vielmehr der Paradigmenwechsel betont werden. Es springt nämlich ins Auge, wenn man anlässlich des neuen Gesetzes in einer dogmatischen Abhandlung liest, dass die Ehefrau 71 Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 30. 72 So Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 30. 73 Dazu Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 30, 53. Die Problematik wurde auch im House of Lords diskutiert. Vgl. Hansard, 203 (1870), S. 623. 74 Keinesfalls ist damit ihre Willkürlichkeit gemeint!

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durch seine Geltung Verträge abschließen kann; dass sie mit ihrem Vermögen handeln und über dieses nach Belieben, d.h. nur ihrem eigenen Willen gehorchend, disponieren kann.75 Sei es auch nur, dass die neue Freiheit zunächst in Bezug auf das getrennte Vermögen der Ehefrau, wie bereits im Zusammenhang mit den Equity-Regelungen abgehandelt, und nicht abstrakt anerkannt wurde. In solcher Allgemeinheit und auch in solchem Umfang war die Vertragsfähigkeit der Ehefrau bisher noch nie ausgesprochen worden. Allerdings balanciert der Wechsel noch zwischen konkretem Eingeständnis und abstrakter rechtlicher und politischer Errungenschaft. Erstere Sichtweise scheint bei einigen zeitgenössischen Juristen überwogen zu haben, so dass zu diesem Zeitpunkt nur eine auf gleichsam naive Weise wirkungsgeschichtlich ausgerichtete Interpretation einen Paradigmenwechsel feststellen kann. Insbesondere hat man teilweise versucht, den Akzent auf die Notwendigkeit einer Bezugnahme auf eine konkrete Vermögensmasse zu legen. „It appears to me that the Act gives no power to contract to a married woman which she did not possess before“ und „I think the Act makes no alteration in the position of the married woman.“76 Diese Konzeption überträgt sich dann auf die Haftungsfrage. Hier entsteht nämlich immer noch die Frage, ob die Frau aus ihren Rechtsgeschäften persönlich haftet oder nicht. Auch diesen Schritt vollzieht das Gesetz ganz klar nicht. Man sieht die Haftung vielmehr im Vorhandensein eines Vermögens verankert, welches dann auch haftet.77 Damit wird zugleich die Annahme eines sog. „personal contract“ abgelehnt,78 ebenfalls genauso, wie es der Equity entsprach. cc) Haftung Die Haftungsfrage birgt freilich eine weitere Komplikation, soweit man die Problematik der Haftung des Ehemannes für die vorehelichen Schulden seiner Ehefrau in Rechnung stellt. Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass die Tatsache, dass der Ehemann nach Common Law in Haftungsfragen den „Vogt“ seiner Ehefrau spielen durfte, eine bedeutende Kraft bezüglich der Rechtfertigung seiner Herrschaft in Vermögensangelegenheiten entfaltet hatte: Wer die Last trägt, dem gebühren auch die Vorteile – eine Formel, die im 19. Jahrhundert mit relativ großem internationalen Erfolg kursieren durfte. Art. XII des Gesetzes befreit den Ehemann nun von dieser vertragli75 Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 28. 76 Beides aus Howard v. Bank of England, zit. nach Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act , S. 49; vgl. ebda., S. 26. 77 Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 29. 78 Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 51.

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chen Haftung, womit allerdings noch nicht das letzte Wort gesprochen war. Durch diese Vorschrift wird aber weder die schadensersatzrechtliche noch die deliktsrechtliche Haftung des Ehemannes für entsprechendes Handeln seiner Ehefrau berührt.79 dd) Prozessfähigkeit Notwendiges Korrelat und Vollendung der bisher erörterten neuen Rechte der Ehefrau ist nichts anderes als ihre prozessuale Verwirklichung. Es hat wenig Sinn für die Ehefrau, die Eigentümerin von Vermögen zu sein, ohne ihr Recht vor Gericht gegen jeglichen Usurpator verteidigen zu können. Genauso hohl wäre es, ihr die Fähigkeit zuzusprechen, Verträge mit Dritten unabhängig von ihrem Ehemann eingehen zu können, ohne sie ebenso unabhängig vom Ehemann durchsetzen zu können. So dachte wohl auch der englische Gesetzgeber und zögerte nicht weiter. Art. XI ordnete an, dass eine verheiratete Frau ihren Lohn und alles, was man im Sinne dieses Gesetzes als ihr getrenntes Eigentum bestimmt hatte, allein und in eigenem Namen vor Gericht einklagen konnte. Dasselbe galt für dasjenige Vermögen, das der Ehefrau vor der Ehe gehörte und aufgrund einer Vereinbarung mit dem Ehemann zum „separate estate“ erklärt wurde. Überhaupt wurden der Ehefrau alle Rechtsbehelfe zum Schutz ihres Vermögens bewilligt, die einer unverheirateten Frau auch zugestanden hätten. Dieses Recht erstreckte sich schließlich nicht nur auf Erfüllungsansprüche. Erfasst wurden auch Schadensersatzansprüche, so dass die Ehefrau ihr gewerbliches Handeln nach den für alle geltenden Regeln ausrichten konnte.80 An dieser Vorschrift erkannte der hier immer wieder zitierte Gregory Walker eine „wichtige Veränderung im Status der Ehefrau“,81 und es ist schon selten, dass er sich so enthusiastisch ausdrückt. Denn gerade hier – und dies mag für das englische Rechtsdenken dieser Zeit bezeichnend sein – sieht er die Vermutung bestätigt, dass dieses Gesetz der Ehefrau eine persönliche Existenz im Rahmen des Rechts zubilligt: Das (Rechts-) Subjekt lebt wieder auf, könnte man in provokanter Weise ausrufen! Für das englische Recht hat dieser Umstand grundlegende, ja, geradezu umstürzlerische Konsequenzen. Denn die Ehefrau wurde bis dahin deswegen nicht als Rechtssubjekt anerkannt, oder nicht voll anerkannt, weil das Leitprinzip des englischen Rechts, das Prinzip der „Legal Unity“, es nicht zuließ. „By marriage, the husband and wife are one person in law. That is, the very being or 79 Vgl. auch Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 55. 80 Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 47f. 81 Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 47.

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legal existence of the woman is suspended during the marriage, or at least is incorporated and consolidated into that of the husband“, so umschrieb der große Blackstone dieses Prinzip.82 Nunmehr kann die Ehefrau Dritten gegenüber als eigenständiges Rechtssubjekt auftreten und ihrer rechtlichen Verantwortung selbst Gestalt verleihen. „She has an independent personal status.“83 Dies tritt deutlicher zutage, wenn eine weitere Seite des gerichtlichen Rechtsschutzes ins Blickfeld rückt. Art. XI spricht allgemein vom Klagerecht der Ehefrau zum Schutz ihres Vermögens. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass dieses Recht sowohl gegen Dritte als auch gegen den Ehemann gerichtet werden konnte. Das wird durch Art. IX bestätigt, der für Vermögensstreitigkeiten zwischen den Eheleuten eine besondere Verfahrensform anheim stellt. Damit wird das alleinige Entscheidungsrecht des Ehemannes, soweit das getrennte Vermögen der Ehefrau betroffen ist, revidiert. Es gibt aber auch etwas, was das neue Gesetz nicht sagt. Es berührt nämlich die Frage der Passivlegitimation der Ehefrau nicht. Insoweit gilt also weiterhin, dass sie nicht allein verklagt werden kann. So wie bei der Problematik der persönlichen Haftung zögerte der englische Gesetzgeber auch hier zunächst, der passiven, zurechnenden Seite der (Rechts-) Subjektautonomie ebenfalls Geltung zu verschaffen.84 So blieb es bei der Regel, dass ihr Ehemann mitverklagt werden sollte. Aber nicht mehr lange! ee) Unterhaltspflicht Aus demselben Grund wie die Haftungsfrage erweckt schließlich auch die Problematik des Unterhalts das Interesse. Auch hier lag bedeutendes Gewicht der Legitimation zur Vereinigung fast aller Verwaltungs- und Verfügungsrechte hinsichtlich des weiblichen Vermögens in der Person des Ehemannes. Die ihm einseitig aufgebürdete Verpflichtung, die Lasten der Familie zu tragen, berechtigte ihn dazu, das Vermögen der Ehefrau zu verwalten und darüber zu verfügen. Die Frage, ob es gerecht wäre, die weitgehende vermögensrechtliche Unabhängigkeit der Ehefrau nun anzuerkennen, es an unterhaltrechtlicher Reziprozität aber weiterhin fehlen zu lassen, hat man auch im Rahmen der parlamentarischen Debatte, und zwar von Seiten der Verfechter

82 Blackstone, Commentaries I, S. 430. 83 Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 47. Selbstverständlich gilt das wieder nicht abstrakt, sondern nur im Zusammenhang mit durchzusetzendem „separate estate“. 84 Zur rechtlichen Regelung vgl. Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 50f.

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der Fraueninteressen angeschnitten.85 Es ging dabei um die Schulden der Ehefrau. Denn die vorehelichen Schulden hatte sie nunmehr selbst zu tragen, und der Ehemann konnte deswegen nicht mehr belangt werden. Nach dem neuen Gesetz unterfielen auch die während der Ehe von der Ehefrau gemachten Schulden nicht oder nicht mehr ganz der männlichen Unterhaltsverpflichtung. Denn die Ehefrau konnte, soweit ihr getrenntes Vermögen reichte, selbst dafür belangt werden. Insofern waren durch das Gesetz auch die Einwände einiger Interessenkreise erledigt, welche die fehlende Möglichkeit beklagt hatten, die handelnde Frau bei Insolvenz ihres Ehemannes in Anspruch nehmen zu können.86 Die Frage der Reziprozität der ehelichen Lastentragung hatte sich damit aber nicht erledigt. Auch hier macht das Gesetz entscheidende Fortschritte. Zwar obliegt der Familienunterhalt unter normalen Umständen weiterhin dem Ehemann. Aber Art. XIII und der folgende Artikel statuieren zum ersten Mal Unterhaltsverpflichtungen der Ehefrau. Im zuerst genannten Artikel besteht die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Ehemann, wenn er sich selbst nicht unterhalten kann. Beantragt er deswegen Armengeld vom Staat, dann wird die Aufgabe der Solidarität an die Familie zurückübertragen und die Ehefrau tritt als Primärverpflichtete hervor. Eine Schuld wohlgemerkt, die sich nicht auf ihr „separate estate“ beschränkte.87 Art. XIV schreibt dann ebenfalls erstmalig die Unterhaltspflicht der Ehefrau gegenüber ihren Kindern vor. Sie besitzt nunmehr ein Argument, um sich durch Arbeit in der öffentlichen Sphäre zu betätigen. c) Ergebnis Eine Beurteilung des Gesetzes kann vom heutigen Standpunkt aus dennoch nicht eindeutig ausfallen. Das Gesetz ist noch sehr zurückhaltend. Man muss hervorheben, dass sein Schwerpunkt weder in der Anerkennung der Rechtsperson der Ehefrau noch in der Statuierung oder auch nur Andeutung ihrer uneingeschränkten Geschäftsfähigkeit erblickt werden kann. Das Gesetz erweitert lediglich den vererbten Begriff des „separate estate“ und damit unvermeidbar auch die Handlungsfähigkeit und rechtliche Autonomie der Ehefrau, d.h. ihre Möglichkeit zur Verantwortung, ohne abstrakte Aussagen zu machen. Seine Interpreten betonen, dass die Ehefrau keinesfalls als voll vertragsfähig angesehen werden kann. Insoweit stellt das Gesetz eine weitgehende Über85 Vgl. dazu Hansard, 201 (1870), S. 884; 192 (1868), S. 1360, 1372 m.w.H.; 195 (1869), S. 790, 791; 202 (1870), S. 610f. 86 Hansard, 201 (1870), S. 884. 87 S. Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 57.

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nahme der oben beschriebenen Equity-Regelungen dar. Jegliche weibliche Handlungsfreiheit bleibt stets auf das „separate estate“ beschränkt.88 Darüber hinaus lernt auch dieses in seiner verfügungsbezogenen Dimension eine Einschränkung kennen. Konkret ist bis jetzt, dass die Ehefrau über ihr unbewegliches „separate estate“ entgegen aller Regel nur sehr eingeschränkt disponieren kann. Der englische Gesetzgeber artikuliert mit dieser Regelung, dass er die Idee der „marital rights“ oder „legal rights“, also der einseitig bestehenden Rechte, die dem Ehemann am weiblichen Vermögen aufgrund der Ehe zustehen, nicht aufgegeben hat. Solche Rechte, die oben bereits als „Tenancy by the Curtesy“ in Bezug auf unbewegliches oder als bloße Verwaltungsrechte in Bezug auf bewegliches Vermögen vorgestellt wurden, entstehen in der Person des Ehemannes nach dem Tod seiner Ehefrau. Wenn das „intermettent fetter“, wie man die Zeit genannt hat, in welcher ein „separate estate“ der Ehefrau bestand,89 „aufgebrochen“ wird, dann wird der Ehemann wieder in seine natürliche Position versetzt. Eine Position, die auch während der Ehe nicht komplett verleugnet wird, nämlich im Fall der Verfügung der Ehefrau über Vermögen, das sie schon vor der Ehe besessen hat. Dieses kann ja nur dann zum „separate estate“ erklärt werden, wenn der Ehemann damit einverstanden ist. Verfügt die Ehefrau ohne eine solche Vereinbarung über das besagte Vermögen, dann liegt ein sog. „fraud of marital rights“ vor – eine Regelung, die sich zwar nicht aus dem Gesetz ergab, aber auch nicht durch dieses Gesetz berührt wurde.90 Die Initiatoren der Reform, vor allem die parlamentarisch tätigen, hatten schon subversiver gedacht. In einem der ersten Entwürfe des Gesetzes im Jahre 1868 begegnen Formulierungen, die von einer allgemeinen und umfassenden Gleichstellung der Ehefrau sprechen, wenn nicht mit dem Mann, so doch mit der „feme sole“, was im Ergebnis und vor allem in güterrechtlicher Hinsicht kaum einen Unterschied bedeuten würde. Doch solch ein Wortlaut hielt der empörten Kritik nicht stand.91 Dennoch, das neue Gesetz tritt auf maßgebliche Weise, wie schon seine Gegner im Rahmen der parlamentarischen Diskussion deutlich gesehen hatten, dem alleinigen männlichen Entscheidungsrecht entgegen, nämlich in Fällen von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ehegatten. Unlängst angemeldete Zweifel an der Notwendigkeit „eines Kopfes“ bzw. eines einzigen Oberhauptes der Familie bekommen auf eindeu-

88 89 90 91

S. auch Edwards, The law of husband and wife, S., insb. S. 415. Vgl. Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 28f. Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 30. Hansard, 192 (1868), S. 1354ff.

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tige Weise – durch das Klagerecht der Ehefrau – die Rechtsform. Das war aber nicht die einzige Leistung des englischen Gesetzgebers im Jahre 1870. Die wesentliche Änderung besteht vielmehr in der Verwirklichung des mit der Zeit immer seichter gewordenen Gleichheitsideals der bis dahin letzten großen Revolution. Den Zugangsbarrieren, die durch die hohen Gerichtskosten bei den Gerichten des Lordkanzlers entstanden waren, wurde ein entscheidender Schlag versetzt. Danach konnte man nicht mehr von klassenspezifischen Rechtsdifferenzierungen sprechen. Aber schließlich soll die wichtigste inhaltliche Änderung nicht vergessen werden, die durch dieses Gesetz herbeigeführt wurde. Jede Ehefrau konnte nunmehr, ganz anders als nach dem Common Law, über ihr Arbeitseinkommen frei verfügen. Eine Freiheit, die ihr auch nicht durch die Equity gewährleistet worden war. Lebensgeschichten wie diejenige von Norton beweisen, dass die neue Freiheit nicht nur die sog. arbeitenden Klassen betraf. Aber diesen galt die Änderung in erster Linie. Insoweit ist es nicht richtig, wenn man meint, dass die Gesetzesänderungen vor allem den finanziell besser ausgestatteten Ehefrauen zugute kamen, da ärmere Frauen ohnehin kein Vermögen besaßen.92 Inwieweit sie tatsächlich davon profitieren konnten, ist eine Frage, die hier nicht gestellt wird. Das Gesetz sollte ihnen die Möglichkeit dazu geben und, nunmehr historisch betrachtet, sollte es die Frauen zu weiteren Rechtsforderungen inspirieren. 5. Married Women’s Property Act 188293 Im Jahre 1881 stellt sich der Lordkanzler, der sich einige Jahre zuvor gegen eine erneute, und zwar auf der Basis der Frauenemanzipation93konzipierten 92 So Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 320. 93 Schon vier Jahre nach dem ersten entsteht ein zweites Reformgesetz, Married Women’s Property (Amendment) Act 1874, das im Vergleich zu seinem Vorgänger und zu dem als nächstes zu besprechenden Gesetz von sehr begrenztem Umfang ist. Deswegen sollen seine Grundzüge nur in einer Fußnote dargestellt werden. Das Gesetz bezieht sich im Prinzip auf einen einzigen Gegenstand, nämlich auf die Haftung des Ehemannes für die vorehelichen Schulden der Ehefrau. Dieses Problem stellte sich von allen Seiten wiederholt auch im Rahmen der parlamentarischen Debatte und es ist kein Geheimnis, dass dieses Gesetz von den ehemaligen Gegnern der Reform initiiert wurde (so Shanley, Feminism, S.105). So schreibt Art. I dieses Gesetzes vor, dass die entsprechende Regelung des Married Women’s Property Act 1870, die den Ehemann von jeder vertraglichen Haftung für voreheliche Schulden seiner Ehefrau befreite (Art. XII), nicht mehr gilt. Stattdessen wird dem jeweiligen Gläubiger der Ehefrau das Recht eingeräumt, die Eheleute ge-

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Gesetzesreform ausgesprochen hatte, einem neuen Married Woman’s Property Act nicht mehr entgegen. Man mutmaßt, dass dies weniger in seiner persönlichen Einstellung gegenüber der „Frauenfrage“ lag, sondern vielmehr Ausfluss der inzwischen erfolgten Reform in den Organisationsstrukturen der Gerichtsbarkeiten durch den „Judicature Act 1873“ war.94 Der „Judicature Act“ hatte die Equity-Gerichtsbarkeit und die CommonLaw-Gerichtsbarkeit zusammengeführt. Nach dessen Bestimmungen war im Konfliktfall die jeweilige Equity-Regel zu befolgen.95 Welches seine Motive auch immer gewesen sein mögen, der „Judicature Act“ war nicht die einzige Kraft, die hinter der nun zu beschreibenden Reform zu vermuten ist. Nachfolgend werden die wichtigsten Änderungen, die sich gegenüber dem gerade untersuchten Gesetzeswerk aus dem Jahre 1870 ergaben, fokussiert.

samtschuldnerisch in Anspruch zu nehmen (Das Gesetz spricht freilich nicht von einem Anspruch, sondern von einer Klage. Dies entspricht jedoch dem englischen Rechtsdenken jener Zeit, das hier ins heutige/eigene Rechtsdenken übersetzt werden muss. Dabei bewegt sich das vom Gesetz herangezogene Rechtsinstitut der „joint liability“, grob ausgedrückt, zwischen Gesamtschuld und Gesamthand). Solche Inanspruchnahme der Eheleute betrifft allerdings nur die Erfüllungshaftung. Hinsichtlich der Schadensersatzhaftung aus Vertrag oder aus Delikt, die sich wieder auf die Zeit vor Eingehung der Ehe bezieht, trifft Art. II i.V.m. Art. V eine Einschränkung. Art. V zählt nämlich eine Reihe von Vermögenspositionen der Ehefrau auf, auf denen die Haftung des Ehemannes basieren könnte. Auffällig ist, dass es sich überwiegend um solche Vermögenspositionen handelt, aus denen der Ehemann während der Ehe selbst ökonomischen Nutzen ziehen kann. Was die übrig gebliebenen Gesetzesvorschriften anbelangt, namentlich Art. III und IV, ist abschließend zu bemerken, dass die Haftungspflichten der Ehegatten im Urteilsstadium nicht miteinander verschmolzen und Differenzierungen durchaus vorgenommen werden. So besteht erstens für den Ehemann die Möglichkeit, unabhängig von seiner Ehefrau freigesprochen zu werden. Zweitens ist aber für den Fall, dass der Ehemann zur Verantwortung gezogen würde, vorgeschrieben, dass eine gemeinsame Verurteilung nur bis zur Höhe seiner nach Art. V beschränkten Haftung erfolgen darf. Für die darüber hinausgehende Haftung soll sich das Urteil allein gegen die Ehefrau richten. Mehr hatte dieses Gesetz nicht zu sagen. Demgemäß erlangte es kaum Bedeutung in der rechtsgeschichtlichen Literatur. Gerade das Gegenteil gilt für den nächsten Married Women’s Property Act, dem die Nachwelt ohne Weiteres und zu Recht die Bedeutung des endgültigen Wendepunktes zukommen ließ. 94 Vgl. Shanley, Feminism, S. 121f. 95 Dazu insgesamt Shanley, Feminism, S. 121f. m.w.N; zur ganzen Entwicklung vgl. Baker, An Introduction, S. 113–115.

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a) Separate Estate Terminologisch tritt der Married Women’s Property Act 1882 in die Fußstapfen sowohl der Equity als auch des 1870er Gesetzes und fußt auf dem Begriff „separate estate“. Doch schon Art. I lässt den Geist des neuen Gesetzes aufglimmen. Demnach ist eine Ehefrau berechtigt, bewegliches sowie unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu besitzen und über dieses auch frei zu verfügen. Was den Erwerb von getrenntem Vermögen anbelangt, war jegliches Monopol, welches die Nutznießer des Equity-Systems ausgeübt hatten, schon 1870 beseitigt worden. Die Ehefrau war längst nicht mehr auf ein „Trust“ und somit auf den Willen ihres reichen Verwandten angewiesen. Grundsätzlich gehörte alles, was sie an Eigentum erlangte, zu ihrem „separate estate“. Hier liegt genau die Novität: Es gibt keine quantitative oder qualitative Einschränkung dessen, was zum „separate estate“ gehören kann. Der Zeitpunkt, in welchem das Vermögen der Ehefrau zukommt, ist irrelevant. Auch die Qualifikation eines Teils des Vermögens als „equitable separate estate“ entfällt und die damit zusammenhängende Einschränkung des Gesetzes von 1870 (Art. VII) wird ebenfalls unbedeutend. Der Begriff bleibt jedoch zunächst als Referenzpunkt für die Haftung der Ehefrau von Bedeutung. Aber da der Frau seine reelle Ausfüllung ganz frei stand, darf vermutet werden, dass er bis zu seiner völligen Abschaffung nur die Funktion hatte, das männliche Selbstbewusstsein zu beschwichtigen. aa) Verwaltungsbefugnis Mit der nunmehr abstrakten Fassung des Begriffs des „separate estate“ geht eine beträchtliche Erweiterung der weiblichen Verwaltungsbefugnis einher. Gegenüber dem Gesetz von 1870 wurde hier eine Differenzierung notwendig. Man musste nämlich zwischen dem vor der Ehe und dem nach der Ehe erworbenen Vermögen der Ehefrau unterscheiden. Bis 1882 konnte das Vermögen, welches die Ehefrau schon vor der Ehe besessen hatte, nicht ohne das männliche Einverständnis zum „separate estate“ erklärt werden. Geschah dies eigenmächtig durch die Ehefrau dennoch, etwa indem sie darüber eine Verfügung traf, dann lag ein Fall des sog. „marital fraud“ vor, womit das fragliche Rechtsgeschäft angreifbar wurde. Dies alles war ebenfalls obsolet geworden. Die Ehefrau konnte jetzt die gewöhnlichen Verwaltungsbefugnisse eines im Zeitalter des juristischen Individualismus lebenden Eigentümers vollständig ausüben, d.h. sie konnte ihr Vermögen nutzen und etwa Früchte daraus ziehen. Dies traf im gleichen Umfang auch auf ihr unbewegliches Vermögen zu. Gleichgültig, wann die Ehefrau zu ihrem Erwerb gekommen war, in der Ausübung ihrer Verwaltungsbefugnisse war sie in keinerlei Weise von der Zustim-

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mung ihres Ehemannes abhängig. Sie konnte ihn, genauso wie jeden anderen von der Nutzung ihres Vermögens ausschließen, wie es einem Eigentümer gebührt. Wenn dieser Satz – hinsichtlich des Auschlusses des Ehemannes – in einem Kompendium aus dem Jahre 1883 geschrieben steht,96 dann darf in ihn eventuell ein wenig Mut, womöglich Selbstüberwindung oder auch eine völlige – für Juristen typische – „Transzendierung des Ich“ (hinein)interpretiert werden.97 Unabhängig von Edwards’ persönlicher Motivation wird hier noch ein Fall festgehalten, in welchem die Möglichkeit des doppelten Auftretens der Ehegatten im Rechtsverkehr Eingang in das geltende Recht fand. Schon beim Herausarbeiten der Equity-Regelungen wurde immer wieder deutlich, dass in einer solchen Regelung die ersten Keime und die wichtigste Manifestation der institutionellen Transformation des englischen Rechts zu erblicken sind. Die verfestigten patriarchalischen Elemente des englischen Familienrechts werden der Erosion anheim gegeben, wenn und soweit die Ehefrau selbständige Rechtssubjektivität erlangt. Das scheint im Hinblick auf das englische Recht mit seiner eigentümlichen „Legal Unity“-Doktrin historisch das wichtigste von mehreren Erosionssymptomen gewesen zu sein. Die weiteren Angriffe, welche der Married Woman´s Property Act 1882 auf diese „altehrwürdige“ juristische Erfindung unternommen hat, werden gleich näher untersucht. Zuvor sei noch kurz auf einige der übrigen güterrechtlichen Änderungen eingegangen, die durch das neue Gesetz geschaffen wurden. Das Verwaltungsrecht der Ehefrau an ihrem Vermögen ist nach dem neuen Gesetz umfassend. „The only rights which her husband will obtain therein will be such as she may confer him.“98 Davon ist auch das bewegliche Vermögen der Ehefrau nicht ausgeschlossen. Man erinnert sich an das oben erwähnte Wort eines Parlamentariers, der befürchtete, dass eine Rechtsreform die Attraktivität der Ehe für die jungen Männer mindern würde.99 Die Ehe war nun als solche definitiv kein Geschenk mehr an den Ehemann – auch im Hinblick auf das bewegliche Vermögen nicht. Mit dem umfassenden Eigentums- und Verwaltungsrecht der Ehefrau wurde der Rechtskonstruktion des „marital fraud“ der Boden entzogen. Der Ehemann besaß, wie John William Edwards

96 Edwards, The law of husband and wife, S. 392, insb. S. 390ff. zu den hier geschilderten Verwaltungsbefugnissen der Ehefrau. 97 Gemeint ist nichts anderes als der tägliche Kampf des modernen Juristen, Entscheidungen als überzeugend und jedenfalls selbstverständlich darzustellen, welche er selbst gern anfechten würde; ein Kampf also, den er mit sich selbst auszutragen hat. 98 Edwards, The law of husband and wife, S. 391. 99 Vgl. Hansard, 202 (1870), S. 603ff.

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es ausdrückt, nun keine „marital rights“100 mehr, auf welche sich die jeweilige Arglist hätte beziehen können. bb) Verfügungsbefugnis Mit dem eben genannten „marital fraud“ befindet sich diese Untersuchung schon im Rahmen der Verfügungsbefugnis der Ehefrau, denn dieser „Betrug“ hätte hauptsächlich durch eine unbefugte Verfügung der Ehefrau herbeigeführt werden können – daher wird er nach 1882 nur noch selten zu finden sein. In Art. I des Married Women’s Property Act 1882 ist nämlich bezüglich des Vermögens der Ehefrau nicht mehr lediglich vom Erwerb und von der Verwaltung durch sie, sondern ebenso von ihrer Verfügungsbefugnis über dasselbe die Rede. Für die Zeit vor den hier untersuchten Gesetzesreformen bestand die Problematik der weiblichen Verfügungsbefugnis vor allem in puncto Grundvermögen, wobei die Ehefrau zum Teil sehr stark an das Einverständnis ihres Ehemannes gebunden war. Das Gesetz von 1870 hatte mit dieser Tradition noch nicht brechen können. Nach dem Married Women’s Property Act 1882 dagegen steht es fest: Der Ehefrau steht ein absolutes Verfügungsrecht zu. Sie kann demzufolge über ihr Vermögen nach Belieben verfügen, ohne die Meinung ihres Ehemannes einholen, und auch ohne ihren Willen einer wie auch immer gearteten Überprüfung unterziehen zu müssen.101 Aus Art. I ergibt sich schließlich, dass die Ehefrau auch letztwillig über ihr Vermögen verfügen darf, wiederum im Gegensatz zum Married Women’s Property Act 1870.102 Aber was ist eigentlich aus dem „restraint of anticipation“ geworden? Bei dieser kautelarischen Entdeckung handelte es sich um eine vertragliche Klausel, welche die Equity-Gerichte anerkannten. Ihr Schicksal entscheidet sich nach der großen Reform des Jahres 1882 an der Frage, ob die Vorschriften dieses Gesetzes abweichende vertragliche Gestaltungen ausschloss. Das Gesetz bringt mit Art. XIX zum Ausdruck, dass es nicht irgendeinen Grundwert der Geschlechtergleichberechtigung zu seinem Ausgangspunkt erklären möchte. Nach diesem Artikel hat das Gesetz keinen Einfluss auf die Gültigkeit von Vertragsklauseln, die das Verfügungsrecht der Ehefrau über ihr eigenes Vermögen einschränken. Überhaupt ist in Bezug auf das Vermögen der Ehefrau die volle Vertragsfreiheit gewährleistet. Nur eine Ausnahme ist vorgesehen, 100 Edwards, The law of husband and wife, S. 392. 101 Edwards, The law of husband and wife, S. 388, 393ff.; zum hier früher relevanten Fines and Recoveries Act vgl. Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 41. 102 Edwards, The law of husband and wife, S. 395f.

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nach der die vor Eingehung der Ehe zustande gekommenen Schuldverhältnisse und die sich daraus ergebenden vertraglichen Schulden der Ehefrau durch ein „restraint upon anticipation“ nicht berührt werden. So ist die Ehe wenigstens für die Gläubiger einer Frau, die plötzlich in den Stand der Ehe tritt, keine Bedrohung mehr. Auch Artikel II des Married Women’s Property Act 1882 betrifft die Frage der Verwaltungs- und Verfügungsfähigkeit der Ehefrau. In ihm weht derselbe Geist wie bisher. Sein Wortlaut ähnelt sehr dem Wortlaut von Art. I des 1870er Gesetzes. Auch hier werden besondere Vermögenspositionen genannt, um den Begriff des „separate estate“ zu konkretisieren. Trotzdem, die zwei Regelwerke unterscheiden sich, denn die Vermögenspositionen dienen hier als Beispiele und ihre Aufzählung ist nicht abschließend. Vielmehr beginnt die Vorschrift mit der abstrakt gefassten Konstatierung der weiblichen Fähigkeit, während der Ehe bewegliches oder unbewegliches Vermögen zu erwerben, zu verwalten und über dieses frei zu disponieren, so dass der Sinn der Vorschrift ein wenig im Dunkeln bleibt. b) Geschäftsfähigkeit aa) Verträge Artikel I des Married Women’s Property Act 1882 befasst sich im zweiten Absatz mit der Fähigkeit der Ehefrau, Verträge einzugehen. Diese Problematik wird wie selbstverständlich über die Haftungsfrage beantwortet. Die Ehefrau ist fähig, in Bezug auf ihr „separate estate“ Verträge einzugehen, und insoweit wird sie auch haften; so heißt es im Gesetz. Bis hierhin sind keine Veränderungen gegenüber dem ersten Married Women’s Property Act zu vermerken. Dies ändert sich mit dem dritten Absatz, in welchem die Vermutung statuiert wird, dass sich jeder Vertrag, den eine Ehefrau abschließt, auf ihr getrenntes Vermögen bezieht. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Bezugnahme auf das getrennte Vermögen war für die Begründung einer solchen Haftung bis dahin notwendig,103 was sich für den Geschäftsverkehr als sehr lästig erwiesen hatte. Damit übernimmt das Gesetz für den Bereich des Vertrags die Vermutung von 1870 bezüglich der Frage, ob ein Gegenstand zum „separate estate“ der Ehefrau gehöre. Diese Beweislastumkehr in Verbindung mit dem neu definierten Umfang des „separate estate“ und den Bezug auf jeden Vertrag der 103 Dazu und zum Folgenden Edwards, The law of husband and wife, S. 405f. Hinsichtlich der Anteile an einem Gesellschaftsvermögen vgl. noch Art. 6 und Edwards, The law of husband and wife, S. 421.

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Ehefrau ist der letzte Schritt zur Annahme ihrer Geschäftsfähigkeit. Sie ist jetzt in allgemeiner Weise normiert. Das Rechtsinstitut „separate estate“ wird hier seiner Grenzschutzrolle so sehr entkleidet, dass sich für die neue Rechtsperson „Ehefrau“ abstrakte Konstruktionen und Terminologien geradezu aufzudrängen scheinen.104 bb) Haftung Wie bereits gesagt, haftet die Ehefrau für die vertraglichen Verbindlichkeiten, die sie in Bezug auf ihr „separate estate“ eingeht. Art. I Abs. 4 ergänzt diese Regelung um ein Wesentliches: Haftungsgegenstand soll nicht nur das Vermögen sein, das sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses besessen hat, sondern auch das gesamte zukünftige Vermögen. Offensichtlich werden damit die Gläubiger der Ehefrau bedacht. Bis dahin trugen sie nämlich in Verbindung mit der Haftungsbeschränkung auf das „separate estate“ ein überhöhtes Risiko, welches in der Gefahr bestand, dass die Ehefrau ihr verhaftetes Vermögen auf einen Dritten übertragen konnte. Damit hätte sich auch ihre Haftung erledigt, zumindest soweit das getrennte Vermögen der Ehefrau konkret nicht mehr vorhanden war. Die eben geschilderte Regelung verleiht dem Gläubiger zwar nicht die Möglichkeit, das übertragene Vermögen zu verfolgen,105 aber er kann auf jeden künftigen Erwerb der Ehefrau zugreifen. Die Art. XIII und XIV nehmen sich eines anderen Aspekts der Haftungsfrage an, eines ziemlich leidigen Aspekts, muss man hinzufügen. Die Haftung des Ehemannes für die vorehelichen Schulden seiner Ehefrau wird zum dritten Mal reformiert106 und Art. XIII stellt zunächst klar, dass die Ehefrau für diese Schulden auch nach Eingehung der Ehe verantwortlich bleibt. Gegenüber ihrem Ehemann ist sie zudem primär als Haftende bestimmt, es sei denn, die Eheleute sind vertraglich davon abgewichen.107 Insoweit ändert sich gegenüber dem bisher geltenden Rechtszustand wenig für den Ehemann. Der folgende Art. XIV bestimmt den Umfang seiner Verantwortlichkeit jedoch näher. Lag dem Gesetz vom Jahre 1874 in dieser Frage bereits der Gedanke zugrunde, dass der Ehemann nur soweit haften soll, wie er vermögenswerte Positionen von seiner Ehefrau erworben hat, wird dies nun deutlicher ausgesprochen: Der Ehemann haftet in Bezug auf Vermögensgegenstände, die er von der Ehefrau hätte bekommen können. Darüber hinaus trifft ihn keine Haftung. Allerdings kann der Ehemann jetzt nichts mehr von seiner Ehefrau 104 105 106 107

Diesen Unterschied betont auch Edwards, The law of husband and wife, S. 398f. So auch Edwards, The law of husband and wife, S. 406. 1870, 1874 und 1882. Edwards, The law of husband and wife, S. 441.

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bekommen, es sei denn, sie überträgt es ihm freiwillig. Von solchen freiwilligen Vermögenszuwendungen will das Gesetz nur diejenigen erfassen, denen die Rechtsnatur der Schenkung eigen ist.108 Das erweckt den Anschein, diese Vorschrift gälte in erster Linie ebenfalls den Gläubigerinteressen. Denn durch diese Regelungen werden Vermögensverschiebungen zwischen den Ehegatten, die den Zweck verfolgen, den Gläubigern der Ehefrau die Haftungsmasse des „separate estate“ zu entziehen, insofern unwirksam gestellt, als die Gläubiger in der Person des Ehemannes einfach einen zweiten Schuldner bekommen. Der darauffolgende Art. XV legt dann auch fest, dass der jeweilige Gläubiger seine Klage wegen vorehelicher Schulden der Ehefrau gegen beide Ehegatten richten kann. Dabei werden die Verantwortungsbereiche der Eheleute – nicht anders als im ersten Gesetz – im Außenverhältnis auseinander gehalten. So tragen die Gläubiger bei einer Inanspruchnahme des Ehemannes das Risiko der Verfahrenskosten. Insgesamt ergeben sich bezüglich der Haftungsfrage kaum prinzipielle Neuordnungen. Im Einzelnen kann man aber, jetzt in Bezug auf nachehelich entstandene Schulden, eine Tendenz zur Statuierung einer weitgehenden Eigenhaftung der Ehefrau konstatieren. Diese Tendenz kommt etwa durch Art. VII zum Vorschein, wonach sich die Ehefrau an verschiedenartigen Korporationen als allein haftende Anteilsinhaberin beteiligen kann. Das bedeutet insbesondere, dass ihre Beteiligung keine Haftung oder auch nur teilweise Mithaftung ihres Ehemannes nach sich ziehen kann. Diese Regelung weicht vom ersten Reformgesetz komplett ab.109 Allerdings liegt hier noch keine persönliche Haftung vor. Das Gesetz nimmt stets auf das getrennte Vermögen der Ehefrau Bezug und dieses allein bildet den Haftungsgegenstand. Hervorgehoben wird diese Haftungsregelung noch einmal durch Art. XV. Wie schon gesagt, wird dort vorgeschrieben, dass die Eheleute hinsichtlich der vorehelichen Schulden der Ehefrau gemeinsam verklagt werden können. Ergeben sich nun zwei Urteile zugunsten des Klägers, wird vom Gesetz jedem Urteil eine unterschiedliche Haftungsbasis zugrunde gelegt. Das Urteil gegen den Ehemann würde nämlich eine persönliche Haftung begründen, während das Urteil gegen die Ehefrau nur auf ihr „separate estate“ als Haftungsmasse erkennen würde. Die Qualifikation des Vermögens der Ehefrau als „separate estate“ bleibt also auch im Jahr 1882 eine notwendige Maßnahme, der allerdings wegen der neuen Gesetzessystematik marginale Bedeutung zukommt. 108 Vgl. Edwards, The law of husband and wife, S. 444f. 109 Vgl. noch Edwards, The law of husband and wife, S. 425f.

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cc) Insolvenzfähigkeit In den Fragenkomplex der weiblichen Geschäftsfähigkeit ist des Weiteren die Insolvenzfähigkeit der Ehefrau einzuordnen. Im Geltungszeitraum des Married Women’s Property Act 1870 konnte zu diesem Punkt noch keine Klarheit geschaffen werden.110 Das neue Gesetz stellt zunächst die Grundlage für eine Insolvenz der Ehefrau überhaupt systematisch her. So bestimmt Art. I Abs. 5, dass jede verheiratete Frau, die ein Gewerbe getrennt von ihrem Ehemann unterhält, insolvenzfähig ist. Das Gesetz hält auch voreheliche Schulden der Ehefrau für einen potentiellen Auslöser ihrer Insolvenz bzw. für einen potentiellen Gegenstand eines solchen Verfahrens, was das erste Gesetz unterlassen hatte.111 Des Weiteren bekommt ein mögliches Insolvenzverfahren durch die Zurechnung des künftig zu erwerbenden Vermögens der Ehefrau nun mehr Sinn, denn die Erweiterung der Haftungsmasse bietet den Gläubigern ein höheres Maß an Sicherheit.112 Das Gesetz bildet im Bereich des Common Law hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit der Ehefrau im 19. Jahrhundert einen Meilenstein, weil es der Frau eindeutige und fast uneingeschränkte Handlungsmöglichkeiten einräumt113 sowie insbesondere deswegen, weil die Idee der vollen Verantwortung der Ehefrau für das eigene Handeln im englischen Familienrecht zum ersten Mal in solcher Anschaulichkeit auftritt. Damit wird einer zu dieser Zeit zentralen sozialen Institution, der Familie, durch eine andere immer zentraler werdende Institution, das Recht, die Bewusstwerdung der autonom handelnden weiblichen Person gleichsam aufgezwungen. c) Deliktsfähigkeit Die Regelung der Deliktsfähigkeit der Ehefrau vermag den bisherigen Enthusiasmus freilich etwas zu ernüchtern. Denn Art. I Abs. 1 bejaht zwar die volle Verantwortlichkeit der Ehefrau für ihre Delikte und betont auch, dass sie aus diesem Grund allein verklagt werden kann, schließt aber gerade nicht aus, dass der Ehemann ebenfalls verklagt wird. Und dies, obwohl er nicht mehr durch die Ehe das Vermögen der Ehefrau erwirbt; obwohl also die Rechtfertigung seiner deliktischen Verantwortlichkeit für unerlaubte Handlungen seiner 110 111 112 113

Vgl. Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 52f. So Edwards, The law of husband and wife, S. 408. Edwards, The law of husband and wife, S. 409. Noch einmal: Der Bezug auf das „separate estate“ in diesem Gesetz ist in der Frage der Vertrags- und Haftungsfähigkeit eher eine begriffliche Reminiszenz, auf die man vielleicht (noch) nicht verzichten konnte, als eine gehaltvolle Regelung.

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Statute Law (Transformation der sozialen imaginären Bedeutungen)

Ehefrau unter dem alten Common Law weggefallen war. Insofern konnte sich der englische Gesetzgeber nicht zur konsequenten Vollendung seiner Tendenz überwinden.114 d) Prozessfähigkeit Art. I Abs. 2 regelt eindeutig und bejahend sowohl die aktive als auch die passive Prozessfähigkeit der Ehefrau. Mit Bezug darauf stellt Edwards dann fest, dass sie in dieser Hinsicht unter keiner Beschränkung mehr steht, selbstverständlich mit Ausnahme der erwähnten Regelung, wonach die Verurteilung der Ehefrau nie zu einer persönlichen Haftung führen kann.115 Dennoch weicht das neue Gesetz darin von seinem Vorgänger entscheidend ab, indem der Ehemann jetzt nicht mehr mitverklagt werden muss. Der gerichtliche Schutz ihres Vermögens bewegt sich auf derselben Linie wie seit dem Jahre 1870. Systembedingt erweitert sich allerdings der sachliche Anwendungsbereich der weiblichen Prozessfähigkeit, weil nach dem jetzt untersuchten Gesetz das Konzept des „separate estate“ beträchtlich an Umfang gewonnen hat bzw. als Begriff in seiner begrenzenden Funktion fast bedeutungslos geworden ist. Noch wichtiger erscheint demgegenüber im Hinblick auf den Prozess die Regelung von Art. XVI, der gerichtlich auszutragende Streitigkeiten unter den Eheleuten betrifft und Gleichberechtigung auf einer bisher kaum vorstellbaren Ebene postuliert. Es handelt sich nämlich nicht um die rechtliche Aufwertung der Ehefrau. Durch die genannte Vorschrift wird der rechtlichen Lage des Ehemannes gedacht. Ihm sollen, genauso wie nach demselben Gesetz seiner Ehefrau, konkrete Rechtsbehelfe strafrechtlicher Natur zur Seite stehen, um seinerseits sein Vermögen vor seiner Ehefrau bei Bedarf schützen zu können. Solche Rechtsbehelfe standen ihm bisher nicht zu.116 Inwieweit die sozialen Tatbestände dem Gesetzgeber diese Regelung abgenötigt haben, mag hier dahingestellt bleiben.117 Jedoch wird hiermit neben dem oben ausgeführten weiblichen Unterhaltsrecht die potentielle männliche Schwäche noch einmal gesetzlich protokolliert.

114 Dazu kritisch auch Edwards, The law of husband and wife, S. 400f. 115 Edwards, The law of husband and wife, S. 402f.; vgl. dazu auch Griffith/Walker, The Married Women’s Property Act, S. 51. 116 Edwards, The law of husband and wife, S. 448. 117 Edwards, The law of husband and wife, S. 448, meint allerdings, dass eine solche Realität durchaus existiert hat.

Die gesetzlichen Änderungen

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e) Unterhaltspflicht der Ehefrau Auch in Bezug auf die Unterhaltspflicht gibt es Änderungen zu vermelden. Art. XX nimmt zunächst eine, wenn auch fast fiktive, Einschränkung der Unterhaltspflicht vor, die sich anders als nach dem Gesetz von 1870 auf den „separate estate“ der Ehefrau begrenzt. Aber bedeutsamer ist hier noch etwas anderes. Art. XXI bestimmt die Unterhaltspflicht der Ehefrau für ihre Kinder und Enkelkinder. Zwar wird sie nicht wie im umgekehrten Fall für die Kinder und Enkelkinder ihres Ehemannes verantwortlich gemacht, interessant ist die Wortwahl des englischen Gesetzgebers dennoch. „A married woman […] shall be subject to all such liability […] as the husband now is […].“ Es ist die sprachliche Parallelisierung der Geschlechter, welche hier als ein leise ertönendes Signal dessen vernommen, was noch folgen soll. f) Legal Unity Zum Schluss auch dieses Kapitels soll die Wirkung des Gesetzes auf das Prinzip herausgearbeitet werden, welches schon bei der Untersuchung des Common Law als das tragende Prinzip des englischen Güterrechts herausgehoben wurde. Der Married Women’s Property Act 1882 hat dem „Legal Unity“-Prinzip entscheidende Schläge verpasst. Die Möglichkeit für die Ehegatten gegeneinander gerichtlich vorzugehen, stellt kein Novum dar. Art. XII führt konsequent weiter, was das Gesetz von 1870 angefangen hatte und dehnt den rechtlichen Schutz noch aus. Dies geschieht wiederum dadurch, dass das „separate estate“ der Ehefrau jetzt im Vergleich zu demjenigen des ersten Reformgesetzes recht weit gefasst ist.118 An einem anderen Punkt nimmt Married Women’s Property Act 1882 aber etwas von der Individualisierung des Ehegattenverhältnisses zurück: Art. XII löst kontinuierlich die rechtlichen Konturen der ehelichen Gemeinschaft auf, nimmt davon jedoch das gerichtliche Vorgehen der Ehegatten gegeneinander wegen unerlaubter Handlung aus. Gemeint sind freilich nur Rechtsbehelfe zivilrechtlicher Natur, wie sich aus Art. XVI leicht ergibt.119

118 Vgl. Edwards, The law of husband and wife, S. 436. 119 Vgl. auch Edwards, The law of husband and wife, S. 437; zum Ausschluss deliktsrechtlicher Ansprüche während der Ehe vgl. noch Webster v. Webster All. E.R. 1916– 1917, S. 1016f.

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Statute Law (Transformation der sozialen imaginären Bedeutungen)

Einen weiteren vermögensrechtlich relevanten Angriff120 auf das besagte Prinzip stellt auch die Änderung hinsichtlich des gemeinsamen Erwerbs durch die Eheleute, namentlich eines Grundstücks, dar. Im Rahmen des Common Law bewirkte die „Legal Unity“, dass die Eheleute bei einem solchen gemeinsamen Erwerb in gewissem Sinne als Gesamthänder erwarben. Ihre Anteile an dem Vermögensgegenstand („Tenancy of entireties“) waren nicht aufteilbar. Gerade letzteres Rechtsinstitut war nun abgeschafft, weil die „unity of person of the husband and wife is also destroyed“.121 Schließlich sind auch Geschenke unter den Eheleuten möglich, „weil“ die „legal unity“ in dieser Hinsicht ebenfalls besiegt wurde. Das Gesetz befasst sich auch mit der Drittschutzproblematik ausführlich, die aus einer solchen Neuerung entstehen kann. Einzelheiten dieser Regelung sind für den hier verfolgten Zweck nicht mehr von Belang.122 Von umso größerer Bedeutung ist das Fazit, das man aus dem gerade untersuchten Gesetz ziehen kann. Die Ehefrau ist als solche im Jahre 1882 in fast jeder vermögensrechtlicher Hinsicht ein Rechtssubjekt und selbständige Adressatin sozialer Verantwortung geworden. Es war eine für diese Zeit unermessliche Errungenschaft. Wessen Errungenschaft das war, wird jetzt im zweiten Teil der Arbeit zu untersuchen sein, nachdem man sich rekapitulierend einen Überblick über die bisher geschilderte Evolution des englischen Güterrechts verschafft hat.

II. Ergebnis zum ersten Teil Die Ehefrau konnte früher unbewegliches Vermögen zwar besitzen, es aber weder verwalten noch darüber verfügen – im Jahre 1882 kann sie beides. Ihr bewegliches Vermögen wurde dem Ehemann damals „geschenkt“, jetzt muss er um Geschenke mit seiner Liebe werben, und die Aufsicht der Gläubiger muss er sich ebenso gefallen lassen. Die Eheleute galten als „eine Person“ und diese wurde vom Ehemann repräsentiert – jetzt kann die Ehefrau von sich behaupten, dass sie existiert. Die Vorkämpferinnen der englischen Frauenbewegung wussten zwar von Anfang an, dass sie um die Anerkennung ihrer Gleichwertigkeit noch jahrelang würden kämpfen müssen, doch nun hatten sie noch 120 Das Prinzip erfasst auch solche Rechtsgebiete, die nicht einmal mit dem Familienrecht im Zusammenhang stehen. Insgesamt zur Erosion des Prinzips nach dem 1882er Gesetz vgl. auch Lush, Husband and Wife, insb. S. 5. 121 Edwards, The law of husband and wife, S. 389; s. auch Williams, The Legal Unity of Husband and Wife, M.L.R. S. 19 Fn. 10. 122 Edwards, The law of husband and wife, S. 392f., 411f., 430f.; Married Woman’s Property Act Art. 3 und 10.

Ergebnis zum ersten Teil

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ein Argument auf ihrer Seite, wenn sie sich der Öffentlichkeit „aufdrängen“ wollten: Das Recht. Jetzt konnten sie Verträge abschließen, vor den strengen Common-Law-Richter treten und ihm ihr Statute Law ins Gesicht trotzen. Selbstverständlich standen sie fortgesetzt gleichsam unter Beobachtung. Das Konzept vom „separate estate“ verschwindet sprachlich im Jahre 1935 und erst seitdem kann man von einer vollständigen güterrechtlichen Gleichstellung der Geschlechter sprechen.123 Erst in diesem Zeitpunkt wird sie den drohenden Kräften des kapitalistischen, immer stärker vernetzten, aber sich wahrhaftig immer weiter entsolidarisierenden Marktes hilflos, also ohne Schutz des Ehemannes oder des Rechts, ausgeliefert! Aber ihre Vertragskontrahenten konnten sich schon im Jahre 1882 darüber freuen, mit ihr Geschäfte gemacht zu haben. Ob sie einen Ehemann hatte oder nicht, war für sie schon damals höchstens eine zusätzliche Freude, aber definitv kein Verhängnis mehr. Im Jahre 1869 war für den englischen Abgeordneten Russell Gurney der Umsturz des Common Law der einzige Weg in die Zivilisation.124 Dreizehn Jahre später konnte sich die englische Frau auf die Suche nach neuen Stationen der Zivilisation begeben.

123 Vgl. auch Manchester, Modern Legal History, S. 372. 124 Hansard, 195 (1869), S. 769.

„L’histoire des femmes est, d’une certaine manière, celle de leur prise de parole“ Georges Duby/Michelle Perrot

Zweiter Teil: Vergleich BGB – englische Reformen A. Das eheliche Güterrecht des BGB als historische Kontinuität Im ersten Teil dieser Untersuchung wurde herausgearbeitet, wie das eheliche Güterrecht im England des 19. Jahrhunderts die Ehefrau innerhalb der Familie als vollwertiges Rechtssubjekt platzierte. Teil 2 kontrastiert nun die englische der deutschen Rechtslage im Hinblick auf die Rechtsstellung der Frau, wie sie durch das Bürgerliche Gesetzbuch ausgestaltet wurde. Im Rahmen der Untersuchung dieses „Kontrastes“ werden die Ausführungen zum deutschen Recht, zur deutschen Frauenbewegung sowie zu den meisten auf Deutschland bezogenen Gesichtspunkten recht knapp gehalten. Die Gründe dafür sind in der Einleitung dieser Arbeit erläutert worden, so dass man gleich zur weiteren Untersuchung übergehen kann.

I. Elemente des Wandels im Geschlechterverhältnis des BGB Wenn es darum geht, das Geschlechterverhältnis des ehelichen Güterrechts im BGB den englischen Reformen gegenüberzustellen, dann sollte man mit einem Gesichtspunkt beginnen, der beim „Aufziehen der rechtsvergleichenden Brille“ unterzugehen droht. Das BGB hat nämlich nicht alles unverändert gelassen. Da im Rahmen der bisherigen Untersuchung schon des öfteren vom institutionellen Charakter der Gesetzgebung die Rede war, der ihr die Eigenschaft verleiht, alte soziale imaginäre Bedeutungen aufzubewahren, aber auch neue aufzunehmen, ist es notwendig auf die in letzterer Hinsicht wichtigste Veränderung des deutschen Privatrechts durch das BGB hinzuweisen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist festgelegt, dass die Ehefrau ein voll geschäftsfähiges Rechtssubjekt ist. Demzufolge besitzt sie unbeschränkte Geschäfts- und Prozessfähigkeit, und dies als Prinzip auszusprechen,1 war für den deutschen Ge1

Vgl. nur Motive IV, S. 219. Um genauer zu sein, liegt die wesentliche Veränderung darin, dass die im Text genannte Regelung nunmehr für das ganze Deutsche Reich prinzipielle Geltung erlangte.

Das Patriarchalprinzip im ehelichen Güterrecht des BGB

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setzgeber keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr eine Errungenschaft, die von der deutschen Frauenrechtsbewegung in zähen Kämpfen erstritten worden war.2 Wenn aber in der folgenden Untersuchung diese Kämpfe nicht in den Vordergrund gestellt werden, wird das nicht bedeuten, dass die deutsche Frauenbewegung nur in der eben erwähnten Hinsicht kämpferisch war. Denn es geht im Rahmen dieser Untersuchung nicht darum, die beiden Frauenbewegungen gegenüberzustellen und die eine als schwerfällig und zögerlich, die andere als besonders kämpferisch zu etikettieren. Es handelt sich vielmehr darum, zu verstehen, weswegen zwei Rechtsgeschichten voneinander abweichen, obwohl jede eine kämpferische Frauenbewegung aufweist. Wie kommt es also, dass die Geschichte aus einem „Handeln“ ein „Unterlassen“ macht?

II. Das Patriarchalprinzip im ehelichen Güterrecht des BGB Einleitend zum zweiten Teil der Untersuchung wird vom „Kontrast“ der beiden hier in Frage stehenden Rechtsordnungen gesprochen. Dies geschieht, weil schon auf den ersten Blick der Eindruck des Prinzipiengegensatzes zwischen dem englischen und dem deutschen Gesetzeswerk nicht zu vermeiden ist. Das damit angesprochene Rechtsprinzip, das zugleich ein ethisches Prinzip ist, ist der Patriarchalismus. Die Verordnung der Herrschaft des einen Ehegatten (des Ehemannes) über den anderen (die Ehefrau). Nach dem letzten Gesetz im Jahre 1882 (Married Women’s Property Act) ließen sich im ehelichen Güterrecht Englands keine und im Familienrecht insgesamt nur wenige, verstreute Spuren des patriarchalischen Rechtsprinzips finden. Der englische Gesetzgeber stattet die Ehefrau mit allen möglichen Dimensionen der rechtlichen Handlungsfähigkeit aus. Von einer solchen Rechtslage will der deutsche Gesetzgeber im Jahre 1896 nichts wissen. Vielmehr postuliert er in aller Klarheit, dass er die Verwaltungsgemeinschaft deswegen als gesetzlichen Güterstand normiert hat, damit „das Vermögen der Ehefrau mit dem Vermögen des Ehemannes in der hand des 2

So das Urteil von Marianne Weber, in: Ehefrau und Mutter, S. 414, welches allerdings etwas einseitig ausgefallen sein dürfte. Kennt man doch die recht frühe Festlegung der CPO auf die weibliche Prozessfähigkeit (vgl. § 51 CPO). Mögliche Anstöße des ADHGB (vgl. dort §§ 6ff.) auf den BGB-Gesetzgeber wird man ebenfalls in Rechnung stellen. Ob die deutsche Frauenbewegung selbst an diese partikularen Fortschritte des deutschen Gesetzgebers bei der Formulierung ihrer Forderungen angeknüpft und auf welche Weise sie das gemacht hat, muss einer späteren Untersuchung vorbehalten bleiben.

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Das eheliche Güterrecht des BGB als historische Kontinuität

Letzteren als des hausherrn und hauptes der Ehe vereinigt“ wird.3 Die Herrschaft des Hausvaters ist in Deutschland gerade die Quintessenz des neuzeitlichen patriarchalischen Prinzips, soweit sie sich aus dem Lebensbereich der Familie nährt.4 Wie Marianne Weber schon zu ihrer Zeit konstatieren konnte, wurde im BGB das besagte Prinzip gerade dem System „eheliches Güterrecht“ einverleibt.5 1. Verfügungs- und Verwaltungsrecht Hauptsächlich wird in dieser Untersuchung vom Verwaltungs- und Verfügungsrecht der Ehefrau über ihr eigenes Vermögen gesprochen, was aber hier – genauso wie im englischen Recht6 – dazu führt, dass schließlich wieder die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Ehemannes am Vermögen der Ehefrau ins Blickfeld rücken. Der erste Unterschied besteht also darin, dass man nach den englischen Reformgesetzen durchaus und ausführlich von den eigenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnissen der Ehefrau sprechen kann. Hinsichtlich der Vorfrage des Eigentums steht fest, dass die Ehefrau nach dem BGB die Rechtsposition des Eigentümers innehaben kann, was vor dem BGB genauso galt. Angesichts der prinzipiell umgekehrt positionierten Rechtslage des Common Law wird man konstatieren, dass der Ausgangspunkt des deutschen Gesetzgebers gegenüber der Ehefrau viel günstiger gewesen ist. Dieser Aspekt wird einmal mehr die Schlussfolgerung, die zugleich die Grundlage des Vergleichs bildet, bestätigen: Das BGB wollte nicht mit seiner Tradition brechen.7 a) Verwaltungsgemeinschaft Wie aus der oben angeführten Definition des patriarchalen Prinzips hervorgeht, ist die Verwaltungsgemeinschaft der gesetzliche Güterstand des BGB und sie bewirkt grundsätzlich die Vereinigung der Vermögensmassen beider Ehegatten. Diese Vereinigung ist freilich nur „äußerlich“,8 was nicht mehr 3 4 5 6 7 8

Motive IV, S. 156. Ausführlich dazu v. Dülmen, Kultur und Alltag I, S. 38–55; zur geradezu paradigmatischen Bedeutung dieses Prinzips für die Erfassung anderer neuzeitlicher Herrschaftsformen s. oben, F. 606. Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 458. Dort war hinsichtlich des beweglichen Vermögens kein anderer Ansatz möglich. Vgl. dazu vorläufig Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 478 unten. So Motive IV, S. 159.

Das Patriarchalprinzip im ehelichen Güterrecht des BGB

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sagen will, als dass sich die beiden Vermögen in eigentumsrechtlicher Hinsicht nicht vereinigen.9 Das bedeutet, dass die Ehefrau ihrer verschiedenen Eigentumsrechte aufgrund der Ehe durchaus nicht verlustig wird. Das heißt aber nicht, dass die Verfasser des BGB nicht wüssten, der deutschen Frau ihre „Schicksalsgemeinschaft“ mit der Ehe symbolisierend zum Ausdruck zu bringen. Das geschieht in den „Motiven“ durch den Begriff „Ehegut“.10 Diesen Zusammenhang beleuchtet die Rechtfertigung, die sich die (eigentlich „der“) Gesetzesverfasser aussuchen, um die Wahl eines besonderen sowie dieses konkreten Begriffs („Ehegut“) zu begründen. Danach „drückt er dasjenige, worauf es hier ankommt, dass nämlich das betreffende Vermögen in ein durch die Ehe bestimmtes Rechtsverhältnis getreten ist, unmittelbar aus“.11 Das „Verheiratetsein“ oder „Nicht-Verheiratetsein“ einer Frau macht innerhalb dieses Untersuchungszeitraums eine elementare und deshalb konstitutive Eigenschaft ihrer sozialen Identität aus. Davon wird im Folgenden noch ausführlich die Rede sein. Daran lässt sich beispielhaft demonstrieren, dass das Recht als Institution zu einem wesentlichen Teil seinen Ursprung im bestehenden sozialen Imaginären findet.12 Bedeutsam ist dann insbesondere, dass in Bezug auf die vorliegende Fragestellung gerade das deutsche Recht darin seinen Ursprung findet, während das englische Recht in derselben Frage mit seinem tradierten sozialen Imaginären zu brechen und ein neues zu schöpfen sucht. Zur Verwaltungsgemeinschaft des BGB gehört nun zentral das Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des Ehemannes am Vermögen seiner Ehefrau, am „eingebrachten Gut“ (§1363 I BGB).13 Sein Verwaltungsrecht ist gerade das Instrument, verrät der Inspirator des Gesetzes, mit welchem das Verfügungsrecht der Ehefrau begrenzt werden soll.14 Hiervon ausgeschlossen bleibt 9 Weswegen die Verwaltungsgemeinschaft keine Gütergemeinschaft ist. S. auch Motive IV, S. 159. 10 Welches im BGB von 1896 doch wieder „eingebrachtes Gut“ genannt wurde, weswegen in den folgenden Absätzen des Textes letzterer Terminus vorgezogen wird. Über die Bedeutungskonvergenz, aber auch -divergenz beider Begriffe vgl. Motive IV, S. 162. Ob der Begriff des „eingebrachten Gutes“ symbolisch gleich stark auftreten kann bzw. konnte, erscheint zwar zweifelhaft. Aber frei von der angedeuteten Konnotation zwischen Frauen-Dasein und Ehe ist er sicherlich nicht. Denn auch das „Einbringen“ von etwas markiert sprachlich eine räumlich-existenzielle Grenze. 11 Vgl. Motive IV, S. 163. 12 Vgl. zur Konservierungsfunktion des Rechts auch Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, S. 152 (mit Bezug auf Schelsky). 13 Zu diesem Begriff vgl. Motive IV, S. 162. 14 Planck, Zur Kritik des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich AcP 75, S. 361.

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allerdings das sog. „Vorbehaltsgut“ (§ 1364 BGB), das kein „eingebrachtes Gut“ mehr ist, und wovon gleich die Rede sein wird. Das eingebrachte Gut war also der Verwaltung und Nutznießung des Ehemannes unterworfen und er hatte dieses ordnungsmäßig zu verwalten (§ 1374 BGB). Darunter waren sicherlich auch Verfügungen über das fragliche Vermögen zu verstehen.15 Es galt nun, dieses Verfügungsrecht näher zu bestimmen. § 1375 BGB stellt dann den Grundsatz auf, dass die Wirksamkeit solcher Verfügungen von der Zustimmung der Ehefrau abhängen soll. Ausnahmen davon machte der darauffolgende § 1376 BGB, und zwar insbesondere hinsichtlich sog. „verbrauchbarer Sachen“, womit vor allem Geld gemeint war. Abgesehen von weiteren Einzelheiten der gesetzlichen Regelung16 erscheint hier vor allem wesentlich, dass der Ehefrau in diesem System höchstens eine passive Rolle eingeräumt wird. Die Möglichkeit, die Verwaltung ihres Vermögens positiv zu gestalten, besteht für sie nicht. Der BGB-Gesetzgeber bringt es nur zu einem negativen Verwaltungsrecht, indem er entscheidet, die Ehefrau gegen Vermögensmissbräuche durch ihren Ehemann zu wappnen. Nach § 1391 I BGB kann sie bei „erheblicher Gefährdung“ ihres Vermögens auf Sicherheitsleistung klagen.17 Aber gegen diese Regelung besteht neben der rechtstechnischen Frage der Beweislast, die der Ehefrau aufgebürdet wird, noch der grundsätzliche Einwand, den wieder einmal Marianne Weber treffend zum Ausdruck brachte: „Naturgemäß wird sie aber nur dann den Prozeßweg, der allein zugelassen ist, beschreiten, wenn die eheliche Gemeinschaft überhaupt keinen Wert mehr für sie hat. Und regelmäßig wird es zur Rettung ihres Vermögens zu spät sein, wenn erst ihr Besitz oder Unterhalt „erheblich“ gefährdet ist.“18

b) Vorbehaltsgut Natürlich existiert jetzt das sog. „Vorbehaltsgut“; ein letztes Zugeständnis des deutschen Gesetzgebers an den „modernen Individualismus“.19 Es handelt sich um das einzige Vermögenssegment, auf welches die deutsche Ehefrau ein Nutzungsrecht und sogar ein Verfügungsrecht besitzt. Es umfasst grundsätzlich alles, was nicht als eingebrachtes Gut einzustufen ist (vgl. § 1363 i.V.m. 15 S. Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 66f. 16 Dazu Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 66, bzw. Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 462f. 17 Vgl. Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 72. 18 Ehefrau und Mutter, S. 464. 19 Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 467.

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§ 1365 BGB). Dazu zählt, neben den zum persönlichen Gebrauch der Frau gehörenden Sachen – wobei die Parallele zu den Paraphernalia des Common Law zu ziehen ist – und Vermögenszuwendungen aus dritter Seite, die von dem Dritten als Vorbehaltsgut definiert werden,20 vor allem das Einkommen, das der Ehefrau durch Arbeit oder durch den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts zukommt (§ 1367 BGB). Der deutsche Gesetzgeber fühlt sich einerseits in der Pflicht, dem „Geist“ seiner Zeit nicht völlig entgegenzulaufen und stellt sich mit dieser Regelung in erster Linie auf die sog. arbeitenden Klassen ein, über welche das Phänomen der arbeitstätigen Ehefrau sein Bewusstsein erreicht. Zugleich fallen ihm die sich kontinuierlich mehrenden Ehefrauen auf, die sich in verschiedenen Bereichen der Kultur dem „sozialen Nutzen“ widmen.21 Die hier untersuchte Regelung empfindet er als Kompensation dafür, dass die Ehefrau „durch die neuere Gesetzgebung in Ansehung der Sicherstellung ihres Vermögens ungünstiger gestellt worden ist“.22 Ein weiteres Motiv, auf welches Gottlieb Planck rekurriert, mutet ebenfalls interessant an. Es handelt sich um die historische Anknüpfung an die lange, mitteleuropäische Tradition der „Handelsfrau“,23 die er freilich noch als eine deutsche interpretiert, womöglich um die Germanisten zu besänftigen. Schließlich sind die Begründungen und Motive im vorliegenden Zusammenhang insgesamt weniger interessant. Von Bedeutung ist im Grunde nur, dass die deutsche Ehefrau mitten im kämpferischen Gemenge der industriellen Revolution das Recht bekommt, ihre Rüstung anzulegen und mitzurevoltieren; dass sie also – weniger metaphorisch – über den Ertrag ihrer Arbeit frei disponieren darf und es nicht mehr zulässig ist, „dass der arbeitsscheue Taugenichts, auch wenn er wochenlang herumvagabundiert und keinen Pfennig zum Unterhalt der Familie beisteuert, seiner Frau den sauerverdienten Groschen aus der Schieblade nimmt, um ihn zu vertrinken“.24 Von Bedeutung ist

20 Vgl. § 1369 BGB. Wiederum springt die Parallele zu den besprochenen Möglichkeiten nach Equity-Recht ins Auge. 21 Vgl. Motive IV, S. 174. Der Leser suche dort nicht nach den Worten vom „sozialen Nutzen“. Sie finden nur in dieser Untersuchung Verwendung und beziehen sich auf die unmittelbare, fast absolute Verknüpfung, welche das Nachgehen einer außerhäuslichen Tätigkeit mit dem Beitrag des Einzelnen an die Gesellschaft erfuhr. Darauf wird unten noch kurz einzugehen sein. 22 Motive IV, S. 175. 23 Motive IV, S. 175. 24 Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 467; der Umstand, dass die arbeitstätige Frau auch die Lasten der Familie mitträgt, wird auch für den deutschen Gesetzgeber zur Begründung der hier untersuchten Regelung hervorgehoben, vgl. Motive IV, S. 174.

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schließlich, dass die deutsche mit der englischen Rechtsordnung insoweit zu konvergieren scheint. c) Einschränkungen des Verfügungsrechts aus dem Vorbehaltsgut Doch der Schein trügt, denn das englische Recht macht seinen Entschluss, der Ehefrau die Dispositionsbefugnis über ihr erarbeitetes Vermögen einzuräumen, zum Endpunkt seines Urteils in dieser Frage. Dies verhielt sich im BGB anders. Zwar nimmt der deutsche Gesetzgeber die zunächst vorgesehene Einwilligungserfordernis durch den Ehemann, deren die Ehefrau zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit bedürfen sollte, zurück,25 hinterlässt dabei jedoch folgende Spuren: Die Ehefrau wird verpflichtet, im Geschäft des Ehemannes mitzuarbeiten, wodurch ihre realen Möglichkeiten einer eigenen Erwerbstätigkeit nachzugehen, erheblich gemindert sind. Außerdem wird dem Ehemann nach § 1358 BGB ein Kündigungsrecht eingeräumt, von dem er Gebrauch machen kann, wenn sich seine Ehegattin zu einer von ihr in Person zu erbringenden Leistung verpflichtete. Dass die Ausübung dieses (Kündigungs-)Rechts mit erheblichen, praktisch schwer überwindbaren Barrieren versehen war, ist sicherlich ebenfalls signifikant.26 Wenn es aber zutrifft, dass das Recht in gewissem Umfang die Mentalität seiner Schöpfer widerspiegelt, dann verstärkt sich der Eindruck, dass am Ende doch der Mann möglichst vieles in seiner Hand behalten sollte.27 Eine entsprechende Intention lässt sich dagegen beim englischen Gesetzgeber nicht vermuten. 2. Geschäftsfähigkeit und Haftungsfragen Anders als im englischen Recht gehen die Begriffe Verfügungs- und Geschäftsfähigkeit im Recht des BGB auseinander. Denn, da die Ehefrau nach dem Gesetzbuch im Allgemeinen als geschäftsfähig erachtet wurde, konnte sie theoretisch ohne Einschränkungen Verträge abschließen. Dieses Verhältnis wird durch den gesetzlichen Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft gestört,28 weil es keine allgemeine Verfügungsfähigkeit der Ehefrau über ihr 25 26 27 28

Vgl. dazu Motive IV, S. 108, 110. Vgl. Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 69 Fn. 363. So in Bezug auf das Einwilligungsrecht des Ehemannes Motive IV, S. 175. Eine Diskrepanz zwischen allgemeiner Geschäftsfähigkeit und Verfügungsfähigkeit nach dem gesetzlichen Gütertand konstatiert schon Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 468.

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Vermögen vorsieht, sondern nur eine solche über ihr Vorbehaltsgut. Diesbezüglich konnte sie uneingeschränkt kontrahieren. Verträge, die während der Ehe abgeschlossen worden waren29 und sich auf das sog. eingebrachte Gut bezogen, konnten dagegen grundsätzlich nur mit Zustimmung des Ehemannes wirksam werden (§ 1412 I BGB). Es sei denn, es handelte sich um solche Verträge, die nach derselben Vorschrift nicht seiner Zustimmung bedurften. Die Diskrepanz zwischen dem BGB und dem älteren, d.h. dem vor den erwähnten Reformen geltenden, englischen Recht liegt schließlich darin, dass dieses die Geschäftsfähigkeit der Ehefrau begrifflich nicht zu erfassen und erst recht nicht zu verallgemeinern suchte. Die Geschäftsfähigkeit bestand eben, soweit die Ehefrau über Vermögen verfügen konnte. Sachlich stimmen beide Rechtsordnungen dagegen überein. Dieses Urteil gilt aber hinsichtlich der Gegenüberstellung einer geltenden und einer nicht mehr geltenden Rechtsordnung. Dagegen fällt der Vergleich des nachreformerischen englischen Rechts mit dem BGB anders aus. Jenes kennt die Einschränkungen des BGB nicht mehr. Seit 1882 hat der Ehemann überhaupt keine Befugnisse mehr am Vermögen seiner Ehefrau. Mit diesem Vermögen konnte sie nunmehr uneingeschränkt Verträge eingehen und ihre entsprechende Verpflichtung bzw. Haftung begründen. Allerdings ist das englische Recht hier nur einen Schritt weiter als das BGB gekommen, denn auch jetzt konnte man nicht von einer „allgemeinen Geschäftsfähigkeit“ der Ehefrau sprechen. Sie konnte sich eben nur im Umfang ihres getrennten Vermögens („separate estate“) vertraglich verpflichten.30 Dennoch ist dieser Schritt hier festzuhalten. 3. Die Schlüsselgewalt Ein weiteres zu besprechendes „Wagnis“ des BGB ist die sog. Schlüsselgewalt. Nach der Konstruktion des BGB bedeutet diese die Befugnis der Ehefrau, den Ehemann durch ihr rechtsgeschäftliches Handeln vertraglich zu verpflichten (§ 1357 I BGB).31 Diese Wirkung konnte ihr Handeln freilich nur dann entfalten, wenn es sich auf den „häuslichen Wirkungskreis“ bezog.32 Damit lässt sich der deutsche Gesetzgeber vom Imaginären der getrennten Wirkungs29 Zur Unterscheidung und Behandlung der vorehelichen Schulden vgl. Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 70f. 30 Dessen Umfang wurde zwar, wie bereits erwähnt, nicht durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt – ein abstraktes Recht wurde allerdings nicht ausgesprochen. 31 Vgl. Motive IV, S. 117. 32 So Motive IV, S. 118.

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räume der Geschlechter (privat/öffentlich) leiten und versucht nicht zu verheimlichen, dass sich sein Entschluss einer langen Tradition rühmen kann.33 Er befindet sich durchaus auf derselben Traditionslinie, die das Gedankengut englischer Richter jahrhundertelang genährt hat. Hier sei an die Regelung über die „necessaries“ erinnert. Man kann allerdings aus diesem Grund nicht von einer archaischen Regelung sprechen. Die scharfe Trennung der Wirkungsräume der Geschlechter ist ein Gedanke, der das 19. Jahrhundert prägt. Insofern kann der Vorwurf der „Rückständigkeit“ gegenüber dem BGB nicht erhoben werden – wenn ein solcher Vorwurf in der Geschichtsschreibung überhaupt Sinn hat. Doch zum wiederholten Mal drängt sich die Beobachtung auf, die schließlich die folgende Fragestellung bestimmen wird: Der englische Gesetzgeber handelt, um mit dem tradierten Imaginären zu brechen.34 Der deutsche Gesetzgeber, hier tritt dies besonders pointiert auf, lässt genau das entgegensetzte Motiv vermuten. 4. Systemvielfalt des deutschen Rechts Einen weiteren Unterschied zwischen beiden Rechtsordnungen könnte man in der Tatsache erkennen, dass das BGB, anders als das englische Recht, den Beteiligten verschiedene güterrechtliche Systeme zur Wahl stellt. Dies lässt sich unter zwei Gesichtspunkten analysieren. Erstens unter dem genetischen und zweitens unter dem feministischen Aspekt. Fragt man nach den Gründen dieser Abweichung, dann wird man die konkrete englische Gesetzgebung im Lichte des gesetzgeberischen Geistes ihrer Epoche interpretieren können. Denn es war keinesfalls so, dass England nicht über verschiedene güterrechtliche Modelle verfügte. Doch befasste sich der englische Gesetzgeber zu dieser Zeit mit der Konsolidierung seines Rechtssystems. Und es war gerade die Malaise, die im Rahmen der parlamentarischen Diskussion von allen Seiten, ob frauenfreundlich oder -feindlich gestimmt, zur Geltung kam, nämlich, dass im englischen Familienrecht nicht nur Verwirrung, sondern sogar Ungerech33 Vgl. Motive IV, S. 117. 34 Zur Vermeidung von Missverständnissen sei hier wiederholt, was schon in der Einleitung dieser Untersuchung gesagt worden ist. Der „englische Gesetzgeber“ besteht gewiss nicht nur aus denjenigen Personen, die im Parlament unmittelbar entschieden haben. Das Gesetz ist vielmehr das Ergebnis des ganzen Reformprozesses, das mit dem Tradierten zu brechen sucht und bricht. Und auch die „Motive“ des „deutschen Gesetzgebers“ sind eben auch nur Ausdruck einer gesamten Weltdeutung, deren wesentliche Elemente hinsichtlich der hier erörterten Problematik im Folgenden noch ausgelotet werden sollen.

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tigkeit durch die Fragmentierung des Rechts entstand – eine Ungerechtigkeit, die man einheitlich beseitigen wollte.35 Auch in Deutschland bestanden schon „immer“ mehrere güterrechtliche Systeme, das ist im internationalen Kontext geradezu ein historisches Spezifikum des deutschen Rechts. Aber erstens handelt es sich um eine andere Pluralität als diejenige des englischen Rechts, nämlich um eine territoriale.36 Zweitens – und schon wieder taucht derselbe Gedankengang am Beispiel einer konkreten gesetzgeberischen Entscheidung ungewollt auf – ist zu konstatieren, dass der deutsche Gesetzgeber nicht jede Spur der Partikularität auslöschen wollte. Selbstverständlich besetzten die Probleme der Partikularität großformatig, ja fast bedrohlich auch sein Blickfeld,37 denn sie fußten auf einem real existierenden Untergrund, nämlich auf der Tatsache, dass die verschiedenen Systeme eine regional geprägte kulturelle Aktualität aufwiesen. Es handelt sich, auch das muss betont werden, um eine Traditionsbehaftetheit, die sich auf ein soziales Substrat berufen kann. Dieser Aktualität und der ihr Substanz verleihenden Tradition wollte oder konnte sich der Gesetzgeber nicht ohne weiteres entziehen.38 So sucht er, die Balance zwischen den beiden angedeuteten Gewichten durch die Vertragsfreiheit zu erhalten und stellt trotz der Kritik neben dem gesetzlichen Güterstand weitere güterrechtliche Systeme zur Verfügung:39 allgemeine Gütergemeinschaft, Gütertrennung, Errungenschaftsgemeinschaft und Fahrnisgemeinschaft.40 Aus frauenrechtlicher Sicht hätte die Systemvielfalt dann interessant sein können, wenn die anderen güterrechtlichen Systeme frauenfreundlicher ausgestaltet worden wären. Zwar weist der subsidiär gesetzlich geltende Güterstand der Gütertrennung in diese Richtung. In der Tat sieht der deutsche Gesetzgeber ein selbständiges Verwaltungs- und Verfügungsrecht der Ehefrau vor, wodurch das deutsche dem englischen System ähnelt. Berücksichtigt man

35 Vgl. oben unter „Ökonomische Klassengegensätze“ im Abschnitt über die Equity (erster Teil, B. VI. 1). 36 Dazu vgl. Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 388–396. 37 Was unten noch als Teil des sein Handeln bestimmenden Imaginären untersucht wird. Vgl. im zweiten Teil, E. V. 2. 38 Letzteres etwa, weil die Germanisten auf die Beibehaltung „altgermanischer“ Elemente im Güterrecht insistierten. Das ergibt sich aus dem stets rechtfertigenden und versöhnenden Ton, den Planck in seinem zuvor erwähnten Aufsatz (Zur Kritik des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich, AcP 75, S. 327ff.) gegenüber den Einwänden Gierkes wählt. 39 Motive IV, S. 141. 40 Zu diesen Systemen vgl. Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 79–94.

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aber die gesetzlichen Gründe41, aus welchen die Gütertrennung den Platz der Verwaltungsgemeinschaft einnehmen könnte und fragt dabei nach der Grundstimmung des deutschen Gesetzgebers, dann fällt das Urteil ebenfalls negativ aus. Denn Folgendes muss hervorgehoben werden: Der englische Gesetzgeber normiert die vermögensrechtliche Selbständigkeit der Ehefrau, während der deutsche Gesetzgeber sie zögerlich zur Verfügung stellt. Das ist dann ein Urteil, welches die ganze Systemvielfalt betrifft, denn schließlich war es auch im englischen Recht möglich, vom gesetzlichen Vorbild vertraglich abzuweichen. Geht man aber nicht vom Vorbild aus, dann hat es nie ein patriarchalisches Eherecht gegeben, solange es den Betroffenen möglich war vertraglich davon abzuweichen. Auch in der Petition des Bundes deutscher Frauenvereine an den Reichstag im Jahre 1896 wird die institutionelle Bedeutung der gesetzlichen Norm klar gesehen. Denn, wie dort ausgeführt wird, „das Verlangen der Gütertrennung wird vom Manne als ein gegen seine Person gerichtetes Mißtrauensvotum empfunden, das er sich, im Bewußtsein der ihm gesetzlich zustehenden eheherrlichen Oberherrschaft berechtigt und verpflichtet fühlt, zurückzuweisen, […]“.42 Schließlich erlaubt die schöne Darstellung von Marianne Weber in Bezug auf den Inhalt der vertraglichen Güterstände eine gewisse Kürze der Ausführung einzuhalten: Die „ehemännliche Autorität“ bewahre sich in diesen güterrechtlichen Systemen teilweise in noch höherem Maße als bei der Nutznießungs- und Verwaltungsgemeinschaft.43 5. Exkurs: Das englische Güterrechtssystem des 19. Jahrhunderts Offenbart sich der wissenschaftliche Charakter der Jurisprudenz für Friedrich Carl von Savigny in dem Bestreben, die leitenden Grundsätze des Rechts „heraus zu fühlen, und von ihnen ausgehend den inneren Zusammenhang und die Art der Verwandtschaft aller juristischen Begriffe und Sätze zu erkennen“,44 damit also in dem Bestreben der systematischen Aufarbeitung des juristischen 41 Geschäftsunfähigkeit der Ehefrau, Beendigung der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Fahrnisgemeinschaft oder Errungenschaftsgemeinschaft aus Gründen, die dem Ehemann die Verwaltung des weiblichen Vermögens unmöglich machten, vgl. Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 75f. 42 Begleitschrift zur Petition des Bundes deutscher Frauenvereine, S. 7. Den Verfasserinnen der Petition geht es bei ihrem Argument mehr um die Durchsetzbarkeit des Verlangens einer Ehefrau nach vertraglicher Regelung des Güterstandes. 43 So über die Errungenschafts- und indirekt über die Fahrnisgemeinschaft Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 476. 44 Savigny, Beruf, S. 22.

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Stoffs, dankt wenig später, ein etwas späterer amerikanischer Richter Gott dafür, dass „the law of England was not a science“.45 Auch für Sir William Markby46 ist das englische Recht prinzipienlos, obskur und oft widerspruchsvoll. Wofür sich ein deutscher Jurist derselben Zeit aber einer monatelangen und einsamen Kontemplation hingeben würde, lässt den englischen Juristen nur kaltblütig bemerken: (Das englische Recht) „is yet a system under which justice can be done“.47 Der geschilderten Vergangenheit schließt sich die Gegenwart an. An der Frage nach dem „System“ des englischen Rechts entzündet sich heute ungefähr die Hälfte aller theoretischen Streitigkeiten unter Rechtsvergleichern. Ja, es ist vielleicht keine Übertreibung zu behaupten, dass sich aus den unterschiedlichen Antworten darauf unterschiedliche „Schulen“ ergeben haben. All dies bekommt die Form der akademischen Querele freilich erst im Zeitalter der europäischen Rechtsvereinheitlichung bzw. -angleichung. Denn bis heute war die „Andersheit“ des englischen Rechtsdenkens hinsichtlich seiner Systemempfindlichkeit fast unwidersprochene Wahrheit.48 Eine „Andersheit“, die man etwa mit den Worten „The alphabet is virtually the only instrument of intellectual order of which the Common Law makes use“49 überspitzt hervorgehoben hat. So wie man nicht selten gerne die rechtshistorischen Übertreibungen von der „Begriffsjurisprudenz“50 und ihrer angeblichen Systembesessenheit übernommen hat.

45 Morris R. Cohen, zit. nach Atiyah, Pragmatism 4; s. auch Holmes, Common Law, S. 6. 46 Markby, Elements of Law, S. 61. 47 Ebda., nach Brupbacher, This is not a Biography, in: Rechtsgeschichte 7, S. 183, spricht Pollock ebenfalls bejahend vom „performativen Widerspruch zwischen offenbarer Vernünftigkeit des Rechts und gleichzeitigem Mangel an Kohärenz und Logik“ des Common Law. 48 Vgl. etwa Radbruch, Der Geist des englischen Rechts, wo auf S. 9 folgende vortreffliche Schilderung englischen Rechtsdenkens aus dem Munde des großen Maitland zitiert wird: „Vorwärtsstolpern nach unserer empirischen Art und schließlich hineintappen in die Weisheit“. Aus der neueren, sich mitten aus dem genannten Streit zu Wort meldenden Literatur vgl. Legrand, Le droit comparé, S. 73f., 81–102 m.w.H.; ders. Against a European Civil Code, M.L.R 97, S. 44ff., insb. Fn. 62 zum Stellenwert eines Systems im heutigen Common Law. Zu den historischen Bedingungen des vermeintlichen Gegensatzes vgl. auch Pihlajamäki, Against Metaphysics in Law, AJCompL. 04, S. 469ff., insb. S. 481f. 49 So Rudden, zit. nach Munday, in: Legrand/Munday, Comparative Legal Studies, S. 7 Fn. 13. 50 Zum heutigen ausgewogeneren Bild vgl. Meder, Rechtsgeschichte, S. 289–296, insb. S. 293.

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Vor diesem – noch immer gewichtigen – historischen Hintergrund stellt sich die zugegebenermaßen etwas naiv klingende Frage: Kann man am Ende des 19.  Jahrhunderts von einem englischen Güterrechtssystem sprechen? Diese Frage bezieht sich wohlgemerkt ansatzweise auf ein System, das sich aus der Gesamtheit des Rechts und nicht etwa nur aus der Gesetzgebung der 70er und 80er Jahre des hier relevanten Untersuchungszeitraums ergeben könnte. Dennoch, ein System im englischen Recht? Und was für ein System wäre das? Die Fragestellung bezweckt nicht, in das historische englische Güterrecht die heutige Konstruktionsphantasie hineinzuinterpretieren. Es soll nur die zeitgenössische englische Auseinandersetzung um die Systemproblematik verfolgt werden. Daher ist die Frage umzuformulieren: Hat man im Rahmen der englischen Rechtswissenschaft von einem solchen System gesprochen? Der heutige englische Rechtshistoriker wird in einer Gesamteinschätzung, soweit diese Problematik überhaupt berührt wird, die Existenz eines Familienrechts- oder Güterrechtssystems im vor- oder nachreformerischen englischen Recht des 19.  Jahrhunderts verneinen.51 Auch die dem Untersuchungszeitraum dieser Arbeit angehörenden Pollock und Maitland wollen sich in ihrem Werk zum älteren englischen Recht eher der praktischen Rechtsanwendung als seiner theoretischen Durchdringung zuwenden. Systembestimmende Fragen, beispielsweise nach dem Eigentümer des familiären Vermögens, weisen sie zunächst als „akademisch“ zurück.52 Pollock und Maitland treibt die Systemfrage dennoch um. Sie wird aber nur spezieller formuliert. Sie wollten nämlich nur herausfinden, ob und inwieweit sich die Idee der Gütergemeinschaft im Common Law durchgesetzt hatte. Ihr Urteil ist eindeutig: Das Common Law habe die Idee der Gütergemeinschaft nie angenommen.53 Gemeinsam mit Holdsworth,54 der einige Jahre später ebenfalls lange über dieselbe Frage nachdenkt, führen Pollock und Maitland dies vor allem auf systematische Gründe zurück. Von besonderer Bedeutung sei nämlich der Umstand gewesen, dass für das Scheidungsrecht 51 Vgl. Manchester, Modern Legal History, S. 361. Gütergemeinschaft meint in erster Linie Gemeinsamkeit des Eigentums, die sich im Common Law nicht finden lässt, vgl. Barlow, in: Graveson/Crane, S. 197. 52 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 400. 53 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 432. 54 Holdsworth führt dann als weiteren Grund der Ablehnung der Gütergemeinschaft die Unbeliebtheit derselben bei den höheren Klassen an, deren Interessen das Common Law immer bestrebt gewesen sei, Geltung zu verschaffen (A History III, S. 524f.). Dieses Argument wird übrigens auch in Bezug auf das BGB seitens der Kritiker des ersten Entwurfs verwandt, vgl. Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 420.

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die kirchliche Gerichtsbarkeit für zuständig erklärt worden war,55 während die Pflege der vermögensrechtlichen Angelegenheiten, also des Güterrechts, der profanen Gerichtsbarkeit belassen wurde. Dies habe dazu geführt, dass die Trennung der Vermögensmassen nach Beendigung der Ehe, wo das Gemeinschaftsverständnis einer Rechtsordnung in Bezug auf die Ehe sichtbar zu werden pflegt und im englischen Recht aus dem einen Vermögen Teile gebildet wurden, für die weltlichen Gerichte aus dem Blickfeld geraten ist. Die Stelle eines Gesamtüberblicks hat dann die Sanktionierung der Übermacht des Mannes während der Ehe eingenommen, desjenigen Lebenszeitraums, dem nunmehr die Common-Law-Juristen ihre Aufmerksamkeit widmeten.56 Offenbar verstehen Pollock und Maitland unter „Gemeinschaft“ kein System, das dem einen Ehegatten die Alleinherrschaft überlässt. Für sie ist es hier noch klar, anders als etwa für Blackstone und alle weiteren Apologeten des Common-Law-Systems, dass das Konzept der „Legal Unity“ keines einer ehelichen „Gemeinschaft“ war.57 Die genannten Rechtshistoriker bleiben nicht bei der Analyse des alten Common Law stehen. Sie begeben sich auch in die „Moderne“. In den Möglichkeiten, ihrer „Rechtlosigkeit“ zu entgehen, welche vor allem die Equity den reicheren Ehefrauen angeboten hat, sehen Pollock und Maitland die entscheidenden Schritte zur juristischen Emanzipation der Ehefrau. Darin liegt für sie zugleich die schon früh getroffene Entscheidung des englischen Rechts für den Individualismus. Wichtiger ist allerdings für den gegenwärtigen Zusammenhang, dass sie das neue System, das sich nach den untersuchten Reformen etabliert, als „Gütertrennung“ bezeichnen.58 Auch hier verfallen die Autoren also eher dem unbewussten oder gar verdrängten Systematisierungswillen als ihrer bewussten Systemignoranz. Dieses Ergebnis vermag den heute noch geltenden Ausgangspunkt etwas zu relativieren. Dennoch, man könnte darauf hinweisen, dass vor allem Maitland und auch Pollock bekanntermaßen 55 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 407, 432; Holdsworth, A History III, S. 524. Dazu ausführlich Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 35ff., 75ff. und 166ff.; 425f.; 433; über die Auswirkungen der religiösen Abkopplung Englands von Rom und ihre Folgen für das englische Eherecht vgl. S. 190ff., insb. 192ff.; 202ff.; 221ff.; 296; 297ff.; 412, 415. Die kirchlichen Gerichte setzten ihre Tätigkeit auf den bis dahin von ihnen „besetzten“ Gebieten fort. Erst der Bürgerkrieg bringt eine gewisse Änderung der Gerichtsbarkeit mit sich, s. Giesen, S. 466; vgl. dann aber S. 475, 495f., 508f. und rekapitulierend S. 518–524. 56 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 432. 57 Gütergemeinschaft meint in erster Linie Gemeinsamkeit des Eigentums, die sich im Common Law nicht finden lässt, vgl. Barlow, in: Graveson/Crane, S. 197. 58 Pollock & Maitland, The History of English Law II, S. 432f.

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in einem fruchtbaren Kontakt mit der deutschen Rechtswissenschaft standen. Maitland hatte etwa Teile des Genossenschaftsrechts Gierkes übersetzt, und das einflussreiche Lehrbuch Pollocks’ über die Obligationen hatte expliziterweise wesentliche Elemente der Theorie Savignys zum Teil wörtlich übernommen. Dieser Hinweis würde womöglich auch ihr für englische Juristen „nicht-normales“ Vorverständnis erklären bzw. ihren Systematisierungsdrang weiterhin für „nicht-normal“ gelten lassen. Löst man sich von der Sicht dieser Rechtshistoriker und hält nach Äußerungen des englischen Gesetzgebers selbst Ausschau, wird man überraschenderweise ebenfalls fündig. Am Beispiel der sog. „Law Amendment Society“59 liegt ein Fall vor, der die traditionelle Annahme der Rechtsvergleichung (in Bezug auf die Selbstwahrnehmung des englischen Rechts als System) erschüttern will. Im Rahmen ihrer Überlegungen zur Reform des ehelichen Güterrechts in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts haben die Mitglieder dieses Vereins auch nach ausländischen Lösungen Ausschau gehalten. Dabei wurde ihre Einbildungskraft vor allem durch die Terminologie des Code Civil angeregt. So sprechen sie unzweideutig von güterrechtlichen Systemen. Dabei fallen Begriffe wie „Regime de Communauté“ oder „Séparations de biens“.60 Die Ausgangsfrage, ob der englische Jurist von einem Güterrechtssystem sprechen würde bzw. ob der Jurist des 19.  Jahrhunderts von einem Güterrechtssystem gesprochen hat, kann demnach bejaht werden. Jedoch scheint es, als hätte er es erst in einem zweiten gedanklichen Schritt getan. Obwohl der Systemgedanke ihm nicht als wesentlich galt, hat der englische Jurist ihn doch zur Unterstützung und zum Vergleich mit anderen Rechtsordnungen argumentativ herangezogen. 6. Ergebnis Übernimmt man das Vokabular von Pollock und Maitland, hat der englische Gesetzgeber spätestens im Jahre 1882 die Gütertrennung, so wie man sie heute noch kennt, statuiert. Wo befindet sich demgegenüber das BGB im Jahre 1896 mit seiner Verwaltungsgemeinschaft? Im Zeitalter des Mundiums wird Carl Bulling proklamieren.61 Auch Marianne Weber erkennt im „neugeborenen“ Gesetzbuch vor allem ein Motiv, nämlich „die immer wie59 Dazu im zweiten Teil, D. IV. 3a. 60 Diese Ausführungen befinden sich im Anhang des Aufsatzes der Feministin Barbara Bodichon, Laws of England concerning Women, S. 43–45. 61 Bulling, Die deutsche Frau und das bürgerliche Gesetzbuch, S. 111.

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derkehrende Rücksichtnahme auf die männliche Geschlechtseitelkeit“.62 Das Familienrechtsprinzip des neuen Gesetzbuchs ist der Patriarchalismus, der im englischen Recht dagegen bereits nur noch seine Tage zählt. Die vergleichende Zusammenfassung erlaubt nun, die Fragestellung für die weitere Untersuchung zu formulieren: Warum bleibt der deutsche Gesetzgeber hinter dem englischen zurück? Exakter ausgedrückt: Warum bleibt der deutsche Gesetzgeber im Jahre 1896 hinter dem englischen Gesetzgeber des Jahres 1870 zurück? Eine solche Fragestellung suggeriert die Annahme, dass der deutsche Gesetzgeber in seinem reformerischen Vorgehen viel konservativer handelte als der englische, der insofern in die gesellschaftliche Realität oder zumindest in ihre Ideale einbegriffen und nicht auf ihren – auf anderen Faktoren als das Recht beruhenden – Wandel gewartet hat. Es versteht sich, dass sich eine solche These nur auf das Familienrecht, und zwar ausschließlich auf die Regelung der Geschlechtergleichbehandlung im ehelichen Güterrecht beziehen kann. Denn gesetzgeberische Eingriffe sind auch beim BGB nur aus anderen Rechtsgebieten bekannt.63 Angedeutet ist damit die unten noch ausführlich zu erörternde Problematik einer Sonderstellung des Familierechts und der es begleitenden Diskussion gegenüber den anderen Rechtsgebieten.64 Darüber hinaus hatte sicherlich auch das eheliche Güterrecht des BGB Reformerfolge aufzuweisen.65 Doch darum geht es bei dem hier gewählten Begriff des „Konservativen“ auch nicht. Es geht eben um den Vergleich des Güterrechts des BGB mit dem englischen Güterrecht, also um den Vergleich zweier Ergebnisse. Da hierbei auf das „Überleben“ und den „Tod“ des Patriarchalismus in beiden Rechtsordnungen Bezug genommen wird, erscheint der Gedanke an die „Fortschrittlichkeit“ des einen und an die „Rückständigkeit“ des anderen Gesetzgebers gerechtfertigt. Gerade, weil die Bewahrung oder der Untergang eines Prinzips als Maßstab der ganzen Beurteilung gilt,66 beinhaltet der Kern des Begriffs „Reform“ nicht die kleineren, als solche durchaus positiv zu bewertenden Eingriffe des Gesetzgebers in die bestehende Rechtslage oder die ebenfalls schöpferische Leistung der Vereinheitlichung eines immens viel62 Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 412. Zur weiteren Kritik am neuen Gesetzbuch s. Bucholz, in: U. Gerhard, Frauen in der Geschichte des Rechts, S. 670–682. 63 Schon dieser Umstand deutet auf das möglicherweise differente rechtstheoretische Vorverständnis der fünf Redaktoren hin; eine Frage, die hier nicht verfolgt werden kann, weil sie alle Rechtsbereiche des BGB betrifft. 64 Vgl. unten im zweiten Teil, E. I. 65 Dazu vor allem Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 484–486, s. ebda., S. 407f. 66 Womit auch klar sein dürfte, dass Gedanken einer gesamtkulturellen Teleologie hier gänzlich irrelevant bleiben und auch noch für sinnlos gehalten werden.

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fältigen Rechtsstoffs. Bisher wurde im Rahmen dieser Untersuchung vielmehr nach dem Eingriff des Gesetzgebers in die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit gesucht, mit dem Zweck, sie umzugestalten. Es wurde nach dem Bruch gesucht, der gegenüber dem alten Recht gewagt wird. Nachdem nun ein solcher Bruch im Rahmen des englischen Rechts festgestellt werden konnte, wird die folgende Analyse zu verstehen versuchen, warum der englische Gesetzgeber diesen Bruch vollzieht und der deutsche Gesetzgeber nicht.

B. Das viktorianische Imaginäre Viktoria hieß die Königin Großbritanniens, die von 1837 (ihrem 18. Lebensjahr) bis zu ihrem Tod (1901) regierte.1 Von ihr berichten englische Historiker recht wenig, vorwiegend, dass sie acht Kinder hatte und eine überaus fromme, früh verwitwete und besonders lange trauernde,2 moralstrenge, oft seelischen oder auch körperlichen – nicht zuletzt durch die vielen Geburten – Schmerz3 erleidende Ehefrau war. Als ihr Gatte verstarb (1861), rühmte sie die Zeitung „The Times“, das beste Vorbild „of the performance of the duties of a wife and mother“ gewesen zu sein.4 Durch alle diese ihr zugewiesenen Attribute – Mutter, Leidtragende und moralische Ehefrau – drückte Königin Viktoria einem ganzen Zeitalter symbolhaft ihren Stempel auf, und zwar nicht nur dem englischen, sondern auch dem deutschen 19. Jahrhundert. Der länderübergreifend eingesetzte Begriff „viktorianisch“ weist freilich gegenüber der ihm speziell in England beigegebenen Semantik eine hier bedeutungslose Abweichung auf. Während man sich in England mehr an der Zeit orientiert, in der sie den Thron besetzte, dieses ganze Zeitalter als „viktorianisch“ bezeichnet und ihm dann unterschiedliche Kulturformen unterordnet, hält man sich im Übrigen streng an die genannten Charakteristika der britischen Regentin und verwendet den genannten Begriff nur für die Zeit, in der diese Charaktereigenschaften als moralische Norm fungierten. Aber inhaltlich finden die zeitbezogene und die sittenbezogene Semantik ihren gemeinsamen Nenner genau in dieser moralischen Norm, weswegen der Begriff „viktorianisch“ hier länderübergreifend eingesetzt wird.5 Es handelt sich bei der genannten moralischen Norm in erster Linie um ein bestimmtes Familienbild und alles, was mit ihm zusammenhängt, wird im mitteleuropäischen Raum als „viktorianisch“ bezeichnet. Ein Familienbild, das in hohem Maße patriarchalisch ist und gegen welches alle Frauenbewegungen dieser Zeit bewusst oder unbewusst rebellierten. 1 2 3 4 5

Auf Königin Viktoria wird im Folgenden vor allem als symbolhafte Figur denn als reale Person Bezug genommen. Vgl. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 329. S. aber auch Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 327, wonach sie zu den wenigen Frauen zählte, die bei der Geburt eines ihrer Söhne im Jahre 1853 schmerzlindernde Mittel einnahm. Abgedruckt in Young, Portrait, nach S. 92. Es handelt sich offensichtlich um eine der zentralen „kommunizierenden Kulturemanationen“, von welchen in der Einleitung die Rede war. Deswegen wird ihrer Untersuchung etwas mehr Raum als an sich nötig gewidmet.

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I. Das viktorianische Familienbild Die Untersuchung beschränkt sich im Folgenden auf lediglich ein Familienbild, obwohl die „Geschichte der Familie“ längst über einen differenzierteren Bestand verfügt. Dies rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass hier von einem herrschenden Imaginären gesprochen werden soll, gegen welches Frauen und andere Gruppen Widerstand leisteten. Es geht also um diejenige familienbezogene Wertesubstanz, um diejenigen gesellschaftlichen Bedeutungen, die den konkreten Gesellschaften kulturell anhaften, d.h. von ihnen erlebt, angestrebt aber jedenfalls idealisiert werden, an die sich die jeweiligen Gegner der Reform angelehnt und mitunter Eingang in den Gesetzgebungsprozess gefunden hatten.6 Die vielfältig auftretende Familienrealität muss dagegen für den hier verfolgten Zweck in den Hintergrund treten. Welches ist also das „viktorianische“ Familienbild? Der Untersuchungszeitraum, insbesondere die beiden letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, zeichnet sich durch die fast unhinterfragte Geltung der Norm „Familie“ aus.7 Die Lebensbestimmung, namentlich der jungen Mädchen bestand darin, zu heiraten und damit eine Familie zu gründen. Es sollte zwar nach Möglichkeit eine auf Liebe basierende Ehe sein.8 Aber die Ehe selbst hatte als geschlechtsgemeinschaftliche Institution keine Konkurrenz. Darüber hinaus bedeutet die „viktorianische Familie“ Sittenstrenge und Prüderie.9 Eine Sexualmoral, die, wenn sie sich auf den privaten Bereich bezieht, eine Mystifikation der Sexualität ergibt. Man spricht oder schreibt nicht darüber. Wenn Sexualität öffentlich thematisiert wird, dann entsteht die vielfach angeprangerte Doppelmoral. 1. Der familiäre Innenraum Zunächst soll die Innenstruktur der Familie, namentlich das Geschlechterverhältnis näher betrachtet werden. Was die Welt der Gefühle anbelangt, 6 7 8 9

Dazu vgl. auch Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 329–332. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 316; Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 43f. Neben der im Folgenden erläuterten Bedeutung dieser Norm betont Nipperdey noch den Vorrang der Familie vor dem Individuum. Vgl. Young, Portrait, S. 153. Vgl. noch Modersohn, Die englische Eheauffassung im 18. Jahrhundert, S. 97–103. Dies fand freilich nur nach Möglichkeit statt, wie einem Thomas Mann in „Die Buddenbrooks“ (dritter Teil, Kap. 10) vor Augen führt. Worauf man in Deutschland vor allem den Begriff „viktorianisch“ bezieht, s. Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 52.

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so ist das Ideal der Heirat aus Liebe im Großen und Ganzen unangetastet geblieben. Die Signale hinsichtlich des Lebens in der Ehe scheinen dagegen ambivalent zu sein. Im Allgemeinen gilt, dass die Umgangsformen zwischen den Ehegatten gegenüber dem 18.  Jahrhundert wieder stark formalisiert werden. Ein Vorgang, der auch das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern prägt.10 Andererseits werden insbesondere aus der sozialkritischen Romanliteratur Bilder häuslicher Wärme vermittelt. Auf diese Weise stellt der englische Philosoph John Ruskin in seiner Autobiographie „Praeterita“ die gemeinsamen Stunden im familiären Wohnzimmer dar.11 Herrschen hier Wärme und Gegenseitigkeit oder wortkarge und durchdefinierte Kühle? Das eine schließt das andere nicht unbedingt aus. Die in „Praeterita“ sowie in „Sesame and Lillies“ von Ruskin propagierten Ansichten belegen, dass eine gesteigerte Sentimentalisierung/Gefühlsbeladenheit der Geschlechterbeziehung nicht im Widerspruch zur strengen Rollentrennung in der Familie stehen muss. Liebe und Unterwerfung sind miteinander vereinbar, solange der Unterworfene nicht gegen seine Lage „rebelliert“. Rollentrennung ist zwar das Stichwort in jeder Geschichte, die sich irgendwie auf die Familie bezieht, das heißt jedoch nicht etwa, dass sich die Ehegatten jeweils relativ individuell aus einer mehr oder weniger reichhaltigen Angebotspalette sozialer Verhaltensmuster eine Rolle aussuchen dürfen. Wie das Common Law wiederholt und entschieden demonstriert hat, handelt es sich bei der Rollentrennung des 19. Jahrhunderts um eine streng definierte, eingleisige Sozialstruktur, aus welcher sich genau zwei Rollen ergeben. 2. Patriarchalismus

10 Vgl. Stone, The Family, S. 668f.; Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 316. Aus der zeitgenössischen Romanliteratur ragt in dieser Hinsicht die Darstellung von Dickens in „David Copperfield“ hervor. Die besagte Formalisierung erdrückt den Leser besonders in den ersten Kapiteln, in denen das Verhältnis zwischen seiner Mutter und seinem Stiefvater und sein eigenes zu demselben Mann geschildert wird. Dickens weist an mehreren Stellen darauf hin, dass bei nicht-bürgerlichen sozialen Schichten ein anderer Umgang herrscht. So entschuldigt sich Mr. Heeps Mutter bei Copperfield, als sie in dessen Gegenwart ihrem Sohn einen Kuss gibt, denn so etwas könnte ein Angehöriger der vornehmen Bürgerschaft als ungehörig empfinden. Über die Berechtigung, diesem Roman hier und im Folgenden besonderen Glauben zu schenken, s. Young, Portrait, S. 153 Fn. 1. Zur Lage im 18. Jahrhundert Stone, Family, S. 325–329, 412–415, 449–480; etwas anders allerdings Shoemaker, Gender in English Society, S. 308. 11 Vgl. Praeterita, Band I.

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Das Zeitalter unter Königin Viktorias Herrschaft ist patriarchal; d.h. vor allem, das letzte Entscheidungsrecht in der Familie besitzt der Ehemann.12 Eine Regelung, die jede Rechtsordnung auf unterschiedliche Weise inkorporiert. Das englische Recht ging bekanntlich so weit, die Rechtspersönlichkeit der Ehefrau vollständig in derjenigen des Ehemannes aufgehen zu lassen, was in Deutschland nur im Rahmen der philosophischen, aber nicht der juristischen Reflexion genauso gehandhabt wurde.13 Eine im Übrigen gegenläufige Entwicklung, wenn man bedenkt, dass der Individualismus auf der „Insel“ seine ersten Siege durch John Locke gefeiert hatte.14 Allerdings sollte auch nirgendwo sonst im hier untersuchten Zeitraum an dieselbe Tradition wieder angeknüpft werden ( J.S. Mill).15 3. Die weibliche Rolle Interessant sind die Frauenbilder, die man als „viktorianisch“ bezeichnet, wovon auch die wesentlichen Konturen der männlichen Rolle gewonnen werden können. Die Passivität ihres Geschlechts wird gleich von der Königin selbst propagiert.16 Die einzige Ursache der Schwangerschaft, meint sie, sei der Mann.17 Im Zeitalter der Wissenschaft kommt es aber auf den Intellekt an. Die Zeitung „The Times“ bringt im Jahre 1867 in der Trauerrede zum Tode von Frau Austin, der Ehefrau des großen Juristen John Austin (analytische Jurisprudenz), ihre Bewunderung für das Wirken dieser Frau zum Ausdruck und schreibt: „To the attractions of great personal beauty in early life, and a grace of manner undiminished by years, Mrs. Austin added a masculine intellect and a large heart.“18 Von einer Frau wurden Schönheit und Gutmütigkeit erwartet, ja von der männlichen Phantasie dem weiblichen Streben oktroyiert. Intelligenz wurde dagegen dem Manne zugewiesen und war als Eigenschaft einer Frau eher eine Ausnahmeerscheinung. Dieses Bild pflegte die neu aufkommende Wissen12 Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 44. 13 Mit der wiederum wichtigen Ausnahme der Konstruktionen germanistischer Provenienz. 14 Ausführlich dazu Stone, Family, S. 221–269. 15 Davon wird im weiteren Verlauf ausführlich gesprochen (vgl. im zweiten Teil, E. II. 1,2. 16 Vgl. Matthew, in: Morgan, The Oxford History of Britain, S. 549; Miller, in: Wohl, The Victorian Family, S. 23–41. 17 Miller, in: Wohl, The Victorian Family, S. 41. 18 Zit. nach Austin, Lectures, S. VII; zu diesem Frauenbild Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 332.

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schaft vor allem in England eifrig auch selbst, allen voran ihr einflussreichster Zweig: die Evolutionstheorie. Ihr berühmtester Exponent, Charles Darwin, setzt sich in seinem Werk „The Descent of Man“ mit der Evolution der sexuellen Selektion auseinander. „Woman seems to differ from man in mental disposition, chiefly in her greater tenderness and less selfishness“19. Der Mann evoluiere in Rivalität zu anderen Männern. Nicht anders hat man sich die Geschäftswelt vorgestellt, woraus Konsequenzen für die Geschäftsfähigkeit der Ehefrau gezogen wurden und der renommierte Wissenschaftler fährt fort: „It is generaly admitted that with woman the powers of intuition, of rapid perception, and perhaps of imitation, are more strongly marked than in man; but some, at least, of these faculties are characteristics of the lower races, and therefore of a past and lower state of civilisation.“20

Letzteres muss man nicht gesondert interpretieren. Nach einigen zusätzlichen Behauptungen, die er eher als Faktendarstellungen versteht, schlussfolgert er: „Thus man has ultimately become superior to woman“.21 Darwins Ansichten bleiben nicht ohne Nachfolger. Die Naturwissenschaften taten ihr Bestes, die Vorrangstellung des Mannes zu erhalten.22 Selbstverständlich sollte nach demselben Bild die Frau, die sich in der Öffentlichkeit bewegt, eine (zuweilen bewunderte) Ausnahme bleiben. So illustriert das Beispiel von Mr. Wickfields liebenswürdiger Tochter Agnes,23 was mit dem Wort „angel in the home“24 gemeint ist. Das Haus fungiert als Zufluchtsort des Mannes aus der harten Welt der Verantwortung. Eine Ru19 20 21 22 23

Darwin, The Discent of Man II, S. 586. Darwin, The Discent of Man II, S. 586. Darwin, The Discent of Man II, S. 588. Vgl. dazu Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 492f. In Charles Dickens’ „David Copperfield“, etwa Kap. 16. Daraus folgender Dialog zwischen David Copperfield und Agnes (in dieser Reihenfolge): “You have never been to school“ I said, „have you“? (Hervorhebung im Original) “Oh yes! Every day.” “Ah, but you mean here, at your own home?” “Papa couldn’t spare me to go anywhere else”, she answered, smiling and shaking her head. “His housekeeper must be in his house, you know.” (Hervorhebungen hier). 24 So das Bild von Helsinger/Sheets/Vilder, The Woman Question, S. XIV. Nach dieser Interpretation scheint es nebensächlich zu sein, dass es sich bei Agnes nicht um eine Ehefrau handelt. Das besagte Wort „angel in the home“ ist höchstwahrscheinlich eine Anspielung auf ein verhaltensliterarisches Gedicht aus den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts, welches „The Angel in the House“ hieß, s. dazu Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 332.

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hestätte, wo die Ehefrau ihm jede Mühe abnimmt. Ihren einflussreichen Bewahrer fand diese Vorstellung in der Person des schon erwähnten englischen Philosophen Ruskin, der zu den bedeutendsten Kulturkritikern der viktorianischen Welt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gezählt wird.25 Im Jahre 1865 veröffentlicht er sein Buch „Sesame and Lilies“, in dem Ruskin in Sorge um die Erosion der englischen Gesellschaft, um den Verlust fundamentaler Werte wie Humanität und Aufrichtigkeit schreibt, die aber nur die Frau verkörpern kann.26 Diese Rolle kann sie aber neben dem Mann nur auf eine bestimmte Weise übernehmen. Er formuliert sodann eine Theorie von den verschiedenen Geschlechtercharakteren. Gerade daraus schöpft er ein sphärenbezogenes Vokabular. Ruskin plädiert zwar für eine Komplementarität der Geschlechterrollen in der Familie, die er mit einem romantisch angehauchten Liebesideal vervollständigt. Dies bleibt aber durchaus vereinbar mit der Unterwerfung der Ehefrau. Denn die entscheidende Instanz bleibt der Ehemann. Er verkörpert die aktive, beschützende und schöpfende Kraft in der Familie. In seinem Haus soll die Frau von ihm beschützt werden. Darin liegt die wahre Natur eines Hauses, ein Ort des Friedens zu sein. „And wherever a true wife comes, this home always round her“.27 Damit hat er den Wirkungsbereich der Ehefrau unmissverständlich bestimmt: „A man’s duties are public, and a woman’s private […] the man’s duty as a member of a commonwealth, is to assist in the maintenance, in the advance, in the defence of the state. The woman’s duty, as a member of the commonwealth, is to assist in the ordering, in the comforting, and in the beautiful adornment of the state.“28

Gerade der Darstellung Ruskins kann man zweierlei entnehmen. Erstens ist das konkrete Frauenbild von der Sphärenzuweisung nicht zu trennen. Rollentrennung bedeutet auch Sphärentrennung. Es bedeutet Verschärfung der Trennung zwischen privatem und öffentlichem Lebens- und Wirkungsraum.29 Die Ehefrau ist nur noch für den Haushalt und für die Ausbildung der Kinder verantwortlich. Sie gewinnt daraus ihre neue, hohe moralische Autori25 S. Matthew, in: Morgan, The Oxford History of Britain, S. 568. 26 Ruskin, Sesame and Lilies, S. 19. Zu dieser Zeit hatten zahlreiche englische Frauen den Ausweg in das Wohltätigkeitswesen schon entdeckt, eine Tatsache, welche für Ruskin noch ungeahnte Konsequenzen haben sollte, vgl. Hilton, A Mad, Bad & Dangerous People, S. 364f. 27 Ruskin, Sesame and Lilies, S. 115f. 28 Ruskin, Sesame and Lilies, S. 131f. 29 Dazu nur Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 44, bzw. Young, Portrait, S. 155, oder Levine, Victorian Feminism, S. 11–14.

Das viktorianische Familienbild

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tät.30 An die Stelle des Salons der Hauswirtin, bekannt aus dem 18. Jahrhundert, rückt jetzt der nur Männern zugängliche englische Club als öffentliche Kulturstätte.31 Die Dualität der Welt konstruiert das Geschlechterverhältnis. Die Geschlechter bilden die Familie, die als Ergebnis ihrer Zusammenarbeit funktioniert: Komplementarität. Diese Rollentrennung ändert freilich nichts am Prinzip. Es handelt sich um eine patriarchal gefärbte bzw. um eine hierarchische Komplementarität.32 „Der Mann ist der Herr des Hauses; im Hause aber soll nur die Frau herrschen“ sagt Marie Ebner-Eschenbach.33 Aber wenn es darauf ankommt, ist eben der Mann der Herr des Hauses. Dieser Ansicht ist das BGB.34 Die Ehefrau soll aus dem öffentlichen Geschehen verbannt werden. Im Privaten aber erfüllt sie ihre von Rousseau früh genug artikulierte Bestimmung, für den Mann da zu sein. Das alles liegt weit entfernt von der Gleichberechtigung. Das ist patriarchal und viktorianisch. 4. Das Öffentliche und das Private Vor allem die genannte Polarität zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen hat man besonders aus historischer Perspektive anzuzweifeln gesucht, und das wohl mit guten Argumenten.35 „Historisch“ wird dabei die Perspektive genannt, die das reale Geschehen beschreiben will. Angezweifelt wird also die historische Realität der so definierten kategorialen Trennung im Bereich der Familie. Doch darin liegt nicht die einzige historische Perspektive. Gerade Rechtsgeschichte hat es mit der Realität in einer Institution, d.h. vor allem mit der Norm zu tun. Steht die Norm in einem Zusammenhang mit dem Realen?36 Wird „Norm“ als „Sinn“ definiert, fragt sich, auf welche Weise die Welt (für den Einzelnen) einen Sinn gewinnt. Auf diese Weise bekommt auch die Realität ihren spezifischen Sinn. Das ist zum großen Teil mit dem Begriff des „Imaginären“ in diesem Zusammenhang gemeint. Ähnlich wie die „Vor30 So Michaud, in: Duby/Perrot IV, S. 164, m. H. auf Sarah Ellis, The Women of England, S. 1830. 31 So Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 359, 362f. 32 Der Begriff der „hierarchischen Komplemetarität“ ist Pechriggl (Corps Transfigurés I, S. 294) entliehen. 33 Aphorismen, zit. nach Bovenschen, Die imaginierte Weiblichkeit, S. 138. 34 Vgl auch Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 407 m.w.H. 35 Zusammenfassend Shoemaker, Gender in English Society, S. 305–318. 36 Abgesehen davon, dass „Norm“ nicht Realitätsferne heißen muss, was nicht selten angedeutet wird.

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stellungen von etwas teils Seiendem, teils Geltendsollendem in den Köpfen realer Menschen […], an denen sich deren Handeln orientiert“ und die „als solche eine ganz gewaltige, oft geradezu beherrschende, kausale Bedeutung für die Art des Ablaufs des Handelns der realen Menschen haben“, von denen Max Weber schon wusste.37 Die Dichotomie des Privaten und des Öffentlichen ist dementsprechend – das beweisen die zitierten Quellen – eine bestimmte, leitende Sichtweise der Welt, d.h. auch der Realität, an welcher auch das Recht in hohem Grade Anteil hatte. Hier sollte genau diese Sichtweise (Sinnhaftigkeit, Intentionalität, Finalität menschlichen Handelns38) erfasst werden, was nichts mit der Beseitigung der Vielfalt der „gesamten“ Realität zu tun hat. Dass etwa Wollstonecraft,39 später die Frauenbewegungen und auch der englische Gesetzgeber diesem Imaginären widersprechen wollen, ist eben eine andere, neue Sinngebung. Wie angedeutet, wird sich das alles ändern. In England vermengen sich seit den 50er Jahren des Jahrhunderts die Ideale. Die nicht an Idealen orientierte Arbeiterfamilie dringt immer tiefer ins kollektive Bewusstsein ein.40 Daneben meldet sich wieder individualistisches Gedankengut zu Wort. Auch scheint sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ein Wandel zu vollziehen, der den Stellenwert der Familie innerhalb der Mittelklasse betrifft. Ein Wandel, den die englische Presse der 60er Jahre „Flucht aus der Mutterschaft“ genannt hat. Die sich emanzipierende Frau beginnt den Primat der Familie und ihre Fremdbestimmung anzuzweifeln. So wird es jedenfalls wahrgenommen.41 Darüber hinaus konstatiert Nipperdey auch für Deutschland im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts einerseits den Bedeutungszuwachs des Individuums,42 andererseits eine kontinuierliche Zunahme partnerschaftlicher Elemente in der bürgerlichen Familie, die folgerichtig zu einem Rückgang des Patriarchats führt.43 Es war die Zeit von Fontanes familienkritischer Imagination.44 Wie sich bereits herausstellte, konnte das BGB nichts davon mitnehmen.45 In England war das anders.

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Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft I, § 1, S. 22. Vgl. auch Castoriadis, Sujet et Vérité, S. 55–77, 79–100. Wollstonecraft, A Vindication of The Rights of Woman, S. 23ff. Vgl. dazu Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 363. Vgl. Showalterm, in: Wohl, The Victorian Family, S. 108. Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 45. Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 59. Vgl. dazu Craig, Über Fontane, S. 245–252. So auch die Einschätzung von Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 45f.

Religion

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II. Religion Das zweite Charakteristikum der viktorianischen Epoche neben der Familie ist die Religiosität. Die religiösen Normen prägen ihrerseits entscheidend das viktorianische Familienmodell und werden hier deswegen relevant. Sie sind Teil des gesellschaftlichen Imaginären, ihrer „Ideologie“ – wie englische Historiker oft unbefangen sagen (Hoppen, Hobsbawm). Die unmittelbare Vergangenheit der Zeit, die hier untersucht wird, die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, war einer religiösen Renaissance anheim gestellt.46 Für den erwähnten, großen viktorianischen Philosophen Ruskin war solche metaphysische Erkundung Teil seines irdischen Lebens. In seiner schon erwähnten Autobiographie „Praeterita“ erzählt er im ersten Band unentwegt von Bibelstunden im heimischen Salon, vom wöchentlichen Kirchgang und davon, wie die Bibel in seinen jungen Jahren fast seine einzige Lektüre war. Er reflektiert auch ständig und kritisch über die religiöse Frömmigkeit, die um ihn herum wehte; eine Scheinfrömmigkeit nennt er sie.47 Auch David Copperfield spricht von der herrschenden Stellung, die der Bibellektüre während seiner Kindheit zukam und sein Schöpfer, der wichtigste Exponent und Kritiker der viktorianischen Kultur, Dickens, erfasst in einem Satz, was sich zwischen dem 18. und dem 19.  Jahrhundert im Hinblick auf die Religion geändert hatte: „The mother looked young and the daughter looked old; the mother’s complexion was pink, and the daughters was yellow; the mother set up for frivolity, and the daughter for theology.“48 Theologie war wieder mitten im Leben und ihre protestantisch-calvinistische Variante wird als eine der Kräfte angesehen, die das Handeln der Menschen geleitet haben.49 Die Gründe dafür bestanden wohl darin, dass dieser Protestantismus wieder konkrete Forderungen an den Menschen erhob, seinen Charakter zu formen suchte und seine Lebenspraxis kontrollierte. Damit werden ihm auch konkrete Konsequenzen für die soziale Stellung der Ehefrau zugeschrieben. Er sei nämlich eine „Religion des Hauses“, worin er den Wirkungsraum der Ehefrau sieht.50 Gleichzeitig scheint er ihren (der Ehefrau) Ausschluss aus der öffentlichen Sphäre zu propagieren. Darüber hinaus war eine der obersten Verkündigungen dieses Protestantismus die Bedeutung von 46 47 48 49

Stone, Family, S. 659f. Ruskin, Praeterita I, S. 74. Dickens, Great expectations, zit. nach Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 174. Zu alledem vgl. Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 174–184; Young, Portrait, S. 1–5. 50 So John-Stevas, in: Graveson/Crane, S. 258.

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Disziplin, die Werthaftigkeit der Selbstkontrolle. Es handelt sich um Wertentscheidungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Umbenennung der weiblichen Sexualität in „Hysterie“ stehen.51 Man weiß nicht nur aus der Geschichte der Psychoanalyse,52 dass dieses Vorurteil erst Anfang des 20. Jahrhunderts allmählich der Kritik unterworfen wurde.

III. Ergebnis Die Frau der viktorianischen Welt ist zur Ehe bestimmt. Sie ist in dieser Norm gefangen. In einer Norm, die einen klaren Inhalt hat, klare Rollen vorgibt und sich erstaunlicher Vorbildwirkung erfreut. Die Ehefrau lebt auch in einer religiösen Welt. Dies prägt ihre Familie. Soviel also zum „Frauenleben“ in der viktorianischen Zeit. Nun ist zu klären, wie es in England dazu kommen konnte und auf welche Weise sich das geschilderte Imaginäre wandelte. Die Platzierung des Phänomens „Recht“ bestimmt im Wesentlichen, aus welcher Richtung dieses Problem angegangen werden soll. Insofern steht hier fest: Das Recht ist Teil der kulturellen Gesamtwirklichkeit.53 Wenn es aber auf diese Weise begriffen wird, dann liegt es nahe, in dieser Gesamtwirklichkeit Zugänge zum erfragten Verständnis zu suchen. Nun ist Kultur in diesem Zusammenhang selbstverständlich kein auf Kunst und Literatur beschränkter Begriff, sondern umfasst sogar in erster Linie das Ökonomische und nicht weniger das Metaphysische. Wirtschaft und Religion bilden für das 19. Jahrhundert, insbesondere in Bezug auf England, imaginäre Bedeutungen erster Ordnung.54 Spricht man dies einmal aus, dann springt die historische Tatsache ins Auge, dass sich in England beide Kulturbereiche er51 Vgl. Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 180. 52 Vgl. etwa die Äußerung Freuds zur Erweiterung des Sexualitätsbegriffs, in: Jenseits des Lustprinzips, S. 236; allgemein dazu Zaretsky, Freuds Jahrhundert, S. 65ff.; diese sich positiv ausnehmende Beurteilung der Psychoanalyse bezieht sich freilich nicht auf das freudsche Geschlechterbild, welches ja relativ traditionell, d.h. viktorianisch geblieben war. Wie aus Zaretskys Darstellung vielmehr deutlich hervorgeht, besteht die Innovation in der Prononcierung der Eigenwertigkeit des weiblichen Ichs wie jedes Ichs, was auf kulturell-politischer Ebene vielfach als die Eigenwertigkeit des weiblichen Individuums interpretiert und zugleich eingefordert wurde. Von den Nachfolgern Freuds wird diese potentielle Gleichwertigkeit des weiblichen Individuums freilich auf vielfache Weise theoretisch reflektiert. Vgl. dazu etwa Collin, in: Duby/Perrot V, insb. S. 372–375. 53 Dazu schon in der Einleitung. 54 Zu dieser Unterscheidung Castoriadis, Institution première de la société et institution secondes, in: Figures du pensable, insb. S. 124f.

Ergebnis

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heblich schneller in die heutige Richtung bewegt haben als andere. Einem in den letzten Jahren wieder Resonanz findenden ökonomiebetonenden Geschichtsautomatismus folgend, könnte man vor allem die jeweilige Rechtsentwicklung an der Industrialisierung als gemeinsamem Nenner messen. Ähnlich könnte man mit der Säkularisierung verfahren. Die hier besonders interessierende Frauenbewegung, aber auch andere Momente der beiden Kulturen, würden darin ihren Platz finden bzw. zu finden haben. Warum dies schließlich der Wahrheit nicht näher kommen würde, wird im Folgenden untersucht.55

55 Da es in einem solchen Argument offensichtlich um die englische Rechtsentwicklung, also um den Angriff auf das Rechtsprinzip des Patriarchalismus geht, wird sich die folgende Analyse auch fast nur auf diese konzentrieren.

C. Strukturelle Zugänge zum Verstehen I. Säkularisierung und Rechtsreform Einer der Faktoren, der der feministischen Bewegung in England und dem englischen Gesetzgeber den Weg für die Reformen geebnet haben soll, ist die Säkularisierung.1 Anders formuliert, es wird seit langem hervorgehoben, dass die religiösen Dogmen oder Institutionen der Emanzipation der Frau im Wege gestanden hätten.2 Man kann und muss für die wissenschaftliche Analyse im vorliegenden Zusammenhang zwei Erscheinungsformen der Säkularisierung bestimmen: Einmal Säkularisierung als die Abkoppelung der Legitimation des Sozialen und Individuellen von der religiösen Verkündigung; dann Säkularisierung im Ergebnis, d.h. innerhalb der Institutionen. Von der zweiten kann man nicht ohne Weiteres auf die erste schließen. Denn auch wenn bestimmte Aspekte des Rechts einer konkreten Gesellschaft säkularisiert, also dogmatisch frei von früher determinierenden religiösen Inhalten, in ihrer Konstruktion ohne Bezug zum kirchlichen Recht erscheinen, bedeutet dies nicht, dass sie ebenso frei von solchen Wertentscheidungen zustande gekommen waren. Anhand dieser Differenzierung sind daher unterschiedliche Fragestellungen zu formulieren. Zunächst einmal wird gefragt, inwieweit sich eine Säkularisierung Englands, und zwar in beiden ihren hier zugrunde gelegten Dimensionen im 19. Jahrhundert, überhaupt feststellen lässt. Schließlich wird historisch die Selbstverständlichkeit anzuzweifeln sein, mit welcher man die wachsende Säkularisierung der sozialen Normen als positiv für die „Frauenfrage“ bewertet.

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So etwa Holcombe, Wives and Property, S. 6; vgl. noch Stone, Family, S. 659f.; aus der Rechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts zum theologischen Ursprung des Common Law aber Maine, Ancient Law, S. 93f. 2 So etwa in Bezug auf die religiösen Institutionen Hobsbawm, The Age of Capital, S. 272f. mit Bezug auf das 19. Jahrhundert. Um die Haltung der kirchlichen Institutionen geht es in der folgenden Argumentation wohlgemerkt nicht. Zur Rechtslage der Ehefrau im Recht der Kirche (also vorwiegend im kanonischen Recht) vgl. noch Fonay Wemple, in: Duby/Perrot II, S.  227; Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 72 m.w.H.; Mikat, HwRG (Ehe), S. 828f.; Esmein, Le mariage en droit canonique I, S.  91f. (vgl. aber ders., Le mariage en droit canonique II, S. 4–8). Für die Einflüsse dieses Rechts auf das Imaginäre des 19. Jahrhunderts v. Dülmen, Kultur und Alltag I, S. 161f., und vor allem Hobsbawm, The Age of Capital, S. 272f.

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1. Wandel des Religiösen In Bezug auf die Religiosität in der viktorianischen Gesellschaft war bisher vom 19. Jahrhundert die Rede. Doch das 19. Jahrhundert gibt es als solches gar nicht, denn es besteht aus mehreren Epochen. Da dies bekannt ist, wird man aus dem Vorangegangenen, welches vor allem die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts betrifft, keine unmittelbaren Schlüsse zur Säkularisierung der englischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ziehen können. In der Tat könnte man sagen, dass sich die erste Hälfte dieses Zeitraums in vielen Ländern Mitteleuropas durch deren reaktionären Geist auszeichnete. In den darauffolgenden Jahren wurden die Werte der französischen Revolution wiederbelebt, was sich aber als allgemeine und typologische Erfassung des historischen Geschehens eher verwirrend als hilfreich auswirkt. In Bezug auf die hier zu beantwortende Frage scheinen die Meinungen je nach Interessenschwerpunkt auseinander zu gehen. So wird einerseits das Gewicht auf die Rezeption der neuen Ideen gelegt. Vor allem Hobsbawm beschreibt eine Gesellschaft, die sich auf dem Weg zur Säkularisierung befindet.3 Auch andere Historiker konstatieren einen generellen Rückgang der Relevanz des religiösen Elements, je mehr man sich dem Ende des Jahrhunderts nähert.4 Andere dagegen sprechen eher von der Sorge der Gläubigen um die Seele der Nichtgläubigen. Sie setzen bei der Feststellung an, dass England noch nie ein solch religiöses Zeitalter durchlebt hat und nie wieder durchleben sollte.5 Insgesamt werden auch von dieser Seite ein Rückgang der Religiosität und ein wachsender Umfang der Kritik nicht abgestritten, wobei beides mehr den Kalvinismus als das allgemeine religiöse Gefühl betrifft. Es zeigen sich andererseits starke regionale Differenzen und verschiedene, nur bedingt zuverlässige zeitgenössische Erhebungen belegen, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung in England um die Mitte des Jahrhunderts immer noch zur Messe ging.6 Offenbar handelt es sich dort um eine Zeit des Übergangs, was selbstverständlich auch die nächsten Jahrzehnte betrifft. Die Lage bleibt also zweideutig. Ähnlich ambivalent scheint im Übrigen die Lage auch in Deutschland in der Entstehungszeit des BGB zu sein. Die Entstehung des BGB kann zwar nicht mehr der Mitte des Jahrhunderts zugeordnet werden, sie findet jedoch in einem Zeitraum statt, in welchem sich das religiöse Gefühl parallel zum

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Hobsbawm, The Age of Capital, S. 271–273. S. auch Young, Portrait, S. 73f. Vgl. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 427. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 431f., 448.

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politischen Handeln entwickelt und nicht mittels dieses erfüllt wird.7 Insofern wandeln sich die Epochen hier zum Teil deutlicher. Eine wichtige Konstituante des viktorianischen Imaginären beginnt sich zu verändern. Das ist zwar fast eine gefährliche Aussage, aber in dieser Allgemeinheit ohnehin bedeutungslos. Womöglich ist sie sogar falsch, weil man gerade zu dieser Zeit die Entstehung des „konfessionelle(n) Gegensatz(es) als Grundtatsache“ bezeugt.8 Ein Einfluss des religiösen Elements ist in der Begründung des deutschen Gesetzgebers zunächst nicht erkennbar, jedenfalls nicht, wenn es sich um die Begründung des Patriarchalprinzips handelt. Nimmt man etwa die Beispiele des Scheidungsrechts oder der Zivilehe hinzu, scheint sich das deutsche Familienrecht von religionsgestützten Legitimationsmotiven recht früh gelöst zu haben.9 Dass aber Planck um die akzeptanzfähigste Verortung der Familiengesetzgebung zwischen Staat und Kirche lange gerungen hat, hat Coing ebenfalls längst nachgewiesen.10 2. Säkularisierung des englischen Eherechts Wendet man sich nun wieder dem Recht zu, so fällt ein ähnliches Ringen um die Befreiung von der Metaphysik auch hier auf. Dieses soll kurz nachgezeichnet werden: Man kann zunächst, das Ergebnis antizipierend, durchaus von einer Säkularisierung des englischen Eherechts sprechen, die in England bis 1870 stattgefunden hatte. Dazu soll an die bisherige Analyse angeknüpft werden. Oben wurde schon angedeutet, dass das Prinzip der „Legal Unity“, welches das englische Ehegüterrecht bis zu den Reformen im 19. Jahrhundert noch beherrschte, zur Verstärkung seiner Überzeugungskraft und seiner 7 Hobsbawm, The Age of Capital, S. 272. 8 Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 528–530. 9 Insb. zur Zivilehe vgl. Coing, in: Vallauri/Dilcher, Christentum, Säkularisation und modernes Recht, S. 1095–1097. 10 Vgl. Coing, in: Vallauri/Dilcher, Christentum, Säkularisation und modernes Recht, S. 1081–1097. Die Mehrdeutigkeit der deutschen Lage in dieser Frage steigt, wenn man obige Überlegungen etwas ergänzt. Man denke nämlich an die Simultaneität folgender Phänomene: die starke parlamentarische Präsenz einer sehr katholisch geprägten Partei (Zentrum); die Säkularisierung des Scheidungsrechts und des Rechts der Eheschließung, und zwar unter Mitarbeit der genannten katholischen Partei; schließlich die Beibehaltung eines patriarchalen Güterrechts. Zum Kompromiss in Bezug auf die genannten Säkularisierungsschritte s. noch Nipperdey, Machtstaat, S. 198, 547f., (vgl. ergänzend noch S. 534, 719), wo auch über den Einfluss der Zentrumspartei im Gesetzgebungsprozess des BGB gesprochen wird. Zum Letzteren noch ebda. S. 495.

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Legitimation ursprünglich die biblische Autorität in Anspruch nahm.11 So spricht Bracton im ersten bekannten Kompendium zum englischen Recht von den Eheleuten als eine Person, „quia caro una et sanguis unus“,12 dem man kaum den Wortlaut von Genesis 2, 24 sowie Matthäus 19, 6 bzw. 10, 8 an die Seite stellen muss. Die biblische Herkunft der „Legal Unity“ oder zumindest eines Teiles davon wurde auch in der rechtsgeschichtlichen Literatur kaum angezweifelt.13 Im späteren Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit dient die Bibel oder die kirchliche Doktrin diesem Rechtsinstitut weiterhin als Grundlage,14 was damit zusammenhängt, dass die eheliche Gerichtsbarkeit, welche in erster Linie Fragen betreffend das Band der Ehe beantwortete, ausschließlich und durch die weltlichen Gerichte unwidersprochen15 der englischen Kirche oblag. Das hatte zur Konsequenz, dass lange Zeit keine eherechtliche Doktrin der Common-Law-Gerichte existierte.16 Letztere leiteten die Sache bei Bedarf zur Entscheidung einer sich inzident stellenden eherechtlichen Frage an die kirchlichen Gerichte weiter,17 deren Einfluss auch nach der Reformation unverändert blieb. Die kirchliche Gerichtsbarkeit beherrscht zwar den hier untersuchten Fragekreis noch eine ganze Weile, aber im Zeitalter der Aufklärung ist der Wandel der Legitimationsgrundlage der genannten Doktrin nicht mehr zu übersehen. Schon Blackstone, der kaum als ein offener Repräsentant der Aufklärung bezeichnet werden kann,18 argumentiert am Ende des 18. Jahrhunderts absolut säkular. Er konstruiert zwar eine sehr enge eheliche Gemeinschaft, nimmt aber kaum Bezug auf biblische Quellen und Bracton wird auch nicht mehr zi11 Sowohl zu den Verknüpfungen zwischen Common Law und der Bibel als auch zur Säkularisierung der Doktrin vgl. die ausführliche und anschauliche Darstellung in: Midland Bank Trust Co Ltd. and another v. Green and others ALL E.R. 1979–1982, S. 206–214. 12 De Legibus et Consuetudinibus Angliae, Lib V 422. 13 Holcombe, Wives and Property, S. 19, weist auch auf diese Zuordnung in der englischen Rechtsgeschichte hin. 14 Barlow, in: Graveson/Crane, S. 197; Bromley/Lowe, Family Law, S. 104 Fn. 5; s. auch Holdsworth, A History III, S. 521, Fn. 4 mit Hinweis auf Hawkins P.C. Zur Zugehörigkeit der Doktrin zur kirchlichen Dogmatik s. auch Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 68. 15 Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 44. 16 Dazu ebenfalls Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 41, insb. 433ff., 536f. 17 Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 76. 18 Blackstone aber leistete zur „Rationalisierung“ des englischen Rechts einen der größten Beiträge. Insoweit war er geradezu eine „Inkarnation“ der Aufklärungsidee.

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tiert.19 Eine Entwicklung, welche sich schon nach der Reformation, trotz Beibehaltung der kirchlichen Gerichtsbarkeiten, angebahnt zu haben scheint,20 erreicht im 19.  Jahrhundert ihren Höhepunkt. Verschiedene Momente der sozialen Wirklichkeit, deren bekanntesten die sog. „Gretna-Green-Ehen“21 im 18. Jahrhundert sind, hatten der Religion einen erheblichen Teil ihrer Legitimationskraft entzogen. In der Kontinuität des englischen Rechts vollzog sich ein Bruch. Die Begründungen des Rechts waren seither juristischer und nicht mehr theologischer Natur.22 Im Jahre 1854 sagt Caroline Norton, die Sakramentalität der Ehe sei im protestantischen England ihrer Zeit kein Argument mehr gewesen.23 3. Religion und Frauenrechte Nach dem Vorangegangenen hat es also den Anschein, als ob man in England in der Tat von einer weitgehenden Säkularisierung des Rechts sprechen kann. Doch der Zusammenhang mit der Reform des ehelichen Güterrechts ist deswegen noch lange nicht hergestellt. Erstens, weil man – wie gesagt – aus der Tatsache, dass in der Dogmatik die Religion als Legitimationskraft weitgehend ausgeschaltet worden ist, nicht auf denselben Vorgang im Rahmen des Entstehungsprozesses eines Gesetzes schließen kann. In der Tat ist oben schon gezeigt worden, dass die parlamentarische Debatte um das erste Gesetz von 1870 von der Seite der Reformgegner nicht frei von religiösen Argumenten war24. Man muss hier aber gleich hinzufügen, dass sich ihre Zahl sehr in Grenzen hielt. Zudem gab es im englischen Parlament keine politische Macht, die sich mit den kirchlichen Interessen so massiv identifizieren würde, wie die deutsche Zentrums-Partei. Aber auch die immer geringere Bedeutung des religiös angereicherten politischen Arguments im Zusammenspiel mit der weitgehenden Säkularisierung der Rechtsdogmatik, sofern sie den „Tatsachen“ entspricht, ist nicht imstande, 19 Er zitiert aber Coke, der auf Bracton hinweist. Das muss insofern keine besondere Bedeutung haben, als Coke zu dieser Zeit nicht ignoriert werden konnte, wenn man bei der Darstellung des Common Law ernst genommen werden wollte. Außerdem ist in Cokes Übersetzung im Text von Bracton, die Blackstone auch allein übernimmt, nur von „einer Person“ die Rede und lässt die besonderen Ausdrücke Bractons unübersetzt. 20 Ausführlich dazu Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 224ff. 21 Dazu Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 577ff. 22 Giesen, Grundlagen und Entwicklung, S. 589f. 23 Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 150. 24 S. Hansard 142 (1856), S. 1277–1279.

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alle Zweifel auszuschalten. Die Frage, ob dieser Aspekt als solcher für die englische Rechtsentwicklung von Bedeutung gewesen ist, verlangt genauso dringend nach einer Antwort, wie am Anfang. Die gegenteilige Argumentation, die besagte Verknüpfung herzustellen bereit ist, übersieht nämlich, wie ambivalent die Rolle der Religion in Bezug auf die hier interessierenden Gesetze gewesen zu sein scheint. Es sei nur daran erinnert, dass sich eine große Anzahl von Ehefrauen (bürgerlichen, also denjenigen, die den ersten Frauenvereinen vorstanden!) durch ihre Betätigung in religiösen Vereinen erstmals in den Bereich des öffentlich-politischen Handelns wagte.25 Gerade im 19. Jahrhundert wird das Wohltätigkeitswesen durch die verschiedenen Kirchen institutionalisiert, woran die Frauen konstitutiv mitwirken.26 Die Organisation der Wohltätigkeit wird zuweilen neben dem „Mutterdasein“ der Ehefrau als Teil ihrer „Kulturaufgabe“ angesehen. Die Zahl der Frauen, die einer solchen Betätigung nachgehen, nimmt in England in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kontinuierlich zu.27 Die Frau erlangt durch diese neue Rolle außerhalb des Hauses ein verändertes Selbstbewusstsein, eine sich wandelnde Identität. Sie kann sich als eigenverantwortliches Individuum vorstellen28. Es ist aber gerade diese Verbindung der zu erfüllenden Aufgabe mit der Religionszugehörigkeit, d.h. der Zugehörigkeit zu irgendeiner Religion, die unzweifelhaft dazu beiträgt, dass die gesellschaftliche Rolle der Frau mit der Zeit erheblich aufgewertet wird. In ihrem unten noch ausführlich zu besprechenden Essay „Women and Work“ macht Barbara Bodichon die geschilderte Realität in Verbindung mit dem gewandelten Selbstbild als Basis ihrer Emanzipationsansprüche geltend.29 Und noch mehr gilt das von Anna Jameson in ihrem Buch „Sisters of Charity“30. Die Rechte der Frauen werden vom ersten Moment an als unlösbarer Bestandteil des neuen Bewusstseins der Frau von ihren sozialen Pflichten gesehen. Dies gilt vor allem für den protestantischen Bereich.31 Die englische Frauenbewegung ist vom ersten Moment und bis mindestens zum Ende des 19. Jahrhunderts sehr eng mit dem neuen, religiös inspirierten Frauenbewusstsein verbunden.32 25 Zu den Anfängen dieses Vorgangs im englischen und amerikanischen Klerus vgl. De Giorgio, in: Duby/Perrot IV, S. 198f. 26 Vgl. De Giorgio, in: Duby/Perrot IV, S. 199. 27 Vgl. Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 364. 28 So auch Young, Portrait, S. 90; vgl. auch U. Gerhard, Unerhört, S. 201f. 29 Vgl. Bodichon, Women and Work, S. 16–31. 30 Zu den Verbindungen von Bodichon und Jameson mit der englischen Frauenbewegung vgl. unten im zweiten Teil, D. I. 1 u. 4. 31 So Bauberót, in: Duby/Perrot IV, S. 232. 32 Bauberót, in: Duby/Perrot IV, auch S. 231f.

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Strukturelle Zugänge zum Verstehen

Zum Schluss wird man nicht ablehnen können, dass die Säkularisierung und insbesondere die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer lauter zu vernehmende Kritik an der christlichen Geschlechter- und Familienkonstruktion Faktoren gewesen sind, die die Überzeugungskraft und Resonanz entsprechender Argumente stark relativiert haben. Aber das genügt nicht. Wenn man die Emanzipation auch als das Ergebnis weiblichen Denkens und Handelns betrachtet, was im Rahmen dieser Untersuchung geschieht, dann ist Religion ein unaulöschliches Element dieses Ergebnisses. Die „Automatik“ des Säkularisierungsarguments kann damit verneint werden.

II. Ökonomische Strukturen Der Wandel der ökonomischen Gesellschaftsverfassung ist die erste und bekannteste Konsequenz aus der Französischen und der Industriellen, also den beiden „europäischen Revolutionen“,33 die man mit der Rechtsstellung der Ehefrau in Verbindung bringt. In seiner mehrfach erwähnten, argumentativ durchaus differenzierten Monographie zum vorliegenden Thema sieht etwa Holcombe34 die Rechtsreformen als Antwort auf den Wandel der ökonomischen und sozialen Stellung der Frau an. Nach ihm spiegeln sie geradezu den Übergang von der alten, pro-industriellen zur neuen, industriellen Welt wider. Die Argumentation, die sich einem solchen Ansatz anschließt, ist in ihren wesentlichen Zügen seit Karl Marx und Friedrich Engels bekannt: Die Aufwertung des privaten Eigentums fördert das Bewusstwerden des Zusammenhangs zwischen Eigentum und rechtlicher Inferiorität der Ehefrau, die sich als Individuum neben ihrem Ehemann im Zeitalter und Land des Individualismus wahrzunehmen beginnt.35 Die Kehrseite der „ekelhaften Auflösung“ des alten Familienwesens innerhalb des kapitalistischen Systems und durch es selbst, war gerade die Tatsache, dass „die große Industrie mit der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern, jungen Personen und Kindern beiderlei Geschlechts in gesellschaftlich organisierten Produktionsprozessen jenseits der Sphäre des Hauswesens zuweist, die neue ökonomische Grundlage für eine höhere Form der Familie und des Verhältnisses beider Geschlechter“36 schafft. 33 So der Titel des ersten Teils der Trilogie von Hobsbawm zur Geschichte des 19. Jahrhunderts. 34 Wives and Property, S. 5; s. auch Manchester, Modern Legal History, S. 373; KahnFreund, Recent Legislation, S. 605. 35 Holcombe, Wives and Property, S. 6. 36 Marx, Das Kapital I, S. 515. Am ausführlichsten hat natürlich Engels diese Art von Argumentation ausgerollt (Der Ursprung der Familie, prägnant dort S. 181f.).

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Die Familie als ökonomische Einheit ist das alte Familienwesen, das sich infolge der Industrialisierung verabschiedet, so wird der Historiker konstatieren und diese Tatsache in Gegensatz zum patriarchalischen Prinzip stellen.37 Im Mittelpunkt der Argumentation stehen also zwei Annahmen. Erstens bringt die Industrialisierung die „arbeitende Ehefrau“ hervor. Der erste Einwand, nämlich dass die Ehefrau selbstverständlich nicht erst im 19. Jahrhundert mit der „Ware Arbeit“ bekannt wird, lässt das Argument deutlicher werden.38 Was sich nun geändert hat, ist, dass der „Oikos“ bzw. das „ganze Haus“, eben die Produktionseinheit „Familie“, nicht mehr vorhanden ist und die Ehefrau womöglich einem Arbeitgeber gegenübertritt, der auch ein Interesse daran hat, dass sie selbst ihre Arbeitskraft verwaltet. Bekanntlich hat auch Engels die neue gesellschaftliche Organisation mit der Rechtsinstitution des Vertrages und diesen mit der Ehe und der Idee der Gleichheit in Verbindung gebracht.39 Zweitens soll sich die sog. Urbanisierung, als besonderes Element der Industrialisierung, auf ihre Weise in England ebenfalls zugunsten der Ehefrau ausgewirkt haben. Man findet nämlich das Argument, dass der Aufbruch der Massen in die Fabriken der Städte die Erosion des alten dörflichen patriarchalischen Familienbildes verursacht haben soll.40 Insbesondere habe das Bild des Vaters im Verhältnis zu seinen Kindern Veränderungen erlitten. Die enge Räumlichkeit, das kleine Haus, zwinge die Menschen näher zusammenzurücken. Der über die große Familie regierende, emotional distanzierte und oft nicht persönlich anwesende, Land bearbeitende Vater habe seinen Platz einem Vater überlassen, dessen erste Sorge seiner Familie und der Bildung seiner Kinder galt.41 1. Wirtschaft und Frauenrechte in der englisch-viktorianischen Welt Die angeführten Argumente sind nicht nur wegen ihrer gelegentlichen theoretischen Verkleidung oder rhetorischen Suggestion fraglich. Schon lange ist 37 Holcombe, Wives and Property, S. 7. Dass der Historiker bei seinem Kampf um Verständnis seine eigenen Konstruktionen bildet und nach Erklärungen sucht, ist durchaus legitim. Jenseits des Einwands aber, dass eine Vorrangstellung des ökonomischen Elements überhaupt nicht legitim scheint, lässt der behauptete Zusammenhang zwischen Eigentum und Patriarchalismus den Untergang von Letzterem geradezu erwarten. So einfach war die Sache aber nicht! 38 S. dazu noch Klippel, Entstehung und Strukturwandel, FamRZ, 1978, S. 561. 39 Vgl. Engels, Der Ursprung der Familie, S. 91. Auch Landes, Wohlstand und Armut, S.  233, deutet auf einen entsprechenden Zusammenhang zwischen Gleichberechtigung der Geschlechter und Industrialisierung hin; vgl. weiter auch Ferro, Histoire, S. 880–882. 40 Young, Portrait, S. 21f.; ähnlich in Bezug auf Frankreich auch Ferro, Histoire, S. 869. 41 Roberts, in: Wohl, The Victorian Family, S. 68f.

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nachgewiesen, dass sie auch als solche nur teilweise der historischen Realität entsprechen. a) Der ökonomische Wandel Auf die Frage, welche Relevanz die Industrialisierung für die Reform des ehelichen Güterrechts gehabt haben könnte, wird man, wie gesagt, oft auf die gestiegene Zahl der arbeitenden Frauen verwiesen. Davon gingen viele aus und davon sind auch einige Parlamentarier des hier untersuchten Zeitraums ausgegangen.42 Insoweit lässt sich behaupten, dass die Rechtsreform in Verbindung mit dem sozialökonomischen Wandel stand. Daher muss man sich auch von Ansichten verabschieden, die das Fehlen fast jeglichen Zusammenhangs zwischen Industrialisierung und den in Frage stehenden Gesetzen leugnen.43 Die historische Schöpfung beginnt häufig in den Köpfen der Menschen. Allein zeigt gerade dies, dass die historische Verbindung in anderen Zusammenhängen als in der „normativen Kraft des Faktischen“ oder eben des Ökonomischen verborgen liegt. Die Zahl der arbeitstätigen Frauen scheint während der sog. Frühindustrialisierung im Zusammenhang mit der Heimindustrie tatsächlich gestiegen zu sein.44 Aber gerade die Heimindustrie wurde von der Fabrikindustrie kontinuierlich verdrängt. Schon im Jahre 1841 arbeiteten dort 47,3 Prozent aller männlichen Arbeitskräfte, während nur 28,6 Prozent der Landwirtschaft nachgingen.45 Auch viele Frauen fanden in der Fabrik Arbeit, namentlich in der Textilindustrie.46 Insgesamt waren aber stets weniger als 30 Prozent (28,5 Pro42 Vgl. etwa die Äußerungen von Lefevre, in: Hansard (1868), 191, S. 1020f., und 195 (1869), S. 780. 43 So etwa Stone, Family, S. 664, der allerdings etwas pointiert gegen jeden Kausalzusammenhang argumentiert und im Ganzen gesehen nicht jeglichen Zusammenhang abzustreiten scheint. 44 S. dazu etwa Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter, S. 248f. 45 Hierzu und zu den folgenden Daten Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 56– 64. 46 Welche Hoppen unter einem weit gefassten Begriff der „Industrie“ subsumiert (The Mid-Victorian Generation, S. 56f.) Es sei hier noch auf einige „logische“ Argumente hingewiesen, die gelegentlich hinsichtlich der Industrialisierung und Mechanisierung der Wirtschaft geäußert werden und von den günstigen Bedingungen für den Eintritt in die Arbeitswelt überzeugen möchten. Was zunächst die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen insgesamt und demgemäß auch für Frauen und in diesem Sinne auch für Ehefrauen durch die Industrialisierung anbelangt, darauf antworten die im Text folgenden Zahlen und Gedanken. Dazu möge man die Konkurrenzhaltung hinzufügen, die sich bei den männlichen Ar-

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zent „Hausmädchen“ inbegriffen, die mindestens 5 Prozent der Gesamtzahlen ausmachen) aller Frauen arbeitstätig. Dies ist sicherlich nicht wenig.47 Wichtiger erscheint deswegen der Rückgang der Gesamtzahl arbeitender Frauen auf 25,4 Prozent ab Mitte des Jahrhunderts. Noch deutlicher wird die hier verfolgte Argumentation, wenn man die Differenzierung zwischen verheirateten und unverheirateten Frauen, die ebenfalls seit langem bekannt ist, anführt. Bisher wurde nur allgemein von Frauen gesprochen. Aber eine ökonomische Realität, die determinierend für die juristische Reform des ehelichen Güterrechts gewesen sein soll, muss die Ehefrauen betreffen. Durch die höhere Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt könnte deren soziale Stellung erheblich aufgewertet worden sein. Konkret könnte dadurch auch dem das Common Law beherrschenden Vorurteil entgegengewirkt haben, dass die Arbeitswelt sich nicht mit dem weiblichen Geschlecht verträgt. Aber die unverheirateten Frauen unterlagen nicht denselben rechtlichen Einschränkungen, denen die Ehefrauen unterworfen wurden. Gerade in Bezug auf Letztere war die ökonomische Realität eine ganz andere. In der industriellen Welt ging die Zahl der arbeitstätigen Ehefrauen insgesamt zurück.48 In welchem Maße dies geschah, zeigt sich charakteristisch in einem Arbeitssektor, der zum größten Teil ein Frauensektor war, und der im 19. Jahrhundert angesichts der ansonsten schwindenden Arbeitschancen für Frauen eine bedeutende Ausweichmöglichkeit für sie darstellte. Es handelt sich um die Leistungen von Hausdiensten, um die sog. „Dienstmädchen“.49 Für sie bedeutete die Gründung einer eigenen Familie zugleich den Austritt aus der Arbeitswelt. Hier offenbart sich paradigmatisch, dass es sich gar nicht (nur) um eine ökonomische, sondern eher um eine kulturelle Realität handelte. Nicht der tatsächlich vollzogene ökonomische Wandel taufte diese Epoche mit dem Vornamen der sie begleitenden englischen Königin, es war vielmehr beitern gegenüber der weiblichen Bedrohung ihrer Arbeitsplätze eingestellt hat (dazu vgl. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 57f.). Darüber hinaus soll es aber die Mechanisierung der Wirtschaft mit sich gebracht haben, dass schwere Arbeit weniger menschliche Kraft zu ihrer Verrichtung verlangte, weswegen nun der Markt offen für die körperlich schwächeren Frauen sei. Es zeigt sich noch einmal mehr, dass die richtigen Chronologie und nicht die „Strukturen“ der geschichtlichen Entwicklung über die Gültigkeit der Argumente entscheiden. Die englische Wirtschaft war um die Mitte des Jahrhunderts und auch bis zu seinem letzten Jahrzehnt nur ansatzweise mechanisiert. S. dazu Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 59. 47 So auch Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter, S. 251. 48 Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 330f.; Stone, Family, S. 662; Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter, S. 252. 49 Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 58; anders, aber in Bezug auf das Ende des Jahrhunderts Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter, S. 253.

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der „Familienkult“, der ein konstitutives Element des viktorianischen Zeitalters ausmacht.50 Für die hier verfolgten Zwecke, für die Frage also, ob der Zeitgeist für eine Verbesserung der rechtlichen Stellung der Ehefrau plädierte, genügt es, auf eine eigentümliche viktorianische Angst vor der arbeitenden Ehefrau sowie auf die ebenfalls zeitgenössische Klage über die Mutter hinzuweisen, die wegen Arbeitstätigkeit ihre Kinder vernachlässigt. Dies alles fand in einer Zeit statt, in welcher nicht einmal die sich langsam profilierende feministische Bewegung gegen das Ideal der Ehe zu sprechen wagte.51 Daraus lässt sich definitiv keine Änderung der sozialen Stellung der Ehefrau ableiten, die zu einer Reform des ehelichen Güterrechts hätte führen können.52 Im Ergebnis lässt sich speziell im hier relevanten Fragenkreis53 und in Bezug auf England keineswegs behaupten, dass die Situation für eine Reform des ehelichen Güterrechts zum Zweck der Verbesserung der rechtlichen Stellung der Frau günstig war.54 Die Berufung auf die Industrialisierung bleibt trotz allem gültig, jedoch in einem ganz anderen Sinne. Zahlreiche Äußerungen sowohl von Frauen, die man der englischen Frauenbewegung zuordnet, als auch solche von Parla50 S. dazu auch Young, Portrait, S. 151f. 51 Dazu ausführlich Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 316–333, insb. S. 316, 330f.; vgl. auch Stone, Family, S. 662; s. auch die Einleitung von Heilmann, in: The Late-Victorian Marriage Question, Band 1: Marriage and Motherhood, insb. S. XIIXIV. In diesem Band ist ein Teil der Quellen zu der neuen, Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden Infragestellung der Ehe seitens der englischen Frauenbewegung enthalten. 52 Insgesamt zu den Theorien, welche die umgekehrte Kausalität behauptet haben, Stone, Family, S. 661ff. 53 Damit ist nur die gewissermaßen triviale Einsicht ausgesprochen, dass andere Rechtsgebiete eine andere Analyse erfordern könnten, womit zugleich hinter der Etikettierung einer ganzen Kodifikation als „industriell“, „spätindustriell“ oder „postindustriell“ abermals ein großes Fragezeichen gesetzt wird. 54 Dies hat überhaupt nichts mit der Tatsache zu tun, dass tatsächlich zahlreiche Frauen, insbesondere der ärmeren sozialen Schichten, einer außerhäuslichen Tätigkeit nachgingen und gezwungen waren, diese unter Umständen zu verrichten, die für jede Gesellschaft beschämend sind. Ganz zu schweigen davon, wie zahlreich die Frauen waren, die sich wegen ihrer Armut „kommerzialisieren“ mussten. Die Hervorhebung im Folgenden der Bedeutung der Wahrnehmung durch die Protagonistinnen/Protagonisten erhellt in demselben Zusammenhang auch aus dem Umstand, dass die ersten Kämpferinnen für die Fraueninteressen nicht aus diesen sozialen Schichten stammten. Gerade dies lässt schließlich die jetzt anzuführenden „Reaktions-Argumente“ ebenfalls anzweifeln. Denn eine Reaktion würde man doch in erster Linie von den Betroffenen erwarten.

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mentsmitgliedern, die auf die ökonomischen Umwälzungen ihrer Gesellschaft Bezug nehmen, werden im Folgenden exemplarisch vorgetragen. Die Realität ändert sich dadurch freilich nicht, aber es wird verdeutlicht, dass nicht die ökonomische Realität die Kraft war, welche den Wandel herbeigeführt hat. Das scheint wiederum insofern überzogen, als die Industrialisierung vermutlich mittelbar ihren Einfluss ausübte, indem sie den Ausschluss der Frauen intensivierte und überhaupt erst zu einem Problem erhob.55 Sie führte zu einer „Vermännlichung des Geschäftslebens“,56 welche die Frauen verstärkt aus der öffentlichen Sphäre „zurück ins Heim“57 drängte. Sie rief die bekannte Trennung der Wohnung vom Arbeitsplatz hervor und verfestigte damit die geschlechtsbezogene Aufteilung der Welt.58 Dies alles mag eine Reaktion seitens der Frauen verursacht haben, aber hier liegt der Punkt, an dem sich der Historiker entscheiden muss. Legt man das Gewicht auf die Verursachung oder auf die Reaktion als Handlung und damit als Handlung eines und mehrerer Subjekte? Es dürfte klar sein, wie die Entscheidung hier ausfällt. Es war die (teilweise verzerrte) Wahrnehmung der Realität durch ihre Protagonistinnen und Protagonisten, die der tatsächlich gewandelten Welt des Kapitals erlaubte, sich geltend zu machen. 55 Wobei klar sein dürfte, dass auch eine solche Behauptung zu kurz greifen würde. Denn das moderne Gleichheitspostulat, aus welchem heraus etwa Wollstonecraft ihre Forderungen formuliert hatte, aus welchem sich der sich empörende Geist der ersten deutschen Feministinnen um die 48er sichtlich nährte, kam sicherlich nicht in den luftleeren Fabriken der englischen Industriestädte zu seiner durchschlagenden Gestalt, sondern in den Barrikaden von Paris. Und auch, wenn Letztere eine Zeit lang in Europa verteufelt wurden, bot der christliche Glaube der Gleichheitsforderung fruchtbaren Boden. Zum Problem wird die Ungleichbehandlung also erst dann, wenn man sich die Gleichheit bzw. Gleichberechtigung vorstellen kann. 56 So Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter, S. 252. 57 Stone, Family, S. 662. 58 Vgl. dazu wieder Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter, S. 249f.; zu entsprechenden Analysen der deutschen Geschichte vgl. nur Kocka, Das lange 19.  Jahrhundert, in: Gebhard, Handbuch B. 13, S. 106f., oder v. Dülmen, Kultur und Alltag I, S. 231f. An der historischen Realität dieser Trennung, was England anbelangt, zweifelt Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 361–371, der meint, dass das Phänomen der Trennung von Wohnung und Arbeitsplatz eher in der Arbeiterschicht ein Novum bedeute, das Ideal der getrennten Sphären jedoch ohnehin nicht verkörpere. Dies sei vielmehr in der Mittelschicht der Fall, bei welcher aber keine diesbezüglichen Veränderungen gegenüber der vorindustriellen Zeit und demzufolge auch keine entsprechenden Intensivierungen stattfanden. Das Vorhandensein einer solchen Ideologie, vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, und zwar auch in der Arbeiterschicht, bestreitet er dagegen nicht.

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b) Die Industrialisierung und die Frauenbewegung Die Industrialisierung war der hier entwickelten Argumentation zufolge also keine conditio sine qua non für die Verbesserung der Rechtsstellung der Ehefrau in England. Zugleich wurde aber die bekannte Tatsache wieder hervorgehoben, dass sich die Industrialisierung in England früher als in Deutschland ereignete und dies nicht ohne Bezug zum Thema dieser Untersuchung sei. Beide Aussagen stehen trotzdem nicht in Widerspruch zueinander, denn es kommt gerade darauf an, herauszufinden, wie und wodurch sich dieser Unterschied in beiden Ländern bemerkbar macht und wie die zeitliche Differenz zur Geltung gelangt, d.h. einen Sinn bekommt. Wenn man darauf hinweist,59 dass der geschilderte Prozess als solcher betrachtet das Problem verschärfte und schließlich die Kräfte, also nicht zuletzt die Frauenbewegungen, wachrief, die zu seiner Lösung beitragen sollten, dann ist es zwar schon die hier gewählte Richtung der Argumentation, ist aber dennoch etwas zu kausaldeterminiert und strukturabhängig gedacht. Es gab sicherlich genügend Kräfte, die eine Reaktion hätten hervorrufen können. Eine davon war möglicherweise der Umstand, dass die Zahl der arbeitstätigen unverheirateten Frauen stark gestiegen war, denn damit verlässt die Möglichkeit der außerhäuslichen, entlohnten Tätigkeit der Frau die Ebene der Phantasie und bietet relevanten Ansprüchen der Frauenbewegung Rückhalt in der Realität. Sie evoziert eine Bewusstseinsveränderung.60 Darin liegt eine weniger strukturbasierende Argumentation. c) Frauen und Arbeit Andererseits genügt die Annahme einer sich als Empörung artikulierenden Bewußtsseinsveränderung der Frauen nicht. Um ihrer Motivation im konkreten – englischen – soziokulturellen Umfeld näher zu kommen, muss man den Grund einer solchen Empörung bzw. Enttäuschung, d.h. weitere Elemente des besagten neuen Bewusstseins erspüren. Es ist nämlich nicht einfach nur 59 Kocka, Das lange 19. Jahrhundert, in: Gebhard, Handbuch B. 13, S. 106f. 60 Womit keinesfalls gesagt ist, dass sich die Bedeutung der Realität in der Art erschöpft, in welcher sie wahrgenommen wird. Im gegenwärtigen Kontext scheint sie in ihrer speziellen Verbindung mit einer konkreten Realität einen aufschlussreichen Weg des Verstehens darzustellen. „Verstehen“ heißt dann hier: einer Welt Sinn, ihren eigenen, verleihen. Dieses „Verstehen“ wird hier ermöglicht, indem die historischen Tatsachen sowohl mit den sie umgebenden Menschen als auch mit den sie umgebenden Ereignissen verknüpft werden, und zwar möglichst in der gleichen Weise, wie sie es selbst getan haben mögen.

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die Tatsache von Bedeutung gewesen, dass (Ehe)Frauen die Arbeitswelt verschlossen blieb, sondern auch der Umstand, dass in diesem Zeitraum die Industrielle Revolution und der ökonomisch besetzte Lebensbereich ebenfalls eine neue imaginäre Signifikanz entfalteten. Dieses neue Imaginäre besteht gerade in der Notwendigkeit und der erhöhten Wertschätzung der Arbeit an sich. Es erweist sich als ein kreatives Imaginäres, denn es fordert neue Handlungsformen und Emanzipationsforderungen heraus. Erst hier kann geschichtstheoretisch ein „Grund“, d.h. eine Kausalität, eine Determinante des Handelns der historischen Protagonistinnen festgehalten und mit den Wortmeldungen von zwei Frauen untermauert werden, die zu den profiliertesten Frauenrechtlerinnen der ersten Emanzipationswelle der englischen Frauenbewegung gehören. Damit soll zugleich der personelle Zusammenhang des Behaupteten unmittelbar hergestellt werden. aa) Catherine Barmby Catherine Barmby konzentriert sich einige Jahre, nachdem sie 1843 erstmals über die soziale und rechtliche Emanzipation der Frau publiziert hatte,61 auf ihren gegenwärtigen und zukünftigen ökonomischen Status. In ihrem Essay „Women’s Industrial Independence“ von 1848 definiert sie die ökonomische Unabhängigkeit der Frau und vor allem deren tatsächliche berufliche Betätigung als Bedingung für ihre Freiheit, was sie übrigens nicht auf die Frau beschränkt. Doch die Frau wird nach Barmby seit geraumer Zeit daran gehindert, diese Freiheit auszuleben.62 Hier offenbart sich das angesprochene Imaginäre und die Vermutung liegt nahe, dass es von einem Bewusstsein der Verhinderung bzw. Unterdrückung motiviert wird. Eine Unterdrückung, die – in einer psychologisch gewendeten Argumentation – mit dem immer höheren Stellenwert der individuellen Arbeit im Wertesystem des leistungsbesessenen Bürgertums zusammenhängen mag. Für Barmby bedeutet Arbeit die Ermöglichung von Freiheit verstehen. Und sie beklagt vor allem, dass die Frau immer weiter aus der Arbeitswelt verdrängt wird.63 Schließlich fixiert sie dieselbe grundsätzliche Unterdrückung als den Grund der unannehmbaren Herrschaft des Ehemannes in der Ehe.64 61 62 63 64

The Demand for the Emancipation of Woman, Politically and Socially (1843). Barmby, Women’s Industrial Independence (1848), S. 1. Barmby, Women’s Industrial Independence (1848), S. 3. Ihr Zukunftsmodell empfiehlt den Frauen kooperative Handlungsformen, damit sie ihren Interessen die entsprechende Kraft verleihen können, ebda., S. 4. Daraus könnte man auf gewisse sozialistische Motive in ihrer Denkweise schließen. Vgl. dazu noch Roberts, Introduction, in: Roberts/Mizuta, Sources of British Feminism, The Reformers, S. xiiif.

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bb) Barbara Bodichon Dem gleichen Argumentationsmuster huldigt Barbara Bodichon in ihrem ausführlicheren Essay „Women and Work“ von 1857. Die seit den 50er Jahren des Jahrhunderts in vorderster Reihe aktive Kämpferin der Emanzipationsbewegung erwartet eine Verbesserung der Welt, indem den Menschen Arbeit zur Verfügung steht.65 Ja, sie erwartet noch mehr; nämlich, dass die Menschen durch die Arbeit zur Glückseligkeit gelangen.66 In ihrem vielschichtigen Artikel verbindet sie das christlich gefärbte Plädoyer für Gleichheit67 und den viktorianischen Fortschrittsoptimismus68 mit der emanzipatorischen Klage, welche lautet: „we want work“.69 Aus alldem ergibt sich eine Programmatik zur Schaffung derjenigen Bedingungen, welche den Frauen das Arbeiten ermöglichen.70 Demgemäß greift sie gleichsam heroisch die Norm „Familie“ an, die die Ehe als Wesensbestimmung der Frau definiert.71 Sie klagt auch gegen das traditionelle bürgerliche Frauenbild: „To think that a woman is more feminine because she is frivolous, ignorant, weak, and sickly, is absurd“.72 Sie kreidet die Kleidungssitten an73 und wendet sich erstaunlich früh der Analyse der psychischen Verfassung der viktorianischen Frau zu. Sie versäumt es schließlich nicht, in bewundernswerter argumentativer Differenziertheit auch den Eigenwert der Tätigkeit einer Ehefrau, die sich nur im Haushalt betätigt („house keeper“), hervorzuheben.74 Sie versteht aber genauso wie Barmby die Arbeit als Bedingung für die Gleichheit in der Ehe.75 65 66 67 68

69 70 71 72 73 74 75

Bodichon,Women and Work (1857), S. 4. Bodichon,Women and Work (1857), S. 6. „Women are God’s children equally as men“ (ebda., S. 2). „[…] men and women who live by the work of their hands or heads […] are the main mass and hope of our country“ (S. 1) und „God sent all human beings into the world for the purpose of forwarding, to the utmost of their power, the progress of the world” (ebda., S. 3). Bodichon,Women and Work (1857), S. 6. Bodichon,Women and Work (1857), insb. S. 12f. „But is it certain that a girl will give up her occupation when married?“ (ebda., S. 7f.). Bodichon,Women and Work (1857), S. 14. Auch S. 10. Bodichon,Women and Work (1857), S. 47f. Bodichon,Women and Work (1857), S. 9. Es gelingt ihr dabei jedoch nicht, einer materialistischen Verklärung/Idealisierung der Familienverfassung in der Arbeiterklasse zu entgehen, vgl. S. 9. Eine letzte, für das Ganze „relativ“ irrelevante, gesamteinschätzende Bemerkung drängt sich auf. Wenn man nämlich liest, mit welchem Pathos die individuellen Schicksale fähiger Frauen von Bodichon als Vorbilder postuliert werden, wenn man spürt, welche Bewunderung Bodichon ihren Leserinnen und Lesern diesen Personen gegenüber einhauchen will, und wenn man zugleich von ihrer Rolle in der Frauenbewegung weiß,

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Es ist zum Schluss dieses Kapitels zu bezweifeln, dass die Industrialisierung sowie andere damit verwandte geschichtliche Prozesse unmittelbar die hier untersuchten englischen Gesetzesreformen einleiteten und sich daraus ein historisch-vergleichender Ansatz bilden lässt. Andererseits kann man konstatieren, dass die industrielle Revolution und insbesondere die Frage der Arbeit durchaus Bedeutung für die Gesetzesreformen erlangen. Dies geschieht aber eben mediatisiert vor allem durch die Frauenbewegung, die sowohl kollektiv als auch individuell definiert wird. Die daraus herzuleitende Schlussfolgerung lautet: Ein Verständnis der unterschiedlichen Entwicklungen beider Rechtsordnungen, ein Zugang zu ihrer Geschichte lässt sich am fruchtbarsten erreichen, wenn der Weg nachvollzogen wird, den die Aktoren der Geschichte gegangen sind. Es handelt sich um zwei Reformprozesse, die von zwei Emanzipationsbewegungen begleitet wurden. Unter diesen Umständen mutet es fast sinnlos an, „Entwicklungen“ von einem anderen Ausgangspunkt aus verstehen zu wollen. Wenn etwas Neues entstanden ist, ein neuer sozialer Sinn, eine neue Form der Geschlechterbeziehungen, dann kann man nicht übersehen, dass es jemand eingefordert hat. Im Folgenden ist deswegen zu beleuchten, was die englischen und deutschen Frauen mitsamt ihrer Organisationen eingefordert haben. Selbstverständlich kommt wieder das „Wie“, das „Wo“ und das „von Wem“ und noch einiges mehr zur Sprache. Das bedeutet, dass bei einem solchen Zugang zum Verstehen schließlich weder der Weg noch die Aktoren im Vordergrund stehen.

dann wird die Ironie, mit welcher mancher Historiker den „Heroen der Geschichte“ entgegentritt, völlig unverständlich. Man muss die Individuen nicht ausschalten, um die Bedeutung des Ganzen zu ermessen oder zu wissen, dass die Geschichte nicht das Ergebnis ihrer individuellen Handlungen ist.

D. Die Frauenbewegung I. Frauen und das Common Law – Stellungnahmen einzelner Personen In diesem Kapitel soll zunächst das individuelle Handeln in den Vordergrund gestellt werden. Es sollen kritische Äußerungen einzelner Frauen gegen das Common Law dargestellt werden. Dabei handelt es sich um einige der ersten Texte überhaupt, die von der englischen Frauenbewegung produziert wurden. Daraus wird deutlich, dass das eheliche Güterrecht der erste Rechtsbereich war, dessen Reform die englischen Frauen eingefordert haben.1 Die dazu geschriebenen Texte offenbaren wesentliche Merkmale des feministischen Denkens der ersten Stunde. Etwa das Wagnis von Caroline Norton, die zwar keine organisierte Frauenrechtlerin war, aber doch fast zu einer Symbolfigur der Frauenbewegung avancierte, indem sie sich einmal traute, Privates publik zu machen, sich über ihr Privates öffentlich zu empören und schon so gegen die Norm der „abgeschotteten Familie“ zu verstoßen.2 Aus den folgenden Texten erhellt aber auch, dass der Blick auf das kollektive Handeln der Frauenbewegung nur scheinbar fehlt. Denn die meisten Frauen, die ihre Kritik gegen das englische Rechtssystem katapultierten, abgesehen von Caroline Norton, haben das auch im Rahmen der zur gleichen Zeit entstehenden Frauenbewegung getan. Wenn in einer Untersuchung über die englische Frauenbewegung Mary Wollstonecraft nicht zur Sprache kommt, dann bedarf dieser Umstand nach einer Rechtfertigung. Denn ihr Werk „A Vindication of the Rights of Woman“, gehört unzweifelhaft zu den Gründungstexten nicht nur der englischen Frauenbewegung. Dies gilt jedoch erst aus einer späteren Perspektive heraus. In der Anfangsphase ihrer Agitation knüpfte die englische Frauenbewegung kaum unmittelbar an die Forderungen von Wollstonecraft an, was Historiker nicht bloß mit der Radikalität ihrer Forderungen begründen. Maßgeblich scheint außerdem gewesen zu sein, dass sie ihre Imagination zu leben versucht hat. Den viktorianischen Moralvorstellungen war weder das eine noch das andere (Imagination und Lebenspraxis) zugänglich. Der Bericht darüber, den ihr Lebensgefährte der Nachwelt gegeben hat, sorgt auch für den hohen Bekanntheitsgrad ihrer Lebenspraxis. Gleichgültig, ob aus strategischen Gründen oder 1 2

Wobei vor allem das organisierte Vorgehen gemeint ist. Beispielhaft zu dieser Wirkung von Norton die Ausführungen von Fawcett, Woman’s Suffrage, S. 11f.

Frauen und das Common Law – Stellungnahmen

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aus gegenläufiger Überzeugung, fest steht jedenfalls, dass Wollstronecraft hinsichtlich der ersten Phase der englischen Frauenbewegung, die das eheliche Güterrecht betrifft, keine Referenz ist.3 1. Barbara Bodichon Es wird mit der oben schon erwähnten Barbara Bodichon (Barbara Leigh Smith vor ihrer Ehe mit Eugéne Bodichon), einer wahrhaftigen Frauenrechtlerin, begonnen. Hinsichtlich des ehelichen Güterrechts meldete sie sich 1854 zu Wort. Sie ist als eine der führenden Frauenrechtlerinnen des Jahrhunderts maßgeblich beteiligt an der Ausarbeitung der ersten Petition zum ehelichen Güterrecht im Jahre 1856.4 In ihrem Artikel von 1854 übernimmt sie die Aufgabe, allen Interessierten die schon von ihrer Struktur her irritierend diffizile Rechtslage der Frau zu erklären. Die Parallele zu entsprechenden Initiativen deutscher Frauen gegen Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts5 sowie das aufklärungsinspirierte Emanzipationspotential einer solchen Initiative sticht ohne Weiteres ins Auge. Selbstverschuldet ist die Unmündigkeit bekanntlich nur dann, wenn man sich der Mündigkeit verschließt. Die strukturelle Komplexität des englischen Rechts, die zur Undurchsichtigkeit für Laien führte, ist der erste Gesichtpunkt, den Bodichon in ihrer Schrift „Laws of England Concerning Women“ anspricht. Im Gegensatz zur Kodifikation des Code Civil sei es im englischen Recht besonders schwierig, durch das Gewimmel der gerichtlichen Urteile das für eine Frau geltende Recht zu erkennen.6 Sie macht sich damit einen Kernpunkt der Rechtskritik ihrer Zeit zu Eigen und wagt sich mit äußerster Exaktheit daran, Begriffe und Rechtsnormen des englischen Rechts anschaulich zu machen. Ihren ersten Angriffspunkt auf das englische Eherecht bildet ein Gegenstand, den sie ein Jahr später gesondert behandeln sollte: die ökonomische Abhängigkeit der Ehefrau von ihrem Mann. Genauso wie in dem schon angesprochenen Artikel 3

Dazu ausführlich Caine, English Feminism, S. 96–99. Vgl aber auch schon den Versuch der nachträglichen Rehabilitierung durch Millicent Fawcett, Woman’s Suffrage, S. 5f. 4 Vgl. noch Levine, Victorian Feminism, S. 137f., zur Entstehung des married women’s property committee, welches der 1870er Diskussion entscheidende Impulse gegeben hat. 5 Zu diesen Initiativen und den entsprechenden Texten vgl. U. Gerhard, Unerhört, S. 228f. Zu den Rechtsschutzvereinen dies., Gleichheit, S. 120–122, bzw. Geisel, in: U. Gerhard, Frauen in der Geschichte des Rechts, S. 683–697. 6 Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 5.

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Die Frauenbewegung

verbindet Bodichon das Rechtliche und das Ökonomische und folgert daraus die Ungerechtigkeit des Common Law.7 Diese sei darin zu erblicken, dass eine junge Frau, die sich gerade in die Unabhängigkeit begeben hat, sich als „independent human creature“ entdecken möchte und sich zur gleichen Zeit mit einem Mann zu vereinigen wünscht, in einen ausweglosen Widerspruch hineinrennt. Dass eine solche Frau während der Ehe kein Eigentum erwerben und über ihr Einkommen nicht verfügen darf, sei eine Härte, die man zu berichtigen habe. Bodichon beklagt des Weiteren die fast vernichtende Wirkung der Ehe auf die Rechtspersönlichkeit der Frau und bezieht sich hierbei auf das Rechtsinstitut der „Legal Unity“. Wie sich auch aus anderem Zusammenhang ergibt,8 war die Unabhängigkeit der Frau für Bodichon eben kein Widerspruch zur liebevollen Ehe, ja zum Ideal der Ehe überhaupt. Allein wollte sie in diesem Ideal auch Weiblichkeit neben Gleichheit erkennen können; sie wollte Gleichheit mit Differenz in Harmonie leben sehen. Sie ruft die Reform dieses barbarischen Systems mit Ungeduld herbei und prognostiziert sie regelrecht. Seine eindeutigste Verdammung sieht sie darin, dass all diese Regelungen von reichen Frauen umgangen werden können. Überhaupt schließt sich Bodichon Forderungen an, die das gleiche Recht für alle verlangen.9 Beachtenswert ist auch ihre Interpretation des ehelichen Unterhaltsrechts, welches hauptsächlich den Ehemann zur Unterhaltsleistung an seine Frau verpflichtete. Obwohl sie den Wert der außerhäuslichen Arbeit vergöttert, vergisst sie die Hausfrau nicht. Sie bezieht sich auf die parlamentarische Diskussion zu diesem Rechtskreis, macht auf den Wert der Haushaltstätigkeit der Ehefrau aufmerksam und wendet sich damit gegen die herkömmliche Rechtfertigung der männlichen Herrschaft: seine Ernährerrolle. Sie erinnert daran, dass der Ehemann nur deswegen den Unterhalt der Familie verdienen kann, weil sich die Ehefrau unermüdlich um den Haushalt kümmert.10 Eine solch balancierte Gewichtung haben wir Heutigen immer noch nicht verinnerlicht. Anschließend wendet sie sich der Rechtsvergleichung und der Rechtsgeschichte zu. Vergleicht sie das englische Recht mit einer Reihe anderer Rechtsordnungen, dann ist ihr Urteil eindeutig: „We in England are far behind in justice“.11 Schaut sie in lange vergangenen Zeiten nach der Rechtsstellung 7 Vgl. Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 27; vgl. noch dies., Women and Work, S. 16. 8 Bodichon, Women and Work, S. 15, 49. 9 Vgl. Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 29. 10 S. Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 28f. 11 Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 30.

Frauen und das Common Law – Stellungnahmen

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der Ehefrau, so trifft sie auf dieselben Herrschaftsstrukturen, die auch zu ihrer Zeit noch Bestand hatten,12 und erinnert sich schließlich an die stolze Handelsfrau von London,13 so wie auch Planck an die stolze deutsche Handelsfrau zurückdenken musste. Bodichon weist dann auf Reforminitiativen hin, die ihre Forderungen rechtfertigen würden. Eine Reihe berühmter englischer Männer, die sich in Indien um die Reform des dortigen Rechtssystems bemühten, hatte beschlossen, dass dort eine (englische) Frau vor allem über getrenntes Vermögen verfügen und vertragsfähig sein sollte.14 Dadurch angeregt, legt sie ihre Rechtsphilosophie dar: ein unfehlbares Recht gäbe es nicht. Daher sei zu weitgehende Achtung vor dem tradierten Common Law ein Fehler. So vieles habe sich in England in dem für sie gegenwärtigen Zeitalter gewandelt. „Those who would stand still must remember we cannot stop time, we cannot rest here; there can be no living society that does not grow or decay, and it is for us to see that the changes are healthy growth.“15 Sie sollte noch eine Weile warten müssen, bis das Recht ihres Heimatlandes aus dem Zustand der „Barbarei“ heraustreten sollte. Doch Bodichon wollte nicht warten. Sie wusste soziale Verantwortung zu verteilen und ihre eigene zu erfüllen: „It is for women to say they are hurt by the present law and for law reformers to amend it.“16 2. Caroline Norton Caroline Norton konnte ebenfalls nicht warten, aber aus anderen Gründen. Ihre Lebensgeschichte, deren erste Niederschrift von ihr selbst stammt, ist voller Tragik. Sie hatte einen Ehemann geheiratet, der in unerhörter Einseitigkeit und mit zunehmender Härte ihr ganzes Geld und ihre Beziehungen mit höheren politischen Kreisen für seine Interessen nutzen wollte. Er nahm ihr schließlich auch ihre Kinder weg. Eines davon fand in diesem Zeitraum den Tod. Durch ihren Kampf um eine Scheidung, der auch ein Kampf um die Reform des Scheidungsrechts war17, wurde sie zu einer Galionsfigur der Frauenbewegung. Nortons Schicksal und andere Frauenschicksale inspirierten

12 13 14 15 16 17

Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 30–32. Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 30. Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 32. Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 35. Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 28. Vgl. dazu Shanley, Feminism, S. 28.

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unmittelbar das Rechtsbewusstsein von Bodichon.18 Während Norton aber ihr auf solche Weise motiviertes Essay schreibt, ist sie sich genauso wie Bodichon bewusst, welcher Aufgabe ihres Geschlechts sie dadurch nachkommt. Denn aus welchem Grunde sonst eignet sie sich den Ausspruch von Charles Dickens an: „It won’t do to have Truth and Justice on our side. We must have Law and Lawers.“19 Im Bewusstsein, Recht und Gerechtigkeit auf ihrer Seite zu haben, macht sie sich auf den Weg, die Juristen und ihr Gesetz dafür auch zu gewinnen.20 „This pamphlet addresses itself, not to private sympathy, but to English justice.“21 Hierin liegt mehr als nur die Aufforderung, die „Frauenfrage“ als Rechtsfrage aufzufassen. Norton fordert die Einlösung vergangener Versprechen. All denen, die ihr raten, in Frömmigkeit und Schweigen weiterzuleben, wie es einer Ehefrau gebührt, schreit sie entgegen: „I resist“.22 Mit derselben Entschiedenheit,23 weist Norton auf die zahlreichen und weitgefächerten Rechtsreformen hin, die sich in England in der ersten Hälfte des Jahrhunderts ereignet und das Schicksal dieses Landes und seiner Menschen verändert hatten.24 In der Tat wird die erste Hälfte des englischen 19. Jahrhunderts als eine ziemlich aktive Reformära aufgefasst, die vielen Zeitgenossen ein Gefühl des Optimismus einhauchte.25 Die Tatsache des Wandels zum Besseren setzt Norton als Waffe gegen jede konservativ inspirierte Berufung auf die gewohnheitsmäßige Geltung des Common Law ein („no compromise with custom“).26 Sie wendet sich gegen jede Form des historisti18 19 20 21 22 23

So Caine, English Feminism, S. 95; s. auch Shanley, Feminism, S. 31. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 1. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 1. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 23. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 3. Die fast an die Wut erinnert, mit welcher Bentham dem Common Law und vor allem Blackstone begegnete. 24 S. insb. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 7. 25 Diesem „Age of Reform“ widmet Holdsworth insgesamt drei seiner 16 Bände umfassenden Rechtsgeschichte, nämlich Band 14 bis 16; erheblich kürzer, aber zeitlich allgemeiner Baker, Introduction, S. 212–220. Zum besagten Gefühl des Optimismus, vgl. nur Macaulays Spruch aus dem Jahr 1830: „Sollten wir prophezeien, dass die britischen Inseln im Jahr 1930 fünfzig Millionen Einwohner haben werden, die besser ernährt, gekleidet und untergebracht sind als die heutigen Engländer; dass Sussex und Huntingdonshire reicher sein werden als derzeit die reichsten Regionen des West-Riding-Bezirks in Yorkshire […], dass sich in jedem Haushalt Maschinen befinden werden, die nach heute noch unbekannten Konstruktionsprinzipien gebaut sind […], würden viele uns für verrückt halten.“ (zit. nach Landes, Wohlstand und Armut, S. 218). 26 Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 5, 147.

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schen Legalismus, der auf die Forderung der Frauen nach Teilhabe an diesem Wandel zynisch antwortet: „It is the law“. Darauf entgegnet sie: „That which was the law to the generation of yesterday, is not law to us; and that which is the law to us, may be reversed for the generation of tomorrow: why should unjust laws for women be more permanent than other unjust laws?“ 27 Norton kreidet noch die Festschreibung der Klassengegensätze durch das Gesetz28 in Bezug auf das Scheidungsrecht an und wendet sich dann auch dem ehelichen Güterrecht zu. Ihre ersten Anmerkungen gelten der Regelung des Common Law, wonach eine Ehefrau keine Verträge eingehen kann.29 Als sie sich auf einen Vertrag berufen wollte, den sie mit ihrem Ehemann zum Schutz ihres getrennten Vermögens geschlossen hatte, bekam sie zur Antwort, dass nach englischem Recht „a married woman could not make a contract, or have monies of her own“. Das Gesetz von Kentucky schreibt sie, sieht genau dasselbe vor, doch seine Regelung beträfe die Sklaven. So stehe es um die Rechtslage der Ehefrau, wenn es um ihr Vermögen geht.30 Auf die Analogisierung des rechtlichen Status der Ehefrau und desjenigen der amerikanischen Sklaven trifft man relativ oft in den frühen feministischen Texten des 19. Jahrhunderts. Die Grausamkeit der Institution der Sklaverei, welche bei aufgeklärten Geistern ausnahmslos Entrüstung erweckte, sowie die dabei erhobenen Forderungen nach rechtlicher Freiheit und Gleichheit scheinen eine reiche Inspirationsquelle namentlich für die Vorkämpferinnen der englischen Frauenbewegung gewesen zu sein.31 In noch größerem Maße tauchen solche Zusammenhänge allerdings in den Vereinigten Staaten von Amerika selbst auf.32 Für die amerikanischen Frauen und nicht minder für Norton in Europa entspringt dieser Assoziation ein neues

27 28 29 30 31

Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 6. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 148. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 19f. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 19. Einen Zusammenhang sehen auch Billington/Billington, A Burning Zeal for Righteousnes, in: Rendall (Hrsg.), Equal or Different?, S. 111. Vgl. Zur Entrüstung der englischen Anti-Sklaverei Bewegung über die Nachrichten aus den USA bezüglich der Sklavenbehandlung vgl. ebda. S. 93. In demselben Artikel (auf S. 109) wird der oben schon angeschnittene positive Zusammenhang zwischen persönlicher Religiosität und Teilnahme an der Frauenbewegung aus dem gegenwärtigen Blickwinkel – Sklavenrechte – beleuchtet (Sklaverei werde als Sünde definiert und daraus ergeben sich Forderungen nach Emanzipation der Sklaven). 32 Vgl. dazu etwa Levine, Victorian Feminism, S. 62, bzw. S. 160 zum amerikanischen Phänomen.

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schöpferisches Imaginäres.33 Ein solches, woraus jedes Mal neue Formen des Zusammenlebens entstehen.34 Einen zentralen Gesichtspunkt ihrer Kritik bildet die Problematik des Arbeitseinkommens. Nortons Angriff auf das englische Recht, auf seine im 19. Jahrhundert scheinbar profundeste Rechtfertigung, ist elementar. Auch im Rahmen der Entstehung des BGB findet sich das Argument, der Ehemann sei deswegen die oberste Autorität in der Familie, weil er die ehelichen Lasten zu tragen habe, der Ernährer der Familie sei. Doch das entspräche nicht immer der Realität, schreibt Norton: „Inasmuch as instead of Mr. Norton being either by the exercise of his profession or patrimonial property, what Germans call the „breadfinder“, it was on my literary talents and the interest of my family, that our support almost entirely depended […].“35 Das Erosionspotential dieser Argumentation ist offensichtlich: Die in der Legitimation des geltenden Rechts auf höchster Stelle stehenden Kategorien Autorität und Aufgabenbelastung werden geschlechtlich anders besetzt, ihre bis dahin unbestrittene Verknüpfung mit dem Ehemann relativiert. Wenn nämlich die Ehefrau außerhalb der ehelichen Wohnung arbeitet und zusätzlich zum männlichen Einkommen verdient, dann ist eben nicht mehr der Ehemann der „breadwinner“ der Familie, umso weniger, je höher die Zahl der unter diesen Bedingungen arbeitstätigen Frauen steigt. Norton zweifelt mit dem Einsatz ihrer Erfahrung die Berechtigung und vor allem die soziale Geltung des traditionellen, vom Common Law gerne beförderten Rollenverständnisses der Geschlechter an. Sie tut es, indem sie einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Familienautorität andeutet, den eine Reihe anderer Frauenrechtlerinnen sogar pointierter aufgreifen werden36. Mit der Erörterung der Frage des Einkommens attackiert Norton die „Legal Unity“-Doktrin. Die wesentliche Aussage des englischen Rechts bezüglich der

33 Rendall, The Origins, S. 304f., scheint diese Interpretation zu teilen. 34 Zur besonderen Verknüpfung des Imaginären mit der Beschäftigung und dem Verständnis des „Fremden“ Castoriadis, Mode d’être du social-historique, in: Figures du Pensables, S 266. Dadurch, so sagt er, entstehe gerade die Möglichkeit, die Mauer unserer gesellschaftlichen imaginären Bedeutungen zu durchbrechen, eine kritische Position gegenüber unserem eigenen Sein einzunehmen und unsere Welt neu zu erschaffen. Dies könnte genau die Art und Weise sein, auf welche Norton das Vorbild der amerikanischen Welt propagiert. 35 Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 23f. 36 So etwa Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 7, 17; ausführlicher zur Bedeutung dieses Arguments im Rahmen der Frauenkämpfe Levine, Victorian Feminism, S. 82–92.

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Ehefrau bestehe darin, dass diese nicht existiere.37 Ihr Erarbeitetes gehöre dem Ehemann, ein getrenntes Vermögen der Ehefrau sei nach Common Law nicht vorstellbar und all das, weil die weibliche Existenz nach englischem Recht mit der männlichen verschmölze.38 Den zweiten, überwiegend delikts- und strafrechtlichen Aspekt der genannten Doktrin berührt sie ebenfalls. Ihre Ehegeschichte kann auch als eine Geschichte der gegenseitigen Anschuldigungen begriffen werden, bei welcher die englische Presse als das herrschende Medium ihrer Präsentation fungiert hat. Dabei erlitt Norton erhebliche ehrverletzende Verleumdungsangiffe durch ihren Ehemann. Als sie sich mit rechtlichen Mitteln dagegen zur Wehr setzen wollte, erfuhr sie, dass dies nicht möglich war, da es sich ja um ihren Ehemann handelte.39 Aus demselben rechtlichen Zusammenhang entgeht ihrer Aufmerksamkeit auch das Problem der weiblichen Prozessfähigkeit nicht. Sie bringt ihre Empörung darüber zum Ausdruck, dass die Ehefrau in einem Prozess als Partei zum Schutz ihres Vermögens nicht gegen den Ehemann auftreten darf, anders als es etwa der Fall im Nachbarland Schottland sei. Diese und andere Rechtsfragen wie etwa die Nötigung der Ehefrau, ihr finanzielles Gebaren den Vorstellungen ihres Ehemannes anzupassen,40 nimmt Norton zum (gleichsam erlebten) Anlass, wiederholt die Reform des englischen Eherechts zu verlangen. Doch was forderte sie stattdessen? Und welche neue Form von Zusammenleben schwebte ihr vor? Schon zu Beginn ihrer Ausführungen positioniert sie sich eindeutig und im Ausdruck plastisch: „What I write, is written in no spirit of rebellion; it puts forwoard no absurd claim of equality.“41 Und nachdem sie ihre Forderungen mit unerschöpflichem, aber auch tragischem Pathos artikuliert hat, erinnert sie noch einmal: „Petitioning does not imply assertion of equality. The wild and stupid theories advanced by a few women, of ‚equal rights‘ and ,equal intelligence‘ are not the opinions of their sex.“42 Sodann ist sie leidenschaftlich bestrebt, ihr auf diese Weise ontologisch definiertes Geschlecht43 repräsentativ zum Ausdruck zu bringen: „I, for one (I, with millions more), believe in the natural superiority of man,

37 Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 167. 38 Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 163. 39 Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 19. Zu diesem Prinzip des Common Law vgl. oben im ersten Teil, A. V. 3a. 40 Dazu Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 83f. 41 Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 2. 42 Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 171. 43 In dieser Ontologie können die wenigen Abweichlerinnen keine Bedeutung gewinnen.

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as I do in the existence of a God.“44 Der hierdurch zutage tretende Gegensatz zur oben erwähnten Ansicht von Bodichon zum Geschlechterverhältnis ist gerade in dieser ersten Periode der europäischen Frauenbewegungen wahrhaftig keine Rarität und, was ja auch schon gesagt wurde, auch keine englische Eigentümlichkeit.45 Auf einer abstrakteren und kulturübergreifenden Ebene freilich kann man den genannten Gegensatz aufheben, indem man beide hier dokumentierte Botschaften als Ausdrücke eines gemeinsamen weiblichen Willens zur „Selbstfindung“ und „Subjektwerdung“ interpretiert.46 Allerdings ist hier zu konstatieren, dass sich Norton von denjenigen Frauen, die Gleichheit verlangen, in sehr deutlicher Distanz wissen will. Darüber hinaus aber bieten andere Rechtsgebiete (Wahlrecht) ohnehin geeigneteren Boden zur Entscheidung solcher Kategorisierungen. Im gegenwärtigen Zusammenhang ist eine Gemeinsamkeit zwischen Bodichon und Norton viel eher von Bedeutung: Beide fordern nämlich das selbständige Verwaltungs- und Verfügungsrecht über ihr Vermögen. Ebenso bedeutsam ist aber, wie Norton ihre Forderung legitimiert. Sie geht nämlich einen Schritt weiter als die bloße Aufstellung der Forderung, indem sie erklärt, was sie sich von den Gesetzen erhofft: Schutz. Dieses Wort fiel bereits oft im Rahmen der Untersuchung des Common Law47 und diente dort der Rechtfertigung des bestehenden Rechts. Die Frau unterstand dem Mann, weil er allein dazu fähig sei, sie vor allerlei Gefahren zu beschützen. Auch Norton war davon überzeugt, dass Frauen ein Recht auf den Schutz durch ihren Ehemann haben.48 Gerade sie kam jedoch nicht in den Genuss dieses Schutzes. Deswegen erhob sie zwar keine Forderung auf Gleichheit, verlangte aber sehr wohl „protection“ – diesmal durch das Gesetz.49

44 S. 171f.; Norton wollte keine Gleichberechtigung und doch gingen aus dem Kampf, den sie mitangehoben hatte, sowohl Gleichberechtigung als auch Forderungen materieller Gleichheit zwischen den Geschlechtern hervor. Denn sie war ja nicht allein in diesem Kampf. Ein solches Beispiel erweckt wieder Zweifel an der Tragweite und Realitätsnähe eines jeden rationalitätsorientierten Handlungsmodells. 45 S. auch Manchester, Modern Legal History, S. 371 m.w.H.: „Wild and ridiculous doctrine of equality”. Zur Debatte in Deutschland vgl. U. Gerhard, Unerhört, insb. S. 85. 46 So etwa Bock, Frauen in der europäischen Geschichte, S. 163. 47 Vgl. etwa aus dem ersten Teil, A. VI. 3 („Coverture“). 48 Vgl. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 172. 49 Vgl. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 2; zu diesem Fragenkreis in Bezug auf die deutsche Frauenbewegung vgl. Czelk, Gleichberechtigung und Schutz, in: Meder/Duncker/Czelk, Frauenrecht und Rechtsgeschichte, insb. S. 329–330.

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3. Francis Power Cobbe Francis Power Cobbe betritt die Szene ein Jahr vor der ersten großen Reform des ehelichen Güterrechts, im Jahre 1869, mit einem Artikel über diesen Gegenstand. Wie Bodichon gehört Francis Power Cobbe (1822–1904) zu den berühmten Figuren der englischen Frauenbewegung innerhalb des hier untersuchten Zeitraums. Sie war irischer Herkunft und widmete sich als Tochter eines strikt evangelischen Hauses nach dem Tod ihres Vaters (1856) der journalistischen Tätigkeit, innerhalb welcher sie ins mediterrane Ausland (Griechenland, Italien) reiste. In späteren Zeiten wird man sie in den Reihen der berühmten englischen Suffragetten wieder finden und zu den radikalen Frauenrechtlerinnen zählen.50 In ihrem Artikel „Criminals, Idiots, Women and Minors. Is this Classification Sound?“ setzt sie sich mit einer aus dem Common Law bekannten dogmatischen Einordnung auseinander. Sie bedient sich dafür einer Allegorie: Ein Fremder kommt auf die Erde (was in dem Essay „England“ bedeutet) und wundert sich über eine ganze Reihe von Gegebenheiten.51 In Bezug auf die Ehe und abgesehen von der unbegreifbaren Ungleichbehandlung beider Geschlechter,52 wundert er sich aber vor allem über die Tatsache, dass „the property of a woman who commits Murder, and the property of the woman who commits Matrimony“ vom Gesetz auf dieselbe Weise behandelt werden.53 Cobbe nimmt diese Verwunderung zum Anlass, ihre Untersuchung bis zu den Grundlagen des Common Law voranzutreiben. Dabei erhält ihre Ausgangsfrage einen umfassenden Blickwinkel und vollzieht die bei Norton schon vorgekommene Verknüpfung zwischen der Frauenbewegung und der Sklavenbefreiungsbewegung. Sie fragt nun, wo die Grenze der prinzipiellen Gleichheit aller Menschen zu ziehen sei und ob Frauen, insbesondere Ehefrauen, jenseits dieser Grenze liegen sollten.54 Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die zu dieser Zeit gerade stattfindende Diskussion im englischen Parlament zur Reform des ehelichen Güterrechts formuliert sie ihre Kritik an den tragenden Prinzipien des Common Law. Als erstes attackiert sie das „breadwinner“Prinzip und nimmt vor allem daran Anstoß, dass das Gesetz dem Ehemann 50 Vgl. Uglow, The Macmillan Dictionary, S. 116. 51 Ein schönes narratorisches Motiv, das mindestens seit dem „Politikos“ von Plato bekannt ist. 52 Welche von Cobbe im Gegensatz zwischen kirchlicher Fiktion und rechtlicher Regelung exemplifiziert wird (Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 4). 53 Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 5. 54 Vgl. Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 5; zur Sklavenfrage s. auch ebendort S. 14.

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das ganze weibliche Vermögen zwar unter der Bedingung übergibt, dass er für den Unterhalt der Familie sorgen, dafür aber überhaupt keine Sicherheit geleistet wird. Kommt er seinen Pflichten nicht nach, hat die Frau eben Pech gehabt. Die Realität zeige viele solcher Beispiele.55 In diesem Kontext richtet sie ihre Kritik gegen die „Protection Order“56 des Scheidungsgesetzes von 1857, die im Hinblick auf die unzureichende Sicherheit der Ehefrau Abhilfe schaffen wollte. Cobbe legt dar, dass es in der Hand des Ehemannes läge, ob die von diesem Gesetz dafür vorgesehene Voraussetzung des „Verlassens“ erfüllt werden wird. Er könne nämlich das Auslaufen der dafür vorgesehenen Frist immer wieder verhindern, indem er nur rechtzeitig genug nach Hause zurückkehre.57 Es geht ihr bei dieser Kritik aber nicht nur um die Frage der Sicherheit der Ehefrau. Sie argumentiert grundsätzlicher: Die besondere Gewandtheit des Ehemannes, die das Gesetz im Hinblick auf das Geschäftsleben postuliert, ein allzu oft und fast diachrones Motiv der im ersten Teil der Arbeit untersuchten Urteilsbegründungen, steht nach Cobbe nicht im Einklang mit der Realität, denn es gäbe zu viele Familien, die lediglich durch das besondere Geschick der Ehefrau überleben würden. Ihr daraus abgeleiteter Haupteinwand gegen das trotzdem streng durchgehaltene Modell durch das Common Law ist, dass dadurch den Frauen jegliche Initiative verboten würde, was im Ergebnis oft der ganzen Familie zum Schaden gereiche.58 Cobbe wendet sich so gegen die alleinige Herrschaft des Ehemannes in Vermögensangelegenheiten und ist damit schon in die Diskussion des vom Common Law propagierten Familienideals geraten. Dessen Hauptelement neben der besprochenen weiblichen Ungewandtheit in der Geschäftswelt bestünde in der von ihr als „romantisch“ charakterisierten Sichtweise, nach welcher die Eheleute als eine Einheit zu betrachten seien („Legal Unity“).59 Für Cobbe ist die Struktur dieser Einheit längst entlarvt. Sie sei purer männlicher Egoismus, der sich durch die weibliche Subordination zu befriedigen trachte.60 Und wenn zahlreiche Diskursteilnehmer ihre Sorge darüber kundtun, dass eine grundsätzliche Änderung der diesbezüglichen Sichtweise des Rechts den 55 56 57 58 59 60

Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 10f. Vgl. oben im ersten Teil, C. I. 3. Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 12. Vgl. Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 13–15. Vgl. Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 8. Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 18f. Die Parallele zu Marianne Webers Urteil ist unübersehbar. Sie dekuvriert nämlich etwa 40 Jahre später das Gerede von der „natürlichen“ Ordnung der Geschlechter ebenfalls als Ausdruck des „natürlichen“ Geschlechtsegoismus (Ehefrau und Mutter, S. 437).

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Verfall der Familie nach sich ziehen würde, so ist Cobbe davon überzeugt, dass „it is not thanks to the Common Law, but in spite therof, that there are so many united and happy homes in England“.61 Auf die Frage hin, wie sie sich das künftige Verhältnis der Geschlechter erträume und was sie vom Recht erwarte, antwortet Cobbe am Schluss ihres Essays.62 Es sei klar, dass die Frauen noch unter den Restriktionen zu leiden hätten, denen sie jahrhundertelang unterworfen waren. Doch die Umstände hätten sich gewandelt und die Bildungschancen für Frauen hätten sich, nicht zuletzt durch die Initiative von Frauen selbst, erheblich gebessert. Daraus schöpft sie ihre Hoffnung und Zuversicht, dass Frauen in ihrem Zeitalter endlich soweit wären, in Bezug auf ihr Vermögen selbständig zu handeln. Eine Zuversicht, die sich zwar zu einer Forderung nach Gleichheit verdichtet, sich aber an das Recht richtet und nur Gleichberechtigung beinhaltet. Cobbe weiß mit erstaunlicher Klarheit zwischen den verschiedenen Gleichheitsformen zu differenzieren. Sie besteht darauf, dass die Gewährung von Rechtsgleichheit weder historisch noch in irgendeinem anderen Sinne mit physischer, moralischer bzw. charakterlicher oder intellektueller Gleichheit zusammenhängt. Dahinter lässt sich die Ansicht Cobbes vermuten, dass es nicht Aufgabe des Rechts sei, eine der letzteren Gleichheitsformen herzustellen. Ermöglicht werden auch Mutmaßungen zum von ihr vorgestellten Geschlechterverhältnis: „equivalents, if not the equals of men“.63 4. Anna Jameson Die Irin Anna Jameson (1794–1860) lebt in einer unglückliche Ehe, während sie sich als erfolgreiche Romanautorin den Weg in die öffentliche Sphäre bahnt.64 Dadurch erlangt sie aber nicht nur persönlichen Ruhm, sondern inspiriert ebenfalls den Geist, d.h. die Vorstellungen und Forderungen der Frauenrechtlerinnen, die seit der Mitte der fünfziger Jahren im „English Woman’s Journal“, der ersten Zeitschrift der englischen Frauenbewegung, zum Aus-

61 Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 21 (Hervorhebung im Original). 62 Zum Folgenden vgl. Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 23–27. 63 Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 26, wobei sie, wie angedeutet, diesem Verständnis nicht ausdrücklich huldigt. Ein Verständnis, das außerdem offensichtlich nicht eindeutig ist. Dem scheint aber ein Modell der „Gleichheit in der Differenz“ zugrunde zu liegen. 64 Uglow, The Macmillan Dictionary, S. 243.

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druck kommen.65 Schon aus diesem Grund lässt sich ein Blick auf diese Inspirationsquelle nicht umgehen. Einen bedeutenden Teil ihrer Ansichten bringt Jameson in ihrem im Jahre 1857 veröffentlichten Essay „The Communion of Labor“ zum Ausdruck, worauf etwa Bodichon in ihrem oben behandelten Artikel „Women and Work“66 mehrmals Bezug nimmt. Jameson äußert sich in diesem Essay zudem zum ehelichen Güterrecht. Dieser Teil soll hier näher betrachtet werden. Als erstes kommt ihre Freude darüber, dass man sich endlich an die Reform des Common Law betreffend das Güterrecht wagt, zum Vorschein.67 Was erwartet sie aber vom Reformgesetzgeber? Ihre rechtstheoretischen Ansichten bewegen sich völlig auf der Linie der zeitgenössischen englischen „Ideologie“, des Liberalismus. Das Recht hat für sie primär als Wächter der negativen Freiheit zu fungieren. Von ihm wird in erster Linie Schutz gegen ungewollte Eingriffe in den rechtlich eigenen Raum verlangt.68 So möchte sie zwar, dass dem Vermögen der Ehefrau eine bessere Behandlung zuteil wird, aber keinesfalls soll der Gesetzgeber so weit gehen, der Ehefrau zu verbieten, aus eigenem Willen ihr Vermögen ihrem Ehemann zu übertragen.69 Durch dieses Rechtsverständnis erklärt sich dann auch ihre Aversion gegen dasjenige Recht, welches in vergangenen Zeitaltern als kulturelle „Erziehungsinstanz“ aufgetreten ist. „What, I would ask, is likely to be the effect of these laws which have existed, as part of our common law for centuries past […] laws which during all that period have tended to degrade the woman in the eyes of the man, interfered with the sacredness of the domestic relations, and infected the whole social system? […] I regard the existence of these laws as the source of spezial and fatal mischief. I look upon them as one cause why it is difficult for men and women to work together harmoniously.“70

65 Zu diesem Einfluss vgl. Rendall, The Origins, S. 316; Jameson war zudem persönlich befreundet mit einigen der führenden Feministinnen erster Generation, wie beispielsweise Bodichon, vgl. Uglow, The Macmillan Dictionary, S. 243. 66 Vgl. dort etwa S. 46. 67 Jameson, The Communion of Labor, S. 154. Sie bezieht sich wahrscheinlich auf die Reformbestrebungen zum Scheidungsrecht, die ebenfalls güterrechtliche Relevanz aufwiesen. Womöglich meint sie auch den bereits oben erwähnten – allerdings missglückten – Gesetzesentwurf von 1856. 68 Jameson, The Communion of Labor, S. 154f.; zu dieser Tradition des damaligen englischen Liberalismus vgl. etwa Forst, Kontexte, S. 78, m.H. auf J. S.Mill; zur ähnlichen Ansicht von Savigny vgl. Meder, Schuld – Zufall – Risiko, S. 91–93. 69 Jameson, The Communion of Labor, S. 155. 70 Jameson, The Communion of Labor, S. 158.

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Es sei also inakzeptabel, wenn das Common Law in die Heiligkeit des Heimes eindringt. Darüber hinaus sei das Common Law selbst verantwortlich für die fehlende Harmonie in der Familie: „How can it be otherwise where the conditions under which they must be associated“, Männer und Frauen sind gemeint, „are, in the first instance, so unequal as to be almost antagonistic“.71 Bei dieser Ansicht handelt es sich, zugegebenermaßen in sehr dünner Konsistenz, um ein dem englischen Liberalismus eigentümliches Motiv. Das Recht soll den Lebensbereich „Familie“ möglichst unberührt lassen, nachdem es aber erst einmal die Rahmenbedingungen für die Verwirklichung der Geschlechtergleichheit darin konstruiert hat.72 Das Common Law sei nach Jameson ebenfalls zu beschuldigen, dass Fälle von häuslicher Gewalt jeden Tag die Gerichte erreichen.73 Schließlich sei kein anderer in die Verantwortung zu ziehen, wenn Frauen der Prostitution verfallen,74 was Ausdruck der Geringschätzung sei, mit welcher das geltende Recht dem weiblichen Einkommen entgegentrete.75 Kurzum: Das Common Law ist für die Trennung der Familie verantwortlich. Daraus ergibt sich dann eine Abneigung gegen alle Gesetze, die zu demselben Ergebnis führen könnten, und zwar vor allem jene, bei denen die Eheleute getrennt auftreten. Jameson scheint durchaus das Bild der „innigen Gemeinschaft“ zu ersinnen.76 Dabei geht aber die weibliche Identität nicht unter, wie etwa bei denjenigen deutschen Philosophen, die sich dieses Bild erdacht hatten. Jameson ist gegen besondere Rechte für die Ehefrau, gegen „rights of women“,77 allerdings nur deswegen, weil sie zugleich für ein allgemeines Recht eintritt, das keine geschlechtsspezifischen Differenzierungen vornimmt, das also gleichermaßen für Männer und Frauen gilt:78 „I think it is a dangerous and a fatal mistake to legislate on the assumption that there are feminine and masculine rights and wrongs.“ Im gleichen Atemzug konstatiert sie: „There are masculin and feminine qualities.“79 Das Zusammenspiel dieser beiden Auffas71 Für die beiden letzten Zitate vgl. Jameson, The Communion of Labor, S. 158. 72 Zu diesem speziellen liberalen Verständnis bei J.S.Mill s. noch unten im zweiten Teil, E. II. 2. 73 Jameson, The Communion of Labor, S. 159. 74 Die Tragik dieses Phänomens hat der Schriftsteller Henry Mayhew seinen Zeitgenossen schon damals anscheinend sehr lebhaft geschildert. Vgl. dazu Mukherji, Woman in a man’s world, in: Bagchi, Literature, Society and Ideology in the Victorian Era, S. 180 m.w.H. 75 Jameson, The Communion of Labor, S. 158f. 76 Vgl. Jameson, The Communion of Labor, S. 167f. 77 Jameson, The Communion of Labor, S. 162. 78 Jameson, The Communion of Labor, S. 162. 79 Beide Zitate aus Jameson, The Communion of Labor, S. 163.

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sungen ergibt eine deutliche Absage an den Übergang männlicher oder weiblicher Eigenschaften in die rechtliche Regelung.80 Schließlich liegt darin eine Ablehnung jeder mit der weiblichen Natur argumentierenden Gesetzgebung. Jameson verlangt Gleichberechtigung ungeachtet aller Differenzen zwischen den Geschlechtern. Sie schließt das Kapitel zum ehelichen Güterrecht mit einem Hinweis auf das Wort eines großen politischen Philosophen ihres Jahrhunderts: „The relative position of the man and the woman in any community is invariably to be taken as a test of the degree of civilisation and well-being in that community.“81 Der große politische Philosoph ist höchstwahrscheinlich James Mill, der in dieser Arbeit schon erwähnte Vater von John Stuart Mill, der hiermit, was seine Ansichten über die Rechtsstellung der Frau betrifft, rehabilitiert sei.

II. Kollektives Handeln Nach diesen einzelnen Stellungnahmen soll nun die „Masse“ näher betrachtet werden. Die englische Frauenbewegung erwuchs aus einer Freundschaft heraus.82 Es waren zuerst zwei Frauen, Barbara Leigh Smith, also Barbara Bodichon, und Bessie Rayner Parkes, die sich mit der rechtlichen Lage der englischen Frau nicht zufrieden gaben. Sie riefen 1855 eine Kommission zur Ausarbeitung einer Petition83 an das englische Parlament, die güterrechtliche Lage der Ehefrau betreffend, ins Leben und initiierten die Herausgabe einer neuen Frauenzeitschrift mit politischer Identität unter dem Namen „English Woman’s Journal“. Um diese Zeitschrift herum formierte sich gegen Ende der 1850er Jahre die englische Frauen- bzw. Emanzipationsbewegung. 1. English Woman’s Journal Als sich die Freundinnen Bodichon und Parkes entschließen, den Sorgen ihres Geschlechts Ausdruck zu verleihen, sind sie mit ihrem Vorhaben schon lange

80 Vgl. Jameson, The Communion of Labor, S. 165, 167, wo sie unmissverständlich noch einmal gleiche Rechte für beide Ehegatten fordert. 81 Zit. in Jameson, The Communion of Labor, S. 167. 82 Zu weiteren Ursprüngen vgl. Caine, English Feminism, Kap. 2; Levine, Victorian Feminism, S. 15–24. 83 A Petition for Women’s Rights, 1856.

Kollektives Handeln

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nicht mehr allein.84 Ihre ersten Initiativen (Petition) lassen bereits eine Reihe von interessierten Geschlechtsgenossinnen in Verbindung zueinander treten. Parkes lernt Isa Craig kennen, und beide betätigen sich als Journalistinnen bei der Frauenzeitschrift „Waverley Journal“. In derselben Zeitschrift publiziert Bodichon ihren oben angesprochenen Essay „Woman and Work“, und Jamesons Texte erscheinen dort ebenfalls. Jameson steht zu Bodichon und Parkes in einem fast mütterlichen Verhältnis. Letztere ist schließlich mit der Zielsetzung dieser Zeitschrift nicht zufrieden. Sie sei zu unpolitisch, meint sie,85 und sie steht mit dieser Ansicht nicht allein. Denn das„Waverley Journal“ war eben nur eine Zeitschrift. Aber die Frauen waren mit ihrer Betätigung längst darüber hinaus gelangt. Sie hatten begonnen, ein Koordinationszentrum für weibliche Aktivitäten zu organisieren.86 Versuche, die Zeitschrift zu übernehmen, schlagen schließlich fehl. Parkes und Bodichon beziehen die Anregungen für ihr weiteres Vorgehen diesmal aus den Schriften von John Stuart Mill, der in seinem damals schon berühmten Buch „Principles of Political Economy“ seinen Zeitgenossen empfiehlt, die sich ständig weiter ausbreitende Welt des Marktes durch kooperative Handlungsformen mitzugestalten. Das „English Woman’s Journal“ entsteht im Jahre 1857 in Form einer GmbH, zu deren ersten Gesellschaftern neben Parkes die Schwester von Bodichon, Anna Leigh Smith87, der Industrielle Samuel Courtauld, der Rechtsanwalt James Vaughan, Schwiegersohn des um 1870 Abgeordneten Jakob Bright, der ebenfalls bekannte Rechtsanwalt Cookson als Vorsitzender sowie Matilda Hays und Maria Ray gehören. Schnell wächst die Anzahl der daran beteiligten Frauen, und die alten Räume des „Waverley Journal“, wo die Gesellschaft zunächst Unterkunft gefunden hatte,88 genügen nun nicht mehr. Das „English Woman’s Journal“ zieht in das Haus Langham Place Nr. 19, was die legendäre Bezeichnung „Langham Place Circle“ prägt.89 Aus diesen Räumen werden verschiedene Aktivitäten gestartet. Andere Initiativen wie etwa die 1859 gegründete „Society for the Promotion of the Employment of Women“90 oder die „Ladies Sanitary Association“ 84 Zum Folgenden betreffend die besagte Zeitschrift vgl. Rendall, A Moral Engine, in: dies., Equal or Different, S. 112–138. 85 Vgl. Rendall, A Moral Engine, S. 115f. 86 Rendall, A Moral Engine, S. 116. 87 Wahrscheinlich als ihre Vertreterin, denn verheiratete Frauen durften keine Anteile an Gesellschaften halten, vgl. Rendall, A Moral Engine, S. 118f. 88 Rendall, A Moral Engine, S. 118. 89 Vgl. Caine, English Feminism, S. 94. 90 Rendall, A Moral Engine, S. 121.

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(1857)91, vereinen sich mit dieser Zeitschrift, deren Herausgeberin Parkes ist. In diesen beiden Vereinen artikulieren sich die inhaltlichen Schwerpunkte der Zeitschrift und zugleich der ersten Generation der Feministischen Bewegung. Im Mittelpunkt steht die Arbeit der Frau. Dabei wird die besondere Problematik der arbeitenden Ehefrau erkannt und als solche thematisiert.92 Als Paradigma wertvoller weiblicher Leistung an das Gemeinwesen stellt sich die Tätigkeit im Bereich der Krankenpflege dar. Es geht dabei aber offensichtlich um die Akzentuierung des Weiblichen. Die sich anschließende Kontroverse ist ebenfalls ein Charakteristikum, gewiss nicht nur der ganzen englischen Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts, denn es geht um Differenz oder/und Gleichheit.93 Die Herausgeberin Parkes tritt für Differenz, für die Betonung des Weiblichen und vor allem für die Familie ein. Die Familie als Norm sowie die geschlechterdefinierte Trennung der Wirkungsbereiche sollten durch die Zeitschrift nicht angerührt werden: „She never wished or contemplated the mass of women becoming breadwinners.“94 Die diesbezügliche Meinungsvielfalt kam jedoch auch durch das „English Woman’s Journal“ zur Geltung. Die Rolle der Ehefrau war aber schließlich nicht der einzige Grund dafür, dass diese Initiative 1864 zu Ende gehen sollte.95 2. Frauenvereine Doch der Anfang war gemacht.96 Die „Frauenfrage“ war laut und deutlich gestellt worden. Die Vorbilder waren geschaffen und die Forderungen nahmen zu. Aufklärungsgetreu wurden anfänglich Forderungen nach mehr Möglichkeiten weiblicher Bildung erhoben. 1849 sichert Elisabeth Jesser Reid die Bildungsautonomie der Frauen, indem sie das „Ladies’ College“ gründet.97 Die Agitation in diesem Bereich setzt sich ununterbrochen fort und wird ab

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Rendall, A Moral Engine, S. 128. Rendall, A Moral Engine, S. 121. Vgl. dazu auch Caine, English Feminism, S. 88f. m.w.H. Zit. nach Rendall, A Moral Engine, S. 124. Zu den verschiedenen, mitunter schwerwiegenden ökonomischen Gründen informiert wieder Rendall, A Moral Engine, insb. S. 128, 132ff. 96 Zur anderen wichtigen Zeitschrift dieser Jahre, der von Emily Faithfull gegründeten „Victoria Press“, s. Levine, Victorian Feminism, S. 89f. Zum personellen Zusammenhang zwischen beiden vgl. Rendall, A Moral Engine, S. 119. 97 Zum Bildungspostulat allgemein vgl. Levine, Victorian Feminism, S. 26–50; zum „Ladies’ College“ und anderen gleichgerichteten Initiativen ebda., S. 32.

Kollektives Handeln

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den 60er Jahren noch einmal intensiviert.98 Eine Agitation, die stark von dem wachsenden Willen genährt wird, die der Frau sozial aufgezwungene Ausrichtung auf die Ehe umzustürzen. Die zentrale Figur dieser feministischen Bewegung war Josephine Butler.99 Um dieselbe Zeit tritt auch die Forderung hervor, welche mit dem unvergleichlichen Pathos der englischen Suffragetten verbunden wird: die Forderung des Wahlrechts. Hier muss der Name Millicent Garrett Fawcett, der Vorsitzenden der „National Union of Women’s Suffrage Societies“ erwähnt werden.100 Die Wahlrechtsforderung erlangt höchste Prominenz, wahrscheinlich wegen ihrer Unerhörtheit, und versammelt die größte Zahl von Frauen um sich. Diese widmen sich jedoch nicht nur ihrem politischen Dasein, sondern die Familie ist von Anfang an eine zentrale Frage,101 denn die Agitation der 1850er Jahre hatte zu keinen akzeptablen Ergebnissen geführt. Das Gesetz zum Scheidungsrecht wurde von allen Seiten kritisiert.102 Das 1870 von Lydia Becker ins Leben gerufene neue Medium des Kampfes103 „Woman’s Suffrage Journal“ macht es sich von Anbeginn zur Aufgabe, allen Frauenforderungen angemessenen Ausdruck zu verleihen. Die Problematik der weiblichen Arbeit und des weiblichen Einkommens, die Problematik, aus welcher die Frauenbewegung entstanden war,104 dieselbe Problematik, die eine ständige Sorge der Gründerin der Zeitschrift bildete,105 bleibt dabei nicht ausgespart. Im „Woman’s Suffrage Journal“ erheben sich die ersten Stimmen der Unzufriedenheit gegenüber dem Married Women’s Property Act von 1870.106 Nach 98 Vgl. Levine, Victorian Feminism, S. 34; zur Gründung der Women’s Educational Union (1871) vgl. S. 36. 99 Zur konkreten Kritik vgl. Levine, Victorian Feminism, S. 28; zu Josephine Butler, die sich als eine der ersten und dazu noch inmitten der viktorianischen Prüderie der sexuellen Dimension der Geschlechterungleichbehandlung durch das Gesetz zuwandte, sowie zu ihrer großen Bedeutung s. Caine, English Feminism, insb. S. 108–110. Von ihrem Kontakt mit der deutschen Frauenbewegung in den 1870ern berichtet Bäumer, Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, in: Lange/Bäumer, Handbuch der Frauenbewegung, Teil I, S. 77. 100 Levine, Victorian Feminism, S. 58. Die zahlreichen Frauenorganisationen zum Wahlrecht stellt sie skizzenhaft auf S. 64 dar. 101 So auch Shanley, Feminism, S. 62. 102 In Bezug auf die sog. „Protection Order“ s. etwa Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 39f. 103 Vgl. Caine, English Feminism, S. 118; zu ihr vgl. noch Shanley, Feminism, S. 52, Fn. 8. 104 Vgl. dazu Levine, Victorian Feminism, S. 58; Holcombe, Wives and Property, S. 4. 105 Levine, Victorian Feminism, S. 84. 106 Caine, English Feminism, S. 118f.

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Entstehung dieses Gesetzes werden neue Frauenorganisationen gegründet, die sich mit der Frage der vermögensrechtlichen Stellung der Frau an sich und speziell der Ehefrau beschäftigen.107 3. Ergebnis Im vorangegangenen, sowohl personell als auch organisatorisch, also sowohl über das individuelle als auch über das kollektive Subjekt, ausgefalteten Überblick über die englische Frauenbewegung bis etwa in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts stand das Bestreben im Vordergrund, die herrschenden Momente und Meinungen hervortreten zu lassen, die irgendeine Relevanz mit dem hier maßgeblichen Gesetzgebungsverfahren aufweisen. Bevor im Folgenden einige weitere kollektive Handlungsformen wie die oben erwähnte Petition an das englische Parlament sowie einige organisatorische Eigentümlichkeiten der englischen Frauenbewegung und deren Verbindung mit anderen zentralen und einflussreichen reformerischen Initiativen zur Untersuchung gelangen, wird das Blickfeld um die deutsche Frauenbewegung erweitert. Damit soll der Zugang zur nächsten Fragestellung eröffnet werden.

III. Zwei Frauenbewegungen Was die deutsche Frauenbewegung anbelangt, geht es hier nicht darum, die deutschen Protagonistinnen sprechen zu lassen und deren Organisationsentwicklung darzustellen. Dies wird vielmehr als Wissen des Lesers vorausgesetzt.108 Aber sie werden dennoch als solche wahrgenommen, um zur vergleichenden Perspektive zurückzufinden und sie zu konkretisieren. Der vergleichende Blickwinkel hat dann die deutsche und die englische Frauenbewegung als zwei Einheiten zu erfassen. Denn als solche treten sie auf. Doch sie erscheinen nicht gleichzeitig. Es ist von folgendem Faktum auszugehen: Die englische Frauenbewegung beginnt recht früh zu handeln und entsprechend früh entstehen in England die Reformgesetze. War alles nur eine Frage der Zeit? War es vielleicht so, dass die deutschen Frauen so spät handelten, dass hinsichtlich des BGB nichts mehr zu ändern war? Aber auch die deutschen Frauen können stolz auf eine frühe Agitation 107 Zu diesen Organisationen s. Levine, Victorian Feminism, insb. S. 90f. sowie 117f. 108 An dieses Wissen wird im Folgenden mehrfach angeknüpft. In Bezug insb. auf das eheliche Güterrecht vgl. Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 95–166.

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zurückblicken. Es sei hier an eine Reihe weiblicher Stimmen erinnert, die aber vor allem nach den 48ern in andere liberale Forderungen einstimmten bzw. ihre eigenen erhoben.109 In der gegenwärtigen Historiographie setzt man den Beginn einer einflussreichen Frauenbewegung jedoch erst viel später an. Dies tut man, wie es scheint, auch mit Recht. Denn selbst die deutschen Parlamentarier, die den Interessen der Frauen durchaus freundlich gegenüber standen, nahmen ihr Handeln als verspätet wahr. Charakteristisch dafür ist die Äußerung des Abgeordneten Rickert im Jahre 1896 in einer der letzten Plenumsdiskussionen zum ehelichen Güterrecht. Er könne, sagt er, einer Vertagung der Diskussion nicht zustimmen, weil er meine, „dass die Frauen im Irrthume sich befinden, wenn sie glauben, daß durch 3 oder 4 Monate Agitation eine Änderung in diesem Reichstage herbeigeführt werden kann“.110 Eine Jahrzehnte währende weibliche Agitation gab es also auch für die Zeitgenossen nicht. Der zeitliche Vorsprung hat demzufolge durchaus seine Bedeutung gehabt. In Deutschland gab es eben zwischen der alten und der neuen Frauenbewegung eine scharfe Trennungslinie. Was hinderte die Kontinuität des weiblichen Kampfes in Deutschland und sah die englische Gesellschaft, in welcher sich das Handeln der englischen Frauen entfaltete, anders aus (48er Jahre und Restaurationszeit)? Dachten Letztere eventuell anders (Rechtskultur)? Erhielten die Engländerinnen dort Unterstützung, wo ihre deutschen Schwestern erfolglos geblieben waren (Parlament)? Waren im wilhelminischen Deutschland vergleichbare Erfolge überhaupt denkbar oder auch nur von Bedeutung (Verfassungssystem, Imagination des Männlichen)? Solche und in deren Gefolge einige andere rechtstheoretische Fragen werden diese Arbeit ihren abschließenden Schlussfolgerungen zuführen. 1. Ideologie Zunächst wird nach ersten Verständnismöglichkeiten in der inneren Struktur der beiden Frauenbewegungen gesucht. Es ist die Frage nach möglichen Strukturunterschieden zwischen ihnen, die in die Problematik der unterschiedlichen Rechtskulturen kulminieren wird. Als wichtigster Strukturunterschied bzw. als herausragendes Strukturmerkmal der deutschen Frauenbewegung werden seit einigen Jahrzehnten die ideo-

109 Eine ganze Reihe von diesen sind bei Möhrmann, Frauenemanzipation abgedruckt. 110 Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1308.

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logischen Verzweigungen oder besser, die Spaltungen111 herausgestrichen, die sich dort seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts beobachten lassen.112 Thematisiert wird vor allem die Abwehrhaltung der bürgerlichen Frauenbewegung gegenüber sozialistischen Prätentionen, die zur Entwicklung eines spannungsvollen Verhältnisses zur sozialdemokratischen Frauenbewegung geführt haben soll.113 Im Gefolge dieser Argumentation könnte man aus diesem als solches pointierten Charakteristikum der deutschen Frauenbewegung unter vergleichendem Blickwinkel eine gewisse Schwächung derselben und daraus einen Gegensatz zur englischen Frauenbewegung vermuten, soweit sie eine politisch motivierte Spaltung nicht gekannt hat und insoweit in ihr Kraft verleihender Eintracht aufgetreten ist. In der Tat ist die Dominanz der bürgerlichen Frauenbewegung in England so groß, dass von ideologischen Zwistigkeiten gar nicht die Rede sein kann.114 Allerdings gab es auch in England durchaus beachtliche Friktionen innerhalb der Frauenbewegung, etwa beim Wahlrecht,115 111 Denn die Bezeichnung „Verzweigung“ oder „Flügel“ (Czelk) suggeriert grundsätzliche bzw. „organische“ Einheit. Die hier gemeinten Ansichten sprechen aber eher vom Gegensatz, also vom Vorhandensein zweier Frauenbewegungen. 112 Die Friktionen zwischen einem radikalen und einem konservativen Flügel innerhalb der sog. bürgerlichen Frauenbewegung ist wiederum eine ganz andere Geschichte und hat mit dem gerade entwickelnden Argument wenig zu tun. Denn diesem radikalen Flügel ging es ja gerade um die Erhebung von Rechtsforderungen, anders als man es bei einer sozialistisch geprägten Frauenbewegung erwartet (es wird sich aus dem folgenden Text ergeben, dass sich eine solche Erwartung auch nicht bewahrheitet). Außerdem befinden sich beide Flügel in Bezug auf ihre Forderungen gegenüber dem BGB-Gesetzgeber in keinem Gegensatz (vgl. zum Ganzen Riedel, Gleiches Recht, S. 140–143). Irrelevant für die gegenwärtige Fragestellung ist aber diese Struktur der deutschen Frauenbewegung auch deswegen, weil sie kein Charakteristikum der deutschen Frauenbewegung war. Wie oben schon erwähnt (im zweiten Teil, D. II. 1) entfalten sich entsprechende Auseinandersetzungen auch innerhalb der englischen Frauenbewegung und die Texte, welche hier besonders analysiert worden sind (vgl. insb. die Ausführungen zu Norton und Bodichon oben in diesem Teil, D. I. 1, 2), legen weiteres Zeugnis von den unterschiedlichen Konzeptionen und Erwartungen der englischen Frauen dar. 113 Vgl. dazu Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte III, S. 1091, 1092; s. auch Evans, The Feminists, S. 159. 114 Levine, Victorian Feminism, S. 16f., 29, 38, 39f. Levine zieht auch diese Tatsache als Erklärung der Entstehung der englischen Frauenbewegung heran. Da die von Anfang an angegriffene Ideologie der getrennten Sphären nur innerhalb der bürgerlichen Mittelklasse Realität besaß und als besonders erdrückend empfunden werden konnte. 115 Levine, Victorian Feminism, S. 59; s. auch S. 105 und 109 zur Klassentrennung in Bezug auf die arbeitsrechtliche Gesetzgebung, S. 118; allgemein und abwägend S. 123f.; vgl. auch Caine, English Feminism, S. 89f.

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die aber nicht politisch oder parteipolitisch motiviert waren. Umgekehrt kann man auch nicht verschweigen, dass es in Deutschland eine signifikante und von den Protagonistinnen als solche wahrgenommene Trennung der Kampflinien gegeben hat.116 Bevor man dies aber als eine wesentliche Eigentümlichkeit der deutschen Frauenbewegung einstuft, muss man seine Betrachtungsweise angesichts der neuesten Forschungsergebnisse117 differenzieren. Wichtig ist zunächst die Zeit, in welcher solche Differenzen in der jeweiligen Frauenbewegung auftauchen oder eben nicht auftauchen. Die sozialdemokratische Frauenbewegung wird um die Entstehungszeit des BGB immer stärker und selbstbewusster.118 In der Zeit, in welcher die englischen Frauen ihre güterrechtlichen Forderungen erheben, ist eine ideologische Spaltung dagegen noch gar nicht zu spüren. Jede Spaltung entsteht in England nicht im Anfangsstadium, in welchem für das eheliche Güterrecht gestritten wird, sondern später. Es ist in dieser Hinsicht also entscheidend, dass die hier interessierenden englischen Gesetze in einer Zeit entstehen, in welcher die Arbeiterfrage der „Frauenfrage“ noch nicht, gleichsam antagonistisch,119 gegenübergetreten ist.120 Damit kann sich der Vergleich, wenn es um mögliche Auswirkungen solcher Spaltungen geht, aber nicht begnügen. Deswegen muss man sich auf zwei weitere angedeutete Konkretisierungspunkte beziehen, nämlich den Inhalt der Forderungen und den Umstand, dass ideologische Verzweigungen nicht die einzigen ihrer Art sein können. Was Ersteres anbelangt, wird man nun konstatieren, dass die Spaltung der deutschen Frauenbewegung erst bezüglich der Wahlrechtsforderungen virulent wird.121 Aber was das hier interessierende Güterrecht betrifft, scheint die Ideologisierung des Diskurses recht unbedeutend gewesen zu sein. Es ist eben nicht ohne Belang, dass Clara Zetkin gerade in dieser Hinsicht unterstützende Worte für die Agitation der bürgerlichen Frauenbewegung findet.122 Hinzu 116 Vgl. Bäumer, Geschichte der englischen Frauenbewegung, in: Lange/Bäumer, Handbuch der Frauenbewegung, Teil I, S. 114f.; s. dann noch U. Gerhard, Unerhört, S. 178–185. 117 Vgl. hier vor allem Czelk, „Privilegierung“ und Vorurteil, S. 7ff. 118 Vgl. insgesamt Evans, The Feminists, S. 159ff. 119 Historisch und nicht wesenhaft antagonistisch! 120 Vgl. Levine, Victorian Feminism, S. 157f. Wobei es eine andere, unten noch zu erörternde Frage ist, ob sich dieser „Antagonismus“ in beiden Ländern auf dieselbe Weise entfaltete. 121 So explizit Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 86. 122 Vgl. U. Gerhard, Unerhört, S. 230 m.w.H. Man wird Letzterem noch steigernd die Tatsache an die Seite stellen, dass Clara Zetkin zu den führenden Persönlichkeiten des radikalen Flügels einer ohnehin revolutionären Partei gehörte. Vgl. Nipperdey, Machtstaat, S. 570.

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kommt als eine weitere mögliche strukturelle Differenz, dass sich die deutsche Frauenbewegung trotz aller Uneinigkeit zur Bildung eines Dachverbands durchringen konnte (1894). Die sozialdemokratische Richtung trat andererseits nur zögerlich in den Bund Deutscher Frauen ein.123 Aber dieser Unterschied ist sehr gering. Er beschränkt sich darauf, dass sich in England die große Dachorganisation, die „National Union of Women’s Suffrage Societies“ eine konkrete Forderung zu ihrem Gegenstand hatte. Und auch andere umfassende Frauenverbände waren mit konkreten Forderungen verbunden.124 Wenn dies als ein Unterschied angesehen werden kann, dann ist zu bemerken, dass angesichts der relativen Schwerfälligkeit, die dem Handeln des BDF anhaftete, Zweifel aufkommen, ob die Existenz eines solchen Dachverbandes wirklich ein struktureller Vorzug der deutschen Frauenbewegung war.125 Konzentriert man sich des Weiteren auf die Natur der inneren Zwistigkeiten, ist in Bezug auf England zunächst Folgendes zu konstatieren. Es gab zwar in der englischen Frauenbewegung im Hinblick auf das eheliche Güterrecht kaum ernst zu nehmende politisch-ideologische Auseinandersetzungen, aber starke religiöse Differenzen, die nicht ohne Konsequenz für die Dynamik der Bewegung blieben. Diese Auseinandersetzungen werden beispielsweise dafür verantwortlich gemacht, dass das „English Woman’s Journal“ ein rasches Ende fand.126 Schließlich wird daraus noch einmal deutlich, dass jede Bewegung mit den „Lastern“ ihrer Zeit und ihrer Kultur zu kämpfen hatte. So unterschiedlicher Natur wie die Frauenbewegungen selbst waren auch die Friktionen, die sich daraus entwickelten. Ihre Auswirkungen auf den Erfolg der jeweiligen Bewegung sind durchaus anzurechnen, aber eben nur mit der gebotenen Vorsicht. 2. Rechtsbewusstsein Neben dem unterschiedlichen Charakter der Friktionen innerhalb der jeweiligen Frauenbewegung scheint ein weiterer Umstand erwähnenswert, der sich ebenfalls auf mögliche Grundmotive und -schattierungen ihres Handelns bezieht und hier als Rechtsbewusstsein thematisiert werden soll. Definiert wird dieses Rechtsbewusstsein als Zustand des Vertrauens in das Recht, in welchem Zustand also das Recht von der Seite des Subjekts als mich angehend, als Teil 123 Vgl. U. Gerhard, Unerhört, S. 175. 124 Vgl. dazu noch Bäumer, Geschichte der englischen Frauenbewegung in: Lange/Bäumer, Handbuch der Frauenbewegung, Teil I, S. 284. 125 Vgl. auch die Analyse von U. Gerhard, Unerhört, S. 170–175. 126 Vgl. Rendall, A Moral Engine, S. 135.

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meiner Umwelt, ja schließlich als Teil meines Selbst verstanden wird.127 Aus diesem Ausgangspunkt sollen aber keine allgemeinen rechtsvergleichenden Hypothesen aufgestellt werden. Es gilt viemehr, die Momente und die Bedingungen, unter denen jede der beiden Frauenbewegungen die „Frauenfrage als Rechtsfrage“128 zu erfassen begann, aus der bisherigen Untersuchung herauszuabstrahieren. In erster Linie sticht der Unterschied hervor. Bekanntlich bringt in Deutschland eigentlich erst das BGB in dieser Hinsicht den Stein ins Rollen.129 Die Nachricht vom Kodifikationsvorhaben mobilisiert schon Mitte der 70er Jahre Louise Otto-Peters130 (1819–1895) und den Allgemeinen deutschen Frauenverein (ADF). Das erhoffte Echo dieses ersten Versuchs bleibt bei den Frauen selbst anscheinend aus. In England dagegen warten die Frauen nicht auf eine Nachricht von einem anderswo beschlossenen Gesetzesvorhaben. Norton verlangt die Änderung des Rechts, weil ihr durch dieses Unrecht widerfahren war. 1856 stehen noch keine Reformen in der hier interessierenden Hinsicht an. Es ist gerade so, dass sich die Rechtsreformen vielfach auf die Fraueninitiative zurückführen lassen. Schon die genannte leidvolle Inspirationsfigur der englischen Frauenbewegung lernte von dem großen viktorianischen Kulturbewahrer Dickens, dass die Frauen nicht nur das abstrakte Gut der Gerechtigkeit zu fordern hatten, sondern es musste ihnen um das Gesetz gehen und dabei mussten sie die Juristen für ihre Forderungen gewinnen. Die englischen Frauen wenden sich also vorrangig dem Recht zu, und zwar schon mit einem diesbezüglich relativ ausdifferenzierten Bewusstsein. Ab 1895 bekommt die Auseinandersetzung der Frauen mit dem Gesetz auch in Deutschland die notwendige Massivität. Das reicht jedoch für eine Änderung des fast schon beschlossenen BGB nicht mehr. Dennoch ist der Zeitpunkt interessant. Die Empörung der Frauen scheint nämlich mit dem Umstand der Kenntnisnahme vom Inhalt des neuen Gesetzbuches zusammenzuhängen. Sie sahen, dass das neue Gesetzbuch nur ein „tausendjähriges

127 Vgl. dazu Lampe, Zur Entwicklung von Rechtsbewußtsein, in: ders. (Hrsg.), Entwicklung von Rechtsbewußtsein, S. 8–11. 128 So der Titel der ertragreichen Arbeit von Christiane Berneike, wo insbesondere anhand von drei – inzwischen für die Geschichtsschreibung prominenten – Persönlichkeiten (Augspurg, Raschke, Kempin) die Erweckung eines solchen Rechtsbewusstseins in den Reihen der deutschen Frauenbewegung, namentlich im Zusammenhang mit der Entstehung des BGB untersucht wird. 129 Hierzu zusammenfassend U. Gerhard, Gleichheit, S. 116–120. 130 Zu ihr vgl. Rabe, Gleichwertigkeit von Mann und Frau, S. 28–31.

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nationales Unrecht“ festschrieb.131 Interpretiert man den neuen, nunmehr massenhaften Aufstand der Frauen, dessen Priorität die Rechtsreform ist, als Produkt eines Enttäuschungserlebnisses, hervorgerufen durch die Fixierung der Ungerechtigkeit im neuen Gesetzbuch, geht man also davon aus, dass sich gerade ein solches Erlebnis mit der ihm eigenen Intensität die elementare und gesamtkulturelle Bedeutung des Rechts im Bewusstsein der deutschen Frauen einprägt,132 dann deutet dies auf eine Gemeinsamkeit mit dem Entstehen eines solchen Rechtsbewusstseins bei den englischen Frauenrechtlerinnen hin. Man kann bei Norton und Bodichon beobachten, wie aus ihnen ein ähnliches Gefühl spricht.133 Angesichts des Wandels, welcher sich in der ersten Hälfte des Jahrhunderts im geltenden englischen Recht und in der englischen Gesellschaft vollzogen hatte, sowie angesichts eines Gefühls des Optimismus und großer Erwartungen, das sich durch das ganze Land zog, bringen beide Frauen ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass nach so vielen Jahren immer noch Reformen bezüglich der Rechte von Ehefrauen fehlten. Bei der Erwähnung von Louise Otto-Peters darf nicht vergessen werden, dass sie und viele andere wesentlich früher, nämlich bei der 48er-Welle der Frauenagitation, bereits ein artikuliertes Rechtsbewusstsein entwickelt hatten: „Dem Männerrecht galt das neue Ringen, Das Frauenrecht blieb in den alten Schlingen.“134

So sah das Ergebnis des „Wettersturm(s) der Revolution“ für die große Feministin aus. Dieses Rechtsbewusstsein, welches in den Folgejahren fast völlig verschwindet und in der Bewegung der 90er Jahre zunächst nicht primär vorhanden ist, scheint aber eine andere Geschichte zu haben als das der späteren Frauenbewegung. Damals handelte es sich nicht um ein Enttäuschungsgefühl, welches sich (bei Louise Otto-Peters) geltend gemacht hatte, sondern hier war das Gefühl der Revolution determinierend. Dies kann man durchaus 131 Marie Stritt, Das Recht der Frau, in: Die Frauenbewegung 1896, Nr. 5, S. 49, zit nach U. Gerhard, Unerhört, S. 231. 132 Für welche Interpretation sich wieder die fulminante Sprache von Marie Stritt, diesmal aus Frauen-Landsturm, S. 2, anführen lässt: „ Wie ein Dunkler Schatten aus den dunkelsten Tagen des Mittelalters ragt das Familienrecht des bürgerlichen Gesetzbuches in die Gegenwart hinein … Das Rechtsbewußtsein empört sich gegen dasselbe.“ 133 Vgl. Norton, English Laws for Women in the Nineteenth Century, S. 7; Bodichon, Laws of England concerning Women, S. 33. 134 Otto-Peters, Freiheit für alle, in: Möhrmann, Frauenemanzipation im deutschen Vormärz, S. 59.

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wiederum mit einer optimistischen Reformstimmung in Verbindung bringen. Gleichzeitig ließen sich Gedanken an uneingelöste Versprechen der großen bürgerlichen Revolution festmachen. Das Innere dieses Rechtsbewusstseins auszuloten, kann hier nicht unternommen werden. 3. Ergebnis Beide Frauenbewegungen handelten schließlich trotz aller innerer Ungereimtheiten. Beide entwickelten ein Rechtsbewusstsein, wobei sich die zeitliche Differenz als weniger bedeutend erwies. Die deutschen Frauen entdeckten ihre Forderung nach Gleichberechtigung eben nicht erst Ende der 70er Jahre (erste Petition). Gleichwohl bringt der Umstand, dass in Deutschland weder dieses noch jenes Rechtsbewusstsein der Frauen für die inhaltliche Ausgestaltung des BGB maßgeblich war, andere Fragen zum Vorschein.

IV. Das Schicksal des kollektiven Handelns der Frauen Wenn es um die gesetzlichen Reformen und den Einfluss einer Frauenbewegung darauf geht und beide als Handlungen aufgefasst werden, hat man sich auch auf den Handlungsrahmen zu konzentrieren. Denn erst darin gewinnt jede Handlung ihr Schicksal. Diese (der Rahmen und das Schicksal) sollen im Folgenden erkundet werden. 1. Petitionen Wie oben bereits festgestellt, wenden sich englische Frauen schon anfänglich an das Recht. Sie verlangen Rechtsreformen, und zwar konkret in Gestalt von Petitionen. Die erste Petition seitens der englischen Frauenbewegung wird im Jahre 1856 an das englische Unterhaus gerichtet. Darin formulieren sie erstmals ihre Forderung nach vermögensrechtlicher Emanzipation der Frauen, wobei alle bereits geschilderten Argumente, wie die kulturelle Aufgabe der Mutter, unannehmbare Klassendifferenzierung, Modernität, Zivilisation und der Fortschritt, einfließen. Eine weitere Petition erreicht die Parlamentarier im Jahre 1868.135 Im Hinblick darauf ergibt sich für die vorliegende Untersuchung folgende Frage: Zu welchem Zweck wendet sich die englische Frauen135 Vgl. Hansard, 191 (1868), S. 1016.

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bewegung schon im Jahre 1856 mit einer Petition an das englische Parlament? Stellen die Petitionen als solche einen weiteren Faktor dar, der die gesuchte „Andersheit“ vertiefen könnte? Hier könnte man geneigt sein, eine differierende Petitionskultur auszumachen. Was würde das aber bedeuten? Nicht etwa, dass deutsche Frauen dieses Kampfinstrument zur Durchsetzung ihrer Reformforderungen nicht genutzt hätten.136 Vielmehr scheint es, als hätten sie davon genauso großen Gebrauch gemacht als die englischen Feministinnen.137 Auch der maßgebliche Redaktor des BGB hat davon Notiz genommen.138 Ihn halten jedoch andere, unten noch zu behandelnde Tatsachen und Überzeugungen davon ab, dieser irgendein Gewicht einzuräumen. Aber die Reaktion des deutschen Parlaments auf die Petitionen der deutschen Frauen ist schroff im Ausdruck und endgültig in der Wirkung: Wird einer Frauenpetition nämlich überhaupt eine solche Behandlung zuteil, wird sie „unter scharfer Zurückweisung des Inhalts“ abgelehnt.139 Hieraus wird erstens deutlich, dass die Frage nach der Petitionskultur nicht im Faktum der Petition selbst verortet werden soll und zweitens, dass es genau um den „Ort“ geht. Die englische Petitionskultur ist hier also von Bedeutung, weil sie sich im Rahmen des englischen Parlamentarismus entfaltet. Das bedeutet womöglich, dass eine solche Petition im England des 19. Jahrhunderts nicht nur ein beliebtes, sondern noch ein wirksames Kampfinstrument der Frauen war. In England werden die Frauenpetitionen im Parlament vorgelesen und nicht abgetan. Sie werden als Teil der öffentlichen Meinung gehört. Das Einreichen einer Petition wurde von der Hoffnung getragen, dass sie im Hinblick auf die darin enthaltenen Forderungen durchaus einen gewissen Druck entwickeln könnte. Diese Hoffnung suggeriert erstens, dass man an den Einfluss der öffentlichen Meinung glaubt, was auf das Verfassungssystem verweist. Zweitens scheint – aus der Retrospektive – bei den englischen Frauenrechtlerinnen die weitere Hoffnung zu bestehen, dass nach ihnen die Kette der öffentlichen Meinung nicht abreißt. Dass also jemand den besagten Druck auch im letzten Stadium des Kampfes, in der Gesetzgebungsinstanz ausübt. Ein Gedanke, der die Rolle der parlamentarischen Verfechter der Fraueninteressen regelrecht erstrahlen 136 Vgl. etwa die Petition des Bundes deutscher Frauenvereine aus dem Jahre 1896, wo auch die oben angesprochene Petition aus dem Jahre 1877 erwähnt wird. Zur Ersteren vgl. noch Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 99–103. Beide abgedruckt in Meder/Duncker/Czelk, Die Rechtsstellung der Frau um 1900. Eine kommentierte Quellensammlung, S. 36 und S. 288. 137 So U. Gerhard, Gleichheit ohne Angleichung, S. 87, 113f. 138 Vgl. Motive, S. 143. 139 Vgl. U. Gerhard, Unerhört, S. 148; zur Petition von 1877 vgl. auch Riedel, Gleiches Recht, S. 122.

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lässt. Jetzt ist klar, dass die Petition wieder nur die Handlung im Rahmen eines konkreten Kulturraums war. 2. Verfassungsgeschichtliche Differenzen Die entscheidenden Differenzen zwischen den parlamentarischen Systemen in beiden Ländern sind längst formuliert worden. Als erstes ist hier die These von Bedeutung, dass Deutschland auch nach der Reichsgründung hauptsächlich „von oben“ reformiert wurde,140 und zwar autoritär;141 das heißt nicht demokratisch. Das heißt, dass dem in Deutschland tatsächlich stattfindenden sozialen Wandel unterschiedliches Gewicht beigemessen wird. Er wird in einem von demokratisch denkenden Parlamentssystemen abweichenden Rhythmus in das Recht integriert.142 Überhaupt ist das Vorhandensein eines parlamentarischen Systems für das Kaiserreich angezweifelt worden. Denn der reale Einfluss des immer tätiger werdenden Reichstags auf den „Kurs der Gesamtpolitik“ erscheint fraglich.143 Der Staat soll eher ein obrigkeitsstaatlichbürokratischer, denn ein parlamentarischer gewesen sein.144 Der fehlende Parlamentarismus ließe sich auch daran festmachen, dass der hier interessierende Reformdiskurs in Deutschland zuweilen ein politisch verkleideter juristischer und jedenfalls kein vorwiegend parlamentarischer Diskurs ist.145 Die entscheidenden Wertungsgesichtspunkte werden nämlich von Juristen146 formuliert. 140 Vgl. Kocka, Das lange 19. Jahrhundert, in: Gebhard, Handbuch B. 13, S. 134. Kocka relativiert dann diesen Befund, indem er auf die immer stärkere Präsenz der liberalen Bewegung hinweist. Wie ambivalent sich diese Bewegung für die Fraueninteressen erwiesen hat, wird sich noch zeigen. 141 So mit Bezug auf die Frauenbewegung und im direkten Vergleich mit England Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte III, S. 1096f. 142 Dazu noch Kocka, Das lange 19. Jahrhundert, in: Gebhard, Handbuch B. 13, S. 145 m.w.H. auf Max Weber. 143 Nipperdey, Machtstaat, S. 102f.; vgl. auch Berghahn, Das Kaiserreich, in: Gebhard, Handbuch B. 16, S. 307–309. 144 Nipperdey, Machtstaat, S. 98. Vgl. noch Max Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. I. Die Erbschaft Bismarcks, insb. S. 320. 145 Dabei dürfte klar sein, dass die Frauenbewegung selbst nicht zu diesem verfassungspolitischen Rahmen gehört. 146 Hier soll kein Gegensatz zwischen den „Juristen“ und den „Anderen“ konstruiert werden, hat doch diese Arbeit mindestens die Stimme von Carl Bulling, der sich aber in 90er Jahren zu Wort meldet, vernommen. Es soll nur angedeutet werden, dass der deutsche Reichstag nicht das letzte Wort besaß, und es wird noch unten zu zeigen sein (s. übernächste Fußnote), dass in der deutschen Diskussion das Politische oft

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Dabei fällt ebenfalls auf, dass sich Letztere bis Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts kaum um die Rechtsstellung der Ehefrau und um die Forderungen der Frauenbewegung kümmern.147 In England dagegen sind in diesem Kontext fast ausschließlich die parlamentarischen Debatten von Bedeutung. Dort wird jedes Argument der politischen Denkweise unterworfen. Das englische House of Commons scheint dann in der Tat der „unmittelbare Sitz der Macht“ zu sein.148 Das alles wird man wie gewöhnlich zu relativieren haben. Denn auch in dieser Hinsicht lässt sich in Deutschland ein allmählicher Wandel konstatieren. Auch in der bismarckschen Ära ist die Mitwirkung des Reichstags wesentliches Element des Verfassungssystems. Er nimmt sich zahlreicher Reformprozesse an.149 Trotz des restaurativen Zugs der „neo-absolutistischen“ Zeit Wilhelms II. zeichnet sich ein „fortschreitende(r) stille(r) Machtgewinn des Reichstags“ ab,150 dem die steigende Bedeutung und der damit einhergehende strukturelle Wandel des Parteiwesens tendenziell entspricht.151 Schließlich und nicht zuletzt durch Letzteres manifestiert sich der Einfluss auf das Regierungshandeln durch die bürgerlich geprägte öffentliche Meinung.152 Die Differenzen sind dennoch bedeutend, wenn man sich an die unterschiedlichen Diskussionszentren erinnert. Doch sie bleiben sehr abstrakt, nicht greifbar, bis man die Machtzentren in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Dann erscheint ein Charakteristikum der englischen Frauenrechtsgeschichte

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dem Fachlichen zu weichen hatte, was man selbstverständlich – weniger polemisch – als eine für das damalige Deutschland charakteristische Zusammenarbeit beider Institutionen interpretieren kann, worum es eigentlich geht. Davon fehlt in England jede Spur, und es kann auch nicht behauptet werden, dass die juristische Fachwelt dort überhaupt als eine Institution auftritt. Zur weitgehenden Irrelevanz der familienrechtlichen Stellung der Ehefrau in den Diskussionen im Deutschen Juristentag anlässlich der Kritik am ersten Entwurf vgl. Riedel, Gleiches Recht, S. 132. Nipperdey, Machtstaat, S. 107; vgl. noch Levine, Victorian Feminism, S. 61f. Das ganze Argument wird unten noch konkretisiert werden (vgl. im zweiten Teil unter D. IV. 3c). Nipperdey, Machtstaat, S. 99, 103. So Nipperdey, Machtstaat, S. 491. Vgl. dazu noch Schmoeckel, Auf der Suche, S. 424–426. Zu diesem Wandel im Zusammenhang mit der Massenbesetzung politischer Planung vgl. Max Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. V. Parlamentarisierung und Demokratisierung, S. 385. Insgesamt und differenzierend dazu noch Berghahn, Das Kaiserreich, in: Gebhard, Handbuch B. 16, S. 310–318. S. auch Nipperdey, Machtstaat, S. 99. Zum relativ sehr frühen Bedeutungszuwachs dieser Kategorie in ihrem Zusammenhang mit der Parlamentarisierung des englischen politischen Lebens vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, § 8.

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des 19. Jahrhunderts. Ist nämlich das House of Commons das entscheidende Machtzentrum, dann kommt es darauf an, wie viel von der dort befindlichen Macht den Frauen zur Verfügung gestanden hat. Da der Reichstag zwar nicht das alleinige Machtzentrum war, aber zu immer mehr Einfluss avancierte, wird dieselbe Frage auch im Hinblick auf das deutsche Parlament zu beantworten sein. Dadurch werden noch andere, möglicherweise interessante Eigenheiten der beiden politischen Umwelten ans Licht kommen. 3. Männliche Verfechter der Fraueninteressen in England Die Dichte und die Intensität, mit welcher die englische Frauenbewegung vom ersten Moment an mit Männern zusammengearbeitet hat, stechen auf besondere Weise hervor. Das 19. Jahrhundert gilt bekanntermaßen auch in England als das Jahrhundert der Reform. Schon im ersten Drittel des Jahrhunderts gibt Henry Brougham – Lordkanzler und Anhänger der sog. philosophischen Radikalen, die dem Utilitarismus nahe standen153 – mit einer mehrstündigen Rede im Parlament das Signal, den Reformkurs einzuschlagen. Die englischen Frauen haben es verstanden, Teil dieses Reformkurses zu werden, der ohne Zweifel ursprünglich als Männersache erfasst worden war. Am Beispiel der erwähnten Persönlichkeit und zweier bedeutender Reforminstitutionen soll dies nachgewiesen werden. a) Die Zusammenarbeit von Männern und Frauen Brougham steht den Frauen zur Seite, als sie sich im Jahre 1856 daran versuchen, eine erste Petition zum ehelichen Güterrecht zu verfassen.154 Im darauffolgenden Jahr fungiert er als der erste Präsident der bedeutenden „National Association for the Promotion of Social Science“,155 eines Vereins, dessen Zweck gerade die Reform der englischen Gesellschaft war.156 Isa Craig157 wird 1857 als Hilfssekretärin bei diesem Verein tätig.158 Darüber hinaus wendet sich die Frauenbewegung schon seit ihren Anfängen an die „Law Amendment So153 154 155 156 157

Holdsworth, A History XIII, S. 134f. Vgl. Rendall, A Moral Engine, S. 114. S. Rendall, A Moral Engine, S. 112. Zu diesem Verein Hobsbawm, The Age of Capital, S. 261. Eine, wie oben schon erwähnt (zweiter Teil, D. II. 1), der Initiatorinnen der englischen Frauenbewegung. 158 Rendall, A Moral Engine, S. 116.

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ciety“, deren Interessenschwerpunkt nur zu leicht zu erraten sein dürfte.159 Es kann kaum überraschen, dass auch diese Gesellschaft von Lord Brougham im Jahre 1844 begründet worden war. Im Jahre 1868, also unmittelbar vor der ersten Reform, gelangt eine weitere Petition über diesen Verein ins Parlament. Der Petition folgt sogar die Konstituierung eines besonderen Ausschusses, welcher die vermögensrechtliche Lage der Ehefrau unter die Lupe nehmen soll.160 Die Ergebnisse der dort geführten Diskussionen verschaffen der „Frauenfrage“ nicht bloß eine nicht zu unterschätzende größere Respektabilität, sondern antizipieren zum großen Teil die weitere gesetzliche Entwicklung. Dass die Forderungen dieses Ausschusses erfüllt wurden, ist einem weiteren wichtigen Umstand zu verdanken: Der entsprechende Bericht wurde den Parlamentariern tatsächlich vorgetragen. b) Die englische Parlamentsdiskussion Neben den organisatorischen Verknüpfungen zwischen der englischen Frauenbewegung und bedeutenden Repräsentanten des anderen Geschlechts fand zur gleichen Zeit eine ausschließlich männlich besetzte Diskussion statt – die Debatte der Gesetzgeber. Wie schon bekannt, trugen sich im parlamentarisch strukturierten England im Vorfeld der untersuchten Reformgesetze in beiden Häusern des englischen Parlaments erhitzte Auseinandersetzungen über die Rechtslage der Frauen zu. Die Seite, die massiven Widerstand leistete, wurde schon an anderer Stelle näher betrachtet.161 Diese letzte Instanz der politischen Willensbildung Englands162 beschließt die betreffenden Reformen dennoch. Dies liegt daran, dass die Fraueninteressen auf den hohen Rängen der politischen Entscheidungsinstanzen viele Unterstützer fanden. Eine ganze Reihe von ihnen stand durchaus in Verbindung mit der Frauenbewegung und unter gewissem Einfluss derselben, was sicherlich zu deren Sieg beitrug. Andere Politiker dagegen lassen nichts von ihrer feministischen Seite ans Tageslicht treten. Dennoch stimmten auch sie den Frauenforderungen zu – die ja selbst 159 160 161 162

Zu dieser Gesellschaft Shanley, Feminism, S. 34f. Vgl. dazu Hansard, 191 (1868), S. 1016. Vgl. im ersten Teil unter C. I. 2. und 4a. Es sei hier noch einmal explizit auf einen entscheidenden Unterschied hingewiesen: Die verfassungsmäßigen Differenzen zwischen beiden Ländern haben die Erkenntnis gefördert, dass „Parlament“ nicht gleich „Parlament“ bedeutet, wenn es um die maßgeblichen Entscheidungsinstanzen geht. Daher wird auf die deutsche Parlamentsdiskussion erheblich weniger als auf die englische Parlamentsdiskussion eingegangen. Umso größere Bedeutung wird den „Motiven“ zum Familienrecht des BGB beigemessen.

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keine Harmonie und erst recht keine kohärente Motivation aufwiesen – und darin ist das entscheidende Moment des Handlungsgeschehens zu erblicken. Eine beachtenswerte Besonderheit der englischen gegenüber der deutschen Geschichte des ehelichen Güterrechts lässt sich damit festhalten: Die englischen Frauen wandten sich an das englische Parlament und fanden Gehör. Die Unterstützung der Fraueninteressen durch Abgeordnete, ihre möglichen Verbindungen zur Frauenbewegung sowie die Vielfalt ihrer (geäußerten) Motive sollen nun anhand von Äußerungen und Haltungen dieser männlichen Verfechter der Fraueninteressen näher betrachtet werden. Die Tatsache, dass nicht jeder Abgeordnete, der sich auf die Seite der Frauenrechtlerinnen stellte, geschlechtsegalitäre Vorstellungen hegte, wird gleich bei der ersten hier relevanten Diskussion klar. Sir Erskine Perry will seine Ansicht pragmatisch begründen. „Let it not be supposed that he entertained any novel or theoretical on the position which women ought to occupy in society”, schreibt der Berichterstatter der Parlamentsdiskussion.163 Der einzige Grund, warum er eine Verbesserung der weiblichen Rechtslage befürworte, sei, dass „she was the weaker, and assuredly stood more in need of the protection of the law“.164 Genauso wie etwa Norton meint also Perry, dass die Schwäche des weiblichen Geschlechts den gesetzlichen Schutz erforderlich mache. Die Parallele zu Norton, d.h. hier zu den Frauenrechtlerinnen, verläuft nicht bloß künstlich und auf der Ebene der Ideen, denn Perry trägt im Jahre 1856 dem englischen Parlament einen Gesetzesentwurf zur Änderung des ehelichen Güterrechts vor. Er weiß dabei sehr wohl von der Frauenagitation desselben Jahres. Er macht sogar auf eine Welle von Petitionen betreffend das englische Güterrecht aufmerksam, die das englische Parlament erreicht hatten und von einigen der respektabelsten Frauen der englischen Gesellschaft signiert worden waren. Perry hatte schon vor der genannten „Law Amendment Society“ für die Verbesserung der vermögensrechtlichen Stellung der Ehefrau plädiert.165 Vor diesem Hintergrund lässt sich durchaus fragen, ob seine pragmatische Argumentation nur seine Widersacher zu besänftigen suchte. Jedenfalls stand er unter dem Eindruck der aufflammenden Frauenbewegung, was er im männlichen Kreis (Parlament) eingesteht. Genauso ausgeprägt ist der Einfluss der Emanzipationsbewegung beim nächsten Volksvertreter, Shaw Lefevre, der schon am Gesetzesentwurf von 1857 mitgearbeitet hatte, worauf sowohl Bodichon als auch Cobbe explizit 163 Hansard, 142 (1856), S. 1276. 164 Hansard, 142 (1856), S. 1276. 165 Vgl. Hansard, 142 (1856), S. 1273f.

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Bezug nahmen.166 Im Jahre 1868 ergreift er noch einmal die Initiative und bringt einen neuen Gesetzesentwurf ein, der schließlich unter verschiedenen Modifikationen zum Gesetz werden sollte. Aus seiner Mitgliedschaft in der ebenfalls erwähnten „Social Science Association“ ergibt sich ohne Weiteres seine Verflechtung mit der Frauenbewegung.167 Er tritt sogar im englischen House of Commons auf, um einen Gesetzesentwurf zu präsentieren, der von dieser Gesellschaft vorbereitet worden war. Die Initiative der Gesellschaft selbst zur Ausarbeitung eines solchen Entwurfs geht nach seinen Worten auf nichts anderes als die zahlreichen Petitionen aus der Frauenbewegung zurück, die die „Law Amendment Society“ erreicht hatten.168 Einen „kausaleren“ Zusammenhang zwischen dem Handeln der Frauen und der Rechtsreform gibt es nicht! In der Darstellung und Begründung des Gesetzesentwurfs nimmt es Lefevre auf sich, einige der schwerwiegendsten Gegenargumente zu entkräften. Entsprechend vielschichtig gestaltet sich seine Argumentation. Zunächst setzt er die Equity-Rechtsprechung als Beleg für den unannehmbaren Zustand des Common Law ein: „The very fact that the wealthy as a rule set aside the law was the best evidence that they were not satisfied with it. But if this were so with the wealthy, far more so was it with the humbler classes.“169. Ein Gedanke, den schon Bodichon ausgesprochen hatte. Lefevre vergisst nicht, die Klassendifferenzierungen anzuprangern, die durch diese rechtlichen Unterschiede noch prononcierter hervortreten würden,170 und weist auf eine immer größer werdende Zahl der arbeitstätigen Frauen hin, die über ihr Einkommen nicht verfügen dürfen.171 In der Debatte des nächsten Jahres bezeichnet er den Entwurf als „Poor woman’s bill“.172 Dies offenbart ohne Zweifel die sozialen Determinanten, die seinen Entschluss entscheidend mittrugen; oder aber nur seinen Willen, den breiten Konsens im Hinblick auf die soziale Komponente der „Frauenfrage“ auszunutzen. Es ist durchaus lohnend, über das Verhältnis zwischen „Frauenfrage“ und „soziale(r) Frage“ eine Weile nachzudenken. Das Verhältnis zwischen diesen beiden „Fragen“ ist zunächst in beiden Ländern prekär. Es ist allseits bekannt, dass im 19. Jahrhundert vor allem die 166 Vgl. Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 27f., und Cobbe, Criminals, Idiots, Women and Minors, S. 6. Dazu auch Holdsworth, A History XIII, S. 270. 167 Vgl. dazu Shanley, Feminism, S. 68, worauf für weitere Einzelheiten und eine nicht getrennte Untersuchung der parlamentarischen Debatte verwiesen sei. 168 Hansard, 191 (1868), S. 1016. 169 Vgl. Hansard, 191 (1868), S. 1019; 192 (1868), S. 1374. 170 Hansard, 191 (1868), S. 1015, 1017f. 171 Hansard, 191 (1868), S. 1020f. 172 Hansard, 195 (1869), S. 780.

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„soziale Frage“ die politischen Gemüter bewegt. Die „Hände“173 drohen unbrauchbar zu werden, abgesehen davon, dass sie sich sogar gegen den „Kopf“ zu erheben gedenken. Marx und Engels donnern auch schon mit vereinten Kräften. In England stellen sich solche Problematiken schon früher als in Deutschland.174 Im Zeitpunkt der hier diskutierten Reformen sind sie aber keinesfalls gelöst. In Deutschland dringt die „soziale Frage“ bei entstehender und zunehmender Industrialisierung erst im letzten Drittel des Jahrhunderts ins Bewusstsein.175 In beiden Ländern stellt sich die „Frauenfrage“ als solche noch nicht. Sie stellt sich vor allem in Bezug auf die arbeitenden Frauen der unteren Gesellschaftsschichten. In England ist sogar im Rahmen der entsprechenden Diskussion von der „Frauenfrage“ nur vereinzelt die Rede.176 Wenn überhaupt, dann wird die Problematik, wie eben bei Lefevre, nicht in ihrer Eigenständigkeit erkannt oder aus strategischen Gründen als Problem der armen Frau ins Feld geführt. Gerade Letzteres verdankt sich zwar dem Umstand, dass die steigende Zahl der in der Industrie arbeitenden Frauen (nicht Ehefrauen) ins Wahrnehmungsfeld der Zeitgenossen eindringt. Ihre ökonomischen Probleme erfordern ebenfalls eine Behandlung, womit sogar die „Frauenfrage“ in die „soziale Frage“ integriert wird,177 wie es im Übrigen von einigen Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen durchaus erstrebt worden war.178 Aber gerade dadurch wird die „Frauenfrage“, d.h. die Eigenständigkeit ihrer Problematik von der „sozialen Frage“ überschattet. Weder die englischen Reformgesetze noch das BGB nehmen etwas von der „neuen Frau“179 in sich auf. Das Bewusstsein von der Eigenständigkeit und der sozialrevolutionären Kraft der „Frauenfrage“ beginnt sich erst gegen Ende des 19.  Jahrhunderts zu formen, namentlich in den Rängen der Frauenbewegungen selbst.180 Das Stichwort „woman’s question“ vernimmt man zwar im Rahmen der englischen 173 Bezeichnung der Fabrikarbeiter in „Hard Times“ von Charles Dickens. 174 Vgl. Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 572–599. 175 Allgemein dazu Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, 335–373; Schmoeckel, Auf der Suche, S. 408–412; vgl. noch Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 26, 329. 176 S. auch Levine, Victorian Feminism, S. 82. 177 Vgl. auch Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 74, 82. 178 Vgl. dazu Bäumer, Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, in: Lange/Bäumer, Handbuch der Frauenbewegung, Teil I, S. 108–115. 179 Zu diesem Phänomen, das vor allem den Angriff auf die Ehe als Institution im Zusammenhang mit der Betonung der weiblichen Individualität gegenüber der männlichen, wozu die immer zentraler werdende Beschäftigung mit der eigenen Sexualität gehört, aber im Allgemeinen eben die selbständig auftretende Frau beinhaltet und seinen Bezügen mit dem anderen Phänomen des sog. „Massenkonsums“ vgl. Zaretsky, Freuds Jahrhundert, S. 67–72. 180 Vgl. dazu noch Hobsbawm, Das imperiale Zeitalter, S. 244.

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parlamentarischen Debatte schon im Jahre 1869.181 Aber nicht viel anders ist es insoweit auch in Deutschland im Jahre 1896.182 Das änderte vorerst nicht viel, außer, dass man im englischen Parlament der mit diesem Begriff angedeuteten „Emanzipierung“ der Problematik rasch zu widersprechen suchte und auch als Unterstützer der Reform jede neue gesetzgeberische Maßnahme eher als Teil der parlamentarischen Verantwortung für soziale Gerechtigkeit aufgefasst wissen wollte.183 Das heißt aber zugleich, dass man darüber nachgedacht hatte. Die Reaktion könnte man dann als Zeichen einer vielleicht noch schattenhaften Ahnung von der Schwere des Wortes deuten, und das wäre nichts Geringes im Jahre 1870. Zurück zum Abgeordneten Lefevre. Er greift als nächstes das „breadwinner“Prinzip des Common Law an, welches bekanntlich besagt, dass die Macht des Ehemannes nur mit seiner Unterhaltspflicht korrespondiert. Dies bekämpft er mit der Feststellung, dass es sich um eine Pflicht handle, deren Erfüllung völlig dem Ermessen des Ehemannes anheimgestellt worden war.184 Zum Schluss seiner Rede versucht Lefevre, dem Topos von der Erosion der Familie entgegenzutreten. Man befürchtete ja, dass die Trennung der vermögensrechtlichen Befugnisse Gefahren für den Zusammenhalt der Gemeinschaft „Familie“ bergen würde. Es sei erinnert an die Prophezeiung, dass sich dies höchstwahrscheinlich auf den Zusammenhalt des ganzen Staates auswirken würde.185 Lefevre entgegnet, womit er zugleich gegen Jameson argumentiert, dass sich, wenn die ganze Argumentationskette richtig wäre, eine solche Verwahrlosung der Familiensitten in den Reihen der höheren Klassen, die eine solche vermögensrechtliche Trennung seit Jahrhunderten applizierten, schon eingestellt hätte. Dafür gäbe es aber keine Anzeichen. Daneben verweist er auf die in dieser Hinsicht positiven Erfahrungen, welche die Nordamerikaner seit der dortigen Einführung eines solchen güterrechtlichen Systems gemacht hätten. Erfahrungen, von denen noble englische Männer anscheinend gehört hatten, 181 Hansard, 195 (1869), S. 797. 182 Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1312 (Planck!). Dabei könnte man folgenden semantischen Unterschied vermuten: Planck beziehe sich auf die „Frauenfrage“ als die Gesamtheit der privatrechtlichen Rechtsnormen, welche die Ehefrau innerhalb der Familie betreffen, während die „woman’s question“ sicherlich die soziale Problematik der Lage der Frau ansprechen will. Allerdings sagt schon Planck selbst, dass er eben nicht „die ganze Frauenfrage“ (aaO.) in seine Erörterungen hereinziehen möchte, womit er sich von der umfassenderen Semantik des Begriffs in der übrigen parlamentarischen Diskussion eben distanziert. 183 Vgl. etwa Hansard, 201 (1870), S. 892. 184 Hansard, 191 (1868), S. 1022. 185 Vgl. Hansard, 195 (1869), S. 791.

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als sie sich dazu entschlossen, die Gütertrennung in das indische Güterrecht einzuführen.186 Am Ende hält er sich auch betont von jeder Theorie fern: „He refrained from expressing his opinion whether women were or were not the equals of men. He put question upon expediency and experience.“187 Gleichheit war eben keine Frage, die im Parlament ausdiskutiert werden konnte. Ein besonders aktiver Verfechter der Frauenrechte war Jakob Bright. In seiner Stellungnahme steht die explizite Bezugnahme auf die Frauenbewegung ebenfalls an erster Stelle. Etliche Petitionen von Frauen, von denen der Abgeordnete eine dem Parlament präsentiert, sprechen sein demokratisches Gewissen mit Nachdruck an. Das Recht Englands sollte dahin gebracht werden, wo es sein Volk wünscht.188 Und zu diesem Volk zählt er offensichtlich auch die Frauen. Dass er sich besonders empfänglich für die Forderungen gerade dieser „sozialen Gruppe“189 zeigt, ist gewiss kein Zufall. Seine Ehefrau, Ursula Bright, gehörte der Frauenbewegung an und hatte ihren Ehemann dort einbezogen.190 Sein Hauptargument befasst sich mit der oft behaupteten geistigen und vor allen Dingen geschäftlichen Inferiorität der Frau. Einem solchen Argument könne man insofern keinen Glauben schenken, als es in diesem Lande sehr viele – zu viele, wie er nebenbei bemerkt – unverheiratete und verwitwete Frauen gäbe, die über ihr Vermögen ohne Einschränkungen verfügten.191 Wenn überhaupt, dann wäre eine bestimmte weibliche Schwäche, die körperliche, der Frau positiv zu veranschlagen. Denn daraus würde sich nur eine zusätzliche, natürliche Barriere für jede Frau ergeben, die sich der Handarbeit begibt.192 Jenseits aller materiellen Vorteile, die aus einer Reform zu erhoffen seien, scheut er sich nicht zu sagen, worin der höchste Wert der geforderten politischen Entscheidung läge: „With an increase of independence, such as the Bill would secure, there would be an increase of respect for women – of real respect, which is a thousand times more valuable than the conventional politeness which it is always so easy to pay“.193 Auch er erwartete vom Recht mehr, als nur die Aufnahme von Bestehendem. Gleich nach Bright ergreift Herr Lowe das Wort. Sowohl Lefevre als auch vor ihm Bodichon hatten eine gewisse Kommision erwähnt, welcher die Auf186 187 188 189 190

Hansard, 191 (1868), S. 1023; 192 (1868), S. 1375. Hansard, 191 (1868), S. 1024. Hansard, 192 (1868), S. 1361. Denn als solche wurden die Frauen im 19. Jahrhundert betrachtet. Vgl. Levine, Victorian Feminism, S. 141. Ihre zentrale Rolle bei der Erkämpfung des Married Women’s Property Act 1870 betont auch Fawcett, Woman’s Suffrage, S. 22. 191 Hansard, 192 (1868), S. 1361. 192 Hansard, 192 (1868), S. 1363. 193 Hansard, 192 (1868), S. 1363.

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gabe anvertraut worden war, das indische Eherecht zu reformieren. Dabei hatten sich ihre Mitglieder entschieden, der Ehefrau – nur der europäischen und Eurasierin194 – selbständige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen zuzugestehen. Dieser Kommision hatte Lowe ehedem angehört.195 Im Parlament führt er vor, dass seine im Rahmen jener Kommission getroffene Entscheidung seiner vollen Überzeugung entsprach. Er greift das Common Law frontal an: „The question is not […] whether this can be traced up to a long succession of ages in the most barbarous times and whether it has been confirmed and consolidated and built up into an edifice – the question is, on what is that edifice founded? Is it founded on justice and righteousness, equality and fairness, or is it founded on injustice, tyranny, and oppression?“196

Er stellt eine einzige Frage, die Frage nach der Gerechtigkeit. Weder Tradition noch der Respekt vor langjährigen Bemühungen um die Herausarbeitung eines juristischen Systems könnte dagegen halten. Darüber hinaus füllt er seine Gerechtigkeit mit einem konkreten Inhalt aus: Gleichheit. Es ist sinnlos, sagt er, darüber zu reden, dass die Erschütterung der ehemännlichen Herrschaft die ganze Sozialstruktur erschüttern könnte.197 Nur über die Vermögenslosigkeit der Ehefrau sollte man reden. „Now show me what crime there is in matrimony that it should be visited with the same punishment as high treason – namely, confiscation, for that is really the fact.“198 Der nächste Redner am gleichen Tag war der überragende John Stuart Mill, der fruchtbarste Fortsetzer des Utilitarismus im 19. Jahrhundert und der eigentliche Begründer des politischen Liberalismus, dessen Buch „On Liberty“ das politische Handbuch jedes liberal gesinnten englischen Politikers in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewesen sein soll.199 Noch im Jahre 1869 publiziert er „The Subjection of Women“ und hat seitdem seinen festen Platz in jeder Reflexion über Frauenrechte inne. Was er 1869 tat, wird unten noch ausführlich geschildert.200 Im Jahre 1868 ist John Stuart Mill englischer Abgeordneter im House of Commons. Die in diesem Abschnitt mitunter gestellte Frage nach den Verbindungen der Parlamentarier zur Frauenbewegung muss 194 195 196 197 198 199 200

S. den Zwischenruf von Lowe, in: Hansard 191 (1868), S. 1024. So Lefevre in Hansard 191 (1868), S. 1024. Hansard, 192 (1868), S. 1364. Hansard, 192 (1868), S. 1364. Hansard, 192 (1868), S. 1365. Vgl. Dicey, Lectures on the Relations, S. 386. Vgl. im zweiten Teil unter E. II. 2.

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in Bezug auf Mill kaum beleuchtet werden. Zu seiner historischen Bedeutung für die englische Frauenbewegung sagt Millicent Fawcett: „It was an enormous advantage to the whole women´s movement, not only in England, but all over the world, that it had for its leader and champion a man in the front rank of political philosophers and thinkers. He formed a school at the universities, and in all centres of intellectual activity, and from that school a large number of the chief leaders and supporters of the women´s movement have been derived”201

Fawcett betont hier Mills internationale Wirkung. Aber unter vergleichender Perspektive wird man vermuten dürfen, dass die Persönlichkeit John Stuart Mills den ihr durch Millicent Fawcett attestierten Eindruck auf seine Zeitgenossen zunächst in England selbst entfaltet hat, dass also die hier untersuchten frühen Errungenschaften gerade der englischen Frauenbewegung mit dem Einfluss des großen Philosophen auf seine Landsleute zusammenhängen. Man kann das Argument auch umgekehrt – und zugegebenermaßer historisch weniger sinnvoll, aber womöglich verständlicher – formulieren: Hätte die deutsche Frauenbewegung Hegel auf ihrer Seite gehabt!202 Die andere hier zentral behandelte Frage nach dem Einfluss der Frauenbewegung auf den konkreten Gesetzesentwurf beantwortet er selbst. Die wahren Verfasser des Entwurfs säßen nicht im Parlament, sagt er. Dabei meint er gar nicht die Frauenrechtlerinnen. Er erweist sich als der überzeugendste Vertreter der hier aufgestellten These von der Bedeutung männlicher (d.h. abstrakt: politischer) Unterstützung für die Durchsetzung der Frauenforderungen, als er eine Reihe von bedeutenden und ehrenhaften und auch noch politisch unverdächtigen203 Männern Englands benennt, die sich bei der Vorbereitung des Entwurf besonders stark eingesetzt hätten.204 Er selbst stünde dem Reformvorhaben aus strategischen Gründen skeptisch gegenüber, da es zu einer Verzögerung der viel wichtigeren politischen Emanzipation der Frau führen könnte.205 Doch inhaltlich sei es absolut unverständlich, wenn man zur 201 Fawcett, Woman’s Suffrage, S. 16. 202 Wobei hier Hegel zufällig als einer der einflussreichsten deutschen Philosophen des 19. Jahrhunderts gewählt wurde. 203 Womit er, wie er ironisch sagt, keine „Revolutionäre oder Sozialisten“ meine. Vgl. Hansard, 192 (1868), S. 1370. 204 Hansard, 192 (1868), S. 1370. Darunter nennt er wieder die Social Science Association. 205 Hansard, 192 (1868), S. 1370. J. S. Mill hatte geglaubt, dass sich zuerst die Reform des Wahlrechts ereignen sollte, welche dann alle anderen Reformen erheblich begünstigen würde. Vgl. seinen Brief an Florence Nightingale, in: The Letters of J. S. Mill II, S. 102f. ( zit. nach Halevy, A History of the English people VI, S. 511f.).

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heutigen Zeit die Notwendigkeit eines alleinigen Entscheidungsrechts in der Familie propagiert. Die Ehe sollte nicht in die Herrschaftsausübung einweisen, sondern die Schule der Gleichberechtigung, exemplifiziert am Verhältnis zwischen Mann und Frau, sein.206 Eine von den Persönlichkeiten, auf welche John Stuart Mill in seiner Rede Bezug nahm, die aber nicht zugegen waren, war Gurney Russel. Er wurde, wie Bright und wie eine Reihe anderer englischer Politiker, durch seine Frau der englischen Frauenbewegung und ihren Interessen näher gebracht.207 In seiner Auseinandersetzung mit den Gegnern des Entwurfs, nimmt er sich insbesondere derjenigen Art von frauenfeindlichen Argumenten an, die auf die mentale Unterlegenheit der Ehefrau pochen. Die Vertreter dieser Ansicht versucht er aber nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Er hält sich vielmehr auf der Linie von Jameson, indem er darauf hinweist, dass solche Fragen für den Gesetzgeber irrelevant sein sollten.208 Relevant sei vielmehr die schwierige Lage, in der sich die arbeitstätige Frau befinde.209 Relevant sei, wie er in einer späteren Rede vom Jahre 1870 betont, dass eine Teillösung nach dem Modell der „Protection Order“ für die Zeit des harmonisch verlaufenden Ehelebens absolut unzulänglich sei, da sie das Ehepaar in den Gerichtssaal dränge.210 Relevant sei schließlich, dass das englische Parlament seiner Macht und seiner Verantwortung gegenüber den Frauen dieses Landes gerecht werden soll: „One more word, Sir, and I have done. I have reason to know that the women of this country feel deeply on this question […] I have to appeal on their behalf to a Legislature, so elected exlusively by men. I trust that it will appear that the Members of a Legislature, so elected, are as keen to discern the evil, and as earnest in applying a remedy, as if the appeals were made on behalf of those whose voices could be heard at elections, and whose votes could be recorded at the hustings!“211

Der letzte Parlamentarier, auf dessen Ansichten gesondert eingegangen wird, ist Jessel, und zwar nicht deshalb, weil dieser Redner in besonderen Beziehungen zur Frauenbewegung steht, sondern wegen seiner gewissermaßen radikalen Argumentation. Diese Radikalität ist aber nicht in seinem Vergleich der Rechtsstellung der Frau in der Familie mit der Rechtsstellung der Sklaven zu 206 Hansard, 192 (1868), S. 1371f. 207 Zu diesem Zusammenhang Levine, Victorian Feminism, S. 141. S. dazu auch Fawcett, Woman’s Suffrage, S. 22. 208 Hansard, 195 (1869), S. 768. 209 Hansard, 195 (1869), S. 763. 210 Hansard, 201 (1870), S. 883. 211 Hansard, 201 (1870), S. 887.

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verorten.212 Vielmehr betrifft sie den Gesichtspunkt des Schutzes, der immer wieder auf die eine oder andere Weise in die Diskussion eingebracht wurde, und zwar entweder in dem Sinne, dass der Ehemann im Allgemeinen seine Ehefrau beschützt und ihm deswegen seine Macht erhalten bleiben oder das Recht die schwache Frau vor ihrem Ehemann und gleichzeitig vor der harten Welt beschützen sollte. Doch nach Jessel ist klar: Die Frau bedarf des Schutzes nicht! In seiner Antwort auf einen Abgeordneten, der gerade diesen Gesichtspunkt geltend gemacht hatte, ruft er mit drohender Miene: „The hon. and learned Member opposite appeared to think that women were such poor weak creatures that they were unable to protect themselves; but if he were to put himself in a position to test their capabilities in that respect he would probably learn a lesson that he would never forget for the rest of his life!“213

Dies sind nur einige, vielleicht die gewichtigsten Verfechter der Fraueninteressen, die anstelle der politisch zum Schweigen verurteilten Hälfte der englischen Bevölkerung ihre Stimme innerhalb der bedeutendsten politischen Entscheidungsinstanz erhoben. Ihnen folgten einige weitere. Beispielsweise, um bei dem Gesichtspunkt des Schutzes zu bleiben, Lord Cairns aus dem anderen hohen Haus der englischen Politik, der das neue Gesetz auf dem Prinzip des Schutzes gründen wollte. Den in den letzten Jahren wachsenden Unmut der weiblichen Bevölkerung über das Common Law hatte übrigens auch Cairns deutlich vernommen.214 Im House of Commons sitzt außerdem C. O. Morgan, der sich der liberalen Theorie von Jameson anschließt: Das Gesetz will verhindern, dass der eine Ehegatte den anderen schädigen („injure“) kann, nicht dagegen, dass sich einer der Ehegatten selbst schädigt.215 Dort saß ebenfalls der „Solicitor General“, der die Absurdität jeder biblisch fundierten Rechtfertigung des Common Law vor Augen führt und die Sache gleich beim Namen nennt: „He declined to treat this as ‚a poor woman’s question‘. It was a „woman’s question.“216 Lefevre, der in gewissem Sinne im Namen der Frauenbewegung sprach, bevorzugte bezeichnenderweise noch erstere Einordnung. Zu erwähnen ist auch Lord Romily, der sich in den Rängen der Frauenbewegung als Mitglied der besagten Kommission zur Reform des indischen Fami-

212 213 214 215 216

Hansard, 195 (1869), S. 770. Hansard, 198 (1869), S. 404. Hansard, 198 (1869), S. 985f. Hansard, 195 (1869), S. 789. Hansard, 195 (1869), S. 797.

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lienrechts namhaft gemacht hatte.217 Er stellt sich ebenfalls auf die Seite der Frauen.218 Schließlich ist diese exemplarische Aufreihung219 mit Lord Shaftesbury und damit dem frappantesten Widerspruch abzurunden. Denn Lord Shaftesbury erscheint sowohl auf der Seite derjenigen, die sich im Geiste des Common Law äußern, als auch auf der Seite derjenigen, die schließlich für eine Form der Rechtsänderung ihre Stimme abgeben. Er tritt also für eine Reform des ehelichen Güterrechts ein, aber mit explizit patriarchalischer Gesinnung.220 Er liefert einen besonderen Hinweis, weswegen er viel von einer solchen Reform hält. Da er überdies nicht der einzige ist, der diesen Gedankengang vollzieht, lässt sich dahinter eine kulturelle Eigentümlichkeit des englischen Diskurses vermuten. Lord Shaftesbury wünscht nämlich eine besondere Regelung, welche solche Erträge einer Frau schützen soll, die sie aus ihrer schriftstellerischen Tätigkeit ziehen könnte.221 Es geht hier nicht um die Rechtsnorm selbst, sondern vielmehr um die Reflexion über den Moment der Entstehung einer neuen sozialen Norm, die offensichtlich mit der Rechtsnorm zusammenhängt. Schriftstellerinnen machen für den Parlamentarier einen signifikanten Faktor seiner viktorianischen Kultur aus. Es ist bekannt, dass Verse und Prosa im 19. Jahrhundert – während der „großen Revolution der Buchhändler“222 – in der Tat häufig und auf vielfältige Weise der imaginäre Fluchtweg der Frauen aus der alltäglichen Eintönigkeit und Enge des Hauses gewesen sind, indem sie ihnen das Eintauchen in eine selbst ausgesuchte Realität ermöglichten. Dass das Einschlagen dieses Fluchtwegs schließlich die Reaktion der Männer hervorrief und höchstwahrscheinlich auch mit der Idealisierung des Mutter- und Ehefrauendaseins zu Beginn 217 Vgl. den Hinweis bei Bodichon, Laws of England Concerning Women, S. 32. Zu seiner Teilnahme an der Kommission vgl. noch Hansard, 191 (1868), S. 1024. 218 Vgl. etwa Hansard, 198 (1869), S. 986; 202 (1870), S. 608ff. 219 Exemplarisch, weil sie sich im Wesentlichen auf die Jahre 1868–1870 beschränkt. Noch mehr Namen tauchen in den Diskussionen etwa seit 1880 auf, die ihren Abschluss mit dem Gesetz von 1882 finden. Daraus ergibt sich aber keine weitere Erkenntnis bezüglich der hier erörterten Fragen, abgesehen von der parteipolitischen Besetzung der Parlamente in den entscheidenden Jahren, worauf aber unten noch einzugehen ist. 220 Was als solches natürlich für keinen Kenner der deutschen Diskussion weiter überraschend ist. Allerdings dauert es manchmal länger, bis solche Erkenntnisse geschichtsphilosophisch reflektiert werden. 221 Was er auch bekommen sollte. Vgl. Married Woman’s Property Act 1870, Art. I, und oben im ersten Teil unter C. I. 4b, aa. 222 Hoock-Demarle, in: Duby/Perrot IV, S. 185.

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des 19. Jahrhunderts zusammenhängt, ist ebenfalls bekannt.223 Nun ist diese Reaktion aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist der Wandel des Frauenbilds, der den Wandel des Rechts nach sich ziehen will. Im Zeitalter der „Leistung“ wird die Frau als leistendes Wesen wahrgenommen und demzufolge entsprechend aufgewertet. Schon 1856, im Rahmen des ersten Anstoßes, ist dem Abgeordneten Perry von Bedeutung, auf diese soziale Position einiger der ersten Frauenkämpferinnen hinzuweisen. Es sei doch beeindruckend festzustellen, dass die Frauen, welche die Petitionen unterschrieben hatten, „ladies who had made the present epoch remarkable in the annals of literature“224 gewesen seien. Auch Lord Shaftesbury besteht auf Folgendes: „The claims of literary ladies ought to be considered. Two thirds of our tracts, and nearly all our most interesting and effective stories are written by women“.225 Die Bedeutung dieses Faktums hört hier allerdings nicht auf. Es hängt auch mit dem Inneren der Frauenbewegung zusammen. Zwar ist keinesfalls eine Verknüpfung der Präsenz von „literary ladies“ mit der Entstehung Letzterer vorzunehmen. Kennt man doch zahlreiche weibliche Romanautorinnen und Dichterinnen aus dem 18. Jahrhundert, zu einer Zeit also, in der von einer Frauenbewegung noch kaum etwas zu ahnen war.226 Wichtig ist aber oft, was wir aus unserer Vergangenheit und Gegenwart machen. Daher hat man zu Recht die neue, ausgesprochene Respektabilität der in der Welt der Kultur so namhaften Frauen mit der Bildung eines neuen Frauenselbstbewusstseins in Verbindung gebracht.227 Es genügte, dass auch Frauen an diesem eminent wichtigen, imaginär noch mit männlichem Intellekt und männlicher Schöpfungskraft assoziierten Gesellschaftskreis teilnahmen.228 So wurde im Rahmen der Frauen-

223 Hoock-Demarle, in: Duby/Perrot IV, S. 186, 191f., 194; besagtes Ideal, die „Kulturaufgabe“ der Frau, bringt Heinrich von Kleist folgendermaßen zum Ausdruck: „Deine Bestimmung, liebe Freundin, oder überhaupt die Bestimmung des Weibes ist wohl unzweifelhaft und unverkennbar; denn welche andere kann es sein, als diese, Mutter zu werden, und der Erde tugendhafte Menschen zu erziehen?“ (Über die Aufklärung des Weibes, S. 534). 224 Hansard, 142 (1856), S. 1273. 225 Hansard, 202 (1870), S. 610. 226 Vgl. dazu Bovenschen, Die imaginierte Weiblichkeit, S. 77. 227 Vgl. Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 366f. 228 Zur damit zusammenhängenden, aber doch auf einer anderen Ebene verorteten Integrationsfunktion von Literalität besonders für die Frauen s. die Analyse von HookDemarle, in: Duby/Perrot IV, S. 176.

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bewegung stets der Bezug auf solche bekannten weiblichen Figuren gesucht, die sich in der Welt der Fiktion und der Phantasie ausgezeichnet hatten.229 Durch das Auftauchen dieser Verknüpfung zwischen Frau und Gelehrsamkeit im politischen Diskurs zeichnet sich eben die Möglichkeit des Aufkommens egalitärer Vorstellungen ab.230 Das Gesagte bezieht sich wie erwähnt auf neue Frauenbilder, die erhobene Rechtsforderungen zu legitimieren vermögen. Schriftstellerisch tätige Frauen scheinen in der Tat solche neuen Vorstellungen hervorgerufen zu haben. Die Frage, ob und wieviele von diesen Frauen selbst, möglicherweise durch ihre Werke, Kritik am bestehenden Rechtssystem Englands geäußert haben, ist eine andere Frage. Sie stellt sich unbedingt angesichts des Umstandes, dass die Romanliteratur Englands in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in bedeutendem Grad als Medium der Sozialkritik fungiert, wofür der Name des großen Dickens steht. Auch lassen sich durchaus Frauen finden, die über ihre Gesellschaft ebenfalls kritisch reflektierten. Man könnte hier Charlotte Brontes Familienkritik in „Jane Eyre“ erwähnen.231 Dass sich Dickens mit dem Rechtszustand Englands mehrmals befasst hat, ist bekannt.232 Sein Verhältnis zu den Frauen in der Realität und auch zu den Frauen seiner Romane ist allerdings ambivalent.233 George Elliot hat sich aus ihrem besonderen, die Inhalte der darwinschen Lehre hinterfragenden Blickwinkel234 gerade zum ehelichen Güterrecht ausgelassen.235 Und in „Daniel Deronda“ ist sie der nunmehr wissenschaftlich gekleideten Legitimation männlicher Herrschaft entgegengetreten.236 Diese wenigen Hinweise mögen deutlich zeigen, dass die Frage nach dem Verhältnis und der Bedeutung von Romanliteratur und Rechtskritik im vorliegenden Kontext eine eigenständige Untersuchung verlangt. Hier kann nur abschließend konstatiert werden: Erstens werden „Frau und Familie“ in der 229 S. dazu Caine, English Feminism, S. 96 m.w.H. Als Beispiel könnte man hier noch die häufige Bezugnahme von Bodichon auf Jameson hinzufügen, die zudem der Frauenbewegung sehr nahe stand (vgl. etwa Bodichon, Women and Work, S. 39).v 230 Dabei ist klar, dass „egalitär“ hier Annäherung an das Männliche bedeutet. Zur Dialektik von „ergänzungstheoretischen Geschlechtsbestimmungen“ (Komplementarität) und dem Bild weiblicher Gelehrsamkeit Bovenschen, Die imaginierte Weiblichkeit, S. 142 und besonders S. 161–164. 231 Vgl. dazu die vielschichtige Analyse von Adams, in: Wohl, The Victorian Family, S. 148–179. 232 Dazu Holdsworth, Charles Dickens as a legal Historian; s. noch Wertheim, Law, Literature and Morality, S. 111–154. 233 Vgl. dazu Slater, Dickens and Women, S. 301ff. 234 Vgl. dazu Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 505. 235 Vgl. dazu Graver, George Elliot and Community, S. 167–183. 236 Vgl. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 505.

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Romanlitatur dieser Zeit zu einem bedeutenden Thema,237 zweitens avanciert „Frau und Literatur“ und ihre in jeder Hinsicht enge Beziehung im 19. Jahrhundert zu einem entsprechend vielfältig geschichteten Argument zugunsten der Forderungen der englischen Frauenbewegung. Genauso wichtig erscheint dabei, um zum Thema dieses Abschnitts zurückzufinden und diesen damit zu schließen, dass dieses Argument auch den männlich besetzten Bereich der Macht erreicht. c) Vergleichende Betrachtung238 Bisher kann man also festhalten: Von Seiten der Männer gab es in England zwar viel Widerspruch, aber noch mehr Zuspruch. Anders in Deutschland, wo es Vertreter des männlichen Geschlechts gab, die der Frauenbewegung seit ihren Anfängen unterstützend zur Seite gestanden bzw. eigentlich dieser angehört haben. Man denke nur an Karl Christian Friedrich Krause (1781–1832) und seine Schüler.239 Auch wenn man sich den „Machtzentren“ zuwendet, etwa dem deutschen Parlament, fällt einem selbstverständlich wieder das Beispiel von Stumm-Halberg ein.240 Aber angesichts der Zahl englischer Parlamentarier, die für eine Verbesserung der Frauenstellung eintraten und sich mit den Frauen zusammen seit den 50er Jahren diesem Zweck gewidmet hatten, scheint der Versuch eines einzelnen Abgeordneten von vornherein hoffnungslos, was er auch tatsächlich war. Er war sicherlich nicht allein, wird man einwenden. Greift man etwa aus der politischen Diskussion die zweite Beratung im Plenum des Reichtages exemplarisch auf,241 tauchen durchaus mehrere Ab237 Vgl. Showalterm, in: Wohl, The Victorian Family, S. 101–116; vgl. ergänzend Levine, Victorian Feminism, S. 28. 238 Zu einer umfassenden Untersuchung der deutschen Parlamentsdiskussion um das eheliche Güterrecht vgl. etwa Schmid, Die Entstehung, S. 134–144, bzw. Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 145–162. 239 S. zu diesem Aspekt, nämlich zur männlichen Unterstützung der Frauenbewegung, Rabe, Gleichwertigkeit von Mann und Frau, S. 14. In dieser Arbeit werden die Beziehung von Krause und seinen Schülern Röder und Ahrens zur Frauenbewegung sowie ihre kritischen Stellungnahmen zu verschiedenen Bereichen des Familienrechts ausgiebig untersucht. Zur selten frühen Teilnahme Röders an der deutschen Frauenbewegung (1869, Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins) vgl. noch Riedel, Gleiches Recht, S. 37f. 240 Vgl. etwa Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1317, wo er freilich die sozialdemokratische Forderung nach Geschlechtergleichberechtigung ablehnt. Die Bedeutung seines Einsatzes hebt schon Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 434, hervor. 241 Abgedruckt in Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, insb. S. 1303- 1333.

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geordnete auf, die für eine Änderung des Gesetzbuches Stellung beziehen. Besonders erwähnenswert erscheint der Umstand, dass von diesen Abgeordneten – etwa vom „roten Prinzen“ (Prinz zu Schönaich-Carolath) von den Nationalliberalen242 oder auch von Albert Traeger von der Freisinnigen Volkspartei243 – versucht wird, die Agitation der Frauenbewegung in die Diskussion einfließen zu lassen. Beide messen auch der Tatsache besondere Bedeutung zu, dass die dem Reichstag zugegangenen Petitionen auch von zahlreichen Männern unterschrieben worden waren.244 Man muss also hier betonen, dass zumindest in den abschließenden Beratungen zum BGB die Frauenbewegung als Faktor der Geschichte durchaus präsent ist. Verbindungen zwischen der Frauenbewegung und den Parlamentarieren sind also keineswegs eine eigentümlich englische Strategie gewesen. Man verfuhr seitens der deutschen Frauenbewegung ähnlich wie früher die englische Frauenbewegung, indem man durchaus den Anschluss an die „Männerwelt“ suchte. Dass dies auch zu greifbaren Ergebnissen, nämlich zur unmittelbaren Einflussnahme auf die parlamentarische Diskussion geführt hat, wurde ebenfalls unlängst untersucht.245 Auch Planck hatte von der Frauenbewegung gehört, „die jetzt mit großer Macht in Deutschland auftritt“.246 Aber dieser Macht steht das genuin deutsche Staatsdenken entgegen, welchem – in der Tradition Hegels – solche Formen der Selbstorganisation als etwas Partikulares und dem vom Staat vertretenen allgemeinen Interesse gegenüber als minderwertig galten.247 „Es wird dabei“, also bei den Bestrebungen der Frauenbewegung, „doch vielfach zu ausschließlich auf das spezielle Interesse der Frauen Rücksicht genommen und so wenig der große Zusammenhang der Rechtsinstitute, der Zusammenhang der Interessen und insbes. das große interesse an der Ehe berücksichtigt“.248 So lautete Plancks Antwort auf die Frauenbewegung kurz vor der Verabschiedung des neuen Gesetzbuches. Aber es war nicht nur Planck, der sich längst eine unerschütterliche Überzeugung gebildet hatte. Der Abgeordnete Rickert schildert mit aller erwünschten Eindeutigkeit die Hoffnungslosigkeit der Situation: „Un242 Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1330. 243 Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1305. 244 Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1307 (Traeger) und 1330 (Prinz zu Schönaich-Carolath). 245 Zur Einflussnahme von Marie Raschke und Emilie Kempin auf die Formulierung der Anträge von Pauli/Stumm-Halberg vgl. Riedel, Gleiches Recht, S. 445–449. Zu den genannten Anträgen selbst Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 151–154. 246 Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1327. 247 Dazu auch Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 407; vgl. sodann Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 250–252. 248 Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1327.

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sere Gegner halten es ja auch gar nicht einmal der Mühe für werth, das Wort zu ergreifen.“249 Die Mehrheitsverhältnisse im deutschen Reichstag waren erdrückend deutlich gegen eine Änderung des Güterrechts des BGB zugunsten der Rechtslage der Ehefrau. Möglicherweise aus demselben Grund war nach den Worten desselben Abgeordneten für die deutsche Frauenbewegung der erwünschte Zeitpunkt noch nicht gekommen. Es schien ihm zu früh und zugleich zu spät, um sich eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Reichstag zu erhoffen.250 Eine solche Äußerung offenbart schließlich den oben schon im Kontext der verfassungsrechtlichen Differenzen angedeuteten grundlegenden Unterschied zwischen den beiden Diskursen. Die deutschen Parlamentarier scheinen im Hinblick auf die gegenwärtige Problematik nicht den Eindruck zu haben, dass ihnen in diesem Gesetzgebungsprozess das erste und letzte Wort zusteht.251 Was von kompetenten Juristen schon ausgearbeitet worden ist, kann man – selbstverständlich unter dem Eindruck der anderen großen Entscheidung, der Herstellung von nationaler Einheit – nicht im letzten Moment über den Haufen werfen. In der englischen Diskussion dagegen gibt es für die Mitglieder des englischen Unterhauses überhaupt keinen letzten Moment. Eine Anspielung auf verpasste Zeitpunkte und Gelegenheiten findet sich nicht und eine solche scheint den englischen Parlamentariern gar nicht in den Sinn kommen zu können. Man begegnet vielmehr dem umgekehrt motivierten Gedanken. Wenn man nämlich die Frage der richtigen Zeit überhaupt anspricht, dann nur, um einen noch unreifen Gesetzesentwurf zur weiteren juristischen Bearbeitung zurückzuschicken.252 In England findet ein genuin parlamentarischer Diskurs statt. Anders in Deutschland. Bei dieser überblickartigen Einschätzung der deutschen politischen Lage sollte keinesfalls die Rolle der Sozialdemokratie für die „Frauenfrage“ vernachlässigt werden. Eine ihrer großen Persönlichkeiten, August Bebel, hat sich wie kaum ein anderer für die Gleichberechtigung der Frau engagiert. Entspre249 Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1329. 250 Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1329. 251 Typisch und vor allem bildhaft hilfreich in diesem Kontext die Strukturierung Wehlers, für welchen der Reichstag eben nur ein viertes Machtzentrum im Kaiserreich bildet. Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte III, S. 846. Dabei bezieht sich Wehler auf die „Bismarckära“, also auf die Zeit bis 1890. Doch auch er spricht in Bezug auf die unmittelbar folgenden Jahre von einer nur „schleichenden Parlamentarisierung“ (S. 1038–1045) der politischen Welt, was sich mit den eben im Text ausgeführten Gedanken zusammenfügt, zumal es hier auf die, wie auch immer festzulegende, strukturelle Positionierung des Parlaments in der Skala der politischen Herrschaft gar nicht ankommt. 252 Vgl. Hansard, 142 (1856), S. 1277.

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chend seinem Glauben an die Prärogative des Ökonomischen galt der vermögensrechtlichen Emanzipation der Frau sein besonderes Augenmerk.253 Doch Bebel und die Sozialisten gehören nicht wirklich zur deutschen Verfassung des Kaiserreichs.254 Auf das politische Leben üben sie – nicht unwichtig, siehe Sozialrecht – ihren Einfluss höchstens auf negative Weise aus.255 Obwohl Bebel im Parlament zeitweilig einladend formuliert und den Willen zur Verständigung hervortreten lässt,256 bleiben die sozialdemokratischen Anträge ihrem radikalen Vokabular treu, indem sie ausdrücklich absolute Geschlechtergleichberechtigung zu normieren bezwecken. Daneben kann man der hier in Bezug genommenen Diskussion leicht entnehmen, was im Ausgangspunkt gesagt wurde. Eine auch nur kurzzeitige Koalition mit den Sozialdemokraten war für die übrigen Parlamentarier kaum vorstellbar. Auch die bürgerliche Frauenbewegung distanziert sich von Anfang an von der sozialdemokratischen Rhetorik257 und kann sich die Revolutionsgespenster nicht zunutze machen, die sie bei manchen hervorrief. Auch in England hat man „Angst“ vor den Sozialisten. Aber der englischen Frauenbewegung bieten vor allem die mächtigen Liberalen ihre Unterstützung an. Die große Mehrheit der Abgeordneten, die sich zugunsten der Rechtsreform aussprachen, gehört den „Whigs“ an. Sie kommen 1869 an die Regierung und nehmen den Faden der Reform wieder auf.258 Im Jahre 1882 sind sie wieder in der Regierung, und Gladstones Kabinett scheint von Anfang an die Absicht gehegt zu haben, die Mängel des ersten Married Women’s Property Act 1870 zu beheben.259 Obwohl also auch die deutschen Frauen im deutschen Parlament Verfechter ihrer Interessen für sich gewinnen konnten, handelte es sich in England 253 Hier wird auf Bebel, Die Frau und der Sozialismus, Bezug genommen. S. dort insb. S. 457ff., explizit etwa S. 567. In den darauffolgenden Seiten zeigt er allerdings deutlich genug, dass ihm die ökonomische Emanzipation der Ehefrau kein Selbstzweck war. 254 Nipperdey, Machtstaat, S. 109. Darüber, dass sich der grundsätzlich anders orientierte „revisionistische“ Flügel der Partei nicht durchsetzen konnte, Nipperdey, ebda., S. 567. 255 Nipperdey spricht in diesem Zusammenhang vom identitätsstiftenden Bewusstsein der „negativen Integration“ bei den Sozialdemokraten (Machtstaat, S. 562). 256 Vgl. etwa Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 322, wo er dem Antrag von Stumm-Halberg für einen Augenblick zuzustimmen scheint. 257 Vgl. auch Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte III, S. 1092. So viel kann von der oben besprochenen „Spaltungstheorie“ zur Frauenbewegung übernommen werden. 258 Vgl. dazu Shanley, Feminism, S. 69f. 259 So Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 647; vgl. zur Kritik am ersten Reformgesetz Shanley, Feminism, S. 104f.

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um solche, die die Parlamentsmehrheit bewegen konnten. Es waren eben die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort.260 Auch dies muss man aber zum Schluss relativieren. Denn sonst würde Lord Selborne Unrecht getan, der als konservativer Lordkanzler die Annahme des Gesetzes 1882 vom House of Lords auf maßgebliche Weise prägte. Aus welchen Gründen er so und damit anders als einige Jahre zuvor gehandelt hat,261 ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Würde hier eine vorläufige Bilanz gezogen, wäre keiner der erwähnten Umstände als allein entscheidend anzusehen, nämlich weder die Tatsache, dass die englische Frauenbewegung ihre Aktivitäten sehr früh beginnt, denn in dieser Hinsicht steht es um die deutsche Frauenbewegung nicht viel anders, noch der Vorteil, dass sie zahlreiche parlamentarische Unterstützer findet, weil dies allein möglicherweise nicht zu den erwünschten Ergebnissen führt, wenn sich Letztere in der Opposition befinden. Es ist dabei selbstverständlich auch wichtig, in welcher Opposition sie sich befinden. Aber zuweilen genügt auch die parlamentarische Mehrheit nicht, wenn man es mit zwei Parlamentshäusern zu tun hat, und das zweite davon – hier: House of Lords –, um die Entscheidung des ersten mitzutragen, überzeugt zu werden verlangt. Völlig diffus wird die Situation, wenn dies von jemandem geleistet wird, der die Motive der erwähnten parlamentarischen Mehrheit nicht teilt. Es war ein Bündel von Umständen, die im Umfeld der Reform zu beobachten sind. Es ergibt sich nun die Frage, im Rahmen welchen Bündels von Umständen – oder im Rahmen welcher Welt – die deutsche Frauenbewegung handelte oder eben nicht handelte, also in juristischer Hinsicht die Handlung „unterlassen“ hat. 4. Hindernisse auf dem Weg der deutschen Frauenbewegung a) Die sog. 48er Reaktion Dass hier die politische Situation Deutschlands nach 1848 an erster Stelle zu stehen hat, wird kaum Verwunderung hervorrufen. Man spricht hier von einer Periode der „Reaktion“262 oder einer zweiten „Restauration“.263 Zustände, welche man am Verfassungszustand des politisch vorherrschenden Preußen

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S. auch Young, Portrait, S. 106f. Vgl. dazu Shanley, Feminism, S. 122–124. m.w.H. So Nipperdey, Bürgerwelt und starker Staat, S. 675. So G. Mann, Deutsche Geschichte, S. 251.

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abliest.264 Preußen fördert manche Reformbewegungen und bremst andere.265 Im Hinblick auf die Familie bleibt die Politik von Anfang266 bis Ende konservativ und vor allem einflussreich. Die Herrschaftsstellung des Mannes in der Familie nach dem BGB wird mitunter auf diesen Einfluss zurückgeführt.267 Der reaktionäre Geist äußert sich für die deutsche Frauenbewegung am fatalsten durch die preußischen (und bayerischen) Vereins- und Pressegesetze.268 Sie wird dadurch entscheidend zurückgeworfen. Nach der Enttäuschung darüber, dass ihre Forderungen nicht in die Forderungen der Revolutionäre eingeschlossen worden waren, wurde den Frauen staatliche Repression zuteil. Diese wird von Gertrud Bäumer im Rückblick als entscheidende Hemmung der Entwicklung der Frauenbewegung interpretiert und zeitlich auf die 80er Jahre des Jahrhunderts bezogen.269 Man kann vermuten, dass dies die Zeit war, in welcher der größte Einfluss auf die Entstehung des BGB seitens der deutschen Frauenbewegung hätte ausgeübt werden können. Die Repression/Hemmung äußert sich nicht nur durch Rechtsnormen. Sie prägt das Imaginäre der Zeit. Vorher existierende kulturbezogene und der Kultur angehörende270 Kanäle der Sozialkritik werden rigoros verstopft. Der emanzipatorische Roman, der die Frau ebenfalls zum Thema hatte,271 wurde Vergangenheit.272 Desgleichen wurde die sich literarisch betätigende Frau als Kulturphänomen getilgt.273 Die Romanliteratur sollte erst gegen Ende des Jahrhunderts ihre 264 Vgl. G. Mann, Deutsche Geschichte, S. 259–263; s. auch Nipperdey, Bürgerwelt und starker Staat, S. 681. 265 So Wesel, Geschichte des Rechts, Rn. 268. 266 Gemeint sind hier die beabsichtigten, aber nur zum Teil realisierten Reformen in Bezug auf das Scheidungsrecht, an deren inhaltlicher Ausgestaltung bekanntlich auch Savigny maßgeblich beteiligt war. Zum konservativen Charakter dieses Reformvorhabens auch Buchholz, Savignys Stellungnahme, Jus Commune 1979, insb. S. 165– 177, wo ebenfalls einige nicht-konservative Züge der Ansicht Savignys beleuchtet werden. S. dort auch zum Nichtehelichenrecht, S. 186–191. 267 Wesel, Geschichte des Rechts, Rn. 282; insgesamt abwägend, aber ohne speziellen Bezug auf das Familienrecht Nipperdey, Machtstaat, S. 108f. sowie 486f., für die Zeit nach Bismarck. 268 Dazu ausführlich U. Gerhard, Unerhört, S. 64–70. 269 Bäumer, Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, in: Lange/Bäumer, Handbuch der Frauenbewegung, Teil I, S. 75f. Zu einer anderen Seite der Stagnation der deutschen Frauenbewegung in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts Riedel, Gleiches Recht, S. 140. 270 Mit „Kultur“ ist hier, anders als sonst in dieser Arbeit, die Welt der Ästhetik, also der „schönen Künste“ gemeint. 271 Nipperdey, Bürgerwelt und starker Staat, S. 577. 272 Vgl. auch Hoock-Demarle, in: Duby/Perrot IV, S. 198. 273 S. Hoock-Demarle, in: Duby/Perrot IV, S. 192.

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gesellschaftskritische Rolle wieder bekleiden und Familienkritik – etwa durch Theodor Fontane – ausüben können.274 Dieses Schicksal der deutschen Frauenbewegung, ja der deutschen Kultur, ist kein Phänomen, das sich auf Deutschland beschränkt. Der Geist der Restauration durchkreuzt in diesen Jahren mehrere Länder Mitteleuropas. Die französische Frauenbewegung wird ebenfalls maßgeblich davon betroffen.275 Es handelt sich eben um eine „große europäische Reaktion“.276 Doch England, und hier liegt der entscheidende Beitrag dieser Ausführungen, gehört nicht zu diesem Europa. Die sich dort erhebende liberale Bewegung – die, anders als die deutschen Liberalen, die Fraueninteressen seit Anbeginn beachtet – lebt in einer ganz anders gearteten politischen Welt und formuliert, wie gleich zu zeigen ist, entsprechend unterschiedlich akzentuierte Forderungen. Die sog. „48er“ als solche gibt es in England nicht. Zugespitzt formuliert: Dort findet man nur das Jahr 1848 vor. Ein Jahr politischer Stabilität, Teil relativer Kontinuität.277 Die „48er“ sind ein Charakteristikum des „Handelns“ der deutschen Frauenbewegung. b) Die politisch-symbolische Imagination des „Männlichen“ Ein weiteres genau zu datierendes Charakteristikum der politischen Umwelt der deutschen Frauenbewegung war der Krieg von 1870/71. Er hat die deutsche Frauenbewegung nämlich auch entscheidend zurückgeworfen.278 Auf welche Weise? Der Krieg ist das Gründungsmoment des Reiches und der Corps.279 Im letzten Drittel des Jahrhunderts bildet sich in Deutschland ein besonderes Männlichkeitsideal heraus, und es kann nicht übersehen werden, dass es das BGB begleitet. Auch dagegen hatte die deutsche Frauenbewegung anzukämpfen. „Obrigkeit ist männlich“, rief Heinrich von Treitschke seinen Studenten zu, „das ist ein Satz, der sich eigentlich von selbst versteht“!280 Womit er unter anderem begründete, dass der „eigentliche Beruf des Weibes […] zu allen Zeiten das Haus und die Ehe“ sein wird.281 Von selbst versteht sich eigentlich, dass Obrigkeit vorhanden ist. Sie symbolisiert sich zunächst im Weiterleben 274 275 276 277 278 279 280 281

Vgl. Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 45. Dazu Ferro, Histoire de France, S. 869, bzw. Rendall, The Origins, S. 294, 295f. So Droysen, zit. nach G. Mann, Deutsche Geschichte, S. 255. Vgl. die kurze Anmerkung von Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 129f.; s. auch Hobsbawm, Europäische Revolutionen, S. 597f. Das hat U. Gerhard, Unerhört, S. 90–97 (insb. S. 94), bereits herausgearbeitet. Zum Folgenden vgl. U. Gerhard, Unerhört, S. 100–103. Politik I, S. 252. Politik I, S. 258.

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adliger Ideale. Keinesfalls wird man von der deutschen Gesellschaft als einer Adelsgesellschaft sprechen dürfen,282 aber das „Herrenhaus“ ist bis 1918 Realität.283 Obrigkeit bedeutet aber vor allem Militär und dieses nimmt nach den erfolgreichen Kriegen eine Sonderposition innerhalb der deutschen Gesellschaftsstruktur ein.284 Junge Männer waren mit Stolz erfüllt, ihrer Wehrpflicht „genügt“ zu haben. Sich dem Militärdienst lebenslang verschrieben zu haben, war für Joachim, den Vetter Hans Castorps in Thomas Manns „Zauberberg“, geradezu Teil seiner Identität. Eine Identität, die ihm auch allseitigen Respekt garantierte. Die Uniform überhaupt schrieb einem „seine Männlichkeit ins Gesicht“, sagt Heinrich Mann in Bezug auf seinen „Untertan“ in deutlich kritischer Absicht. Letzterer (der Untertan) hatte schon in seiner Studentenvereinigung Folgendes gelernt: Man soll zur „Mannhaftigkeit und zum Idealismus“ erzogen werden. Und dies gelang nur mit „verdammt strenge(r) Zucht“.285 Geschlechterverhältnisse wollen zu einem großen Teil erlernt, gesellschaftlich konstruiert werden. Ein wesentlicher Teil der Studentenvereinigungen der Zeit übt die jungen Männer in die im Militär herrschende Autorität ein.286 Ein Autoritätsdenken, das sie dann ihrer ganzen Gesellschaft weitergeben. Sie erreicht auch das Familienleben.287 Und, wie schon Marianne Weber gesehen hat, gelangt das erwachende adlig-militärische Männlichkeitsideal auch in das Familienrecht des BGB.288 Dem patriarchalen Lebensbild versicherte es seine Existenz.289 282 Vgl. Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 392. 283 Nipperdey, Bürgerwelt und starker Staat, S. 680. Zum Einfluss des Adels auf die deutsche Politik ders., Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 417f. 284 Dazu Nipperdey, Machtstaat, S. 233; Rosenbaum, Formen der Familie, S. 320–325. 285 Alle zitierten Stellen aus dem „Untertan“ stammen aus dem ersten Kapitel des Buches. 286 Dazu Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 582f. 287 Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 421; zum militärisch geprägten Autoritätsdenken in der damaligen deutschen Gesellschaft ders., Machtstaat, insb. S. 234– 238. 288 Marianne Weber, Ehefrau und Mutter, S. 411; auch Kocka, Das lange 19. Jahrhundert, in: Gebhard, Handbuch B. 13, S. 110, scheint dieselbe Verknüpfung vorzunehmen. Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte III, S. 178, spricht von den „wilhelminischen Züge(n) der Feudalisierung und Militarisierung des Bürgertums“, die auch bei den Juristen zu beobachten seien. Die herausragende Stellung gerade der Juristen, die vielleicht sogar stärker an der inhaltlichen Ausgestaltung des BGB beteiligt waren als die Politiker, wurde oben schon betont. Hinzugefügt sei noch die Einschätzung Max Webers, der in Bezug auf den bismarckschen Staat von einem Staat spricht, der sich auf „Ehre und Kameradschaft“ gründen wollte. Vgl. Max Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland. I. Die Erbschaft Bismarcks, S. 318. 289 Nur der Ehemann ist zum Regieren berufen, nur der Ehemann ist zur Vermögensverwaltung berufen. Dass es auch in England solche gedanklichen Assoziationen gege-

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Bei dem geschilderten Männlichkeitsideal, das ist die besondere Verbindung des Militärischen mit dem Männlichen,290 handelt es sich um ein eigentümliches Kulturmerkmal der deutschen Gesellschaft des letzten Viertels des 19. Jahrhunderts, das als solches dargestellt wurde. Es kann und soll demzufolge kaum in Verbindung mit englischen Symbolisierungen und Realitäten gesetzt werden.291 Die Militarisierung der Gesellschaft und die Theorie des Staats vom „männlichen Geschlecht“292 waren Zustände, mit denen sich die deutschen Frauenkämpferinnen auseinanderzusetzen hatten.293 Symbole, die das Geschlechterverhältnis des BGB trugen.

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ben hat, wurde oben schon deutlich gemacht, vgl. wieder Hansard, 195 (1869), S. 791. Von Bedeutung ist schließlich, dass die damit angesprochene Institutionalisierung der Ehe, d.h. die integrative Verschränkung zwischen dem Familienleben und der staatlichen Regierungsform, eine Entscheidung des deutschen BGB-Gesetzgebers war. Dagegen konnte sie in England unter dem Eindruck vor allem des Utilitarismus zu keinem großen Erfolg avancieren. Dies wird im nächsten Abschnitt zum „juristischen Imaginären“ ausführlicher behandelt und dann, erst aus diesem Gesamtbild wird vielleicht die Bedeutung des so öffentlich-rechtlich anmutenden „männlichen Imaginären“ für das eheliche Güterrecht des BGB deutlicher hervortreten. Denn es geht eben nicht nur um die Berufung des Mannes zum Regieren, sondern auch um die Erziehung „zur Mannhaftigkeit“ nach militärischem Vorbild, also schließlich um die Erziehung zur hierarchischen Herrschaft als einzige Form des Zusammenlebens, bei welcher dem Mann wie selbstverständlich das letzte Entscheidungsrecht zukommt. Es gibt dennoch ein dazu kontrastierendes englisches symbolisch besetztes Imaginäres, das Erwähnung verdient. Es handelt sich um die Tatsache, dass in England der höchste Rang politischer Herrschaft von einer Frau besetzt wurde. Es dauerte nicht lange, bis englische Frauen ihre Forderungen mit diesem Faktum der politischen Welt bekleideten (vgl. Fawcett, Woman’s Suffrage, S. 13). Wodurch sich nebenbei die Möglichkeit widersprüchlicher symbolischer Besetzung desselben Gegenstandes offenbart. Zum Ganzen wäre sicherlich einiges noch zu sagen, wie z.B., dass im hier sog. „viktorianischen Imaginären“ sich vor allem die Persönlichkeit Viktoria als prägend erweist, während in der jetzt behandelten Problematik doch die besondere Verknüpfung der politischen Macht mit dem abstrakt Weiblichen im Vordergrund steht. Letzteres gehört der englischen Geschichte an und entfaltet dort seine Wirkung. Das alles kann schließlich nicht weiter vertieft werden. Denn es geht hier um die deutsche Frauenbewegung und die Frage, warum sie nicht Ähnliches wie die englische Frauenbewegung erreicht hat, wozu die Symbolifigur der englischen Königin irrelevant ist. Vgl. Dazu Bock, Frauen in der europäischen Geschichte, S. 185. S. auch die diesbezüglichen Vergleiche von Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 417f., 419; ders., Machtstaat, S. 102, 234–236. Zum Weiterleben des Adels in England vgl. aber auch Young, Portrait, S. 85. Dennoch sind entsprechende militärisch geprägte Legitimationsstrukturen der männlichen Herrschaft aus der englischen Diskussion nicht bekannt.

266

Die Frauenbewegung

V. Ergebnis In diesem Abschnitt wurde von Anfang an nach den „Gründen“, also nach Verständniszugängen für die Tatsache gefragt, weshalb das Ehegüterrecht des BGB am patriarchalen Prinzip festhält, während die englische Rechtsordnung damit zu brechen beginnt. Angesetzt wurde bei der Frauenbewegung, da in beiden Ländern zur Zeit der jeweiligen Gesetzgebung eine solche existierte. Schon daraus erwies sich die Relativität der zeitlichen Differenz.294 Die Frauenbewegung ist also als ein Faktor aufgefasst worden, der den erwähnten Bruch entscheidend geprägt hat. Dies bezieht sich allerdings nur auf England, obwohl in beiden Ländern Frauenbewegungen aktiv waren. Daher musste der Blick auf den gesamtkulturellen Rahmen gelenkt werden, in dem jede der beiden Frauenbewegungen agierte. Im Hinblick darauf konnte zwar nicht geleugnet werden, dass beiden Gesellschaften im Hinblick auf ihre Familien- und Frauenbilder ein bestimmter imaginärer Ausgangspunkt gemein ist. Es hat sich aber erwiesen, dass es genügend Unterschiede gab, namentlich auf politischem Terrain, die das abweichende Ergebnis beider Gesetzgebungsinitiativen verstehen lassen. Demgemäß lautete das Ergebnis der Untersuchung in Bezug auf die Frauenbewegungen folgendermaßen: Zwei unterschiedliche Emanzipationsbewegungen handeln in zwei unterschiedlichen Welten. Zentraler Bestandteil dieser Welten ist ihr jeweiliges Recht. Recht wird hier unter anderem als Institution begriffen. Eine Institution hat zwei Funktionen – sie nimmt auf und gibt weiter. Die ausführliche Erörterung des älteren Common Law und der Equity im ersten Teil dieser Arbeit diente dem Zweck, herauszufinden, was das englische Recht an die Gesetzesreformer weitergegeben hatte. Das reichte als Tradition offenbar zur Verbesserung der Rechtslage der Frau nicht. Die Ausgangslage des deutschen Gesetzgebers wurde dagegen als etwas günstiger angesehen. Die Möglichkeit, Tradition oder Neues in geltendes Recht umzuwandeln, wurde im Vorangegangenen über das Handeln der Akteure und über ein Verständnis des Handlungsrahmens verfolgt. Von diesem Rahmen blieb bisher der genuin juristische Teil ausgespart. Dem soll jetzt ein eigenes Kapitel gewidmet werden. Denn es sind vor allem die Rechtsphilosophen und -historiker, die im 19. Jahrhundert auf abstrakte und konkrete Weise darüber nachdenken, ob und was im geltenden Recht geändert werden soll. Ihr Diskurs entwickelt eine solche Dynamik, dass er die politische Entscheidung auf vielschichtige Weise „determiniert“. Worüber man sprechen kann und worüber nicht, hängt mitunter davon ab, wie sich das zu Sagende 294 Welche aber nicht bedeutungslos geworden ist.

Ergebnis

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in die juristische bzw. rechtsphilosophische „Sprache“ integrieren lässt.295 Im 19. Jahrhundert schöpfte die juristische Einbildungskraft in jedem der beiden Länder eine neue juristische Landschaft. Hinsichtlich der hier untersuchten Frage wies sie in England zahlreiche Verbindungen mit dem Kämpferischen und dem Politischen ihrer jeweiligen Umwelt auf, so dass man diese rechtstheoretischen Imaginationskonstrukte als eine weitere Triebkraft der Gesetzgebungswerke verstehen könnte. Die Zusammenhänge dieser Triebkraft zum Bruch mit dem patriachalischen Prinzip im englischen Recht werden im Folgenden ebenfalls beleuchtet. In Bezug auf Deutschland stellt sich die Frage anders. Es kommt darauf an, auch hier zu konstatieren, ob und warum im juristischen Imaginären und von dort aus im politischen Imaginären dieser Bruch nicht erwünscht war (sein konnte).

295 „Sprache“ wird nicht zuletzt deshalb in Anführungszeichen gesetzt, weil hier nicht die rein juristische Terminologie gemeint ist, sondern vielmehr das jeweilige, auf das Recht bezogene Denksystem. Dies ist es ohnehin nicht nur Sprache.

E. Das juristische Imaginäre1 I. Die Welt der Ehe als Paradoxie und die Sonderstellung einer Familienrechtsdiskussion Die Familie ist die Inkarnation des Prädikats „viktorianisch“, davon wurde bereits gesprochen.2 Die viktorianische Gesellschaft ist allerdings nicht nur Familie, das ist ebenfalls mehr als bekannt. Sie ist vor allem rasante Dynamik, für die Zeitgenossen eine nahezu verwirrende Entwicklung in fast allen Lebensbereichen, die sich vom Wissenschaftlichen bis zum Industriellen erstreckt. Der rasche Abbau sozialer Barrieren ermöglicht den plötzlichen sozialen Aufstieg, genauso wie den abrupten sozialen und finanziellen Verfall. Der Traum von der „Wohlstandsgesellschaft“ wird noch geträumt, der Sozialstaat ist noch eine schwache, fernliegende Vorstellung, die soziale Frage und die Gassen von „Coketown“3 sind dagegen Realität. Inmitten dieser harten Welt fungiert gerade die Ehe, wie im Vorangegangenen aufgezeigt, als Refugium, und zwar als das Refugium des Mannes. Dies ist selbstverständlich nur in denjenigen Köpfen der Fall, die eher die Dynamik der Entwicklung als die Schwere des Verfalls wahrnehmen. Erst hier entfaltet sich auch die Paradoxie, von welcher in der Überschrift dieses Kapitels die Rede ist. Als Bourgeois wünscht man sich eine gnadenlose Welt des Kapitals, eine Welt der Evolution und hofft, dass man selbst der überlebende Stärkere sein wird. Zugleich wünscht „Mann“ sich einen „Hort der Ruhe“, in welchem er sich wiederfinden kann und wo sein Gefühl der Entfremdung durch die Erinnerung an die Tradition kompensiert wird.4 „Morally conservative and 1

2 3 4

Wenn im Folgenden die Darstellung der deutschen Entwicklungslinie relativ einseitig ausfallen wird, dann sei hier schon einmal betont, dass damit die nichtparlamentarischen Stimmen, welche sich für eine Verbesserung der vermögensrechtlichen Lage der Ehefrau entweder im Rahmen der ersten Kommission oder sogar in der juristischen Diskussion eingesetzt haben, nicht etwa ignoriert werden. Es geht aber in diesem Abschnitt nur darum, dasjenige Imaginäre und seine Wurzeln zu untersuchen, welches im Endergebnis des BGB sichtbar wurde, welches also von den maßgeblichen Mehrheiten getragen wurde. Vgl. im zweiten Teil unter B. I. Die Industriestadt im Roman „Hard Times“ von Charles Dickens. Zu dieser Realität noch Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 573–588. Die Paradoxie formuliert ebenfalls Young, Portrait, S. 153; genauso Schwab, Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 271f.; der Ansicht von Young beipflichtend Wohl, The Victorian Family, Introduction, S. 10.

Die Welt der Ehe als Paradoxie

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intellectually progressive“,5 so erträumt man sich seine Welt – nach vorne schauend und nach hinten abgefangen: Vision und Erinnerung. Diese Erinnerung ist freilich die Realität der Frau. Denn sie ist dafür verantwortlich, dem Ehemann sein Refugium so angenehm wie möglich zu gestalten. Aus diesen Überlegungen resultiert zwanglos, was hier an anderer Stelle schon angedeutet wurde: eine Sonderstellung der Familienrechtsdiskussion. Im 19. Jahrhundert wächst die „Gesetzgebung“ als wichtigste staatliche Aufgabe ins öffentliche Bewusstsein. Deswegen und weil andere Rechtsgebiete grundlegenden Reformen unterworfen werden, entfaltet sich überhaupt erst eine Diskussion um das Familienrecht. Zugleich entsteht aber – schon etwas früher und unterschiedlich je nach Kulturkreis – ein ganz neues Gefühl der Privatheit und der Intimität.6 Steht die Gesetzgebung für Reformierung und Anpassung an den sonstigen gesellschaftlichen Wandel, tritt dem eine Abschirmung der Familie als dem Ort, wo die besagte Privatheit erlebt wird, gegenüber. Sie soll der einzige Lebensbereich bleiben, dem sich die Gesetzgebung nicht oder nur sehr vorsichtig soll nähern dürfen.7 Die Sonderstellung der Familienrechtsdiskussion besitzt dann eine doppelte Dimension. Einmal macht sich eine konservative Haltung stark, von welcher in dieser Arbeit schon einige Beispiele gegeben wurden.8 Zweitens ist es kein Geheimnis, dass die genannte Abschottung der Familie mit dem Gedankengut des „politischen Liberalismus“ in Verbindung gebracht wird. Im rechtstheoretischen Denkschema avanciert hier zum ersten Mal mit solcher Deutlichkeit die Unterscheidung zwischen Recht und Moral. Der Umstand allerdings, dass ihre Herkunft keinesfalls nur der liberalen Denkweise zugeschrieben werden kann, gibt bereits zu denken. Wenn man also davon ausgeht, dass die geschilderte Sonderstellung der Familienrechtsdiskussion in beiden Ländern mit ähnlicher Struktur anzutreffen ist, wenn also das alte Familienrecht nicht widerstandslos von der Reformflut mitgerissen wurde, sondern vielmehr das theoretische Imaginäre solide Dämme dagegen gebaut hatte, lautet die Frage nun dementsprechend: Welche theoretischen, d.h. hier in erster Linie philosophischen, Einfälle sind dann dafür mitverantwortlich zu machen, dass das englische Familienrecht diese Dämme durchbrochen hat? Abermals

5 6 7 8

Vgl. Young, Portrait, S. 75; eine ähnliche Funktion wie die Familie übernimmt in England die alte Universität, vgl. dazu Young, Portrait, S. 95. Dazu Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, § 6. Vgl. vorläufig Schwab, Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 278–298. Vgl. etwa die Stellungnahmen der Abgeordenten, die sich dem 1870er Gesetz entgegengestellt haben. Vgl. im ersten Teil C, I, 4.

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geht es nur darum, kulturelle Eigenheiten/Traditionen9 aufzudecken und nicht darum, alle emanzipatorischen Stimmen zu vernehmen. So hat sich in England ein gewisser Utilitarismus oder ein englischer Liberalismus breit gemacht, während sich Deutschland seiner historischen Rechtsschule oder seiner Pandekten immer noch rühmen kann. Es handelt sich um unterschiedliche Formen rechtskultureller Schöpfung, die sich auf die jeweiligen Frauenforderungen womöglich unterschiedlich auswirkten. Im Folgenden ist das angedeutete zweigliedrige Schema zugrunde gelegt. Die Gegenüberstellung familiäre Privatheit – staatliche Gesetzgebung wird übersetzt als „Recht und Moral“. Konservativen und progressiven „Gesetzgeberberater“ werden als „Recht und Tradition“ bezeichnet. Beides geht inhaltlich, soweit bestimmte Individuen das Wort ergreifen, ineinander über.

II. Recht und Moral oder Staatliche Gesetzgebungsbefugnis und Eherecht Wie der Liberalismus bezüglich der Eingriffsbefugnis des Staates in den privaten Raum der Familie verstanden wurde, führt uns der große Nichtliberale Jean-Jacques Rousseau vor, als er sich in Auseinandersetzung mit Locke daran macht, sein Frauenbild auszumalen. John Locke hatte bekanntlich versucht, die politische Symbolkraft der Familie zu erschüttern, ihr ihre fundamentale Bedeutung für die politische Herrschaft seiner Zeit zu entziehen und gab ihr dadurch einen eigenen rechenschaftslosen Entfaltungsraum.10 Sobald sich der junge Gentlemann dabei befinde zu heiraten, sei es Zeit, ihn im Beisammensein mit seiner Geliebten zu belassen. Rousseau legt Locke diese Worte in den Mund und weigert sich, ihm in dieser Ansicht zu folgen.11 Selbstverständlich folgte er ihm nicht, denn er befand sich gerade dabei, sein Frauenbild für seine Gesellschaft zu konstruieren. England knüpfte dagegen sehr wohl an den Begründer des politischen Liberalismus an und entwickelte daraus eine prinzipielle Staats- und Gesetzgebungsskepsis. Dies bezieht sich sicherlich vor allem auf ökonomische Theorien, die wohlgemerkt damals, etwa bei Adam Smith, zugleich Sozial- und Moraltheorien sind. Außerdem traten die inneren und äußeren Widersprüche dieser Einmischungsskepsis immer deutlicher zutage und riefen ihrerseits erstens Zurückhaltung und zweitens neue Gedankenwege 9 In diesem ganzen Abschnitt wird von „Traditionen“ auch in Bezug auf neue, gerade im 19. Jahrhundert entstandene Traditionen gesprochen. 10 Vgl. dazu Rendall, The Origins, S. 8f. 11 Rousseau, Émile, S. 465.

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zur Weiterentwicklung des Lockeschen Liberalismus hervor.12 Das betrifft aber wieder zunächst nur den ökonomischen Bereich. Für den familiären Bereich bleibt die Sankrosanktheit des Heimes nach wie vor unberührt.13 1. Der Liberalismus und „Die Privatheit der Familie“ Die Aufgabe der neuen Fundierung wird im hier relevanten Zeitalter der große zeitgenössische Erbe des englischen Liberalismus14 übernehmen: John Stuart Mill. Vor Mill und dem Liberalismus erhob sich seit einigen Jahrzehnten eine gesetzgeberische Realität, die seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts herrscht. Gemeint ist vor allem eine solche gesetzgeberische Realität, die den Familienbereich betrifft und das angeschnittene Gefühl der Privatheit sogar angreift. Das politische Interesse wendet sich verstärkt dem Innenbereich des Heimes zu. Malthus spricht das aus religiöser Perspektive heikle Thema der Geburtenkontrolle an, Frauen- und Kinderarbeit sind Gegenstände der Gesetzgebung, das Problem der unehelichen Kinder ist nun ein soziales Problem.15 Seit den 40er Jahren wird den Menschen immer mehr bewusst, dass sie weder die Stelle, wo sie ihr Haus bauen wollen, noch die Ausbildung ihrer 12 Dazu Hobsbawm, Europäische Revolutionen, S. 452–480, insb. S. 465f. Es geht hier nicht um seine Überwindung etwa durch den Marxismus, sondern um Gedanken, die sich in sei­nem Rahmen entfalten. 13 Landes, Wohlstand und Armut, S. 226: „My home is my castle“. Das Wort galt auch Stumm-Halberg als Beweis des Vorbildcharakters der englischen Familie, womit er Argumenten zu begegnen versuchte, die von der einzigartigen Innigkeit und der unberührten Moralität des deutschen Hauses auf die Richtigkeit des BGB-Güterrechts zu schließen wünschten. Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1321. 14 Wobei man differenzieren muss: Der englische Liberalismus weiß zwar schon an Locke anzuknüpfen. Das heißt aber nicht, dass er im 19. Jahrhundert nicht Neues bedeutet. Der englische Liberalismus des 19. Jahrhunderts bekommt seine Impulse und seine diskursive Verortung durch seine zunächst pejorativ vorgetragene Verknüpfung mit den europäischen Emanzipationsbewegungen der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts und dann durch seine Konnotation mit der Forderung nach gegsetzlichen Reformen (vgl. Leonhard, Europäische Liberalismen, ZRG-Germ. 2004, S. 345, 347). Diese semantische Evolution des englischen Liberalismus scheint mit der im Folgenden darzulegenden immanenten Verknüpfung der Abwehr staatlicher Willkür mit der Forderung nach politischer und (somit auch) rechtlicher Emanzipation des einzelnen Bürgers, was in die Forderung nach Gleichheit mündet, im Millschen Liberalismus parallel zu verlaufen. 15 Hilton bringt das alles sehr deutlich mit einer tendenziellen Verbesserung der sozialen Stellung der Frau in Verbindung (Mad, Bad & Dangerous People, S. 366).

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Kinder frei wählen können.16 Als religiöse Animositäten noch stark genug waren, realisierte man, dass der Plan von der staatlichen Ausbildung an den tiefsten Fundamenten der individualistisch-liberalen viktorianischen Anthropologie rüttelte.17 Rechtliche Maßnahmen betreffend Ausbildung und Gesundheit stellen das Verhältnis zwischen Person, Familie und Staat auf völlig neue Grundlagen. Selbstverständlich dauert es noch Jahre bis die neuen Grundlagen internalisiert werden. Der maßgebliche „Education Act“ kommt erst im Jahre 1870.18 Die Hygiene-Gesetzgebung von 1873 wird gerade deshalb verzögert, weil solche Maßnahmen gegen die Heiligkeit des Heimes verstoßen.19 Dies sind aber gewissermaßen Abschlüsse einer Entwicklung. Denn die Probleme wurden schon früher zu Problemen des Staates erklärt, und die privatesten Lebensbereiche sind für die Gesetzgebung längst kein Tabu mehr. Ab 1850 wird sich diese Entwicklung nur noch intensivieren.20 Möglicherweise ist es diese neue Gesetzgebung, welche die Frauenbewegung dazu animiert, ab den 70er und dann zentral ab den 80er Jahren die viktorianische Sexualmoral nicht nur für den familiären Rahmen zu thematisieren.21 Auch das neue Scheidungsgesetz aus dem Jahre 1857 steht in diesem Zusammenhang. Obwohl es sich für die Frauensache eher kontraproduktiv ausgewirkt hat, lässt sich seine Signalwirkung nicht übersehen. 2. Der Liberalismus und die Freiheit der Frau John Stuart Mill ignoriert diese Realität nicht. Vielmehr nimmt er sie an und bemüht sich, seine Theorie darauf aufzubauen. Mit Vehemenz und Phantasie verteidigt er 1859 in seinem einflussreichsten Werk „On Liberty“ die Freiheit des Individuums gegenüber der Macht des Staates und der Übermacht des demokratischen Kollektivs, ein bekanntes Motiv des viktorianischen Liberalismus. Dabei verfällt er aber nicht dem Grundwiderspruch des sog. klassischen, 16 So Young, Portrait, S. 52, mit Quellennachweisen zum genannten Bewusstsein. 17 Vgl. Young, Portrait, S. 60f. 18 Holdsworth, A History XIV, S. 97, XV, S. 29.; s. noch Young, Portrait, S. 116. Zum Thema Bildung ist dann noch auf die kontinuierlich steigende Anzahl der sich bildenden Frauen und der sie ausbildenden Institutionen hinzuweisen. Nach Young (Portrait, S. 91) liegt darin eine Manifestation der realen Erosion der Theorie von den getrennten Handlungssphären. 19 So Young, Portrait, S. 124. 20 Vgl. Young, Portrait, S. 81f. 21 Auch Levine, Victorian Feminism, S. 128, 131, sieht die ganze Familiengesetzgebung als Teil des neuen Verständnisses für die Staatsaufgaben.

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aber vielfach auch des modernen Liberalismus, zwar einen Staat zu wollen, der sich aber in seiner Tätigkeit auf den wie auch immer definierten öffentlichen Bereich beschränken soll.22 Er ist sich des Umstandes bewusst, dass Menschen in einem Gemeinwesen auf verschiedenste Weise aufeinander treffen und dabei reale Machtungleichgewichte bestehen. Die Familie ist ihm ein Paradigma eines solcher Art strukturierten menschlichen Zusammenlebens. Er zögert nicht, hier staatliche Intervention zur Einebnung bestehender Ungleichheiten zu bejahen, ja sogar zu fordern: „The State, while it respects the liberty of each in what specially regards himself, is bound to maintain a vigilant control over the exercise of any power which it allows him to possess over others. This obligation is almost entirely disregarded in the case of the family relations, a case, in its direct influence on human happiness, more important than all others taken together.“23

Dann folgt seine Forderung, die Rechte der Ehefrauen denen der Ehemänner anzugleichen. Letzterem widmet er zehn Jahre später eine weitere Publikation, die seitdem fast ohne Übertreibung als die „Bibel der Frauenbewegungen“ bezeichnet werden kann: „The Subjection of Women“.24 Zwar lässt er in „On Liberty“ bezüglich der Familie seine utilitaristische Disposition aufglimmen, als er die Familie im Dienste menschlichen Glücks betrachtet, und John Stuart Mill ist gewiss ein Denker, der beide Philosophien entscheidend zu prägend vermochte, aber „The Subjection of Women“ ist eher ein Plädoyer für die Freiheit der Frau als nur einige aus den utilitaristischen Prinzipien deduzierte Rechtsforderungen. Mit diesem Werk gibt John Stuart Mill die besonderen Beziehungen kund, die in England seit der Jahrhundertsmitte zwischen der Frauenbewegung und dem politischen Liberalismus bestanden. Erstere hat etwa im „English Woman’s Journal“, wie bereits gezeigt wurde, an John Stuart Mill selbst angeknüpft.25 Dieser wählt die „Frauenfrage“ als Ausgangspunkt, um seine Forderung nach Freiheit zu konkretisieren. Dem ehelichen Güterrecht und dem Familienrecht allgemein wendet er sich schon im zweiten Kapitel zu, das kurz näher betrachtet werden soll, um den Inhalten des englischen Liberalismus in Bezug auf die Frauenrechte näher zu kommen. John Stuart Mill ist nicht gegen jegliche Rollenverteilung in der Familie. Wenn es um die Frage des Einkommens ginge, dann schien es ihm angemes22 23 24 25

Vgl. dazu kurz Castoriadis, Fait et à Faire, S. 68. J. S. Mill, On Liberty, S. 108. Vgl. etwa Rendall, The Origins, S. 285–291. Zu weiteren Verknüpfungen zwischen Frauenbewegung und dem Millschen Liberalismus vgl. Caine, English Feminism, S. 102f.

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sen, dass „the man earns the income and the wife superintends the domestic expenditure“.26 Das hat ihm die zeitgenössische Frauenbewegung übel genommen.27 Gleichwohl versteht er diese Rollenverteilung als eine solche, die auf einer Vereinbarung beruht. Ihm ist wichtig, zunächst einmal die Zwangslage zu explizieren, in welcher sich jede englische Frau befinde, indem sie für diese Vereinbarung prädestiniert sei.28 Das ist wiederum nicht sein Schwerpunkt, was ihm die weitere Kritik einhandelte, er vernachlässige die ledige Frau.29 Seine Gedanken kreisen in erster Linie um die konkrete Ausgestaltung des Inhalts dieser Vereinbarung, allgemein des Ehevertrags. Die damals noch geltende Rechtslage der Ehefrau parallelisiert er mit derjenigen eines Sklaven mit einem Unterschied: „Hardly any slave […] is a slave at all hours and all minutes“ – ein Zustand, der einerseits aus dem Verständnis der Ehegatten als „one person in law“, andererseits aus der personell sehr eingeschränkten und auch dort sogar unzulänglichen Geltung der Equity-Regelungen resultiere.30 In dieser Gestalt fungiere die englische Ehegesetzgebung, soweit sie Realität besitzt, als Schule des Egoismus, in welcher der Mann lernt, nur seinen eigenen Interessen Bedeutung beizumessen.31 Noch schlimmer, sie sei eine Schule des Despotismus,32 wo einem Ungleichheit und Unterwerfung gleichsam eingepflanzt werden. Die Reform dieses Zustandes ist seine zentrale Forderung, und zwar unabhängig davon, ob das Recht der Realität entspräche. Denn das Recht wende sich zuvörderst an die moralisch zweifelhaften Mitglieder einer Gesellschaft und nicht an diejenigen, die das Ideal schon applizierten.33 Auf den weiteren Einwand hin, dass die Ehefrau schon über genügend Macht im öffentlichen Bereich verfüge, weil sie ihren Ehemann zuweilen erheblich beeinflussen kann, erwidert er ebenfalls „idealistisch“: „[…] neither in the affairs of families nor in those of states is power a compensation for the loss of freedom.“34 Es gibt nach Mill ein Ideal – die Freiheit des Menschen – und dieses muss institutionell festgeschrieben werden. Das Recht wird also als Instrument zur Institutionalisierung der Freiheit eingesetzt. Einer Freiheit wohlgemerkt, die sich zumindest im Rahmen der Familie nur durch Gleichheit verwirklichen kann. Das Recht ist aber auch die 26 27 28 29 30 31 32 33 34

J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 172. Vgl. dazu Caine, English Feminism, S. 104. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 153. Dazu Caine, English Feminism, S. 105f. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 155. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 160f. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 169. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 158. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 162.

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Sicherung der Freiheit. Bereits „On Liberty“ ließ die liberale Rechtstheorie John Stuart Mills anklingen. Dort verstand er das Recht als Grenze zwischen den Wirkungsräumen der einzelnen Gesellschaftsmitglieder. Es wird nun aber auch angedeutet, dass nur ein geändertes Recht, ein solches, das der Ehefrau erlaubt, über ihr Einkommen zu verfügen, die Bildung einer autonomen Persönlichkeit zu fördern vermag.35 John Stuart Mill beschränkt sich in seiner Forderung nicht auf abgrenzende und sichernde Freiheit und Autonomie. Er träumt von einer Familie ohne Herrschaft, einer „voluntary association“,36 wo Entscheidungen nach dem Prinzip der Arbeitsteilung getroffen werden.37 Ihm schwebt eine Ehe vor, welche man mit Stolz „die Schule der Zivilisation“ nennen könne. Gerade dem staatlichen Gesetz komme dabei vorrangig die Aufgabe zu, vom Wert der Gleichheit zu überzeugen, als „Schule der moralischen Kultivierung“ zu wirken.38 3. Der Utilitarismus Es wird behauptet, John Stuart Mill argumentiere liberal, wenn er die einzelne Frau verteidigen möchte, und utilitaristisch, wenn es ihm darum ginge, die Bedeutung der Frau für die Gesellschaft hervorzuheben.39 Die erste Linie erlaubte ihm, den Bereich der Familie für den staatlichen Gesetzgeber zu eröffnen. Seine utilitaristische Neigung, Ergebnis seiner Lebensgeschichte,40 ist unbestreitbar Ausdruck derselben liberalen politischen Denktradition. Andererseits ist der Utilitarismus auch die früheste Modifikation dieser Tradition. Während John Stuart Mill noch gewissermaßen inhaltlich argumentiert, ist es der Utilitarismus, welcher der staatlichen Gesetzgebung methodisch und daher grundsätzlich auch die privatesten Lebensbereiche des Viktorianers zugänglich machen will. Der Utilitarismus war spätestens ab den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts in England eine die Politik beeinflussende Denkrichtung.41 35 36 37 38 39 40 41

Vgl. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 162, 173. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 163. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 164. J. S. Mill, The Subjection of Women, S. 167. So Rendall, The Origins, S. 285. Vgl. dazu etwa Rendall, The Origins, S. 285. Vgl. Dazu Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 328–332; Shanley, Feminism, S. 70, zum Einfluss auf die parlamentarische Debatte zum ersten Reformgesetz. Mit „Radicals“ dürften dort Anhänger des sog. philosophischen Radikalismus gemeint sein, die in engster Verbindung zum Utilitarismus stehen, wenn nicht gar identisch mit ihm sind.

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a) Utilitarismus und Liberalismus In der Tat wird die Steigerung des politischen Interesses für den Familienbereich seit langem von englischen Historikern in Zusammenhang mit dem Aufgehen des sog. Utilitarismus in Verbindung gebracht, der philososphischen Bewegung, die um die Person von Jeremy Bentham kreiste und „diesseits des Lustprinzips“ angesiedelt war.42 Die Utilitaristen denken zwar liberal, und den Begründern dieser Philosophie gilt das Individuum als das Höchste. „The community is a fictitious body“, schreibt Bentham.43 Der einzige Inhalt, mit welchem sie diesen Liberalismus ausfüllen möchten, ist „the happiness of the party whose interest is in question“. Aber dies ist ein politischer Inhalt, ein Kriterium, mit dem sie staatliches Handeln beurteilen wollen. Das heißt, der Grundsatz „laissez-faire“ ist ihnen als solcher nichts wert. Alles scheint für gesetzgeberische Intervention empfänglich, soweit die jeweilige Maßnahme das individuelle Glück zu befördern bezweckt.44 So ist man sowohl liberal als auch kollektivistisch gesinnt. Oder besser: man ist weder liberal noch anderswie gesinnt, man denkt nur utilitaristisch45 und unterscheidet nicht zwischen „Morals“ und „Legislation“. Diese Richtung des Utilitarismus, die er von Anfang an einschlug, brachte seinen Begründer von Anfang an mit der „Frauenfrage“ in Berührung. b) Utilitarismus und Frauenrechte Die geschilderte Ambivalenz der utilitaristischen Bewegung zwischen klassischem liberalem Denken und Befürwortung staatlicher Intervention lag schon im Denken ihres Anführers begründet.46 Dies lässt sich, wie am Anfang dieser Arbeit bereits angedeutet,47 sehr deutlich bei der Stellungnahme Benthams zur rechtlichen Stellung der Ehefrau zeigen. Was das eheliche Güterrecht anbelangt, scheint er die Unterwerfung der Ehefrau für gerechtfertigt zu halten. Der Ehemann soll die maßgebliche Entscheidungsinstanz sein, weil er der Stärkere, aber vor allem der Erfahrenste bezüglich ökonomischer Angele42 Vgl. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 92. 43 An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 3 (Hervorhebung im Original). 44 Vgl. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 92f. 45 Zur Janusköpfigkeit des Utilitarismus Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 103. 46 Zum Auseinandergehen von ökonomischem und politischem Liberalismus bei Bentham und allgemein Hilton, Mad, Bad & Dangerous People, S. 332 47 Vgl. im ersten Teil, A. II. 2.

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genheiten sei.48 Man kann es drehen, wie man will, Bentham schwimmt hier in ziemlich traditionellen Gewässern. Und doch: Etwa zur gleichen Zeit49, und zwar vor der Kritik von Wollstonecraft, schilt er die Nationen, welche die Ehefrauen in zivilrechtlicher Hinsicht unter männliche Vormundschaft stellen.50 Dann, als er über das Wahlrecht bei der spanischen Verfassung diskutiert, besinnt er sich vollends auf seine Prinzipien und wirft den Einwand ein, dass kein Grund ersichtlich sei, weshalb der Mann einen höheren Anspruch auf Glück besäße als die Frau. Wobei er „Glück“ mit Wahlberechtigung identifiziert.51 Der einzige Grund, weshalb er ein solches Recht für England nicht fordere, liege nicht darin, dass er dies für falsch hielte, sondern nur darin, dass die Zeit dafür noch nicht reif gewesen sei.52 Bentham signalisiert damit prominent genug, dass auch in diesem so sehr tabuisierten Lebensbereich die gesetzliche Intervention nur eine Frage des Nutzens bzw. des individuellen Glücks war.53 Vor diesem Hintergrund erscheint es dann nicht zufällig, dass zahlreiche Frauenrechtlerinnen seinem theoretischen Ansatz, moralische Gerechtigkeit zu beurteilen und sie mit rechtlicher Gerechtigkeit zu verbinden, huldigten.54 Es verbinden sich der emanzipatorische Wille, der Glaube an seine Durchsetzung gerade durch das Recht mit einer Theorie, die Letzterem schon prinzipiell keinen Bereich vorenthalten will. Es ist vor allem die Stellungnahme von William Thompson (1775–1833), die aus diesem Kontext herausragt. 1825 wird sein Buch „Appeal of one Half the Human Race, Women. Against the Pretensions of the other Half, Men“ veröffentlicht. Darin unternimmt es der Owenist55, d.h. gewissermaßen der Sozialist und persönliche Freund Benthams, die Frauenrechte gegen die Anmaßungen des anderen berühmten Utilitaristen, James Mill, zu verteidigen, wobei er zahreiche spätere Analysen John Stuart Mills vorwegnimmt und 48 Vgl. Bentham, Oeuvres I, S. 119. 49 Die Ouevres sind zwar 1802 zum ersten Mal herausgegeben worden. Aber der Herausgeber Dumont stützte sich für seine Arbeit auf Manuskripte, die Bentham in den Jahren 1783 und 1789 verfasst hatte. Vgl. dazu Holdsworth, A History XIII, S. 64. Die „Principles on Morals and Legislation“ wurden 1780 gedruckt und 1789 veröffentlicht, vgl. Dicey, Lectures, S. 403, Fn. 2. 50 An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 268, Fn. 1. 51 Vgl. dazu Williford, Bentham on the rights of women, S. 168. 52 Williford, Bentham on the rights of women, S. 169 m.w.H. zu Benthams diesbezüglichen Ansichten. 53 Man vergesse nicht: Bentham erfand das „Panoptikum“ lange bevor Orwell der „Big Brother“ eingefallen ist! 54 Vor allem über J. S. Mill. 55 Anhänger der Owenschen Soziallehre.

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zugleich selbst utilitaristisch argumentiert.56 Der Gesetzgeber müsse auf das Glück und dessen Förderung derjenigen achten, über dessen Geschick er zu befinden habe,57 wobei er, der Sozialist, doch wieder etwa nach benthamscher Art (hier: individualistisch) argumentiert. Aus dem Bereich des Utilitarismus ist allerdings wieder John Stuart Mill der bekannteste Name. Er ist derjenige, der die Theorie seines Lehrers und seines Vaters in die zweite Hälfte des Jahrhunderts mitnahm und sie einerseits der englischen Politik, andererseits der englischen Frauenbewegung übertrug.58 Dass er selbst sein feministisches Verständnis und seinen Einfluss der Frauenbewegung bzw. seiner geliebten Lebensgefährtin Harriet Taylor59 verdankte, ist eine allzu bekannte Behauptung.60 Er selbst scheint diesen Einfluss ebenfalls nahezulegen.61 Tatsache ist aber auch, dass er seine diesbezüglichen Ansichten schon in jüngerem Alter, nämlich bereits vor seiner Bekanntschaft mit Taylor und anscheinend unter dem Einfluss Benthams gebildet hatte.62 Hinsichtlich John Stuart Mills Stellungnahme selbst wurde in dieser Untersuchung schon zur Genüge nachgewiesen, dass er die staatliche Einwirkung auf den familiären Bereich geradezu verlangte. Deswegen wird hier nicht noch einmal auf die utilitaristischen Züge seines Vortrags eingegangen, die, wie erwähnt, vor allem dann auftauchen, wenn es um die soziale Rolle der Frau und nicht um ihre familienrechtliche Stellung geht. Fest steht, dass er und andere Utilitaristen, wie Henry Fawcett,63 eine Ungleichheit der Frau nicht annehmen konnten, solange es nicht möglich war, zu beweisen, dass dies von sozialem Nutzen war.64 Die Prärogative des individuellen Nutzens, der mit der Zeit und gerade durch John Stuart Mill zu einem sozialen Nutzen umgemünzt 56 Vgl. Caine, English Feminism, S. 59, auch über seine Verbindung zu Anna Wheeler, der er wesentliche Teile seiner Gedanken zuschreibt; zu seiner utilitaristischen Denkweise s. auch Käppeli, in: Duby/Perrot, Histoire des Femmes IV, S. 578, bzw. Fraisse, De la Destination au Destin, ebda., S. 71. 57 Vgl. Thompson, Appeal of One Half of the Human Race, S. 129. 58 Vgl. einerseits Shanley, Feminism, S. 70, andererseits Käppeli, Scènes Féministes, in: Duby/Perrot IV, S. 602. 59 Sie ist eine bekannte Frauenrechtlerin, was ebenfalls für ihre Tochter Hellen Taylor gilt. 60 Fraisse, De la Destination au Destin, in: Duby/Perrot IV, S. 87. 61 S. dazu Mill selbst in der Widmung zu „On Liberty“. S. noch den Hinweis des Übersetzers (Sigmund Freud), in: Mill, Gesammelte Werke, 12, Über Frauenemanzipation, S. 1, in der Fn. Vgl. noch Fraisse, in: Duby/Perrot, S. 87f. 62 Williford, Bentham on the rights of women, S. 174. 63 Parlamentarier und „radikaler“ Ehemann von Millicent Fawcett, die als die Anführerin der Suffragetten bekannt wurde. Vgl. Uglow, The Macmillan Dictionary, S. 171. 64 Vgl. Young, Portrait, S. 155f.

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worden war, ließ bei den Utilitaristen bestimmte Forderungen gegenüber ihrem Staat, der sie zeitweilig selbst „waren“, entstehen. Forderungen, die vor der Heiligkeit des Heimes nicht Halt machen konnten. 4. Ergebnis Am Ausgangspunkt stand der englische Liberalismus, der traditionell und immer leidenschaftlicher die Freiheit des Individuums verteidigt. In Bezug auf den Bereich der Familie ist der englische Liberalismus im 19. Jahrhundert gegenüber staatlicher Gesetzgebung bzw. Intervention milder gestimmt. Zum einen wird der Gesichtspunkt des individuellen oder später bei John Stuart Mill sozialen Nutzens in den Vordergrund gerückt und die Abgeschottetheit des familiären Bereichs relativiert. Der Utilitarismus erweist sich als gerade dasjenige Instrument, welches methodisch dem klassischen liberalen Rechtsverständnis einen entscheidenden Schlag verpasst. Zum anderen wird Freiheit mit einem konkreten Inhalt versehen und darin befindet sich, seit der Französischen Revolution zum ersten Mal konsequent, auch die weibliche Freiheit. Was das bedeutet, erhellt nur dann, wenn geklärt wurde, auf welche Weise man Recht und Moral bzw. Recht und Familie – die Begriffspaare entsprechen sich keinesfalls – auch anders sehen konnte, wie man diese Begriffe also in Deutschland aufgefasst hat.

III. Recht und Moral: Deutschland Den Beginn bildet auch hier das Faktische, welches unter dem Blickwinkel dieser Arbeit vor allem als Symbolisches von Interesse ist. Das Bild vom „Vater Staat“ ist in Deutschland Anfang und Ende des 19. Jahrhunderts viel lebendiger als in England. Darüber dürfte Einigkeit bestehen, zumal sich die Relativierung staatlicher Macht als Ergebnis der Verfassungskämpfe des 17. Jahrhunderts und der englischen Revolution von 1688 durch ihre Verbindung mit der Figur Lockes ein für alle Mal ins Bewusstsein der Engländer einprägte. In Deutschland dagegen gibt es Preußen. Es gibt das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten mit seinem bekannten Umfang und seiner berüchtigten Ordnungsvision. Schon jetzt wird das Familienrecht zum Gegenstand umfassender Regelung. Das Scheidungsrecht ist in der Folgezeit ein häufiger Streitgegenstand. Später, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kommt der „Interventionsstaat“. Es handelt sich freilich auch symbolisch nicht um eine Einbahnstraße. Denn etwa zur gleichen Zeit tritt die Verwaltungrechtswis-

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senschaft an die Stelle der alten „Policeywissenschaft“.65 Die gesetzgeberische Aktivität dehnt sich dennoch immer weiter aus. Liberale Prinzipien behalten zwar die Oberhand, namentlich im ökonomischen Bereich.66 Die Realität aber, vor welcher der BGB-Gesetzgeber argumentieren wird, ist der Sozialstaat und der Staat der Daseinsvorsorge – der patriarchale Staat.67 Insgesamt ist die staatliche Aktivität in beiden Ländern sehr stark. In Deutschland sogar etwas stärker, wenn man sich auf die staatlichen Investitionen im öffentlichen Sektor konzentriert.68 Was könnte dies für den familiären Bereich bedeuten? 1. Der deutsche Liberalismus Es wird hier nach den theoretischen Konzeptionen gefragt, die eine solche Entwicklung des angewandten Positivismus verarbeiteten und den Denkformen, die sie in Bezug auf die „Heiligkeit des Heimes“ dem Familiengesetzgeber des BGB übergaben. John Stuart Mill formulierte den Liberalismus auf der Basis der erwähnten Entwicklungen für England neu und stellte die theoretischen Weichen dafür, besagte Heiligkeit dem Heim wieder abzusprechen. Auf welche diesbezüglich theoretischen Weichen stützte sich der BGB-Gesetzgeber? Muss nun nach dem deutschen Liberalismus und seinen gegenüber der Heiligkeit des familiären Heims respektlosen Antworten gesucht werden? Auf diesem Weg wird das theoretische Imaginäre des deutschen Familienrechtsgesetzgebers nicht aufzuschlüsseln sein. Denn der deutsche Liberalismus, soweit es einen solchen gab, hat sich seit Anfang des Jahrhunderts und bis tief in seine zweite Hälfte hinein mit der sog. Verfassungsfrage beschäftigt.69 Ihm ging es noch darum, einen einigermaßen demokratischen Staat zu (be)gründen, während John Stuart Mill zur gleichen Zeit mit dem Aufwerfen der „Frauenfrage“ den schon lange präsenten englischen Verfassungsstaat demokratisch vertiefen wollte. Die Frauenrechte finden gerade in den Glanzjahren dieser deutschen Verfassungsbewegung, in der Paulskirchenverfassung und in der Diskussion, fast keine Berücksichtigung.70 Es wird daraus klar, dass Recht und Moral in 65 Vgl. Wesel, Geschichte des Rechts, Rn. 279, 273. 66 Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 281. 67 Vgl. dazu Stolleis, Die Entstehung des Interventionsstaates und das öffentliche Recht, insb. S. 137–141 mit Beispielen zum Rückgang des Liberalismus in der gesetzlichen Realität; Nipperdey, Machtstaat, S. 471–475. 68 Vgl. Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 122. 69 Vgl. Wesel, Geschichte des Rechts, Rn. 271. 70 Zur zwiespältigen Haltung des deutschen Liberalismus in der „Frauenfrage“ U. Gerhard, Unerhört, S. 282–286.

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dieser Diskussion keine Themen sind. Die beiden offiziellen „Liberalismen“ sind nur dem Namen nach verwandt. Soweit es um ihre Schwerpunkte geht, klaffen sie auseinander.71 2. Die doppelte deutsche Tradition Es ist deshalb gerade nicht der deutsche Liberalismus, der sich im Familienrecht des BGB, und zwar in Bezug auf die vorliegende Frage zur Normierbarkeit des „häuslichen“ Geschlechterverhältnisses geltend macht. Es ist vielmehr eine doppelte Tradition, die weiterwirkt. Die Rede ist nicht von der Tradition als Quelle der Gesellschaftskonstituierung, also als Rechtsquelle, wovon sogleich die Rede sein wird. Gemeint ist hier vielmehr einerseits wieder die genuin deutsche Trennung zwischen Recht und Moral, die Verortung der Familie darin und schließlich die konkrete Moral, mit welcher die Familie versehen wurde. Die Etikettierung der hier gesuchten Geistesrichtung ist viel komplizierter als die der englischen. Die Heranziehung von Begriffen wie Romantik oder Restauration würde auch überhaupt nicht helfen. Nicht nur, weil ihre Verbindung problematisch wäre, mögen beide zuweilen träumerische Weggefährten gewesen sein. Auch nicht, weil eine geistesgeschichtliche Einordnung von Savigny oder von der Historischen Rechtsschule kaum einseitig vorzunehmen ist.72 Denn Savigny ist ja sicherlich auch kritisch in der kantschen Tradition, und in einem gewissen Sinne auch liberal.73 Die Frage, der Etikettierung, wird hier vielmehr deshalb nicht einmal angeschnitten werden,74 da es für die gegenwärtige Fragestellung nicht auf die Analyse des philosophischen Imaginären von Savigny, sondern auf das ankommt, was von ihm und anderen Größen 71 Zur Ambivalenz des Begriffs „Liberalismus“ im europäischen Kontext auch auf semantischer Ebene vgl. Leonhard, Europäische Liberalismen, SZ (GA) 2004, S. 312–349. 72 Nipperdey stellt seine umfassende Urteilskraft auch in diesem Zusammenhang unter Beweis, indem er Savigny weder einseitig noch als Romantiker charakterisiert, vgl. Bürgerwelt und starker Staat, S. 510–512. Wolfgang Röd dagegen ordnet ihn kurzerhand sowohl der romantischen Sehnsucht als auch der restaurativen Verzweiflung zu (Geschichte der Philosophie X, S. 259). Doch soweit die Romantik mit der Sehnsucht nach dem Mittelalterlichen in Verbindung gebracht wird, kann bei Savigny kaum die Rede von romantischen Elementen seines Denkens sein. 73 Insofern, als er mit seiner Rechtsentstehungslehre, auf welche noch eingegangen wird, eine gewisse Aversion gegen den absolutistischen Staat an den Tag legt. 74 Dazu liegen bereits umfassende Untersuchungen vor, beispielsweise von Rückert (Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny) und Jakobs (Die Begründung der geschichtlichen Rechtswissenschaft).

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seiner Zeit gesagt wurde und was man davon in den Motiven zum BGB fast wortwörtlich wiederfindet. Es ist also danach zu suchen, was den nächsten Generationen tradiert wurde. Dies wird vor allem in den Parallelen im Ausdruck zu fixieren sein, als Traditionen, die sich als Rechtfertigungen bestimmter gesetzgeberischer Entscheidungen bemerkbar machen, der geschlechtsdefinierten Ungleichbehandlung im ehelichen Güterrecht. Traditionen, die sich also auf die Rechtslage der Ehefrau argumentativ ausgewirkt haben. a) Recht – Familie – Moral Das, worum es hier geht, ist seit langem bekannt. Es ist die Herausnahme der Familie aus dem rechtlichen Bereich, der „Verweis des Rechts an die Peripherie“.75 Die Hervorhebung des sittlichen Wesens und des moralischen Inhalts der Familie – Liebe erleben und Liebe weitergeben –, die Akzentuierung der Familie als höchste Form einer „Gefühlsgemeinschaft“ und ihrer sich gerade darin befindenden sittlichen Werthaftigkeit für die ganze Gesellschaft schuldet der deutsche Geist seiner romantischen Ausprägung.76 Dass dafür im vorliegenden Kontext die Namen Schleiermacher und Schlegel fallen müssen, und dass gerade Hegel sich verpflichtet fühlte, Letzterem wegen der „Lucinde“ zu widersprechen,77 während Ersterer die Individualität der Frau auch im Reich des Rechts zu verteidigen suchte78 und somit keimhaft der absoluten Trennung zwischen Recht und Moral widerstand,79 lässt erahnen, dass die Romantik gerade nicht das hergibt, wonach gesucht wird. Im Gegenteil, angesichts des geringen Einflusses, den diese vornehme und doch ganz merkwürdige „Gesellschaft“ auf das spätere deutsche Denken und schließlich auf den deutschen Gesetzgeber ausgeübt hat, könnte man vermuten, dass in ihr der Ansatz zur Schöpfung eines neuen Imaginären betreffend die soziale, und damit auch die rechtliche Stellung der Ehefrau gesteckt haben mag. Ein Eindruck, der sich durch die Tatsache nur noch verstärkt, dass die deutsche Frauenbewegung vielfach an dieses Gedankengut anknüpfte.80 Hier wird aber, da 75 So Schwab, Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 286. 76 Vgl. Hartmann, Die Philosophie des deutschen Idealismus, S. 230; Schwab, Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 286 (Die Liebe ist Ehe). 77 Vgl. Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 164 Zusatz. 78 Das ist unlängst herausgearbeitet worden von Meder, Schleiermacher zur Verbesserung der Rechtsstellung von Frauen, in: ders./Duncker/Czelk, Frauenrecht und Rechtsgeschichte, S. 67–88. 79 S. auch Gerhard, Gleichheit ohne Angleichung, S. 41. 80 Vgl. die Hinweise bei Meder, Schleiermacher zur Verbesserung der Rechtsstellung von Frauen, in: ders./Duncker/Czelk, Frauenrecht und Rechtsgeschichte, S. 68 Fn. 7.

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nun die Gestalt des bürgerlichen Gesetzbuches im Hinblick auf die hier vorliegende Frage bekannt ist, nach dem entgegengesetzten Imaginären gesucht. Drei maßgebende Geistesemanationen und vier „maßgebende Menschen“ mögen die Antworten zunächst liefern, bevor der deutsche Gesetzgeber selbst, hier Planck, zu Wort kommt. Es handelt sich erstens um den deutschen Idealismus, und zwar sowohl um den subjektiven als auch den objektiven (Fichte, Hegel), zweitens um die Historische Rechtsschule (geschichtliche Rechtswissenschaft), für welche Savigny sprechen wird und drittens schließlich um die Pandekten. Dass für sie die Stimme Windscheids in Anspruch genommen wird, hängt nicht nur damit zusammen, dass er Mitglied der ersten Kommission zum BGB gewesen ist. Er soll darüber hinaus bei dieser Gelegenheit in diese Diskussion die „praktischen Erträge der historischen Rechtsschule eingebracht“ haben.81 Die Suche zielt gerade auf die Feststellung der geistigen Väter einer konkreten praktischen Philosophie des großen Gesetzbuches. aa) Fichte Fichte ist die prominenteste Figur, wenn es um das Verhältnis zwischen staatlicher Gesetzgebung und Familie geht.82 Besagte Herausnahme der Ehe aus dem rechtlichen Bereich ist hier am pointiertesten zum Ausdruck gebracht: „Die Ehe ist nicht bloss eine juridische Gesellschaft, wie etwa der Staat; sie ist eine natürliche und moralische Gesellschaft83 […] Die Ehe ist […] kein erfundener Gebrauch und keine Willkürliche Einrichtung […] Man würde vielleicht dadurch zum Irrtume verleitet, dass die Ehe allerdings ein Beisammenleben freier Wesen ist, wie alles, das durch den Rechtsbegriff bestimmt wird. Aber es wäre schlimm, wenn dieses Zusammenleben durch nichts Höheres begründet und geordnet werden könnte, als durch Zwangsgesetze.“84

Liegt in diesen Worten bloß eine erste Abgrenzung der Ehe von den übrigen Lebenserscheinungen, ihre erste Verteidigung gegen mögliche gesetzgeberische Anmaßungen, die aber die Vielfalt der Natur der Ehe deutlich zum Ausdruck bringt, so lassen die folgenden Worte des Philosophen keine Zweifel darüber aufkommen, wo die besagte Grenze liegt, wenn das Verhältnis der Ehegatten berührt wird. Denn es sei gar nicht vorstellbar, dass zwischen den Eheleuten ein Rechtsstreit entstehen könnte: „Sonach hat der Staat über das 81 Meder, Rechtsgeschichte, S. 301. 82 Vgl. auch auch Schwab, Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 286f. 83 Fichte, Grundlage des Naturrechts, Grundriss des Familienrechts, Anmerkung (vor § 1). 84 Fichte, Grundlage des Naturrechts, Grundriss des Familienrechts, § 9.

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Verhältnis beider Ehegatten gegen einander gar keine Gesetze zu geben, weil ihr ganzes Verhältnis gar kein juridisches, sondern ein natürliches und moralisches Verhältnis der Herzen ist.“85 Alle darauffolgenden „Deductionen“, das ist aus den eindeutigen Aussagen Fichtes festzuhalten, ergeben sich demnach aus der sittlichen Natur der Ehe. Diese hat der Gesetzgeber nicht anzurühren. bb) Hegel Hegel sieht die Ehe bekanntlich in einem ganz anderen Zusammenhang als Fichte. Er ordnet sie in der Gesellschaft ein, er „institutionalisiert“ sie. Er stellt sie in den Dienst des Staates, der die „Einheit der Allgemeinheit und Besonderheit“86 verkörpere.87 Die auf diese Weise ausgestaltete Institutionalisierung der Ehe durch Hegel erinnert im Übrigen an zahlreiche Apologeten des Common Law in England, die gegen eine Veränderung des rechtlichen Geschlechterverhältnisses argumentiert, jedoch damit keinen Erfolg hatten. Wenn also mitunter die Vermutung geäußert wird, dass ein solches Verständnis der Familie staatlicher Intervention günstig gesinnt sein könnte,88 dann wird man dieser Vermutung auf einer abstrakten Ebene durchaus Plausibilität attestieren. In der konkreten Diskussion aber kommt es wesentlich darauf an, wie ein solches Modell eingesetzt wird. In der englischen Diskussion soll es ja gerade gegen eine Änderung des Familienrechts überzeugen. Denn man würde damit den Bereich der Familie berühren. Ist aber die Familie eine Institution des Staates, dann steht sie in einem größeren Zusammenhang und jeder Wandel in ihrem Gefüge könnte unvorhergesehene Folgen auf das gesamte Staatsgefüge verursachen. Da Instabilität unerwünscht sei, sei die Institution Familie nicht anzutasten. Hegel setzt seine Eheauffassung argumentativ nicht auf diesselbe Weise ein. Seine auf die hier diskutierte Frage bezogene Antwort entfaltet sich aus einem anderen Ansatz. Die Ehe ist ihm das „unmittelbare sittliche Verhältnis“.89 85 Fichte, Grundlage des Naturrechts, Grundriss des Familienrechts, § 15. 86 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Zusatz zu § 261. 87 Vgl. etwa Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 255. Deutlich geht dies auch aus dem Zusatz zu § 263 der „Grundlinien“ hervor: „Das Dritte ist nun der Staat, das Nervensystem für sich, in sich organisiert; aber er ist nur lebendig, insofern beide Momente, hier die Familie und bürgerliche Gesellschaft, in ihm entwickelt sind.“ 88 So wird Meder interpretiert, vgl. Schuld – Zufall – Risiko, S. 173 (auch zur Übernahme dieses Modells vom BGB-Gesetzgeber).. 89 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 161 (Hervorhebung im Original). S. auch den Zusatz zu § 161: „Die Ehe ist wesentlich ein sittliches Verhältnis“, womit vermutlich ihre inhaltliche Ausgestaltung durch andere Faktoren als durch die subjektive Willkür propagiert werden soll.

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Dass sie der Sittlichkeit zugeordnet wird, hat für den vorliegenden Zusammenhang zunächst nichts weiter zu bedeuten, denn sie entzieht sich keinesfalls dem Recht. Daher heißt es weiter, dass die Ehe „die rechtlich sittliche Liebe“ sei.90 Weswegen auch die Frage noch offen bleibt, was davon der Staat regeln darf und was nicht. Recht und Moral bleiben in seinem Denken dennoch streng voneinander getrennt und gehören unterschiedlichen Ebenen an.91 So wirkt das Gesetzesrecht zwar durchaus auf die vielfältigen Verhältnisse des Eigentums und der Verträge, die sich in der bürgerlichen Gesellschaft entfalten. Auf die sittlichen Verhältnisse bezogen gilt dies allerdings nur, „insofern sie die Seite des abstrakten Rechts enthalten […]; die moralische Seite und moralischen Gebote […] können nicht Gegenstand der positiven Gesetzgebung sein“.92 Deutlicher wird seine Antwort dann, wenn er das Recht auf das Moment der Auflösung der familiären Einheit beschränkt, wo also die Äußerlichkeit auftritt, die allein Gegenstand des Rechts sein kann,93 so dass Fragen, welche die Gestalt der Einheit selbst betreffen, aus dem rechtlichen Kreis ausgeschlossen scheinen. cc) Savigny Hegel hat im untersuchten Kontext den Begriff der Sittlichkeit in Anspruch genommen und genauso verhält es sich bei Savigny.94 Doch während Hegel die Ehe dem Bereich der Sittlichkeit zurechnete, Letztere aber vom Recht nicht absolut getrennt betrachtete, betont Savigny schon im Ansatz, dass beide Bereiche auseinanderzuhalten sind, so dass hier eine Begriffsverschiebung einzutreten scheint. Dem ist aber nicht so. Denn Savigny entzieht gerade diese Sittlichkeit der rechtlichen Regelung, welche die inhaltliche Form des individuellen freien Raums betrifft.95 Dies scheint wiederum mit der Grenze der „Äußerlichkeit“96 übereinzustimmen, auf welche das Recht im Bereich der Sittlichkeit bei Hegel stößt. Savigny, der

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Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Zusatz zu § 161. Vgl. auch Röd, Der Weg der Philosophie II, S. 262. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 213. Vgl. etwa Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 159 mit Zusatz. Zum Folgenden vgl. Meder, Schuld – Zufall – Risiko, S. 94–97, wo Hegels Einfluss auf das spätere deutsche Rechtsdenken in diesem Kontext ebenfalls angeschnitten und der hegelsche Einfluss auf Savignys Denken nachgewiesen wird (s. auch S. 170). 95 Vgl. Savigny, System des heutigen römischen Rechts I, S. 331f. 96 Ein weiterer Ausdruck, mit welchem Hegel den dem Recht zugänglichen Bereich der Sittlichkeit bezeichnet (vgl. Grundlinien der Philosophie des Rechts, Zusatz zu § 213).

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nicht immer einer Meinung mit Hegel war,97 beruft sich gerade hier auf den großen Denker.98 Er macht die Familie dem Gesetzgeber und dem rechtlichen Bereich überhaupt nur teilweise zugänglich.99 Das Vorangegangene wird hier als eine eigentümliche deutsche Diskussion dargestellt, die dem deutschen Rechtsdenken seinen eigenen Weg gewiesen hat. Würde man die drei überragenden Denker nebeneinander stellen, deren konkreter Einfluss auf die spätere Gesetzgebung gleich nachgewiesen werden soll, dann hat sich zugleich der Eindruck von der Eigentümlichkeit verstärkt, mit welcher die jeweilige nationale Diskussion aufgetreten ist. Um zuweilen im engeren Zusammenhang der deutschen Diskussion zu bleiben, genügt es, noch einmal darauf hinzuweisen, dass hier mit einem wie auch immer definierten Liberalismusmodell als möglichem Rahmen nicht auszukommen ist. Denn war Savigny in vielerlei Hinsicht von dieser politischen Denkrichtung durchaus bewegt, wobei keinesfalls wieder der deutsche Liberalismus gemeint ist, kann man Fichtes Staatsmodell trotz all seines Individualismus kaum als liberal bezeichnen. Noch weniger wird man dies mit Hegels Staatsphilosophie tun. Doch bei allen ist die Ehe ein überwiegend sittliches Verhältnis und dem rechtlichen Bereich zum größten Teil entzogen. Sie steht der Reform ihrer inneren Physiognomie sehr defensiv gegenüber und die männliche Herrschaft bleibt, wie gleich zu sehen sein wird, in ihr sittlich festgeschrieben und rechtlich unangreifbar. Dies ist die gesuchte Tradition. Im Folgenden soll nun angedeutet werden, wie sich diese Tradition beim BGB und seiner konkreten Ausgestaltung des ehelichen Güterrechts als solche erwiesen hat.

97 Vgl dazu zunächst Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Zusatz zu § 211. S. dann auch Meder, Rechtsgeschichte, S. 288. 98 Vgl. Savigny, System des heutigen römischen Rechts I, S. 347 Fn. b. 99 Dieser ist eine weitere Grenzbestimmung verwandt, die hier Erwähnung finden soll. Savigny spricht nämlich davon, dass es nicht Sache des Privatrechts sei, die konkrete Moral zu beurteilen, die sich in der Ausübung des Rechts artikuliere. Dies sei vielmehr Sache des Staats, also des öffentlichen Rechts (System des heutigen römischen Rechts I, S. 371). Damit war zwar nicht gesagt, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Familie nicht Sache des privatrechtlichen Gesetzgebers sei, denn er bezieht sich auf die Ausübung des Rechts und nicht auf die Gesetzgebung. Aber diese allein in der deutschen Diskussion vorhandene Differenzierung zwischen den Aufgaben eines Privatrechtsgesetzgebers und eines Gesetzgebers des öffentlichen Rechts könnte ein weiteres Hindernis in den Weg der Frauenkämpfe gestellt haben. Sie könnte zugleich der privatrechtlichen Diskussion ihre „Entpolitisierung“ normativ „eingepflanzt“ haben (vgl. Nipperdey, Machtstaat, S. 195).

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dd) Die Pandekten Es gibt bekanntlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine deutsche „Schule“ im juristischen Raum, welche die Entstehung des BGB sowohl geistig als auch vielfach personell begleitet. Ihr verdankt das BGB mehr als seinen systematischen Aufbau und die deutsche Rechtswissenschaft erheblich mehr als das Verdikt der „Begriffsjurisprudenz“: die sog. Pandektenwissenschaft oder Pandektistik. Für sie wird hier Bernhard Windscheid, ihr bedeutendster Vertreter, sprechen.100 Nach den letzten Ergebnissen der Forschung ist es wahrscheinlich, dass Windscheid in einem entscheidenden Punkt gar nicht einem „typischen Pandektisten“101 gleichgestellt werden kann. Er empfängt die Impulse seiner Zeit und äußert sogar die Notwendigkeit, von bestimmten Ergebnissen des tradierten Denkens abzuweichen.102 Diese Notwendigkeit spürt er jedoch im Bereich des Familienrechts nicht, soweit es um die Behandlung der hier interessierenden Frage geht. Denn auch für Windscheid ist die Ehe ein in erster Linie ein sittliches Verhältnis. Die Aufgabe des Rechts sieht er dementsprechend darin, diesem zur „äußeren Erscheinung“ zu verhelfen.103 Die grundsätzliche Verortung der Ehe in die Sittlichkeit reiht sich in die bisher festgestellte Kontinuität ein. Die Bestimmung der Rolle des Rechts demgegenüber gehört zweifellos, das wird auch hier langsam deutlicher, in die Klassik der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts.104 ee) Das BGB Klassik will sich vererben, denn sonst kommt sie gar nicht zu diesem hohen Prädikat. Das BGB hat nicht nur die hegelsche Auffassung von der Ehe als Institution rezipiert.105 Es übernimmt das geschilderte Modell der Verhältnisbestimmung zwischen Recht, Familie und Moral. Ein Modell, das sich ein Jahrhundert lang grundlegenden philosophischen Differenzen gegenüber indifferent verhält und sich weiterträgt, genauso wie eine mit Inhalt gefüllte Tradition es tut. Planck spricht in den Motiven zum BGB permanent von der grundsätzlichen Distinktion zwischen dem sittlichen und dem rechtlichen Bereich der Ehe: „Wenngleich die aus dem Wesen der Ehe sich regelnden persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten unter ei100 Vgl. Meder, Rechtsgeschichte, S. 297–305. 101 Das Prädikat „typisch“ bezieht sich offensichtlich auf die Lehre und nicht auf den Menschen. 102 Vgl. Meder, Rechtsgeschichte, S. 304f. 103 Vgl. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts III, § 490, S. 764. 104 So auch Meder, Schuld – Zufall – Risiko, S. 95f. 105 Dazu Meder, Schuld – Zufall – Risiko, S. 173.

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nander in erster Linie sittlicher Natur sind, so haben sie doch auch eine rechtliche Seite.“106 Wie weit diese Seite reicht und in welchem Zusammenhang sie für Planck mit dem Patriarchalprinzip stand, betrifft die zweite Tradition, von welcher die Rede jetzt sein wird. Aber grundsätzlich gilt, sagt Planck gleich am Anfang seine Ausführungen, dass das Recht nicht alles regeln kann, dass es eben einen Bereich des familiären Verhältnisses gibt, der dem Recht entzogen bleiben soll.107 b) Die zweite deutsche Tradition: Die konkrete Moral der Familie Die traditionelle Trennung zwischen Recht, Moral und die Positionierung der Familie darin war nun nicht die einzige Tradition, an welcher der BGBGesetzgeber festhielt. Die zweite Tradition ist die konkrete Eheauffassung, in welche der deutsche Gesetzgeber nicht intervenieren durfte. Es ist eine konkrete Sitte, auf die sich Planck immer wieder beruft. Es sind das „deutsche Rechtsbewußtsein“, die „deutschen Zustände(n)“,108 die „deutsche Auffassung und Sitte“,109welche die Hausfrauenehe gebieten. Diese deutsche Sitte findet man bei allen großen Denkern, die die bisher geschilderte, Recht und Moral betreffende Tradition geprägt haben. Hegel, Fichte und Savigny, also alle diejenigen, die eine philosophische Fundierung der ehelichen Gemeinschaft unternommen haben, sind sich einig. Die Ehegemeinschaft findet ihre Vollendung, wenn sie innig wird, wenn zwei Personen zu einer Person verschmelzen. Diese eine Person wird dann vom Mann als „ihr Haupt“ vertreten.110 Sie verlangt die „unbegrenzteste Unterwerfung der Frau unter den Willen des Mannes“111 und erfordert, dass sie „dem Manne zugleich das Eigentum aller ihrer Güter und ihrer ihr im Staate ausschließend zukommenden Rechte übergebe“.112 Und obwohl sich Savigny hier durchaus von seiner kantschen Seite113 zeigt und die Unterwerfung einer Person unter den Willen der anderen nicht für ein We106 107 108 109 110

Motive IV, S. 104. Vgl. vorige Fn. Motive IV, S. 116. Motive IV, S. 107. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 171. Vgl. noch zur „Eine-PersonTheorie“ § 163. 111 Fichte, Grundlage des Naturrechts, Grundriss des Familienrechts, § 16. 112 Fichte, Grundlage des Naturrechts, Grundriss des Familienrechts, § 17. 113 Kant (Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, § 26) hat zwar durchaus patriarchal gedacht, es vollzieht sich jedoch eine deutliche Verschiebung, wenn er sagt, dass ein rechtliches Gehorsamsgebot der Ehefrau dem Gleichheitsprinzip nicht widerstreite. Er sagt eben nicht, dass Gehorsam zum Wesen der Ehe gehöre.

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sensmerkmal der Ehe zu halten scheint,114 übernimmt der BGB-Gesetzgeber alles von Fichte und Hegel sowie das von anderen Gesagte und rechnet das meiste der Ehe wesenhaft zu.115 Im Ergebnis wird also der „familiäre Innenraum […] vom Recht möglichst freigehalten, so dass er wiederum Raum einer rechtlich ungebundenen Herrschaft des Ehemannes und Vaters werden kann“.116 Manchmal sagt der Gesetzgeber eben mehr, wenn er schweigt. Erst jetzt eröffnet sich die rechtstheoretische Tradition vollständig, in welcher sich der BGB-Gesetzgeber befand. Sie zeichnet sich durch Kontinuität in der Applizierung des Modells, der Denkmethode, die sich vor allem als sprachliche Kontinuität erweist, und durch ihren Inhalt aus. Planck beruft sich bei den meisten seiner Entscheidungen auf eine konkrete Sitte, einen definierten „Volksgeist“, der das Familienverhältnis bestimmt, von denen er aufgrund eines anderen, rechtsquellentheoretischen „Volksgeistes“ nicht abweichen darf. Dass Planck vom dem ihm übertragenen Volksgeist nicht abweichen darf, weist den weiteren Überlegungen den Weg. Dass sich der deutsche Gesetzgeber aufgrund der rechtstheoretischen Unterscheidung zwischen Recht und Moral verhindert fühlte, sich in den Innenraum der familiären Ruhe einzumischen, ist nicht die einzige Antwort auf die Frage, warum er sich seiner Tradition gegenüber viel empfänglicher als sein englischer Kollege zeigt. Ein weiteres juristisches Imaginäres macht sich in beiden Ländern geltend, das es im Folgenden zu untersuchen gilt. 3. Ergebnis Liberalismus und Utilitarismus des 19. Jahrhunderts erweisen sich in England als Brüche im klassischen liberalen Gerüst. Sie bilden eine neue Tradition, die dem englischen Gesetzgeber gewissermaßen übergeben wird. Der deutsche Gesetzgeber des BGB bewegt sich auf seiner eigenen Traditionslinie. Das ist im Grunde der große Unterschied: Zwei voneinander abweichende juristische Traditionslinien. Die Abschottung der Familie gegenüber staatlicher Intervention ist bei der englischen Diskussion in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Begriff des „Liberalismus“ zu stellen. Dagegen hängt die Regelung 114 System des heutigen römischen Rechts, I, § 54, S. 349. 115 Zur weit verbreiteten Ansicht von der Ehe als Genossenschaft, die keinesfalls nur im germanistischen Lager vertreten wurde, sowie zu den Verrückungen zwischen den unterschiedlichen Genossenschaftskonzeptionen der Ehe vgl. oben Fn. 346. 116 So Schwab, Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 293.

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des innerfamiliären Geschlechterverhältnisses in Deutschland von der jeweiligen „Justierung“ der Diskurselemente „Recht“, „Moral“ und „Familie“ ab. Gerade die Tatsache, dass der Diskurs aus diesen Elementen besteht, stellt das Kulturmerkmal bzw. die Tradition des deutschen Rechts dar, so wie der Liberalismus und der Utilitarismus Kulturmerkmale bzw. die Tradition des englischen Rechts sind. Beide haben ihren Gesetzgebern auf ihre Weise den Weg gewiesen. Das Beispiel des Liberalismus hat abermals gezeigt, dass nur ein Vergleich, der immer das jeweils „Andere“ sucht, Früchte tragen kann. Das jeweils rechtstheoretische „Andere“ wird gewöhnlich – der kantschen Tradition folgend – nur in den Methoden gesucht. Das hat sich ebenfalls als unzulänglich erwiesen. Denn im Ergebnis wollten ja alle der Familie ihre Privatheit bewahren. Aber John Stuart Mill wollte sie (die Familie) eben zuvor auf die Grundlage der Gleichberechtigung gestellt haben. Insoweit, abgesehen vom auch methodisch nicht unwesentlich abweichenden Utilitarismus, verlaufen die hier untersuchten Traditionen methodisch ähnlich (Familie als möglichst rechtsfreier Raum), aber inhaltlich entgegengesetzt. Der Historiker kann sich in solchen Fragen nach einer konkreten Tradition erst nach einer Verknüpfung der Methode mit dem Inhalt, des Abstrakten mit dem Konkreten, des Theoretischen mit dem Praktischen ein Urteil erlauben. Denn die Geschichte vererbt sich innerhalb der Kulturen durch ihre Inhalte. Methoden und Systeme sind universal. Ihre Erben sind aber immer auch die Erben ihrer jeweiligen Inhalte, der sie umgebenden Welt. IV. Die Funktion des Gesetzes: Recht und Tradition In diesem Kapitel sollen in aller Kürze diejenigen Rechtsentstehungstheorien beleuchtet werden, die den jeweiligen Gesetzgeber beeinflusst haben könnten. Vor allem der deutsche Gesetzgeber hat reichliches Zeugnis darüber abgelegt, unter welchen Einflüssen er stand.117 In England ist das weniger der Fall, 117 In dieser Arbeit wird oft Gottlieb Planck als der „deutsche Gesetzgeber“ herausgehoben. Das ist selbstverständlich historisch naiv und verkürzend und auch nur metaphorisch gemeint. Das ganze Konzept dieser Untersuchung setzt ja bei der Annahme an, dass es eine wahrscheinlich unermessliche Vielfalt von Entwicklungen – womit hier in flüchtiger Manier Tatsachen wie „Nicht-Tatsachen“, also „Geschichte“ zusammengefasst werden sollen – gibt, die zu einer konkreten Gestalt der untersuchten Rechtsordnungen geführt hat, von denen einiges erfasst werden soll. Falls also ernsthaft wie gegenwärtig nur auf Planck Bezug genommen wird, dann deshalb, weil seine Ausführungen namentlich in den Motiven zum ersten Entwurf – soweit sie auch

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aber dort besteht vielleicht weniger Zweifel darüber, welches Rechtsdenken die Diskussion beherrscht hat. Wenn es hier um Rechtstheorien bezüglich des 19.  Jahrhunderts geht, dann sind, wie gesagt, vor allem Rechtsentstehungs- bzw. Rechtsquellentheorien gemeint. Das Blickfeld der Juristen des ganzen Jahrhunderts und der Zeit darüber hinaus wird vom normierenden Staat dominiert und nichts ist mehr selbstverständlich. Fließende Ewigkeiten göttlicher Offenbarung auch nicht.118 Es entstehen weitblickende oder auch kurzsichtige Theorien über die Entstehung des Rechts. Seine Historizität wird auf unterschiedliche Weise thematisiert. Der Rechtspositivismus mischt sich ebenfalls ein. Die Untersuchung der verschiedenen Theorien hat hier einen konkreten Erkenntnisgegenstand. Denn sie dienen vielfach als Legitimation der jeweiligen materiellen Entscheidung bzw. bereiten diese vor. Sie „determinieren“ mögliche Argumentationen. Sie definieren gerade, was möglich ist und was nicht. Sie erlauben beispielsweise dem deutschen Gesetzgeber vom „Wesen der Ehe“ zu sprechen und die weibliche Unterwerfung dort hineinzuinterpretieren. Dass es sich aber um eine „Hineininterpretation“ handelt, ergibt sich lediglich aus einem anderen, entgegengesetzten Standpunkt. Aus dem bezogenen Standpunkt ergeben sich also mögliche Legitimationsgrundlagen. Es geht hier immer um die Legitimation der konkreten Entscheidungen: güterrechtliche Gleichberechtigung der Geschlechter oder nicht, Wandel des Rechts oder lieber geduldiges Abwarten seiner „organischen“ Entwicklung. In England und in Deutschland besteht für die gesetzgebenden Instanzen die Möglichkeit der Berufung auf die Tradition. Es handelt sich durchweg um eine Tradition der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung. Wie gebunden fühlt sich der deutsche Gesetzgeber an seine Tradition? Gibt es Anzeichen für ein unterschiedliches theoretisches Substrat in England? Dem Folgenden liegt eine dreifache Intention zugrunde: Erstens soll dargelegt werden, wie beide Rechtssysteme ursprünglich von einem gemeinsamen Standpunkt ausgehen, indem sie der Gewohnheit und dementsprechend dem Gewohnheitsrecht einen hohen Stellenwert einräumen und das auf „private Willkür“ zurückzuführende Gesetz entsprechend geringschätzen. Zweitens soll gezeigt werden, wie die Rechtssysteme das Gesetz schließlich auch an die Gewohnheit und die Tradition zu binden suchen und somit jedem reformerischen Vorgehen gegenüber eine abwehrende bzw. kontrollierende Haltung später im Gesetzbuch Geltung behalten haben – als das wichtigste Exponat der gesetzgeberischen Vorstellungen in Anspruch genommen werden. 118 Gemeint ist eine mittelalterliche Ansicht von der Rechtsentstehung, nämlich die Zusammenfügung der ewigen Wahrheit göttlicher Offenbarung mit der sich wandelnden menschlichen Realität.

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einnehmen. Drittens soll der Gegensatz deutlich werden. In England findet eine bestimmte erkenntnistheoretische Tradition ins juristische Denken Eingang, die sich ebenfalls als Bresche im bis dahin an Gewohnheit gebundenen Rechtsdenken begreifen lässt. In Deutschland ist die Sache gewiss komplizierter. Eine ähnliche Denkrichtung findet aber im Hinblick auf den vorliegenden Problemkreis beim BGB-Gesetzgeber keine Resonanz. 1. Die Rechtsentstehungstheorien Englands Als erstes werden solche Theorien angesprochen, die einem traditionsgebundenen Vorgehen des Gesetzgebers näherstehen. Die Rechtsentstehung ist allerdings die eine Seite einer Rechtsquellentheorie, die sich in der Neuzeit immer entlang zweier Teilfragen entwickelt. Die erste betrifft die Institution, die Recht spricht und die zweite die Legitimation der jeweiligen rechtsprechenden Institution, d.h. die Geltungslegitimation dieses Rechts selbst. So war auch sie erste Sorge englischer Juristen, seit sie sich einer staatlichen Macht dermaßen bewusst wurden, dass sie darüber zu reflektieren begannen, der mögliche Konflikt zwischen den alten Gerichten des Common Law und dem zunächst absolutistischen Staat. Die Engländer haben sehr früh die Errungenschaft eines Parlaments vorzuweisen, welches sie als Mittel zur Kontrolle staatlicher Herrschaft wahrnahmen. Daraus mag ihre Neigung, die Rolle ihres Parlaments vor allem gegenüber den Gerichten des Common Law zu betonen, zu erklären sein. Dies ist zeitlich vor allem auf das 17. Jahrhundert bezogen, die Zeit, in welcher der große englische Jurist Sir Edward Coke (1552–1634) lebte und wirkte, sowie auf das darauffolgende Zeitalter, in welchem der vielleicht in seiner Wirkung auf das 19. Jahrhundert noch größere William Blackstone der Nachwelt seine „Commentaries“ vermachen sollte. Das altehrwürdige englische Parlament ist „so transcendant and absolute as it cannot be confined either for causes or persons within any bounds“, sagt Coke,119 dessen „Book of Authority“120 im Rahmen dieser Untersuchung bei jeder Gelegenheit mit Vertrauen zu Rate gezogen wurde; und Blackstone fügt hinzu, das englische Parlament „can, in short, do every thing that is not naturally impossible“.121 Die richterliche Ge119 Coke, The first part of the institutes, Vol. I, 36. 120 Dazu vgl. Holdsworth, Sources and Literature, S. 140–147. 121 Blackstone, Commentaries I, S. 156, der eine Reihe weiterer englischer Autoritäten anführt, was die Unbestrittenheit der Annahme der parlamentarischen Omnipotenz demonstriert.

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walt hat sich demgegenüber auf das Präjudiz zu beschränken. Dazu passt die Aufgabe, die Blackstone den Gerichten zuweist. Der Richter des Common Law, sagt er, sei nicht mit der Aufgabe betraut, neues Recht zu verkünden, sondern er habe nur das alte zu bewahren und erklären.122 Nach dem Ausdruck eines englischen Rechtshistorikers des 20. Jahrhunderts sind die Gerichte des Common Law nur der beste Beweis für das, was als Recht gilt.123 Die Judikatur erscheint nun auch im England des beginnenden 19. Jahrhunderts als eine bloße Rechtserkenntnisquelle.124 Auf diese Weise – alternativ als Rechtsinhaltsquelle – wird das Richterrecht auch von der gegenwärtigen deutschen Rechtstheorie anscheinend reibungslos in das Rechtsquellensystem unter das Gesetzesrecht eingeordnet, das damit im normativen Sinne die einzige Rechtsquelle bildet. Doch gerade hier macht sich ein fundamentaler Unterschied bemerkbar. Denn die Legitimation des Rechts, auf welches sich die Gerichte des Common Law nach der Theorie Blackstones berufen, geht nicht auf die Staatsgewalt zurück. Vielmehr wiederholt Blackstone unermüdlich, dass die Regeln des Common Law „receive their binding power, and the force of laws, by long and immemorial usage, and by their universal reception throughout the kingdom“.125 Das Common Law ist also Recht, nur weil es Gewohnheitsrecht ist.126 Das ist nun die Perspektive, aus welcher das sog. Statute Law, das Gesetzesrecht beurteilt und erschlossen wird. Seine Existenz und Bedeutung werden von Blackstone nicht geleugnet. Vielmehr schreibt er, weil ihm gerade das mangelhafte Rechtsverständnis derer Sorgen macht, welche die Aufgabe des Gesetzgebers übernehmen oder in der Vergangenheit übernommen hatten.127 Seine Worte gelten gerade dem Gesetzgeber. Für sein bis dahin an den Tag gelegtes Verhalten hat Blackstone allerdings nur Kritik übrig. Alle Komplexität des Rechts, alle intriganten Machenschaften, die sich in seinem Reich ereigneten, seien das Produkt der schlechten Qualität des Gesetzesrechts.128

122 Blackstone, Commentaries I, S. 69: „[…] not delegated to pronounce a new law, but to maintain and expound the old one“. 123 Holdsworth, A History XII, S. 150. 124 Zu diesem Begriff s. etwa Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 513; dazu aus seinem eigenen Standpunkt kritisch Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 306 m.w.H. 125 Blackstone, Commentaries I, S. 64. 126 Diese Ansicht ist auch im 19. Jahrhundert durchaus lebendig. Vgl. etwa Roper, A Treatise of the Law of Property II, S. 124. 127 Vgl. Blackstone, Commentaries I, S. 9, 11. 128 Vgl. Blackstone, Commentaries I, S. 10; ausführlich zu dieser Kritik Liebermann, The Province of Legislation, S. 56–67.

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Unter welchen Bedingungen aber kann ein gutes Gesetzesrecht entstehen? Ein gutes Gesetzesrecht halte sich mit Neuerungen, mit Reformen zurück: „Statutes also are either declaratory of the common law, or remedial of some defects therein.“129 Man achte auf den Ausdruck, der in Bezug auf die verändernde Funktion des Gesetzes die Sorge um die mögliche Umsäumung eines solchen Vorgehens artikuliert. Ähnlich drückt sich ein Zeitgenosse Blackstones, der berühmte Edmund Burke, in seinem die Epoche der politischen Restauration einleitenden Buch „Reflections on the Revolution in France“ aus.130 Die Verknüpfung zwischen Common Law, also der auf unvordenkliche Zeiten zurückgehenden Gewohnheit, und Statute Law wird damit immanent. Denn ansonsten hatte das einzelne Gesetz als Produkt einer ephemeren Willkür, einer haltlosen Machtausübung zu erscheinen. Gerade Letzteres widerspricht nach Blackstone dem Geist des Common Law. Denn seine Abhängigkeit von der Gewohnheit dient nichts anderem als der Wahrung der Freiheit: „And indeed it is one of the characteristic marks of our English liberty, that our common law depends upon custom.“131 Die damit angedeutete Rückführung der genannten Verknüpfung auf die Gesellschaft, vollzieht in erheblich vertiefter Sichtweise ein früherer Jurist, von dem auch der Ausdruck „ancient and immemorial usage“ stammt. Es handelt sich um Sir Matthew Hale (1609–1676), der sich dabei auf die englische Verfassung bezieht. Hale war ein Zeitgenosse Cokes und seine Äußerungen, die erst nach seinem Tode publiziert wurden,132 sind aus dem gleichen Zusammenhang der Kämpfe um die Machtprärogative133 zu verstehen. In „The History of the Common Law of England“ (1713) versucht er ebenfalls bzw. erstmals das Gesetz an die Gewohnheit zu binden.134 Wie Postema herausgearbeitet hat, besteht die Originalität Hales darin, dass er nicht nach den Ursprüngen des Rechts sucht, um damit seine Geltung zu begründen. Ihm ist vor allem die Kontinuität von Bedeutung. Eine Kontinuität, die sich in der Überzeugung von ihrem Bestehen identifizieren lässt. Letztere bekunde 129 Blackstone, Commentaries I, S. 86. 130 Beispielsweise auf S. 29: „We wished at the period of the Revolution, and do now wish, to derive all we possess as an inheritance from our forefathers.“; weitere Hinweise zu seiner rechtstheoretischen Positionierung in demselben Buch bei Postema, Bentham and the Common Law Tradition, S. 17. 131 Blackstone, Commentaries I, S. 74; Postema, Bentham and the Common Law Tradition, S. 15f. m.w.N. 132 Vgl. Baker, An Introduction, S. 190. 133 Vgl. dazu Baker, An Introduction, S. 212–215, auch zur vermittelnden Rolle von Hale (S. 214.). 134 Zum Folgenden vgl. Postema, Bentham and the Common Law Tradition, S. 2–27.

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sich gerade im Bewusstsein der gemeinsamen Tradition und der sich dadurch stiftenden gemeinsamen Identität. Die Gesellschaft basiere auf dem Prinzip sozialer Solidarität und Letztere werde durch das Common Law gesichert bzw. repräsentiert.135 Hale präsentiert das Recht demgemäß als das Ergebnis der Geschichte. Und wenn es um seinen Wandel geht, kann es sich nur um ein sich entlang einer Gemeinschaft veränderndes Recht handeln. So wie später Blackstone wird hier auch Hale die Qualität des Gesetzesrechts und schließlich seine Geltung von seiner Fahigkeit her beurteilen, sich an das Tradierte anzupassen, seine Fundamente mit ihm zu teilen. Ein Gesetz wird erst dann zum (geltenden) Recht, wenn es als Gewohnheit angenommen wird.136 Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich eine solche Theorie der Rechtsentstehung gegenüber grundlegenden Reformvorhaben vor allem einschränkend auswirken kann.137 Sie stellt jeden Gesetzgeber vor das Tribunal der Geschichte. Es besteht schließlich auch daran kein Zweifel, dass Bentham und viele seiner Schüler gerade dieses Tribunal abschaffen wollten. 2. Wandel im 19. Jahrhundert Blackstone und Burke reflektieren mit ihrem Ende des 18. Jahrhunderts stattfindenden Rekurs auf die Vergangenheit Ansichten einer Epoche, die sich nun – obwohl vorläufig – auf ihren Abschied vorbereitet. Das jetzt anbrechende neue Zeitalter wird für eine solche traditionsbehaftete „Romantik“138 nicht mehr empfänglich sein: „Verse is what his oracles like those of the ancient sages, would shew’d best in“, sagt Bentham charakteristisch in cartesianischer Manier betreffend die Suche Blackstones nach einer Antwort auf die Frage, was mit „Recht“ gemeint sei.139 Er bekämpft den Pluralismus der 135 So Postema, Bentham and the Common Law Tradition, S. 23 m.w.H. auf Durkheim. 136 Postema, Bentham and the Common Law Tradition, S. 26. 137 Vgl. auch Postema, Bentham and the Common Law Tradition, S. 25; vgl. S. 17 zur methodologischen Einschränkung, welche das englische Statute Law infolge dieser Theorie bis heute noch „erleidet“. 138 Zu den „romantischen“ Charakteremanationen von Blackstone vgl. Holdsworth, A History XII, S. 704, 718. 139 Bentham, A Comment, S. 35, Text in der Fn. Absolute Genauigkeit in der Definition und Verzicht auf jegliche poetische Phantasie war sein Ideal einer Wissenschaft, für welche „precision is the very life and sole“, ebda., S. 36. Bentham schilt die „metaphysische“ Denkweise Blackstones und möchte anscheinend aus dem Juristen seiner Zeit einen Menschen machen, der „sich von allem Glauben, von allen Illusionen befreit hat, der nichts mehr erwartet und nichts mehr fürchtet“, Kazantzakis, zit. nach Hirschberger, Geschichte der Philosophie II, S. 660. „Dieser Mensch nun“, schreibt

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Rechtsquellen und möchte in das Chaos des Common Law Ordnung mittels des Gesetzes schaffen. Seine Konzeption der Kodifikation140 findet im England des 19. Jahrhundert nicht genügend Anhängerschaft, insbesondere nicht unter den „Verwaltern“ des englischen Rechts (Richterschaft), um sich durchzusetzen. Sein theoretischer Ausgangspunkt hat die englische Jurisprudenz und Gesetzgebung trotzdem nachhaltig geprägt. Sofern das Streben nach begrifflicher Klarheit angesprochen wird, handelt es sich um die sog. analytische Jurisprudenz. Diese wird dann einige Jahrzehnte später sein Freund John Austin in großem Umfang ausführen.141 Konzentriert man sich auf die Frage nach der Legitimation des Rechts, befindet man sich wieder im Utilitarismus. Der persönliche Ausgangspunkt Benthams, der zeitlebens mehr Rechtstheoretiker als Philosoph bleibt, ist gerade die Ablehnung der historischen Begründung des Rechts, woraus Blackstone seine Autorität schöpfte. Mit seiner Schrift „A Comment on the Commentaries“, welche noch Ende des 18. Jahrhunderts geschrieben, aber erst Anfang des 20. Jahrhunderts publiziert wird,142 tritt er die Nachfolge Hobbes’ an143 und gibt auch in den nächsten Jahren seines Wirkens der neuzeitlichen „Metaphysik“, dem positivistischen Wissenschaftsideal, ihre für die englische Rechtstheorie des 19. Jahrhunderts prägenste Gestalt.144.145

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Kazantzakis an derselben Stelle, „sitzt im äußersten Winkel seiner Einsamkeit und zerlegt die Musik in mathematische Gleichungen, die stumm bleiben“. Benthams Vermächtnis ist heute noch wirksam. So zerlegt man im Prozess der europäischen Rechtsangleichung und –vereinheitlichung kulturelle Differenzen in Begriffe, die dann mittels Abstraktion ihres Inhalts entleert werden, um sie neu zu füllen und sucht deren geistigen Reichtum verstummen zu lassen. Wobei nicht jede Kodifikation von einem rechtspositivistischen Geist begleitet zu werden braucht, wie das BGB samt seinen Materialien beweisen, aber der Geist der Benthamisten war ohne Zweifel ein solcher. Nämlich in: Lectures on Jurisprudence, B. I und II. Vgl. dazu noch Fikentscher, Methoden des Rechts, II, S. 42–46. Vgl. Everett, in: A Comment on the Commentaries, Introduction, S. 1. Zur Querele zwischen Hobbes und Hale s. Everett, in: A Comment on the Commentaries, Introduction, S. 15f. Zu Hobbes als Begründer des neuzeitlichen Gesetzespositivismus vgl. Zippelius, Rechtsphilosophie, § 11 II 3. Der Einfluss Benthams und des Utilitarismus auf die englische Gesetzgebung und Jurisprudenz ist zweifellos groß, vgl. nur die Ausführungen von Holdsworth, A History XIII, S. 132–134. Auch Dicey widmet einen großen Teil seines Buches diesem Einfluss der Ideen Benthams (Lectures on the Relation between Law and Public Opinion in England, Kap. VI). Bezüglich der hier behandelten Frage wurde in dieser Arbeit bereits auf die Tatsache hingewiesen, dass in den entscheidenden Reformjahren mehrere englische Politiker im Parlament saßen, die dem philosophischen Radikalismus, also im Grunde dem utilitaristischen Gedankengut huldigten (vgl. wieder

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5 Zur gewohnheitsrechtlichen Geltung sagt er:14„To prove the existence of a practice is one thing, to prove the expediency of establishing it by force of law is another.“146 Er begründet damit erneut die kritische Sicht auf das Recht, nach welcher hier gerade gesucht wird. Einige Seiten zuvor147 hatte er allerdings seinen Gedankengang unterbrochen, da ihm das positive Prinzip dieser kritischen Sicht eingefallen war – das größte Glück der größten Zahl: „It is the greatest happiness of the greatest number that is the measure of right and wrong“, schreibt er 1776 und lässt hinsichtlich des Zwecks seiner neuen Lehre keinen Zweifel aufkommen. Dem großen wissenschaftlichen Fortschritt, dessen Zeuge er gewesen war, wollte er einen weiteren hinzugesellen: „Reformation in the moral“.148 Das war von Anfang an das Anliegen des Utilitarismus. Selbstverständlich meint Bentham vor allem Rechtsreform, wenn er von moralischer Reform spricht.

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Shanley, Feminism, S.  70) und sich für die Verbesserung der Rechtslage der Frau einsetzten. Die parlamentarischen Diskussionen – es sei hier auf die in dieser Arbeit zitierten Stellen hingewiesen – vermitteln den Eindruck, dass bestimmte Arten von Argumentationen, namentlich traditionsbehaftete, kaum „erlaubt“ waren. Die Mehrzahl der Abgeordneten sucht daher in diesem sensiblen Bereich ihre Ansicht mit dem Kalkül des sozialen Nutzens zu untermauern (das wird in den folgenden Ausführungen noch einmal unter Beweis gestellt). Dasselbe kann man hinsichtlich der Reformgegner behaupten. Das ist freilich bei religiös angehauchten Argumentationen anders. Aber solche Argumentationen kommen in der parlamentarischen Diskussion und überhaupt in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts immer seltener zum Vorschein. Die demokratisch-kritische Dimension der positivistischen Metaphysik hat man heutzutage freilich kaum angenommen. Dass Bentham in seiner hier diskutierten Kritik von vorwiegend demokratietheoretischen Motiven bewegt wurde, beweisen seine Ausführungen (A Comment On The Commentaries, S. 66–73.). Diese Dimension kann der Positivismus, welcher Ausprägung auch immer, kaum als eigene Errungenschaft beanspruchen. Vielmehr lässt sie sich philosophisch mindestens bis Homer und Heraklit und rechtshistorisch bis zur Präambel des gortynischen Rechts zurückverfolgen. Diese Tradition wird von Castoriadis in unvergleichbarer Weise neuerdings (dies, was die Publikation betrifft, denn das Buch ist aus seinen Seminaren von 1982–1983 entstanden) entfaltet. Vgl. Ce qui fait la Grèce, 1. D’Homère à Héraclite. La Création humaine II. Derselbe Gedankengang findet eine adäquate rechtshistorische Vertiefung in: Gaudemet, Les naissances du droit, S. 3–24 (wo der Unterschied zwischen der autonomen und der heteronomen Gesellschaft anhand der Geltungslegitimation ihrer Gesetze besonders deutlich herausgearbeitet wird), S. 75–82. A Comment on the Commentaries, S. 218. Zu Benthams Angriffen gegen Savigny und die historische Rechtsschule Holdsworth, A History VIII, S. 107. A Comment on the Commentaries, S. 74. Beide Zitate aus: Bentham, A Fragment on Government, S.  3 (Hervorhebung im Original).

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3. Englische Erkenntnistheorie und Frauenrechte Was bedeutet nun der Utilitarismus für die gegenwärtige Fragestellung? Interessant ist hier nicht die bei Bentham wohl sehr einseitige Ethik des Utilitarismus oder dessen etwas vordergründiges Menschenbild. Der Utilitarismus wird hier als diejenige herrschende englische Rechtstheorie begriffen, durch welche sich ein doppelter historischer Bruch vollzieht. Der Bruch mit der tradierten Auffassung vom Recht fördert den Bruch mit der tradierten Rechtsstellung der Ehefrau. Das Argument läuft schließlich auf die These hinaus, dass auf der Grundlage dieser im Gegensatz zu der zuvor beschriebenen Rechtstheorie bestimmte Formen der Argumentation nicht mehr möglich sind und deswegen tatsächlich auch nicht von Einfluss waren. Die zweite These ist offensichtlicher und wahrhaftig ohne den vergleichenden Blickwinkel möglich. Es geht wieder um den positivistisch-empirischen Charakter der utilitaristischen Rechtsphilosophie, diesmal jedoch nicht in Bezug auf die Öffnung des moralischen Bereichs gegenüber dem Recht, sondern überhaupt in Bezug auf die Regelungsaufgabe des Gesetzgebers. Es geht um die Akzeptanz und Notwendigkeit der gesetzgeberischen/staatlichen Reform des bestehenden Rechts. Das revolutionäre Potential der utilitaristischen Philosophie tritt in doppelter Dimension auf. Der Utilitarismus Benthams erhebt sich gegen die damals schon anerkannte Autorität Blackstones und verkündet eine Philosophie der Reform, der ständigen Veränderung, der staatlichen Gesetzgebung, und damit des positiven Rechts – um es beim Namen zu nennen: der stattlichen Intervention zur Reformierung der Gesellschaft. Damit unterstreicht er nicht die Übermacht des Staates. Seine liberalen Lehren, namentlich im ökonomischen Bereich, lassen eine solche Interpretation nicht zu. Vielmehr unterstreicht er, vielleicht gegenüber einer Überbetonung der kulturellen und geschichtlichen Eingebundenheit des Menschen, die Bedeutung der menschlichen Zwecksetzung, den Wert und die Fruchtbarkeit menschlichen und zugleich rationalen Handelns. Der Mensch setzt Ziele, handelt dem Kriterium des Glücks entsprechend und ist nie ein Gefangener seines Schicksals: „Let fate and fortune do their worst, they have not power to subdue him“,149 formuliert John Stuart Mill in einem anderen Zusammenhang emphatisch. Es geht Bentham allerdings nicht um irgendeine Form des Handelns. Er postuliert politisches Handeln. Und da seine ursprüngliche Empörung von der eigenen Anschauung der selbstzufriedenen Juristenwelt seiner Zeit herrührt,150 sind es in erster Linie 149 Mill, Utilitarianism, S. 249. 150 Über seine Anwaltszeit und seine diesbezügliche Kritik Holdsworth, A History XIII, S. 44f.

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die Juristen, von denen er politische Verantwortung einfordert. Der Interpret (mitunter auch des Rechts), der eine Institution darstellt und sich dabei gegenüber ihren Folgen für den öffentliche Wohlstand indifferent verhält, der also vorgibt, zu sagen, wie die Sache ist, aber nicht wie sie sein sollte, mache sich nicht nur den Inhalt besagter Institution dadurch zu eigen, dass er sie darstellt.151 Ihm sei vielmehr seine Indifferenz als Verbrechen vorzuwerfen.152 Vorwiegend geht es Bentham freilich um das politische und vor allem gesetzgeberische Handeln der Regierung.153 Das Recht ist nach seiner Theorie das Ergebnis einer Abwägung zwischen Nutzen und Nutzlosigkeit. Das sei das einzige Kriterium, dem sich eine Reformentscheidung zu unterwerfen habe.154 Diese Reformentscheidung gehört dann dem Staat. Darüber haben Bentham und später Austin in seiner in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr einflussreichen Rechtstheorie keinen Zweifel gelassen. Austin hat bekanntlich aus dem benthamschen Entwurf heraus einen Rechtspositivismus entwickelt, der alles Recht auf den Befehl des souveränen Parlaments zurückführt. Es ist kein Zufall, denn Austin entwickelt seine Theorie etwa in derselben Zeit, als Lord Brougham seine mehrstündige parlamentarische Rede über die Notwendigkeit staatlich initiierter Reformen hält.155 Zur gleichen Zeit wird die „Law Amendment Society“ bzw. die „Association for the Promotion of Social Science“ von Brougham gegründet,156 allesamt Verwirklichungsschritte seiner Forderungen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war nicht nur die Reform des herrschenden Rechtszustandes ein allgemeines Anliegen. Es wurde gerade dem staatlichen Gesetz und nicht etwa dem die Gewohnheit verkörpernden Richterrecht aufgebürdet, solch eine Reform zu verwirklichen. Das englische Gesetz wird somit zunehmend als Reformgesetz gedeutet und akzeptiert, was von keinem anderen eindrücklicher eingefordert wurde als von Bentham.157 151 Eine unter hermeneutischem Gesichtspunkt extreme Identifizierung von Text und Interpret. 152 Bentham, A Fragment on Government, S. 9. 153 Vgl. An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 2, 3. 154 Vgl. etwa A Fragment on Government, S. 96, 104. 155 Vgl. Holdsworth, A History XIII, S. 296–308. 156 Zu derselben Zeit entstehen die verschiedensten Reformzeitschriften wie Westminster Review, Edinburgh Review, Quarterly Review, die den Reforminhalt ihrer Parteizugehörigkeit entsprechend gestalten wollten. Von den philosphischen Radikalen wurde die erstgenannte Zeitschrift herausgegeben. 157 Zum Reformgeist und seinem Zusammenhang mit der Aufwertung des staatlichen Gesetzes sowie zur Verknüpfung. Letzterer mit dem Utilitarismus vgl. noch Manchester, Modern Legal History, S. 2ff., 10ff., 17ff. Aus der Parlamentsdebatte selbst vgl. Bright, in: Hansard, 192 (1868), S. 1363.

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Dieses neue Recht hat Austin als Befehl und als Willensäußerung verstan-den,158 abgekoppelt von der Tradition, nicht als Ergebnis der Geschichte. Von der Macht der Gewohnheit will sich auch John Stuart Mill lösen.159 Bentham sieht den vorläufigen Abschluss seiner Bemühungen darin, „to help him160 to emancipate his Judgment from the Shackles of authority“.161 Diese Kraft der Autorität will John Stuart Mill gerade im familienrechtlichen Bereich entlarven und kritisch ins Bewusstsein rufen. Immer wieder spricht er von der Schulfunktion verschiedener Institutionen und meistens bezieht er sich dabei auf das Recht. Er lässt damit ein bestimmtes, wohl an den Geist der Aufklärung angelehntes Sozialisationsmodell auftreten. Dass die moralische Disposition dem Menschen eingepflanzt, Werte kultiviert und durch Gewohnheit tradiert werden, gilt ihm demnach als unstrittig.162 Gerade in „The Subjektion of Women“ ist es ihm ein ständiges Anliegen den Beweis dafür zu führen, dass Geschlechterbeziehungen gesellschaftlich konstruiert werden und nicht naturhaft vorgegeben sind.163 Es ist gerade für den Vergleich mit dem deutschen Geist interessant darauf zu achten, welche Art von Argumentation von diesem Hintergrund nicht möglich ist.164 Es ist nämlich kein Platz für Natur- und Wesensargumente, wie man sie aus den Motiven zum BGB und aus der umfangreichen deutschen Diskussion im Vorfeld des Gesetzes kennt.165 Die Aversion John Stuart Mills gegen sog. „Wesensargumente“ ist bekannt. Sie bildet womöglich eine maßgebende Motivation für die Entwicklung seiner empiristischen Deduktionslehre.166 Im „Wesen“ erblickt er eben nicht die Wahrheit. Das ist kein Zufall, denn es bildet vielmehr den erkenntnistheoretischen Hintergrund der utilitaristischen Philosophie und zugleich die zweite Dimension ihrer revolutionären Natur. Die Rede von einem „Wesen“, etwa demjenigen der Ehe, verweist unweigerlich auf die Denkrichtung einer substanzontologischen Metaphysik. Schon John Locke hielt nichts von diesem Substanzbegriff. Ihm war nur Beobachtung

158 159 160 161 162 163 164

Vgl. Austin, Lectures on Jurisprudence, S. 86. Vgl. On Liberty, S. 7. Dem Lernenden. A Fragment on Government, S. 114. Vgl. etwa Utilitarianism, S. 265f., 274. Vgl. auch Rendall, The Origins, S. 285. Womit offensichtlich gemeint ist, dass solche Argumente kaum Chancen haben, sich durchzusetzen, nicht, dass sie nicht vorgebracht wurden. 165 Umfassend zu diesem Begriff in der neuzeitlichen deutschen Rechtsentwicklung Duncker, Gleichheit und Ungleichheit, S. 207–252. 166 Vgl. etwa Poggi, in: Röd, Geschichte der Philosophie X, S. 49f.

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heilig.167 Nur Beobachtung und Empirie können aufzeigen, wie Wahrheit zu definieren sei.168 Dieser Empirismus, verschiedenartig angereichert und vertieft durch David Hume, bildet das erkenntnistheoretische Fundament des benthamschen Utilitarismus.169 Bentham und seinen Nachfolgern gegenüber besitzt eine einzige „ontologische Wesenheit“ Gültigkeit: der soziale Nutzen. Er gebietet, dass man nach ihm sucht, und zwar mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen. Dazu noch planvoll und rational. Das heißt, er verlangt staatliches Handeln. Recht ist die Artikulation des staatlichen Willens. Recht entsteht durch Willkür. Zugleich ist der „soziale Nutzen“ das eigentümliche politische Imaginäre, das dem englischen Abgeordneten als Richtschnur seines Handelns zu gelten hat. „It is certainly not from any love of change, nor is it on any merely theoretical grounds that I am anxious to proceed; but it is because I am satisfied that the present state of the law is the cause of daily misery and almost daily crime that I propose its alteration.“170

Oder: „Unless the old idea of the husband being paramount and the wife subordinate was an effete and worn-out theory, the law ought to follow in the same track, and hence the actual state of the common law. But it did not follow that grievances should be tolerated, and the practical question with which they had to grapple was, how far the paramount authority of the husband could be reconciled with a reasonable protection to women who are tyrannized over and down-trodden by those who disregarded their marriage obligations.“.171

Gerade auf diese Weise hatte Bentham gehofft, dass sein Prinzip des Nutzens eingesetzt und jede politische Differenz über das Erstrebenswerte eingeebnet

167 Vgl. Röd, Der Weg der Philosophie II, S. 63–66, bzw. Hirschberger, Geschichte der Philosophie II, S. 209. 168 Hirschberger, Geschichte der Philosophie II, S. 188, 202, 207. Wobei diese Lehre bei Bentham – aber nicht ausschließlich bei ihm – in die Überzeugung auszuarten scheint, dass die jeweilige Wahrheit tatsächlich definiert werden könne. 169 Zu Hume vgl. Hirschberger, Geschichte der Philosophie II, S. 223–245, hier insb. 227, 233f. Zu den Zusammenhängen mit dem Utilitarismus s. ebda. S. 240f.; über J. S. Mill, ebda., S. 530–532., bzw. Poggi, in: Röd, Geschichte der Philosophie X, S. 41, m.w.H. Den ganzen Zusammenhang hat nun Postema, Bentham and the Common Law Tradition, insb. Kap. II, herausgearbeitet. 170 Russel Gurney, in: Hansard, S. 201 (1870), 879. 171 Lord Penzance, in: Hansard, S. 198 (1869), 982.

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würde, indem man bloß auf die Tatsachen schauen würde.172 Wie stand es in Deutschland um die Tatsachen?173 172 Bentham, A Fragment on Government, S. 104. 173 Bevor die Diskussion der englischen Rechtsentstehungslehren abgeschlossen werden kann, muss das Bild von der englischen Lehre des 19. Jahrhunderts etwas ergänzt werden. Es war nämlich keinesfalls so, dass die englische Jurisprudenz unwidersprochen positivistisch verfuhr. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts herrschte in England neben dem Utilitarismus und dem Liberalismus, aber auch mit ihnen zusammen, eine Philosophie, die aus dem Positivismus zunächst einmal entgegengesetzte Rechtstheorien hervorrief. Es handelt sich um die Evolutionstheorie und den sog. Sozialdarwinismus. Als maßgebliche Rechtstheorie ist diejenige des großen Sir Henry Sumner Maine anzusehen. Wenn man sich auf diese Rechtstheorie im vorliegenden Zusammenhang bezieht, wird man sich daran erinnern, dass Darwin als Begründer dieser Denkrichtung zur sozialen Stellung der Frau von seinen Forschungsergebnissen kaum Positives zu berichten hatte (vgl. im zweiten Teil, B, I, 3). Und auch die Stellungnahme Spencers, dem der Sozialdarwinismus, also die Anwendung der biologischen Evolutionstheorie auf die Gesellschaft, seine Herkunft wohl zu verdanken hat (vgl. zu seiner Lehre etwa Münch, Soziologische Theorie, I, S. 21ff.), äußert sich zu derselben Frage mindestens ambivalent (Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 492f.). Maine scheint hier dagegen eine Ausnahme darzustellen. In seinem berühmten Buch „Ancient Law“ (1861) scheint sich in der Tat zum ersten Mal von der Juristenseite ein Bewusstsein für die Unangemessenheit der patriarchalen Rechtsnorm zu entwickeln. Maine äußert einen gewissen Skeptizismus gegenüber der rechtlichen Stellung der Ehefrau im Common Law (S. 93) Auch projiziert er auf das von ihm bewunderte römische Recht die Idee der Gleichberechtigung der Geschlechter (S. 90f.). Man muss sich vergegenwärtigen, dass einige Jahre bevor dieser ansonsten politisch konservativ gesinnte Gelehrte seine Gedanken niederschrieb, die meisten Initiatorinnen der englischen Frauenbewegung (s. etwa Norton) mit Nachdruck beteuerten, dass sie durch ihre Forderungen keinesfalls so etwas wie die Gleichberechtigung der Geschlechter heraufbeschwören wollen. Durch Maine findet jetzt die Vokabel „equality of sexes“ Zugang zur juristischen Sprache. Hier und in anderen seiner Texte mag wohl der Grund liegen, dass in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts auch die Frauenbewegung selbst an seine Gedanken angeknüpft hatte (vgl. Shanley, Feminism, S. 117). Doch der Ausgangspunkt hier betraf die Rechtstentstehungslehren. Und es fragt sich, wo sich Maine und der Evolutionismus diesbezüglich positionieren. Die Antwort scheint nicht besonders schwer zu finden sein. Denn der Evolutionismus galt damals schon als eine ziemlich reformerische und zugleich positivistische Theorie (Hoppen, The Mid-Victorian Generation, S. 497; Hobsbawm, The Age of Capital, S. 271). Wenn Maine zugleich und ohne Zweifel als der vorerst letzte große Verfechter der englischen historischen Jurisprudenz auftritt und sich im genannten Buch explizit gegen die Theorie von Bentham wendet (S. 4f.), also insoweit dem Gewohnheitsrecht und überhaupt der historischen Begründung des Rechts ihren alten Platz zuweisen möchte, dann heißt das keinesfalls, dass er sich an die Macht der Gewohnheit gebunden hält. Einen wirkungsgeschichtlichen Beweis dafür stellt seine Wirkung im Rah-

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4. Die Rechtsentstehungstheorie des deutschen Gesetzgebers Dass der deutsche Gesetzgeber allem Anschein nach in vielfacher Weise in der Tradition der Historischen Schule stand, wurde oben schon behauptet und für diesen Zusammenhang zu beweisen versucht. In Bezug auf den hier untersuchten Gegenstand hat der deutsche Gesetzgeber den Rückgriff auf die Weisheit ihrer Häupter, namentlich Savignys ebenfalls nicht versäumt. Die Art und Weise, in welcher dies geschah, verläuft hier auch nicht geradlinig. Bevor sie untersucht wird, sollen die für den vorliegenden Zusammenhang interessantesten Ansichten der Historischen Rechtsschule dargestellt werden. a) Die Tradition der historischen Rechtsschule Zunächst einmal sei darauf hingewiesen, dass die hier untergründig stattfindende Parallelisierung der englischen zur deutschen historischen Schule nur typologischen Charakter hat. Burkes mehrfacher und doch nur möglicher Anschluss an Rousseau wird kaum mit Savignys Freude an der Lektüre Herders gleichzustellen sein.174 Und auch den idealistischen Ganzheitsdrang des deutschen Gelehrten175 wird man bei Blackstone und seinen gleichgesinnten Zeitgenossen nicht einmal vermuten dürfen, und dies wohl nicht nur aus zeitlichen Gründen. Auch im Hinblick auf die rechtstheoretische Motivation des jeweiligen Diskurses lassen sich bedeutende Unterschiede verzeichnen. So ist das Problem für die deutschen Juristen zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht die Abstimmung der verschiedenen „Gesetzgebungsinstanzen“ miteinander.176 Aber trotz all dieser Unterschiede bedeutet Historische Rechtsschule vor allem neu erwachter Sinn für die Geschichtlichkeit aller Existenz und Historisierung des Rechts.177 „Geschichte ist […] der einzige Weg zur wahren Erkenntnis unseres eigenen Zustandes.“ Recht wird „von der höheren Natur des Volkes als eines stets werdenden, sich entwickelnden Ganzen“ hervorge-

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men der „Frauenfage“ dar. Wieder ist es die Verbindung von Inhalt und historischer Wirkung, die die konkrete Tradition verständlich macht. Die Idee, welche Maine propagiert, ist gerade eine Historisierung des Rechts, die seine mögliche Abkoppelung von der Tradition begrifflich beinhaltet. Hier wird noch einmal deutlich: Verstehen muss man neben dem Weg der Erkenntnis und auch die „Ideen, mit welchen er beschritten wurde. Erst beides ist ein Ganzes.“ Zu Letzterem vgl. E. Wolf, Große Rechtsdenker, S. 475. Dazu vor allem Rückert, Idealismus (vgl. dort das Stichwortverzeichnis). Vgl. dazu den interessanten Hinweis auf die Problemerörterung durch Savigny bei Meder, Mißverstehen und Verstehen, S. 225f. Daher rechtfertigt es sich, beide Denkschulen nebeneinander zu stellen.

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bracht.178 Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, dass Savigny das Gesetzesrecht dem Gewohnheitsrecht unterordnete oder Ersteres gar verachtete. Doch hier geht es nicht darum, sondern um die Quelle, um die Entstehungweise des Gesetzesrechts selbst. Es ist festzustellen, an welche historische Vorgaben Savigny den Gesetzgeber gebunden wissen will. Dass er aus seinem Standpunkt heraus eine Revolution und damit auch eine solche des Rechts ablehnt, versteht sich von selbst. Doch eine Reform lässt sich mit seinen Begriffen durchaus erfassen. Aber was für eine Reform ist er bereit, gutzuheißen? Er wünschte sich „durch freie Täthigkeit jene stille Reform herbeyzuführen, die, ohne den hohen Preis der blutigen, zwar langsamer aber sicherer würke“.179 Eine Reform also, die – um die Worte Erik Wolfs auszuleihen – nie auf Erdachtem und Geplantem, sondern nur auf Gewachsenem und Gewordenem beruht.180 Seinem objektiv-idealistischen Ansatz ist jede Willkür zuwider.181 Die gemeinsame Überzeugung des Volkes soll allen Gedanken an zufällige und willkürliche Entstehung ausschließen.182 Das „gemeinsame Bewußtsein des Volks“,183 die darin liegenden inneren, stillwirkenden Kräfte erzeugen Recht, nicht die Willkür eines Gesetzgebers.184 In der Abänderung des bestehenden Rechts kann er, belehrt durch die Geschichte, meist „fruchtlose Corruption“ erblicken. Im Hinblick auf eine solche Art der Gesetzgebung kann er nur Sparsamkeit anraten.185 Aus diesen Gründen kann er sich ein Gesetzbuch nur „als Aufzeichnung des gesamten bestehenden Rechts […] mit ausschließender Gültigkeit vom Staate selbst versehen“, vorstellen.186 Das Gesetz habe in diesem Sinne vorwiegend als „Organ des Volksrechts“ zu fungieren.187 Die hier wesentlichen politischen Elemente der Lehre Savignys sowie die wichtigsten Vokabeln ihrer sprachlichen Erfassung dürften damit wiedergegeben sein. Wenn es um den prinzipiellen Eingriff des Gesetzgebers und den Umsturz des patriarchalen Prinzips geht, dann kann eine solche Theorie als al178 179 180 181 182 183 184 185 186 187

Beide Zitate aus Savigny, Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft I, S. 4. Brief an C. von Neurth, hier zit. nach E. Wolf, Große Rechtsdenker, S. 480. Vgl. E. Wolf, Große Rechtsdenker, S. 480. S. dazu Rückert, Idealismus, S. 388, der die „Willkürabwehr“ Savignys gerade seiner politischen Theorie zuordnet. So in:Beruf, S. 8. So in: System des heutigen römischen Rechts, § 7, S. 16. Savigny, Beruf, S. 14. Savigny, Beruf, S. 16. Savigny, Beruf, S. 18. System des heutigen römischen Rechts, S. 39. Dazu noch E. Wolf, Große Rechtsdenker, S. 494.

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les andere als günstig für die Frauenforderungen betrachtet werden. Andererseits hat Savigny es auch nicht gänzlich versäumt, auf die positiven Merkmale der Gesetzgebung hinzuweisen. Er hat solche „Entwicklungsstufen und Zustände“ eines Volks nicht übersehen, „die der Rechtserzeugung durch gemeinsames Volksbewußtsein nicht mehr günstig sind“.188 Darüber hinaus dauert es noch mehrere Jahrzehnte bis die Idee eines kodifizierenden Gesetzbuches in Deutschland wieder lebendig wird. Inzwischen wurde Savigny und seine Schule hoch verehrt. Ihm hat man aber auch grundlegend widersprochen.189 Deswegen ist es nicht wichtig, was Savigny von der Willkür des Gesetzgebers, sondern was der BGB-Gesetzgeber von der „Abänderung des bestehenden Rechts“ hielt. Hat er die Aufwertung der gesetzgeberischen Tätigkeit durch Savigny aber vor allem durch Jhering vernommen oder stand er noch in der davor beschriebenen Tradition, womit sie sich als möglicher Gestaltungsfaktor des BGB und gleichzeitig Zeichen der konservativen Haltung des Gesetzbuchs im Hinblick auf die hier verfolgte Frage bestätigen würde? b) Die Rechtsentstehung nach dem BGB-Gesetzgeber Zur Beantwortung dieser Frage wird zunächst nach den Aussagen des Gesetzgebers Ausschau gehalten, die sich explizit auf die Frage nach der Quelle des Gesetzesrechts beziehen. Haben sich Wille oder Tradition und Gewohnheit durchgesetzt? Solche Ansichtsäußerungen des deutschen Gesetzgebers finden sich vor allem bei den einleitenden Ausführungen Gebhards zur Entstehung und Natur der Rechtssätze nach dem BGB.190 Dem Redaktor Gebhard erscheint der Absolutheitsanspruch, mit welchem die Autorität des staatlichen Rechtswillens etwa durch den Code Napoleon propagiert wird, durchaus suspekt.191 Er rezipiert die dargestellten Ansichten der Historischen Rechtsschule, als er von der grundsätzlichen Annahme ausgehen will, dass „alles positive Recht seinen letzten Grund in der Rechtsvernunft des Volkes“ hat,192 worauf er auf die übereinstimmende Ansicht von Windscheid hinweisen kann.193 Doch es handelt sich bei beiden um eine kritische Rezeption. Der BGB-Gesetzgeber kann und will den Eigenwert staatlicher Gesetzgebung nicht verleugnen. Die Bedeutung der gesetzgeberischen Tätigkeit, die in der 188 189 190 191 192 193

System des heutigen römischen Rechts I, S. 42. Vor allem ist hier Jhering zu nennen. Am ausführlichsten in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren, AT 1, S. 77ff. Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren, S. 80f. Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren, S. 83. Vgl. Lehrbuch des Pandektenrechts I, § 15, S. 39f.: „Denn die letzte Quelle allen positiven Rechts ist die Vernunft der Völker“.

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zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stattgefunden hatte, ist ihm absolut bewußt. Insoweit sieht er sich auch im Gegensatz zur Tradition der Historischen Schule,194 woraus sich der Schluss rechtfertigt, dass er die diesbezüglichen Worte Savignys nicht wahrgenommen hatte. Er beruft sich demgegenüber auf Jhering, der die Fortschritte, die gerade das Gesetzesrecht vorzuweisen habe, in besonderer Weise hervorgehoben habe:195 „Und mehr und mehr hat sich die Überzeugung Bahn gebrochen, daß der Staat, wenn er zu einer einheitlichen Gestaltung des Rechtsstoffes schreitet, nicht umhin könne, das Gewohnheitsrecht, wenn nicht auszuschließen, so doch zu beschränken“.196 c) Funktion des Gesetzes Obwohl dies zögerlich geschieht, wird man dennoch in solchen Äußerungen eine deutliche Gewichtsverschiebung zugunsten staatlicher „Willkür“ erblicken dürfen. Das Gesetz ist nicht mehr ein überwiegend aufnehmendes und verarbeitendes „Organ des Volksrechts“. Mit Jhering, dessen Einfluss auf den Geist des BGB damit feststeht, ist es gerade der Positivismus, der sich Bahn bricht.197 Wurde zur Unterstützung desselben Arguments im Rahmen der englischen Diskussion auf die Gründung etlicher Vereine hingewiesen, deren Zweck die Reform des Rechts war, so darf in demselben Zusammenhang beim deutschen Recht nicht versäumt werden, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte Gründung des Deutschen Juristentages herauszustreichen. Zugespitzt formuliert gilt in der immer deutlicher auch in Deutschland Gestalt annehmenden bürgerlichen Gesellschaft: „Das Recht hat sein Dasein im Gesetz“;198 gerade Letzteres tritt in unverkennbarem Gegensatz zum Savignyschen: „Das Recht hat sein Dasein im Volk.“199 Das bisherige Ergebnis bedeutet aber nicht das Ende der Suche. Denn, wenn der BGB-Gesetzgeber in abstrakter Form die Einsichten Savignys nur 194 195 196 197

Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren. S. 82. Dies in: Der Geist des römischen Rechts, § 25, worauf auch Gebhard verweist. Vgl. Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren, S. 82. Die Parallele zum utilitaristischen Voluntarismus springt bei Jhering ins Auge. Man hat ihn in der Tat in spenglerscher Manier einen Utilitaristen genannt. Die geistigen Traditionen müssten auch hier deutlicher werden. Zum so konkretisierten positivistischen Geist des BGB siehe noch Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 22, Fn.74, S. 46–48, 65, bzw. Stolleis, Die Entstehung des Interventionsstaates und das öffentliche Recht, S. 140 m.w.H. 198 So Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte III, S. 165; vgl. auch Hattenhauer, Geistesgeschichtliche Grundlagen, S. 197. 199 Zit. nach Wolf, Große Rechtsdenker, S. 493.

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kritisch annimt, bedeutet dies nicht, dass sich dasselbe bei jeder konkreten inhaltlichen Ausgestaltung des BGB durchgehalten wurde. Diese Untersuchung wendet sich nun dem Familienrechtsgesetzgeber zu. Hier tritt im Ergebnis wieder eine Besonderheit des Familienrechts auf. d) Sonderstellung des Familienrechts Bei Planck sind nämlich die methodisch-sprachlichen Verbindungen mit der von Savigny begründeten und oben dargestellten Tradition der Historischen Rechtsschule – oder besser gesagt, mit diesen Aussagen von Savigny, die man als eine solche Tradition angesehen hat – unverkennbar. Wie bei Savigny ist ihm das Recht ebenso identitätsstiftend wie die Sprache.200 Das Rechtsbewusstsein und die Möglichkeit eines neuen Gesetzeswerkes, sich darin wiederzuerkennen, gilt ihm als Schranke jeder eingreifenden Gesetzgebung;201 die ziemlich unpositivistische, aber damals auch von den Positivisten noch nicht in solchem Maße wie heute verpönte, Frage nach einem gemeinsamen Rechtsbewusstsein und nach den gemeinsamen Grundlagen, von welchen der Gesetzgeber auszugehen hat;202 der Umstand, dass dabei das nationale Bewusstsein den Ausschlag gibt;203 der Glaube und das Vertrauen in die Gewohnheit;204 all das sind Anzeichen für die Tradition, auf welche sich der deutsche Gesetzgeber berufen wollte. Und er hat es auch getan, als er dazu konkret aufgefordert wurde. Die erheblichen Einwände von Gierke, dessen traditionsbehafteter Standpunkt –, der freilich erheblich anders gelagert ist als derjenige Savignys – weitgehend bekannt sein dürfte, kann er nur mit seiner Überzeugung vom deutlich deutschrechtlichen Fundament des Entwurfes erwidern.205 In Bezug auf die Forderung Gierkes nach einem sozialeren Gesetzbuch antwortet er: „Das bürgerliche Gesetzbuch hat in erster Linie die Aufgabe, das bestehende Recht zu codifizieren, nicht die Aufgabe, dasselbe umzugestalten.“206 Noch deutlicher treten die Wurzeln seines Denkens heraus, als die Petition des Allgemeinen deutschen Frauenvereins die Sache beim Namen nennt. Es sei die „geschichtli200 201 202 203 204 205

Motive IV, S. 137. Motive IV, S. 137. Motive IV, S. 137f. Motive IV, S. 140. Motive IV, S. 139f. S. die genauen Ausführungen in: Zur Kritik des Entwurfes, AcP 75, S. 327ff., insb. S. 345–375, und vgl. nur seine Schlussfolgerung S. 375. 206 Vgl. Zur Kritik des Entwurfes, AcP 75, S. 406f.; in diesem Zusammenhang s. Repgen, Die soziale Aufgabe, S. 92, 106, 475f. m.w.H.

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che Entwicklung des deutschen Rechtes“, welche der „prinzipielle(n) Berechtigung dieses Standpunktes“, d.h., der Forderung nach vermögensrechtlicher Selbständigkeit der Ehefrau, im Wege stünde. Wieder beruft er sich auf das deutsche Bewusstsein, das eine ziemlich allgemeine Sitte herausgebildet habe, nämlich das Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des Ehemannes am weiblichen Vermögen. Von einem solchen „Gange der geschichtlichen Entwicklung“ abzukommen, dazu besitze der Einzelne keine Befugnis.207 Wenn sich in diesen Worten nicht gerade idealistischer Ganzheitsdrang geltend macht, dann ist doch offenbar, dass Planck das „Gefühl innerer Notwendigkeit“208 mit seinem großen Vorfahren teilt. Und genauso wie jener empfindet auch der BGB-Redaktor, dass der Gesetzgeber einen bestimmten Beruf auszuüben habe. Dieser bestehe eben darin, „Recht zu finden, nicht Recht zu machen“.209 Der BGB-Gesetzgeber spricht eine deutliche Sprache und obwohl er, soweit ersichtlich, nicht auf Savigny verweist, kann doch kein Zweifel mehr bestehen, dass er an seine mit einer bestimmten Sprache erdachten und durch eine bestimmte und keine andere Sprache zum Ausdruck gelangte Tradition anknüpft. Es gibt außerdem keine Anzeichen dafür, dass er denselben Begriffen einen anderen Inhalt geben wollte. So kann am Ende doch eine Tradition konstatiert werden, die am Familienrecht des BGB in Bezug auf das Geschlechterverhältnis abzulesen ist. Eine Tradition, die dazu genutzt wird, Frauenforderungen abzuwehren. Eine Tradition, welche dem Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, sich konservativ auf die Macht der Gewohnheit zu berufen und diese schließlich durchzusetzen. Dies ist im Übrigen kein Urteil, das Savigny treffen könnte. Ob seine Rechtsentstehungslehre „konservativ“ war, steht hier nicht zur Debatte. Ob die Bindung des Rechts an das Volk und sein Bewusstsein für den BGB-Gesetzgeber so stark war, um den prinzipiell berechtigten Forderungen überzeugend widersprechen zu können, war die Frage, die nunmehr bejaht werden kann. 5. Ergebnis Im Hinblick auf die deutsche Rechtsentstehungslehre kann man keinesfalls in abstrakter Weise behaupten, das BGB sei konservativ gesinnt. Genausowenig kann man seine möglichen konservativen Züge in rechtstheoretischer Hinsicht undifferenziert dem Einfluss der Historischen Rechtsschule zuschrei207 Motive IV, S. 143f. 208 Vgl. Savigny, Beruf, S. 8. 209 Motive IV, S. 135 (Hervorhebungen hier).

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ben. In Bezug auf das Gesetzbuch im Allgemeinen kann in die angesprochene Richtung überhaupt kein Urteil gefällt werden. Nur Rechtsbereiche und konkrete Problemlagen darin lassen sich in die Kategorien progressiv/konservativ einordnen. Es ist also zwar richtig, dass in der Zeit der BGB-Entstehung die Kodifikation keine bloße Korrekturgesetzgebung mehr ist.210 Aber die Kodifikation des Patriarchalprinzips tritt nicht einmal als solche auf. Was nun die Historische Rechtsschule betrifft, muss die These vielleicht noch einmal verdeutlicht werden. Ob die Rechtsentstehungslehre von Savigny selbst konservativ war oder nicht, stand nicht zur Debatte, sondern lediglich, ob sie konservative Gemüter inspirieren konnte. Dass sie auch progressiven Zeitgenossen eine geeignete Reflexionsquelle zu sein schien, hat man unlängst herausgearbeitet.211 Aber auch ältere Ansichten von der unmittelbaren Verknüpfung der Historischen Rechtsschule mit der sog. enthistorisierten Begriffsjurisprudenz, die dem Gesetzespositivismus den Weg geebnet haben soll,212 deuten in die entgegengesetzte Richtung. Es kommt also entscheidend darauf an, die jeweils gemeinten Gemüter zu nennen bzw. sich auf konkrete Problemdiskurse in der BGB-Entstehungsdiskussion zu beziehen. Das wurde in dieser Untersuchung durchgeführt. Die Ansichten von Savigny wurden als Gestaltungsfaktor des BGB geltend gemacht. Im Rahmen der Argumentation gestalteten sie das BGB soweit ihre Sprache zur Begründung/Legitimierung des neuen Gesetzes eingesetzt wurde. Ob man dabei an den deutschen Volksgeist bzw. an das deutsche Rechtsbewusstsein oder schließlich an das „Wesen der Ehe“ tatsächlich geglaubt hat oder mit solchen Vokabeln bloß seinen männlichen Egoismus verhüllen wollte, ist im Ergebnis zweitrangig. Denn gerade hier ist der wesentliche Unterschied der Rechtstheorien zu verorten. Sie gestalten das jeweilige juristische Imaginäre inhaltlich, indem sie ihm seinen Entfaltungsraum vorgeben. Das tun sie wiederum, indem sie ihm die Sprache verleihen, in welcher es sich artikulieren kann. Dass diese Sprache nicht nur Worte waren, sondern für die Frauen eben eine gewisse Realität bedeutete, hat schon Marianne Weber erkannt.213 Die traditionelle englische Erkenntnistheorie hat dem englischen Gesetzgeber dagegen eine andere Sprache vorgeschrieben, die von den Utilitaristen des 19. Jahrhunderts schöpferisch konkretisiert wurde und schließlich den Rahmen dessen definierte, was man bei neuen Gesetzesvorhaben sagen darf 210 So etwa Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen I, S. 618. 211 Vgl. dazu Lüderssen, Eichendorff und das Recht, S. 50–53, 54–57, der nachzeichnet, wie reformerische Bewegungen gerade an Savigny anknüpfen konnten. 212 So Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 25f. 213 Ehefrau und Mutter, S. 478.

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und was nicht. Sie fungierte also gleichsam als Kontrolle des gesetzgeberischen Vorgehens. Zugleich formulierte sie eine radikale Abkehr von der Vergangenheit, und zwar dergestalt, dass die ansonsten ausgeschlossenen Frauen einbezogen werden konnten. Ihr auch im Familienrecht laut vernommenes Gebot hieß Reform.

V. Strukturelle Eigenheiten der Rechtsordnungen Als verwandt mit dem gerade behandelten Fragekreis erweist sich eine andere Problematik, über welche sich der komparative Blick entfalten kann. Sie soll als die „Autonomie des Rechts“ thematisiert werden. Damit werden Unterschiede als mögliche Erklärungen der untersuchten Entwicklung angesprochen, die aus dem systematisch-strukturellen Vergleich beider Rechtsordnungen sichtbar werden. Die „Autonomie des Rechts“ entfaltet sich zunächst über die äußere Struktur des fraglichen Gesetzes. Ob man es mit einer Kodifikation zu tun hat oder nicht, kann sich als maßgeblich für das Gewicht erweisen, welches einzelne Probleme für den Gesetzgeber erlangen. Noch wichtiger und auch besser nachzuweisen ist die Bedeutung des räumlichen Rahmens, aus welchem und für welchen sich ein Gesetz entwickelt. Hier geht es freilich mehr um Kultur denn um Autonomie oder Struktur oder eben um die Verschränkung dieser Elemente. Schließlich wird auf bedeutende Unterschiede in der Form des englischen Rechts hinzuweisen sein, die immer in Verbindung mit seinem Inhalt die dortigen Reformbestrebungen zu beflügeln vermochten. 1. Die Natur des Gesetzes: Kodifikation – Einzelfallgesetz In Bezug auf die äußere Struktur der hier interessierenden Gesetzeswerke lässt sich die Hypothese aufstellen, die letztlich kaum historisch verifizierbar ist, dass die Gesetzesstruktur als solche mit den realen Hindernissen oder Möglichkeiten, die sie dem Gesetzgeber bietet, die Bildung seiner Reformschwerpunkte determinieren kann. Man kann also zunächst in der Tat nicht einseitig behaupten, dass in England die Reform des Rechts als die einzige Funktion des Gesetzes gesehen worden ist. Eine seiner bedeutenden Funktionen ist auch darin gesehen worden, den bestehenden Zustand vieler, sich vielfach widersprechender Einzelgesetze zu konsolidieren,214 obgleich diese Ansicht nach dem Gesagten selbstverständlich von der herrschenden Geis214 Manchester, Modern Legal History, S. 40.

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teshaltung entfernt lag. Doch der englische Parlamentarier musste gar nicht darüber diskutieren. Das bedeutet wiederum, dass dem Gegner der Reform des ehelichen Güterrechts das Argument des „Berufs des Gesetzgebers“ in dieser Form gar nicht zur Verfügung stand. Und dies, weil er nicht zum Parlament gegangen war, um umfassend über die Gestaltung des Privatrechts seines Landes zu diskutieren. Er war dort, um über die von anderen vorgeschlagene Reform der rechtlichen Stellung der Ehefrau zu debattieren. Er konnte sich also von Anfang an lediglich mit einer bestimmten Frage, und zwar nur in inhaltlicher Weise befassen. Dem deutschen Gesetzgeber dagegen stand das Werk einer Kodifikation bevor, das er vollbringen sollte. Planck hatte über das ganze Familienrecht nachzudenken. Die Stellung der Ehefrau konnte für ihn dabei nur ein Schwerpunkt sein. Dass er zugleich umfassend über die „Familie“ nachzudenken hatte, ist ein weiterer Gesichtspunkt. Denn in England ging es ausschließlich um die vermögensrechtliche Stellung der Frau. Nicht einmal die Familie war das Thema, sie wurde nur als Einwand präsent. Auf diese Weise kann sie aber kaum den wertungsrelevanten Standpunkt erreichen, der ihr bei einem Kodifikationvorhaben stets eigen ist. Das bedeutet im Ergebnis, sie kann auch nicht dasselbe argumentative Gewicht erreichen. Das englische Gesetz ist ein Gesetz, das sich mit einem einzigen Problem beschäftigt, welches dann als solches seine Behandlung erfordert. Die Kodifikation befasst sich mit Rechtsinstituten, die zufällig in Deutschland zugleich Rechtsinstitutionen wurden. Während das Blickfeld des einen Gesetzgebers gegenstandsbezogen verengt wird, wird das Blickfeld des anderen im konkreten Fall durch seinen Umfang belastet. 2. Deutsche „Partikularitäten“ Ob der Unterschied zwischen Kodifikation und dem englischen Gesetz schließlich von Gewicht gewesen sein könnte, bleibt eine Vermutung. Es gab aber tatsächlich ein Problem, welches dem deutschen Gesetzgeber seine Behandlung besonders aufdringlich erbot und welches im Zusammenhang einer Kodifikation alles andere zurückzudrängen vermochte, wenigstens argumentativ. Es war die Einheit Deutschlands. Dabei dürfte klar sein, dass es sich hierbei nicht um die Bildung der nationalen Identität handeln kann, denn diese ist im Bewusstsein der Menschen schon seit langem verankert. Es geht um die Herstellung von politischer Einheit und den „Beruf“ des Gesetzgebers dabei. So weist schon Gebhard in seinen erwähnten Ausführungen zu den Rechtsquellen nach dem neuen Gesetzbuch darauf hin, dass eine Übergewichtung des Gewohnheitsrechts „eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die

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erstrebte Rechtseinheit […] in sich schließen würde“.215 Auch nach Planck ist den Anhängern eines regional systematisierten Güterrechtssystems die „höhere Forderung der nationalen Rechtseinheit“ entgegenzusetzen. Er geht sogar soweit, dem Rechtssystem eine aktive pädagogische Funktion zuzuschreiben. Durch die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland erhofft er sich einen entscheidenden „Einfluss eines allgemeinen deutschen Rechtes auf Sitte und Gewohnheit“.216 Sein Anliegen wird leichter verständlich, wenn man die Lage berücksichtigt, in welcher Planck das eheliche Güterrecht vorgefunden hatte. Es zeichnete sich durch einen extremen Partikularismus aus217 und gerade die daraus resultierende Zersplitterung des Rechts ist in den Augen des Gesetzgebers der einzige Umstand, der ihn zum Eingreifen in den bestehenden Rechtszustand zu nötigen scheint. Ein solches Eingreifen erachtet er dann für zulässig, „wenn es sich darum handelt, den großen, durch ein nationales Bedürfnis geforderten, für die ganze Entwickelung unseres nationalen Lebens entscheidenden Zweck, die herstellung der nationalen Rechtseinheit, zu erreichen“.218 In diesem Fall habe sich der Gesetzgeber sogar vor einer Umgestaltung des Rechts nicht zu scheuen.219 Bezeichnend für den Vorrang der Herstellung nationaler Rechtseinheit ist auch folgender Umstand: Planck beginnt auf Seite 134 der Motive mit der Erörterung genau dieses Problems. Von diesem Ausgangspunkt aus beantwortet er dann nicht nur die Einwände der Verfechter der verschiedenen güterrechtlichen Systeme. Auch auf die Forderungen der Frauenbewegung geht er in demselben Zusammenhang ein. Womöglich vermag er darin expliziterweise nur die Forderung nach einem bestimmten güterrechtlichen System zu erkennen. Dass die Frauen Gleichberechtigung verlangen, dürfte ihm aber damals schon klar gewesen sein, denn er spricht von bestimmten berechtigten Forderungen. Von der Gleichberechtigung der Frau spricht er jedenfalls einige Jahre danach in seiner berühmten gleichsam apologetischen Rede vor dem Göttinger Frauenverein.220 215 Gebhard, in: Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren, AT 1, S. 83. 216 Motive IV, S. 139. 217 Dessen Darstellung findet sich bei Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 7–56, und in der zeitgenössischen Literatur, etwa bei Stobbe, handbuch Band 4, S. 131–301. Vgl. dort insb. S. 131, wo der Zustand der Rechtszersplitterung betont wird. Darüber, dass das Reichsgericht im Jahre 1892 anders dachte, Luig, Rechtsvereinheitlichung, ZeuP 1997 (5), S. 776. 218 Motive IV, S. 141. 219 Vgl. Motive IV, S. 140. 220 Vgl. Planck, Die rechtliche Stellung der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuche, S 23.

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Jetzt zeigt sich deutlich, dass besagte Umgestaltung bei diesem Gesetzgeber bestimmte Grenzen kennt, welche die Frauenforderungen wertungsmäßig aufzuwiegen vermögen. Diese Grenzen sind Tradition und Einheit. Vor der gewaltigen Aufgabe der Zusammenfassung von über hundert Güterrechten zu einem einzigen Gesetz besteht für Planck gar nicht die Möglichkeit, auf seine „subjektiven Ansichten […] über das theoretisch Beste“ Rücksicht zu nehmen. Denn das „Bürgerliche Gesetzbuch sollte einheitliches eheliches Güterrecht für Deutschland schaffen“. Dieses sollte auf Grund der bisher in Deutschland geltenden Rechte aufgebaut werden.221 Legt man nun das Gewicht auf die Vokabel der Schaffung eines einheitlichen Rechts und auf den wiederholten Hinweis auf die Überzahl der vor dem BGB geltenden Rechtssysteme, dann ließen sich diese Aussagen folgendermaßen „übersetzen“: Der zu bearbeitende Stoff war so gewaltig, dass man vom Gesetzgeber nicht verlangen durfte, dass er sich ein einheitliches Recht auf ganz neuer Grundlage erdenkt. So wirkt sich das politische Ideal der Rechtseinheit unter den in Deutschland zu dieser Zeit güterrechtlich gegebenen Umständen auf seine Weise auf die Frauenforderungen gewissermaßen auffressend aus. Der sympathisierende Gesetzgeber kann dann den Frauen nur zukunftsweisenden Trost mit auf dem Weg geben: „Es ist ja möglich, dass die Entwicklung in dieser Richtung fortgeht.“222 Recht hat Planck allemal behalten. Aber diese Entwicklung hat er nicht positiv prägen wollen oder können. 3. Englische „Partikularitäten“ Soeben wurde das Streben nach Herstellung rechtlicher Einheit als eine Eigentümlichkeit herausgestellt, die den Inhalt des BGB beeinflusst haben könnte. Wenn man sich nun mit derselben Fragestellung der englischen Gesetzgebung zuwendet, dann ist zunächst das Fehlen einer solchen Eigentümlichkeit zu konstatieren. England hat sich als Nation längst (ein)gebildet, und durchlebt um die Mitte des 19. Jahrhunderts kein Streben nach Herstellung politischer oder rechtlicher Einheit.223 Namentlich Letztere besitzt es mit dem Common Law, wie gesagt, seit „unvordenklichen Zeiten“. Da hier aber nicht von unabdingbaren Bedingungen eines sich kausal entrollenden Geschichtsverlaufs ausgegangen wird, kommt es auch jetzt darauf an, Merkmale der englischen 221 Alle Zitate aus: Planck, Die rechtliche Stellung der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuche, S. 24f. 222 Planck, Die rechtliche Stellung der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuche, S. 24. 223 S. dazu vergleichend Manchester, Modern Legal History, S. 47.

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Entwicklung zu entdecken und nicht beide Rechtsentwicklungen an einem vorher festgelegten Kriterium zu messen. Es gab in der Tat auch englische „Partikularitäten“, die im „nationalen“ Kontext eine Rolle gespielt zu haben scheinen. Die erste verläuft in vergleichbaren Schienen wie die gerade beschriebene in Deutschland, nur eben in umgekehrter Richtung. Das englische Rechtssystem trachtet nämlich nicht nach einem Zustand der Einheitlichkeit, sondern befindet sich längst in einem Raum der kulturellen Vielheit, der Pluralität und wächst dort heran. England betritt das „Imperiale Zeitalter“224 und denkt doch längst in gewissem Sinne imperial oder global. a) Internationale Netze als Einflussfaktor: Das „Fremde“ und das „Eigene“ Das Common Law hat sich in die sog. angelsächsische Welt und in die Welt des Commonwealth erstreckt und hat dann dort begonnen, seinen eigenen, zunächst von England abgekoppelten Weg zu verfolgen. Aber Tradition wurde auch in England nicht einfach ausradiert, und das Common Law wurde dort „schon immer“ als Teil der kulturellen Tradition angesehen. So wie die USAmerikaner oft zuerst auf das rezipierte Common Law sahen, um herauszufinden, was reformiert werden sollte und es manchmal bei diesem Prozess als Paradigma rechtlicher Antiquiertheit bloßstellten,225 so waren für die englischen parlamentarischen Reformer die Umwandlungen, welche(n) das Common Law in anderen Ländern erfuhr/erlitt, ein stetiger Referenzrahmen. Pointiert tritt dieser Umstand hinsichtlich der hier interessierenden Frauenrechte zum Vorschein. Gerade die USA und Kanada kommen in der parlamentarischen Debatte sehr häufig zur Sprache. Und auch die erwähnte Reform des in Indien für englische Anwohner geltenden Rechts findet Erwähnung.226 Denn in diesen Ländern wurden der vermögensrechtlichen Emanzipation der Ehefrau große Zugeständnisse gemacht. Daraus wollten die Verfechter einer englischen Reform Argumente für ihre Vorschläge schöpfen. Es ging nur noch um die Frage, ob die kulturellen Gemeinsamkeiten oder die jeweiligen Eigenheiten den Ausschlag geben sollten, aber der gemeinsame Ausgangspunkt war unweigerlich da. Er bot gerade politische Argumente, weil man sich auf anderswo gemachte Erfahrungen stützen konnte. 227 224 225 226 227

So der Titel des dritten Teils der hobsbawmschen Trilogie zum 19. Jahrhundert. Vgl. Dazu exemplarisch Foster, The Legal rights of Women, Kap. II. Vgl. Hansard, 201 (1870), S. 885f. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich auch die von Zweigert vorgenommene Einteilung der Welt in Rechtskreise, vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechts-

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Es ist also die Internationalität des Common Law, die der englischen Diskussion einen ganz anderen Ausgangspunkt verschafft. In Deutschland konnte Stumm-Halberg zwar auch auf die englische Entwicklung hinweisen.228 Dass er dabei fast allein blieb, ist hier sogar sekundär. Von wesentlicher Bedeutung erscheint vielmehr der Umstand, dass der Mensch sich dadurch identifiziert und eine Gesellschaft sich dadurch konstituiert – beides gilt selbstverständlich nicht abschließend –, indem sie andere von sich unterscheiden und sie als solche, also als „Andere“ oder als „Fremde“, möglicherweise auch als „Barbaren“ definieren.229 Das Beispiel des „Fremden“ kann demnach dann keine vorbildliche Wirkung entfalten, wenn das Imaginäre um die Herstellung der eigenen Identität ringt. Stumm-Halberg bemüht sich vielleicht deswegen darum, das englische Recht im Lichte einer historisch-kulturellen Verwandschaft mit dem deutschen Recht und damit als etwas „Eigenes“ erscheinen zu lassen: „Ein leuchtendes Beispiel wie man germanisches Recht entwickelt bietet uns England“.230 Worauf er freilich schon vorher, in der Kommission wie er sagt, die Antwort erhalten hatte, dass man eben keine englische, sondern eine deutsche Ehe wünsche.231 Auf den Engländer hat also aus den erwähnten Gründen die amerikanische Rechtsordnung möglicherweise als etwas Vertrautes, etwas „Eigenes“ gewirkt.232 Für den deutschen Gesetzgeber dagegen war aber nicht nur die engli-

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vergleichung, S. 62ff., inzwischen relativiert von Kötz, Abschied von der Rechtskreislehre?, ZeuP, 1998, S. 493–505 (der sich ebda. auf S. 504 auch vom Primat der Funktionalität als einzige Methode der Rechtsvergleichung verabschiedet). Derselbe Umstand – die Teilung in Rechtskreise – kann wiederum einen schwerwiegenden Kritikpunkt darstellen, wenn es sich darum handelt, die europäischen Rechtsordnungen zu vereinheitlichen. Jedenfalls sollte der stetige Blick auf die Kultur und deren Entwicklung, dessen sich die englischen Parlamentarier der Untersuchungszeit dieser Arbeit rühmen können, einem heute gleichsam naturrechtlich auftretenden, kulturell indifferenten Rechts- und Gesetzespositivismus (also der Beschränkung des Erkenntnisinteresses auf das Juristische), der dennoch mit rechtspolitischen Forderungen auftritt, zu denken geben. Vgl. etwa Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1320f. Zu dieser Frage Castoriadis, Sujet et Vérité, insb. S. 55–77, 209–249. S. noch ders., Mode d’être du social-historique, in: Figures du Pensables, insb. S. 264–275 bzw. ders., Réflexions sur le racisme, in: Le Monde Morcelé, insb. S. 36–39. Aus seinem Blickwinkel im Wesentlichen nicht anders Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, I, § 9 (4); in Bezug auf das Individuum noch Frank, Die Unhinterfragbarkeit von Individualität, S. 64f. Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1321. Vgl. noch Mugdan, Die gesamten Materialien, IV, S. 1327. Die Frage nach dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ entscheidet sich im Übrigen immer im Rahmen einer konkreten Gesellschaft, und dem Ergebnis dieser Refle-

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sche Realität/Welt, sondern auch die darauf bezogene Rechtsordnung, also das durch den Hinweis Stumm-Halbergs in Anspruch genommene Rechtssystem definitiv etwas Fremdes. Denn er (der deutsche Gesetzgeber) konnte vorerst nicht wissen, als was er ein „separate estate“ einzuordnen hatte, während sowohl der Engländer als auch der Kanadier in diesem Kontext von der „feme covert“ gesprochen haben.233 Kurzum: In England war der Vergleich viel leichter zu vollziehen, und zwar in einem Zeitpunkt, wo die vergleichende Rechtswissenschaft noch geringe bis gar keine Fortschritte zu verzeichnen hatte. b) Die Equity als Triebkraft der englischen Familienrechtsreformen Die zweite englische „Partikularität“, mit deren Erwähnung diese Arbeit nun zu ihrem Abschluss kommt, betrifft nicht mehr die Unterscheidbarkeit der englischen Rechtsordnung von anderen vergleichbaren Wesen, sondern ihre gleichsam innere Identität. Die Jurisprudenz der Equity entwickelt seit spätestens dem 17. Jahrhundert eine Rechtsprechung, die vom „separate estate“ der Ehefrau gesprochen und ihr dementsprechend in frappierendem Gegensatz zum Common Law eine zum Teil weitgehende rechtliche Selbständigkeit einräumte. Der Rechtshistoriker und Verfassungsrechtler Dicey untersucht in seinen berühmten „Lectures on the Relation between Law and Public Opinion in England During the Nineteenth Century“ unter anderem die rechtsschöpfende Kraft der Rechtsprechung. Diese exemplifiziert er genau am Beispiel der erwähnten Equity-Judikatur. Seine These lautet: „That the rules of equity, – that is, a body of judge-made law, – determined to a great extent the date, xion entsprechend wird sich diese Gesellschaft konstruieren. Dass also den deutschen Gesetzgeber die Berufung auf das englische Recht im Jahre 1880 oder 1890 oder 1900 befremdet haben könnte, heißt nicht automatisch – etwa, weil beide Nationen immer noch bestehen und vor allem, weil sie nicht zusammengeschmolzen sind –, dass sie ihn auch im 21. Jahrhundert befremden würde. Die Situation am Ende des 19. Jahrhunderts wäre also noch kein Argument gegen die heute postulierte Angleichung oder Vereinheitlichung der europäischen Rechtsordnungen. Dass die Frage nach dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ aber auch heute einer Diskussion bedarf, kann nur derjenige bestreiten, der über Rechtsordnungen diskutiert, als wären sie bloße Schmuckstücke, die man nach Belieben anziehen könnte. Aber Schmuckstücke müssen auch zum übrigen Äußeren passen und mancher Modeexperte oder über den Wolken schwebende Ästhetikphilosoph würde behaupten, dass sie auch mit dem Inneren harmonieren sollten! „Als wäre so ein § ein Ding an sich, ohne jene ewigen Grundlagen.“ (Eichendorff, zit. nach Lüderssen, Eichendorff, S. 81). 233 Hierauf beruhende Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Frauenbewegungen im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit wären noch zu untersuchen.

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the method, and the nature of the reform carried through by Parlament.“234 Er hat damit sowohl die Rechtsquellenqualität der Rechtsprechung als auch die Rechtsquellenpluralität und die Verschränkung der englischen Rechtsquellen miteinander unter Beweis gestellt. Solche Fragen berühren die Interessenschwerpunkte dieser Untersuchung nur rudimentär und soweit dies der Fall war, wurde im Laufe der Ausführungen einiges dazu gesagt. Hier geht es gleichsam um die historische Substanz des Arguments. Nach dem im ersten Teil dieser Arbeit Gesagten kann in der Tat kein Zweifel daran bestehen, dass Dicey zum großen Teil Recht hatte. Um im Folgenden seinen Weg nachzuzeichnen, werden zwei Formen des Einflusses der Equity-Judikatur auseinanderzuhalten sein. aa) Die Equity als Argument Die Frage, welchen Gebrauch die Verfechter der Fraueninteressen von der bloßen Existenz einer solchen gerichtlichen Praxis gemacht haben ist leicht zu beantworten: Die Equity wird argumentativ ständig als Indikator der Ungerechtigkeit des Common Law eingesetzt. Das war vor allem im Rahmen der parlamentarischen Debatte der Fall. So gab es für den Abgeordneten Headlam „no better proof of the hardship of the Common Law than the Judge-made Law to which successive Chancelors had contributed, and which had materially mitigated it”.235 Auch Lowe konstatiert: „That is an admission on the part of the Court of Chancery that the present law is unjust”.236 Und ein anderer wirft ein, dass, wenn man zu erfahren wünschte, wie ungerecht das Common Law sei, er nur zu den Equity-Gerichten zu gehen brauche.237 Ständig trifft man auf das Argument, dass man durch die Flucht in die Equity genau dem Recht ausweiche, das sich als ungerecht erwiesen habe. Gleich danach fügt sich der Missstand der klassendifferenzierenden Ungerechtigkeit hinzu, zu dem die hohen Kosten der Equity-Gerichte führen. bb) Die Equity als juristisches Vorbild Die Bedeutung der genannten Rechtsprechung entfaltet sich aber nicht nur im Bereich des Diskurses. Die strukturelle Eigenheit des englischen Rechts, das selbständige Nebeneinander verschiedener Rechtsquellen hat nicht nur zu Friktionen, etwa zwischen Common Law und Equity, geführt. Sie rief vielmehr ein Zusammenspiel der verschiedenen Rechtsquellen, eine inhaltliche 234 235 236 237

Dicey, Lectures on the Relation, S. 384. Vgl. Hansard, 192 (1868), S. 1359. Hansard, 192 (1868), S. 1366. Hansard, 192 (1868), S. 1374.

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Beeinflussung hervor. Die Rechtsprechung des Lordkanzlers war gerade in dieser Hinsicht maßgeblich für die gesetzlichen Änderungen, die ab 1870 stattfanden. Dies nachzuweisen, fällt ebenfalls nicht besonders schwer. In der Frage der sprachlichen Tradition, die durchaus von der Frage der Übernahme bestimmter Rechtsregelungen zu unterscheiden ist, macht die „Law Amendment Society“ im Jahre 1856 den Anfang und verlangt die allgemeine Normierung des Equity-Konzepts vom „separate estate“.238 Im nächsten Jahr wird ein „married women’s property bill“ eingereicht. Sein erklärtes Ziel besteht darin, die Regeln des Common Law durch die Regeln der Equity zu ersetzen.239 1870 kommt dann das erste Reformgesetz. Der erste im Parlament eingebrachte Entwurf speist sich explizit aus dem genannten Richterrecht.240 Das Gesetz selbst spricht vom „separate estate“. Dass man zugleich den schützenden Unterton des Richterrechts übernahm, wurde in der Diskussion zum Gesetz von 1882 zum Einwand.241 Die schützende Funktion des „separate estate“ hatte man jedenfalls anfänglich übernommen. Hat man doch der Ehefrau noch keine abstrakt gefasste Geschäftsfähigkeit zugestanden.242 Zum Schluss soll noch die Entscheidung Ashworth v. Outram aus dem Jahre 1877 erwähnt werden.243 Dort wird von den Richtern das neue Gesetz interpretiert. Der Rekurs auf die umfangreiche Rechtsprechung zum „separate estate“ ist die einzige Interpretationshilfe, die den Richtern zur Verfügung steht, so dass man sagen kann, dass der Married Women’s Property Act 1870 im Lichte der Equity-Prinzipien interpretiert wurde. Worin liegt nun für die gegenwärtige Fragestellung die besondere Substanz der geschilderten Übernahme? Man könnte zunächst behaupten, dass die maßgebliche Leistung der Equity darin zu erblicken sei, dass sie die rechtlichen Forderungen der Frauen bzw. einen Teil davon schon seit Jahrhunderten mit dem juristischen Instrumentarium behandelt und ihnen somit eine konkrete, in der Praxis genügend erprobte juristische Form gegeben hatte,244 die bewusst als System und nicht als bloße Kasuistik behandelt wurde. Das Argument der Stoffbewältigung, der Konsolidierung des gegebenen Materials und der besonderen Last dieser Vorgänge, so dass eine Reform des Rechts auszuweichen hätte, wie es oben entwickelt wurde, wäre unter diesen Umstän238 239 240 241 242 243 244

Vgl. Shanley, Feminism, S. 34f. m.w.H. Vgl. Shanley, Feminism, S. 45. Vgl. Hansard, 191 (186), S. 1017ff. Vgl. Shanley, Feminism, S. 126. Dazu auch Dicey, Lectures on the Relations, S. 381. Ashworth v. Outram (1877), Ch. Div. V, S. 934. So in der Tat in: Hansard, 195, S. 771.

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den kaum möglich, und es wurde in England tatsächlich nicht vorgebracht. Berücksichtigt man aber andererseits, dass gerade im ehelichen Güterrecht auch in Deutschland von der Rechtsprechung eine gewisse Vereinheitlichung des Rechts erreicht worden war,245 dann hat man die Tatsache vor sich, dass solche Entwicklungen offenbar vom deutschen Gesetzgeber nicht berücksichtigt wurden. Der deutsche Gesetzgeber hat offensichtlich über die Rechtsprechung anders als der englische Gesetzgeber gedacht.246 Das ist eine Frage der Rechtskultur, die wegen ihrer theoretischen Tiefe und Breite hier nur als bloße Anregung Erwähnung finden kann. Von eminenter Bedeutung ist hier dagegen wieder die Rückbesinnung auf den Inhalt. Denn Rechtskultur hin oder her, die entscheidende Leistung der Equity war, dass die Gerichte genau dieses Ehegüterrecht geschaffen hatten, welches eine Gleichbehandlung der Ehefrau in der Familie förderte. Es ist nicht irgendeine Tradition, die sich in England geltend macht. Es ist nicht nur die besondere Bedeutung des Richterrechts für den englischen Gesetzgeber, welche nach dem Gesagten unbestreitbar sein dürfte. Es ist die konkrete Tradition, die schließlich mit dem in diesem konkreten Land geltenden Wert des Richterrechts zu einem für die Ehefrauen konkreten Ergebnis geführt hat. In Deutschland war das alles anders vorhanden. Je näher der Schluss dieser Untersuchung rückt, desto stärker wächst die Überzeugung, dass vergleichende Geschichte in erster Linie Verständnis für die „Andersheit“ bzw. Individualität bedeutet, wobei man sich ebenfalls in einer bestimmten Tradition weiß. So muss noch der vermeintlichen Vollständigkeit halber erwähnt werden, dass die Equity nur solchen Regelungskonstrukten den Stempel des Rechts aufgedrückt hat, welche zuvor in Eheverträgen ausgedacht worden waren.247 Und sofort wird sich der Einwand nicht zurückhalten lassen, dass es auch in Deutschland vergleichbare Eheverträge, d.h. Eheverträge vergleichbaren Inhalts gegeben haben könnte, von denen auch Planck zu wissen schien und sie als Ausweichmöglichkeit für die mit dem Gesetz nicht Zufriedenen berücksichtigt hatte. Aber Vertrag ist eben nicht gleich Vertrag. Planck hat seinem Gesetz sittenbildende Kraft zuerkannt oder wenigstens auf eine solche gehofft. Bei den Verträgen ist aber davon nicht die Rede. Er wollte vielmehr der vertragsgestaltenden Phantasie durch seine sittenstiftenden zwingenden Normen einen, wenn auch vergleichweise liberalen, Riegel vorschieben.248 Verträge als solche treten also gerade mit ihrer 245 246 247 248

So Luig, Rechtsvereinheitlichung, ZeuP 1997, S. 763–779. Vgl. Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte III, S. 163f. Welch ein Beispiel schöpfender Einbildungskraft im Recht! Vgl. Motive IV, S. 142.

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inhaltlichen Vielfalt hervor. Die vertragliche Regelung ist in einem solchen System nicht dazu konzipiert, das Glied eines systematischen Rechtskörpers zu werden. Sie besitzt nicht die Vorbereitungsfunktion, die einem Gesetz eigen zu sein scheint.249 Die Equity dagegen ist ein Gesetz. Die von ihr hervorgebrachten Regelungen bekommen unabhängig von ihrem historischen Ursprung die Anerkennung. Vertragliche Regelungen/Erfindungen werden in einer eigens dafür vorgesehenen Jurisdiktion systematisch bearbeitet, in ein gesetzliches System integriert. Die sittenbildende Kraft des Gesetzes, von welcher Planck gesprochen hatte, die Präsenz der vertraglichen Norm im Bewusstsein der betroffenen Bevölkerung kann sich von hier aus entfalten, gleichgültig, ob ihre ursprüngliche Wirkung individuell ausgerichtet war. Inmitten der Rechtsquellenproblematik wird man schließlich vielleicht darauf hinweisen, dass die Eigentümlichkeit der deutschen Rechtsordnung im 19. Jahrhundert darin besteht, dass ein Großteil ihrer Systembildung gerade nicht von der Rechtsprechung, sondern von der Wissenschaft übernommen wurde. Der Grundgedanke dieses Einwands wäre also, insoweit völlig richtig und berechtigt, dass die deutsche Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert für die Gestaltung des Rechtssystems und vor allem des Systems des BGB eine der Judikatur in England vergleichbare Rolle gespielt hat.250 Das hieße, man müsste dort nach eventuell einflussreichen Inhaltsvorstellungen suchen. Das wurde auch durchgeführt, aber das Familienrecht des BGB ist nach dem Prinzip des Patriarchalismus aufgebaut. In der maßgeblichen juristischen sowie rechtphilosophischen – denn das erste Drittel des Jahrhunderts ist in Deutschland ein philososphisches Zeitalter251 – Literatur meldet sich eben kein antipatriarchalisches Imaginäres zu Wort. Keines, dessen Einfluss den deutschen Gesetzgeber hätte erreichen können. 4. Ergebnis zum juristischen Imaginären Das Recht barg zahlreiche Breschen, die den gesuchten Bruch der tradierten imaginären Bedeutungen mitgetragen haben. In England tauchen seit Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere neue Sinndeutungen des Rechtlichen auf, die sich als ziemlich einflussreich erweisen. Sie stehen vor allem in unmittelbarem 249 Dazu etwa, aber nicht so genannt, Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 163 und öfter zur Stabilisierung von – kontrafaktischen – Erwartungen. 250 Vgl. David/Jauffret-Spinosi, Le grands systèmes de droit contemporains, S. 117. 251 So Nipperdey, Bürgerwelt und starker Staat, S. 526.

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inhaltlichem, aber auch personellem Zusammenhang mit den Rechtsforderungen der Frauen und mit der Welt der Politik, wodurch die Einheit der kulturellen Gestalt erhellen mag.252 In Deutschland dagegen macht sich eine Kontinuität bemerkbar, und die wenigen dagegen rebellierenden Stimmen finden jedenfalls bis Ende des Jahrhunderts kaum Gehör. Ebensowenig im Gesetzgebungsverfahren, wo ihnen höchstens eine nunmehr weniger deutliche Sprache betreffend das patriarchalische Prinzip zugeschrieben werden kann. Signale eines Bruches dringen auch hier nicht durch. Das juristische Imaginäre erweist sich zum Schluss als die stabilste Brücke zu den beiden Welten. Erst durch seine Einbeziehung in die Untersuchung scheinen sich die abweichenden Ergebnisse der hier interessierenden Gesetzgebungsprozesse dem historischen Verständnis zu eröffnen. Dazu hat sich aber eine bestimmte Vorgehensweise als notwendig erwiesen, worauf schon deutlich hingewiesen wurde: die Verbindung der Methode mit dem Inhalt, wobei Methode die allgemeinen Strukturen einer Denkrichtung und Inhalt die geschlechterbezogenen Meinungen der Vertreter dieser Denkrichtung sowie die historische Bedeutung von beidem (Strukturen – Meinungen) meint. Es ging hier um die güterrechtliche Stellung der Ehefrau. Die jeweils angesprochenen Methoden, Denkrichtungen und Philosophien wurden von bestimmten Menschen erdacht. Sie kamen meist in Verbindung mit diesen Menschen zu ihrem Einfluss. Letztere haben sich oft zu den sozialen Fragen ihrer Zeit geäußert, ja sie kamen dadurch zu ihrer abstrakten Schöpfung. Die Rezeption ihrer Philosophie, soweit sie hier interessant wurde, lässt sich von den Inhalten dieser Äußerungen nur selten trennen. So hat die englische Frauenbewegung an Maine oder vielmehr an den Utilitarismus angeknüpft, nicht nur, weil sie Methoden propagierten, die dieser Emanzipationsbewegung dienlich sein könnten, sondern auch deswegen, weil sich ihre Namen und ihr Ruhm auf eine bestimmte Weise mit dem Anliegen der Frauen verbinden ließ. Es besteht eine dreifache Beziehung (Frauenbewegung-Philosophen-Philosophie) und alle drei Elemente werden durch die rechtsphilosophische Reflexion der Zeit verbunden. In Deutschland sind es keine drei Elemente, bzw. sie befinden sich auf ganz anderen Ebenen (Recht-Moral-Familie). Deswegen galt auch hier die zentrale Rolle der zeitgenössischen Rechtsphilosophie hervorzuheben. Eine bestimmte ihrer Richtungen war dem deutschen Gesetzgeber ständige argumentative Weggefährtin. Dabei wurde hier durchaus nicht übersehen, dass der Kantschen Erkenntnistheorie ein kritisches Potential immanent ist, welches dem englischen Em252 Was wiederum gegen die Annahme einer damals in England vorhandenen Ausdifferenzierung des Rechts gewendet werden könnte.

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pirismus in nichts nachsteht. Auch nach Kants Philosophie sind beispielsweise Argumente zum „Wesen der Ehe“ ausgeschlossen. Aber John Stuart Mill sagte sowohl das als auch, dass jegliches „Wesen der Ehe“, wenn überhaupt, dann in der Gleichberechtigung der Geschlechter liege. Als frauenfreundlich kann man die Ansichten von Kant im Übrigen nicht bezeichnen. Die historische Bedeutung der Denktraditionen können aber eben nur aufgedeckt werden, indem ihre konkrete soziale Sinnstiftung tatsächlich vernommen wird. Eine Denktradition ist „kritisch“, weil und wenn sie tatsächlich kritisiert. Und schließlich ist es so, dass der englische Gesetzgeber auf John Stuart Mill gehört hat, der deutsche Gesetzgeber aber Kants methodischen Anregungen nicht gefolgt ist. Er war auch nicht gezwungen, ihm zu widersprechen. Gerade Kant hatte ihm die Befugnis gegeben, methodisch kritisch, aber inhaltlich davon unabhängig zu verfahren.

Schluss A. Gesamtergebnis Zunächst muss eine zusammenfassende Antwort auf die Hauptfrage der Untersuchung gegeben werden, also wie sich das als differierend definierte Ergebnis der beiden verglichenen gesetzgeberischen Eingriffe verstehen lässt. Die Untersuchung setzte bei den Frauenbewegungen an. Die englische Frauenbewegung weist schon Mitte der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts eine beachtliche Massivität auf und wendet sich mit ihren Forderungen gleich an den englischen Gesetzgeber. Besonders von Interesse für die vorliegende Untersuchung war der Umstand, dass diese ersten Frauenrechtsforderungen das eheliche Güterrecht, also die vermögensrechtliche Lage der Ehefrau betreffen. Den sozialen Wandel reflektierend, greifen die englischen Frauen eines der tragenden Legitimationsprinzipien des Common Law im 19. Jahrhundert an, nämlich seine geschlechterbezogene Rollenverteilung. Sie verlangen (gegenüber dem Ehemann) nach selbstverwalteter Arbeit. Damit verlangen sie, auch als Ernährer der Familie fungieren zu können. Sie fordern nichts anderes als die Umwälzung eines elementaren Bereichs der sozialen Arbeitsteilung des 19. Jahrhunderts. Die deutschen Frauen erheben auch früh genug ihre Stimme gegen das Patriarchat. Aus dem Geist der 48er Jahre heraus entwickeln sie ein Bewusstsein für die neue Bedeutung des Rechts: ein Rechtsbewusstsein. Entsprechend dem genannten Geist bleiben ihre Forderungen dann noch unspezifiziert. Jedenfalls gehört das eheliche Güterrecht noch nicht zu den Schwerpunkten der ersten Frauenagitation. Möglicherweise würde es das bald werden, aber die deutschen Frauen handeln in einem konkreten politisch-kulturellen Rahmen. Die Zeit nach dem Jahre 1848 ist in Deutschland alles andere als günstig für eine Emanzipationsbewegung. Nicht anders verhält es sich mit der etwas späteren deutschen Welt, der sog. Wilhelminischen, als die deutsche Frauenbewegung, angeregt durch die Initiative zu einem gesamtdeutschen bürgerlichen Gesetzbuch, die „Frauenfrage“ zu formulieren und ihren Zeitgenossen aufzudrängen beginnt. Man kann vielleicht vermuten, dass eine seit 1848 bis zum BGB nicht unterbrochene Frauenagitation die erste Männerreaktion inzwischen hinter sich gebracht und den Weg für den Abschied des familienrechtlichen Patriarchalsprinzips viel günstiger geebnet hätte. Die englische Frauenbewegung hatte nämlich bei ihrem ersten Versuch ebenfalls kaum große Errungenschaften vorzuweisen. Doch sie hatte nicht gegen einen neuen reaktionären Geist

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Schluss

anzukämpfen. Sie kommt dagegen immer wieder zurück, wächst stärker, wird zu einem Teil der öffentlichen Meinung – in einem Land, in welchem die öffentliche Meinung großes Gewicht für die politische Entscheidung zu erhalten scheint – und vernetzt sich schließlich mit der Männerwelt soweit, dass auch die letzten (bzw. die ersten) Stufen des Weges zur Erlangung vermögensrechtlicher Selbständigkeit für die Frau erklommen werden können. Ihren größten Unterstützer findet die englische Frauenbewegung in dem Umstand, dass die „Ideologie“ des Wandels in England sehr früh das Recht und dann auch das Familienrecht ergriff. Die Welt des Geistes, des rechtsphilosphischen Geistes, ist im England des 19. Jahrhunderts seit seinem Anfang eine unruhige Welt. Nicht nur in dem Sinne, dass sie neue Ideen hervorbringt. Dem steht die deutsche Welt, die aber eher eine Welt des rechtswissenschaftlichen Geistes ist, in nichts nach. Die dem englischen Geist eigentümliche Unruhe ist eine reformerische, eine umstürzlerische Unruhe, die möglicherweise in ihrem Ursprung (Bentham) ihre Wurzeln durchaus in der Französischen Revolution behaupten könnte. Auf jeden Fall wird seit Bentham und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts der Gesetzgeber zur Erfüllung seiner Pflichten berufen. Diese heißen bei einer der einflussreichsten Persönlichkeiten Englands, namentlich für die englische Politik, bei John Stuart Mill: Freiheit und Gleichheit in der Familie. Gerade in diesem Rechtsgebiet definiert er unerfüllte Aufgaben für den Gesetzgeber. Das ist zugleich das Rechtsgebiet, das dem deutschen Gesetzgeber die größten Schwierigkeiten zu bereiten scheint. Er steht dabei in einer zumindest sprachlichen Kontinuität, die jeden gesetzgeberischen Eingriff in die Belange der Familie vor die Grenzen ihrer dreifältigen Struktur (Natur-Moral-Recht) stellt. Die politische Imagination seiner Zeit erlaubt ihm dabei nicht, sich an „fremden“ Vorbildern zu orientieren. Er hat es schließlich auch mit einer juristischen Realität zu tun, die dem Einheitsbestreben scheinbar zwangsläufig Vorrang vor jeglichen Emanzipationsforderungen einzuräumen gebietet. Der englische Gesetzgeber hat etwa zur gleichen Zeit die Möglichkeit, auf ein Regelwerk zurückzugreifen, das sich der nationalen Einheitlichkeit rühmen kann, und welches bedeutende Elemente juristischer Gleichberechtigung der Geschlechter seit Jahrhunderten appliziert. Dabei entfalten anderswo verortete Vorbilder, die er gar nicht als „fremde“ empfinden kann, einen zusätzlichen Druck auf ihn. Der englische Gesetzgeber ist schließlich eng mit der Frauenbewegung verbunden. Er ist selbst zu einem bedeutenden Teil Anhänger der Nachfolger Benthams und diese sind wiederum selbst Teile der englischen Frauenbewegung, die sich von ihnen ebenfalls vielfach inspirieren lässt. Der Kreis schließt sich. Die Gütertrennung wird in England zur juristischen Realität.

Ausblick

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B. Ausblick Zum Schluss sollen einige Gedanken referiert werden, die entweder im Rahmen der Untersuchung aus unterschiedlichen Gründen nicht vertieft werden konnten oder über ihren Gegenstand ohnehin hinausführen und mögliche Forschungswege für die Zukunft auszuweisen vermögen. Ein wichtiges und vielversprechendes Kapitel der Diskussion, welches hier nicht eröffnet wurde, weil es außerhalb der einzelnen Fragestellungen der Arbeit lag, ist die Internationale Kommunikation, die spätestens um die Jahrhundertwende zwischen den europäischen, unter Einschluss der amerikanischen, Frauenbewegungen stattfand.1 Erinnert sei hier an die Initiative des Internationalen Frauenbundes im Jahre 1909. Wie Camilla Jellinek berichtete, hatte er den ihm angeschlossenen Nationalverbänden die Aufgabe erteilt, „eine Übersicht zu geben über die nationalen Gesetzesbestimmungen, welche die Frau dem Manne gegenüber inferior behandeln“.2 Die Tatsachen dieser Kommunikation müssen noch ausführlich bearbeitet werden und dann wird sich die Frage ihrer Struktur, d.h. ihrer Komplexität stellen. Es waren unterschiedliche Sprachen, die dort gesprochen wurden und zwar waren es noch unterschiedliche juristische Sprachen, die als Medium dieser Agitation dienen wollten. War es den deutschen Frauen deutlich zu machen, was ein „separate estate“ ist? Konnten sie selbst die „Errungenschaftsgemeinschaft“ adäquat übersetzen? Wie sollten gemeinsame Forderungen erhoben werden? Hat hier sprachliche Vielfalt Grenzen aufgezeigt und gab es Ideen zu ihrer Überwindung? Haben schließlich die rechtsvergleichend arbeitenden Juristen Interesse bekundet, gerade in diesem Rechtsbereich zur internationalen Verständigung beizutragen oder waren die Frauen auf sich selbst gestellt? Die zweite Überlegung will bei der angedeuteten Existenz eines gemeinsamen Fundaments ansetzen und seine mögliche Bedeutung für die Forschung ermessen. Eine weitgehende inhaltliche Koinzidenz, sei es der tragenden Rechtsprinzipien mitsamt ihrer Legitimationen, sei es der Frauenforderungen oder der verschiedenen Konstruktionen des Geschlechterverhältnisses („Komplementarität“, „Gleichheit“ oder bloße „Gleichberechtigung“) wird man in Bezug auf die hier untersuchten Länder ohne Weiteres konstatieren 1 2

Vgl. Käppeli, in: Duby/Perrot, Histoire des Femmes IV, S. 587–590. Vgl. Jellinek, Deutschland (Bericht), in: Die Stellung der Frau im Recht der Kulturstaaten, S. 19. Vgl. auch die oben erwähnte Petition aus dem Jahre 1896, wo in dem Änderungsvorschlag ihrer Verfasserinnen zu § 1515 des Entwurfs das Beispiel Englands und dann auch in der Begleitschrift zur Petition das 1882er Gesetz ins Feld geführt werden. Letztere Hinweise beziehen sich selbstverständlich nur auf die erste Stufe der gefragten Kommunikation.

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Schluss

und in Bezug auf andere mitteleuropäische Länder zumindest vermuten können. Die Tatsache des Vorhandenseins einer Frauenrechtsbewegung sticht als europäisches Phänomen ebenfalls ins Auge. Spätestens hier liegen aber die Grenzen der Gemeinsamkeit und es werden Differenzierungen verlangt. Das 19. Jahrhundert ist ein Zeitalter, welches große Emanzipationsbewegungen hervorgebracht und große Rechtsreformen vorzuweisen hat. Der Zusammenhang zwischen der englischen Frauenbewegung und den englischen Güterrechtsreformen scheint nun offensichtlich. Doch das bedeutet nicht, dass es einen solchen Zusammenhang in jedem europäischen Land gegeben hat, in welchem eine starke Frauenbewegung agierte. Die gemeinsamen rechtlichen Fundamente und die gemeinsamen Handlungsformen waren in dieser Untersuchung ständig präsent. Dies hat aber nicht genügt, um eine gemeinsame Zukunft vorzuzeichnen. Auf die Frage nach der Möglichkeit des Neuen in der Geschichte, die dieses Ergebnis verstehen lässt, ist hier nicht zurückzukommen.3 Jedenfalls wird hier die künftige, rechtsvergleichend ausgerichtete Frauenrechtsforschung stärker je nach Rechtsordnung zu differenzieren haben. Denn gemeinsame Grundlagen entscheiden schon lange nicht über die Zukunft. Der letzte hier aufzugreifende Punkt betrifft die im Text angeschnittene Diskussion zum „Fremden“ und zum „Eigenen“ der jeweiligen Kultur. Das vergleichende Erkenntnisinteresse scheint in der Tat einen wichtigen Weg darzustellen, den modernen4 Gesetzgeber besser zu verstehen. Denn das Ende des 19. Jahrhunderts ist die Zeit der Geburt der Rechtsvergleichung, und zwar nicht als wissenschaftliche Disziplin, sondern als Argumentation und Methode des Gesetzgebers.5 Dabei hat man zu beachten, dass dieser Gesetzgeber, vielleicht zum ersten Mal, als Vertreter einer (nationalen) Einheit handelt.6 Jedenfalls erweist sich der rechtsvergleichende Blickwinkel nicht nur als die große Frage unseres Zeitalters, sondern schon als Element des jeweils historisch zu untersuchenden normierenden Willens im 19. Jahrhundert. An 3 4

S. dazu in der Einleitung. „Modern“ ist hier als Fachbegriff angewendet und bezieht sich demgemäß auf die Zeit der nationalen Gesetzgeber, also vorwiegend auf das 19. Jahrhundert. 5 Vgl. hier etwa Coing, Rechtsvergleichung als Grundlage, Jus Commune, 1978, S. 160– 178. 6 Denkt aber der Gesetzgeber rechtsvergleichend, weil er sich als Einheit gegenüber anderen erfasst, bedeutet dies keine Gegenkraft zur Zersplitterung des Rechts. Das Vorgehen des Gesetzgebers ist vielmehr Teil dieser Zersplitterung, wobei die Rede von der „Zersplitterung des Rechts“ auch hinterfragt werden müsste. Insofern weicht diese Interpretation von derjenigen Coings ab (Rechtsvergleichung als Grundlage, Jus Commune, 1978, S. 160).

Ausblick

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diese Erkenntnis anschließend, kann man zwei potentielle Wege zur Vertiefung und Elaborierung rechtsvergleichender Theorie heute aufzeigen: Zum einen die Frage der Rezeption.7 Man kann zwar, wie auch beim Beispiel der Frauenbewegungen, jegliche These von einer „Kommunikationslosigkeit“ der Rechtskulturen empirisch widerlegen. Aber es kommt nicht so sehr darauf an, dass man einander wahrgenommen hat, sondern man hat sich vertieft damit zu beschäftigen, auf welche Weise dies geschehen ist. Man muss hier immer untersuchen, woraus der jeweilige Gesetzgeber seine Vorbilder nimmt. Aus welcher Selbstverortung heraus sich die Inhalte des rechtsvergleichenden Diskurses „determinieren“, wie sich schließlich der Gesetzgeber das „Fremde“ aneignet und wie er das „Eigene“ annimmt.8 Das „Eigene“ und das „Fremde“ werden dabei bei weitem nicht die einzigen Kategorien sein, deren man sich in einem solchem Bemühen wird bedienen können. Denn, wieso zitiert der deutsche Gesetzgeber des BGB den Code Civil, nimmt aber sehr selten von den Errungenschaften des englischen Gesetzgebers Notiz? Die Antwort dürfte kaum in seiner (nicht vorhandenen) kulturellen Identifikation mit dem Demiurgen des Code Civil oder mit seinen „Untertanen“ liegen – nicht in den Jahrzehnten der BGB-Entstehung! Hat hier die Kodifikationsform als solche gemeinsame Grundlagen geschaffen? Derselbe Gedankengang ins Methodische gewendet, könnte zum anderen dazu führen, eine methodologische Grundannahme der heutigen Rechtsvergleichung in Frage zu stellen. Man spricht nämlich vielfach vom Primat der funktionalen Rechtsvergleichung.9 In Bezug auf den Gesetzgeber hat Coing 7 Zur Anwendung des Begriffs der „Rezeption“ hier, sowohl bei der Aufnahme von Fremdem als auch bei der Anknüpfung an die eigene juristische Tradition vgl. Schanbacher Rezeption, juristische, in: Ritter/Gründer, HWPh, B. 8., S. 1005. 8 Dabei deutet der Begriff „Aneignung“ darauf hin, dass hier dem Angeeigneten eine neue, eigene Bedeutung gegeben wird. Nichts anderes gilt dann auch für den Begriff der „Annahme“. Der Unterschied ist in der Vorstellung der historischen Kontinuität zu suchen, die mit dem zweiten Begriff unbedingt verbunden ist. Die wirklich bedeutsame Aufgabe für die Rechtsvergleichung wäre die Bearbeitung und Umdeutung zu untersuchen, welchen die jeweils angeeigneten/angenommenen, also rezipierten, imaginären (juristischen) Bedeutungen in ihrem neuen juristischen Umfeld unterworfen wurden. Was selbstverständlich voraussetzt, dass man von vornherein von „Bedeutungen“ und nicht von bloßen Gesetzesvorschriften ausgehen wird. Zur Frage der transkulturellen Kommunikation bzw. Aneignung von imaginären Bedeutungen vgl. noch Castoriadis, Ce qui fait la Grèce, 1. D’Homère à Héraclite. La Création humaine II, Kap. III. 9 So pointiert und einflussreich Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33–35. Kötz (Abschied von der Rechtskreislehre?, ZeuP, 1998, S. 504) hat nunmehr diese These ebenfalls relativiert. Zusammenfassend und abwägend zum Stellenwert der Funktionalitätsthese in der Rechtsvergleichung Graziadei, The functionalist heritage,

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Schluss

schon beim geschilderten rechtsvergleichenden Vorgehen der Gesetzgeber des 19. Jahrhunderts erste Ansätze zu dieser Methode vermutet.10 Man kann aber in der historischen Betrachtung auch andere Wege als diejenigen des Funktionalismus gehen. Man kann nämlich nicht nur fragen, wie der Gesetzgeber bestimmte Regelungen anderer Rechtssysteme mit der von ihm intendierten vergleicht, sondern auch, warum der jeweilige Gesetzgeber bestimmte Rechtsordnungen berücksichtigt und andere nicht, so wie es hier gemacht wurde. Diese Frage eröffnet dann die Möglichkeit symbolischer Eruierung des rechtsvergleichenden Vorgehens nationaler Gesetzgeber. Sie erlaubt, die Frage nach dem Grund neben die Frage nach der Methode zu stellen. Es wird aber die Frage nach demjenigen Grund sein, den sich der fragliche Gesetzgeber zu seiner Zeit gegeben hat und weder diejenige nach dem heute aus funktionellen Gesichtspunkten vermuteten Grund noch diejenige nach dem historischen Ursprung. Es lässt sich die Hypothese anstellen, dass jegliche Berufung auf das Handeln eines anderen einer Legitimation bedarf bzw. von einer solchen getragen wird. Diese ist dann eine Quelle des jeweiligen Rechts.11 Mit der Bedeutung des Symbolismus oder besser: Mit der symbolischen Kraft des Rechts hängt auch die letzte hier vorzutragende Erwägung zusammen. Sie soll nebenbei erklären, in welchem Sinne im Rahmen dieser Arbeit bestimmte Gedanken artikuliert und bestimmte Quellen herangezogen wurden, die auf den ersten Blick nicht in eine rechtshistorische Untersuchung gehören. Gemeint ist vor allem die zentrale Einbeziehung der verschiedenen Familienbilder, des sog. „viktorianischen Imaginären“ aber auch die relativ große Bedeutung, die der Romanliteratur beigemessen wurde.12 Weder hat hier die Person Viktoria interessiert noch wurde der Inhalt der zitierten Roin: ders./Munday, Comparative Legal Studies, S. 100–127 (wobei seine Interpretation vom integralen Zusammennhang zwischen Funktionalismus und Kulturbezogenheit des Rechts, etwa S. 121–125, etwas befremdet). Vgl. ebendort S. 100 dazu, welchem Zweig der heutigen Rechtsvergleichung die funktionale Methode „lebensnotwendig“ erscheinen muss. Dem ist aber eine Differenzierung hinzuzufügen. Soweit in der Diskussion um eine gemeinsame Grundlage oder einen gemeinsamen Kern der europäischen Rechtsordnungen historisch, d.h. konkret mit dem Beispiel des römischen (so etwa Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition) und des kanonischen Rechts argumentiert wird, scheint man wieder das Feld des Symbolischen zu betreten. Dazu sei aus Platzgründen auf Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 204–206, hingewiesen. 10 Rechtsvergleichung als Grundlage, Jus Commune, 1978, S. 161. 11 Zu den Grenzen verschiedener „Determinismen“ (Rationalismus, Naturalismus) im Hinblick auf die Instituierung des Rechts, zur Diversität der Rechtsordnungen und zur Rolle des jeweiligen Imaginären dabei, Ost, Reconter la loi, S. 22. 12 Eine Bedeutung, die keinesfalls zu Genüge ausgemessen wurde.

Ausblick

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mane als die historische Wahrheit in Anspruch genommen. Sie wurden aber durchaus als Kräfte verstanden, welche die Inkorporierung eines bestimmten Imaginären in das Recht entweder mittrugen oder eben revidierten. Sie taten dies, indem sie für das Recht die Bilder und Symbole formten, die es selbst besitzt und produziert, aber denen es selbst nicht Ausdruck verleihen kann. Man hat es also hier mit der Verflechtung von Symbol und Institution13 oder konkreter mit dem vernachlässigten Verhältnis zwischen dem Recht und dem Symbolischen zu tun.14 Diese Dimension des Rechts kann sich für die Frauenrechtsgeschichte nicht nur dadurch als fruchtbar erweisen, indem man die Symbole gewissermaßen außerhalb des Rechts verortet. Es ist vielmehr die symbolische Natur des Rechts oder gewisser rechtlicher Erscheinungen selbst, welche als weitere Faktoren/Hindernisse auf dem Weg der Frauenkämpfe begriffen werden könnten. Dabei geht es nicht mehr um die Konstatierung der Symbolfunktion des Rechts im Rahmen seiner jeweiligen Kultur, die insoweit nur eine aufnehmende Kraft sein könnte, sondern um die bewahrende, „funktionswidrige“ Kraft, die dieser Symbolismus entfalten kann. Es handelt sich um die Wiedergewinnung der faktischen Dimension des Symbols für die rechtshistorische Fragestellung. Was damit gemeint ist, lässt sich an dem Beispiel des französischen Code Civil erläutern. Den Patriarchalismus des Code Civil hat eine französische Frauenbewegung recht früh zu bekämpfen begonnen.15 Dabei hat sie erhebliche Unterstützung sogar von Juristen erfahren.16 Doch die „Fortschritte“ der französischen Gesetzgebung können im genannten Zeitraum höchstens als marginal bezeichnet werden. War vielleicht der zu große Respekt vor der Änderung des längst mythisch gedeuteten Gesetzgebungswerkes17 auch dafür verantwortlich? Ist die Sakralität eines Gesetzbuches eine die Verbesserung der Rechtslage der Ehefrau hindernde Tatsache gewesen?18

13 14 15 16

Dazu Castoriadis, Gesellschaft als imaginäre Institution, S. 199–217. So auch Gephart, Recht als Kultur, S. 303f. Vgl. dazu etwa Käppeli, in: Duby/Perrot, Histoire des Femmes IV, S. 580–587. Vgl. dazu etwa Albistur/Armogathe, Histoire du féminisme Français, S. 319–321 sowie S. 351–353. 17 Zu einigen Mythen, mit denen der Code Civil beladen wurde und welche auf keinen Fall nur mit der Gestalt „Napoleon“ zusammenhingen, Bürge, Zweihundert Jahre Code Civil des Français: Gedanken zu einem Mythos, ZeuP 2004, S. 5–19. 18 Zu einigen Mythen, mit denen der Code Civil beladen wurde und welche auf keinen Fall nur mit der Gestalt „Napoleon“ zusammenhingen, Bürge, Zweihundert Jahre Code Civil des Français: Gedanken zu einem Mythos, ZeuP 2004, S. 5–19.

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Schluss

Das Beispiel des Code Civil zeigt zugleich die Grenzen gegenüber einer Generalisierung der hier vollzogenen Schlussfolgerungen und erzielten Ergebnisse. Die Einbeziehung weiterer Rechtskreise neben dem englischen und dem deutschen wird sich mit der Untersuchung der diesen Rechtskreisen eigenen Identität zu beschäftigen haben. Denn einen solchen Code Civil hatte eben nur Frankreich gehabt.

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Willem J. Zwalve, Boudewijn Sirks

Grundzüge der europäischen Privatrechtsgeschichte Einführung und Sachenrecht

Die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der Europäischen Union hat auch Auswirkungen auf den juristischen Unterricht und die juris­ tische Praxis ebenso wie auf das traditionelle Privatrecht. Dies sollte Anlass geben, nicht nur den Unterschieden, sondern auch den systematischen Ähn­ lichkeiten in den zivilrechtlichen Kodifikationen der EU-Mitgliedsländer nachzugehen. Die Autoren verfolgen mit ihrer Untersuchung drei Ziele: den Nachweis, wie groß – trotz scheinbarer Rechtsvielfalt – der Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen westeuropäischen Rechtssystemen ist; die Gewichtung der rechtspolitischen Überlegungen, die den unterschiedlichen Kodifikationen zu Grunde liegen; und schließlich den Leser in einige Grund­ begriffe des kontinentalen »civil law« und des englischen »common law« ein­ zuführen und auf die gemeinsamen Traditionen mit dem kontinentaleuropä­ ischen Rechtssystem zu verweisen. Das Buch soll nicht nur im akademischen Unterricht Verwendung finden, sondern richtet sich zugleich an interessierte praktizierende Juristen. 2012. 537 S. Br. 170 x 240 mm. ISBN 978-3-205-78640-5

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NICOLE GROCHOWINA

DAS EIGENTUM DER FRAUEN KONFLIKTE VOR DEM JENAER SCHÖPPENSTUHL IM AUSGEHENDEN 18. JAHRHUNDERT (VERÖFFENTLICHUNGEN DER HISTORISCHEN KOMMISSION FÜR THÜRINGEN, KLEINE REIHE, BAND 26)

Welche Eigentumsrechte hatten Frauen um 1800? Wie funktionierte die Rechtssprechung, wenn sie ihre Rechte am Erbe, an Grundstücken oder an Wegen und Bächen einklagten? Vor dem Jenaer Schöppenstuhl wurden zwischen 1780 und 1800 zahlreiche solcher Fälle der zivilen Gerichtsbarkeit begutachtet. Wie dabei der Spagat zwischen zeitgenössischen Vorstellungen über das Geschlechterverhältnis und die Eigentumsfähigkeit von Frauen auf der einen Seite sowie juristischen Normen und fakultativ anzuwendenden Rechten auf der anderen Seite gelang, zeigt diese Studie. 2009. IX, 451 S. 2 FARB. KARTEN. GB. 155 X 230 MM. ISBN 978-3-412-20289-7

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

Stephan Meder

Rechtsgeschichte Eine Einführung 4., ÜBERARBEITETE UND ERGÄNZTE AUFLAGE (UTB 2299 S)

Die Rechtsgeschichte gliedert sich in zahlreiche Einzelfächer, wobei der Einteilung in Römisches und Deutsches Recht besondere Bedeutung zukommt. Diese Trennung scheint derzeit in Rückbildung begriffen zu sein. Das aus der Lehrpraxis entstandene Buch trägt dieser Entwicklung Rechnung. Das Standardwerk liegt jetzt in einer vierten überarbeiteten und ergänzten Auflage vor. Es eignet sich vorlesungsbegleitend für Studierende der Rechtswissenschaft und ist darüber hinaus für Historiker von großem Gewinn. Mit dieser Auflage liegt die „Rechtsgeschichte“ erstmalig im ePub-Format vor und kann auf geeigneten eReadern genutzt werden. 2011. 509 S. BR. 120 X 185 MM ISBN 978-3-8252-3603-8 (BUCH)  |  ISBN 978-3-8385-3603-3 (EBOOK)

„[E]ine kurzweilige und äußerst anregende (Zeit-)Reise durch 2500 Jahre Rechtsgeschichte[…], auf die sich jede/r Studierende der Rechtswissenschaft – nicht zuletzt zum besseren Verständnis des geltenden Rechts – begeben sollte.“ Journal der Juristischen Zeitgeschichte

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

Rechts­g e­s chich­t e und ­ Ge­s chlech­t er­f or­s chung He­r aus­g e­g e­b en von Ste­p han Me­d er ­ und Ar­n e Dun­c ker Eine Auswahl

Bd. 10  |  Hans Erich Troje Gegenpositionen

Bd. 5  | Christine Susanne Rabe

Aspekte zur Zukunft von Ehe und

Gleichwertigkeit von Mann ­

Familie

und Frau

Hg. von Stephan Meder

Die Krause-Schule und die bürger-

2009. IX, 260 S. Gb. ­

liche Frauenbewegung im 19.

ISBN 978-3-412-20342-9

Jahrhundert 2006. 238 S. Gb.  | ISBN 978-3-412-08306-9

Bd. 11  |  Marion Röwekamp Die ersten deutschen Juristinnen

Bd. 6  |  Jens Lehmann

Eine Geschichte ihrer

Die Ehefrau und ihr Vermögen

Professionalisierung und

Reformforderungen der bürger-

Emanzipation (1900–1945)

lichen Frauenbewegung zum

2011. XII, 880 S. 45 s/w-Abb. Gb.

Ehegüterrecht um 1900

ISBN 978-3-412-20532-4

2006. XXII, 336 S. Gb. ISBN 978-3-412-09006-7

Bd. 12  | Stephan Meder, ­ Arne Duncker, Andrea Czelk (Hg.)

Bd. 7  | Simone Winkler

Die Rechtsstellung der Frau ­

»Kindserdrücken«

um 1900

Vom Kirchenrecht zum Landes-

Eine kommentierte Quellen­

recht des Herzogtums PreuSSen

sammlung

2007. XII, 212 S. Gb.­

2010. 1105 S. Gb.  | ISBN 978-3-412-20577-5

ISBN 978-3-412-15106-5 Bd. 13  | Stavros Kitsakis Bd. 8  | Steffen Baumgarten

»Breadwinners« und »House-

Die Entstehung des ­

keepers«

Unehelichenrechts im ­

Geschlechterrollen

Bürgerlichen Gesetzbuch

im ­e nglischen Güterrecht

2007. 311 S. Gb.  | ISBN 978-3-412-20036-7

des 19. Jahrhunderts und das Deutsche Bürgerliche

Bd. 9  | Tanja-Carina Riedel

Gesetzbuch

Gleiches Recht für Frau und

2012. XVIII, 345 S. Gb.

Mann

ISBN 978-3-412-20860-8

Die bürgerliche Frauenbewegung und die Entstehung des BGB 2008. XVIII, 547 S. Gb.­

TR809

ISBN 978-3-412-20080-0

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