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German Pages 568 Year 2022
SUDH I R HAZAREESI NGH
BLACK SPARTACUS
SU DH I R HAZAREESI NGH
BLACK SPARTACUS Das große Leben des Toussaint Louverture
Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Nohl unter Mitwirkung von Nastasja S. Dresler
C.H.B ECK
Titel der englischen Originalausgabe: «Black Spartacus. The epic life of Toussaint Louverture», erschienen bei Allen Lane, an imprint of Penguin books 2020. © Sudhir Hazareesingh, 2020 Der Text wurde von Andreas Nohl übersetzt, die Anmerkungen von Nastasja S. Dresler.
Mit 38 farbigen Abbildungen auf Tafeln, 30 Schwarzweiß-Abbildungen im Text und 3 Karten (© Peter Palm, Berlin) © Verlag C.H.Beck oHG, München 2022 Umschlagentwurf: geviert.com, Michaela Kneißl Umschlagabbildung: Toussaint Louverture, Porträt, 2009 © François Cauvin Satz: Janß GmbH, Pfungstadt ISBN Buch 978 3 406 78458 3 ISBN eBook (epub) 978 3 406 78459 0 ISBN eBook (PDF) 978 3 406 78460 6
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Für Karma, die alles über revolutionäre Helden weiß
I N HALT
Einleitung Toussaint Louvertures historische Originalität 9
Erster Teil Ein Revolutionär wird geboren 27 1 2 3
Die Seele eines freien Menschen . . . . . . . . . Die Pforten des Schicksals . . . . . . . . . . . . Tapfere republikanische Krieger . . . . . . . . .
28 54 87
Zweiter Teil Die Entstehung von Louvertures Ordnung 123 4 5 6
Eine einzige Familie von Freunden und Brüdern . Der Bevollmächtigte taugt nichts . . . . . . . . . Tugendhafte Bürger . . . . . . . . . . . . . . .
124 159 193
Dritter Teil Toussaint an der Macht 227 7 8 9
Ein großer Spielraum . . . . . . . . . . . . . . Keine Zeit zu verlieren . . . . . . . . . . . . . . In der Region der Adler . . . . . . . . . . . . .
228 262 293
Vierter Teil Der Anführer und sein Mythos 327
Rasche und unsichere Bewegungen . . . . . . . . Der Baum der Schwarzen Freiheit . . . . . . . . 12 Ein universeller Held . . . . . . . . . . . . . . . 10
11
328 365 403
Epilog Eine Inspiration für unsere Zeit 441
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
457 461 463
Anhang
Anmerkungen . Bildnachweis . . Karten . . . . . Personenregister
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471 536 540 546
E I N L E I TU N G
TOUSSAI NT LOUVERTU RES H ISTORISCH E ORIGI NALITÄT
Toussaint Louvertures historische Originalität Einleitung
Toussaint Louverture, ein freigelassener schwarzer Sklave, wurde zum emblematischen Helden der Haitianischen Revolution. Dieser grundlegende soziale und politische Umwälzungsprozess, der anderthalb Jahrzehnte andauerte, begann 1789 im Gefolge des Sturms auf die Bastille mit der Forderung nach Selbstbestimmung und gleichen Rechten für freie People of Color in der französisch-karibischen Kolonie SaintDomingue. Im August 1791 nahm die Revolution dann mit einem gewaltsamen Sklavenaufstand eine radikale Wendung, der schließlich 1793 zur Abschaffung der Sklaverei durch die republikanische Verwaltung der Kolonie führte sowie zur Anerkenntnis, dass der schwarzen Bevölkerung die gleichen sozialen und politischen Rechte zustünden wie den weißen Einwohnern und denjenigen mit gemischter Abstammung. Wie Toussaint es in einer seiner frühen Proklamationen formulierte: «Freiheit ist ein naturgegebenes Recht.»1 Diese Ereignisse und der sich daran anschließende Verlauf der Haitianischen Revolution sind Gegenstand des vorliegenden Buchs.2 Die Revolution von Saint-Domingue war Teil einer ganzen Serie von Transformationen in der atlantischen Welt, die in der zunehmenden Infragestellung von Monarchie und imperialer Herrschaft, in dem aufkommenden Prinzip der Volkssouveränität und in der Etablierung der amerikanischen und französischen Republik zum Ausdruck kommt.3 Toussaints Aufstieg bündelt wie ein Brennglas die allgemeinen Züge jener Revolutionszeit: ihre globale Struktur (seine Eltern waren Sklaven, die man gewaltsam aus Afrika nach Saint-Domingue verschleppt hatte); ihren trotzigen Militarismus (er stieg vom einfachen Soldaten zum französischen General auf); ihre Erschütterung existierender sozialer Hierarchien (vom leibeigenen Viehhirten wurde er zum Gouverneur von
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Saint-Domingue); den Einfluss europäischer Ideale (er war im katholischen Glauben erzogen und glühender Bewunderer der Grande Nation); die Kultur der Aufklärung (er war Anhänger von Verwaltungs- und Wirtschaftsreformen und fest überzeugt von der Wirkungsmacht der Wissenschaften); und ihren Glauben an eine bessere Gesellschaft und sogar an die Besserung der Menschheit als Ganzer. In Toussaints Worten: «Vernunft und Bildung werden sich über unser erneuertes Land verbreiten; einst niedergedrückt unter das Joch der Sklaverei, die ebenso abscheulich wie menschenunwürdig war, wird sich der Mensch auf den Flügeln der Freiheit erheben.»4 Gleichzeitig verkörpert Toussaint die Einzigartigkeit der Revolution von Saint-Domingue. Sie war das umfassendste Beispiel eines radikalen Wandels, in dem sich demokratische und republikanische Ziele mit dem vorrangigen Anspruch auf Rassengleichheit verbanden, und sie führte zu einem gerechten Befreiungskrieg, der auf die antikolonialistischen Freiheitskämpfe der modernen Zeit vorausdeutete. Saint-Domingue war auch insofern außergewöhnlich, als die treibenden Kräfte der Revolution nicht weiße, liberal gesonnene Bürger waren, sondern schwarze Sklaven, die sich zum Teil gegen Sklavenhalter auflehnten, die die Französische Revolution unterstützten – wie zum Beispiel die Kaufleute in Bordeaux oder Nantes. Es war zugleich eine Revolution, die französische Eliten auf der Insel und in Paris zwang, sich mit dem Problem der Sklaverei auseinanderzusetzen und sie schließlich im Jahre 1794 abzuschaffen. Diese Revolution entmachtete die alte kolonialistische Herrenschicht, erfand den Guerillakrieg und wies die militärische Macht des europäischen Imperialismus erfolgreich in ihre Schranken. Sie erschütterte den von der Aufklärung kultivierten Glauben an die grundsätzliche Überlegenheit alles Europäischen – ihre Protagonisten beriefen sich auf spirituelle Praktiken der amerikanischen Ureinwohner und auf Gesellschaftsformen Afrikas. Sie verkörperten den aufbegehrenden Geist der afroamerikanischen Rebellen, die Ende des 18. Jahrhunderts im gesamten Schwarzen Atlantik die koloniale Vormacht brachen.5 Kurzum: Toussaint vereinigte in sich die vielen Facetten der Revolution von Saint-Domingue, indem er die herrschenden Machtstrukturen seiner Zeit – Sklaverei, kolonialistisches Siedlerwesen, imperiale Dominanz, Rassenhierarchie und europäische Kultursuprematie – attackierte und seinem Willen unterwarf. Durch sein Handeln erwarb er sich einige bemerkenswerte Beinamen. Seine republikanischen Anhän-
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ger sahen in ihm den «Schwarzen Spartakus», die moderne Inkarnation des legendären Gladiators, der seine Mitsklaven im Kampf gegen die Römische Republik anführte; sein wundersames Erscheinen in SaintDomingue hatte, in den Worten eines seiner Bewunderer, «das Chaos der Zerstörung in die Saat des neuen Lebens verwandelt».6 Er wurde auch als «father of the blacks» beschrieben, als schwarzer Sohn der Französischen Revolution, als schwarzer George Washington, als Bonaparte der Karibik, als «African hero», als Hannibal von Saint-Domingue und als Zentaur der Savanne (eine Hommage an seine Reitkunst; sein weißes Streitross Bel Argent war von seinem Mythos nicht zu trennen). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bezeichneten Zeitungen in Philadelphia ihn als «den gefeierten afrikanischen Häuptling».7 Selbst die liberale Öffentlichkeit in England blieb angesichts eines so ungewöhnlichen Helden nicht ungerührt: Ein Artikel in der London Gazette von 1798 nannte ihn einen «Negerkönig» (Negro King), einen stolzen Repräsentanten der «schwarzen Rasse, die die christliche Welt zu ihrer Schande schon zu lange herabsetzt».8 1802 beschrieb ihn das Londoner Annual Register als «die wichtigste öffentliche Person des Jahres und einen großen Mann».9 Toussaint spielte auch im kollektiven Bewusstsein des 19. Jahrhunderts eine bedeutsame Rolle. Es wurde darauf hingewiesen, dass die revolutionären Vorgänge in Saint-Domingue unmittelbaren Einfluss auf Hegels Dialektik von Herr und Knecht ausübten, in welcher der Knecht schließlich seine Entfremdung überwindet und Selbstbewusstsein erlangt.10 Genau wegen dieses subversiven Potenzials löste seine Herrschaft unter den Sklavenbesitzern jenseits des Atlantiks Panik aus. Thomas Jefferson verunglimpfte Toussaint und seine revolutionären Mitstreiter als «Kannibalen der schrecklichen Republik» und warnte davor, dass ihre «Missionare» einen Flächenbrand in Amerika provozieren könnten,11 während der britische Kriegsminister Lord Hobart 1801 beim Gedanken an die «Macht eines Schwarzen Imperiums unter Toussaint» erschauerte.12 Plantagenbesitzer und Kaufleute, sei es in London oder Paris, Virginia oder Louisiana, in Jamaica, Kuba, Brasilien oder Venezuela, teilten diese Ängste und hetzten gegen den Mann, in dem sie den «Robespierre von Saint-Domingue» sahen. Simon Taylor, der reichste Zuckerbaron in Jamaica, «wälzte sich schlaflos in seiner luxuriösen Bettwäsche und erlitt wiederholte Fieberanfälle», als er sich vorstellte, Toussaint und seine Revolutionäre kämen auf seine Plantage, um ihm die
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Kehle aufzuschlitzen.13 Ihre Sklaven wiederum bewunderten ihn als Lichtgestalt und bejubelten seine militärischen Erfolge gegen die französischen, spanischen und britischen Truppen. Vom späten 18. Jahrhundert an waren Toussaint und die haitianischen Revolutionäre in den Vereinigten Staaten mächtige Symbole: Berichte über ihre zivilen und militärischen Erfolge kursierten in den amerikanischen Zeitungen, namentlich in Philadelphia und Washington;14 ihre Heldentaten inspirierten Aufstände wie die von Nat Turner und Denmark Vesey, förderten eine positive Einstellung zur Sklavenbefreiung und verkörperten das Ideal eines spezifisch schwarzen Heldentums.15 Der Abolitionist Frederick Douglass, der einflussreichste Afroamerikaner des 19. Jahrhunderts, war ein Verehrer von Toussaint und verbreitete dessen Legende in den Vereinigten Staaten, vor allem auch durch die Publikation einschlägiger Bilder in seiner Zeitung New National Era.16 Toussaints außergewöhnliches Nachleben in Druckerzeugnissen, Musik, Gemälden und Legenden ist Gegenstand der letzten Kapitel in diesem Buch. Ende des 18. Jahrhunderts bestand Saint-Domingue aus einem Territorium von rund 27 500 Quadratkilometern, die das westliche Drittel der Antillen-Insel Hispaniola ausmachten. Diese war nach der Entdeckung durch Christoph Kolumbus im Dezember 1492 zu spanischem Besitz erklärt worden. Von den Spaniern 1697 an Frankreich abgetreten, wurde die Kolonie in drei Provinzen aufgeteilt: Die bevölkerungsreichste nördliche beherbergte die Hauptstadt Cap Français, die in einer großen, geschützten Bucht lag und als erster Hafen von den Schiffen aus Europa und Amerika angelaufen wurde. Eine Reise von Frankreich aus dauerte etwa fünfundvierzig Tage, von der amerikanischen Ostküste zwanzig. Die Stadt war von einer weiten Tiefebene umgeben, dem fruchtbarsten Land in der Kolonie – auch dank regelmäßiger Niederschläge und der Bewässerung durch Flüsse und Bäche; Ende des 18. Jahrhunderts befanden sich hier die reichsten Plantagen der Kolonie.17 Die beiden anderen Provinzen lagen im Westen und Süden, mit Port-auPrince und Les Cayes als eigenen Hauptstädten. Port-au-Prince wurde 1750 zur Verwaltungshauptstadt und war umgeben von zwei Tiefebenen, dem Cul-de-Sac und der Artibonite, benannt nach dem größten Fluss des Landes. Ebenfalls in der westlichen Provinz lagen die wichtigen Häfen Gonaïves und Saint-Marc.18 Die Urbanisierung hielt sich in der Kolonie in Grenzen; nur acht Prozent der Bevölkerung lebten in Städ-
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ten mit mehr als eintausend Einwohnern,19 und das schroffe Binnenland bestand hauptsächlich aus Gebirgszügen, tiefen Schluchten und hochgelegenen Karstebenen; die amerikanische Urbevölkerung von Hispaniola, die Taino, nannten die Insel «Ayti», das Land der hohen Berge. Von dichtem tropischem Urwald bewachsen, spärlich besiedelt und von Europäern kaum erforscht (weniger als ein Drittel der Kolonie war verlässlich kartiert), trennte dieses hohe Hinterland die drei Provinzen voneinander und schuf verschiedenartige Landschaften und regionale Klimazonen.20 Es war schwierig, von einer Provinz zur anderen zu gelangen: Mitte des 18. Jahrhunderts wurde zwar eine Straße durch die Wildnis gebaut, die Cap und Port-au-Prince verbinden sollte, aber sie war erst ab 1787 für Kutschen befahrbar. In der Ebene gab es oft nur rudimentäre Verbindungen zwischen den kleineren Siedlungen und Pflanzungen, und die hochgelegenen Regionen waren ein weiteres Verkehrshindernis. Manche Straßen waren oft lange unpassierbar, wenn während der langen Regenzeit die Flüsse über die Ufer traten.21 Der Süden – die kleinste der drei Provinzen – war besonders isoliert vom Rest der Kolonie und unterhielt in vielerlei Hinsicht engere Beziehungen zum benachbarten Jamaica, mit dem es einen lebhaften Handel mit Schmuggelwaren gab. Menschen und Waren reisten hauptsächlich auf dem Seeweg von einem Teil von Saint-Domingue zum anderen.22 Das spätkoloniale Saint-Domingue war weithin berühmt als «Perle der Antillen». Es war der weltgrößte Produzent von Zucker und Kaffee, neben bedeutenden Mengen von Baumwolle, Indigo und Kakao. Diese wertvollen landwirtschaftlichen Erzeugnisse machten die Kolonie zum stärksten Exporteur in Nord- und Südamerika, zu einem Ort, in dem Überfluss und Luxus zur Schau gestellt und «ungeheure Reichtümer» angehäuft wurden.23 Cap war ein pulsierendes, kosmopolitisches Zentrum, das 1789 nahezu 20 000 Einwohner zählte und eine urbane Lebensqualität und Diversität bot, die sich durchaus mit Havanna, Philadelphia oder New York messen konnte. Neben dem geschäftigen Hafen hatte es einen florierenden Handel, 25 Bäckereien und eine rege Kulturszene, darunter ein Theater mit 1500 Plätzen; Theater gab es auch in Port-auPrince, Saint-Marc, Léogâne, Jérémie und Les Cayes. Cap war zugleich bekannt für sein wissenschaftliches und intellektuelles Leben; es gab eine lebendige Presse, Lesegesellschaften und Privatbibliotheken mit den neuesten philosophischen Werken aus Europa.24 Zur Zeit der Französischen Revolution gab es zwanzig Freimaurerlogen, und viele Mitglieder
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gehörten der bekanntesten wissenschaftlichen Organisation von SaintDomingue an, dem Cercle des Philadelphes, der zwischen 1784 und 1792 seinen Sitz in Cap hatte und in dieser Zeit fünf Bände mit wissenschaftlichen Denkschriften zu Medizin, Landwirtschaft, Botanik und Ethnographie publizierte. Er hatte einen internationalen Mitgliederkreis und pflegte enge Beziehungen mit den führenden Gelehrten in Europa und den Vereinigten Staaten.25 Doch dieser materielle und kulturelle Glanz beruhte auf extremer Ungleichheit. Saint-Domingues gesamtes Produktionssystem basierte auf Sklaverei. Ende des 18. Jahrhunderts gab es in der Kolonie 500 000 Sklaven, die zum größten Teil in Afrika geboren waren und unter schwersten Bedingungen auf den Plantagen arbeiten mussten. Sklaven hatten keine bürgerlichen Rechte, und sie wurden von ihren Herren häufig mit barbarischer Grausamkeit behandelt. Etwa seit Mitte der 1750er Jahre begannen sie, unterschiedliche Formen des individuellen und kollektiven Widerstands zu entwickeln. Sie bildeten auf den Plantagen Bruderschaften und praktizierten spirituelle Vodou-Rituale, zu denen Tanz, Gesang, Trance und Wahrsagerei gehörten, während sogenannte marrons, entlaufene Sklaven, in wachsender Zahl flohen, sich in den Urwald zurückzogen und zu Banden zusammenschlossen oder in Dörfern und Städten untertauchten und Befreiungsparolen verbreiteten. Eine herausragende Gestalt in diesem Untergrund war Jean-Louis aus Cap, ein marron, der über «besondere Fähigkeiten» verfügte und Spanisch, Holländisch, Englisch, Französisch und die in Saint-Domingue gebräuchliche Kreolsprache beherrschte – sowie offenbar mehrere afrikanische Sprachen.26 Unter den Weißen bestand eine strenge Klassentrennung, wobei sich die sogenannten petits blancs (Kleinbauern, Angestellte, Handwerker, Soldaten und Seeleute) regelmäßig gegen die städtische Vormachtstellung wehrten – insbesondere gegen deren allmächtige Bürokratie.27 Zwischen den europäischen Siedlern und der schwarzen Mehrheit befand sich die mixed-race Bevölkerung, die beinahe so groß wie die weiße war, auf unsicherem Terrain. Obwohl sie frei waren, oft hochgebildet und in manchen Fällen sogar wohlhabend, litten diese People of Color (ebenso wie die wenigen freien Schwarzen) unter demütigenden gesetzlichen Diskriminierungen: Sie waren von der Beamtenschaft ausgeschlossen; der Zugang zu bestimmten Berufen, dem des Arztes zum Beispiel, war ihnen versperrt. Es war ihnen verboten, am gleichen Tisch wie Weiße zu essen oder sich wie diese zu
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Die Affiches Américaines, die von 1764 bis 1790 wöchentlich in Cap und Port-auPrince erschienen, enthielten Schiffsmeldungen, Nachrichten über das Geschehen in der Karibik und in Frankreich sowie an prominenter Stelle Steckbriefe von entlaufenen Sklaven mit genauen Beschreibungen, eingesandt von deren Besitzern.
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kleiden, und im späteren Verlauf des Jahrhunderts war es ihnen sogar untersagt, nach Frankreich zu reisen.28 Versuche der kommunalen Kolonialverwaltung in den 1780er Jahren, bescheidene Reformen einzuleiten, riefen unter den Weißen Empörung hervor und erzeugten unter den Siedlern Ressentiments gegen die französische Hauptstadt. 1784 wurde eine königliche Verfügung gegen die «unmenschliche» Behandlung der Sklaven von den Plantagenbesitzern scharf kritisiert, und die Kolonialgerichte lehnten so lange ab, sie durchzusetzen, bis sie entschärft worden war.29 Kurzum, Saint-Domingue glich unter dem Ancien Régime einem verminten Gelände, auf dem sich soziale und politische Konflikte ausdehnten und die weiße Vorherrschaft nur durch brutale Gewalt an der Macht erhalten werden konnte – oder wie es ein Plantagenbesitzer formulierte: Sklavenbesitzer wie er «lebten auf einem Pulverfass».30 Als 1791 die Explosion kam, schloss sich Toussaint Louverture den Rebellen an, wie Tausende seiner schwarzen Leidensgenossen. Doch sein Aufstieg zum Revolutionsführer war alles andere als einfach und bleibt geheimnisumwoben. Zum Teil liegt das an Toussaints Charakter. Er war ein sehr zurückhaltender Mensch, der sich niemandem anvertraute und keine Mühe scheute, um wichtige Informationen über sich selbst, seine Ortswechsel und seine wahren Ziele zu verschleiern. Er streute Desinformationen und Gerüchte, versah seine Briefe oft mit falschen Absendeorten, und seine vertraulichsten Botschaften diktierte er verschiedenen Sekretären in separaten Teilen. Einmal bekannte er einem britischen Diplomaten, seine bevorzugte Vorgehensweise sei es, «wenig zu sagen, aber so viel wie möglich zu tun».31 Das einzige glaubhafte Porträt, das zu Lebzeiten von ihm gemalt wurde, ist verschollen,32 und er war berühmt für seine fast magische Gabe, unerwartet irgendwo aufzutauchen und spurlos wieder zu verschwinden. Einer seiner Gegner beschrieb ihn als «einen Mann, der es vermochte, sich dort, wo er war, sozusagen unsichtbar zu machen, und sichtbar, wo er nicht war; er schien die Unberechenbarkeit seiner Bewegungen vom Jaguar übernommen zu haben.»33 Der Glaube, er habe übernatürliche Kräfte, wurde und ist bis heute ein fester Bestandteil der haitianischen Kultur.34 Wie alle bedeutenden Revolutionäre war Toussaint ein umstrittener Mann, was sich in der teils grob verzerrenden und teils stereotypen Art spiegelt, in der er häufig nach seinem Tod dargestellt wurde. Kolonialistische französische Autoren wie Louis Dubroca stellten ihn in eine
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Reihe mit den «abscheulichsten Ungeheuern der Geschichte», weil er es gewagt hatte, sich gegen die imperiale Herrschaft Frankreichs zu stellen, während Thomas Prosper Gragnon-Lacoste ihn in seiner Hagiographie als «außerordentlichen Menschen» feierte, «dessen Ruhm sich auf der ganzen Welt verbreitet hat».35 Nach der Unabhängigkeitserklärung Haitis erging es Toussaint bei den führenden mixed-race Historikern der Nation wie Thomas Madiou, Beaubrun Ardouin und Joseph SaintRémy keineswegs besser. Sie griffen ihn als tyrannischen Herrscher an, der die Ethnien gegeneinander aufwiegle und die Ideale der Revolution verraten habe. Besonders kritisch sahen sie seinen politischen Autoritarismus, seine angebliche Feindseligkeit gegenüber ihren mixed-race Brüdern sowie seine Versuche, die alte Plantagenwirtschaft wieder zu beleben, indem er eine Allianz mit der alten weißen Herrenschicht schmiedete und die schwarzen Kolonialsklaven zwang, für ihre ehemaligen Besitzer zu arbeiten. Diese Aspekte bilden bis heute die umstrittensten Punkte von Toussaints Regierungszeit.36 Reflektiertere Biographien über Toussaint erschienen erst im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts. Der französische Abolitionist Victor Schoelcher reiste 1841 nach Haiti und griff später auf Archivquellen in Frankreich zurück, um ein wohlwollendes und nuanciertes Lebensbild zu zeichnen.37 Der haitianische Historiker und Diplomat Horace Pauléus Sannon hat mit seiner dreibändigen Histoire de Toussaint Louverture (1920–33) das bedeutendste Werk aus Toussaints Heimatland vorgelegt. Er stützt sich stark auf dessen Reden und Proklamationen und erkennt in ihm den Gründungsvater der Unabhängigkeit Haitis.38 Das klassische moderne Werk in englischer Sprache war – und bleibt – The Black Jacobins (1938) von C. L. R. James, eine faszinierende Chronik, die Generationen von Männern und Frauen in Europa, Amerika und auf der Südhalbkugel die Haitianische Revolution nahegebracht hat und als ein einflussreiches Handbuch für Revolutionen weltweit wirkte.39 James betonte die Bedeutung der Massenmobilisierung gegen die Sklaverei in der radikalen Politik in Saint-Domingue und sah in Toussaint eine Verkörperung sowohl der haitianischen Unabhängigkeit als auch der Französischen Revolution. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts priesen Historiker auf allen Kontinenten The Black Jacobins, weil darin der erstaunlich komplexe wechselseitige Einfluss lokaler, nationaler und universeller Elemente in der Haitianischen Revolution zur Darstellung kommt.40
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Doch ungeachtet aller Verdienste haben auch diese Biographien unser Bild von Toussaint verzerrt. Beispielsweise führte die Einseitigkeit, mit der Sannon seinen schwarzen Nationalismus betonte, zu einer groben Vereinfachung seiner Ansichten über «Rasse» und Nation. Ähnlich übersah Schoelcher, als er Toussaint zum glühenden Anhänger des französischen Republikanismus erklärte – ein bis heute bei französischen Historikern beliebtes Klischee –, sowohl die karibischen und afrikanischen Anteile seiner Persönlichkeit als auch seine tiefe Religiosität. James’ Darstellung von Toussaint als «französischem» Jakobiner verkannte ebenso die monarchistischen Neigungen wie das große Gewicht, das er in seinem politischen Denken auf lokale Autonomie legte und das sich schließlich in seiner Verfassung von 1801 niederschlug. James übertreibt in The Black Jacobins die Verbindungen zwischen den radikalen Bewegungen in Frankreich und Saint-Domingue, wenn er behauptet, die Ereignisse in Saint-Domingue seien letztendlich von europäischen Idealen und politischen Entwicklungen ausgelöst worden, und er verkennt die atemberaubende Originalität von Toussaint und seinen Mitstreitern. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Haitianische Revolution aus dem Schatten ihrer amerikanischen und französischen Vorgänger heraustrat, hat eine ganze Reihe von Wissenschaftlern auf ihre bemerkenswerte intellektuelle Kraft und kulturelle Diversität hingewiesen – sei es die Rolle lokal-religiöser Vodou-Praktiken, der Einfluss der politischen und militärischen Kultur Afrikas oder die Beiträge spezifischer Gruppen und Gemeinschaften (insbesondere Frauen, freie People of Color, Südländer und aus Afrika gebürtige Einwohner).41 Jean Fouchards Les marrons de la liberté (1972) und Carolyn Ficks The Making of Haiti (1990) haben die traditionelle historische und politische Bedeutung der marronage in Saint-Domingue wiederentdeckt, indem sie die marrons der Kolonie ins Zentrum des revolutionären Prozesses in den 1790er Jahren und des darauffolgenden Unabhängigkeitskriegs rückten.42 Ebenso haben Historiker die regionalen Auswirkungen der Haitianischen Revolution nachgezeichnet und dabei den Schrecken beleuchtet, den sie bei der Klasse der Sklavenhalter auslöste, sowie die Ermutigung, die sie für die Sklaven und freien Schwarzen in der Karibik und in Nord- und Südamerika bedeutete.43 Und doch hat auch diese Forschung Toussaint aus dem Zentrum des revolutionären Geschehens verdrängt. So hat die Konzentration auf die Sozial- und Kulturgeschichte
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«von unten» seine individuelle Leistung aus dem Blick verloren. In Ficks Werk wird Toussaint als Randfigur in der indigenen Widerstandstradition gesehen, als Gehilfe der eigentlichen revolutionären Protagonisten, der Marron-Sklaven. Toussaints Glaubwürdigkeit als Revolutionär wurde, nicht zuletzt seit der kürzlichen Entdeckung von Dokumenten in Zweifel gezogen, die darauf hindeuten, dass er bereits ein Jahrzehnt vor der Revolution kein Sklave mehr war und als freier Schwarzer eine Zeitlang selbst eine Reihe von Sklaven besaß. Feministische Historikerinnen haben auf das «Paradox» des haitianischen Republikanismus hingewiesen, wonach dessen demokratische und egalitäre Werte von Anfang an – mit anderen Worten: seit Toussaints Herrschaft – durch die «historische Exklusion der Frauen» unterminiert worden sei, denen der Zugang zu Politik und Bürgerrechten verwehrt war.44 Für andere Kritiker trug Toussaints Herrschaft anfangs zwar emanzipatorische Züge, glitt dann jedoch in einen Autoritarismus ab, der noch dadurch verschlimmert wurde, dass Toussaint es ablehnte, der Masse von Kleinbauern Land zuzuteilen: Aus dem «Liberator» wurde der «Liquidator».45 Sein revolutionäres Ansehen wurde ferner durch revisionistische und neo-imperialistische Werke getrübt, die Toussaint als konservativen Autokraten charakterisierten, der lediglich die weiße Pflanzerschicht durch eine schwarze Oligarchie ersetzen wollte: So lautete die Hauptthese der Biographie des französischen Historikers Pierre Pluchon.46 Diese Behauptung wurde am dreistesten in den Schriften des aus Guadeloupe stammenden Historikers Philippe Girard übernommen. In seiner kürzlich erschienenen Biographie über Louverture weist Girard mit Nachdruck jede ideologische Fundierung von dessen Handlungen zurück – er sei vielmehr ein «Emporkömmling» gewesen, getrieben allein von Geld- und Machtgier und dem Streben nach «gesellschaftlichem Status».47 In einer frühen Studie zum haitianischen Unabhängigkeitskrieg formulierte Girard seine «positive» Wertschätzung des französischen Kolonialprojekts und seine «Sympathie» für die Mitglieder der napoleonischen Expeditionsarmee, die Toussaints schwarzer Regierung 1801 ein Ende bereiten sollte. Er rechtfertigte sogar den französischen Angriff auf Saint-Domingue mit Toussaints «Doppelzüngigkeit».48 Solche Urteile zeigen, dass die Literatur über Toussaint zeitgeistige Strömungen spiegelt, wie dies so oft der Fall ist. Die Biographie von C. L. R. James stand im Zeichen einer globalen antikolonialistisch-revo-
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lutionären Welle sowie der Sehnsucht progressiver Intellektueller nach einer Alternative zum stalinistischen Kommunismus. Die neueste Wiederauferstehung konservativer und neoimperialistischer Ansichten über die Kolonialgeschichte ist eine Reaktion auf die Implosion dieses Zeitgeists. In der Tat wurden gegen Ende des 20. Jahrhunderts, als diese Ära einer etwas melancholischeren und pessimistischeren Sichtweise Platz machte, Toussaints Geister sogar im mystischen Hinterland des Postmodernismus gesichtet. David Scott baute auf James’ Beschreibung der haitianischen Revolution auf, um zu argumentieren, dass im heutigen Zeitalter der Desillusionierung Toussaint nicht mehr für emanzipatorische Ideale wie «Widerstand und Befreiung» stehe, sondern zu einem tragischen «Zwangsrekruten» der westlichen Moderne geworden sei.49 In ihrer Studie über schwarzen Heroismus entschied sich Celeste-Marie Bernier für Toussaint als eine ihrer sechs ikonischen Figuren, warnte aber vor jedem Versuch, nun irgendeine «tatsächliche oder historisch verifizierbare Gestalt» aus dem Archivmaterial destillieren zu wollen: Ein solches Unterfangen wäre «nicht nur illusorisch, sondern letzten Endes zum Scheitern verurteilt.»50 Diese Biographie hat sich zum Ziel gesetzt, durch das Dickicht einen Pfad zurück zu Toussaint zu schlagen: so weit wie möglich zu den Primärquellen zurückzukehren, den Versuch zu unternehmen, die Welt mit seinen Augen zu sehen und die Kühnheit seines Denkens und die Eigenart seiner Stimme wieder zum Leben zu erwecken. Als Anführer war er von außerordentlicher Entschlossenheit; seine eigenen offiziellen Berichte über seine militärischen und politischen Erfolge handelten in erster Linie von ihm selbst.51 Doch wie bei allen großen Revolutionären hatte seine Macht ein starkes kollektives Fundament. Sie basierte ebenso auf seiner republikanischen Armee wie auf der freien schwarzen Bevölkerung, die sich nach der Abschaffung der Sklaverei 1793 die Prinzipien Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu eigen gemacht hatte. Toussaint gewann aber auch eine breitere Koalition von Unterstützern in den administrativen und kommunalen Strukturen der Kolonie, unter weißen Pflanzern und führenden Geschäftsleuten – und in der katholischen Kirche. Er half bei der Heranbildung eines schwarzen Klerus, der zu einer der Säulen seiner Macht auf lokaler Ebene werden sollte. Während eines größeren Zeitraums in den 1790er Jahren schickte er Berichte an das Marineministerium in Paris, das für die Verwaltung in den Kolonien
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zuständig war. Er versicherte sich auch der Unterstützung leitender Beamter in der Kolonialbürokratie, gewählter französischer Abgeordneter und führender Sklavereigegner wie Abbé Henri Jean-Baptiste Grégoire. Außerdem pflegte er Beziehungen zu amerikanischen und sogar zu britischen Diplomaten. Wie Toussaint in diesen Netzwerken agierte, welches Ansehen er darin genoss und wie sich seine Beziehung zu ihnen während seiner politischen Karriere entwickelte, ist entscheidend, um die Basis seiner Macht zu beurteilen. Zu Toussaint zurückzukehren, heißt, ihn in seinem primären Umfeld zu verorten – dem der Sklaverei und der Kolonialpolitik im SaintDomingue des 18. Jahrhunderts, wo er den Einflüssen ausgesetzt war, die seinen Charakter und seine intellektuelle Persönlichkeit formten. Dabei ging es nicht nur darum, sich die Gedanken der Aufklärung anzueignen. Saint-Domingue erlebte (wie viele andere karibische Kolonien) einen Prozess «unterschwelliger Kreolisierung», in dem europäische Denkinhalte so umformuliert wurden, dass sie mit den örtlichen Gegebenheiten kompatibel waren.52 Toussaint und die Aufständischen von SaintDomingue entwickelten sich so in einem lebendigen und fruchtbaren Milieu, das sie ihrerseits auch formten; in dem Ideen und Praktiken sowohl zwischen Europa und der Karibik ausgetauscht wurden als auch zwischen Afrika und der Karibik, wo universelle Konzepte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit übernommen und mit einer lokalen Bedeutung versehen wurden. Umgekehrt nahmen sie ortsspezifische Ideale – wie die Abschaffung der Sklaverei, die Ablehnung rassenbegründeter Hierarchien und der Definition des «Schwarzseins» – auf und gaben ihnen eine universelle Bedeutung.53 Die Haitianische Revolution entwickelte ihr eigenes Set emanzipatorischer Prinzipien und wurde damit «zur meisterhaftesten politischen Improvisation der radikalen Aufklärung».54 Ein schlagendes Beispiel aus den Archiven kann dies illustrieren. Kurz nach dem Ausbruch des Sklavenaufstands im August 1791 kehrte ein Pflanzer namens Leclerc auf seine Ländereien im Sprengel von Limbé im Norden von Saint-Domingue zurück. Auch wenn sich Leclerc selbst als «humanen» Sklavenbesitzer sah, war sein Besitz von den Aufständischen usurpiert und niedergebrannt worden. Als er zurückkam, nachdem die Rebellen abgezogen waren, fand er nur noch ein Gebäude vor, das, wie ihm erklärt wurde, von dem lokalen Kommandeur des Aufstands bewohnt worden war. Als er eintrat, sah er, dass es all seine kostbarsten Möbel enthielt,
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und er war überrascht, dass sein Besitz «sorgfältig gepflegt worden» war. Der Pflanzer war noch verblüffter, als er auch seine Quartausgabe von Guillaume-Thomas Raynals und Denis Diderots Histoire philosophique des Deux Indes vorfand, das revolutionäre Pamphlet der Spätaufklärung, in dem die Sklaverei verurteilt wird. Der Rebellenkommandeur hatte das Buch aus seiner Bibliothek geholt und auf einen Mahagonitisch gelegt; es war das einzige Werk aus seiner Sammlung, das nicht den Flammen zum Opfer gefallen war. Der Kommandeur hatte das Buch auf einer Seite aufgeschlagen, wo den Kolonisten (colons) «schreckliche Vergeltungsaktionen» angedroht wurden, sollten sie ihre Sklaven nicht freilassen.55 Er hatte sich nicht nur der Histoire philosophique bemächtigt, sondern den Text in einer bemerkenswerten Mischung aus Belesenheit, Großspurigkeit und Witz zum Leben erweckt. Diese Art der Synergie war typisch für das Denken Toussaints. Wer ihn genau beobachtete, betonte seine «Nähe zur Natur» und sein «intuitives Genie», die beide mit seiner einheimischen Sozialisation und seinen bodenständigen Erfahrungen zu tun hatten; er verglich seine Art, die Welt zu sehen, oft mit der eines Raubvogels – von erhobenem Standort aus und dennoch fähig, die kleinste Bewegung auf dem Boden wahrzunehmen.56 Zugleich begriff er sich als einen Mann, den «Vernunft und fundierte Philosophie» geformt hätten, und er war fest davon überzeugt, dass der Kampf des Volkes von Saint-Domingue beispielgebend für «das ganze Universum» war57 – was ein Licht auf die Originalität seines Republikanismus wirft. Seine Reden und Briefe zeigen, dass er mit Raynals Werk sowie mit den wichtigsten Ideen von Machiavelli, Montesquieu und Rousseau vertraut war. Sein politisches Denken enthielt deutliche Spuren des «neo-romanischen» Konzepts der Freiheit, wie Quentin Skinner es genannt hat – insbesondere in seiner ausdrücklichen Identifikation mit der Spartakuslegende, seinem Eintreten für das Gemeinwohl (bonum commune), seiner unwandelbaren Definition der republikanischen Freiheit als Gegenteil von «Knechtung durch Tyrannei»58 und seiner standhaften Weigerung, sich von der Willkür anderer Staaten (einschließlich Frankreichs) abhängig zu machen.59 Sein revolutionärer Republikanismus war auf die Gleichheit der Würde aller Bürger fokussiert, auf die Ideale der Volkssouveränität und den Dienst am Allgemeinwohl. Dies war ein Republikanismus, mit dem er sich angesichts der Versuche weißer Siedler, ihm seine Menschlichkeit abzusprechen seine Selbstachtung bewahrte: ein kriegerischer Republikanismus, der
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in militärischer Praxis wurzelte, insbesondere im Kampf, Saint-Domingue von Sklaverei und Fremdherrschaft zu befreien; ein Republikanismus der métissage, die einheimische Traditionen von Naturmystik, darunter die der Taino-Ureinwohner, mit Elementen des Königtums und der katholischen Morallehre verband; und schließlich ein Republikanismus der Brüderlichkeit, der die verlockende Aussicht auf eine multiethnische Gemeinschaft von Gleichen entwarf, während er gleichzeitig den schwarzen Bürgern der Kolonie die Verantwortung dafür übertrug, die revolutionäre Ordnung zu verteidigen.60 Wenn wir uns erneut auf Toussaints Spuren begeben, so ist dies ein Versuch der Wiederentdeckung – eine Chance, die Barrieren wegzuräumen, die ihn immer weiter von uns entfernt haben. Die «Ausradierung» der Haitianischen Revolution, die Michel-Rolph Trouillot in seinem klassischen Essay beklagte, ist nicht mehr so prononciert wie vordem, auch wenn ihre Trivialisierung andauert.61 Insbesondere die moderne französische Fachliteratur billigt Toussaint und den haitianischen Revolutionären keine große intellektuelle Potenz zu.62 Eine meiner wichtigsten Quellen, um diesen verzerrenden Eindruck zu korrigieren, war der reiche Fundus an Material über das Saint-Domingue vom Ende des 18. Jahrhunderts, der sich in französischen, spanischen, amerikanischen und britischen Archiven angesammelt hat. Darin findet sich eine Fülle von fesselndem Material zu Toussaints Leben und Werdegang. Das meiste davon liegt in Frankreich, in den Archives Nationales, der Bibliothèque Nationale, den Archives d’Outre Mer in Aix-en-Provence, dem Militärarchiv in Vincennes, den Archives Diplomatiques in Nantes und Paris sowie in einer Reihe von Regionalarchiven. Viele dieser wertvollen Dokumente wurden in Studien über Toussaint entweder ignoriert oder nur selektiv zitiert. Sie enthalten eine Fülle von Originalmaterial, das geeignet ist, neues Licht auf grundlegende Aspekte von Toussaints Herrschaft zu werfen: daher die Kapitel, die sich mit seinen hervorstechenden Merkmalen als republikanischer Militärkommandeur, seinen Überlegungen zur Verfassung und den lokalen Grundlagen seiner Regentschaft befassen. Amerikanische und spanische Archive wiederum ermöglichen ein besseres Verständnis für wichtige Wendepunkte in seiner Karriere, wie seine Entscheidung, sich auf die französische Seite zu schlagen, die Besiegung seines mixed-race Rivalen André Rigaud und seine Invasion des benachbarten Santo Domingo. Diese Quellen belegen auch seine ge-
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wieften diplomatischen Manöver, mit denen er neue politische Perspektiven für sich und sein Volk ermöglichte. Die ergiebigsten Funde hielt das Britische Archiv in Kew bereit, wo einige wesentliche Schriften über Toussaint entdeckt wurden, die es sonst nirgendwo gibt, sowie detaillierte und höchst informative Berichte über die letzten Jahre seiner Regierungszeit. Diese Funde verdanken sich den Aufzeichnungen britischer Konsularbeamter, die zwischen 1799 und 1801 in SaintDomingue stationiert waren. Eine der hervorstechendsten Eigenschaften Toussaints war sein «fast ungeheurer Glaube an das geschriebene Wort».63 Aus diesem Grund ist eine wesentliche Quelle, wenn wir uns seine Stimme vergegenwärtigen wollen, die große Sammlung seiner Reden, Proklamationen und Briefe. Der haitianische Historiker Joseph Boromé, der sein Leben lang diese Schriften gesammelt und katalogisiert hat, führt mehr als 1600 davon auf, die in mehr als neunzig Archiven, Bibliotheken und Privatsammlungen jenseits des Atlantik liegen.64 Eine Berücksichtigung dieser Masse von Material wird, wie Boromé zurecht vermutete, einige der absurdesten Behauptungen entkräften, die bis heute über Toussaint im Umlauf sind (zum Beispiel, dass er weder lesen noch schreiben konnte),65 und einige der Geheimnisse lüften, die seine Persönlichkeit umgeben.66 Vor allem Toussaints Briefe sind eine besonders ergiebige Quelle. Sie reichen von kurzen Notizen, die in der Hitze des Augenblicks abgesandt wurden, zu ausgefeilten und sorgfältig komponierten Texten. Er war ein akribischer Korrespondent: Seinen wichtigen Briefen gingen oft mehrere Entwürfe voraus, die er kritisch überprüfte, um sicherzugehen, dass jedes Wort genau seinen Intentionen entsprach. Ihre bloße Zahl bezeugt seine intellektuelle Energie: Auf dem Höhepunkt seiner Karriere in den späten 1790ern verschickte er jeden Tag Dutzende von Briefen und «verschliss seine fünf Sekretäre».67 Die Übermittlung seiner Botschaften war ihm eine stete Sorge, und häufig schrieb er Nachfolgebriefe, um zu erfahren, ob und wann die ersten ihre Empfänger erreicht hatten (und zumindest einmal verfasste er einen dritten Brief, um sich nach dem Verbleib der beiden anderen zu erkundigen). Seine Schriftsätze zeigen seine Bereitschaft, sich für notleidende Menschen einzusetzen – eine Witwe, die ihren Familienbesitz wieder haben möchte, ein Pflanzer, dessen Tiere gestohlen wurden, oder sogar ein Gendarm, der «in Missachtung seiner Menschenrechte» von seinem Vorgesetzten geohrfeigt wurde.68
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Dieses Material wirft auch ein Licht auf die komplexe Art und Weise, wie Toussaint sein eigenes Schwarzsein reflektierte, das zugleich eine Frage der Tradition, des Stolzes, der Pflicht und (ein oft gebrauchter Begriff) der «Ehre» war.69 Ehrenvoll zu handeln war gleichbedeutend damit, für schwarze Interessen einzutreten und eine moralisch überlegene Position einzunehmen. Als ihn ein weißer französischer Beamter, der früher einmal erklärt hatte, unter «schwarzem Kommando» könne er nicht leben, später um Hilfe bat, erinnerte Toussaint ihn zunächst an seine frühere Aussage, bevor er ihm seinen Beistand versprach.70 Die schwarze Hautfarbe war ein wesentlicher Bestandteil seiner Selbstwahrnehmung, vor allem in einer Welt, in der Vorurteile gegen Männer und Frauen afrikanischer Abstammung allgegenwärtig waren. Es war auch ein Konzept, das sich bewusst vom Verhalten anderer Gruppen abhob – insbesondere von dem der obersten Verwaltungsbeamten der Kolonie, der ehemaligen weißen Herrenschicht sowie der mixed-race Anführer, mit denen er sich bei Gelegenheit anlegte. Gleichzeitig verbindet sich Toussaints Schwarzsein stark mit modernen Tendenzen. Es war eine entschiedene Anerkennung der kulturellen und spirituellen «Hybridität», wie Stuart Hall es nannte, die Elemente aus unterschiedlichen afrikanischen, europäischen und karibischen Lebenswelten vereint, während sie zugleich die fundamentale Gleichheit schwarzer Menschen mit anderen ethnischen Gruppen propagiert.71 Die Briefe verraten viel von Toussaints Stoizismus, seinem Scharfsinn und Witz (wie etwa in einem seiner ersten Sendschreiben an «Monsieur Chanlatte, scélérat, perfide et trompeur»).72 Diese Dokumente geben leider weniger Einblick in sein Privatleben, als ein Biograph hoffen möchte: Als die Franzosen 1802 in Saint-Domingue einmarschierten, vernichteten sie einen großen Teil seiner Papiere, darunter ein dickes Bündel lettres galantes, die Toussaint mit seinen zahlreichen weißen Geliebten gewechselt hat, wie etwa der legendären Madame Fisson, einer Weißen «von seltener Schönheit», deren Ehemann einer seiner Geschäftsträger wurde;73 nur das merkwürdige billet-doux an eine dieser Damen ist uns erhalten geblieben.74 Dennoch lässt uns seine erhaltene Korrespondenz manchmal einen Blick auf seine Privatperson werfen: seine Sorge um die Bildung seiner Kinder, seine Leidenschaft für Pferde und Rosen, seine Achtsamkeit in der persönlichen Hygiene und seine berüchtigten spartanischen Essgewohnheiten: Auf seine Nachfrage hin bestätigt seine Frau Suzanne 1794 brieflich die Versendung von frischer
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Kleidung und Handtüchern sowie vier Brotlaiben.75 Toussaints Musikliebe war ebenfalls bemerkenswert: Aus einem seiner frühen Briefe geht hervor, dass er das Duo eines Trompeters und eines Klarinettisten beaufsichtigte, und einer seiner letzten Vermerke war der von ihm unterzeichnete Gehaltszettel für eine Gruppe von dreizehn Musikern, die dem Amt des Gouverneurs zugeteilt waren.76 Alle großen Führer kämpfen mit Widersprüchen, und Toussaints Briefe sind dort am aufschlussreichsten, wo sie die widerstreitenden Impulse offenlegen, mit denen er seine ganze Karriere hindurch rang: zwischen seiner Sehnsucht nach einem beschaulichen Familienleben und seiner Hingabe an die res publica; zwischen seiner angeborenen Ungeduld (einer seiner Lieblingssätze lautete: «ne perdons pas notre temps») und seinem Glauben, dass man den Dingen ihren natürlichen, von Gott vorgegeben Lauf lassen müsse (oder wie er gesagt hätte: «der Mensch denkt und Gott lenkt»); zwischen seinem aufrichtigen französischen Patriotismus und seiner Pflicht, die Interessen von Saint-Domingue zu verteidigen; zwischen seiner Verantwortung, die Menschen zusammenzuführen, und seinem Eingeständnis, Gewalt sei in Zeiten politischer Veränderung ein notwendiges Übel; zwischen seiner instinktiven Neigung zur Geheimniskrämerei und der Notwendigkeit, von der Energie seines «großen Volks» zu zehren; und schließlich zwischen seinem unverblümten Pragmatismus und seinem Wunsch, die Frauen und Männer von Saint-Domingue in eine neue Welt revolutionärer Möglichkeiten zu führen, in der sie «ihren verrückten Traum» verwirklichen könnten, «der aus ihrer absoluten Liebe zur Freiheit geboren war.»77
ERSTER TEIL
EIN REVOLUTIONÄR WIRD GEBOREN
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DI E SEELE EI N ES FREI EN MENSCH EN
1 Die EinSeele Revolutionär eines freien wird Menschen geboren
«Ich wurde als Sklave geboren, aber die Natur gab mir die Seele eines freien Menschen.»1 Diese flüchtige Bemerkung in einem Verwaltungsbericht aus dem Jahre 1797 ist eine der wenigen Äußerungen vor der Revolution, in der Toussaint Louverture auf sein Dasein als Sklave Bezug nimmt. Die Formulierung war typisch für ihn: Direkt und in gehobenem Ton, gab sie trotzdem nur wenig von seinen Gefühlen preis. Sie enthielt, wie wir noch sehen werden, auch keineswegs die ganze Geschichte: Er war ein Meister in der Kunst kalkulierter Mehrdeutigkeit. Aber er hatte auch eine Gabe zur Prägnanz; und seine Naturnähe, seine Unbeirrbarkeit und sein unermüdlicher Drang, sich geistig zu emanzipieren, gehörten von früh an zu den bestimmenden Merkmalen seiner Persönlichkeit. Indem er seiner Versklavung die Sehnsucht nach Freiheit gegenüberstellte, wies Toussaint auf zwei Charakterzüge hin, die ihn von den meisten seiner Zeitgenossen unterschieden: sein unbedingter Wille, sich von äußeren Hemmnissen zu befreien, und seine visionäre Kraft – die Fähigkeit, «zu sehen und vorauszusehen».2 Toussaints frühe Jahre stellen für seinen Biographen eine kaum zu meisternde Herausforderung dar. Als er der Revolutionsführer von Saint-Domingue wurde, hinterließ er eine beträchtliche Menge an Dokumenten. Zusätzlich haben sich die Berichte vieler Zeitgenossen erhalten, von seinen Mitstreitern und militärischen Untergebenen bis zu französischen Beamten und ausländischen Würdenträgern sowie einfachen Bürgern in der Kolonie. Doch obwohl es in den französischen Staatsarchiven eine umfangreiche Dokumentensammlung über die Plantagen in Saint-Domingue gibt, kommt Toussaints vorrevolutionäre Existenz kaum darin vor.3 Anders als Olaudah Equiano und Frederick Douglass hat Toussaint keine Autobiographie geschrieben, und keiner der Männer und Frauen, die ihn auf der Plantage, wo er aufwuchs, näher kannten –
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seine Eltern, sein Pate, seine Mit-Haussklaven, die Priester aus dem benachbarten Haut-du-Cap oder der Verwalter, dessen rechte Hand er schließlich wurde – hat irgendwelche Aufzeichnungen über ihn hinterlassen. Abgesehen von einer Handvoll interessanter Dokumente, die großenteils erst kürzlich ans Licht kamen, sind Archivquellen über seine Sklavenjahre dünn gesät. Das Wenige, das wir wissen, stammt hauptsächlich aus der mündlichen Überlieferung des 19. Jahrhunderts auf Haiti – eine in vielerlei Hinsicht wertvolle Quelle, die jedoch keine schlüssigen Informationen über selbst die einfachsten Gegebenheiten von Toussaints Leben bietet. Das beginnt schon mit seinem Geburtsdatum. In demselben Verwaltungsbericht von 1797 erwähnte Toussaint, er sei zur Zeit der Revolution «fünfzig Jahre alt» gewesen. Das stimmt mit dem späteren Memoire seines Sohnes Isaac überein, der, gestützt auf Familienerinnerungen, bestätigte, dass sein Vater am 1. Mai 1740 geboren war.4 (Für Sklaven gab es keine Geburtsurkunde.) Doch weitere Quellen – darunter Äußerungen von Toussaint selbst – deuten auf andere Möglichkeiten hin, so dass sein Geburtsdatum unsicher erscheint. Einige geben spätere Daten bis 1746 an, während ein französischer Beamter, der zu seinen engsten Mitarbeitern gehörte und ausgiebige Gespräche mit seiner Familie führte, behauptete, er habe bis zum Alter von 66 Jahren regiert – was sein Geburtsjahr auf 1736 verschieben würde.5 Auch den Hauptteil unserer Kenntnisse über seine Vorfahren verdanken wir mündlicher Überlieferung. Familiäre Quellen deuten darauf, dass Toussaints Vater der zweite Sohn von Gaou Guinou war, einem König des Kriegervolks der Alladas, einem westafrikanischen Stamm, der in den südlichen Regionen der Goldküste, dem heutigen Benin, lebte.6 Neuere Forschungen haben jedoch keinerlei Hinweis auf einen Allada-König dieses Namens ergeben: Toussaints Großvater war vielleicht ein Provinzgouverneur oder ein königlicher Amtsträger mit weitreichenden regionalen Befugnissen. Zugleich zeigt diese auf Erfindung beruhende Überlieferung Toussaints von frühauf ausgeprägte Neigung, der Macht der Imagination Raum zu geben und selber Herr über das Narrativ seines Lebens zu bleiben. Im Hintergrund dieser Erzählung steht natürlich auch die lebendige afrikanische Kultur im Saint-Domingue des 18. Jahrhunderts mit ihrer Musik, ihren Tänzen, Spielen, religiösen Facetten, Naturanschauungen und übernatürlichen Mythen.7 Auch fanden in der Kolonie Elemente einer royalistischen Ideologie breiten Anklang, unterstützt
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durch Rituale, tradierte Erinnerungen an historische Kriege in Afrika und besondere kulturelle Praktiken wie Hautritzungen.8 Toussaint war Teil dieser kollektiven Gedächtnis- und Glaubenspraktiken, er sog sie auf in Erzählungen seiner Eltern über seine adelige Abstammung und gab sie an seine Kinder weiter. Wahrscheinlich haben diese Geschichten in ihm nicht nur eine lebenslange Allergie gegen Fatalismus begründet, sondern zugleich ein Gefühl für seine eigene Auserwähltheit. Toussaint wurde – das zumindest ist unbestritten – auf der Zuckerplantage von Bréda nahe dem Städtchen Haut-du-Cap geboren, wo seine Eltern als Sklaven arbeiteten. Die Besitzung gehörte Graf Pantaléon de Bréda, einem Marineoffizier aus Südwestfrankreich, der eine einheimische Erbin geheiratet und in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zu einem großen Vermögen gekommen war. Er besuchte hin und wieder die Karibik, lebte aber die meiste Zeit in Frankreich – wie viele reiche Grundbesitzer in Saint-Domingue.9 Sein Landbesitz, auf dem etwa 150 Sklaven arbeiteten, reihte sich in eine Ansammlung von großen Zuckerplantagen ein, die sich auf der nördlichen Ebene rund um Cap befanden. Nach dem 1685 verabschiedeten Code Noir, dem Regelwerk zur Behandlung der Sklaven in den französischen Kolonien, blieb ein Kind automatisch im Sklavenstatus seiner Eltern.10 Toussaint hatte auch keine Verfügung über seinen Nachnamen: Sklavenarbeit wurde als Besitz betrachtet, und so hieß der Junge offiziell «Toussaint à Bréda» (oder schlicht «Toussaint Bréda»). Der Name «Louverture» kam erst in der Revolutionszeit auf. Toussaint war als Kind von schwacher Konstitution und manchmal so krank, dass seine Familie um sein Leben fürchtete. Die Kindersterblichkeit auf Saint-Domingue war hoch, ganz besonders auf der Bréda-Plantage, wo eines von drei Kindern das Erwachsenenalter nicht erreichte.11 Sein ausgemergelter Körper gab Anlass zu Spott und trug ihm den Spitznamen «Fatras-Bâton» (wörtlich «dünner Stock») ein – ein Wortspiel im kreolischen Dialekt, das sich über seine Schmächtigkeit lustig machte.12 Fatras konnte auch faul heißen, aber von Arbeitsscheu war bei diesem Jungen nichts zu bemerken. Vielmehr machte er seine körperlichen Defizite mit Willenskraft mehr als wett. Laut einem haitianischen Historiker aus dem 19. Jahrhundert, der mit Mitgliedern aus der ToussaintFamilie sprach, war er mit zwölf Jahren der schnellste Läufer, der wendigste Kletterer und der beste Schwimmer unter allen Sklavenkindern in
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Der Code Noir war das Regelwerk für die Behandlung der Sklaven in den französischen Kolonien. Da die Sklaven als Eigentum betrachtet wurden, hatten sie keine Rechte, und ihre Herren konnten sie nach Belieben schlagen oder auspeitschen.
den umgebenden Plantagen.13 Als Jüngling begann er die Reitkünste zu erlernen, und zwar so gut, dass man ihn später als «Zentaur der Savanne» rühmte; seine bevorzugte Methode, Pferde zuzureiten, war es, aufzusitzen, wenn sie noch wild waren. Er wurde häufig abgeworfen und zog sich mindestens einmal bei einem Sturz eine Oberschenkelfraktur zu. Doch als junger Erwachsener gehörte er zu den versiertesten Reitern
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der Kolonie; manche Leute kamen über die nördliche Ebene, um von seinem Pferdewissen zu profitieren.14 Selbst die besten Reiter aus Frankreich konnten ihn an Schnelligkeit oder Ausdauer nicht übertreffen, ganz zu schweigen vom Wagemut – einmal überquerte er einen Fluss, der mächtiges Hochwasser führte, indem er aufrecht auf seinem Pferd stand und es zum anderen Ufer dirigierte.15 Solche abenteuerlichen Streifzüge durch ganz Saint-Domingue wurden eines von Toussaints Markenzeichen: Sie schärften seinen Freiheitssinn und gaben ihm, in den Worten des Historikers Antoine Métral, «eine genaue Kenntnis der Gezeiten, der Stromschnellen, der Flüsse und Seen, der Höhe und der Gestalt von Bergen, Schluchten und Pässen, der unwegsamsten Pfade und der tiefen Wälder, der Windströmungen und Regenzeiten, der Vorzeichen von Erdbeben und Hurrikans.»16 Diese Naturverbundenheit wurde noch dadurch verstärkt, dass Toussaint den größten Teil seiner Jugend und frühen Erwachsenenjahre als gardien des bêtes zubrachte, der die Tiere der Bréda-Farm hütete. Diese Beschäftigung weckte eine leicht melancholische Neigung und einen bleibenden Hang zur Einsamkeit. Doch der junge Hirte entwickelte auch eine beherzte Streitlust. Jeden Sklaven, der die Hand gegen eine weiße Person erhob, erwartete schwere Bestrafung: Laut Artikel 33 des Code Noir musste ein Sklave, der einen Herrn oder einen Angehörigen von dessen Familie geschlagen hatte, mit der Todesstrafe rechnen,17 und in mindestens einem Fall wurde ein freigelassener Sklave für einen vorsätzlichen Angriff auf einen colon aufgehängt.18 Trotzdem legte sich Toussaint 1754 auf der benachbarten Plantage Linasse mit einem jungen Mann namens Ferret an. Warum er das tat, ist unklar: Vielleicht provozierte ihn Ferret mit dem häufig gebrauchten Schimpfwort «Allada mangeur de chien» («Hundefresser»). Das Ganze endete mit einer Rauferei unter einem Orangenbaum, wobei der weiße Junge, obwohl er zwei Jahre älter als Toussaint war, den Kürzeren zog. Bei anderer Gelegenheit erfuhr der junge Fatras-Bâton davon, dass Béagé, der damalige Verwalter der BrédaPlantage, sich eines seiner Pferde bemächtigt hatte. Toussaint eilte daraufhin zu den Ställen und durchtrennte den Sattelgurt. Der erzürnte Verwalter drohte ihm mit Schlägen. Doch der junge Sklave bot ihm die Stirn und sagte: «Wagen Sie nur, mich zu schlagen!» Der Verwalter gab klein bei, und die Geschichte wurde zur Legende.19 Dieses Selbstbewusstsein war zweifellos Teil seines Familienerbes, aber es hatte auch mit Toussaints katholischem Glauben zu tun. Für alle
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Sklaven der Bréda-Plantage gab es ein tägliches Gemeinschaftsgebet, so dass der kleine Junge früh mit der christlichen Religion vertraut wurde. Die katholische Kirche im Norden von Saint-Domingue wurde von den Jesuiten dominiert. Ihr Hauptquartier befand sich in Cap, und einige der Priester wohnten in dem Städtchen Haut-du-Cap und waren Toussaint wohlbekannt. Nach mündlicher Überlieferung brachten sie ihm Lesen und Schreiben bei. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts galt es (laut einem französischen Schullehrer, der Haiti durchreiste) als ziemlich sicher, dass Toussaint ein Priesterseminar besucht hatte.20 Die Jesuiten hatten ein recht robustes Verständnis von ihrer Aufgabe als Missionare: So förderten sie eine spezielle «Schwarze Messe» in Cap, bei der afrikanische Älteste die Gemeinde in Gesang und Gebet anführten. Sie ernannten auch einen «Priester der Schwarzen», der helfen sollte, den Glauben unter den Sklaven zu verbreiten. Anders als der Rest der Geistlichen in Saint-Domingue genossen diese Missionare den Respekt der Sklaven, die in ihnen ihre Beschützer sahen.21 Toussaint beteiligte sich begeistert an den Bekehrungsaktivitäten der Jesuiten und wurde in seiner Gegend einer ihrer Anhänger. Gut möglich, dass er zu den schwarzen Sklaven gehörte, die in einem offiziellen Bericht dafür gerügt wurden, dass sie «unablässig das Evangelium in die Hütten der schwarzen Bevölkerung im Norden tragen».22 Die Bemühungen des Ordens, der Sklavenbevölkerung geistlichen Trost zu spenden, wurden von den Behörden der Kolonie nicht gern gesehen. Plantagenbesitzer beklagten sich, die Jesuiten schadeten ihrer Macht und moralischen Autorität, vor allem indem sie die Sklaven zum Heiraten animierten. Verheiratete Paare waren schwerer zu verkaufen als Einzelsklaven. Manche warfen den Missionaren vor, die Sklaven gegen ihre Herren aufzuwiegeln und verwerfliche Ideen wie «Unabhängigkeit» oder sogar «Gleichheit» in Umlauf zu bringen.23 Infolgedessen wurden die Jesuiten 1763 aus Saint-Domingue ausgewiesen, und das eindrucksvolle Gebäude, das sie in Cap besessen hatten, wurde von der Kolonialverwaltung übernommen. Toussaint unterhielt freilich auch zu ihren Nachfolgern, den Kapuzinern, enge Beziehungen, und es gibt Hinweise, dass er in den beiden von Jesuiten gegründeten Krankenhäusern, die in der Cap-Region weitergeführt wurden, zeitweise beschäftigt war.24 Zu dieser Zeit war sein Glaube vollständig von den Inhalten und Werten bestimmt, wie sie die Kirchenoberen um ihn her lebten: Eintracht, Barmherzigkeit, Enthaltsamkeit und vor allem Brüderlichkeit. Diese Art
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Katholizismus behandelte die schwarzen Sklaven als vollwertige Mitglieder der Gemeinde, und Toussaints Religiosität zeichnete sich durch einen spezifisch kreolisch gefärbten Egalitarismus aus, der die Rassenhierarchie der Kolonie in Frage stellte. Neben seinen sportlichen Aktivitäten, seiner spirituellen Bindung an die Natur und seinem katholischen Glauben war der junge Toussaint auch von seinem afrikanischen Erbe geprägt. Wie groß dieser Einfluss war, bleibt umstritten, und in der Tat wird Toussaints Beziehung zu seinen afrikanischen Wurzeln oft kleingeredet. Viele Historiker versuchen, die Minderheit der in Saint-Domingue geborenen «Kreolen» wie Toussaint von den in Afrika geborenen bossales zu unterscheiden, die um 1790 etwa 60 % der erwachsenen Bevölkerung in der Kolonie ausmachten.25 Diese Sklaven stammten großenteils aus der Region des Kongo und aus Angola.26 Einer verbreiteten Ansicht nach verachteten die Kreolen ihre afrikanische Vergangenheit, die sie mit Rückständigkeit und Erniedrigung gleichsetzten, und wendeten sich stattdessen ihren karibischen Wurzeln, dem Katholizismus und der Aufklärung zu. In Toussaints Fall wurde behauptet, seine afrikanische Vergangenheit habe für seine öffentliche und private Person eine «bemerkenswert geringe Rolle» gespielt und er habe sich von seinem Vater «distanziert». Seine Beziehung zum afrikanischen Erbe sei die einer «vorsätzlichen Verleugnung» gewesen.27 Solche Behauptungen können schon deswegen nicht recht überzeugen, weil sie die Verschiedenheit von Kreolen und bossales im 18. Jahrhundert überbewerten. Es gab zwischen den beiden Gruppen unzweifelhaft Unterschiede in den Lebensbedingungen: Die Kreolen lebten in der Regel in weniger prekären Verhältnissen, sie arbeiteten auf den Plantagen in gehobeneren Positionen, etwa als Hausangestellte, Handwerker, Kutscher oder Sklaventreiber. Es gab natürlich auch kulturelle Unterschiede: Die bossales hielten stärker an ihren sozialen Riten, ihren Sprachen und religiösen Praktiken fest. Doch gab es auch zahlreiche Verbindungen zwischen den beiden Gemeinschaften. Wie man zurecht festgestellt hat, wurden bossales «auf vielfältige Weise kreolisiert», insbesondere durch die christliche Taufe, die Bebauung ihrer eigenen Landparzellen und die Übernahme der kreolischen Sprache, während Kreolen wie Toussaint nur «eine Generation von Afrika entfernt» waren.28 Diese Verbindung zeigt sich bereits in Toussaints Erziehung: Er lernte und sprach Kreolisch, die Umgangssprache von Saint-Domingue, war
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aber seit früher Kindheit durch seine Eltern auch mit der Allada-Kultur vertraut. Sein Vater Hippolyte, der bei der Gefangennahme und Versklavung in den späten 1730er Jahren gewaltsam von seiner Frau Affiba getrennt worden war, heiratete in Saint-Domingue ein weiteres Mal: eine junge Frau namens Pauline, die wie er dem Volk der Allada entstammte und ihm fünf Kinder gebar – Toussaint war das älteste. Als Junge und junger Mann dürfte Toussaint als «Afrikaner» bezeichnet worden sein: Das Wort wurde in Saint-Domingue nachlässig gebraucht, gewöhnlich als rassistisch abwertende Beschreibung der schwarzen Bevölkerung. Sklaven waren allgemein mit Haus- oder Nutztieren gleichgestellt: Ein Pflanzer notierte in seinem Notizbuch die «verschiedenen Arzneien», mit denen man «die Krankheiten von Negern, Pferden und Maultieren» behandelt.29 Siedler klagten über die Schwierigkeit, ihre Arbeiter in Schach zu halten («unglücklich, wer Neger hat, unglücklicher, wer keine hat»),30 und der allgemeinen Ansicht nach waren schwarze Menschen «gefährlich, abergläubisch und fanatisch».31 Wie Frantz Fanon später bemerkte, waren solche Zuschreibungen ein wesentliches Instrument kolonialistischer Herrschaft – sie verstärkten die Suprematie der Siedler, indem die einheimischen Bevölkerungen nicht nur als minderwertig, sondern auch als bedrohlich, als «Quintessenz des Bösen» dargestellt wurden.32 Die ethnische Spaltung auf der Basis vorgeblich «wissenschaftlicher» Behauptungen voranzutreiben, war ein weiteres wichtiges Werkzeug der weißen Herrschaft, und französische Autoren setzten große Energie daran, Sklavengruppen aufgrund ihrer afrikanischen Herkunft bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben. Aus Sicht des Kolonialanwalts Moreau de Saint-Méry, einem der meistzitierten Verteidiger der Pflanzerinteressen, galten die Angehörigen der Allada im Allgemeinen als «kräftig und intelligent»; doch hielt man sie auch für «verschlagen, affektiert, heuchlerisch, faul und arglistig».33 Viele dieser Attribute wurden Toussaint während seiner späteren Jahre von seinen Feinden angehängt. Aber trotz aller Bemühungen des kolonialistischen Systems, die «afrikanische» Bevölkerung von Saint-Domingue zu dehumanisieren, erhielten sich auch positive Zuschreibungen und prosperierten sogar. Die Alladas waren die zweitgrößte afrikanische Sklavenpopulation in Saint-Domingue, und die Plantagenverwalter in Bréda hielten große Stücke auf sie, da sie ihnen besondere landwirtschaftliche Fähigkeiten zuschrieben.34 Außerdem standen die Alladas als besonders tüchtige afri-
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kanische «Kriegerrasse» hoch im Kurs.35 Toussaint hat als Heranwachsender sicher von diesem Ruf profitiert: Sein Vater galt unter den afrikastämmigen Sklaven auf der Plantage und in der Umgebung als Autorität und wurde von ihnen mit Ehrerbietung behandelt – sogar, wie es scheint, vom Plantagenmanager Béagé; dies könnte erklären, warum er zögerte, sich bei dem schon erwähnten Vorfall mit Toussaint anzulegen.36 Und obwohl er weder lesen noch schreiben konnte, gab Hippolyte an seinen ältesten Sohn seine Kenntnisse der Pflanzenheilkunst weiter, wie er sie von den afrikanischen Ältesten erlernt hatte: Diese Kunst galt im 18. Jahrhundert in Saint-Domingue vor allem als Domäne der Allada-Kultur.37 Die Vermutung, Toussaint sei ein Anhänger der Vodou-Religion gewesen, die von den Allada-Gemeinden damals auf den Plantagen in Saint-Domingue praktiziert wurde, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Vodou – in Westafrika entstanden und um religiöse Praktiken der indigenen Taino angereichert38 – war ein Kult, der um die Verehrung von Geistwesen (den sogenannten loa) kreiste, die, wie man glaubte, über unterschiedliche Aspekte der irdischen Existenz geboten und mit den Menschen während religiöser Rituale kommunizierten.39 Dass Toussaint dem Vodou anhing, ist für viele Haitianer heute fast eine Selbstverständlichkeit: ein moderner Historiker stellt fest, dass man ihn «für einen bòkò’ (Vodou-Priester) hielt».40 Interessanterweise bestand eine enge Verbindung zwischen der Kräuterheilkunst und dem Vodou in der Gestalt des loa, der als Loko bekannt ist, des Schutzherrn der Heiler; dieser Geist wurde von den Taino den ersten Marron-Gemeinden von Saint-Domingue übertragen.41 Toussaint stellte diese Verbindung ohne Zweifel her und schöpfte für seine Praxis der Naturmedizin aus den magischen Rezepten von Schamanen;42 dies war eine der Quellen für seinen Ruf als Heiler mit übernatürlichen Kräften, in dem daher viele bossales einen Priester sahen, der Kontakt zu den «guten Geistern» hatte.43 Nicht nur schätzte Toussaint die traditionelle Kräuterwissenschaft, die ihm den offiziellen Titel docteur feuilles eintrug, sondern er bildete sich bei seinen ausgedehnten Reisen durch die Kolonie auch weiter. Wie seine hoch geschätzten Heiler-Kollegen in ganz Saint-Domingue, die ebenfalls dem Sklavenstand angehörten, kombinierte er afrikanische, karibische und europäische Formen des medizinischen Wissens. Seine pflanzenbasierten Heilmittel halfen bei der Behandlung von Verletzun-
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gen, die man sich in den Plantagen oder Zuckerfabriken zuziehen konnte, der Bekämpfung von Krankheiten wie Malaria oder Gelbfieber und der Eindämmung von Skorbut, einer der häufigsten Erkrankungen, an der neu angekommene Sklaven litten.44 Hippolyte brachte seinem Sohn auch die Fon-Sprache bei, die von den Alladas gesprochen wurde, und es wird berichtet, dass der Junge sich oft in diesem afrikanischen Dialekt mit den Gemeindevorständen auf der Plantage und im nahen Haut-du-Cap unterhielt. Der Verwalter der Bréda-Plantage bestätigte, dass die Sklaven «in ihren eigenen Sprachen» miteinander kommunizierten.45 Toussaint wendete sich während der Revolutionszeit keineswegs von dieser kulturellen Tradition ab, sondern verfocht sie geradezu. Sein Sohn Isaac erinnerte sich an eine Situation, in der eine Gruppe afrikanisch-stämmiger Kombattanten Toussaint in seinem Hauptquartier besuchte: Als er erkannte, dass viele von ihnen Allada-Landsleute waren, hielt er ihnen zu ihrer Freude eine flammende Rede auf Fon.46 Das vielleicht aussagekräftigste Zeugnis für die nicht nachlassende Bedeutung, die die afrikanischen Wurzeln für Toussaint hatten, war seine Reaktion auf den Tod seiner Eltern. Hippolyte und Pauline starben beide 1774 innerhalb weniger Monate an Lungeninfektionen, was Toussaint mit Anfang Dreißig in die Rolle des Familienältesten versetzte. Er übernahm nun plötzlich die Verantwortung für seine beiden Brüder und die beiden Schwestern, zusätzlich zu der für mehrere eigene Kinder, wie wir noch sehen werden. Er löste das Problem, indem er eine in Afrika geborene Frau mit Namen Pélagie um Hilfe bat, die dann im Grunde die Adoptivmutter der Familie wurde. Bezeichnenderweise gehörte Pélagie zum Volk der Aguia (Adja), das aus der gleichen Region kam wie die Alladas. Sie war aller Wahrscheinlichkeit nach eine enge Bekannte seiner Mutter, und ihre Anwesenheit in der Familie stellte ein wesentliches kulturelles Verbindungsglied zu Toussaints afrikanischem Erbe dar, und das bis zur Zeit der Revolution. Weit entfernt davon, auf sie herabzusehen oder sie vor der Öffentlichkeit zu verstecken, beschützte und ehrte er seine Adoptivmutter. Er kaufte sie 1789 aus der Sklaverei frei, zu einer Zeit, als er selbst nur über bescheidene Mittel verfügte und enge Familienmitglieder immer noch versklavt waren. Er besorgte ihr auch eine neue Unterkunft in Haut-du-Cap. Später, als er einer der Führer der Revolution wurde, lud er Pélagie ein, nahe bei ihm in Ennery zu wohnen, und sandte ihr jeden Sonntag eine Kutsche, die sie zur Messe fuhr.47
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In einem seiner späteren Flugblätter fasste Toussaint die Unmenschlichkeit der Sklaverei in der systematischen Praxis zusammen, «den Sohn von seiner Mutter fortzureißen, den Bruder von seiner Schwester, den Vater von seinem Sohn».48 Der unpersönlich gehaltene Satz verbarg, in welchem Ausmaß er aus eigener Erfahrung sprach. Als Sklave war sein ganzes Leben durch die Vorschriften des Code Noir bestimmt: er hatte keinerlei Rechtsansprüche, er konnte nicht ohne Erlaubnis seines Herrn heiraten, ihm war das Tragen von Waffen verboten, und er durfte angekettet und ausgepeitscht oder mit der Zuchtrute geschlagen werden.49 Auch wenn Toussaint selbst einer solch grausamen Behandlung entging, so kannte er doch zahllose Fälle barbarischer Übergriffe auf Sklaven in der ganzen Kolonie. Diese Gräueltaten wurden im spätkolonialistischen Saint-Domingue ausgiebig dokumentiert, und sie entsetzten sogar diejenigen, die der Institution der Sklaverei eigentlich positiv gegenüberstanden: Unter anderem wurden Sklaven in Öfen geworfen, lebendig begraben, in die Luft gesprengt, Gliedmaßen wurden ihnen abgehackt; verschiedene Formen der Folter, unter anderem Kastration und Genitalverstümmelung, waren an der Tagesordnung, auch wenn diese Praktiken nach dem Code Noir verboten waren.50 Zwar wurden, soweit bekannt, die Arbeitskräfte auf der Bréda-Plantage nicht solch grauenhaften Qualen unterzogen, aber Toussaint sah jeden Tag die übliche Ausübung von Gewalt – mit ihren bitteren Folgen von Krankheit, Elend und Tod. Für seine Plantage wurde eine Lebenserwartung von nur 37 Jahren errechnet, und die Sterblichkeitsrate bei den afrikastämmigen Plantagenarbeitern gehörte zu den höchsten der Region: Toussaint hatte mit Anfang Vierzig vermutlich etwa die Hälfte seiner Alterskohorte sterben sehen.51 Er hatte die verheerenden Auswirkungen der Sklaverei auf seine Familie von klein an beobachten können. Wie schon erwähnt war sein Vater Hippolyte, als er in die Sklaverei geriet, von seiner Frau getrennt worden, und er glaubte, sie und ihre beiden Kinder seien in ihrer Heimat zurückgeblieben. Er konnte nicht wissen, dass Affiba ebenfalls gefangen, mit den Kindern nach SaintDomingue verschleppt und dort an einen Sklavenhalter verkauft worden war. Man hatte die junge Afrikanerin getauft und ihr den Namen Catherine gegeben, und ihre beiden Kinder hießen nun Augustin und Geneviève. Als Affiba erkannte, dass sie und ihr Mann auf der gleichen Insel gelandet waren, und herausfand, wo er sich aufhielt, hatte Hippolyte bereits mit Pauline eine neue Familie gegründet. Diese Nachricht
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brach ihr das Herz, und sie starb nicht lange danach vor Kummer.52 Toussaint verbrachte einige Zeit bei seinen Halbgeschwistern, spendete ihnen Trost und entwickelte eine besonders starke Beziehung zu Geneviève. Doch sie wurde bald an einen weißen Siedler namens Fontaine verkauft, und er verlor sie für mehrere Jahrzehnte aus den Augen. Aber sie blieb in seinem Bewusstsein präsent, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er an sie dachte, als er 1797 von Schwestern schrieb, die von ihren Brüdern «fortgerissen» wurden. In seinen letzten Lebensjahren wurde seine Ausdauer belohnt, als er mit ihr in der im Süden gelegenen Stadt Les Cayes wieder zusammenfand.53 Eine weitere zentrale Person in Toussaints familiärem Umfeld war Pierre-Baptiste, ein freigelassener Allada-Sklave, der auf der Haut-duCap-Plantage als Torwächter arbeitete. Pierre-Baptiste, von den Jesuiten erzogen, war ein großer, imposanter Mann, der in Gleichnissen sprach und in Haut-du-Cap als Weiser galt. Er gehörte zu den Ehrwürdigen, die in der schwarzen Kirchengemeinde in Cap die Gebete anführten.54 Nach dem Tod von Hippolyte übernahm er für Toussaint die Vaterrolle – er unterrichtete ihn in Geschichte, Geographie und Algebra (auch trug er erheblich zu Toussaints Vorliebe für Gleichnisse bei). Wie mit seiner Adoptivmutter Pélagie blieb Toussaint in seinen späteren Lebensjahren mit seinem Paten in engem Kontakt, und er unterließ es nie, wenn er in die Gegend kam, in Haut-du-Cap vorbeizuschauen und ihm seine Ehre zu erweisen. Selbst als er berühmt geworden war, bezeichnete er PierreBaptiste als den einzigen Mann, dem er bedingungslos gehorchte.55 Als Toussaint 1802 nach Frankreich deportiert wurde, lebte PierreBaptiste (mit über hundert Jahren) noch. Toussaint hatte allen Grund, seinem Zweitvater dankbar zu sein, denn Pierre-Baptiste war ein erfolgreicher Ehestifter. Er hatte Toussaint seiner Nichte Suzanne vorgestellt, einer Sklavin auf der Bréda-Plantage, wo ihr Bruder einer der Sklaventreiber war. Sie war ebenfalls eine Allada. Sie ließen sich schließlich – laut mündlicher Überlieferung um 1782 – als Ehepaar nieder, Suzanne wurde die Mutter seiner beiden Söhne Isaac (1786) und Saint-Jean (1791). Toussaint nahm Suzannes Sohn Placide (aus einer früheren Ehe) in die Familie auf und sandte ihn später mit Isaac zusammen zum Studium nach Frankreich. Es sollte hier erwähnt werden – auch im Licht späterer Vorwürfe gegen Toussaint, er sei gegen mixed-race Menschen voreingenommen gewesen –, dass Placides Vater eine Person of Color war.56
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Suzanne galt lange als Toussaints einzige Ehefrau. Neuere Nachforschungen im Gemeindearchiv von Cap haben aber ergeben, dass er mit Anfang Zwanzig in den frühen 1760er Jahren mit einer freien schwarzen Frau (négresse libre) namens Cécile verheiratet war. Dies ist bemerkenswert, da er selbst zu der Zeit noch Sklave und es extrem ungewöhnlich für einen schwarzen Sklaven war, eine freie schwarze Frau zu heiraten – in der Tat kam es selten vor, dass schwarze Männer in einer solchen Situation überhaupt heirateten. Das Paar hatte drei Kinder, das älteste, ein Junge, wurde nach dem Vater benannt;57 eine Bestattungsurkunde vom November 1785 belegt den Tod eines jungen Mannes mit dem Namen Toussaint, der 1761 zur Welt gekommen war und im Beisein seines Vaters und seines Bruders Gabriel beigesetzt wurde. Das Dokument trägt die etwas krakelige Unterschrift von «Toussaint Bréda» – sein erstes überliefertes Autograph, verfertigt unter den tragischsten persönlichen Umständen. Toussaints Trauer wurde noch verschlimmert durch das Scheitern seiner Ehe mit Cécile, die ihn zur Zeit des Todes ihres Sohnes offenbar zugunsten eines Bauunternehmers namens Pourvoyeur verließ.58 Toussaints Familiennetzwerk war weitläufig, komplex und vielschichtig; gegen Ende seines Lebens behauptete er, er habe nicht weniger als sechzehn Kinder gezeugt. Zusammen mit seiner Anhänglichkeit an seine Pateneltern, seiner Großzügigkeit gegenüber seinem Stiefsohn Placide und seinen Bemühungen, eine enge Beziehung zu seinen Geschwistern aufrecht zu erhalten, zeigen diese weiteren Beziehungen, welch großen Wert er Familienbindungen beimaß. In dieser Hinsicht war er ein Repräsentant der vorherrschenden sozialen Praxis im spätkolonialen Saint-Domingue, und große patriarchalische Familien sind bis heute ein hervorstechendes Merkmal des sozialen Lebens im ländlichen Haiti.59 Diese Blutsbande und Clanzugehörigkeiten lagen auch Toussaints Ideal der Brüderlichkeit zugrunde. Republikanisch gesehen war Brüderlichkeit ein Prinzip, das als Bindeglied zwischen privaten und öffentlichen Lebensbereichen fungierte, und so war es auch für Toussaint: Als politischer Anführer und Militärkommandeur rekrutierte er systematisch Familienmitglieder, die in seiner unmittelbaren Entourage dienten. Mehr noch: Wir werden später sehen, dass die Familie in seinem revolutionären Denken einen hohen Stellenwert einnahm, und zwar sowohl als Kraft des Zusammenhalts als auch als Metapher für die Bürgergesellschaft als Ganze.
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Bereits vor der Revolution war klar, dass Toussaint kein gewöhnlicher Sklave war: Die Reputation seines Vaters als Allada-Patriarch beschützte ihn in der Jugend und ermöglichte sehr wahrscheinlich, dass er eine Frau von höherem Sozialstatus heiraten konnte, wie Cécile es war. Seine durchdringende Intelligenz, die niemandem verborgen blieb, der mit ihm zu tun hatte, weckte rasch das Interesse der Plantagenleitung, und schließlich wurde er von Antoine-François Bayon de Libertat in Dienst genommen, einem weißen französischen Siedler, der in Toussaints Leben vor der Revolution eine prägende Rolle spielte. Bayon lebte seit 1749 in Saint-Domingue, zwischen 1772 und 1789 als Verwalter und Anwalt für die Bréda-Plantage, wo er mit Toussaint eine enge Beziehung aufbaute. Als Bayons Kutscher wurde Toussaint bald zu dessen rechter Hand, er durfte in seinem Namen handeln und in der Kolonie Geschäfte für ihn tätigen. Laut einem französischen Offizier, der intensiv über Toussaints frühe Jahre forschte, hatte Bayon «vollkommenes Vertrauen zu ihm und beriet sich mit ihm über die Arbeit auf der Plantage und sogar über persönliche Angelegenheiten».60 Toussaint hat sich nie umfassend über seine Aktivitäten als Bayons Kutscher geäußert, aber es ist wahrscheinlich, dass er beträchtliche Befugnisse als Aufseher auf der Bréda-Plantage besaß und seinen Dienstherrn bei zahlreichen geschäftlichen Unternehmungen unterstützte. Bayon verbrachte viel Zeit außerhalb von Bréda, um seinen Interessen nachzugehen, zu denen seine eigene Zuckerplantage mit 280 Sklaven gehörte, die er 1778 im benachbarten Bezirk von Limbé erwarb; auch kaufte er 1782 ein Grundstück und 1789 ein Haus sowie Beteiligungen an zwei weiteren Plantagen in der Kolonie.61 Toussaints hervorgehobene Stellung wird vielleicht in einem Interview deutlich, das er 1799 einem Korrespondenten des Moniteur Universel gab. Darin entwarf er das folgende idyllische Bild seines vorrevolutionären Ehelebens mit Suzanne: «Nicht nur lebten wir in einem solchen Wohlstand, dass wir etwas zurücklegen konnten, sondern wir hatten auch das Vergnügen, die schwarzen Plantagenarbeiter mit Lebensmitteln zu versorgen, wenn sie zu knapp dran waren. Sonntags und an Feiertagen gingen wir, meine Frau, ich und meine Verwandten, zur Messe; und wieder zuhause genossen wir dann eine wohlschmeckende Mahlzeit und verbrachten den Rest des Tages zusammen, der mit einem Gebet, das wir alle gemeinsam sprachen, seinen Abschluss fand.»62 Diese erbauliche Schilderung wirft die offensichtliche Frage auf, die
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bereits von einigen frühen Biographen Toussaints gestellt wurde: Warum hat er seinen «Wohlstand» nicht genutzt, um sich frei zu kaufen?63 Einen Teil der Antwort gab er 1797 in einem Brief an das französische Direktorium, in dem er feststellt, dass ihm die «Bürde der Sklaverei» schon «vor zwanzig Jahren» vom Leiter der Bréda-Plantage, dem «vortrefflichen Bayon de Libertat», von den Schultern genommen worden sei.64 Toussaint schreibt nicht, ob Bayon ihn formell aus der Sklaverei entließ oder ihm nur de facto die Freiheit, die sogenannte liberté de savanne, gewährte.65 Lange Zeit ging man davon aus, dass Letzteres der Fall war. Neuere Forschungen in den französischen Archiven haben jedoch zu Tage gebracht, dass Toussaint spätestens seit 1776 förmlich freigelassen worden war, vielleicht sogar früher.66 Notarielle Dokumente belegen die noch dramatischere Tatsache, dass er nach seiner Befreiung mindestens einen Sklaven besaß und zwischen 1779 und 1781 von seinem Schwiegersohn Philippe-Jasmin Désir eine Kaffeeplantage mit dreizehn Sklaven pachtete.67 Diese Enthüllungen haben eine Flut von Fragen zu Toussaints vorrevolutionärem Status und der Ernsthaftigkeit seiner späteren Ablehnung der Sklaverei ausgelöst. Das Archiv der Bréda-Plantage gibt einige Antworten und wirft neues Licht auf Toussaints Position auf der Plantage in den Jahrzehnten vor der Revolution.68 Auch wenn sein offizieller Freibrief noch nicht aufgefunden ist, so scheint es doch sehr wahrscheinlich, dass Toussaint seine Freilassung der Fürsprache von Bayon de Libertat zu verdanken hatte. Am plausibelsten erscheint, dass sich Bayon an den Neffen des Besitzers der Bréda-Plantage, den Grafen Louis-Pantaléon de Noé, wendete, der zwischen 1769 und 1775 in Saint-Domingue stationiert war und die Besitzung später erbte. Bayon überzeugte Noé, seinem Kutscher als Anerkennung dafür, dass er eine Schlüsselrolle dabei gespielt hatte, das Anwesen nach einer Zeit größerer Unruhen Anfang der 1770er Jahre wieder zu befrieden, die Freiheit zu schenken.69 Eine erhebliche Zahl von Sklaven war 1773 aus Protest gegen die brutale Behandlung durch einen der Bréda-Verwalter geflohen, einen Mann namens Delribal, der Bayon zeitweise ersetzt hatte. Als einer der Plantagenkutscher war Toussaint vermutlich ein entscheidender Vermittler zwischen der Leitung der Plantage und den Arbeitern; wahrscheinlich half er, die Lösung auszuhandeln, die diese marronage beendete und die Sklaven auf die Besitzung zurückbrachte. Die Vereinbarung sah eine Entlassung Delribals vor, ein Ende der harten Behandlung der Arbeiter sowie eine Wiedereinstellung
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von Bayon als Verwalter – ein Ergebnis, das dessen Dankbarkeit gegenüber seinem Kutscher erklären würde.70 Toussaint war allerdings auch Bayon zu Dank verpflichtet: Er zeigte sich erkenntlich, als er bei Ausbruch der Revolution 1791 der Familie des Verwalters zur Flucht verhalf. Er schickte seinem ehemaligen Chef sogar regelmäßig Geldbeträge, als dieser in den 1790er Jahren in die USA ins Exil ging, und ebnete ihm den Weg zur Rückkehr nach SaintDomingue, indem er ihn vor den französischen Behörden in den höchsten Tönen pries und die Rückgabe seines beschlagnahmten Eigentums in Limbé erwirkte;71 auch ernannte er einen von Bayons Neffen, Gilbert, zu seinem Adjutanten.72 Spätere Nachkommen von Bayon gingen so weit zu behaupten, der Bréda-Manager habe Toussaint «wie seinen eigenen Sohn» erzogen73 – sicherlich eine Übertreibung, auch wenn das Band zwischen den beiden Männern aufrichtig und von Dauer war. Doch Toussaint nahm seine Freilassung keineswegs zum Anlass, seine Interessen nun im Einklang mit denen der Sklavenbesitzer von SaintDomingue zu definieren. Vielmehr spiegelte sich in seiner Errungenschaft eher die einflussreiche Position, die er sich durch seine Vermittlertätigkeit in Bréda erarbeitet hatte. Es gibt deutliche Hinweise, dass die enge Beziehung zu Bayon Toussaint die Möglichkeit gab, eine humanere Behandlung der Sklaven auf der Plantage durchzusetzen: Die Unterlagen von Bréda aus dem Jahrzehnt vor der Revolution führen vergleichsweise hohe Ausgaben für die medizinische Versorgung der Plantagenarbeiter auf. Im Jahre 1788 zum Beispiel zahlte Bayon 3703 livres für die Behandlung erkrankter Sklaven;74 ein Jahr später waren nur etwa zwanzig der 150 Bréda-Plantagenarbeiter auf der Krankenliste vermerkt, ein deutlich geringerer Prozentsatz als im Durchschnitt der Kolonie, welcher bei einem Viertel bis zu einem Drittel aller Sklaven lag.75 So erweist sich Toussaints Selbstbeschreibung in seinem MoniteurInterview trotz aller Kürze als recht treffend. Auch wenn er jetzt zu der winzigen Aristokratie freier Schwarzer gehörte (weniger als 750 waren es in der Region von Cap und Port-au-Prince im gesamten Zeitraum von 1776–1789),76 änderte sein emanzipierter Status seinen Lebensstil nicht grundlegend. Wie für freie Schwarze typisch, lebte er jetzt in komfortableren Wohnverhältnissen als die Plantagensklaven: Es gab Fenster, Betten und Vorhänge und eine vergleichsweise größere Landparzelle für den Eigenbedarf. Doch im Gegensatz zu späteren Gerüchten häufte er
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in dieser Zeit kein großes Vermögen oder Grundbesitz an.77 Im spätkolonialen Saint-Domingue galten freie Schwarze in den Augen der weißen Gesellschaft weiterhin als minderwertig, was ihnen jede Möglichkeit der Integration nahm: So wie den People of Color war ihnen die Teilnahme an Glücksspielen und (ab den 1770ern) das Reisen nach Frankreich verboten; ihre Kleidung war streng reglementiert, und es war ihnen untersagt, den Namen ihres ehemaligen Herrn anzunehmen.78 Kürzlich entdeckte Dokumente vom Bréda-Anwesen zeigen, dass Toussaint noch in den 1780er Jahren auf dem Gut lebte: Ein Registereintrag von 1785 führte ihn als Sklaven und beschrieb ihn als «ein intelligentes Subjekt, geschickt im Umgang mit Tieren, von freundlichem Wesen, aber selbstgerecht und mit der Neigung zu religiöser Bevormundung und zu Bekehrungseifer».79 Es mag seltsam erscheinen, dass ein freigelassener Schwarzer an dem Ort wohnen blieb, wo er zuvor als Sklave gelebt hatte. Aber es gibt eine einfache Erklärung. Zwar war Toussaint nun emanzipiert, aber der Rest seiner Familie war es nicht: Die Namen von Suzanne, Placide und Isaac tauchen in demselben Register von 1785 auf. Er hatte offensichtlich die Entscheidung getroffen, nah bei seiner Frau und seinen Kindern zu bleiben und seinen Einfluss zu nutzen, selbst wenn dies bedeutete, formell als Sklave geführt zu werden – er wollte seinen Einfluss nutzen, um sie zu unterstützen und zu beschützen. Suzanne wurde in dem gleichen Dokument als «die tüchtigste négresse der Plantage» bezeichnet.80 Toussaint wachte zugleich über seine entfernte Verwandtschaft, insbesondere über den gesamten Clan seines Neffen Moyse: Moyses Mutter Marguerite, die Schwester von Suzanne; seinen Vater Gilles, einen Maurer; und seine Geschwister Louison, Henri, Jeanne, Charles und Marie-Noëlle.81 Der Kutscher von Bréda konnte so dafür sorgen, dass viele seiner Verwandten in dem Haus des Verwalters Bayon als Köchinnen, Hausdiener, Reinigungskräfte, Näherinnen und Waschfrauen arbeiteten; dies waren vergleichsweise privilegierte Stellungen, die mit weniger Anstrengung und größeren Lebensmittelzuteilungen verbunden waren. Es zeigt auch das Maß seiner Autorität auf der Plantage – sowie seine Anhänglichkeit –, dass er seiner geliebten Pélagie besonders günstige Arbeitsbedingungen sichern konnte, noch bevor er sie aus der Sklaverei freikaufte. Das Register von 1785 belegt, dass Toussaints Ersatzmutter aufgrund der Dienste, die sie Bayons Familie geleistet hatte, von «aller Arbeit befreit» war. Sie war mit Sicherheit auf der Plantage
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wohlangesehen, denn der Eintrag fährt fort, sie sei «kräftig und tanzt schön nach Art ihres Landes».82 Die größte Herausforderung, der sich ein Historiker von Toussaints vorrevolutionärem Leben gegenübersieht, ist eine kohärente Darstellung seiner politischen Überzeugungen. Es gibt keinen verlässlichen Hinweis, der ihn mit irgendeinem besonderen Ereignis, einer Gruppe oder Ideologie vor 1791 in Verbindung bringt, und vieles, was er später selbst äußerte, zielte darauf ab, das durchgängige Bild eines bedeutenden französischen Revolutionsführers zu präsentieren. Die einzigen Andeutungen, die wir dem Bréda-Register von 1785 entnehmen, beziehen sich auf seine «Freundlichkeit» und seinen «katholischen Eifer», aber wir sollten in solche Bemerkungen nicht zu viel hineinlesen – zumal der Autor jener Anmerkung nicht einmal wusste, dass Toussaint seit zehn Jahren ein freier Mann war. Bayons Kutscher konnte ohne Zweifel ein Bild der Unterwürfigkeit abgeben, wenn es ihm nutzte, und er beherrschte bereits die Kunst, sich zu tarnen und unauffällig zu verhalten – Fähigkeiten, die ihm in seinem politischen Leben zugutekommen sollten. Wenn wir der mündlichen Überlieferung Glauben schenken wollen, so war das entscheidende Werk, das Toussaints Weltanschauung prägte, die Histoire philosophique des Deux Indes von Guillaume-Thomas Raynal und Denis Diderot – eine grundstürzende Anklage des europäischen Kolonialismus und der barbarischen Sklaverei. Die beiden Autoren warnten die Europäer, wenn sie fortführen, die indigene Bevölkerung «zu massakrieren, in Ketten zu legen und auszuplündern», würde ein «Rächer» erstehen, um der Praxis menschlicher Versklavung ein gewaltsames Ende zu setzen.83 Toussaint wurde später von seinen französischen Bewunderern in Saint-Domingue mit diesem Befreier verglichen, und er nahm diese Anerkennung nur zu gerne an – so gerne, dass er den Beinamen «Schwarzer Spartakus» erhielt. Doch auch wenn das Werk in der Kolonie bekannt war, ist es unwahrscheinlich, dass es Toussaints Denken über seine Lage als Sklave vor der Revolution maßgeblich beeinflusste: Eher hat er es sich später angeeignet, um seine französischen Gefährten von seiner republikanischen Prinzipientreue zu überzeugen. Ein tieferer Grund für unsere Skepsis ist der Umstand, dass die Histoire philosophique keineswegs die schwarzen Sklaven zu den Waffen rief, sondern sich als Warnung an die kolonialen Machthaber und die Sklavenhalterklasse verstand. Denn selbst für die radikalsten Ränder
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In der Histoire philosophique des Deux Indes verurteilten Guillaume-Thomas Raynal und Denis Diderot das barbarische Regime der Sklaverei und kündigten das Erscheinen eines «Rächers» an, der die Sklaven befreien würde. Diese Illustration aus dem 19. Jahrhundert zeigt Toussaint beim Lesen des Werks, im Hintergrund seine Frau Suzanne.
des europäischen philosophischen Establishments war die Vorstellung einer Revolution, die von schwarzen Sklaven im Namen universeller republikanischer Prinzipien entfacht wurde und zur kollektiven Selbstermächtigung der schwarzen Bevölkerung in den Kolonien führen sollte, schlicht «undenkbar».84 Wie der Philosoph Louis Sala-Moulins ironisch bemerkte: «Wie schaffte es Toussaint, der Aufklärung etwas zu entnehmen, von dem die Aufklärung niemals geträumt hatte?»85 Außerdem waren Toussaints Ansichten über Religion Diderots Antiklerikalismus diametral entgegengesetzt. Raynal selbst veröffentlichte 1785 eigens eine Streitschrift über Saint-Domingue, die nicht für die Abschaffung der Sklaverei plädierte, sondern nur für eine humanere Behandlung der Sklaven und für «weniger strenge» Bestrafungen.86 Die Quellen von Toussaints frühem politischen Denken liegen sehr viel näher. In der Tat lag die Bréda-Plantage nahe dem Zentrum der
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ersten Sklavenaufstände in Saint-Domingue Mitte des 18. Jahrhunderts. Unter der charismatischen Führung von François Makandal gründeten marrons vermutlich zwischen Mitte der 1740er und 1750er Jahre Geheimbünde im ganzen Norden der Kolonie, deren Ziel die Beseitigung der Siedlerherrschaft und letztendlich die Befreiung der Schwarzen war. Makandal wurde 1758 gefangen genommen und öffentlich hingerichtet, und die Historiker streiten bis heute über das Ausmaß und sogar die Existenz dieser Verschwörung. In der haitianischen Überlieferung wird Makandal als einer der frühen Freiheitskämpfer verehrt: Ein Historiker verglich seine Bewegung mit einem «schwarzen Carbonarismus», dessen Mitglieder Informationen austauschten und ihre Aktionen koordinierten, wobei der Einsatz von Gift zu ihren bevorzugten Methoden gehörte.87 Es wird behauptet, sie hätten Vodou-Rituale entwickelt, um ihre Verbindungen zu festigen, und ein weitverzweigtes Kommunikationsnetz über die Städte und Plantagen des Nordens gespannt;88 von Makandal wird angenommen, er sei ein Vodou-Priester kongolesischer Abstammung gewesen, und seine Mitstreiter hätten sich aus Kleinhändlern und Sklaven in höheren Funktionen wie commandeurs (Vorarbeiter) und Kutscher rekrutiert.89 Wie immer man Makandal selbst und seine Organisation bewerten mag,90 es steht außer Zweifel, dass er im spätkolonialen Saint-Domingue zur Legende wurde, die die Weißen in Angst und Schrecken versetzte und die Phantasie schwarzer Dissidenten und Rebellen beflügelte. Viele seiner Anhänger glaubten, er sei dank seiner übernatürlichen Kräfte noch am Leben; so umfassend waren die Aktivitäten der Geheimbünde, dass sie sogar einen eigenen Geist hatten, Ezili Kawoulo, dessen Festtag jedes Jahr feierlich begangen wurde.91 Wie stark Toussaints Bréda-Plantage von solchen revolutionären Unterströmungen affiziert wurde, lässt sich schwer feststellen, da jeder der Rebellen im Verborgenen agieren musste und der «Widerstand» unterschiedliche Formen annahm, von Spott und Arbeitsverschleppung bis hin zu marronage, Streiks und echtem Widerstand. In der Korrespondenz zwischen der Plantagenverwaltung und den Besitzern während des Aufstands von 1773 ist die Rede von Sklaven, die «Verschwörungszirkel» bildeten, um sich Strafen zu widersetzen, was vermuten lässt, dass die Sklaven auf der Besitzung sich bis zu einem gewissen Grad organisiert hatten; außerdem ist die Rede von einem signifikanten Maß an marronage (das im Norden von Saint-Domingue deutlich höher war als im Rest der Kolonie).92 Im gleichen Jahr erwähnt Bayon de Libertat, dass
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Wahrsager auf der Plantage Zulauf von Sklaven erhielten, was bedeutet, dass Vodou-Praktiken sich allmählich neben traditionell katholischen Ritualen verbreiteten.93 Wenige Jahre später begnadigte Bayon zwei Sklaventreiber namens Hippolyte und Jean-Jacques, die auf einer der Noé-Plantagen eine Arbeitsniederlegung organisiert hatten. Bis Mitte der 1780er Jahre hatten die Streiks in der nördlichen Ebene von SaintDomingue zugenommen. Andere Quellen berichten uns, dass Bayon für die Rückführung zweier entlaufener Sklaven, einer Allada-Frau namens La Garonne und einem in Martinique geborenen Mann namens Joseph, eine Belohnung ausgesetzt hatte.94 In einem Bericht an die Besitzer von Bréda beschwerte sich ein missgelaunter weißer Beamter über den anarchischen Zustand der Plantage, den er aufgrund der häufigen Abwesenheit der Sklaven mit einem «Karneval» verglich, da diese oft tagelang ins nahe Cap verschwanden; und er vermerkte auch eine «Neigung zu Faulheit, Promiskuität und Unabhängigkeit» bei den Haussklaven.95 Auf den ersten Blick scheint diese makandalistische Welt der afrikanischen Stockkämpfe, der nächtlichen chica- und kalinda-Tänze, VodouRituale und Plantagen-Bruderschaften weit entfernt zu sein von Toussaints gewöhnlichen Beschäftigungen, von seiner streng katholischen Wertewelt ganz zu schweigen. Doch die Grenze zwischen Vodou und Katholizismus (und zwischen diesen und afrikanischer Kräutermedizin) war äußerst durchlässig.96 Es gab substanzielle Überschneidungen zwischen Toussaint und dem Glauben und den persönlichen Eigenschaften, die Makandal zugeschrieben und von seinen Anhängern befolgt wurden – so ihr Vielgötterglaube, ihre uneingeschränkte Ablehnung der Sklaverei, ihre profunde Kenntnis der Naturmedizin, ihr Charisma und vor allem ihr Ideal der Brüderlichkeit. Zudem brachte es Toussaints Anstellung als Bayons Kutscher mit sich, dass er in engem Kontakt mit den Plantagenarbeitern blieb. Es liegt auf der Hand, dass er in dieser ganzen Zeit ihr Vertrauen und ihre Unterstützung genoss, und dass es ihm, wie schon erwähnt, gelang, ihre Arbeitsbedingungen während ihres Konflikts mit Delribal neu auszuhandeln. Er hätte eine solche Position gewiss nicht behalten, wenn er die politisch-religiöse Kultur der aufbegehrenden Sklaven nicht tief verstanden und geteilt hätte. Alles, was wir von Toussaints späterer Vorgehensweise wissen, deutet darauf hin, dass er sich mit dem Makandalismus nicht vollständig identifizierte, sondern ihn sich kreativ aneignete. Er war aufgrund persönlicher
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Erfahrung überzeugt, dass man mit den europäischen Siedlern zusammenarbeiten konnte und dass sie für die ökonomische Zukunft der Kolonie sogar unverzichtbar waren. Er musste auch ein entschiedener Gegner der Tötung schwarzer Sklaven durch Makandals Schergen sein: Stets verabscheute er Blutvergießen, insbesondere von schwarzem Blut. Vor allem aber wurde Makandal schließlich gefangen genommen, und Toussaint wurde 1758 als junger Mensch wahrscheinlich Zeuge seiner öffentlichen Hinrichtung in Cap: Er dürfte diese Niederlage als Beweis dafür angesehen haben, dass eine totale Herausforderung der herrschenden Verhältnisse geringe Aussichten auf Erfolg hatte. Zugleich zeigt die Entwicklung seines politischen Denkens, dass er inspiriert war vom makandalistischen Ehrgeiz, ein gemeinsames Bewusstsein unter den schwarzen Sklaven zu schaffen, von der Attraktivität der Bewegung für den Freiheitsdrang der Schwarzen sowie von dem Ziel, eine effiziente revolutionäre Organisation zu schaffen, die in allen Teilen der Kolonie Einfluss gewann. In dieser Fähigkeit, vorhandene soziale und politische Strukturen zu übernehmen, sie vollständig zu absorbieren und seinen eigenen Zielen dienstbar zu machen, lag Toussaints Genius begründet. In den späten 1790er Jahren instrumentalisierte er auf gleiche Weise den Katholizismus, indem er die von den Jesuiten im 18. Jahrhundert aufgebauten religiösen Netzwerke für seine politischen Zwecke nutzte. Er bediente sich auch gewisser Elemente des Vodou-Kults, wie sich in seiner eigenen Adaption des makandalistischen Mystizismus zeigte: die Verwendung bestimmter rhetorischer Ausdrucksformen und Kontraste (hell-dunkel, bitter-süß, gut-böse, Erde-Himmel) sowie seine Vorliebe für Natursymbole. Makandalistische Rituale endeten gewöhnlich mit dem Gesang «après Bon Dieu, c’est Makandal», und Toussaint gebrauchte diese Wendung oft in seinen Reden in den 1790er Jahren (wobei er aber «Makandal» durch andere Namen ersetzte). Er übernahm von Makandal auch die Technik, seine politischen Botschaften anhand verschiedenfarbiger Substanzen zu visualisieren, und wandte eine Vielzahl von Tricks an, um unvermittelt aufzutauchen und wieder zu verschwinden; dies verstärkte noch die übernatürliche Aura, die bereits mit ihm verbunden wurde – einige seiner Leute verehrten ihn als Zauberer und als Reinkarnation von Makandal.97 Toussaints Selbstbeschreibung als Mann, der die Seele der Freiheit vor der Revolution erworben hatte, war vollkommen berechtigt. Es war ein
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strapaziöser Weg, wie Frederick Douglass später sagte: «Andere Befreier und Heilsbringer kommen vom Himmel, dieser Mann kam aus der Hölle der Sklaverei.»98 Aber er arbeitete unermüdlich, um sich von den materiellen und geistigen Fesseln seiner Existenz zu befreien. Die geistige Unabhängigkeit war eines der unwiderstehlichsten Merkmale seiner Persönlichkeit, und sie sollte später auch seine Politik maßgeblich bestimmen: In den Worten des haitianischen Dichters Roger Dorsinville fand seine «Berufung zur Freiheit» Ausdruck in dem Bemühen, «ständig die Grenzen, die andere ihm setzen wollten, zu überwinden».99 Der entschiedene Drang, sich von äußerer Herrschaft zu befreien, war das durchgehende Leitmotiv seines vor- und nachrevolutionären Lebens. Vor 1790 reihte sich Toussaint in die kleine Gruppe schwarzer Männer in Saint-Domingue ein, die es gegen alle Widrigkeiten geschafft hatten, die Sklaverei abzuschütteln. Er hat sich später aus naheliegenden politischen Gründen nicht damit gebrüstet: In den Reden an seine schwarzen Brüder betonte er, dass er «ein Sklave wie ihr alle» gewesen sei.100 Toussaint legte später immer großen Wert auf seine äußere Erscheinung, und wir können davon ausgehen, dass er sich elegant kleidete – nicht zuletzt, weil die Unterlagen zeigen, dass Bayon de Libertat großzügige Summen für die höheren Chargen der Bréda-Arbeiterschaft aufwendete, unter anderem für Jacken (in der Regel blau), Hüte und Knöpfe.101 Wichtiger freilich ist, dass viele von Toussaints Charakterzügen bereits vor der Revolution vollkommen ausgebildet waren: von seinen Lebensgewohnheiten (dass er immer an seine Grenzen ging, ständig unterwegs war, mit wenig Schlaf und noch weniger Essen auskam) bis zu seinem Stolz, seiner Besonnenheit, seiner Religiosität, seiner Begabung für Kompromisse und seiner Verschwiegenheit. Auch wurde in den Bréda-Jahren eine seiner bestechendsten menschlichen Qualitäten sichtbar: sein Abscheu vor jeglicher Gewalt, der wahrscheinlich sowohl von seiner medizinischen Arbeit als Naturheiler als auch von seinen humanistischen religiösen Werten herrührte. Es wird behauptet, Toussaint habe die allgemeine Ideologie befreiter Schwarzer im spätkolonialen Saint-Domingue geteilt: die Ablehnung von Sklaverei und weißer Dominanz und das Eintreten für Tugenden wie individuelle Anstrengung, harte Arbeit und Vorwärtskommen durch Leistung.102 Das mag zutreffen, auch wenn es die Bedeutung der Brüderlichkeit in Toussaints Wertesystem unterschätzt. Das Ideal der Brüderlichkeit war tief verwurzelt in den kulturellen und religiösen Traditionen
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von Saint-Domingue, und Toussaint identifizierte sich in unterschiedlichem Maß mit ihnen allen – vor 1791 und auch schon lange vor der Französischen Revolution. Für ihn war Brüderlichkeit weniger ein theoretisches Konzept als vielmehr gelebte Erfahrung, die durch die Mitwirkung in einer Vielzahl von Netzwerken Ausdruck fand. Von seiner Basis auf der Bréda-Plantage aus bewegte er sich nahtlos in vielen sich überschneidenden Kreisen, wobei er bei seiner weitläufigen Familie, seiner Allada-Herkunft, seinen kreolischen und Bossale-Brüdern Unterstützung fand sowie bei den Männern und Frauen, die seinen katholischen Glauben teilten. Bereits in den 1780er Jahren hatte er es zu einer eigenen Kirchenbank in Cap gebracht, wo er seine gesamte Familie an Sonnund Feiertagen hinführte.103 Als Familienvorstand verband er Idealismus und Großzügigkeit mit Pragmatismus und Eigeninteresse. Er achtete, wenn er sich auf die weitverzweigten Geschäftstätigkeiten seines Chefs Bayon de Libertat einließ, auf seinen eigenen Vorteil, und gelegentlich tauchte er in die zwielichtige Welt der Naturheiler, Vodou-Anhänger und makandalistischen Wanderhändler ein, die eine Verbindung zwischen den Plantagen und den Städten herstellten.104 Bei all diesen Aktivitäten entstanden wertvolle Kontakte, die ihm in seiner späteren Laufbahn sehr zustatten kamen. Ende der 1780er Jahre knüpfte er, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, enge Bande zu den Sklaveneliten (Kutscher, Antreiber, Hausdiener) in der nördlichen Ebene von Saint-Domingue. Er nahm regelmäßig an sonntäglichen Versammlungen teil, die schließlich den Boden für den August-Aufstand von 1791 bereiteten. Neuere Archivforschungen haben weitere Aspekte dieser bruderschaftlichen Geselligkeit offengelegt. Mehrere zukünftige schwarze Rebellen standen in dem Jahrzehnt vor 1790 mit Toussaint aus Bréda in intensivem Austausch: Dazu gehörten Jean-François Papillon und Jeannot Bullet, zwei der frühen Revolutionsführer, sowie der Bossale-Rebell Sans-Souci, der später einer der Kommandeure in seiner Armee wurde.105 Die vielleicht erstaunlichste dieser revolutionären Verbindungen avant la lettre ist die vor kurzem entdeckte Beziehung zwischen Toussaint und Jean-Jacques Dessalines, einem seiner erfolgreichsten Generäle, der später das erste Staatsoberhaupt des unabhängigen Haiti wurde. Wahrscheinlich war Dessalines einer der dreizehn Sklaven, die Toussaint beaufsichtigte, als er die Geschäfte seines Schwiegersohns Philippe-Jasmin Désir führte, und kam schließlich durch Erbe in den Besitz seiner eigenen Tochter
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Marie-Marthe.106 Diese verblüffende Tatsache wirft ein Licht auf das komplexe Beziehungsgeflecht, das zwischen den schwarzen Sklaven in den Jahren vor der Revolution auf Saint-Domingue entstehen konnte. Im Gegensatz zu den Unterstellungen mancher seiner späteren Kritiker litt Toussaint keineswegs unter einem Minderwertigkeitskomplex wegen seiner Hautfarbe, vielmehr verachtete er das weiße Sklavensystem in Saint-Domingue zur Zeit des Ancien Régime aus ganzem Herzen. Er kannte die Brutalität und Unmenschlichkeit, den Rassismus und die Sittenlosigkeit der Verhältnisse aus erster Hand, insbesondere das Schwelgen im Luxus in Orten wie Cap, dem Symbol für koloniale Gier und Prasserei. Gleichwohl – bemerkenswert für einen Mann, der von unzähligen Gräueltaten wusste, die straflos von weißen Siedlern in Saint-Domingue an Schwarzen verübt worden waren107 – hingen seine Ansichten über die Natur des Menschen nicht von der Hautfarbe ab. Seine Begegnungen mit den jesuitischen Missionaren und mit Bayon de Libertat bestärkten seinen lebenslangen Glauben, dass alle Menschen eine Anlage zum Guten besitzen. Möglicherweise gibt es hier auch eine spirituelle Verbindung – vermittelt durch Vodou und katholische Traditionen – mit der Kultur der indigenen Taino, die für ihre Freundlichkeit und ihre Naturliebe bekannt waren.108 Er war – noch – kein Revolutionär. Doch die revolutionsschwangere Atmosphäre, die ihn während seiner Bréda-Jahre umgab, prägte zweifellos seinen Charakter und seine Wertvorstellungen und ebnete den Weg dafür, dass er der Black Spartacus von Saint-Domingue wurde. Es ist kein Zufall, dass die nördliche Provinz von Saint-Domingue mit ihren bedeutenden Plantagen und ihrem hohen Anteil an Bossale-Sklaven das Zentrum aller größeren Aufstände in der Kolonie war, beginnend mit Makandals Verschwörung Mitte des 18. Jahrhunderts über den Sklavenaufstand 1791, der die Revolution von Saint-Domingue auslöste, bis hin zum Volksaufstand von 1802 gegen die französische Invasionsarmee. Mit anderen Worten gab es, als Toussaint aufwuchs, in der Kolonie bereits eine aktive revolutionäre Kultur; sie richtete sich im Namen von Freiheit und Unabhängigkeit gegen das Sklavensystem und vertrat eine radikale Ideologie schwarzer Brüderlichkeit, die eine große Zahl von Sklaven inspirierte.109 Auch wenn er ihre politische Agenda nicht zur Gänze teilte, förderte sie seine Bereitschaft, im Geheimen zu operieren, ohne seine wahren Intentionen zu offenbaren, sowie seine Willensstärke, die ihm erlaubte,
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über seine körperlichen Grenzen hinauszugehen. Sie gab ihm auch eine innere moralische Kraft, sich gegen jeden Druck der Außenwelt zu behaupten. Denn trotz aller Versuche des Kolonialsystems, seinen Geist zu brechen und ihm einen Wert als Person abzusprechen, war sich Toussaint als er erwachsen wurde, wie andere Menschen afrikanischer Herkunft seiner menschlichen Würde vollständig bewusst und von einer heftigen Sehnsucht nach Freiheit durchdrungen. Das Bewusstsein für Brüderlichkeit fand Bestätigung in seinem katholischen Glauben, der seine Überzeugung von der Regenerationsfähigkeit der Gesellschaft noch verstärkte: Aller menschlichen Existenz lag ein tieferer Sinn und Zweck zugrunde, und alle Männer und Frauen waren in gleicher Weise Gottes Gnade teilhaftig, ungeachtet ihrer Hautfarbe. Schließlich erlaubte ihm seine strategische Intelligenz, die Schwachstellen der Plantagenordnung so zu nutzen, dass er zumindest die ihm besonders Nahestehenden schützen konnte. Seine Fähigkeit, innerhalb eines Zwangsregimes kollektive Freiheitsräume zu schaffen, sollte sich später in sehr viel größerem Maßstab bewähren, als er sich bemühte, eine Beziehung zwischen Saint-Domingue und Frankreich aufzubauen. Es ist der Erwähnung wert, dass Toussaints Alltagssprache in den ersten fünfzig Jahren seines Lebens Kreolisch war. Einer der spätkolonialistischen Chronisten, der ihn sprechen hörte, hob hervor, wie präzise und zugleich lebendig und anschaulich seine Ausdrucksweise war.110 In ihrer Kombination aus französischen, afrikanischen und indigenen Elementen und in ihrer Eignung für Ambiguität, Ironie und Witz war diese Sprache ein perfekter Spiegel der kulturellen Strömungen, die in Toussaints Persönlichkeit und Intellekt eingingen. Das Kreolische im Norden von Saint-Domingue unterschied sich von dem im Westen und im Süden: Es war reicher und dynamischer, weil es viele afrikanische Einflüsse aufnahm. Es war die Sprache der Einheit, die ein Band zwischen der schwarzen Bevölkerung in den Städten und den Sklaven auf den Plantagen schuf, und ihre Verschiedenheit von der weißen Gesellschaft unterstrich. Sie speiste sich auch aus gemeinsamen Erfahrungen der Unterdrückung und Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. So gesehen war es die Sprache der Freiheit.111
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«Ich bin Toussaint Louverture, Ihr kennt vielleicht meinen Namen. Wie Ihr wisst, Brüder, habe ich mir Rache auf die Fahnen geschrieben und will, dass Freiheit und Gleichheit in Saint-Domingue herrschen. Seit Beginn arbeite ich daran, sie zu verwirklichen, um unser aller Glück zu erreichen.»1 Mit diesen Worten trat Toussaint stilvoll in die Öffentlichkeit. Die Französische Revolution von 1789 mit ihrer Erklärung der Menschenrechte, ihrem Ideal der Volkssouveränität und ihren Grundforderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hatte in der Kolonie starke politische Spannungen hervorgerufen. Anfang der 1790er Jahre verliefen die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern einer Freilassung der People of Color, zwischen französischen Loyalisten (pompons blancs) und kolonialen Autonomisten (pompons rouges) sowie zwischen den drei vorherrschenden Bevölkerungsgruppen in der Kolonie: Weißen, mixed-race people und Schwarzen. Der zentrale Konfliktpunkt war die Sklaverei, und Toussaint wurde schließlich zum bewunderten Vorkämpfer der schwarzen Emanzipation und ihres revolutionären Ideals der Brüderlichkeit. Die vertraute Welt, die der Bréda-Kutscher in den ersten fünfzig Jahren seines Lebens gekannt hatte, brach in den frühen 1790er Jahren vollständig zusammen. Ein gewaltiger Sklavenaufstand, der im August 1791 begann, zerstörte die moralische und politische Autorität der weißen Siedler und zugleich ihre ökonomische Macht: Mitte des Jahrzehnts hatten Tausende von Weißen die Kolonie verlassen und Zuflucht auf den karibischen Nachbarinseln sowie in den USA und in Frankreich gesucht, wodurch die Produktion der reichen Plantagen in der nördlichen Ebene praktisch zum Erliegen kam. Die Situation wurde noch dadurch verschärft, dass die französische Herrschaft in Saint-Domingue kollabierte: 1793 wurde Cap niedergebrannt, und es begann ein heftiger
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Kampf um die Kontrolle über die Insel zwischen französischen, spanischen und englischen regulären Streitkräften und Hilfstruppen. Vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs und ausländischer Interventionen sind die ersten Jahre von Toussaints politischer Aktivität zwischen 1791 und 1794 lange Zeit umstritten. Seine Position im Durcheinander ständig wechselnder Ereignisse wird allgemein als «rätselhaft» angesehen,2 und seine Rolle in fast allen entscheidenden Begebenheiten ist uneindeutig: Sein genauer Anteil an dem Aufstand von 1791; sein Bekenntnis zum Prinzip der liberté générale, wie die Emanzipation genannt wurde; die Bedeutung seiner Loyalität zur spanischen Monarchie, deren Truppen weite Teile im Norden von Saint-Domingue kontrollierten und unter deren Banner er über ein Jahr kämpfte; der Grund für seine Weigerung, sich der republikanischen Seite anzuschließen, noch lange nachdem die französische Regierung im August 1793 die Abschaffung der Sklaverei in der Kolonie proklamiert hatte; und das genaue Datum sowie das Motiv seines Anschlusses (ralliement) an das republikanische Lager 1794. Toussaints Kritiker stellen ihn während dieser ganzen Zeit als undurchsichtige Gestalt ohne eigene Prinzipien dar, als einen Opportunisten, der sein Fähnlein nach dem Wind hängt. Doch bei genauerer Betrachtung der französischen und spanischen Archivquellen zeigt sich ein kohärenteres Bild von Toussaints frühen revolutionären Jahren. Ausgestattet mit einem unerschütterlichen Glauben an seine naturgegebene Freiheit und der strategischen Selbstverpflichtung, sein Volk zu befreien, war sein übergeordnetes Ziel, sich in jeder Hinsicht seine Handlungsfreiheit zu erhalten und davon nicht durch die Pläne anderer Personen oder Gruppen abbringen zu lassen. Sein politischer Stil nahm Gestalt an: Er bevorzugte kleine Schritte gegenüber kühnen oder ostentativen Aktionen; er wollte, wo immer möglich, Gemeinsamkeiten finden und die Menschen aller Hautfarben zusammenbringen; sowie den Einsatz von Gewalt minimieren, zur Not auch durch Tricks und Finten. Er gab sich einige Mühe, seine eigenen Ziele zu verschleiern, und entwaffnete seine Verbündeten wie seine Gegner gleichermaßen, indem er sie in der Gewissheit wiegte, er stelle keine Gefahr für sie dar. Obgleich die Jahre 1791–1794 im Grunde politische Lehrjahre für ihn waren, sind viele jener Ansichten, die er später als Revolutionsführer verfocht, bereits deutlich erkennbar. Eine dieser Überzeugungen war zum Beispiel, dass die schwarze Emanzipation nicht getrennt von den Interessen der Weißen und der
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People of Color in der Kolonie zu verwirklichen sei. Dies wurde eindeutig in einer Proklamation vom 29. August 1793 ausgeführt, in der er dafür plädierte, die Rechte und das Eigentum jener weißen Landbesitzer zu achten, die zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Er wendete sich explizit an die mixed-race Bevölkerung, drängte sie, keine «eigene Partei» zu bilden, und endete mit der treffenden Formulierung: «Gleichheit kann es nicht ohne Freiheit geben, und für die Freiheit brauchen wir Einigkeit.» Unübersehbar war auch Toussaints Kombination kreolischer, republikanischer und christlicher Wertvorstellungen. Er bezeichnete sich selbst als «aufrichtigen Bruder», der für das «öffentliche Wohl» arbeite und für die Gebote von «Recht, Redlichkeit und Menschlichkeit» eintrete. Außerdem mahnte er zur Tugend der Vergebung: Toussaint unterschied zwischen der «Dunkelheit», die seine Feinde blind mache, und dem «Licht», das er ihnen bringen wollte, und stellte danach fest, Gott werde «die Bösen bestrafen und den Unschuldigen gegenüber, die irregeleitet sind, Mitleid walten» lassen.3 Am erstaunlichsten ist Toussaints Selbstbewusstsein, das sich schon in dem neuen Namen ausdrückt, den er sich selbst gewählt hatte und der bald zur Legende wurde. In der ersten Zeit des Aufstands trug er noch seinen Sklavennamen: Ein Augenzeuge in einem Rebellencamp hörte, wie er als «Toussaint, schwarzer Sklave der Bréda-Plantage» tituliert wurde.4 Nachdem er sich als Kommandeur der aufständischen Truppen durchgesetzt hatte, wurde er zu «Monsieur Toussaint». Im Lauf des Jahres 1793 taucht der Name «Louverture» auf, bald von einer flamboyanten Unterschrift begleitet. Was sich genau hinter der Metapher «ouverture» verbarg, ist bis heute nicht geklärt: Es gibt die Version, dass französische Beamte den Begriff zunächst verwandten, um Toussaints Gabe zur Schlichtung zu beschreiben – oder aber umgekehrt seine Fähigkeit, Gebiete ihrer Vorherrschaft zu entreißen. Angeblich rief ein französischer Amtsträger 1793, nachdem der Rebellenkommandeur mehrere ihrer strategischen Positionen eingenommen hatte: «comment cet homme fait donc ouverture partout!».5 Toussaint, so will es die Legende, machte sich den Namen zu eigen und verwandelte ihn in einen Ehrentitel. Doch das ist nicht alles. «Louverture» stand nicht nur für persönlichen Ehrgeiz, sondern auch für Toussaints Anspruch, eine bessere Zukunft zu schaffen – vor allem für die Schwarzen. Die «Ouverture» sollte als Neubeginn verstanden werden. Er wusste in diesem Zusammenhang sicher, dass eine der verehr-
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testen Vodou-Gottheiten Papa Legba war, der Geist der Wegkreuzungen. Ein beliebter kreolischer Gesang zu Beginn der rituellen Zeremonie lautete: «Papa Legba, ouvri barriè pour moins!»6 Wenn er auf seinem Pferd durch Saint-Domingue ritt, hatte Toussaint nicht weniger vor, als die Pforten des Schicksals zu öffnen. Der Aufstand von 1791 wurde von den schwarzen Sklaven von SaintDomingue und ihren Anführern geplant und in die Tat umgesetzt. Doch auch die Ereignisse in der französischen Hauptstadt und die unmittelbaren Folgen der Revolution von 1789 wirkten als Katalysator. Das andauernde Unvermögen der französischen Revolutionäre in Paris, einen sinnvollen Reformprozess in den Kolonien einzuleiten und die universellen Prinzipien der Freiheit und Gleichheit auf die nichtweiße Bevölkerung anzuwenden, hinterließ tiefe Spuren bei Toussaint, der immer mehr zu der Überzeugung gelangte, dass die Rechte der schwarzen Bürger von Saint-Domingue nur durchgesetzt werden konnten, wenn sie selbst die politische Initiative ergriffen. Das beste Beispiel für die Wirkungslosigkeit der Revolution in den Kolonien war die Société des Amis des Noirs, die ein Jahr vor der Revolution von 1789 gegründet wurde. Befeuert von den Idealen der radikalen Aufklärung, die in Frankreich zur Abschaffung des Feudalismus und zur Erklärung der Menschenrechte führte, verurteilte die Société Sklaverei und forderte mehr Gleichheit in den Kolonien, insbesondere Bürgerrechte für die Gruppe der freien People of Color, die ebenso groß war wie die der Weißen. Die Société war im Prinzip auf Seiten des Abolitionismus, aber nur auf lange Sicht und ohne den Sklaven selbst irgendeine Mitwirkungsmöglichkeit einzuräumen – schon gar nicht durch eine «Revolution».7 Und so versagte die Société – trotz der Beredtheit ihrer Protagonisten wie Brissot, Mirabeau, Lafayette und Condorcet – darin, auf die öffentliche Meinung und die frühen Maßnahmen der Revolution entscheidenden Einfluss zu nehmen. Die Abschaffung der Sklaverei wurde Anfang 1789 in Frankreich nur in sechzig – von insgesamt 60 000 – cahiers de doléances (Beschwerdeheften) gefordert.8 Außerdem dominierten in der revolutionären Verfassunggebenden Versammlung die Interessen der Sklaven besitzenden und Handel treibenden Bourgeoisie, und auf die Kolonien entfielen 1789 zwei Drittel von Frankreichs Überseehandel. Ihre gewählten Vertreter, die Mitglieder des Club Massiac, übten den größten Einfluss in der französischen Nationalversammlung aus.9
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In scharfer Ablehnung des Prinzips ethnischer Gleichbehandlung und entsetzt über die Aussicht, die Erklärung der Menschenrechte könnte auch People of Color einschließen, veranlasste diese Koloniallobby den Erlass des Dekrets vom 8. März 1790, das Kritik an der Sklaverei unter Strafe und das «Eigentum» der Siedler – einschließlich ihrer Sklaven und Sklavinnen – unter den Schutz der Nation stellte. Ein Jahr später erkannte die Nationalversammlung in ihrem Dekret vom 15. Mai 1791 die verfassungsgemäße Grundlage der Sklaverei an und gab den weißen Siedlern durch den Beschluss, der Status «nicht-freier» Einwohner dürfe nur auf Grund von «Vorschlägen der Kolonialversammlungen» verhandelt werden, de facto ein Vetorecht bei allen Reformen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass Sklaven «Angehörige einer fremden Nation» seien. Ihren Status zu ändern, widerspräche daher ihren eigenen Interessen sowie auch dem «Gemeinwohl».10 Trotz der prophetischen Warnung des Abbé Grégoire, dass Völker, denen man die Freiheit vorenthielt, sie sich schließlich zurückholen würden, hatte sich die Französische Revolution deutlich auf die Seite der Sklavenhalter gestellt.11 Dieser konterrevolutionäre Geist, der in Paris triumphierte, ging in Saint-Domingue eigene Wege. Im August 1789 warnte einer der wichtigsten mixed-race Wortführer, die Franzosen seien «freiheitstrunken», und forderte die Kolonialbeamten auf, jede «verdächtige» Person, die aus Frankreich einreise, in Gewahrsam zu nehmen und Schriften zu beschlagnahmen, in denen das Wort «Freiheit» vorkomme.12 Rasch wurden im Norden (Cap), Westen (Port-au-Prince) und Süden (Les Cayes) Kolonialversammlungen einberufen, um die Interessen der Pflanzer und Kaufleute auf Saint-Domingue zu schützen. Während die Provinzversammlung im Norden, die von Anwälten und großen Kaufleuten dominiert war, weitestgehend loyal zu Frankreich stand, nahm die Generalversammlung von Saint-Marc eine zunehmend aufmüpfige Haltung ein; ihre Mitglieder waren überwiegend Besitzer mittelgroßer Plantagen, die aus den Versammlungen im Westen und Süden kamen.13 In der Zeit ihres Bestehens zwischen April und Juli 1790 formulierte die Versammlung von Saint-Marc einen Verfassungstext, der erklärte, dass die Kolonie «wesentlich und notwendig» das Recht auf Selbstverwaltung habe;14 ihre Mitglieder befürworteten die Prinzipien der Unabhängigkeit und des Freihandels, lehnten es aber ab, schwarzen und mixed-race Personen irgendwelche politischen Rechte zuzugestehen.15 Quer durch die ver-
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schiedenen Versammlungen herrschte die allgemeine Übereinstimmung, dass die Erklärung der Menschenrechte von 1789 auf Saint-Domingue keine Anwendung finden könne, da sie mit der «zwingenden Notwendigkeit», in der Kolonie die Trennung der drei «Rassen» aufrechtzuerhalten, unvereinbar sei.16 So unerbittlich war die Gegnerschaft der weißen colons, dass man diejenigen, die der Sympathie für Sklaven verdächtig waren, öffentlich anprangerte und demütigte und in vielen Fällen ermordete. Wie einer der führenden colons versicherte: «In Saint-Domingue kann es nur Herren und Sklaven geben.»17 Trotz ihrer Loyalitätsbekundungen zum Plantagensystem wurden den People of Color von den neuen Kolonialversammlungen die «Rechte und Privilegien aller achtbaren Bürger» abgesprochen18 – obgleich die mixed-race Wortführer zu diesem Zeitpunkt keine Neigung zeigten, die Sklaverei in Frage zu stellen. Das konnte kaum überraschen: Am Vorabend der Revolution besaßen People of Color etwa ein Viertel der Sklaven in der Kolonie, vor allem im Süden, und wertvolles Grundeigentum in großen Städten wie Port-auPrince.19 Der reiche mixed-race Händler Vincent Ogé schloss sogar «das Schicksal der schwarzen Menschen, die in Sklaverei leben», ausdrücklich von seinen Forderungen aus und appellierte an die Weißen, eine Allianz gegen die Gefahr einer Sklavenrevolution zu schmieden.20 Das Hauptargument der mixed-race Reformer war, dass die koloniale Hierarchie auf Besitz statt auf Hautfarbe gründen sollte und dass eine Allianz von Weißen und People of Color die Sklaverei stärken würde.21 Nachdem diese Bündelung reaktionärer Kräfte von den Weißen abgelehnt wurde, zettelte Ogé, gemeinsam mit einer weiteren freien Person of Color namens Jean-Baptiste Chavanne, der im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatte, im Oktober 1790 einen Aufstand an. Da die Anführer nicht bereit waren, die Sklaven im Kampf zu Hilfe zu rufen, war der Aufstand bald niedergeschlagen, und es folgte eine Welle brutaler Repressionsmaßnahmen: Schwarze und mixed-race Personen, die im Verdacht standen, an der Revolte beteiligt zu sein, wurden von weißen Milizen verstümmelt oder gelyncht. Ogé und Chavanne wurden schließlich gefangen genommen und Anfang Februar 1791 in Cap in Anwesenheit von Abgeordneten der nördlichen Versammlung gerädert. Nach ihrem Tod wurden ihre Köpfe auf Pfähle gespießt, Ogés an der Straße, die nach Dondon führte, und Chavannes an der nach GrandeRivière. Die neue Kolonialversammlung von Saint-Domingue, gewählt
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im Juli 1791, war von weißen Rassisten dominiert, die jede Schmälerung der nur ihnen zustehenden Rechte ablehnten. Besonders stark waren sie in Port-au-Prince und in Cap vertreten, wo eine Puppe Grégoires von Demonstranten verbrannt wurde. Um das Maß der Perversion vollzumachen, rechtfertigten die colons ihre konterrevolutionären Ziele mit republikanischen Begriffen wie Patriotismus, naturgegebener Freiheit und Widerstand gegen Unterdrückung.22 Obwohl die rund 500 000 Schwarzen die Mehrheit der Bevölkerung in der Kolonie stellten, waren sie von den politischen Prozessen ausgeschlossen. Zwischen 1789 und 1791 nahmen sie nicht an den Diskussionen der weißen Ortsversammlungen teil, unabhängig davon, ob sie für Frankreich oder für die Unabhängigkeit einstanden – sie waren für die weißen Siedler schlicht nicht vorhanden. Dennoch bekamen diese schwarzen Männer und Frauen einen Eindruck von der Revolution, nicht zuletzt indem sie sahen, wie die Kolonialversammlungen durch Lokalwahlen und kollektive Debatten eifrig Demokratie praktizierten. Und sie wurden durch die radikalen Ideen, die aus Frankreich kamen, ermutigt. In den Häfen der Kolonie wiederholten frisch angekommene Soldaten und Seeleute begeistert die neuesten Parolen über Freiheit und Gleichheit aus den französischen politischen Klubs und gaben sie an die Sklaven auf den Docks weiter.23 In seinen Erinnerungen beschreibt ein verärgerter Kolonist die Küstenstädte von SaintDomingue als «brodelnde Schule der Rebellion»; er sah mit eigenen Augen, wie Sklaven revolutionäre Bilder kauften und Exemplare subversiver Bücher wie Raynals und Diderots Histoire philosophique bei sich trugen.24 Trotz aller Bemühungen der Kolonialverwaltung fanden Hunderte von revolutionären Druckerzeugnissen – Bücher, Pamphlete und Zeitungen – ihren Weg nach Saint-Domingue, wo sie von weißen Jakobinern und lesekundigen Schwarzen und People of Color studiert wurden. Auch Haussklaven erfuhren von diesen Schriften, wenn sie den Gesprächen ihrer Herren lauschten, und trugen deren Inhalt auf die Marktplätze, Straßen und Felder der Kolonie. Ein Plantagenmanager berichtete im Oktober 1790, der Anblick der blauweißroten Kokarde, des Revolutionssymbols, setze seinen Sklaven «Flausen» in den Kopf, und «mehr noch die Neuigkeiten aus Frankreich, die unverhohlen herumerzählt werden».25 Ein europäischer Besucher der Kolonie war entsetzt, als er seine weißen Gastgeber offen vor ihren Sklaven über Freiheit und Gleichheit diskutieren hörte: «Über Menschenrechte vor solchen
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Leuten zu reden, kann sie doch nur darüber belehren, dass Macht auf Stärke beruht und Stärke auf der großen Zahl.»26 Wie in Frankreich inspirierte die Revolution vor allem die kollektive Phantasie und bereitete in der Kolonie einen fruchtbaren Boden für Gerüchte. Es wurde kolportiert, der König habe – trotz des Widerstands der Nationalversammlung in Paris – den Sklaven von Saint-Domingue die Freiheit geschenkt, doch die grausamen weißen Besitzer weigerten sich, seinem Wunsch Genüge zu tun; eine ganze Reihe von Sklaven, die 1790 und Anfang 1791 festgenommen worden waren, machten in ihren Prozessen Aussagen in diesem Sinne.27 Manche Sklaven passten sogar die Revolution ihrer eigenen Freiheitssehnsucht an; eine bekannte Version, die in Saint-Domingue zirkulierte, lautete: «Weiße Sklaven in Frankreich haben ihre Besitzer getötet, und jetzt sind sie frei, regieren sich selbst und haben sich ihr Land zurückgeholt.»28 Diese Vermengung von französischen und kreolischen Revolutionsmotiven zeigte sich in den Habseligkeiten eines schwarzen Aufständischen, der Ende 1791 gefangen genommen wurde: Um den Hals trug er einen Vodou-Fetisch, der aus «einem Säckchen mit Haaren, Kräutern und Knochensplittern» bestand, während sich in seinen Taschen «in Frankreich gedruckte Pamphlete befanden, die voller Gemeinplätze über die Menschenrechte und den Heiligen Aufstand waren.»29 Der Sklavenaufstand vom August 1791 begann damit, dass ein paar tausend Rebellen mehrere Plantagen im Norden von Saint-Domingue angriffen. Eine der ersten, die niedergebrannt wurde, gehörte zu den Gallifet-Plantagen, wo – laut der weißen Plantagenmythologie – die Sklaven ein glückseliges und zufriedenes Leben führten.30 Innerhalb weniger Tage stand die ganze nördliche Ebene in Flammen, die Plantagen, die den feinsten Zucker der Kolonie produzierten, wurden verwüstet. Die Brände waren von Cap aus sichtbar, wo ein Einwohner schrieb, er habe noch nie ein so «schreckliches Schauspiel» gesehen.31 Auch wenn Einzelne geschont oder von ihren Sklaven geschützt wurden, kamen Hunderte von weißen Männern, Frauen und Kindern ums Leben, andere wurden gefangen genommen.32 Die Aufständischen erklärten einem der Gefangenen, ihr Ziel sei «nichts weniger als die Vernichtung aller Weißen, mit Ausnahme von ein paar, die keinen Besitz hätten, einigen Priestern, Ärzten und Frauen, um sich selbst zu Herren des Landes zu machen.»33 Ende August war die Zahl der schwarzen Soldaten in der
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Der Sklavenaufstand im August 1791 führte zu einem Massaker unter weißen Siedlern im Nordteil von Saint-Domingue und zur Zerstörung vieler Plantagen. Toussaint schützte das Gut Bréda und brachte Bayon de Libertats Frau in Sicherheit.
Rebellenarmee auf 10 000 angestiegen und im November auf 80 000 – fast die Hälfte der Sklavenpopulation im nördlichen Landesteil. Zwar schafften sie es trotz dreier Versuche nicht, Cap einzunehmen, aber es gelang ihnen im Oktober, in einer zweiten Angriffswelle nach Osten vorzudringen. Ende 1791 kontrollierten sie den größten Teil des Nordens und Ostens von Saint-Domingue bis zur Grenze zum spanisch beherrschten Santo Domingo. Der Sklavenaufstand auf Saint-Domingue im August 1791 brach in der Folge von zwei Versammlungen aus: Bei der ersten am 14. August trafen sich ausgewählte Repräsentanten der Sklaven von etwa 100 nördlichen Plantagen; mit großer Wahrscheinlichkeit nahm daran auch der Raynal lesende Rebellenkommandeur aus Limbé teil, den wir in der Einleitung kennenlernten. Die zweite, etwa eine Woche später, war die berühmte «Bois-Caïman»-Zeremonie, bei der die Verschwörung durch ein religiöses Ritual besiegelt wurde, in das verschiedene spirituelle
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Praktiken einflossen.34 Die Zeremonie, die zu einem der Gründungsmythen der modernen haitianischen Kultur wurde, bezeichnete den Höhepunkt der Aktionen eines «riesigen Netzwerks», das seit einiger Zeit in der ganzen nördlichen Tiefebene tätig war.35 Über Toussaints Rolle in dieser frühen Phase der Revolution wird heiß diskutiert. Er verhinderte, dass die Bréda-Plantage in den ersten Wochen des Aufstands überrannt wurde, und beschützte die Frau von Bayon de Libertat, die auf dem Anwesen geblieben war. Lange glaubten selbst seine glühendsten Bewunderer, er habe am August-Aufstand keinerlei aktiven Anteil gehabt. Schoelcher meint, er sei zu dieser Zeit ein «Verteidiger der Ordnung und ein Konservativer aus Instinkt» gewesen,36 während C. L. R. James bemerkte, es habe ihm «der Mut der einfachen Rebellen gefehlt», und er habe «abgewartet, wie sich die Dinge entwickeln würden».37 Dieser Sichtweise zufolge schloss er sich erst später im Jahr der Erhebung an, nachdem sein Bruder Paul Madame Bayon sicher nach Cap geleitet und er selbst seine Frau und seine Kinder im von Spanien kontrollierten Gebiet untergebracht hatte. Toussaint stellte jedoch in seiner Erklärung vom 29. August 1793 fest, er sei von Anbeginn Teil der revolutionären Bewegung gewesen – für andere Historiker ein Hinweis darauf, dass er «in der geheimen Vorbereitung des Aufstands eine große Rolle gespielt hat», auch wenn er weiterhin auf der Bréda-Plantage lebte.38 Um die Verwirrung voll zu machen, glaubten viele französische Republikaner, der Sklavenaufstand sei von «Agenten des Königs» angefacht worden;39 in einer phantasievollen Wendung dieser Version behauptete der haitianische Historiker Céligny Ardouin im 19. Jahrhundert auf der Basis mündlicher Aussagen eines Kriegsveteranen, Toussaint habe sich im Zentrum des Aufstands von 1791 befunden, jedoch als französisch-royalistischer agent provocateur. Angeblich habe er aufgrund der Kontakte, die er Bayon de Libertat verdankte, der zu jener Zeit in der loyalistischen Miliz in Cap diente, die Rebellion so organisiert, dass die Landbesitzer, die quasi die Regionalversammlungen von SaintDomingue gekapert hatten und für mehr Autonomie und sogar Unabhängigkeit agitierten, entmachtet würden. Weit davon entfernt, den Schwarzen Zugang zur Macht zu ermöglichen, sei vielmehr sein Ziel gewesen, die Herrschaft von Gouverneur Rouxel de Blanchelande wiederherzustellen und eine Sezession der Kolonie vom französischen Mutterland zu stoppen.40
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Die Archive der Kolonie enthalten nichts, was diese Theorie stützen würde. Vielmehr scheint dergleichen jenseits der intellektuellen und materiellen Möglichkeiten des glücklosen Gouverneurs gewesen zu sein, dessen Verwaltung sich in Auflösung befand (ein Brief, der im April 1790 von Port-au-Prince an Blanchelande verschickt wurde, brauchte zwei Monate, bis er in Cap ankam).41 In den spanischen Archiven gibt es allerdings eine von Toussaint im Juli 1793 unterschriebene «Versicherung», in der er zugab, zur Zeit des Sklavenaufstands an einem Komplott zur Reinthronisierung des französischen Königs beteiligt gewesen zu sein.42 Doch war eine von Toussaints hervorstechenden Eigenschaften die Fähigkeit, seine Gegner an der Nase herumzuführen. In der überaus volatilen Situation Mitte 1791 kann er sehr wohl mit Agenten des royalistischen Lagers Umgang gehabt und sie in dem Glauben gewiegt haben, dass der Sklavenaufstand ihren Interessen dienen könne. Vertreter dieser Konspirationstheorie verweisen auch auf royalistische Parolen und Abzeichen von schwarzen Rebellen, von denen sich viele als «amis du roi» bezeichneten. Freilich war Frankreich 1791, wie Toussaint später unmissverständlich klarstellte, immer noch eine Monarchie und keine Republik: «Daher haben wir natürlich unsere Beschwerden dem König vorgetragen, dem Oberhaupt der Nation.»43 Schwarze Bürger mussten zwischen royalistischen Vorstellungen und dem Glauben an ihre Befreiung keinen Widerspruch sehen: Wie bereits erwähnt hatten königstreue Beamte in den 1780er Jahren versucht, Arbeitsreformen in der Kolonie einzuführen, vor allem eine Milderung des brutalen Sklavenregimes, aber die colons hatten dies verhindert – daher die verbreitete Wahrnehmung des Königs als Gegengewicht zu den Pflanzern.44 Die Sklaven mussten nicht erst daran erinnert werden, dass die Anführer der Revolution in Paris zwischen 1789 und 1791 in der Frage der Emanzipation jämmerlich versagt hatten und dass die lautesten Verteidiger der Sklaverei in SaintDomingue die revolutionären Parolen für ihre eigenen Zwecke missbrauchten. Die Theorie einer royalistischen Konspiration fällt schließlich in sich zusammen, weil die Ereignisse, die mit der Planung und Ausführung des Aufstands von 1791 zusammenhängen, alle Kennzeichen trugen, die später Toussaints Politikstil auszeichnen sollten. In mancher Hinsicht war die Erhebung das erste förmliche Zusammentreffen der LouvertureKoalition: Sklaven und freie Schwarze (Jean-Baptiste Cap, einer der ersten Rädelsführer, war ein befreiter Sklave, der über beträchtliche Mittel
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verfügte), in Afrika geborene und kreolische Schwarze, Haussklaven und marrons, Sklaventreiber und Plantagenarbeiter, Soldaten und Geistliche (eine große Mehrheit der katholischen Priester in den nördlichen Kirchengemeinden von Saint-Domingue unterstützte den Sklavenaufstand; darunter Abbé Guillaume Sylvestre de Lahaye, der Pfarrer von Dondon).45 Auch war es kein Zufall, dass die Versammlung am 14. August 1791 auf der Plantage von Lenormand de Mézy stattfand, wo Makandal Sklave gewesen war, bevor er in die marronage floh und einer der mythischen Helden der schwarzen Folklore von Saint-Domingue wurde. Dies war exakt die Art von Symbolpolitik, in der Toussaint glänzte, und sehr wahrscheinlich hat dieser makandalistische Zusammenhang dazu geführt, die Pläne zum Aufstand mit einem Vodou-Pakt zu besiegeln. Ebenso typisch war die Tatsache, dass Toussaint in der frühen Phase der Erhebung sehr bemüht war, sich möglichst klein zu machen. Wie wir noch sehen werden, benutzte er selbst, als er sich der Rebellion formell anschloss, eine Reihe verschiedener Pseudonyme, um das eigentliche Ausmaß seines Anteils an den Ereignissen zu verschleiern. Ein französischer Offizier stellte später nicht ohne Bewunderung fest: «Versteckt hinter einem Vorhang war es Toussaint, der alle Fäden des Komplotts in Händen hielt, und er war derjenige, der den Aufstand organisierte und die Explosion vorbereitete.»46 Toussaints tatsächlicher Einfluss auf die Insurrektion von 1791 lässt sich bereits an den Namen und der Herkunft der Anführer ablesen, die aus der Versammlung vom 14. August hervorgingen. Sie kamen alle aus den gehobenen Sklavenzirkeln, mit denen er seit den späten 1780er Jahren regelmäßigen Kontakt hatte. Laut einem Augenzeugen aus Limbé waren es vor allem «die Hausdiener und die Kutscher und diejenigen, die mit ihren Herren nahen Umgang pflegten, die zuerst zuschlugen.»47 In der Tat waren drei der vier Männer, denen die Leitung der Rebellion übertragen wurde, ebenso Kutscher wie Toussaint: Dutty Boukman, JeanFrançois und Georges Biassou. «Zamba» Boukman, wie er genannt wurde, hatte auf der Clément-Plantage gearbeitet, einer der ersten, die niedergebrannt wurden. Jean-François war bei einem Landbesitzer der nördlichen Provinz namens Papillon angestellt gewesen, und Biassou, eine Person of Color und enger Freund von Toussaint, war ehemaliger Sklave des Kapuzinerordens, dem die Militärhospitäler in Cap unterstanden. Wie im vorigen Kapitel angemerkt, war Jeannot, der vierte
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Rebellenführer, Toussaint schon vor 1791 gut bekannt, da er auf der Plantage von Guillaume Bullet gearbeitet hatte – einem Schwager von Bayon de Libertat. Toussaint war die einzige nennenswerte Verbindung zwischen diesen vier Männern.48 Doch die Anführer der Rebellion waren nicht bloße Galionsfiguren: Insbesondere Boukman war ein unerschrockener Kämpfer, dessen charismatische Ausstrahlung von seinen Gegnern gefürchtet wurde;49 sein Tod im Kampf Anfang November 1791 (sein Kopf wurde abgetrennt und auf einem Spieß in Cap herumgetragen) wurde von den Rebellen beklagt, die Gottesdienste zu seinen Ehren abhielten.50 Doch weder Biassou noch Jean-François, der danach als Aushängeschild des Aufstands in Erscheinung trat, waren besonders bedrohliche Gestalten. Als einer der Wenigen in ihrer Entourage, die lesen konnten, war Toussaint in einer günstigen Position, um die Strategie und Taktik der Rebellion von Beginn an maßgeblich zu beeinflussen. Ein mögliches Indiz dafür findet sich in einem an Biassou adressierten Brief vom Oktober 1791. Die Botschaft, geschrieben in einem Rebellencamp in GrandeRivière, war mit «Médecin Général» unterzeichnet, was zu jener Zeit eines von Toussaints Pseudonymen gewesen sein kann, da er sich in der Pflanzenheilkunde auskannte. Wenn er tatsächlich der Autor war,51 dann wäre dies das erste politische Schriftstück, das von ihm aus der frühen Phase des Aufstands überliefert ist. In jedem Fall wirft der Brief ein faszinierendes Licht auf die damaligen Aktivitäten der Rebellen. Er zeigt, dass sie mit einem spanischen Gesandten in Kontakt standen, der möglicherweise dabei half, sie mit Waffen und Munition zu versorgen.52 Die Rebellen rüsteten sich zur Verteidigung ihres Camps und verfolgten zugleich einen raffinierten Plan, um sich des Pulvermagazins von Haut-du-Cap zu bemächtigen – dank der Information eines Spions (diese Art von listigem Vorgehen wurde später eines der weiteren Kennzeichen von Toussaint und lässt es glaubhaft erscheinen, dass er den Brief schrieb). Auch ein Beispiel von Toussaint’schem Humor findet sich hier: Die Nachricht endete mit einem geringschätzigen Kommentar über den für seine amourösen Eskapaden bekannten JeanFrançois, der sich seit Tagen «zu keiner Antwort herabgelassen hat», wahrscheinlich weil er zu beschäftigt sei, «mit seinen demoiselles herumzukutschieren».53 Als Revolutionsführer wurde Toussaint später dafür berühmt, dass er seine Lage pragmatisch einschätzte und bei Bedarf taktische Rück-
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züge anordnete; auch dies war bereits ein Merkmal seiner frühen Aktivitäten in der Rebellion. Als im November und Dezember 1791 die Furcht vor einer militärischen Verstärkung aus Frankreich wuchs, ermutigte er Jean-François und Biassou, mit dem Gouverneur und den französischen Repräsentanten, die gerade in die Kolonie gekommen waren, in Verhandlungen einzutreten. Seine Handschrift wird vor allem in dem Brief vom 12. Dezember 1791 sichtbar, in dem die Rebellen anboten, im Austausch für eine Amnestie der höheren Rebellenoffiziere die Sklaven zurück an die Arbeit zu bringen. Um eine Einigung zu erzielen, machte sich Toussaint dafür stark, die Zahl der Offiziere auf fünfzig zu begrenzen. Trotz des Appells zu «Mäßigung und Weisheit»54 und dem Vorschlag, am 1. Januar 1792 die Feindseligkeiten einzustellen, wurde die Offerte von den Hardlinern in der Kolonialversammlung torpediert, und unter den aufständischen Sklavensoldaten löste sie einige Bestürzung aus – insbesondere unter den weiblichen Rebellen, die oft die radikalsten und unnachgiebigsten Positionen vertraten. Doch bei Toussaints Fähigkeit, Dinge strategisch zu durchdenken, war es unwahrscheinlich, dass er in diesem Waffenstillstand das Ende der Angelegenheit sah. Eher wird er ihn als den Beginn eines politischen Nachspiels angesehen haben, das die Rebellion legitimierte; das Angebot war schlicht ein Versuch, die Pragmatiker und die Hardliner unter den weißen Kolonisten auseinanderzudividieren. Er wusste intuitiv, dass die Freiheit, die sich die Sklaven erkämpft hatten, irreversibel war. Nach einem Augenzeugenbericht von zwei weißen Gefangenen hielt Toussaint eine mitreißende Rede auf Kreolisch (die erste Erwähnung seiner rhetorischen Begabung), in der er seine Gedankengänge offen darlegte und die anwesenden Rebellen eindringlich aufforderte, seiner Logik zu folgen. Er wird ohne Zweifel an seine eigenen Erfahrungen als Sklave erinnert und versprochen haben, für die Rechte seiner schwarzen Brüder und Schwestern zu kämpfen. Seine «bewegende Rede» hatte eine «elektrisierende Wirkung», und die Sklaven erklärten sich bereit, «zu ihren Plantagen zurückzukehren, wenn ihre Kommandanten sie dazu aufriefen.»55 Toussaints humane Grundhaltung war bereits zu Beginn des Sklavenaufstands sichtbar. Wir besitzen dafür ein Zeugnis von einem Weißen, der im Oktober 1791 von den Rebellen gefangen genommen wurde. Zuerst 1792 in Saint-Domingue veröffentlicht, beschreibt Gabriel Le Gros in seinem Bericht, teilweise in schaurigen Einzelheiten, die
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Gräuel, die von den Aufständischen an den weißen Siedlern begangen wurden. Doch konnte Gros nicht umhin, positive Darstellungen von einigen «Briganten» zu geben, denen er begegnet war, wie etwa von dem Rebellenkommandeur Michaud, der sich seiner erbarmte und sein «Leid, wann immer möglich, erleichterte».56 Es finden sich viele wohlwollende Erwähnungen von Jean-François, der Gros als Sekretär engagierte; einmal gestand Jean-François ihm, dass er nicht angestrebt habe, Rebellionsführer zu werden57 – wobei der Generalissimus wider Willen zu erwähnen vergaß, dass er sich durch einen einheimischen Priester zum König hatte krönen lassen.58 Der eigentliche Held in Gros’ Bericht war Toussaint. Als im Dezember 1791 das Scheitern der Verhandlungen mit der Kolonialregierung bekannt wurde, war Biassou so aufgebracht, dass er Befehl gab, alle Gefangenen (darunter auch Gros) zu exekutieren. Sie wurden sofort nach draußen gebracht und in Reihen aufgestellt, und ihr Schicksal schien besiegelt. Toussaint trat unbeeindruckt von Biassous Zorn dazwischen und überzeugte seinen Kommandeur, dass eine standrechtliche Exekution ein schlechtes Licht auf die Rebellion werfen und der Gerechtigkeit nur durch einen rechtskonformen Prozess Genüge getan werden könne. Der General stimmte zu, das Leben der Gefangenen wurde geschont. Zweifellos bedurfte es weiterer Überredung, bis Biassou sie am nächsten Tag begnadigte. Auf ihrem Rückweg nach Cap wurden die Gefangenen erneut von aufgebrachten Rebellen bedroht, und wieder war es Toussaint, der Anführer ihrer Eskorte, der die unversehrte Heimkehr zu ihren Familien sicherstellte.59 Andere Augenzeugen bestätigten diesen Bericht, und einer von ihnen betonte: «All die weißen Gefangenen verdankten ihr Leben Toussaint, dem Sklaven von der Bréda-Plantage, der sie vor der Wut der verschiedenen Lagerkommandeure beschützte.»60 Als der Konflikt 1792 wieder aufbrach, teilten Jean-François (der sich selbst als «Großadmiral» bezeichnete, obgleich er keine Marine hatte) und Biassou (selbsternannter «Generalgouverneur» und «Vizekönig») die noch von Rebellen kontrollierten Gebiete untereinander auf. Toussaint, der nominell Biassou unterstand, etablierte sich zunehmend als eigenständiger Akteur und kommandierte anfangs eine Truppe von etwa 600 Mann. Er hatte bereits in den ersten sechs Monaten dem Aufstand seinen Stempel aufgedrückt, indem er auf die Wahl der Anführer und
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Gros’ Augenzeugenbericht des Sklavenaufstands enthält Einzelheiten zur Rolle Toussaints in den ersten Monaten der Erhebung und lobt seine erfolgreichen Bemühungen, weiße Gefangene zu beschützen.
die Stoßrichtung Einfluss nahm, Kompromissbereitschaft forderte und der Neigung zu blindwütiger Gewalt entgegentrat. Die grundlegende Frage, die sich mit dem Aufstand verband, war die Haltung zur Sklavenemanzipation, und lange wurde geglaubt, Toussaints frühe Ansichten dazu seien – nicht anders als die der meisten Rebellenführer – bestenfalls zweideutig und schlimmstenfalls ablehnend
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gewesen. In den gängigen französischen Darstellungen der Haitianischen Revolution wird der Abolitionismus in Saint-Domingue als Folge «des frischen Winds der Französischen Revolution» beschrieben, insbesondere auch als Folge der Beendigung der Sklaverei durch den Bevollmächtigten Sonthonax im August 1793, und weniger als Erfolg der radikalen Forderungen der Rebellen.61 Inzwischen konnte aber überzeugend nachgewiesen werden, dass der Erlass von Sonthonax nur aufgrund der fortgesetzten Aktionen der schwarzen Revolutionäre möglich war.62 Die frühen Proklamationen der Sklaven forderten unnachgiebig die Befreiung. Als Gouverneur Blanchelande im September 1791 die Rebellen zur Kapitulation aufrief, erteilte Jeannot ihm eine hitzige Absage, in der es hieß, sie strebten «nur nach diesem teuren und kostbaren Ziel der Freiheit» und seien bereit, diese mit ihrem «letzten Blutstropfen» zu verteidigen.63 Die Parole der Sklavenkämpfer lautete «Nieder mit den Weißen!»,64 was nichts anderes bedeutete als die Aufhebung der Sklaverei durch die physische Vernichtung ihrer Hauptverfechter. Doch wissen wir auch, dass manche Anführer des Aufstands die Sklavenbefreiung mitnichten unterstützten oder in nächster Zukunft für erstrebenswert hielten: Jean-François bekannte gegenüber seinem Sekretär Gros, das Prinzip der liberté générale sei eine «Schimäre», da sie sowohl für die Franzosen inakzeptabel als auch für die Mehrheit der «unzivilisierten» Sklaven ungeeignet sei.65 Auch als die Forderungen der Aufständischen eine Wendung ins Politische nahmen, machten taktische Rücksichten manchmal gemäßigtere Zielsetzungen notwendig. So war im November 1791, als die Rebellen erste Friedensangebote unterbreiteten, die Hauptforderung «eine Generalamnestie für alle Sklaven».66 Das hieß, dass die Arbeiter im Fall der Amnestierung zu den Plantagen zurückkehren würden – immer noch als Sklaven, aber hoffentlich unter besseren Bedingungen, etwa mit dem Recht auf drei freie Tage in der Woche (eine weit verbreitete Forderung unter den Rebellen der niederen Ränge). Bezeichnend ist auch die Tatsache, dass vom Ausbruch des Sklavenaufstands in Saint-Domingue bis zu seinem Ende 1792 die Sache der Abolitionisten bei den sogenannten Amis des Noirs in Frankreich kaum Unterstützung fand. Im Gegenteil: Als im Oktober 1791 die Nachricht von der Rebellion Frankreich erreichte, behauptete Brissot entsetzt, es müsse sich um eine konterrevolutionäre Verschwörung handeln, da schwarze Sklaven nicht über die moralischen, intellektuellen und materiellen Fähigkeiten verfügten, um einen Aufstand solchen Ausmaßes auf die Beine zu stellen.67
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Vor diesem Hintergrund entstand eines der bedeutendsten Dokumente aus der Frühzeit der haitianischen Revolution: die Lettre originale des chefs nègres révoltés. Datiert vom Juli 1792 und gerichtet an die Kolonialverwaltung, die französischen Geschäftsträger und die Bürger von Saint-Domingue, plädierte der Brief für die Abschaffung der Sklaverei, indem er den evidenten Widerspruch zwischen der Erklärung der Menschenrechte von 1789 und der Aufrechterhaltung der Sklaverei in den französischen Kolonien hervorhob. Wie war es möglich, so fragte die Lettre mit Nachdruck, dass «Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung» als «universelle natürliche Rechte» angesehen und in der Erklärung von 1789 groß herausgestellt werden konnten, zugleich aber genau diese Rechte der halben Million schwarzer Bewohner der Kolonie vorenthalten wurden? Die Vorstellung, schwarze Menschen als Eigentum behandeln zu können, sei widersinnig, denn eine rechtmäßige Herrschaft könne allein auf den Prinzipien von «Tugend und Menschlichkeit» gründen. Die Unterzeichner des «Briefs» forderten von den Machthabern, das Prinzip der liberté générale anzuerkennen, und schworen, jedem Versuch, sie durch Angebote einer teilweisen Amnestie zu spalten, zu widerstehen: Die schwarze Einheit war jetzt zum leitenden Prinzip geworden. Gleichheit der Rechte war die einzige Grundlage, auf der alle Einwohner der Kolonie eine lebenswerte Zukunft erreichen konnten. Vor allem an die weiße Bevölkerung richtete sich der «Brief» mit dem Versprechen, dass die befreiten Sklaven ihnen mit Zuneigung, Respekt und Dankbarkeit begegnen und ihnen den «vollen Genuss» ihres Besitzes und ihrer Einkünfte gewähren würden. Doch im Gegensatz zu den Schriften der Aufständischen Ende 1791 herrschte hier keineswegs ein Ton der Ehrerbietung vor: Der Text warnte am Ende die Verteidiger der Sklaverei, sie würden der «vollständigen Vernichtung» entgegensehen, wenn sie sich den Forderungen der Rebellion verweigerten. Die Aufständischen würden lieber «tausend Tode» sterben, als sich zu unterwerfen.68 Der «Brief» wurde 1793 in der Pariser Zeitung Le Créole Patriote publiziert, die vom abolitionistischen Jakobiner Claude Milscent herausgegeben wurde, einem ehemaligen Pflanzer aus Saint-Domingue, der durch die Revolution radikalisiert worden war.69 Doch die Autorschaft ist nach wie vor ungeklärt. Am Ende des Textes standen die Namen von drei Unterzeichnern: Jean-François, Biassou und Gabriel Belair. Manche Historiker glauben, sie hätten ihn tatsächlich auch geschrieben, aber das
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ist äußerst unwahrscheinlich.70 Keiner der beiden führenden Generäle konnte viel, wenn überhaupt etwas, zu dem Text beigetragen haben: Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass sie mit dem radikalen Denken der Aufklärung vertraut waren. Zudem war Jean-François, wie wir schon gesehen haben, kein Anhänger einer allgemeinen Sklavenbefreiung, und Biassou war zu dieser Zeit nur an der Schaffung einer monarchistischen Verfassung interessiert.71 Begriffe wie Gleichheit, Gerechtigkeit und Naturrecht tauchen in keinem einzigen zeitgenössischen Dokument von Jean-François und Biassou auf.72 Was Belair betrifft, so war er einer von Biassous jungen Adjutanten.73 Es gibt Hinweise, dass vielleicht Abbé de Lahaye, der radikale Kirchenmann aus Dondon, der Autor des Textes gewesen sein könnte, doch stimmen Sprache und Ton des «Briefs» nicht mit den Überzeugungen überein, die aus jener Zeit von ihm überliefert sind.74 So ist es in Anbetracht von Toussaints Vorliebe, «alle Fäden selbst in der Hand zu halten», nur naheliegend, dass der Text von ihm oder unter seiner Federführung verfasst wurde. Er hätte sowohl in dieser entscheidenden Frage die Position der Aufständischen radikalisieren als auch die schwarzen Revolutionäre von der makandalistischen Haltung «Nieder mit den Weißen!» abbringen wollen: Der «Brief» formuliert explizit das Ideal einer Gesellschaft von Gleichen, und dies ist der erste Aufschein der späteren Louverture’schen Vision eines multiethnischen Saint-Domingue. Es finden sich deutliche Ähnlichkeiten zwischen der «Lettre» und Toussaints späterem Stil und seiner Bildsprache: vom Zelebrieren der Bescheidenheit (der Brief nahm für sich in Anspruch, für Menschen zu sprechen, «die keine großen Worte wählen») bis zu spezifischen Redewendungen («unser Leben hing von euren Launen ab») und Verweisen auf die Natur («sie liebt es, die Farben der Menschheit zu variieren»), zusammen mit der für ihn typischen Mischung aus republikanischem und christlichem Egalitarismus («wir alle sind nach dem Bild unseres Vater erschaffen und teilen daher die gleichen natürlichen Rechte»). In dem «Brief» findet sich auch eine Passage über Vincent Ogé, die fast wortgleich ist mit der entsprechenden Passage aus Toussaints Proklamation vom 29. August 1793, wo über den Märtyrer mit gemischter Herkunft zu lesen stand, er sei «hingerichtet worden, weil er sich für die Sache der Freiheit entschied». Schließlich wies der «Brief» auf eine von Toussaints rhetorischen Lieblingswendungen in seinem späteren Umgang mit den Franzosen voraus, indem er ihnen ihr Idealbild von sich
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selbst vorhielt. In einem Appell an die französischen Soldaten, die gerade frisch nach Saint-Domingue verschifft worden waren, um den Aufstand niederzuschlagen, und von denen viele glühende Anhänger der revolutionären Ideale waren,75 forderte er sie auf, sich an ihre eigenen Kämpfe für Freiheit und Gleichheit zu erinnern und zu verstehen, dass ihre schwarzen Brüder nur ihrem Vorbild folgten, wenn sie das Hochgefühl der Freiheit einem Leben in Knechtschaft vorzogen.76 Am 24. August 1792, ein Jahr nach dem Beginn des Sklavenaufstands, war Toussaint einer der Hauptgäste bei einer Feierlichkeit, die Biassou in Grande-Rivière zum Geburts- und Namenstag von Ludwig XVI. veranstaltete. Die Einladung durch den General (der sich selbst den klangvollen Ehrentitel «Ritter des königlichen Militärordens von Saint-Louis» verliehen hatte) sah ausdrücklich vor, dass alle Offiziere der Rebellen pünktlich erscheinen sollten, bewaffnet und in ihrer besten Kleidung. Toussaint kam dem nur allzu gerne nach.77 Eine solch unverhohlene Demonstration monarchistischer Gesinnung von seiner Seite mag verblüffen zu einer Zeit, als die «Lettre» seine grundlegende Neigung zu den Idealen der Freiheit und Gleichheit offenbarte. Über Toussaints Königstreue zu diesem Zeitpunkt wird ebenso wie über das Ausmaß seines abolitionistischen Engagements viel spekuliert, wobei manche Autoren die Ansicht vertreten, sie spiegelte seine wahren Überzeugungen, während andere darin nur einen taktischen Schachzug sehen. Die Fakten deuten auf ein komplexeres und originelleres Denkmuster hin. Biassou und Jean-François trugen das königliche Banner mit Leidenschaft vor sich her, und es wäre von Toussaint politisch unklug gewesen, sich in dieser frühen Phase zu demonstrativ von den beiden Rebellionskommandeuren zu distanzieren. Die Monarchie bot den Aufständischen darüber hinaus einen symbolischen Ankerplatz in Zeiten beträchtlicher politischer Unsicherheit im revolutionären Europa; tatsächlich sollte Frankreich nur wenige Monate später zur Republik werden. Der Royalismus war überdies ein nützliches Sammelbecken, weil ein starker, charismatischer Herrscher für viele der in Afrika geborenen Sklaven weiterhin Attraktivität besaß und den «Briganten» einen Anschein von Respektabilität verlieh, den ihre weißen Gegner in SaintDomingue ihnen abzusprechen suchten. Toussaint war fraglos von bestimmten Aspekten des Königtums angezogen – vor allem vom Glauben an ein Gottesgnadentum und an Werte wie Pflicht, Opferbereitschaft
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und Ehre; die Verpflichtung zu Freundlichkeit und Höflichkeit und natürlich die tiefe Religiosität. Ein spanischer königstreuer Beamter, der Kontakt zu den Rebellen hatte, berichtete von einer katholischen Messe, die, in Abwesenheit eines Priesters, von einem höheren schwarzen Offizier abgehalten wurde. Er nennt keinen Namen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass dies Toussaint war, der immer zur Kanzel strebte, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn.78 Toussaint nutzte diese Zeit, um seine militärische Basis zu festigen und seine eigenen Truppen im befestigten Camp La Tannerie auszubilden. Seine wachsende Autorität bestätigt ein Brief von Biassou, der von ihm als «Monsieur le Maréchal» spricht und beschreibt, wie er in den von Rebellen kontrollierten Gebieten die Runde macht und «für Ordnung, Frieden und Ruhe» sorgt.79 Dies ist für uns der erste Hinweis, welch entscheidende Rolle die Disziplin für ihn spielte – und zweifellos wurde er bei der Durchsetzung derselben tatkräftig unterstützt von seinen Brüdern Paul und Jean-Pierre und seinem Neffen Moyse, die wichtige Mitglieder in seiner Entourage wurden, sowie von Jean-Jacques Dessalines, einem seiner zukünftigen Generäle, den er um diese Zeit anwarb. Solche Verstärkungen kamen gerade rechtzeitig, denn im Oktober 1792 landeten 6000 französische Soldaten in Saint-Domingue und eroberten in einer großen Gegenoffensive viele Rebellenstellungen, insbesondere Ouanaminthe an der Grenze zu Santo Domingo und Dondon. Toussaint selbst geriet bei der Verteidigung des Morne Pélé (dem vorgelagerten Außenposten zum Schutz von La Tannerie) in äußerste Bedrängnis, und obgleich er tapfer kämpfte, war er schließlich nach schweren Verlusten zum Rückzug gezwungen. Von seiner Tapferkeit beeindruckt, erhob Biassou, der kaum das eine Ende des Gewehrs vom anderen unterscheiden konnte, Toussaint im Dezember 1792 in den Generalsrang; von da an firmierte Toussaint in Biassous Verlautbarungen als «notre général d’armée».80 Da die französische Armee ihren Druck auf die Aufständischen in den frühen Monaten 1793 erhöhte, wendeten sich diese mit formellen Offerten an Spanien, das das benachbarte Territorium Santo Domingo kontrollierte. Es gibt Hinweise darauf, dass der Aufstand im August 1791 von spanischen Agenten vor Ort unterstützt wurde, die immer bereit waren, den Franzosen eins auszuwischen. Auch wenn die offizielle Regierungspolitik von Santo Domingo der Neutralität verpflichtet war, gab es doch eine Reihe von Kontakten zwischen dem Militär, Kirchen-
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leuten und Rebellenführern, vor allem in der Grenzregion. Laut der Aussage eines Gefangenen aus dem Jahre 1792 wurden die Lager der Aufständischen regelmäßig mit spanischer Munition, Alkohol, Tabak, Trockenfisch, Salz und frischem Fleisch versorgt;81 es ist auch erwiesen, dass Biassou in den ersten Monaten des Jahres 1792 mit Joaquín García y Moreno, dem Gouverneur von Santo Domingo, korrespondierte.82 Doch jetzt waren die Bedingungen für eine echte Allianz vorteilhaft, da Spanien nach der Hinrichtung von Ludwig XVI. im Januar 1793 der Koalition beigetreten war, die Frankreich den Krieg erklärt hatte. In den ersten Monaten des Jahres 1793 wurde Toussaint entsandt, um Kontakt zu den Spaniern herzustellen, und sie einigten sich bald auf höchst befriedigende Konditionen: die sofortige Befreiung aller Sklavenkämpfer, die als Hilfstruppen in die spanische Armee eingegliedert werden und in den Genuss aller «Freiheiten, Freistellungen, Eigentumsrechte und Privilegien» kommen sollten, die spanischen Untertanen gewährt wurden.83 Ab Juni 1793 war Toussaint General der spanischen Reservearmee und befehligte eine Truppe von 4000 Mann.84 Einen Monat später eroberte er die Stadt Ouanaminthe mit solcher Bravour zurück, dass die spanische Regierung ihm eine Prämie von 400 Pesos gewährte.85 Versuche der Franzosen, ihn zur Anerkennung ihrer Macht zu bewegen, wies er voller Verachtung und mit dem Hinweis ab, seine Männer stünden «unter dem Schutz des spanischen Königs».86 Ab September trugen seine Briefe den Briefkopf «Général des Armées de sa Majesté Très Catholique et Chevalier de l’Ordre Royale et Militaire de SaintLouis».87 Im Verlauf dieser Monate nahm er sich mit Gusto der Franzosen an. Dondon, Marmelade, Verrettes, Petite-Rivière und Plaisance fielen ihm in die Hände, häufiger durch List als durch den Einsatz militärischer Mittel; die meisten Soldaten im französischen Lager waren schwarz, und er wollte unter keinen Umständen ihr Blut vergießen. Zum Beispiel nahm er Marmelade ein, indem er einen der republikanischen mixed-race Verteidiger, André Vernet, rekrutierte, der sofort seinem Militärstab beitrat (und später eine seiner Nichten heiratete).88 Er krönte die Kampagne mit der Einnahme der Küstenstadt Gonaïves im Dezember, nachdem er auch hier von den republikanischen Streitkräften, die sie verteidigten, hereingebeten worden war. Er wurde triumphal empfangen, und von dieser Zeit an war diese Stadt eine Louverture’sche Bastion.89 Gouverneur García war von Toussaints «Effektivität und Fähigkeit», die so «anders als bei denen seiner Hautfarbe» seien, so an-
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getan, dass er ihn als «mutigen Kämpfer» rühmte und im Auftrag des spanischen Königs mit einer Goldmedaille auszeichnete.90 Unterdessen entwickelte sich die politische Situation in Frankreich weiter. Die prokoloniale Verfassunggebende Versammlung wurde von einem progressiveren Parlament abgelöst, das im April 1792 ein Dekret zur Abschaffung aller rassistisch begründeter Diskriminierungen in den Kolonien verabschiedete; die Revolution hatte fast drei Jahre gebraucht, um sich zu dieser Position durchzuringen. Im September 1792 wurde Frankreich Republik, und die Gesandten des neuen Regimes kamen nach Saint-Domingue, darunter Léger-Félicité Sonthonax, eine der Schlüsselfiguren der Revolutionsgeschichte der Kolonie. Im Dezember 1792 rief er formell die Republik aus.91 Er galt als Anwalt einer Kolonialreform, 1790 hatte er einen Artikel gegen den Sklavenhandel und gegen die Sklaverei geschrieben und deren Abschaffung gefordert.92 Zwischen den französischen Gesandten und den Rebellen wurde Kontakt hergestellt, und Toussaint sowie Biassou korrespondierten in den Monaten nach seiner Ankunft mit Sonthonax.93 Gleichwohl dachte Toussaint zu diesem Zeitpunkt nicht daran, sich der französischen Armee anzuschließen, da er wenig Grund hatte, den Republikanern zu trauen. Eine der ersten Erklärungen der französischen Gesandten bei ihrer Ankunft in Saint-Domingue beinhaltete die Versicherung, dass «die Sklaverei für Kultur und Wohlstand der Kolonien unverzichtbar» sei, und dass sie die diesbezüglichen «Privilegien» der Pflanzer nicht in Frage stellen würden. Sonthonax nahm sogar die Mühe auf sich, den Code Noir (euphemistisch umbenannt in «code républicain du servage») ins Kreolische übersetzen zu lassen.94 Solche Gesten, mit denen die weißen colons beruhigt werden sollten, waren für die schwarzen Sklaven nicht gerade ermutigend. Zudem besaß die französische Seite zu jener Zeit aufgrund ihres immensen Verwaltungschaos wenig Anziehungskraft; vier verschiedene Gouverneure wurden im Zeitraum eines Jahres in der Kolonie verschlissen. Dieses Durcheinander gipfelte im Juni 1793 in der Feuersbrunst von Cap, ausgelöst durch eine Schlacht zwischen rivalisierenden französischen Truppen, die Tausende von Opfern kostete.95 Selbst unter diesen außerordentlich schwierigen Umständen verlor Toussaint die Sache der Sklavenbefreiung nicht aus dem Blick. Er entwarf einen kühnen militärischen Plan zur Vereinigung der Insel Hispaniola unter spanischer Kontrolle, vorausgesetzt die Spanier erklärten sich bereit, alle Sklaven zu befreien, also nicht nur diejenigen, die in der
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Armee kämpften. Den Plan trug er seinem unmittelbaren Vorgesetzten Marquis Matias de Armona vor, der ihn nach Rücksprache mit Gouverneur García ablehnte.96 Daraufhin sondierte Toussaint in der ersten Hälfte des Jahres 1793 die Lage bei den Franzosen, in der Hoffnung, mit ihnen eine Allianz unter ähnlichen Bedingungen zu schließen wie denen, die er den Spaniern angeboten hatte: vollständige Amnestie der Rebellen und eine allgemeine Freilassung der Sklaven. Obgleich die Franzosen sich in Richtung Abolitionismus bewegten, boten sie nur eine begrenzte Befreiung an, und Toussaint gab seiner bitteren Enttäuschung in einer Verlautbarung Anfang August 1793 Ausdruck. Er warf den Republikanern «Heimtücke» vor, sie würden «Tausende von furchtbar armen Menschen vernichten» und «einen unschuldigen König auf einem elenden Schafott hinrichten». Das Schicksal des armen Ludwig XVI. bekümmerte ihn nicht sonderlich, aber es bot eine gute Gelegenheit, den Spieß umzudrehen und den alten Vorwurf barbarischen Verhaltens gegen die Franzosen zu wenden, deren Staat nun «ein Land des Verbrechens und Gemetzels» geworden war, wo das «unschuldige Blut» von Gläubigen «im Namen der Republik» vergossen wurde. Er griff die neuen französischen Repräsentanten in Saint-Domingue an, die er als «Halunken» bezeichnete, die «geschickt wurden, um [die schwarzen Menschen] in Ketten zu legen» und einen Vernichtungskrieg gegen die Aufständischen zu führen, sie mit «Folter und Elend» zu überziehen und «wie wilde Tiere» zu jagen.97 Diese scharfe Rhetorik sollte man nicht vollständig für bare Münze nehmen, da wir aus anderen Quellen wissen, dass Toussaint zu jener Zeit mit einigen französischen Offizieren in Kontakt stand und sogar zuließ, dass Nahrungsmittel aus von ihm kontrollierten Gebieten nach Cap gebracht wurden; auch gab es Anfang August 1793 Treffen mit republikanischen Kommandeuren.98 Toussaints Erklärungen in dieser Zeit sollten seine Anhänger davon überzeugen, dass er von allen der leidenschaftlichste Kämpfer für ihre Befreiung war, mehr als jeder andere Rebellenführer oder die französischen Republikaner. Er betonte wiederholt, die Freiheit müsse als universelles Prinzip anerkannt werden. Wenige Wochen später kam er in einem Appell an die People of Color, die immer noch die Franzosen unterstützten, erneut auf dieses Thema zu sprechen: es könne in SaintDomingue keine Freiheit geben, solange nicht «alle frei sind». Die Initiatoren des Aufstands vom August 1791 seien die «Urväter» des Kampfs für die Abschaffung der Sklaverei und hätten das «Fundament» gelegt.
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Und er fügte hinzu: «Ich war der erste, der sich für ein Ziel stark machte, das mir stets am Herzen lag», um zu schließen: «Was wir begonnen haben, das werde ich zu Ende führen.»99 Es war für Toussaint so lange unmöglich, die Führerschaft in der schwarzen Revolution zu übernehmen, wie er Jean-François und Biassou unterstand und nur General der Hilfstruppen in der spanischen Armee war. Doch so sehr Don García und seine Leute den neuen Verbündeten mit Lob überschütteten, ihre interne Korrespondenz zeigt, dass sie ihn immer noch mit Argwohn beäugten, die schwarzen Rebellen verachteten und die Idee einer universellen Emanzipation verabscheuten. Die französische Position hingegen veränderte sich ab 1793 bis hin zur einseitigen Abschaffung der Sklaverei im nördlichen Teil von SaintDomingue durch Sonthonax im August. Toussaint hielt diesen Schritt nicht ohne Grund für einen Bluff: Seine vorherige Zusage, die Sklaverei in den französischen Territorien beizubehalten, änderte der Bevollmächtigte nur, weil er einsehen musste, dass die Emanzipation der Preis war, den man zahlen musste, wenn man die Unterstützung der schwarzen Bürger im Norden der Kolonie nicht verlieren wollte – insbesondere der Männer, die auf der französischen Seite kämpften. Toussaint blieb auch nicht verborgen, dass Sonthonax anfangs größte Mühe hatte, seine Mitbevollmächtigten von der Notwendigkeit dieses Dekrets zu überzeugen, und dass er nicht einmal in der Lage war, es in den Gebieten durchzusetzen, die nominell unter seiner Kontrolle standen. Unterdessen forderten die in Panik geratenen Sklavenhalter der Kolonie schamlos die Briten auf, die Macht in Saint-Domingue zu übernehmen und ihre Interessen zu schützen: Die Städte Jérémie, Môle Saint-Nicolas und Saint-Marc wurden den Briten übergeben, bald gefolgt von Arcahaie und Port-Républicain. In allen Orten wurde von der Besatzungsarmee, die schließlich über 20 000 Mann zählte, die Sklaverei wieder eingeführt.100 Ende des Jahres 1793 war die Sklaverei die entscheidende politische Frage in Saint-Domingue, und Toussaint musste seine Position neu überdenken. Den ersten Bruch gab es mit Jean-François. Die beiden Männer hatten sich nie sonderlich gemocht, und während Toussaint immer mehr an Statur und Autorität gewann, versuchte der Generalissimus wiederholt, ihm die Flügel zu stutzen. Er provozierte Scharmützel mit seinen Truppen und nahm ihn einmal sogar in Vallière gefangen, wo er
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von Biassou befreit werden musste.101 Toussaint war für diese Tat dankbar, später meinte er, sie habe ihm das Leben gerettet. Doch Anfang 1794 begann sich auch seine Beziehung zu Biassou dramatisch zu verschlechtern. In der Annahme, Toussaint wolle ihn in den Schatten stellen, verleumdete der «Vizekönig» ihn heimtückisch: Er veranlasste seine eigenen Männer, den Kommandeur eines Rebellen-Außenpostens bei Barade, einen Offizier namens Thomas, zu verprügeln, und behauptete, Toussaint habe den Befehl dazu gegeben. Als Toussaint bald darauf vor dem Lager auftauchte, eröffneten Thomas’ Soldaten das Feuer, verwundeten ihn und töteten sieben seiner Leutnants; einer von ihnen war Jean-Pierre, der an der Seite seines Bruders ritt.102 In einem langen, atemlosen Brief vom 20. März 1794 denunzierte Toussaint Biassou in seinem Zorn bei den spanischen Behörden. Der General sei ein «schlichter, reizbarer Mann ohne viel Wissen», und er lasse sich «leicht von den Schurken, die ihn umgeben, irreführen», vor allem von seinem persönlichen Adjutanten, einem «gefährlichen Mann, der nur Verwirrung unter uns stiften will». Zu Biassous größten Fehlern gehöre seine Geistesschwäche («seine Meinung ist immer geprägt von den Leuten, mit denen er zuletzt gesprochen hat») und sein «impulsiver, schwankender und zerstreuter Charakter». Er beschuldigte Biassou, den tödlichen Angriff angestiftet zu haben, der seinen Bruder das Leben gekostet hatte, und bezichtigte ihn, unter den Hilfstruppen systematisch Zwietracht zu säen. An dieser Stelle erklärte Toussaint ausdrücklich seine Unabhängigkeit von fremden Befehlen: Von seinem Hauptquartier in Marmelade aus sei er jetzt der «Generalkommandeur» der schwarzen Streitkräfte, und Biassou sei «nicht sein Vorgesetzter», sei es «auch nie gewesen»; die letzte Aussage enthielt eine tüchtige Portion dichterischer Freiheit, doch zu diesem Zeitpunkt war Toussaint schon nicht mehr zu stoppen.103 Eine Woche darauf schrieb er einen zweiten, ebenso grimmigen Brief, in dem er Biassou vorwarf, seine Versöhnungsangebote ausgeschlagen und einen weiteren Mordanschlag «am Carrefour-à-Vincent» geplant zu haben; Toussaint hatte ohne Zweifel von einem seiner Spione in Biassous Lager davon erfahren und dann einen anderen Weg gewählt. Der General hatte seine Männer auch ausgesandt, um sein Vieh und seine Bestände an Tafia, einem rumähnlichen Getränk, zu stehlen und von Toussaint kontrollierte Gebiete zu plündern, während er wiederum ihm die Schuld zuschob; außerdem behauptete er, Toussaint beabsich-
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Unter dem Druck der schwarzen Revolutionäre erließ der französische Repräsentant Sonthonax im August 1793 ein Dekret, in dem die Sklaverei abgeschafft wurde. Diese kreolische Version fand damals weite Verbreitung.
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tige, «die Waffen gegen den König von Spanien zu erheben», und wolle mit einem Angriff auf Saint-Raphaël beginnen, wo seine Frau und Kinder Gäste der spanischen Regierung blieben. Damit wollte er offensichtlich sein Ansehen bei den Spaniern untergraben.104 Hinter diesen Zusammenstößen mit Jean-François und Biassou lauerte eine fundamentale Meinungsverschiedenheit: Nicht nur spielte die Emanzipation in ihren Plänen nicht die geringste Rolle, vielmehr waren die beiden Anführer des schwarzen Aufstands zu Toussaints Empörung selbst aktiv am Kauf und Verkauf von Sklaven beteiligt. Er nannte Einzelheiten des «widerwärtigen Handels mit Frauen und Kindern» durch Biassou, der seine Agenten durchs Land schickte, um die Familien der Aufständischen, die an der Front ihrer militärischen Pflicht nachkamen, einzufangen und «in die Sklaverei zu verkaufen».105 Abgestoßen von solch abscheulichem Verhalten, setzte sich Toussaint in den Städten und Gemeinden von Gonaïves, Ennery, Plaisance, Marmelade und Dondon für die Sklavenbefreiung ein und ermutigte die Sklaven auf den Plantagen, sich seiner Armee anzuschließen. Er versprach ihnen Freiheit und Schutz. Diese Haltung stand in radikalem Gegensatz zu den Positionen von Jean-François und Biassou und brachte Toussaint auf Konfrontationskurs zu den konterrevolutionären französischen colons, die in den Gebieten unter spanischer Herrschaft lebten. Viele dieser Gebiete waren mittlerweile von weißen Flüchtlingen aus französischen Landesteilen bewohnt, die offen die Sklaverei befürworteten (die in dem von den Spaniern beherrschten Santo Domingo nach wie vor legal war). Sie bildeten bewaffnete Milizen, die Terror verbreiteten, um «die Neger wieder zur Vernunft zu bringen», und manche träumten sogar von der Rückeroberung der französischen Gebiete.106 Im April 1794 bezichtigte Jean-Baptiste Laplace, einer der Wortführer der colons, Toussaint in einem Brief an Don García, er würde «Ungehorsam predigen» und «den Sklaven, die zur Arbeit in die Plantagen zurückgekehrt waren, die Freiheit versprechen». Für solche Verbrechen – «Verrat und Volksverhetzung» – müsse, so donnerte Laplace, «sein Kopf rollen».107 Der Druck nahm von allen Seiten zu. Dann, ab Ende 1793, begann sich auch noch Toussaints Beziehung zu seinen spanischen Beschützern aufzulösen. Nach außen hin schien das Bild idyllisch: Toussaint wurde von den Regierungsvertretern als unerschrockener Krieger gefeiert, und er beschwor weiterhin seine Treue zum spanischen Königshaus. Im
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November 1793 nahm er in Saint-Raphaël an einem von den Spaniern organisierten «Versöhnungstreffen» mit Jean-François und Biassou teil, auf dem er sich bereit erklärte, das Kriegsbeil zwischen sich und den beiden Generälen zu begraben. Das ausführliche, von den drei Männern unterzeichnete Memorandum enthielt das Versprechen, nie schlecht voneinander zu sprechen und den «vergangenen Zwist zu vergessen», und endete mit dem feierlichen Gelöbnis, «treue Vasallen des größten und besten aller Monarchen, des Königs von Spanien», zu bleiben.108 Selbst noch in den Briefen vom März 1794, in denen er Biassou angriff, nachdem die Aussöhnung gescheitert war, bekräftigte Toussaint seine Unterstützung der Monarchie «bis zum letzten Blutstropfen». Er nannte seine Treue zum Bourbonenkönig «unerschütterlich» und «felsenfest»; obendrein berief er sich auf seinen katholischen Glauben, verglich seine monarchistische Überzeugung mit einer «Religion» und seine eigene Verfolgung mit den Leiden Jesu Christi.109 Doch das Märtyrerkreuz war immer schwerer zu tragen. Garcías Armee konnte ihr rassistisches Vorurteil gegen die ehemaligen Sklaven, die die Reservetruppen stellten, nicht verhehlen. Anfang 1794 kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen spanischen Truppen, die in Gonaïves stationiert werden sollten, und Toussaints Kämpfern, bei denen mehrere seiner republikanischen Führungsoffiziere brutal behandelt wurden – in diesem Fall fielen ideologische und rassistische Trennlinien perfekt zusammen. Schlimmer noch: Toussaints wichtigster Kontakt, der Marquis de Armona, zu dem er eine freundschaftliche Beziehung entwickelt hatte (in seinem Haus hatte das Versöhnungstreffen mit Biassou und Jean-François stattgefunden), wurde durch Don Juan Bautista Gemir y Lleonart ersetzt, der ein sehr viel offeneres Ohr für die Beschwerden der Kolonisten gegen Toussaint besaß und dessen schwarze Reservearmee mit offener Geringschätzung behandelte. Lleonart und seine Vorgesetzten ergriffen denn auch Biassous Partei, als der Konflikt zwischen den beiden Männern Anfang 1794 eskalierte. Für eine Weile wurden Toussaints Frau und Kinder unter Hausarrest gestellt, und auch sein Neffe Moyse wurde festgenommen. Dies führte zu einem verbitterten Gefühlsausbruch Toussaints, der sich «erschüttert» darüber zeigte, wie die spanischen Befehlshaber seine Familie behandelten.110 Zwar bleibt der genaue Zeitpunkt seines Wechsels von der spanischen zur französischen Seite ungewiss, aber fest steht, dass Toussaint Anfang Mai 1794 in engem Kontakt mit der Führung der Kolonie stand
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und Mitte des Monats unmissverständlich seine Unterstützung der Franzosen zu erkennen gab.111 Er sorgte diskret dafür, dass seine Frau und Kinder Saint-Raphäel verlassen und zu ihm gebracht werden konnten, wobei er frecherweise die Reisekosten von den Spaniern bezahlen ließ. Einer der Wendepunkte bei diesem Gesinnungswandel war ein Konflikt in Gonaïves Ende April, bei dem die schwarzen Hilfstruppen die Kapitulation der spanischen Besatzung verlangten; diese floh, und Anfang Mai wurden 150 weiße colons abgeschlachtet. Toussaint schrieb an den Pfarrer und die weiße Gemeinde von Gonaïves, um sein Bedauern über das Gemetzel auszudrücken,112 aber es kann sehr wohl ein vorsätzlicher Schlag gegen die Hardliner unter den Siedlern gewesen sein. Der Legende nach soll Toussaint, bevor er den Befehl zum Morden gab, die Messe besucht haben. Es zeigt das Maß von Toussaints wohlkalkulierter Anpassungsfähigkeit, dass er selbst jetzt seine Verbindungen zu seinen einstigen spanischen Verbündeten nicht kappte, sondern sie im Glauben ließ, eine nutzbringende Zusammenarbeit sei vielleicht immer noch möglich. Er schrieb an Biassou, drängte ihn, ihre alten Differenzen ad acta zu legen, und forderte ihn auf, ebenfalls ins französische Lager zu wechseln. Der schwarze Kommandeur wies seine Avancen zurück. Es hat jedoch den Anschein, dass Don García und Lleonart auf den Trick hereinfielen, selbst dann noch, als Toussaint demonstrativ die französische Flagge in ihren ehemaligen Besitzungen hisste, von Gonaïves, Ennery und PetiteRivière bis Dondon und Marmelade. Toussaint behauptete, sein Seitenwechsel sei nur ein «Gerücht», welches seine Feinde in die Welt gesetzt hätten, und Gonaïves sei im Übrigen nicht von den Franzosen, sondern von den Briten bedroht worden. Ob Lleonart diese Geschichten wirklich glaubte, ist unklar – jedenfalls war er so naiv, dass er Toussaint Vieh und Munition schickte, lange nachdem dieser zu den Franzosen übergelaufen war, und fortfuhr, mit ihm zu korrespondieren.113 Noch Anfang Oktober 1794 schwor Toussaint Spanien «Treue». Zu diesem Zeitpunkt stellte der Mann, den Lleonhart verächtlich als «rachsüchtigen und arroganten Neger» bezeichnet hatte, dem Spanier ein Ultimatum und warf ihn ohne viel Federlesens aus Saint-Michael und Saint-Raphaël hinaus.114 Don García konnte nur noch seine Wunden lecken und gegen das «betrügerische und niederträchtige Verhalten» seines ehemaligen Offiziers wettern.115
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Mitte 1794 ging Toussaints turbulente Lehrzeit als Revolutionär zu Ende, und eine noch abenteuerlichere Reise begann. Von der Zeit, da er sich 1791 dem Aufstand anschloss, bis zu seinem Übertritt zu den Franzosen, hatte er sich ausschließlich auf einen Punkt konzentriert: die Emanzipation seiner «Brüder», der schwarzen Sklaven von Saint-Domingue. Ihn begeisterten die Qualitäten dieser Männer und Frauen: ihre Kreativität, ihr Mut, ihre Menschlichkeit und vor allem ihr Freiheitsdrang, der seinem eigenen Gefühl für natürliche Freiheit entsprach. Gleichzeitig versuchte er, sie weg von dem makandalistischen Projekt der absoluten Konfrontation mit den weißen Siedlern in der Kolonie hin zu einer Vision der politischen Gemeinschaft Gleicher zu bewegen, in der Menschen schwarzer, weißer und gemischter Abstammung friedlich koexistieren konnten. Dieses Ideal der Brüderlichkeit war bei weitem noch nicht universell anerkannt, geschweige denn verwirklicht – doch seine Umrisse hatten in Toussaints Bewusstsein Gestalt angenommen und wurden in den Werten und dem Verhaltenskodex seiner 6000 Mann starken Revolutionsarmee bereits umgesetzt. So gesehen wäre es irreführend, Toussaints Wechsel ins französische Lager 1794 als «Konversion» zum jakobinischen Republikanismus zu deuten – oder als «Abkehr» von Spanien. Seit er sich dem Aufstand von 1791 angeschlossen hatte, basierten seine Ideen auf eigenem Denken, wobei er die revolutionäre Tradition von Saint-Domingue mit Elementen seines persönlichen Royalismus und Republikanismus verknüpfte. Wie wir noch sehen werden, gab es einen signifikanten Unterschied zwischen seiner Position und jener der französisch-kolonialistischen Republikaner der 1790er Jahre. Zum Beispiel erkannten die französischen Revolutionäre die Legitimität des Sklavenaufstands von 1791 in SaintDomingue selbst nach der Abschaffung der Sklaverei nie an. Insgesamt gaben sie Toussaint keinerlei Grund, ihnen zu vertrauen, weder als Kollektiv noch individuell. Seiner Ansicht nach verrieten sie die Revolution, indem sie die Gültigkeit der Menschenrechte, die sie 1789 feierlich erklärt hatten, für die Kolonien bestritten und dann ihre Politik allein an den merkantilen Interessen der bourgeoisen Sklavenhalter und der rassistischsten Siedler ausrichteten. Auch wenn es ein wichtiger symbolischer Akt war, war die Abschaffung der Sklaverei durch den Bevollmächtigten Sonthonax 1793 doch eher der Notwendigkeit als einem moralischen Prinzip geschuldet. Sie folgte seiner verspäteten Einsicht, dass die Sklaven selbst durch ihren Aufstand die Sklaverei untragbar gemacht hatten.
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Daher seine geringschätzige Antwort auf das Angebot eines örtlichen französischen Kommandeurs, sich dem republikanischen Lager anzuschließen: «Ich werde Ihnen das Gewehr präsentieren, wenn Sie meinen König anerkennen.» Dies wird allgemein als Beweis für seine royalistischen Sympathien angesehen, doch am aufschlussreichsten an seiner Antwort ist, dass er sich «Toussaint Abréda» nannte – sein Sklavenname.116 Ähnlich hatte der Erlass zur Abschaffung der Sklaverei des französischen Nationalkonvents vom Februar 1794 nur geringen Einfluss auf Toussaints Entscheidung: Die Nachrichten darüber erreichten SaintDomingue erst im Juli 1794 – mehrere Monate nachdem er sich dem französischen Lager angeschlossen hatte. Aber es gab einen ranghohen Franzosen, der für Toussaint und seine weitere politische Karriere eine entscheidende Rolle spielte: Étienne Maynaud de Laveaux, ein radikaler Aristokrat, der ein leidenschaftlicher Anhänger der Revolution war und als Offizier der französischen Armee nach Saint-Domingue kam. Die Beziehung der beiden Männer stand anfangs unter keinem guten Stern: Im Januar 1793 erstürmte Laveaux das befestigte Lager in La Tannerie und zwang die Rebellen zum Rückzug; unter den Tausenden «Briganten», denen er sich gegenübersah, befand sich auch Toussaint, und die beiden Männer schossen mit großer Wahrscheinlichkeit aus ihren Schützengräben aufeinander.117 Doch nach einigen Monaten suchte Toussaint den Kontakt zu dem französischen Kommandeur, der zum Gouverneur der Kolonie ernannt worden war.118 Toussaint hatte das Gefühl, dass «Papa» Laveaux jener seltene Fall eines französischen Gesandten war, der sowohl seinen Republikanismus als auch die schwarze Emanzipation mit allem Ernst verfocht. In seiner Antwort auf einen der ersten Briefe von Laveaux bekannte Toussaint, dass er von den Spaniern, «den Feinden der Republik und der Menschheit», «in die Irre geführt» worden sei – aber er erinnerte Laveaux zugleich daran, dass die Franzosen sein Angebot einer Allianz im Jahre 1793 ausgeschlagen hatten. Er sei gezwungen gewesen, sich den Spaniern zuzuwenden, weil sie ihm und seinen Kämpfern Freiheit und Schutz gewährten. Doch jetzt erkenne er, dass die «verächtlichen Monarchisten» nur im Sinn hatten, die schwarze Bewegung zu spalten und zu schwächen, um sie am Ende «in die Knechtschaft» zurückzuführen. Toussaint drängte Laveaux, «die Vergangenheit zu vergessen», und versprach, sich hinfort «vollständig der Vernichtung der Republikfeinde» widmen zu wollen.119 Als er schließlich hörte, dass der Konvent in Paris
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die Abschaffung der Sklaverei dekretiert hatte, bekannte er Laveaux, dies sei «ein großer Trost für alle Freunde der Menschheit». Aber er hielt sich nicht allzu lange damit auf: Hauptsächlich handelte sein Brief von den militärischen Erfolgen gegenüber seinem alten Rivalen Jean-François.120 Laveaux konnte seine Begeisterung über den neuen Mitstreiter für die französische Sache kaum verbergen. Er verbürgte sich dafür, dass Toussaint sich leidenschaftlich für das Prinzip der liberté générale einsetzen würde; einer der Hauptgründe dafür, die Spanier zu verlassen, so habe er ihm bestätigt, sei die Erkenntnis gewesen, dass François und Biassou «Kinder, Frauen und Männer, die als ‹schlechte Untertanen› erachtet wurden, in die Sklaverei verkauften».121 Nachdem er ihn persönlich kennengelernt hatte, pries der Gouverneur diesen «mutigen und verdienstvollen Bürger» vor seinen Vorgesetzten und meinte, wenn die Gendarmerie von Saint-Domingue reorganisiert werden würde, wäre er der «ideale Kommandeur» dafür.122 Hätte Toussaint von dieser patronisierenden Empfehlung erfahren, er hätte sicherlich geschmunzelt. Er hatte weitaus höhere Ziele.
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TAPFERE REPU B LI KAN ISCH E KRI EGER
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«Wie ich euch bereits deutlich gemacht habe», erklärte Toussaint Anfang 1795 seinen Offizieren, die sich nicht an seine Anweisungen gehalten hatten, «muss ein guter Soldat nach außen kalt erscheinen, und in seinem Inneren planvoll, treu ergeben und voller Feuer sein.»1 Diese Ermahnung fasste wesentliche Züge seines Charakters zusammen, aber sie spiegelte auch die Herausforderungen, die vor ihm lagen, da er sich der republikanischen Sache verschrieben hatte. Es ging um nichts Geringeres, als die Spanier und Briten und ihre Verbündeten, die verräterischen französischen Siedler, aus der Kolonie zu vertreiben. Die britische Invasion von Saint-Domingue war ein Schlüsselelement in der Strategie, die William Pitt und sein Innenminister Henry Dundas 1793 entwarfen: Frankreichs reiche westindischen Kolonien zu erobern, die ständige Bedrohung durch die französische Marine zu eliminieren und das System der Plantagensklaverei aufrechtzuerhalten.2 Mitte 1794 hatten die Briten Martinique, Santa Lucia und Guadeloupe eingenommen und Port-auPrince erobert. Sie hielten schließlich einen großen Teil der westlichen Provinz besetzt, insbesondere Saint-Marc und Léogâne sowie das Küstengebiet um Jérémie. Die mit den Briten alliierten spanischen Streitkräfte kontrollierten wichtige Teile der Nordprovinz sowie den größten Teil des östlichen Territoriums, das an Santo Domingo grenzte: von Fort-Dauphin im Norden bis hinunter nach Mirebalais. Toussaint schloss sich zu einem entscheidenden Zeitpunkt der französischen Seite an: Mit Ausnahme der immer noch loyalen Südprovinz waren nur kleine Enklaven um Cap und Port-de-Paix herum in republikanischer Hand verblieben. Für ihn hatte es absolute Priorität, die Feinde von seinem Heimatboden zu vertreiben, vor allem da die Briten in den von ihnen kontrollierten Gebieten sofort die Sklaverei wieder einführten, so wie sie es auch anderswo, beispielsweise in Martinique,
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mit der begeisterten Unterstützung der königstreuen französischen Siedler taten. Wie einer der colons es formulierte, der sich von den Briten anwerben ließ: «Gegen die aufständischen Sklaven von Saint-Domingue die Waffen zu erheben, ist kein Verrat, sondern ein Dienst am eigenen Land.»3 Die Briten waren in einer starken Position, sie hatten die Übermacht auf See, eine weit überlegene Ausrüstung und größere finanzielle Ressourcen («Pitt’s Gold», wie man es nannte, wurde großzügig verteilt, um die Bevölkerung zu bestechen).4 Und so war die größte Herausforderung für Toussaint – daher auch die Ungeduld in seinem Ton –, seine eigenen verwilderten Kombattanten, von denen die meisten aus örtlichen Marron-Banden stammten, in eine schlagkräftige Streitmacht umzuwandeln. Innerhalb von drei Jahren erreichte er seine Ziele: Zuerst wurden die Spanier geschlagen, dann die Briten mitsamt ihren französischen royalistischen Verbündeten aus der Kolonie vertrieben und währenddessen eine disziplinierte schwarze Armee aus «tapferen republikanischen Kriegern»5 unter seiner Führung aufgebaut. Toussaint begann seinen Feldzug forsch mit einer Reihe von Siegen gegen seine einstigen spanischen Verbündeten. Seine Truppen brachten seinem ehemaligen Kameraden Jean-François schwere Verluste bei. Dieser hatte seine Treuepflicht gegenüber dem spanischen König aufrechterhalten und musste rasch die Kolonie verlassen, als die Spanier 1795 mit Frankreich den Friedensvertrag von Basel abschlossen, in dem sie all ihre Positionen in Saint-Domingue räumten und formell die Herrschaft im benachbarten Santo Domingo an die Franzosen abtraten.6 Von seiner Operationsbasis im westlichen Artibonite-Sektor aus – einem sich über 140 Kilometer erstreckenden Gebiet, in dem er etwa dreißig Stützpunkte errichtet hatte – überzog er in den ersten Monaten die Briten und ihre französisch-königstreuen Hilfstruppen mit heftigen Angriffen und mehr als 200 Gefechten, mit denen sie erfolgreich aus weiten Teilen der westlichen Provinz vertrieben wurden. In der Folge entstand eine Pattsituation, und 1796 gewannen die Briten Boden zurück – auch wenn sie sich am Ende des Jahres eingestehen mussten, dass ihre Position unhaltbar geworden war. In der Tat waren die Royalisten nach einem weiteren Feldzug von Toussaints republikanischen Streitkräften Mitte 1797 aus ihren strategischen Schlüsselpositionen vertrieben worden, vor allem aus Mirebalais, den Bergen vom Grand Bois und den Gebieten um Lascahobas, Bánica und Saint-Jean. Toussaints Armee – inzwischen 15 000 Mann stark – hielt sie auf einem kleinen Küstenstreifen im Westen
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fest, zu dem Port-au-Prince und St. Marc sowie Môle Saint-Nicolas im Nordwesten und Jérémie im Süden gehörten. Nach einer letzten Offensive Anfang 1798 vereinbarte Toussaint mit den mittlerweile vollkommen erschöpften Briten einen Waffenstillstand. Sie erklärten sich bereit, all ihre Stützpunkte in der Kolonie zu räumen, nachdem sie 15 000 Soldaten verloren und mehr als 10 Millionen Pfund ausgegeben hatten. Im Oktober 1798 hatte Toussaint sein Ziel erreicht, das republikanische Saint-Domingue von britischen und französischen königstreuen Truppen zu befreien. Wie ihm und seinen Männern dies gelang, wird das zentrale Thema dieses Kapitels sein. Das Ausmaß ihres Erfolgs war gewaltig, denn mit ihren Siegen widerlegten diese mutigen schwarzen Kämpfer das herrschende rassistische Stereotyp von der militärischen Überlegenheit der Europäer und der angeblichen Unfähigkeit schwarzer Soldaten, Krieg zu führen. Solche Ansichten waren im späten 18. Jahrhundert verbreitet, nicht nur bei Toussaints militärischen und politischen Gegnern, sondern auch bei seinen französischen Verbündeten. Sie wurden vor allem von Adolphe Thiers propagiert, der Toussaints militärische Fähigkeiten für «mittelmäßig» hielt; sie bestünden hauptsächlich aus der «Kunst des Hinterhalts», eine Meinung, die von einer Reihe moderner Historiker geteilt wird.7 So gesehen stellte Toussaints «modernisierender» Zugang zur Kriegsführung mit der Betonung auf reguläre Truppen und europäische Ausbildungsmethoden eine zeitweilige Zäsur gegenüber den guerillaartigen Sklavenaufständen der frühen 1790er Jahre dar, die später bei dem erfolgreichen Haitianischen Unabhängigkeitskrieg gegen die französische Invasionsarmee wiederkehren sollten.8 Als Kommandeur zeichnete sich Toussaint durch die präzise Planung jeder seiner militärischen Operationen aus. Er riss durch sein Beispiel, durch seine Präsenz und seine Bereitschaft, sich tödlicher Gefahr zu stellen, seine Männer mit. Er entwickelte auch höchst originelle militärische Vorgehensweisen, in denen er Methoden der Guerilla-Kriegsführung mit konventionellen Kampfformen verband und zugleich die Künste seiner in Afrika geborenen Krieger einsetzte. Dies war die militärische Version seiner Idee der Brüderlichkeit. Doch Toussaint beschränkte sich dabei nicht auf die konventionellen Ziele von Landeroberung und Machtzuwachs, vielmehr ging es ihm um eine größere Vision: um Gleichheit, politische Autonomie, Humanität und die Befreiung von Fremdherrschaft. Dies alles war ein früher Ausdruck dessen, was Karma Nabulsi die «republikanische Tradition des Krieges» nennt.9
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Toussaint wurde nicht müde, seine Soldaten und die Einwohner von Saint-Domingue daran zu erinnern, dass der Kampf gegen die Spanier, Briten und die sie unterstützenden Sklavenhalter ein politischer Befreiungskampf war. Der Sinn des Krieges, so erklärte er seinen Kommandeuren, sei es, «Freiheit in solche Teile des Landes zu bringen, die von der Anwesenheit des Feindes entehrt sind und in denen unsere Brüder immer noch ihre Unterdrückung beklagen». Die Abschaffung der Sklaverei stand im Zentrum von Toussaints Ideal der Brüderlichkeit. Sie bot der schwarzen Bevölkerung von Saint-Domingue zugleich die Möglichkeit, ihr «Ehrgefühl» zu zeigen und damit zu beweisen, dass «die Menschen, die den Weg von der Sklaverei zur Würde zurückgelegt haben, es wert sind, die Vorzüge der Freiheit zu genießen».10 Eine der wichtigsten Quellen zum Verständnis von Toussaints Kriegskunst ist seine Korrespondenz mit Étienne Laveaux, dem französischen Generalgouverneur, der Mitte 1794 seinen Übertritt ins französische Lager begleitet hatte. Laveaux blieb bis Oktober 1796 in seinem Amt, und Toussaint sandte ihm regelmäßig umfangreiche Berichte über seine militärischen Kampagnen. Ähnlich wie Bayon de Libertat eine zentrale Figur in seinem vorrevolutionären Leben gewesen war, spielte Laveaux eine entscheidende Rolle in Toussaints früher revolutionärer Laufbahn. Von Anfang an erkannte der Gouverneur, dass er es mit einem außergewöhnlich begabten Soldaten zu tun hatte. Kurz nachdem er ihm 1794 das Frontkommando in der Westprovinz anvertraut hatte, schrieb er eine eindringliche Empfehlung an die französischen Verantwortlichen: «Das ist ein Bürger, über den ich nur in den höchsten Tönen sprechen kann. Er birst geradezu vor Tugenden, vor Begabung und soldatischen Eigenschaften. Er ist voller Mitmenschlichkeit, wirklich bezwingend und in seinem soldatischen Handeln unermüdlich.»11 Toussaint revanchierte sich, indem er Laveaux wiederholt «Vater» nannte, obwohl der Gouverneur mindestens fünf Jahre jünger war als er selbst. Er bezeichnete sich als seinen «ehrerbietigen Sohn», der die Befehle seines Vorgesetzten mit «Dankbarkeit» und «bedingungslosem Gehorsam» befolgen werde.12 1796 fand er für seine Ergebenheit poetische Worte: Es gibt, ohne Zweifel, reine Freundschaften, aber ich glaube nicht, dass irgendeine die unsere übertrifft oder aufrichtiger ist. Jawohl, General, Toussaint ist
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Euer Sohn! Ihr seid ihm teuer. Er wird Euch unter Einsatz seines Lebens verteidigen. Wo ihr begraben seid, will er es auch sein. Seine Waffen und sein Kopf sind Euch stets zu Diensten. Wenn er je unterliegen sollte, so mit der süßen Genugtuung, einen Vater verteidigt zu haben, einen vortrefflichen Freund und das Inbild der Freiheit.13
Laveaux war in der europäischen Literatur des 18. Jahrhunderts über Militärstrategie sehr bewandert, und Toussaint zehrte bereitwillig von seiner Expertise;14 vor allem schätzte er, dass die politische und militärische Praxis des Gouverneurs fest auf den Prinzipien der republikanischen Brüderlichkeit gründete. In seinem Basislager in Port-de-Paix behandelte Laveaux seine Soldaten gut, stand ihnen bei ihren alltäglichen Pflichten zur Seite und teilte die knappen Rationen gleich zwischen den europäischen und schwarzen Soldaten auf.15 Toussaint beeindruckte auch, dass Laveaux sich für die ökonomischen Interessen der nouveaux libres einsetzte, der ehemaligen Sklaven von Saint-Domingue, die die Bevölkerungsmehrheit in der Kolonie stellten. Seit ihrer Befreiung 1793 waren sie Lohnarbeiter: Wenn sie auf einer Plantage arbeiteten, stand ihnen ein Viertel der Gesamteinkünfte (nach Steuern) zu.16 Laveaux reiste kreuz und quer durch die Gebiete unter französischer Kontrolle und legte sich erfolgreich mit Landbesitzern und Verwaltern an, die ihre Arbeitskräfte nicht bezahlen wollten.17 Kurzum, Toussaint bewunderte Laveaux wegen seiner «außergewöhnlichen Liebe für die schwarzen Menschen».18 Er trug eine Feder am Hut, die der General ihm als Geste der Freundschaft und Wertschätzung geschickt hatte, aber auch um sich zu schützen: ein wunderbares Beispiel dafür, wie Toussaint es verstand, europäische Symbolik und lokale magische Traditionen miteinander zu verbinden (die Feder wurde häufig in Vodou-Ritualen verwendet). Er hatte übrigens den Eindruck, dass Laveaux’ Sinnesart sich nicht aus paternalistischer Herablassung speiste, sondern aus einem wirklichen Bekenntnis zu den Grundsätzen der republikanischen Gleichheit. Dies wurde auf die Probe gestellt, als der wohlhabende amerikanische Händler Stephen Girard Laveaux 1795 ersuchte, seinen Sklaven Crispin auszuliefern, der aus Philadelphia entlaufen war und es bis nach Port-de-Paix geschafft hatte. Der Gouverneur antwortete empört: «Sie müssen sehr wenig von mir wissen, wenn Sie zu hoffen wagen, dass ich im Widerspruch zu unserer Glor reichen Verfassung meine Zustimmung dafür geben würde, einen Mann gegen seinen
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eigenen Willen zu zwingen, das Land der Freiheit zu verlassen, wo er Zuflucht fand. In Philadelphia war Crispin ein Sklave. Habe ich das Recht, ihm zu befehlen, sich wieder in Ketten zu begeben? Ganz gewiss nicht.»19 In einem seiner späteren Briefe beglückwünschte Toussaint Laveaux dazu, dass er «schwarze Menschen nicht wie Kinder» behandelte, sondern «ihnen den Weg zum Gemeinwohl wies und sie ermutigte, ihn zu gehen»: Das war genau seine eigene Philosophie.20 Dieses gemeinsame Wertesystem wurde in Toussaints militärischen Proklamationen deutlich, in denen er oft behauptete, «im Namen des Generalgouverneurs» zu sprechen. Als er zum Beispiel Anfang 1795 eine Gruppe von französischen Rebellen aufforderte, sich zu ergeben, versicherte er, dass er und Laveaux an die Grundsätze von «Humanität» und «Frieden» glaubten und daran, «unsere Brüder von Irrwegen abzubringen und ihnen eine helfende Hand zu reichen». Toussaint fügte hinzu: «Wie alle Republikaner bin ich vom heftigen Verlangen erfüllt, nur Brüder und Freunde zu finden, wohin auch immer ich die Soldaten unter meinem Befehl führe.»21 Zu Ehren der Französischen Revolution benannte Toussaint eines seiner Regimenter nach den sans-culottes, und das musikalische Repertoire seiner Soldaten umfasste eine Reihe französischer Revolutionslieder, darunter die «Marseillaise» und die «Carmagnole».22 Die vollkommene Hingabe, die Toussaint von seinen Soldaten auf dem Schlachtfeld erwartete, wurde von ihrem Kommandeur vorgelebt. Er war der Inbegriff des charismatischen militärischen Anführers: ein Vorbild an Askese, schlief er nachts nur wenige Stunden, trank keinen Alkohol und übertraf an körperlicher Ausdauer selbst die härtesten seiner Männer.23 Sein täglicher Speiseplan bestand aus einem Gemüseteller, der mit ein paar Stückchen Hühner- oder gepökeltem Rindfleisch serviert wurde – und wenn es kein Fleisch gab, mit Eiern oder Käse. Er ließ sich über ein Kuriersystem ständig über militärische Operationen informieren, und diese Nachrichten erreichten ihn zu jeder Tages- oder Nachtzeit, wo immer er sich gerade befand; sein Stab war angehalten, ihn bei besonders dringenden Botschaften zu wecken.24 Herauszufinden, wo sich Toussaint befand, war nicht leicht, da er ständig unterwegs war und so schnell ritt, dass er häufig seine eigene Garde verlor, die weit abgeschlagen hinter ihm nachfolgte, obgleich die Männer wegen ihrer besonderen reiterlichen Fähigkeiten ausgewählt
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Marcus Rainsford war ein britischer Soldat, der 1799 Saint-Domingue besuchte, wo er Toussaint kennenlernte. Sein 1805 erschienener Historical Account of the Black Empire of Hayti würdigte Toussaints Fähigkeiten als politischer und militärischer Führer.
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worden waren. Er war derart allgegenwärtig, dass er seinen Truppen das beruhigende Gefühl gab, immer in ihrer Nähe zu sein – ein Gefühl, das durch sein bemerkenswertes Gedächtnis für Orte und Namen verstärkt wurde: Er hatte oft eine bessere topographische Kenntnis bestimmter Gegenden als die Kundschafter, die dorthin geschickt worden waren, und konnte seine Soldaten und Offiziere fast immer beim Namen rufen, selbst wenn er ihnen Jahre zuvor nur flüchtig begegnet war. Diese Eigenschaften verliehen ihm eine fast mystische Aura bei seinen Männern, von denen viele ihren Kommandeur als ein göttliches Wesen ansahen. Toussaints Autorität beruhte zum Teil auch auf seiner Fähigkeit, den Glauben seiner Männer an das Übernatürliche anzusprechen; beispielsweise wurde das rote Halstuch, das er oft um den Kopf gebunden trug und dessen Ecken auf besondere Weise zusammengeknotet waren, als Symbol für Ogoun Fer gesehen, den Vodou-Geist des Krieges und des Zorns, der seine Anhänger in die Schlacht führte und beschützte (in der westafrikanischen Kosmologie wurde dieser Geist auch als Schmied dargestellt und mit Heilung und Versöhnung assoziiert).25 Es gab den verbreiteten Glauben, dass ihm seine militärischen Entscheidungen von seinem Schutzgeist eingegeben wurden.26 Kühnheit war eine von Toussaints herausragenden Eigenschaften als Kommandeur, und häufig befand er sich in den vordersten Reihen, wenn er den Angriff auf die feindlichen Linien leitete. Es gibt zahlreiche Beispiele für seine Heldentaten, von denen viele schon zu seinen Lebzeiten zu Legenden wurden. Als er im Oktober 1794 Saint-Raphaël von seinen ehemaligen spanischen Verbündeten zurückeroberte, sah er, dass ihre Stellung von einem erhöhten Festungswerk aus verteidigt wurde, das mit schwerer Artillerie bewehrt und von einem breiten Festungsgraben umgeben war. Seine Kavallerie griff zweimal an, musste sich aber jeweils unter heftigem Beschuss zurückziehen und verlor 200 Mann. Toussaint gelang schließlich der Durchbruch, indem er die Überreste seiner berittenen Truppe durch einen Hagel von Musketen- und Kanonenkugeln ins Lager trieb; mit diesem dritten Kavallerieangriff wurde der Feind in die Flucht geschlagen.27 Im August 1795, als Toussaint die Region von Mirebalais von den Spaniern und Briten zurückeroberte, leitete er in ähnlicher Weise persönlich den Angriff auf das Fort in Lascahobas, das von 400 schwerbewaffneten Männern gehalten wurde, und führte den siegreichen Kavallerieangriff an, dem ein Viertel der Feinde zum Opfer fielen.28
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Als unerschrockener Kämpfer in vorderster Front setzte Toussaint das ganze Arsenal militärischer Instrumente ein, das ihm zur Verfügung stand. Im Juli 1794 nahm er die Stellungen von Jean-François in Dondon und Fort-Dauphin ein, verfolgte den abziehenden Feind bis ins Buschland und zwang ihn so, seine gesamte Ausrüstung, seine Vorräte und schriftlichen Dokumente zurückzulassen; wie er Laveaux voller Genugtuung berichtete, «rettete er nur sein Hemd und seine Hose».29 Er war ein ausgezeichneter Schütze und demonstrierte es mit Erfolg: Während des Angriffs auf einen weiteren spanischen Stützpunkt setzte er Soldaten nach, die in den Wald geflohen waren, manövrierte sie mit seinen Dragonern an eine exponierte Stelle und traf sie dort mit seinem Gewehr.30 Anfang 1795, als er die Feste von Saint-Malo eroberte, war die entscheidende Aktion ein Bajonettangriff, den er anführte.31 Wenn alles andere misslang, war da immer noch seine fast tollkühne Verwegenheit: Auf dem Höhepunkt einer Schlacht gegen die britischen Streitkräfte versuchten Toussaints Truppen wiederholt, eine Redoute einzunehmen, die vom Feind hartnäckig verteidigt wurde. Als mehrere Angriffe seiner Soldaten es nicht vermocht hatten, die verschanzten britischen Dragoner zu vertreiben, überwältigten Toussaint und sein Stabschef, General Pierre Agé, sie mit einer kleinen Abteilung im Nahkampf. Toussaint umarmte Agé und erklärte ihm, er sei «als Infanterist ebenso mutig wie herausragend als General»;32 das Gleiche lässt sich über seinen Kommandeur sagen. Diese Feldzüge erforderten Tapferkeit und Wagemut, aber auch enorme körperliche Ausdauer. Toussaint erwähnte einmal, dass er an fünfzehn aufeinander folgenden Tagen in Gefechte verwickelt gewesen sei; es war gewiss von Vorteil, dass er nachts nicht mehr als ein paar Stunden Schlaf brauchte.33 Aber diese langen Kampfphasen belasteten zuweilen Toussaints Gesundheit. Bei einem Gefecht in Petite-Rivière eilte er einem örtlichen Kommandanten zu Hilfe, der nach einem Überfall der Königstreuen um Unterstützung gebeten hatte: Er ritt die Nacht durch, obwohl er hohes Fieber hatte, und half seinen republikanischen Truppen, eine Reihe von royalistischen Angriffen zurückzuschlagen.34 Bei der Rückkehr von einer Inspektionstour in Artibonite im Dezember 1795 informierte er Laveaux, die Reise habe «ihn so erhitzt», dass er unter «erhöhter Temperatur» litt.35 Reisen über die unruhige See im Norden und Westen von Saint-Domingue forderten ebenfalls ihren Tribut: Eine andere Inspektionsreise per Boot führte zu einer «ernsten Unpässlichkeit».36
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Als er im Juli 1796 mit der Rückeroberung britischer Stellungen um Arcahaie beschäftigt war, gestand Toussaint, er sei «die letzten sieben Tage sehr krank» gewesen.37 Dutzende von Pferden waren unter ihm getötet worden, und er selbst war im Kampf siebzehn Mal verwundet worden; das sichtbarste (und bleibende) Zeugnis dieser Verletzungen war das Fehlen der meisten seiner Vorderzähne, die er verloren hatte, als eine Kanonenkugel neben ihm einschlug – daher die verbreitete, aber falsche Annahme, der Name «Louverture» beziehe sich auf die Öffnung vorne in seinem Mund. Toussaint belagerte zweimal das von Briten kontrollierte Saint-Marc und wurde beide Male verwundet: das erste Mal durch ein Kanonenrohr, bei dessen Aufstellung er seinen Soldaten half, das aber herabstürzte und alle Finger seiner einen Hand zertrümmerte; und das zweite Mal, als er sich eine schwere Armverletzung zuzog und gezwungen war, eine Schlinge zu tragen. Diese Wunde hielt ihn freilich nicht davon ab, einen Angriff auf eine Kolonne britischer Soldaten anzuführen und sie in die Flucht zu schlagen.38 Als Laveaux ihn aufforderte, sich zu schonen, antwortete Toussaint mit stoischem Gleichmut: «Lieber leide ich und tue aber weiterhin gute Dinge.»39 Im Jahre 1799 gab er zu, er leide nach einer Verletzung am linken Bein, die er sich in der Endphase des Feldzugs gegen die Briten zugezogen hatte, «unter grausamen Schmerzen».40 Diese Hyperaktivität, zusammen mit seiner vermeintlichen Unbesiegbarkeit auf dem Schlachtfeld, bestätigte die Soldaten in dem Glauben, dass er in engem Kontakt mit den Vodou-Geistern stand, die ihm übernatürliche Kräfte verliehen. Diese Vorstellungen wurden noch verstärkt durch Naturereignisse, die jeweils zu einem so günstigen Zeitpunkt eintraten, dass sie wie durch ein Wunder die Lage zu seinem Vorteil wendeten. Ein solches Vorkommnis gab es 1797 während eines Gefechts mit den royalistischen Truppen von Dessources, einem Kolonistenkommandeur, der sich gerade von Verrettes zu seiner Basis nach Saint-Marc zurückzog, um einen Zusammenstoß mit Toussaints vorrückender Armee zu vermeiden. Als die Royalisten eine offene Straße erreichten, ging ein sintflutartiger Regen auf sie nieder, der all ihre Waffen durchnässte und unbrauchbar machte; doch der Regen verschonte Toussaints Truppen, die sich nur zwei Meilen entfernt befanden. Da sich die Royalisten nur noch mit ihren Bajonetten verteidigen konnten, wurden sie stark dezimiert.41 Dessources muss sich wie unter einem Fluch vorgekommen sein: Drei Jahre zuvor hatte Toussaint seine Streitkräfte nach siebenstündigem
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Gefecht zerschlagen und sie zurück nach Saint-Marc geschickt: «ohne Kanone, ohne Bagage, ohne Hüte, ohne Schuhe, ohne Pferde, kurz gesagt, sang- und klanglos.»42 Eines der unlösbaren Rätsel bleibt, wie Toussaint, der vor der Revolution keinerlei militärischen Hintergrund hatte und körperlich nicht an einen Herkules erinnerte, solche überragenden Kämpferqualitäten hatte entwickeln können. Wie die meisten großen Revolutionsführer war er in erster Linie Autodidakt. Aber er wusste auch, an wen er sich um Hilfe wenden konnte. Laut den Erinnerungen seines Sohnes Isaac begann Toussaint gleich nach dem Sklavenaufstand von 1791 mit einer regelrechten militärischen Ausbildung: Er bat einen ehemaligen Offizier aus Cap, ihm Unterricht im Fechten und in Militärstrategie zu geben, und jeden Morgen übte er unter Anleitung dieses Lehrers gewissenhaft die «Handhabung der Waffen». Der Schüler lernte schnell: Er war bald in der Lage, die Bataillonsmanöver von Biassous Garde zu leiten. Eine weitere Hilfe war in jener Zeit ein schwarzer Offizier namens Gille Lavette, der in der Kolonialmiliz von Saint-Domingue gedient hatte. Nachdem sich Toussaint 1794 dem republikanischen Lager angeschlossen hatte, versahen ihn mehrere französische Offiziere mit Grundkenntnissen der Militärtheorie, insbesondere General Edme Desfourneaux, der Toussaint mit französischen Standardwerken wie Chevalier de Cléracs Traité über Festungsanlagen bekanntmachte.43 Toussaints Bibliothek war gut ausgestattet mit Klassikern der republikanischen Kriegskunst, darunter Herodots Perserkriege, Vegetius’ De re militari, Caesars Commentarii, d’Orléans’ Geschichte der Revolutionen in England und Spanien sowie die unvermeidlichen Vitae von Plutarch.44 Toussaints eigentliche Stärke auf dem Gebiet der Militärstrategie – wie auf vielen anderen Gebieten – lag in seiner Fähigkeit zur kreativen Adaption. Er bediente sich der gesamten Bandbreite vorhandenen Materials, seien es die Annalen der fernen Vergangenheit oder Erfahrungen aus der unmittelbaren Gegenwart, von bewährten europäischen Militärexperten oder Marron-Rebellen in Saint-Domingue, von den engsten Verbündeten oder den schlimmsten Feinden. Als es beispielsweise um die Aufstellung seiner eigenen Truppen ging, schrieb er Mitte 1794 an Laveaux und bat um eine Kopie des im Besitz des Gouverneurs befindlichen Handbuchs über das Exerzierreglement, so dass er «die Soldaten, sowohl die Infanterie wie die Kavallerie, ausbilden [konnte] und die
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Offiziere die Kommandosprache beherrschen lernen.»45 Diese republikanische Bibel reichte allerdings nicht aus, und ein Jahr später verriet er, dass er von einem royalistischen Offizier, der für das Drillen von Dessources’ Legion zuständig war, ein Ausbildungshandbuch erbeutet hatte: Es schien ihm für seine eigenen Zwecke sehr geeignet, und er wollte es verwenden, selbst wenn dies «auf Kosten der Majestät dieses britischen Sire» geschah.46 Innerhalb weniger Jahre hatten die besten seiner Soldaten erstaunliche Fähigkeiten an der Waffe entwickelt. Ein ehemaliger britischer Offizier, der in den späten 1790er Jahren Saint-Domingue besuchte, war beeindruckt von der Geschicklichkeit, mit der Toussaints Infanterie ihre Bajonette handhabte: «Mit dieser schrecklichen Waffe, die auf extra langen Musketen befestigt war, konnten weder Artillerie noch Kavallerie diese Infanterie bezwingen, selbst wenn sie zahlenmäßig unterlegen war; und wenn sie in ihren geordneten Linien angegriffen wurden, konnte keine Macht sie überwältigen.»47 Diese Ausbildung war um so effektiver, da sie keiner Munition bedurfte, an der es immer mangelte. Zugleich hielt Toussaint europäische Methoden nicht für die einzige ihm verfügbare Quelle; sein strategisches und taktisches Denken wich oft von der europäischen Militärtradition ab. Er bestand darauf, dass seine Soldaten nur das Notwendigste mit sich trugen, und brachte ihnen bei, sich nachts an den Sternen zu orientieren und mit hohem Marschtempo zu bewegen. Auf dieser Mobilität lag auch der Schwerpunkt von Toussaints Anpassung des Kampftrainings an die Landschaft von Saint-Domingue, vor allem an die Wälder, das Hügel- und Buschland, die Schluchten und Berge. Dies führte zur Entwicklung von Kampfweisen, die es ermöglichten, sich flexibel im Gelände zu bewegen, ohne den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe zu verlieren. Die Originalität dieser taktischen Kombinationen stach auch beim Exerzieren von Toussaints republikanischer Armee ins Auge: «Jeder kommandierende General hatte eine Halbbrigade … [Sie] führten verschiedene ihrer Kampfmethode entsprechenden Manöver gleich exzellent aus. Bei einem Pfiff rannten die Männer einer ganzen Brigade drei- oder vierhundert Meter weit, trennten sich dann, warfen sich auf den Boden, drehten sich auf den Rücken oder auf die Seite und feuerten die ganze Zeit, bis sie zurückbeordert wurden; dann formierten sie sich im Nu wieder in der gewohnten Ordnung.»48
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Toussaints Originalität als Militärstratege lag nicht nur in der unkonventionellen Ausbildung seiner regulären Soldaten, sondern auch in der neuartigen Vorbereitung seiner Truppen auf unkonventionelle Kampfeinsätze. Hier bediente er sich ausgiebig der Methoden, die die MarronRebellen in Saint-Domingue entwickelt hatten: systematische Ausnutzung der Vorteile des Terrains; Erbeutung von Waffen, indem man den Feind in eine Falle lockt; Tarnung; psychologische Einschüchterung des Feindes mit verschiedensten Mitteln; Irreführungen wie vorgetäuschte Feuerpausen und Kapitulationen.49 Toussaints taktische Pläne hatten oft damit zu tun, den Feind auf falsche Fährten zu locken. Die raffinierteste dieser Finten – sie wurde legendär – gehörte zu einem Plan im August 1794, einen der fähigsten britischen Offiziere, Major Thomas Brisbane, gefangen zu nehmen. Wenige Monate nachdem Toussaint zur republikanischen Seite übergewechselt war, gab er vor, an den Franzosen zu zweifeln und sich einen Wechsel ins britische Lager vorstellen zu können; er wies seine Leutnants an, die republikanisch kontrollierten Gebiete von Verrettes und Petite-Rivière zu übergeben, was sie pflichtgemäß taten. Die Feindseligkeiten wurden eingestellt, die Soldaten fraternisierten. Toussaint traf sich über acht Tage mehrfach mit Brisbane und seinem Stab, wechselte in diesem Zeitraum siebzehn Briefe mit ihm und schwor seine Treue zu König George III. Währenddessen aber plante er heimlich, den britischen Offizier mit Hilfe von dessen Sekretär Morin, den er für die republikanische Sache gewonnen hatte, in die Falle zu locken. Toussaint versprach, Brisbane Gonaïves zu übergeben und lud ihn ein, mit seinem Gefolge die Stadt in Besitz zu nehmen; der britische Kommandeur schickte einen seiner royalistischen Vertreter. Zwei Tage später kam Toussaint mit einer großen Armee, eroberte die Stadt zurück und nahm eine Reihe von ranghohen Offizieren gefangen. Brisbane entging ihm nur knapp.50 Erfolgreich waren auch Hinterhalte für feindliche Konvois wie beispielsweise Anfang 1795, als Toussaints Soldaten einer royalistischen Abteilung aus Saint-Marc auflauerten, die Nachschub und Proviant zu benachbarten Truppenlagern bringen sollte: Sie erbeuteten «sieben Wagen vollgeladen mit Lebensmitteln». Der unglückliche Dessources, der den Angegriffenen zu Hilfe eilte, erlitt wieder eine Niederlage: Er verlor mehr als sechzig Kämpfer und bekam als Abschiedsgruß eine republikanische Kugel in den Oberschenkel.51 Ein Jahr darauf wurden 500 britische Soldaten von Toussaints Leuten bei Petite Montagne aus einem
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Hinterhalt überfallen, mit erheblichen Verlusten an Männern und «sieben Karren vollgeladen mit Lebensmitteln». Der Überraschungseffekt und die sorgfältige Positionierung seiner Männer erlaubte es Toussaint, diesen Erfolg mit einer kaum halb so großen Streitmacht wie der des Feindes zu erzielen.52 Solche Taktiken wurden während des gesamten Kriegs gegen die Briten angewandt. Im letzten Feldzug Anfang 1798 befahl er einem kleinen Kontingent seiner Soldaten, sich vor den britischen Außenposten bei Charbonnière im Randgebiet von Port-auPrince zu zeigen und «so zu tun, als stünde ein Angriff auf diese Posten kurz bevor»; der Großteil seiner Truppen wurde derweil an den Straßen positioniert, die aus der Stadt führten, so dass sie die Briten angreifen konnten, wenn sie ausrückten, um ihre belagerten Kameraden zu retten. «Macht euch so klein wie möglich», instruierte Toussaint seine Kommandeure, «denn wer auf der Lauer liegt, ist viel stärker als derjenige, der überrascht wird.»53 Diese Täuschungsmanöver wurden mit einer weiteren von Toussaints bevorzugten Taktiken kombiniert, die direkt aus dem Repertoire des Sklavenaufstands stammte: die beständige Einschüchterung des Feindes. In einem Brief an Laveaux schrieb er sogar die Mehrzahl seiner Siege dieser Form der psychologischen Kriegsführung zu.54 Diese Behauptung lässt sich erhärten, wenn wir die Zeugnisse von Toussaints Feinden zu Rate ziehen, vor allem das Journal von Leutnant Howard von den York-Husaren, der in den letzten Jahren des britischen Feldzugs in Saint-Domingue kämpfte. Seine Tagebücher berichten von den Qualen, die die Briten von Toussaints «Briganten» zu erleiden hatten, insbesondere der ständigen Angst davor, «aus dem Gebüsch heraus ermordet zu werden» oder «von wo immer sie die Chance hatten, [uns] den Weg abzuschneiden».55 Ebenso demoralisierend war Toussaints Praxis, kleine bewegliche Einheiten auszuschicken, die britische Außenposten spät in der Nacht aufschreckten und Chaos verursachten, so dass die Soldaten keinen ausreichenden Schlaf fanden. Howard beschrieb, wie einmal «eine Gruppe von mehreren Männern» um elf Uhr abends ans Tor seines Lagers kam und mehrmals schoss, bevor sie sich in die Dunkelheit zurückzog. Der Offizier trommelte ein paar seiner Soldaten zusammen und nahm über fünf Meilen die Verfolgung der Angreifer auf, aber ohne Erfolg. Howard kehrte zurück, legte sich schlafen, nur um gegen vier Uhr nachts erneut von Schüssen aufgeschreckt zu werden. Dieses Mal weckte er alle Männer unter seinem Kommando und suchte das gesamte
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Gebiet rings um das Lager ab, «konnte aber keine Seele erwischen». Später erfuhr er, dass andere britische Posten in dieser Nacht auf die gleiche Weise von Toussaints unsichtbaren Kämpfern attackiert worden waren.56 Diese Taktik der Schikane, die von Louverture und seinen Männern zur hohen Kunst entwickelt wurde, verursachte bei den britischen Streitkräften ein ständiges Gefühl der Unsicherheit, das ihr Selbstvertrauen untergrub, zumal sie wussten, dass sie von ihrem Gegner, den sie weder sehen noch hören konnten, ständig beobachtet wurden. Toussaint war außerordentlich erfolgreich bei der Beschaffung von Informationen über Feindesaktivitäten: durch Spione, Informanten, das Abfangen von Nachrichten oder durch Geflüchtete und Ortsansässige wie Bauern und Fischer, die Berichte aus erster Hand lieferten.57 Diese «grandes intelligences», wie er sie nannte, lieferten unschätzbare Erkenntnisse über die Pläne der Feinde, die er in die Vorbereitung seiner eigenen Aktionen einfließen ließ.58 Auch wurden Naturereignisse zur Tarnung von Militäroperationen genutzt. Zum Beispiel machte es sich Toussaint zur Gewohnheit, die Briten bei Unwetter anzugreifen, vor allem bei Gewittern, die in Saint-Domingue ziemlich spektakulär sein können. Howard beschrieb ein solches Ereignis, das sechs Stunden dauerte, als «eines der größten Schreckenserlebnisse, die ich je hatte»; dieser Zusammenhang von Gewittern und möglichen Angriffen löste bei den feindlichen Soldaten begreiflicherweise Entsetzen aus.59 Toussaints Männer übernahmen von den Marron-Rebellen auch die Methode, während bestimmter Phasen des Kampfs angsteinflößende Geräusche wie «Schreie, Zischlaute und das laute Schlagen von Trommeln» einzusetzen; konfrontiert mit diesem «ohrenbetäubenden Lärm», suchten britische Soldaten bei einem Waffengang in «tumultartigem Schrecken» das Weite.60 Dank all dieser Kniffe waren Toussaints Streitkräfte in der Lage, kühne Vorstöße ins Herz des von Briten gehaltenen Territoriums durchzuführen: In der Nacht vom 16. April 1797, so notierte Howard, stieß eine «Gruppe von Briganten … mitten in die Regimentsunterkünfte von Saint Marc vor, ohne bemerkt zu werden», und machte sich mit sechs Reitpferden davon. Dieser Diebstahl aus den Kasernen frappierte die Briten. Howard nannte ihn «einen der dreistesten Anschläge, der je in der Militärgeschichte verübt wurde».61
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Toussaints Schriften bieten zwar faszinierende Einblicke in seine militärischen Operationen, aber er hinterließ keine umfassenden Berichte über seine Feldzüge. In einem seiner späteren Briefe zählte er mehr als fünfzig wichtige Siege gegen spanische und britische Streitkräfte zwischen 1794 und 1798 auf.62 Doch obwohl wir seine Bewegungen während dieser Episoden grob nachvollziehen können, vor allem durch seine Korrespondenz mit den französischen Gouverneuren, fehlen uns häufig spezifische Daten und Orte, Informationen über seine strategischen Pläne und Truppenbewegungen sowie präzise Schlachtbeschreibungen. Eine gewichtige Ausnahme bildet sein erfolgreicher fünfzehntägiger Feldzug im April 1797, mit dem Ziel, das Tal von Mirebalais von den Briten zurückzuerobern, über den er einen detaillierten Bericht verfasste. Die Region war von beträchtlicher militärischer Bedeutung, da es sich um eine natürliche Festung handelte, die für die Nord-, West- und Südprovinzen als Eingangstor zum Landesinneren diente und zugleich eine potenzielle Fluchtroute in spanisches Territorium bot. Ihre Farmen, die von Weißen und freien People of Color bewirtschaftet wurden, waren wichtige Fleischlieferanten, und ihre Baumwoll-, Indigo- und Kaffeeplantagen waren großenteils von den Verheerungen der frühen Revolutionsjahre verschont geblieben.63 Das Gebiet war seit 1795 von den Briten besetzt, so dass royalistische Kräfte ihre Kontrolle bis zur Grenze nach Santo Domingo ausdehnen konnten. Toussaint startete einen Gegenangriff und eroberte bis Juni 1795 große Teile der Region zurück. Doch die Briten und ihre Verbündeten formierten sich neu, schlugen zurück und bereiteten seiner Armee im August 1796 eine schwere Niederlage: Nachdem sie ihre gesamten Truppen von Grand-Bois, Arcahaie, Croix-des-Bouquets und Port-au-Prince zusammengezogen hatten, überrannten die Royalisten die republikanischen Stellungen um Lascahobas und vernichteten das 4. Regiment der Republikaner fast vollständig; nur etwa fünfzig Mann überlebten.64 Als Toussaint in den ersten Monaten des Jahres 1797 einen Gegenschlag vorbereitete, hatten die Briten ihre Stellungen inzwischen mit einem Netzwerk von Lagern ausgebaut, die von meist hochgelegenen Forts geschützt wurden. Toussaint verließ Gonaïves am 15. März und reiste entlang der westlichen Truppenlinie, inspizierte die Truppen und stellte am 24. März aus seinem 4., 6., 7. und 8. Regiment bei Verrettes eine Armee von über 12 000 Mann zusammen. Auf seinem Weg nach Petite-Rivière zog er
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sich eine schwere Verletzung zu, als er von seinem Pferd an einer schwierigen Passage abgeworfen wurde; er musste mit einer Kutsche nach Verrettes weiterfahren. Dort richtete er sein Hauptquartier ein und organisierte seine Armee in drei Kolonnen, von denen er eine unter dem Befehl von Christophe Mornet abkommandierte, die Hauptstraße zwischen Mirebalais und Port-au-Prince zu besetzen, um die Ankunft britischer Verstärkungen zu unterbinden. Mornets Truppen kämpften sich bis zur Straße vor, hielten die Stellung und besiegten royalistische Hilfstruppen; in diesem Gefecht kam der Sohn von Desbruges, dem feindlichen Kommandeur der Region, ums Leben. Im nächsten Schritt befahl Toussaint seinen beiden anderen Kolonnen unter Clervaux und Dessalines, unverzüglich auf zwei britische Hauptstützpunkte vorzurücken, die hoch gelegenen Befestigungen von Bourré und La Selle, deren Verteidiger die Angreifer mit Sprechchören wie «Vive le Roi» empfingen; die Republikaner antworteten mit Revolutionsliedern, während sie ihre Geschütze schmale Bergpfade hinaufschleppten. Die Forts hielten Dessalines’ Kanonen nicht stand, und als die fliehenden Royalisten den Fluss Artibonite zu erreichen versuchten, wurden sie dort von der republikanischen Kavallerie aufgerieben. Die Stadt Mirebalais fiel wenig später in republikanische Hände, und die Royalisten zogen sich in die Berge vom Grand Bois zurück. Toussaint schrieb, dass die Briten sich nicht sonderlich anstrengten, um Mirebalais zu verteidigen, obgleich es von einer imposanten Festung beschützt wurde; der Feind «zog sich beim Anblick republikanischer Bajonette in Panik zurück».65 In diesem Moment trat Toussaint in die Kampfhandlungen ein. Er schreibt in seinem Bericht: «Ich litt immer noch stark, aber der Erfolg der republikanischen Armee betäubte den Schmerz, und ich wollte unbedingt den Sieg zu Ende führen und den Feind aus der Region vertreiben.»66 Einer der großen taktischen Vorteile war seine genaue Kenntnis des Terrains, die er nun voll ausschöpfte. Er übernahm das Kommando über Clervaux’ Kolonne, die er mit seinem eigenen Kavallerie-Regiment vereinigte, und nahm die Verfolgung der retirierenden Royalisten bis in den Grand Bois auf; innerhalb von 36 Stunden umstellte er die Forts der Lager von Cotineau, Coupé, Guerrier, Bobin und Sainte-Victoire und brannte sie nieder, während Dessalines die befestigten Stützpunkte von Cayettes, Dattis und Basile einnahm. Am Ende des Feldzugs hatten Toussaint und seine Männer Mirebalais zurückerobert und die Grand Bois-Berge vom Feind gesäubert; kolonistische Sklavenhalter der
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Gegend hatten sich ergeben, mehrere hundert Royalisten waren gefallen, und ein beträchtlicher Teil der Ausrüstung des Feindes war erbeutet worden, darunter Kanonen, Gewehre, Pistolen und Munition. Als Toussaint erfuhr, dass die Einwohner der Städte Bánica, Lascahobas und Neyba nach dem Rückzug der Briten deren Armeevorräte geplündert hatten, forderte er sie auf, die Munition sofort seinen Soldaten auszuhändigen; wenn sie dem nicht Folge leisteten, drohte er, ihre Wohnungen und Häuser durchsuchen zu lassen.67 Es wurden etwa sechzig Gefangene gemacht und zurück nach Gonaïves geschickt, hauptsächlich ortsansässige französische Royalisten und schwarze Söldner sowie eine kleine Zahl Briten und Deutsche. Solche Siege zu konsolidieren, war häufig eine mühsame Angelegenheit; innerhalb eines Monats nach dem Erfolg seiner Truppen in Mirebalais schlichen sich die Briten wieder ein und zwangen Toussaint, zurückzukehren und sie erneut zu vertreiben.68 Ein zusätzlicher Faktor machte es seinen Männern schwer, eroberte Gebiete zu halten, wie Toussaint oft monierte: die ungenügende Ausrüstung. Eines seiner ständigen Probleme als Militärkommandeur, insbesondere in den ersten Jahren seines Kampfs gegen die Spanier und Briten, war der Mangel an Waffen und Versorgungsgütern für seine Soldaten. Während des ganzen Mirebalais-Feldzugs im Jahr 1797 bekamen seine Soldaten eine tägliche Ration von drei Hartkeksen.69 Seine Korrespondenz mit Laveaux ist voller Klagen über Schwierigkeiten, mit denen er zu tun hatte: Einmal ging es darum, dass seine Soldaten in Artibonite kein Pökelfleisch und nicht genug Kleidung hatten: Drei Viertel seiner Männer seien «ohne Hemden oder Hosen», und viele seien «nackt wie Regenwürmer».70 Auch wenn seine Offiziere und Soldaten diese Entbehrungen in wahrhaft republikanischer Gesinnung stoisch ertrugen, murrten sie gelegentlich doch: Im Januar 1796 erhielt Toussaint eine von Offizieren des 5. Regiments unterzeichnete Petition, das in der entlegenen Gegend von Dondon stationiert war. Sie seien dem «äußersten Elend ausgesetzt»; sie hätten keinen Sold bekommen, und ihre Verpflegung sei aufgebraucht; sie erhielten sich nur mit einem knappen Vorrat an Bananen und gesalzenem Fisch am Leben.71 Diese Notlage war kein Einzelfall: Einer seiner Kommandeure vor Ort informierte Toussaint, dass er seine Männer nicht länger bei der Stange halten könne, da sie keine Lebens-
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mittel und keine Kleidung mehr hätten und nunmehr «gezwungen [seien], anderswo zu marodieren, um zu überleben».72 Im Juli 1796 informierte Toussaint seine Vorgesetzten, er sehe sich nicht in der Lage, einen Angriff auf britische Stellungen zu unternehmen, da seine Soldaten seit drei Monaten hungerten. Seine Mehlvorräte waren geschwunden, und sintflutartige Regenfälle hatten Grundnahrungsmittel wie Bananen und Süßkartoffeln, auf die er gewöhnlich zurückgriff, zerstört, so dass er sich gezwungen sah, seine Soldaten auszuschicken, um Rohrzucker von den Feldern zu sammeln. Die tägliche Ration der Männer war auf ein einziges Stück Hering oder gesalzenen Kabeljau geschrumpft.73 Ein Jahr später war er trotz der verzweifelten Unterversorgung an der Westfront in der Lage, 250 Fässer Mehl nach Cap zu schicken, während er zugleich festhielt, dass sich seine Soldaten in Jean-Rabel «in äußerster Bedürftigkeit» befänden. Als er die Nachricht erhielt, dass ein Versorgungsschiff für sein Gebiet verloren gegangen war, brach er in Tränen aus.74 Selbst nach der Niederlage der Briten 1798 verbesserte sich die Lage kaum: Toussaint berichtete, seine Truppen an der Westfront seien «extremer Nahrungsknappheit» ausgesetzt und auf Lebensmittel vor Ort angewiesen, die es «nicht im Überfluss» gebe.75 Er beschwerte sich bei seinen Vorgesetzten, die meisten seiner Soldaten seien immer noch «ohne Jacken, Hemden oder Hosen».76 Als wäre dies nicht genug, gab es zudem einen fatalen Mangel an Ausrüstung. Seinen Pferden fehlten Sättel, und Toussaint beklagte sich häufig bei seinen Vorgesetzten darüber.77 Es gab auch ein ständiges Problem mit der Munition, ein wiederkehrendes Thema in Toussaints Korrespondenz mit Laveaux. «Ich habe keinerlei Munition mehr, da wir sie bei den Angriffen auf den Feind aufgebraucht haben», schrieb er 1794; bald darauf, bei der Vorbereitung einer Offensive auf Saint-Marc, erklärte er, er brauche «doppelt so viel Munition» wie in seinen Beständen vorhanden seien. Später, als er die Verteidigungslinien von Gonaïves inspizierte, verlangte er «Kanonen, Mörser und Bomben» und erwartete ihre Ankunft «mit Zittern und Zagen».78 Er verglich die Zusage von 400 Pfund Schießpulver mit einer «wundersamen Rettung»: «Es ist, als wäre ich krank gewesen», schrieb er Laveaux, «und Sie schickten mir die richtige Medizin.» Manchmal schlichen sich zusätzliche Probleme ein: 1796 bat er um 2000 Gewehre, die er auch erhielt; aber es stellte sich heraus, dass sie «in sehr schlechtem Zustand sind, und etwa 150 Bajonette fehlen». Toussaint versprach, alles zu versuchen und sie «zusammenzu-
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flicken», so gut es ging; Improvisation war eine unverzichtbare Notwendigkeit in seiner Kriegskunst.79 Toussaint wurde mit diesen Einschränkungen nicht nur fertig, sondern wendete sie in gewissem Sinne sogar zu seinen Gunsten. Kein Schuss wurde von seinen Soldaten «ohne guten Grund» abgefeuert, wie er Laveaux mitteilte, und er fügte hinzu, er ermahne seine Männer «sehr streng», ihre Munition sparsam zu verwenden. Einer Gruppe von Kommandeuren sagte er, er werde sie «für jedes Stäubchen Schießpulver verantwortlich machen».80 Er bestand auch darauf, dass alle Gewehre und die gesamte Munition, die von den Briten erbeutet wurden, dem Militärdepot übergeben wurden, so dass alles weiter verwendet werden konnte. Er forderte von seinen Offizieren, «die Augen offenzuhalten», um sicherzustellen, dass dieser Befehl ordnungsgemäß ausgeführt wurde.81 Für Toussaint hatte der militärische Erfolg anscheinend etwas besonders Poetisches, wenn er mit der Munition des Feindes errungen wurde. Welchen Mut Toussaint seinen Männern einflößte, zeigt sich daran, dass einige ihrer größten Erfolge aus einer Position zahlenmäßiger und taktischer Unterlegenheit heraus gelangen. Natürliche oder menschengemachte Hindernisse, seien es traditionelle Verteidigungsanlagen außerhalb von Festungen wie Faschinen, spanische Reiter oder erhöhte Stellungen, überwanden sie ohne allzu große Mühe. Zu Beginn des Jahres 1795 griffen die Truppen von Toussaints Neffen Moyse das Fort Bamby an, einen feindlichen Stützpunkt auf der Spitze eines schroffen und fast unzugänglichen Berges. Sie hängten sich ihre Waffen um die Schultern und erklommen den Gipfel, obwohl sie das anhaltende Feuer, das von oben auf sie niederging, nicht erwidern konnten. Trotz des Verlusts einiger Kameraden machten sie die Feinde mit Bajonetten nieder.82 Als Toussaint 1798 mit seinen Elitetruppen den britischen Stützpunkt von Fort Churchill stürmte, stellten seine Männer fest, dass ihre Leitern zu kurz waren, und so standen sie eine halbe Stunde lang einander auf den Schultern und erlitten schwere Verluste, aber schafften es schließlich, in die feindliche Stellung eine Bresche zu schlagen.83 Der Einsatz menschlicher Leitern war zweifellos eine nützliche Technik, denn sie wurde auch bei dem erfolgreichen Angriff auf Camp Martineau, einen anderen britischen Stützpunkt bei Arcahaie, verwendet. Bei Toussaint lautet das so: «Unsere Männer waren gezwungen, sich zusammenzutun, um die Höhe der Mauer zu erreichen» – Brüderlichkeit in Reinkultur!84
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Toussaints Soldaten sahen sich oft einer feindlichen Übermacht gegenüber. Ende 1794 wurden zum Beispiel dreißig seiner Männer nach Verrettes entsandt, um einen royalistischen Angriff zurückzuschlagen. Als sie dort ankamen, waren sie mit einem Feind konfrontiert, der zehnmal so stark war und sie dreimal hintereinander angriff; jede Attacke wurde abgewehrt, bei der dritten verlor der royalistische Kommandeur Bisquet sein Leben.85 Ein Jahr darauf erhielt Toussaint die Nachricht, Moyses Truppen seien im Gebiet von Dondon in einem Gefecht mit Jean-François’ wiederum zahlenmäßig deutlich überlegener Miliz ins Hintertreffen geraten. Als Toussaint mit nur fünfzig Mann zu Hilfe eilte, befand sich Moyses Truppe in arger Bedrängnis, sie hatten keine Munition mehr und «nur noch ein Fässchen Schießpulver». Doch sah Toussaint mit großer Freude, dass seine Männer immer noch den Feind angriffen – mit Steinen. Er feuerte seine Soldaten an, die mit solcher Heftigkeit kämpften, dass die Truppe von Jean-François sich auflöste und floh.86 Diese und viele weitere Beispiele militärischer Tapferkeit zeigen, dass Toussaint oft die Unterlegenheit seiner Truppen in eine Waffe umschmiedete, indem er einerseits an ihren Mut appellierte und ihnen andererseits den unerschütterlichen Glauben an die Gerechtigkeit ihrer Sache einimpfte: Eine Armee, die für die Befreiung ihrer schwarzen Brüder kämpfte, könne nie von ihren Feinden besiegt werden, gleichgültig wie gut diese ausgestattet, finanziert oder bewaffnet seien. Ein sehr schönes Beispiel dafür, wie intensiv Toussaint seine Soldaten auf diese republikanische Philosophie einschwor, trat zutage, als sie eine Einladung von Jean-François erhielten, die französische Seite zu verlassen und sich dem König von Spanien anzuschließen. Sie beantworteten diesen Aufruf zum Verrat mit einer grandios herablassenden Proklamation: «Unsere Freiheit unterscheidet sich sehr von Eurer», schrieben sie, «Ihr seid nur die Sklaven eines Königs, wir aber sind freie republikanische Männer, die Euren König verachten.» Und was den Überfluss an Waffen und Munition anbetrifft, die Jean-François vom König erhalten hatte, taten Toussaints Männer sie mit einem großspurigen Lachen ab: «Nutzt sie ruhig, um Eure Ketten enger zu schließen, denn wir brauchen nur Stöcke und Steine, um Euch die Carmagnole tanzen zu lassen.»87 Bei der militärischen Brüderlichkeit ging es auch um Disziplin, und sie wurde von seinen Feinden als einer der Eckpfeiler seines Erfolgs auf
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dem Schlachtfeld angesehen. Ein französischer General, der später in einem Gefecht Toussaint gegenüberstehen sollte, meinte sogar, dass die Einheit, die er unter seinen Kämpfern herzustellen vermochte, «Louvertures bemerkenswerteste Leistung» war.88 Dieser Zusammenhalt begann bereits an der Spitze seiner militärischen Hierarchie. Toussaint förderte eine begabte Gruppe von Offizieren, die sich im Glied nach oben arbeiteten, bis sie Führungsaufgaben in seiner Armee einnehmen konnten; einige von ihnen wurden später Schlüsselfiguren in der Haitianischen Revolution. Manche dieser Männer, wie Henri Christophe, waren fähige schwarze Kommandeure, denen er die Verantwortung für Regimenter übertrug, die er aufbaute, als er die Führung der Operationen an der westlichen Front übernahm. Christophe wurde schließlich der Militärkommandeur von Cap. Toussaint pries ihn für seinen «Patriotismus», seine «Weisheit und Besonnenheit» sowie für sein strenges Festhalten an der «Ordnung».89 Der auffallendste von Toussaints Führungsoffizieren war Jean-Jacques Dessalines. Gleich zu Beginn, als er Kommandeur von Saint-Michel wurde, erwies sich Dessalines als einer von Toussaints verlässlichsten Leutnants: zäh, furcht- und kompromisslos, war er ein eindrucksvoller Kämpfer, dem wichtige Operationen gegen die Spanier und Briten anvertraut wurden. In seinem Bericht nach der Rückeroberung von Mirebalais 1797 hob Toussaint Dessalines wegen «seines Muts, seiner Standfestigkeit und Umsicht» hervor.90 Er wurde überall dorthin entsendet, wo zivile Unruhen mit hartem Durchgreifen befriedet werden mussten. Am besten hielt man sich nicht in der Nähe auf, wenn Dessalines mit seinen Kämpfern vom 4. Regiment einritt und eine seiner «Säuberungen» durchführte;91 wer an ernsten Gewaltakten beteiligt war, wurde ohne Verzug vor ein Standgericht gestellt und, wenn für schuldig befunden, exektuiert.92 Zu Toussaints militärischer Entourage gehörten einige Personen aus seinem engen Familienkreis: vor allem seine Brüder Jean-Pierre (der mit ihm in der spanischen Armee diente) und Paul (der General wurde), sein Schwager Claude Martin (ein Oberst) sowie seine Neffen Moyse, Charles Bélair, Bernard Chancy und Jacques Chancy.93 Aber sie war zugleich für alle erreichbaren Talente offen, die wie in einem Mikrokosmos die zukünftige brüderliche Gesellschaft repräsentierten, die er in Saint-Domingue aufzubauen hoffte. Unter seinen Führungsoffizieren waren begabte mixed-race Kämpfer wie Augustin Clervaux, die Obersten Morisset
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und Gabart, die Anführer seiner Elite-Kavallerieregimenter (Gabart wurde später Kommandeur der Gendarmerie), und ein Oberst, der ebenfalls Dessalines hieß (aber nicht verwandt mit seinem schwarzen Namensvetter war). Es gab in Toussaints innerstem Zirkel zudem eine Reihe von weißen Europäern – zuvörderst General Agé, sein Stabschef, den wir schon in Aktion gesehen haben, und mehrere Adjutanten wie Dubuisson, Birète und sein getreuer Untergebener Augustin d’Hébécourt.94 Im Gegensatz zu der weitverbreiteten Ansicht, sein Offizierskorps sei von schwarzen kreolischen Einheimischen aus Saint-Domingue dominiert worden, waren viele seiner Militärkader in Afrika geborene bossales. Diese Kämpfer, darunter viele ehemalige Marron-Sklaven, stammten aus der vorherrschenden afrikanischen ethnischen Gruppe in Saint-Domingue, den «Kongos», und wurden rekrutiert, als Toussaint verschiedene schwarze Rebellentruppen unter seinem Kommando vereinigte. Dazu gehörte sein alter Bekannter aus den Bréda-Tagen Sans-Souci, der in den Rang eines Obersten aufstieg und ihm bis zum Ende treu ergeben blieb; weitere bemerkenswerte Bossale-Kommandanten waren Jasmin, Noël Prieur, Labelinaye, Mademoiselle, Sylla und Laplume.95 «Der wackere Laplume», wie Toussaint ihn nannte, war ein sanftmütiger Offizier, der ins Rampenlicht trat, als er seinen Chef, den Milizenführer Pierre Dieudonné, gefangen nahm und seine Kameraden ins republikanische Lager führte; er wurde sofort zum Obersten befördert und später General in Toussaints Armee.96 Mademoiselle wurde in den Rang eines Obersten im 12. Regiment erhoben, das sich zur Gänze aus ehemaligen marrons einer anderen afrikanischen ethnischen Gruppe, den «Docos», zusammensetzte; Toussaint empfand eine besondere Zuneigung zu diesen standhaften Kämpfern, die er seine «unbezwingbaren montagnards» nannte.97 Um unter diesen unterschiedlichen Gruppen einen esprit de corps zu schaffen, predigte Toussaint fortwährend die Tugenden der republikanischen Einheit. Wann immer Spannungen aufflammten, wie sie in den frühen Jahren unvermeidlich waren, sei es zwischen Weißen und NichtWeißen, Schwarzen und mixed-race Gruppen oder Kreolen und bossales, rief der Kommandeur seine Soldaten zusammen und hielt ihnen eine lange Rede, in der er kein Blatt vor den Mund nahm. Nach einer solchen Maßnahme unterrichtete er Laveaux, er habe seinen Offizieren und Soldaten während einer Truppeninspektion eine «mächtige Standpauke» gehalten, so dass sich unter ihnen nun «allmählich ein Zusam-
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mengehörigkeitsgefühl entwickle».98 Bei einer anderen Gelegenheit beschwerten sich seine schwarzen Soldaten darüber, dass er einen weißen Obersten als Kommandanten von Saint-Louis installiert hatte; Toussaint wies das Murren ab und erklärte ihnen, der Mann habe ihm in einer der Schlachten um Saint-Marc das Leben gerettet, und er betrachte ihn als «seinen ältesten Sohn».99 Die positive Wirkung dieser Ansprachen lässt sich an den Eingaben ablesen, die weiße Angehörige seiner Armee an Toussaint richteten, in denen sie ihrem Oberbefehlshaber versicherten, dass sie «keinerlei Probleme» mit ihren schwarzen und mixed-race Kameraden hätten und ihre Beziehung auf «Freundschaft und Brüderlichkeit» basiere – Äußerungen, die zeigen, dass Toussaint die Integration der Ethnien in seiner Armee ständig umtrieb.100 Ebenso wies Toussaint seine Kommandeure auf die absolute Notwendigkeit von «Gehorsam und Disziplin» hin. «Diese beiden sind», so erklärte er ihnen, «die militärischen Tugenden, die einst die Römer zum kriegerischsten aller Völker gemacht haben und die heute die republikanischen Armeen in Europa zum Sieg über ihre Feinde führen.»101 Er gab seinen höheren Offizieren vor jedem Gefecht detaillierte Anweisungen und erwartete von ihnen, dass sie ihn während ihrer Operationen regelmäßig auf dem Laufenden hielten. Als er beispielsweise Anfang 1798 seine Männer zu einem Gefecht mit den Briten entsandte, spezifizierte sein Marschbefehl an Dessalines die Manöver, die von den einzelnen Kolonnen durchzuführen waren, die Orte, wo Hinterhalte gelegt, die strategischen Stellungen, die gehalten, welche Routen eingeschlagen werden sollten, die Art von Männern, die bei bestimmten Operationen einzusetzen, und die Geheimsignale, die für den Beginn koordinierter Aktionen zu verwenden waren – bis hin zu den Vergünstigungen, die man Soldaten in Aussicht stellen sollte, die besonders gefährliche Missionen durchführten.102 Toussaint hielt seine Führungsoffiziere an einer sehr kurzen Leine. Als er in der Endphase des Feldzugs gegen die Briten erfuhr, dass Christophe seine Stellung ohne Erlaubnis verlassen hatte und nach Cap zurückgekehrt war, maßregelte er ihn scharf dafür, dass er «lokale Verwicklungen» wichtiger nahm als seine militärischen Pflichten.103 Er erinnerte sie alle an die zentralen Tugenden der Koordination und Kommunikation: Er erklärte Dessalines, dass der Zeitpunkt seines Manövers entscheidend sei und «die geringste Nachlässigkeit» seinerseits «die ganze Operation zum Scheitern bringen würde».104 Zu Zeiten konnte er seine
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Kommandeure sticheln und sogar mit Spott überziehen. Als er Dessalines mit der Aufgabe betraute, ein von den Briten gehaltenes Fort einzunehmen, gab er ihm genaue Anweisungen, wie er die Operation anzugehen habe, und ermahnte ihn, «belastbare, mutige und erfahrene Soldaten» auszuwählen, die «den Angriff entschlossen durchführten», und nicht «nur so tun, als schössen sie auf den Feind.»105 (Man kann sich ausmalen, wie Dessalines, der selten weniger als sein ganzes Herzblut gab, sich angesichts einer solchen Anweisung zusammenreißen musste.) Doch Toussaint war sich auch der Gefahren bewusst, denen er seine Soldaten aussetzte: Wenn eine feindliche Befestigung nur mit beträchtlichen Verlusten einzunehmen war, wies er seine Kommandeure in der Regel an, die Stellung einzuschließen und den Feind festzunageln, statt das wertvolle Leben seiner Männer aufs Spiel zu setzen. Überdies verteidigte er seine Offiziere, wenn er den Eindruck hatte, ihre Aktionen würden ungerecht dargestellt; er trat für einen seiner Hauptleute ein, als diesem verräterisches Verhalten während eines Gefechts in Dondon 1797 vorgeworfen wurde.106 Toussaint stellte immer höchste Ansprüche an seine Offiziere, und er tadelte jeden Kommandanten, der sich nicht an seine spezifischen Anordnungen hielt, insbesondere wenn er sich – wie es oft der Fall war – persönlich zum Schlachtfeld begeben hatte, um zu demonstrieren, was getan werden musste. Als im Januar 1795 die Militärchefs von PetiteRivière versäumten, seinen Plan – den Fluss Artibionite zu überqueren, um die von Briten gehaltenen Stellungen auf dem anderen Ufer zurückzuerobern – gemäß den Vorgaben richtig umzusetzen, tobte er vor Wut: «Ich habe Euch drei Mal befohlen, das Manöver durchzuführen, und Ihr habt meine Anweisungen ignoriert … Ich habe Euch gesagt, Ihr sollt 18- und 12-Pfünder einsetzen, habe extra die Gegend inspiziert und Euch genau gezeigt, wo diese Geschütze aufgestellt werden müssen … Euer Verhalten war fahrlässig und verantwortungslos.»107 Der Oberbefehlshaber genügte nicht immer seiner eigenen Prämisse, «äußerlich kalt» zu bleiben. Bei seinen Soldaten bestand Toussaint nicht weniger auf Disziplin, sie war sogar der Schlüssel zu seiner Auffassung von richtigem militärischem Verhalten. Die erste Regel, die er vor jeder neuen Operation wiederholte, war die Pflicht, Befehlen Folge zu leisten. Ihre absolute Unverzichtbarkeit nahm in all seinen Ansprachen eine wesentliche
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Rolle ein: In seinem bewegenden Appell vor dem letzten Feldzug gegen die Briten 1798 hob er die Disziplin der französischen Revolutionsarmeen hervor, «die wichtigste Waffe, die sie im Kampf gegen die Tyrannen in Europa besaßen». Er ermahnte seine Männer, ihrem Beispiel zu folgen: «Gehorcht bedingungslos den Befehlen Eurer Vorgesetzten, befolgt die strengste Disziplin und zeigt gegenüber Euren Kommandeuren größte Folgsamkeit: Nur dann können wir sicher sein, die Feinde der Republik zu besiegen.»108 Toussaint war ständig auf der Hut vor britischen Bemühungen, die Moral seiner Soldaten zu untergraben. Am Anfang des Feldzugs sandten die Briten zwei Männer of Color zu Toussaint, um ihn zu bestechen; er schickte sie weiter zu Laveaux, der sie vor Gericht stellen und wegen Verrats hinrichten ließ.109 Die Royalisten begriffen, dass sie an Toussaint nicht herankamen, aber das stachelte sie nur dazu an, weitere Versuche zu unternehmen, seine Soldaten mit Geld auf ihre Seite zu ziehen, was ihn dazu zwang, äußerst strenge Regeln zu erlassen, um mögliche Desertionen zu unterbinden. Während eines Angriffs auf ein britisches Fort zu Beginn des Jahres 1798 lud der Feind acht von Toussaints Soldaten ins Fort ein und bot ihnen, nachdem sie mit Seilen hochgezogen worden waren, Nahrung, Getränke und Geld an, wenn sie sich bereit erklärten, nach der Rückkehr in ihr Lager ihre Kameraden auf ihre Seite zu bringen. Dieser heimtückische Plan wurde von ihrem kommandierenden Offizier entdeckt, und die Soldaten wurden in der Nähe des Forts vor den Augen der britischen Besatzung exekutiert.110 Seine Kommandeure ließen britische Spione in der Regel töten, aber Toussaint versuchte wann immer möglich ihr Leben zu schonen. Als er einmal hörte, dass General Laplume zwei Spione entdeckt und einen von ihnen hingerichtet hatte, eilte er zum Ort des Geschehens und verhinderte nicht nur, dass der andere auch getötet wurde, sondern überzeugte den Spion «von den republikanischen Idealen» und schickte ihn zurück nach Port-au-Prince, damit er seinen schwarzen Kameraden, die auf der britischen Seite kämpften, «die gerechte Sache» predigte.111 Das Plünderungsverbot gehörte zu Toussaints militärischem Kanon. Seine Regeln waren entsprechend drakonisch: Sein Verhaltenskodex für das Militär schrieb vor, dass jeder Offizier oder Soldat, der beim Plündern erwischt wurde, vor ein Standgericht gestellt und im Falle eines Schuldspruchs zum Tode verurteilt wurde; wie bei Verrat hatte die Exekution «sofort an Ort und Stelle» stattzufinden.112 Darüber hinaus war
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jedes Mitglied der Armee aufgefordert, wachsam zu sein und jede Art von Plünderung, deren Zeuge er wurde – sei es von einem Kriegskameraden oder kommandierenden Offizier –, Toussaint direkt zu melden. Zum weit gefassten Tatbestand der Plünderei gehörten «die Aneignung zu persönlichen Zwecken von Gewehren, Säbeln, Munition und jeder Art von militärischer Ausrüstung aus einem Lager, Fort oder Dorf»; die Strafe hierfür war ebenfalls der Tod.113 Toussaint verließ sich nicht allein auf Strafandrohungen: Die Disziplin, die er unter seinen Soldaten hochhielt, basierte auch auf der Vermittlung republikanischer Tugenden. Standhaftigkeit gehörte zu den wichtigsten, und er mahnte seine Männer unermüdlich, zuversichtlich zu bleiben, insbesondere nach Rückschlägen: «Ein guter Republikaner», schrieb er an einen Offizier, der gerade mittels eines Komplotts besiegt worden war, «darf sich nicht entmutigen lassen.»114 Er bestand zudem darauf, dass befreite Territorien mit der größten Gewissenhaftigkeit abgesichert werden müssten: «Jetzt, da wir in diesen Gebieten den Baum der Freiheit gepflanzt haben», erklärte er seinen Männern, «müssen wir die ersten Verteidiger ihrer Besitztümer werden.» Wiederholt ermahnte er seine Offiziere und Soldaten, keine Wohnhäuser oder Plantagen niederzubrennen.115 Grundsätzlich betonte er, dass sie einen gerechten Krieg führten, in dem «die Verlockung materiellen Lohns» unwichtig sei. Tatsächlich machte er sogar aus dem Plünderungsverbot eine moralische Lehrstunde: «Wir kämpfen nicht, um uns zu bereichern: wir werden noch genügend Zeit haben, uns mit solchen Dingen zu befassen, wenn wir die Feinde aus unserem Land und unseren Häusern verjagt haben. Wir kämpfen um unsere Freiheit, welche der größte Besitz ist, den wir erstreben können, und wir müssen sie für uns und unsere Kinder, für unsere Brüder und unsere Mitbürger erhalten.»116 Dieser Appell an eine höhere Moral war ein verblüffender Erfolg, wie sich in der allgemein rücksichtsvollen Behandlung von Zivilisten – insbesondere Weißen – durch Toussaints Soldaten in Kampfzonen zeigte. Als sie ein von Spaniern kontrolliertes Lager überfielen, entdeckten sie eine Gruppe hungernder europäischer Frauen und nahmen sie unter ihren Schutz. Sie gaben ihnen zu essen und kleideten sie, obwohl sie selbst seit Tagen kaum gegessen hatten.117 In der Folge eines der vielen Gefechte um Mirebalais erbeuteten Toussaints Truppen einen Konvoi von zwanzig colons, die mit all ihrer Habe – darunter 200 mit Schmuck und Kostbarkeiten aller Art beladenen Pferden sowie mit
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ihren Sklaven – aus dem republikanisch kontrollierten Gebiet zu fliehen versuchten. Toussaint gab Befehl, die Kolonisten zu ihm zu bringen, und fragte sie, ob seine Soldaten ihnen etwas von ihrem Eigentum weggenommen hätten. Als sie versicherten, dass kein einziges Goldstück angerührt worden war, sagte er, sie dürften ihre Reise mitsamt all ihren Besitztümern fortsetzen – mit Ausnahme der Sklaven, die sofort freigelassen wurden.118 Dieses Verhalten, in dem sich eine republikanisch-emanzipatorische Praxis mit Disziplin und Humanität gegenüber Zivilisten in Kampfgebieten verband, wurde zu einem Kennzeichen von Toussaints Soldaten. Die Selbstbeherrschung seiner «fast nackten Männer» fiel auf, als sie im März 1796 in Cap einmarschierten, um die mixed-race Revolte gegen Laveaux niederzuschlagen.119 Das gleiche vorbildliche Verhalten zeigten die – sorgfältig vom Oberbefehlshaber aus seinen Elite-Einheiten ausgewählten – Soldaten,120 als sie in die von den Briten zurückeroberten Städte Port-au-Prince und Saint-Marc 1798 einzogen. Toussaint rühmte seinen Gesandten Huin dafür, einen Massenexodus aus Port-au-Prince verhindert zu haben, indem er den Einwohnern Schutz und Unversehrtheit zugesichert hatte – noch dazu hatten die abziehenden Royalisten den Zurückbleibenden ein Massaker vorausgesagt.121 Städtische Verantwortliche lobten Toussaint für «die Disziplin und vorbildliche Ordnung» seiner Männer.122 Als die Befreiungsarmee, die Port-auPrince einnahm, keinerlei Plünderungen beging, obgleich sie in den ersten beiden Tagen ohne Versorgung blieb, fragte sich ein Bewohner der Stadt: «Hätten europäische Soldaten unter den gleichen Umständen eine so strikte Disziplin aufrechterhalten?»123 Der Kontrast zur britischen Übernahme von Port-au-Prince 1794, als Dutzende von Republikanern niedergemetzelt wurden, war augenfällig.124 Schwieriger war die Behandlung feindlicher Kombattanten. Die Kämpfe waren häufig von unerbittlicher Grausamkeit, und es empfahl sich, nicht auf der Verliererseite zu landen. Im Oktober 1794 informierte Toussaint Laveaux, dass er nach der Erstürmung der spanischen Stellung außerhalb von Saint-Raphaël «an die neunzig Spanier über die Klinge springen ließ»; er fügte hinzu, dass es sich dabei «in der Mehrzahl» um solche handelte, die sich nicht ergeben wollten, aber es ist unklar, wie genau man ihre tatsächlichen Absichten überprüft hatte.125 Im September 1795, als seine Streitkräfte die royalistische Stellung von Camp Dubuisson angriffen, leistete der Feind so erbitterten Widerstand,
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dass Toussaint nach der Einnahme des Lagers bekannte, dass es «unmöglich war, die Wut der Soldaten zurückzuhalten … Alle im Lager wurden massakriert.»126 Besiegte Feinde wurden manchmal zu makabren Trophäen. Nachdem Jean Jeanton, ein «fanatischer», royalistischer Kommandeur, am Jahrestag der Französischen Revolution in den Bergen von Saint-Marc in den Hinterhalt gelockt und getötet worden war, wurden sein Kopf und seine Epauletten von den Siegern in der Umgebung zur Schau getragen, und Toussaint gab seinem Vorgesetzten mit hämischer Freude Nachricht davon.127 Zuweilen wurden diese Feindestrophäen von den Leutnants als Beweis für ihren revolutionären Eifer ihrem Chef zugeschickt: Ein Ortskommandant unterrichtete Toussaint davon, dass seine Soldaten «die Köpfe von dreizehn Royalisten» abgeschnitten hätten und ihm zusenden würden.128 Während der Besetzung der spanisch kontrollierten Stadt Bánica durch Toussaints Truppen 1796 sollen dem Vernehmen nach schwarze Soldaten Vergeltungsmaßnahmen verübt haben.129 Solche Vorkommnisse gehörten eher der Frühphase im Kampf gegen die fremden Besatzer und ihre Helfershelfer an; später war die republikanische Armee unter Toussaint für ihr ausgesprochen humanes Verhalten bekannt. Insbesondere wurden schwarze Gefangene mit größter Höflichkeit und «wie Brüder» behandelt; wer sich von ihnen als Freiwilliger meldete, wurde in die Armee aufgenommen, und viele zeichneten sich später auf dem Schlachtfeld aus.130 Das Desertieren schwarzer Soldaten, die auf der britischen Seite kämpften, wurde aktiv unterstützt – so liefen im Mai 1797 250 Kämpfer aus Port-au-Prince zum republikanischen Lager über131 –, und die Zahl an Deserteuren nahm in den letzten Monaten des Feldzugs stetig zu.132 Manche Akte des Edelmuts waren in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Nach dem Gefecht von 1797, in dem seine Truppen eine vernichtende Niederlage erlitten, fiel der royalistische Offizier Dessources in republikanische Hände, aber Toussaints Kommandeur vor Ort ließ ihn mit einer Eskorte von zehn seiner Männer zu den Stadttoren von Saint-Marc geleiten, wo er freigelassen wurde und zu seinem Stützpunkt zurückkehren durfte.133 Der Oberbefehlshaber selbst wies seine Armee an, alle Kriegsgefangenen menschlich und nach dem «Kriegsrecht» zu behandeln; sein eigenes Verhalten war in dieser Beziehung peinlich genau. Häufig ließ er sie frei, wenn sie ihr Ehrenwort gaben, die Waffen abzulegen: Als er 1795 Mirebalais zum ersten Mal eingenommen hatte, fand er dort 300 weiße Franzosen vor,
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die aus dem Norden von Saint-Domingue gekommen waren, um sich der royalistischen Miliz anzuschließen; nachdem sie einen Treueschwur auf die Republik abgelegt hatten, ließ er sie nach Hause zurückkehren. Er tat dies, wie er Laveaux erklärte, aus «Menschlichkeit».134 In einem berühmten Fall erlaubte Toussaint dem französischen Royalisten Marquis d’Espinville, den er soeben auf dem Schlachtfeld geschlagen hatte, mitsamt seinem ganzen Militärstab Saint-Domingue Richtung Kuba zu verlassen. Die übrigen Soldaten gliederte Toussaint in seine eigene Armee ein, obwohl sie eigentlich alle wegen Hochverrats hätten bestraft werden können, da sie gegen Frankreich die Waffen erhoben hatten.135 Toussaint bedachte immer das Beispiel, das er selbst gab, und so konnte seine Barmherzigkeit das Theatralische streifen. Als 1798 vier Franzosen, die zu den Briten übergelaufen waren, von seinen Soldaten gefangen genommen wurden, befahl er, sie am folgenden Sonntag zu seiner Kirche zu bringen; ihnen wurde nicht gesagt, was sie erwartete, und sie gingen sicherlich davon aus, exekutiert zu werden, da sie sich des schweren Verrats schuldig gemacht hatten. Doch in dem Moment, da der Priester die christlichen Werte der Vergebung pries, ging Toussaint zur Kirchenbank, in der die Gefangenen saßen, und verkündete vor der anwesenden Gemeinde ihre Begnadigung.136 Toussaint tauschte auch Gefangene mit den Briten aus. Seine Korrespondenz mit den Verantwortlichen zeigt, dass regelmäßig Verhandlungen zwischen den beiden Seiten stattfanden und gewöhnlich in gutem Glauben umgesetzt wurden. Im November 1795 zum Beispiel erhielt er von den Briten vierzehn republikanische Gefangene und schickte ihnen einen jungen Schwarzen namens Davy zurück, dessen Vater auf der royalistischen Seite gekämpft und jetzt in Jamaica stationiert war.137 Diese Austausche fanden bis 1798 statt, obgleich es Toussaint störte, dass die Briten nur weiße Gefangene austauschten; er nahm zurecht an, dass sie die schwarzen Gefangenen als Sklaven behalten wollten.138 Doch das Problem war, dass royalistische Kämpfer solche Anstandsformen im Gelände nicht einhielten, vor allem dann nicht, wenn sie von französischen colons oder Emigranten befehligt wurden. In einem Bericht an seine Vorgesetzten wies Toussaint auf zwei besondere Vorkommnisse hin, bei denen zwei seiner tapferen Lokalkommandeure, die Brigadiere Biret und Michaud, von Royalisten gefangen genommen und kurzerhand ermordet worden waren. Biret hatte seine Waffen niedergelegt und war trotzdem mit Bajonetten in Stücke gehackt worden;
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der Mord an Michaud war so Entsetzen erregend, dass Toussaint nur von «ausgesuchter Grausamkeit» sprechen mochte.139 Solche Taten wurden von den royalistischen Offizieren ausdrücklich ermuntert. Dies bestätigte sich, als Toussaint bei der Einnahme eines britischen Forts einen Brief des sadistischen Kommandeurs Jean-Baptiste Lapointe an seine Offiziere entdeckte, in dem es am Ende hieß: «Keine Gnade den Briganten. Keine Gefangenen.»140 Lapointe, ein mixed-race Pflanzer und Sklavenbesitzer aus dem Süden von Saint-Domingue, hatte das Kommando über ein royalistisches Regiment erhalten, nachdem er Arcahaie an die Briten übergeben hatte; er verabscheute Toussaint, den er als «elenden Sklaven» ansah.141 Nachdem Lapointe in Arcahaie und Saint-Marc 200 Männer massakriert hatte, schrieb der empörte Toussaint einen langen Anklagebrief an Generalmajor John Whyte, den Oberkommandierenden der britischen Streitkräfte in SaintDomingue. Im Namen der «Prinzipien der Menschlichkeit und der republikanischen Tugend» verurteilte er die Ermordung seiner Offiziere und Lapointes «barbarische» Aufforderung an seine Soldaten als flagranten «Bruch des Kriegsrechts». Er zählte die vielen Beispiele auf, in denen von ihm selbst und von seinen eigenen Männern den royalistischen Gefangenen Gnade erwiesen worden war, und fügte hinzu, die «Republikaner von Saint-Domingue würden niemals kaltblütig einen Feind umbringen, den sie gerade erst besiegt hatten.» Tatsächlich hatte Toussaint trotz der «Bitterkeit», die er über die Ermordung seiner Männer empfand, sechs Soldaten und einen Hauptmann aus der irischen Legion zurück nach Saint-Marc geschickt. Dann aber sprach er gegenüber dem britischen Offizier einen scharfen Tadel aus: «Auch wenn ich nur ein schwarzer Mann bin und keine so glanzvolle Erziehung genossen habe wie Sie und Ihre Offiziere, so würde ich doch solche schändlichen Taten, hätten meine Soldaten sie begangen, als Besudelung der Ehre meiner Nation empfinden.»142 Mit der Vertreibung der britischen Besatzungsarmee aus Saint-Domingue im September 1798 erreichte das Ansehen Toussaints und seiner kühnen republikanischen Kämpfer neue Höhen. Kurz nach dem Abzug der britischen Soldaten aus der Kolonie schrieb Philippe Roume, der Repräsentant des französischen Direktoriums, an seine Vorgesetzten in Paris einen Bericht, in dem er einräumte, dass er mit Toussaints «rebellischen» Neigungen nicht leicht zurechtkomme. Aber, so fügte er hinzu:
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Ein Revolutionär wird geboren «… das ist ein Rebell, hinter dessen Willen neun Zehntel der Bevölkerung von Saint-Domingue stehen; ein Rebell, dessen Mut, Disziplin und strategische Intelligenz die Macht und Schliche der Briten im Kolonialkrieg bezwungen haben; ein Rebell, der kaum je schläft und die Fähigkeit zu besitzen scheint, sich selbst zu vervielfachen und zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten anwesend zu sein; ein Rebell, der in jedem Teil seines Landes, das von Bergen, Flüssen und Pässen übersät ist, die idealen Orte für Hinterhalte kennt; ein Rebell, der eine unermüdbare Armee befehligt, die sich von allem ernähren kann, was sich verdauen lässt, und sogar ohne Kleidung auskommt.»143
Toussaints Größe als Militärkommandeur war nicht nur eine Frage der Zahl seiner Siege auf dem Schlachtfeld. Selbst wenn er oft Erfolg hatte (bei der Verjagung der Spanier spielte er die entscheidende Rolle), so erlitt er doch auch Rückschläge – vor allem gegen die Briten. Trotz seiner entschlossenen Versuche, sie aus ihren Stützpunkten im Westen zu vertreiben (insbesondere aus Port-au-Prince, Saint-Marc und Arcahaie), blieb ihm ein nachhaltiger Erfolg verwehrt, und die Briten zogen schließlich aufgrund von Verhandlungen ab und nicht, weil sie kapituliert hätten. Gleichwohl war Toussaints massiver Truppenaufbau einer der Hauptgründe, der die Briten zu Verhandlungen zwang. Mit der Strategie, den Feind festzusetzen und fortwährend zu drangsalieren, erreichte er sein psychologisches Ziel: Um 1798 waren die britischen Streitkräfte zutiefst demoralisiert.144 Ein europäischer Offizier in Toussaints Armee, der an dem fünf Jahre währenden Feldzug gegen die Briten bis zum Ende teilgenommen hatte, schrieb kategorisch: Die Niederlage der Besatzungsarmee wurde durch «die Macht unserer Bajonette und durch die Courage, Intelligenz und Weisheit unseres Oberbefehlshabers errungen.»145 Natürlich spielten auch Krankheiten eine Rolle, denn das Gelbfieber forderte von den britischen Truppen einen hohen Tribut; die republikanischen Soldaten von Saint-Domingue hingegen waren nicht annähernd im gleichen Maß von Infektionskrankheiten betroffen. Der Grund dafür lag einerseits an der natürlichen Immunität der einheimischen Soldaten, aber andererseits an der besseren Vorbereitung seitens ihres Heerführers, vor allem daran, dass er ein Netz von Militärhospitälern auf die Beine gestellt hatte, in denen seine Soldaten eine gute ärztliche Versorgung erhielten.146 Ebenso profitierte Toussaint von dem, was Napoleon als eine der wichtigen Qualitäten eines Generals auf dem Schlachtfeld definierte: la
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chance. Er überlebte zahllose lebensgefährliche Situationen, darunter mehrere Attentate. Doch anders als Napoleon hatte Toussaint keine kriegerische Veranlagung: So bereitwillig er zugab, dass er leidenschaftlich gern Militärmusik hörte, vor allem Stücke für Trompete und Schlaginstrumente, so sehr lehrte ihn sein christlicher Glaube die Tugend des Mitgefühls (er beschrieb sich selbst als jemanden mit «offenem Herzen, immer bereit zu vergeben»);147 besonders entsetzten ihn «Soldaten, die Spaß am Blutvergießen haben».148 Wenn er einen Weg finden konnte, seine Ziele gewaltlos zu erreichen, so zog er diesen vor. Er verschickte stets Ultimaten an seine Feinde, bevor er sie angriff, forderte sie auf, sich zu ergeben, und versprach ihnen Schonung, wenn sie ihre Waffen niederlegten: Im März 1798 drängte er die französischen Royalisten, sich «im Namen der Republik mit unserer Armee zu vereinigen, um Unbilden zu vermeiden, die aus einem Konflikt erwachsen könnten; mit einem solchen Vorgehen erhaltet Ihr Euch selbst und schützt Euren Besitz»; bei seiner «Ehre als ehrlicher Mann» schwor er, es werde keine Vergeltungsmaßnahmen geben.149 So gesehen lag die tiefere Ursache von Toussaints militärischen Erfolgen in seinen allgemeineren politischen Zielen – vor allem in dem Gefühl der Brüderlichkeit, das er unter seinen Soldaten zu etablieren vermochte, deren Zahl 1798 zu einer eindrucksvollen Armee von beinahe 20 000 Mann angewachsen war. Er schuf eine Gruppe von Kommandeuren, die fähig und entschlossen waren und seine Anweisungen loyal ausführten – auch wenn er, wie jeder grand capitaine, überzeugt war, seine Anwesenheit sei die einzige Garantie für einen Sieg auf dem Schlachtfeld. Wie er Laveaux einmal anvertraute, nachdem einer seiner Untergebenen einen militärischen Rückschlag erlitten hatte: «Wenn der Chef abwesend ist, laufen die Dinge nie gut.»150 Was seine Offiziere und einfachen Soldaten anbetrifft, so idolisierten sie ihren Oberkommandierenden und skandierten bei jeder siegreichen Militäroperation seinen Namen; sie folgten ihm, wo immer er sie hinführte, über Ebenen, Berge und Flüsse, durch sengende Hitze und strömenden Regen, zumeist bei schmalster Verköstigung. Und obwohl er größten Wert auf Disziplin legte, scherzte er oft mit ihnen und unterhielt sie mit Anekdoten aus seinen Tagen auf der Bréda-Plantage, als er, wie er sie erinnerte, den Spitznamen «Fatras-Bâton» trug, was immer großes Gelächter auslöste.151 Toussaint liebte diese Männer wie ein Vater; er pflegte zu sagen: «Das sind meine Kinder.»152 Umgekehrt wiederholten sie seine Lieblingsaus-
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drücke, imitierten zum Spaß seine nasale Sprechweise und nannten ihn «Papa Toussaint» oder «vié Toussaint».153 Die Vater-Analogie war nicht weit hergeholt, denn Toussaint förderte diese Männer; er fügte sie zu einer Streitmacht zusammen, die alle militärischen Eigenschaften in sich versammelte, die er von ihnen erwartete: Disziplin, Mut, Resilienz und gemeinschaftlichen Stolz. Er tat dies allen Widrigkeiten zum Trotz und entgegen allen Erwartungen seiner eigenen Freunde und Verbündeten: Selbst Toussaints großer Bewunderer Laveaux ging davon aus, dass «es eine lange Zeit dauern würde, vielleicht eine Generation, um aus Afrikanern gute Soldaten zu machen».154 In der Zwischenzeit, so glaubte er, müsse die republikanische Herrschaft von «einer eindrucksvollen europäischen Streitmacht» aufrechterhalten werden.155 Eines der bemerkenswertesten Zeugnisse für das Selbstvertrauen seiner schwarzen Armee war eine von den Führungsoffizieren unterzeichnete öffentliche Erklärung vom Ende des Jahres 1795, als Toussaint noch allein für den westlichen Frontverlauf verantwortlich war. Adressiert an den französischen Nationalkonvent, kam darin ihre unversöhnliche Entschlossenheit zum Ausdruck, die Feinde der Republik zu bekämpfen und durch Siege auf dem Schlachtfeld zu zeigen, dass «die französischen Soldaten auf den Antillen, wie ihre europäischen Brüder, die Waffen zu führen und wirkungsvoll einzusetzen wissen.» Dieser Text ist eines der frühesten Dokumente, das die Signatur der Männer trägt, die später Toussaints führende Kommandeure werden sollten – Vernet, Maurepas, Noël Prieur, Moyse, Christophe und Dessalines.156 Ende der 1790er Jahre hatte sich die Überlegenheit des schwarzen Militärs so herumgesprochen, dass es in Saint-Domingue die kreolische Redensart gab: «Zautres pas capable battre la guerre contre nègres.»157 Nicht minder wichtig war, dass Toussaints Soldaten in militärischen Tugenden ausgebildet wurden, die sie sich begeistert zu eigen machten. Häufig bekräftigte er, dass «Ehre das Wichtigste» sei,158 und seine Soldaten und Offiziere versuchten ihm in dieser Hinsicht nachzueifern. Auch ihre Solidarität war vorbildlich. Sie unterstützten sich gegenseitig, kämpften füreinander, und der Verlust ihrer Kameraden verstärkte nur ihre Entschlossenheit. Wie ihr kommandierender Offizier Laplume bezeugte, war einer der Faktoren, der die Soldaten motivierte, Camp Martineau zu erstürmen, ihre Wut über den Tod ihres gefallenen Helden Brigadier Biret: Als sie vor ihrem Angriff die Köpfe zusammensteckten, schworen sie sich, seine feige Ermordung zu rächen. An Laplumes
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Bericht hätte Toussaint besonders erfreut, dass alle Teile seiner Armee in vollständiger Harmonie agierten, wie «wahre Republikaner»: europäische Soldaten, reguläre Truppen sowie Milizen, die aus lokalen BossaleKombattanten bestanden – ein Umstand, der um so bedeutsamer ist, als Laplume selbst, wie bereits erwähnt, ein «Kongo» war.159 Laplume ergänzte, und auch dies ist beachtenswert, dass seine Männer als «aufrechte Franzosen» kämpften. Einerseits spiegelte dies die universellen republikanischen Prinzipien von Brüderlichkeit und Bürgersinn und zeigte, wie sie von Saint-Domingues Revolutionären verinnerlicht worden waren. Doch der Verweis auf das Franzosentum nahm hier eine bedeutsame lokale Wendung, die der Schlüssel von Toussaints Mobilisierung seiner Männer im Kampf gegen die spanischen und englischen Streitkräfte war. Denn sie verstanden, dass es sich nicht nur um einen Kampf gegen fremde Besatzer handelte: Es war ein Kampf, um die Sklaverei in der Kolonie auszumerzen. Dieser republikanische Geist elektrisierte Toussaints Soldaten, wie ein aufschlussreicher Moment während der Schlacht um Camp Martineau zeigen sollte: Auf dem Höhepunkt der Operation erkletterte ein Unteroffizier unter heftigem Beschuss den Fahnenmast, an dem die britische Flagge hing, und «riss dieses schändliche Banner der Tyrannei herunter».160 Für ihn und seine Mitkämpfer verband sich mit dem Französischsein die Entschlossenheit der schwarzen Menschen von Saint-Domingue, ihre Freiheit zu verteidigen und jedem Versuch, sie noch einmal zu versklaven, Widerstand zu leisten. Wenn er vor seinen Soldaten Ansprachen hielt, verglich sich Toussaint gerne mit einem Raubvogel, der solange die «Freiheit seiner Brüder» bedroht war, keinen Landeplatz fand.161 Der Zusammenhalt von Toussaints republikanischer Armee lässt sich auch an ihren hohen ethischen Standards ermessen: An der strikten Befolgung seines Plünderungsverbots und der humanen Behandlung von Kriegsgefangenen. Er prahlte geradezu damit, dass das Verhalten seiner Streitkräfte beispielhaft gewesen sei: «Die Soldaten wollten die Großmut ihrer Offiziere noch übertreffen und die Offiziere die ihrer Kommandeure.» Hier mag etwas Schönfärberei im Spiel gewesen sein, aber Toussaint hatte zweifellos guten Grund, seine Armee für ihre Disziplin zu loben. Die ultimative Genugtuung war für ihn, dass sein Sinn für Mitgefühl sich nicht auf die Soldaten beschränkte: Sein Aufruf zur Humanität war auch von der schwarzen Bevölkerung in von Republikanern gehaltenen Landesteilen befolgt worden. Bei der Erwähnung mehrerer
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Beispiele, in denen Bauern feindlichen Soldaten in Notsituationen zu Hilfe kamen, nahm er Bezug auf die Geschichte eines britischen Soldaten, der ihm erzählte, dass er sein Leben einem cultivateur verdanke, der ihn am Ende einer Schlacht in einem erbarmungswürdigen Zustand aufgefunden hatte. Der Plantagenarbeiter – hächstwahrscheinlich ein ehemaliger Sklave – hatte ihn in seine Hütte mitgenommen, seine Wunden versorgt, ihm Essen und Trinken gegeben und ihn dann zum nächsten Militärposten der Republikaner begleitet, wo er ihn Toussaints Truppen übergab. Der Oberkommandeur strahlte vor Stolz: «Mit dieser Art von Verhalten werden die Menschen von Saint-Domingue, trotz der Grausamkeit der Feinde, die gesamte Welt davon überzeugen, dass sie – auch wenn sie gerade erst ihre Reise zur Erneuerung begonnen haben – den wahren Wert der Freiheit erkannt haben und die republikanischen Tugenden praktizieren.»162
ZWEITER TEIL
DIE ENTSTEHUNG VON LOUVERTURES ORDNUNG
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EI N E EI NZIGE FAMI LI E VON FREU N DEN U N D B RÜ DERN
4 Eine einzige Die Entstehung Familie von vonFreunden Louvertures undOrdnung Brüdern
Am 1. April 1796 veranstaltete der republikanische Gouverneur Étienne Laveaux auf dem Hauptplatz in Cap eine große Feier zu Ehren von Toussaint Louverture, den er soeben zu seinem Stellvertreter ernannt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Republikaner die von Spanien usurpierten Gebiete zurückerobert und griffen aktiv die Briten in den von ihnen kontrollierten Enklaven an. Doch zwischen Laveaux und einigen seiner mixed-race Kommandeure war es zunehmend zu Spannungen gekommen, die in einem Putschversuch kulminierten. Während dieser ‹Verschwörung des 30. Ventôse› (20. März) hatte man ihn beschuldigt, die Interessen der Schwarzen auf Kosten der Persons of Color zu fördern. Man hatte ihn misshandelt und ins Gefängnis geworfen, und die Verschwörer hatten eine Proklamation mit der Forderung veröffentlicht, ihn durch den mixed-race Kommandeur der nördlichen Gebiete, General Jean Villatte, zu ersetzen. Der Coup war vereitelt worden dank Villattes Unentschlossenheit und dank des Einschreitens schwarzer Truppen unter Toussaints Kommando, die sich den Rebellen entgegenstellten und Laveaux’ Herausgabe forderten.1 In Anwesenheit vieler hochrangiger Offiziere der französischen Kolonialarmee, begleitet von Böllerschüssen aus den nahegelegenen Forts, begrüßte Laveaux Toussaint nun als den «Retter der legitimen Herrschaft … den schwarzen Spartakus, den vom Philosophen Raynal prophezeiten Anführer, der die gegen seine Rasse begangenen Verbrechen rächen würde».2 Dies war das erste Mal, dass Toussaint öffentlich mit Spartakus verglichen wurde. Nichts läuft so schnell wie die Revolutionszeit, aber selbst er hätte sich, als er sich 1791 dem Sklavenaufstand anschloss, kaum träumen lassen, dass ihn der Gouverneur von Saint-Domingue fünf Jahre später mit einem solch illustren thrakischen Vorläufer vergleichen
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würde. Auch die Historiker betrachteten diesen Augenblick als Wendepunkt, und zwar nicht nur für Toussaints persönliche Karriere. Pamphile de Lacroix sah darin den «Todesstoß für die Amtsgewalt des metropolitanen Frankreich; von dieser Deklaration datiert das Ende der weißen Herrschaft und die Geburt der schwarzen Macht».3 In ähnlicher Weise bezeichnete Thomas Madiou Mitte des 19. Jahrhunderts die Episode des 30. Ventôse als einen «der wichtigsten Augenblicke in unserer Geschichte, der zweifellos die schwarze Vorherrschaft im Norden und dem Artibonite» gesichert habe; von da an, so fügte er hinzu, übten mixed-race Bürger in diesen beiden Provinzen nur «untergeordnete» Funktionen aus, während die Regierungsgewalt der weißen französischen Beamten «nichtig» wurde.4 Für progressive Historiker, wie zum Beispiel C. L. R. James, gab es noch eine zusätzliche Dimension: Toussaints Rede bekräftigte seinen Ruf als Raynals «Rächer der neuen Welt» und als treuen Sohn der Französischen Revolution: Sein politisches Denken trug alle wesentlichen Kennzeichen der jakobinischen Grundsätze mit ihrem Kult der Vernunft, ihrer Mobilisierung der Massen und ihrer Aufteilung der Welt in Gut und Böse.5 Die Verteidigung der «liberté générale», die die schwarzen Sklaven erreicht hatte, bildete, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, das Herzstück von Toussaints Politik. Und obwohl das Denken der Aufklärung keinen entscheidenden Einfluss auf ihn ausgeübt hatte, akzeptierte er willig und voller Stolz Laveaux’ Charakteristik als Jünger Raynals: Laut einem französischen Besucher von Saint-Domingue nahm eine Büste des radikalen Philosophen einen Ehrenplatz in seinen Amtsräumen ein.6 Andererseits erschöpfte sich sein Denken nicht in bloßem Nachbeten: Aufgrund der spezifischen Umstände Saint-Domingues, vor allem der «Rassenfrage», vertrat Toussaint eine weitaus radikalere Vorstellung von Brüderlichkeit als die französischen Jakobiner. Nachdem er sich der Sache der Franzosen angeschlossen hatte, inspirierte ihn das Ideal eines freien Saint-Domingue, entschlossen einen unbarmherzigen Krieg gegen die spanischen und britischen Streitkräfte zu führen und sich jedem Versuch entgegenzustellen, die weiße Herrschaft wiederzuerrichten. Gleichzeitig aber bewog es ihn auch dazu, den zwar subtileren, aber nicht weniger demütigenden Paternalismus der Franzosen anzugreifen, deren Verwaltungskader zeitweise versuchten, ihn für ihre eigenen Zwecke einzuspannen. Da Toussaint Soldat, Staatsmann und Visionär in einer Person war,
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konnte er seine Sprache dem jeweiligen Kontext anpassen. Seine Ideen über die Brüderlichkeit speisten sich aus republikanischem ebenso wie christlichem, afrikanischem und indigenem Denken, und besonders wenn er sich an bäuerliche Zuhörer wandte, äußerte er sie in lebendigen kreolischen Parabeln und Metaphern, die seinen in Afrika geborenen Bossale-Landsleuten verständlich waren; einer seiner zeitgenössischen Bewunderer sprach von Toussaints «afrikanischem Genius».7 Vor allem schloss sein Ideal von schwarzer Macht niemanden aus; vielmehr wurde es ausgeglichen durch seine Bewunderung für Laveaux und seine «Hochschätzung und Zuneigung» für einige weiße Mitglieder aus dessen Entourage, wie zum Beispiel den Zivilingenieur Charles Vincent, mit dem er sich auf kreolisch unterhielt und der von Toussaints Familie (vor allem von seiner Frau Suzanne) sehr geschätzt wurde;8 in einem Brief an ihn schrieb Toussaint, die Unterstützung seiner «aufrichtigen republikanischen Brüder», wie Vincent einer sei, spende ihm viel Trost.9 In der Tat hegte Toussaint den Ehrgeiz, aus den verschiedenen weißen, schwarzen und mixed-race Einwohnern von Saint-Domingue eine «einzige Familie aus Freunden und Brüdern» zu schaffen.10 Ein paar Tage nach Niederschlagung des Staatsstreichs zog sich der entlassene Laveaux vorsichtigerweise aus Cap in die nahegelegene Küstenstadt Petite-Anse zurück. Eine Gruppe von etwa hundert mixed-race Unterstützern Villattes begann das Gerücht zu streuen, der Gouverneur und seine weißen Verbündeten hätten auf zwei Schiffen Kisten mit Sklavenketten an Land gebracht. Sie behaupteten, die Ladung sei bereits gelöscht worden und gehöre zu einer großen Verschwörung der Siedler, um die Sklaverei in Saint-Domingue wiederherzustellen. Dies führte zu einem allgemeinen Aufruhr, in dem bewaffnete schwarze Soldaten und Einwohner vor dem Haus erschienen, in dem Laveaux sich aufhielt, und ihn mit dem Schlachtruf des makandalistischen Sklavenaufstands von 1791 «Tötet die Weißen!» herausforderten. Mit einem tadellosen Instinkt für Melodrama erschien Laveaux auf seinem Balkon, bot der Menge seine nackte Brust und warnte, wenn sie ihn erschössen, würden sie «den Vater» töten, «der immer ihre Freiheit verteidigt hatte». Zum Glück wurde der Vatermord verhindert, als Toussaint erneut herbeieilte: Er entschärfte die Situation in Petite-Anse, indem er für den belagerten Gouverneur, den «Freund der Schwarzen», bürgte und die Türen des örtlichen Lagerhauses öffnete, um zu beweisen, dass es keine Sklavenketten enthielt, sondern nur Mehlsäcke und Pökelfleisch.
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Dieser Vorfall machte deutlich, wie unsicher und bedroht sich die schwarze Bevölkerung angesichts einer möglichen Wiedereinführung der Sklaverei in Saint-Domingue immer noch fühlte, aber ebenso, wie leicht ihre Befürchtungen von skrupellosen örtlichen Anführern manipuliert werden konnten, seien sie weiß, schwarz oder, wie in diesem Fall, mixed-race. Toussaints Konflikte mit Villatte reichten bis ins Jahr 1794 zurück, als Letzterer auf beleidigende Weise Toussaints Angebot zurückwies, sich von den Spaniern abzuwenden und auf die Seite der Franzosen zu schlagen, weil er sich nicht bereit finden konnte, mit einem «elenden Sklaven» zu verhandeln.11 Etwas später beschuldigte Villatte ihn fälschlich, die Bauern der Region Gonaïves mit dem Tod bedroht zu haben, weil sie ihre Produkte in der Region von Cap verkauft hatten. Schlimmer noch: Er ermunterte Toussaints Soldaten mit dem Versprechen besserer Bezahlung und besserer Arbeitsbedingungen, zu desertieren und sich seinem nördlichen Regiment anzuschließen. Solche Heimtücke entsprach nicht, wie Toussaint sich bitter bei Laveaux beklagte, dem Verhalten eines «echten Bruders». Villatte war auch ein enger Verbündeter des südlichen mixed-race Generals André Rigaud (beide Männer hatten 1779 in der amerikanischen Legion von SaintDomingue gekämpft), und Toussaint hegte den Verdacht, dass Rigaud an den Versuchen, den französischen Gouverneur zu schwächen, beteiligt war.12 Laveaux hatte ursprünglich den Warnungen Toussaints vor den Intrigen der mixed-race Anführer keinen Glauben geschenkt. Aber nach der Episode des 30. Ventôse verbarg Laveaux seine Verachtung nicht länger: «Die Farbigen», schrieb er, «werden getrieben von einem unüberwindlichen Hass gegen die Weißen … nach ihrer Ansicht können nur sie allein das Land kontrollieren und die Gesetze diktieren. Aber Frankreich hat nicht so viele Opfer für die Sache der Freiheit und Gleichheit gebracht, nur um die Macht an einen Haufen schwachsinniger Verwaltungsbeamter abzugeben.»13 Genauso dachte auch Toussaint: Villatte, der «fin merle»,14 gehörte zu einer langen Reihe zwielichtiger mixed-race Gestalten, die er seit Beginn der Revolution kennengelernt hatte. Seiner Ansicht nach hing Villattes Versuch, 1796 die Macht zu ergreifen, mit den unglücklichen Strategien der mixed-race Anführer in der Kolonie seit den 1790er Jahren zusammen, als sie sich weigerten, die Sklavenbefreiung zu unterstützen und es stattdessen vorzogen, zu einer Einigung mit den weißen Kolonisten zu kommen. In einem Brief an Laveaux nannte er Vincent Ogé
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und Jean-Baptiste Chavanne, die Anführer der Rebellion von 1790, ironisch die «sogenannten Märtyrer der Freiheit»; ihr Antrieb sei nicht allgemeine Freiheitsliebe, sondern das Eigeninteresse ihrer Kaste gewesen, und er behauptete, «Beweise» für ihre Doppelzüngigkeit zu haben. Zwar sei ihre grausame Hinrichtung zu beklagen, aber sie verdienten nicht, auf das gleiche Podest gehoben zu werden wie die schwarzen Revolutionäre, die ihr Leben für die Freiheit geopfert hätten.15 Toussaint hatte diesen Punkt übergangen, als er 1793 versuchte, die mixed-race Anführer zu gewinnen – aber nun, da Villatte die republikanische Obrigkeit herausgefordert hatte, gab es kaum noch Raum für Zweifel. Toussaint hatte auch nicht vergessen, dass die People of Color im Gefolge des Sklavenaufstands von 1791 kurz mit den schwarzen Revolutionären gemeinsame Sache gemacht hatten, um sich dann, als sie mit dem Gesetz vom April 1792 politische Rechte erhielten, gegen sie zu wenden. Einige Führungsfiguren hatten öffentlich nach einer Allianz von Weißen und mixed-race people gerufen, um die Rebellen zu «vernichten» und die Sklaven zurück auf die Plantagen zu treiben.16 Für Toussaint resultierte dieser Verrat aus den tief verwurzelten rassistischen Vorurteilen der mixed-race Anführer gegen Schwarze und aus ihrer Angst, die Abschaffung der Sklaverei könnte ihren Interessen schaden.17 Die Einschätzung, dass People of Color unsichere Kantonisten seien, wurde auch von französischen Beamten geteilt, vor allem nach Villattes Putschversuch 1796.18 Toussaints Misstrauen wurde zusätzlich genährt durch das Verhalten örtlicher mixed-race Gruppen im Krieg gegen die Spanier und Briten. Im Oktober 1794 schob er den Verlust mehrerer Stellungen in der Gegend von Verrettes auf den «Verrat» von mixed-race Kämpfern, die in einem entscheidenden Moment der Schlacht zu den Spaniern überliefen und versuchten, ihn durch die feindlichen Streitkräfte gefangen nehmen zu lassen. Er schimpfte über die «Heimtücke der People of Color in dieser Region, die niemals größere Falschheit an den Tag gelegt und ihren schändlichen Charakter bestätigt haben.»19 Im Januar 1795 entwickelte eine Gruppe örtlicher Republikaner einen Plan, um den britischen Offizier Brisbane gefangen zu nehmen und die Stadt Saint-Marc den Franzosen zu übergeben; der Plan wurde vereitelt, weil einer der Verschwörer, eine Person of Color, seine Kameraden verriet.20 Im folgenden Monat wurde Blanc Cazenave, ein mixed-race Kommandeur, in der Region der Cahos von Toussaint gefangen genommen, weil er vierzig
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weiße Gefangene exekutieren ließ, Proviant gestohlen, seine Soldaten zum Desertieren ermuntert, üble Gerüchte gegen Laveaux und Toussaint verbreitet und sogar versucht hatte, einen autonomen Regionalstaat unter seiner Herrschaft zu gründen.21 Cazenave starb in seiner Zelle, nachdem er an «seiner galligen Wut erstickt» war.22 Zur Vervollständigung dieses Katalogs der Aufwiegler setzte Toussaint eine Reihe von Regionalkommandeuren fest, die in die Verschwörung des 30. Ventôse verwickelt waren: Guy in Petite-Rivière, Chevalier in Terre-Neuve und Danty in Gros-Morne – wiederum allesamt Persons of Color. Dantys Frau, begleitet von «hundert farbigen Frauen», flehte Toussaint vergeblich um die Freilassung ihres Mannes an.23 Im Juni 1796 enthüllte Toussaint ein weiteres Komplott zur Übergabe der Region um Verrettes an die Briten; der Anführer war ein mixed-race Kommandeur namens Vallery.24 Toussaint stellte sich nicht immer taub, wenn man ihn um Gnade anflehte, besonders dann nicht, wenn es sich um einfache Soldaten handelte, die sich von ihren Anführern leicht auf Abwege bringen ließen. Als er zum Beispiel im März 1796 eine feindliche Festung in der Gegend von Grand Cahos einnahm, stellte sich heraus, dass die Besatzung hauptsächlich aus People of Color bestand. Doch obwohl sie «auf die Tricolore geschossen» und damit Hochverrat begangen hatten, begnadigte er sie alle, nachdem er die flehentlichen Bitten ihrer Frauen und Kinder angehört hatte.25 Überhaupt ließ sich Toussaint durch diese zahlreichen Beispiele des Verrats nicht von seiner allgemeinen Einschätzung der gens de couleur oder von seiner Vision von Brüderlichkeit unter verschiedenen Bevölkerungsgruppen abbringen. Er vergaß nie zu betonen, dass er die mixed-race Bevölkerung als seine «Brüder» ansah, und trotz der Ereignisse des 30. Ventôse war ihm bewusst, dass es eine große Anzahl «tugendhafter» mixed-race Bürger in Saint-Domingue gab.26 Als Laveaux Toussaints Stützpunkt in der Region Gonaïves besuchte, stellte er zu seiner großen Freude fest, dass «größte Ruhe und Ordnung unter allen herrschte: Männern, Frauen, Kindern, Weißen, Schwarzen, People of Color, Militärs, Bauern und Landbesitzern.«27 Er pries auch Toussaints wichtigste weiße Verbündete in Gonaïves als «patriotische und loyale Männer, die sich dem Prinzip der liberté générale verschrieben» hätten.28 Und als Toussaint im Gefolge der Episode vom 30. Ventôse die Erlaubnis erhielt, «aus den schneidigsten und tapfersten Männern seiner Armee» ein eigenes Kavallerieregiment aus 90 Mann zusammenzustellen,
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wählte er als dessen Anführer einen mixed-race Offizier, den «furchtlosen Morisset», der während seiner gesamten Laufbahn an Toussaints Seite blieb.29 In den Jahren nach 1794 war es Toussaints Hauptsorge, in der schwarzen Bevölkerung von Saint-Domingue, deren Mehrheit in Afrika geboren war, ein Gefühl der Einheit herzustellen. Dies war militärisch geboten, nicht zuletzt, weil die spanischen und britischen Streitkräfte stark auf regional rekrutierte, hauptsächlich schwarze Söldner setzten. Doch es war auch eine politische Notwendigkeit, um die revolutionären Errungenschaften der frühen 1790er Jahre zu konsolidieren. Sein Konzept der Brüderlichkeit war vielschichtig: Alle Schwarzen in Saint-Domingue waren potenziell seine «Brüder», aber diese Brüderlichkeit schloss keine Bevölkerungsgruppe aus, denn es gehörten auch Weiße und People of Color dazu, Republikaner aus Frankreich und alle Männer und Frauen jenseits des Atlantik, die sich am gerechten Krieg gegen die Sklaverei beteiligten. Als er erfuhr, dass marrons 1795 in Jamaica einen Aufstand gewagt hatten, gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass «unsere Brüder in dieser Weltgegend ihr Ziel erreichen; das wünsche ich von ganzem Herzen.»30 «Mein einziges Ziel», sagte er Laveaux, «ist die Einigkeit und das Glück all meiner republikanischen Brüder.»31 Allerdings waren die Herausforderungen gewaltig. Seine eigenen sans-culottes-Soldaten waren schlecht ausgerüstet.32 Er konnte ihnen nicht wie die Spanier eine portugaise pro Monat zahlen: «Mit so einem Sold», bemerkte er wehmütig, «bezahlen sie ihre Rekruten gut.»33 Die britischen Streitkräfte waren nicht weniger eine Gefahr: In einem Bericht über Gefechte im CahosHochland Anfang des Jahres 1796 hielt er fest, die Briten «schikanieren uns nicht nur ständig, sie schicken Botschafter bei den Einwohnern von Petite Montagne herum und versuchen, sie mit allen denkbaren Mitteln zu korrumpieren und auf ihre Seite zu ziehen.»34 Auch Gerüchte, die von den «méchants» geschürt wurden, konnten Toussaints Bemühungen, die Unterstützung der örtlichen Bevölkerung zu gewinnen, Schaden zufügen, und ab Mitte des Jahres 1796 nahmen sie rasch an Boshaftigkeit zu: «Ich bin zum bunten Hund geworden: Für manche habe ich mir auf die Fahnen geschrieben, die gelbe Rasse [mixed race] zu vernichten, für andere versuche ich, die Kolonie den Briten auszuliefern und die Schwarzen zu versklaven.»35
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Wie begegnete Toussaint diesen Gerüchten, wie schuf er eine größere Einheit unter den schwarzen Bürgern von Saint-Domingue? Innerhalb seiner militärischen Struktur verließ er sich, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, auf seine charismatischen Führungsqualitäten, auf strenge Disziplin sowie auf die Entwicklung republikanischer Kameradschaft unter seinen Soldaten. Mehr diplomatisches Geschick brauchte er, um mit Arbeiteraufständen auf den Plantagen umzugehen, die manchmal von antifranzösischen Kräften angezettelt wurden. Hier kamen seine Fähigkeiten als Friedensstifter besonders zum Tragen. Anfang 1796 beriet er Laveaux beim Umgang mit einer Gruppe «unglückseliger Brüder», die in der Gegend von Port-de-Paix einen Aufstand gewagt hatten, nachdem sie von Weißen und People of Color misshandelt worden waren. Toussaint riet ihm, vorsichtig zu Werke zu gehen: Nur mit «größter Umsicht» würde es gelingen, sie wieder auf den Pfad der «Tugend» zurückzubringen.36 In einem umfangreichen Bericht erklärte Toussaint, er habe das Vertrauen örtlicher Landarbeiter zurückgewonnen, indem er eine Reihe von Treffen mit ihnen abgehalten und ihnen versprochen habe, dass ihnen alle Außenstände bezahlt würden. Außerdem bat er sie, sich an ihn zu wenden, wenn sie Hilfe gegen skrupellose Plantagenverwalter bräuchten. Er drängte sie, vergangene Konflikte zu vergessen und «wie Brüder und echte französische Bürger» zu leben.37 Julien Raimond, ein mixed-race Anführer, der sich zu einem engen Verbündeten Toussaints entwickelte und sein Einschreiten in vielen solcher Situationen beobachtete, äußerte sich voller Bewunderung über seine erstaunliche rhetorische Begabung, wenn er einfache Menschen ansprach und dabei Väterlichkeit mit sorgfältig dosierter Strenge verband.38 Bei solchen Gelegenheiten kam ihm sein Repertoire an kreolischen Redensarten sehr zugute. Eine seiner liebsten warnte vor dem Betreten gefahrvoller Wege: «Wer barfuß laufen muss, muss Acht geben, dass keine spitzen Gegenstände auf der Straße liegen.»39 Ein ebenso dringendes Anliegen war die Neutralisierung schwarzer Milizen, den Überbleibseln von Streitkräften aus marrons, die sich während des Sklavenaufstands 1791 gebildet hatten. Diese Milizen waren oft käuflich, wie zum Beispiel die von Toussaints altem Waffenbruder JeanFrançois, der 1795 eine Reihe von Aufrufen veröffentlichte, in denen er seine schwarzen «Brüder» aufforderte, das französische Lager zu verlassen. Toussaint beschrieb die Lage in der Region der Montagne Noire und der Grande Rivière folgendermaßen: «Die Gegend wird manchmal
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von Jean-François’ brigands angegriffen; aber sobald sie sich zeigten, wurden sie von unseren tapferen französischen Streitkräften vertrieben.»40 Zudem hegten diese Kämpfer ein instinktives Misstrauen gegen Weiße und hatten – oft aus nachvollziehbaren persönlichen Gründen – ein zwiespältiges Verhältnis zu den Franzosen, denen Toussaint sich angeschlossen hatte. Er versuchte, sich mit ihnen darauf zu einigen, dass Republikaner und Schwarze geschlossen agieren sollten. Im Februar 1796 schrieb er an den Milizenführer Pierre Dieudonné, er verstehe nicht, dass ein «guter Republikaner» wie er überhaupt auf den Gedanken kommen könne, die Briten zu unterstützen, die doch «geschworene Feinde seiner Freiheit und Gleichheit» seien. Toussaint führte auch seinen eigenen Fall an: «Ich bin zurückgekehrt und wurde von den Franzosen, die mich für meine Dienste belohnt haben, mit offenen Armen empfangen. Ich bitte Dich dringend, lieber Bruder, meinem Beispiel zu folgen.» Er wies darauf hin, dass sie beide schwarz seien und sich daher vertrauen sollten («mein lieber Bruder, Du wirst mir Deine Freundschaft nicht verweigern, denn ich bin ein Schwarzer wie Du»), Meinungsverschiedenheiten zwischen den bewaffneten Gruppen sollten durch Gespräche und nicht mit Gewalt ausgeräumt werden: «Die Republik ist unser aller Mutter, und sie will nicht, dass Brüder sich bekämpfen.» Er schloss mit einem seiner typischen Sprüche: «Wenn Brüder untereinander kämpfen, sind es immer die Armen, die darunter leiden.»41 Toussaint gab sich größte Mühe, solche Leute davon zu überzeugen, dass die Franzosen es mit der republikanischen Sache ehrlich meinten. Einmal im April 1796 verbrachte er mehrere Stunden mit einem Milizenführer namens Noël Artaud, der «extrem argwöhnisch und aufgebracht» war, weil Toussaint in Begleitung von «zu vielen Weißen» zu ihrem Treffen erschien. «Ich war gezwungen, ganz allein zu ihm hinüber zu reiten, um ihm zu versichern und zu beweisen, dass meine Absichten ehrlich waren.» Die beiden Männer ließen sich an einem Flussufer nieder und sprachen ausführlich miteinander, wobei Toussaint ähnliche Argumente wie gegenüber Dieudonné vortrug, dass Republikaner und Schwarze am selben Strang ziehen müssten. Er fügte hinzu, Bruderkämpfe unter Schwarzen dienten nur den Interessen ihrer gemeinsamen Feinde. Auch mit Artauds Offizieren sprach Toussaint lange. Vermutlich wurden sie sich einig, als Toussaint «vier Flaschen Tafia» für Artauds Dragoner schickte.42 Toussaint stellte seine Verbindung zu den
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schwarzen Zuhörern in der Regel mit scherzhaften Bemerkungen über Weiße und People of Color her; er betonte dabei die Standfestigkeit der nouveaux libres gegenüber der sprunghaften Gesinnung vieler gens de couleur: «Zeig einem Farbigen ein Stück Schinken, dann rennt er für Dich durch die ganze Kolonie.»43 Bei anderer Gelegenheit zu Beginn des Jahres 1796 zügelte Toussaint erfolgreich Étienne Datty, einen schwarzen Milizenführer, der einen Aufstand gegen ausbeuterische weiße Plantagenverwalter in den Bergen von Port-de-Paix angeführt hatte. Er reiste in die Gegend und suchte Étienne, der ihm zunächst auswich, so dass Toussaint schon an Gewaltmaßnahmen dachte, doch kam er zu dem Schluss, die Dinge damit nur zu «verschlimmern statt zu verbessern». Schließlich machte er den Rebellenführer ausfindig, traf sich mehrfach mit ihm und setzte all seine Überredungskünste ein, um ihn für die republikanische Sache zurückzugewinnen. Zunächst ermahnte er ihn, sich vor der Spitzfindigkeit der Freiheitsfeinde zu hüten, wie den Briten und ihren Unterstützern, den Sklavenhaltern, die die republikanische Sache, ihre Ziele und Werte verunglimpften, indem sie «gut als böse und böse als gut erscheinen ließen; Bitteres als süß und Süßes als bitter; und Helles als dunkel und Dunkles als hell.» Jedenfalls fordere die Heilige Schrift die Menschen auf, «ihre Feinde zu lieben und Böses mit guten Taten zu vergelten». Toussaint appellierte an Étiennes Sinn für «Brüderlichkeit» und beschrieb sich selbst als «Bruder, der das Glück aller Schwarzen in SaintDomingue anstrebt.» Von sich selbst in der dritten Person redend, fügte er hinzu: «Toussaint Louverture ist ein wahrer Freund aller Menschen seiner Hautfarbe, und seine Hingabe an ihre Sache ist so groß, dass er lieber tausend Tode sterben würde als zuzulassen, dass sie unter das tyrannische Joch zurückfallen, für dessen Zerschlagung er gekämpft hat.» Zu dieser charakteristischen Kombination aus kreolischen, katholischen und republikanischen Werten gab er dann noch eine Probe seines charismatischen Talents: «Ich bin die Person, die Schwarze sehen, wenn sie in den Spiegel schauen, und an mich müssen sie sich wenden, wenn sie die Früchte der Freiheit genießen wollen.»44 Zu dieser Friedensmission gehörte eine Reihe persönlicher Treffen mit Étiennes afrikanischen Bossale-Soldaten und schwarzen Bauern, denen Toussaint «die Moral der Vernunft» predigte, wie er es nannte. Als sie einmal gewaltsam gegen die französische Obrigkeit rebelliert hatten, tadelte Toussaint sie streng wegen des Chaos, das sie verursacht hatten,
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und argumentierte wieder biblisch: «Gott spricht: ‹Bittet, so wird euch gegeben›, nicht: ‹Begeht Verbrechen, um zu bekommen, was ihr braucht›.» Selbst wenn ihre Klagen berechtigt seien, habe ihre Gewaltanwendung «Schande» über sie und ihn gebracht und würde nur den Feinden Saint-Domingues beweisen, dass «Schwarze für die Freiheit nicht reif sind». Die Rebellen baten um Verzeihung und erkannten Toussaint als ihren «Vater» an; sie waren besonders beeindruckt von der Harmonie, die unter den schwarzen, weißen und mixed-race Mitgliedern seiner Armee herrschte; ein Bauer bemerkte, sie schienen alle «Brüder von derselben Mutter» zu sein.45 In seinen Reden an die schwarze Bevölkerung wurde Toussaint nicht müde zu betonen, dass in Saint-Domingue die Sklaverei abgeschafft sei, im Gegensatz zu den spanisch kontrollierten Gebieten und zur Wiederherstellung der Sklaverei durch die Briten, nachdem sie 1793 in der Kolonie intervenierten. In einem Brief an Laveaux meinte er: «Eine große Schar Bürger, Männer wie Frauen, haben Saint-Marc, Mont-Rouy, Verrettes und andere vom Feind kontrollierte Gebiete verlassen und all ihren Besitz zurückgelassen, um unter den humanen Gesetzen der Republik zu leben.» Einige Monate später bemerkte er, dass diese ralliements (Versammlungen) tagtäglich stattfanden.46 Solche Reden hielt er häufig. Er entschuldigte sich gegenüber Laveaux für die Kürze seines Briefs, denn er sei «sehr damit beschäftigt, die Kleinbauern und Plantagenaufseher zu versammeln, um ihnen die Liebe für harte Arbeit einzuflößen, die untrennbar mit der Freiheit verbunden ist».47 Diese Moralpredigten wurden manchmal auch von vertrauenswürdigen Kirchenvertretern vorgetragen, «gebildeten Leuten», die in ländliche Gegenden geschickt wurden, um «die schwarzen Bürger darin zu unterweisen, wer ihre wirklichen Freunde und Feinde sind»48 (wobei er nicht unerwähnt ließ, seine eigene Gegenwart sei weitaus wirkungsvoller als die solcher Ersatzleute).49 Diese Reden waren meistens von Erfolg gekrönt, aber nicht immer: Einmal, im Juni 1795, reiste Toussaint in ein Bergdorf, nachdem er erfahren hatte, dass die dortigen Bauern gegen französische Beamte revoltiert hatten. Kaum hatte er seine «Predigt» begonnen, da erhoben die Landarbeiter ihre Waffen und zielten auf ihn. «Der Lohn für meine Mühe war eine Kugel im Bein, die mir immer noch große Schmerzen verursacht.»50 Das größte Hindernis, dem Toussaint begegnete, wenn er um die Unterstützung der nouveaux libres warb, war die Tatsache, dass die meisten von ihnen nicht in Saint-Domingue geboren waren. In der turbulen-
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ten und zersplitterten postrevolutionären Ära fühlten sich viele in Afrika geborene bossales hauptsächlich durch ethnische und Stammesloyalitäten gebunden: Sie sahen sich nicht als Bürger Frankreichs (dessen Sprache nur wenige von ihnen überhaupt sprachen), sondern als Alladas, Ibos, Dahomeyaner, Kongo- und Senegalesen oder Mozambikaner. Die Milizen wurden oft nach diesen ‹nationalen› Gesichtspunkten gebildet, und ihre Anführer waren mächtige lokale Gestalten, die Toussaint und die republikanische Obrigkeit zu besänftigen suchten. Einer der eindrucksvollsten war Halaou, der schneidige Anführer der Cul-de-Sac-Rebellen: ein Mann von ungeheurer Statur und «herkulischer Kraft», der immer einen großen weißen Hahn mit sich herumtrug, welcher ihm, wie er behauptete, direkt die Wünsche des Himmels übermittelte. Im Februar 1794 lud ihn der bevollmächtigte Regierungskommissar Sonthonax zu Verhandlungen in Port-Républicain ein, und Halaou erschien mit 12 000 Kriegern, die zusehen durften, wie ihr Zauberer-König fast nackt und mit Talismanen behängt im Regierungspalast fürstlich bewirtet wurde, während der getreue weiße Hahn den Platz neben ihm innehatte.51 Eine solch mystische Welt mit ihrem Voodoo-Okkultismus, ihren Geheimgesellschaften und heidnischen Gesängen scheint weit entfernt vom republikanischen Rationalismus, und viele Historiker kontrastieren den mystischen Afrikanismus der bossales mit Toussaints «europäischer» Militär- und Politikkultur.52 Diese Spannung spiegelte sich manchmal in seiner Sprache: Immer wies er auf die Notwendigkeit hin, den Schwarzen «Vernunft beizubringen».53 Ohne Zweifel stieß ihn die Gewalt einiger dieser afrikanischen Milizen ab, und er wandte sich entschieden gegen ihre Absicht, die weißen Siedler aus Saint-Domingue zu vertreiben. Gelegentlich äußerte er sich frustriert über «unsere unglücklichen afrikanischen Brüder, die zu schwach und zu leicht verführbar sind».54 Aber nichtsdestoweniger war Toussaint in der Lage, Brücken zu diesen afrikanischen Kämpfern zu bauen. Er behandelte sie alle mit Respekt und Würde, und in diesem Geist führte er die Gespräche mit ihnen: Selbst wenn sie irregeführt waren oder sogar Verbrechen begangen hatten, waren die bossales von Saint-Domingue seine «Brüder». Er schützte sie vor Beleidigungen, indem er ein Verbot erließ, Landarbeiter als «Briganten» oder «Rebellen» zu bezeichnen.55 Ein bedeutender Erfolg dieser Strategie war sein Bündnis mit Sans-Souci, seinem alten Bekannten aus Bréda, der einer der Anführer in der Gegend von Petite-Rivière war; in einem Brief an Laveaux drückte er seine Befriedigung darüber aus, dass
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er ihn für die Sache der Republikaner gewonnen hatte. Sans-Souci sollte bis zum Ausbruch des haitianischen Unabhängigkeitskriegs im Jahr 1802 ein treuer Verbündeter Toussaints bleiben.56 Toussaint zog auch Nutzen aus den Stammes- und Religionszugehörigkeiten seiner Soldaten und Offiziere, um Kontakte mit afrikanischen Milizenführern zu knüpfen oder um Bossale-Rekruten im spanischen oder britischen Lager zum Desertieren zu ermuntern; im Juli 1795 erklärte er Laveaux, er habe einige aus Afrika gebürtige Soldaten, die in Saint-Marc stationiert waren, «aufgrund von Einsicht und Verbindungen» auf seine Seite gebracht. Dies implizierte, dass Vodou praktiziert wurde (höchstwahrscheinlich mit dem Austausch von Amuletten und gemeinsamen Gesängen) – wie zweifelsohne bei vielen anderen Gelegenheiten.57 Während einer Begegnung mit dem Marron-Häuptling Mademoiselle und seinen verwegenen Kämpfern, den ‹Docos› in der Gegend von Mirebalais, traf Toussaint zu seiner Freude auf einige Afrikaner aus seiner eigenen Allada-Nation, denen er eine seiner kraftvollen Ansprachen in der Ewe-Fon-Sprache hielt. Es lässt sich leicht vorstellen, dass diese sprachliche Gewandtheit ihren Eindruck auf Mademoiselle nicht verfehlte und half, ihn für die Sache der Republikaner einzunehmen.58 Wie komplex die Beziehungen Toussaints mit diesen afrikanischen Kommandanten waren, lässt sich an seinem unbeständigen Verhältnis zu dem im Kongo geborenen Macaya ablesen. Dieser rühmte stolz seine Königstreue in der Region von Acul, seiner Operationsbasis Anfang der 1790er Jahre, als Untertan «dreier Könige»: Frankreichs, Spaniens und des Kongo. Toussaint ließ ihn einige Jahre später in Gonaïves gefangen nehmen, aber er entkam aus dem Gefängnis und kehrte nach Acul zurück. Toussaint beklagte sich bei Laveaux: «Dort veranstaltet er jeden Tag Tänze und Versammlungen mit den Afrikanern seiner Nation und gibt ihnen schlechte Ratschläge.»59 Anfang 1796 stellte er sich anscheinend unter den Schutz von Villatte, sicherlich, weil beide die Europäer hassten.60 Dennoch enthielt die royalistische Ideologie Macayas und seiner Anhänger viel, womit Toussaint sich identifizieren konnte – besonders ihr frommes Christentum, ihren entschiedenen Anti-Individualismus und ihre Ablehnung materieller Gier, ihren Glauben an universelle Gerechtigkeitsprinzipien und an eine transnationale Harmonie zwischen schwarzen Gemeinschaften. Mit geringfügigen Veränderungen konnten diese Ideale in die Sprache republikanischer Brüderlichkeit übersetzt
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werden. Dies war der gemeinsame Boden, den Toussaint in seinen Verhandlungen mit schwarzen Milizenführern zu erreichen suchte, und nicht Macayas Vorschlag, ein «allgemeines Massaker unter den Weißen» anzurichten.61 Toussaints Rhetorik von republikanischer Brüderlichkeit war also ein wirkungsvolles Instrument, schwarze Bevölkerungsgruppen für seine Sache zu gewinnen. Nirgends zeigte sich das deutlicher als in der Proklamation, die er im April 1796 an seine «afrikanischen Brüder» aus Saint-Louis-du-Nord richtete, nachdem sie sich gewaltsam gegen die republikanische Obrigkeit aufgelehnt und geweigert hatten, in der Nationalgarde Dienst zu tun. Das Blut, das sie vergossen hatten, klagte Toussaint, gehörte einem Volk, das allerhand geopfert hatte für «die allgemeine Freiheit, die Menschenrechte und das Wohl und Glück der Menschheit». Als sie die Waffen gegen Frankreich erhoben, hätten sie sich wie «irregeführte Kinder» verhalten und von «verbrecherischen Ungeheuern» vom rechten Pfad abbringen lassen. Er schloss mit einem Appell an ihre «Vernunft» sowie an das Ideal kollektiver Stärke, das sie verkörperten: «Wir, die Schwarzen, sind die stärksten, und es liegt an uns, Ruhe und Ordnung zu bewahren und mit gutem Beispiel voranzugehen.» Das aber konnte nur gelingen, wenn sie der guten Führung ihres «chief» folgten; denn den, da gab es kein Vertun, hatten die schwarzen Bürger von Saint-Domingue inzwischen, auch wenn es noch einige Jahre dauern sollte, bis sein Führungsanspruch politisch legitimiert war.62 Im Oktober 1796 verließ Laveaux Saint-Domingue. Mit Toussaints Unterstützung wurde er im Rat der 500, der unteren Kammer des französischen Parlaments während des Direktoriums, zu einem der Abgeordneten der Kolonie gewählt.63 Da durch die Verfassung von 1795 die konservativen Kräfte die Oberhand gewannen, war Toussaint davon überzeugt, dass für die Revolution in Saint-Domingue eine kraftvolle Repräsentanz in Paris lebensnotwendig war. Laveaux war für diese Rolle die ideale Besetzung, denn er war «ein wahrer Freund der Schwarzen».64 Als führendes fortschrittliches Mitglied des französischen Parlaments spielte er später auch eine entscheidende Rolle bei der Verabschiedung des Gesetzes vom 12. Nivôse an VI (1. Januar 1798), in dem es um die Konsolidierung der Leistungen der Revolution in den Kolonien ging;65 zurück in Paris setzte sich Laveaux bei den Versammlungen der Société
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des Amis des Noirs, an denen er regelmäßig teilnahm, auch für Toussaints Führungsanspruch ein.66 Laveaux’ Nachfolger war Léger-Félicité Sonthonax, der frühere französische Gesandte in der Kolonie, der im August 1793 das Ende der Sklaverei verkündet hatte. Da sich die Abschaffung der Sklaverei direkt mit seinem Namen und seinen mächtigen Verbindungen in den Kreisen der französischen Regierung verknüpfte, war Sonthonax eine Gestalt von echtem Gewicht: Er war in Teilen der schwarzen Bevölkerung wirklich beliebt und ebenso verhasst bei den weißen Kolonisten von Saint-Domingue und ganz besonders bei denjenigen königstreuen Emigranten, die er ins Exil gezwungen hatte: Ihr Lebensstil war durch die Revolution zerstört worden, und ihre Gelder aus den Plantagenbesitzungen blieben eingefroren. Während des folgenden Jahres bestimmten Toussaints Interaktionen mit dem selbsterklärten «Begründer der allgemeinen Freiheit»67 die Politik der Kolonie, und ihre Zusammenstöße kulminierten schließlich in Sonthonax’ Rückkehr nach Frankreich. Dieser Sieg war nach der Villatte-Affäre ein weiterer politischer Meilenstein für Toussaint. Aber noch entscheidender war, dass hier zum ersten Mal der Unterschied zwischen seiner Vision für Saint-Domingue und der seiner französischen kolonialen Gegenspieler zum Vorschein kam. Obwohl die beiden Männer sich zuvor nie begegnet waren – Sonthonax hatte die Kolonie einen Monat, bevor Toussaint sich dem französischen Lager anschloss, verlassen –, waren ihre ersten Kontakte im Jahr 1796 konstruktiv. Sonthonax schrieb Toussaint eine Reihe enthusiastischer Briefe und kündigte an, er sei in die Kolonie gekommen, um seine Bemühungen, das französische Territorium zu verteidigen, «getreulich zu unterstützen» und «die Herrschaft allgemeiner Freiheit zu organisieren».68 Toussaint vergalt es ihm, indem er an die französische Regierung schrieb, Sonthonax’ Anwesenheit sei «notwendig für das Wohlergehen von Saint-Domingue, seine völlige Wiederherstellung und seinen Wohlstand», und er fügte hinzu: «Dieser Mann genießt bei den Schwarzen vollstes Vertrauen.»69 Die beiden Männer tauschten Geschenke aus: Da er von Toussaints Musikliebe wusste, überreichte der französische Bevollmächtigte ihm eine Trompete. Er erhielt als Gegengabe ein ausgezeichnetes Pferd.70 Wenige Monate nach seiner Ankunft beförderte Sonthonax Toussaint zum Divisionsgeneral und beschrieb ihn seinen Vorgesetzten als «braven Mann, der die Hochachtung der Republikaner durch seinen Mut, seine Humanität und seine Freiheits-
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liebe verdient»;71 er sei ein «Vorbild an öffentlichen und privaten Tugenden» und betrachte «alle Menschen als seine Brüder».72 Beeindruckt von Toussaints bemerkenswerten militärischen Erfolgen im Kampf gegen die Spanier und Engländer, pries Sonthonax seine «Unermüdlichkeit» und nannte ihn seinen «besten Freund».73 Er gab sich auch enorme Mühe, sich bei der Familie Louverture beliebt zu machen. Nachdem er von Laveaux erfahren hatte, dass Toussaint seine beiden Kinder in Frankreich ausbilden lassen wollte, schrieb Sonthonax an den Marineminister Laurent Truguet, einen fortschrittlichen Republikaner, der einer seiner wichtigsten Verbündeten in Paris war,74 und die beiden Jungen Isaac und Placide segelten Anfang Juli 1796 nach Frankreich ab.75 Es gab sogar noch eine persönlichere Verbindung zwischen Toussaint und Sonthonax, dessen Frau eine Person of Color namens Marie Eugénie Bléigat war, deren erster Ehemann vor der Revolution Verwalter auf der Bréda-Plantage gewesen war; mit ihm war Toussaint gut bekannt.76 Dennoch wurde gleich zu Beginn deutlich, dass ein Abgrund zwischen den beiden Männern klaffte. Das lag nicht nur an der unterschiedlichen Statur (Sonthonax war untersetzt, Toussaint drahtig) oder dem Alter (Sonthonax war zwanzig Jahre jünger). Toussaint präsentierte sich, wie er 1798 an Laveaux schrieb, als «geradeheraus und militärisch»,77 ein Anhänger von Einfachheit und Ordnung. Sonthonax war in viel stärkerem Maße Politiker, ein Jakobiner, der in Intrigen und Zweideutigkeiten exzellierte. Auch ihre Temperamente waren sehr gegensätzlich. Toussaint war von Natur aus reserviert und wählte seine Worte mit Bedacht; Sonthonax, Rechtsanwalt von Beruf, war hemmungslos und manchmal auf unkluge Weise redselig (oder, um eine kreolische Redensart anzuführen, «seine Zunge kannte keine Sonntage»).78 Außerdem war Sonthonax überschwänglich und fasste andere Menschen gerne an; Toussaint erwähnte später etwas pikiert, der französische Bevollmächtigte habe beim ersten Treffen seine Hand ergriffen, und diese demonstrative Intimität stieß nicht auf Gegenliebe. Sein Vorbehalt gegenüber Sonthonax nährte sich zudem aus der Tatsache, dass dieser während seines ersten Aufenthalts in Saint-Domingue Anfang der 1790er Jahre die Sklaverei und die alleinigen Vorrechte der weißen Siedler heftig verteidigt hatte – weshalb Toussaint ursprünglich die Wendung Frankreichs hin zur Abschaffung der Sklaverei mit solchem Argwohn beäugt und für wenig mehr als eine «List» gehalten hatte.79 Kurzum, es war Toussaint
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zwar leichtgefallen, «Papa» Laveaux zu vertrauen, dessen Aufrichtigkeit gegen ihn selbst und Unterstützung der Sklavenemanzipation unbestritten war, aber mit Sonthonax fühlte er sich auf unsicherem Terrain. Erschwerend kam hinzu, dass Sonthonax sich von Anfang an Toussaint gegenüber herablassend verhielt. Wie bei den meisten seiner Pariser Kollegen war sein Streben nach Gleichheit auf einer abstrakten Ebene zweifellos authentisch, aber er brachte es nicht über sich, jemanden wie Toussaint tatsächlich als ebenbürtig zu behandeln, nicht zuletzt, weil er sich selbst als Retter der Schwarzen sah. Nach ihrem Zerwürfnis enthüllte Sonthonax in einem Bericht an die französische Regierung seine wahren Ansichten über Toussaint: Er sei ein «begriffsstutziger Mann, geprägt von seinem ersten niederen Beruf als Sklavenhirte; normalerweise spricht er kreolisch und versteht kaum die französische Sprache». Im gleichen Bericht äußerte Sonthonax sich auch verächtlich über Toussaints Glauben, den er als Nachweis moralischer Schwäche erachtete: «Dank seiner tiefen Unwissenheit ist er den Pfaffen vollkommen ergeben, denen in Saint-Domingue ebenso wie in Frankreich jedes Mittel recht ist, um unsere Freiheiten zu zerstören.»80 Hinter der Fassade republikanischer Gleichheit verbarg sich eine tiefe Verachtung für Schwarze; einmal sagte er zu einem weißen französischen Offizierskollegen: «Schwarze sind immer auf der Jagd nach militärischen Positionen, damit sie sich mehr Alkohol, Geld und Weiber beschaffen können.»81 Sonthonax sagte dies Toussaint nicht ins Gesicht, aber er äußerte seine Verachtung in Gesprächen mit anderen. Da Saint-Domingue klein war und Toussaint an allen wichtigen Stellen Ohren hatte, drangen diese Sottisen schließlich zu ihm durch. Zudem beschränkte sich Sonthonax’ lockere Ausdrucksweise nicht nur auf seine Zunge; sie fand sich auch in seinen Briefen. So änderte er den Eröffnungssatz einer Rede von Toussaint vor deren Publikation mit der Behauptung, dadurch würde er «korrekter».82 Als Toussaint Sonthonax brieflich um eine bessere Ausstattung seiner exponierten Truppen bat, erhielt er eine hochtrabende Geschichtslektion in revolutionärer Tugend als Antwort: Der Mangel, den er und seine Soldaten litten, sei eine unvermeidliche Begleiterscheinung aller Freiheitskriege, und «jede Seite in den Geschichtsbüchern ist voll von derlei Beispielen». Der professorale Bevollmächtigte zählte daraufhin verschiedene Fälle auf, in denen zahlenmäßig unterlegene und schlecht ausgerüstete Volksheere während der französischen und der amerikanischen Revolution ihre Feinde besiegt hatten. Schließlich riet
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er Toussaint, er solle «die Republikaner unter Ihrem Kommando an diese heroischen Beispiele» erinnern. Selbst Sonthonax’ Erwähnung der Verunglimpfung von Toussaints schwarzen Soldaten durch die Briten als «nackte Kongos», das als Kompliment in Analogie zu den sans-culottes der Französischen Revolution gemeint war, war vergiftet. Für Toussaint war dies nicht die Sprache eines Mannes, der wirklich an Brüderlichkeit glaubte.83 Es traten erhebliche politische Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen zutage, insbesondere über die Stellung der Emigranten. Toussaint befürwortete eine großzügige Amnestie, um weiße Pflanzer und propriétaires, die die neue Ordnung akzeptierten, zur Rückkehr in die Kolonie und zur Hilfe beim Wiederaufbau zu ermutigen. Sonthonax war viel dogmatischer, denn er betrachtete Emigranten als unverbesserliche Feinde der Revolution und stellte sich deshalb gegen ihre Rückkehr. Diese unterschiedliche Einstellung zur Brüderlichkeit kam zum Ausdruck, als Toussaint Bayon de Libertat, seinen ehemaligen Verwalter auf der Bréda-Plantage, einlud, aus den Vereinigten Staaten zurückzukehren, wo er im Exil lebte. Toussaint hatte ihm Geld schicken lassen und versprochen, er würde aus der Liste der Emigranten gestrichen und seinen Grundbesitz in Limbé zurückerhalten.84 Er bestürmte Sonthonax, die Beschlagnahmung seines Besitzes rückgängig zu machen, und bat den französischen Konsul in Philadelphia, die Rückkehr dieses «achtbaren alten Mannes» nach Saint-Domingue zu unterstützen.85 Er schrieb sogar an das Direktorium und stellte Bayon ein glänzendes Leumundszeugnis aus, er sei ein «tugendhafter» Verwalter gewesen, der seine Sklaven mit Menschlichkeit behandelt habe und von seinen Arbeitern als «Vater» angesehen worden sei.86 Sonthonax hingegen gab den Befehl, Bayon bei seiner Ankunft in Saint-Domingue verhaften und nach Frankreich überstellen zu lassen, wo er des Hochverrats angeklagt werden sollte, weil er in den Anfangsjahren der Revolution gemeinsame Sache mit den Briten gemacht hatte.87 Toussaint musste nach Cap eilen und sich beim Bevollmächtigten für ihn verwenden, traf aber auf gänzliche Ablehnung: Er fand sich aus «Rücksicht» auf Toussaint lediglich bereit, Bayon zurück in die Staaten auszuweisen.88 Später versuchte Sonthonax den Schaden wieder gut zu machen, indem er Toussaint gestattete, seinen ehemaligen Chef finanziell zu unterstützen, aber er beharrte weiterhin darauf, dass Bayons Rückkehr «kriminell» gewesen sei, nicht zuletzt wegen seiner engen Verbindungen zu königstreuen
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Verrätern, und dass das Emigrationsgesetz für ihn die Todesstrafe vorsehe.89 Die Konterrevolution war noch keineswegs Vergangenheit: Ab 1796 begannen monarchistische Kräfte in Paris ihre Machtpositionen zu erneuern. Diese Royalisten standen, wie wir noch sehen werden, dem Revolutionsregime in Saint-Domingue entschieden feindselig gegenüber. Natürlich stimmten Toussaint und Sonthonax überein, dass ihrer Kampfansage zu begegnen war, aber wie dies geschehen sollte, darüber hatten sie unterschiedliche Ansichten. Toussaint bemühte sich, seine Energien lokal zu konzentrieren und sich auf freundliche Stimmen in Paris zu verlassen (wie zum Beispiel Laveaux), während Sonthonax mit grandiosen Plänen liebäugelte, um Saint-Domingue in einen «sicheren Stützpunkt für französische republikanische Patrioten» zu verwandeln.90 Er ging auch ideologisch in die Offensive, indem er ein Schauspiel in Auftrag gab mit dem Titel La Liberté générale ou les colons à Paris, das 1796 in Cap uraufgeführt wurde. Es griff die Fraktion der Kolonisten in Paris und ihre Verbündeten in Saint-Domingue an (von denen viele mit ihren Namen genannt wurden).91 Was noch dramatischer war: Anscheinend nährte er den Gedanken, die Kolonie könnte getrennt von Frankreich einen Sonderweg einschlagen, indem sie sich eine eigene Verfassung gab. Toussaint sollte sich diese Idee später zu eigen machen, aber im Augenblick verdammte er sie und nahm sie zum Anlass, um Sonthonax zu diskreditieren.92 Die Meinungsverschiedenheiten der beiden Männer spitzten sich bei militärischen Fragen noch zu. Einen Monat nach seiner Ankunft erhielt Sonthonax den Oberbefehl über die gesamten kriegerischen Aktivitäten, und der Hauptteil seiner Korrespondenz bezog sich auf militärische Angelegenheiten. Hier erwies er sich jedoch als extrem unfähig, vor allem stieß er die Verwaltung der südlichen Provinz unter Rigauds Kontrolle vor den Kopf. Noch schwerer fiel ins Gewicht, dass er sich – zu dessen Ärger – in Toussaints Verantwortungsbereich einmischte.93 Er stellte Toussaints Entscheidung in Frage, dem «Briganten» Noël Artaud Amnestie zu gewähren, und behauptete, eine der Gegenden, die von Toussaints Männern kontrolliert wurden, sei «ein einziger Scherbenhaufen».94 Sein revolutionärer Furor, der ihn überall Verschwörungen sehen ließ, brachte ihn zu erratisch wirkenden Entscheidungen, wie zum Beispiel der Verhaftung der Generäle Desfourneaux und Pierre Michel, beides beliebte Offiziere, die er ohne eindeutige Beweise beschuldigte,
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gegen ihn konspiriert zu haben.95 Der Fall Michels war besonders umstritten: ein schwarzer Offizier, der 1792 eine Gruppe aufständischer Sklaven anführte und dann so tapfer gegen die Briten kämpfte, dass er eine lobende Erwähnung von der Nationalverwaltung erhielt;96 gerade erst war er wegen seines beherzten Einsatzes bei der Niederschlagung der Verschwörung vom 30. Ventôse zum Brigadegeneral ernannt worden. Obgleich Sonthonax im Mai 1797 Toussaint zum Oberkommandeur der Armee von Saint-Domingue ernannte, hinterließen seine ungeschickten und chaotischen Interventionen einen bitteren Nachgeschmack und trugen kaum dazu bei, Toussaints Vertrauen zu erwecken. Schließlich verlor Toussaint die Geduld, und in einem Treffen im Mai 1797 rang er Sonthonax die Zustimmung ab, Saint-Domingue zu verlassen, nach Paris zurückzukehren und dort neben Laveaux einen Sitz im Rat der 500 einzunehmen. Doch der unberechenbare Sonthonax überlegte es sich anders: Er mobilisierte seine zivilen und militärischen Unterstützer in Cap, die durch die Straßen zogen und seinen Namen skandierten; Petitionen und Adressen, unterschrieben von Soldaten und Offizieren der nördlichen Division (unter anderen von Toussaints Neffen Moyse, mit dem Sonthonax eine enge Beziehung geknüpft hatte), verlangten, er solle in der Kolonie bleiben.97 Zu Toussaints Verdruss zeigte sich, dass der «Gründer der Freiheit» wegen seiner abolitionistischen Vergangenheit immer noch beträchtliche Unterstützung bei den schwarzen Bürgern genoss; selbst die Stadtverwaltung in Toussaints Hauptbasis Gonaïves forderte den Verbleib von Sonthonax in Saint-Domingue.98 Charles-César Télémaque, Friedensrichter (und zukünftiger Bürgermeister) von Cap, drückte in einem Brief sein «großes Bedauern» über die Nachricht von seiner Abreise aus und bemerkte, niemand könne wie er «die Ordnung garantieren»;99 ganze Familien, so wurde kolportiert, beteten für sein Wohlergehen.100 Angesichts von Toussaints überlegenen Ressourcen war es jedoch ein Fehler, den Zwist an die Öffentlichkeit zu zerren. Er sandte Sonthonax ein scharfes Schreiben, in dem er erklärte, «die Menschen und die Soldaten verlassen sich auf mich», und ihn warnte, er, Sonthonax, hätte die Verantwortung für alle Konflikte zu tragen, die aus dem Bruch ihres Übereinkommens resultierten.101 Auch an die Stadtverwaltung von Cap, die verlangt hatte, dass Sonthonax blieb,102 sandte er eine strenge Erklärung mit der Warnung, «Kabalen» führten zur Unordnung, und sie müssten dafür Sorge tragen, dass weitere öffentliche Demonstrationen
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zur Unterstützung des Bevollmächtigten unterbunden würden. Andernfalls, so deutete er ominös an, würden «Konsequenzen» erfolgen.103 Da Sonthonax sich immer noch nicht entschließen konnte, sandte Toussaint seinen Stabschef General Agé zu Julien Raimond, dem mixed-race Kollegen des französischen Bevollmächtigten, und ließ ihm mitteilen, wenn es ihm nicht gelänge, Sonthonax zum freiwilligen Abzug zu überreden, so habe er Befehl von Toussaint, mit 20 000 Mann nach Cap zu marschieren und ihn gewaltsam aus der Kolonie zu entfernen.104 Die Aufforderung wurde noch unterstrichen durch eine Proklamation, die von Toussaint und seinen führenden Kommandeuren unterzeichnet war.105 Selbst nachdem Sonthonax sich eingeschifft hatte, fürchtete Toussaint, er könnte versuchen, im nahen Port-de-Paix zu landen und Truppen gegen ihn zu mobilisieren; er gab dem Kommandeur vor Ort den Befehl, Sonthonax mit Gewalt entgegenzutreten.106 Die Bürger von Cap und die Plantagenarbeiter der nördlichen Ebene forderte er auf, jeglichen Zwist zu begraben und als «Volk von Brüdern» zusammenzustehen.107 Bei dem Streit zwischen Toussaint und Sonthonax ging es um die Führung der Schwarzen Revolution in Saint-Domingue und um den Geltungsanspruch ihres Ideals der Brüderlichkeit, das beide Männer auf gegensätzliche Weise zu verkörpern suchten. In einem Brief an Laveaux, in dem er ausführlich und in allen Einzelheiten Sonthonax’ «Verbrechen» aufzählte, bemühte sich Toussaint nach Kräften, den Gedanken zurückzuweisen, Sonthonax sei ein «besserer Freund der Schwarzen als ich».108 Das lag nicht so sehr an ihrer unterschiedlichen Hautfarbe als vielmehr daran, dass Toussaints Vorstellung von Brüderlichkeit viel umfassender war. Sonthonax war im Grunde ein aufgeklärter weißer Paternalist, dem die Sklaverei zwar von Herzen verhasst war, der aber die Schwarzen nicht als seinesgleichen anerkannte. Er glaubte sogar, dass Saint-Domingue ohne die weise Führung seiner europäischen Eliten nicht überleben konnte. Das machte er durch sein arrogantes Verhalten gegenüber Toussaint und durch seine oft geäußerten Bedenken über die Kampfkraft schwarzer Soldaten deutlich, die seiner Überzeugung nach den Europäern unterlegen waren. In der Korrespondenz mit seinen weißen Vorgesetzten in Paris äußerte er seine Ansichten noch deutlicher: «Um die allgemeine Freiheit mit Nutzen zu organisieren und um zu vermeiden, dass die Einwohner dieses Landes eine Horde Wilder ohne Gesetz und Sitte werden, muss der Europäer in Saint-Domingue herrschen.»109
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Ein späterer Brief betonte die Unfähigkeit der «Wilden», Regierungsgewalt auszuüben: Wenn die Macht vollständig den Schwarzen übergeben würde, so sagte er voraus, wäre die Kolonie «auf immer für Handwerk, Zivilisation und Landwirtschaft verloren und wird ein zweites Guinea, mit Sklavenhandel als einzigem Wirtschaftszweig».110 Toussaint war natürlich ganz anderer Meinung. Er legte seine Auffassung in einem ziemlich langen Bericht dar, den er nach Sonthonax Abreise an das Direktorium schickte. Darin breitete er unappetitliche Einzelheiten aus Geheimgesprächen aus, die er angeblich im Lauf mehrerer Monate mit dem französischen Bevollmächtigen geführt hatte. Das 44 Seiten lange Dokument war ein grandioses Beispiel fiktionaler Literatur, mitsamt Dialogen zwischen Sonthonax und Toussaint, die wie für eine Theateraufführung geschrieben scheinen: ein Schauspiel öffentlicher Unterhaltung im spätkolonialen Saint-Domingue. Das Dokument war eine beredte Antwort auf Sonthonax’ abwertende Bemerkungen über Toussaints geringe Intelligenz (und seine sprachlichen Mängel), eine schonungslose und oft witzige Darlegung der Charakterfehler von Sonthonax sowie eine vernichtende Polemik gegen dessen unzureichenden Begriff von Brüderlichkeit. Toussaint behauptete sogar, Sonthonax sei mit einem Plan bei ihm erschienen, Saint-Domingues Unabhängigkeit von Frankreich zu erklären, so dass «für die Schwarzen» die Macht ausgeübt werden könne. Auch habe er ihm nahegelegt, dass sämtliche Weißen in der Kolonie «Feinde der Freiheit» seien und deshalb «massakriert» werden müssten. Sonthonax leugnete heftig, jemals solche Ideen geäußert zu haben, und obwohl er möglicherweise gelegentlich so gesprochen hat (besonders mit schwarzen Soldaten und Offizieren, mit denen er gerne «ungehobelt» redete), gibt es keine Belege dafür, dass er alle Weißen aus der Kolonie vertreiben wollte. Aber, wie wir sahen, gibt es nur wenig Zweifel daran, dass er die Autonomie des Landes erwogen hatte und seit jeher die weißen Kolonisten in Saint-Domingue verachtete, unter denen er keine Freunde und nur wenige Verbündete besaß. Eigentlich beabsichtigte Toussaint mit diesem Bericht aber, die Verschwörungskarte zu ziehen, die, wie er wusste, ihre Wirkung auf die Phantasie der französischen Revolutionäre in Paris nicht verfehlen und gleichzeitig Sonthonax’ Behauptung entkräften würde, er sei ein wahrhafter Freund der Schwarzen. Toussaint beschrieb, wie der französische Bevollmächtigte versucht hatte, schwarze Soldaten und Offiziere ihrem Oberkommandeur zu ent-
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fremden, indem er sie «Briganten» nannte, ihnen Verpflegung und Ausrüstung vorenthielt und Agenten aussandte, die unter seinen Soldaten im Westen Zwietracht säen sollten. Toussaint behauptete, er habe aus diesem Grund 67 seiner eigenen Offiziere wegen Insubordination verhaften müssen. Am wirkungsvollsten war freilich die Wiedergabe seiner eigenen Gespräche mit Sonthonax. Durch die Worte, die er ihm in den Mund legte, malte Toussaint ein vernichtendes Bild von Sonthonax’ Verachtung für die Schwarzen, das sich in seiner Eitelkeit zeigte («Ich bin der einzige Freund der Schwarzen»), seiner Herablassung («Ich mache das für euch Schwarze, ich brauche nichts, mein Vater in Frankreich ist ein reicher Mann»), seiner narzisstischen Unsicherheit (er fragte Toussaint wiederholt, ob dieser ihn «liebe»), seiner durchsichtig unaufrichtigen Schmeichelei («Ich halte Sie für den Retter der Kolonie») und seiner bizarren Neigung zu Übertreibungen (er «sagte immer die Wahrheit» und liebte die Schwarzen so sehr, dass er bereit war, sich «mit ihnen in die Berge zurückzuziehen und nur von Wurzeln zu leben»). Toussaint ließ ihn auch im Stil von Molières komischen Figuren ständig wiederholen: «Je suis philanthrope.» Sonthonax’ einziges Ziel sei dabei gewesen, Toussaint botmäßig zu machen. Selbst sein Plan, die Unabhängigkeit von Saint-Domingue voranzutreiben, erschien als eigennütziger Vorwand: «Wir werden die Herren der Kolonie sein», prahlte Sonthonax. «Sie werden der Chef der Armee, und ich werde Ihr Berater.» Aber das war keineswegs als eine gleichwertige Partnerschaft gedacht, denn der Bevollmächtigte fügte vielsagend hinzu: «Ich werde Sie anleiten.» Am Ende war es dann allerdings Sonthonax, dem die Tür gewiesen wurde: In Abwandlung seiner früheren Aussage erklärte Toussaint nun, die Abreise des französischen Beamten sei «unumgänglich für das Wohl von Saint-Domingue» gewesen. Er zitierte ein landestypisches Sprichwort, um die Notwendigkeit seiner Maßnahme zu rechtfertigen: «Ein Schwein, das einmal ein Huhn gefressen hat, wird immer wieder versuchen ein Huhn zu fressen, sobald es in seine Reichweite kommt, auch wenn man ihm seine Augen verbindet.»111 Die Redensart war zugleich eine überdeutliche Anspielung auf Sonthonax’ Physiognomie und eine Summe seines moralischen Versagens: «Schlechte Menschen sind immer unverbesserlich.» Gleichzeitig unterstrich Toussaint, dass seine Ansichten über Tugend und Laster nichts mit der Hautfarbe zu tun hätten: «Es gibt Gute und Schlechte in allen Farben.»112
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Toussaint steigerte Sonthonax’ Demütigung noch, indem er Auszüge aus seinem offiziellen Bericht in Cap veröffentlichte, natürlich inklusive seiner umstrittensten Behauptungen.113 Sein Ziel war, Sonthonax bei seinen Anhängern in Saint-Domingue in Verruf zu bringen. Er bemühte sich nach Kräften, Sonthonax’ abtrünnige «Fraktion» zu verunglimpfen, und forderte seine eigenen Anhänger in den Stadtverwaltungen auf, Manifeste zur Unterstützung seines Führungsanspruchs zu verfassen. Diese Mitteilungen waren alle in blumiger republikanischer Prosa geschrieben und wurden zusammen per Post an das Direktorium in Paris gesendet. Diese Technik wurde eine der wirkungsvollsten politischen Mobilisierungsmethoden Toussaints, und in diesem Stil verdammte die Stadtverwaltung von Jean-Rabel «die perversen Ideen des heimtückischen Sonthonax», vor allem seinen Plan, «alle in der Kolonie geborenen französischen Bürger umzubringen».114 Glücklicherweise, so merkten die Verwaltungsbeamten von Petite-Rivière an, habe Toussaint aber aufgepasst, und sie priesen sein «reines und tugendhaftes Herz, das lieber seinen letzten Blutstropfen vergoss, als einem Verbrechen zuzustimmen» – allerdings verriet die Tatsache, dass sie ihn drei Jahre nach Robespierres Hinrichtung als «unbestechlich» beschrieben, eine gewisse Unkenntnis der jüngsten Entwicklungen der Pariser Politik.115 Der vielleicht aufschlussreichste Brief an das Direktorium stammte vom Friedensrichter Lamontagne aus der Gemeinde Limbé. Er lobte Toussaint für seine tugendhafte Verbindung von «Vernunft» und «Tatkraft» und stellte fest, er habe sich mit «wahrhaft heldenhaftem Mut» dem «Eindringling Sonthonax» entgegengestellt, obwohl er doch über «so wenig Macht und solch eingeschränkte Mittel» verfügte: In dieser phantasievollen Nachempfindung des Kampfs zwischen dem französischen Goliath und dem David aus Saint-Domingue wurde Toussaints Streitmacht von 20 000 Mann geflissentlich übergangen.116 Dennoch verbarg sich hier eine tiefere Wahrheit: Toussaints moralische Entschlossenheit, «die Freiheit seiner Brüder zu erhalten», war an sich schon eine starke Waffe, in gewisser Weise sogar die eindrucksvollste von allen. Mixed-race Schurken, heimtückische spanische und britische Imperialisten, käufliche oder fehlgeleitete Schwarze, arrogante republikanische Verwaltungsbeamte – Toussaints Einsatz für ein neues Gefühl der Brüderlichkeit unter Saint-Domingues verschiedenen Bevölkerungsgruppen fand an verschiedenen lokalen Fronten statt. Zugleich musste er die
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Ereignisse in Frankreich im Auge behalten, da sich dort eine mächtige Koloniallobby gebildet hatte, die die Interessen tausender weißer Siedler vertrat, die in die Heimat zurückgekehrt waren und nun versuchten, die Fortschritte der frühen 1790er Jahre zu revidieren. Toussaint konnte diesen konterrevolutionären Trend in der französischen republikanischen Presse verfolgen, die er ab Mitte des Jahres 1796 regelmäßig erhielt.117 Die lautesten Befürworter des Konservatismus standen der Bewegung der Royalisten nahe, und Toussaint erschrak zutiefst, als diese bei den Parlamentswahlen im April 1797 die Mehrheit errangen. Ihre Abgeordneten im Rat der 500 prangerten einer nach dem anderen die Kolonialpolitik des Direktoriums an, besonders die Gewährung der politischen und Bürgerrechte für die schwarzen Einwohner von Saint-Domingue; einer von ihnen behauptete, die dortigen Sklaven seien unter dem Ancien Régime gut behandelt worden, hätten Nahrung in Hülle und Fülle, saubere Wohnungen, Zugang zu ärztlicher Behandlung gehabt und seien alles in allem «viel glücklicher als französische Bauern» gewesen; er kam zu dem Schluss, dass die Ordnung nur durch einen Feldzug zur Befriedung der Kolonie wiederhergestellt werden könne, so wie es mit Erfolg in der Vendée geschehen war.118 In den fortgesetzten Debatten über die Zukunft der französischen Kolonien verteidigten mehrere Pamphlete die Wiederherstellung der Sklaverei. Ein Verfasser, der nach dem Aufstand von 1791 ein Gefangener der schwarzen Rebellen gewesen war, fasste die Sache mit den dürren Worten zusammen: «Ohne Sklaverei kann es keine Kolonien geben.»119 Die aufsehenerregendste Rede wurde am 29. Mai 1797 von VincentMarie Viénot, Comte de Vaublanc, gehalten. Viénot, ein glühender Redner und Polemiker, war einer der führenden reaktionären Intellektuellen der Royalisten; er stammte aus einer Familie von Sklavenhaltern, die ihr Vermögen in Saint-Domingue verloren hatten. Er spielte eine bedeutende Rolle in den Zirkeln expatriierter Kolonisten, nicht nur in Frankreich, sondern auch in der großen Gruppe französischer Exilanten in den Vereinigten Staaten, besonders in Philadelphia, wo der exilierte koloniale Rechtsanwalt Moreau de Saint-Méry eine Buchhandlung führte, die als Sammelbecken konterrevolutionärer Ressentiments diente; aus der Hauptstadt Pennsylvanias erhielt Toussaint denn auch ein Exemplar von Viénots Rede.120 Was der Rede einen noch stärkeren Nachhall verlieh, war die Tatsache, dass ihre Verurteilung des angeblichen Versagens der Kolonialverwaltung in Saint-Domingue sich aus Berichten
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speiste, die Viénot von offiziellen französischen Quellen bezog, vor allem von General Donatien de Rochambeau. Viénot stellte eine ganze Reihe rufschädigender Behauptungen über die inkompetente Tyrannenherrschaft sukzessiver französischer Bevollmächtigter (vor allen Laveaux und Sonthonax) auf, und er brandmarkte die «Anarchie», die sich unter der Regierung dieser «Hitzköpfe» («têtes sulphureuses») in Saint-Domingue breitgemacht habe. Er beklagte die «extreme Unsicherheit und den Schmerz», den die weiße Bevölkerung erdulden müsse, und behauptete, die Europäer seien nun in Saint-Domingue zu Parias geworden: Sie seien aus der Kolonialverwaltung ausgeschlossen, würden von französischen Agenten als Konterrevolutionäre gejagt, in der Hierarchie der Armee marginalisiert, im Süden von People of Color, im Norden von schwarzen Aufständischen massakriert, und seien ihrer verbrieften Eigentumsrechte beraubt. Sie würden sogar in revolutionären Theaterstücken im Theater von Cap öffentlich verspottet und geschmäht und überdies beschuldigt, die Ermordung der gesamten schwarzen Bevölkerung zu planen; was das Maß des Grauens aber voll machte: Diesen Vorstellungen «wohnten nègres bei». Die Welt des französischen Adeligen stand wahrhaftig Kopf. Es kam noch schlimmer. Im Namen dieser «so überaus monströsen Doktrin von der revolutionären Gleichheit» hatten sich französische Beamte wie Laveaux und dann Sonthonax größte Mühe gegeben, «die nègres glücklich zu machen», wodurch Saint-Domingue de facto unter die Kontrolle seiner schwarzen Militärkommandeure geraten war. «Und was für eine Militärregierung!» tobte Viénot: «Sie besteht aus unwissenden und ungehobelten nègres, die unfähig sind, die unerhörteste Willkür von dem strengen Freiheitsbegriff zu unterscheiden, der durch Recht und Gesetz garantiert wird.» Toussaint wurde nicht geschont. Zwar würdigte Viénot sein rechtzeitiges Eingreifen, als er Bayon de Libertat aus Sonthonax’ Händen rettete, aber er zitierte auch einen Bericht, in dem behauptet wurde, der schwarze General gebe «jetzt den französischen Vertretern in der Kolonie Verhaltensmaßregeln, statt von ihnen Befehle zu empfangen». In einem anderen Abschnitt seiner Rede ging Viénot sogar noch weiter, denn er insinuierte, Toussaint verfolge die Strategie, lokale Rebellionen anzustiften, um die französischen Beamten einzuschüchtern, dann nach und nach die wichtigen Städte unter seine Kontrolle zu bringen, sich der Lebensmittelvorräte und Waffen zu bemächtigen und «alle Weißen systematisch abzuschlachten».121 Toussaint war über Viénots Rede tief betrübt. Julien Raimond, der
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bei mehreren Gelegenheiten mit ihm darüber sprach, bemerkte, sein Gesicht habe seinen «gewöhnlich heiteren Ausdruck» verloren.122 Der Kommandant wusste, dass diese Denkschrift mit ihren skurrilen Behauptungen und ihrer abwertenden Darstellung der Schwarzen ein ausgewachsenes konterrevolutionäres Manifest war, eine Bedrohung der «liberté générale», die sich die schwarzen Bürger seit den frühen 1790er Jahren erkämpft hatten. Um so mehr, als der Autor nicht irgendein verbitterter Kolonist war, sondern ein einflussreiches Mitglied des französischen Parlaments, das die Revolution von Saint-Domingue ins Herz treffen wollte. Viénots Rede erfuhr einige kritische Entgegnungen in Frankreich, darunter eine Antwort Laveaux’, der zu diesem Zeitpunkt seinen Sitz in der gesetzgebenden Versammlung eingenommen hatte.123 Doch obwohl der frühere Gouverneur Toussaint mit Lob überschüttete («ein durch den schieren Umfang seiner Tugenden außergewöhnlicher Mann») und hervorhob, welch wichtige Rolle die schwarzen Bürger gespielt hatten, um Frankreich Saint-Domingue zu erhalten, beschäftigte sich seine Erwiderung hauptsächlich damit, die Leistungen seiner Amtszeit zu verteidigen.124 Daher entschied Toussaint, eine eigene Widerlegung zu verfassen und sich direkt mit Viénots «Verleumdungen» auseinanderzusetzen.125 Das Pamphlet, das er schrieb und von dem sofort eine handgeschriebene Kopie an das Direktorium in Paris geschickt wurde,126 war eine Polemik in bester republikanischer Tradition: eine schwungvolle Bloßstellung einiger der eklatantesten Irrtümer Viénots, eine Verteidigung der Revolution in Saint-Domingue und der patriotischen Rolle, die die Schwarzen dabei gespielt hatten, und vor allem eine kraftvolle Wiederholung des Ideals der Brüderlichkeit als Antwort auf Viénots rassistische Darlegungen. Ein Leitmotiv in Viénots Rede, die Stereotypen über Schwarze in der europäischen Vorstellungswelt ansprach, war ihre angebliche Vorliebe für Gewalt. Seit man sie aus der Sklaverei entlassen hatte, so behauptete er, hatten die Schwarzen in Saint-Domingue nichts anderes getan als zu plündern, zu stehlen, Menschen umzubringen und Gebäude und Plantagen niederzubrennen; insbesondere erwähnte er die Zerstörung von Cap im Jahre 1793 und die Schlächtereien, die die Milizen von JeanFrançois angerichtet hatten.127 In seiner Entgegnung gestand Toussaint ein, dass im Bürgerkrieg schreckliche Gräueltaten vonseiten der schwarzen Bevölkerung in Cap stattgefunden hatten. Dennoch, so stellte er fest, waren es die europäischen Bürger gewesen, die seinen «armen Brüdern»
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die Fackeln in die Hand gedrückt und sie zum Morden angestiftet hatten. Außerdem war die grauenhafte Gewalt schwarzer Milizen das Werk einer kleinen Minderheit gesetzloser «Briganten». Jedenfalls musste das Verhalten der schwarzen Bürger Saint-Domingues im Licht ihres späteren Strebens betrachtet werden, gesetzestreue französische Bürger zu werden: «Durch ihre guten und humanen Werke, sowie durch ihre Rückkehr zu Ordnung und Arbeit, und durch ihre Anhänglichkeit an Frankreich haben sie ihre früheren Fehltritte zum Teil ausgeglichen, zu denen ihre Feinde oder ihre eigene Unwissenheit sie verführt hatten.» Toussaint erinnerte daran, dass der Kampf zwischen Despotie und Freiheit Anfang der 1790er Jahre auch in Frankreich viele abstoßende Gewaltakte mit sich gebracht hatte, trotz der langen Tradition von Zivilisation und Bürgersinn in dieser Nation. Wenn die «ungebildeten und ungehobelten» schwarzen Bürger von Saint-Domingue während ihres eigenen Freiheitskampfs nichts Schlimmeres getan hatten und in vieler Beziehung mehr Zurückhaltung gegen ihre Unterdrücker hatten walten lassen, dann sollte doch gewiss «jeder unvoreingenommene Richter» zu ihren Gunsten entscheiden?128 Nach dieser eleganten Argumentation wandte Toussaint sich Viénots Behauptung zu, Saint-Domingue sei völlig im Chaos versunken, weil schwarze Soldaten das Militär übernommen hätten, das seitdem korrupt, ineffektiv und demoralisiert sei. Dies war ein weiterer beliebter rassistischer Topos, den auch Sonthonax ins Feld führte, wie wir zuvor gesehen haben: Afrikaner seien schlechte Soldaten, und nur Europäer seien wirklich fähig, Krieg zu führen. Toussaint erinnerte Viénot daran, dass es seine französischen Royalistenfreunde gewesen waren, die ihre Nation verraten und Anfang der 1790er Jahre große Teile der Kolonie den Spaniern und Briten übergeben hatten, und dass die Afrikaner, «mit Waffen und bloßen Händen die Kolonie den Franzosen erhalten hatten»; schwarze Soldaten «vergossen ihr Blut für die Republik und sicherten ihr den Triumph». Schwarze Soldaten waren während der Verschwörung vom 30. Ventôse Gouverneur Laveaux zu Hilfe geeilt und hatten die Macht ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben.129 Toussaint wies auch darauf hin, dass die Briten 1794 die Kolonie Martinique, die von weißen europäischen Truppen verteidigt wurde, mühelos erobert hatten, während Saint-Domingue, beschützt von seinen schwarzen und mixed-race Kämpfern, der französischen Sache treu geblieben war. Er nutzte diese Gelegenheit, um die Stärke seiner Truppen dreist zu
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verdoppeln, und behauptete, er kommandiere 50 000 Soldaten in SaintDomingue.130 In der konfusen Dämonologie der Sklavenhalter waren Schwarze nicht nur gewalttätig und chaotisch, sondern auch träge. Viénot kostete diese Vorstellung genussvoll aus und erklärte, seit der Revolution hätten die cultivateurs von Saint-Domingue das Land verlassen und damit Anarchie auf den Plantagen und eine landwirtschaftliche Krise in der gesamten Kolonie ausgelöst. Toussaint entgegnete, die Bauern hätten die Plantagen nicht aus Faulheit verlassen, sondern um die republikanischen Freiheiten – und die Kolonialinteressen Frankreichs – gegen dessen Feinde mit Waffengewalt zu verteidigen. Trotz dieses Bruchs war deutlich zu erkennen, dass die landwirtschaftliche Produktion in der ganzen Kolonie zunahm, im Norden und Westen ebenso wie im Süden; in seinem eigenen Landstrich Gonaïves hatte General Rochambeau ihm zu der «guten Ordnung und Disziplin» gratuliert, die er auf den Plantagen gesehen hatte (Rochambeau behauptete in seinem Bericht das genaue Gegenteil, was Toussaint bewies, dass er kein Ehrenmann war). Nach Toussaints Meinung verstand die große Mehrheit der schwarzen Bürger durchaus, dass es ohne Arbeit keine Freiheit geben konnte, und sie taten alles, um Saint-Domingue seinen früheren ökonomischen Glanz wiederzugeben. Indessen müsse Frankreich sich darüber klar sein, dass dieser Sozialvertrag nur von Dauer sei, wenn die Schwarzen die Freiheit behielten, die sie in ihrem revolutionären Kampf errungen hatten; jeder Versuch, sie wieder zu versklaven, würde auf heftigen Widerstand stoßen. Toussaint erinnerte das Direktorium an die marrons aus den Blauen Bergen in Jamaika, die die Briten gezwungen hatten, «die Rechte zu respektieren, die sie von Natur aus besitzen».131 Wie stand es mit den Weißen? Toussaint widersprach kategorisch Viénots Anklage, die Schwarzen in Saint-Domingue versuchten, sie aus der Kolonie zu vertreiben. Er unterschied die Minderheit der «antirepublikanischen Weißen», die Verrat begangen hatten und mit Recht dafür bestraft worden waren, von der Mehrheit der Europäer, die «mehr oder weniger aufrichtig» die neue Ordnung nach der Revolution akzeptierten und «mit offenen Armen willkommen geheißen und beschützt» wurden, wenn sie zurückkehrten.132 Um Viénots apokalyptische Behauptung von der ethnischen Säuberung der europäischen Bevölkerung zu widerlegen, wies er darauf hin, dass die Zahl der Weißen in Cap sich mit jener der mixed-race und schwarzen Bürger die Waage hielt; dass
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über die Hälfte der Zuckerplantagen im fruchtbaren nördlichen Tiefland immer noch in den Händen weißer Kolonisten war; und dass diese «Einigkeit und Brüderlichkeit unter Männern aller Hautfarben» besonders deutlich in der Armee zutage trat: In der nördlichen Provinz der Kolonie waren die meisten Kommandanten weiß, einschließlich General Agé, Toussaints Stabschef, den er persönlich auf diese Position befördert hatte. Ähnlich verhielt es sich in der Verwaltung und im Rechtswesen: Fast alle Posten in der Exekutive wurden von Weißen ausgefüllt, und Toussaint bemerkte, dass diese Hierarchie von den schwarzen Bürgern in Saint-Domingue vollkommen akzeptiert wurde, da ihnen bewusst war, dass sie noch nicht über die notwendigen Fähigkeiten verfügten, um solche Funktionen auszuüben. Was die Gleichheit anbetraf, so verlangten sie einzig und allein, im Militär dienen und ihr Leben für die Verteidigung ihres Heimatlandes einsetzen zu dürfen.133 Viénots gesamter Rede lag die alte Ansicht der Sklavenhalter zugrunde, Schwarze seien keine vollwertigen Menschen und unfähig, moralisch zu urteilen – eine Ansicht, die nach Toussaints Überzeugung in Frankreich immer noch in weiten Kreisen geteilt wurde und deren Irrigkeit er deshalb herausstellen musste. Zuerst führte er Rousseau ins Feld: Zwar fehle den Schwarzen in Saint-Domingue zugegebenermaßen die formelle Bildung, aber sie seien nichtsdestoweniger der Natur nahe geblieben und inspiriert von deren Lehren; diese Nähe zum Elementaren gebe ihnen eine untrügliche Intuition, was Gerechtigkeit und Güte betraf.134 So groß sei die Humanität der Schwarzen in Saint-Domingue, fügte Toussaint hinzu, dass sie immer noch Wärme und Anhänglichkeit gegen ihre früheren weißen Herren empfänden und bereit seien, sie trotz des schrecklichen Erbes der Sklaverei als ihre Brüder anzusehen.135 Viénot behauptete überdies, den Schwarzen fehle jegliche metaphysische Vorstellungskraft, und sie seien nicht in der Lage, die Bedeutung von Gesetzen zu verstehen: Sie verstünden nur eine individuelle Autorität, so wie sie sich in ihrem Herrn verkörperte. Auch das kam natürlich direkt aus dem Lehrbuch des Sklavenhalters, wie auch die perverse Behauptung, die Opfer seien an ihrer Leibeigenschaft selber schuld. In Viénots Vorstellung zeigte sich die Verworfenheit der Schwarzen unwiderleglich in ihrer Bereitschaft, ihre eigenen Kinder in die Sklaverei zu verkaufen, wie es in den Gemeinden der Bergbauern von Grande-Rivière geschehen war. Doch wenn solche abscheulichen Praktiken in Gegenden überlebt hatten, die von den Briten kontrolliert
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wurden, erwiderte Toussaint, so kamen sie in republikanischen Landesteilen nicht vor. Außerdem liege die Verantwortung für solche Handlungen gewiss nicht bei jenen, die durch Armut und Unwissenheit dazu gezwungen wurden, sondern eher bei jenen Europäern, die das System der Sklaverei eingerichtet hatten und davon profitierten. Die wirklichen «Ungeheuer», schloss Toussaint, seien nicht die depravierten schwarzen Einwohner von Grande-Rivière, sondern Männer wie Viénot, die behaupteten, zivilisiert zu sein, aber in ihrer «barbarischen Gier» Schiffe an die Küsten Afrikas gesandt hatten, um die dortige Bevölkerung zu versklaven, und die nun dieses widerwärtige System nach Saint-Domingue zurückbringen wollten.136 Die Behauptung, Schwarze seien keine vollwertigen Menschen, diente in Viénots Rassekonzept auch einem politischen Zweck, nämlich ihnen ihr Franzosentum abzusprechen. «Nicht nur beanspruchen sie das ganze Territorium für sich und wollen dort keinen einzigen Weißen sehen: Sie äußern sich auch voller Hass über die Weißen, das heißt also, gegen die echten Franzosen.»137 Das war ein unheimliches Echo aus der Frühzeit der Französischen Revolution, als man den schwarzen Sklaven das Bürgerrecht verweigerte, weil sie «Ausländer» waren.138 Toussaint erteilte Viénot eine Lektion in republikanischem Bürgersinn: Patriotismus hänge nicht von «Rasse» oder Hautfarbe ab, sondern drücke sich im politischen Willen der Menschen aus, die «mit Herz und Verstand an die Französische Verfassung und ihre kostbaren Gesetze gebunden» waren. Die schwarzen Bürger von Saint-Domingue würden immer ihr Franzosentum hochhalten, weil es gleichbedeutend war mit ihrer Freiheit.139 Bis Toussaints Pamphlet Frankreich erreichte, war das Direktorium bereits hart gegen die konservativsten unter den Royalisten vorgegangen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass mehrere von ihnen ein Komplott geschmiedet hatten, um das Regime zu stürzen: Im Staatsstreich vom 18. Fructidor an V (4. September 1797) wurden viele ihrer führenden Köpfe festgenommen und nach Guyana deportiert. Viénot selbst war gezwungen, nach Italien zu fliehen. Toussaint nahm die Nachricht mit Genugtuung auf und schrieb an das Direktorium, die Verschwörung sei Teil einer größeren konterrevolutionären Bewegung, die zum Ziel habe, mit der Unterstützung exilierter Kolonisten aus Frankreich und den Vereinigten Staaten die Sklaverei nach Saint-Domingue zu reimportieren.140 Toussaint schickte Exemplare seines Pamphlets an Charles Vin-
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cent und Sanon Desfontaines, die er über den Atlantik gesandt hatte, um seine Maßnahmen gegen Sonthonax zu verteidigen; er bat sie, notfalls weitere Exemplare drucken zu lassen, um die französische Exekutive und Legislative gründlich über die «Reinheit» seiner Absichten zu informieren.141 Toussaint expedierte ebenso ein Exemplar seiner Erwiderung auf Viénot an den Staatsrat Daniel Lescallier, ein Mitglied der wiederbelebten Société des Amis des Noirs und einer seiner getreuen Verbündeten in der Kolonialverwaltung in Paris, mit der Bemerkung, er habe die Feder ergriffen, um «die Ehre meiner schwarzen Brüder» zu verteidigen.142 Toussaint legte großen Wert darauf, dass seine Widerlegung von Viénots Argumenten von möglichst vielen Menschen in Frankreich gelesen wurde. Mit ihrer Vision von Brüderlichkeit und ihrer grimmigen Entschlossenheit, die neugewonnenen Rechte der befreiten Schwarzen hochzuhalten, stellte sie ein kraftvolles Plädoyer an die französische Obrigkeit dar, der neuen revolutionären Ordnung in Saint-Domingue beizustehen. Toussaints Ideal war aus seinem Widerstand erwachsen: gegen die Versuche von mixed-race Anführern, die Gewinne der Revolution für ihre eigenen Interessen zu reklamieren; gegen die Pläne royalistischer Söldner, die neuen Freiheiten der schwarzen Bürger aufs Spiel zu setzen; gegen paternalistische Versuche republikanischer Kolonialisten, seine Zustimmung für selbstverständlich zu erachten und Schwarze allgemein verächtlich zu behandeln; und gegen das Wiederaufflammen weißer rassistischer Ideen, die versuchten – erst wenige Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei in Saint-Domingue und Frankreich – schwarze Bürger aus ihrer eigenen politischen Gemeinschaft und sogar aus der Menschheit auszuschließen. Seine Antwort lautete: Bürger in einer Republik sind alle gleich, und daher spiele nur die Unterscheidung zwischen denjenigen, die ihren bürgerlichen Pflichten nachkommen, und denjenigen, die es nicht tun, eine Rolle: «Schwarze, Farbige und Weiße sollten, wenn sie sich den Gesetzen unterwerfen, auch von diesen beschützt werden, und gleichermaßen bestraft werden, wenn sie sie verletzen.»143 Brüderlichkeit bedeutete, eine Gemeinschaft aufzubauen, in der Bürger aller Hautfarben sich bewusst auf einen gemeinsamen Wertekanon einigten und dann danach lebten, wie zum Beispiel Gleichheit vor und Achtung für das Gesetz; die Hautfarbe war für Toussaint, wie sein Sohn Isaak berichtete, «reiner Zufall».144 Im frührevolutionären
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Frankreich ging Brüderlichkeit manchmal mit dem Ausschluss anderer und Akten von Gewalt einher; im Gegensatz dazu handelte Toussaints Ideal von Mitgefühl: Als der exilierte Graf Noé, der die Bréda-Plantage geerbt hatte, auf der Toussaint Sklave gewesen war, ihn brieflich um finanzielle Unterstützung bat, nachdem er durch «die Unglücksfälle der Revolution ins Elend gestürzt» sei, gestattete Toussaint dessen gesetzlichem Vertreter, nach Saint-Domingue einzureisen und die Einkünfte aus seinem Besitz abzuholen;145 er erklärte: «Das Schicksal hat meinen Stand verändert, aber nicht mein Herz.»146 Er entschied sich für diese großzügige Geste, obwohl viele seiner Mitstreiter dagegen waren und obwohl er wusste, dass viele Weiße in der Kolonie immer noch auf die nouveaux libres herabschauten. Gleichzeitig enthielt Toussaints Freundlichkeit gegen die Kolonisten ein strategisches Element: Ihm war bewusst, dass nur sie die materiellen Ressourcen und die technischen Fähigkeiten besaßen, die notwendig waren, um Saint-Domingue wieder aufzubauen. Durch die Kritik an Sonthonax’ Wertesystem als «falsches Republikanertum» und «denaturierter Patriotismus» verband Toussaint universelle Werte mit der spezifischen Situation in Saint-Domingue.147 Innerhalb des gemeinsamen republikanischen Rahmens und ohne sich zu weit vom wachsamen Auge des französischen Mutterlandes zu entfernen, hatte Toussaint ein neuartiges Konzept der bürgerlichen Ordnung entwickelt. Es sah die Staatsbürgerschaft nicht nur in abstrakten Prinzipien wie Gleichheit und Brüderlichkeit begründet, sondern ebenso in der aktiven Teilnahme an der Verteidigung der Gemeinschaft; dabei legitimierte er auch die Sklavenrevolte von 1791 und machte sie zu einem der Grundpfeiler seiner Vision eines republikanischen Saint-Domingue. Er betonte, dass die schwarzen Bürger ganz allein für ihre Befreiung gekämpft hatten, trotz des Widerstands, der ihnen häufig vonseiten der Weißen oder der People of Color entgegenschlug. Der schwarze Freiheitskampf verdiene es, gleichwertig neben den Kampf der Revolutionäre gestellt zu werden, die 1789 das Ancien Régime in Frankreich gestürzt hatten.148 Toussaint
Nach der Veröffentlichung von Viénot-Vaublancs Angriff auf die Revolution in Saint-Domingue verfasste Toussaint diese wirkungsvolle Widerlegung von dessen Hauptargumenten; seine Réfutation feierte auch die Rolle der schwarzen Bürger in der Kolonie.
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rühmte ihren praktischen Beitrag zur Revolution in Saint-Domingue und gab damit seinen schwarzen Mitbürgern die Macht und Legitimität, die sämtliche französische Kolonialregierungen, von der Revolutionszeit bis zur Dritten Republik, ihnen verweigerten.149 Doch es war alles andere als ein leichtes Unterfangen, diesen brüderlichen Traum in eine lebendige Realität zu verwandeln, denn in Toussaints Konzept brachte die privilegierte Position der Schwarzen kaum Ansprüche und deutlich mehr Pflichten mit sich. Das war Toussaints eigentliche Herausforderung, für ihn selbst und sein Volk. Nun lag es an seinen Brüdern, durch gemeinsame Anstrengung unter seiner Leitung zu demonstrieren, dass sie imstande waren, sich über ihre Zwistigkeiten zu erheben und als vereinte politische Kraft zu handeln; durch ihr kollektives Beispiel konnten sie sich der Freiheit, die sie erkämpft hatten, würdig erweisen; durch die Vergebung ihrer früheren weißen Unterdrücker konnten sie zeigen, dass sie den edelsten Idealen republikanischer Tugend und christlicher Nächstenliebe entsprachen; und durch ihre unverdrossene Bereitschaft, das Leben im Kampf für ihre Freiheit hinzugeben, konnten sie sich als die effektivsten Hüter von Saint-Domingues Zukunft beweisen. Daher der verwegene Ton, mit dem Toussaints Entgegnung auf Viénot schloss: Seine Leute würden «sich lieber selbst in den Ruinen ihres Landes begraben, als sehenden Auges die Wiederherstellung der Sklaverei zuzulassen.»150
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Es war ein entscheidender Augenblick in der Geschichte der Kolonie Saint-Domingue, als Toussaint den Bevollmächtigten des Direktoriums Gabriel de Hédouville im Oktober 1798, kaum sechs Monate, nachdem er seinen Posten angetreten hatte, aus dem Land jagte. Diese Episode zeigt die kontinuierliche Festigung von Toussaints Machtposition nach Laveaux’ Abreise im Jahr 1796 und Sonthonax’ Absetzung ein Jahr darauf. Er schien zunehmend berufener und bereiter, die Autorität Frankreichs offen in Frage zu stellen. Der schwarze Spartakus wurde selbstbewusster, und sein Horizont erweiterte sich. Da sich der gesamte offizielle Briefwechsel zwischen Hédouville und Toussaint im französischen Kolonialarchiv erhalten hat, kann der Konflikt zwischen den beiden Männern gut untersucht werden. Die Korrespondenz gestattet uns, Toussaint aus der Nähe zu betrachten und zu verstehen, wie er seinen Einfluss auf seine Untergebenen und Mitstreiter ausübte und wie er sein geliebtes Prinzip der Brüderlichkeit verteidigte – indem er die Interessen seiner republikanischen Armee vertrat, das Ideal nationaler Versöhnung propagierte und sein Volk vor der Versklavung durch die Briten bewahrte. Die Hédouville-Episode beleuchtet nebenbei einige seiner Charakterzüge: seinen Stolz, sein Selbstvertrauen, seinen mitunter boshaften Humor – und auch seine Empfindlichkeit. Als der Konflikt mit dem französischen Bevollmächtigten seinen Höhepunkt erreicht, treten die politischen Fähigkeiten des Revolutionärs deutlich hervor: seine Urteilskraft und sein Sinn für Timing, sein Erfindungsreichtum, wenn es darum geht, auf kreative Weise seine Ziele zu erreichen, und sein Geschick, die eigenen Stärken und zugleich die Schwächen des Gegners zu nutzen. Der Konflikt mit Hédouville ist auch deshalb von Bedeutung, weil er Toussaints ersten Ausflug in die Welt der Diplomatie darstellt. Als
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1798 der Kampf um die Vertreibung der britischen Besatzungstruppen aus Saint-Domingue langsam an sein Ende kam, ergriff Toussaint die Gelegenheit, direkt mit den britischen Kommandanten vor Ort über ihren Rückzug zu verhandeln. Toussaints Gewicht als Politiker wurde durch diesen Austausch gestärkt, und die Befürchtungen, die die schwarze Revolution in Saint-Domingue unter Kolonialmächten und Sklavenhaltern in der Karibik ausgelöst hatte, nahmen noch zu. Besonders groß war die Sorge vor einem Überspringen der Revolution auf das von den Briten kontrollierte Jamaika, das nur vierzehn Stunden von Saint-Domingue entfernt lag; für den dortigen Gouverneur Alexander Lindsay, Earl of Balcarres, einen schottischen Aristokraten, der den Posten seit 1795 bekleidete, war die französische Kolonie eine «Briganteninsel» geworden, die «unsere Schwarzen» mit umstürzlerischen Ideen zu infizieren und schließlich die «Sicherheit» der Insel zu gefährden drohte.1 Wie wir noch sehen werden, erweiterten solche Ansichten Toussaints Verhandlungsspielraum sowohl gegenüber den Regionalmächten als auch gegenüber der französischen und britischen Regierung. Zudem nutzte Toussaint den Konflikt mit Hédouville, um seine innenpolitische Position zu stärken, denn hier mobilisierte er zum ersten Mal unter den Augen der Öffentlichkeit seine Unterstützer. Die Ereignisse von 1798 bieten weitere Einsichten in seine politische Heranbildung der nouveaux libres in der Kolonie, die im vorigen Kapitel behandelt wurde, und sie unterstreichen erneut sein eklektizistisches Wertesystem, das sich aus kreolischen, europäischen und afrikanischen Ideen speiste. Dies war vor allem wichtig für Toussaints Umgang mit seinen treuesten Unterstützern, den bossales, der größten Bevölkerungsgruppe. Der Konflikt mit Hédouville ist bezeichnend für die politische Kultur im revolutionären Saint-Domingue und die überschwängliche Begeisterung seiner schwarzen Männer und Frauen für ihren neuen Status als freie Bürger und Bürgerinnen. Ihre Zuneigung zu Toussaint nahm die Form eines stillschweigenden Sozialvertrags an, in dem er das Versprechen einer besseren Zukunft für sie und ihre Kinder verkörperte, den Schutz ihrer neuen Rechte, eine Garantie für gesellschaftliche Ordnung und Stabilität, die väterliche Autorität, an die sie sich notfalls wenden konnten. Außerdem war er für sie das Bollwerk gegen jegliche Gefahr einer Rückkehr zur Sklaverei. In den Begriffen der Landbevölkerung verband Toussaint die grenzenlosen Möglichkeiten von Papa Legba mit dem kriegerischen Geist von Ogoun Fer. Zusammen bildeten diese
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schwarzen Bürger und ihr Führer eine beeindruckende Kraft, die imstande war, an den Grundfesten der französischen Macht in Saint-Domingue zu rütteln. Toussaint gab sich, was Hédouville betraf, keinerlei Täuschung hin. Da er über die jüngsten politischen Entwicklungen in Paris gut informiert war, wusste er, dass der neue Bevollmächtigte sich der Sympathie der Konservativen sicher sein konnte, nach deren Auffassung die Französische Revolution gegenüber weißen Pflanzern zu hart aufgetreten war.2 Das Direktorium hatte ihn explizit beauftragt, dem Oberkommandeur die Flügel zu stutzen und die schwarzen Bürger gegen die People of Color auszuspielen.3 Auch von den königstreuen und konterrevolutionären emigirierten Franzosen in Philadelphia wurde Hédouvilles Ernennung lautstark begrüßt. Sie hießen ihn als «Freund der Kolonisten» willkommen, der die «Schwarzen auf ihre Plätze verweisen» würde.4 Hédouville war ein verarmter 42-jähriger Adeliger aus Lothringen, der sich auf die Seite der Französischen Revolution geschlagen hatte. Er hatte sich einen gewissen militärischen Ruhm als Stabschef der französischen Armee in Westfrankreich erworben, in welcher Funktion er aktiv gegen die antirepublikanischen chouans (Anhänger des Königtums) in der Vendée gekämpft hatte. Er kam in Saint-Domingue mit einem Gefolge von mehreren hundert Zivilbeamten an, womit er deutlich machte, dass er eine seiner Hauptaufgaben in der Übernahme der Verwaltung in der Kolonie sah.5 Gleichzeitig wusste Hédouville, dass er angesichts der Machtposition und der Wertschätzung, die Toussaint bei allen Bevölkerungsgruppen der Insel – einschließlich der Weißen – genoss, vorsichtig zu Werke gehen musste. Vor seiner Überfahrt nach Saint-Domingue schrieb Hédouville an einen Kolonisten aus seiner Bekanntschaft und bat ihn um vertrauliche Informationen über die wichtigsten Verwaltungsbeamten und Militärkommandeure, mit denen er zu tun haben würde. Über Toussaint erhielt er das zusammenfassende Urteil, dieser sei «ein hervorragender Mann», der «unendlich reserviert» sei, aber «in der Lage, Leute, mit denen er zu tun hat, zu Höchstleistungen anzutreiben».6 Auch Toussaint begann in aller Freundlichkeit, gratulierte der französischen Regierung zu dieser Ernennung7 und versprach seinem französischen Mitstreiter Lescallier, General Hédouville würde in ihm immer «einen gehorsamen und treuen» Diener des Gesetzes finden.8 In diesem Geiste
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schrieb er auch an Hédouville und betonte seine Bereitschaft, ihn auf jede mögliche Art zu unterstützen, auch wenn seine Fähigkeiten «schwach und begrenzt» seien und nicht «auf demselben Niveau wie bei Menschen, die eine glänzende Bildung genossen haben, sondern nur auf dem, das der Höchste gegeben hat.»9 Ohne Zweifel wollte er den französischen Gesandten in falscher Sicherheit wiegen, als er in übertriebener Bescheidenheit Hédouville sogar bat, sein Mentor zu werden: «Da mir die Klugheit des kultivierten Mannes fehlt, können mir manchmal Fehler unterlaufen, und daher wäre ich glücklich, in Ihnen einen Mann zu finden, der mich auf die Irrtümer aufmerksam macht, denen ich vielleicht unterliege.»10 Doch Toussaint konnte sich in einem seiner ersten Briefe ein wenig Frechheit nicht verkneifen: «Ich werde Sie mit dem Respekt behandeln, den ich stets dem Repräsentanten der Französischen Republik erweise»11 – ein deutlicher Hinweis auf das Schicksal des Vorgängers Sonthonax. Schon vor ihrer ersten persönlichen Begegnung im Juni 1798 schickte Toussaint dem französischen Beamten sogar eine unverblümte Warnung: «Sie sollten nicht auf diejenigen hören, die von persönlichen Interessen angetrieben werden statt von denen der Republik, die das allgemeine Interesse repräsentiert; noch sollten Sie denen aufsitzen, die von persönlichem Ehrgeiz motiviert werden statt von der Liebe für das Gemeinwohl: Es gibt Menschen, die oberflächlich behaupten, der liberté générale verpflichtet zu sein, im tiefsten Herzen aber ihre erklärten Feinde sind.»12 Dies war ein wichtiger Brief: so wichtig, dass Toussaint, als sein Verhältnis zu Hédouville schon gestört war, darauf Bezug nahm. Falls Hédouville Zweifel gehabt haben sollte, Toussaints Vertrauen zu erwerben, so mussten diese sich durch die Tatsache verstärken, dass der Oberkommandeur ihm nach seiner Ankunft in Saint-Domingue auswich. Zwar schrieb er, er sei «begierig», seinen neuen Chef «kennenzulernen», und er hielt sich auch in der Nähe in seiner Residenz in Ennery auf, aber dennoch ging er einer Begegnung aus dem Weg. Aus Tagen wurden Wochen, und immer noch ließ Toussaint sich nicht blicken; er behauptete, seine dringend benötigte Anwesenheit an der Front hindere ihn an der Reise, und Hédouville müsse sich in «Geduld» üben.13 Als noch mehr Wochen vergingen, insistierte Hédouville etwas lahm: «Kommen Sie so rasch als möglich zu mir, die Wirksamkeit unseres Tuns verlangt es, und nichts kommt meiner Ungeduld gleich, Ihre
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Bekanntschaft zu machen.»14 Toussaint antwortete, er wolle innerhalb der nächsten Woche kommen. Doch immer noch erschien er nicht, und seine Entschuldigungen nahmen allmählich einen beleidigenden Unernst an: Einmal musste er unbedingt an einem feierlichen Bankett teilnehmen, das in Port-Républicain zu seinen Ehren gegeben wurde, ein andermal war das Botenpferd verendet, das eine wichtige Botschaft bringen sollte, und dann wiederum war der Fluss Artibonite wegen heftiger Regenfälle so angeschwollen, dass er – der beste Reiter der Kolonie – ihn nicht überqueren konnte.15 Als die beiden Männer sich endlich im Juni 1798 anlässlich der offiziellen fête des victoires in Cap trafen, sprach Toussaint in der Öffentlichkeit in den höchsten Tönen über ihn, erwähnte «den großen Ruf, den er sich zu Recht als Friedensstifter der Vendée erworben» habe, und sagte ihm als offiziellem Bevollmächtigtem der Republik seine absolute Loyalität zu. Ein Augenzeuge bemerkte allerdings, die Rede sei ohne eine Spur von Begeisterung gehalten worden, und das Benehmen des Oberkommandeurs sei während der gesamten Veranstaltung «kalt» geblieben: «Nicht das leiseste Lächeln erhellte sein Gesicht.»16 Seine Rede enthielt einen deutlichen Hinweis auf die historische Einzigartigkeit von Saint-Domingue, für die er vom französischen Bevollmächtigten Respekt einforderte: «Hier, mehr als irgendwo sonst in den Kolonien, sogar mehr als in Europa, hat der Mensch besonders gelitten, und die verschiedenen Schattierungen der Hautfarbe unterscheiden den Unterdrücker vom Unterdrückten.»17 Damit wurde Hédouville klar gemacht, dass er sich erst noch bewähren musste. Um das Maß an Verwirrung voll zu machen, gab Toussaint dem französischen Bevollmächtigten anfangs eindeutige Zeichen seines Kooperationswillens. Zum Teil war das eine Sache des Eigeninteresses: Um sein wachsendes System politischer Patronage aufrecht zu erhalten, brauchte er Hédouvilles Placet für weitere Ernennungen zu verschiedenen Verwaltungsposten, und die frühe Korrespondenz der beiden Männer beweist, dass er Erfolg hatte. Toussaint bat Hédouville auch, zur Unterstützung von Bayon de Libertats Rückkehr in die Kolonie an die französische Regierung zu schreiben, und anders als Sonthonax erklärte dieser sich sofort dazu bereit.18 Im Bewusstsein der Wichtigkeit, die die Gemeinde Gonaïves für Toussaint besaß, bat ihn Hédouville freundlich, ihm zwei Leute zu nennen, die als offizielle Abgeordnete im Stadtrat wirken sollten.19 Nachdem er die Ernennung seines engen Verbündeten
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Dieser handschriftliche Brief ist ein schönes Beispiel für Toussaints phonetisches Französisch und lässt seine Vorliebe für Gegensatzpaare erkennen (gut und böse, hell und dunkel, süß und bitter). Er weist Hédouville darauf hin, dass er neu in der Kolonie ist, und drängt ihn, nicht an Toussaints gutem Willen zu zweifeln und mit ihm im besten Interesse der Republik zusammenzuarbeiten.
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Sanon Desfontaines («ein tugendhafter Mann und guter Republikaner») gesichert hatte, dankte Toussaint dem französischen Bevollmächtigten überschwänglich: «Schon bevor ich Sie kennenlernte, hatte ich großes Vertrauen zu Ihnen, und seit ich Sie kenne, ist dieses Vertrauen sogar noch gewachsen, und ich erkenne in all Ihren Taten die Zeichen echter Freundschaft, der ich größten Wert beimesse.»20 Im gleichen Geist sandte Toussaint zunächst von der Front lange, detaillierte und sogar ehrerbietige Briefe und betonte wiederholt seine Entschlossenheit, sich nach Hédouvilles Anweisungen zu richten.21 Diese Betonung der Disziplin war eines der Hauptthemen von Toussaints frühen Schreiben. Er wollte Hédouville nicht nur seiner Loyalität versichern, sondern auch seiner Überzeugung von der Wichtigkeit von Hierarchie und Ordnung in der zivilen wie in der militärischen Sphäre Ausdruck verleihen. Als daher Dessalines ein Dekret Hédouvilles mit der Umbenennung der Hauptstraßen der kürzlich befreiten Stadt SaintMarc aufhob, befahl Hédouville, ihn wegen Insubordination vier Tage lang in Haft zu nehmen. Toussaint jedoch schlug ein viel strengeres Strafmaß von fünfzehn Tagen vor und verlangte von Dessalines, Hédouville eine Entschuldigung zu schreiben, was dieser auch tat. Er äußerte «tiefe Reue» darüber, dass er die Befehle nicht befolgt hatte, und versprach für die Zukunft ein vorbildliches Verhalten.22 Noch bemerkenswerter war die Rede, die Toussaint im Juli 1798 bei der Feier zur Errichtung des Freiheitsbaums in Port-Républicain hielt, kurz nachdem die Stadt wieder unter die Kontrolle der Republikaner gekommen war. Nun, da die Sklaverei abgeschafft war, erklärte er den versammelten Plantagenarbeitern, sei nicht die Zeit, sich in Faulheit zu ergehen; vielmehr könne «der Mensch nur durch Arbeit seine Freiheit verwirklichen». In einer Anspielung auf Mandevilles Bienenfabel verglich er die vollkommene Republik mit einem Bienenstock: «Die Bienen geben uns ein großes Vorbild an Fleiß und Glück. Versammelt in ihrem Stock bilden sie eine Republik: Sie arbeiten alle, jedes einzelne Tier trägt durch seine Bemühungen zum Glück des Kollektivs bei, und sie vertreiben diejenigen Mitglieder, die die Arbeit verweigern, denn sie tolerieren keine Faulheit in ihrer Mitte.»23 Wie wir noch sehen werden, war dieses Lob eine Falle für den nichtsahnenden Hédouville, denn es sollte ihn dazu verleiten, die Pläne zur Regulierung der Arbeitsbedingungen auf Saint-Domingues Plantagen zu befördern. Aber die zugrundeliegende Philosophie mit ihrer Betonung des unein-
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geschränkten kollektiven Leistungswillens, strenger Disziplin und des Diensts am Gemeinwohl war Louverture pur. Das herzliche Verhältnis zwischen Toussaint und Hédouville sollte nicht lange anhalten. Sobald er das volle Ausmaß von Toussaints Macht erkannt hatte, war dem französischen Bevollmächtigten klar, dass sie sich nicht nur auf den militärischen Bereich beschränkte, sondern in alle Sektoren der Zivilverwaltung hineinreichte, einschließlich des gesamten Systems der Lokalregierungen. In einem frühen Bericht schrieb er: «Die Bürgerversammlungen auf dem Land bestehen aus Männern von den Plantagen, die nicht in der Lage sind, auf eigene Faust irgendwelche Beschlüsse zu fassen, und die sich vollständig von Toussaints Regionalkommandeuren lenken lassen. Bei meiner Ankunft fand ich die gesamte Rechtsprechung und die zivile und militärische Macht ebenfalls in Toussaints Händen, und er hatte die Friedensrichter in den Gemeinden zu vollständiger Bedeutungslosigkeit degradiert.»24
Hédouville versuchte zunächst Toussaint zu zügeln, indem er sich bemühte, dessen Eingriffe in die Verwaltung einzuschränken. Es war ihm bewusst, dass die Kontrolle des Oberkommandeurs über die Institutionen von Saint-Domingue teils durch Gewohnheit, teils durch militärische Zwänge gewachsen war (insbesondere durch die Notwendigkeit, die Briten in Enklaven zu bekämpfen, in denen sie immer noch das Sagen hatten), und daher erinnerte er Toussaint daran, dass Militärs bei der republikanischen Regierungsform der Zivilregierung unterstellt sind; er dürfe also nicht in Regionen Saint-Domingues, die nicht in Kampfzonen lagen oder direkt daran angrenzten, die gleichen Befugnisse ausüben: «Es besteht ein großer Unterschied zwischen den Befugnissen eines Oberkommandeurs, der in feindlichem Gebiet operiert, und einem, dessen Armee sich auf dem Territorium der Republik befindet.»25 Die Zuteilung der Gelder an verschiedene Distrikte wurde zwischen den beiden Männern sofort zum Zankapfel. Hédouville widerrief die Anweisung Toussaints, die Steuereinnahmen aus den Regionen um Charbonnière und Montagne Noire von der Stadt Léogâne an der Südküste nach Port-Républicain zu transferieren. Mit diesem scheinbar harmlosen Edikt versuchte Toussaint einen doppelten Coup zu landen: Er wollte seinem mixed-race Rivalen General Rigaud, der Léogâne kon-
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trollierte, Ressourcen entziehen und sie an seine eigenen Streitkräfte in Port-Républicain übertragen. Hédouville antwortete mit unmissverständlicher Direktheit: «Die Verwaltungsbeamten haben ausschließlich meine Anweisungen zu befolgen.»26 Toussaint machte sofort einen Rückzieher und behauptete, das Ganze sei ein «Missverständnis» (malentendu) gewesen – oder mit einem orthografischen Fehler, der sowohl amüsant als auch ominös war, ein «mal attendu».27 Doch Toussaint reagierte nicht immer gefügig auf Hédouvilles Anweisungen, sich an das verwaltungstechnische Prozedere zu halten. Nachdem Toussaint einmal die Verhaftung eines Pflanzers namens Bourges wegen des Diebstahls von Nutztieren angeordnet hatte, bemerkte Hédouville, dies sei eine Angelegenheit für die Gendarmerie und die Gerichtsbarkeit, nicht für den Kommandeur der Armee. Er fügte hinzu – zweifelsohne, um den Schlag abzufedern –, Toussaint habe möglicherweise diesen Befehl unterzeichnet, ohne ihn sorgfältig durchzulesen. Die Antwort war steif: «Es ist höchst beleidigend, zu insinuieren, ich würde einen Befehl oder Brief unterzeichnen, ohne ihn persönlich zu lesen oder zu diktieren. Damit würde mir eine große Charakterschwäche nachgesagt, und ich kann mich selber in solch einer Beschreibung nicht erkennen. Ich habe die Ehre, für Sie noch einmal zu wiederholen: Ich setze meinen Namen unter kein Dokument, das ich nicht selbst gelesen oder diktiert habe.»28 Das traf zu, aber es war auch typisch für Toussaints verbale Strategie. Angriff war für ihn die beste Verteidigung, und Hédouville entschuldigte sich sofort dafür, dass er seinen Oberkommandeur für unachtsam gehalten habe. Der unglückliche Bourges blieb im Gefängnis. Solche Scharmützel hatten keine Folgen, solange Hédouville nicht Toussaints Protégés in der Verwaltung angriff. Doch irgendwann begann er auch damit: So entließ er den obersten Armeearzt Lacoste, einen engen Bundesgenossen Toussaints, und ersetzte ihn durch seinen Leibarzt Ferrié. Ab diesem Moment musste der Konflikt mit dem Oberkommandeur eskalieren. Toussaint machte sich besondere Sorgen um einen hohen Finanzbeamten namens Vollée, der in seiner Festung Gonaïves residierte und ein unersetzlicher Untergebener war (neben Toussaints Schatzmeister und diplomatischem Gesandten Joseph Bunel, der einer der ganz wenigen war, die alles über dessen Finanzen wussten). Als Toussaint erfuhr, dass Hédouville wegen angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten eine Untersuchung über Vollée eingeleitet hatte, schrieb er
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einen langen Brief, in dem er diesen persönlich gegen alle «üble Nachrede» verteidigte und für seine Kompetenz und Integrität bürgte; Vollée war laut Toussaint sogar ein Mann ohne eigenes Einkommen, der sich wegen der Ernährung seiner «großen Familie» auf seinen Schwiegersohn stützen musste; er war der «ärmste und pflichtbewussteste Verwaltungsbeamte» von ganz Saint-Domingue.29 Trotz Toussaints anhaltenden Beteuerungen wurde Vollée seines Postens enthoben und mit Strafverfolgung bedroht; Hédouville ließ durchblicken, dass «das Verbrechen, das hier begangen wurde, (…) von solcher Bedeutung für die öffentliche Ordnung [ist], dass ich gezwungen bin, seine Urheber mit der vollen Strenge des Gesetzes zu verfolgen.»30 Damit hatte er den Fehdehandschuh in den Ring geworfen. Zur Vergiftung der Beziehung zwischen Hédouville und Toussaint trugen zudem die Verhandlungen um den Rückzug der Briten aus ihren letzten Außenposten in der Kolonie bei, vor allem aus Port-Républicain und aus der an der Küste gelegenen Garnisonsstadt Môle Saint-Nicolas. In den ersten Monaten des Jahres 1798 erkannte die britische Regierung, dass ihre Position in Saint-Domingue unhaltbar geworden war, und entsandte Brigadegeneral Thomas Maitland, um den Konflikt so schnell wie möglich auf eine «nicht unehrenhafte Weise» zu beenden.31 Maitland war ein scharfsinniger Offizier, der wusste, dass er mit sehr schlechten Karten in Môle ankam; wie wir in Kapitel 3 sahen, war zu diesem Zeitpunkt die militärische Lage für die Briten absolut katastrophal. Eine der wenigen Optionen, die ihm blieben, war das Anheizen der Spannungen zwischen Hédouville und Toussaint, und die spielte er wirkungsvoll aus, indem er zum Beispiel jedem von ihnen separat versicherte, er wolle einzig und allein mit ihm verhandeln. Hédouville schickte eine Warnung an seinen Oberkommandeur: «General Maitland versucht offensichtlich, zugunsten seiner Ziele die Saat der Zwietracht zwischen uns zu säen; wir sollten keinerlei Verhandlungen mit ihm aufnehmen, außer über unsere jeweiligen Kriegsgefangenen.»32 Toussaint stimmte ihm scheinbar zu: «Die Briten haben vor, uns gegeneinander auszuspielen, und ich werde keinen Kontakt zu ihnen haben, und ich werde auch keinen Schritt tun, ohne Sie vorher zu konsultieren und Ihre Einwilligung einzuholen.» Dies war aber pure Augenwischerei, denn zu diesem Zeitpunkt hatte Toussaint bereits Waffenstillstandsgespräche mit Maitland aufgenommen und seinem Unterhändler Huin die
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«Vollmacht» gegeben, in Port-Républicain zu einer Übereinkunft mit den Briten zu kommen.33 Maitland erkannte rasch, dass Toussaint der wertvollere Ansprechpartner war. Ende April fand der Oberkommandeur heraus, dass sein alter Chef und Beschützer Bayon de Libertat in Port-Républicain eingetroffen war und dort von den Briten festgehalten wurde. Er schrieb an Maitland und verlangte, dass der ehemalige Verwalter von Bréda sofort entlassen und zu ihm geschickt würde. Maitland stimmte gnädig zu, und Bayon kam alsbald in Gonaïves an, wo er von Toussaint herzlich empfangen wurde.34 Die Gespräche zwischen Huin und Maitland wurden rasch abgeschlossen und führten zu einem geordneten Abzug der Briten aus Port-Républicain, Saint-Marc und Arcahaie; die Hauptbedingung der Briten, dass Leben und Eigentum der Kolonisten, die die Royalisten unterstützt hatten, nicht angetastet wurden, akzeptierte Toussaint bereitwillig.35 Die Einigung über Jérémie und Môle Saint-Nicolas folgte auf dem Fuß, wobei der Abzug aus Môle trotz des heftigen Widerstands des Gouverneurs von Jamaika, Balcarres, und des britischen Marinekommandanten Sir Hyde Parker vonstatten ging, die laut Toussaint verzweifelt versuchten, ein Standbein in Saint-Domingue zu behalten.36 Diese Vereinbarungen ebneten den Weg für den großen Durchbruch Ende August 1798: Die Unterzeichnung eines «Geheimabkommens» zwischen Toussaint und Maitland. Dies war weit mehr als nur die Einstellung der Kampfhandlungen, denn es sah ein Rahmenwerk für die friedliche Koexistenz der britischen Regierung und der Revolutionsregierung in Saint-Domingue vor. Maitland gab sein Wort, dass die Briten sich weder militärisch noch politisch in die inneren Angelegenheiten der französischen Kolonie einmischen würden, während Toussaint garantierte, dass er die Revolution nicht ins benachbarte Jamaika exportieren würde. Toussaint erreichte auch die Zusicherung, dass Lebensmittel in die Häfen von Saint-Domingue durchgelassen würden, ohne dass britische Kreuzer sie daran hinderten.37 Als Maitland Balcarres das Abkommen erklärte, bemerkte er, es sei «zutiefst» im Interesse der Briten, und er solle unbedingt mit Toussaint «freundliche» Verhandlungen über die Wiedereröffnung der Handelsbeziehungen mit der französischen Kolonie aufnehmen.38 Toussaint ließ die Öffentlichkeit wissen, dass die Briten ihn als privilegierten Kontakt ansahen und Port-Républicain, Môle und Saint-Marc seinen Streitkräften und nicht Hédouville übergeben worden waren.39
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Zusätzlich streute er noch Salz in die Wunde, indem er Hédouville mitteilte, die Briten hätten ihm ein Haus in Môle geschenkt (das Gebäude, das Maitland bis dahin bewohnt hatte), und ihm außerdem in leuchtenden Farben schilderte, welch großartigen Empfang Maitland ihm einige Tage später bereitet hatte, unmittelbar bevor der britische Kommandant von der Kolonie absegelte: «Die britischen Streitkräfte grüßten mich höchst majestätisch und mit vollen militärischen Ehren. Als Zeichen seiner Hochachtung und in Anbetracht meiner humanen Behandlung der Kriegsgefangenen seiner Nation und meiner Großzügigkeit im Krieg und im Verlauf der Verhandlungen überreichte mir General Maitland eine bronzene Handfeuerwaffe und zwei exquisit verzierte doppelläufige Gewehre.» Sich seiner Wirkung voll bewusst, heuchelte Toussaint Überraschung über diese Behandlung: «Solche Ehrerbietung hatte ich nicht erwartet.»40 Das Datum dieses Berichts ist ebenso bezeichnend wie sein Inhalt: Toussaint schrieb erst volle vier Monate, nachdem er die Gewehre von Maitland erhalten hatte, an Hédouville – ein Zeichen seines wachsenden Selbstvertrauens.41 Der Abschluss der Verhandlungen mit den Briten war nicht nur ein persönlicher diplomatischer Triumph für Toussaint. Er zeigte, dass Toussaint begann, eine Strategie zu verfolgen, die einen empfindlichen Balanceakt erforderte. Er blieb seinen grundlegenden republikanischen Prinzipien treu, die Briten aus seinem Heimatland zu vertreiben und vehement die Interessen der schwarzen Bürger zu vertreten: Im Namen seines geheiligten Prinzips der Brüderlichkeit verlangte er von Maitland, dass alle schwarzen Soldaten und Sklaven, die auf britischer Seite der Armee angehört hatten, die Erlaubnis erhielten, auf Saint-Domingue zu bleiben; sobald sie Toussaint übergeben worden waren, wurden diese 6000 Männer zum größten Teil auf die Plantagen geschickt, um dort als bezahlte Arbeitskräfte angestellt zu werden.42 Das Abkommen mit Maitland zeigte, dass Toussaint sich nicht nur bemühte, die französische Politik zu vollstrecken, sondern dies auf eine Weise zu tun, die die zukünftigen politischen und ökonomischen Interessen Saint-Domingues sicherte. Sollten diese beiden Ziele sich je widersprechen, so war ihm eindeutig das Wohl der Kolonie wichtiger. Ähnliche Prioritäten leiteten Toussaint bei einem noch umstritteneren Thema: den Amnestiebedingungen, die in den jüngst befreiten Territorien gelten sollten. Gleich zu Anfang, als Toussaint über den Abzug der Briten aus Port-Républicain verhandelte, teilte Hédouville ihm mit,
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dass er als Oberkommandeur die Pflicht habe, den Artikel 373 der französischen Verfassung von 1795 einzuhalten, der eine Amnestie für alle Personen verbot, die die Waffen gegen die Republik erhoben oder aktiv ihre Feinde unterstützt hatten.43 Wie wir bei Toussaints Verhalten gegenüber Sonthonax schon sahen, war sein Umgang mit diesen Emigranten viel flexibler und vermutlich auch weitsichtiger, denn er verfolgte das Ziel, ihnen im Namen des sozialen Friedens und der Versöhnung Vergebung zu gewähren. Als die Verhandlungen über den Rückzug aus Môle Saint-Nicolas und Jérémie begannen, stellte Hédouville erneut seine Position klar: Er erklärte in aller Strenge, es dürfe nicht die geringste Ausnahme vom Gesetz geben, denn jegliche Begnadigung von Emigranten stelle eine «ernste Bedrohung» für die öffentliche Ordnung dar.44 Toussaint ignorierte nicht nur die Anweisungen Hédouvilles, er verkündete auch öffentlich, er werde allen Einwohnern der Küstenstädte in der Kolonie vergeben, die sich auf die Seite der Briten geschlagen hätten. Während einer Messe in Port-Républicain gewährte er einer Gruppe französischer Emigranten aus Jérémie volle Amnestie. Nach dem Bericht eines Augenzeugen verglich er sich zunächst selbst mit Jesus Christus, der Sündern im Namen seines Vaters die Absolution erteilt hatte, und erklärte dann, er begnadige sie «im Namen der Republik».45 Einige Tage später schrieb er an Hédouville und zitierte hochtönend aus dem Lukasevangelium: «Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern».46 Dies stellte eine dreifache Provokation dar, denn er war nicht nur dem französischen Bevollmächtigten gegenüber ungehorsam gewesen, sondern hatte ihn auch durch die öffentliche Proklamation der Begnadigung herausgefordert, und überdies in einer religiösen Zeremonie, obgleich er doch wissen musste, dass das den antiklerikalen Friedensstifter der Vendée aufbringen musste, der (wie sein Vorgänger Sonthonax) in Priestern eher potenzielle «Aufrührer» sah.47 Erwartungsgemäß schrieb Hédouville verstimmt zurück, Toussaint stehe es nicht zu, Begnadigungen auszusprechen, vor allem nicht in einem kirchlichen Umfeld, was ein flagranter Verstoß gegen die verfassungsgemäße republikanische Praxis sei. Toussaint antwortete, seine Amnestiepolitik ziele auf die kleine Gruppe von «eher unglücklichen als schuldigen» Männern, die verführt worden seien, sich den Briten anzuschließen; gewiss, so fragte er arglistig, sei doch ein «großzügiger Pardon» gegenüber solchen Leuten die vernünftigere Politik.
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Überdies behauptete Toussaint, die meisten Begnadigungen spräche er gegen Frauen, Kinder, alte Männer und Plantagenarbeiter aus; bei einigen wenigen, wie zum Beispiel bei den schwarzen Kanonieren des aufgelösten royalistischen Regiments von Dessources schob er militärische Notwendigkeit vor: Diese Soldaten mussten wieder in den aktiven Militärdienst eingegliedert werden, weil in seinen eigenen Reihen qualifizierte Artilleristen knapp waren.48 Dann ging er, wie es seine Gewohnheit war, in die Offensive: Es sei empörend, ließ er Hédouville wissen, auch nur anzudeuten, er habe gegen die Verfassung gehandelt; jedenfalls könne wohl der Ausdruck des Gottesglaubens kaum französische Gesetze brechen. Dann ließ er seine wahre Meinung durchblicken: «Ich schreibe dem Allmächtigen, dem alleinigen Schöpfer aller Dinge, jede gute Tat zu, die ich in meinem politischen Leben vollbracht habe, und wenn unsere Brüder doch nur meine religiöse Haltung teilen würden, dann würde ihr schwankendes Gewissen zum Guten gelenkt, und Frankreich hätte keine glühenderen Unterstützer der Verfassung und keine eifrigeren und treueren Verteidiger.»49 Hédouville versuchte, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, indem er ein Dekret erließ, das die offizielle französische Politik gegenüber den Emigranten noch einmal bekräftigte. Wie er Toussaint erklärte, wäre es besonders gefährlich, Feinde der Republik zu begnadigen, wie zum Beispiel die Offiziere, die mit den britischen Streitkräften kollaboriert hatten, da sie jede Gelegenheit nutzen würden, «die Saat der Zwietracht in Saint-Domingue zu säen». Sein Dekret war sehr weit gefasst: Er wünschte den Ausschluss von jeglicher Amnestie für Emigranten und alle, die freiwillig in der britischen Armee gekämpft hatten, sowie «alle, die vor Beginn der Unruhen nicht in Saint-Domingue gelebt hatten, sondern eingewandert waren, um die britische Besetzung zu unterstützen.»50 Wie Hédouville später erkennen musste, wurde das Dekret von Teilen der Kolonialverwaltung in Saint-Domingue aktiv sabotiert, nicht ohne Toussaints Ermunterung.51 Ende September 1798 begann Toussaint nicht nur, örtliche Emigranten zu begnadigen, sondern er lud auch antirepublikanische Exilanten, die außerhalb von Saint-Domingue lebten, zur Rückkehr ein.52 Seine Verlautbarungen publizierte er in den Lokalzeitungen: Le Citoyen véridique, ou gazette du Port-Républicain brachte den Text eines Erlasses, der einer Gruppe französischer Emigranten in den Vereinigten Staaten Amnestie gewährte. Er erklärte hochfahrend, es diene den «besten Interessen der Republik», wenn getrennte Familien
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zusammengeführt und ehemalige Feinde wieder in die Gemeinschaft eingegliedert würden, «wie bei der Rückkehr des verlorenen Sohnes». Das war eine schallende Ohrfeige für Hédouville. Toussaint fügte in seiner typischen, aus katholischen und republikanischen Versatzstücken zusammengesetzten Ausdrucksweise hinzu, diese Amnestiepolitik entspräche «dem erhabenen Gefühl der Brüderlichkeit».53 So endete die Konfrontation über die Amnestiegewährung in einer großen öffentlichen Demütigung Hédouvilles. Sie enthüllte, welch begrenzten Einfluss er auf seine eigene Verwaltung hatte, denn Toussaint war nicht nur in der Lage, in direktem Widerspruch zu Hédouvilles Dekret eine stattliche Zahl von Emigranten zu begnadigen, er versorgte die Leute, die Hédouville als Renegaten bezeichnete, auch mit offiziellen Pässen, gestattete ihnen, in Häfen ihrer Wahl (einschließlich Cap) zurückzukehren, um sie dann als lebenden Beweis seines Engagements für Versöhnung vorzuführen. Überdies war der Streit für Toussaint eine gute Gelegenheit, unvorteilhafte Gerüchte über Hédouville zu streuen. Es begannen Geschichten zu zirkulieren, die nur von Toussaint und seiner Entourage stammen konnten: Hédouville stecke immer noch voller aristokratischer Vorurteile, er und sein Oberkommandeur seien uneins, und diese Konflikte beschädigten die Integrität der Verwaltung, wofür natürlich Hédouvilles «Sturheit» und «Arroganz» verantwortlich gemacht wurden.54 Hédouville räumte später ein, dass sein Ruf durch diese Gerüchte Schaden genommen hatte. Eines dieser Gerüchte kolportierte, er sei dabei gesehen worden, wie er, als Frau verkleidet, heimlich den Hafenkommandanten von Cap besuchte, um die Übergabe der Stadt an die Briten vorzubereiten.55 Ein anderes Märchen, das unter den stramm republikanischen Plantagenarbeitern von Saint-Louis du Nord aufkam, ehe es im Norden und Westen der Kolonie die Runde machte, behauptete, Hédouville habe versucht, Saint-Domingue mit «zwei Truhen voller Geld» zu verlassen (das natürlich von den heimtückischen Briten stammte), sei aber von den tugendhaften und wachsamen Bürgern von Cap aufgehalten worden. Daraufhin habe er versucht, Toussaint von den Briten festnehmen zu lassen; General Maitland habe sich aber nicht nur geweigert, er habe auch den verräterischen Brief dem Oberkommandeur gezeigt.56 In der Phantasie der Bevölkerung stellte sich Hédouville allmählich als korrupte, verlogene und letztlich machtlose Gestalt dar, während Toussaint erfindungsreich, standfest und siegreich erschien.
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All diese Meinungsverschiedenheiten trugen zum Zerwüfnis zwischen den beiden Männern bei. Aber sie hätten vermutlich beigelegt werden können, wenn Hédouville sich nicht auch noch in den Kopf gesetzt hätte, in Toussaints Hauptverantwortungsbereich hineinzuregieren: das Militär. Hédouville war mit dem Auftrag angetreten, die republikanische Armee Saint-Domingues zu verkleinern, die «verbreiteten Missbräuche» zu beenden, die, wie ihm gesagt wurde, von schwarzen Offizieren und Soldaten begangen wurden, und letztendlich Toussaints Autorität als Chef der Armee in Frage zu stellen.57 Diese konfrontative Agenda musste bei Toussaint eine zornige Reaktion auslösen, insbesondere da sein langer Kampf gegen die ausländischen Besatzungstruppen während der ersten Hälfte des Jahres 1798 seinen Höhepunkt erreichte. Toussaint betrachtete den Abzug der Briten aus Saint-Domingue mit Recht als persönlichen Erfolg und war der Meinung, seine tapferen Kämpfer hätten ein Recht darauf, vom offiziellen Repräsentanten Frankreichs mit Respekt und Ehrerbietung behandelt zu werden. Stattdessen gab Hédouville am 9. Messidor (27. Juni) ein Dekret heraus, das die Lebensmittelzuteilungen vieler öffentlicher Beschäftigter – darunter auch Toussaints Soldaten – einfach strich. Diese Maßnahme basierte weniger auf Notwendigkeit als vielmehr auf Hédouvilles Überzeugung, diese Zuwendungen seien überflüssig, da öffentlich Bedienstete in Frankreich sie auch nicht erhielten.58 Das Dekret wurde in der Armee, wie zu erwarten, mit Fassungslosigkeit aufgenommen, zumal es die strikte Anordnung an die Militärverwaltung enthielt, die Ausgabe von Mehlrationen und Trockenfleisch an Toussaints Führungsoffiziere zu beenden. Toussaint, dessen Meinung man nicht eingeholt hatte, verwendete sich sofort bei Hédouville für seine Männer und legte dar, dass Soldaten, die in kürzlich befreiten Territorien stationiert waren, «extreme Not» litten, weil die Lebensmittel dort knapp und unerschwinglich teuer waren;59 als die republikanische Armee nach Abzug der Briten in Saint-Marc einmarschierte, hatten die Offiziere ihre knappen Ersparnisse zusammenlegen müssen, um Essen zu kaufen.60 Am Ende erlaubte Hédouville Toussaint grollend, Führungsoffiziere wie Laplume (der acht Kinder hatte) als Sonderfälle einzustufen, verlangte aber, dass solche Ausnahmen nur selten vorkommen dürften. Er weigerte sich, sein Dekret zurückzunehmen, mit dem Argument, die meisten Soldaten würden das Brot, das sie erhielten, weiterverkaufen – was sehr unwahrscheinlich ist, da ihre Tagesration kein halbes Pfund wog.61 Es war eine
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überaus törichte Entscheidung, schwarze republikanische Kriegshelden wie Laplume, die die harte Not der Sklaverei erlebt und bei zahllosen Gelegenheiten auf dem Schlachtfeld ihr Leben für die Aufrechterhaltung der französischen Herrschaft in der Kolonie riskiert hatten, nun dazu zu zwingen, um Lebensmittelzuwendungen für ihre Familien einzukommen. Dieses kleinliche Vorgehen belastete die Beziehung Hédouvilles mit Toussaints schwarzen Soldaten nachhaltig. Statt Toussaints Männern mit Respekt zu begegnen, schien Hédouville sich größte Mühe zu geben, sie verächtlich zu behandeln. In seinen ersten Briefen an den Oberkommandeur klagte er über «zahlreiche, fortgesetzte und tägliche Übergriffe», die angeblich von Offizieren und Soldaten begangen wurden, darunter der Diebstahl von Herdentieren und die Plünderung örtlicher Plantagen, um an Nahrungsmittel zu kommen. Dessalines’ Regiment in Saint-Marc wurde explizit beschuldigt, «Räuberei» getrieben zu haben.62 Toussaint antwortete wütend, seine Armee sei drakonischer Disziplin unterworfen, und jeder Soldat, der die Regeln übertrete, werde streng bestraft: Er habe strikte Order erlassen, dass jeder Soldat, der einen Zivilisten auch nur um Essen anbettelte, wenn er in einer Stadt oder auf einer Plantage stationiert war, sofort in Arrest gesteckt würde.63 Dessalines war so empört über die Anschuldigungen gegen sein Regiment, dass er eidesstattliche Erklärungen von drei benachbarten Plantagenverwaltern einholte, die bestätigten, dass sie keine Opfer irgendwelcher Plünderungen gewesen seien.64 Es scheint höchst unwahrscheinlich, dass diese Geschichten von massenhafter Disziplinlosigkeit zutrafen, da wir wissen, welchen Wert Toussaint darauf legte, dass seine Soldaten ein Vorbild guten Verhaltens waren. Außerdem beschwerte sich Hédouville inkonsequenterweise darüber, dass Dessalines angeordnet hatte, einen seiner Soldaten wegen Diebstahls zu exekutieren.65 Überdies verweigerte Hédouville Christophe Mornet und Paul Louverture, Toussaints Bruder, eine Beförderung, obwohl der Oberkommandeur sie wegen ihrer Tapferkeit im Feldzug gegen die Briten nachdrücklich dafür empfohlen hatte. Hédouville gab vor, es sei ihm «nicht erlaubt», Offiziere in den Stand des Brigadegenerals zu erheben, was nach einer faulen Ausrede klingt. Toussaint antwortete, er sei «sehr verärgert».66 Im Vorfeld der Befreiung von Saint-Marc und Port-Républicain hatte Toussaint seiner siegreichen Armee als «Kriegsentschädigung» ein Viertel der Gewinne versprochen, die dort eingetrieben wurden (hauptsächlich durch den Verkauf von Zucker); wie er Hédouville
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erklärte, verdienten seine Soldaten diese Beute voll und ganz in Anbetracht des Mangels, den sie während des Feldzugs gelitten hatten.67 Hédouville legte Widerspruch ein und erklärte, alles Geld aus befreiten Territorien müsse in die Staatskasse eingezahlt und dazu verwendet werden, den Soldaten ihren Sold zu bezahlen: eine rechtschaffen republikanische Antwort, aber keine, die Toussaints Männern gefallen konnte – vor allem, da ihr Sold gering und ihre materiellen Verhältnisse nach wie vor prekär waren.68 In Toussaints Korrespondenz mit Hédouville sind Sold und Ausrüstung der Soldaten ein fast zwanghaft wiederkehrendes Thema. Seit seinen früheren dringlichen Bitten an Laveaux scheint sich nicht viel verändert zu haben. Toussaint beschwerte sich regelmäßig, dass seine tapferen Soldaten nicht bezahlt würden und ihnen die grundlegendste Ausrüstung fehle, wie zum Beispiel Kleidung. Er wendete Hédouvilles Argument der Gleichbehandlung gegen diesen selbst: Wenn für alle Soldaten die gleichen Bedingungen gelten sollten, wieso wurde dann Rigauds Armee im Süden pünktlich bezahlt und war anständig gekleidet, während seine eigenen Männer in abgerissenem Zustand herumlaufen mussten?69 Nachdem er eine Reihe vager Versprechungen erhalten hatte, schrieb Toussaint erneut und zunehmend aufgebracht: Die materielle Lage seiner Soldaten sei für ihn eine Quelle «größter Sorge». «Die traurige Lage, in der sie sich befinden, kann nur ein Herz rühren, das empfindsam ist wie das meine; es ist sehr schmerzlich für einen Heerführer, der erlebt hat, wie seine Streitkräfte Durst und Hunger leiden und sich den größten Gefahren aussetzen mussten, um die Briten aus dem Territorium von Saint-Domingue zu vertreiben, ich wiederhole, es ist schmerzlich zu sehen, dass eben diese Soldaten nicht einmal so viel Kleidung besitzen, dass sie ihre Blöße bedecken können.»70 Die Situation war inzwischen, wie Toussaint Hédouville in einem weiteren Brief schrieb, höchst peinlich für ihn selbst: Er hatte seinen Soldaten versprochen, sie würden «vollständig bekleidet in die Stadt» gehen können, und dennoch waren sie immer noch nackt und ihre Schulden nicht bezahlt. «Wer den Schlag empfängt», schloss Toussaint, «spürt den Schmerz», worauf er folgende ominöse Warnung seiner Soldaten weitergab: «Wenn der Teufel zu viel von seinem eigenen Gift trinkt, stirbt er.»71 Am 17. Oktober 1798 sandte Toussaint an Hédouville einen triumphierenden Bericht über die Befreiung des Landes: «Endlich ist es gelungen,
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ich habe das Ziel erreicht, das ich mir gesetzt hatte, nämlich die Engländer aus Saint-Domingue zu verjagen und die Banner der Tyrannei durch die Fahne der Freiheit und die Standarte der französischen Nation zu ersetzen. Mir bleibt nichts zu wünschen übrig.»72 Dieser Ausdruck patriotischen Stolzes kam sicherlich von Herzen, aber Toussaint war nicht ganz aufrichtig, was seine Ambitionen betraf: Als er diesen Bericht abschickte, hatte er bereits beschlossen, Hédouvilles Entfernung aus der Kolonie ins Werk zu setzen. Wann genau Toussaint zu dem Schluss kam, dass sein Verhältnis zu Hédouville irreparabel zerrüttet war, lässt sich nur vermuten. Seine Kritiker meinen, er habe von Beginn an vorgehabt, Hédouville abzusetzen, aber dafür gibt es keine Beweise, denn eigentlich legt ihr früher Briefwechsel das Gegenteil nahe. Der immer vorsichtige Toussaint hätte sich so rasch nach Sonthonax’ Abreise ein Jahr zuvor nicht schon wieder Ärger mit dem Direktorium einhandeln wollen – schon allein um seinen königstreuen und konservativen Feinden in Paris keine neue Munition zu liefern. Deshalb versuchte er, eine tragfähige Beziehung zu Hédouville zu entwickeln, aber im Lauf der Zeit stellte sich heraus, dass ihre Meinungen über zu viele Themen auseinandergingen. Er erkannte außerdem, dass der französische Gesandte von höherer Stelle beauftragt war, ihn systematisch zu sabotieren, um seinen politischen Einfluss zu mindern. Frustriert schrieb er in einem Brief: «Sie haben sich gegen alles gestellt, was ich tue, haben jeden meiner Schritte verleumdet und alle meine Vorschläge in Zweifel gezogen.»73 Toussaint kam zu der Überzeugung, dass diese Auseinandersetzungen nicht allein an Hédouville lagen: Mehrere seiner leitenden Verwaltungsbeamten, die er aus Paris mitgebracht hatte, gaben sich größte Mühe, ihr Verhältnis zu untergraben. Toussaint hatte seine Ohren überall, und Hédouville fand später heraus, dass einer seiner mixed-race Adjutanten ein Informant war.74 Einer der Vertrauten des französischen Bevollmächtigten erzählte Toussaint beispielsweise, er wäre glücklich, ihn nach Frankreich deportieren zu lassen, wo er «sich dann schön ausruhen könnte». Toussaint entgegnete bissig: «Dafür seid ihr noch nicht groß genug, um General Toussaint nach Frankreich zu schicken.»75 Diese «Feinde des öffentlichen Lebens, von Ordnung und Ruhe», so teilte er Hédouville mit, versuchten «Böses als gut darzustellen und Gutes als böse, Dunkelheit als Licht und Licht als Dunkelheit, Süßes als bitter und Bitteres als süß.» Es sei «schmerzlich für Ehrenmänner, so behandelt zu
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werden.»76 Im Lauf des September 1798 beklagte sich Toussaint in aller Offenheit über die üble Rolle dieser «Kabale», an der Männer teilhatten, die «geschworene Feinde der Schwarzen» waren; der französische Bevollmächtigte, behauptete er, werde ständig irregeführt durch «heimtückische Berichte von Männern, die nur allgemeines Chaos stiften wollten». Toussaint hegte den Verdacht, dass ein Komplott geschmiedet wurde, um nicht nur seinen Einfluss zu beschränken, sondern ihn vielleicht sogar ganz aus seiner Position als Oberkommandeur zu entfernen. In einer offiziellen Rede zur Feier der Republikgründung betonte Hédouville, wenn die Streitkräfte nicht vollkommen gehorsam seien, dann werde «die öffentliche Ordnung … bedroht und alsbald in Anarchie ausarten.»77 Dies war ein kaum verschleierter Angriff auf Toussaint, der sich beschwerte, Hédouville versuche seine militärische Macht zu schwächen, indem er den mixed-race General Rigaud aus dem Süden ermutige, Toussaints Autorität zu untergraben.78 Toussaint lancierte seine Kampagne für eine öffentliche Konfrontation mit Hédouville vermutlich im Juli 1798, denn zu dieser Zeit beschloss er, ihm eine Falle zu stellen. Er riet ihm zu, seine Pläne zur Reform des Systems der Landarbeit auszuarbeiten, diskutierte sie ausführlich mit dem französischen Bevollmächtigten und bezeichnete sie unter vier Augen als «sehr vorteilhaft und brauchbar für die Landwirtschaft»79 – so dass Hédouville ihm überschwänglich für seine Hilfe dankte und erfreut feststellte, die Hauptpunkte der neuen Vorschriften seien gemeinsam von ihnen beiden beschlossen worden.80 Allerdings sorgte Toussaint dafür, dass sein Name in der Öffentlichkeit nicht mit dem Dekret in Zusammenhang gebracht wurde, und zwar aus gutem Grund: Nach seiner Veröffentlichung im Juli 1798 provozierte Hédouvilles Arrêté concernant la police des habitations unter den Plantagenarbeitern großen Unmut, denn es zwang sie in Knebelverträge mit ihren Arbeitgebern. Das neue System war danach ausgelegt, die Plantagenbesitzer zu bevorteilen: Die Mindestdauer dieser engagemants betrug drei Jahre, und die Arbeiter mussten eine Kündigungsfrist von einem Jahr einhalten, wenn sie anderswo eine Stelle antreten wollten. Ein Arbeiter, der seine Plantage ohne vorherige Zustimmung verließ, hatte eine drastische Strafe zu gewärtigen: einen Monat Gefängnis für das erste Vergehen, sechs Monate beim zweiten Mal und ein Jahr beim dritten.81 Die Plantagenarbeiter sahen durch die neuen Maßnahmen ihre Arbeitsfreizügigkeit bedroht, die seit der Abschaffung der Sklaverei mehr
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oder weniger uneingeschränkt gewesen war. Toussaint tat zu Beginn wenig, um an dieser Einschätzung etwas zu ändern, vielmehr befeuerte er insgeheim in allen unter seinem Einfluss stehenden Gebieten den Widerwillen gegen das Dekret. Er nutzte die Tatsache aus, dass Hédouvilles Beamte sich nicht im geringsten bemühten, der Arbeiterschaft die neuen Vorschriften zu erklären (das Dekret wurde auf Französisch an die Kommunalverwaltungen geschickt, ohne kreolische Übersetzung), und schürte die Befürchtungen, die Maßnahmen zielten darauf ab, ihre Freiheit zu beschneiden und ihre materiellen Interessen zu beschädigen. Durch Toussaints ausgedehnte politische und militärische Netzwerke verbreiteten sich noch üblere Gerüchte: Das Dekret wurde als Gefährdung der «liberté générale» dargestellt, die die schwarzen Bürger SaintDomingues seit der Revolution gewonnen hatten; es gab sogar Andeutungen, die Freiheit der Schwarzen könne nur durch «ein Massaker an allen Weißen» gesichert werden. Erschrocken über die makandalistischen Untertöne solcher Geschichten, bat Hédouville Toussaint, mit einem Rundschreiben an seine Militärkommandanten diese «lächerlichen» Gerüchte zum Verstummen zu bringen.82 Dem kam Toussaint nach und versicherte dem französischen Bevollmächtigten sogar, wann immer er bemerke, dass seine «schwarzen Brüder» vom rechten Pfade abwichen, werde er ihnen «den Kopf zurechtrücken».83 In Wahrheit tat er aber das genaue Gegenteil, denn er förderte – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – die wachsende Unzufriedenheit mit Hédouvilles Maßnahmen. Im Distrikt Petit-Goâve wurde die Revolte gegen das Dekret beispielsweise von einem charismatischen und einflussreichen Rebellen namens Singla angeführt,84 dessen Verbindungen zu Toussaint so sorgfältig im Geheimen blieben, dass sich die Verwaltung beim Streik der Plantagenarbeiter Ende September 1798, in völliger Unkenntnis der Tatsache, dass er die Unruhen selbst mit entfacht hatte, verzweifelt an Toussaint um Hilfe wandte.85 In Anbetracht der Rolle, die Toussaints regionale Militärkommandanten bei der Ermutigung dieser lokalen Rebellionen gegen Hédouville spielten, muss er ihnen signalisiert haben, dass ein öffentlicher Showdown unmittelbar bevorstand. Und da der französische Bevollmächtigte nichts getan hatte, um sich bei Offizieren und Soldaten von Saint-Domingues republikanischer Armee beliebt zu machen, konnten sie diese Aussicht kaum erwarten. Tatsächlich war es ab September 1798 unübersehbar, dass in den Reihen der Schwarzen die Emotionen gegen
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Hédouville befeuert wurden, bei den gemeinen Soldaten genauso wie im Offizierskorps. In einem Bericht aus Saint-Marc hieß es, im 4. Regiment von Dessalines herrsche «große Unruhe», und «das weitere Vorhandensein weißer Offiziere hängt am seidenen Faden».86 Hédouville hatte mehrere heftige Auseinandersetzungen mit Toussaints Neffen Moyse, den er mit angeblichen «Vergehen» konfrontierte (ein weiteres Mal wegen der Lebensmittelversorgung); die Konfrontation endete mit folgendem strengen Tadel Hédouvilles: «Wer Kommandant bei den republikanischen Truppen sein will, sollte auch zu gehorchen wissen.»87 Toussaint wartete ab, bis Hédouville einen gewichtigen taktischen Fehler beging, um dann den Konflikt eskalieren zu lassen. Dafür bot der französische Bevollmächtigte ihm im Oktober 1798 eine goldene Gelegenheit: Er ordnete an, die 700-köpfige Garnison in Fort-Liberté, wo Moyses 5. Regiment stationiert war, zu entwaffnen. Hédouville entsandte zu diesem Zweck eine Streitmacht von mehreren hundert europäischen Soldaten unter dem Kommando von Manigat, einem schwarzen Friedensrichter aus Port-Dauphin. In dem darauffolgenden Kampfgetümmel kam Moyses Bruder Charles Zamor ums Leben, zusammen mit über 200 schwarzen Soldaten. Hédouvilles Abgesandter verschärfte den Konflikt noch, indem er ein Dutzend schwarzer Offiziere des Regiments festnehmen und nach Cap bringen ließ. Zugleich wurde Moyse wegen Ungehorsams suspendiert. Truppen, die loyal zu Toussaint standen, übernahmen schließlich wieder die Kontrolle über die Garnison, unterstützt von einem Bauernregiment aus 3000 Mann, die sein Mitstreiter Jean-Baptiste Sans-Souci aus den Bergen von Grande-Rivière, Vallière und Sainte-Suzanne rekrutiert hatte.88 Nun war die Zeit reif, gegen Hédouville vorzugehen. Mitte Oktober 1798, als die Ereignisse in Fort-Liberté eskalierten, ergriff Toussaint die Gelegenheit, um einen groß angelegten Aufstand gegen Hédouville zu lancieren. Wie er später der französischen Regierung erklärte, hatten die Maßnahmen des Bevollmächtigten breitflächig Zorn erregt: «Dass das Blut der Verteidiger unseres Territoriums bei diesem beklagenswerten Ereignis vergossen wurde, fachte die Flammen der Zwietracht wieder an, und alsbald verbreitete sich überall der Ruf nach Rache, der sich bis in die entferntesten Teile der Kolonie verbreitete.»89 Von seinem Hauptquartier auf der d’Héricourt-Plantage aus koordinierte Toussaint mit Hilfe seiner Kommandanten diese Proteste und veranlasste
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mehrere Tausend Landarbeiter, nach Cap zu marschieren, wo Hédouville und seine Beamten residierten. Als die Menschenmenge, die zum großen Teil aus Frauen bestand, sich der Stadt näherte, machte sich unter den Einwohnern, vor allem unter der weißen Bevölkerung, Panik und Angst vor Plünderungen breit, denn es sprach sich herum, dass die Protestierenden mit Säcken, Körben und Stricken versehen waren und dass viele von ihnen «Gott dafür dankten, dass ihre Reise nicht vergeblich sein würde».90 Ein französischer Besucher beschrieb die «grauenerregende» Szene in La Fossette am Stadtrand von Cap: «Man stelle sich zehntausend Schwarze jeden Alters und Geschlechts vor, fast nackt um Lagerfeuer gruppiert, die sich hemmungslos ihren Leidenschaften hingaben: obszöne Tänze, Verrenkungen, Schreie.»91 Ganz offensichtlich lag mehr als nur ein Hauch Vodou in der Luft, und Hédouville berichtete später, Toussaints cultivateurs hätten ihn in einem Ritual, das aus einem «Tanz um einen von innen beleuchteten Stierkopf» bestand, mit einem Zauber belegt.92 Die Stadtverwaltung von Cap schickte eine Delegation hinaus, um mit den Demonstranten über die Gründe ihres Protests zu sprechen. Die selbsternannte «Volksarmee» antwortete unheilverheißend, sie wollten die demütigende Behandlung der Offiziere und Soldaten des 5. Regiments in Fort-Liberté «rächen», und sie drohten damit, die Stadt zu verwüsten. Doch dann erklärten sie, «ein Blutbad könne vermieden werden», wenn Toussaint Louverture komme, um zu intervenieren, und die Ordnung wiederherstellte.93 Diese Verhandlungen wurden eiligst dem Oberkommandeur überbracht und boten ihm den Vorwand, den er brauchte, um auf den Plan zu treten. Toussaint handelte nun ohne Verzug. Zunächst sandte er eine Bekanntmachung an die Stadtregierung von Cap, in der er ihre Beamten aufforderte, alle nötigen Maßnahmen zum Erhalt der Ordnung zu ergreifen, und ihnen versprach, ihre Bemühungen zu unterstützen, damit «die Gesetze und die Verfassung der Republik vollumfänglich respektiert werden können». Dies entbehrte nicht einer gewissen Ironie, wenn man bedenkt, dass er gerade dabei war, den offiziellen Repräsentanten der französischen Regierung in Saint-Domingue zu stürzen.94 Daran schloss sich eine Versammlung der etwas eingeschüchterten Stadtbewohner vor dem Rathaus an, wo Toussaint erklärte, er sei «nur zu glücklich», rechtzeitig gekommen zu sein, um die Ordnung wiederherzustellen. Er warnte, es drohten durchaus «größere Unruhen», doch er
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werde sein Bestes tun, um alles wieder «ins Lot» zu bringen. Als ersten Schritt befahl er seinen Offizieren, die militärischen Außenposten der Stadt zu besetzen, und obendrein schickte er auch die Armee in seine alte Gegend Haut-du-Cap, um «die Sicherheit aller Einwohner und Besitzungen zu garantieren».95 Aber selbst diese beschwichtigende Geste enthielt eine Drohung, denn der Offizier, der seinem 4. Regiment voranritt, war kein anderer als der furchterregende Dessalines. Der eigentliche Zweck dieser Maßnahme war, Hédouvilles Flucht aus Cap zu vereiteln und ihn vor allem daran zu hindern, die Kolonie mit offiziellen Dokumenten der französischen Verwaltungsorgane zu verlassen.96 Nach den Tumulten in Cap, die auf die Krise in Fort-Liberté folgten, unternahm Toussaint weitere Schritte, um Hédouvilles Autorität auf den Plantagen zu schwächen. In einer Reihe abgestimmter Aktionen im Norden und Westen der Kolonie im Oktober 1798 veranlasste er Tausende von Arbeitern, die Arbeit niederzulegen und an ihren Wohnorten eine Protestwelle loszutreten. Diese Streikbewegung war eine direkte Brüskierung Hédouvilles, dessen Erlass vom 6. Thermidor bis zu zweijährige Gefängnisstrafen für jeden Landarbeiter vorsah, der «Unruhe schürte und Ordnung und Disziplin in den Betrieben untergrub». In jedem Fall war der Haupttreiber des Aufstands Toussaint selbst, und daher hatten die Plantagenarbeiter wenig zu fürchten. Vielmehr stellte er sich mit seinem ganzen Gewicht hinter die Bewegung: Er reiste überall hin, wo protestiert wurde, hielt feurige Reden vor den streikenden Arbeitern und drängte sie, ihre Kritik der Obrigkeit vorzulegen, damit sie zu Protokoll genommen und weiter verbreitet werden konnte. Diese Konfrontationen von Plantagenarbeitern und städtischen Beamten brachten – mit Toussaints Segen – einen volksrevolutionären Funken in das System der Kommunalregierungen von Saint-Domingue. So setzten die Proteste neue Dialogformen zwischen Stadtverordneten und ihrer örtlichen Wählerschaft in Gang. In manchen Gegenden erschienen massenweise Protestierende vor den Rathäusern, während sie anderswo Delegierte zu den Treffen mit den Stadtverordneten sandten; in Gonaïves gab es, wie der Protokollant sorgfältig festhielt, 22 protestierende Bürger.97 Diese Begegnungen wiederum radikalisierten das Selbstbild der Stadtverwaltungen: Nun bezeichneten sie sich gern mit einem revolutionären Begriff als «Volksorgane». Nach einem Zusammentreffen mit einer «riesigen Menge von Bürgern, die auf den Plantagen arbeiten, Männer wie Frauen», verlautbarten die Stadtverordneten von Petite-
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Rivière, sie seien «die Wächter des Volks»98 und hätten die heilige Pflicht, sie anzuhören und ihre Stimmen weiterzuleiten. Auf Toussaints Veranlassung hin wurden die Forderungen der Plantagenarbeiter von den Kommunalbeamten schriftlich fixiert und an Hédouvilles Büro in Cap geschickt. Die Forderungen gaben für den geplagten Bevollmächtigten einen deprimierenden Lesestoff ab, denn sie alle begannen mit entschiedenen Misstrauensbekundungen gegen ihn. Die Stadträte und Beamten von Plaisance erklärten nach einem Treffen mit ihren Wählern, Hédouville habe in Saint-Domingue «die Atmosphäre vergiftet» und einen Ausbruch von «Anarchie» provoziert; die einzige Lösung für ihn sei, «so bald wie möglich» aus der Kolonie zu verschwinden.99 In einer großherzigen Geste verlangten die Petenten von Marmelade lediglich, dass der Bevollmächtigte «suspendiert» werde,100 aber das war ein Minderheitsvotum. Die meisten der mobilisierten Bürger bestanden auf Hédouvilles Abreise, und um Missverständnissen vorzubeugen, erklärten die Bewohner von Gros-Morne klipp und klar: «Hédouvilles Anwesenheit hier ist die Ursache für die Bewegung, die zur Unruhe unter den Plantagenarbeitern geführt hat.»101 Im Gegensatz zu den Protesten in Cap waren für die Demonstranten auf dem Land Hédouvilles Landwirtschaftsreformen das wichtigste Thema, und sie verurteilten in all ihren Verlautbarungen seinen Erlass. Die Protestierenden aus Gonaïves erklärten, das System der verpflichtenden Einstellungen (engagements) sei nichts weniger als der Versuch, «unsere Freiheiten anzugreifen», und sie forderten, dass die Verträge, die sie unter Zwang unterzeichnet hatten, zerrissen würden.102 Aber dies war kein gewöhnlicher Arbeitskampf, denn sein Ziel war eine politische Umwälzung. Die Arbeiter von Port-à-Piment und Terre-Neuve erklärten feierlich: «Ehe Hédouville das Land nicht verlässt, werden wir die Arbeit nicht wieder aufnehmen.»103 Die Plantagenarbeiter von Toussaint Louverture (inzwischen gab es eine Kleinstadt, die nach dem Revolutionshelden benannt war) drückten es noch dramatischer aus: «Wir würden lieber den Rest unseres Lebens im Wald verbringen, als unter diesen Bedingungen zu arbeiten.»104 Gleichzeitig sorgte Toussaint dafür, dass sich die dramatischen Szenen in Fort-Liberté unter den protestierenden Landbewohnern herumsprachen. Als sich die Nachricht von Moyses Verhaftung und der Entwaffnung der schwarzen Truppen in den Plantagen verbreitete, wurden die Ereignisse durch Gerüchte noch weiter verzerrt, und die Forderung
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der Protestierenden, Moyse wieder einzusetzen, vermischte sich mit weit schreckenerregenderen Geschichten; zum Beispiel, dass das gesamte 5. Regiment niedergemetzelt worden sei, oder dass alle Truppen, die loyal zu Toussaint standen, möglicherweise aufgelöst würden. Hier mag ein Element absichtlicher Fehlinformation im Spiel gewesen sein, da Toussaint sich größte Mühe gab, den Zorn gegen Hédouville zu verstärken. Doch waren derlei Befürchtungen nicht ganz abwegig: Wie oben festgestellt, hatte es in Fort-Liberté beträchtliche Verluste unter den Schwarzen gegeben, und der französische Bevollmächtigte war mit dem erklärten Ziel in Saint-Domingue eingetroffen, Toussaints Armee zu verkleinern. Dies war das zentrale Problem, und es erklärt, warum Toussaint mit der Erzählung vom blutigen Scharmützel in Port-Liberté Tausende von Plantagenarbeitern mobilisieren konnte: Viele dieser cultivateurs waren der Meinung, die schwarze Armee sei der wichtigste Protektor ihrer Interessen, und jeder Versuch, sie zu schwächen, das Vorspiel zu einem Angriff auf ihre Grundrechte. Dieser Zusammenhang wurde in einer der städtischen Verlautbarungen deutlich ausgesprochen: «Wir verlangen, dass General Moyse sein Kommando zurückgegeben wird, so dass er uns gegen diejenigen verteidigen kann, die versuchen, uns zu versklaven.»105 Toussaints Neffe erwies sich allmählich als eine der mächtigsten und beliebtesten Gestalten im nördlichen Departement. Toussaints Unterstützer in der Provinz fielen durch ihre Energie, Entschlossenheit und Disziplin auf, was der Militärkommandeur von Port-à-Piment und Terre-Neuve voller Bewunderung feststellte, als er sie in großer Zahl vor seinem Haus versammelt fand.106 Aber diese Männer und Frauen bezeugten damit, wie beliebt Toussaint bei den schwarzen Bürgern war: Er konnte die Bergbauern von Sans-Souci ebenso wie die einfachen Landarbeiter mobilisieren, ohne Zweifel mit Unterstützung einer ansehnlichen Zahl von Aufsehern (conducteurs), die Toussaints Hauptagenten auf den Plantagen waren. Ihr Zusammenhalt zeigte sich sowohl in der Befolgung von Toussaints Befehlen als auch in dem Geist beherrschter Ausgelassenheit: Sie verbanden die klassischen Eigenschaften revolutionärer Volksmassen, Feierlaune, Spottlust und lärmende Bedrohlichkeit. Was an diesen Männern und Frauen eigentlich am meisten beeindruckte, war ihr Selbstvertrauen und die überwältigende Art, wie sie sich revolutionäre Ideen zu eigen machten. In den Erklärungen und Petitionen an ihre Verwaltungsbeamten fassten sie ihre Beschwerden über Hédouville nicht in Begriffe des Eigeninteresses oder in Rassen-
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kategorien, sondern drückten sie in einer revolutionären Sprache von Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit aus, in einem Appell an das Prinzip des Gemeinwohls, in dessen Namen sie zu handeln behaupteten. Häufig beriefen sie sich auf die Verfassung: In Petite-Rivière zum Beispiel erklärten sie: «Die Rechte des Menschen sind unveräußerlich und unveränderbar, und sie sind durch die Verfassung allen Bürgern garantiert.»107 Das heiligste Recht, das die Verfassung dem Volk von Saint-Domingue gegeben hatte, war das Bürgerrecht. Toussaints Unterstützer ließen erkennen, dass dies für sie nicht bloß ein abstrakter philosophischer Begriff war, sondern lebendige Realität. In ihren Begegnungen mit Verwaltungsbeamten sprachen sie nicht als demütige Bittsteller, sondern als cultivateurs und cultivatrices (Landarbeiter und Landarbeiterinnen) mit legitimen Rechten, die sie im revolutionären Kampf erworben hatten; besonders bemerkenswert ist dabei die große Zahl von Frauen, die sowohl in Cap als auch in der Provinz beteiligt waren. Sie konnten natürlich auch überzogene Forderungen stellen: Die Demonstranten aus der Stadt Toussaint Louverture nutzten die besondere Beziehung zu ihrem Namenspatron, um ihren geliebten Anführer um eine Beförderung ihres städtischen Militärkommandanten zu bitten.108 Ein vergleichbares Selbstvertrauen zeigte sich in dem Ansinnen, dass ihre Namen unter den städtischen Verlautbarungen stehen sollten. Dies entsprang nicht dem Wunsch nach individueller Anerkennung, sondern betonte vor allem ihre kollektive Stärke – nicht anders als Toussaint es in seiner Antwort an Viénot-Vaublanc hervorgehoben hatte. So führte der Text, der in Marmelade veröffentlicht wurde, neben den Namen der Verwaltungsbeamten auch die Namen von über 100 Plantagenarbeitern auf; das war ohne Zweifel das erste Mal, dass Leute mit sprechenden Namen wie Cofie, Lespérance, Sansfaçon, Pompom, Fidelle und Gracia in einem derartigen amtlichen Dokument Erwähnung fanden. Einige ihrer Forderungen wurden ins Kreolische übersetzt. Über die Hälfte des Texts der Plantagenarbeiter aus Petite-Rivière wurde im Dialekt von Saint-Domingue veröffentlicht, einschließlich des folgenden markigen Kommentars zu Hédouville: «Wir sind nicht zufrieden mit ihm, vor allem ist er unfähig, Ordnung in diesem Land zu schaffen, er hat eine erbärmliche Unordnung angerichtet.»109 Hédouville, geschmäht von den revolutionären Bürgern Saint-Domingues und ausmanövriert von ihrem Anführer Toussaint, dessen Streit-
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kräfte ihn mehrere Tage lang in Cap festhielten,110 wurde Ende Oktober 1798 umstandslos aus der Kolonie vertrieben, zusammen mit seinem Gefolge von 1800 Zivilbeamten und Militärs. Seine letzten Tage auf der Insel verbrachte er an Bord der Bravoure, eines französischen Schiffs, das in der Bucht von Cap vor Anker lag. Wie machtlos er war, lässt sich daran erkennen, dass er sich nicht sicher genug fühlte, um seine letzten Augenblicke an Land zu verbringen. Er lehnte eine Einladung Toussaints, zu einem Gespräch ans Ufer zu kommen, aus Angst ab, man könnte ihn gefangen nehmen.111 Seine kurze Laufbahn in Saint-Domingue endete unter demütigenden Bedingungen, «behandelt», so formulierte es sein Nachfolger Roume, «wie ein geschlagener General, der gezwungen ist, eine strategische Position aufzugeben.»112 Bevor er die Kolonie verließ, gab Hédouville noch eine Proklamation heraus, in der er seine Vertreibung den «émigrés» zur Last legte, deren Rückkehr nach Saint-Domingue die politische Atmosphäre vergiftet habe. Er bezichtigte sie, eine Kampagne «verleumderischer Anschuldigungen» gegen ihn geführt zu haben, vor allem, indem sie behaupteten, er wolle die «liberté générale» der schwarzen Bevölkerung untergraben. Diese Gerüchte hätten eine solche Wirkung entfaltet, weil sie von Leuten in der Verwaltung gefördert worden seien, die «sich an die Briten verkauft hatten». Dies war ein leicht zu durchschauender Hieb gegen Toussaint, und nicht der einzige: Hédouville behauptete, die Leute, die nach «Unabhängigkeit» verlangten, zeigten nun endlich Flagge und erwiesen sich entgegen allem Anschein als «grausame Feinde» der Freiheit von Saint-Domingue.113 In einer separaten Depesche, die am selben Tag geschrieben wurde, befreite Hédouville Toussaints Rivalen Rigaud von der Verpflichtung, den Befehlen seines Oberkommandeurs zu gehorchen, den er anklagte, von den «Briten, Emigranten und Amerikanern bezahlt» zu werden. Er forderte Rigaud auf, «die Kontrolle über das Departement des Südens [zu] übernehmen», womit er einen Bruderzwist entfachte, der zum grausamen guerre des couteaux ein Jahr später führen sollte.114 Doch für den Augenblick stand Toussaints Triumph nicht in Frage. Eine seiner größten Gaben war sein Gespür für politische Theatralik, und den französischen Bevollmächtigten im schwülen karibischen Hochsommer auf ein Schiff in der Bucht von Cap zu zwingen, unmittelbar über den Tausenden von toten Sklaven, die über Bord geworfen worden waren, bevor ihre Schiffe im Hafen anlegten, war ein solch cha-
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rakteristisches Manöver. Diese Demütigung eines mächtigen grand blanc musste von seinen schwarzen Soldaten – besonders den bossales – als gerechte symbolische Vergeltung begrüßt werden, sowohl für seine verächtliche Behandlung von Toussaints Männern während der vergangenen Monate als auch für das Leid, das sie und ihre Familien auf der Überfahrt von Afrika nach Saint-Domingue erlitten hatten. Toussaint betonte diese Verbindung mit seinen Soldaten in einer bewegenden Rede, die er nach der Rückeroberung von Fort-Liberté hielt. Darin gelobte er feierlich, die Errungenschaften der Revolution von SaintDomingue zu verteidigen, allem voran die Befreiung der Sklaven. Er verspottete seinen Gegenspieler mit einem unzweideutigen Vergleich: «Wer ist der größere Verteidiger eurer Freiheit: General Hédouville, der einstige Marquis und Ritter des St. Louis-Ordens – oder Toussaint Louverture, der Sklave aus Bréda?»115 Der Sieg über Hédouville ermöglichte Toussaint die ersten Schritte auf dem Gebiet der Diplomatie, namentlich den Abschluss des Abkommens mit Maitland 1798. Die Vereinbarung hob Toussaints Status in der Region und war der Anfang der formellen Trennung der Interessen der Kolonie von denen Frankreichs. Sie initiierte auch eine schrittweise Annäherung zwischen Saint-Domingue und Großbritannien, die nicht nur auf gemeinsamen Interessen, sondern auch auf wachsendem Respekt für Toussaint basierte – obgleich er das genaue Gegenteil von allem verkörperte, wofür das britische Empire stand. In einer Zusammenfassung seiner Erfahrungen in der französischen Kolonie bedachte Maitland Hédouville mit beißender Kritik («ein angeblich talentierter Mann, obwohl ich, so weit ich mit ihm zu tun hatte, davon nichts bemerken konnte»), während er Toussaints militärische und politische Fähigkeiten anerkannte. Aber es ging noch um grundlegendere Dinge: Maitland würdigte Toussaints «Mäßigung und Geduld» als Politiker, sowohl in Bezug auf seine «Humanität» in der Kriegsführung als auch auf seine ehrenhafte Behandlung weißer Emigranten und drängte seine Regierung, eine Politik konstruktiver Beziehungen fortzusetzen.116 Maitlands Botschafter in Saint-Domingue, Edward Harcourt, hielt ebenfalls fest, dass die wohlwollende Politik seiner Regierung gegenüber Toussaint eine Erwiderung des «guten Willens» sei, den er in Bezug auf britische Interessen gezeigt habe.117 Dieser günstige Eindruck kam auch in einem begeisterten Artikel über das Abkommen zum Ausdruck, der im Dezember 1798 in der Lon-
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don Gazette publiziert wurde. Darin erschien der britische Rückzug aus Saint-Domingue als diplomatischer Triumph, da er das Versprechen einer «exklusiven Handelspartnerschaft» mit der Kolonie und ihrer «Unabhängigkeit» von französischer Kontrolle enthalte. Höchst bemerkenswert war die Beschreibung von Toussaint, der gepriesen wurde als «Neger, der geboren ist, um die Ansprüche seiner Rasse zu verteidigen und zu zeigen, dass der Charakter eines Menschen nicht von seiner Hautfarbe abhängt». Die Tatsache, dass dieser «Häuptling» die «schwarze Standarte» in Saint-Domingue aufgepflanzt hatte, war nichts weniger als eine «Revolution», die von «allen liberalen Briten» gefeiert wurde: «Jeder anständig gesinnte Mensch wird frohlocken, wenn er hört, dass die Rasse der Schwarzen nun als Brüder anerkannt wird.»118 Dies war ein eher geschönter Bericht über das, was zwischen Toussaint und Maitland vorgefallen war, und wir werden sehen, dass viele Leute in der britischen Führung, sowohl im Militär als auch in der Politik, unversöhnlich gegen die Revolution in Saint-Domingue eingenommen blieben. Aber der Artikel der Gazette zeigte zugleich, dass die Anziehungskraft des schwarzen Generals unter den aufgeklärten britischen Meinungsmachern wuchs. Die Auseinandersetzung zwischen Toussaint und Hédouville illustriert, wie vielseitig die Machtinstrumente des Revolutionsführers waren. Hédouville glaubte, er könne sein Ziel, Toussaint einzuhegen und die schwarze Armee sukzessive zu entwaffnen, mit Hilfe der klassischen Mittel erreichen, die einem hochrangigen Repräsentanten des französischen Staats zur Verfügung standen, der überdies über militärische Erfahrung verfügte: Schließlich hatte er dazu beigetragen, die Bauern der Vendée gefügig zu machen. Und außerdem war er Weißer. Was vermochte ein «vollständig unwissender» ehemaliger Sklave gegen eine solche Überlegenheit?119 Dennoch schaltete Toussaint seinen Gegenspieler aus, und dies gelang ihm, weil er seine Macht viel ideen- und ressourcenreicher nutzte. Sein Fazit nach Hédouvilles Scheitern lautete: «Er taugt nichts» und hätte besser daran getan, «sich tief zu bücken, um hoch zu steigen, statt hoch zu steigen, um zu versagen.»120 Dies war eine charakteristisch scharfsinnige Beobachtung: Sie spiegelte Toussaints Philosophie der kleinen Schritte und ebenso seine Überzeugung, dass man Macht mit Fingerspitzengefühl ausüben und Zwang nur als letztes Mittel einsetzen sollte. Der gleiche Scharfsinn schimmert auch in dem 27-seitigen Bericht
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durch, den Toussaint kurz nach Hédouvilles Flucht aus der Kolonie an das Direktorium schickte. Es war ein starkes Stück Louverture’scher Prosa, in dem sich gründliche Detailkenntnis mit mehr als nur einer Prise Prahlerei verband. Er wies jegliche Verantwortung für das Chaos der vergangenen Wochen entschieden von sich und erwog sogar, um eine «ehrenhafte Entlassung» aus seinen Funktionen zu bitten. Er habe, so behauptete er, bei den Unruhen in Cap und auf den Plantagen keinerlei Rolle gespielt, und «kein Bevollmächtigter der französischen Regierung (habe) stärkere Unterstützung von ihm erfahren» als Hédouville. Die Nachricht, dass eine große Menge von Protestierenden auf die Stadt zumarschierte, habe ihn bekümmert, und es habe ihn «überrascht», dass Hédouville und seine Entourage ihre Abreise aus der Kolonie vorbereitet hatten. Gewiss ließ sich die französische Obrigkeit von diesen Unschuldsbeteuerungen nicht hinters Licht führen, aber Toussaints folgende Feststellungen waren weniger leicht von der Hand zu weisen: Die Unruhen in Saint-Domingue seien hauptsächlich durch Hédouvilles moralische und politische Fehlleistungen in den zurückliegenden Monaten ausgelöst worden – besonders durch seinen Versuch, Toussaints militärische Autorität in Frage zu stellen, durch seine Unfähigkeit, die lokalen Empfindlichkeiten zu verstehen, und durch sein «despotisches» Verhalten gegenüber loyalen Verwaltungsbeamten, von denen viele ohne eine Konsultation mit Toussaint ihres Amtes enthoben worden waren. Auch Hédouvilles «aristokratische» Vorurteile wurden getadelt, insbesondere seine Neigung, gewöhnliche Bürger, die mit Bittgesuchen an ihn herantraten, mit «abstoßender Herablassung» («aigreur repoussante») zu behandeln. Diesem freimütigen Vorwurf an das Direktorium für die Entsendung eines offensichtlich unfähigen Beamten nach Saint-Domingue schloss sich die eigentliche Spitze an: Toussaint nannte die ganze Episode ein Rückzugsgefecht, das dazu diente, im Namen der weißen Überlegenheit die Macht der Schwarzen in Frage zu stellen. Er erinnerte die französischen Verantwortlichen an den «Schrecken», den Vaublancs mit seiner «libertiziden (die Freiheit zerstörenden) Rede» von 1797 in der Kolonie verbreitet hatte, und wies darauf hin, dass Hédouville versucht habe, ihm nachzueifern – vor allem durch die Einführung einer Agrarreform, in die explizit Vaublancs rassistische Vorstellungen eingeflossen waren. Toussaint zitierte eine Passage aus Hédouvilles Rede über die Notwendigkeit, die «Schwarzen auf den Plantagen zu halten» (wobei er
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natürlich verschwieg, dass er Hédouville bei diesem Thema heimlich sekundiert hatte); die Arbeitsreform sei von den schwarzen Plantagenarbeitern als «neue Art von Sklaverei» empfunden worden. Der Bericht bezog sich an mehreren Stellen auf den antiroyalistischen Coup des 18. Fructidor und stellte Hédouville als Mann dar, der die Ziele der Verschwörer teilte. Hédouville habe in Saint-Domingue systematisch versucht, die Saat der Zwietracht zwischen schwarzen, weißen und mixed-race Bevölkerungsgruppen zu säen, indem er den Patriotismus der schwarzen Offiziere in seiner Armee in Zweifel zog; indem er schwarze Beamte in der Verwaltung drangsalierte; indem er Toussaints Entscheidung anfocht, den schwarzen Kanonieren aus dem Dessources-Regiment, die von den Briten ausgebildet worden waren, Amnestie zu gewähren, da sie der Republik ehrenvoll würden dienen können – gleichzeitig aber Rigaud gestattete, genau solche Soldaten für seine Armee im Süden zu rekrutieren; indem er die Anzahl der schwarzen Soldaten drastisch senken und damit die Verteidigung Saint-Domingues in die Hände einer «rein europäischen» Armee legen wollte; indem er Toussaint als jemanden verleumdete, der sich an die Briten «verkauft» hätte; und schließlich indem er erlogene Geschichten über Toussaints Streben nach Unabhängigkeit in die Welt setzte, einschließlich der Behauptung, in allen Regionen unter Toussaints Kontrolle sei nicht die Trikolore auf den öffentlichen Gebäuden gehisst, sondern seine persönliche Standarte, «ein weißes Banner mit dem Kopf eines Schwarzen» – eine Beleidigung von Toussaints «Ehre».121 Jeder einzelne dieser Vorgänge erfüllte allein schon den Tatbestand des Verrats, fügte Toussaint hinzu, ehe er in aller Schärfe bemerkte: «Die Schwarzen sind stark genug, jede Verschwörung zu besiegen» – eine verschlüsselte, aber unmissverständliche Warnung an das Direktorium, dass jeder weitere Versuch, seine Streitmacht zu entwaffnen, auf entschlossenen Widerstand treffen würde. Gleichwohl war das Ziel des Berichts nicht, die Konfrontation mit seinen französischen Vorgesetzten zu suchen, sondern sie zu besänftigen. Während der ganzen Krise habe er sein Möglichstes getan, um jegliche ernste Bedrohung der Sicherheit von Personen und Eigentum zu unterbinden, unter Zivilisten sei keinerlei Blut vergossen worden. Toussaints Bericht hob den «verfassungsgemäßen» Weg hervor, den die Plantagenarbeiter eingeschlagen hatten, als sie ihre Klagen über die lokalen Institutionen den Verantwortlichen mitteilten – ein geschickter Schachzug,
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mit dem er durchblicken ließ, dass Hédouville nicht von Toussaint, sondern von der Bevölkerung und deren gewählten Vertretern abgelehnt wurde. Laut dem Bericht hatten sowohl die Gemeindebeamten als auch die Protestierenden im Einklang mit republikanischen Prinzipien und im Geiste der französischen Verfassung gehandelt. Diese Betonung der legitimen Funktionen der Kommunalverwaltungen in Krisenzeiten gipfelte in Toussaints Vorschlag, die Stadtverwaltung von Cap solle nun, da Hédouville abgereist war, «voll und ganz die zivile Amtsgewalt übernehmen».122 Auch dies war typisch für Toussaints gesamte Herangehensweise, die darin bestand, die Sache der Revolution so weit wie irgend möglich aus den offiziellen Institutionen heraus voranzubringen; diesen Punkt betonte er bei seinen Pariser Unterstützern, vorrangig im französischen Parlament, und er bestritt vehement, in irgendeiner Form nach «Unabhängigkeit» zu streben.123 Dies war ohne Zweifel ein Balanceakt, aber niemand ging dabei so umsichtig vor wie der «tugendhafte Oberkommandeur», wie seine Unterstützer Toussaint nannten.124 In einem anonymen Bericht, der kurz nach Hédouvilles Abreise aus Saint-Domingue an die französische Regierung gesandt wurde, stand zu lesen, dass Toussaints Einfluss auf die Bevölkerung «eine Art Zauberkraft» darstelle: Die Kolonie stehe eindeutig in seinem Bann. Diese Kraft könne man «entweder im Zaum halten oder nutzen, um sie Richtung Revolution zu treiben». Toussaint sei trotz all seiner Fehler «der einzige Mann, der garantieren kann, dass die Kolonie in französischer Hand bleibt.»125
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Dass Toussaints Unterstützer auf den Plantagen in der letzten Phase der Konfrontation mit Hédouville erfolgreich mobilisiert werden konnten, war alles andere als zufällig. Die Revolution der Sklaven von SaintDomingue brachte ein vitales Muster volksdemokratischer Aktivitäten hervor, das sich in Bürgerversammlungen ausdrückte, in Bruderschaften auf den Plantagen sowie in Netzwerken ehemaliger Marron-Sklaven, die sich im Binnenland und in den entlegeneren Berggegenden von Saint-Domingue oft in Milizen organisierten. Ende der 1790er Jahren war diese Graswurzel-Tradition noch lebendig, und während sie Toussaint weitgehend unterstützte, insbesondere bei seinen Auseinandersetzungen mit den französischen Machthabern und seinem Kampf gegen abweichende Splittergruppen, blieb sie zugleich eine unabhängige soziale Bewegung, die nie ganz seiner Kontrolle unterlag. Zum Teil aus diesem Grund, aber auch wegen der geringen Urbanisierung versuchte Toussaint, seine eigenen Netzwerke in der Kolonie aufzubauen. Er kannte wahrscheinlich besser als sonst irgendjemand die natürlichen Bruchlinien zwischen dem Norden, Westen und Süden und die territorialen Bindungen seiner Landsleute, die zuweilen zu heftigen Rivalitäten zwischen benachbarten Gruppen führen konnten, und er wusste, dass die Politik im postrevolutionären Saint-Domingue hauptsächlich lokal und kommunal geprägt war. Scheinbar begrenzte Konflikte konnten sich schnell zu einer größeren Krise auswachsen, wie es bereits 1798 während der Scharmützel bei Fort-Liberté geschehen war. In jedem Fall entsprach der Aufbau einer sicheren Basis unter den lokalen Bevölkerungsgruppen seinen Führungsinstinkten: seiner akribischen Freude am Detail, seinem bemerkenswerten Gedächtnis für Namen und Situationen sowie seiner spirituellen Beziehung zur Landschaft von Saint-Domingue. Die Nähe zur Natur gehörte zu den hervorstechen-
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den Merkmalen seines Charakters und machte ihn in den Augen derer, die eng mit ihm zusammenarbeiteten, zu jenem «außerordentlichen Mann der Karibik, den die Natur geformt hatte, um das bemerkenswerte Volk zu regieren, dessen Anführer er geworden war.»1 Ebenso legendär war seine Mobilität. Er war ständig unterwegs – ob es planmäßige Dienstreisen in den Regionen waren, kurze Abstecher an Orte, wo Konflikte zu lösen waren, die Erkundung bestimmter Gegenden oder spontane Besuche bei Einzelpersonen; bei einer Gelegenheit ritt er in zwölf Stunden von Gonaïves nach Cap, wobei er ohne Pause ab drei Uhr morgens im Sattel saß; die Nachricht von seiner unerwarteten Ankunft lockte eine große Zahl von Menschen zu seinem Haus.2 Wenn sein Besuch an einem Ort angekündigt wurde, löste das große Aufregung und festliche Vorbereitungen zu seinen Ehren aus, darunter die Herstellung leicht kaubarer Speisen wie Biskuitkuchen wegen seiner fehlenden Vorderzähne.3 Toussaints Kritiker glaubten, seine Autorität stütze sich allein auf seine Militärmacht, auf seine Begabung zur Patronage und seine Fähigkeit, unter seinen Anhängern eine fast religiöse Form der Verehrung zu erwecken. Diese messianische Aura wurde besonders von seinen Gegnern hervorgehoben – in den Worten des französischen Generals Pamphile de Lacroix: «Seine Soldaten sahen in ihm einen außergewöhnlichen Mann, und die Plantagenarbeiter verehrten ihn wie einen Gott.»4 Doch bestand Toussaints Anziehungskraft aus mehr als nur seiner Fähigkeit, Furcht oder eine glaubensähnliche Ergebenheit auszulösen. Von Anfang an war seine Strategie, mit unterschiedlichen territorialen Gruppen zu paktieren und zugleich bestehende soziale und politische Institutionen zu nutzen, von Kirchenvertretern und Angehörigen der Nationalgarde bis zu Ortsvorstehern – eine durch und durch republikanische Vorgehensweise, die in seinem Glauben an die natürliche Tugendhaftigkeit des Menschen und im Ideal der Brüderlichkeit gründete. Aber es war auch ein kreolischer Republikanismus, eine eigentümliche Kombination aus europäischen, afrikanischen und indigenen Elementen. Diese Mischung kam in örtlichen Feierlichkeiten zu seinen Ehren zum Ausdruck, in farbenprächtigen Demonstrationen kollektiver Begeisterung und in Huldigungen an Toussaint – ein Beweis für die Akzeptanz der neuen Gesellschaftsordnung bei den Bürgern von Saint-Domingue. An solchen Festivitäten nahmen häufig zivile und religiöse Amtsträger einträchtig teil, wie etwa 1798, als Toussaint kurz nach dem Abzug der
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Briten zum ersten Mal das befreite Port-Républicain besuchte. Am Rand der Stadt wurde er von einer großen Menge herausgeputzter Männer und Frauen empfangen, angeführt von Geistlichen, die Kreuze trugen und Weihrauchfässer und Fahnen schwenkten. Man forderte ihn auf, unter einem Baldachin zu schreiten, der von vier der wohlhabendsten weißen Plantagenbesitzer getragen wurde: Er lehnte mit der Begründung ab, eine solche Ehre käme nur einer Gottheit zu.5 Aber es gab kein Entrinnen vor der Ehrung, die die Honorationen für ihn vorgesehen hatten: Nach einem Marsch durch eine Abfolge von Triumphbögen, die den Weg bis zur Stadtmitte schmückten, wurde Toussaint von den Stadtoberen empfangen, die ihn feierlich als Befreier von Saint-Domingue begrüßten und ihm eine Medaille mit der Inschrift überreichten: «Nach Gott kommt er.»6 Es war ein erhabener Moment. Genau diese Losung wurde von Makandals Anhängern auf dem Höhepunkt der Vodou-Zeremonien skandiert, wenn sie sich vornahmen, die weißen Pflanzer von SaintDomingue mittels Gift zu beseitigen. Jetzt wurde sie symbolisch umgewidmet und ihrem neuen Helden zugesprochen.7 Diese Reinkarnation von Makandal sprach sowohl katholische und karibische Empfindungen an als auch eher geistige Aspekte des republikanischen Rationalismus. Toussaints lokalpolitischer Ansatz entsprach exakt seinem Politikstil, sich bereits existierende Traditionen und Institutionen eigenen Zwecken dienstbar zu machen und mit der Zeit, wenn sich die Gelegenheit bot, neue politische Arrangements einzugehen. Daher eine seiner bevorzugten kreolischen Redensarten: «Wer langsam geht, kommt weit».8 Es waren phantasievolle Methoden, mit denen Toussaint die lokalen Gruppierungen für sich gewann. Eine dieser Gruppen waren die Freimaurer. Es gibt keinen Beweis dafür, dass Toussaint selbst Freimaurer war, aber seine schwungvolle Unterschrift enthielt eines der für die Revolutionszeit typischen freimaurerischen Symbole: zwei Schrägstriche mit drei Punkten dazwischen. Sein ehemaliger Chef Bayon de Libertat war ein hochgestellter Logenbruder in Cap, wo die Freimaurer im Jahrzehnt vor der Revolution besonders aktiv waren;9 deren Grundwerte – Solidarität, Verschwiegenheit, Brüderlichkeit und Nächstenliebe – deckten sich großenteils mit seinen eigenen. Die Mitgliederliste der Loge «La Réunion Désirée à l’Orient» in Port Républicain weist eine Reihe seiner engsten Mitstreiter als aktive Freimaurer aus: darunter sein Bruder Paul, der Zeremonienmeister der Loge war, sowie Christophe
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Huin, den Militärkommandeur von Port-Républicain und einen von Toussaints treuen Untergebenen; ebenfalls gehörten viele seiner Unterstützer aus der weißen Funktionselite – aus Verwaltung, Rechtsprechung, Geschäftsleben und Plantagen – der Loge an.10 Zu Toussaints eigener Entourage gehörten mehrere Beamte aus der Gascogne, vor allem seine Sekretäre Pascal und Dupuis, seine Übersetzer Nathan und Lacoste, der leitende Sanitätsoffizier in der Kolonie (den Hédouville zu entlassen versucht hatte); viele dieser Männer engagierten sich in freimaurerischen Netzwerken. Und einer seiner glühendsten Bewunderer in der Verwaltungshierarchie von Saint-Domingue war der Ingenieur Charles Vincent, ebenfalls ein leidenschaftlicher Freimaurer.11 Auch wenn Toussaint also selbst vermutlich kein Freimaurer war, so war er doch von solchen umgeben und konnte sich jederzeit auf ihr Netzwerk stützen. Toussaints Vorgehensweise zeigte sich insbesondere in seiner Hochburg Gonaïves, aus der er die Spanier vertrieben hatte. Er ließ die Stadt komplett wieder aufbauen, ihre Hauptstraßen pflastern, ihren Kanal erweitern und ihre Hauptgebäude verschönern. Nach Laveaux’ Weggang 1796 machte Toussaint den Distrikt von Gonaïves zu «einer mehr oder weniger unabhängigen Enklave» unter seinem politischen und militärischen Kommando.12 Er stellte sicher, dass die Verwaltung mit loyalen und kompetenten Leuten besetzt wurde und verfolgte die Beratungen des Stadtrats sehr genau. Er knüpfte zudem enge und dauerhafte Bande zu wohlhabenden Geschäftsleuten wie Cazes, einem steinreichen Kaufmann (auch der «dicke Cazes» genannt), der einer seiner Finanzberater und effektivsten Gesandten wurde (er war es, der nach Paris geschickt wurde, um Toussaints Bericht vom 22. Brumaire an VII über die Hédouville-Episode zu überbringen).13 Toussaint errichtete sein Hauptquartier auf einem Landsitz in der nahen Kommune von Ennery, an ihn verpachtet von Madame Descahaux, die aus einer der mächtigsten weißen Familien der Kolonie stammte.14 Dieses legendäre Anwesen, bekannt für seine langen Alleen, den Duft seiner Rosengärten und die Pracht seines Herrenhauses war Toussaints bevorzugter Rückzugsort: ein abgeschiedener Wohnsitz, wo er Geheimtreffen abhielt, sowohl mit seinen eigenen Leuten wie mit ausländischen Emissären; ein Zentrum militärischer Planungen, wo Offiziere aus ganz Saint-Domingue Instruktionen empfingen; und eine Basis, von der aus er die Wiederherstellung der Plantagen in der Kolonie betrieb.15 Es war auch die Residenz, in der er kulturelle Soireen und festliche Empfänge gab. Er hatte «ungemessene
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Freude» an musikalischen Darbietungen, insbesondere Militärmusik, und rief oft seine Trompeter und Trommler zu sich, damit sie gleich nach dem Abendessen für ihn aufspielten.16 Toussaint empfing Besucher in seinen grands cercles (geschlossenen Gesellschaften) und petits cercles (öffentlich zugänglichen Empfängen) «höflich, zuvorkommend und würdevoll», seien es Regierungsbeamte, Kolonisten, amerikanische oder dänische Schiffskapitäne, Pflanzer oder Handelsleute. Hier konnten diejenigen, die in Not geraten waren, insbesondere ehemalige weiße Emigranten, ihren Fall vor dem Oberkommandeur vortragen.17 Ein einheimischer Besucher beschrieb ihn Ende der 1790er Jahre als «männlich von Gestalt, über mittelgroß, mit kühnem und eindrucksvollem Gesicht, das jedoch von der gewinnendsten Freundlichkeit sein konnte – schrecklich gegenüber einem Feind, doch unendlich liebenswürdig gegenüber seinen Freunden und Menschen, die er mochte.» Seine Kleidung war bei solchen Gelegenheiten immer die gleiche: «Eine Art blaue Jacke mit einem großen roten Cape, das ihm über die Schultern hing; rote Manschetten mit acht Litzen auf den Ärmeln sowie ein Paar großer goldener Epauletten, die zurückgeklappt waren; eine scharlachrote Weste und lange Hosen in halbhohen Stiefeln; ein runder Hut mit roter Feder und einer Kokarde in den Nationalfarben.»18 Ab 1796 wurde Toussaints Machtstellung gestärkt, als eine Reihe seiner Kandidaten die Positionen von Aufsichtsbeamten, Priestern, Sanitätsoffizieren, Gendarmen und Friedensrichtern einnahmen.19 Unablässig setzte er sich bei den aufeinanderfolgenden französischen Repräsentanten und den Beamten in Paris für seine Protegés ein: Zum Beispiel schrieb er an den Marineminister und bat ihn, dem Sohn des «tugendhaften» Bürgers Granville aus Port-de-Paix eine Zulassung zum Institut National in Paris zu erwirken, wo sein eigener Sohn Isaac und sein Stiefsohn Placide studierten. Granville war eine Person of Color mit bescheidenen Mitteln und Privatlehrer von Toussaints jüngstem Sohn Saint-Jean;20 viele der führenden schwarzen Militärkommandanten schickten ihre Kinder zu ihm.21 Toussaint kümmerte sich auch um die Probleme der Frauen in Saint-Domingue, insbesondere wenn sie mit der Zivil- oder Militärverwaltung in Konflikt gerieten. Im März 1798 kümmerte er sich um Madame Flanet, eine Weiße, die mit ihren vier kleinen Kindern auf der Insel La Tortue lebte. Sie war die Gattin eines ehemaligen Offiziers, der in der republikanischen Armee gedient hatte
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Toussaint schickte seine Söhne Isaac und Placide zur Ausbildung nach Paris. In diesem Brief von 1799 informierte er sie über die baldige Ankunft des Sohnes von Granville, der Privatlehrer ihres jüngsten Bruders Saint-Jean war. Er erinnerte sie an die Tugenden von Religiosität und harter Arbeit, ihr Verhalten sei eine Frage der Familienehre.
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und nach Frankreich zurückgekehrt war; während seiner Abwesenheit hatte einer der örtlichen Militärkommandeure mit Namen Lesuire sich ihres Besitzes bemächtigt. Toussaint befahl Lesuire, das Anwesen zu verlassen, und stellte fest: «Nach dem Gesetz sind Reiche und Arme, der einzelne Bürger und der Staatsdiener gleich und genießen die gleichen Schutzansprüche. So übt ein Anführer, der Unterdrückten seine Hilfe angedeihen lässt, nur dieses Naturrecht aus.»22 Solche individuellen Maßnahmen beförderten Toussaints Ansehen als mitfühlender und großmütiger Anführer, vor allem unter den europäischen Kolonisten. Wie ein französischer Regierungsbeamter bemerkte, wurde der schwarze General weithin für seine «extreme Menschlichkeit gegenüber der weißen Bevölkerung» bewundert.23 Wenn Toussaint eingriff, um solche menschlichen Probleme zu lösen, variierte er seine Vorgehensweise: Bei Madame Flanet pochte er auf die republikanischen Ideale von Gleichheit und Gerechtigkeit. Doch war Toussaints Denken auch stark von der originär kreolischen Moraltradition geprägt, die sich häufig in Form von Gleichnissen äußerte. Als beispielsweise eine Gruppe von Landarbeitern in Grande-Rivière gegen ihre weißen und mixed-race Aufseher wegen deren tyrannischen Verhaltens revoltierte, eilte Toussaint aus Gonaïves mit einem Tross seiner weißen, schwarzen und mixed-race Offiziere herbei. Er trat den wütenden Arbeitern entgegen, die Knüppel, Gewehre und Spieße trugen, und entschärfte die Situation zunächst, indem er auf seine Offiziere zeigte und den Geist brüderlicher Harmonie pries, den sie verkörperten. Dann goss er Wasser in ein Glas Rotwein und hielt das Glas vor der Menge in die Höhe: In allen Städten und Dörfern der Kolonie, erklärte er ihnen, seien die Menschen von Saint-Domingue ein ähnliches Gemisch, sie seien organisch verbunden, ließen sich nicht auseinanderdividieren und seien dazu bestimmt, sich zu lieben. Das Verwenden farbiger Substanzen, um politische Botschaften zu verdeutlichen, war eine makandalistische Gepflogenheit, die auch Toussaint inzwischen beherrschte.24 In solchen Predigten betonte Toussaint oft die Wichtigkeit der sanfteren Tugenden wie Mitgefühl und Nachsicht, die für sein republikanisches Wertesystem und seinen karibischen Mystizismus, aber auch für seinen christlichen Glauben von zentraler Bedeutung waren. Trotz des Antiklerikalismus der Französischen Revolution blieb der katholische Glaube für Toussaint eine wesentliche Inspirationsquelle, sowohl persönlich (er achtete darauf, dass seine Kinder gemäß der katholischen
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Lehre erzogen wurden) als auch für die gesellschaftliche Erneuerung von Saint-Domingue. Auch in diesem Zusammenhang entwickelte er von seinem Landsitz in Gonaïves aus einflussreiche Netzwerke. Er wechselte Briefe mit Abbé Grégoire in Frankreich, in denen er zuweilen über die Kirchenfeindlichkeit der französischen Gesandten in Saint-Domingue klagte.25 Er unterhielt intensive Kontakte zu den Priestern in seinem Kirchensprengel und durch sie zur katholischen Geistlichkeit in der gesamten Kolonie. Jeden Sonntag fuhr Toussaint von Ennery nach Gonaïves, um an der Messe teilzunehmen, begleitet von seinem rangältesten Offizier und eskortiert von einer Abteilung seiner Männer. Manchmal benutzte er eine Kutsche, doch in der Regel ritt er zu Pferde, was ihm die Gelegenheit gab, mit seiner Garde um die Wette zu reiten.26 Mehrere Kaplane dienten in Toussaints Stab, darunter seine beiden Beichtväter Antheaume und Molière, die auch als Berater fungierten. Er betraute sie mit wichtigen Missionen, so mit der Überbringung persönlicher Botschaften an militärische und politische Entscheidungsträger27 – was dazu führte, dass einige seiner geschworenen Feinde in Saint-Domingue (insbesondere Sonthonax) ihm vorwarfen, zu sehr unter dem Einfluss kirchlicher Kreise zu stehen. Aber das war nur ein antiklerikales und rassistisches Klischee, das auf einem Missverständnis von Toussaints Ansichten über die pädagogischen und sozialen Funktionen der Religion beruhte. Er unterhielt ein beträchtliches Netzwerk von kirchlichen Unterstützerinnen, die in der ganzen Kolonie strategische Positionen einnahmen: Die Aufgabe dieser aumonières war es, karitative Hilfen an bedürftige Bürger zu verteilen (vor allem an Notleidende, Frauen mit großen Familien und verwundete Soldaten) sowie Kinder im Katechismus zu unterrichten. Sie entstammten dem gesamten ethnischen Spektrum und waren in Saint-Domingue ebenso bekannt für ihren religiösen Eifer wie für die glühende Verehrung ihres geliebten Oberkommandeurs: Zu ihnen gehörte Madame Balthasar, eine eindrucksvolle schwarze Eminenz aus Cap; Madame Gariadete, eine vornehme Weiße mit erheblichen finanziellen Mitteln aus Terre-Neuve; und Miss Nanete aus Marmelade, eine mulâtresse, die unermüdlich durch ihren Distrikt ritt und Nahrung, Getränke und medizinische Güter zu Bedürftigen transportierte.28 Ein weiteres wichtiges Mitglied in dieser weiblichen Brigade war Madame Marie Fanchette, eine schwarze ehemalige Sklavin und die Ehefrau von Toussaints Schatzmeister Joseph Bunel; dem Gerücht nach
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eine ehemalige Geliebte Toussaints,29 war sie weithin berühmt als «Beschützerin der Armen» in Cap.30 Toussaints Religiosität war eine Mischung aus idealistischer Spiritualität und diesseitigem Eigeninteresse. Wie wir schon bemerkt haben, war er tief in der Kultur und Mythologie des Vodou verwurzelt. Es wurde allgemein angenommen, dass er die hellseherischen Dienste von Voodoo-Priestern in Anspruch nahm. Seine Reden vor ländlichem Publikum konnten bei Bedarf Vodou-Elemente enthalten, und zwar sowohl in ernsten wie humoristischen Bezügen. Er scherzte gern, er habe seine nasale Stimme durch den Zauber eines Houngan bekommen, der ihn daran hindern wollte, durch den Mund zu sprechen.31 Er glaubte aufrichtig an die christlichen Tugenden und verfasste häufig eigene Gebete, die er während des Gottesdiensts vor dem Altar vortrug.32 Er meinte es ernst, wenn er behauptete, seine politischen und militärischen Erfolge verdankten sich der Lenkung des Allmächtigen. Als er zum Oberbefehlshaber der Armee ernannt worden war, erklärte er, er sei ein «Werkzeug der Macht Gottes» und seine Soldaten seien Vollstrecker «Seiner Rache».33 Ebenso führte er in seiner Siegesproklamation nach dem Abzug der Briten aus Saint-Domingue seinen Erfolg auf den «Gott der Krieger» zurück und fügte hinzu: «Der Mensch kann nichts erreichen ohne die Hilfe seines Schöpfers.»34 Er erkannte auch die heilende Kraft der Religion in einer Kolonie, die durch Sklaverei und Krieg verwüstet war, und zog die Bedeutung des Katholizismus als Quelle für Disziplin und soziale Ordnung pragmatisch ins Kalkül. Er intervenierte bei Stadtoberhäuptern, um sicherzustellen, dass Priester ihren Kultus ohne Einschränkungen praktizieren konnten,35 und erklärte regelmäßig seinen Soldaten, ihre erste Pflicht (noch vor dem Dienst an ihrem Heimatland) sei, «Gott zu ehren».36 Er gab Anweisungen an alle Bataillonskommandeure, zweimal am Tag mit ihren Soldaten zu beten und diese am Sonntag uniformiert und «in bestmöglicher Ordnung» zum Gottesdienst zu führen.37 Auf die Frage, warum er seine Offiziere mit zur Kirche nahm, antwortete er, er hoffe, dass die Gebete und Kirchenlieder sie dazu anhielten, «Gott zu lieben und zu verehren – und auch, ihn zu fürchten»; er ergänzte, sicherlich mit einem Augenzwinkern: «Und damit sie vielleicht lernen, die Militärdisziplin besser zu befolgen.»38 Wenn er seinen Soldaten und Offizieren eine Strafpredigt hielt, war dies eines von Toussaints Leitmotiven: «Gründet all eure Handlungen
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auf die wahren Gebote Gottes und der Religion; und so, wie ein Kommandeur den Gehorsam seiner Untergebenen fordert, muss sich jeder Sterbliche der göttlichen Macht beugen.» Er hoffte, dass sein tugendhaftes Militär durch gutes Beispiel die Männer und Frauen von Saint-Domingue ermutigen könnte, sich an die Lehren der Evangelien zu halten und so dem öffentlichen Wohl zu dienen. Wie er seinen Soldaten im Mai 1797 sagte: «Verehrt Gott und seid in der Ausübung eures Glaubens ohne Tadel: Dies wird alle Männer und Frauen der Kolonie, von den Landbesitzern bis zu den Landarbeitern, dazu anregen, gute Bürger zu sein.»39 Neben seinen freimaurerischen, karitativen und religiösen Netzwerken beruhte Toussaints Unterstützung in hohem Maß auf kommunalen Organen, die er als Repräsentanten des «Gemeinwohls» bezeichnete, als Beschützer von Verfassung und Gesetz sowie als Garanten für «Weisheit, Umsicht und öffentliche Ruhe».40 Er nutzte lokale Veranstaltungen und Feierlichkeiten, um direkt zur Bevölkerung zu sprechen und seine Pläne für die soziale und wirtschaftliche Erneuerung von Saint-Domingue darzulegen. Eine dieser Versammlungen fand im Oktober 1798 am Rand der im Nordwesten gelegenen Küstenstadt Môle Saint-Nicolas statt. Die Einwohner waren gerade erst nach dem Waffenstillstand, den Toussaint und Maitland ausgehandelt hatten, von der britischen Herrschaft befreit worden, und er nutzte die Gelegenheit, um einen Freiheitsbaum zu pflanzen. Seine gesamte Einweihungsrede drehte sich um den Baum – ein rhetorischer Schachzug, der ihm erlaubte, seine Ansprache mit Anspielungen auf den Vodou Loa Gran Bwa (Großer Wald) zu würzen, den Schutzgeist des heiligen Waldes. Für Toussaint war das «heilige Bäumchen» von Môle Saint-Nicolas ein Symbol dafür, dass die Männer und Frauen unabhängig von Alter, Beruf oder Hautfarbe den «schönen Titel Bürger» empfingen. Indem er das Französische mit Freiheit gleichsetzte, erinnerte Toussaint seine Zuhörer daran, dass die Befreiung von der britischen Herrschaft ihnen zugleich die Befreiung von «den Ketten der Sklaverei» gebracht hatte. Er zollte seinen Soldaten, von denen viele aus der nahegelegenen Garnison anwesend waren, leidenschaftliche Anerkennung für ihre «Tapferkeit und Unerschrockenheit» in diesem heroischen Kampf. Doch dies war nicht die Zeit für Triumphgesten, und Toussaint erklärte seinen Kämpfern, er erwarte von ihnen, dass sie wie er selbst die Tugenden des Verzichts und der Selbstlosigkeit übten. Auch sollten sie für ihren Erfolg auf
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dem Schlachtfeld keinen materiellen Lohn erwarten, sondern vielmehr die «großherzige Befriedigung», die ehemaligen Sklaven von Môle Saint-Nicolas als freie Männer und Frauen zu sehen, in Sicherheit versammelt um den Baum der Freiheit.41 Zugleich ging es bei der Freiheit, die der Baum symbolisierte, nicht nur um den Genuss von Rechten, sondern auch um die Übernahme von Verantwortung. Wer Teil der alten Ordnung in der Stadt gewesen war – die Milizionäre, die für die Besatzer gekämpft, oder die Pflanzer und Kaufleute, die mit den Briten zusammengearbeitet oder sich sogar am Kauf oder Verkauf von Sklaven beteiligt hatten –, war verpflichtet, für seine begangenen Fehler «echte Buße» zu leisten und von nun an aufrichtig dem rechten Pfad der republikanischen Tugend zu folgen. Dies schloss alle französischen Staatsangehörigen ein, die von den republikanischen Repräsentanten als Emigranten denunziert worden waren und denen Toussaint eine großzügige Amnestie in Aussicht gestellt hatte. Auf die Ideale der «Eintracht» und «Brüderlichkeit» verweisend, lud Toussaint diese neuen französischen Mitbürger ein, unter «dem Fuß dieses heiligen Baums, dem Symbol der Freiheit, für immer unsere alten Zwistigkeiten zu begraben und ein Herz und eine Seele zu sein.» Erneut war für die meisten schwarzen Teilnehmer der Bezug zu Grand Bwa offensichtlich: Wie der loa war der republikanische Baum ein Symbol für Heilung und Schutz. Doch auch für die ehemaligen Sklaven hatte Toussaint eine besondere Botschaft, die er mit großer Wahrscheinlichkeit auf Kreolisch formulierte, um sicherzugehen, dass sie verstanden wurde: «Möge der Anblick dieses Baumes euch daran erinnern, dass es Freiheit nicht ohne Arbeit geben kann.» Er setzte eines seiner Leitmotive hinzu: «Ohne Landwirtschaft gibt es keinen Handel; und ohne Handel gibt es keine Kolonie.»42 Mit ihrer wirkungsvollen Mischung aus kreolischen und republikanischen Elementen zeichnete Toussaint in seiner Rede in Môle SaintNicolas die Grundlinien seiner Vision für die Zukunft von Saint-Domingue und die Rolle, die seiner Ansicht nach die lokalen Gemeinschaften bei deren Verwirklichung spielen sollten. Sie gab das Versprechen inneren Friedens, der Heilung alter Wunden im Namen nationaler Versöhnung sowie gleicher Rechte für alle Einwohner, seien es Männer oder Frauen; weiß, mixed-race oder schwarz; Grundbesitzer, Kaufleute oder Arbeiter; aus dem Norden, Westen oder Süden. Aber sie stellte auch Anforderungen: Toussaint machte klar, dass Rechte mit politischen,
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moralischen und ökonomischen Pflichten einhergingen und er von den Bürgern seiner auf Tugenden gründenden Republik erwarte, diesen nachzukommen. Von Beginn an richtete Toussaint sein besonderes Augenmerk auf die Aktivitäten kommunaler Institutionen. Seine Korrespondenz mit Laveaux ab dem Jahre 1794 enthält regelmäßige Updates über Landesteile, die in republikanische Kontrolle übergegangen waren: 1795 zum Beispiel informierte er den Gouverneur, er habe die Bewohner von Mirebalais dazu aufgefordert, ihre Gemeindevertreter zu wählen.43 Das Funktionieren der Gemeinderäte war ihm ein ständiges Anliegen, und wie einer der bestinformierten Chronisten schrieb, war es seine «Privatkorrespondenz» mit lokalen Entscheidungsträgern, auf der «das Geheimnis von Toussaints Macht» beruhte.44 Wichtige Mitglieder der örtlichen Ratsversammlungen, wie Sanon Desfontaines in Gonaïves, halfen ihm, mit den lokalen Verantwortlichen in Verbindung zu bleiben, und manchmal reisten sie sogar nach Frankreich, um Botschaften des Oberbefehlshabers an seine Pariser Unterstützer zu überbringen.45 Toussaint pflegte engen Kontakt mit den Amtsträgern vor Ort, die ihn detailliert über soziale und politische Vorgänge, Klatsch und Gerüchte auf dem Laufenden hielten. Aufmerksam las er die Protokolle der Stadtratssitzungen, angefangen mit denen von Gonaïves, und regelmäßig bat er die Provinzkommandeure, ihn über den Verlauf von Ratsversammlungen zu unterrichten.46 Auch wenn die Regularien der Stadtverwaltungen in den Verantwortungsbereich des französischen Repräsentanten in Saint-Domingue fielen und nicht in den der Armee, überwachten Toussaints Kommandeure de facto die Vorgänge in den Gemeindeversammlungen, was sich in einem Aufruf spiegelt, der Ende 1798 an die Stadtregierungen erging. Unterzeichnet von Toussaints leitenden Militärs, wurden die örtlichen Gemeindevorsteher darin aufgefordert, sich mit ihrem ganzen Gewicht hinter Toussaint zu stellen, denn schließlich habe er unablässig «für ihre Freiheiten gekämpft».47 Häufig mischte sich Toussaint auch ein, wenn es um bestimmte Themen und Probleme ging, seien es die Leistung einzelner Beamter, die Bestallung von Geistlichen und Dolmetschern, der Wiederaufbau von Städten, die Reinigung von Kanälen und Flüssen, Anlegestellen für Schiffe, genaue Vorgaben für die Neugestaltung von Kaianlagen oder die Planung von Straßen und die Ausgabe von Pässen an Einheimische.
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In politisch unruhigen Zeiten wandte sich Toussaint direkt an kommunale Beamte: Während des Putschversuchs gegen Laveaux 1796 ermahnte er beispielsweise die Mitglieder der Ratsversammlung von Cap, die Einwohner vor einer Unterstützung der «Kabale» zu warnen, deren Ziel die Unterminierung der Republik sei.48 Als er erfuhr, dass der Magistrat von Verrettes «niederträchtige» Informationen streute, prangerte er ihn öffentlich an.49 Wenige Jahre später versammelte er achtzig Stadtverordnete aus Cap und den Nachbargemeinden bei sich zuhause und warf ihnen vor, seine Erlasse nicht mit dem nötigen Eifer umzusetzen;50 auch befasste er sich mit Bitten örtlicher Gemeindevertretungen, sie von bestimmten administrativen Vorschriften auszunehmen.51 Seine Interventionen gewähren Einblicke in seine wesentlichen sozialen und ökonomischen Ziele: seine Verordnung vom Dezember 1794, adressiert an die Kommune Gros-Morne, forderte unmissverständlich, die dortige Landwirtschaft dürfe nicht von «selbstsüchtigen Interessen» beherrscht werden, und er forderte den Militärkommandeur der Provinz auf, «alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeiter auf den Plantagen zu halten, damit sie sich nach Kräften mühen können, die Kolonie zum Wohlstand zurückzuführen».52 Dies war genau das Ziel, das er in großem Maßstab in den späteren 1790er Jahren zu verwirklichen trachtete. Die Kommunalverwaltung von Saint-Domingue war pyramidal aufgebaut. Die verantwortlichen Beamten wurden von jeder Kommune in einer Bürgerversammlung ernannt. Diese Räte entstammten den besitzenden Klassen, und Toussaint arbeitete ständig im Hintergrund, um dafür zu sorgen, dass die Gewählten aufseiten der postrevolutionären Ordnung standen; Bürgermeister wichtiger Orte im Norden und Westen der Kolonie, wie Bernard Borgella in Port-Républicain, waren in der Regel enge Verbündete. Toussaint erkannte, dass es entscheidend war, kompetente und sozial gesinnte Männer aus den Kommunen selbst zu rekrutieren. Dies war in Anbetracht der turbulenten Geschichte von Saint-Domingue seit 1791 und vor allem der politischen und ethnischen Konflikte seit den frühen Revolutionsjahren keineswegs einfach. Er fasste zusammen, wie er sich die moralischen Eigenschaften dieser Beamten vorstellte: «Kluge, ehrliche und fortschrittlich gesinnte Männer, deren erste Leidenschaft der Republik, der Menschlichkeit und der Freiheit gilt; Bürger ohne Vorurteile, vorbildlich sowohl durch ihre Vernunft wie durch ihren Tugendsinn; aufge-
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Diese Proklamation aus dem Jahre 1798, unterzeichnet von Toussaints führenden Militärs, war an die Stadtverwaltungen gerichtet. Darin werden die Beamten aufgefordert, sich hinter Toussaint zu stellen, der immer «für ihre Freiheit» gekämpft habe.
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Toussaint bildete sich keineswegs ein, die «kleinlichen Leidenschaften» ließen sich ganz aus dem städtischen Leben eliminieren, und auch seine Erwartungen an die Leistungen, die Beamte mit ihren eigenen Möglichkeiten erreichen konnten, waren durch Realismus gedämpft. Eine große Sorge war beispielsweise die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in abgelegeneren Städten und Dörfern, vor allem angesichts einer alarmierenden Zunahme der Kleinkriminalität auf den Plantagen Ende der 1790er Jahre. Toussaint versuchte des Problems durch Gendarmerien Herr zu werden, die Sonthonax 1796 ins Leben gerufen hatte: Sie waren den Kommunen angegliedert und wurden durch kommunale Steuern finanziert.54 Glücklicherweise war einer der Offiziere des neuen Korps Ferret, den er kennenlernte, jener junge Mann, mit dem er im Jahr 1754 unter einem Orangenbaum auf der Linasse-Plantage gekämpft hatte und der nun einer der führenden Kommandeure in der Gendarmerie geworden war. Die beiden Männer umarmten sich herzlich und scherzten über ihre Jugendabenteuer.55 Als Kommandeur der Cap-Gendarmerie kam Ferret 1797 nach Gonaïves, um Pferde für seine Einheit zu kaufen, und ließ sich von Toussaint beraten.56 Zwar waren Ferret und seine Kollegen bei der Verbrechensbekämpfung zweifellos eine Hilfe, aber es gab nicht genug Gendarmen, und diese kannten sich in den Gegenden, wo sie postiert waren, oft nicht hinreichend aus, um die Sicherheit zu gewährleisten. Eine von Toussaints Verlautbarungen zeigt sowohl seine genaue Kenntnis der örtlichen Topographie als auch die kreative Art und Weise, wie er die andauernde Kriminalität in den Griff zu bekommen suchte. Nach einer Diebstahlwelle in der Gegend von Petite-Rivière, Saint-Michel, Saint-Raphaël, Hinche und Bánica stellte er fest, dass die Diebe ihre Beute gewöhnlich auf einer bestimmten Straße bei Petite-Rivière abtransportierten. Er ordnete an, dass alle Einwohner, die dort unterwegs waren, über gültige Passierscheine verfügen mussten, und die Bauern hatten dafür zu sorgen, dass diese Reisedokumente von der nächsten regionalen Militärbehörde kontrolliert wurden. Toussaint, der sich immer pedantisch um alle Ein-
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zelheiten kümmerte, betraute die Besitzer und Verwalter einer bestimmten Plantage (der «habitation Marion») mit der Durchführung dieser Maßnahme der öffentlichen Sicherheit; er legte zudem fest, dass die Passierscheine der Reisenden «die genaue Beschreibung aller mitgeführten Tiere» enthalten müssten.57 Toussaint versuchte unter den Bewohnern ein Gefühl für Gemeinsinn zu fördern, indem er Grundschulen installierte, eines der wichtigsten Vorhaben seines republikanischen Programms zur sozialen Erneuerung von Saint-Domingue. Er versuchte sicherzustellen, dass jeder Ort über einen Schulmeister verfügte, der den Kindern Lesen und Schreiben beibringen konnte.58 Er etablierte ein Netzwerk pädagogischer Institutionen, darunter ein Ausbildungszentrum für Lehrer in Cap, dank dessen Tausende von jungen schwarzen Menschen zwischen acht und fünfzehn Jahren eine staatliche Schule besuchen konnten.59 Ein Bericht für die französische Regierung von 1799 über die Ausweitung der Bildung auf schwarze Plantagenarbeiter war ein weiteres Indiz dafür, wie diese Wertvorstellungen vor Ort aufgenommen und umgesetzt wurden. Es stellte sich heraus, dass die Arbeiter seit der Revolution drei Viertel einer gourde, der haitianischen Währung, von ihrem Lohn ausgaben, damit ihre Kinder die Schule besuchen konnten, was diese bereitwillig taten, selbst wenn sie manchmal mehrere Meilen bis zur nächstgelegenen Schule zurücklegen mussten. Dieser Glaube an den absoluten Wert des Lernens zeigt, wie stark sich die sozialen Verhaltensweisen der ehemaligen Sklaven verändert hatten und in welchem Maß Toussaints Ideal des tugendhaften Bürgersinns angenommen wurde.59 Die Gemeinden erhielten von Toussaint auch eine Reihe von Ermahnungen über moralisches Verhalten, wozu er Solidarität mit den Soldaten seiner revolutionären Armee zählte. Wenn fähige Führungsoffiziere befördert wurden, machte er die Gemeinden darauf aufmerksam, so zum Beispiel, als Oberst Jacques Maurepas zum Brigadegeneral ernannt wurde: Toussaint schickte seinen Assistenten Augustin d’Hébécourt nach Môle Saint-Nicolas, wo der Offizier stationiert war, um die Eideszeremonie vorzubereiten. Sie fand vor einer begeisterten Menschenmenge statt, die hörte, wie Maurepas von Toussaint für seinen «Diensteifer, Patriotismus und seine militärische Begabung» sowie für sein außerordentliches Engagement für «Ordnung, Disziplin und Gehorsam» gelobt wurde.60 Die fortwährenden Militäreinsätze forderten viele Opfer in Toussaints republikanischer Armee, und immer wieder appellierte er
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an die Dörfer und Gemeinden, verwundeten Soldaten zu helfen – insbesondere alte Kleidungsstücke zu spenden, die sich in Hospitälern als Verbandmaterial verwenden ließen.61 Ob es sich um notorische Nichtstuer handelte, um träge Stadträte, unpatriotische Bürger oder schlicht Tiere, die auf der Straße nach Petite-Rivière ohne ordnungsgemäße Papiere unterwegs waren, es gab keinen Ort in Toussaints tugendhafter Republik, wo sie sich hätten verstecken können. Es lohnt sich, uns an dieser Stelle einen Moment mit der Aufnahme von Toussaints Ideen zur Erneuerung von Saint-Domingue in der städtischen Beamtenschaft zu befassen. Wir sind dazu in der Lage, weil ein umfassendes Corpus von Beschlüssen auf uns gekommen ist, die von der Verwaltung von Môle Saint-Nicolas gefasst wurden. Datierend von 1798 bis Anfang 1802, den letzten Jahren von Toussaints Regierungszeit, gewähren diese Dokumente einen Einblick in die Art und Weise, wie er selbst wahrgenommen und wie seine soziale und politische Philosophie von diesen Beamten ausgelegt wurde – und außerdem wie seine Anordnungen in die Praxis umgesetzt wurden. Gelegen an einer schönen Bucht und mit einem angenehmen Klima gesegnet, war Môle Saint-Nicolas ein Modell für die neue Art von Gesellschaft, die Toussaint in Saint-Domingue zu errichten hoffte. Die Stadt illustriert auch die enormen Probleme, die sich ihm stellten. Môle verfügte kaum über natürliche Ressourcen. Viele Einwohner waren während des Kampfs gegen die Briten aus der Stadt geflohen, Wirtschaft und Infrastruktur hatten stark gelitten. So sehr, dass die Stadtverordneten von Môle, als Toussaint alle Kommunen aufforderte, ihre Gendarmerie aus dem eigenen Steuersäckel zu bezahlen, in einer außerordentlichen Sitzung um Freistellung baten, mit dem Argument, eine solche Forderung stelle eine zu große Belastung für die städtischen Finanzen dar, die in einem erbarmungswürdigen Zustand seien.62 Toussaint musste sich zugleich das Vertrauen der örtlichen Grundbesitzer erhalten und sie daran hindern, die Kolonie zu verlassen; ihren Zukunftssorgen begegnete er mit einer Proklamation, in der er garantierte, dass sie alle unter seine Amnestie fielen, und ihnen den «umfassenden Schutz der Republik» sowohl für sie selbst wie für ihre Besitzungen versprach.63 Die Beamten von Môle wurden persönlich vor ihrer Einstellung von Toussaint auf Herz und Nieren geprüft: Sie waren die eigentlichen loka-
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len Schaltstellen seiner Macht. Dank der akribischen Aufzeichnungen von Môles Stadtschreiber Rochefort – einem glühenden Republikaner – verfügen wir über Details nicht nur der genauen Zusammensetzung des Stadtrats während dieser Zeit, sondern auch über weitere Teile der Einwohnerschaft, aus der die Abgeordneten stammten. Diese größere Gruppe wird in einem Bericht mit dem Titel «Liste der Personen, die sich am besten für die Regelung der Angelegenheiten der Kommune von Môle eignen» beschrieben, die Rochefort im November 1800 in Erwiderung einer Anfrage des kontrollsüchtigen Toussaint verfasste. Die Liste mit achtzehn Namen enthält Einzelheiten über die Berufe dieser Notabeln sowie eine Beurteilung ihrer moralischen und politischen Qualitäten. Viele waren Männer mit bedeutendem Vermögen wie Kaufleute und Grund- und Gutsbesitzer. Darunter waren auch zwei Silberschmiede, ein Bauunternehmer und ein Arzt. Die übergroße Mehrheit (fünfzehn) war weiß. Viele waren typische grands blancs, die in ganz Saint-Domingue ihre Loyalität gegenüber Toussaint erklärt hatten: Dazu zählten der Regierungskommissar Pierre Ramadou, der oberste Friedensrichter Pierre Prevost sowie der Ratspräsident Joseph Jujardy, ein wohlhabender Pflanzer, der ehedem unter den Briten gedient hatte.64 Neben diesen Säulen des Gemeinwesens gab es eine Reihe von petits blancs wie Bourgeau fils, Jacques Roumillat und Guillaume Kanapaux, die vom Stadtschreiber beschrieben wurden als «Männer mit schlichter Lebensführung, deren begrenzte Intelligenz durch ihren Pflichteifer wettgemacht wird» (der junge Bourgeau taucht an anderer Stelle in den Môle-Archiven als Hauptmann der Nationalgarde auf; er war offenbar ein Mann, der sich gern körperlich betätigte). In die gleiche Kategorie fielen Pierre Noël, ein Verwaltungsangestellter, der sich «für jede gute Sache» einsetzte, und Barthélémi Boissieu, ein Hausbesitzer, der sich «glaubhaft benahm» (keine sonderliche Empfehlung: Boissieu hatte sich wahrscheinlich in seinen Geschäften mit den Engländern kompromittiert). Die beiden mixed-race Stadträte, Nicolas Dumai und Charles List, wurden als die einzigen beiden schriftkundigen Persons of Color aufgeführt. Das Gleiche galt für den einzigen schwarzen Stadtrat, «Bürger Toiny», «der einzige schwarze Mann in Môle, der seinen Namen schreiben» konnte – und in der Tat war seine Unterschrift, die sich am Ende jeder städtischen Verfügung findet, überaus schwungvoll.65 Die Anwesenheit dieser drei Männer in einem von Weißen dominierten
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Toussaints Leidenschaft für Stadtbau und Rekonstruktion zeigt unterbreitet gemäß den «Verfügungen und Weisu
Stadtrat zeigt, dass Toussaint befähigte Menschen aller Hautfarben für den öffentlichen Dienst gewinnen wollte – doch in gemessenem Tempo, gemäß seinem Motto «doucement allé loin». Unter dem aufmerksamen Auge von Toussaints Militärkommandeur Clervaux taten die Stadträte von Môle ihr Bestes, um Toussaints Pläne für eine Erneuerung des zivilen Lebens umzusetzen. Beispiels-
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t sich in diesem ambitionierten Plan für die Küstenstadt Aquin, ungen» des Oberbefehlshabers im Oktober 1800.
weise beriefen sie eigens eine Versammlung, um seine Verlautbarung zur Wiederversöhnung zerrütteter Ehen zu befürworten, wobei sie versicherten, es sei ihre «absolute Pflicht», dem Edikt die größtmögliche Öffentlichkeit zu verschaffen.66 Aber sie gaben Toussaint auch wertvolle politische Schützenhilfe, wie zum Beispiel im August 1800, als sie zu einer weiteren außerordentlichen Versammlung zusammentraten, um an
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Diese Karte von Môle Saint-Nicolas aus dem frühe in den letzten Jahren von Toussaints Herrschaf
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n 19. Jahrhundert zeigt den Wiederaufbau der Stadt ft sowie die militärischen Befestigungsanlagen.
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den französischen Marineminister eine Erklärung zu schicken, in der sie den Heldenmut ihres Revolutionsführers priesen. Der Zweck dieses von Rochefort verfassten Sendschreibens war, Toussaint gegen «Verleumdungen» in Schutz zu nehmen, die von seinen Feinden in Paris verbreitet wurden. Es besteht kein Zweifel, dass Toussaint sie bestärkte, den Brief abzusenden, weil darin das Ausmaß seiner Unterstützung auf der lokalen Ebene zum Ausdruck kam. Der Brief beschrieb ihn zunächst als von der Vorsehung gesandte Gestalt, «die vom Himmel geschickt zu sein scheint, um ihre Mitmenschen anzuführen». Es folgt eine Aufzählung von Toussaints außergewöhnlichen Tugenden als Anführer, bevor die französische Regierung ersucht wird, ihm die «Regierung der Kolonie» anzuvertrauen. Bezeichnenderweise war eine der besonders betonten Eigenschaften die «Tiefe seiner Kenntnis lokaler Gegebenheiten», die notwendig sei, «um ein neues Volk zu führen, dessen Gepflogenheiten sich von den Sitten und Traditionen Europas ebenso unterscheiden wie das Klima und die sengende Sonne».67 Diese durchaus autonomistische Gefühlslage nutzte Toussaint später, um seine Verfassung von 1801 zu rechtfertigen. Die Beamtenschaft von Môle unterstützte Toussaints bürgerliches Projekt auch, indem sie seine Rhetorik republikanischer Tugenden übernahm, wie sich in dem alljährlichen öffentlichen Gedenken an die Abschaffung der Sklaverei in Saint-Domingue erkennen lässt. Dieser Gedenktag wurde «Fest der allgemeinen Freiheit» genannt und am 16. Pluviôse (4. /5. Februar) begangen, um an die Annahme des Dekrets zur Abschaffung der Sklaverei durch die Verfassunggebende Versammlung 1794 in Paris zu erinnern. Das Fest wurde vom Magistrat von Môle in einer Verlautbarung angekündigt, welche das Datum als «den ersten Tag der Befreiung der französischen Karibik» begrüßte. Die Festlichkeiten begannen bereits um sieben Uhr morgens mit einem Aufmarsch der Nationalgarde auf dem Hauptplatz der Stadt; dem folgte eine Prozession örtlicher Würdenträger zu einem eigens für diesen Anlass entworfenen «vaterländischen Altar», auf den der Artikel 18 aus der Menschenrechtserklärung von 1793 geschrieben stand: «Jeder Mensch kann über seine Dienste und seine Zeit verfügen; aber er kann sich nicht verkaufen noch verkauft werden; seine Person ist kein veräußerliches Eigentum.» Die Einwohner von Môle waren herzlich eingeladen, an der Zeremonie teilzunehmen und in die Atmosphäre «religiöser Rückbesinnung» einzutauchen. Um die Feierlichkeit noch zu erhöhen, verfügte die Stadt-
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verwaltung, dass alle Geschäfte, Unternehmen und Fabriken geschlossen bleiben mussten.68 Der Höhepunkt des Festes war die Rede des Stadtschreibers Rochefort; das Môle-Archiv verwahrt seine Reden von drei aufeinanderfolgenden Jahren (1799, 1800 und 1801). Es waren schon an und für sich bemerkenswerte Beispiele republikanischer Redekunst, aber sie geben auch Einblick in die Art und Weise, wie Toussaint lokale Beamte in ihrer Bemühung inspirierte, sich von der grausamen Spaltung der nahen Vergangenheit abzukehren und den revolutionären Wandel mit gesellschaftlicher Ordnung in Einklang zu bringen. Rocheforts Herausforderung bestand darin, die Abschaffung der Sklaverei als lebendiges revolutionäres Prinzip darzustellen, das allerdings keineswegs die französischen Interessen untergrub, geschweige denn den sozialen und politischen Status quo des Kolonialsystems. Deshalb verband er eine progressive Würdigung mit einer idealistischen Vergegenwärtigung des Ereignisses und eröffnete eine Zukunftsvision für Saint-Domingue unter der aufgeklärten Führung ihres Oberkommandierenden. Angeregt durch Toussaints Rede von 1798 am Stadtrand von Môle, begann Rochefort damit, die Abschaffung der Sklaverei mit «dem symbolischen Baum der Freiheit» gleichzusetzen, dessen Äste «sich jetzt fruchtbar über unsere Kolonie ausbreiten». Das Ende der Sklaverei habe das «Wiedererstehen eines Volks» durch den Triumph der Prinzipien Gleichheit und Brüderlichkeit gekennzeichnet sowie die Schaffung eines vereinten Bürgertums in Saint-Domingue durch die «Zerstörung der Vorurteile». Nachdem er ihre Universalität gepriesen hatte, fuhr er fort, die Abschaffung der Sklaverei zu enthistorisieren und jeden radikalpolitischen Beiklang, den sie vielleicht einmal gehabt hatte, abzuschwächen. Er stellte den 16. Pluviôse nicht als Prozess dar, sondern als ein singuläres Ereignis; nicht als eine Folge von Aktionen der Männer und Frauen, sondern als Rückkehr zu einem «natürlichen» Zustand menschlicher Vollkommenheit; und nicht als Ergebnis eines revolutionären Kampfs, zu dem die Sklaven selbst beigetragen hatten – der Aufstand von 1791 in Saint-Domingue, der eine entscheidende Rolle in der Abschaffung der Sklaverei gespielt hatte, war aus diesem Narrativ komplett verschwunden. Stattdessen habe der Akt der Abschaffung den Sieg der Aufklärungsphilosophie besiegelt, «die beredte und beherzte Stimme der Vernunft». Dies, das entscheidende Charakteristikum des französischen Geistes, sei der eigentliche Grund, warum der 16. Pluviôse das Geden-
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ken verdient habe: Er lege Zeugnis ab für Frankreichs universelle Akklamation durch die Völker der Welt. Von dieser Woge des Patriotismus fortgerissen, kannte Rochefort keine geographischen Grenzen mehr für die gerühmte Grande Nation: «Selbst die Nomadenvölker Arabiens sprechen in ihren Wüsten bewundernd von unseren Errungenschaften.» Die revolutionären Prinzipien von Freiheit und Gleichheit seien die notwendige Grundlage für eine friedliche Gesellschaftsordnung. Rochefort wandte sich direkt an die ehemaligen Sklaven, seine «Brüder und Mitbürger», und fand einen raffinierten Weg, revolutionären Umsturz und politische Stabilität miteinander zu versöhnen. Er beschrieb das Ende der Sklaverei als erste Stufe in einem größeren Prozess der sozialen Umgestaltung: «Die vollständige Erneuerung hat nicht nur die Zerstörung des Sklaventums zur Aufgabe», stellte er fest, «sondern sie bedarf auch der notwendigen Ausübung aller Tugenden.» Seit dem Glanz der antiken Stadtstaaten in Griechenland und Rom bis in die neueste Zeit sei der republikanische Geist gediehen durch die «heilige Herrschaft der Tugenden». Deren wichtigste sei eine richtige Auffassung der Freiheit, der keine «gefährlichen Erweiterungen» gestattet werden dürften, da diese nur zu einer «wilden Raserei ihres Missbrauchs» führen würden. Freiheit sei eine «heilige Verpflichtung», und sie existiere nur «in der «Anerkennung der Gesetze und der Unterordnung unter die rechtmäßige Obrigkeit, die dafür Sorge zu tragen hat, dass diese Normen respektiert werden.» Das perfekte Symbol für die Verbindung revolutionärer Prinzipien mit einer gesetzmäßigen Ordnung war Toussaint Louverture. Rochefort erwähnte in seiner Rede von 1799 den Oberkommandeur mit keinem Wort,69 aber in seinen nächsten beiden machte er die Unterlassung mehr als wett. Er pries ihn als «Nachfolger von Spartakus», dessen beispielhafte Tugenden die des archetypischen republikanischen Helden seien: Er verfüge über «unermüdlichen Tatendrang, der stets auf die Erhaltung des sozialen Friedens abzielt», «angeborene Liebe einer empfindsamen Seele für alle Menschen», sowie «eine männliche Entschlossenheit, die sich durch kein Hindernis abschrecken lässt». Doch zugleich war Toussaint die Verkörperung des gerechten Gesetzgebers, der dem Kolonialsystem «neue moralische Kraft» gab und «unseren Gesetzen ein stabiles und kraftvolles Leben» einhauchte – weshalb jeder republikanische Mitbürger die absolute Pflicht habe, sie zu befolgen. Rochefort schloss den Kreis, indem er den revolutionären Sklaven zum Beschützer der Stabili-
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tät und des Wohlstands der Kolonie erklärte und, in einer gewagten rhetorischen Wendung, zum «geschätzten Wohltäter unserer kolonialen Siedler».70 Die Amtsträger in Môle unterstützten diese staatsbürgerliche Botschaft mit praktischen Empfehlungen, die ein allgemeines soziales Verantwortungsgefühl fördern sollten. Toussaints Vorstellungen vom Gemeinwohl spielten auch hier eine wichtige Rolle. Zum Beispiel meinte Rollin, der Kommandeur der städtischen Nationalgarde, dass die Amtsträger in ihrer Eigenschaft als «Repräsentanten des Oberkommandeurs vor Ort» die Pflicht hätten, in der Bevölkerung das Verständnis dafür zu wecken, was es heiße, «ein gutes Leben zu führen». Dabei ging es nicht nur um «passive» Gesetzestreue, sondern um eine leidenschaftliche Verwirklichung privater Tugenden: «Denn niemand kann ein guter Bürger sein», sagte er, wenn er nicht, wie Toussaint, zugleich «ein guter Ehemann, ein guter Vater und ein guter Freund» sei.71 Ein ebenso deutliches Bekenntnis galt der Bildung. Kurz nachdem die Stadt unter französische Herrschaft gekommen war, wurde dort ihre erste Grundschule gegründet, «ohne Unterschied offen für die Kinder aller Einwohner»; ein Viertel des Zulaufs kam aus ärmeren Familien. Die städtische Ausschreibung für die Anwerbung des Lehrers klingt exakt wie Toussaints republikanische Vision vom Ziel des Grundschulunterrichts: «Kinder vor den Gefahren der Unwissenheit zu bewahren und sie für ein glückliches Leben und ihren Beitrag zum Allgemeinwohl vorzubereiten». Zu den weiteren Aufgaben des Lehrers in Môle gehörte es, alle zwei Jahre einen Bericht über den Fortschritt seiner Schüler zu verfassen und dabei «diejenigen hervorzuheben, die sich durch ihr Verhalten und ihren Fleiß vor den anderen ausgezeichnet haben». Toussaint nutzte solche Berichte, die ihn aus ganz Saint-Domingue erreichten, um besonders gute Schüler zu belohnen, von denen die besten zum weiteren Studium nach Frankreich geschickt wurden.72 Die Stadtoberen von Môle folgten Toussaint auch darin, dass sie die Einwohner der Stadt anhielten, sich an sozial verantwortungsvollen, praktischen Aufgaben zu beteiligen. Die Stadtverwaltung legte großen Wert auf öffentliche Hygiene und forderte die Einwohner auf, den Müll, der sich um ihre Häuser ansammelte, zu beseitigen und in der Schlucht außerhalb der Stadt zu entsorgen;73 ebenso wichtig war für sie, dass die Kamine regelmäßig gereinigt wurden, um Brandrisiken zu vermeiden,
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die für ganze Stadtviertel katastrophale Folgen haben konnten.74 Sie suchten regelmäßig Freiwillige zur Säuberung des Kanals in den Außenbezirken der Stadt, um die Abfälle zu beseitigen, die den Kanal verstopften und das Wasser verpesteten. Eine Reihe corvées générales (unentgeltliche öffentliche Arbeiten) wurden dekretiert, wobei die Bürger, mit eigenen Hacken und Spaten bewaffnet, unter der Aufsicht eines Zivilingenieurs der Stadt die Arbeiten ausführen mussten – nichts für Zartbesaitete, zumal die Freiwilligen sich bereits um sechs Uhr in der Frühe einfinden mussten.75 Die Änderung in der Tonlage solcher Verlautbarungen legt den Schluss nahe, dass es mit Aufrufen allein nicht getan war. Einer der späteren Erlasse warnte: «Jede Person, die sich nicht an der corvée beteiligt, wird mit einem Strafgeld im Wert von drei Tagen Arbeit belegt.»76 Die Pflicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Hygiene war nicht auf die Bevölkerung von Môle beschränkt. Im Jahre 1800 wies Toussaint die Einwohner von Cap – jeden Alters und jeder Hautfarbe – an, sich an der Reinigung einer Schlucht am Rand der Stadt zu beteiligen; wer von den Männern nicht mithalf, wurde zwangsweise für ein Jahr in die Armee eingezogen. Es bestand allerdings die Möglichkeit, sich freizukaufen.77 Die Verwaltung ging auch gegen skrupellose Händler vor. Preise für Grundnahrungsmittel wie Brot, Fleisch und Obst wurden von der Stadtverwaltung festgesetzt, und in einer Reihe von Dekreten wurden die Händler gewarnt, ihre Ware würde konfisziert, wenn sie dagegen verstießen. Es wurde sogar spezifiziert, dass beschlagnahmte Eier dem Militärhospital zugute kämen, Bananen und Feigen hingegen der Gendarmerie.78 Letztere genoss offenbar ein besonderes Privileg, denn ein weiteres Dekret ermahnte die Einwohner, ihre Schweine in Gehegen zu halten; sollten ihre Tiere umherstreunen, würden nur ihre Körper den Besitzern zurückgegeben, die abgehackten Köpfe hingegen gingen an die Gendarmerie.79 Vor allem aber wollten die Städte Toussaints Temperenzler-Bemühungen unterstützen und ergriffen Maßnahmen, um die Neigung der Einwohner zu ausgelassenen Zechgelagen zu bremsen, die nicht selten zur Störung der öffentlichen Ordnung führten. Das «rücksichtslose Vergnügen», gleich vor den Stadtmauern von Môle zu jagen, war verboten, weil die Bewohner von den Schüssen aufgeschreckt wurden – woran sich ermessen lässt, wie stark die Zivilbevölkerung in Saint-Domingue immer noch vom Krieg traumatisiert war.80 Wirtshäuser durften keine
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Glücksspiele, insbesondere Roulette und Craps, in ihren Räumlichkeiten zulassen.81 Ein Dekret besagte, dass Bälle spätestens «zwei Stunden nach Sonnenuntergang» enden mussten, und ungenehmigte Versammlungen wurden, offenbar um der Vodou-Rituale Herr zu werden, verboten, ebenso das «Tanzen vor Sonnenaufgang». Dieser Beschluss wurde über ein Jahr vor Toussaints allgemeinem Vodou-Verbot gefasst – ein weiteres Beispiel dafür, dass seine politischen Entscheidungen häufig auf lokaler Ebene getestet wurden, bevor sie für die ganze Kolonie Geltung bekamen.82 Ebenso wie Toussaint selbst mussten die Beamten in Môle erkennen, dass es nicht genügte, an die edle Gesinnung der Mitbürger zu appellieren, und so machten sie vermehrt von Ordnungsmaßnahmen Gebrauch. Alle Bewegungen der Menschen wurden streng kontrolliert: Die Einwohner mussten ihre Ortsverwaltungen über jeden Besucher von außerhalb, der als «Nichtansässiger» definiert wurde, unterrichten;83 um das Problem der Landstreicherei in den Griff zu bekommen, mussten alle Männer und Frauen, die als Hausangestellte arbeiteten, registriert werden und eine Karte mit dem Namen und der Anschrift ihres Brotherrn bei sich tragen;84 und um der weitverbreiteten Praxis von Offizieren ein Ende zu setzen, in der Stadt zu logieren statt in der Kaserne (was als schädlich für die Sitte und Disziplin angesehen wurde), war es den Einwohnern von Môle verboten, Privaträume an Militärs zu vermieten – eine Verfügung, die erahnen lässt, dass die eiserne Disziplin, die Tousssaints Armee zugeschrieben wurde, abseits des Schlachtfelds mitunter nachließ.85 Obgleich er gelegentlich seine Unzufriedenheit mit den Verwaltungsbeamten und der Lokalbevölkerung zum Ausdruck brachte, wusste Toussaint nur zu gut, dass sein größeres Ziel eines gesellschaftlichen Neuaufbruchs Geduld und Nachsicht erforderte. Auf die Frage von französischen Behördenvertretern, ob er den Staatsanwalt Fouqueau als Bürgermeister von Saint-Marc empfehlen würde, antwortete er: «Ich habe ihn nie für sonderlich republikanisch gehalten, aber daran, dass er ein absolut ehrenwerter Mann ist, hatte ich nie einen Zweifel.»86 Fouqueau diente daraufhin im Berufungsgericht von Saint-Marc und erhielt später eine führende Stelle im Rechtswesen von Saint-Domingue. Toussaints Politik war auf nationale Versöhnung ausgerichtet: Integrität und Kompetenz waren wichtiger als Ideologie oder Hautfarbe. Leicht abge-
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wandelt formulierte er dies in einem Brief an Chistophe über Kommunalversammlungen; entscheidend sei, dass die gewählten Mitglieder «wahre Freunde der Freiheit» sein sollten: Männer, die anerkannten, welche revolutionäre Veränderung es in Saint-Domingue seit 1791 gegeben hatte, und diese nicht nur akzeptierten, sondern sie auch in ihrem öffentlichen und privaten Leben mitrepräsentierten.87 Seine Förderung schwarzer Kommunalbeamter hielt sich weiterhin in Grenzen. Zwar wählten Stadträte einige Mitglieder mit afrikanischer Herkunft in ihr Gremium, und ein paar schwarze Bürgermeister erlangten im spätrevolutionären Saint-Domingue Bekanntheit, so vor allem Charles-César Télémaque in Cap, doch Toussaint strengte sich nicht sonderlich an, so etwas wie «Black Power» in den Verwaltungseliten zu etablieren: Das Beispiel von Môle Saint-Nicolas mit einem einzigen schwarzen Stadtrat bewies das deutlich. Toussaint wollte Führungspersonen afrikanischer Herkunft einen «natürlichen» Aufstieg gewähren, gleichzeitig aber die staatsbürgerliche Gleichheit voranbringen sowie sicherstellen, dass noch bestehende rassistische Denkweisen nicht mehr kritiklos hingenommen wurden. Seine bevorzugte Vorgehensweise war hier wie in so vielen anderen Bereichen: Überzeugungsarbeit leisten und mit gutem Beispiel vorangehen. Als er erfuhr, dass sich einige Kolonisten in Port-Républicain immer noch verächtlich gegenüber schwarzen und mixed-race Bürgern verhielten, organisierte er eine musikalische Soirée, bei der einer seiner mixed-race Adjutanten, Hauptmann Coupé, neben Generaladjutant Médard musizierte, einem schwarzen Offizier, der zugleich ein virtuoser Harfenist war. Komplett finanziert von Toussaint, war der Abend ein großer Erfolg, und die Gäste, unter denen sich die Verwaltungsbeamten der Stadt und deren Frauen befanden, kehrten in beglückter Stimmung nach Hause zurück.88 Natürlich gab es bei dieser Herangehensweise auch Nachteile, vor allem der disproportionale Einfluss, der dadurch traditionell gesinnten weißen Pflanzern und Kaufleuten blieb, sowie die begrenzte Berücksichtigung der Interessen schwarzer Bürger. Dies sollte in den späteren Regierungsjahren von Toussaint zu einem sehr ernsthaften Problem werden. Doch zunächst und in Anbetracht der begrenzten Mittel, die ihm zur Verfügung standen, war seine Kommunalpolitik fraglos ein Erfolg. Wie bei dem Gedenktag zur Abschaffung der Sklaverei in Môle Saint-Nicolas machte diese Politik deutlich, dass die Revolution SaintDomingue grundlegend verändert hatte und dass diese Veränderung
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irreversibel war. Sie brachte eine Reihe kompetenter Männer in öffentliche Ämter, die ganz und gar dem Gemeinwohl verpflichtet waren und das moralische und materielle Wohlergehen ihrer Gemeinden voranbringen wollten; zu ihren bemerkenswerten Erfolgen zählte die Verbesserung der Hygiene, der effektive Kampf gegen Kleinkriminalität sowie der Schutz der Lokalbevölkerung vor Wucherpreisen. Am wichtigsten war vielleicht, dass Toussaints kommunale Institutionen den kriegsverheerten und zutiefst gespaltenen Gemeinden zum ersten Mal die Vorstellung einer friedlichen Gesellschaftsordnung vermittelten. Die Bevölkerung von Môle Saint-Nicolas wurde Mitte des Jahres 1799 mit aller Härte daran erinnert, als ein von regierungskritischen Truppen angezettelter Garnisonsaufstand die Stadt kurzzeitig unter feindliche Kontrolle brachte. Bürgermeister Jujardy wies danach die Wählerschaft darauf hin, was sie seit dem Rückzug der Briten erreicht hatten, und forderte sie auf, den Frieden in ihrer Kommune nicht für selbstverständlich zu nehmen.89 Auch aus machtpolitischer Perspektive zahlte sich diese kommunale Strategie aus. Um 1798, als er die Briten aus der Kolonie vertrieb, hatte Toussaint sich eine beträchtliche Zahl von Unterstützern in allen Kommunen erworben: Wie ein Beobachter feststellte, der ihn auf einer seiner Galopptouren durch die Kolonie begleitete, hätte «der Empfang, der dem General in jeder Stadt und jedem Dorf, durch die er kam, bereitet wurde, der Eitelkeit des stolzesten Herrschers geschmeichelt.»90 Der haitianische Historiker Placide David behauptet, dass Toussaints Anziehungskraft für seine zahlreichen Mätressen hauptsächlich auf der elektrisierenden Wirkung beruhte, die solche lokalen Auftritte auslöste, verstärkt noch von seiner eindrucksvollen Uniform und der seiner Gardekavallerie.91 Toussaints Kurzreisen durch ganz Saint-Domingue waren ein so wichtiges Instrument seiner Führung, dass er sogar überlegte, von den Briten eine Fregatte zu kaufen, um seine Exkursionen zu beschleunigen.92 Die Beziehung zwischen Toussaint und den Kommunen zeigt die Besonderheit seines Machtsystems, das er in den späten 1790er Jahren ausbaute. Wie bereits erwähnt, schmiedete Toussaint den sozialen Zusammenhalt zwischen den Einwohnern von Saint-Domingue, indem er sich auf eine Kombination aus republikanischen und katholischen Prinzipien berief, der er seine kreolische Naturmoral beimischte, die er zudem mit seinen selbst erfundenen Gleichnissen farbig zu illustrieren verstand. Diese improvisierte Mischung war nichtsdestoweniger ideologisch
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kohärent, denn sie speiste sich aus seinem Glauben an die natürliche Tugendhaftigkeit und an das Gemeinwohl und wurde zusammengehalten durch sein Ideal der Brüderlichkeit. Unablässig berief er sich auf diese Brüderlichkeit, um die Werte zu propagieren, die ihm essentiell erschienen – Freundschaft, Solidarität und Zusammenhalt unter den Menschen verschiedener Hautfarben; Großzügigkeit, Mitgefühl und Versöhnlichkeit; Selbstlosigkeit, Disziplin und Fleiß. Es wäre sicher übertrieben anzunehmen, dass allein Toussaints Worte und Taten solche Gefühle bei den Bürgern von Saint-Domingue erweckten. Doch seine Rhetorik republikanischer Tugend verstärkte sie und verlieh ihnen öffentliche Geltung. Man kann seinen Erfolg auch daran ermessen, dass die breite Unterstützung auf lokaler Ebene zu einer self-fulfilling prophecy wurde. Bombardiert mit Briefen und Proklamationen von Kommunalverwaltungen, die seine Beliebtheit priesen, übernahmen französische Kolonialbeamte die Botschaft und begannen, sie ihren Vorgesetzten in Paris zu übermitteln. Ein Verwaltungsbericht ans Direktorium erklärte: «Der Oberkommandierende verfügt über das Vertrauen, den Respekt und die Liebe von neun Zehnteln der Bevölkerung.»93 Mit der Zeit stellte sich allerdings in Toussaints öffentlichem Bild auf kommunaler Ebene eine erkennbare Wandlung ein, die seiner Entwicklung vom Revolutionshelden zum Gründungsvater in den 1790er Jahren entsprach. Bei den öffentlichen Feierlichkeiten, die in den Städten und Dörfern von Saint-Domingue stattfanden, wurde er noch häufig als moderner Spartakus dargestellt – das Sinnbild schwarzer Emanzipation, der Befreier des Heimatlands und die Verkörperung der kriegerischen Tugenden wie Mut und Unbeugsamkeit.94 Im Mai 1797 gaben die Stadtbeamten von Ennery ihrer «Verehrung des tugendhaften Toussaint» eine literarische Fassung: Sie wollten in ihm den «Rächer der Menschheit» sehen, exakt so, wie es Louis-Sébastien Mercier in seinem Roman Das Jahr 2440 beschrieb.95 Doch die Einheimischen beschäftigten sich zunehmend mit seinen moralischen und politischen Führungsqualitäten. So war er für sie ein Beispiel christlicher Heiligkeit; sie schätzten es sehr, dass er anordnete, katholische Feiertage wie Fronleichnam in der ganzen Kolonie zu begehen.96 Andere priesen ihn als Inkarnation von Stabilität und verfassungsmäßiger Ordnung; die Ortsversammlung von Arcahaie begrüßte ihn als Anführer, der «das volle Vertrauen der Kolonisten besitze,97 während die Repräsentanten von Terre-Neuve seine «staatsmännischen
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Qualitäten» bewunderten und von seinem «großen Verhandlungsgeschick» schwärmten.98 In einer kühnen empiristischen Wendung behaupteten sie sogar: «Toussaints grandiose Erfahrung verleiht ihm Wissen, vor dem selbst die findigsten Theorien versagen.»99 In PortRépublicain, wo er als «Übervater und Befreier» verehrt wurde, ging die Stadt noch einen Schritt weiter und bot ihm als Anerkennung für seine einzigartige Führerschaft ein Stück Land an,100 während ein Huldigungsgedicht in der Gazette du Port-Républicain ihn als «neuen Alcide» feierte.101 Nach dem Fortgang von Hédouville baten sie die französische Obrigkeit, «die Zügel der Regierung vertrauensvoll in seine Hände zu legen».102 Für die Stadtväter von Gonaïves war Toussaint der republikanische Beschützer par excellence, standhaft in seiner Unterstützung der «Brüder aller Hautfarben» sowie ein guter «Gesetzgeber, Vater und Freund»;103 zwei Jahre später war er «der weise Genius» geworden, «der vom Himmel gesandt ward, die Bedürftigen zu beschützen, die Verbrechen gegen die Menschheit zu rächen, die Freiheit aller zu verteidigen und die Institutionen der Republik zu festigen.»104 Ihre Kollegen in Cap waren nicht weniger überschwänglich, sie rühmten seine beispiellose Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten. Nichts motiviere ihn als einzig und allein die Förderung des «Allgemeinwohls».105 Diese Lobeshymnen gipfelten 1802 in einem Festakt in Cap, wo eine Menge von Frauen aller Hautfarben den Lokalhelden «bejubelte, krönte und umarmte» und ihn inbrünstig anflehte, sein Taschentuch in ihre Richtung zu werfen, während die Männer «sich um ihn drängten und ihm so nahe wie möglich zu kommen versuchten, um seine Hand zu berühren»; ein Beobachter notierte, diese Zeremonie sei des «Herrschers der Kolonie» würdig.106
DRITTER TEIL
TOUSSAINT AN DER MACHT
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EI N GROSSER SPI ELRAUM
7Toussaint Ein großer an der Spielraum Macht
«Wie unglücklich für Frankreich und für uns», schrieb Toussaint Ende September 1798 an das Direktorium, «dass Saint-Domingue so weit vom Mutterland entfernt ist und Begegnungen zwischen uns nur so unregelmäßig stattfinden und der Austausch manchmal jahrelang unterbrochen ist.»1 Diese Äußerung bezeugt die zunehmende Lockerung der Bande zwischen der Kolonie und Frankreich ab Mitte der 1790er Jahre, aber zugleich die immer frostiger werdende Beziehung des Oberkommandierenden mit den aufeinanderfolgenden Gouverneuren: Das von warmherziger Loyalität geprägte Verhältnis zu Laveaux war der gegenseitigen mésentente cordiale mit Sonthonax gewichen und dem dramatischen Bruch mit Hédouville danach. Gleichzeitig war Toussaint nicht ganz aufrichtig, denn diese Distanz barg auch eine Chance. Er war zwar davon überzeugt, dass Saint-Domingue weiterhin eine starke Bindung an Frankreich brauchte, aber zugleich musste es seine Unabhängigkeit weiter entwickeln, um neue Beziehungen zu den Nachbarinseln und Regionalmächten in der Karibik zu knüpfen. Es lässt sich leicht nachvollziehen, warum er zu dieser Schlussfolgerung kam. Mitte der 1790er Jahre, nach einer langen Zeit revolutionärer Unruhe, war die Wirtschaft der Kolonie ruiniert: Die Plantagen waren verwüstet, wobei ihr Grundkapital (insbesondere die Betriebe und komplexen Bewässerungssysteme) vollständig darniederlag; Zehntausende Arbeitskräfte waren während des Konflikts umgekommen. In welchem Maß die Produktion von Exportgütern zusammengebrochen war, lässt sich an folgenden Zahlen ablesen: Wenn wir das Jahr 1789 als Index von 100 zugrundelegen, fiel der Kaffee-Export 1795 auf 2,8, der von Zucker auf 1,2, der von Baumwolle auf 0,7 und der von Indigo auf 0,5.2 Toussaint wollte deshalb unbedingt die Handelsbeziehungen der Kolonie mit den Nachbarländern wiederbeleben – vor allem mit den Vereinigten
7 Ein großer Spielraum
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Staaten, die in den 1770er Jahren für Saint-Domingue eine wichtige Bezugsquelle für Mehl, Salzfisch und Pökelfleisch, Holz und Pferde geworden waren. Dieses Ziel konnte wiederum nicht erreicht werden ohne Verständigung mit den Briten, die sich auf Jamaika festgesetzt hatten und die See beherrschten. In seiner Vereinbarung mit Maitland im August 1798 hatte Toussaint die Zusicherung erhalten, dass die Briten Lebensmittellieferungen für die Insel nicht behindern durften. Aber dies sollte nur das Vorspiel zur Wiederherstellung der Handelsbeziehungen mit den Mächten in der Region sein, die von der ökonomischen Elite in Saint-Domingue ebenso wie von informierten Kreisen in Frankreich als unumgänglich erachtet wurde. Dies betonte der Abgeordnete Louis Rallier, einer von Toussaints Verbündeten in Paris, nachdrücklich: «Der Kolonie könnte keine größere Katastrophe widerfahren, als dass die Plantagen ihre Produktion einstellen, weil sie keine Möglichkeit mehr haben, Gewinne zu generieren, und dass die Landwirtschaft insgesamt zum Erliegen kommt. Es ist daher unverzichtbar, dass die Kolonie Außenhandelsbeziehungen nicht nur mit Frankreich, sondern auch mit seinen Feinden und mit neutralen Mächten unterhält.» Er schloss damit, dass Saint-Domingue von Frankreich hinsichtlich seiner Industrie, Landwirtschaft und Steuerpolitik sowie seiner Handelsbeziehungen «ein großer Spielraum» eingeräumt werden müsse.3 Eine solche Politik wurde von den weißen Siedlern auf Saint-Domingue schon lange herbeigesehnt, sowohl vor der Revolution als auch unmittelbar danach. Toussaint machte sie sich zu eigen, indem er sie auf seine Weise seinen eigenen Zwecken anpasste. Doch er hütete sich, dies öffentlich auszusprechen, denn die Umsetzung war überaus kompliziert. Die Vertreibung Hédouvilles hatte ein Zerwürfnis mit Frankreich bewirkt, und Toussaint wusste, wie wichtig es war, dass so schnell wie möglich gute Beziehungen wiederhergestellt wurden. Außerdem befanden sich die Interessen der Regionalmächte, die Toussaint zu umwerben versuchte, im Fluss. Die Spanier, die das benachbarte Kuba und das angrenzende Santo Domingo kontrollierten, waren nominell seit 1795 Alliierte Frankreichs. Aber sie waren einem revolutionären Wandel extrem abgeneigt und hatten nicht die Absicht, Saint-Domingue auf dem Weg der Sklavenbefreiung zu folgen, denn ihr Plantagensystem hing von der Sklaverei ab. Die kubanischen Behörden verhinderten 1799 sogar den Verkauf eines großen Schoners an Toussaints Gesandte, und das
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Toussaint an der Macht
Sklavenregime auf Kuba wurde in den Jahren nach der Abolition auf Saint-Domingue brutal verschärft.4 Dennoch stellte Toussaint einen Kommunikationskanal zum Gouverneur von Santiago her, wobei er sich dessen Isolation von der eigenen Hauptstadt zunutze machte, die weiter entfernt lag als der nächste Hafen in Saint-Domingue; im Jahre 1800 bot Toussaint sogar an, Versorgungsgüter in die Stadt zu schicken, als dort große Knappheit herrschte.5 Die Briten, die immer noch ihre Wunden nach der Niederlage gegen Toussaint leckten, waren hin und her gerissen zwischen ihrer rassistischen Verachtung des schwarzen Kommandeurs (der Befehlshaber der britischen Marine lehnte jede «coloured communication» mit der Kolonie ab) und ihrem Wunsch, Saint-Domingue den Franzosen abspenstig zu machen.6 In diesem Sinne machte Maitland Toussaint «verführerische Offerten», überschüttete ihn mit Geschenken und bot ihm sogar an, ihn als unabhängigen Monarchen anzuerkennen.7 Die Amerikaner waren ähnlich gespalten. Einerseits fürchteten sie, dass Toussaints Sklavenaufstand auf ihre Städte und Plantagen überspringen könnte, vor allem durch die Anwesenheit «schwarzer französischer» Flüchtlinge aus der Kolonie. Andererseits brachten amerikanische Zeitungen seit 1797 schmeichelhafte Berichte über Toussaint und seine Mitstreiter, insbesondere über ihre Feldzüge.8 Und die Kaufleute in den USA brannten auf eine kommerziell lukrative Beziehung zu Saint-Domingue.9 Doch obgleich Frankreich sehr weit entfernt war, wachte es eifersüchtig über die Entwicklungen, und jeder unverhohlene Annäherungsschritt, den Toussaint auf die USA und England zuging, ließ sich als potenzieller Hochverrat ansehen – zumal der Kongress im Juni 1798 ein Embargo gegen Frankreich und seine Kolonien beschlossen hatte, als Vergeltungsmaßnahme für die Angriffe auf amerikanische Schiffe durch französische Freibeuter. Zu diesem «Quasi-Krieg» kamen noch die fortgesetzten Feindseligkeiten zwischen dem französischen Direktorium und den Briten in Europa, im östlichen Mittelmeerraum und in der Karibik hinzu. In Toussaints Augen war Diplomatie die Fortführung der Innenpolitik mit anderen Mitteln. Die Wiederbelebung der Handelsbeziehungen mit Amerika half ihm, seine Führungsrolle zu festigen und seine Position gegenüber den innenpolitischen Gegnern zu stärken. Vor seinem Weggang hatte Hédouville den im Süden agierenden Rigaud offen ermutigt, Toussaints Autorität entgegenzutreten: Als diese Rebellion sich Mitte des Jahres 1799 zu einem Aufstand auswuchs, setzte Toussaint
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alle Hebel in Bewegung, um bei den umliegenden Mächten politische und militärische Unterstützung zu erhalten. Doch der Oberkommandeur wusste, dass er auch hier vorsichtig vorgehen musste: eine zu offensichtliche Wiederannäherung an die Briten konnte seine Position bei den schwarzen Landarbeitern (cultivateurs) schwächen, die traumatische Erinnerungen an ihre Versklavung in den britisch kontrollierten Teilen von Saint-Domingue hatten und der republikanischen Version Englands als einer korrupten und blutrünstigen Tyrannei Glauben schenkten. Unbeeindruckt von der Größe dieser Herausforderungen verfolgte Toussaint seine Ziele. Dabei war er sich vollkommen darüber im Klaren, dass er kreativ und vielleicht sogar mit List vorgehen musste, um diese zu erreichen. Oft eiferte er gegen seine Gegner, aber er war zu ebensolchem Machiavellismus fähig, wenn er die Interessen von Saint-Domingue gefährdet sah. Einfallsreichtum und Flexibilität kennzeichneten sein diplomatisches Handeln, das er auf seine charakteristische Weise als «raffiner de politique» bezeichnete.10 Toussaints vordringlichste diplomatische Aufgabe war es, für Hédouville einen Nachfolger zu finden. Der ideale Kandidat war für ihn PhilippeRose Roume de Saint-Laurent, der offizielle französische Repräsentant im spanisch kontrollierten Santo Domingo. Roume stammte aus der Karibik (er war ein weißer Kreole aus Grenada); er kannte sich in SaintDomingue gut aus, da er in den Anfängen der Revolution vorübergehend auf der Insel als französischer Gesandter gedient hatte;11 er war ein Idealist, der sich ganz der neuen brüderlichen Gesellschaftsordnung verschrieben hatte, und seine Partnerin Marie-Anne Elisabeth Rochard, die er später heiratete, war eine mixed-race Frau (Toussaints Name erscheint zeugenschaftlich auf der Geburtsurkunde ihrer Tochter RoseMarie).12 Roume war ein sanftmütiger, freundlicher, den Menschen zugetaner Mann, weder so unverfroren wie Sonthonax noch so arrogant wie Hédouville, ein leidenschaftlicher Verfechter der Republik und ein großer Bewunderer von Toussaint. Die enge Verbindung der beiden Männer zeigt sich bereits früh in ihrer Korrespondenz, wo Roume den Oberkommandeur als «Retter von Saint-Domingue» ansprach, ihn aber auch mahnte, auf seine Gesundheit zu achten und vor allem zu häufige «Gewaltritte» zu vermeiden; er schloss seine Briefe mit «je vous aime tendrement».13 Toussaint schenkte Roume ein Porträt von sich selbst, das dieser mit nach Frankreich nahm und das wohl als Grundlage für Nico-
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las Maurins spätere klassisch gewordene Lithographie von Louverture aus dem Jahre 1832 diente (siehe Tafel 1).14 Glücklicherweise stand Roume parat und konnte das Vakuum füllen, ehe die französischen Entscheidungsträger Zeit hatten, sich zu besinnen und eine weniger willkommene Alternative zu präsentieren. Toussaint hatte in dieser Sache keinerlei formelle Einflussmöglichkeit, aber er schaffte es überaus geschickt, Roumes Ernennung zu einem fait accompli zu machen. Er schickte seinen Botschafter Charles Vincent mit Briefen nach Santo Domingo, in denen er Roume die Situation als Krise der Volkssouveränität schilderte. Hédouville war, nachdem er «das Vertrauen des Volks verloren hatte», zur Rückkehr nach Frankreich gezwungen gewesen, und Roume bot sich als Nachfolger an wegen seiner «aufrichtigen Prinzipien, tugendhaften Haltung und seiner Liebe zu Frankreich und zur Republik». Toussaint lud Roume zur Übernahme des Amts in seinem eigenen Namen und in seiner Funktion als Oberbefehlshaber der Armee ein, aber auch im Namen eines «Volks, das nicht aufhört und niemals aufhören wird, die Republik und ihre Verfassung zu lieben».15 Um die republikanische Legitimität der Prozedur noch zu erhöhen, hatte Vincent ein Schreiben der Stadtoberen von Cap bei sich, das auf Toussaints Bitte verfasst worden war. Es unterstützte nachdrücklich die Einladung nach Saint-Domingue «im Namen der öffentlichen Sicherheit und der Vaterlandsliebe» und versicherte, dass Toussaint «nicht den Wunsch hat, mit dem Regierungsamt betraut zu werden, welches ihm um so mehr Respekt abnötigt, als er fürchtet, seine Bürde nicht tragen zu können.»16 Toussaint bemerkte zudem, er sei «dem Mutterland zu dankbar», um vom Pfad des französischen Patriotismus abzuweichen – auch wenn sein Gebrauch des Begriffs «mon pays» zweideutig ist, da er sich ebenso auf Saint-Domingue beziehen ließ.17 Diese hochtönenden Loyalitätsbekundungen gegenüber dem französischen Repräsentanten entsprachen keineswegs Toussaints eigentlichen Intentionen. Der Rang, den Toussaint der Beziehung zu Roume beimaß, zeigt sich in seiner Entscheidung, die Kolonialbehörde von Port-Républicain, dem traditionellen Verwaltungssitz der Kolonialmacht, nach Cap zu verlegen. Zwar organisierte er zu Ehren des neuen Statthalters bei dessen Ankunft eine große Militärparade –, aber selbst dies war eine zweischneidige Ehrbezeugung, weil sie zugleich Toussaints Macht demonstrierte.18 Roume tat so, als bemerke er diese örtliche Degradierung nicht, und versprach, eng mit dem «großen Mann» und
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«vollkommenen Republikaner», dem «Beschützer Saint-Domingues» zusammenzuarbeiten und all seine Bemühungen um das Gemeinwohl zu unterstützen. Roume stellte sich ganz in den Dienst der Freundschaft zu Toussaint und versprach, ihn für die Schwierigkeiten, die seine Vorgänger verursacht hatten, zu entschädigen, zugleich aber ohne Zögern «die Wahrheit auszusprechen», wenn der Oberkommandeur seiner Meinung nach vom rechten Weg abkam.19 Trotz aller Meinungsverschiedenheiten, die schließlich unüberbrückbar wurden, blieb Roume von Toussaint fasziniert. Der französische Beamte war verblüfft über Toussaints Energie und Intelligenz und beeindruckt davon, wie er sich um Notleidende und Bedürftige kümmerte; häufig pries er ihn als «tugendhaften Philosophen» und berichtete ihm, er sei bereits im Begriff, in Frankreich und Europa zur Legende zu werden. Er werde, schrieb Roume, eines Tages gefeiert werden als «ein Anführer, dem keine Grenzen gesetzt sind: ein bedeutender französischer Staatsbürger, ein außerordentlicher politischer Stratege und einer der größten Generäle der Welt».20 Toussaint war nicht der einzige grand capitaine, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts die öffentliche Aufmerksamkeit erregte. Roumes Dienstauftritt in Saint-Domingue fiel mit einem Wendepunkt in Frankreich zusammen – dem Aufstieg von Napoleon Bonaparte. Es war Roume, der Toussaint auf Bonaparte aufmerksam machte; er erwähnte den aufsteigenden Stern aus Korsika oft in ihren Gesprächen und stellte viele Ähnlichkeiten zwischen ihnen fest. Einmal bemerkte er, Toussaint sei «sogar noch größer als Bonaparte».21 Da er wusste, wie viel Toussaint vorbildliche Republikaner bedeuteten und mit welchem Gewinn er aus den militärischen Erfahrungen anderer lernte, wies Roume auf Napoleons Heldentaten im ägyptischen Feldzug von 1799 hin. Er sandte dem Oberkommandeur ein Exemplar einer Pariser Broschüre von Roux zu, in der die Erfolge von Bonapartes Armee im Einzelnen beschrieben wurden, nicht ohne die Parallelen zwischen Toussaint und Napoleon zu erwähnen: «der gleiche Mut, die gleiche Tapferkeit, die sich dem Genie verdankt, und die gleiche Fähigkeit, überall zugleich zu sein, zu beobachten, zu entscheiden, zu marschieren, zu handeln und den Feind zu vernichten, ehe dieser überhaupt erkannt hat, was geschieht, und vor allem die gleiche Vision, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umschließt.»22 Während Toussaint sich durch solche Vergleiche geschmeichelt füh-
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len mochte, gab es einen zusätzlichen politischen Aspekt, der ihn mindestens ebenso stark berühren musste: Bonapartes Bereitschaft zur Erneuerung und Grenzüberschreitung. Dieser Charakterzug wurde vollends sichtbar, als er das bröckelnde System des Direktoriums herausforderte und sich im coup d’état vom 18. Brumaire (9. November 1799) als einer der Konsuln des neuen Triumvirats an die Macht brachte. Toussaint erfuhr von dem Staatsstreich durch einen Brief von Vincent, geschrieben am Tag des Geschehens, sowie durch einen langen Bericht Roumes, in dem detailliert die Maßnahmen der neuen Konsuln aufgelistet waren, mit denen sie die Ordnung in Frankreich wiederherstellen und die militärischen Konflikte mit dessen Widersachern beenden wollten. Für Toussaint, den politischen Strategen, lagen die Lehren von Napoleons Aufstieg zur Macht klar auf der Hand, und sie sollten in den nächsten Monaten und Jahren seine Phantasie zu Höhenflügen anregen: Es war legitim, mit ehemaligen Feinden Frieden zu suchen, ohne die Integrität der Republik in Frage zu stellen; es war sinnvoll, im Entwurf einer neuen Verfassung einen neuen Gesellschaftsvertrag zu verankern, und es war legitim, als Individuum im Namen der Republik Macht zu erlangen, um der «Anarchie» ein Ende zu setzen und für «Ordnung und Frieden» zu sorgen.23 Wie sein französischer Gegenpart war der «Bonaparte von Saint-Domingue» jederzeit bereit, Konventionen preiszugeben, wenn es darum ging, seiner singulären Sendung zu folgen. Nachdem er für die Ernennung von Roume gesorgt hatte, wandte sich Toussaint dem entscheidenden ökonomischen Punkt seiner Strategie zu: dem Wiederaufbau der Wirtschaftsbeziehungen zu den Nachbarn. Die Kolonie importierte den Großteil ihrer Nahrungsmittel und ebenso militärische Bedarfsgüter wie Schießpulver. Der französische Beamte Joseph Idlinger fand bei seiner Ankunft in Cap im Mai 1796, wo er seinen Posten als Verwaltungschef des nördlichen Departements antrat, eine desperate Lage vor: Der Hafen wurde von britischen Schiffen blockiert, so dass keine neutralen Schiffe einfahren konnten, und die Lagerhäuser waren «aller Nahrungsmittel komplett beraubt».24 Mitte 1798 war die Lage bedrohlich: die Exporte waren nach der Zerstörung der französischen Handelsflotte infolge des Seekriegs mit England auf ein Minimum reduziert, und Saint-Domingue sah sich mit einer absehbaren Hungersnot konfrontiert. Überdies durften amerikanische Kaufleute, die für das Land inzwischen die einzige Verbindung mit der Außenwelt waren, die
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Häfen nicht mehr anfahren, weil der Kongress ein Handelsembargo über französische Produkte verhängt hatte.25 Wenn der Revolution von Saint-Domingue nicht die Luft abgeschnürt werden sollte, musste Toussaint ohne Verzug handeln. Er entschied, direkten Kontakt mit Präsident John Adams aufzunehmen, der seit März 1797 im Amt war, und entsandte seinen Finanzberater Joseph Bunel zu ihm. Bunel, ein vermögender weißer Kaufmann aus Cap, gehörte Toussaints innerstem Zirkel an. Er war ein idealer Gesandter für die USA: realistisch, zupackend und durchaus etwas zwielichtig, verfügte er in den Vereinigten Staaten über ein großes Netzwerk von Geschäftsbeziehungen. Bunel traf Außenminister Timothy Pickering, der der schwarzen Revolution in Saint-Domingue wohlgesonnen war, und hatte im Januar 1799 ein Abendessen mit Adams. Jedem, den er traf, pries er Toussaint als effektiven und pragmatischen Führer, und Adams überreichte er einen freundlichen Brief vom Oberkommandeur.26 In diesem Sendschreiben äußerte Toussaint sein «größtes Erstaunen» darüber, dass in den Häfen von Saint-Domingue keinerlei amerikanische Schiffe anzutreffen seien, was im Ergebnis für beide Seiten von Nachteil sei. Die Gründe für das Embargo, das der Kongress beschlossen hatte, träfen hier nicht zu; die Rückkehr der amerikanischen Schiffe nach Saint-Domingue liege «ebenso in Ihrem Interesse wie in unserem». Toussaint erbot sich, amerikanische Schiffe vor Angriffen von französischen Freibeutern zu beschützen und gab die Garantie, dass alle Schiffe für ihre Ladung die «angemessene Bezahlung» erhalten würden. Auf diese Weise, schloss Toussaint, könnten sie zusammenarbeiten, um die harmonischen Beziehungen wiederzuherstellen, die zwischen der amerikanischen und französischen Republik bestehen sollten.27 Toussaints geschmeidiger Text zielte unmittelbar auf die merkantilen Erwartungen der USA und hielt zugleich die feine Balance zwischen der Loyalität zu Frankreich und den Interessen von Saint-Domingue. Auch wenn Adams zu Toussaints Enttäuschung nicht postwendend antwortete, bekam Toussaint bald das erhoffte Ergebnis: Im Februar 1799 nahm der Kongress einen Gesetzentwurf an, der die Handelsbeschränkungen mit einer Reihe von französischen Kolonien, darunter SaintDomingue, aufheben sollte. In Anerkennung seines Architekten wurde er sogar als «Toussaint-Klausel» bezeichnet. Wenige Monate nach der Verabschiedung des Gesetzes kam Edward Stevens, ein auf den West Indies geborener Arzt aus Philadelphia und Jugendfreund Alexander
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Hamiltons, als diplomatischer Repräsentant oder «Konsul» nach SaintDomingue. Dieser Titel war gewöhnlich Botschaftern vorbehalten, die unter souveränen Staaten ausgetauscht wurden, und Stevens trug ihn nicht zufällig: Er sollte eine Vereinbarung erreichen, die sicherstellte, dass amerikanische Schiffe vor «der Plünderung durch französische Freibeuter» geschützt und Handelsbeziehungen mit Saint-Domingue aufgebaut wurden – aber auch Toussaint dazu bewegen, die Unabhängigkeit von Frankreich zu erklären;28 unter Kaufleuten und Kongressmitgliedern war die Ansicht weitverbreitet, Saint Domingue sei eine «Goldgrube», die nur darauf warte, von den Amerikanern ausgebeutet zu werden.29 Toussaint hatte nicht die Absicht, mit Frankreich zu brechen, aber in seinen Gesprächen mit Stevens wies er diese Möglichkeit auch nicht vollständig von der Hand. Von dem Augenblick an, da der amerikanische Konsul seinen Fuß in die Kolonie setzte, tat Toussaint sein Bestes, um ihn spüren zu lassen, dass er eine privilegierte Stellung einnahm und dass die Entwicklung einer besonderen Beziehung mit den Vereinigten Staaten für ihn höchste Priorität habe. Sowie Toussaint von Stevens’ Landung erfuhr, eilte er nach Cap, um ihn zu begrüßen – eine Geste der Höflichkeit, die, wie wir sahen, Hédouville nicht zu Teil wurde, den er vielmehr monatelang warten ließ. Er unterredete sich mit Stevens ausführlich unter vier Augen, bevor er ihn ins Gebäude des Statthalters zu seinem ersten Treffen mit Roume brachte. Das vertrauliche Gespräch erlaubte ihm, offener über sein Interesse an einer amerikanischen Präsenz in Saint-Domingue zu sprechen, als es ihm in Anwesenheit des französischen Bevollmächtigten möglich gewesen wäre. Als sie bei ihrem ersten Treffen mit Roume den Schutz amerikanischer Schiffe vor französischen Freibeutern erörterten, ergriff Toussaint wiederholt die Partei von Stevens und wandte seine ganze Überredungskunst an, um den skeptischen französischen Vertreter davon zu überzeugen, dass die amerikanischen Forderungen nicht per se gegen französische Interessen verstießen. Toussaint verfiel schließlich auf die geniale Lösung, der beide Parteien zustimmten: Die französische Freibeuterei sollte nicht absolut verboten werden, aber alle bestehenden Kaperaufträge sollten zurückgenommen und keine neuen ausgegeben werden. Stevens schrieb hocherfreut an Außenminister Pickering und war des Lobes voll für «die starke Unterstützung, Kraft der Durchdringung und praktische Vernunft»30 des Oberkommandeurs. Toussaint hatte zweifellos einen sehr starken ersten Eindruck hinterlassen. Toussaint tat alles in seiner Macht Stehende, um diese Vereinbarung
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in die Tat umzusetzen. Er bearbeitete Roume, der ursprünglich gegen die Präsenz der Amerikaner war und immerfort versuchte, die Behandlung der Amerikaner auf Saint-Domingue mit dem Schicksal der französischen Schiffe in Amerika zu verknüpfen; einmal schlug Roume sogar vor, Stevens und seine Mitarbeiter als Vergeltung für die Kaperung jedes französischen Schiffs vor den amerikanischen Küsten in Gewahrsam zu nehmen.31 Seiner eigenen Linie getreu argumentierte Toussaint, solche weitergehenden diplomatischen Erwägungen dürften nicht die wirtschaftlichen Beziehungen der Kolonie mit den Vereinigten Staaten belasten, und schließlich überzeugte er Roume – so sehr, dass der französische Bevollmächtigte den hilfreichen Pragmatismus von Konsul Stevens öffentlich hervorhob und Toussaints «patriotische Maßnahmen für die Erneuerung des amerikanischen Handelsverkehrs» in den höchsten Tönen lobte.32 Roumes Zufriedenheit war verständlich: innerhalb weniger Monate nach der Vereinbarung mit Stevens kamen Dutzende von amerikanischen Schiffen (sowie Schiffe unter spanischer und Hamburger Flagge) nach Saint-Domingue und versahen die Läden und die Märkte in den Orten mit Lebensmitteln. Er dankte Toussaint in Erwartung der «Tage des Überflusses»;33 es freute ihn, auch von Stevens zu hören, dass die Amerikaner drei Fregatten ausgesandt hatten, um ihre Handelsschiffe zu schützen, und «keine Frechheit der Briten» dulden wollten.34 Ein Beobachter vor Ort begrüßte, dass es endlich wieder «eine Überfülle von Lebensmitteln» gebe, wobei die vermehrte Konkurrenz zu merklichen Preissenkungen bei Grundnahrungsmitteln wie Mehl führe – eine Wohltat für den Normalbürger.35 Die amerikanischen Exporte nach Saint-Domingue, die 1799 noch auf 2,7 Mio. US-Dollar gesunken waren, stiegen 1800 auf 5,1 Mio. Dollar und im darauffolgenden Jahr sogar auf 7,1 Mio. Dollar.36 Auch belebte sich der Handel mit kolonialen Gebrauchsgütern aus Saint-Domingue: Laut einem Bericht aus Cap vom Jahre 1800 gingen drei Viertel der Zucker-Exporte und zwei Drittel des Kaffees in die Vereinigten Staaten;37 ebenso gab es einen Boom beim Export von Nutzholz, wobei die amerikanischen Händler es vor allem auf die lokalen Farbhölzer abgesehen hatten.38 Toussaints Korrespondenz zeigt, dass er nichts unversucht ließ, damit sich die Amerikaner in Saint-Domingue wohlfühlten; als ihn beispielsweise der Kapitän eines Schiffs um Erlaubnis bat, einen Geburtstag mit einer Kanonensalve in der Bucht von Cap zu feiern, gab er dem bereitwillig statt.39
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Toussaint erleichterte die Integration der amerikanischen Kaufleute in den örtlichen Gemeinden und gab seinen Kommandeuren die klare Anweisung, sie selbst, ihre Interessen und ihren Besitz zu schützen. Er unterstützte die Ernennung von Nathan Levy und Robert Ritchie als amerikanische Konsuln für Cap beziehungsweise das westliche Departement und schlug sogar einige der amerikanischen Kaufleute für öffentliche Funktionen vor: Eugene Macmahon Sheridan wurde einer der Beisitzer am Gerichtshof von Léogâne.40 Es entwickelten sich rasch Gemeinden von amerikanischen expatriates, insbesondere in Cap, deren Repräsentanten immer wieder ihrer Bewunderung für Toussaint Ausdruck gaben, was auch in den Vereinigten Staaten registriert wurde; wohlwollende Artikel über den «unbestechlichen General Toussaint» erschienen regelmäßig in der Presse von Philadelphia.41 Wenn er in Cap weilte, besuchte der Oberkommandeur das Hôtel de la République, eine Taverne, in der sich führende Amerikaner und Bürger von SaintDomingue fröhlich mischten.42 Der positive erste Eindruck, den Toussaint auf Stevens gemacht hatte, sollte sich nur noch verstärken. Stevens wurde ein enger Freund und übernachtete häufig in seiner Residenz in Ennery – ein seltenes Privileg.43 Toussaint gab ihm Botschaften für Roume mit; der Schutz durch die amerikanische Marine war so verlässlich, dass Stevens sogar dabei half, offizielle Briefe an die französische Regierung über Philadelphia expedieren zu lassen. Seine Berichte über Toussaint klangen begeistert. Er erklärte Pickering, er habe «das vollste Vertrauen», dass Toussaint weiterhin die Vereinbarungen mit den Vereinigten Staaten einhalten und die amerikanischen Interessen in Saint-Domingue schützen werde.44 Stevens war ebenso beeindruckt von der Unterstützung, die Toussaint im ganzen Land «durch seine humane und rücksichtsvolle Art» genoss. Er gab sich alle Mühe, seinen rassistischen Vorgesetzten klarzumachen, dass Toussaint nicht nur von den «meisten schwarzen Einwohnern», sondern auch von «allen Weißen» unterstützt werde.45 Er hegte keinen Zweifel, dass Saint-Domingue in Wirtschaft, Landwirtschaft und Verwaltung unter Toussaints Führung aufblühen würde.46 In einem eklatanten, aber geschickten Bruch der Etikette zeigte Toussaint Stevens Kopien seiner Korrespondenz mit dem französischen Bevollmächtigten, darunter einen «strengen Brief», in dem der Oberkommandeur seinem Vorgesetzten «Entscheidungsschwäche und eine kriminelle Vernachlässigung seiner Amtspflichten» vorwarf.47 Dabei ging
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es natürlich darum, Roumes Autorität zu untergraben und zugleich den Eindruck zu erwecken, Toussaint sei der einzige vertrauenswürdige Partner in Saint-Domingue. Toussaint hatte eine Gabe dafür, Menschen zu sagen, was sie hören wollten, und so bestärkte er Stevens in dem Glauben, er überlege ernsthaft eine Lossagung von Frankreich. Der Trick funktionierte: In einem der folgenden Briefe an seine Vorgesetzten berichtete Stevens: «Alle Verbindungen zu Frankreich werden bald abgebrochen», und Toussaint werde in Kürze die «Unabhängigkeit» der Kolonie ausrufen.48 Mit der offensichtlichen Ermunterung durch Toussaint beteiligte sich Stevens an einem Komplott gegen Roume: Er nahm Kontakt zu einer, wie der Letztere sie nannte, «Kabale von Anglophilen» in Cap auf, deren Ziel es war, die Position des Franzosen zu schwächen und seine Rückkehr nach Frankreich zu erzwingen. Unter den Konspirateuren befand sich Christophe, der Militärkommandeur von Cap. Als Roume ihn zur Rede stellte, ruderte Stevens zurück und versprach, sich künftig von solchen undiplomatischen Aktivitäten fernzuhalten; als Geste des guten Willens lud er den Bevollmächtigten zu einer Versöhnungsfahrt in der Bucht von Cap an Bord seines Schiffs ein. Roume nahm an, aber er fühlte sich so verfolgt, dass er ein anglo-amerikanisches Komplott zu seiner Entführung fürchtete und anordnete, das Schiff zu versenken, wenn es Richtung Jamaika absegeln sollte.49 So wichtig sein diplomatischer Durchbruch mit Amerika war, erkannte Toussaint doch, dass seine Strategie ins Leere lief, wenn er nicht England ebenfalls ins Boot holte. Anfang 1799 erlaubte ein englischer Beschluss Jamaika, Handelsbeziehungen mit Saint-Domingue aufzunehmen, ein Schritt, der den Willen zu bekunden schien, mit Toussaint dauerhaft zusammenzuarbeiten. Zwar hatten die Briten bedeutende wirtschaftlichen Interessen in der Region, doch machten sie sich große Sorgen über die Ausbreitung der revolutionären Ideen von Saint-Domingue, zumal Gerüchte über einen Plan des Direktoriums kursierten, in Jamaika einzumarschieren. Während diese Berichte Toussaint in die Hand spielten, war er sich doch auch seiner eigenen Schwachstellen bewusst. Auch wenn die Briten aus Saint-Domingue vertrieben waren, hatten sie immer noch die Fähigkeit, auf lokaler Ebene Unheil anzurichten – vor allem indem sie den Widerspruchsgeist von Toussaints südlichem Rivalen Rigaud gegen Toussaint anstachelten. Die britische Seemacht war außerdem so stark, dass sie jederzeit eine Seeblockade über die Kolonie
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verhängen und den erneuerten Wirtschaftsaustausch zwischen den Vereinigten Staaten und Saint-Domingue ersticken konnte. Im Januar 1799 schrieb General Maitland aus London, die britische Regierung habe ihn beauftragt, nach Saint-Domingue zurückzukehren und über eine Verlängerung ihrer Übereinkunft zu verhandeln; er schloss mit der Versicherung seiner «persönlichen Wertschätzung» Toussaints.50 Nach einem Zwischenaufenthalt in Philadelphia im April, wo er mit Pickering konferierte, kehrte der britische Gesandte nach Saint-Domingue zurück, wo er Mitte Mai in Cap eintraf.51 Da britische Offiziersuniformen in Saint-Domingue seine Unterstützer beunruhigen würden und die Gespräche mit Maitland vor Roume geheim gehalten werden mussten, brach Toussaint sofort nach Gonaïves auf.52 Er lehnte Roumes Vorschlag ab, den britischen Gesandten zu inhaftieren und als «Gefangenen» nach Cap zu bringen. Eine solche Maßnahme, erwiderte er, wäre mit seiner Ehre und den Umgangsformen «zivilisierter Nationen» unvereinbar. Um die Ohnmacht des französischen Statthalters und seine eigene Macht zu demonstrieren, zeigte Toussaint Maitland Roumes Brief und seine Antwort.53 In einer verbreiteten Note, in der er dem britischen Gesandten gegenüber seine Position erläuterte, beschrieb er sich als Vertreter «der Interessen meines Landes» («mon pays»). Das war kein Versprecher: Er sah Saint-Domingue mehr und mehr als eine von Frankreich gesonderte Einheit.54 Nach mehreren Wochen harter Verhandlungen unterschrieben die beiden Männer am 13. Juni 1799 in Anwesenheit von Stevens das sogenannte «Maitland-Abkommen».55 Darin wurden die Bestimmungen der Vereinbarung von 1798 erweitert und formalisiert, und es wurde vereinbart, dass Cap und Port-Républicain für angloamerikanische Schiffe zu öffnen seien, dass England und die Vereinigten Staaten keine Schiffe belästigen würden, die diese Häfen anliefen (vorausgesetzt sie transportierten keine Waffen) und weder feindliche militärische Aktionen gegen die von Toussaint kontrollierten Territorien unternehmen noch sich sonst in die inneren politischen Angelegenheiten einmischen würden. Im Gegenzug wiederholte der Oberkommandierende seine Zusage, dass Saint-Domingue nicht als Basis für irgendwelche Operationen gegen britische Kolonialinteressen in der Region oder gegen die Vereinigten Staaten dienen würde. Außerdem versprach Toussaint Stevens und Maitland, sich mit äußerster Kraft einer Invasion in Jamaika, wie sie das Direktorium plante, zu widersetzen, und stellte erneut eine Sezession
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von Frankreich in Aussicht. Balcarres, der jamaikanische Gouverneur, hatte erkannt, wie schwierig es war, Toussaint festzulegen; Ende 1799 berichtete er: «Nach meiner Beobachtung von Toussaints Verhalten muss ich annehmen, dass er ein Spiel spielt, nicht nur mit uns, sondern auch mit dem Direktorium, und dass er letztendlich die Unabhängigkeit anstrebt.»56 Das Maitland-Abkommen enthielt eine umfassende Liste von Einschränkungen, die Toussaint daran hindern sollten, seine eigene Marine auszubauen – schmerzhafte Zugeständnisse, vor allem im Licht des wachsenden Konflikts mit Rigaud, wie wir in Kürze sehen werden.57 Doch der Oberkommandeur verhandelte hart. Im Bewusstsein, dass die Anwesenheit britischer Diplomaten und Handelsvertreter auf Widerstand stoßen würde, forderte Toussaint, dass britische Kauffahrteischiffe die Kolonie unter internationaler oder neutraler Flagge anfahren sollten und dass der von der Vereinbarung vorgesehene britische Hauptgesandte in Saint-Domingue (anders als der amerikanische Repräsentant) nicht den formellen Titel eines Konsuls tragen sollte. Er lehnte es anfangs ab, Oberst Grant als ersten britischen Repräsentanten zu akkreditieren.58 Maitland erklärte sich sogar bereit, Balcarres davon zu überzeugen, Toussaint Militärhilfe in Form von Schießpulver, Waffen und Feuersteinen zu leisten.59 Der Gouverneur willigte, wenn auch widerwillig, ein, und das Material – 100 Fässer Schießpulver, 200 Gewehre mit allem Zubehör und 7000 Feuersteine – wurde pflichtgemäß geliefert.60 Unabhängig vom Inhalt der Vereinbarung war sie für Toussaint ein großer symbolischer Sieg, denn sie stellte eine internationale Anerkennung seiner diplomatischen Legitimität dar. Die Unterstützung revolutionärer Umstürze in der Region war die erste große Prüfung für Toussaints Nichtangriffspakt mit den Briten. Es hatte während der Revolutionsjahre mehrere französisch-republikanische Pläne zur Befreiung der britischen und spanischen Kolonien in der Karibik gegeben, aber keiner war konsequent verfolgt worden. Doch im Jahr 1799 entwarf Roume mit der aktiven Unterstützung seiner Vorgesetzten im Direktorium einen kühnen Plan, um die Briten aus Jamaika zu vertreiben. Dazu gehörte die Mobilisierung der Marron-Rebellen in den Blue Mountains ebenso wie die Rekrutierung des kleinen Kontingents von französischen schwarzen und weißen Exilanten auf der Insel; der Coup de grâce sollte von einem französischen Expeditionskorps von 4000 Mann ausgeführt werden, das in Saint-Domingue ausgebildet und
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ausgerüstet worden war und unter dem Befehl des mixed-race Generals Martial Besse stand. Eine der Schlüsselfiguren der Operation war Isaac Sasportas, ein idealistischer junger jüdischer Textilkaufmann aus Cap, der sich darum bewarb, «die ehrenvolle Aufgabe zu bekommen, Tod und Verderben über den britischen Feind zu bringen.»61 In seinem Brief mit Anweisungen für Sasportas, geschrieben Mitte Juli 1799 (einen Monat nach der Unterzeichnung des Maitland-Abkommens), zog Roume über die Briten her, bezeichnete sie als «kannibalistische Machiavellisten» wegen ihrer weltweiten Opposition gegen die Französische Revolution und der Versklavung afrikanischer Völker in ihren Kolonien, wo sie freie Menschen fingen und «wie gemeines Vieh» behandelten. Außerdem verurteilte er ihre Entsendung von Spionen und Agenten, um in Saint-Domingue Chaos zu stiften.62 Auch wenn Roume die genauen Bedingungen von Toussaints Vereinbarung noch nicht kannte, hatte ihn Maitlands Anwesenheit in der Kolonie zutiefst verärgert. Ende August 1799 erließ er ein Dekret, das britischen und amerikanischen Schiffen den Zutritt zu den Häfen von Saint-Domingue verwehrte.63 Der Jamaika-Feldzug stand in direktem Widerspruch zu Toussaints Beschwichtigungspolitik gegenüber den Briten. Toussaint steckte nun in einem ernsten Dilemma. Der Feldzug war von den höchsten Ebenen des Direktoriums abgesegnet worden, und deswegen konnte Toussaint sich nicht erlauben, seine Bedenken offen zu äußern. Vielmehr gab er vor, mit dem Plan einverstanden zu sein, und nahm aktiv an allen Vorbereitungen teil: Er lernte Sasportas bei Roume kennen und stimmte zu, dass er die perfekte Besetzung für die Leitung der Operation sei. Er half, die erste Reise des jungen Verschwörers nach Jamaika zu organisieren, der Kontakt zu den Blue MountainRebellen knüpfte und den Ausbruch der Insurrektion plante (dazu gehörte die Vergiftung des Morgenkaffees von Gouverneur Balcarres); Saportas meldete zurück, die Rebellen stünden für den Aufstand gegen die Briten bereit, vorausgesetzt die Unterstützung durch das französische Militär würde zugesagt. Toussaint überwachte unterdessen die Ausbildung und Ausstattung der Kampftruppen, die nach Jamaika entsandt werden sollten. Als Roume wissen wollte, ob er die Invasion unterstütze, bejahte Toussaint und sprach von «unserem Feldzug».64 Tiefen Eindruck hinterließ bei Roume, dass er sich Sorgen darüber machte, die weißen Siedler in Jamaika könnten von den Aufständischen massakriert werden. Aber er glaubte, sie würden nicht zuletzt deswegen, weil sie
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nicht das gleiche Schicksal wie die Kolonisten in Saint-Domingue in den ersten Jahren der Revolution erleiden wollten, keinen großen Widerstand leisten.65 Natürlich war Toussaint im Prinzip ernsthaft an der Befreiung der schwarzen Jamaikaner von der britischen Herrschaft interessiert. In einem Brief an Vincent Ende 1798 bezeichnete er die Briten als «Unterdrücker» und fügte hinzu: «Wenn es nur nach meinem Willen ginge, wäre Jamaika bald frei.»66 In Privatgesprächen mit seiner Entourage kritisierte Toussaint den Plan des Direktoriums allerdings heftig – und zwar nicht nur wegen seiner Verpflichtungen gegenüber Maitland. Der Plan warf einen Schatten auf seine Unabhängigkeitsbestrebungen und war überdies eine Vergeudung von Truppen zu einer Zeit, da er diese dringend brauchte, um inländische Rebellionen einzudämmen. Er hatte zudem den Verdacht, dass einige Elemente in der französischen Regierung die Operation als List nutzen wollten, um ihn und seine Armee in ein riskantes militärisches Abenteuer zu stürzen – ähnlich wie das Direktorium Bonaparte nach Ägypten geschickt hatte in der Hoffnung, er möge nie zurückkehren. Eine Niederlage hätte die Absetzung Toussaints und die Installierung eines nachgiebigeren Anführers ermöglicht, der dann ohne großen Widerstand die Sklaverei in der Kolonie wiederherstellen konnte. Mit dieser Ansicht stand er nicht allein, sie wurde nicht nur weitgehend von seinen Offizieren geteilt, sondern auch von wohlwollenden Beobachtern wie dem französischen Abgeordneten Raimond, der davor warnte, die Jamaika-Expedition könnte die Errungenschaften der Revolution in Saint-Domingue gefährden, denn ihr Hauptziel sei es, «Toussaint, seine wichtigsten Offiziere und seine Armee loszuwerden.»67 Angesichts dieses Dilemmas griff Toussaint zu einer Reihe von außerordentlichen Maßnahmen. Zunächst verriet er die Jamaika-Pläne Charles Douglas, einem der britischen Repräsentanten in Saint-Domingue, der die Information sofort an Gouverneur Balcarres weiterleitete; zu den Dokumenten gehörte eine zwölfseitige Denkschrift von Martial Besse, die dieser am 25. September 1799 Toussaint übergeben hatte.68 Danach spielte Toussaint die Pläne dem amerikanischen Konsul zu, der in einem Brief vom 30. September 1799 berichtete, der Oberkommandeur sei «entschlossen, die Invasion nicht stattfinden zu lassen», und er fügte hinzu, «er unterstützt sie zum Schein, um sie desto gewisser zu verhindern.» Toussaint drängte Stevens, «mit allen möglichen Mitteln den Operationen des französischen Agenten entgegenzuwirken».69 Seine
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Wünsche wurden bald erfüllt: Sasportas wurde kurz nach seiner Ankunft Ende November in Jamaika verhaftet, vor Gericht gestellt und am 23. Dezember hingerichtet – drei Tage vor dem geplanten Aufstand.70 Es besteht wenig Zweifel, dass Toussaints Durchstechereien direkt dafür verantwortlich waren. Das Weiterreichen von vertraulichem Material über eine bevorstehende französische Militäroperation an die Repräsentanten fremder Mächte erfüllte zudem den Straftatbestand des Landesverrats.71 Wenn Toussaint erwartet hatte, dass die akrobatischen Bemühungen, seinem Nichtangriffsversprechen gegen Jamaika gerecht zu werden, ihm das Wohlwollen der Briten einbringen würde, sah er sich getäuscht. In einem Brief an Stevens schrieb Balcarres, er glaube an «die Aufrichtigkeit und die ehrenhaften Absichten von Oberkommandeur Toussaint Louverture».72 An seine Vorgesetzten berichtete der Graf sogar, Toussaint unternehme «jede Anstrengung, Jamaika zu retten». Dies allerdings nur, wie er missvergnügt hinzufügte, «um seine eigenen Ziele zu verfolgen».73 Balcarres lehnte es schlankweg ab, Toussaints Bitte um mehr Waffen und Munition – darunter 6000 Gewehre – nachzukommen; er behauptete, er habe diese Ausrüstung in Jamaika nicht vorrätig und werde die Liste an die britische Regierung in London weiterleiten, was natürlich ein diplomatischer Weg war, die Anfrage zu beerdigen.74 Es sollte aber noch viel schlimmer kommen. Recht bald nach der Verhaftung von Sasportas ließen die Briten die Muskeln ihrer Marine spielen und brachten vier von Toussaints Kriegsschiffen auf, die er in den Süden entsandt hatte, um die Kriegsanstrengungen gegen Rigaud zu unterstützen. Die Schiffe wurden gekapert und nach Jamaika überführt – obwohl sie eine ordnungsgemäße Genehmigung vorweisen konnten, unterzeichnet vom britischen Repräsentanten in Port-Républicain Hugh Cathcart sowie von Stevens. Trotz Toussaints rascher Entsendung eines Emissärs nach Kingston verkauften die Briten die Schiffe, konfiszierten die Waffen und Munition, die sie an Bord fanden, und nahmen die Besatzung gefangen.75 Vor diesem Vorfall bestand Toussaints Seestreitmacht aus dreizehn Schiffen, der Verlust von vier davon – und fast der Hälfte der Seeleute – war zweifellos ein schwerer Rückschlag.76 Toussaint schäumte vor Wut und erklärte Cathcart, das britische Verhalten sei geradezu «ehrlos». Er selbst würde sich nicht einmal im Traum auf solche Weise verhalten, «auch wenn ich schwarz bin»77 – obwohl er es nur wenige Monate zuvor höchstselbst abgelehnt hatte, ein
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britisches Schiff freizugeben, das von einem französischen Korsaren gekapert worden war.78 In einem Protestschreiben an Balcarres bezeichnete er die Nachricht als «in höchstem Maß betrüblich».79 Er gestand, dass die Bewaffnung der vier Schiffe die Grenze überschritt, die im Maitland-Abkommen festgelegt war; doch betonte er, dass die Schiffe nur für Verteidigungsaufgaben vorgesehen waren. Er hatte nicht nur die erforderlichen Dokumente für sie besorgt, sondern an den Kommandeur der britischen Marine, Admiral Sir Hyde Parker, geschrieben, um ihn über die Schiffsbewegungen zu informieren; es hatte keinen Täuschungsversuch gegeben.80 Ende Januar 1800 beschwerte sich Toussaint noch immer bitter bei den örtlichen britischen Repräsentanten über den Vorfall und erklärte, er sehe Maitland zwar als «Freund» von SaintDomingue an, sei aber persönlich tief verletzt von der Art und Weise, wie der britische Admiral ihn behandelt habe, den er als «wilde Bestie» beschrieb.81 Er erinnerte die Gesandten daran, dass die Briten in «seiner Schuld» stünden, da er sie vor der Invasion in Jamaika gewarnt habe. Statt ihn als «Wohltäter» zu betrachten, behandelten sie ihn wie einen «Feind». «Wie soll ich nach einem solchen Verhalten», fragte er pathetisch, «den Briten je wieder trauen?»82 Genauso reagierte auch Roume, der sich glänzend bestätigt fühlte, weil die Briten nach der Kaperung von Toussaints Schiffen ihr wahres Gesicht gezeigt hätten. Er hielt Toussaint eine Strafpredigt wegen seiner Naivität: «Sie werden jetzt nicht länger den Lügen und Versprechungen dieser Unmenschen glauben, deren einziges Ziel es immer nur war, unsere Kolonie zu zerstören und Sie gleich mit.»83 Toussaint antwortete mit zwei aufeinanderfolgenden Briefen, in denen er Roume heftig der «mangelnden Diskretion» rund um die Operation beschuldigte. Der französische Repräsentant habe darin versagt, die geplante JamaikaInvasion geheim zu halten; bereits im September 1799 sei ihr unmittelbares Bevorstehen bereits weithin bekannt gewesen, selbst unter den Frauen und Kindern in Cap.84 Toussaint behauptete dreist, dieses Informationsleck habe zur Gefangennahme der französischen Verschwörer in Jamaika und ebenso zur Beschlagnahmung seiner Schiffe geführt. Bei dieser günstigen Gelegenheit erklärte er Roume, die Pläne für eine Invasion in Jamaika seien für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt, da die Briten von den französischen Plänen vollständig unterrichtet seien und sich vor einer weiteren revolutionären Erhebung so fürchteten, dass sie alle Franzosen von der Insel vertrieben hätten. Um noch zusätzlich Salz
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in die Wunde zu streuen, schob er Roume für das ganze Debakel die Schuld zu: «Ihr Plan, den Sie nicht geheim gehalten haben, hat uns viel mehr Schaden als Nutzen gebracht, in der Tat hat er uns alles zerstört.»85 Der Streit zwischen Toussaint und Roume über die Jamaika-Expedition unterstrich noch einmal die grundverschiedenen Vorstellungen der beiden Männer über die Zukunft von Saint-Domingue. Das strategische Ziel des Franzosen war vollständig an den Interessen seiner Regierung ausgerichtet, «die maritime Vorherrschaft Englands zu brechen»; es war die Pflicht aller französischen Bürger in den Kolonien, daran mitzuwirken, dass «der Einfluss der britischen Regierung auf ihre Kolonien mit allen Mitteln verhindert» wurde.86 Toussaint seinerseits musste auf die Verworfenheit der Briten nicht eigens hingewiesen werden, er hatte sie erbarmungslos bekämpft und würde als «ehemaliger Sklave» nie vergessen, dass sie die Sklaverei aufrecht erhalten wollten;87 ein paar Monate später wies er in einem Brief an Roume noch einmal darauf hin.88 Keinesfalls gab er das Ziel auf, an der britischen Position in Jamaika zu rütteln: Zu Beginn des Jahres 1800 bot er heimlich den Spaniern ein Kontingent «bewaffneter Freiwilliger» für die Rückeroberung Jamaikas an (das Mitte des 17. Jahrhunderts von den Briten eingenommen worden war) – wenn sie ihm dafür 20 000 Gewehre lieferten. Das Angebot, überbracht von Toussaints Leutnant Miguel de Arambarri, wurde vom kubanischen Gouverneur Someruelos abgelehnt.89 Gleichwohl zeigt es nichtsdestoweniger, dass Toussaint bereit war, eine selbstbewusste Außenpolitik zu betreiben, sofern sie nicht isoliert stattfand. Roumes unilaterale, aggressive Politik gegen die britischen Interessen in der Karibik erschien ihm hochgefährlich, weil sie die Verwundbarkeit von Saint-Domingue nicht berücksichtigte, und zwar sowohl gegenüber Bedrohungen von außen wie Zersetzungserscheinungen im Inneren; wie er es bezeichnenderweise formulierte, war seine Priorität die «Sicherheit meines Landes»90 – die gleichen Worte hatte er auch wenige Monate zuvor gegenüber Maitland gebraucht. In einem späteren «freimütigen» Brief an Roume drückte Toussaint seine Position noch unverblümter aus. Er würde nicht zögern, «die Engländer zu benutzen, obwohl sie unsere grausamsten Feinde sind, solange ich glaube, dass dies im besten Interesse von Saint-Domingue wäre.» Die Annahme des französischen Bevollmächtigten, man könne einen «entscheidenden Schlag» gegen die Briten in der Karibik führen», war angesichts der mangelnden Seestreitkräfte von Saint-Domingue absurd. Auf-
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grund der ungleichen Kräfteverhältnisse und des britischen «Machiavellismus» konnte man den Engländern nur durch eine Mischung aus Versöhnlichkeit und List beikommen, die Toussaint folgendermaßen beschrieb: «Ich bin bereit, sie in jeder Weise zu benutzen, die der Sicherheit, der Erhaltung und dem Wohlstand der Kolonie dient.» Vielleicht in einem Anfall von Reue über die gewagten Maßnahmen, mit denen er die Jamaika-Expedition abgewendet hatte, schloss er: «Die Zeit wird erweisen, ob ich die richtigen oder falschen Entscheidungen getroffen habe.»91 Roume blieb von Toussaints Ausführungen unbeeindruckt und wendete sich weiterhin gegen eine Ausweitung des britischen kommerziellen Engagements in Saint-Domingue; einmal forderte er sogar die Beschlagnahmung aller britisch-jamaikanischen Vermögenswerte in Saint-Marc, Arcahaie und Port-Républicain sowie der britischen Schiffe, die unter amerikanischer oder neutraler Flagge segelten.92 Der Streit zwischen dem Repräsentanten und dem Oberkommandeur erreichte in den ersten Monaten des Jahres 1800 seinen Höhepunkt, als Roume erfuhr, dass die beiden britischen Gesandten Hugh Cathcart und Charles Douglas schon seit einer Weile in Port-Républicain unter der Protektion von Toussaint tätig gewesen waren – obgleich dieser wiederholt ihre Existenz geleugnet hatte. Er gab gegenüber Toussaint seiner Empörung Ausdruck und erließ eine Bekanntmachung mit dem Befehl, die beiden Männer unverzüglich festzunehmen und zusammen mit allen anderen Engländern aus Saint-Domingue auszuweisen.93 Toussaint wies Roumes Forderung als «unklug» und «ruinös für die kommerziellen Interessen der Kolonie» zurück, wobei er hinzufügte, er könne nicht erlauben, dass eine so «unbedachte Politik» sich durchsetze.94 Toussaints diplomatische Winkelzüge gegenüber den Amerikanern und Briten wurden noch erschwert durch den Ausbruch eines brisanten inländischen Konflikts mit seinem südlichen Rivalen André Rigaud. Hédouville hatte, wie wir bereits sahen, vor seinem Abschied von SaintDomingue den General von seinen militärischen Pflichten gegenüber seinem Oberkommandeur entbunden und offen seinen Widerspruchsgeist unterstützt. Die Beziehung zwischen den beiden Männern wurde immer gespannter, und Anfang Februar 1799 hatte Roume während der Feierlichkeiten zum Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei in SaintDomingue am 16. Pluviôse eine Schlichtung versucht. Bei dieser Be-
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gegnung in Port-Républicain versprach Rigaud Loyalität und erklärte sich als Geste des guten Willens bereit, die Kontrolle der Städte Petitund Grand-Goâve, die an der Grenze zwischen seinem südlichen Departement und dem westlichen lagen, Toussaints Streitkräften zu übergeben. Doch insgeheim bereitete sich Rigaud weiterhin auf seine Auseinandersetzung mit Toussaint vor, und es kam zu Zusammenstößen mit dessen Truppen; bei einem solchen Vorfall in Jérémy kamen vierzig Soldaten ums Leben, und bei einer weiteren Gräueltat erstickten einunddreißig Anhänger Toussaints (dreißig Schwarze und ein Weißer) zusammengezwängt in einer Zelle, in die man sie eingesperrt hatte; ihre Leichen wurden ins Meer geworfen.95 Während die Spannungen zunahmen, veröffentlichte Rigaud Anfang Juni 1799 eine Proklamation, in der er Toussaint vorwarf, seine Soldaten auf einen Angriff auf den Süden vorzubereiten, die Kolonie Emigranten und britischen Interessen zu überlassen und einen «Bürgerkrieg» zu befördern.96 Wenige Tage darauf machte Rigaud den Frieden zunichte, indem er die Kontrolle über Petit- und Grand-Goâve gewaltsam wiedergewann; erneut wurden Dutzende von Toussaint-Anhängern niedergemetzelt. Anfang Juli erklärte Roume Rigaud offiziell zum Verräter und gab Toussaint die Vollmacht, «mit allen Mitteln und kriegerischen Listen die Rebellion niederzuschlagen». Der erbitterte «Krieg der Messer» (Guerre des couteaux) hatte begonnen.97 Sofort setzte auch der Krieg der Worte ein. Beide Anführer überboten sich mit einem Trommelfeuer an Pamphleten und Proklamationen, in denen sie sich gegenseitig denunzierten. In einem Sendschreiben beschrieb Toussaint Rigaud als «Verleumder, Betrüger, Tyrann, hinterhältig, hochmütig, aggressiv, neidisch, ungerecht, böswillig, grausam, rachsüchtig, Zwietracht säend, mörderisch und heimtückisch.»98 Für Toussaint war der Antrieb hinter der Aufmüpfigkeit des südlichen Gegners «sein nackter Ehrgeiz» sowie sein «Wunsch, über das ganze Land zu herrschen». Das war kein neues Phänomen: Wie er in einem Brief an Roume bemerkte, hatte sich Rigauds aufrührerisches Temperament bereits während des Vorfalls vom 30. Ventôse 1796 gezeigt, als er Villates Aufstand angezettelt hatte, um Gouverneur Laveaux aus dem Weg zu räumen und die Macht der rechtmäßigen französischen Regierungsvertreter in der Kolonie zu unterminieren. Laut Toussaint war Rigauds Engagement für das republikanische Ideal der Brüderlichkeit geheuchelt, da er vor allem von einem tiefen Hass gegen die weiße Bevölkerung angetrieben wurde. Er behauptete, Rigaud habe ihm einmal erklärt, nur
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Diese Proklamation, Ende Juli 1799 veröffentlicht, prangerte die «gottlose Koalition von Verrätern» an, die unter der Führung des Generals André Rigaud gegen Toussaints Autorität rebellierte; das Ziel der Rebellen sei die Ausrottung der weißen Einwohner, die Abkehr von Frankreich und die erneute Versklavung der schwarzen Bevölkerung.
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schwarze und People of Color seien die «natürlichen Einwohner» von Saint-Domingue, und sein heimliches Ziel sei es, die gesamte europäische Präsenz auf der Insel zu eliminieren; das war in der Tat das Gegenteil von Toussaints Vision.99 Während des Kriegs erhielt Toussaint zahlreiche Berichte über Misshandlungen an Weißen durch die Rebellen aus dem Süden: In Jérémie zum Beispiel war eine große Zahl von Europäern ermordet worden, und viele der Überlebenden waren nach Kuba geflohen; die meisten Männer, die zurückblieben, waren gezwungen worden, sich Rigauds Armee anzuschließen.100 Die Intensität des Krieges mit Rigaud wurde durch den Charakter des Bruderkriegs noch einmal dramatisch verschärft. In einem privaten Brief an Vincent, geschrieben zu Beginn des Konflikts, erklärte Toussaint, er könne eigentlich nur «den weißen und schwarzen Menschen (von Saint-Domingue) voll vertrauen», und die Verschwörung gegen ihn sei das Werk der «undankbaren und fanatischen» mixed-race Unterstützer von Rigaud; so lange er lebe, schwor er, werde die Kolonie niemals «der Besitz von Farbigen» werden.101 Kurze Zeit darauf, nachdem er von den Mordattacken der Rebellen gegen unschuldige Zivilisten gehört hatte, schrieb Toussaint erneut an Vincent und stellte fest, dass «drei von vier Farbigen Kriminelle» seien;102 in einer öffentlichen Verlautbarung erklärte er, dass der «Großteil» der mixed-race Bevölkerung sich «von den verbrecherischen Manövern eines einzelnen Mannes» habe «verführen lassen».103 Dagegen stellte sich Rigaud als Anführer der verfolgten und unterdrückten mixed-race Bevölkerung in der ganzen Kolonie dar. Er forderte seine Landsleute auf, sich ihm in seinem Kampf gegen Toussaint anzuschließen, den er bezichtigte, die mixed-race Gemeinschaft ausradieren zu wollen – vor allem in einer vielbeachteten Rede im Februar 1799 in der Hauptkirche von Port-Républicain, in der Toussaint angeblich erklärt hatte, er würde nicht zögern, die People of Color zu vernichten, wenn sie aus der Reihe tanzten. Sie seien wie gierige Gäste am Essenstisch, die versuchten, alle Gerichte zu ergattern; aber sie sollten sich von Toussaint Louvertures Teller fernhalten, denn sonst würden sie sich die Finger «verbrennen».104 Von Roume darauf angesprochen, versicherte Toussaint, er habe nur diejenigen gemeint, die sich als Aufwiegler für «König Rigaud» betätigten. Er fügte hinzu, es gebe unbestreitbar einige People of Color, die keine Befehle von «Toussaint Louverture, einem schwarzen Mann und ehemaligen Sklaven», annehmen würden.105 Gleichwohl lehnte er es ab,
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im Konflikt mit Rigaud einen «Rassenkrieg» zu sehen, und betonte, er habe immer noch vollständiges Vertrauen in die «tugendhaften Farbigen, die treu ihre Pflicht» täten. Als Beispiel erwähnte er zutreffend, dass er jeden Tag sein Leben mixed-race Offizieren anvertraue, die zu seinem engsten Gefolge gehörten, als seine Adjutanten und in seinem EliteRegiment der Vorausreiter dienten; es gab Dutzende von mixed-race Offizieren, die führende Positionen in seiner Armee innehatten. Dies, so schloss er, sei schlicht unvereinbar mit Rigauds Beschuldigung, er habe einen «tiefsitzenden Hass gegen Farbige».106 Bereits das bloße Ausmaß von Rigauds Aufstand, der sich nicht auf die südliche Provinz beschränkte, widerlegte die Ansicht, dass es sich hier um einen «Rassenkrieg» handelte. In einer Reihe sorgfältig koordinierter Schritte – was nur bestätigte, wie Toussaint bemerkte, dass der Rebellengeneral den Aufstand mindestens seit sechs Monaten geplant hatte107 – kam es zu Aufständen in allen nördlichen und westlichen Departements, vor allem in Arcahaie, Jean-Rabel, Gonaïves, Saint-Marc und Môle Saint-Nicolas; sogar Toussaints Kontrolle über Cap geriet kurzfristig in Gefahr. «Fast alle» Verwaltungsbeamten, die ihn in diesen Städten und Gemeinden verrieten, waren People of Color.108 Doch zu seinem großen Kummer gab es anciens libres (schwarze befreite Sklaven) sowie ein paar seiner schwarzen Führungsoffiziere, die sich ebenfalls der Rebellion anschlossen – darunter Oberst Christophe Mornet, einer der Helden im Krieg gegen die Engländer: Obwohl erst kürzlich von Toussaint für seine «Loyalität und Tapferkeit» zur Beförderung vorgeschlagen,109 schmiedete er ein Komplott, die Tore von Port-Républicain zu öffnen und Toussaint den Aufständischen auszuliefern. Rigauds Rebellen führten auch diverse Attentatsversuche gegen Toussaint aus, davon eines am Stadtrand von Saint-Marc, das ihn verfehlte, und ein anderes in der Nähe von Gonaïves: Im ersten Fall wurde seine Kutsche von Kugeln durchsiebt, und er überlebte nur, weil er auf einem Pferd hinterherritt; im zweiten durchschlugen mehrere Kugeln seinen Hut, und zwei Offiziere, die neben ihm ritten, wurden getötet. Er hatte allen Grund, für die kleine Feder dankbar zu sein, die Laveaux ihm 1796 geschenkt hatte und die er seither als Glücksbringer stets an seinem Hut trug.110 Das Beunruhigendste für Toussaint war, dass führende schwarze Kommandeure wie Pierre Michel und schwarze Bürger in einer Reihe von Kommunen sich der Erhebung anschlossen. Zum Beispiel lief die «ganze Masse» der Plantagenarbeiter in Port-de-Paix zu den Rebellen
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über. Toussaint gab die Schuld dafür einer Gruppe von mixed-race Unruhestiftern aus Jean-Rabel und Moustique, die sie aufgehetzt hatten, und er fügte hinzu, die Agitatoren seien an diesem Ort immer schon «Agenten der Zwietracht und Zerstörung» gewesen.111 Es stimmte zwar, dass sich viele aus materiellen Gründen dem Aufstand anschlossen (persönlicher Aufstieg, finanzielle Bereicherung oder die schlichte Aussicht auf Plünderungen), aber es gab einen wichtigeren Grund, warum schwarze Gemeinden quer durch die Kolonie sich an Toussaints Herrschaft störten: Rigauds Propagandisten schlachteten sehr effektiv seine erneuerten diplomatischen Verbindungen mit England aus, insbesondere behaupteten sie, sein Abkommen mit Maitland enthalte eine Geheimklausel, die eine Wiedereinführung der Monarchie und der Sklaverei in Saint-Domingue vorsehe.112 Laut einem Gerücht hatte man sich sogar schon über die Preise geeinigt: drei gourdins für einen männlichen Sklaven und zwei für eine Sklavin. Ein weiteres Gerücht, das 1799 unter der schwarzen Landbevölkerung im Süden die Runde machte, besagte, Toussaint habe infolge seines Bündnisses mit den Briten bereits die Trikolore aus Port-Républicain entfernt; auch wurde verbreitet, er habe Roume unter Arrest gestellt.113 Um die Hauptstadt rankten sich die wildesten Spekulationen: Ein europäischer Offizier, der sich Rigaud angeschlossen hatte, wollte mit eigenen Augen gesehen haben, wie sich Toussaint mit britischen Offizieren bei einem üppigen Bankett verbrüderte und «schwarzen und mixed-race Offizieren ins Hinterteil trat und ihnen die Epauletten abriss».114 Ironischerweise waren die Briten weit davon entfernt, Toussaint in irgendeiner Art bei seinem Kampf gegen den Aufstand zu unterstützen; vielmehr versuchten sie ihm zu schaden, indem sie Rigaud den Rücken stärkten gemäß der imperialistischen Devise, dass ihren Interessen am besten gedient war mit einem Saint-Domingue, das sich im Bürgerkrieg entzweite. Wie Admiral Parker es formulierte: «Solange Rigaud und Toussaint sich bekriegen, geht von keinem von beiden große Gefahr aus.»115 Als Maitland nach den Verhandlungen mit Toussaint SaintDomingue verließ, hielt er fest, dass Rigaud «von Jamaika umfassend mit Waffen und Munition ausgestattet» sei.116 Rigaud erhielt also, während er Toussaint vorwarf, seine Seele an das perfide Albion zu verkaufen, Waffen, Geld und sonstiges Kriegsmaterial von den Briten – was sicherstellte, dass seine Soldaten, wenn auch zahlenmäßig den Streitkräften Toussaints unterlegen, besser ausgerüstet (und bezahlt) waren als ihre
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Kollegen in der regulären republikanischen Armee.117 Die Briten überließen Rigaud auch eine Flotte von Kriegsschiffen, die Toussaints Nachrichten abfingen und zahlreiche Piraterieakte gegen amerikanische und französische Schiffe verübten, die Mannschaften massakrierten und die Passagiere über Bord warfen.118 Toussaint verurteilte Roume gegenüber diese britische Komplizenschaft mit Rigaud und merkte an, dass die spanischen Regierungsstellen in Kuba – darunter der niederträchtige Gouverneur von Santiago – den Rebellen ebenfalls Unterstützung zukommen ließen.119 Der Krieg der Messer war eine gewaltige Herausforderung für Toussaints gesellschaftliche, politische und militärische Machtstellung, und seine Reaktion darauf war nicht minder umfassend. Da er wusste, dass die Behauptung der Rebellen, er arbeite im Geheimen mit den Briten zusammen, immer mehr Glauben fand, gab er eine Reihe von Verlautbarungen heraus, in denen er energisch bestritt, eine Vereinbarung mit den Briten getroffen zu haben, die die Freiheiten der Schwarzen betreffen könnten. «Ich habe zu den Waffen gegriffen, damit Ihr Freiheit erlangt», erklärte er den Aufständischen in der Garnison von Môle SaintNicolas. «Ich allein habe die Engländer aus Saint-Domingue vertrieben, und wie Ihr war ich einst ein Sklave.»120 Er mobilisierte seine Unterstützer, indem er einen zusätzlichen freien Tag für die Plantagenarbeiter versprach und katholische Prozessionen und sogenannte kalindas organisierte, bei denen sie im Spiel ihre Könige und Königinnen wählten. Auch versuchte er, Rigauds Propaganda entgegenzutreten, indem er Emissäre entsandte, um besorgte Bürger in der ganzen Kolonie zu beruhigen: General Laplume, der unter den schwarzen bossales große Bewunderung genoss, wurde losgeschickt, um das Gerücht zu entkräften, die Stadt Léogâne sei den britischen Streitkräften übergeben worden.121 Toussaint nutzte auch sein Netzwerk von Kommunalbeamten, um seine wichtigste Trumpfkarte auszuspielen: Er war der Repräsentant der legitimen Regierung, während Rigaud und seine Anhänger gegen die Republik rebellierten und damit, wie der Bürgermeister von Saint-Louisdu-Nord sagte, die Position von «Usurpatoren» einnahmen.122 Toussaint begann sofort mit einer militärischen Antwort auf die Aufstände in seinen eigenen Hochburgen. Er bewegte sich mit großer Geschwindigkeit durch die verschiedenen Gebiete, in denen es Unruhen gab, schlug hier bewaffnete Rebellen zurück, überraschte sie dort, bevor
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sie die Möglichkeit hatten, sich zu organisieren, und einige Male kam er gerade rechtzeitig, um seine eigenen belagerten Offiziere und Soldaten vor dem Tod zu bewahren. In Port-de-Paix beispielsweise hatte sich Jacques Maurepas, der Kommandeur vor Ort, in die Hauptfestung zurückgezogen und verfügte kaum mehr über Munition, als Toussaint ankam und die Aufständischen mit einem entscheidenden Kavallerieangriff in die Flucht schlug.123 Zwar beschwerte sich der Oberkommandeur, dass er von diesen zahlreichen Operationen «körperlich absolut entkräftet»124 sei, doch erreichte er rasch sein Ziel, und gegen Ende August 1799 waren sämtliche westlichen und nordwestlichen Territorien wieder unter seiner Kontrolle; in Môle Saint-Nicolas begrüßten ihn die befreiten Einwohner, die von den Rebellen als Geiseln genommen worden waren, mit festlichem Straßenschmuck.125 Dann konzentrierte sich Toussaint auf den Süden und übertrug seinem treuen Leutnant Dessalines die Aufgabe, das Rebellengebiet zurückzuerobern; er wählte ihn aus wegen seiner «Präzision, Courage, Besonnenheit und seiner untadeligen republikanischen Grundsätze».126 Dessalines sollte mit seinen Truppen ein Jahr brauchen, um Rigaud endgültig zu besiegen; ihr erster großer Durchbruch war der Hafen von Jacmel, der im März 1800 fiel, gefolgt von Grand-Gôave im April, bevor Toussaint Anfang August in die südliche Hauptstadt Les Cayes vorstieß. Rigaud war wenige Tage zuvor aus der Kolonie geflohen. Er kehrte erst 1802 zurück, als Mitglied des französischen Truppenkontingents, das Bonaparte ausgesandt hatte, um Toussaints Regime zu stürzen. Dieser militärische Erfolg war das logische Ergebnis von Toussaints numerischer Überlegenheit, aber darin spiegelte sich auch der unverwüstliche Geist seiner republikanischen Armee. Die Berichte von Dessalines enthalten Beispiele von außerordentlicher Kühnheit, so als das 3. Bataillon von sans-culottes (unterstützt von Laplume) ausgeschickt wurde, eine feindliche Festung einzunehmen, die auf einem steilen Bergkamm in der Region von Alcul errichtet worden war. Obwohl sie unter starken Beschuss gerieten, marschierten sie furchtlos hinauf, stürmten «mit aufgepflanzten Bajonetten» das Bollwerk und eroberten die Stellung mitsamt einem großen Vorrat an Waffen und Munition. Dessalines berichtete, dass die Offiziere vier feindliche Kämpfer ihren Soldaten entrissen und zu Gefangenen machten, während der Rest dem «Schwert zum Opfer fiel».127 Der Furor der Soldaten war in diesem Fall dadurch verursacht, dass sie Rache nehmen wollten für den
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Verlust von mehr als hundert Kameraden der 7. Halbbrigade, die von Rigauds Leuten in einem Hinterhalt ermordet worden waren. Die Rebellen hatten sich als Landarbeiter ausgegeben, die gezwungenermaßen in Rigauds Armee dienen müssten; sie sagten, sie wollten desertieren und zu ihren Plantagen zurückkehren. Als die 7. Halbbrigade ankam, um sie zu unterstützen, wurde sie niedergemetzelt. In seinem Bericht an Roume über den Vorfall vermerkte Toussaint, dass alle Rädelsführer People of Color gewesen seien.128 Es war diese explosive Gemengelage aus «Rassen»-Konflikt, Bruderkrieg und dem allgegenwärtigen Gefühl von Verrat, die das schreckliche Ausmaß an Gewalt im Krieg der Messer mitverursachte. Rigauds Gräueltaten, deren lange Liste von Toussaints Offizieren fortgeschrieben wurde, wendeten sich vor allem gegen die weiße Bevölkerung im Süden: Neben Jérémie gab es Massaker in Les Cayes, und planmäßig wurden Plantagenbesitzer ins Visier genommen und ermordet, wobei man auch ihre Frauen und Kinder nicht verschonte.129 Auch wenn Toussaint nie so erbarmungslose ethnische Säuberungen praktizierte, zog es auch ihn immer tiefer in die Spirale der Gewalt hinein – nicht zuletzt, weil die Rebellen Mordanschläge auf ihn verübten. Selbst der vornehme Roume drängte ihn, die Aufständischen «zu vernichten».130 Gegen Offiziere, die ihn verrieten, wurde wenig Zurückhaltung geübt: sowohl Christophe Mornet als auch Pierre Michel wurden hingerichtet; nicht anders erging es vielen ihrer Untergebenen, die der Anstiftung zum «Bürgerkrieg» angeklagt wurden.131 Michel hatte noch Glück: Ihn erwartete ein Erschießungskommando, während Mornet bajonettiert wurde, und die Männer, die in Gônaives ein Komplott gegen Toussaint geschmiedet hatten, mit einer Kanone exekutiert wurden; einer von ihnen überlebte den ersten Schuss, und das Urteil musste dann von einem Erschießungskommando vollstreckt werden.132 Es gab Berichte über Massenexekutionen, sowohl in den von Toussaint kontrollierten Gebieten als auch durch übereifrige Offiziere im Süden. Laut Angaben aus Exilantenkreisen fanden nach dem Scheitern des Aufstands Vergeltungsmaßnahmen gegen mixed-race Soldaten und Zivilisten in PortRépublicain, Arcahaie, Saint-Marc und Gonaïves statt. Viele wurden durch Erschießungskommandos exekutiert, andere wurden aneinander gekettet und ins Meer geworfen;133 der Autor eines Briefs an den französischen Marineminister schätzte die Zahl der getöteten People of Color auf 6000 und verglich die Gräueltaten mit den Massakern von Saint-
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Barthélémy.134 Toussaint selbst gestand, dass «einige arme Unschuldige»135 den Kämpfen zum Opfer gefallen waren, und gab Rigaud die Schuld an ihrem Tod. Selbst Menschen, die Toussaint zugetan waren, wie sein Gesandter Vincent, beobachteten, wie er versuchte, ein Exempel zu statuieren, um «diejenigen, die sich der Insubordination schuldig gemacht hatten, durch furchtbare und frappierende Beispiele in Schrecken zu versetzen.»136 Darum wirkte er, als er einen seiner Offiziere wegen unnötigen Blutvergießens tadelte, nicht allzu überzeugend: «Ich habe dir gesagt, du sollst (den Baum) beschneiden, nicht entwurzeln.»137 Wenig überraschend antwortete der Offizier lakonisch, wobei er einen von Toussaints Lieblingssprüchen zitierte: «Was immer draußen ist, wird nass.»138 Aber nicht alle waren so blutrünstig. Obgleich ihm der Ruf der Grausamkeit vorausging, tat Dessalines bemerkenswerterweise sein Bestes, um mixed-race Zivilisten zu beschützen. Toussaint versuchte daraufhin, die Gewalttätigkeit seiner Truppen zu zügeln, und in seinen späteren Bekanntmachungen bot er all jenen im Süden Amnestie an, die bereit waren, ihre Waffen niederzulegen und zu ihrer Arbeit zurückzukehren; er versprach, zu «vergeben und alles zu vergessen»,139 und sandte Vincent nach Les Cayes, um mit Rigaud ein Ende des Konflikts auszuhandeln.140 Er bestand auch auf den Tugenden der Menschlichkeit. Seinen Soldaten wurde vor einem ihrer Versuche, Jacmel einzunehmen, eine Predigt des Oberkommandeurs vorgelesen, die sie daran erinnerte, dass die Feinde, gegen die sie kämpfen würden, ihre Brüder waren, von denen viele nur zu den Waffen gegriffen hatten, weil sie von Rigaud getäuscht worden waren. Er forderte sie auf, die «Besiegten mit Respekt» zu behandeln und niemals ihren Ruhm zu beflecken, «indem sie das Blut eines Mannes vergossen, der seine Waffen niedergelegt hat.»141 Der Angriff von Dessalines’ Truppen wurde von den Aufständischen zurückgeschlagen, die sieben Forts errichtet hatten, jedes von einem tiefen Graben umgeben, um die republikanische Armee am Vorrücken gegen die Stadt zu hindern; wie Toussaint nach der Rekognoszierung des Terrains zugab, bedurfte es «großer Anstrengungen», um diesen Verteidigungsring zu überwinden.142 Den entscheidenden Beitrag leistete schließlich die amerikanische Marine: Nachdem Rigauds Männer sechs Monate lang standgehalten hatten, ergaben sie sich schließlich, als die USS General Greene die Befestigungen von Jacmel mit Beschuss belegte; die Experiment und die Augusta nahmen ebenfalls an der Blockade teil.143
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Tatsächlich sicherte Konsul Stevens ab dem Augenblick, da im Süden der Krieg erklärt wurde, Toussaint seine volle Unterstützung zu und versprach, seiner schlecht ausgerüsteten Armee Proviant, Waffen und Munition zu liefern.144 Stevens prangerte auch vor den US-Behörden Rigauds «unberechenbares und tyrannisches Temperament» an und wies auf «die unbedingte Notwendigkeit» hin, «Toussaint mit allen legalen Mitteln» zur Seite zu stehen.145 Sein Ruf wurde erhört, und die uneingeschränkte Unterstützung der Vereinigten Staaten ermöglichte nicht nur den Sieg bei Jacmel, amerikanische Schiffe (darunter die USS Constitution) transportierten Toussaints Soldaten sowie Schießpulver an die südliche Front und blockierten Rigauds Häfen, während Dessalines’ Truppen an Land angriffen; die Schiffe patroullierten auch auf dem Meer und verwickelten Rigauds Schiffe in Gefechte, wobei sie den Rebellen schwere Verluste zufügten.146 Toussaint drückte seine Freude und tiefe Dankbarkeit gegenüber den amerikanischen Marinekommandeuren aus.147 Die Operation erwies sich auch für amerikanische Kaufleute und sogar für die Marineoffiziere als außerordentlich profitabel: Christopher Perry, Kapitän der General Greene, erhielt vom Oberkommandeur für seinen Beitrag zur Befreiung von Jacmel als Belohnung 10 000 Pfund Kaffee.148 Als Toussaint im August 1800 in die südliche Hauptstadt Les Cayes kam, war er ernst gestimmt. Er forderte seine Landsleute in ganz SaintDomingue auf, wachsam zu bleiben, da der Mensch mehr «dem Bösen als dem Guten» zuneige149 – ein deutliches Zeichen dafür, dass der Krieg der Messer auch ihn stark belastet hatte. Er ernannte Laplume zum Kommandeur der Südregion: eine kluge Wahl, die seinen Wunsch verriet, so rasch wie möglich zur Normalität zurückzukehren.150 Er belobigte seine Soldaten für ihre Tapferkeit und Disziplin und befahl ihnen, ihren Sieg mit dem Besuch der sonntäglichen Messe zu feiern – vielleicht um Buße zu tun für die extreme Gewalt, die sie angewendet hatten.151 Für den Krieg machte er Rigaud und seine «Kriminalität» verantwortlich – Rigaud habe «der Republik den Krieg» erklärt, während er selbst sich von den «Prinzipien der Menschlichkeit, der Religion und der Liebe» zu seinen Landsleuten leiten lasse; in diesem Geist reiche er den Einwohnern des Südens, die er von nun an als «Freunde und Brüder» anzusehen versprach, die Hand zu Vergebung und Versöhnung.152 Die Rhetorik war vollkommen republikanisch bis hin zu dem Ideal der
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Brüderlichkeit, das in einem ausschließlich bürgerrechtlichen Sinne formuliert war; es war nicht mehr die Rede von Weißen, Schwarzen oder Menschen anderer Hautfarben. Da Saint-Domingue nun Aussicht auf Frieden und Wohlstand hatte, brachte Toussaint seinen Dank gegenüber dem «höchsten Wesen» zum Ausdruck und schloss mystisch: «Ohne Seine Führung ist das Werk der Menschen nicht dauerhaft, und ihre Pläne sind flüchtiger als die aufgewühlten Wogen der See.»153 Toussaint hatte allen Grund, dem Allmächtigen nach dem Ablauf dieser Zeitspanne von 22 Monaten dankbar zu sein, die mit dem Hinauswurf von Hédouville begann und mit dem Sieg über Rigaud endete. Er hatte die wirtschaftliche und politische Isolation von Saint-Domingue überwunden, einen Angriff auf seine Führungsrolle überstanden und die diplomatische Handlungsfähigkeit der Kolonie sichergestellt. Dabei hatte er seinen maßgeblichen Einfluss auf die Kolonialbürokratie in Saint-Domingue, die nominell Roume unterstand, so stark ausgebaut, dass beispielsweise alle Anträge für Reisepässe nunmehr von Toussaint persönlich bewilligt werden mussten.154 Außerdem trug er allein die Verantwortung für die Finanzen der Kolonie, was sich zum Beispiel darin zeigte, dass er alle Verpachtungen von Grundbesitz überwachte.155 Einem seiner führenden Finanzbeamten gab er die prägnante Anweisung: «Kein Penny darf ohne meine Erlaubnis die Schatzkammer verlassen.»156 Sowohl in seinem Bewusstsein als auch in seinen Handlungen rückte er immer weiter von Frankreich ab: Anfang 1800 erklärte er den britischen Repräsentanten in Saint-Domingue, dass er seine «Macht nicht von Frankreich erhalten» habe.157 Doch diese Erfolge hatten ihren Preis, menschlich wie politisch. Er war noch verschlossener geworden, verließ sich zunehmend nur auf seine Intuitionen und vertraute seinen Gefährten immer weniger. Hunderte seiner mutigen republikanischen Soldaten waren im Krieg der Messer gefallen. Selbst vielen seiner Bewunderer schienen seine Arrangements mit den Briten, der Verrat der Geheimpläne seiner eigenen Regierung hinsichtlich Jamaikas und sein systematisches Intrigieren hinter dem Rücken der verschiedenen französischen Vertreter eher von Machtinteressen geleitet als von den Grundsätzen christlicher oder republikanischer Moral. Gleichwohl war Toussaints Handeln von Prinzipien geprägt, deren tieferer Zusammenhang ihm selbstverständlich vorkam. Das Ideal, das er mit allen Mitteln verfolgte, wie er Roume erklärte, war ein SaintDomingue, das integraler Bestandteil der französischen Republik blieb,
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aber zugleich die Freiheit hatte, seine eigenen spezifischen Interessen zu verfolgen – selbst wenn diese zu den Bündnisverpflichtungen und zu den politischen Zielen Frankreichs im Widerspruch standen. Nicht nur gegenüber dem französischen Repräsentanten benannte er die Unterschiede, die nach seiner Ansicht zwischen Frankreich und Saint-Domingue bestanden. Als Vincent ihn bat, die Kolonie verlassen und in die Metropole zurückkehren zu dürfen, antwortete er, er «liebe sein Land zu sehr», um dem Ingenieur die Rückkehr nach Frankreich erlauben zu können – eine aufschlussreiche Unterscheidung.158 Dieser Konflikt spitzte sich durch Toussaints Ablehnung des Jamaika-Feldzugs zu. Für ihn war der Widerstand gegen die Invasion schon durch seine eigene revolutionäre Kalkulation gerechtfertigt – ob er Sasportas’ Leben opferte, um den Tod von Hunderten seiner republikanischen Soldaten zu verhindern, oder seine Armee zurückhielt, um gegen Rigauds Aufstand vorzugehen, oder einen schlecht durchdachten und möglicherweise zum Scheitern verurteilten französischen Plan sabotierte, um die jahrelange und mühselige republikanische Konsolidierung in SaintDomingue nicht zu gefährden. Auch von seinem Traum, seine versklavten Brüder zu befreien, ließ er nicht vollständig ab. Laut den Memoiren seines Sohns sprach er in späteren Jahren häufig davon, eine Militärexpedition nach Afrika zu führen, um den Sklavenhandel zu beenden.159 Toussaint war ohne Zweifel von seinen Erfahrungen mit den Briten manchmal entmutigt. Seine vier gekaperten Schiffe wurden nie zurückgegeben, ebenso wenig wie ihre gefangenen Besatzungen, obwohl Bacarres versuchte, bei Hyde Parker zu seinen Gunsten zu intervenieren. Die zivilen und militärischen Behörden von Jamaika blieben dem revolutionären Saint-Domingue gegenüber reserviert, vor allem nach Toussaints Sieg über Rigaud.160 Nachdem es mit den britischen Vertretern vor Ort zu keinem Fortschritt kam, insbesondere nicht mit Parker, der ihn als «Feind» betrachtete,161 suchte Toussaint den direkten Weg zur britischen Regierung. Er schickte einen Gesandten nach London (einen weißen Kolonisten namens Pennetier), um noch einmal seine Rolle als stabilisierender Faktor in der Region zu bekräftigen.162 Mit Hilfe von Maitland163 machte Pennetier in London einen vorteilhaften Eindruck. Er betonte, Toussaint sei nur am «Glück seines Volks» interessiert.164 Daraufhin kam der Außenminister, der Herzog von Portland, zu der Ansicht, dass es in Englands Interesse liege, «ein gutes Einvernehmen» mit dem Herrscher von Saint-Domingue herzustellen.165
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Die Nachricht sprach sich rasch unter den britischen Kaufleuten herum, von denen sich einige nach 1799 mit Erfolg in Port-Républicain und Gonaïves niederließen. Toussaints diplomatisches Geschick zeigte sich auch darin, wie er die britischen Gesandten in Saint-Domingue hofierte und dazu brachte, wohlwollende Berichte über ihn an ihre Vorgesetzten zu schicken. Einer der ersten empfahl Toussaint wegen der «buchstabengetreuen Genauigkeit und Verlässlichkeit», mit der er seine Zusagen bisher eingehalten habe; er pries auch seine «Leutseligkeit und Menschlichkeit» und fügte hinzu, er werde «in hohem Maß von seinem Volk geliebt».166 Doch Toussaint ließ sich nicht beirren: Insbesondere nach der Entwendung seiner Schiffe 1799 war ihm daran gelegen, die Briten in ihre Schranken zu weisen; ihrem Geschäftsträger in PortRépublicain wurde nicht nur der Konsultitel verweigert, sondern er wurde gebeten, sich als Amerikaner auszugeben, und man gab ihm das deutliche Gefühl, «nur geduldet» zu sein.167 Auch minderte die Détente mit den Briten keineswegs Toussaints Abgebrühtheit: Als ein anderer britischer Repräsentant ihn fragte, warum eine größere Warenlieferung aus Jamaika noch nicht bezahlt worden sei, antwortete Toussaint «kühl», er sei doch «nicht die Verwaltung», und «als Soldat» sei er mit solchen Banalitäten nicht befasst.168 Toussaint war hocherfreut, als seine Strategie, mit den Vereinigten Staaten diplomatische Verbindungen aufzunehmen, sich unter Präsident John Adams auszuzahlen begann. Dank der guten Beziehung zu Konsul Stevens konnte er die strengen Beschränkungen, die der Marine von Saint-Domingue durch das Maitland-Abkommen auferlegt waren, umgehen und schließlich amerikanische Hilfe bei der Niederschlagung von Rigauds Rebellion in Anspruch nehmen. Im September 1800 erhielt Toussaint aus den Vereinigten Staaten Lieferungen von 20 000 Gewehren, 10 000 Paar Pistolen und über 50 000 Pfund Schießpulver.169 Die Amerikaner wurden im revolutionären Saint-Domingue so beliebt, dass man sie als «gute Weiße» bezeichnete.170 Amerikanische Handelsschiffe brachten Hunderte von afroamerikanischen Seeleuten nach SaintDomingue, die bei ihrer Rückkehr in die USA Geschichten über die Revolution und ihre heldenhaften Anführer verbreiteten.171 In der amerikanischen Presse erschienen begeisterte Artikel über Toussaint: der National Intelligencer and Washington Advertiser feierte ihn als «außerordentlichen Menschen».172 Der endgültige Beweis für Toussaint, dass die Vorsehung es gut mit
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ihm meinte, als er den Krieg der Messer in Les Cayes zu Ende brachte, hatte einen eher privaten Hintergrund. Viele Jahrzehnte hatte er seine Halbschwester Geneviève, die Tochter von Affiba, der ersten Frau seines Vaters Hippolyte, weder gesehen noch von ihr gehört. Sie war in seinen Jugendjahren aus der Familie gerissen und an einen Sklavenhalter im Süden verkauft worden. Als er hörte, dass sie vielleicht in Les Cayes lebte, spürte er sie auf und fand sie glücklich verheiratet mit Bernard Chancy, einem wohlhabenden weißen Pflanzer, der sie aus der Sklaverei befreit und dem sie neun Kinder geboren hatte. Toussaint verbrachte mit Geneviève innige Stunden, sie schwelgten in Erinnerungen an ihren Vater und die Tage, die sie zusammen auf der Bréda-Plantage verlebt hatten. Prompt rekrutierte er einen ihrer Söhne als seinen Adjutanten und lud zwei ihrer Töchter ein, bei ihm zu leben. Das nahmen sie an, und eine von ihnen heiratete schließlich seinen Sohn Isaac.173 Toussaint hatte es geschafft, einen seiner eigenen Leitsätze auf den Kopf zu stellen: Aus etwas Bitterem konnte am Ende etwas Beglückendes entstehen.
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Im Juni 1800 kam eine dreiköpfige Delegation aus Frankreich in SaintDomingue an. Vordergründig war ihr Ziel, die örtliche Verwaltung über die Intentionen der Konsulatsregierung zu informieren, die seit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire das Direktorium ersetzte. Im Artikel 91 ihrer Verfassung vom 22. Frimaire des Jahres VIII hatten die neuen französischen Herrscher verordnet, dass die Kolonien nach «Spezialgesetzen», die ihren Traditionen und Interessen angepasst waren, regiert werden sollten.1 Doch hinter dieser hochtönenden Verbeugung vor den lokalen Sitten verbarg sich das Bestreben – unter Federführung des Ersten Konsuls Bonaparte –, die Kontrolle über Saint-Domingue wiederzuerlangen; unter der neuen Ordnung durften die Kolonien keine eigenen Vertreter ins Parlament entsenden. In der Erwartung, dass ihre Anordnungen unter den nouveaux libres der Kolonie vermutlich auf Ablehnung stoßen würde, verkündeten die Konsuln öffentlich, dass die «heiligen Prinzipien von Freiheit und Gleichheit für Schwarze niemals geschmälert oder verändert werden dürfen».2 Um Toussaint zu beschwichtigen, wurde kein Geringerer als sein eigener Gesandter Charles Vincent zum Mitglied der Delegation ernannt. Obgleich der junge Ingenieur die Ausweisung Hédouvilles abgelehnt hatte, stand er bei Toussaint immer noch in hohem Ansehen. Dies war Bonaparte durchaus bewusst, und so sandte er Vincent, nachdem er Ende 1799 in Paris von diesem einen Bericht über die Situation in der Kolonie erhalten hatte, über den Atlantik zurück. Nach anfänglichen Schwierigkeiten – er wurde auf der Straße nach Cap von einer übereifrigen Militärpatrouille aufgehalten, verprügelt und dann für drei Tage ins Gefängnis geworfen, die er mit kümmerlichen Rationen aus Bananen und Wasser überstand – erreichte Vincent schließlich Port-Républicain, wo er Ende Juni 1800 bei Toussaint vorgelassen wurde. Die detaillierte
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Niederschrift seiner darauffolgenden Gespräche mit Toussaint bieten ein faszinierendes Porträt von Saint-Domingues Revolutionsführer zu diesem kritischen Zeitpunkt in der Geschichte der Kolonie.3 Was Vincent besonders beeindruckte, war Toussaints intellektuelle Redlichkeit: «Kein Mensch hängt mehr am Ideal der französischen Republik.» Auffallend war auch seine «erstaunliche Arbeitsleistung»: Ein gewöhnlicher Tag im Büro dauerte in der Regel sechzehn Stunden, und sein «unermüdlicher Eifer» bewirkte, dass alle Mitglieder seiner Entourage – seien es sein Stabschef General Agé, seine Adjutanten oder Sekretäre – «vor Arbeit und Erschöpfung schier überwältigt» waren. Er verschickte durchschnittlich 200 Briefe, war in der Lage, bis zu vierzig lieues4 pro Tag zu reisen, und im schnellen Ritt erreichte niemand seine Ausdauer. Der französische Gesandte erlebte eine Szene mit, in der Toussaint urplötzlich um zwei Uhr morgens Port-Republicain verließ und vier Sekretären befahl, ihm nachzureiten; nur einer davon vermochte jedoch, mit seinem rasenden Tempo mitzuhalten. Nachdem er Roumes Autorität ausgehöhlt hatte, war Toussaint nun für alle zivilen und militärischen Angelegenheiten zuständig – eine Machtkonzentration, die er dadurch meisterte, dass er seinen Wagen in ein kleines Büro verwandelte und ein schnelles Kommunikationssystem unterhielt.5 Sobald er irgendwo ankam, befahl er dem örtlichen Militärkommandanten, ihm sofort jede neue Nachricht oder Korrespondenz zu überbringen – ob sie nun von seinen Offizieren, von der Verwaltung oder gewöhnlichen Bürgern stammten. Diese Eingaben las er immer im Stehen und beantwortete einige davon auf der Stelle. Kurierteams transportierten Eilbotschaften zum und vom Oberkommandeur kreuz und quer durch die Kolonie. «Nirgends», staunte Vincent, «wird die Post so prompt ausgeliefert wie in Saint-Domingue.» Die Gesandten aus Frankreich kamen gerade in dem Moment an, als der Krieg im Süden sein Ende erreichte. Wie wir im vorigen Kapitel sahen, nutzte Toussaint die Anwesenheit Vincents, um ihn mit einem Friedensangebot zu Rigaud zu schicken. Diese Mission blieb ergebnislos, aber sie gestattete Vincent, Toussaints Soldaten und Offiziere in Aktion zu sehen. Er war tief beeindruckt von ihrer Moral und unverrückbaren Loyalität für ihren Oberkommandeur, den sie als «Vorbild aller wesentlichen Tugenden» ansahen. Nicht weniger staunenswert fand er ihre Disziplin und ihren Mut: Er hielt fest, dass alle feindlichen Positionen in den letzten Monaten des Konflikts nach intensiven Kämpfen Mann gegen
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Mann erobert worden waren. Außerdem beobachtete Vincent Toussaints Interaktionen mit gewöhnlichen Bürgern. Nicht genug, dass er auf ihre Briefe antwortete, er empfing auch um sieben Uhr jeden Abend 30 Männer und ebenso viele Frauen in seinen ‹petits cercles›, lauschte geduldig ihren Bittgesuchen und ordnete an, berechtigte Klagen unverzüglich zu bearbeiten. Während Vincent ihm durch mehrere Städte folgte, vermerkte er die Anwesenheit von Bürgern aller Hautfarben und Lebensumstände, von Tagelöhnern bis zu reichen Kaufleuten. Ein bedeutender Anteil seiner Besucher bestand aber aus Europäern, die Toussaint respektierten und sogar liebten. Sie idealisierten ihn als ihren «Beschützer» und nannten ihn «Vater der Kolonisten». Während Vincent Toussaint bei der Arbeit beobachtete, fiel ihm noch eine weitere Facette seiner Effizienz auf: Die Akten in seinem Büro wurden mit akribischer Sorgfalt abgeheftet; einmal wurde er Zeuge, wie Toussaint einen Brief heraussuchte, den er vom französischen Marineminister erhalten hatte und den er ohne Zögern aus einer großen Menge von Dokumenten hervorzog. Wie alle Leute, die den Oberkommandeur aus der Nähe erlebten, bewunderte Vincent dessen intellektuelle Fähigkeiten: sein Gedächtnis, seine Konzentrationsfähigkeit und Entscheidungsfreudigkeit. Bedenken äußerte Vincent nur über Toussaints «felsenfesten und kategorischen Charakter», der aus seinem grenzenlosen Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit resultierte, welche ihn «nur selten in die Irre führte». Diese Selbstgewissheit hatte ihre Schattenseiten: «Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann führt er es aus, ohne sich genügend mit den Hindernissen und Kosten zu befassen, die eine Realisierung verursacht.» Vincent konnte nicht umhin zu konstatieren, dass die jüngsten Ereignisse – die Rebellion im eigenen Kernland, der lange, bittere Krieg im Süden und die zunehmend belastete Beziehung zu den nationalen und lokalen Repräsentanten der französischen Regierung – Toussaint schwer zugesetzt hatten. Er murrte darüber, dass die Landarbeiter nicht genug leisteten, und versprach, «Maßnahmen» dagegen zu ergreifen, sobald der Krieg vorbei war. Obwohl er nicht daran zweifelte, dass er Rigaud besiegen würde, wirkte er von Sorgen umwölkt. Insbesondere äußerte sich Toussaint bedeutend weniger optimistisch über seine zukünftigen Beziehungen zu Frankreich. Er bezeichnete dessen Politik als «grausam» und fügte ominös hinzu: «Ich kenne Frankreich nicht und werde es nie kennen.» Selbst für seine frugalen Verhältnisse
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hatte er seine Ernährung beträchtlich reduziert: Seine Hauptmahlzeit bestand häufig aus einem einzigen Stück Pökelfleisch, und er war inzwischen stark abgemagert. Infolge der zahlreichen Mordanschläge auf ihn war er unzugänglicher und argwöhnischer geworden, selbst gegenüber seinen engsten Vertrauten. Vincent fiel auf, dass seine Vorausreiter und Pferde Tag und Nacht aufbruchsbereit waren, aber das genaue Reiseziel erst zehn Minuten vor Abreise erfuhren. Toussaint strahlte immer noch revolutionäre Entschlossenheit aus, aber Vincent entdeckte auch eine leise Andeutung von bösen Vorahnungen wie den häufig geäußerten Satz: «Wir haben keine Zeit zu verlieren.»6 Vincent spürte diese zunehmende Dringlichkeit. Zur Zeit seiner Begegnungen mit dem französischen Gesandten hatte Toussaint bereits sein letztes militärisches und diplomatisches Projekt in Angriff genommen: die Eroberung des von Spanien kontrollierten Territoriums von Santo Domingo durch seine republikanischen Truppen. Im Friedensvertrag von Basel von 1795 hatte Spanien sich bereit erklärt, diese Provinz, die im Osten der Insel Hispaniola lag und doppelt so groß war wie Saint-Domingue, an Frankreich abzutreten. Jedoch hatte die damalige französische Regierung die Inbesitznahme zunächst verschoben, um nicht die Instabilität, die Saint-Domingue erschütterte, noch zu vergrößern; während der 1790er Jahre war Santo Domingo denn auch tatsächlich von den verheerenden Konflikten in der französischen Kolonie verschont geblieben. Alle beteiligten Parteien waren sich einig, dass die Franzosen das Land übernehmen würden, sobald in SaintDomingue wieder Ordnung herrschte. Nachdem er Rigaud ausgeschaltet hatte, war Toussaint offenbar überzeugt davon, dass die Zeit reif sei, um die Bedingungen des Vertrags von 1795 vollständig umzusetzen – vor allem da der Sieg über die Spanier in Saint-Domingue seiner Meinung nach nur durch den Einsatz seiner tapferen republikanischen sansculottes ermöglicht worden war. Ganz grundsätzlich empfand er die Insel Hispaniola als ein Ganzes, dessen politische und administrative Vereinigung schlicht den «Naturgesetzen» entsprach. Auf dieser Basis erklärte Toussaint den amerikanischen und britischen Geschäftsträgern im Mai 1799, er verfolge das Ziel, «die oberste und alleinige Herrschaft über die ganze Insel zu erreichen».7 Doch inzwischen war die Lage noch komplizierter geworden. Die Briten hatten sich damit abgefunden, dass Toussaint das spanische Terri-
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torium übernahm, auch wenn ihnen diese Aussicht nicht gefiel; der überängstliche Gouverneur Balcarres machte sich Sorgen, es könnte sich dabei um ein Vorspiel für einen gemeinsamen Angriff von Frankreich und Saint-Domingue auf Jamaika handeln.8 Andererseits hatte das Direktorium zunehmend Bedenken wegen Toussaints Machtfülle und Rigaud unverhohlen zum Abfall ermutigt, um Toussaint zu schwächen; unterdessen hatte der französische Bevollmächtigte in Santo-Domingo, Antoine Chanlatte (eine Person of Color), «seinem Freund» Rigaud aktiv unter die Arme gegriffen.9 Diese Eindämmungspolitik wurde nach dem 18. Brumaire von der neuen Konsularregierung in Paris weiterverfolgt, der offensichtlich die Aussicht auf eine Erweiterung von Toussaints Einflussbereich auf das angrenzende Territorium gar nicht zusagte, weil Bonaparte zumindest zu diesem Zeitpunkt versuchte, sich vom revolutionären Expansionsdrang des Direktoriums zu distanzieren, und vermeiden wollte, die Spanier zu verärgern. Toussaint hatte seine eigenen Gründe für das Vorhaben, seine Streitkräfte in Santo Domingo einmarschieren zu lassen – und zwar schnell. Er wusste, dass die neue französische Regierung die Operation ablehnte, und er wollte präventiv handeln. Der Marineminister des Konsulats, Pierre-Alexandre-Laurent Forfait, hatte ihm in einem Schreiben befohlen, sich im Namen «solider Politik wie auch der Zweckdienlichkeit … jeglicher Schritte auf spanischem Territorium zu enthalten».10 Ihm war auch deutlich bewusst, dass die Franzosen regelmäßig mit ihren Schiffen in Santo Domingo landeten. Hédouville war 1798 dort angekommen, ebenso wie die Dreierdelegation der Konsuln; folglich konnte das Territorium als Basis für eine Invasion genutzt werden. Dieser Punkt war keine reine Theorie. Der konservative Regimewechsel in Paris hatte das Machtgefüge zugunsten jener Kräfte verschoben, die die egalitäre Ordnung in Saint-Domingue ablehnten, und es wurde durchaus überlegt, ein Militärkontingent zu entsenden, um Toussaint zu stürzen. Mitte 1799 sprach der Bericht eines hohen Beamten im Marineministerium namens Godard die Warnung aus, die Schwarzen in Saint-Domingue seien außer Kontrolle und würden von ihrem Oberbefehlshaber zum Glauben ermutigt, «sie stünden inzwischen über uns Weißen». Er beschrieb Toussaints Herrschaft als eine Form von «despotischem Absolutismus», in dem die offiziellen Vertreter der französischen Regierung vollständig machtlos geworden seien; außerdem lebten die Europäer in der Kolonie «in einem Zustand der Verängstigung, der dem
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der Sklaverei mindestens gleicht». Nach seiner Meinung war die Zeit guten Zuredens nun vorbei. Die gesetzliche Ordnung ließ sich nur wiederherstellen, wenn man «Zwangsmaßnahmen gegen diese Rebellen anwendet, damit sie lernen, die Gesetze der Republik zu achten und sich ihnen unterzuordnen.»11 Wie bereits erwähnt, genoss Toussaint weitreichende Unterstützung bei den Kolonisten, aber es gab einige übelwollende Einwohner, die solche Ansichten teilten, zum Beispiel den Großgrundbesitzer Paul Alliot, der 1800 in einem Brief an den Marineminister schrieb, das einzige Mittel, Toussaint zur Räson zu bringen, sei, «zehntausend europäische Soldaten in die Kolonie zu schicken».12 Es gab aber auch noch einen tieferen Grund, weshalb Toussaint die Ausweitung der republikanischen Herrschaft auf Santo Domingo für zwingend geboten hielt: Dort wurde immer noch die Leibeigenschaft praktiziert, und Banden aus den von Spaniern kontrollierten Gebieten überfielen regelmäßig die Siedlungen an der Grenze der französischen Kolonie, um junge Schwarze gefangen zu nehmen und in die Sklaverei zu verkaufen. General François-Marie de Kerverseau sah als französischer Geschäftsträger in Santo Domingo über diese Praktiken nicht nur hinweg, sondern gestattete sogar, dass Sklaven, die in Saint-Domingue gefangen worden waren, in andere karibische Kolonien verkauft wurden, vornehmlich nach Kuba.13 Toussaint verlangte von der kubanischen Regierung die Rückgabe aller schwarzen Opfer dieses illegalen Handels.14 Als Roume erfuhr, dass dieser «schändliche Handel tagtäglich» stattfand,15 bat er Kommissar Chanlatte, der Sache auf den Grund zu gehen. Dieser bestätigte Toussaints Aussage und berichtete, er habe eine junge Frau namens Flore gefunden, die an einen Spanier aus Santo Domingo verkauft und von den Franzosen für die Summe von 200 gourdes zurückgekauft worden war;16 einen Monat später schrieb Chanlatte, er sei auf weitere solche Fälle gestoßen sowie auf Beweise für die Existenz organisierter krimineller Netzwerke, und er habe bei der spanischen Regierung Beschwerde eingelegt.17 Laut Toussaints eigenen Nachforschungen, die auch Zeugenaussagen spanischer und französischer Bürger berücksichtigten, wurde der Sklavenhandel nicht in den großen Städten Santo Domingos abgewickelt, sondern in abgelegeneren Gegenden, wie zum Beispiel der südlichen Stadt Azua, wo die Verwaltung untätig blieb.18 Toussaints Kritiker behaupten, der Sklavenhandel sei eine Erfindung gewesen, um einen Vorwand für die Invasion des spanischen Territoriums zu liefern, aber das Problem war nur allzu real.19
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Dass die Französische Republik die Kontrolle über Santo Domingo übernahm, entsprach für Toussaint der historischen Gerechtigkeit, es war strategisch notwendig und moralisch geboten. Bereits im Jahr 1795, kurz nach Abschluss des Basler Vertrags, hatte er ‹Papa› Laveaux vor den spanischen Siedlern gewarnt, die absolut unzuverlässig seien und die Abschaffung der Sklaverei so fanatisch ablehnten, dass sie lieber ihr Territorium den Briten überlassen würden, als sich der Herrschaft der Französischen Republik zu beugen.20 1796 musste der allmähliche Übergang unter französische Verwaltung verschoben werden, da die Spanier die örtliche Bevölkerung erfolgreich anstachelten, bei der Ankunft der französischen Truppen gegen diese zu rebellieren.21 Vier Jahre später hielt Toussaint die Zeit für reif, um aktiv zu werden, aber er sah sich einem entscheidenden Hindernis gegenüber: Er konnte nicht losschlagen ohne die Einwilligung Roumes, der eine Machtübernahme in Santo Domingo entschieden ablehnte. Doch wie Vincent zu Recht vermutet hatte, konnte den Oberkommandeur nichts aufhalten, wenn er sich einen bestimmten Plan in den Kopf gesetzt hatte. Toussaint sollte seinen Willen durchsetzen, aber nur auf Kosten eines weiteren spektakulären Bruchs mit dem französischen Regierungsvertreter. Toussaint gab sich alle Mühe, Roume davon zu überzeugen, dass Santo Domingos republikanische Stunde geschlagen hatte. Er bombardierte ihn mit Briefen, in denen er ausführlich die Beispiele von Versklavung schilderte, die ihm zu Ohren gekommen waren. Er brachte das Thema auch im persönlichen Gespräch immer wieder aufs Tapet und spornte seine höheren Offiziere an, bei Roume zu antichambrieren. Angesichts dieses Trommelfeuers blockte Roume vollständig ab: Als Moyse bei ihm vorstellig wurde, erklärte er, die französische Besetzung Santo Domingos könne erst «nach der Befriedung von Saint-Domingue und möglicherweise von ganz Europa» stattfinden. Aus der Erfahrung seiner dreijährigen Dienstzeit als französischer Kommissar in diesem Territorium fügte Roume hinzu, ein Einmarsch würde unweigerlich den Widerstand von Santo Domingos Weißen provozieren, so dass mindestens «zehntausend» von ihnen zum Kampf gegen Toussaints Armee mobilisiert werden könnten.22 Daraufhin versuchte Toussaint es auf andere Weise: In einem Brief, der von seinem Adjutanten d’Hébécourt persönlich überbracht wurde, schrieb er, wenn die Besetzung des gesamten Gebiets von Santo Do-
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mingo undurchführbar sei, so möge Roume doch die Eroberung von Gegenden wie Azua und seiner direkten Umgebung gestatten, die offensichtlich die Operationsbasis für die Sklavenhändler darstellten; dies sei das Mindeste, was sich tun ließe, um «unsere schwarzen Mitbürger vor der Leibeigenschaft zu bewahren».23 Da er erkannte, dass er sich in der Angelegenheit konstruktiv verhalten musste, antwortete der französische Bevollmächtigte einige Tage später. Toussaint durfte von nun an alle Verdächtigen festnehmen, die möglicherweise in diesen Sklavenhandel verwickelt waren, und sie nach Cap bringen, wo sie in Gewahrsam genommen und angeklagt werden sollten. Außerdem müssten diese Angeklagten alle Sklaven in ihrem Besitz freilassen oder sie zurückkaufen und der französischen Obrigkeit übergeben. Aber was das größere Thema der Eroberung des Territoriums betraf, ließ Roume sich nicht erweichen. In Anbetracht der unsicheren Lage in der französischen Kolonie wäre die Besetzung irgendeines Teils von Santo Domingo «Verrat an Frankreich, an Saint-Domingue, an Euch selbst und der Armee unter Eurem Kommando». Er führte drei weitere Argumente ins Feld: Die Bevölkerung in und um Azua war «von britischen Agenten intensiv bearbeitet worden» und würde durch eine längere Militärpräsenz nur aufgewiegelt; der frühere französische Kommissar Kerverseau, der zum Renegaten geworden war, hatte vor seiner Abreise das Gerücht verbreitet, eine französische Invasion stünde unmittelbar bevor, und damit eine antirepublikanische Stimmung in Santo Domingo erzeugt; und jede zukünftige französische Besetzung sollte nur von europäischen Streitkräften durchgeführt werden, von denen zu diesem Zeitpunkt zu wenige in Saint-Domingue stationiert waren.24 Dass seine höchst disziplinierten und tapferen Truppen, die die Kolonie von der spanischen und britischen Besetzung befreit hatten, nun anscheinend als ungeeignet für diese Operation angesehen wurden, war für Toussaint ohne Zweifel beleidigend. Ab Ende Februar 1800 bestellte er Roume mehrfach nach Port-Républicain: Das Wohl der Kolonie sei in Gefahr.25 Roume weigerte sich, weshalb Toussaint beschloss, schweres Geschütz aufzufahren. Nach dem Muster seiner erfolgreichen Kampagne gegen Hédouville mobilisierte er in der ersten Aprilwoche seine Unterstützer aus Dondon, Petite-Anse, Grande-Rivière, Gros-Morne, Sainte-Suzanne und Limonade. Mehrere Tausend Angehörige der Nationalgarde aus diesen Gemeinden – viele bis an die Zähne bewaffnet – versammelten sich bei Haut-du-Cap, um Toussaint zu sehen, und droh-
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ten, in Cap einzumarschieren, sollten ihre Beschwerden gegen Roume nicht sofort von Vertretern der französischen Regierung angehört werden. Am 11. April wurde Roume, der Tagebuch über den Gang der Ereignisse führte,26 von Moyse in Begleitung der gesamten Stadtverwaltung von Cap zu den Demonstranten eskortiert. Dies war die klassische Politik der journèe révolutionnaire, bei der öffentliche Demonstrationen benutzt wurden, um die Obrigkeit zu Konzessionen zu zwingen. Nun allerdings fügte Toussaint noch einige karibische Finessen hinzu: Statt ein oder zwei Tage wie bei einer typischen Pariser journée dauerte der Volksauflauf in diesem Fall vierzehn Tage und Nächte. Während dieser Nervenprobe wurden Roume und seine Mitstreiter in einem Hühnerstall eingesperrt, der kaum 30 Quadratmeter maß und wo sie den Elementen schutzlos ausgeliefert waren. Das kümmerliche Dach des poulailler schützte kaum vor Regen, und wie der Tagebuchschreiber grimmig festhielt, goss es vier Tage lang in Strömen. In rascher Folge erschien eine Reihe von Volkspetitionen, geschrieben in blumiger republikanischer Prosa und unterzeichnet von zivilen und militärischen Vertretern der verschiedenen Orte. Sie machten das Prinzip des öffentlichen Wohls geltend, das Toussaint in seinem früheren Brief an den französischen Bevollmächtigten zitiert hatte, und gaben ein Misstrauensvotum gegen Roume ab, den sie schändlicher Verbrechen gegen die Republik bezichtigten, wie zum Beispiel der Unterstützung Rigauds, fragwürdiger Aktivitäten mit britischen Beamten in Jamaika (hier eine Spur von schwarzem Humor Toussaints), Verschwendung öffentlicher Gelder, Konspirationen mit Emigranten und auch der Weigerung, Toussaint zu treffen, obwohl dieser ihn wiederholt dazu aufgefordert hatte. Gleichzeitig gaben sich die Protestierenden optimistisch: Die Erklärung von Gros-Morne drücke den Stolz der Bürger aus, zur Französischen Nation zu gehören, die «das Gesetz für alle europäischen Mächte niedergeschrieben hat, ja sogar für die ganze Welt».27 In diesem ganzen revolutionären Theater glänzte der Held durch Abwesenheit. Die Bittsteller aus Dondon bemerkten sorgenvoll, sie hätten Toussaint seit mehreren Jahren nicht gesehen.28 Drei Briefe wurden nacheinander an ihn abgeschickt, die ihn drängten, nach Haut-du-Cap zu kommen, aber er antwortete, er sei bei dringenderen militärischen Unternehmungen unabkömmlich (tatsächlich fiel diese Episode mit der Rückeroberung von Jacmel im Süden zusammen). Als er das Gefühl hatte, Roume ausreichend zugesetzt zu haben, kündigte er seine baldige
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Ankunft an und bat die mobilisierten Bürger sogar, zu ihren Plantagen zurückzukehren. Eine gute Woche später ritt Toussaint unter dem Jubel der Menge ein, die, wie Roume festhielt, inzwischen auf 8000 Männer und Frauen angewachsen war. Toussaint beendete das Spektakel, indem er mit großer Geste erklärte, er würde die nötigen Schritte unternehmen, um «die Ordnung wiederherzustellen und auf die Sorgen der Menschen einzugehen».29 Am 24. April befahl er Moyse, Roume zurück zur Geschäftsstelle in Cap zu eskortieren. Wenigstens durfte der französische Bevollmächtigte auf einem Leihpferd zurückreiten; die Vertreter der Stadtverwaltung hingegen mussten zu Fuß gehen. Der Vorhang für den letzten Akt von Roumes Sturz ging drei Tage später auf. Am 7. Floréal (27. April) wurde er um neun Uhr früh in Toussaints Residenz bestellt, erneut eskortiert von Moyse; auch die Vertreter der Stadtverwaltung von Cap waren wieder dabei, ebenso wie Toussaints Schatzmeister Bunel. In ernstem Ton verlangte Toussaint ein weiteres Mal von Roume, der Einnahme von Santo Domingo zuzustimmen. Der französische Bevollmächtigte wiederholte die altbekannten Gründe für seinen Widerstand und fügte noch ein neues Argument hinzu: Er habe gehört, dass den Spaniern daran gelegen sei, Santo Domingo zu behalten, dass sie aber bereit waren, stattdessen Louisiana abzutreten, für die Franzosen ein sehr verlockender Vorschlag. Toussaint antwortete knapp, «ein sicherer Gewinn» solle «nicht für eine bloße Wahrscheinlichkeit geopfert werden». Auch die anderen Einwände Roumes wischte er vom Tisch, vor allem die Furcht, eine französische Besetzung könne zu Unruhen und möglicherweise zu bewaffnetem Widerstand führen. Nun fuhr Toussaint aus der Haut. Er beschuldigte Roume, ein «Feind der Kolonie» zu sein, wandte sich melodramatisch an die Vertreter der Stadtverwaltung und fragte drohend: «Was soll ich mit solch einem Mann machen?» Diese Drohung ließ er in der Schwebe, verabschiedete die verdatterten Stadtverordneten und schickte Roume zurück in die Geschäftsstelle, wo Moyse ihn in einem kleinen Zimmer im Erdgeschoss einsperrte und drohte, er würde ihm «den Kopf abschneiden», ebenso wie seiner Frau und Tochter, wenn er nicht augenblicklich nachgebe. Roume erwiderte, er sei bereit, als republikanischer Märtyrer zu sterben, worauf Moyse versprach, mit allen Streikräften einzumaschieren und Tod und Zerstörung über das spanische Territorium zu bringen. Roume kapitulierte und setzte das Dekret auf, das die Übernahme von Santo Domingo durch die Franzosen bekanntgab.
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Es wurde wenige Stunden später unter Aufsicht Toussaints unterzeichnet.30 Nun war der Bruch mit Roume nicht mehr zu kitten. Toussaint stellte ihn de facto in seinen Geschäftsräumen in Cap unter Hausarrest, kontrollierte seine Korrespondenz und stationierte Soldaten vor dem Gebäude, um es zu bewachen und Besucher am Eintritt zu hindern. Selbst Roumes Gattin Marie-Anne war nicht erlaubt, in die Stadt zu gehen, und bei einer Gelegenheit verhinderten die Soldaten sogar, dass Roumes Wäsche aus dem Haus gebracht wurde.31 Doch sobald Toussaint die gewünschte Unterschrift hatte, versuchte er sich zumindest auf persönlicher Ebene wieder mit dem französischen Geschäftsträger zu arrangieren. Er lud Madame Roume in seine Residenz ein und gestand ihr, er schäme sich wegen der Demütigungen, die er ihrem Mann zugefügt habe, aber er könne ihm einfach nicht mehr vertrauen. Wenig später erlitt Roume infolge der Anspannung einen Zusammenbruch und wurde krank. Er musste über einen Monat das Bett hüten, und Toussaint besuchte ihn in dieser Zeit mehrfach. Einmal verschlechterte sich sein Zustand, und der Arzt erklärte ihn für ernst. Toussaint eilte ans Krankenbett und weinte – wobei er allerdings nicht verhehlte, dass er sich hauptsächlich grämte, weil er befürchtete, dass seine Feinde ihm den Tod Roumes zur Last legen würden.32 Der Auftakt der Invasion in Santo Domingo war ein Desaster. Im Vertrauen darauf, dass sein Gesandter keinem Widerstand von Seiten der Spanier begegnen würde, sandte Toussaint seinen Stabschef, General Agé, ohne ihm auch nur eine militärische Eskorte beizugeben, in das spanische Gebiet, bewaffnet einzig und allein mit 400 Exemplaren von Roumes Dekret vom 7. Floréal und einem liebenswürdigen Begleitbrief von ihm selbst, in dem er zusagte, Frankreich würde «alle Personen und Besitzungen sowie die Gewohnheiten und Sitten der Spanier achten, sie aber zugleich den Gesetzen der Republik unterstellen».33 Agé wurde erwartungsgemäß zu Don Joaquín García, dem verschlagenen und grausamen alten Gouverneur, geführt, den Toussaint aus der Zeit seines Diensts unter spanischer Flagge noch gut in Erinnerung hatte.34 García hieß Toussaints Abgesandten salbungsvoll willkommen und nahm begierig die Juwelen entgegen, die dieser als Gastgeschenk überreichte. Er bestätigte Frankreichs Berechtigung, die vollständige Kontrolle über Santo Domingo zu übernehmen, wie es im Vertrag von 1795 festgelegt
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war, und behauptete sogar, dieser Schritt wäre eine Erleichterung, weil er sich dann friedlich in Havanna aufs Altenteil zurückziehen könne. Allerdings brauche er Zeit, um sich mit seinen Vorgesetzten zu beraten und die nötigen Vorkehrungen für einen «geordneten» Abzug zu treffen, daher könne er Toussaints Ansinnen nicht «mit der erwünschten Schnelligkeit» nachkommen.35 Don Garcías Antwort war nichts als ein Hinhaltemanöver. Als er das erste Mal von Toussaints Plänen erfahren hatte, schrieb er an seine Vorgesetzten in Spanien: «Dieser Schwarze wird stärkeren Widerstand von unseren Einwohnern erleben, als er vielleicht glaubt.»36 Tatsächlich begann sich binnen Tagen nach Agés Ankunft die Opposition gegen die Übernahme durch die Franzosen in den cabildos (Gemeinderäten) des Territoriums zu formieren. Ermutigt von García, verlangte eine von führenden kreolischen Würdenträgern Santo Domingos unterzeichnete Petition eine «Verschiebung» der Operation, während die Angelegenheit an die Regierungen Frankreichs und Spaniens verwiesen und eine Delegation nach Paris entsandt wurde, um eine Audienz bei Bonaparte zu erwirken. Man appellierte an die Überzeugung des Ersten Konsuls, dass die Gesetze in den Kolonien sich an den örtlichen Sitten orientieren sollten.37 Eine zweite Deklaration befand die Übergabe an Frankreich angesichts der gegenwärtigen Zustände in Saint-Domingue für «ungünstig» – was nur eine diplomatische Formulierung dafür war, dass diese Honoratioren sich davor fürchteten, ihre Sklaven zu verlieren und unter eine schwarze republikanische Herrschaft zu geraten.38 Mit Unterstützung der reaktionären herrschenden Elite Santo Domingos und der stillschweigenden Billigung des französischen Botschafters Chanlatte erließ García ein Dekret, das die Übernahme de facto suspendierte und alle französischen Soldaten aufforderte, sich aus Santo Domingo zurückzuziehen, bis der Konflikt endgültig entschieden war.39 Da die Spannungen zunahmen, musste Toussaints Abgesandter im Kloster von SantaClara, wo er residierte, unter militärischen Schutz gestellt werden, denn vor den Toren versammelte sich eine Volksmenge, die skandierte: «Tod für Agé!» Kurz darauf wurde der französische General vom Gouverneur und einer Abordnung der cabildos aus der Stadt eskortiert. Toussaints Gesandter war gedemütigt worden – und Don García hatte die Juwelen behalten. Unterdessen war Roume von seiner Krankheit genesen und erinnerte Toussaint daran, dass er einen schlechten Ausgang der Unter-
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nehmung vorausgesagt hatte und man besser auf ihn hätte hören sollen.40 Er unterstützte einen von García vorgeschlagenen Kompromiss (der ursprünglich von Toussaint stammte), die Übernahme zu verschieben, jedoch zur Verhinderung weiteren Sklavenhandels französische Kommissare in Azua und Santiago zu stationieren. Außerdem empfahl er nicht ohne Gehässigkeit, Agé zum Kommissar in Azua zu ernennen, eine gelinde Frechheit gegenüber Toussaints Stabschef.41 Roume streute noch zusätzlich Salz in die Wunde, indem er das ganze Debakel Agé in die Schuhe schob, dessen «Unbedachtheit» die Spanier verstört hätte. Auch sein bekannter «Hang zur Trunksucht» sei wohl nicht hilfreich gewesen.42 Eine Proklamation erklärte sein eigenes Dekret vom 7. Floréal für «null und nichtig» angesichts des «massiven Aufstands», den es in Santo Domingo ausgelöst habe, und des daraus folgenden möglichen «Kriegs» zwischen Saint-Domingue und seiner Nachbarprovinz. Somit begrüße er die Vorschläge der spanischen Regierung zur Unterbindung des Handels mit französischen Sklaven.43 Erwartungsgemäß war Toussaint außer sich. Er erklärte Roume, er sei «sehr verstimmt», vor allem über die Aussicht, dass der Sklavenhandel über die Grenze fortgeführt würde. Er betrachtete das Verhalten der Obrigkeit in Santo Domingo als «betrügerisch» und die gewaltsame Vertreibung Agés als «schwere Beleidigung», nicht nur der Republik, sondern auch seiner selbst. Vor allem beschuldigte er die cabildos, eine Atmosphäre der «Intrige» geschaffen und wilde Gerüchte über die möglichen Folgen einer französischen Übernahme verbreitet zu haben. Er hob hervor, dass diese gewöhnlich friedfertigen lokalen Granden kaum spontan gehandelt haben dürften, und argwöhnte Mauscheleien zwischen spanischen und französischen Beamten gegen ihn; es konnte kein Zufall sein, dass ein Angestellter Roumes, ein Naturforscher namens Gonzalez, während der Unruhen in Santo Domingo gesehen worden war.44 In einem späteren Brief wurde er noch deutlicher und beschuldigte Roume, er habe höchstpersönlich die spanische Revolte gegen Agé angestiftet, weil ihm die Übernahme Santo Domingos verhasst sei. Zusätzlich verteidigte er den Ruf seines Stabschefs, der seine Mission mit «Klugheit und Vorsicht» ausgeführt und seit seiner «Verheiratung mit einer guten Frau» sogar das Trinken aufgegeben habe. (Natürlich hatte Toussaint die Heirat vermittelt; er suchte gewohnheitsmäßig nach Ehefrauen für die Mitglieder seiner militärischen und administrativen Entourage.)45 Der Brief schloss mit einer friedlichen Note, denn er be-
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hauptete, er habe sich jetzt mit dem zeitlich unbegrenzten Aufschub der «Operation Santo Domingo» abgefunden: «Ich habe aufgehört, daran zu denken.»46 Das entsprach keineswegs den Tatsachen, wie wir noch sehen werden, doch zumindest für den Augenblick beschloss Toussaint, Roume und die Beamten in Santo Domingo in dem Glauben zu wiegen, er habe sich anderen Dingen zugewendet. Selbst in Zeiten revolutionärer Dringlichkeit war es manchmal angesagt, sich Zeit zu lassen und den rechten Moment abzuwarten. Roume begriff, dass die unterschiedlichen Auffassungen über Santo Domingo seine Beziehung zu Toussaint zerbrochen hatten. Aber ihm lag nach wie vor die Zukunft der Kolonie am Herzen. Auch teilte er die Sorge des Oberkommandeurs bezüglich der reaktionären Kräfte innerhalb und außerhalb der französischen Regierungskreise, die inzwischen die Kolonialpolitik in Saint-Domingue bestimmten und zunehmend den Einsatz militärischer Gewalt gegen Toussaint ventilierten. Im Juni 1800 verfasste er ein langes Memorandum, das einen alternativen Handlungsplan empfahl, und sandte es nach Paris. Dieser Bericht zeichnet sich durch einen hohen Ton, eine gründliche Analyse der Lage und durch den Optimismus aus, mit dem er in die Zukunft blickt und sich eine auf Konsens beruhende Beziehung zwischen Saint-Domingue und Frankreich vorstellt. Vor allem verrät er großen Kenntnisreichtum in seinem sensiblen Porträt von Toussaints Führungsqualitäten und seiner Machtbasis. Freilich enthüllt der paternalistische Ton die Bruchlinien zwischen selbst den wohlmeinendsten französischen Kolonialbeamten und Saint-Domingues Revolutionsführern. Roume weist zunächst darauf hin, wie stark Toussaints Macht in Saint-Domingues revolutionärer politischer Kultur verwurzelt war. Die Sklaven hatten für sich die Freiheit erobert, indem sie sich gegen ihre Unterdrücker erhoben und die Franzosen zwangen, ihre Freiheit anzuerkennen. Innerhalb dieses Prozesses hatten die «Afrikaner», wie er sie nannte, ein weitreichendes Repertoire an demokratischen Praktiken entwickelt, in deren Zentrum «Volksversammlungen» standen, auf denen sie mit «Weisheit und Tatkraft» ihre Geschäfte erledigten. Während der späteren Jahre der Revolution, auch als Toussaints Macht sich mehr und mehr konsolidierte, lebte diese Demokratie weiter und erhielt «republikanische Formen», beispielsweise in Institutionen wie Saint-Domingues Nationalgarde, die als beratende Versammlung ein «großes Konzil der
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Commune» darstellte. Die Bürger waren an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt, und Roume betont, dass sie zwar in der Regel den Empfehlungen ihrer Anführer folgten, ihr Gehorsam jedoch nicht «blind» war; bei manchen Gelegenheiten weigerten sie sich sogar, so zu handeln, wie man es ihnen vorschlug. Roume war erst kürzlich während seines vierzehntägigen Aufenthalts in Haut-du-Cap Zeuge dieses Verfahrens geworden. Dort hatte er nicht wenige Schikanen erdulden müssen, aber dennoch sparte er nicht mit Lob für die unverrückbaren republikanischen Gefühle der Landarbeiter. Ordnung, Ruhe und Verschwiegenheit seien die Haupteigenschaften dieses afrikanisch-demokratischen Geistes, schreibt er, und nicht zufällig sei auch Toussaints Macht durch sie gekennzeichnet.47 Laut Roume genoss Toussaint eben deshalb die «bedingungslose» Unterstützung der schwarzen Bürger Saint-Domingues, weil er sich unermüdlich für ihre Rechte einsetzte. Daneben galt ihm aber auch die «absolute Achtung und das Vertrauen» der europäischen Bevölkerung in der Kolonie. Roume hatte dies bei zahlreichen Gelegenheiten selbst erlebt, und er merkte amüsiert an, selbst wenn Weiße sich über eine Entscheidung Toussaints beschwerten, gäben sie die Schuld in der Regel seiner Entourage, die seine «Gutmütigkeit» ausnutzte. Nachdem unter seiner Führung zuerst die Spanier und dann die Briten vertrieben worden waren, brachte die Kolonie ihm ewigen Dank entgegen. Da er aber diese Errungenschaften nur sich selbst und den natürlichen Anlagen verdankte, die er selbst entwickelt hatte, fehlten ihm nach Roumes Meinung die Konventionen europäischer Militärdisziplin; seine politischen und militärischen Triumphe hatten «seinen amour propre über jeden Sinn und Verstand hinaus gesteigert».48 Getrieben von seinem «unbezähmbaren Charakter» und seinem «überragenden Genius» sowie seiner Furcht, die Französische Revolution könnte von ihren europäischen Feinden niedergeschlagen werden, versuchte Toussaint die Kolonie in eine Position zu bringen, in der ihr Schicksal nicht länger von dem Frankreichs abhing; er wollte nicht, dass sein Volk «zersplittert» würde. Das war der Kontext, in dem Roume seine Warnung vor einer Militärinvasion Saint-Domingues durch die Franzosen aussprach: Ein solcher Krieg würde sich lange hinziehen, viele Ressourcen und Menschenleben kosten, und die schwarzen Bürger würden «bis zum Äußersten» kämpfen.49 Um ein solches Unglück abzuwenden, schlug Roume einen Plan
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vor, der in zwei Phasen ausgeführt werden sollte: In der ersten Phase würde die französische Regierung in aller Form ihren Bevollmächtigten – Roume selbst – aus der Kolonie abziehen und Toussaint nicht nur mit militärischen, sondern auch zivilen Exekutivfunktionen betrauen. Damit würde er des guten Willens Frankreichs versichert und gleichzeitig gezwungen, effektivere Entscheidungen zu fällen. Es war besonders wichtig, dass seine Ernennungsurkunde von Bonaparte persönlich unterzeichnet war: Ihr Empfang würde «den Oberkommandierenden mit Dankbarkeit erfüllen, … Toussaint mit ihm selbst versöhnen», und er würde «in Verehrung für den Ersten Konsul entbrennen». Der Urkunde sollten detailliertere Instruktionen des Marineministers folgen, der ihn an seine Verpflichtungen gegenüber Frankreich erinnerte, an die Notwendigkeit, die Belange der Kolonie mit Sparsamkeit und ohne Parteilichkeit zu lenken. Und er würde ihn davor warnen, sich den heimtückischen Briten zu sehr anzunähern. Dies sei zunächst «die einzig praktikable Lösung» für Saint-Domingue.50 Wenn zwischen Frankreich und seinen europäischen Rivalen allgemeiner Friede eingekehrt sei, dann könne die zweite Phase des Plans in Kraft treten: Hier würde Bonaparte wieder an Toussaint schreiben, diesmal mit einer grandiosen Einladung, zur Feier seiner Leistungen Paris zu besuchen und «die französische Regierung über seine Vorschläge für die Zukunft der Kolonie aufzuklären». Mit charakteristischem Vertrauen auf den französischen Universalismus äußerte Roume seine Überzeugung, dass ein Aufenthalt in der Hauptstadt der Welt eine wunderbare Wirkung auf Toussaint haben würde: «Innerhalb eines Monats» würde er «all seine kolonialen Ideen revidieren»51 und «auf das Niveau unserer besten französischen Staatsbürger» gehoben. Gleichzeitig konnte während Toussaints Abwesenheit in Saint-Domingue die Arbeit an einem neuen «Grundgesetz» beginnen, das das politische System und die Verwaltung der Kolonie grundlegend erneuern und nach Konsultationen mit Vertretern unterschiedlicher Hautfarben und Gegenden der Kolonie in Kraft treten würde. Toussaint dürfe nicht zurückkehren, ehe diese Aufgabe vollendet wäre. Roumes Traum von Toussaint und Bonaparte, die unter dem Jubel der Pariser Seite an Seite auf die Place de la Concorde einreiten, nachdem sie einem Te Deum in der Kathedrale von Notre Dame beigewohnt haben, hat einen naiven Zauber. Man muss es ihm hoch anrechnen, dass die stürmischen Auseinandersetzungen der zurückliegenden Monate –
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ganz zu schweigen von seinem zweiwöchigen Aufenthalt im Hühnerstall in Haut-du-Cap – sein Urteilsvermögen nicht beeinträchtigten. Wenn die Ereignisse auch einen völlig anderen Verlauf nahmen, ist Roumes Vision ein Hinweis, dass der Bruch zwischen Frankreich und Saint-Domingue nicht unvermeidlich war, dass vielmehr Alternativen, die auf dauerhafter Kooperation basierten, möglich waren und auf beiden Seiten des Atlantiks auch in Betracht gezogen wurden. Gleichzeitig enthüllt Roumes Plan in seiner Infantilisierung Toussaints und seinem Glauben an die Überlegenheit der französischen Zivilisation, wie begrenzt die Vorstellungskraft in der französischen Republik von der Kühnheit der Revolution in Saint-Domingue war. Toussaint hätte sich nicht gewinnen lassen, wenn die Konsuln ihn nach Paris eingeladen und ihm den Kopf gestreichelt hätten wie einem tropischen Provinzler. Er hatte eigene Vorstellungen von einem guten Leben für sich und sein Volk, und diese unterschieden sich deutlich von denen der Franzosen. Toussaint seinerseits setzte seine kreativen Talente ein, um einen eigenen Kommunikationskanal mit der neuen konsularen Führung zu etablieren. Er beschloss, General Claude-Étienne Michel, den Leiter der dreiköpfigen Delegation, die aus Paris nach Saint-Domingue gesandt worden war, als Hauptverbindung zu nutzen. Um dafür den Boden zu bereiten, sorgte er zunächst für die psychische Destabilisierung des französischen Gesandten. Er befahl Moyse, ihn bei seiner Ankunft zu verhaften und fünf Tage lang unter harten Bedingungen in einem abgelegenen Dorf festzuhalten. Als Michel schließlich Cap erreichte, hinderte Moyse ihn daran (ohne Zweifel auf Toussaints Befehl), mit Roume in Kontakt zu treten, obwohl das ein zentraler Punkt seiner Mission war, und er hielt ihn auch von einem Treffen mit Toussaint ab. Als Michel Wochen später schließlich Zutritt zu Toussaint fand, war er dankbar, überhaupt vorgelassen zu werden.52 Das war aber bloß der Eröffnungszug. Im Lauf ihrer beiden langwierigen Unterredungen zog Toussaint eine spektakuläre Show vor Michel ab. Der französische Gesandte hatte sich bereits eine sehr schlechte Meinung über Moyse gebildet, den er als «eitel, barbarisch und despotisch» beschrieb. Toussaint gab vor, diese Meinung zu teilen; auch er fühle sich eingeschüchtert durch seinen Neffen und «wage nicht, ihm zu widersprechen», ebenso wenig wie seinen anderen Generälen, wie Dessalines und Christophe, die jede seiner Bewegungen beobachteten. Die einzi-
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gen Menschen in seiner Entourage, denen er wirklich trauen könne, seien sein Stabschef Agé und sein geistlicher Berater, der Priester Antheaume, alle anderen seien «Parasiten». Er vertraute Michel an, seine persönliche Situation sei äußerst heikel, und seine ehrgeizigen Untergebenen, die von ihm ein entschiedenes Vorgehen gegen Santo Domingo verlangten, könnten ihn «jeden Moment stürzen». Die Macht seiner Generäle sei aus dem Ruder gelaufen, fügte er theatralisch hinzu, und sie verübten sogar in seinem Namen «Erpressungen und Grausamkeiten» (hier nahm er Bezug auf den Feldzug gegen Rigaud). Dabei traten Toussaint, wie Michel notierte, Tränen in die Augen, und er flüsterte, er fürchte «um sein Leben».53 Diese schauspielerische Darbietung sollte der französischen Regierung deutlich machen, wie dringend notwendig es war, sich ohne Wenn und Aber mit ihrem ganzen Gewicht hinter Toussaint zu stellen. Nur dann, so erklärte er Michel, konnte das «schwankende Gebäude» seiner Macht gefestigt werden. Seine Finte hatte Erfolg: Der französische Gesandte beendete seinen Bericht mit der Bemerkung, Toussaint sei die einzige Persönlichkeit in der Kolonie, die die Unterstützung aller Bevölkerungsgruppen genieße und zugleich den Interessen der französischen Regierung dienen könne, der er «aufrichtig verbunden» sei. Er empfahl, ihn mit «voller Macht» auszustatten, so dass er seiner Gegner Herr werden könne. Diese Maßnahme solle durch einen «handschriftlichen Brief von General Bonaparte» förmlich bestätigt werden, dessen Anweisungen Toussaint ungeduldig erwarte.54 Damit war Michels Ratschlag identisch mit dem von Roume, obwohl die beiden Männer sich vor Absendung des Berichts nicht ausgetauscht hatten. Toussaint vollendete seinen Annäherungsversuch durch einen Brief an Bonaparte, den er Michel anvertraute. Er betrachtete den Ersten Konsul als seinen eigentlichen Ansprechpartner in Paris, viel mehr als den Marineminister Forfait, über dessen Namen er gerne Witze machte.55 Zu Beginn des Briefs äußerte Toussaint sein Bedauern, dass Michel ohne einen Brief vom Ersten Konsul in der Kolonie angekommen war: Solch ein «kostbarer Brief» wäre eine «Quelle der Ermutigung [gewesen] und hätte tröstenden Balsam in sein Herz geschickt». Er rechnete fest damit, dass sie beide von nun an eine ausgedehnte Korrespondenz unterhalten würden. Er habe Michel einen vollständigen und offenherzigen Bericht über die Situation in Saint-Domingue mitgegeben und seine Besorgnisse über die Herausforderungen geäußert, die vor
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ihm lagen; besonders erwähnte er die «beleidigende Behandlung», die Agé in Santo Domingo erfahren hatte. Nachdrücklich verdammte er die «Intrigen» der örtlichen spanischen Obrigkeit. Im Bewusstsein, dass es Beamte in der französischen Regierung gebe, die bösartige Geschichten über ihn verbreiteten, bekräftigte Toussaint erneut seine Loyalität gegenüber Frankreich und seine persönliche Integrität: Er besitze kein großes Vermögen, sondern betrachte Geld vielmehr «als korrumpierendes Metall».56 Um das persönliche Band zu stärken, das er mit Frankreichs neuem Herrscher zu knüpfen hoffte, sprach er auch von seinem Stolz auf seine beiden Söhne Isaac und Placide, die im Institut National in Frankreich ausgebildet wurden, und bat Bonaparte, sie in sein «väterliches Wohlwollen» mit einzuschließen und einen von ihnen zu ihm nach Saint-Domingue zurückzuschicken.57 Zwar bemühte Toussaint sich, einen direkten Dialog mit Bonaparte in Gang zu setzen, doch machte er sich keine Illusionen über ihn. Etwa um die gleiche Zeit, als er den Brief abschickte, sandte er seine Leutnants Huin und Hébécourt in geheimer Mission nach Frankreich, um seine beiden Kinder zurückzuholen.58 Außerdem weigerte Toussaint sich kategorisch, die Forderung umzusetzen, die Vincent ihm überbracht hatte, nämlich auf das Banner von Saint-Domingues Nationalgarde die Aufschrift sticken zu lassen: «Tapfere Schwarze, vergesst nicht, dass nur Frankreich eure Freiheit und gleichen Rechte anerkennt». Er entgegnete Vincent scharf: «Wir brauchen keine bedingte Freiheit, die nur uns zugestanden wird. Wir wollen die prinzipielle Anerkennung, dass kein Mensch, sei er rot, schwarz oder weiß, das Eigentum eines anderen Menschen sein kann. Wir sind frei, weil wir gekämpft haben und weil wir die Stärkeren sind. Der Konsul hat die Sklaverei auf der Bourboneninsel aufrecht erhalten, und auch wir werden seine Sklaven werden, wenn er stark ist.»59 So hielt Toussaint in seinem Brief an Bonaparte seine Version der Santo Domingo-Krise fest. Er hatte Roume «zwar ermuntert, aber nicht gezwungen», das Dekret vom 7. Floréal zu unterzeichnen – eine phantasievolle Darstellung der tatsächlichen Ereignisse. Er beklagte General Agés demütigenden Empfang, als er «im Namen der Französischen Republik» versuchte, das Territorium in Besitz zu nehmen, und bemerkte, dass der spanische Widerstand von der «stillen Duldung» auf französischer Seite profitiert habe. Er gab sich beträchtliche Mühe, die Übernahme zu rechtfertigen, und erwähnte dabei auch die allgemeine Empörung in der
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Kolonie über die Gefangennahme und den Verkauf französischer Bürger. General Michel könne aus eigenem Augenschein die Existenz dieses Phänomens bestätigen. Dies traf tatsächlich zu, denn auf seiner Reise von Santo Domingo nach Cap war der französische Gesandte persönlich drei schwarzen französischen Bürgern begegnet, die von einer Gruppe Spanier zu einem Landungssteg geführt wurden, um in die Sklaverei verkauft zu werden. Michel hatte angehalten, die Sklavenhändler zur Rede gestellt und ihre Gefangenen befreit.60 Was Toussaint meinte, war deutlich: Die unentschiedene Lage im spanisch kontrollierten Territorium würde nicht mehr lange geduldet. In den Monaten nach Agés Abgang aus Santo Domingo blieb alles still. Toussaint schien erpicht darauf, die Spannung abzubauen. Neben seinem Brief an Roume, in dem er ihm versicherte, dass er an eine Übernahme nicht mehr denke, schrieb er auch beschwichtigend an García und erklärte sich erleichtert, dass die Sache nun in den Händen der französischen und spanischen Obrigkeit lag, deren Entscheidung er abzuwarten versprach. Dann unternahm er eine Reihe von Aktionen, die allgemein bekannt gemacht wurden, um so den Eindruck zu verstärken, dass er sich nun allein mit innenpolitischen Themen befasste. Im Oktober 1800 veröffentlichte er eine Verfügung über die Neuorganisation der Feldarbeit, die «Faulenzen und Vagabundieren» unter den Arbeitern unterbinden sollte und Verwalter, Aufseher und Arbeiter unter drakonische militärische Überwachung stellte: Die Armee hatte nunmehr die Aufgabe, die ökonomische Produktivität der Kolonie zu überwachen.61 Er ordnete Vincent nach Môle Saint-Nicolas am Westzipfel der Kolonie ab, um dort die Festungsarbeiten zu beaufsichtigen – außerdem war er so aus dem Weg. Toussaint misstraute ihm mit Recht: Als er 1801 nach Frankreich zurückkehrte, versorgte er die Regierung mit detaillierten Landkarten der Kolonie und mit Informationen über seine Entourage.62 Des Weiteren feierte Toussaint die Befriedung von Saint-Domingue. Nachdem er Ende November 1800 in Gonaïves als Held gefeiert worden war, besuchte er Cap, wo ihm ein fürstlicher Empfang im Stil eines römischen Triumphs bereitet wurde. Ein Triumphbogen wurde zu seiner Begrüßung errichtet, und eine Weiße «von außerordentlicher Schönheit» setzte ihm feierlich einen Lorbeerkranz auf den Kopf. Die Stadtverordneten, eingedenk der furchterregenden Szene mit Roume wenige
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Monate zuvor, hatten offensichtlich entschieden, dass Liebedienerei das klügste Verhalten war, und verglichen ihn in zahlreichen Reden wahlweise mit Bacchus, Herkules und Alexander dem Großen; auch Bonaparte fand reichlich Erwähnung.63 Doch gerade als die Wachsamkeit seiner Gegner nachließ, schlug Toussaint entscheidend zu. Aus Cap schickte er mitten aus den Huldigungszeremonien einen Brief an Roume, in dem er ihn beschuldigte, «Zwietracht und Anarchie» in der Kolonie zu säen, da er sich mit «bösartigen Intriganten» umgab, die es auf schwache Gemüter abgesehen hatten und weiterhin Gerüchte verbreiteten, Toussaint würde mit den Briten in geheimem Einverständnis stehen. Sie brächten bei seinen französischen Vorgesetzten unflätige Beschuldigungen gegen ihn vor – ein Vorwurf, der belegt, dass Toussaint Roumes Korrespondenz las (wie ein amerikanischer Diplomat euphemistisch anmerkte, waren Briefe in Saint-Domingue «verlustanfällig»).64 Santo Domingo betreffend wiederholte er seine Behauptung, Roume habe mit García und dem französischen Regierungskommissar Chanlatte gemeinsame Sache gemacht, um Agé zu demütigen und die Übernahme des spanischen Territoriums zu unterbinden.65 All das hatte Roume auch früher schon gehört, aber diesmal saß der Stachel im Anhang des Briefs: Toussaint gab den Befehl, den französischen Geschäftsträger unter militärischer Eskorte (natürlich unter Moyses Kommando) mit Frau und Tochter in die abgelegene, schwüle Region von Dondon zu bringen, wo er zu bleiben hatte, bis er von der französischen Regierung abberufen wurde. Die Geschäftsräume in Cap sollten versiegelt werden. Zwar versprach Toussaint, dass Roume keinen körperlichen Schaden erleiden würde, aber diese Verbannung des offiziellen Statthalters der französischen Regierung war eine drakonische Strafe, zumal Toussaint die Neuigkeit sofort veröffentlichte.66 Diese Aktion erklärte sich ein paar Wochen später, als Toussaint einen scharf formulierten Brief an García sandte. Er verlangte «Genugtuung» für die «beleidigende» Behandlung, die die Obrigkeit in Santo Domingo seinem Gesandten Agé hatten angedeihen lassen, und erklärte erneut seinen festen Vorsatz, die Kontrolle über das Gebiet zu übernehmen, wobei er sein Versprechen wiederholte, die Personen und Besitzungen der Spanier ebenso wie ihre religiösen Gebräuche zu respektieren. Dieses Mal würde die Operation von einer «ausreichend starken Streitmacht [ausgeführt], um die Erfüllung des Vertrags [von 1795] und
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den Schutz dieses ganzen Teils der Kolonie vor den Machenschaften der Feinde der Republik durchzusetzen».67 Er warnte die Bewohner vor jeglichem Widerstand und stellte sie vor die einfache Wahl «zwischen Glück und Elend, ihr könnt auswählen».68 Mit den diplomatischen Spitzfindigkeiten hatte es jetzt ein Ende: Toussaint war wieder auf dem Kriegspfad, und diesmal hatte er Sorge getragen, dass Roume sich ihm nicht in den Weg stellte. Für die Militäroperation wurde eine Streitmacht von über 10 000 Mann mobilisiert, die in drei republikanischen Divisionen aufmarschierten und sich Santo Domingos Hauptstadt in einer Zangenbewegung näherten. Die nördliche Schlachtreihe unter Moyses Kommando hatte die Order, via Santiago auf Santo Domingo zu marschieren, während Toussaint selbst eine zweite Streitmacht anführte, die die südliche Route durch San Juan und Azua nahm, unterstützt durch ein drittes Kontingent, das er seinem Bruder Paul anvertraut hatte.69 Moyse erreichte Santiago Mitte Januar 1801, nachdem er eine beträchtliche spanische Streitmacht bei El Portezuelo geschlagen hatte. Er ließ Brigadegeneral François Pageot als Stadtkommandanten zurück und rückte in Eilmärschen weiter vor.70 Während ihres Vormarschs forderten die schwarzen republikanischen Soldaten die Sklaven auf den Plantagen auf, sich gegen ihre Besitzer zu erheben, und versprachen ihnen die Emanzipation.71 Toussaint marschierte Anfang Januar 1801 in San Juan ein, wo er noch einmal an Don García schrieb, der seinen vorigen Brief ignoriert hatte. Dieser Brief kam an Epiphanias in der Hauptstadt an, war aber vermutlich nicht die Art Epiphanie, die der spanische Gouverneur erwartet hatte. García antwortete ausweichend und schickte eine Streitmacht aus, um Toussaints Truppen entgegenzutreten, die inzwischen die Städte Azua und Bani erobert hatten, zwölf lieues von der Hauptstadt entfernt. Unter den Freiwilligen, die auf der dominikanischen Seite kämpften, befand sich auch der französische Kommissar Chanlatte, den García zum Anführer der Truppen machte, die sich Toussaint entgegenstellen sollten. So wurde die wichtigste Schlacht bei der republikanischen Übernahme des spanischen Territoriums mit französischen Kommandanten auf beiden Seiten gekämpft. Chanlatte ernannte seinen Vorgänger Kerverseau zum Stabschef, der sich zufällig zu der Zeit in Santo Domingo aufhielt und begierig war, gegen Toussaint die Waffen zu ergreifen. Selbst mit dieser Verstärkung durch einen Renegaten war das spanische Militär Toussaints Armee in keiner Weise gewachsen. Dessen
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Infanterie marschierte so schnell, dass sie 25 lieues pro Tag zurücklegte und sogar der Kavallerie davonlief, in der mindestens die Hälfte der Pferde bei diesem Eilschritt nicht mithalten konnte.72 Dank eines effektiven Spähernetzwerks, das er in der örtlichen Bevölkerung rekrutiert hatte, wussten Toussaints Leute über jede Bewegung des Feindes Bescheid. Toussaint ließ seine Armee auf dem rechten Ufer des Flusses Nizao das Lager aufschlagen und befahl, die Position zu halten, um Chanlattes Männer anzulocken. Sobald die spanischen Truppen sich am jenseitigen Ufer versammelt hatten, überquerten Toussaints Soldaten heimlich den Nizao, versteckten sich nachts im Wald und führten am Morgen des 22. Januar einen Überraschungsangriff aus. Von drei Seiten durch Toussaints Schlachtreihen angegriffen, floh die verwirrte spanische Miliz und wurde nach Chanlattes eigenen Worten «komplett in die Flucht geschlagen». Toussaint stellte seine Humanität – und taktische Klugheit – unter Beweis, als er alle spanischen Gefangenen sofort freiließ und ihnen freies Geleit zusicherte, wobei er betonte, dass seine Truppen den Bürgern von Santo Domingo nichts zuleide tun wollten, und sie aufforderte, jeglichen Widerstand aufzugeben.73 Die Botschaft kam an, und Don García kapitulierte kurz darauf. Chanlatte und Kerverseau waren klug genug, das erste Schiff nach Venezuela zu nehmen.74 Der Sieger, dessen Truppen sich mit denen von Moyse vereinigt hatten, zog am 26. Januar 1801 in Santo Domingo ein. Er ritt langsam auf seinem Lieblingspferd Bel-Argent durchs Stadttor, als wolle er die Demütigung, die man Agé zugefügt hatte, exorzieren, und hielt vor der Kathedrale an, in der der Bruder von Christoph Kolumbus begraben war. Eine Delegation von Frauen aller Hautfarben begrüßte ihn, begleitet von Musik und Fanfaren; auch sie saßen auf Pferden und trugen Banner, Lorbeerzweige und Blumen. Toussaint wurde zum Regierungsgebäude geleitet, wo er von Honoratioren erwartet wurde, die ihn ins Amtszimmer von Gouverneur García führten.75 Es hatte in Toussaints Leben seit 1791 viele außergewöhnliche Ereignisse gegeben, aber nur wenige reichten an diesen Augenblick heran, als der schwarze Revolutionsführer erneut dem spanischen Gouverneur gegenübertrat, unter dem er gedient und den er bereits 1794 gedemütigt hatte, als er ins französische Lager überlief. Die vernichtende Niederlage von Garcías Milizen wurde noch verschärft, als Toussaint sich weigerte, feierlich zu schwören, er werde Santo Domingo beschützen. «Dies wäre das erste Mal», entgegnete der Oberkommandeur, «dass der Sieger sich
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nach dem Besiegten richtet.»76 Toussaint verlangte von García die Schlüssel der Hauptstadt. Der Gouverneur führte ihn ins Ratszimmer und deutete auf eine Reihe von Zeremonialschlüsseln, die auf einem Tisch ausgelegt waren, in der Hoffnung, dass Toussaint sie selbst nehmen würde, aber im Bewusstsein der Macht politischer Symbole bestand Toussaint darauf, dass García sie ihm überreichte. Dann erinnerte er den Gouverneur an die frühen 1790er Jahre, in denen er Offizier im Dienst der spanischen Krone gewesen war und einen Plan zur Invasion und Eroberung des französischen Teils der Insel entwickelt hatte. García hatte die Idee verächtlich beiseite gewischt; jetzt, da sich das Blatt gewendet hatte, musste er einem französischen Offizier die Schlüssel von Santo Domingo überreichen. Toussaint fügte provozierend hinzu: «Wären Sie meinem ursprünglichen Plan gefolgt, stünde ich immer noch im Dienst der Allerkatholischsten Majestät, und Spanien wäre im Besitz der ganzen Insel Saint-Domingue.»77 «Ne perdons pas notre temps»: Nie folgte Toussaint seinem revolutionären Motto konsequenter als in den Monaten, die auf seinen erfolgreichen Feldzug in Santo Domingo folgten. Er wies Don García und sein Gefolge im Februar 1801 von der Insel, nachdem er den Gouverneur um 298 000 gourdes in seiner Staatskasse erleichtert hatte;78 «keine einzige gourde» dürfe die Kolonie verlassen, schrieb er arglistig an García, damit nichts in die Hände der Briten fiel.79 Mit charakteristischem Aplomb hatte Toussaint die spanische Regierung hinters Licht geführt und sie im Glauben gewiegt, die Invasion Santo Domingos habe die volle Rückendeckung Englands und der Vereinigten Staaten.80 Überdies sandte der Eroberer eine knappe Mitteilung an Bonaparte. Ganz Hispaniola stehe nun unter republikanischer Herrschaft. Er forderte ihn auf, Roume nach Frankreich zurückzuberufen, denn der Kopf des französischen Bevollmächtigten sei vergiftet von «Intrige und Boshaftigkeit».81In einem längeren Brief, den er am selben Tag an den Ersten Konsul schrieb, gönnte er sich ein wenig Prahlerei und pries seine Soldaten für ihre Tapferkeit und Standfestigkeit während des Feldzugs in Santo Domingo. Des Weiteren informierte er ihn, dass er Moyse und Dessalines in den Rang von Divisionsgenerälen erhoben habe, letzteren wegen seiner entscheidenden Rolle bei der Entmachtung Rigauds, ersteren für sein Geschick im Kampf gegen die Spanier.82 Toussaints Lob für Moyse war von tragischer Ironie, wenn man bedenkt, dass sein Neffe ihn binnen kurzem verraten sollte. Aber es lässt sich kaum
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bezweifeln, dass Moyse die Empfehlung verdiente: Selbst seine Feinde gaben zu, dass er ein mutiger und eindrucksvoller Krieger war.83 In Toussaints Augen hatte die Entlassung der spanischen und französischen Gesandten Saint-Domingue auf seinem sprunghaften Weg Richtung Autonomie vorangebracht. Im April 1801 befahl er Roume, nachdem er ihm zunächst die Neuigkeiten über Santo Domingo übermittelt und sich nach seiner Gesundheit erkundigt hatte, Saint-Domingue zu verlassen. Doch lautete der Haupttenor seines Briefs, dass er die ganze Zeit gegen Roumes Einwendungen im Recht gewesen war.84 Roume hatte fünf Monate in strengem Hausarrest verbracht, ohne sich bewegen oder Nachrichten versenden oder empfangen zu können; hätte der amerikanische Konsul Stevens nicht diskret Hilfe geleistet, wären Roume und seine Familie womöglich verhungert. Er schrieb zornig zurück, was Toussaint die Gelegenheit gab, das Werk seiner Grausamkeit zu krönen: Er teilte dem Rat der Stadt Cap mit, der Bevollmächtigte sei seiner Sinne nicht mehr mächtig und müsse angesichts seines Alters und seiner Gebrechen dringend die Kolonie verlassen.85 Eine der obersten Prioritäten war für Toussaint der Schutz der Feldarbeiter im ehemals spanischen Territorium, insbesondere nachdem er erfuhr, dass die spanischen Familien scharenweise ihre Plantagen verließen und ihre Haus- und Feldsklaven mitnahmen. Bis Ende Januar waren schätzungsweise mehr als 3000 Männer und Frauen unter Zwang von ihren Besitzern in nahegelegene spanische Herrschaftsgebiete gebracht worden, vor allem nach Kuba. Toussaint wurde sofort tätig und erinnerte die Spanier daran, dass viele dieser Sklaven Bürger von SaintDomingue waren, die man unrechtmäßig gefangengenommen hatte. Als ein Schiff namens Trois Mâts im Begriff war, mit einem großen Sklavenkontingent an Bord aus Santo Domingo abzusegeln, befahl er, die Sklaven freizulassen, und er setzte hinzu, es sei seine Pflicht, «ihre Arbeitskraft für die Bebauung des Landes zu erhalten».86 Bedeutete das, wie manche Kritiker Toussaints behaupten, dass er eigentlich gar nicht den Wunsch hatte, die Sklaven in Santo Domingo zu befreien, sondern nur an ihrer Arbeitskraft interessiert war? Angefangen mit Ardouin, der feststellte, dass es keine formelle Verkündung der Emanzipation gab, haben mehrere Historiker in Frage gestellt, dass die Sklaven in Santo Domingo tatsächlich befreit wurden;87 andere meinten sogar, Toussaint habe nur dadurch die Unterstützung der spanischen Plantagenbesitzer erreichen können, dass er ihnen versprach, sie könn-
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ten ihre Sklaven behalten. Die Leibeigenschaft habe also «de facto, wenn auch nicht de jure» fortbestanden.88 Jedoch gibt es eindeutige Beweise für die Sklavenemanzipation in Santo Domingo durch Toussaint: An dem Tag, als er formell das Territorium von García übernahm, wurden 15 000 Sklaven befreit.89 Er bestand darauf, dass sie für ihre Arbeit bezahlt wurden, und hinderte weitere ortsansässige Plantagenbesitzer daran, das Land mit ihren Sklaven zu verlassen. Außerdem machte Toussaint unmissverständlich klar, dass das alte System des institutionalisierten Rassismus nicht weiterbestehen konnte.90 Dies ist belegt durch Berichte örtlicher Aristokraten, die sich über ihr neues Los bitter beklagten und nun auch noch vollkommen neue Formen sozialer Gleichheit erdulden mussten, die sie als schändlich empfanden. Bei einem Ball zu Ehren der französischen Soldaten wurde ein Adeliger aus Santo Domingo von seiner ehemaligen schwarzen Sklavin zum Tanzen aufgefordert. Er hielt missgelaunt fest: «Sie verdankte ihre Freiheit dem Einmarsch von Schwarzen in unser Land.»91 Toussaint forderte die «Rassen»-Hierarchie der spanischen Kolonialgesellschaft sogar unmittelbar heraus, nachdem er das Territorium unter seine Kontrolle gebracht hatte, vor allem indem er Schwarze und mixedrace people für öffentliche Ämter in der Armee, der Verwaltung und den cabildos (kommunalen Ratsversammlungen) ernannte. Die neue Stadtregierung von Santiago zum Beispiel bestand aus drei Vollmitgliedern: einem Weißen, einem mixed-race Beamten und einem schwarzen Offizier namens Casimiro.92 Als Toussaint Anfang Februar 1801 in einer Proklamation allen Sklaven Santo Domingos die Freiheit versprach, dekretierte er, dass sie ein Viertel der Ernte als Lohn erhalten sollten, genauso wie im französischen Teil der Insel. Gleichzeitig aber mahnte er die Plantagenarbeiter, dass ihre neuen Rechte auch Pflichten mit sich brachten: «Hier spricht ein guter Vater zu seinen Kindern, der ihnen den Weg zum Glück zeigt, für sie selbst und für ihre Familien, und der sie zufriedenstellen will. Ich war nie der Meinung, Freiheit bedeute, dass jeder machen kann, was er will, und dass Menschen, die frei geworden sind, sich der Faulheit und Unordnung hingeben dürfen; ich wünsche, dass alle Landarbeiter an ihre Plantagen gebunden bleiben, wo sie ein Viertel der Ernteerträge verdienen sollen, und jegliche ungerechte Behandlung, die sie erfahren, muss bestraft werden. Jedoch will ich, dass sie sogar härter arbeiten als zuvor, gehorsam sind und ihre Pflichten gewissenhaft erfüllen.»93
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In einem weiteren Dekret vom selben Tag erklärte Toussaint, dass alle Einwohner Santo Domingos ab jetzt an französisches Recht gebunden seien, das explizit die Sklaverei verbot. Er hielt fest, «Feinde der Republik» würden üble Gerüchte über die neue Ordnung in Santo Domingo verbreiten, um die spanische Bevölkerung zur Flucht zu animieren: Vor allem werde behauptet, er habe seinen Soldaten «vier Stunden Plündern» zugestanden, und seine Streitkräfte hätten eine Liste prominenter Spanier erstellt, die ermordet werden sollten. Toussaint dementierte diese Gerüchte und erklärte dann, er garantiere persönlich die Sicherheit «aller Personen und Besitzungen» und schloss: «Alle Bürger ohne Unterschied» unterstünden von nun an «dem Schutz der Republik».94 Die Sprache hätte nicht deutlicher sein können. In den folgenden Wochen und Monaten widmete Toussaint sich mit seiner gesamten Energie Santo Domingo und führte eine Reihe umfassender Reformen ein, die alle Sektoren öffentlicher und privater Aktivität betrafen. Er berief einen neuen Leiter des Staatsarchivs, organisierte das Handelsgericht in der Hauptstadt neu, ernannte neue städtische Beamte, schuf ein Gendarmerie-Corps in jeder Gemeinde (mit der wichtigen Bedingung, dass sie je einen Trompeter beschäftigen mussten), gründete öffentliche Schulen, ernannte acht Pflichtverteidiger (vier in Santo Domingo und vier in Santiago), ließ neue Straßen bauen (vor allem eine, die Santo Domingo mit dem 80 lieues entfernten Laxavon verband) und öffnete sechs Häfen für den Außenhandel, während er gleichzeitig Steuern und Zölle senkte, um ausländische Investoren anzuziehen; außerdem führte er Pferdekutschen ein, die binnen kurzem in Louverture’schem Tempo durch Santo Domingo rasten.95 Er fand sogar Zeit, sich als Eheberater zu betätigen: Er schrieb an García und verlangte, dass einer seiner Offiziere sein Versprechen erfüllen müsse, die Tochter von Doña Guerrero zu heiraten; die «guten Gebräuche», bemerkte er, «müssen beschützt werden».96 In dieser Flut von Proklamationen findet sich bemerkenswerterweise eine, die «neue Siedler» aus Saint-Domingue aufforderte, die Möglichkeiten, die das neue Territorium bot, zu nutzen. Hier bewies Toussaint seine wundersam eklektischen Eigenschaften: visionäre Schwärmerei, Naturnähe und in diesem Fall einen Hauch kolonialen Unternehmertums. Er pries die Vorzüge der «herrlichen Ebene von Samanà», auf der «die Vorsehung all ihre Gunst ausgebreitet zu haben scheint». Dies war ein Eldorado, «geeignet für jede Art von Ackerbau, erfreut sie sich einer
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erstaunlichen Fruchtbarkeit und milderer Temperaturen als alle anderen Ebenen von Saint-Domingue; außerdem ist sie gesegnet durch leichten Zugang und wird von Flüssen aus allen Richtungen bewässert, vor allem vom Fluss Yuna, der nach einem langen Lauf durchs Landesinnere in die großartige Bucht von Samanà mündet, die den größten und sichersten natürlichen Hafen der Region bildet.» Toussaint versprach «jedem fleißigen Franzosen», der sich in der Gegend niederlassen wollte, Land und garantierte «einen hundertfachen Ertrag» für Investitionen und Arbeitskraft – ein Versprechen, das bewies, dass er auf absehbare Zeit das Geschick von Frankreich und Saint-Domingue als untrennbar verflochten erachtete.97 Um aber keinen plötzlichen Exodus schwarzer Plantagenarbeiter auf der französischen Seite zu provozieren, schrieb er vor, dass keines der verkauften Grundstücke kleiner als fünfzig carreaux (150 Morgen = 0,6 Quadratkilometer) sein dürfe.98 So gern sich Toussaint in großen Plänen erging, so obsessiv befasste er sich mit Details, und dies zeigte sich erneut, als er die Führung von Santo Domingo übernahm. Bald nach der spanischen Kapitulation machte er eine Rundreise durch das Territorium, um dessen landwirtschaftliches Potenzial gründlich zu evaluieren, und bestellte einen genauen Bericht vom Beauftragten für Forstwirtschaft in Saint-Domingue.99 Zudem beauftragte er den französischen Naturforscher Michel Descourtilz, die Flora der Region zu katalogisieren.100 Bei seinen eigenen Reisen durch Santo Domingo fiel Toussaint der kaum entwickelte Zustand der Region auf. Es gab nur 22 Zuckerplantagen und keinerlei Indigo oder Baumwolle; Kaffee und Tabak wurden nur für den lokalen Verbrauch angebaut. Er gab eine Proklamation heraus, in der er die Bevölkerung aufforderte, Produkte für den Export anzubauen, speziell Zucker, Kaffee, Kakao und Baumwolle. Er riet den Bauern, sich von ihren bevorzugten traditionellen Subsistenzprodukten wie Bananen, Süßkartoffeln und Yamwurzeln zu lösen; nur durch eine solche Umstellung könnten sie der Armut entrinnen.101 Besonderes Interesse nahm Toussaint am Schicksal der Mahagonibäume. Von seinen früheren Besuchen hatte er in Erinnerung, dass ganz Santo Domingo von ihnen überwachsen war, aber diesmal konnte er kaum «tausend Quadratfuß» davon entdecken. Zu seinem großen Ärger musste er feststellen, dass die Spanier Raubbau mit ihnen getrieben und die Bäume rücksichtslos für den Export gerodet hatten. Vor allem erzürnte ihn, dass die Stämme in einer Weise zersägt worden waren, die es
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Nach der Invasion Santo Domingos im Jahr 1801 forderte Toussaint die örtliche Bevölkerung auf, hauptsächlich Exportprodukte anzubauen, und zählte besonders Zucker, Kaffee, Baumwolle und Kakao auf. In der rechten Spalte findet sich die spanische Übersetzung.
unmöglich machte, die Bäume weiterhin zu kultivieren. Daraufhin dekretierte er, dass kein Mahagoni mehr exportiert werden und dass es nur im Land als Bauholz verwendet werden durfte;102 dies wurde später nach Klagen ortsansässiger Pflanzer wieder zurückgenommen, aber Toussaint ermahnte seine Zollbeamten zu Wachsamkeit bezüglich der Mahagoniexporte; sie mussten dafür Sorge tragen, dass die anfallenden Exportsteuern bezahlt wurden, und Betrug unterbinden. Toussaint drohte dem frisch ernannten Zolldirektor von Azua, er
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habe eine «gewaltige Verantwortung» und werde für die geringste Unstimmigkeit «mit seinem Kopf» bezahlen.103 Der Tatendrang des Oberkommandeurs war nicht zu bremsen. Er glich den Wert der gourde in Santo Domingo dem von Saint-Domingue an;104 er suchte die Witwe seines alten Kommandeurs General Biassou auf, der er regelmäßig eine Pension schickte, und lud sie ein, in die Hauptstadt Saint-Domingues zurückzukehren, wo sie weitere Zeichen öffentlicher Wertschätzung empfangen würde;105 nach einer explosionsartigen Zunahme von Viehdiebstählen verbot er den Verkauf von Nutztieren und befahl, dass jeder, der dabei erwischt wurde, wie er Herden von einer Gemeinde zur anderen trieb, sofort festgenommen werden müsse, es sei denn, er könne «gültige Papiere» dafür oder eine von Toussaint selbst oder den Militärgouverneuren der beiden Departements unterzeichnete Erlaubnis vorweisen.106 Als er erfuhr, wie schlecht es um die Gottesdienste in der Gegend von Santiago bestellt war, gründete er umgehend vier neue Kirchengemeinden und setzte exakt fest, wie viele Priester in jeder davon Dienst tun, wie oft sie anwesend sein und wie viele Messen sie lesen sollten.107 Neben seinen revolutionären Idealen war Toussaints Religiosität natürlich ein wichtiger Grund für seine politische Anziehungskraft; dies zeigte sich erneut im tiefgläubigen Santo Domingo. Manche rassistisch eingestellten Kleriker konnten ihre Unzufriedenheit mit der neuen Obrigkeit nicht verhehlen, und es kam sogar zu Zwischenfällen zwischen Weißen und Schwarzen in der Kathedrale von Santo Domingo. Laut einem Augenzeugen glättete Toussaint die Wogen mit einer seiner skurrilen Interventionen: Er erklärte, zu seinem «Unglück» sei er ein Schwarzer, aber «niemand [könne] ihn an wissenschaftlichen Kenntnissen übertreffen».108 Die meisten Priester versuchten danach, wenigstens einen Anschein von stillschweigender Billigung zu erwecken. Bei den Feierlichkeiten, die zu Ehren des neuen Gouverneurs in vielen Städtchen und Dörfern abgehalten wurden, ließen die Kleriker die Glocken läuten und kamen ihm in Prozessionen mit Fahnen und Weihrauch entgegen. Frauen bekränzten sein Haupt.109 Toussaints Regierung wurde von vielen Teilen der Bevölkerung unterstützt, von Schwarzen und mixed-race people bis zur Bourgeoisie der weißen Kaufleute; nur der rassistische Adel war ihr überwiegend feindlich gesonnen.110 Daher wurde Toussaint, als er im Januar 1802 auf einen Besuch zurückkehrte, im ganzen Departement mit Begeisterung be-
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grüßt. Ein Augenzeuge berichtete, er sei «von den ehemaligen Sklaven mit der größten überschwänglichen Freude empfangen» worden.111 Eine spanische Einwohnerin von Santiago nannte ihn in einem Brief an ihren Priester «Toussaint, der Erhabene» und bemerkte: «Wir hätten unserem eigenen König kein wärmeres Willkommen bereitet.»112 Er rekrutierte eine Gruppe von Musikern aus dem Fijo-Bataillon in Santo Domingo und sandte sie nach Port-Républicain, um sie in seine Ehrengarde einzugliedern.113 Es mag diese allgemeine Ekstase gewesen sein, die ihn kurz darauf dazu brachte, in Santo Domingo unter der Aufsicht eines französischen Goldschmieds namens Tessier drei Münzen prägen zu lassen. Die neuen double-escalins, escalins und demi-escalins sollten gesetzliche Zahlungsmittel auf der gesamten Insel sein und trugen auf der einen Seite die Aufschrift «République Française» und auf der anderen «Colonie de Saint-Domingue».114 Nach der Legende sollen einige auch die Aufschrift «Toussaint Louverture» getragen haben, aber das deutet möglicherweise nur darauf hin, wie unaufhörlich er die Phantasie der Einwohner beschäftigte.
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Toussaint hatte die besten Einfälle, wenn er unterwegs war. Anfang Februar 1801, als er mit seinen Edikten die Veränderung von Santo Domingo einzuleiten begann, verfasste er einen Aufruf an alle Bürger der Insel. Zunächst dankte er seiner Armee für die «mutige und kluge» Ausführung seiner Befehle und gab dem Wunsch Ausdruck, SaintDomingue (das er inzwischen regelmäßig «mon pays» nannte) möge Glück beschieden sein; sodann forderte er die Stadtverwaltungen auf, Abgeordnete für eine Volksversammlung auszuwählen, die Mitte März in Port-Républicain tagen sollte. Ihre Aufgabe war es, eine Reihe von Gesetzen zu entwerfen, die «unseren Gewohnheiten, Sitten, unserem Klima und unserer Produktionsweise entsprechen und gleichzeitig unsere Verbindung mit der französischen Republik noch mehr als bisher stärken». Das Dokument sollte dann zur Absegnung an die Regierung in Paris geschickt werden, um anschließend zum Gesetz des Landes zu werden. Nachdem Toussaint die ausländischen Truppen aus der Kolonie vertrieben, seine militärische Autorität als Oberkommandeur gefestigt, die Rebellion der südlichen Regionen unterdrückt, verschiedene französische Gesandte neutralisiert und des Landes verwiesen, die spanische Verwaltung in Santo Domingo überlistet und die gesamte Insel Hispaniola unter französisch-republikanischer Herrschaft vereinigt hatte, nahm Toussaint sein kühnstes Ziel in Angriff: die Schaffung einer neuen Verfassung.1 Dieses listige Vorgehen, das sich dem charakteristischen Einfallsreichtum Louvertures verdankte, kam für alle Beteiligten völlig überraschend. Der eigentliche Sinn von Artikel 91 der Verfassung vom 22. Frimaire des Jahres VIII, der stipulierte, dass für Kolonien «besondere Gesetze» gelten sollten, war, eine engere lokale Kontrolle durch die Zentralregierung in Paris zu ermöglichen. Toussaint nahm ihn beim
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Wort, kehrte ihn aber zugunsten seiner eigenen revolutionären Ziele um. Außerdem machte er sich die reaktionären spanisch-kreolischen Argumente zu kulturellen Besonderheiten zu eigen, die erst wenige Wochen zuvor gegen seine Invasion in Santo Domingo ins Feld geführt worden waren. Die Idee einer neuen Verfassung entsprach Toussaints Faible für Verallgemeinerungen und Kodifizierung und seiner steten Bereitschaft, Regeln zu übertreten. Der Vorstoß war ein natürlicher Kulminationspunkt seines Weges zur höchsten Macht – wie er in einem Gespräch gestand, sei er «unfähig, sein enormes Tempo zu verlangsamen», und werde «von einer okkulten Kraft fortgezogen, der er nicht widerstehen» könne.2 Toussaints Biografen sehen in seinem Verfassungsprojekt die logische Fortsetzung seines Strebens nach Unabhängigkeit. Angefangen bei Louis Dubrocas Wutgeheul gegen «das endgültige Zerreißen der Bande zwischen Kolonie und Mutterland durch den fanatischen Afrikaner» im Jahr 1802,3 haben seine konservativen Kritiker das Verfassungsprojekt als den Gipfel der Hinterhältigkeit und unzweifelhaften Beweis für sein Ziel dargestellt, die Bindungen zu Frankreich zu kappen. Seine fortschrittlichen Bewunderer sehen darin die Apotheose seines Kampfs gegen die Sklaverei, allerdings dadurch beeinträchtigt, dass er versäumte, dem Volk seine wirklichen Intentionen deutlich zu machen, und letztlich in die Despotie abglitt.4 Für andere wiederum zeigte sich in Toussaints Verfassungsplänen die Hybris eines impulsgesteuerten Mannes, der sich verrannt hatte, «geblendet von der Gunst des Schicksals, und von einer Art Fatalismus an den Rand des Abgrunds getrieben».5 In jüngerer Zeit ist das wissenschaftliche Interesse an der Verfassung von 1801 neu erwacht, vor allem, was ihre umfassenderen philosophischen Implikationen angeht.6 In diesem Schlagabtausch von Argumenten ist jedoch die Dynamik von Toussaints Denken verloren gegangen. Für ihn war es unabdingbar geworden, eine gewisse Distanz zwischen Saint-Domingue und Frankreich zu schaffen. Dieser Schritt war notwendig, um eine bessere Innenpolitik zu gewährleisten und außerdem die Kolonie vor politischen Schwankungen in Frankreich und vor möglichen zukünftigen Gesetzesvorhaben zu schützen, die ihre soziale und wirtschaftliche Struktur beschädigen konnten. Wie bereits erwähnt, gewannen in Paris zunehmend Kräfte an Boden, die der revolutionären Ordnung in den Kolonien feindlich gegenüberstanden: Seit April 1799 war die Société des Amis des
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Noirs de facto aufgelöst,7 und nach Bonapartes coup d’état enthielt die neue französische Verfassung vom 22. Frimaire keine Erklärung der Menschenrechte mehr und verlieh Menschen, die außerhalb Frankreichs geboren waren, nicht automatisch das Bürgerrecht. Was noch schlimmer war: Sie schuf eine gesetzliche Grauzone, in der die Sklaverei für bestimmte Dienstverhältnisse, wie zum Beispiel für Hauspersonal, toleriert wurde. Es herrschte vielerorts die Überzeugung, dass die Schwammigkeit des Artikels 91 den Weg ebnen sollte, um in den Kolonien die Sklaverei vollständig wiederherzustellen und die vollen Bürgerrechte ausschließlich Weißen vorzubehalten – wie es in der Folge in Martinique, Guadeloupe und Guyana im Jahr 1802 auch geschah.8 Saint-Domingues Verfassung war außerdem die logische Folge der wachsenden Spannungen zwischen Toussaint und der französischen Obrigkeit während des Kriegs der Messer. Seine Auseinandersetzung mit Rigaud hatte ihm eine wichtige Lektion erteilt: Obgleich er nur auf die «Aggression» des mixed-race Anführers gegen seine legitime Autorität reagiert hatte, war die französische Regierung ihm nicht zur Hilfe gekommen, sondern hatte vielmehr noch Öl ins Feuer des Konflikts gegossen und ihn dann für dessen Fortsetzung getadelt. Das erklärt Toussaints scharfen Ton in seinem Brief an den französischen Marineminister vom Februar 1801: «Ich erhob die Waffen, um die Revolte Rigauds niederzuschlagen; hätte ich das nicht getan, würden immer noch die Schrecken des Bürgerkriegs die Kolonie verheeren. Und in diesem entscheidenden Moment versäumte die Regierung, Rigaud zu verbieten, die ihm anvertrauten Waffen gegen die Republik zu richten. Ich habe nur Gewalt mit Gewalt beantwortet, und wenn Blut vergossen worden ist, so allein aus berechtigter Notwehr.»9 Wenn also die Franzosen nichts unternahmen, um ihn auch nur gegen innere Feinde zu unterstützen, so musste Toussaint wohl oder übel selbst die Errungenschaften der Revolution in Saint-Domingue verteidigen und die Kolonie vor Angriffen von außen beschützen. Von diesem republikanischen Ziel künden Geist und Buchstabe der Verfassung. Ihr dritter Artikel legte fest: «Sklaven kann es in diesem Territorium nicht geben, und die Sklaverei ist für immer abgeschafft. Wer hier geboren wird, lebt und stirbt, tut es als freier, französischer Bürger.»10 Sein hochfahrendes Denken spiegelte sich in einer seiner ausdrucksvollen Metaphern: «Ich bin aus der Region der Adler aufgeflogen; ich muss mich vorsehen, wenn ich zur Erde zurückkehre: Ich kann nur auf einem
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Felsen landen, und dieser Fels soll der Bau der Verfassung sein, die meine Macht garantieren wird, solange ich unter Sterblichen weile.»11 Anfang des 19. Jahrhunderts tauschte man sich in verschiedenen Weltgegenden bereits intensiv darüber aus, wie Saint-Domingue in Zukunft verfasst sein und welchen Platz Toussaint darin einnehmen sollte. Wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, war Roume der Meinung, er solle an den Diskussionen zur Schaffung eines neuen Grundgesetzes für die Kolonie beteiligt sein. Alexander Hamilton stellte ihn sich als Anführer eines feudalen Militärregimes vor,12 während Toussaint für die exilierten Plantagenbesitzer und Sklavenhalter, die ihn bekämpft hatten, um in einem verzweifelten Versuch die Schwarzenemanzipation umzukehren, für immer ein «Sklavenrebell» blieb, dessen Macht, koste es, was es wolle, «paralysiert» werden musste, sonst würde sie sich bis zu «den Schwarzen aller anderen Kolonien dieser Weltregion»13 ausbreiten – ein Punkt, der sich auch in einem Bericht des Gouverneurs im spanisch kontrollierten Venezuela findet, der Toussaints neue politische Ordnung als «Raub an den Rechten und der Ruhe der Staaten» bezeichnete.14 Einige seiner militanteren Unterstützer unter den Sklaven und freien Schwarzen im Atlantikraum waren tatsächlich der Meinung, er sei dabei, die Kolonie in eine reine Schwarzenrepublik zu verwandeln. Die Briten stellten ihn sich inzwischen schon als König eines unabhängigen Saint-Domingue vor, während die ansässigen Kolonisten insgeheim beteten, er möge als Präsident nach einer behutsamen Restauration die alte Plantagenordnung wiederherstellen. Mitte 1801 hatte Toussaint durch eine absichtliche Indiskretion eines seiner Gesandten in London die Briten, mit deren «närrischer Gutgläubigkeit»15 er gerne spielte, glauben gemacht, er würde bald eine «weiße Regierung» in Saint-Domingue ernennen.16 Zwar hatte Toussaint nichts dagegen, dass über die konstitutionelle Zukunft Saint-Domingues spekuliert wurde, aber keiner der Verfassungsentwürfe entsprach seinen Vorstellungen. Es gibt zwingende Hinweise darauf, dass der von ihm verfolgte verfassungsgebende Prozess zuerst zwischen Toussaint und seinem engen Verbündeten, dem ehemaligen Regierungskommissar Julien Raimond, diskutiert wurde. Diese prominente mixed-race Persönlichkeit war das dritte Mitglied der Delegation (neben General Michel und Charles Vincent), die die Konsuln 1800 nach Saint-Domingue gesandt hatten, um die ortsansässigen Eliten
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wegen der «Spezialgesetze» zu beruhigen, die der Artikel 91 der französischen Verfassung vorsah. In seinem Bericht an Bonaparte begrüßte Raimond die Idee verschiedener Rechtssysteme in Frankreich und Saint-Domingue und stellte ein kurzes, aus drei Artikeln bestehendes Dokument zur Debatte: über den besonderen Status der Kolonie, ihren exklusiven Handel mit Frankreich und den Bann der Sklaverei; letzteren in folgender Form: «In allen französischen Kolonien, in denen die Leibeigenschaft abgeschafft worden ist, kann sie niemals wiederhergestellt werden.» Raimond fügte hinzu, diese besonderen Regulatorien, die er «Grundgesetze» nannte, dürften nicht aus der Ferne von französischen Abgeordneten entworfen werden, sondern nur von Männern mit Ortskenntnis und -erfahrung. Raimond schlug vor, die Grundgesetze von Saint-Domingue sollten von einer «ad hoc Kommission» entworfen werden, der drei Männer vorstehen würden, deren einer Toussaint sein müsste, und ein zweiter ein «Europäer, der den Konsul repräsentiert …, die Kolonie kennt und das Vertrauen der Einwohner genießt»; ihnen sollten Abgeordnete aus jedem Departement assistieren.17 Toussaint entwarf seine Verfassung dem Buchstaben nach im Sinne dieser Vorschläge, während er sich von ihrem Geist vorsichtiger Loyalität abkehrte. Nachdem die Mitglieder der Zentralversammlung ernannt waren, beorderte er sie im März 1801 nach Port-Républicain, um mit der Arbeit an dem Dokument zu beginnen. Den Vorsitz übernahm Bernard Borgella, der ehemalige Bürgermeister der Stadt, ein einflussreicher weißer Pflanzer und enger Verbündeter Toussaints. Von ähnlichem Hintergrund und Zuschnitt waren Gaston Nogérée und André Collet, die sich für die Interessen der weißen Pflanzer aus dem Süden stark machten, sowie die drei Mitglieder aus Santo Domingo: die Honoratioren Mugnoz und Roxas und ein katholischer Priester namens Mancebo, alle drei glühende Unterstützer der Revolution (ein vierter Abgeordneter starb vor der ersten Zusammenkunft).18 Neben Raimond gab es zwei weitere Persons of Color: einen Mann namens Lacour, dessen Vorname in den Akten nicht genannt wird, und Etienne Viard, einer von Toussaints Assistenten, der als Sekretär fungierte. Das einzige schwarze Mitglied war General Moyse, der das nördliche Departement vertrat, wo er unter den Landarbeitern große Popularität genoss. Er weigerte sich jedoch, der Versammlung beizutreten, weil er fürchtete, sie würde den Kolonisten zu viele Zugeständnisse machen – eine erste offene Geste des Widerstands.
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Toussaints Verhältnis zu den neun Mitgliedern der Versammlung ist Gegenstand vieler Mutmaßungen. Manche Historiker halten den ganzen Entwurfsprozess für einen Nebenschauplatz, während die wirklichen Autoren des Texts der Sekretär des Oberkommandierenden Henri Pascal (Schwiegersohn von Julien Raimond und vermutlich von ihm beeinflusst) und seine Beichtväter Marini und Molière gewesen seien.19 Andere billigen der Versammlung zu, zwar hart gearbeitet, aber nur die Anweisungen ihres Herrn und Meisters befolgt zu haben. Ein zeitgenössischer ortsansässiger Beobachter bezeichnete sie verächtlich als «Marionettengesetzgeber», während Sannon bemerkte: «Diese Männer waren eigentlich die Abgeordneten von Toussaint Louverture, nicht die vom Volk von Saint-Domingue.»20 Für andere wiederum war es Toussaint, der von der Versammlung manipuliert wurde: daher die Überrepräsentation von Saint-Domingues Plantagenbesitzern und die Kodifizierung von Gesetzen über Landbesitz und Arbeit, die den Interessen von Siedlern und Emigranten dienten und den Weg für eine Art wirtschaftlicher Despotie ebneten. In diesem Sinne argumentiert Laurent Dubois, die Verfassung von 1801 sei eine «Charta für eine neue Kolonialordnung» gewesen.21 Wie immer bei Toussaint war die Wahrheit komplizierter. In seiner Eröffnungsrede zur Versammlung schärfte er den Abgeordneten ein, nichts vom Inhalt ihrer Diskussionen nach draußen dringen zu lassen und betonte, ihre Empfehlungen würden erst in Kraft treten, wenn er sie akzeptiert habe. Außerdem gab er ihnen einen exakten Fahrplan vor, wie aus dem Protokoll der ersten Sitzung hervorgeht, dem einzigen, das sich erhalten hat.22 Mit der neuen Verfassung sollte ein gesetzliches Grundlagenwerk entstehen, «gereift unter den Lektionen der Erfahrung und der Ortskenntnis», so Toussaint; «notwendig» war sie geworden, weil die französischen Verfassungen von 1795 und 1799 bewusst eine gesetzliche Leerstelle in Bezug auf die Verwaltung der Kolonien gelassen hatten.23 Nachdem Toussaint die Abgeordneten instruiert hatte, überließ er sie sich selbst. Sie traten jeden Tag von neun Uhr morgens bis zwei Uhr nachmittags zusammen; ihre Debatten waren oft lebhaft und beleuchten sowohl ihre Visionen für Saint-Domingue als auch, welch große Rolle Toussaints Führung dabei spielte. Raimonds Einfluss auf den Artikel über die Abschaffung der Sklaverei ist offensichtlich, denn er ist sehr ähnlich formuliert wie sein früherer Entwurf für Bonaparte. Weniger Glück hatte er jedoch mit der Durchsetzung des exklusiven Kolonialhandels mit Frankreich: Toussaint umging dies mit einer Klausel,
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die dem Gouverneur «alle nötige Macht zur Sicherung der Lebensgrundlagen der Kolonie» gab.24 Gleichzeitig hatte Toussaint den wichtigsten Punkt in seinen Instruktionen verschwiegen. Der Hauptzweck der Versammlung richtete sich nach außen: Sie sollte der französischen Regierung ein beruhigendes Zeichen senden. Es war nötig, dass diese Ehrenmänner sich dafür verbürgten, dass er sich für die Interessen Frankreichs in Saint-Domingue stark machte; tatsächlich handelte ihr erster Tagesordnungspunkt von der «Insel Saint-Domingue und ihrer moralischen Verbindung mit der Metropole».25 Der Verfassungsentwurf der Versammlung enthielt Abschnitte über Saint-Domingues Landwirtschaft und Handel (Abschnitt VI), die Befugnisse ihres neuen Verwaltungschefs, den Gouverneur (Abschnitt VIII), die Erneuerung des Justizsystems (Abschnitt IX), Kommunalreformen (Abschnitt X) und die Neustrukturierung der Finanzen der Kolonie (Abschnitt XII). Der Entwurf spiegelte auch Toussaints Beschäftigung mit Themen der öffentlichen Kultur: Er sah vor, den Katholizismus zur offiziellen Religion zu erklären (Abschnitt III) und die Scheidung zu verbieten, «um den Zusammenhalt der Familie zu unterstützen und zu stärken» (Abschnitt IV); zu den Pflichten des Gouverneurs gehörte es, jeden staatsgefährdenden Text zu indizieren, der «die allgemeine Moral untergraben» könnte (Artikel 39), und jede Aktivität streng zu beaufsichtigen, die den «Gemeinsinn, die Sicherheit, Gesundheit oder das Vermögen der Bürger» bedrohen könnte (Artikel 69).26 Ein faszinierendes Dokument des Denkens der Abgeordneten findet sich in den Notizen von Gaston Nogérée, dessen Aufzeichnungen sich erhalten haben; er beteiligte sich intensiv an den Debatten der Versammlung und auch am Entwurf der «Organgesetze» (organic laws), die der Verfassung angehängt und zwischen Mitte Juli und Mitte August 1801 angenommen wurden. Nogérée war kein revolutionärer Feuerkopf, sondern ein grand blanc, der Toussaint im Oktober 1798 in Port-Républicain kennenlernte, nachdem die Briten Jérémie verlassen hatten, mit denen er – wie die meisten Pflanzer im Süden – aktiv kollaboriert hatte. Toussaint war im Interesse seiner Philosophie nationaler Versöhnung nicht nachtragend und gestattete ihm, eine Mathematikschule zu eröffnen, allerdings unter der Bedingung, dass er vier hervorragende schwarze Schüler auf Stipendienbasis unterrichtete. Auch dies war typisch für Toussaints republikanisches Ethos, er ließ die Menschen vergangene Sünden durch Wohltätigkeit wiedergutmachen.27
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Von diesem Augenblick an wurde Nogérée ein Anhänger Louvertures und beobachtete staunend, wie dieser ehemalige Sklave für Ordnung, Wohlstand und Harmonie in Saint-Domingue sorgte: «Ich sah, wie Ruhe einkehrte, wo immer er seinen Einfluss geltend machen konnte.» Besonders fiel ihm auf, wie seine «armen Landsleute, die Siedler» allmählich wieder «von den Schwarzen mit Respekt behandelt wurden, dank der Befehle und des Vorbilds des Oberkommandeurs.» Nogérée hielt fest, mit welcher Wärme Toussaint von der Bevölkerung begrüßt wurde, wenn er nach längerer Abwesenheit nach Port-Républicain zurückkehrte. Die Einwohner «schmückten spontan zwei oder drei Tage lang die Straßen». Er fasste die Einstellung der weißen Kolonisten gegenüber ihrem Beschützer in folgendem erstaunlichen Satz zusammen: «Wenn er einmal krank wurde, machten wir uns alle große Sorgen, denn wir waren überzeugt, dass unsere Existenz von ihm abhing.»28 Nogérées Notizen – die einzigen weiteren Aufzeichnungen der Verfassungsdebatten in der Kolonie, die sich erhalten haben – gewähren einen spannenden Einblick in die Diskussionen der Versammlung. Er erwähnt Toussaints feierliche Ermahnung der Abgeordneten, als er im März 1801 vor sie trat: Sie sollten sich als Volksvertreter betrachten, denen «obliegt, die Wohlfahrt Saint-Domingues zu sichern». Nogérée nahm seine Pflicht sehr ernst und hielt in einem Augenblick der Zwistigkeiten mit Toussaint fest, er sei zwar «dankbar für den Anführer, den die Vorsehung uns gesandt hat», sein größter Ehrgeiz sei aber, sich «die Achtung der Mitbürger zu verdienen». Vor allen Dingen galt seine Loyalität Frankreich: Toussaints Prämisse, dass der Text, auf den sie sich einigen würden, ein Entwurf sei, der nur durch die Billigung der französischen Regierung Gesetz werden könne, war für ihn vollkommen einsichtig. Nogérée erklärte sich sogar bereit, das Dokument Bonaparte persönlich zu überbringen. Toussaint bestärkte ihn in dem Glauben, er sei die «ideale» Person für eine solche patriotische Aufgabe.29 In seinem Empfehlungsschreiben an die französische Regierung bemerkte Toussaint, Nogérée habe «alle Ereignisse in Saint-Domingue seit der Revolution miterlebt» und sei daher in jeder Weise «geeignet, um die Regierung über die gegenwärtige Situation in der Kolonie zu unterrichten».30 Nogérées Aufzeichnungen zeigen deutlich, warum Toussaint überzeugt war, er wäre der passende Abgesandte an die französische Regierung und ihre Verbündeten in der Koloniallobby. Er war ein ordnungsliebender weißer Pflanzer, dessen sozialpolitische Ansichten eher konser-
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vativ waren. Er begrüßte die Vorschläge für die Wiederbelebung des katholischen Glaubens und bezeichnete Toussaint als «Inbild der Frömmigkeit». Vehement verteidigte er das Ideal einer auf Plantagen beruhenden Wirtschaft, wie sie in Abschnitt VI festgehalten war, vor allem die Priorität der Landwirtschaft und die Definition des Landguts als «friedliches Asyl einer fleißigen und wohl geordneten Familie, dessen Verwalter notwendigerweise der Vater sein muss».31 Er schimpfte darüber, dass schwarze Landarbeiter kleine Grundstücke kauften, was anscheinend trotz Toussaints formellem Verbot weiterhin geschah. In seiner Ablehnung jeder Form schwarzen Kleinunternehmertums verdammte er auch das verbreitete Aufkommen «kleiner Hütten am Rand der Landstraßen, wo Rum und Essen verkauft wird». Seiner Meinung nach neigten die kreolischen Schwarzen und People of Color zu «Arroganz», und er missbilligte die Freizeitgewohnheiten von Saint-Domingues Hausangestellten und Plantagenarbeitern, denn die traditionellen kalindas hätten eine Tendenz, in «blutige Schlachten mit Gewehren und Säbeln» auszuarten; zweifelsohne erschien das Abbild seines eigenen Kopfs auf ein oder zwei Spießen bei diesen ausgelassenen Veranstaltungen.32 Am interessantesten sind Nogérées Gedanken über die zukünftige Zusammensetzung von Saint-Domingues Exekutive. Er unterstützte den Vorschlag (der schließlich zu Artikel 28 wurde), Toussaint zum Gouverneur auf Lebenszeit zu ernennen, worauf sich die Versammlung mit Sicherheit einstimmig einigen konnte: Latour hatte Toussaint in seiner Rede bei der Eröffnungssitzung als «Retter und Wiederhersteller der Kolonie» gepriesen.33 Nogérée stimmte nicht nur zu, sondern drückte auch die Hoffnung aus, er möge lange genug leben, um mindestens «die nächsten zwanzig Jahre» zu regieren, denn das garantiere «zwanzig Jahre Frieden und Glück für die Kolonie und meine Familie». Entsetzt war Nogérée hingegen über den Vorschlag, Toussaint solle die Macht haben, seinen Nachfolger selbst zu bestimmen. Dieses Vorrecht sei ein «monarchistisches Konzept».34 Nogérées Opposition gründete vermutlich in seiner Einschätzung der möglichen Nachfolger. Seiner Ansicht nach hatte keiner der Kommandierenden in Toussaints Armee die politische und intellektuelle Statur des Oberkommandeurs, und der naheliegendste Bewerber um die Nachfolge war Dessalines. Eine Aussicht, die Nogérée in Anbetracht von dessen beängstigendem Ruf mit Besorgnis erfüllte. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte diese Angst auch in Toussaints
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Überlegungen eine Rolle gespielt und war einer der Hauptgründe, warum Toussaint wollte, dass Nogérée nach Paris reiste: Er sollte dort die Geschichten weitererzählen, die er über Dessalines gehört hatte. Eine davon hatte er Toussaint und den übrigen Mitgliedern der Versammlung zur Kenntnis gebracht. Es war allgemein bekannt, dass Dessalines beim Ende des Kriegs gegen Rigaud Mitte des Jahres 1800 gesagt hatte, es warteten noch zwei Konflikte auf die republikanische Armee von SaintDomingue: der erste – einfachere – gegen die Spanier in Santo Domingo, und der zweite gegen die Franzosen, falls diese ein bewaffnetes Kontingent entsenden sollten, um die Sklaverei wieder einzuführen. Wenn dies geschähe, hatte Dessalines gewarnt, würde ein Vernichtungskrieg folgen, und «il fallait tout le monde levé tous ensemble, les femmes comme les hommes».35 Obgleich Nogérée mit dem Verfassungsentwurf nach Paris geschickt wurde, fand er Gelegenheit, Bonaparte über diese Bedrohung durch einen Massenaufstand zu informieren, wie Toussaint es gewünscht hatte. Das war ausgesprochen fatal, zumal Dessalines präzise vorausgesagt hatte, was dann der französischen Invasionsarmee 1802 nach ihrer Ankunft in Saint-Domingue tatsächlich widerfahren sollte. Toussaint erhielt Anfang Mai 1801 von der Versammlung den Entwurfstext. Als ewiger Perfektionist arbeitete er weitere zwei Monate an dem Dokument und den angehängten «Organgesetzen», ehe er es der Veröffentlichung für wert befand. Es war ihm bewusst, welche Vorbehalte die Abgeordneten gegen einige Bestimmungen hatten, insbesondere die Nachfolgeregelung und den Umfang der Befugnisse des Gouverneurs. Aber er wusste, dass er die volle Exekutivgewalt übernehmen musste – umso mehr, als die Idee, einen Gouverneur zu ernennen, der alle zivilen und militärischen Funktionen auf sich vereinigte, in Paris allmählich an Boden gewann.36 Derartige Pläne sahen den zukünftigen Gouverneur fast unweigerlich als Europäer, aber Toussaint hielt natürlich sich selbst für die richtige Person für diesen Posten, nicht zuletzt, weil er ihn bereits seit einigen Jahren de facto innehatte. In dieser Beziehung, wie in vielen anderen auch, fixierte die Verfassung nur den Status quo der gegenwärtigen politischen Realität in Saint-Domingue. Alles deutet darauf hin, dass Toussaints Führungsrolle in der Kolonie weitgehend mit Begeisterung aufgenommen wurde. Dies galt, wie erwähnt, für Santo Domingo, und an seiner großen Beliebtheit auch bei der weißen Bevölkerung, die ihn als Beschützer ansah, besteht kein
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Zweifel. Wie einer von ihnen formulierte, hatte Toussaint seine Macht «nur für das Wohl der Kolonisten und die Wiederherstellung der Kolonie» genutzt;37 ein anderer pries seine «Humanität und seinen Respekt für die Religion» und sein Verständnis dafür, dass die Anwesenheit von Europäern essenziell sei für die «Erhaltung des Handels und des Handwerks»; er schloss: «Sollte er sterben, wäre das für die Kolonie eine Katastrophe.»38 Solche Empfindungen fanden ihren Widerhall auch in weiten Teilen der schwarzen Bevölkerung, und Toussaint erlebte sie bei seinen Reisen durch Saint-Domingue. Auch Kommunen brachten nachdrücklich ihre Unterstützung dafür zum Ausdruck, dass er die volle Exekutivgewalt übernahm. Als beispielsweise die Gemeinde GrosMorne 1799 während ihrer Mobilisierung gegen Roume eine Proklamation herausgab, in der die Rückkehr des französischen Bevollmächtigten nach Frankreich gefordert wurde, machte sie zugleich deutlich, welche Regentschaft sie bevorzugte: «Wir brauchen weder [Roume] noch sonst irgendeinen Bevollmächtigten. Wir haben nur Zutrauen zum Oberkommandeur, und er hat unser Vertrauen durch seine Standfestigkeit und seine Bindung an Frankreich ebenso verdient wie durch die Energie, mit der er unsere Freiheit verteidigt, und durch seine Humanität und Tugend.» Sie schloss mit der Aufforderung an die französische Regierung, «die gesamte Exekutivgewalt dem Oberkommandeur zu übertragen».39 Der Gemeinderat von La Croix des Bouquets erklärte: «Nur der Oberkommandeur kann Saint-Domingue zu seinem früheren Ruhm verhelfen; er allein kennt die Eigenheiten der verschiedenen Landesteile, die aus ihren unterschiedlichen Klimazonen resultieren; er allein versteht den Geist, den Charakter, die Gewohnheiten und Sitten der Menschen, die diese Kolonie bewohnen.»40 Es gab zahlreiche ähnliche Beispiele. Toussaints Vertrauen auf seine Beliebtheit war im Vorfeld der Veröffentlichung seiner Verfassung so groß, dass er sogar willens war, Rigauds Unterstützern zu vergeben, von denen einige noch in seinen Gefängnissen vegetierten. Ende Mai 1801 ließ er eine Gruppe dieser Männer in die Kirche von Cap bringen, wo er ihnen von der Kanzel aus eine seiner typischen Moralpredigten hielt. Er sprach als «Vater» zu ihnen, beklagte all die Schmerzen, die sie hatten erleiden müssen, und forderte sie auf, getrost in Frieden zu ihren Familien zurückzukehren, denn sie würden «großzügigerweise» begnadigt. Um ganz sicherzugehen, dass die Botschaft sowohl bei People of Color als auch bei seinen eigenen Unter-
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gebenen ankam, bat er ein paar Tage später brieflich Dessalines zu verkünden, diese Rigaudins seien nun seine «Brüder und Kinder», und er wünsche sich nichts anderes für sie, als dass sie «auf den rechten Weg zurückfinden, den christlichen Glauben praktizieren und ihre Kinder in Gottesfurcht erziehen».41 Wir können davon ausgehen, dass die Botschaft ankam: Die göttliche Vergeltung war nichts im Vergleich zu ihrer Furcht vor Dessalines. Anfang Juli kündigte Toussaint endlich die feierliche Verabschiedung der Verfassung an. Die Zeremonie sollte am 7. in Cap stattfinden.42 In der vorausgehenden Nacht bekamen die Stadtbewohner nicht sonderlich viel Schlaf, denn die Trommler und Blechbläser seiner Kavallerie bliesen schon um drei Uhr morgens zum Appell, und um fünf waren die Truppen der Armee und der Nationalgarde in Ausgehuniform auf der Place d’Armes versammelt. Toussaint erschien genau um fünf Uhr dreißig, ihm voran ging eine Prozession von Zivil- und Militärbeamten. Inzwischen hatte sich am Schauplatz eine große Volksmenge eingefunden, einschließlich zahlreicher Lehrer und Schüler, die einen Kreis um das Podium bildeten. Unter den Ehrengästen befanden sich die Mitglieder der Zentralversammlung und der neue amerikanische Botschafter Tobias Lear mit seinem Vorgänger Edward Stevens, der sich immer noch in der Kolonie aufhielt und von Toussaint persönlich eingeladen worden war. Auch Moyse war anwesend. Er sollte nicht länger im Abseits bleiben, und Toussaint wollte offensichtlich, dass er gut sichtbar war, damit alle sehen konnten, wer das Sagen hatte. Die gesamte Zeremonie war eine von Toussaint sorgfältig orchestrierte, philosophische wie praktische Rechtfertigung der Befugnisse, die Saint-Domingue von Frankreich zurückforderte und die ihm durch die neuen Verfassungsvorschläge verliehen wurden. Hier unterschied sich sein Ton vollkommen von dem seiner Diskussionen mit den Abgeordneten. Nachdem die Vorbereitung des Texts in aller Heimlichkeit vonstatten ging, sollte dieses Ereignis auf der gesamten Insel bekannt gemacht werden; die zuständige Stelle in Cap druckte sofort einen ausführlichen Bericht über den Ablauf und verschickte ihn an alle Stadtverwaltungen. Es gab drei Reden: die erste von Borgella, gefolgt von Toussaint selbst und schließlich von Fouqueau, dem Präsidenten des Zivilgerichts. Sie trugen jeweils sich ergänzende Teile der Grundprinzipien des Dokuments vor. Aus Sprache, Bildhaftigkeit und Geschliffenheit ihrer Argumente geht hervor, dass Toussaint die anderen beiden
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Reden nicht nur gründlich geprüft hatte, sondern Borgella und Fouqueau benutzte, um seine eigenen Ansichten kundzutun.43 Dieses Bauchrednertum wurde vielleicht am deutlichsten in einer kühnen Wendung gegen Ende von Borgellas Rede, kurz bevor er die 77 Artikel der Verfassung vorlas. Der Präsident der Versammlung verkündete, zwar sei ursprünglich geplant gewesen, der französischen Regierung den Verfassungsentwurf zur Bestätigung «vorzulegen», jedoch beschwöre das «Nichtvorhandensein von Gesetzen» in Saint-Domingue eine unmittelbare Gefahrensituation für die Kolonie herauf. Unter diesen Umständen müsse Toussaint gebeten werden, die «Verfassung sofort in Kraft treten zu lassen». Solch einer dringenden Bitte konnte Toussaint sich natürlich nicht verschließen – umso mehr, als er sie offensichtlich selbst verfasst hatte. So erhielt der Entwurfstext seinen offiziellen Segen bei der Zeremonie in Cap, und Toussaint billigte seine eigene Ernennung zum Gouverneur (der dramatische Effekt verlor sich ein wenig, da seine Selbsternennung in einem Begeisterungssturm unterging, der sich zweifelsohne mit Erleichterung mischte, dass Borgellas überlange Rede zu Ende war). Es wurde ein noch gewagteres Argument vorgebracht, um diesen Gesetzeserlass zu rechtfertigen: Diese prompte und entschiedene Handlungsweise sei notwendig, behauptete Borgella, weil die französische Regierung «zu lange» geschwiegen und verabsäumt habe, ihre eigene Haltung zu Saint-Domingue klar zu äußern. Auch das war ein glänzender Louverture’scher Kunstgriff: Die französische Regierung wurde dafür gegeißelt, dass sie nicht schnell genug auf ein Dokument reagiert hatte, das sie erst noch bekommen sollte. Die Symbolpolitik der Zentralversammlung zielte allein darauf ab, Frankreich über seine nationalen Interessen und die seiner weißen Kolonisten in Sicherheit zu wiegen. Die Reden zur Rechtfertigung der Verfassung von 1801 bei der Zeremonie in Cap wendeten sich hingegen an die Bürger von Saint-Domingue und waren durchdrungen von den klassischen republikanischen Freiheitsargumenten. Borgella vertrat die Ansicht, die Machthaber in Frankreich hätten während der 1790er Jahre vielfach die Bedürfnisse der Kolonialbürger missachtet und manchmal sogar ihre Grundfreiheiten verletzt. Und was aus republikanischer Sicht noch schwerer wog: Man hatte sie überdies gezwungen, Gesetze zu akzeptieren, die sie «weder gemacht noch gebilligt» hatten. Jedenfalls wurde das Recht der Bürger, sich selbst nach eigenen Gesetzen zu regieren, nicht nur in der französischen Verfassung anerkannt, sondern es
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Anfang Juli 1801 lud Toussaint die Bevölkerung von Saint-Domingue ein, ihre neue Verfassung in einer Zeremonie auf dem zentralen Platz von Cap zu feiern. Die Verfassung werde «die allgemeine Freiheit konsolidieren und das Schicksal, den Frieden und Wohlstand der Kolonie festigen».
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war ein «Naturrecht». Daher stammt auch Toussaints Formulierung in Artikel 3, die die Abschaffung der Sklaverei nicht an die Staatsangehörigkeit knüpfte, welche wieder entzogen werden konnte, sondern als unveräußerliches Recht jedes Menschen anerkannte, der in der Kolonie geboren war. Borgella beschwor den Geist naturgegebener Harmonie, der Toussaints Kampf gegen «uralte Vorurteile» geleitet und es ihm ermöglicht hatte, die «Bande der schönsten Brüderlichkeit» unter den Bürgern von Saint-Domingue zu stärken.44 Neben dem Konsensprinzip basierte die weitere Rechtfertigung der Verfassung auf der Notwendigkeit, dass die Kolonie endlich auf der Grundlage von guten Gesetzen handeln konnte. Da Saint-Domingue so weit von Frankreich entfernt war und seine Abgeordneten nicht direkt zur Gesetzgebung in Paris beitragen konnten, war letztere für die Kolonie häufig ungeeignet und lief manchmal sogar ihren Interessen zuwider; die Herangehensweise der Franzosen an koloniale Fragen war unter dem notorisch ineffektiven Rat der 500 in den vergangenen Jahren so zerfahren gewesen, dass Saint-Domingue keine vernünftigen Gesetze hatte und in einem Zustand «vollständiger Anarchie» versunken war. Diese Situation würde von den «Organgesetzen», die die Versammlung vorbereitet hatte, wieder ins Lot gebracht. Als weiteren Beweis für das bisherige institutionelle Chaos zitierte Fouqueau die Tatsache, dass eine Reihe französischer Regierungen versucht hatte, die Befugnisse des Militärkommandeurs von denen des Zivilverwalters getrennt zu halten. Zum Glück sei Toussaint dieser Widerspruch aufgefallen, und er habe erkannt, dass es «keine Regierung geben kann, die diesen Namen verdient, wenn die Autorität ohne klare Regeln verteilt wird und verschiedene Abteilungen sich in ständigem Konflikt befinden» (ein nachvollziehbares Argument gegen Montesquieus Doktrin der Gewaltenteilung, auch wenn es die Tatsache außer Acht ließ, dass in diesem Fall Toussaint die Hauptquelle der Konflikte gewesen war). So weihte Fouqueau nun Toussaint, den «Befreier und Beschützer» der Kolonie, auch noch zu ihrem Gesetzgeber («législateur»), der die Bürger dank seiner außerordentlichen Tugenden und seiner Fähigkeit, im Allgemeininteresse zu handeln, aus dem Chaos rettete; dieser Gedankengang stammte direkt aus dem Contrat social Rousseaus.45 Toussaint ging in seiner Rede – seiner ersten als Gouverneur der Kolonie – näher auf das Thema Freiheit ein und verstärkte damit die republikanische Botschaft. Er pries Frankreich und schwor, eine Bezie-
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hung von «Brüderlichkeit und Freundschaft» mit dem französischen Volk zu pflegen. Die ganze Radikalität des Dokuments von 1801 zeigte sich darin, dass die Freiheit der Kolonie nicht länger vom politischen Denken und der politischen Praxis in Frankreich abhing. Mit erneutem Bezug auf den Artikel, der die Sklaverei in der Kolonie abschaffte, bemerkte er, jetzt würde die Freiheit der Bürger von Saint-Domingue von ihrer eigenen Verfassung garantiert, unabhängig von «Alter, Lebensbedingungen oder Hautfarbe»; der Hauptzweck des Dokuments sei, in der Kolonie «die Freiheit unsterblich zu machen». Toussaint gab sich Mühe, nicht triumphierend zu klingen: Dies war weniger eine Siegesrede als vielmehr ein Aufruf an alle Bürger, wachsam und bereit zu bleiben, Saint-Domingues Souveränität zu verteidigen. In der «Sprache der Wahrheit» erklärte Toussaint seinen Mitbürgern, die Verfassung würde ihre Rechte schützen, ihnen aber auch die Pflicht auferlegen, «die Tugenden auszuüben». Dazu gehörten private Eigenschaften, besonders «eine tiefe Moral und die Religion Jesu Christi», aber vor allem auch eine öffentliche Moral wie das Streben nach Gemeinwohl.46 Dies führte zum Kern von Toussaints Freiheitsideal: ein aktives Staatswesen, in dem alle Teile der Gesellschaft das Allgemeinwohl im Auge behielten. Er appellierte an die Staatsbeamten, darauf zu achten, immer dem Volk zu dienen und sich ehrlich und integer zu verhalten. Den Landarbeitern wiederum erklärte er, Artikel 16 der Verfassung garantiere ihnen ihren gerechten Anteil am Gewinn der Plantagen und verteidige sie wirksam gegen jede Verletzung ihrer Rechte. Aber die Verfassung verlange auch von ihnen, «Faulheit, die Mutter aller Laster», zu vermeiden. Dieses handfeste Freiheitskonzept kam am deutlichsten in Toussaints Botschaft an seine Soldaten und Offiziere zum Ausdruck: Ihre Pflicht war nicht nur, die Tugenden von Disziplin und Gehorsam zu pflegen, sondern auch «die Verfassung vor ihren inneren und äußeren Feinden, die sie möglicherweise angreifen wollen», zu beschützen.47 Die Botschaft konnte nicht deutlicher sein: Saint-Domingues Unversehrtheit als politisches Gemeinwesen war untrennbar mit der Verteidigung der Revolution verbunden. Unterstrichen wurde dies noch vom vorletzten Artikel der Verfassung: «Jeder Bürger hat die Pflicht, dem Land, das ihm Leben und Nahrung gegeben hat, zu dienen um der Erhaltung der Freiheit und der gerechten Verteilung des Besitzes willen, wann immer das Gesetz ihre Verteidigung verlangt.»48 Der Zeremonie folgte ein Te Deum in der Kirche von Cap, und be-
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schlossen wurde der Tag mit einem glanzvollen Bankett im Regierungspalast für 600 geladene Gäste. Es wurden Toasts auf den Gouverneur, die Abgeordneten der Versammlung, die französische und amerikanische Regierung und auf die Generäle Christophe und Moyse ausgebracht (aber merkwürdigerweise nicht auf Dessalines, der anscheinend bei der Zeremonie nicht anwesend war). Laut einem Augenzeugen leistete sich Moyse die Unverfrorenheit, das Glas auf die «Französische Republik» zu erheben – eine trotzige Geste, die sich gegen den neuen Gouverneur richtete.49 Natürlich wird dieser kurze Missklang im offiziellen Bericht nicht erwähnt. Aber er hielt fest, dass Toussaints «Augen vor Zufriedenheit leuchteten», als er sich über die bemerkenswerten Leistungen freute, die er «dank der puren Kraft seines Charakters» vollbracht hatte. Das entsprach ohne Zweifel der Wahrheit. Aber vielleicht hatte seine Freude auch noch eine andere Ursache: Wenn er seine Blicke über die Tische schweifen ließ, dann sah er, dass die größtenteils weißen zivilen und militärischen Würdenträger des Landes das Brot mit Gästen brachen, die Hector, Jean-Louis, Granjean und Lafricain hießen.50 Diese Schwarzen waren noch als Sklaven geboren worden oder entstammten Sklavenfamilien, doch jetzt genossen sie dank der Verfassung, die er so kunstreich hervorgezaubert hatte, die gleichberechtigte Staatsbürgerschaft in Saint-Domingue und das Versprechen, dass sie nie wieder ein Leben in Leibeigenschaft würden erdulden müssen. Bald nach der Zeremonie in Cap bestellte Toussaint Charles Vincent zu sich und betraute ihn mit der Aufgabe, die Verfassung der französischen Regierung zu überbringen. Obgleich Vincent Teile des Inhalts ebenso heftig ablehnte wie die Prämisse, dass Saint-Domingue sich überhaupt eine eigene Verfassung geben wollte, erklärte er sich bereit, die Mission zu übernehmen. Später behauptete er, dies sei die einzige Möglichkeit für ihn gewesen, die Kolonie zu verlassen, aber das war vermutlich eine rückwirkende Rechtfertigung, um größere Probleme mit der französischen Obrigkeit zu vermeiden. Jedenfalls bietet sein Austausch mit Toussaint über die Verfassung, den er mit gewohnter Sorgfalt aufzeichnete, Einsichten in die Intentionen und Gedanken des Gouverneurs zu dieser Zeit. Die Wahl Vincents darf nicht unkommentiert bleiben. Einerseits war er der naheliegende Kandidat. Ein Mann von großer Integrität und makellosem republikanischem Leumund, war er ein glühender Verteidi-
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ger der Revolution. Henri Christophe, der Militärkommandeur von Cap, bezeichnete ihn als den «einzigen Europäer, der das Volk von SaintDomingue wirklich liebt».51 Vincent hatte Toussaint schon dreimal in Paris vertreten, und wie wir zu Beginn des vorigen Kapitels gesehen haben, war er vor Kurzem (neben Julien Raimond) von Bonaparte gesandt worden, um die Kolonie über Frankreichs Verfassungsvorhaben zu beruhigen; daher war er der ideale Verbindungsmann zwischen den beiden Parteien. Raimond hatte Vincent erzählt, Toussaint habe ihn schon vor einer ganzen Weile für diese Mission ausgewählt, was bestätigt, dass Raimonds Ideen Toussaint stark beeinflussten und dass seine Verfassung schon im Vorfeld methodisch geplant worden war. Gleichzeitig war Toussaint Vincent gegenüber misstrauisch geworden, und seine Anwesenheit in der Kolonie wurde ihm ein Dorn im Auge. Er hatte sich gegen die Operation in Santo Domingo ausgesprochen, weil er der Ansicht war, sie sei von Toussaints Wunsch motiviert gewesen, «die Kolonie zu beherrschen».52 Entscheidend kam hinzu, dass Vincent der oberste Bauingenieur der Kolonie war. Toussaint hatte 1801 den Befehl gegeben, alle Küstenbefestigungen zu verstärken, zur selben Zeit, als er sein Verfassungsprojekt voranbrachte. Doch er wollte Vincent hier nicht beteiligen, obwohl er eine der qualifiziertesten Personen war, um diese Arbeiten zu leiten. Offensichtlich hatte er Sorge, Vincent könnte sensible Informationen über die Fortifikationen der Insel an seine militärischen Vorgesetzten in Paris weitergeben. Es war also in vielerlei Hinsicht ein kluger Schachzug, ihn mit der Verfassung nach Frankreich zu schicken. Obwohl Toussaint ihn schon lange für diese wichtige Aufgabe ausersehen hatte, verriet er Vincent zunächst nichts über den Inhalt der Verfassung. Er schickte ihn sogar einige Tage vor der Zeremonie in Cap zur Ablenkung nach Gonaïves, um sich Madame Louverture zu empfehlen, so dass er die Zeremonie verpasste. Zweifellos wollte Toussaint nicht, dass Vincent zu viel über seine Rechtfertigung für einen von
Toussaints Verfassung von 1801 erklärte die Kolonie weiterhin zum Mitglied Frankreichs, hob aber hervor, dass sie von «besonderen Gesetzen» regiert werde. Artikel 3 stipulierte, dass die Sklaverei «für immer» abgeschafft war und alle Bürger «frei und als Franzosen» geboren wurden, lebten und starben.
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Frankreich autonomen Weg erfuhr – so sehr er sie auch in republikanische Begriffe fasste. Infolgedessen war Vincent schockiert, als er zum ersten Mal einen Blick auf das Dokument warf. Besonders brachte ihn die Regierungsform auf, die in Abschnitt VIII festgehalten war und dem Gouverneur absolute Macht verlieh, und überdies schien ihm der Text «alle Verpflichtungen der Kolonie gegenüber der métropole» außer Acht zu lassen. Er brachte sofort seine Einwendungen Toussaint gegenüber zur Sprache und fragte ihn, was seiner Erwartung nach die französische Regierung tun sollte, wenn sie ein Dokument erhielt, das ihr de facto das Recht nahm, Kolonialbeamte zu ernennen. Toussaint erwiderte trocken: «Sie werden Kommissare schicken, damit sie mit mir verhandeln.» Das war eine bedeutsame Antwort, denn sie bestätigte, dass Toussaint weitere Auseinandersetzungen mit Frankreich über den Text erwartete. Dann versuchte Vincent es auf eine andere Weise: Sicherlich würde die Verfassung andere Nationen wie die Vereinigten Staaten, Spanien oder «sogar» Großbritannien ermutigen, offizielle diplomatische Beziehungen zu Saint-Domingue aufzunehmen, um seine Bindung an Frankreich zu schwächen. Toussaint bemühte sich, ihn zu beruhigen, und rechtfertigte seine Verhandlungen mit Maitland: «Ich weiß, dass die Briten am gefährlichsten für mich und am tückischsten für Frankreich sind; sie haben alles in ihrer Macht Stehende getan, um exklusive Handelsrechte in der Kolonie zu bekommen, aber ich habe ihnen nur zugestanden, was ich unmöglich ablehnen konnte, denn damals habe ich sie gebraucht.»53 Toussaints Antworten sollten einen Eindruck von Zielgerichtetheit und vor allem von Überlegenheit vermitteln. Er war immer noch überzeugt, er habe alles unter Kontrolle und könne die Ereignisse zu seinem Vorteil lenken. Aber als Vincent weiter in ihn drang und ihre Wortwechsel hitziger wurden, begann seine Gelassenheit zu schwinden. Toussaint gab zu, dass es wahrscheinlich ein Fehler war, statt handschriftlicher Entwürfe, die weniger endgültig wirkten, gedruckte Exemplare der Verfassung an die französische Regierung zu schicken (doch dieses Argument war hypothetisch, da Toussaint die Verfassung bei der Zeremonie in Cap bereits öffentlich anerkannt hatte). Als Vincent ihm erklärte, er verdanke seine Macht «dem Schutz der französischen Regierung und der Macht europäischer Bajonette», wurde er ungehalten und verwahrte sich gegen diese Behauptung, die offensichtlich seinen Stolz verletzte; zudem traf sie tatsächlich nicht zu, denn sie spielte die Legiti-
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mation der Revolution in Saint-Domingue durch das Volk herunter. Als Vincent weiterhin auf seiner Kritik an Toussaints offenkundiger Insubordination und Undankbarkeit beharrte, fügte dieser verächtlich hinzu, er glaube nicht, dass er sich in Bezug auf die französische Obrigkeit falsch verhalten habe. Ermutigt durch seine bevorstehende Abreise aus der Kolonie, beharrte Vincent auf seiner Ansicht und erwiderte, SaintDomingues Verfassung sei nicht weniger als ein «Manifest gegen die französische Regierung».54 Dieses Gespräch – das letzte, das Vincent mit Toussaint führte – konnte nicht gut enden. Es verbesserte die Lage nicht, als Vincent den Gouverneur fragte, ob er sich über eine Ehrung oder Gratifikation vonseiten der französischen Regierung freuen würde. Dies klang zu sehr nach einem Versuch, ihn zu bestechen oder mit der Aussicht auf einen komfortablen Ruhestand zu ködern. Toussaint erwiderte steif: «Für mich selbst will ich nichts. Ich weiß, dass die Franzosen mich loswerden wollen und dass meine Kinder nicht die Früchte meiner Ersparnisse genießen werden. Aber ich bin nicht bereit, mich zur willigen Beute meiner Feinde zu machen.» Sodann fügte er noch weitere Überlegungen hinzu, die Vincent nicht überliefert hat. Er hielt nur fest, dass sie ihm «die grausamsten Schmerzen» verursachten. Die letzte Begegnung der beiden Männer endete mit einer flamboyanten, typisch Toussaint’schen Aktion: Er stürzte plötzlich zu einer Seitentür hinaus, sprang auf sein wartendes Pferd und ritt in halsbrecherischem Tempo davon. Zurück blieb der nachdenkliche Vincent und Toussaints verdattertes Gefolge von Vorausreitern, die sein Verschwinden den vielen Leuten erklären mussten, die geduldig gewartet hatten, um ihn zu sehen.55 Vincent segelte am 21. Juli aus Saint-Domingue ab. Toussaint versah ihn mit einem Empfehlungsschreiben an Louis-André Pichon, den französischen Generalkonsul in den Vereinigten Staaten, den er bat, seine baldige Reise nach Frankreich zu befördern, da er in «wichtiger Mission» unterwegs sei.56 In den Tagen vor seiner Abreise hörte Vincent nicht auf, Toussaints Entourage gegenüber seine Bedenken über die Verfassung zu äußern. Er teilte seine Bedenken Pascal, dem Sekretär des Gouverneurs, mit, der behauptete, vollkommen mit Vincents Kritikpunkten übereinzustimmen, aber mit dem ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb des Bürokraten vorschlug, er solle doch seine Einwendungen lieber direkt bei Toussaint vorbringen.57
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Als Vincent Toussaints Paten Pierre-Baptiste über die Verfassung befragte, die sein Adoptivsohn geschaffen hatte, antwortete dieser enigmatisch: «Wer Kartoffeln pflanzen kann, muss auch Kartoffeln essen.»58 Ebenso hatte Vincent einen offenen Austausch mit zwei Abgeordneten der Versammlung, Lacour und dem Vorsitzenden Borgella, denen er sagte, das Dokument, das er nach Paris mitnehme, würde der französischen Regierung besser gefallen, wenn sie sich gegen Toussaints Gouverneursbefugnisse durchgesetzt hätten. Die Abgeordneten waren aber anderer Meinung und verteidigten ihre Arbeit nachdrücklich. Eine Diskussion mit Henri Christophe zeigte, wie sehr dieses Thema selbst Toussaints loyalste Anhänger spaltete: Der Militärkommandeur von Cap wurde sehr emotional, als er erklärte, die Verfassung sei von den «gefährlichsten Feinden Saint-Domingues» abgefasst worden, denn sie maße sich «Befugnisse an, die von Rechts wegen nicht uns gehören». Der jähzornige Moyse äußerte sich ähnlich kritisch. Als er hörte, Toussaint habe sich Vincent gegenüber beklagt, dass Bonaparte auf keinen seiner Briefe antworte, während der Erste Konsul mit Frankreichs schlimmstem Feind, dem König von England, korrespondiere, explodierte er vor Wut und nannte seinen Onkel «einen wahnsinnigen alten Mann», der sich inzwischen für den «König von Saint-Domingue» halte.59 Obwohl ihr Gespräch so abrupt endete, gab Vincent die Hoffnung nicht auf, Toussaint noch zu einem Kurswechsel überreden zu können. Bevor er aus Cap absegelte, schrieb er an Toussaint und bestätigte, die Exemplare der Verfassung von Borgella und Toussaints Sekretär erhalten zu haben. Doch er rügte, dass er ihm keine Grußadressen an seine treuen Bundesgenossen in Paris mitgegeben hatte, wie den gewählten Abgeordneten Rallier und den Staatsrat Lescallier – Männer, die ihn außerordentlich bewunderten, an die Idee größerer Kolonialautonomie glaubten und sich als hilfreich erweisen könnten bei der herausfordernden Aufgabe, die Billigung der französischen Regierung für die Verfassung zu gewinnen. Außerdem gab Vincent seiner tiefen Sorge über Toussaints Seelenzustand Ausdruck, den er mit einer «Krankheit» verglich: Er wirke inzwischen unfähig, irgendjemandem zu vertrauen, und scheine sich gerade von den Menschen abgekapselt zu haben, die ihn am meisten liebten. Er warnte Toussaint vor den Gefahren einer solchen Isolation: «Nichts ist grausamer für einen Menschen als der Glaube, ohne Freunde und allein auf der Welt zu sein.»60 Einen Monat später erreichte Vincent Neuengland. Zunächst reiste
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er nach Georgetown, um den französischen Generalkonsul Pichon zu treffen, der ihn mit Reisedokumenten versorgte. Die beiden Männer kannten sich gut und teilten die gleichen progressiven republikanischen Ansichten. Als Vincent ihm von den jüngsten Entwicklungen in SaintDomingue berichtete, bestätigte Pichon seine Bedenken und beschloss, ihnen Ausdruck zu geben. Er schrieb an Toussaint, dass die Publikation des Gesamttexts der Verfassung in der amerikanischen Presse allgemein als Vorgriff auf eine «Trennung» Saint-Domingues von Frankreich empfunden würde.61 Ein solcher Schritt werde allen, die an die Aufrichtigkeit von Toussaints Bindung an Frankreich glaubten, äußersten «Schmerz» verursachen. Diese Trennung werde nur zur Isolation der Kolonie führen: Pichon warnte, Saint-Domingue werde von seinen Feinden schon jetzt als «ein Algerien in der Karibik» betrachtet und sich bald der aktiven Gegnerschaft aller anderen europäischen Staaten gegenüber sehen; es werde ohne die Unterstützung des französischen Mutterlandes untergehen.62 Einige Tage später schickte Pichon einen zweiten, noch persönlicheren Brief, in dem er Toussaint anflehte, sich an alles zu erinnern, was Frankreich für ihn und seine Kinder getan hatte; er erwähnte auch, dass Toussaint drei aufeinanderfolgende Bevollmächtigte aus der Kolonie vertrieben hatte, und dass sein erratisches Verhalten sich umgekehrt proportional zu dem Vertrauen verhalte, das Frankreich unverbrüchlich in ihn gesetzt hatte. Er drängte den Gouverneur, umzukehren auf einem Weg, der seinem «Ruhm, seiner Ehre und seinen Interessen» zuwiderlief.63 Bevor Vincent Pichon verließ, schrieb er – ohne Zweifel bestärkt durch ihre Gespräche – einen weiteren Brief an Toussaint. Diese Botschaft war wichtig, weil Vincent noch offenherziger auf viele Themen zurückkam, die er in den letzten Gesprächen mit dem Gouverneur in Cap angeschnitten hatte, und weil sie ihm die Möglichkeit bot, das letzte Wort zu haben. Er äußerte wie Pichon seine Bestürzung darüber, dass der Text der Verfassung bereits in Amerika publiziert worden war und dass die französische Führung mit Sicherheit davon erfahren würde, ehe er selbst Paris erreicht habe – eine Situation, die umso verheerender war, als man in Amerika davon ausging, dass dies auf eine «formelle Unabhängigkeitserklärung» von Frankreich hinauslief. Nun, da Vincent sich einen gründlichen Überblick über den Inhalt verschafft hatte, war sein Urteil noch vernichtender: Saint-Domingues Verfassung, so erklärte er Toussaint, war bloß eine «blasse Imitation»64 der französischen
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Version und berücksichtigte tatsächlich nirgendwo die lokalen Eigenheiten der Kolonie. Außerdem erinnerte Vincent Toussaint daran, dass die Befugnisse des Gouverneurs weitreichender waren als die des Ersten Konsuls: Er sollte sein Amt lebenslang ausüben und sogar das Recht haben, seinen Nachfolger auszuwählen – ein Einspruch, den auch Nogérée erhoben hatte. Vincent konnte nicht ahnen, dass Bonaparte kurz davor war, Toussaint in dieser Beziehung nachzuahmen. Er fuhr fort: Zwar sei die Rolle der Zentralversammlung in der Verfassung festgeschrieben, doch sei sie ein schwaches Organ, das vollkommen dem Gouverneur unterstehe: Sie könne nur über Gesetze abstimmen, die er vorschlage, und habe keinen Einfluss auf seine Entscheidungen. Diese Kritik war vollkommen berechtigt; und obwohl Artikel 12 die Grundfreiheiten aller Bürger garantierte und Artikel 63 die Unverletzlichkeit ihrer Wohnungen, ermöglichten die umfassenden Befugnisse Toussaints Verletzungen dieser Schutzmechanismen, vor allem sein Recht, Schriften oder Volksversammlungen zu verbieten, die er für aufrührerisch hielt, und die «Urheber und Komplizen jeglicher Verschwörung gegen den inneren Frieden der Kolonie» in Haft nehmen zu lassen.65 Eine so schwammig formulierte Vorschrift war ein Freibrief für jede Willkür der Exekutive. Ebenso besorgniserregend waren aus Vincents republikanischer Sicht die Vorschriften für das Plantagensystem der Kolonie (wie sie in Abschnitt VI festgehalten waren), die ein Zwangssystem für die schwarzen Arbeiter bildeten und sie de facto fest an ihre Landgüter banden; dies war nach seiner Ansicht kein Rezept für Stabilität oder Brüderlichkeit. Wer infolgedessen am meisten von der neuen Ordnung in SaintDomingue profitierte, waren nicht die Schwarzen, die die Revolution am eifrigsten verteidigt hatten, sondern britische und amerikanische Unternehmer, Emigranten und europäische Siedler – eben jene Gruppen, die die Doktrin der Menschenrechte, wie sie in der Französischen Revolution formuliert worden war, erbittert ablehnten und es unvorstellbar fanden, dass weiße, gelbe und schwarze Rassen harmonisch und auf gleicher Stufe zusammenleben könnten, wie es beispielsweise bisher in Saint-Domingue der Fall war. Die amerikanischen Geschäftsleute, die Vincent kennenlernte, hatten grobe rassistische Vorurteile gegen Schwarze geäußert, was ihn zu einem vernichtenden Urteil veranlasste: «Sie sind, mein lieber General, von den Feinden Frankreichs und der Freiheit verführt worden, von böswilligen Männern, die sich nur für den Reichtum
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der Kolonie interessieren und nur Verachtung für ihre Einwohner übrighaben.»66 Vincent kam zurück auf die außenpolitischen Implikationen von Toussaints Quasi-Unabhängigkeitserklärung – ein Hauptgrund für ihre Meinungsverschiedenheiten in Cap – und befand, dass der Gouverneur eine große Zielscheibe auf die Kolonie gemalt hatte. In Übereinstimmung mit Pichons Ansichten erklärte er, eine Schwarze Republik würde von den imperialen Mächten als Bedrohung wahrgenommen: nicht nur von den Briten, sondern auch von den Spaniern, den Portugiesen und Holländern, die alle gegenüber schwarzen Völkern als «grausame Herren» bekannt waren. Sie würden in Toussaints Verfassung eine «Fackel» sehen, mit der man «ihre eigenen Siedlungen in Brand steckte», und alles in ihrer Macht Stehende tun, um die revolutionären Flammen so schnell wie möglich zu «löschen».67 Diese Spekulationen waren keineswegs unbegründet. Die Nachricht von der Verfassung wurde in Jamaika, laut dem französischen Bevollmächtigten in Philadelphia, mit großem Entsetzen aufgenommen, insbesondere bei den Pflanzern, die davon überzeugt waren, dass es sich hier um die erste Phase von Toussaints Vorhaben handelte, die britische Kolonie anzugreifen und «die gesamte Karibik zu unterwerfen».68 Vincent wiederholte sein Hauptargument, dass Toussaint die falsche Strategie gewählt habe: Auch wenn er sich bei seinen Verhandlungen mit der französischen Regierung in einer heiklen Position befand, so wäre es günstiger gewesen, wenn er seinen Verfassungsentwurf unter «Geheimhaltung» abgeschickt und gleichzeitig seine Dankbarkeit und Bindung an die französische Nation zum Ausdruck gebracht hätte. «Frankreich», schrieb er in aller Naivität, «kann gegen Sie nur wohlwollend eingestellt sein.» Besonders störte Vincent sich an Toussaints grundverkehrtem Umgang mit Bonaparte, diesem «außergewöhnlichen Mann, dem heute der Respekt und die Bewunderung der gesamten Welt gilt» und der Saint-Domingue gegenüber sehr positiv eingestellt sei. Bonaparte habe ihn im Jahr 1800 abgesandt mit «vollkommen zureichenden Versicherungen» für die Erhaltung der Errungenschaft der Revolution in der Kolonie, vor allem der Freiheit und Gleichheit der schwarzen Bürger, aber Toussaint habe seine Angebote törichterweise abgewiesen. Dies sei, so schloss er, ein schmerzlicher Fehler gewesen: Er hätte nicht nur die freundschaftlich ausgestreckte Hand ergreifen, sondern auch darauf vertrauen sollen, dass der Erste Konsul Gesetze
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erlassen würde, die den Interessen der Bevölkerung von Saint-Domingue dienten.69 Toussaint hatte nicht, wie Vincent wohl meinte, offen mit Frankreich gebrochen, und er wollte durchaus nicht, dass die neue Verfassung zu einem Zerwürfnis zwischen Frankreich und Saint-Domingue führte; wie er in privaten Gesprächen hatte durchblicken lassen, erwartete er, dass die Franzosen Verhandlungen mit ihm aufnehmen würden. Diese Annahme war nicht aus der Luft geholt, denn schließlich bereitete Bonaparte sich auf Verhandlungen mit den Briten, seinen erklärten Feinden, vor. Warum dann nicht mit den Schwarzen in Saint-Domingue, die seine Verbündeten waren? Doch Toussaint gab sich im Gegensatz zu Vincent nicht der Illusion hin, der Erste Konsul sei ihm oder der Revolution in Saint-Domingue sonderlich gewogen. Dieser Vorbehalt war in seinen Augen nur zu berechtigt angesichts von Bonapartes ambivalenter Haltung gegenüber dem Problem der Sklaverei und auch angesichts des Schweigens, mit dem er bislang alle Briefe Toussaints quittiert hatte. In diesem Dilemma – er konnte Bonaparte nicht ignorieren, aber ebenso wenig konnte er ihn so untertänig seiner Loyalität versichern, wie Vincent und Roume es erwarteten – folgte der Gouverneur seiner eigenen Strategie, einer typischen Mischung aus Eigenmächtigkeit und Chuzpe. All diese Eigenschaften manifestierten sich in dem Brief an den Ersten Konsul, den er Vincent mitgab. Zunächst teilte er Bonaparte mit, er habe sich nach der Vereinigung der französischen und spanischen Territorien von Saint-Domingue mit seinem Verfassungsprojekt befasst, um Saint-Domingue zu «ein und demselben Land, regiert von ein und derselben Regierung» zu machen. Diese Eröffnung klang nicht unbedingt entgegenkommend, wenn man bedenkt, dass die französische Führung seine Annexion Santo Domingos abgelehnt hatte. Toussaint gab seinen Leistungen allerdings einen positiven Anstrich, indem er betonte, die neuen Gesetze der Kolonie deckten sich vollständig mit Artikel 91 der Verfassung vom 22. Frimaire des Jahrs VIII: Er habe versucht, in seinen Vorschlägen getreulich die «örtlichen Interessen und Sitten» zu spiegeln. Nun, da das Dokument fertig sei, übersende er es seiner Regierung zur «Annahme und Bestätigung». Diese Loyalität schränkte er aber sogleich durch den Zusatz ein, die Zentralversammlung habe ihn gebeten, die Verfassung «provisorisch» in Kraft zu setzen, er habe ihrer Bitte entsprochen und die Entscheidung sei «von allen Teilen der Gesellschaft mit
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großer Freude aufgenommen» worden. Nach dieser Einführung bedurfte das Dokument eigentlich nur noch Bonapartes Stempel; die Möglichkeit von Verbesserungen oder Änderungen blieb unerwähnt. Unterstrichen wurde diese Argumentation noch durch die Tatsache, dass Toussaint seinen Brief mit dem neuen Briefkopf des «Gouverneurs von Saint-Domingue» schickte und Bonaparte kühl daran erinnerte, dass er ihm mehrfach geschrieben habe, aber immer noch auf das «Vergnügen einer Antwort» warte. Dies war kein Untergebener, der einen Höherstehenden anredete, es war ein Brief auf Augenhöhe.70 Ende August 1801 ließ Toussaint einen weiteren Brief an Bonaparte folgen. Dieses Mal wurde er dem Abgeordneten Nogérée anvertraut, der, wie wir oben sahen, begierig war, die Mission zu übernehmen. Im Gegensatz zu der Auffassung, Toussaint habe Nogérée geschickt, weil er das Vertrauen zu Vincent verloren hatte, war diese Doppelconférence immer sein Plan gewesen. Für Toussaint war es typisch, zwei verschiedene Mittelsmänner für ein und dieselbe Aufgabe zu schicken: Während der Republikaner Vincent hoffentlich seine progressiven Gefolgsleute beschwichtigen könnte, würde Nogérée bei den eher konservativen und reaktionären Elementen in Bonapartes Entourage Zustimmung finden – vor allem bei der Koloniallobby. Und so war Toussaints Empfehlungsschreiben für Nogérée im Gegensatz zu dem anmaßenden Ton der vorigen Botschaft ohne Fehl und Tadel, es stellte ihn als bedeutenden Großgrundbesitzer der Kolonie vor, einen Mann, der «sowohl für seine persönlichen Eigenschaften wie für seine sozialen Tugenden» Achtung verdiente und der «der Kolonie ebenso verbunden ist, wie er Frankreich liebt». Im Gegensatz dazu fand sich in dem Brief, den er Vincent mitgegeben hatte, nicht die geringste Spur von französischem Patriotismus. Neben der Verfassung nahm Nogérée auch ein Exemplar der «Organgesetze» mit, die die Versammlung zwischen Juli und August 1801 verabschiedet hatte. Toussaint wünschte unbedingt, dass Bonaparte diese zahlreichen legislativen Details genau studierte, damit er über die Zustände in Saint-Domingue «alles, was er wissen wollte», herausfinden konnte. (Ohne Zweifel hatte irgendjemand ihm von der Obsession des Konsuls für Details erzählt, eine der zahlreichen Eigenschaften, die die beiden Männer teilten.) Kurzum, das Ziel von Nogérées Mission war, Bonaparte der Loyalität Toussaints Frankreich gegenüber zu versichern und zu bestätigen, dass das Territorium sich «unter der Leitung eines Schwarzen» auf dem besten Wege zu Frieden und Wohlstand befand.
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Selbst in seinem zuvorkommendsten Briefstil konnte Toussaint sich diese kleine Spitze nicht verkneifen, aber hier ging es zusätzlich darum, die «Verleumdungen» seiner Pariser Feinde über Saint-Domingue zu widerlegen, die «Maßnahmen» forderten, «welche die Ordnung zerstören würden, die in der Kolonie inzwischen etabliert worden ist».71 Einen Tag, nachdem er den Nogérée-Brief geschrieben hatte, griff Toussaint erneut zur Feder, um Bonaparte mitzuteilen, dass er Roume gestatte, Saint-Domingue zu verlassen. Toussaint überließ nichts dem Zufall, und dass er diesen speziellen Moment für eine solche Ankündigung wählte – mehrere Monate, nachdem er den französischen Bevollmächtigten aus dem Hausarrest entlassen hatte –, ist nicht ohne Bedeutung. Mehrere Motive spielten eine Rolle. Das offensichtlichste war, dass er den gesundheitlich geschwächten Roume nicht in Gefangenschaft sterben lassen wollte, insbesondere da seine Lage sich in den Vereinigten Staaten herumgesprochen hatte und sich allmählich Gerüchte verbreiteten, er sei hingerichtet worden. Der französische Generalkonsul Pichon bemühte sich mehrfach bei Toussaint um Roumes Freilassung und erwähnte dabei Einzelheiten der würdelosen Bedingungen seiner Haft, die Toussaint vermutlich peinlich waren.72 Aber er wollte auch ein klares Signal geben, dass sich Frankreichs Beziehungen zu seiner Kolonie mit der Abreise des Bevollmächtigten in eine neue Richtung entwickelten, weshalb Bonaparte die neue Verfassung besser ernst nehmen sollte. Unterschwellig verband sich Roumes Freilassung für Toussaint zweifelsohne mit dem Schicksal seiner beiden Kinder. Er hatte in seinen früheren Briefen an Bonaparte darum gebeten, sie ihm zurückzuschicken, aber dies war noch nicht geschehen; de facto lebten sie als Geiseln in Frankreich. Roumes Entlassung war eine Geste des guten Willens von Toussaint, der hoffte, dass Frankreich diese erwidern würde. Toussaint war sehr um den Nachweis bemüht, dass er immer noch innerhalb einer französischen Kommandokette operierte. Er teilte dem Marineminister Forfait mit, die Verfassung sei auf Verlangen der Zentralversammlung «vorläufig» in Kraft gesetzt worden (eine weitgefasste Auslegung der Wahrheit),73 und bat ihn um eine Liste jener Emigranten, denen der Zugang zu ihrem Besitz in Saint-Domingue aufgrund von Artikel 73 seiner neuen Verfassung verweigert werden sollte.74 In einem weiteren Brief an Bonaparte erkannte Toussaint an, dass er in einer hierarchischen Beziehung zu ihm stand. Er erwähnte zweimal, er habe «Anordnungen»75 in Bezug auf Roume erwartet. Nachdem ihm keine
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Anweisungen geschickt worden waren, habe er die Initiative ergriffen und ihn entlassen. Hier demonstrierte er seine Humanität in Anbetracht von Roumes «beträchtlichem Alter und seiner natürlichen Charakterschwäche». Aber die Mitteilung, er gewähre Roume «die Freiheit, [in die Vereinigten Staaten] abzureisen», enthielt auch eine leise Drohung, denn sie erinnerte Bonaparte daran, sollte es ihm entfallen sein, dass der Herrscher von Saint-Domingue über Leben und Tod der französischen Bürger in der Kolonie bestimmte. Der Gründervater war recht zufrieden mit seiner Verfassung. Er belohnte die Abgeordneten der Zentralversammlung großzügig für ihre Bemühungen, indem er sie mit hohen Positionen in der Jurisdiktion und Finanzverwaltung bedachte: Borgella wurde Seneschall von PortRépublicain und Raimond intendant des finances, ein Amt, dessen er sich nicht lange erfreuen konnte, denn er starb im Oktober 1801.76 Toussaint sorgte dafür, dass Taschenausgaben der Verfassung über die ganze Insel verteilt wurden, und es gab Volksfeste, bei denen die Bürger auf die neuen Gesetze eingeschworen wurden. Auf seinen regulären Reisen zu unterschiedlichen Orten machte er sein Publikum immer auf die Verfassung aufmerksam. Er konnte sogar gehörig langweilig dabei werden: Bei einem Besuch in Santiago auf ehemals spanischem Gebiet zog er auf einem seiner grands cercles triumphierend ein Exemplar des Texts aus seiner Jackentasche. Dann bat er den Bürger Hatrel, einen seiner Kriegskommissare, den gesamten Text vorzulesen. Hatrel musste des öfteren Pausen machen, weil der Gouverneur gelehrte Kommentare über die Bedeutung bestimmter Artikel abgab. Die Lesung wurde mit begeistertem Applaus vonseiten der Anwesenden quittiert; nur der unglückliche Hatrel wirkte am Ende etwas erschöpft und «brauchte dringend eine Erfrischung».77 Die Verfassung von 1801 ist viel kommentiert worden, sowohl von Toussaints Zeitgenossen als auch von späteren Generationen von Historikern, Politologen und jüngst auch politischen Philosophen. Ihre Bedeutung wurde unter vielen Gesichtspunkten diskutiert, wie dem der Revolutionen in Frankreich und Haiti, der Verbreitung der Aufklärung außerhalb Europas, des weltweiten Widerstands gegen Sklaverei und auch des aufkommenden Postkolonialismus. Aus der Perspektive des Biografen betrachtet: Was verrät sie über die damaligen Hauptanliegen des frischgebackenen Gouverneurs? Toussaints Denken wurde weder
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von Hybris noch von Eigensinn angetrieben, sondern – wie immer – von rationaler politischer Berechnung. Als Bonaparte endlich in einem Brief, der von seiner Invasionsarmee befördert wurde, auf Toussaint antwortete, bemerkte er, die größte Schwäche des Verfassungstexts sei, dass er die «Souveränität des französischen Volks» nicht anerkenne.78 Das war eine dreiste Bemerkung für einen Mann, der in seinem coup d’état vom 18. Brumaire republikanische Institutionen mit Füßen getreten hatte, der die Sklaverei wieder einführen wollte, und dessen Kaiserreich sich von einem Großteil des revolutionären Erbes abwenden sollte. Doch Bonapartes Behauptung blieb gleichwohl haften und enthält einen der gewichtigsten Kritikpunkte an der Verfassung. Dennoch ist er viel zu kategorisch, um den Feinheiten des Dokuments und den Intentionen Toussaints gerecht zu werden. Zugegeben, Saint-Domingue wurde im Text als «ce pays» bezeichnet, ein semantischer Ausrutscher, der Toussaints wachsendes Zutrauen zum emanzipierten Status der Kolonie spiegelt. Aber er setzte die Zentralversammlung in erster Linie ein, um die französische Regierung zu beruhigen, und versuchte wiederholt, ihre Aufmerksamkeit für die Angelegenheit zu gewinnen; seine beiden Gesandten Vincent und Nogérée waren stramme französische Patrioten. Auch lässt sich kaum bezweifeln, dass die Platzierung der Artikel über die Plantagenordnung und die katholische Religion am Beginn des Texts ein taktischer Schachzug war, um zu zeigen, dass er vorhatte, innerhalb der französischen Grande Nation zu bleiben. Sein Wille, Saint-Domingues Status als französische Kolonie zu erhalten, schlägt sich bereits in der Überschrift der Verfassung nieder, in ihrem ersten Satz, in der Anerkennung des französischen Erbrechts für die Besitzungen in der Kolonie, sowie im wahrscheinlich wichtigsten Artikel des gesamten Dokuments: dem Absatz über die Abschaffung der Sklaverei, in dem Freiheit mit Franzosentum gleichgesetzt wird; Bürger von Saint-Domingue zu sein, hieß «libre et français».79 Toussaints Sekretär Pascal bezeugte die Intentionen des Gouverneurs in seiner zwölfseitigen Antwort auf einen Brief des französischen Generalkonsuls Pichon.80 In diesem Schreiben, das kurz nach Nogérées Abreise nach Frankreich entstand, fasste Pascal Toussaints Denken in dessen eigenen Worten zusammen. Auf die Anschuldigungen, die in Philadelphia und Paris herumschwirrten, er führe die Kolonie in die Unabhängigkeit, entgegnete Toussaint, ein Bruch mit Frankreich sei
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«unmöglich, undurchführbar und absurd» – nicht nur, weil SaintDomingue keine Marine besaß, sondern auch, weil er in keiner Weise beabsichtigte, Frankreich zu «verraten» und «Handlanger der Briten» zu werden. Die Kolonie war durch ihre Geschichte, den gemeinsamen Freiheitskampf, die gemeinsame Sprache und vor allem durch einen Revolutionsführer verbunden, der in seiner Beziehung zu Frankreich «nie einen Schritt zurück getan» und die vergangenen zehn Jahre damit verbracht hatte, «die Feinde der Republik zu bekämpfen und sie aus dem Land zu vertreiben».81 Doch Toussaint verweilte nicht lange bei der Vergangenheit oder dem Thema der Souveränität. Die Verfassung von 1801 und die begleitenden «Organgesetze» befassten sich hauptsächlich mit Themen guter Regierungsarbeit, wie der Rationalisierung des Finanz- und Justizsystems der Kolonie, der Organisation ihrer kommunalen und religiösen Institutionen und der Gründung von Bildungseinrichtungen. Alle legislativen Edikte, die die Versammlung hervorbrachte und die vom Gouverneur sorgfältig durchgearbeitet wurden, bezeugen seine gründliche Beschäftigung mit der richtigen Verwaltungsstruktur für Saint-Domingue und dem Wohlergehen seiner Bürger.82 Die neuorganisierten Gerichte für Zivil- und Handelsrecht waren mit zehn hochgeachteten Persönlichkeiten besetzt, von denen drei schwarz waren.83 Kein Detail war ihm zu gering, sei es die korrekte Zahl von Kirchengemeinden pro Departement, die Funktionsweise der Berufungsgerichte, die Zuteilung von Familienbänken in den Kirchen, die Rechte unehelicher Kinder (mit einer Verfügung für noch lebende Väter und einer weiteren für verstorbene), die Tätigkeiten von Notaren, Landinspektoren, Gesundheitsbeamten, Apothekern, Straßenverkäufern, Gefängnisaufsehern und Concierges, die Schuldenregelungen, die Verwaltung konfiszierter Besitzungen und das (strenge) Strafmaß für Verbrechen wie Diebstahl, Raub, Brandstifung und Körperverletzung, einschließlich Vergewaltigung.84 Zugleich zeigte sich erneut Toussaints Skurrilität in einem besonderen Organgesetz, das die Kleidung aller wichtigen öffentlichen Funktionsträger regelte: Bürgermeister hatten einen «runden Hut zu tragen, mit einem Federbusch in den Farben der Trikolore, dessen Krempe auf einer Seite hochgeklappt war».85 Er hielt überdies in der Verfassung fest, dass er den Namen seines Nachfolgers in einem «versiegelten Päckchen» verborgen halten werde, dass er aber den Abgeordneten der Zentralversammlung «klare Instruktionen über den Ort des Verstecks»86 hinterlassen würde.
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Die Ernennung des nächsten Gouverneurs würde also mit einer Louverture’schen Schatzsuche beginnen. Toussaints Verfassung von 1801 entsprach definitiv Rousseaus Forderung, dem Gemeinwohl zu dienen. Doch aus dem republikanischen Blickwinkel blieben zwei sehr kontroverse Bereiche: die beträchtlichen, nahezu unumschränkten Befugnisse, die dem Gouverneur zugemessen wurden, sowie die Bevorzugung der Grundbesitzer im Produktionssystem der Kolonie mit Maßnahmen, die Saint-Domingues Landarbeiter zwangsweise an das Plantagensystem fesselten. Beides ist viel kritisiert worden und oft für die lange Tradition des institutionellen Absolutismus in Haiti nach der Unabhängigkeit verantwortlich gemacht worden.87 Toussaints republikanische Herrschaft gründete auf einer absolut paternalistischen Sicht auf die Gesellschaft. Er wurde als vom Schicksal Gesandter gefeiert und sah sich als «Vater» Saint-Domingues. In seinen Reden und Schriften finden sich häufig Bezüge zur «Familie» – so verbanden sich seine republikanischen, karibischen und christlichen Werte zu einer Einheit. Dieses paternalistische Prinzip lag der Beschreibung des Plantagensystems in der Verfassung zugrunde, es rankte sich um ein Familienideal, in dem der Plantagenbesitzer oder -verwalter als Vaterfigur fungierte. Aber daraus lässt sich kaum schließen, wie Kritiker Toussaints häufig behauptet haben, dass er das Prinzip der Brüderlichkeit über Bord geworfen und die Schwarzen ihrem Schicksal überlassen hätte. Die Verfassung hielt unmissverständlich fest, dass es zu den Aufgaben des Gouverneurs gehörte, die Pflichten der Pflanzer gegenüber ihrer Arbeiterschaft durchzusetzen.88 Auch Toussaints weiter gefasste Grundprinzipien für die Konsolidierung der Landgüter in der Kolonie müssen in Beziehung zur revolutionären Brüderlichkeit gesehen werden. Seine Agrarpolitik war kein Selbstzweck: Seine oberste Priorität war die Verteidigung von SaintDomingues Gewinnen gegen Interventionen von außen, und in seiner Vorstellung konnte dies nur durch eine Wiederbelebung der Plantagenwirtschaft gelingen, die Zollgebühren und Steuern auf Exportartikel wie Zucker und Kaffee generieren würde, welche dann für das «Gemeinwohl» eingesetzt werden konnten. Dies war auch der Grundgedanke von Artikel 73, der abwesende Landbesitzer wieder zurück in die Kolonie locken sollte. Die einzige Alternative zu Toussaints System war die Zerschlagung der großen Güter in kleine Landparzellen. Viele schwarze Bürger Saint-Domingues hätten dies zwar begrüßt, aber es
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hätte die französische Regierung und die weißen Pflanzer vor den Kopf gestoßen und kurzfristig Saint-Domingues Produktionskapazitäten auf Null gebracht. Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, gab es einige Leute in Toussaints Entourage, die dies der Mühe wert fanden – aber er selbst war anderer Meinung, und es fällt schwer, an seiner Logik aus streng republikanischer Perspektive etwas auszusetzen. Man darf freilich nicht vergessen, dass die Verfassung zwar keine formelle Gewaltenteilung vorsah, aber durchaus eine Art sozialen Pluralismus gewährte zwischen den vorrangig weißen Eliten, die über die ökonomische Macht in der Kolonie verfügten, und der schwarzen Armee, aus der sein Nachfolger ausgewählt werden sollte und die letztendlich die politische Ordnung Saint-Domingues garantierte.89 Die Verfassung von 1801 rückte überdies einen faszinierenden Aspekt von Toussaints Persönlichkeit in den Vordergrund: sein komplexes Zeitkonzept. Wie alle großen Revolutionäre der Neuzeit war er besessen von der Zeit. Sie war zugleich eine unhintergehbare Schwelle, die schrittweise Transformationen zuließ, ein unendlicher Raum, der Zeugnis für die grenzenlosen Möglichkeiten der Menschheit ablegte, sich zu vervollkommnen, ein kostbares Gut, das nicht verschwendet werden durfte, eine naturgegebene Einschränkung, die durch nahezu übermenschliche Anstrengung überwunden werden konnte, und ein Horizont des Möglichen, mit dem man sorgsam umgehen musste. All diese Aspekte stießen in einer grandiosen Polyphonie in der Verfassung zusammen. Der Geist des Texts ist geprägt von Rastlosigkeit; daher die sofortige Bekanntmachung bei der Zeremonie in Cap, ohne Bonapartes Plazet abzuwarten, und die dringliche Formulierung von Artikel 14, der «auch die geringste Unterbrechung» der landwirtschaftlichen Arbeit in der Kolonie zurückwies. Daher auch die Verfügung in Artikel 3, dass alle Einwohner frei leben und sterben sollten – ein Nachklang des Schlachtrufs der französischen Revolution: «liberté, égalité, fraternité ou la mort» –, der eine dauerhafte Pflicht eines aktiven republikanischen Patriotismus ins Zentrum von Saint-Domingues staatsbürgerlichen Idealen rückte. Aber Toussaints Verfassung war auch ein work in progress: Es war vorgesehen, dass die Zentralversammlung sie in Abständen einer Revision unterzog, eine selten erwähnte Tatsache, die beweist, dass Toussaint sie für verbesserungsfähig hielt. Aus diesem Grund gab es auch die Beschränkung der Amtszeit seines Nachfolgers auf fünf Jahre, ein Ausdruck
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seiner Vorsicht und seines Wunsches, alles mitzubestimmen, selbst von jenseits des Grabes. In seinen sonnigeren Momenten, und trotz seiner Bedenken Bonaparte gegenüber, sah Toussaint nach wie vor die Beziehung zwischen Frankreich und Saint-Domingue als eine langfristige an, auch wenn sie nicht mehr eine Allianz gleichgesinnter Revolutionäre war, wie in der glücklichen Zeit unter Gouverneur Laveaux, sondern eher eine Vernunftehe. Außerdem vermittelte das Gouverneursamt «auf Lebenszeit» ein optimistisches Gefühl von Kontinuität, das in Nogérées Vision von «zwanzig Friedensjahren» unter Toussaints Herrschaft seinen Widerhall findet. Am ausgedehntesten Ende dieses Zeitspektrums befand sich die Abschaffung der Sklaverei «für immer», in der sich Toussaints Überzeugung spiegelt, dass Saint-Domingues Revolution eine neue positive Ordnung geschaffen hatte, die auf einzigartige Weise afrikanische Dynamik, europäische Moderne und karibischen Voluntarismus miteinander verband.
VIERTER TEIL
DER ANFÜHRER UND SEIN MYTHOS
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RASCH E U N D U NSICH ERE B EWEGU NGEN
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Toussaints Verfassung beinhaltete eine persönliche Hommage an ihn selbst: die Schaffung eines neuen Departements, das den Namen Louverture tragen sollte und in das erste Organgesetz vom 13. Juli 1801 Eingang fand.1 Die Idee wurde von den Mitgliedern der Zentralversammlung vorgebracht, und der Gouverneur musste nicht lange überredet werden: Mittlerweile war er an solche Schmeicheleien seitens seiner Anhänger gewöhnt. Aber diese Ehrung besaß historische Signifikanz, da das Territorium viele Orte – wie Gros-Morne, Plaisance, Marmelade und Dondon – umfasste, wo er seine frühen militärischen Erfolge erzielt hatte. Die vorgesehene Hauptstadt des Departements war sein geliebtes Gonaïves, das er zur bedeutendsten Stadt der Kolonie zu machen hoffte. Hocherfreut über die Möglichkeit, zu ihrem Glanz beizutragen, ließ er einen ehrgeizigen Plan zur Neugestaltung ihres Gewerbegebiets erstellen. Um Investitionen anzuziehen, verfügte er, dass das gesamte Holz, das für Baumaßnahmen in die Stadt geliefert wurde, von Steuern befreit und dass Abgaben auf andere Handelsgüter deutlich gesenkt werden sollten. Diese Vorzugsbehandlung war gegenüber den anderen Städten alles andere als fair, doch das störte Toussaint nicht weiter, zumal seine Ambitionen nicht bescheiden waren: «Die Einwohner des neuen Departements, aber vor allem die der Stadt Gonaïves, müssen alle Anstrengungen unternehmen, um sich dieser Ehre als würdig zu erweisen. Sie müssen den führenden Städten der Kolonie mit doppelter Energie nacheifern, um die Hauptstadt des neuen Departements zu ebensolcher Blüte zu bringen.»2 Toussaints umfassender Unternehmungsgeist war ansteckend. Unmittelbar nach der Annahme der Verfassung von 1801 lag Aufbruchsstimmung in der Luft. Dies ließ sich bereits an den aufblühenden Ver-
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gnügungsstätten erkennen. In den Theatern der größeren Städte, in denen die meisten Hauptrollen von Schwarzen gespielt wurden, gab es eine große Nachfrage nach Comedy- und Pantomimenshows. Auch der Handel erlebte einen Boom: Die Ausgabe des Bulletin Officiel de SaintDomingue von Anfang Juli annoncierte, neben den üblichen Nachrichten über Abgänge und Neuankünfte in der Kolonie, dass in der Eisenwarenhandlung Graille soeben eine neue Lieferung von Türschlössern und kupfernen Möbelbeschlägen eingetroffen sei und dass Pourcin & Compagnie gelöschten und ungelöschten Kalk auf Lager habe. Laforgue warb für seine «sehr großen und weitläufigen» Geschäftsräume, in denen es exquisiten Bordeaux in Fülle gäbe, während Hulin nicht nachstehen wollte und seine Klientel damit umwarb, dass er eine vorzügliche Auswahl an französischem Gartensaatgut sowie Fadennudeln, Makkaroni und «andere Lebensmittel von hoher Qualität» im Angebot habe. Marthe Guenon gab bekannt, nur in ihrem Laden gebe es das Zaubermittel, mit dem sich Skorbut heilen lasse. Auch für Diebe war es eine große Zeit: Edward Stevens, der scheidende amerikanische Konsul, meldete, Einbrecher hätten sein Schlafzimmer heimgesucht und sich mit seiner goldenen englischen Taschenuhr, sieben silbernen Teelöffeln (graviert «EHS»), einem silbernen Esslöffel, einem Paar Goldohrringe und einer Damenhaube aus dem Staub gemacht.3 In der Vergangenheit war der Zugang zu solchen Luxusartikeln ausschließlich den weißen Kolonisten vorbehalten gewesen. Doch nun entstand gegen Ende der Toussaint-Ära eine neue schwarze Bourgeoisie: im Handel, in der Verwaltung und auf der Führungsebene des Militärs. Mitglieder dieser Schicht protzten zuweilen mit ihrem Wohlstand, aber es gab auch Beispiele bemerkenswerter Liebenswürdigkeit und Eleganz.4 In der zweiten Jahreshälfte 1801 war Toussaint ständig auf der Insel unterwegs, erließ eine Unmenge von Dekreten, schuf einen Postdienst für die Departements im Norden und in Samanà, wohnte der Einweihung neuer Kirchen bei, inspizierte Plantagen und Befestigungen, veranlasste die Verbreiterung von Straßen, das Anlegen von Gräben und den Bau neuer Brücken. Sein Mitarbeiterstab musste sich noch mehr als gewöhnlich anstrengen, mit seinem manischen Tempo Schritt zu halten, das sich auch in dem enormen Ausmaß seiner Korrespondenz spiegelt.5 Und er verfolgte weiterhin seine diplomatischen Ziele: Ende des Jahres 1800 unterbreitete er der britischen Regierung den Vorschlag, ihre Beziehung zu beiderseitigem Vorteil weiterzuentwickeln. In diesem
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konstruktiven Geist sandte er Joseph Bunel nach Jamaika, wo dieser mehrere Monate blieb und mit Balcarres sowie dessen Nachfolger George Nugent verhandelte; zu den vordringlichen Zielen gehörte die Ausweitung des Maitland-Abkommens auf die Häfen im Süden der Kolonie.6 Parallel dazu versuchte Toussaint in Reaktion auf einen Brief von Pichon, dem französischen Generalkonsul in den Vereinigten Staaten, offizielle Kanäle zu nutzen, um die Handelsbeziehungen mit den Amerikanern zu konsolidieren. Mit Argwohn allerdings sah er die wachsende Zahl ehemaliger Kolonisten aus Saint-Domingue, die in Amerika lebten und Pässe beantragten, um zurückzukehren und ihren Besitz zu reklamieren. Gewiss wollte er diese Weißen zurückgewinnen, doch nicht um jeden Preis. Da er feststellte, dass die meisten von ihnen ihre alten Vorurteile nicht abgelegt hatten, bat er Pichon, ihm ihre Namen zu senden, damit er erst sicherstellen konnte, dass sie keine Bedrohung für die «bestehende Ordnung» darstellten.7 Innenpolitisch wurde er mit neuen Problemen konfrontiert: Schwarze Landarbeiter (cultivateurs), eine Minderheit der Weißen und sogar führende Kader seiner Revolutionsarmee stellten seine Autorität in Frage. Später in diesem Jahr musste Toussaint hart durchgreifen, um einen Aufstand im Norden niederzuschlagen. Für seine Kritiker war diese Machtdemonstration ein Zeichen des Bankrotts seiner Regierung und seines Verrats an den Prinzipien der Revolution, die ihn während seiner Laufbahn geleitet hatten. Doch selbst wenn er vom republikanischen Pfad abwich, bemühte er sich immer, im besten Interesse von Saint-Domingues und für das moralische und materielle Wohlergehen seiner Einwohner zu handeln. Das Allgemeinwohl lag seinen wesentlichen Entscheidungen während dieser Zeit zugrunde. Er verlor nie den Eid aus den Augen, den er in Cap geschworen hatte: Saint-Domingue gegen seine inneren und äußeren Feinde zu verteidigen. In diesen Monaten mit Toussaint Schritt zu halten, war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, sowohl für seine erschöpfte Entourage wie für die Spione, die ihn beschatten wollten. Ein französischer Botschaftsbericht stellte frustriert fest: «Er ist immer zu Pferd unterwegs und hat eigentlich keinen festen Wohnsitz; er rast ständig von Ort zu Ort.»8 Der neue amerikanische Konsul Tobias Lear war tief beeindruckt, als er ihn Anfang Juli kennenlernte, und nannte ihn «einen außergewöhnlichen Mann». Auch er beobachtete, dass er sich «sehr rasch und unvorherseh-
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bar» bewegte.9 Entgegenkommend intervenierte Toussaint, um Lears offene Schulden bei amerikanischen Kaufleuten begleichen zu helfen,10 und nahm seine Vermittlung beim Kauf eines Pferdes in Anspruch: Der Gouverneur machte deutlich, dass die Farbe keine Rolle spiele, wenn es nur «schnell» sei.11 Toussaints Sekretär Pascal fasste Toussaints Eigenschaften in dieser Zeit folgendermaßen zusammen: Er zeige «vollkommenen Einsatz bei jeder Aufgabe, Weisheit, Charakterstärke, Undurchsichtigkeit, extreme Ernsthaftigkeit, Energie und geradezu törichten Wagemut, wenn es nötig wird zu handeln» sowie «nimmermüde Umtriebigkeit».12 Diese Rastlosigkeit zeigte sich am deutlichsten in einer Reihe von Dekreten, die Toussaint 1801 für die Verwaltung der Kolonie erließ. Mit der für ihn typischen Ungeduld wartete er nicht einmal, bis seine eigene Verfassung formell angenommen war, bevor er diese Reformen anging. Seine Instructions aux fonctionnaires publics (Mai 1801) predigten allen Beamten die Tugenden der «Unterordnung und militärischen Disziplin», und zwar im Namen «des öffentlichen Interesses der Kolonie». Der interessanteste Aspekt dieser Proklamation war Toussaints deutliches Bemühen, seine führenden Offiziere davon abzuhalten, in die zivile Beamtenschaft hineinzuwirken, insbesondere was die Bereiche Justiz, Finanzen und die Verwaltung staatlicher Ländereien anbetraf. Zu diesem Zweck erkannte er sogar in Montesquieus Ideal der Gewaltenteilung Vorzüge: «Militärchefs und führende Zivilbeamte müssen sich strikt an die Grenzen ihres jeweiligen Verantwortungsbereichs halten und unabhängig voneinander agieren. Eine Regierung kann nur gut sein, wenn ihre unterschiedlichen Abteilungen eigenständig sind.»13 Unnötig zu sagen, dass der Gouverneur sich stillschweigend von dieser allgemeinen Regel ausnahm. Da keine Verfügung Louvertures ohne ein Element der Skurrilität vollständig war, führte er ein glorios kompliziertes System zur Kontrolle der leitenden Zahlmeister in Saint-Domingue ein, von denen manche offensichtlich in ihrem Umgang mit öffentlichen Geldern nicht immer korrekt verfahren waren. Nach den neuen Richtlinien musste der oberste Zahlmeister der Kolonie unabhängig von den üblichen Ausgaben eine Reserve-Geldtruhe einrichten, die mit zwei separaten Schlössern auszustatten war, wobei einer der Schlüssel von Toussaint verwahrt wurde. Die Zahlmeister der Departements mussten in der gleichen Weise verfahren, nur mit dem Unterschied, dass ihre Kassen drei Schlös-
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ser hatten, wobei ein Schlüssel beim Hauptzahlmeister und ein weiterer bei Toussaint verblieb. Wann immer Gelder aus solchen Reserven der Departements oder der Gesamtkolonie freigegeben werden mussten, sollte der Schlüssel des Gouverneurs «von einem seiner zuverlässigen Leutnants» überbracht werden.14 Was die Beamten zu tun hatten, wenn sie den schwer fassbaren obersten Schlüsselhalter nicht erreichen konnten, der zuweilen für mehrere Tage und manchmal auch für Wochen aus der Öffentlichkeit verschwand, wurde nicht genau festgelegt. Diese Entrücktheit war ohne Zweifel beabsichtigt, da Toussaint immer nur mit äußerster Vorsicht einer Belastung der Staatskasse zustimmte. Einer seiner Lieblingssprüche, den seine leitenden Beamten zahllose Male zu hören bekamen, lautete: «Geld ist ein schlauer Geist, sowie man es berührt, löst es sich in Nichts auf; wir müssen daher sehr umsichtig sein, bevor wir unsere Geldtruhen öffnen.»15 Doch hinderte ihn dieser fiskalische Konservativismus keineswegs daran, Menschen in Not zu helfen. Seine Korrespondenz aus dieser Zeit zeigt, dass er sich noch genauso wie zuvor durch Bittgesuche von Menschen in finanzieller Bedrängnis erweichen ließ, insbesondere von Frauen. Dazu gehörte eine «unglückliche Seele», die versuchte, ihren Besitz zurückzugewinnen, und deren Fall er dem Verwalter der staatlichen Liegenschaften zur wohlwollenden Prüfung vorlegte;16 es gab auch Madame Flanet, die Frau eines seiner ehemaligen Offiziere, der er schon einmal geholfen hatte.17 Als sie nicht das nötige Geld auftreiben konnte, um nach Frankreich zu ihrer Familie zurückzukehren, wendete sie sich an den Gouverneur, der ihr die Reise in die USA bezahlte und sie an den französischen Generalkonsul Pichon empfahl, den er bat, für ihre Fahrtkosten nach Frankreich aufzukommen. Die Unterstützung einer französischen Militärfamilie war für ihn, wie er sagte, eine Frage der «Menschlichkeit und Ehre».18 Während der Konsolidierung seiner Machtposition lagen Toussaint die Einnahmen der Kolonie besonders am Herzen. Er forderte eine vollständige Überprüfung der Außenstände, die in Form von Steuern oder Pachtgeldern den staatlichen Stellen zustanden, und beauftragte zwei Sonderbevollmächtigte damit, die Gelder einzutreiben; von speziellen Schlüsseln war hier keine Rede.19 Nachdem er die «Beobachtungen erfahrener Männer, Streiter für das Gemeinwohl» eingeholt hatte, erließ er auch die Verfügung zu einer umfassenden Reform des Zolls und der Zolltarife. Laut dem gut informierten britischen Repräsentanten in Port-
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Républicain beliefen sich die Einnahmen von Saint-Domingue aus Import- und Exportabgaben im Jahre 1801 auf etwa 100 000 $.20 Um den verbreiteten Betrug von ausländischen Handelsschiffen zu unterbinden, die sehr oft ihre Ladung nicht vollständig deklarierten, machte er es zur Pflicht, dass jeder Frachtbrief von einer französischen Handelsbehörde unterzeichnet sein musste; er behielt sich das Recht vor, ausländischen Handelsgesellschaften Konzessionen zu gewähren, jedoch nur im Lichte der «Dienste, die sie der Kolonie erwiesen haben, ihrer Vertrauens- und Kreditwürdigkeit und ihrer Moral.» Im Gedanken an die Bedürfnisse der Armen reduzierte Toussaint den Importzoll für alle «lebensnotwendigen Güter» wie Mehl, Zwieback, Pökelfleisch, Bauholz, Seile und landwirtschaftliche Geräte von 10 % auf 6 %. Im Gegensatz zu den Märchen, die von seinen konservativen wie von seinen progressiven Kritikern verbreitet wurden, er habe sich in diesen letzten Jahren seiner Regierungszeit nur um die besitzenden Klassen gekümmert, blieb das Wohlergehen einfacher Männer und Frauen eines seiner Hauptanliegen.21 Der andere wichtige Bereich, auf den sich Toussaint 1801 konzentrierte, war die Reform des Justizwesens in Saint-Domingue, das chaotische Züge angenommen hatte. Ende Mai reorganisierte er das Zivilgericht im Departement des Nordens, wo er kompetente Beamte einstellte, um die wohlmeinenden, aber ineffektiven Leute vor Ort zu ersetzen. Sechzehn Landgerichte wurden in der Kolonie geschaffen, um Zivil-, Handels- und Kriminalprozesse durchzuführen.22 Es gab einen gewaltigen Prozessstau im Strafjustizsystem, und unmittelbar nach der Annahme der Verfassung forderte Toussaint eine umfassende Überprüfung der Gefängnisse, um eine Liste aller Gefangenen und ihrer Haftgründe zu erstellen. Sein Ziel war es, denjenigen, die nur wegen Bagatelldelikten einsaßen, eine Amnestie zu gewähren, und diejenigen, die für Kapitalverbrechen wie Mord und Diebstahl (in seinen Augen eine schwerwiegende Straftat) angeklagt waren, «innerhalb von drei Monaten» vor Gericht zu stellen. Die gut funktionierende Justiz war für Toussaint «eine der großen Errungenschaften der Verfassung von SaintDomingue.»23 Um zu gewährleisten, dass das Justizsystem auf einem festen Fundament stand, schuf er in Cap, Saint-Marc und Santo Domingo Berufungsgerichte sowie ein Kassationsgericht in Port-Républicain, die er alle mit großem Spektakel einweihte: «Nach Gott», erklärte er, «kommt die Rechtsprechung.»24 Doch für ihn bemaß sich die Leistungsfähigkeit
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Ende Juli 1801 erklärte Toussaint in dieser Bekanntmachung, dass künftig amtliche Urkunden, mit Ausnahme von Ausreisepapieren, kostenlos ausgegeben würden; alle Beamten, die gegen diese Regel verstießen, würden als «Meisterdiebe» verfolgt.
der Justiz daran, ob sie der Öffentlichkeit mit Integrität und Seriosität diente. In einem Dekret von Ende Juli 1801 konstatierte er mit Entsetzen, dass es in Saint-Domingue üblich geworden sei, für Rechtsdokumente wie Personenstandsurkunden und sogar für Gerichtsurteile zah-
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len zu müssen: dieses korrupte System wurde sowohl von «Spekulanten» gestützt, die für ihre jeweilige Dienstleistung Geld verlangten, als auch von skrupellosen Beamten, die nur dann Dokumente ausstellten, wenn sie dafür geschmiert wurden. Toussaint erklärte, dass künftig – mit Ausnahme einer moderaten Gebühr für Reisepässe – «die Justiz kostenfrei ihre Dienste zur Verfügung» stelle und kein öffentlich Angestellter für die Ausgabe amtlicher Urkunden Geld fordern dürfe. Die Öffentlichkeit wurde aufgefordert, Funktionäre anzuzeigen, die sich diesem Erlass entgegenzustellen versuchten: selbst wenn sie nur «sept sous six deniers» verlangten, würden sie, so schrieb er mit Sinn für Dramaturgie, «wie Meisterdiebe» verfolgt.25 Wie wir an spezifischen Bestimmungen seiner Verfassung sehen konnten, hatte für Toussaint in den Jahren 1800 bis 1801 die Verteidigung von Saint-Domingue vor einem möglichen Angriff von außen hohe Priorität. So fuhr er fort, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, selbst während er Emissäre nach Frankreich entsandte, um Bonaparte zu beschwichtigen. Er engagierte eine Reihe von Bauingenieuren, die 1798 mit den britischen Truppen nach Jamaika ausgereist waren und die sich nun bereit erklärten, zurückzukehren und für ihn zu arbeiten. Im Mai 1801 forderte er eine gründliche Überprüfung der Verteidigungsanlagen in der Kolonie (offensichtlich hatte die Stunde der Inspektionen geschlagen) und befahl seinen Führungsoffizieren, sicherzustellen, dass alle Befestigungen in ihrem Befehlsbereich sich in einem tauglichen Zustand befanden, und allfällige Reparaturen zu den «niedrigst möglichen Kosten» auszuführen. Als Anreiz versprach er, die Orte persönlich zu inspizieren und die Offiziere, die die beste Arbeit geleistet hatten, zu belobigen.26 Also reiste Toussaint nach der Verabschiedung seiner Verfassung monatelang durch die nördlichen und östlichen Küstenregionen, begutachtete die Verteidigungsanlagen der großen Städte, besuchte die Bergfestungen in ihrer Nähe und ordnete an, bestimmte Orte mit mehr Kanonen zu bestücken. Persönlich überwachte er die Verschanzung einzelner Städte, an der Tausende von Arbeitskräften mitwirkten.27 Die Bedrohung, der sich der Ausbau der Verteidigungsanlagen in Saint-Domingue verdankte, war keineswegs hypothetisch. In Paris wurde in kriegstreiberischer Sprache über die nötige Wiederherstellung der Ordnung in Saint-Domingue geredet, insbesondere in Bonapartes Umgebung, unter höheren Beamten und in der Koloniallobby.28 Ab Mitte
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des Jahres 1800 gab es eine Reihe von Vorfällen, bei denen die britische Marine einheimische Handelsschiffe, die an der Küste von SaintDomingue entlangsegelten, abfing und ihre Fracht kaperte. Hin und wieder wurden sogar Fischerdörfer angegriffen. Vergeblich drängte Toussaint Balcarres, bei den Verantwortlichen der britischen Marine zu intervenieren und sein schwarzes Schaf Hyde Parker an die Kandare zu legen, der diese Piraterie billigte und stets ein erbitterter Feind seines Regimes blieb.29 Anfang 1801 schrieb Paul Louverture in einem Bericht für seinen Bruder, solche Angriffe fänden nunmehr täglich statt, ein eklatanter Bruch des Maitland-Abkommens. Toussaint beschwerte sich bei dem britischen Repräsentanten über dieses unverschämte Verhalten und wies darauf hin, dass seine Schiffe sich aus dem einen Grunde nicht verteidigten, weil er «wortgetreu» den Vereinbarungen des MaitlandAbkommens nachkomme, welche die Bewaffnung der Schiffe von Saint-Domingue verbiete.30 Toussaint forderte, diese rücksichtslosen britischen Attacken umgehend einzustellen, und konstatierte, sein «Vertrauen» zu England sei «fast vollständig zerstört».31 Im April 1801 versetzte er die Küstenregionen der Kolonie, «unbewohnbar gemacht durch wiederholte Aggressionen und Übergriffe fremdländischer Schiffe», in Alarmbereitschaft.32 Toussaint schloss diese Vorbereitungen damit ab, dass er seine Armee in nagelneue Uniformen kleidete33 und Ende April 1801 eine bewegende Proklamation an seine Soldaten und Offiziere aussandte. Er hielt fest, die ganze Insel sei nun unter einer «einzigen republikanischen Regierung und unter französischem Gesetz» vereint, er pries ihre militärischen Leistungen bei der Niederwerfung der äußeren Feinde und verknüpfte ihre Feldzüge mit seinem eigenen Kreuzzug für die republikanische Freiheit: «Vom Beginn der Revolution an habe ich für die Freiheit gekämpft, und ich habe zur Genüge durch meine Taten bewiesen, dass ich diese Freiheit nicht nur für mich selbst wollte. Ich habe Euch immer wie meine Kinder behandelt, und in dieser Eigenschaft habe ich Euch stets auf den Weg von Ruhm und Ehre geführt.» Er versicherte seiner Armee, dass es keine militärischen Abenteuer in fernen Ländern geben würde: «Wir werden nicht auf fremdem Boden kämpfen», sondern nur, «um unser eigenes Territorium zu verteidigen.» Da «Friedensstörer» versuchen könnten, sie zu spalten und ihnen vorzugaukeln, dass «Dunkelheit Licht ist und Licht Dunkelheit», forderte er sie auf, «eine Armee von Brüdern» zu bleiben und sich nie gegeneinander zu wenden: «Eure Waffen wurden Euch in
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die Hände gegeben, um Eure Rechte, die Prinzipien von Freiheit und Gleichheit und Euer Heimatland zu verteidigen.»34 Die sittliche Bildung der Bürgerschaft blieb Toussaint ebenso wichtig wie ihr leiblicher Schutz. Auf dem Zenit seiner Macht förderte er beharrlich die Religion als Grundlage der sozialen Ordnung. Noch bevor seine Verfassung angenommen wurde, gehörte zu jeder von ihm initiierten Feierlichkeit eine Messe, in der ein Te Deum aufgeführt wurde. Nie gingen die führenden Bürger der Kolonie so häufig in die Kirche wie in diesem Zeitraum, vor allem, wenn die Möglichkeit bestand, zusammen mit Toussaint an der Kommunion teilzunehmen. Auf der ganzen Insel begleiteten Offiziere am Sonntag nach der traditionellen Truppenschau ihre Soldaten zum Gottesdienst und sangen aus voller Kehle Hymnen zu Ehren ihres Oberkommandeurs. In den großen Städten unterstützte Toussaint aktiv die Bildung religiöser Vereinigungen, in denen junge Frauen die Lehren über die göttliche Vorsehung und die guten Taten des Gouverneurs verbreiteten: Diese beiden wurden in der populären Wahrnehmung gerne vermischt. Selbst Toussaints Mätressen blieben von den religiösen Pflichten nicht ausgenommen: Eine der ersten Fragen, die er ihnen stellte, wenn sie sein Zimmer betraten, war, ob sie zur Kommunion gegangen seien.35 Es überrascht also nicht, dass eines der ersten «Organgesetze» der Generalversammlung sich mit der Verfassung religiöser Institutionen beschäftigte und dem Gouverneur ein großes Mitsprachrecht bei der Anstellung der Gemeindepriester einräumte.36 Dies machte nur eine gängige Praxis rechtsverbindlich. Etwa ab Mitte 1801 hatte sich durch Toussaints unauffällige Unterstützung eine neue Schicht von schwarzen Geistlichen gebildet, die unter Aufsicht der Kirchenführung in der Kolonie stand; diese «Priester eines neuen Typs», wie sie in einem französischen Bericht genannt wurden, waren in fast allen Teilen der Insel vertreten und sämtlich «glühende Anhänger» des Gouverneurs.37 Hier ließ sich Toussaint erneut von einer französischen politischen Tradition inspirieren, die er seinen eigenen Zielen anpasste. Das Prinzip der Unterordnung religiöser Institutionen unter die weltliche Macht wurde in Frankreich in der Revolution 1790 durchgesetzt, was zu einer Kirchenspaltung und zur Entstehung zweier verschiedener Körperschaften von prêtres assermentés (konstitutioneller Klerus) führte. In der Tat hatte Toussaint bereits 1797 in einem Schreiben an seinen zuinnerst überzeugten Verbündeten Abbé Grégoire darum gebeten, zwölf Priester «mit vor-
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bildlichem Lebenswandel» in die Kolonie zu senden, «um die verlorenen Schafe zurück zur Herde zu bringen».38 Doch als die französische Kirchenleitung schließlich Anfang 1801, kurz vor Unterzeichnung des Konkordats mit dem Staat, Guillaume Mauviel nach Saint-Domingue sandte, wo er das Amt des Erzbischofs einnehmen sollte, weigerte sich Toussaint, ihn zu ernennen – nicht zuletzt, weil er dessen Vorurteil gegen Schwarze kannte. Er ließ ihn bei seiner Ankunft in Santiago, im ehemals spanischen Gebiet, unter Hausarrest stellen und forderte die Gemeindepriester der Kolonie dreist dazu auf, eine Petition zu verfassen, in der sie die Präsenz jedes geistlichen Oberhaupts ablehnten, das sich nicht bedingungslos dem Papst unterwerfe.39 Mauviel, der sich nicht durch ein Übermaß an Intelligenz auszeichnete, blieb derweil in Santiago gefangen und durfte ein weiteres Beispiel von Toussaints Fähigkeit zur Kasuistik erleben: Unter Ausnutzung der ultramontanen und antirevolutionären Gefühle der Katholiken vor Ort, beschrieben Toussaints geistliche Abgesandte die Franzosen als eine «Nation von monströsen Atheisten, ohne Religion oder Moral»; Toussaint hingegen wurde als ein zutiefst religiöser und gottesfürchtiger Anführer dargestellt.40 Natürlich überließ Toussaint die Verbreitung religiöser Vorstellungen nicht der Priesterschaft. Viele seiner Erlasse sollten unmittelbar auf das moralische Verhalten seiner Landsleute einwirken. Im Mai 1801 verbot er Spielhöllen «im Namen der Sittlichkeit, des gedeihlichen Handels, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes unseres Familienlebens»; er drohte zugleich mit schweren Strafen nicht nur für diejenigen, die Räume für solche Tätigkeiten zur Verfügung stellten, sondern auch für jeden Beamten und Offizier, der beim Spielen erwischt wurde.41 Nicht nur, dass der Katholizismus zur offiziellen Religion der Kolonie erklärt wurde, die Verfassung und ihre «Organgesetze» bestätigten auch Toussaints Verbot des Vodou, das in seinem Dekret vom Januar 1800 ausgesprochen wurde und ein Verbot «nächtlicher Versammlungen und Tänze» vorsah.42 Hier drückte sich weniger seine moralische Gegnerschaft als vielmehr sein Unwille aus, irgendwelche sozialen Institutionen zuzulassen, die er nicht vollständig unter Kontrolle hatte.43 Ein wohlgeordneter Staat war ohne ein ästhetisches Erscheinungsbild unvollständig, und so entwarf Toussaint, im Anschluss an seine frühere Kleiderordnung für Beamte, die Anzüge seiner eigenen engen
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Mitarbeiter, einschließlich des Generalsekretärs Pascal und des Fremdsprachendolmetschers Nathan sowie seiner Sekretäre bis hinunter zur Uniform der am härtesten arbeitenden Mitglieder seines Teams: der Kopisten. Der couturier-en-chef stattete seine Spitzenbeamten mit einem goldenen Säbel aus, der an einer Schlinge unter der weißen Weste zu tragen war; Nathan hatte zusätzlich eine Medaille «auf der linken Seite seiner Weste» zu tragen, die mit einer Inschrift versehen war, welche die Eigenschaften zusammenfasste, die Toussaint von seinen Mitarbeitern erwartete: «Zuverlässigkeit und Diskretion».44 Toussaints Doktrin vom Vorrang des öffentlichen Interesses wurde in seiner Landwirtschaftspolitik mit größerer Gewaltanwendung und unter dementsprechend größerem Widerstand als anderswo durchgesetzt. Einer der Grundgedanken der Verfassung von 1801 war die Wiederbelebung der Agrarexporte, die Mitte der 1790er Jahre auf ein Nichts geschrumpft waren: Wie bereits erwähnt, war die Produktion von Kaffee, Zucker, Baumwolle und Indigo, ehedem das Rückgrat der Wirtschaft von Saint-Domingue, in den Jahren nach dem Sklavenaufstand komplett zusammengebrochen. In seinen Instructions erinnerte Toussaint die Beamten und Offiziere daran, dass der Wohlstand der Insel vollständig von ihrem landwirtschaftlichen Ertrag abhänge. Er sei «die Voraussetzung unserer Freiheit, die Grundlage für den Reichtum unseres Landes und das Glück jedes Einzelnen sowie das Fundament der öffentlichen Ordnung.»45 Toussaint war der Überzeugung, dass sich eine rasche Steigerung des Warenexports nur durch einen Wiederaufbau der Plantagenwirtschaft erreichen lasse. Er hatte nie ernsthaft erwogen, das Land in Kleinfarmen aufzuteilen, da ein solches System eine große und effiziente Bürokratie sowie ein hochentwickeltes Transportsystem erforderte, was beides Ende des 18. Jahrhunderts in Saint-Domingue nicht vorhanden war. Die Wiederbelebung der Plantagen wurde keineswegs nur weißen Pflanzern anvertraut: Verlassener Grundbesitz wurde vom Staat übernommen und an bedürftige Staatsbeamte und hochrangige Militärangehörige verpachtet. Dies war eine glückliche Zusammenführung von öffentlichen und Privatinteressen. Zu den Begünstigten des Systems gehörten Männer wie Christophe, Moyse und Dessalines, die beträchtliche Vermögen anhäuften (Dessalines allein hatte etwa dreißig Zuckerplantagen unter seiner Aufsicht, von denen jede ein Einkommen von 100 000 Francs
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jährlich abwarf).46 Auch für Toussaint war die Zeit günstig: Er besaß bereits eine Reihe von Plantagen, und zusätzlich erwarb er nun von einem reichen Landbesitzer namens Lefevre, der in den Vereinigten Staaten lebte, ein großes Gut auf der Ebene von Cap; er vertraute die Kaufverhandlungen dem französischen Generalkonsul Pichon an.47 Es gab Gerüchte, er habe eine große Geldsumme in einer Bank in Philadelphia deponiert, doch wurde dieses Behauptung nie belegt, und es erscheint überaus unwahrscheinlich angesichts der Knappheit an Geldund Goldreserven in der Kolonie während der 1790er Jahre.48 Es war eine herkulische Aufgabe: Ende der 1790er Jahre waren noch viele Plantagen in einem heruntergekommenen Zustand, die Arbeiter kehrten nur widerwillig zu den Feldern zurück, und es fehlte ihnen jeglicher Ansporn für eine Ankurbelung der Produktion. Erneut berief sich Toussaint auf die Idee des «Gemeinwohls», als er verkündete, die Wiederbelebung der Landwirtschaft brauche «heilsame Maßnahmen», die er «in der Verantwortung seines Amtes» durchzusetzen gezwungen sei. Sein Dekret vom Oktober 1800 sah ein drakonisches Vorgehen vor, es verhängte quasi das Kriegsrecht über die Landwirtschaftsproduktion und verlangte von den Arbeitern «Unterordnung und Gehorsam». Aber damit nicht genug, wurde Landstreicherei verboten, die Arbeiter durften ihre Plantagen nicht ohne Erlaubnis verlassen, und die Verwalter sollten bei den Arbeitern militärische Disziplin durchsetzen; jeder Flüchtige hatte mit der gleichen Härte zu rechnen wie ein Soldat, der seinen Posten verließ, und empfindliche Strafen erwarteten diejenigen, die einen Vagabunden aufnahmen. Toussaints Armeekommandeure trugen «persönlich Verantwortung» dafür, dass das Arbeitssystem funktionierte – eine Maßnahme, die um so effektiver war, als die führenden Offiziere von ihrem Erfolg selbst profitierten. Die Rolle des obersten Vollstreckers fiel Dessalines zu; seine Plantageninspektionen in den westlichen und südlichen Teilen der Kolonie waren berüchtigt für ihre Gründlichkeit und für die Hemmungslosigkeit, mit der er Verwaltern und Vorarbeitern, die nicht genug lieferten, schwere Prügelstrafen verabreichen ließ – auch und gerade, wenn sie weiß waren.49 In großen Städten wie Port-Républicain führte Dessalines regelmäßig Razzien durch, und wer sich nicht ausweisen konnte, wurde umgehend zu den Plantagen geschickt.50 Dieses strenge Regime erinnerte die schwarzen Massen in SaintDomingue unweigerlich an die Sklaverei, auch wenn sie für ihre Arbeit
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den gesetzlichen Lohn erhielten – ein Viertel der Ernte. Peitschen, das verhasste Symbol des Plantagensystems vor der Revolution, blieben verboten, aber cocomacacs (Knüppel) wurden wieder eingeführt und anscheinend häufig eingesetzt, was einen enormen Hass hervorrief. Manche weiße Pflanzer glaubten, das Oktober-Dekret von 1800 hätte ihnen die Lizenz gegeben, wieder absolute Macht über ihre Arbeiter auszuüben, und Letzteren jeden rechtlichen Schutz entzogen. Dies nötigte Toussaint zu einer weiteren Verfügung, die für derartig «aufhetzerisches» Gerede Pflanzern eine drastische Geldstrafe beziehungsweise eine Degradierung eines Offiziers in den Rang eines gewöhnlichen Soldaten androhte. Doch die bloße Tatsache, dass einige Offiziere sich dieser Art von diskriminierender Sprache bedienten, war entlarvend.51 Wie schon zu Zeiten der Sklaverei reagierten die Arbeiter auf die Zumutung einer solch unmenschlichen Behandlung, indem sie in Scharen flohen. Die geschätzten Zahlen schwanken, und es gab unterschiedliche Muster auf der Insel; aber nachweislich gab es um 1800 in mehreren Distrikten des nördlichen Departements mehr marrons als vor 1791.52 Angesichts dieser sich zunehmend verschlechternden Lage suchte Toussaint nach Wegen, um den Bedarf an Landarbeitern zu decken. Der Artikel 17 der Verfassung von 1801 sah eigens «die Aufnahme von Arbeitern in Saint-Domingue» vor – ein Euphemismus für den Kauf von Sklaven. Er bat Joseph Bunel, seinen Unterhändler in Jamaika, sich bei der Beschaffung von Arbeitskräften aus Afrika um die Hilfe der Briten zu bemühen.53 Die Sklaven sollten natürlich nach der Ankunft auf der Insel freigelassen werden, und es stand ihnen der Standardlohn zu. Aber angesichts der strengen gesetzlichen Regeln, die nun in der Landwirtschaft galten, musste eine solche Ansage die Arbeiterschaft in SaintDomingue alarmieren und die Gerüchte befeuern, der Gouverneur beabsichtige, die Sklaverei wieder einzuführen, und mache mit den Feinden der Revolution gemeinsame Sache. Im ehemals spanischen Teil der Insel wurde verbreitet, Toussaint wolle an die 40 000 Sklaven kaufen. Solche Geschichten beschädigten Toussaints Ruf unter den schwarzen Landarbeitern immer mehr.54 In den Monaten nach Inkrafttreten der Verfassung hatte Toussaint zudem mit der gewaltsamen Entführung von schwarzen Einwohnern aus Saint-Domingue durch Sklavenhändler zu tun. Im September 1801 erließ er ein Dekret, in dem er eine Anzahl von Fällen erwähnte, die ihm aus den Vereinigten Staaten gemeldet worden waren, insbesondere
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den eines Mannes aus Cap namens Bonhomme, der nach Charleston, South Carolina, verkauft worden war. Er verlangte von den Hafenbehörden eine gründliche Durchsicht der Passagierlisten, um sicherzustellen, dass sich auf den Schiffen, die die Kolonie verließen, keine Männer befanden, denen in den USA die Versklavung drohte.55 Er schrieb mehrere Briefe an den französischen Generalkonsul Pichon und bat ihn, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um Bürger aus Saint-Domingue ausfindig zu machen, die in die Vereinigten Staaten verkauft worden waren oder umhervagabundierten und ihre Rückkehr zur Kolonie zu ermöglichen. Er wies auf das Schicksal von Joseph Petitoire hin, einen schwarzen Mitbürger, der auf See gefangen genommen und im Hafen von Wilmington, North Carolina, an einen Franzosen namens Fontaine verkauft worden war.56 Gleichwohl geriet Toussaint durch sein brachiales Vorgehen bei der Wiederbelebung der Plantagenwirtschaft in Saint-Domingue zunehmend in eine autoritäre Spirale. Seine Tonlage wurde schriller, und er beließ es nicht mehr bei Ermahnungen, sondern verhängte immer mehr Zwangsmaßnahmen. Seine Eingriffe beschränkten sich nun nicht mehr nur auf das Verhalten der Einwohner in der Öffentlichkeit. Er versuchte auch ihr Privatverhalten zu regulieren. Dieser Paternalismus zeigte sich am spektakulärsten in seinem Bemühen, ein Gefühl für soziale Verantwortung unter verheirateten Paaren zu wecken. In seiner Verfassung war Scheidung verboten, und im Oktober erließ er zwei weitere Edikte zur Ehe. Im ersten beklagte Toussaint, diese heilige Institution sei auf der Insel durch einen Geist der «Verdorbenheit und Landstreicherei», wie er es nannte, pervertiert worden. In einem dramatischen und zweifellos schmerzlichen Bekenntnis musste er zugeben, dass seine eigenen Streitkräfte zu dem moralischen Niedergang beigetragen hatten, insbesondere indem sie jungen Frauen nachstellten. Er verfügte, dass zukünftig kein Angehöriger der Armee ohne seine ausdrückliche Genehmigung heiraten dürfe, und diese werde nur erteilt, wenn der Kommandeur des Departements für den «Leumund» des Offiziers bürge und bestätige, dass die Eltern der Braut der Eheschließung zustimmten. Ebenso war von nun an Toussaints persönliche Bewilligung nötig, wenn ein Arbeiter und eine Arbeiterin, die auf verschiedenen Plantagen lebten, heiraten wollten; solche Paare mussten ihrer Verwaltungsbehörde Angaben über ihre Anstellung und ihre finanzielle Lage vorlegen, die dann mit einer «unparteilichen» Empfehlung an Toussaint weitergeleitet werden sollte.
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Gemeindebeamten und Kirchenvertretern war es «ausdrücklich untersagt», eine Vermählung vorzunehmen, solange diese Formalitäten nicht abgeschlossen waren.57 Bei der zweiten Verfügung ging es um gescheiterte Ehen. Sie richtete sich ebenfalls an alle Stadt- und Gemeindeverwaltungen, die immer noch eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung von Toussaints Gesellschaftspolitik spielten, und begann mit dem Hinweis, dass die Trennung von Eheleuten desaströse soziale und wirtschaftliche Folgen habe, die zu «großem Unglück in den Familien» führe, insbesondere für Kinder, die in wachsendem Maß zu einem Leben der «Faulheit, Ausschweifung, Promiskuität und des Irrglaubens» verdammt seien. Um dies zu verhindern, forderte der Gouverneur Eheleute auf, die noch nicht legal geschieden waren, jede Anstrengung zur Wiederversöhnung zu unternehmen. Wenn diese «perfekte Harmonie» weiterhin unerreichbar erschien, musste das getrennt lebende Paar ihrem örtlichen Berater einen vollständigen Bericht über ihre Differenzen vorlegen, der dann einen Bericht verfassen und an Toussaint zur «Abjudikation» weiterleiten würde. Er wies des Weiteren darauf hin, dass Eltern für die Ausbildung ihrer Kinder verantwortlich waren und dass diejenigen, die diesem Anspruch nicht genügten, öffentlich als «schlechte Bürger» («mauvais citoyens») gebrandmarkt würden.58 So ließ Toussaint den Einwohnern von Saint-Domingue keine Ruhe und versuchte durch die schiere Kraft seines revolutionären Willens, sie seinen Idealen der wirtschaftlichen Produktivität, des sozialen Zusammenhalts und des Gemeinwohls anzunähern. Inwieweit gelang es durch diese umfassende Mobilisierung die landwirtschaftliche Produktion in der Kolonie wiederzubeleben? Toussaints konservative Kritiker behaupten, seine ökonomische Strategie sei ein krachender Misserfolg gewesen: Nach zeitgenössischen Aussagen verärgerter weißer Kolonisten gab die Wirtschaft von Saint-Domingue Ende 1801 ein «Bild afrikanischer Anarchie» ab, wobei das Plantagensystem «vollständig ruiniert» sei.59 Toussaint hingegen erklärte, dank seiner Bemühungen hätten «Landwirtschaft und Handel» in der Kolonie einen nie dagewesenen «Glanz» entfaltet.60 Das war, gelinde gesagt, eine Übertreibung. Doch auch wenn sich in manchen Sektoren, wie zum Beispiel der IndigoProduktion, keine Anzeichen einer wirklichen Wiederbelebung erkennen ließen und sehr viel mehr Kapitaleinsatz vonnöten war, gab es in vielen Bereichen unübersehbare Fortschritte. Eine offizielle Aufstellung
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für das Jahr 1800 zeigt, dass sich sämtliche Zolleinnahmen aus den Import- und Exportgeschäften auf 8,3 Mio. Francs beliefen.61 Nach Aussage vieler zeitgenössischer Beobachter zeigte sich die Wirkung von Toussaints Maßnahmen auf den Ertrag der Landwirtschaft sofort, auf bestimmten Plantagen verzehnfachte sich die Produktion; insgesamt gab es bei Zucker und Kaffee eine Ertragssteigerung, die 1801 ein Drittel der Menge von 1789 erreichte; ein Jahr später waren die Baumwollexporte auf 60 % ihres Niveaus vor der Revolution angestiegen, und ein Bericht an die französische Regierung schätzte Toussaints Einnahmen allein aus den Frachtsteuern im Jahre 1801 auf über 20 Mio. Francs.62 Rein ökonomisch gesehen, war das Plantagensystem des Gouverneurs «bemerkenswert effizient».63 Doch wie wir bald sehen werden, kostete es einen hohen politischen Preis. Die Landarbeiter waren nicht die einzige Gruppe, die unzufrieden war. Am entgegengesetzten Ende des sozialen Spektrums murrten die weißen Einwohner von Saint-Domingue gegen Toussaint. Es besteht kaum Zweifel, dass der Gouverneur weiterhin große Unterstützung unter den grands blancs auf den Plantagen und in der Kaufmannschaft in den Städten und größeren Gemeinden genoss, die die Hauptnutznießer seiner Wirtschaftsmaßnahmen waren; seine großzügige Amnestie und die Politik der nationalen Versöhnung, insbesondere in den ehemals von den Briten kontrollierten Gebieten, waren ebenfalls nicht vergessen.64 Die höheren Ebenen der Kolonialverwaltung von Saint-Domingue waren vollständig von Weißen besetzt, und auch sie standen immer noch loyal zu Toussaint. Dazu gehörten so wichtige Personen wie seine beiden Privatsekretäre Allier und Guybre, sein treuer Rechtsberater Borgella aus Port-Républicain, sein Finanzchef Vollée, sein Schatzmeister und diplomatischer Emissär Joseph Bunel, der Verwalter der staatlichen Liegenschaften Joseph Idlinger, der Präsident des Gerichtshofs Fouqueau sowie der Regierungskommissar Lagarde. Doch diese weiße Rückendeckung war eher weit verbreitet als tief verankert. Sie verdankte sich Toussaints fortgesetzter Unterstützung durch die französische Regierung und zum Teil auch seiner Persönlichkeit, die als außergewöhnlich galt – mehr jedenfalls als der neuen sozialen und politischen Ordnung, die nach der Revolution entstanden war. Vor allem aber basierte sie eher auf Privatinteressen als auf einer Idee von Gemeinwohl, da die Kolonisten (die in kurzen Zeiträumen dach-
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ten) auf den Gouverneur als ihren verlässlichsten Beschützer vertrauten. In seiner Beschreibung der führenden Weißen im Geschäfts- und Plantagensektor stellte Charles Vincent fest: «Sie denken nur an ihr Vermögen, und die einzige Regierung, die ihnen etwas bedeutet, ist diejenige, die es am meisten vermehrt.»65 Toussaints Unterstützung durch die Weißen änderte nichts an dem uralten Glauben an die europäische Überlegenheit und an den verfestigten rassistischen Vorurteilen gegenüber schwarzen Mitbürgern in Saint-Domingue. Ein Jahrzehnt nach der Revolution hatte sich die Weltsicht der alten Kolonialelite zwar geändert, aber mit Sicherheit nicht vollständig gewandelt. Dies spiegelt sich in den Briefen, Berichten, Memoranden und Reformvorschlägen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts von einzelnen Kolonisten an die französische Regierung geschickt wurden. Die Dokumente sind eine wertvolle Quelle, um die Bandbreite der Meinungen Weißer über Toussaint zu rekonstruieren. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass er ab Ende der 1790er Jahre die Korrespondenz nach Paris immer gründlicher kontrollierte. Er ließ die Postsäcke in Cap beschlagnahmen und öffnen (so kannte Toussaint zum Beispiel Roumes gesamten Briefverkehr).66 Auch wenn dies nicht systematisch geschah, so kam es doch oft genug vor, um unter Toussaints potenziellen Kritikern auf der Insel ernste Besorgnis auszulösen. Einer von ihnen bemerkte, er gehe ein hohes persönliches Risiko ein, wenn er an französische Behörden über die Situation in der Kolonie schreibe, da «hier jede Kommunikation überwacht, blockiert und abgefangen» wird.67 Die Tatsache, dass dieser spezielle Brief sicher in Paris landete, beweist natürlich das Gegenteil. Doch selbst die Übertreibung ist ein Indiz dafür, welche Art von Machtausübung man Toussaint zutraute. Wir sehen dies auch daran, dass positive Aussagen seitens der Siedler über seine Politik sich eher nüchtern und praktisch artikulierten und nicht in der überladenen Rhetorik, die offiziell in der Öffentlichkeit gebraucht wurde. In einem Brief an einen Freund in Paris bemerkte ein weißer Einwohner von Cap im Dezember 1799: «Um die Wahrheit zu sagen: es besteht kein Zweifel, dass General Toussaint ein ehrenwerter Mann ist. Er meint es gut. Es wäre ein schwerer Rückschlag, wenn wir ihn verlieren sollten: großes Ungemach würde über uns kommen.»68 Dies war exakt die Ansicht des südlichen Pflanzers Nogérée, die wir im letzten Kapitel kennengelernt haben, und sie spiegelt sich in einem weiteren Brief, der im Oktober 1800 nach Frankreich gesandt wurde, ein
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paar Monate nach dem schrecklichen Krieg gegen Rigaud. Hier wurde das vorherrschende Gefühl über Toussaints Triumph vorsichtig zusammengefasst: Die große Mehrheit der Einwohner von Saint-Domingue «vertraute» ihm und hielt ihn für «weniger blutrünstig als seinen Rivalen und für einen besseren Freund der Weißen».69 Der Zuspruch der Weißen basierte auf Toussaints Fähigkeit, die Stabilität aufrechtzuerhalten, insbesondere auf den Plantagen. Es war eine Zeit, als «Europäer glücklich und friedlich auf ihren Besitzungen lebten und die Schwarzen hart arbeiteten.»70 Der Brief eines Pflanzers von der Cul de Sac-Hochebene erklärte den Revolutionsführer kurzerhand zu einem Abgesandten Gottes: «Die Gnade Gottes ist grenzenlos, und es ist nicht an uns, die Mittel zu erkennen, welche die Vorsehung gewählt hat, um sich Toussaints zu bedienen; aber es ist durchaus möglich, dass ein Schwarzer dazu ausersehen ist, als Erster eine erneuerte Ordnung durchzusetzen.»71 Diese Fähigkeit wurde oft als eine seiner «afrikanischen» Eigenschaften angesehen. In den Worten des Memoirenschreibers Duboys gründete Toussaints Autorität in einem «Geist der Herrschaft, wie er Sklavenländern eigentümlich ist».72 Einen Monat nach der Veröffentlichung von Toussaints Arbeitsgesetzen im Oktober 1800 schrieb ein Anwalt aus Port-Républicain namens Guilhou in einem seiner häufigen Berichte an den Ersten Konsul, dieses weise Dekret sei zu begrüßen, da es «die Herumtreiberei und Anarchie beendet und Ordnung und Fleiß auf den Plantagen wiederherstellt»; und wenn irgendjemand versuchen sollte, diese neuen Regeln zu hintertreiben, habe er größtes Vertrauen, dass die Generäle Toussaint und Dessalines «mit ihm umzugehen» wüssten.73 Guilhou schrieb auch an den Gouverneur, überhäufte ihn mit Lob für seine «Beständigkeit, Entschlossenheit, Weisheit und Humanität» und freute sich darüber, dass er über all die «Zerstörer des Friedens, die ihre Meinungen wie Hemden wechseln», triumphiert habe.74 Diese Wertschätzung beschränkte sich keineswegs nur auf Politik. Lobpreis erhielt Toussaint auch wegen seiner Frömmigkeit, seiner Großzügigkeit und persönlichen Integrität. Wie in einer kolonialen Lebenskultur vielleicht zu erwarten, war auch seine Reitkunst Anlass für anerkennende Kommentare, und der führende Stabsarzt im südlichen Departement, offenbar ein begeisterter Freizeitbotaniker, schrieb an die französischen Stellen voller Bewunderung über die Pflanzenkenntnisse des Gouverneurs und seine Erfolge bei der Einführung bestimmter Saatgüter wie Moschusmalve und Hanf in Saint-Domingue. Er schickte sogar ein paar
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Proben mit dem Hinweis, sie würden in dem fruchtbaren Boden Südfrankreichs prächtig gedeihen.75 Auch Toussaints weiße Kritiker variierten stark. Sie hielten mit ihren Ansichten durchaus nicht immer hinter dem Berg, und manche wandten sich direkt an ihn. Einer der faszinierendsten Briefe stammt aus der Feder von Jean-Michel Deseulle, einem Arzt aus Cap, der allgemein als Freund der schwarzen Bevölkerung galt, deren medizinische Versorgung ihm schon lange vor der Revolution ein Herzensanliegen gewesen war. Toussaint übertrug ihm die heikle Aufgabe, der französischen Regierung die Ausweisung von Sonthonax 1797 zu erklären;76 zudem empfahl er ihn «als tugendhaften Bürger» an Roume.77 Deseulle liebte Toussaint, aber er war glühender Republikaner, tiefgläubiger Christ und leidenschaftlicher französischer Patriot, und Anfang September 1801 äußerte er sich in einem Buch aufgrund dieser Überzeugungen freimütig gegen die neue politische Ausrichtung der Kolonie. Er hielt sich nicht zurück, sondern beschuldigte den Gouverneur, sich von «Ehrgeiz, Impulsivität und böswilligen Leidenschaften» leiten zu lassen. In einer Abwandlung des berühmten Spruchs, außerhalb der Kirche gebe es keine Erlösung, erklärte Deseulle, dass es «jenseits der Republik keine Freiheit» geben könne. Er warnte Toussaint davor, dem «Despotismus» zu verfallen und seine Mitbürger wie «Sklaven» zu behandeln.78 Als guter Patriot war Deseulle besonders erzürnt über den in der Verfassung offenbar vollzogenen Bruch mit Frankreich, und er flocht Rousseau in seine Argumentation ein, um Toussaints selbstrechtfertigenden Gebrauch der Phrase vom Gemeinwohl zu konterkarieren: «Das Gesetz in einer Republik ist der Ausdruck des allgemeinen Willens, und deshalb ist es unvorstellbar, dass eine Minderheit der Mehrheit ihren Willen diktiert … Wenn Saint-Domingue ein integraler Bestandteil des französischen Imperiums ist, kann es dann eine Verfassung annehmen, die es vom Mutterland und von der großen französischen Familie isoliert?» Das war eine rhetorische Frage, aber für den Fall, dass der Gouverneur sich darüber im Zweifel befand, fügte der gute Arzt ein emphatisches «Non!» hinzu. Toussaints Verfassung war demnach ein illegaler und «anti-politischer Akt», ein Versuch, «sich von Frankreich abzuspalten». Er forderte den Gouverneur auf, an «die Brust des Mutterlandes» zurückzukehren, woraufhin «alle Sünden vergeben würden».79 Toussaints extreme Machtkonzentration spielt in diesen Dokumenten oft eine Rolle. Der anonyme Autor des «Mémoire sur la colonie de
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Saint-Domingue», das in der zweiten Hälfte des Jahres 1801 entstand, schlug vor, ihn als Gouverneur im Amt zu belassen, ihm aber die Kontrolle der Armee zu entziehen, so dass die «militärische Führung sofort wieder auf die weiße Rasse übergehen kann, der sie nie hätte genommen werden dürfen». Unter Toussaints weißen Kritikern (sowohl in der Kolonie wie in Frankreich) war die Ansicht verbreitet, er sei ein Schwachkopf und leicht von seiner Umgebung zu manipulieren. Der Autor des Mémoire war ebenfalls dieser Überzeugung, er meinte, «da Toussaint Louverture wie alle Schwarzen abergläubisch ist, müssen wir versuchen, das Vertrauen seines Beichtvaters zu gewinnen, um durch ihn seine Bindung an Frankreich zu sichern.»80 Eine anonyme «Notiz zu Toussaint Louverture» war noch vernichtender: Darin ist Toussaint nichts als «ein äußerst mittelmäßiger Mann», der das Chaos der Revolutionsjahre zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, vor allem dank der britischen Machenschaften und der Inkompetenz der einander folgenden französischen Geschäftsträger. Wer ihn für fähig halte, Saint-Domingue in die Unabhängigkeit zu führen, «traue ihm viel zu viel zu». Der Autor empfahl der französischen Regierung, Toussaints Regierung schleunigst ein Ende zu bereiten, zumal dies nicht allzu kompliziert werden dürfte, da der unglückselige Gouverneur des logischen Denkens nicht mächtig sei: «Er spricht schlecht Französisch, er redet meist kreolisch, und es ist in diesem tropischen Dialekt schwierig, abstrakte Zusammenhänge zu begreifen.»81 Die Überzeugung, schwarze Menschen seien unfähig, strukturiert zu denken, weil sie kein Französisch oder keine andere europäische Sprache sprächen, war einer der nachhaltigen rassistischen Mythen der weißen Siedler und wurde ausführlich ausgebreitet in dem «Lettre d’un colon de Saint-Domingue au Premier consul» aus dem Jahre 1802. Der Autor, ein Pflanzer, der die Revolutionsjahre miterlebt hatte, behauptete, Begriffe wie «Staatsbürgerschaft, Patriotismus, Menschenrechte und Freiheit» seien für den durchschnittlichen schwarzen Bewohner der Kolonie «unbegreiflich». Die einzige Freiheit, der ein schwarzer Arbeiter sich erfreuen könne, sei die freie Zeit nach der Tagesarbeit auf den Feldern, unter dem «herrlichen Schatten des Bananenbaums neben seiner Hütte». Das aufklärerische Ideal der menschlichen Vervollkommnung gelte nicht für ihn: «Keine noch so große Schulbildung kann seine Fähigkeiten steigern oder ihn zu einem moralischen Wesen machen.» In diesem Sinne wurde Toussaint, obgleich man ihn als «dunklen, heimtückischen und
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blutrünstigen Usurpator» denunzierte, lediglich als Symptom eines viel tieferen Fehlers im politischen System von Saint-Domingue gesehen. Dieser ließe sich nur beheben, wenn die Rechte, die den Schwarzen durch die Revolution gewährt worden waren, abgeschafft und die ordnungsgemäße Hierarchie zwischen den races wiederhergestellt würde. Diese Betonung der Wiederherstellung «der natürlichen Ordnung» in der Gesellschaft stimmte vollkommen mit der reaktionären Rhetorik überein, die Bonaparte in Frankreich von der Koloniallobby zu hören bekam.82 Das gleiche Ziel wurde, wenngleich etwas verklausulierter, in den «Idées sur Saint-Domingue» (1801) verfochten. Hier wurde die Sklaverei zwar nicht eigens erwähnt, aber der Autor bemerkte, dass die europäische Macht in der Kolonie auf moralischer Überlegenheit und nicht auf körperlichem Zwang beruhe und dass diese Autorität mit der Revolution unwiederbringlich zerstört worden sei – eine verbreitete Ansicht unter Weißen, ob grands oder petits. In diesem Text ist die Darstellung von Toussaint ambivalenter: Einerseits war er schwach und dem Einfluss seiner europäischen und vielleicht auch der britischen Berater ausgeliefert; andererseits war er ein fähiger Militärführer, dessen Macht auf der Schlagkraft seiner Armee gründete. Weder Monarchist noch Republikaner, würde er «jede Regierungsform wählen, die für ihn am vorteilhaftesten» war. Der Autor schlug vor, die weiße Ordnung dadurch wieder herzustellen, dass eine europäische Armee von 24 000 Mann im Norden, Westen und Süden anlanden und gegen Toussaints Truppen kämpfen sollte; schwarze Soldaten, die nicht im Kampf fielen, sollten «zurück nach Afrika gebracht» werden, so dass es auf der Insel keine bewaffneten Schwarzen mehr gäbe. Die verbleibenden Landarbeiter wären dann «frei» (womit er meinte: wieder versklavt), sich uneingeschränkt der Arbeit auf den Plantagen widmen zu können.83 Ein ähnlich düsteres Bild von der Kolonie wurde von dem Naturforscher Michel-Étienne Descourtilz gezeichnet, der im April 1799 in Saint-Dominge ankam und bis 1803 dort blieb. Wie wir sahen, unterstützte Toussaint ihn nicht nur bei seiner Forschung, sondern half ihm auch bei der Wiederinbesitznahme der Plantagen, die Verwandten seiner französischen Frau gehörten.84 Doch erwies er seinem Beschützer wenig Dankbarkeit in seiner ausführlichen Reisebeschreibung, die erst 1809 publiziert wurde, als seine Erinnerungen schon durch die Vertreibung der Franzosen aus Saint-Domingue (also auch den Verlust seines
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Eigentums) verbittert waren. Seine Berichte von den Begegnungen mit Toussaint enthalten einige interessante Hinweise auf dessen Entourage und die Ehrerbietung, die ihm von seinen zivilen und militärischen Beratern entgegengebracht wurde. Es gibt auch einige unterhaltsame Passagen über Toussaints heimliche Rendezvous mit seinen Mätressen, wobei in einem Fall der Ehemann der Dame dienstfertig die Tür zum Liebesgemach bewachte. Ferner erwähnt Descourtilz seine Liebe zur Musik (um 1800 hatte er eine Kapelle von 40 Musikern), seine obsessive Beaufsichtigung aller kirchlichen Vorbereitungen vor der Sonntagsmesse sowie seine häufigen und mitunter ausufernden Zwischenrufe während der Predigten. Doch trotz seines giftigen Tons konnte Descourtilz seine Bewunderung für Toussaints intellektuelle Gaben nicht verbergen, deren Zeuge er zum Beispiel wurde, als jener seinen Sekretären eine Reihe von Briefen gleichzeitig diktierte und dann die Texte korrigierte, bis jedes Wort präzise gewählt war. «Diese «literarische Durchdringung» überwältigte Descourtilz, der ihn «des Begriffs Genie» für würdig erklärte, «wie ihn der Philosoph Raynal angekündigt hat».85 Diese Jahre fanden ihre fesselndste Darstellung in den Schriften von Jacques Périès, einem leitenden Beamten im Schatzamt der Kolonie, der 1800 auf der Insel ankam. Anders als die meisten der bisher genannten Memoirenschreiber war Périès ein Insider, der einen Posten im Herzen der Kolonialadministration inne hatte; er eröffnete auch ein kleines Geschäft in Cap, was ihn mit der umtriebigen Handelswelt in Saint-Domingue in Kontakt brachte. Im März 1801 wurde ihm eine Stelle als Steuereintreiber in der Finanzverwaltung von Cap angeboten. Hier nun wurde er mit einem breiten Querschnitt des öffentlichen Lebens von Saint-Domingue vertraut. Er kam mit der weißen Elite aus Bürgerschaft, Politik und Geschäftswelt zusammen, verstand sich gut mit den führenden schwarzen Militärkadern und kreuzte nicht selten Toussaints Weg. In einer unpublizierten Erinnerungsschrift, die er wenige Jahre später verfasste, konnte er seine Faszination nicht verbergen: «Er war eine Ausnahmeerscheinung: sein erstaunliches Gedächtnis, seine glühende Lernbegierde, sein unverhältnismäßiger Ehrgeiz, seine unbeugsame, aber reiflich überlegte Entschiedenheit, seine kühne Vorstellungsgabe hatten ihn zu einem Phänomen gemacht, was um so bemerkenswerter war, wenn man seine Physis und Hautfarbe in Rechnung stellt.»86 Gleichwohl wurde Périès rasch desillusioniert. Der Hauptgrund war, dass Toussaint ihn nicht in seinen «weißen Zirkel» aufnahm.87 Auch
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wenn sie persönlich auf gutem Fuß miteinander standen, hielt ihn der stets vorsichtige Gouverneur auf Distanz, da er den Verdacht hatte – zu Recht, wie sich später herausstellte –, dass ihm nicht ganz zu trauen war. Es scheint, dass Toussaint seine Anstellung in der Finanzverwaltung von Cap nicht bestätigte.88 Es gab noch andere Gründe für Périès Unzufriedenheit. Er hatte gehofft, ein beträchtliches Stück Land im ehemals spanischen Teil der Kolonie zu pachten, doch sein Antrag wurde abschlägig beschieden,89 und er erlebte eine seiner Meinung nach kleinkarierte Verfolgung durch schwarze Militärbeamte (vor allem von Moyses Leuten), insbesondere die Aufforderung, sich an kollektiven Aufräumarbeiten in einer Schlucht außerhalb von Cap zu beteiligen. In seinem innersten Herzen konnte er sich mit dem Statusverlust weißer Beamter im neuen Saint-Domingue nicht abfinden – darauf war er weder intellektuell noch emotional vorbereitet. Im April 1801 hatte er nur noch den Wunsch, die Kolonie zu verlassen. Er schrieb lange Briefe an den Marineminister, in denen er um eine Versetzung auf einen anderen Posten im französischen diplomatischen Dienst bat, da er «Todesängste» ausstehe.90 Nichts davon war besonders ungewöhnlich, und es gab mit Sicherheit andere weiße Beamte, die sein Schicksal teilten. Bemerkenswert war vielmehr die Art, wie Périès sich bei seinen Vorgesetzten über die Verhältnisse in Saint-Domingue beschwerte und wie schnell seine Ansichten in extremen und aggressiven Rassismus ausarteten. Er lästerte über die «heillose Desorganisation» der Verwaltung und behauptete, das Geschäftsleben in Cap sei «zusammengebrochen», was eine glatte Lüge war. Im Juli 1800 malte er bewusst die Leiden der Weißen in düstersten Farben, die er gleich zu Anfang als «ständig schikaniert und gedemütigt» schilderte.91 Einen Monat später sprach er von weißen Kritikern Toussaints, «die eingekerkert und in grauenhaften Gefängnissen ermordet» würden. Es gab nicht den geringsten Beweis für solche Vorwürfe, auch in den anderen kritischen weißen Memoranden nicht, die zwischen 1800 und 1801 nach Paris geschickt wurden.92 Der britische Regierungsvertreter wies in seinem Bericht vom März 1801 sogar eigens darauf hin, wie gut die Weißen behandelt würden, und dass all jene, die aus Jamaika nach Saint-Domingue zurückehrten, ihren Besitz zurückerhalten hätten.93 Für Périès war das eigentliche Problem die Entstehung einer neuen Oberklasse. Er behauptete, «zwei Drittel» des Landes von Saint-Domingue befänden sich in den Händen von Schwarzen dank Toussaints
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Politik, systematisch Grundbesitz von Emigranten an seine leitenden Beamten zu verpachten.94 Es trifft zu, dass dies Ressentiments unter den Weißen in der Kolonie schürte, wie aus dem Brief eines weißen Siedlers hervorgeht, der aufgrund von Toussaints Versprechen, vorrevolutionären Eigentümern den Besitz zurückzugeben, nach Saint-Domingue zurückgekehrt war. Trotz seiner wiederholten Bemühungen blieb seine Plantage beschlagnahmt;95 ein weiterer Brief an die französische Regierung enthielt ebenfalls den Vorwurf, dass «jetzt die besten Pflanzungen an die Generäle, Divisionschefs und Regionalkommandeure übergeben worden sind».96 Périès stellte es freilich sehr viel brutaler dar: «Schwarze Verbrecher haben in dieser Kolonie ein Tyrannenregime errichtet, sie alleine halten alle zivilen und militärischen Schlüsselpositionen besetzt, und die Weißen sind nun jeder Würde beraubt, sie können sich nicht einmal mehr Franzosen nennen, einen solchen Hass erweckt das Wort bei diesen bösartigen Leuten.»97 Der bemerkenswerteste Aspekt von Périès’ Kehrtwende war die üble Sprache, mit der er die schwarze Bevölkerung beschrieb. Darin spiegelte sich die Ausdrucksweise der rassistischsten Kolonisten, in deren Kreisen er offensichtlich verkehrte. Er wiederholte ihre Behauptung, dass schwarze Menschen «nicht für die Freiheit gemacht sind», «ihre Seele wirklich so dunkel ist wie ihre Körper» und sie von Natur her «nur zum Plündern und Brandschatzen taugen».98 Unter Berufung auf die Schriften von Moreau de Saint-Méry versuchte er seinen Rassismus wissenschaftlich zu untermauern, indem er die schwarzen Einwohner der Kolonie, die aus dem Kongo stammten, von denen unterschied, die von der Côte d’Or stammten; während letztere friedfertig und arbeitsam seien, hätten erstere (die Mehrheit in Saint-Domingue) «nur eine Begabung für Gewalt und Kriminalität, die ihnen im Blut liegt» – und dies, so erklärte er dem französischen Marineminister, «ist das gleiche Blut, das durch Toussaints Adern fließt».99 Nach der Teilnahme an den Feierlichkeiten in Cap, wo er mit den führenden Persönlichkeiten der Kolonie zu Tisch saß, schrieb er, die neue Verfassung habe «einen absoluten Despotismus» geschaffen, und Recht und Ordnung seien komplett zusammengebrochen: «Diebstähle sind jetzt an der Tagesordnung, in den Städten wie auf dem Land.» Er behauptete auch, fünf weiße Kolonisten, «alles brave Familienväter», seien eingesperrt worden, weil sie es gewagt hätten, Toussaints Verfassung zu kritisieren. Ruhe würde erst durch eine französische Militärintervention einziehen und durch die Deportation
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«aller Schwarzen, die Epauletten tragen, gleichgültig welchen Rangs».100 – Auf unheimliche Weise gleicht diese Sprache den Instruktionen, die Bonaparte später seiner Invasionsarmee mit auf den Weg geben sollte. All diese Bruchlinien in Toussaints Herrschaft – die Zweifel an der übermäßigen Konzentration der Exekutivmacht in seinen Händen, die Feindseligkeit der schwarzen Plantagenarbeiter gegenüber seinen Arbeitsregelungen, die verhüllte Kritik an seiner Herrschaft unter einer weißen Minderheit, sowie der immer größer werdende Kontrast zwischen den von ihm vertretenen moralischen Werten und den materiellen Ansprüchen seiner Offiziere und Soldaten – verdichteten sich in der zweiten Oktoberhälfte 1801 in einer Reihe von Rebellionen, die in der gesamten Kolonie zum Ausbruch kamen. Mitte Oktober führte der Terminplan Toussaint nach Léogâne, Saint- Marc und Port-Républicain zu mehreren öffentlichen Auftritten. Es waren hauptsächlich Pflichttermine, aber mit angenehmen Nebeneffekten: So kehrte er mit seiner Frau Suzanne nach Saint-Marc zurück, um an Dessalines’ Hochzeit mit Claire-Heureuse teilzunehmen, einem der glanzvollen Ereignisse in Saint-Domingues Gesellschaftsleben. In Begleitung des Bräutigams begab er sich dann nach Verrettes, wo er zur Weihe der neuen Gemeindekirche eingeladen war. Dort erfuhren die beiden Männer am 22. Oktober von einem Aufstand in den nördlichen Plantagen, bei dem Massaker an weißen Männern, Frauen und Kindern verübt worden waren; die meisten dieser Morde waren in Limbé, Acul, Port-Magot, Marmelade, Dondon und Grande-Rivière begangen worden.101 Nach britischen Konsulatsquellen sollen dabei etwa 370 Menschen ihr Leben verloren haben.102 Toussaint handelte rasch, um die Gebiete zu befrieden, er griff die Aufständischen in Marmelade an und verfolgte sie nach Souffrière, wo er sie zerstreute, und er sandte Dessalines in den Norden, um die Stellungen der Rebellen anzugreifen. Es hatte den Versuch gegeben, in Cap einen großen Aufstand zu inszenieren, in dem alle Weißen umgebracht werden sollten. Die Verschwörung war aber sofort von Christophe niedergeschlagen worden. Wie Toussaint in einer nachfolgenden Proklamation formulierte, gehörten all diese Vorfälle zu einem umfassenderen Aufstand «gegen die Regierung und die Weißen in den nördlichen Territorien». Die Verschwörer hatten potenzielle Unterstützer aufgewiegelt, indem sie behaupteten, Toussaint habe «schwarze Einwohner an die Weißen verkauft», und Dessalines und
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Christophe hätten dabei als seine Komplizen agiert. In Limbé hatten die Verschwörer der Bevölkerung sogar die Ketten gezeigt, mit denen sie angeblich wieder versklavt werden sollten.103 Dass solche wirren Erfindungen sich in der Kolonie und selbst in dem nach ihm benannten Departement verbreiten konnten, war für Toussaint nicht nur beschämend, sondern ebenso ein Hinweis auf die Volatilität des politischen Klimas in den letzten Monaten des Jahres 1801. Gerüchte über eine Spaltung der Führungskader in seinem Militär machten die Runde; der Bericht eines Kolonisten aus dem Süden sagte sogar «große, gegen Toussaint gerichtete Ereignisse» voraus, die bald eintreten würden.104 Manche glaubten, er selbst habe die Oktoberunruhen angestiftet, um seine Gegner in der Armee ausschalten und jeden Widerstand unter den Plantagenarbeitern gegen seine Herrschaft zerschlagen zu können – und zugleich die weißen Kolonisten daran zu erinnern, dass er ihr einziger Retter und Beschützer war.105 Diese Gerüchte fanden obendrein den Weg zu Roume in Philadelphia, wo sie in einen fieberhaften Bericht an seinen Minister in Paris einflossen. Roume, inzwischen ein unerbittlicher Feind von Toussaint, kam zu dem Schluss, der Gouverneur sei der «Anstifter und Dirigent» der Rebellion. Alle Indizien wiesen auf ihn: Die Mobilisierung der Plantagenarbeiter und die Drohung, Cap niederzubrennen und zu plündern, sei immer eine von Toussaints bevorzugten Taktiken gegen französische Geschäftsträger gewesen, ihn eingeschlossen. Es sei doch auffällig, dass es keinerlei Gerichtsverfahren, dafür aber summarische Exekutionen von Verschwörern gegeben habe, um zu verhindern, dass kompromittierende Informationen nach außen dringen könnten.106 Roume fügte hinzu, Toussaint habe diesen Aufstand aus «Abscheu» vor den Bewohnern von Cap angezettelt, die leidenschaftliche Republikaner seien, im Gegensatz zu den «Anglophilen» von Port-Républicain, deren Gesellschaft er vorziehe. Daher habe er die Stadt zerstören wollen, um eine neue Hauptstadt in Gonaïves zu gründen und damit «seinen Namen zu verewigen»; somit sei die Oktoberrebellion von 1801 von Toussaints «despotischem Hass und Ehrgeiz» angetrieben gewesen.107 Selbstverständlich blieb Roume für diese abenteuerlichen Behauptungen jeden Beweis schuldig. Und obgleich Toussaint gewiss machiavellistischer Handlungen fähig war, so ist doch schwer vorstellbar, dass er bewusst eine politische Ordnung zerstören wollte, die er selbst mit so viel Mühe aufgebaut hatte. Insbesondere das Massaker an den Weißen
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war vollkommen unvereinbar mit der gesamten politischen und wirtschaftlichen Strategie, die er bis dahin verfolgt hatte und mit der er auch den Franzosen seine Loyalität hatte beweisen können. Doch diese Märchen über eine Wiedereinführung der Sklaverei waren ebenso falsch wie politisch bedeutsam, denn sie zeigten den zunehmenden Hass der Plantagenarbeiter sowie von Teilen der städtischen schwarzen Bevölkerung gegen die Weißen. Die Hauptparole der Rebellen war «Tod den Weißen».108 Befeuert von einigen von Toussaints eigenen ortsansässigen Kommandeuren, von denen manche die Rebellion anführten, war diese Gewalt eine brutale Antwort auf die Arroganz und den immer ungehemmteren Rassismus, den die schwarzen Männer und Frauen auf den Plantagen durch die alte Herrscherklasse erfuhren. Diese Ängste vor einer Wiedererstehung der Sklaverei waren auch Ausdruck von Toussaints geringer werdender Unterstützung bei seiner ursprünglichen Hauptanhängerschaft. Der Reichtum der neuen schwarzen Elite, kombiniert mit seinen drakonischen Arbeitsvorschriften und seiner Weigerung, Plantagenarbeitern eigenen Landbesitz zu ermöglichen, beschädigten sein Ansehen bei den Schwarzen. Wie schon zuvor erwähnt, gab es auf den nördlichen Plantagen zahlreiche Vorfälle von marronage, und einige der Rebellentruppen rekrutierten sich aus diesen Gruppen. Doch selbst unter der Arbeiterschaft auf den Plantagen war Toussaints Stern gesunken. Während der Monate seines erzwungenen Exils in Dondon, einem der Zentren des Aufstands, hatte Roume diese Entfremdung unter der Lokalbevölkerung, sowohl der in Afrika wie der auf der Insel geborenen, beobachten können. Der französische Bevollmächtigte sah, dass «die Gesamtheit der schwarzen Afrikaner und eine beträchtliche Zahl von Kreolen» sich vom Gouverneur betrogen fühlten und glaubten, er habe sie «als Steigbügelhalter zur absoluten Macht» missbraucht. Auch waren sie «aufgebracht» über die Entscheidung, Arbeitssklaven in die Kolonie zu importieren, was sie als einen Bruch des heiligen Revolutionsversprechens ansahen, die Sklaverei auf der Insel für immer zu beenden. Roume war natürlich kein unvoreingenommener Beobachter, aber es besteht kaum Zweifel, dass seine Eindrücke das Unbehagen der Plantagenarbeiter in Saint-Domingue an der Politik des Gouverneurs richtig wiedergeben.109 Bald stellte sich heraus, dass der Architekt der Oktoberrevolte von 1801 niemand anderes als Moyse gewesen war. Aus den Berichten seiner Offiziere erfuhr Toussaint, dass die Rebellen wiederholt den Namen des
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nördlichen Kommandeurs skandiert hatten. In Plaisance beispielsweise hatte es Sprechchöre gegeben: «General Moyse steht hinter uns, er ist es, der uns unterstützt, er ist unser Führer.»110 Seit dem Ende des Kriegs mit Rigaud hatte sich Toussaints schroffer junger Neffe – er war erst 28 Jahre alt – zunehmend desillusioniert gezeigt und keinen Hehl mehr aus seiner Gegnerschaft zur Strategie seines Onkels gemacht. Er kritisierte Toussaints Arbeitsgesetze wegen ihrer harten Knebelung der schwarzen Plantagenarbeiter und bekämpfte leidenschaftlich jede Form der Sklaverei. Als einer derjenigen, die sich am meisten für die Schwarzen eingesetzt hatten, die nach Santo Domingo verkauft worden waren,111 stand er Toussaints Plänen, in der Kolonie eine Vertragsknechtschaft (indentured labour) einzuführen, feindselig gegenüber. Wegen dieses Artikels in der Verfassung hatte er seinen Onkel zur Rede gestellt. Insgesamt war er der Meinung, dass Toussaints Vorstellung von Gemeinwohl viel zu sehr auf den Schutz der Interessen der grands blancs ausgerichtet war, die er selbst verachtete. Moyse hatte seinen Anhängern in Cap erklärt, dass ihre Zeit bald kommen würde: «Die Franzosen sind nicht gut für dieses Land, und sie allein stehen uns im Wege; ich werde ihnen das Leben so schwer machen, dass sie von selber gehen und ihren Besitz zurücklassen.»112 Solche Ansichten, verbunden mit den regelmäßigen Einschüchterungsversuchen weißer Einwohner in Cap durch seine Miliz, hatten Moyse eine enorme Popularität in der schwarzen Bevölkerung des Nordens beschert. Man schrieb ihm sogar die Unterstützung eines erweiterten Zugangs der Bevölkerung zu Landbesitz zu, obwohl es sich dabei wohl eher um eine Pose als um ein politisches Ziel handelte, für das er sich engagierte. Moyse war kein Verfechter des Egalitarismus. Die besten Ländereien im nördlichen Departement reservierte er für seine engsten militärischen Mitarbeiter, und er selbst pflegte einen opulenten Lebensstil. Wie Toussaints andere führende Kommandeure hatte er beträchtlichen Land- und Immobilienbesitz angesammelt, sein jährliches Einkommen wurde auf 1,2 Mio. livres geschätzt.113 Über seinen Reichtum kursierten alle möglichen Gerüchte. Eines davon lautete, man habe nach seiner Verhaftung sieben Millionen livres in Gold in seinem Haus gefunden.114 Toussaint konnte Moyses coup de force mühelos abwenden. Auch wenn der Gewaltstreich aus einem Prinzipienstreit hervorging, so war er doch schlecht geplant und noch schlechter durchgeführt. Zudem gab es
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in der Kolonie schlicht kein Interesse an einem total entfesselten «Rassenkrieg» gegen die Weißen; daher blieb die politische Ordnung, die der Gouverneur aufgebaut hatte, zumindest fürs Erste stabil. Doch die Ereignisse erschütterten Toussaint bis ins Mark. Er würde «die Rebellion nie mehr vergessen» können, und sein Herz war «vor Schmerz gebrochen»115 – insbesondere da er vermutlich viele der ermordeten Weißen persönlich gekannt hatte und die Aufständischen schwarze Bürger waren, angeführt von einem Mann, der nicht nur einer der Helden der Revolution, sondern ein naher Verwandter war, den Toussaint als Adoptivsohn ansah. Aber es blieb keine Zeit, in Kummer zu baden. Toussaint versprach, das Blutvergießen Unschuldiger «zu rächen» und «Gerechtigkeit auf eine Weise zu vollziehen», dass «selbst die dreistesten Schurken abgeschreckt» würden.116 Und er hielt Wort. Moyse wurde gefangen genommen, nach Port-de-Paix überführt und vor ein speziell dafür einberufenes Militärgericht gestellt, das Zeugenaussagen von Toussaint sowie einer Reihe seiner Offiziere anhörte. Dem Angeklagten wurde nicht erlaubt, sich zu verteidigen, er wurde der Verschwörung für schuldig befunden und im Fort von Port-de-Paix exekutiert. Er starb tapfer, lehnte es ab, sich die Augen verbinden zu lassen, und gab selbst den Feuerbefehl. Der weiße Offizier, der dem Militärgericht vorsaß, Brigadegeneral François Pageot, wurde von Toussaint sofort aus Saint-Domingue deportiert. Er hatte versucht, Moyse selbst eine Zeugenaussage zu erlauben (der Gouverneur trug ihm auch nach, dass er die Verfassung von 1801 nicht unterstützt hatte). Auch wenn er an Moyses Schuld nicht zweifelte, schrieb Pageot später, das Verfahren sei von Toussaint beschnitten und das Urteil in einer manipulierten Form veröffentlicht worden.117 Vorbei waren auch die Tage, in denen Toussaint noch recht nachsichtig mit Verfehlungen der Schwarzen umging. Die Wiederherstellung der Ordnung im nördlichen Landesteil wurde mit extremer Härte durchgesetzt. Dutzende von Landarbeitern wurden kurzerhand hingerichtet, manche nur deswegen, weil sie aus einer Ortschaft stammten, die von einem der Rebellenkommandeure besetzt worden war. Bei der Rückeroberung von Plaisance beispielsweise machten Dessalines und seine Soldaten die Arbeiter mit Säbeln und Bajonetten nieder, und alle Gefangenen aus einer Feldschlacht wurden abgestochen. Um nicht hinter seinem Leutnant zurückzustehen, führte Toussaint Anfang 1801 in Cap eine grauenerregende Szene auf. Er rief die Bevölkerung zur Hin-
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richtung von vierzig aneinander geketteten Rebellen herbei; unter diesen befand sich Joseph Flaville, einer der leitenden Militärkommandeure im Norden, der die Aufständischen in der Gegend um Limbé befehligt hatte. Toussaint hielt der Menge eine Drohpredigt und verkündete die bevorstehende Exekution von Moyse. Er verhieß allen, die die öffentliche Ordnung angriffen, das gleiche Schicksal, selbst wenn es sich um seinen eigenen Sohn handeln sollte. Man richtete sodann drei Kanonen auf die Gefangenen, die in Stücke gerissen wurden; die Menschenmenge stob voller Entsetzen auseinander.118 Die Place d’Armes, vor noch wenigen Monaten der Ort freudiger Feierlichkeiten anlässlich Toussaints Proklamation der neuen Verfassung, war jetzt blutgetränkt. Die Moyse-Affäre war nicht nur eine persönliche Tragödie für Toussaint, sie enthüllte auch die zunehmende Brüchigkeit seiner Machtbasis. Nach dem Rigaud-Aufstand, bei dem es Verrat innerhalb der Reihen seiner Führungsoffiziere gegeben hatte, verließ er sich zunehmend auf seine eigenen Blutsverwandten. Die drei Hauptkommandeure der Invasion in Santo Domingo waren Moyse, Paul Louverture und Toussaints Neffe Charles Bélair gewesen. Aber anscheinend konnte er sich selbst dieser privilegierten Gruppe nicht sicher sein. Das war auch ein Problem seines Führungsstils: Wie die meisten charismatischen SelfmadeAnführer vertraute er am Ende nur noch sich selbst. Anfang 1801 sprach er «von der ganzen Insel Saint-Domingue, vereinigt unter meiner Regierung.»119 Selbst seinen führenden Offizieren gab er nur äußerst widerwillig Einblick in seine Absichten, und die Macht in irgendeiner Form mit ihnen zu teilen, war so gut wie undenkbar. Auch machten sich strategische Differenzen bemerkbar. Moyses Revolte war unter anderem dadurch ausgelöst worden, dass er Toussaints Regime gegenüber seinen natürlichen Unterstützern, den schwarzen Landarbeitern, zu hart fand und den Weißen gegenüber zu milde. Christophe wiederum hielt Toussaints Streben nach Unabhängigkeit von Frankreich für einen gefährlichen Fehler; Anfang 1801 begann der Kommandeur von Cap diskrete Signale an die Franzosen zu senden, dass er sich vielleicht als kooperativerer Regierungschef erweisen würde als der Gouverneur, wenn der Posten einmal vakant werden sollte.120 In diesem Sinne hatte Toussaints neue Verfassung, die vorsah, dass er selbst seinen Nachfolger bestimmte, paradoxerweise eine destabilisierende Wirkung auf seine Führungsrolle. Und es war nicht Christophe allein,
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der sich Gedanken über seine gegenwärtige Position machte: Dessalines war an dem Verfassungsprozess zu keiner Zeit beteiligt und sah darin aller Wahrscheinlichkeit nach ein Zeichen, dass er bei der Nachfolge nicht zu den Favoriten zählte. Eine weitere mögliche Quelle der Instabilität für Toussaint war sein heikler Balanceakt mit den britischen Regierungsvertretern, der sich durch den größten Teil des Jahres 1801 hinzog. Er war frustriert von dem langsamen Fortschritt seiner Gespräche, und selbst die loas schienen gegen ihn zu konspirieren. Das Schiff, das seinen Gesandten Pennetier von London nach Jamaika bringen sollte, erlitt Schiffbruch; eine Weile lang weigerte sich Toussaint, die Nachricht zu glauben, und dachte, die Briten hätten Pennetier verschleppt (oder, wie er es in seiner leicht verstiegenen Art ausdrückte, «ihn unsichtbar gemacht»).121 Mit seiner charakteristischen Mischung aus Unerreichbarkeit und Verführungskunst umwarb er die lokalen britischen Repräsentanten und konnte sie auf seine Seite ziehen. W. L. Whitfield, der Untervertreter in Port-Républicain, verbürgte sich für Toussaints gute Absichten und hob hervor, dass er keine Pläne schmiede, Jamaika zu destabilisieren. Sein einziges Interesse sei, seine «Unabhängigkeit» zu sichern.122 Einen besonders starken Rapport stellte der Gouverneur mit Edward Corbet her, der Anfang des Jahres 1801 in der Kolonie ankam und als britischer Vertreter in PortRépublicain agierte. Corbet war ein hochkompetenter Beamter, und seine diplomatischen Berichte waren voll des Lobes für Toussaints Effizienz, seine humane Behandlung der weißen Kolonisten und seinen «perfekten Despotismus»; von Beginn an sprach er sich gegen ein aggressives Vorgehen der Briten gegen Toussaints Schiffe aus.123 Toussaint gab seiner «Enttäuschung» Ausdruck, dass die britische Regierung ihm in den Verhandlungen nicht weiter entgegenkomme, und erklärte Corbet, die «einzigen» Freunde von Saint-Domingue seien die Amerikaner – was natürlich die gereizte Reaktion auslöste, die Toussaint beabsichtigt hatte. Der Gouverneur versicherte wiederholt, dass er in seinen Beziehungen mit Frankreich nichts weiter täte als «den Anstand zu wahren» und dass er und seine Offiziere sich geschworen hätten, «keine andere Regierung auf dieser Insel zuzulassen als die bestehende, die de facto eine schwarze unabhängige Regierung ist». Sollte Frankreich versuchen, einen neuen Repräsentanten in die Kolonie zu schicken, fügte er hinzu, so würde dieser Beamte «nicht empfangen». Wenn die Briten ihn «loyal» und «ehrenhaft» behandelten, schloss Toussaint verheißungsvoll, «könnten
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sie ihren Einfluss auf die gesamte Insel ausdehnen». Er stellte Corbet sogar die Möglichkeit in Aussicht, dass die Briten nach Môle SaintNicolas zurückkehren dürften.124 Der Schachzug machte sich bezahlt. Bevor er Jamaika verließ, erklärte Balcarres seinem Nachfolger Nugent und dessen Vorgesetzten in London feierlich: «Die Gutwilligkeit der Briten ist sowohl den USA als auch dem Häuptling Toussaint durch mich zugesagt worden.»125 Diese Aussage war bemerkenswert für einen Mann, der noch drei Jahre zuvor den schwarzen General als «Banditen» bezeichnet hatte und von Maitland davon überzeugt werden musste, dass eine Übereinkunft mit ihm ein «notwendiges Übel» sei. Mit dem Segen seiner Regierung vereinbarte Nugent schließlich mit Toussaints Gesandtem Bunel die fortgesetzte Gültigkeit der Vereinbarung von 1799. Der Vertrag, von Corbet auf der britischen Seite ausgehandelt,126 wurde Mitte November 1801 unterzeichnet. Britische Schiffe durften von nun an Gonaïves, Jérémie, Les Cayes und Jacmel unter gleichen Bedingungen anlaufen, wie sie zuvor schon für Cap und Port-Républicain galten, und Toussaint erlaubte den Briten, offizielle Stellvertreter in diese Städte zu entsenden. Außerdem wurde französischen Pflanzern, die in den 1790er Jahren in Jamaika Zuflucht gefunden hatte, erlaubt, zu ihren Besitzungen in Saint-Domingue zurückzukehren, wobei Zahl und Umfang dieser Rückführungen vom Gouverneur zu entscheiden waren.127 Die Ereignisse sollten die Realisierung dieses Abkommens überholen. Doch die Tatsache, dass es unterzeichnet wurde, war ein Zeichen für Toussaints Status in der Region. Die Faszination, die von ihm ausging, reichte selbst bis in die jamaikanische High Society: Nach einem Abend, an dem der britische Repräsentant in Saint-Domingue ihr von dessen Heldentaten erzählt hatte, schrieb Maria, die Frau des neuen Gouverneurs, begeistert in ihr Tagebuch: «Hatte nach dem Diner ein anregendes Gespräch mit Mr. Corbet über General Toussaint L’Ouverture, das besonders interessant war. Er muss ein wundervoller Mann sein, und ich glaube wirklich, dass die Vorsehung noch Besonderes mit ihm vorhat.»128 In Saint-Domingue war die unmittelbare Reaktion der meisten Einwohner von Cap nach der Niederschlagung der Moyse-Rebellion verständlicherweise Erleichterung. Die amerikanische Gemeinde veröffentlichte eine Erklärung, in der sie dem Gouverneur dafür dankte, dass er
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«mit Weisheit und Energie» die Ordnung wiederhergestellt habe,129 während die städtischen Beamten Toussaint und Christophe dafür dankten, «die Stadt vor dem Rand des Grabes bewahrt» zu haben – ohne Zweifel hatten sie sich selbst an diesem Abgrund gesehen. Sie begrüßten die «gerechte Bestrafung der Verbrecher» sowie die «Dämmerung eines neuen Tages» für die Kolonie.130 Ein britischer Händler aus Gonaïves lobte Toussaints «promptes und kraftvolles Einschreiten», um den Aufstand im Keim zu ersticken; ohne seine Präsenz wäre die Sicherheit in Saint-Domingue «ernsthaft in Gefahr».131 Für Toussaint freilich folgte aus der Moyse-Rebellion, dass weitere Maßnahmen nötig waren, um solche Aufstände zukünftig zu verhindern. In seinem Dekret vom 10. November zog er über die «Herumtreiber und üblen Subjekte» von Cap her, die sich dort zusammengeschart hätten und «eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung und eine Gefahr für die ganze Gesellschaft» darstellten. Die meisten dieser «Herumtreiber» stammten aus den Plantagen und suchten in den Städten Unterschlupf, weil sie nicht länger auf den Feldern arbeiten wollten. Toussaint aber erklärte streng: «In einer freien Gesellschaft besteht die Freiheit nicht darin, den eigenen Launen zu folgen, sondern das zu tun, wofür man bestimmt ist.» Er ordnete an, dass jede Abteilung von Caps Nationalgarde in ihrem jeweiligen Bezirk sofort eine Volkszählung aller Männer, Frauen und Kinder über zwölf Jahren durchführen sollte, um festzustellen, ob sie Arbeit und einen festen Wohnsitz hatten; diejenigen, die diese Bedingungen nicht erfüllten, mussten unverzüglich zu den Plantagen zurückgeschickt werden. Wer einen Landstreicher bei sich zuhause versteckte, musste eine Strafe zahlen (25 portugaises, wenn er reich, 10 wenn er arm war); wer einen «Friedensstörer» oder «jemanden, der als übles Subjekt bekannt» war, bei sich aufnahm, wurde strafrechtlich verfolgt und musste mit der Todesstrafe rechnen.132 Dies war nur das Vorspiel. Toussaints umfassende Antwort auf Moyses Rebellion kam mit dem Dekret vom 4. Frimaire (25. November 1801). Obgleich es auf vielen seiner älteren Proklamationen aufbaute, war es ein in jeder Hinsicht erstaunliches Dokument: nach Umfang (mehr als sieben Seiten), nach Anzahl der Themen, die es ansprach, nach seiner oft einschüchternden und anklägerischen Tonlage sowie nach dem Ausmaß an repressiven Maßnahmen, die es ankündigte. Zugleich war es bemerkenswert wegen seines sehr persönlichen und emotionalen Tons. Es erschien vier Tage nach der Exekution von Moyse, die offenkundig
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ein traumatischer Moment war. Toussaint hatte sich an glücklichere Zeiten erinnert, als Moyse einer seiner mutigen Krieger war und sich gerne als Toussaints «gutes Kind» bezeichnete.133 Nur wenige Monate zuvor hatte Moyse an Isaac und Placide in Paris geschrieben, wie stolz die Familie auf ihre akademischen Fortschritte sei.134 Toussaint hatte sich noch einmal die Streitigkeiten mit seinem Neffen vergegenwärtigt: Er habe ihn «tausend Mal» daran erinnert, dass eine Armee ohne Tugenden wie Disziplin und Gehorsam nicht funktionieren könne; er habe ihm auch die «heiligen Maximen unserer Religion und die Pflichten eines Christen» gepredigt und «alles in seiner Macht Stehende» getan, seine «bösen Neigungen zu ändern» und ihn «auf den Pfad der Rechtschaffenheit» zurückzuführen. Doch am Ende habe sich Moyse starrköpfig geweigert, Toussaints «väterlichen» Rat anzunehmen, und war «elendiglich umgekommen».135 Ihre Auseinandersetzungen über die Behandlung der Plantagenarbeiter, die rechtmäßige Stellung der weißen Kolonisten in Saint-Domingue oder die Emanzipation der Kolonie von der französischen Herrschaft erwähnte Toussaint bezeichnenderweise nicht. Stattdessen diente ihm Moyses Rebellion als ein belehrendes Beispiel für den allgemeinen Niedergang der öffentlichen und privaten Moral. Toussaint kehrte zu dem republikanischen Thema des Verfalls der gesellschaftlichen Moral zurück, das er bereits in seinen früheren Proklamationen angesprochen hatte. Doch diesmal sparte er niemanden aus: Zunächst griff er nachlässige Eltern «vor allem in den Städten» an, die ihre Kinder verwöhnten, indem sie sie «in Müßiggang» und ohne ein angemessenes Verständnis für ihre Pflichten aufwachsen ließen. Er stellte fest, dass diese jungen Menschen schon in zartestem Alter «Juwelen und Ohrringe» tragen durften, und «Geschmack an Müßiggang und Luxus» entwickelten. Dann schimpfte er auf junge Frauen, die in der Prostitution endeten und deren lasterhaftes und ausschweifendes Leben eine der Hauptquellen für die soziale Unordnung seien; auf Hausangestellte, die überwacht werden mussten, damit sie nicht stahlen oder der «Faulheit» verfielen (eine Kardinalsünde in Toussaints Augen); auf neuangekommene Ausländer, die manchmal «gefährliche Ansichten» äußerten – mit möglicherweise unguten Nachwirkungen; auf Beamte und militärische Befehlshaber, die ungeachtet ihres Ehegelübdes «mehrere Konkubinen bei sich zuhause» hätten; sowie auf «eine große Zahl» von Plantagenarbeitern, die ihren Kindern ein vergnügungssüchtiges Leben in den Städten erlaubten und
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deren Arbeitsscheu eine «Bedrohung» für die Gesellschaft darstelle. Erneut knüpfte er an sein Ideal des Gemeinwohls an und betonte, dass «diese Menschen gezwungen werden müssen, auch gegen ihren eigenen Willen, eine gesellschaftlich nützliche Rolle zu spielen».136 Das Dekret schloss mit zahlreichen Maßnahmen, die – typisch für Louverture – wirkungsvoll, einschneidend und exzentrisch waren. Sie reichten von der absoluten Pflicht der Kommandeure, jede Form von Aufwiegelei zu bekämpfen, bis zur Ausgabe von Sicherheitskarten an jeden Einwohner, die alle sechs Monate erneuert werden mussten (als Toussaint Anfang 1802 Santo Domingo besuchte, ordnete er an, jedem Bewohner sofort eine solche Karte auszustellen).137 Aufwiegelei war ein weites Feld, dazu gehörten «Äußerungen, die dazu angetan sind, den öffentlichen Frieden zu stören»; jedem «kreolischen» Einheimischen in der Kolonie, der sich eines solchen Vergehens schuldig machte, drohten sechs Monate Zwangsarbeit («mit Fußfesseln»), während «Landesfremde» deportiert würden; dies war das erste Mal, dass Toussaint die Bevölkerung der Kolonie auf solche Weise unterteilte. Die «vollständige» Umsetzung des Arbeitsdekrets vom Oktober 1800 wurde noch einmal bekräftigt, doch zog Toussaint aus dem Aufstand von Moyse die Lehre, dass die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen nicht drakonisch genug gewesen waren. Daher wies er seine Ortskommandeure an, in ihrem Bereich alle Plantagenarbeiter zu erfassen und diese Liste an das Gouverneursbüro zu senden, so dass man «die cultivateurs ihren Plantagen zuordnen» konnte. Auch wurde eine strengere Unterdrückung der marronage verkündet. Jede Arbeitskraft, die ihre habitation (Plantage) ohne Erlaubnis verließ, wurde vom Militär verfolgt, zurückgebracht und verlor ihren Pass für drei Monate. In einem weiteren Versuch, die Plantagen vor schädlichen Einflüssen von außen zu schützen, durfte keine Person, die nicht dort angestellt war, längere Zeit auf ihr verbringen. Selbst dem Militärpersonal war der Zutritt nur für Elternbesuche erlaubt.138 Inmitten all dieser repressiven Maßnahmen hatte Toussaint sein Ziel, das Eheglück der Paare von Saint-Domingue zu bewahren, nicht aus den Augen verloren. Nicht genug damit, dass seine Soldaten, Offiziere und Plantagenarbeiter seine persönliche Erlaubnis zur Heirat einholen mussten, dass er die Versöhnung unglücklicher Paare forderte und die Zahl der Konkubinen pro Haushalt beschränkte, drohte er nun all denjenigen schwere Strafen an, von denen «bekannt sei, dass sie eine Ehe
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zerstört oder versucht hätten, eine Ehe zu zerstören». Unermüdlich auf dem Kriegspfad, warnte der moralische Kreuzzügler alle Verführer und Verführerinnen der Kolonie, dass sie sich «vor dem Gouverneur persönlich verantworten» müssten.139
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Nachdem Toussaint die Moyse-Rebellion niedergeschlagen und seine Autorität im gesamten Gebiet der Insel durch eine gewaltige Machtdemonstration gefestigt hatte, hoffte er vermutlich, sich eine Verschnaufpause verdient zu haben. Aber die Erholung erwies sich als kurzlebig. Die diplomatische Landschaft in Europa erlebte eine Verschiebung, und Anfang Oktober 1801 unterzeichneten Frankreich und Großbritannien eine Vorvereinbarung, die den Weg für einen Frieden zwischen den bis dato unversöhnlichen Rivalen ebnete. Toussaint erkannte sofort, welche Implikationen ein französisch-britischer Waffenstillstand für Saint-Domingue haben würde, sollte er zustande kommen. Er würde die Interessen der beiden Hauptkolonmialmächte Europas kurzschließen und das Interesse Großbritanniens und seiner regionalen Alliierten an privilegierten Beziehungen zu Saint-Domingue untergraben. Das Schlimmste war, dass der Waffenstillstand die britische Seeblockade im Atlantik beenden und eine französische Militärexpedition zum Sturz von Toussaints Herrschaft ermöglichen würde. Als Anfang Dezember die Nachricht von der Übereinkunft Saint-Domingue erreichte, war die Kolonie erfüllt von Gerüchten über eine unmittelbar bevorstehende französische Invasion.1 Derartige apokalyptische Vorstellungen zirkulierten schon seit einer ganzen Weile und entsprangen dem Wunschdenken – und den alkoholisierten Phantasien – der verbohrteren Kolonisten. Doch Toussaint wusste, dass sie dieses Mal mehr Substanz besaßen. Seine Verhandlungen mit den Briten, die sich so gut angelassen hatten, wurden Ende November von Gouverneur Nugent abrupt abgebrochen, ein schlechtes Zeichen. Der neue jamaikanische Gouverneur hatte vom britischen Kriegsminister Lord Hobart erfahren, dass die Franzosen eine große Armee losgeschickt hatten, um Saint-Domingue zurückzuerobern, und dass er
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seine gutnachbarschaftliche Politik gegen die Kolonie nicht weiter verfolgen solle.2 Nugent unterrichtete Toussaint sofort und befahl allen britischen Geschäftsträgern und Untertanen in Saint-Domingue, sich nach Jamaika zurückzuziehen.3 Zwar erwähnte Nugent in seinem Schreiben an Toussaint eine französische Invasion nicht explizit, aber es lässt sich kaum bezweifeln, dass dieser begriff, dass eine solche unmittelbar bevorstand; bei einer Zusammenkunft mit dem britischen Vertreter Whitfield, an der auch Dessalines teilnahm, klagte er, Frankreich und Großbritannien machten gemeinsame Sache bei «offensiven Maßnahmen» gegen ihn, und schwor, eine Invasion Saint-Domingues würde auf «Widerstand» treffen; er werde sein Kommando niemals abgeben oder zulassen, dass seine Armee «aufgelöst» werde.4 Eine Woche später berichtete Whitfield, Toussaint sei «täglich damit beschäftigt, Soldaten zu rekrutieren und alle Pferde aufzukaufen, die er bekommen» könne. Er schloss: «Ich fürchte, er will seine Kräfte mit Bonapartes Legionen messen.»5 Toussaint beschloss, eine Proklamation zu veröffentlichen, um sein Volk auf den Angriff vorzubereiten. Seine «Adresse» stand auf einem großen weißen Plakat zu lesen und wurde in der ganzen Kolonie verteilt. Zunächst wurden darin Zweifel an dem Gerücht gesät, französische Truppen seien bereits unterwegs, «um die Kolonie und die Freiheiten, die sie genießt, zu zerstören»; solch eine Geschichte konnte nur von «böswilligen» Kräften verbreitet werden. Nachdem er damit das Gerücht durch dessen Leugnung bestätigt hatte, fuhr er fort, Bonaparte habe «alle schwarzen und mixed-race Widersacher Toussaints, die in Frankreich lebten», zusammengetrommelt und ausgeschickt, um gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen. Die französische Regierung halte seine beiden Kinder «als Geiseln» und weigere sich, sie freizulassen, obwohl ihr Vater mehrfach ihre Rückkehr verlangt habe. Der Zweck der Invasion sei, «alle Soldaten und Offiziere der Kolonialarmee wieder zu versklaven». Seine Kinder seien «ein Besitz, der rechtmäßig mir gehört»,6 und er sei sehr erzürnt über ihre dauernde Abwesenheit. Die französische Regierung behandle seine Kinder als «Pfand» und breche damit alle Prinzipien von «Ehre und Billigkeit». Es sei «unvorstellbar» – womit er meinte: wider alle Gepflogenheiten –, dass Frankreich Saint-Domingue angreifen wolle, nachdem dessen revolutionäre Bürger selbstlos ihr Leben eingesetzt hätten, um die Interessen Frankreichs gegen innere und äußere
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Feinde zu verteidigen, und eine «chaotische Kolonie» in ein «blühendes Unternehmen» verwandelt hätten. Solche «Undankbarkeit», bemerkte er spitz, sei der Franzosen nicht würdig. Im Gegensatz zum einschüchternden Ton seiner jüngsten Proklamationen geizte er nun nicht mit Lob für die Einwohner Saint-Domingues, «deren überwältigende Mehrheit ehrliche Grundbesitzer, anständige Leute und gute Väter» seien, die nur nach «Frieden und Wohlstand» strebten. Er appellierte auch an die Loyalität der Offiziere und Soldaten seiner Armee: «Gehorsam», erinnerte er sie zum wiederholten Male, sei «die höchste militärische Tugend», und er würde ihnen «den zu beschreitenden Weg zeigen». Etwa auf der Hälfte der Proklamation hielt Toussaint inne, um sich Gedanken über die Zukunft zu machen, und hier wurde sein Ton düster. Als er erfuhr, dass Frankreich vielleicht eine Invasionsarmee gegen ihn losschicken würde, hatte er im privaten Kreis erklärt: «Frankreich hat kein Recht, uns zu Sklaven zu machen, unsere Freiheit gehört nicht ihnen. Wir werden sie verteidigen oder untergehen.» In seiner öffentlichen Auseinandersetzung mit der drohenden französischen Aggression erklärte Toussaint, ein Angriff auf Saint-Domingue sei ein «Akt wider die Natur». In einer Analogie, die seinen kreolischen und christlichen Werten entsprang, verglich er dies mit einem Mord am eigenen Kind durch seine Eltern. In einer solch «ungeheuerlichen» Situation sei das Gebot des kindlichen Gehorsams aufgehoben, das Kind habe die Pflicht, sich zu verteidigen und sein Schicksal in Gottes Hand zu legen. Er forderte die Bürger Saint-Domingues auf, seinem Beispiel zu folgen und den Eindringlingen mit Würde und Mut entgegenzutreten. «Wenn ich unter diesen Umständen sterben muss», schloss Toussaint, «werde ich dem Tod ehrenhaft ins Auge sehen, wie ein Soldat, der ein vorbildliches Leben geführt hat.»7 Toussaint hatte seine Proklamation zur rechten Zeit publiziert. Sechs Tage vor ihrer Veröffentlichung war eine französische Flotte mit Kurs auf Saint-Domingue in See gestochen. An Bord befanden sich Isaac und Placide, die beiden Kinder, für deren sichere Heimkehr er so lange gebetet hatte. Sie kehrten zu ihrer Familie zurück, jedoch begleitet von einer Invasionsarmee (zu der eine Handvoll von Saint-Domingues schwarzen und mixed-race Dissidenten gehörte, darunter sein alter Widersacher André Rigaud). Der lange erwartete Brief Bonapartes war ebenfalls bereits unterwegs, doch sein versöhnlicher Inhalt war nichts als eine finstere Kriegslist. Die Franzosen strebten die erneute Besetzung
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der Kolonie an, um die weiße Suprematie wiederherzustellen und den Gouverneur und die gesamte herrschende Kaste, die sich unter seiner Führung herangebildet hatte, zu eliminieren. Für Toussaint war der Moment der Abrechnung gekommen: Seine Reaktion entschied über sein eigenes Schicksal und das der Revolution, die er während des vergangenen Jahrzehnts so entschlossen verteidigt hatte. Häufig wurde Toussaint vorgeworfen, er habe Bonaparte durch seine unbeherrschten Aktionen während der letzten Regierungsjahre provoziert und sich zu wenig bemüht, ihn sich gewogen zu machen. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass Toussaint mit irgendeiner zuvorkommenden Geste die Invasion hätte verhindern können – weshalb, wird sich im Folgenden zeigen. Aber gerade der Vorwurf, er habe die Beziehung zu Bonaparte nicht genug gepflegt, ist unbegründet. Wie wir gesehen haben, schrieb Toussaint ihm ab 1800 zahlreiche Briefe, die allesamt nicht beantwortet wurden. Dabei standen die Bonapartes in Toussaints Schuld: Josephines Familie, die in Martinique lebte, hatte beträchtliche finanzielle Interessen in Saint-Domingue, vor allem besaß sie einige profitable Zuckerplantagen in Léogâne. Die Produktion war während der ersten Revolutionsjahre zum Erliegen gekommen, aber als Josephine von Toussaints Wiederherstellung der Ordnung in der Kolonie hörte, schrieb sie 1798 direkt an ihn und bat um seine Hilfe. Bonaparte war damals auf seinem Feldzug in Ägypten. Toussaint kümmerte sich umgehend darum, die Produktion auf den Plantagen in Gang zu bringen, und binnen kurzem bezog Josephine wieder beachtliche Einkünfte aus ihren Besitzungen in Saint-Domingue.8 Sie war so dankbar, dass sie Toussaints Söhne mehrfach zum Mittag- oder Abendessen in ihre Pariser Residenzen in der Rue Chantereine und Rue de la Victoire einlud und dabei den General überschwänglich lobte; eine besondere Zuneigung hatte sie zu Placide gefasst.9 Als Bonaparte zurückkehrte, wurde er zweifellos von seiner Gattin über Toussaints großzügige Hilfsbereitschaft informiert und war darüber sicher ebenfalls hocherfreut. Als er zu einem späteren Zeitpunkt die Kinder des Oberkommandeurs kennenlernte, meinte er zu ihnen, ihr Vater sei «ein großer Mann, der Frankreich enorme Dienste erwiesen» habe.10 Toussaints Unterstützer in Paris, darunter der Parlamentsabgeordnete Louis Rallier, drängten Bonaparte, Toussaint Rückendeckung zu geben. Er sei mit Abstand der effektivste Beschützer französischer Inter-
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essen in der Kolonie.11 Dieser Kreis von Wohlgesinnten wurde durch weitblickende Männer in Bonapartes Entourage erweitert, insbesondere durch Admiral Laurent Truguet, einen ehemaligen Gesandten, der einer seiner wichtigsten Marineberater war, sowie durch Staatsrat Daniel Lescallier, Chef des Kolonialbureaus und Experte für die Antillen. Beide waren aufrichtige Bewunderer Toussaints und zudem prinzipientreue Republikaner, die Sklaverei ablehnten; Lescallier war sogar Mitglied der Amis des Noirs gewesen. In den ersten Monaten des Jahres 1801 schien der Konsul entschlossen, Toussaint den Rücken zu stärken. Er entwarf einen Brief, in dem er ihn zum «capitaine-général» des französischen Teils der Insel ernannte und ihm versicherte, er genieße «das volle Vertrauen» der Regierung in Paris.12 Er bestätigte den Erhalt all seiner früheren Briefe, grüßte ihn als «oberster Vertreter der Republik» und forderte ihn auf, Ruhe und Ordnung zu erhalten und weiterhin die Entwicklung der Landwirtschaft zu überwachen (wohl vor allem die Gegend um Léogâne).13 Er ernannte einen neuen französischen Gesandten für SaintDomingue, dem er genaue Verhaltensmaßregeln mitgab, unter anderem, bei Toussaint «keinen Anstoß zu erregen» und «alle Einwohner unter seiner Führung zu versammeln». Offenbar gut informiert über Toussaints Religiosität, gab er seinem Beamten sogar vor, regelmäßig die Messe zu besuchen.14 Aber Bonapartes Brief wurde nie abgeschickt, und Ende März 1801 wurde Toussaint heimlich aus dem Register der französischen Militärbeamten gestrichen. Was hatte diese dramatische Kehrtwende ausgelöst? Kritiker schreiben die Sinnesänderung des Ersten Konsuls einzelnen Handlungen Toussaints zu, wie der Gefangensetzung Roumes und der Verabschiedung der neuen Verfassung. Doch das kann rein zeitlich nicht zutreffen. Anfang 1801 wusste Bonaparte bereits, dass Roumes Verhältnis zu Toussaint zerrüttet war, eben deshalb wollte er einen neuen Vertreter schicken. Die Verfassung trat erst im Juli 1801 in Kraft, und die Nachricht darüber erreichte Paris erst Monate später. Wenn es ein einzelnes Ereignis gab, das Bonapartes Zorn erregte, dann war es Toussaints Übernahme des spanischen Territoriums von Santo Domingo, wovon dieser der französischen Regierung Mitte Februar 1801 Mitteilung machte. Der Erste Konsul stufte dies als einen Akt der Insubordination ein, aber die Behauptung vieler Historiker, dieses Ereignis allein habe Bonaparte zu einem solch vernichtenden Feldzug gegen Toussaint veranlasst, erscheint nicht plausibel. Als der französische Marineminister
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von der Übernahme erfuhr, antwortete er Toussaint lakonisch: «Da die Sache nun einmal geschehen ist, wollen wir darüber nachdenken, wie wir sie zu unserem Vorteil nutzen können.» Als die französischen Invasionstruppen in Saint-Domingue landeten, hatten sie jedenfalls nicht den Auftrag, den Spaniern das Territorium zurückzugeben.15 Bonapartes Sinneswandel bezüglich Saint-Domingue war eher ein Prozess als eine Entscheidung, und er setzte in den Monaten unmittelbar nach seinem Coup vom 18. Brumaire ein, als er systematisch Kolonialbeamte aus dem Dienst entfernte, die sich zu sehr der Sache der Schwarzen annahmen. Im Januar 1800 wurden Pläne für eine Flotte, die nach Saint-Domingue segeln sollte, fallen gelassen; zu den wichtigsten Gründen hierfür gehörte die Tatsache, dass Lescallier, der der oberste Verwaltungsbeamte der Insel werden sollte, Toussaint und der Schwarzen Revolution zu nahe stand.16 Bonaparte widerrief zudem die Ernennung Laveaux’ zum französischen Bevollmächtigten in Gouadeloupe, wiederum wegen dessen ausgesprochen schwarzenfreundlicher Haltung. Als Toussaints Verbündeter im März 1800 in der Kolonie eintraf, um seinen Posten anzutreten, wurde er auf Bonapartes Geheiß von örtlichen Beamten festgenommen und zurück nach Frankreich expediert.17 Im August 1800 erklärte Bonaparte während einer Diskussion über Kolonialangelegenheiten im Staatsrat, er habe sich auf die Fahnen geschrieben, an Orten wie Saint-Domingue, wo die Sklaverei abgeschafft worden war, «die Ordnung wiederherzustellen und für Disziplin zu sorgen».18 Seine negative Einstellung gegenüber Saint-Domingue verhärtete sich weiter infolge des stetigen Stroms verleumderischer Informationen, welche die französische Regierung von Toussaint feindlich gesinnten Beamten und Privatleuten erhielt, wie wir oben sehen konnten. Die rassistischen Untertöne in diesen Schriftstücken waren nun nicht mehr zu überhören. Eine der bedeutungsvollsten Stimmen gehörte dem Renegaten und französischen General Kerverseau, der sich seit seinem demütigenden Abgang aus Santo Domingo im Januar 1801 in Hass verzehrte. Einige Monate später schickte er ein langes Memorandum an die französische Regierung, in dem er für die sofortige Entsendung einer Militärexpedition nach Saint-Domingue plädierte, das «von Afrikanern übernommen» worden sei; ihr Ziel sollte die «politische Rehabilitation der Weißen» sein sowie «die Vertreibung all derer aus der Kolonie, die die Macht usurpiert haben» – was sich natürlich auf die schwarze Führung bezog.19 Bonaparte beteiligte ihn an der französischen
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Militärexpedition, und Kerverseaus Ansichten prägten deutlich deren politische Ziele. Eine weitere wichtige Gruppierung bei dieser rassistischen Polarisierung war die wiedererstarkte Koloniallobby in Frankreich, die im Lauf des Jahres 1801 in der Entourage Bonapartes deutlich an Einfluss gewann. Die Unterstützung der Sklaverei sowie einer Invasion war inzwischen in den Kreisen der französischen Kaufleute und Kapitalisten wieder in Mode gekommen, und Bonaparte distanzierte sich nicht davon – im Gegenteil. Solche Ansichten waren bei seinen neurekrutierten Mitgliedern im Staatsrat stark vertreten. Dazu gehörten konservative Kräfte wie der ehemalige Marineminister Fleurieu, der Kolonialanwalt und Pflanzervertreter Moreau de Saint-Méry, der letzte intendant (Verwaltungsdirektor) des Ancien Regime in Saint-Domingue, Barbé de Marbois, der ein strammer Verteidiger des Sklavenhandels geblieben war,20 und Pierre Victor Malouet, der nach 1793 die Briten aufgefordert hatte, in die Kolonie einzumarschieren, um die Leibeigenschaft wiederherzustellen. Im Oktober 1801 ernannte Bonaparte Denis Decrès zum Marineminister, der Malouets Ansichten teilte und die Abschaffung der Sklaverei durch den Konvent 1794 für einen Fehler hielt. Anfang Oktober 1801 stellte Bonaparte sich ganz und gar gegen Toussaint und befahl Decrès, ein großes Expeditionskorps für SaintDomingue auszurüsten. Sehr viel später gestand Napoleon auf Sankt Helena ein, dass es ein Fehler gewesen war, auf Saint-Domingue einzumarschieren, und er machte den Staatsrat, Josephine und «das Geschrei der Koloniallobby» für die Vergiftung seiner Beziehung zu Toussaints Regierung verantwortlich.21 Doch das war ein klassischer Fall von retrospektiver Rechtfertigung; in Wirklichkeit lag die Verantwortung eindeutig bei ihm. Er konnte sich nicht einmal mit Unwissenheit entschuldigen, denn Toussaints Gesandter Charles Vincent kam Anfang Oktober in Paris an, gerade als Bonaparte die letzten Anweisungen für die Invasion in Saint-Domingue gab. Vincent hatte zwei Audienzen bei Bonaparte und erhielt den Befehl, die französischen Pläne zu unterstützen durch Bereitstellung genauer Karten der Insel sowie von Informationen über die dortigen militärischen und administrativen Führungskader.22 Zwar beklagte Vincent Toussaints «Richtungsverlust»,23 doch er riet Bonaparte und seinem Marineminister von dem Feldzug ab und weigerte sich, daran teilzunehmen. In einem späteren Memoire bemerkte Vincent, der Erste Konsul sei vollkommen fehlgeleitet gewesen, und
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alles hätte sich mit größter Sicherheit anders entwickelt, wenn er «wenigstens für einen Augenblick Toussaint persönlich getroffen und angehört» hätte.24 Genau genommen sagte Vincent den Ablauf der Ereignisse voraus: den Widerstand der meisten schwarzen Bürger, die strategischen und logistischen Nachteile, die der französischen Armee aus ihrer Unkenntnis des Landes und aus Nachschubschwierigkeiten erwachsen würden, die vernichtenden Folgen des Klimas und den Ausbruch von Krankheiten –, die in ihrem Zusammenwirken zum Verlust der ganzen Kolonie führen würden. Bonaparte vertraute hingegen auf die Stärke seiner Armee. Er hoffte, Saint-Domingue als Dreh- und Angelpunkt eines französischen Wirtschafts-Empires nutzen zu können, das die karibischen Kolonien Guyana, Louisiana und Florida umfassen sollte, und so schlug er diese Warnungen in den Wind.25 Seine Ansichten über SaintDomingue waren inzwischen vollständig vom Rassismus der Koloniallobby infiziert. Er erklärte Vincent, er werde «nicht eine einzige Epaulette auf den Schultern dieser Schwarzen dulden», und er erließ für alle schwarzen und mixed-race Einwohner der Kolonien ein Einreiseverbot nach Frankreich.26 Im Mai 1802, als Frankreich in Martinique, Tobago und St. Lucia den Sklavenhandel wiederherstellte (bald darauf gefolgt von Guadeloupe und Guyana), drückte Bonaparte sich in einem Gespräch mit Truguet noch unverblümter aus: «Ich bin für die Weißen, weil ich weiß bin; einen anderen Grund habe ich nicht, und dieser ist gut genug. Wie konnten wir Afrikanern die Freiheit schenken, Menschen ohne jede Zivilisation, die nicht die geringste Ahnung haben, was eine Kolonie ist, oder auch nur eine Vorstellung von Frankreich? Hätte die Mehrheit des Konvents gewusst, was sie tat, und etwas von den Kolonien verstanden, hätte sie dann [1794] die Sklaverei abgeschafft? Das bezweifle ich doch sehr.»27 Am 29. Januar 1802 wurden die ersten Schiffe der französischen Flotte auf Cap Samanà an der nordöstlichen Küste der Insel gesichtet. Toussaint befand sich gerade in Santo Domingo auf einer Inspektionsreise der Küstenverteidigungslinie, und so ritt er eilends mit seiner Garde zum Ort des Geschehens. Mindestens 25 französische Schiffe hatten bereits Anker geworfen, darunter zehn Kriegsschiffe, die größten Transportschiffe der damaligen Zeit: Jedes davon konnte 1000 Mann transportieren. Und am Horizont tauchten die Silhouetten von Dutzenden
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weiterer Kriegsschiffe auf, die Saint-Domingue anpeilten. Toussaint begriff sofort, welche riesige Streitmacht Bonaparte auf die Beine gestellt hatte. Dies war keine Drohkulisse oder eine taktische Machtdemonstration als Vorspiel politischer Verhandlungen: Die französische Armee war gekommen, um einen Vernichtungskrieg gegen ihn und sein Volk zu führen. Er wandte sich an seine Offiziere: «Wir müssen untergehen. Ganz Frankreich ist nach Saint-Domingue gekommen. Sie sind getäuscht worden, und sie kommen, um Rache zu nehmen.»28 Er schrieb an seinen Bruder Paul in Santo Domingo, es sei die Zeit gekommen, sich bis zum Tod zu wehren: «Schone niemanden, denn wir müssen siegen oder sterben.»29 Toussaints letzter und bedeutungsvollster Kampf hatte begonnen. Auch wenn ihm die schiere Größe von Bonapartes Invasionsflotte Entsetzen einflößte, so hatte er sich doch seit einer ganzen Weile auf etwas Derartiges vorbereitet. Nicht nur, dass er die Verteidigungsanlagen an den Küsten hatte verstärken lassen, er hatte auch seine Zolleinnahmen zum Teil dafür verwendet, Waffen und Munition aus den Vereinigten Staaten zu importieren.30 Diese amerikanischen Lieferungen kamen während des ganzen Jahres 1801 in Saint-Domingue an.31 Es gibt auch Hinweise, dass Toussaint eine Vereinbarung zum gegenseitigen Nutzen mit Jamaika eingegangen war. Laut einem französischen Bericht, der sich auf britische Quellen auf der Insel berief, trieb er mit der jamaikanischen Verwaltung «einen lukrativen Handel mit Gewehren und Munition». Erst in Saint-Domingue wurde dieses Material in eigens dafür hergestellte Mahagonikisten zum Schutz vor den Unbilden der Elemente verpackt und ins Inland zu strategischen Orten im Gebirge gebracht. Diese Waffen- und Munitionslager waren sorgfältig im Hochland verborgen, und die Straßen, die zu ihnen führten, wurden verbreitert, damit auch Geschütze darauf transportiert werden konnten.32 Ein französischer Militärreport schätzte die gegen Ende des Jahres 1801 in SaintDomingue vorhandenen Gewehre auf 140 000, wovon mindestens 30 000 von den Amerikanern geliefert worden waren.33 Eine erkleckliche Zahl dieser Waffen blieb versteckt und sollte später eine bedeutende Rolle im Krieg gegen die Franzosen spielen. Doch obwohl – zumindest kleinkalibrige – Waffen relativ reichlich vorhanden waren, wusste Toussaint nur zu genau, dass eine seiner Schwächen der Mangel an Soldaten war. Ende 1801 verfügte er, nachdem er Tausende von ehemaligen Landarbeitern aus der Armee entlas-
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sen hatte, damit sie bei der Wiederbelebung des Plantagensystems helfen konnten, nur noch über etwa 20 000 kampfbereite Soldaten, deren Zahl er im Lauf des Jahrs 1802 deutlich hatte steigern wollen.34 Der Hauptteil dieser Truppen gehörte zu den südlichen und westlichen Divisionen unter Dessalines, während der Rest sich auf die nördliche Division unter dem Kommando von Christophe und die östliche unter Augustin Clervaux aufteilte.35 Toussaints Männer standen einem französischen Angriffsheer gegenüber, dessen erste Welle aus Brest, Rochefort und Lorient kam, während Mitte Februar ein weiteres Kontingent aus Toulon und Cádiz landete, das dann die Gesamtzahl der französischen Soldaten auf 20 000 erhöhte.36 Ein bedeutender Teil stammte aus der Rheinarmee, einer Eliteeinheit, in der unter anderen auch Soldaten dienten, die sich in den Revolutionskriegen ausgezeichnet hatten; im Offizierskorps befanden sich Männer, die in Europa, der Karibik (in Saint-Domingue, Guadeloupe und Martinique) und in Bonapartes Ägyptenfeldzug gekämpft hatten. Da Toussaints Bataillone über das gesamte Gebiet der Insel verteilt waren, instruierte er seine Leutnants, die Franzosen an der Landung und am Zugang zu den wichtigen Küstenstädten zu hindern, wenn nötig, indem sie sie zurückschlugen; wenn ihre Lage unhaltbar wurde, sollten sie sich ins Inland zurückziehen und ihre Stellungen in Brand stecken.37 In Port-Républicain und Santo Domingo misslang dieser Plan, in letzterem Fall durch die Unfähigkeit von Toussaints Bruder Paul, der sich von Kerverseau überlisten ließ und ergeben musste.38 Toussaint war besonders erzürnt über den Verlust von Port-Républicain, wo die Franzosen dreieinhalb Millionen livres aus der Schatzkammer erbeuteten. Das Versteck der verschlossenen Truhen wurde von Joseph Idlinger verraten.39 Toussaint verlangte, dass ihm die Gelder zurückerstattet würden.40 Die Invasoren nahmen nach hartem Kampf Fort-Liberté ein und schlachteten fast alle 600 Mann ab, die sich ergeben hatten – das erste von zahlreichen Kriegsverbrechen.41 General Jacques Maurepas hingegen, der Militärkommandeur von Port-de-Paix, setzte sich energisch zur Wehr. Er versammelte eine aus Soldaten und örtlichen Bauern bestehende Streitmacht und erklärte, sie seien «alle bereit, für ihre Freiheit zu kämpfen» und die Invasoren mit «rotglühenden Kanonenkugeln» zu empfangen.42 Er hielt Wort und fügte den französischen Truppen, die die Stadt einnehmen sollten, schwere Verluste zu. Sodann steckte er Portde-Paix in Brand und zog sich in eine nahegelegene befestigte Plantage
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zurück, von wo er die Reste der französischen Einheit niedermachte. Bei dieser ersten Niederlage der französischen Invasionsarmee spielten auch weibliche Kämpferinnen eine wichtige Rolle.43 Der entscheidende Ort für die Invasoren war Cap, das Toussaint aber rechtzeitig vor dem Eintreffen der feindlichen Flotte erreichte. Durch ein geschicktes Manöver lenkte er ihre Schiffe nach Port Margot ab, einem Landeplatz, der sehr viel weiter westlich lag als die Bucht von Acul. Mehrere Zeugen berichten, dass er danach als Kongo-Bauer verkleidet in die Stadt schlich.44 Dort wies er Christophe an, das Landeersuchen, das ein französischer Offizier vorbrachte, mit dem Argument hinauszuzögern, er erwarte noch Befehle des Gouverneurs – der seinerseits dem Gespräch im Nebenzimmer lauschte. Die Atempause wurde genutzt, um die Stadt in Brand zu stecken. Die Einwohner wurden evakuiert, und dann wurden kochendes Öl, Zucker und Rum aus erhitzten Fässern über Straßen und Häuser verschüttet. Das lodernde Feuer brachte alsbald das Arsenal zur Explosion. Über 90 % der Stadt wurden zerstört, darunter auch der Getreidespeicher, ein vernichtender Schlag für die Invasoren, schon bevor sie auf der Insel Fuß gefasst hatten.45 Eine französische Vorhut hatte versucht, eine von Bonaparte unterzeichnete Proklamation zu verteilen, die freundlicherweise ins Kreolische übersetzt war. Darin ging Bonaparte zunächst auf die republikanischen Prinzipien von Freundschaft und Brüderlichkeit ein, versprach Freiheit und Frieden für die Kolonie und riet der Bevölkerung von Saint-Domingue, sich den Invasionstruppen unterzuordnen. Zuwiderhandelnde, warnte der Erste Konsul, würden als «Verräter» behandelt und «vom Feuer verschlungen wie vertrocknetes Zuckerrohr».46 Wie die Dinge lagen, war es Bonapartes Pergament, das in Flammen aufging. Vielleicht hoffte der Erste Konsul auf mehr Glück mit einem anderen Sendschreiben, das direkt an Toussaint adressiert war und in dem er versuchte, ihm um den Bart zu gehen. Es war geschickt abgefasst (wahrscheinlich mit der Hilfe Vincents) und schmeichelte Toussaint als einem «der bedeutendsten Bürger der größten Nation der Welt» und dem «ersten von Ihrer Hautfarbe, der eine so herausragende Stellung erreicht hat». Zwar tadelte Bonaparte ihn für einige Artikel seiner Verfassung von 1801, die «der Würde und Souveränität des französischen Volks zuwider» liefen, aber er versicherte ihn seiner rückhaltlosen Wertschätzung und versprach ihm «Achtung, Ehren und Reichtum.»47 Der Brief wurde zusammen mit Toussaints beiden Kindern auf den Weg gebracht, die
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von ihrem Tutor Coisnon begleitet wurden. Isaac und Placide begaben sich pünktlich nach Ennery, wo sie ihre Eltern zum ersten Mal seit sechs Jahren wiedersahen. Obwohl Toussaint über die Maßen bewegt war, seine Kinder zu sehen, durchschaute er sofort Bonapartes List und legte den Brief weg, ohne ihn zu Ende zu lesen. Er erklärte seinen Kindern und ihrem Tutor, wenn der Erste Konsul wirklich Frieden wolle, dann hätte er keine Kriegsflotte nach Saint-Domingue geschickt.48 Toussaint hatte Bonapartes Absichten richtig eingeschätzt. In seinen Geheiminstruktionen für den Saint-Domingue-Feldzug, geschrieben Ende Oktober 1801, hatte der Erste Konsul seine Pläne für die Wiederherstellung der französischen Herrschaft in der Kolonie bis ins Kleinste ausbuchstabiert, und darunter fielen ausdrücklich auch Maßnahmen, um den Gouverneur zu beseitigen. In diesem außergewöhnlichen Dokument sah Bonaparte drei verschiedene Phasen der französischen Besatzung vor: In der ersten und zweiten Phase sollten die wichtigsten Küstengebiete gesichert und alle Rebellen vernichtet werden, die sich den französischen Streitkräften entgegenstellten. Während dieser Befriedungsphasen sollten Toussaint und seine Unterstützer «mit Freundlichkeit überschüttet» werden, wenn sie kooperierten, aber vor ein Militärgericht gestellt und «innerhalb von 24 Stunden» exekutiert werden, wenn sie Widerstand leisteten. Während der dritten Phase, die sehr rasch auf die ersten beiden folgen sollte, würden Toussaint und seine Generäle «nicht mehr existieren», und es sollten massive Säuberungen in der revolutionären Führerschaft von Saint-Domingue vorgenommen werden. Toussaint sollte festgesetzt und nach Frankreich geschickt werden, während alle, die «im Verdacht» standen, mit seinem Regime zu sympathisieren, verhaftet und deportiert werden sollten – «ungeachtet ihrer Hautfarbe».49 Zu den ersten, die nach Frankreich geschickt werden sollten, gehörten Bernard Borgella, Étienne Viard und André Collet, drei der weißen Autoren von Toussaints Verfassung von 1801. Die Durchsetzung der französischen Ordnung enthielt eine kräftige Dosis Kulturimperialismus: die Schließung aller Bildungseinrichtungen und die Verschickung aller kreolischen Kinder nach Frankreich; Priester, die auf Toussaints Seite standen, sollten ebenfalls nach Frankreich zurückkehren, genauso wie «die weißen Frauen, die sich für Schwarze prostituieren». Bei den Zielorten der Deportierten gab es eine Rangordnung: Neben den Frauen kam Frankreich nur für die schwarzen
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Kollaborateure der Invasoren infrage, Guyana hingegen für die Weißen, die sich als Anhänger Toussaints kompromittiert hatten, während Bonapartes Heimatinsel Korsika das Auffangbecken für «schwarze und farbige Männer, die sich schlecht benommen» hatten, werden sollte. Außerdem sollten alle Unterzeichner von Toussaints Verfassung zwangsweise ins Exil geschickt werden (ihr Zielort wurde nicht spezifiziert, aber vermutlich war es ebenfalls Korsika).50 Die schwarzen Soldaten der Kolonie sollten entwaffnet und auf die Plantagen zurückgeschickt werden, und es sollte keine schwarzen Landbesitzer mehr geben: Alle Besitzungen, die unter der Regierung Louvertures verpachtet worden waren, sollten ihren früheren weißen Besitzern zurückgegeben werden. «Kein Schwarzer über dem Rang eines Hauptmanns» durfte seinen Posten behalten. Die Sklaverei wurde in dem Dokument kurz gestreift: Das «politische Ziel» der französischen Politik war, die entwaffneten schwarzen Staatsbürger zu «freien Bauern» zu machen, während die Schwarzen von Santo Domingo wieder versklavt werden sollten. Diese geplante Wiederherstellung der Sklaverei im Ostteil Hispaniolas ein Jahr nach ihrer Abschaffung durch Toussaint illustriert deutlich die Inkohärenz von Bonapartes Denken. Die Vorstellung, dass die Wiedereinführung der Sklaverei in einem bestimmten französischen Territorium keinen Einfluss auf benachbarte Länder haben würde, war vollkommen illusorisch, wie die Zukunft erweisen sollte.51 Der Offizier, dem die Aufgabe anvertraut worden war, «für immer den Besitz der Kolonie für Frankreich zu sichern», war Bonapartes Schwager Victoire-Emmanuel Leclerc, der Mann seiner Schwester Pauline. Diese Ernennung war eine Katastrophe. Leclerc war ein habgieriger, eitler Mann und vollkommen ungeeignet für die Aufgabe. Er besaß keinerlei Kampferfahrung außerhalb Europas und wenig Verständnis für die Komplexität der Revolutionskultur in der Kolonie. Er hatte nichts von Bonapartes Genie, aber all seine Schwächen; vor allem den Glauben an die angeborene Überlegenheit weißer, europäischer Truppen. Er war überzeugt, Schwarze seien «Feiglinge» und hätten «Angst vor dem Krieg».52 Nach der Demütigung der misslungenen Einfahrt in Cap (er marschierte schließlich am 6. Februar in die zerstörte Stadt ein) und dem vergeblichen Versuch, Toussaint mit Hilfe des Briefs des Ersten Konsuls zum Einlenken zu bewegen, erklärte Leclerc den Gouverneur am 17. Februar für «geächtet».53 Ohne seine wahren Zwecke zu offenbaren, warb er um eine Reihe schwarzer Offiziere des Gouverneurs,
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deren Namen auf einer Liste standen, die Bonaparte ihm mitgegeben hatte.54 Viele davon schlugen sich auf die Seite der Invasoren, nachdem man ihnen versichert hatte, sie könnten ihren Rang (und ihre Besitzungen) behalten. Unter den ersten, die kapitulierten, waren Clervaux und Laplume, die Kommandeure des östlichen und südlichen Territoriums, kurz darauf folgte Maurepas. Auch einige Ortskommandeure im Norden liefen zu den Franzosen über, vor allem in Port Margot, Acul und Plaisance.55 Nachdem er Mitte Februar alle Soldaten an Land gebracht und in Fort-Liberté, Cap, Port-de-Paix und Port-Républicain stationiert hatte, plante Leclerc, Toussaints Armee einzukesseln, indem er fünf Divisionen abkommandierte, um Gonaïves und Saint-Marc einzunehmen, sodann im Landesinneren wieder zusammenzutreffen und Toussaint mit einem Schlag zu besiegen. Unter Leitung der Generäle Hardÿ, Desfourneaux, Rochambeau, Debelle und Boudet kamen die französischen Truppen rasch voran und eroberten dabei Marmelade, Dondon, Vallière und Saint-Raphaël. Doch die Truppen von Christophe und Dessalines drängten sie zurück und brachen durch den Ring, der sie umschließen sollte, wobei Christophe erfolgreich die Landarbeiter des Nordens anwarb, die sich dem Kampf gegen die Invasoren anschlossen.56 Toussaint hatte keineswegs vor zu kapitulieren, und obwohl seine Truppen infolge der Desertionen beträchtlich reduziert waren – ein Historiker, der ausführliche Gespräche mit seinen ehemaligen Soldaten in Haiti führte, schätzte seine Streitmacht Mitte Februar auf knapp 6000 Mann57 –, barst er schier vor Zuversicht und Energie. Toussaint war wie wiederbelebt durch die Aussicht, Saint-Domingue gegen die Franzosen zu verteidigen: Die Rolle des nationalen Befreiers war eine willkommene Neuauflage seiner heldenhaften Feldzüge in den 1790er Jahren. Sein republikanischer Kampfgeist, der in seinen späteren Regierungsjahren in den Hintergrund getreten war, kehrte nun zurück. Kurz nachdem er die französische Flotte in Samanà gesehen hatte, hielt er seinen Soldaten eine flammende Rede, in der er sie an die «Folter und Grausamkeit» erinnerte, die ihre Vorfahren in den vergangenen drei Jahrhunderten in der Sklaverei erlitten hatten, und an ihre «ruhmreiche Eroberung der Freiheit» im jüngst vergangenen Jahrzehnt. Die Franzosen waren nicht im Namen von Patriotismus und Freiheit nach Saint-Domingue gekommen, sondern um die Sklaverei zurückzubringen und «den Hass und den Ehrgeiz des Konsuls zu befriedigen, der mein Feind ist, weil er
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euer Feind ist». Das Schicksal der Invasoren war bereits besiegelt: «Wer unserem Schwert entgeht, wird den Tod durch unser unbarmherziges Klima erleiden.»58 Im gleichen Sinne instruierte er einen seiner getreuen Kommandeure aus dem Süden, er solle «eine levée en masse der Landarbeiter organisieren» und sie vor den Weißen aus Europa warnen, deren «offensichtliches Ziel es ist, sie zu versklaven».59 Obwohl sein Aufstand im Süden wegen Laplumes Verrat misslang, konnte Toussaint immer noch auf seine Dampfwalze Dessalines zählen, der die französische Invasion vorhergesagt hatte und materiell wie emotional darauf vorbereitet war. Toussaints Strategie, die er in einer Nachricht seinem General darlegte, war einfach: Bis zur «Regenzeit» in der Jahresmitte, die die Kolonie von ihren Feinden befreien würde, sollten «Feuer und Zerstörung» die Hauptinstrumente des Volkswiderstands gegen die Franzosen bleiben. Er befahl Dessalines, einige seiner besten Männer loszuschicken, um Port-Républicain in Brand zu setzen und dann in einem Zermürbungskrieg die Stellungen der Franzosen in den Ebenen zu drangsalieren. Seine Instruktionen über die Politik der verbrannten Erde lauteten: «Es ist dringend geboten, dass das Land, das von unserem Schweiß getränkt ist, dem Feind nicht die geringste Nahrung bietet. Zerschießt die Straßen und werft tote Pferde in die Brunnen, zerstört und verbrennt alles, damit die Leute, die gekommen sind, uns wieder zu versklaven, immer das Bild der Hölle vor Augen haben, die sie verdienen.»60 Dieser Brief wurde abgefangen, aber Dessalines hatte ihn bereits vorweggenommen. Er eilte in den Süden, wo seine Kolonnen alles verbrannten und zerstörten, was ihnen in den Weg kam. Die Stadt Léogâne ging nach seiner Ankunft am 9. Februar in Flammen auf, zusammen mit Josephines liebevoll wiederhergestelltem Kolonialbesitz. Nach einem Lokaltermin bemerkte ein französischer Offizier, diese Zerstörung sei «mit besonderem Dekorum, ja sogar feierlich» ausgeführt worden.61 Saint-Marc erlitt dasselbe Schicksal, wobei Dessalines persönlich sein eigenes Palais anzündete, das gerade erst fertig geworden war. Hunderte von Weißen, die freudig die französische Invasion willkommen geheißen hatten, wurden niedergemetzelt, und es war verboten, sie zu begraben. Ihre verwesenden Leichen sollten die französischen Truppen in Furcht und Schrecken versetzen. Wohin er kam, verbreitete Dessalines unter Soldaten und Bauern Toussaints Aufruf zum Volksaufstand. Laut einem ortsansässigen Militärkommandeur versammelte er die schwarzen Soldaten in Saint-
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Michel und erklärte ihnen: «Der Feind ist in Cap eingetroffen und plant, das ancien régime in der Kolonie wiederherzustellen und uns unsere Freiheiten wegzunehmen, die uns solche Opfer gekostet haben, und uns wieder in die entsetzliche Sklaverei zurückzuwerfen.» Darauf erinnerte er sie an die Anfänge der Sklavenrebellion 1791, als sie keine Waffen gehabt hatten. Nun war die Situation ganz anders, und er forderte sie auf, gegen die Invasoren mobil zu machen. Wer keine Waffen habe, solle «sein Messer oder andere tödliche Waffen benutzen», die er finden könne.62 Der Naturforscher Michel-Étienne Descourtilz, der dank des Eingreifens von Claire-Heureuse Dessalines überlebte, die ihn unter ihrem Bett versteckte, hörte, wie Dessalines Toussaints Prophezeiung wiederholte, die Besatzungsmacht sei nicht in der Lage, auf lange Sicht zu überleben: «Seid guten Mutes, die Franzosen werden anfangs Erfolg haben, aber sie werden bald krank, und dann sterben sie wie die Fliegen.»63 Der Frühjahrsfeldzug von 1802, der 72 Tage dauerte, war Toussaints letztes Gefecht und sein großartigstes. Er brachte sich selbst und seine Männer an ihre körperlichen Grenzen und schöpfte, mit der Unterstützung von fähigen Kommandeuren wie André Vernet und Charles Bélair,64 aus seinen reichen militärischen Kenntnissen und seiner Erfahrung, um die konventionelle Kriegsführung wirkungsvoll mit den Techniken des Guerillakampfs zu verbinden. Er war ständig in Bewegung, schlief nachts nur wenige Stunden auf einem Brett und zwang dadurch die Franzosen zu langen, erschöpfenden Verfolgungsmärschen durch die Berge, blieb aber immer unerreichbar, trotz ihrer zahlreichen Versuche, ihn ausfindig zu machen.65 Nachdem er Gonaïves niedergebrannt hatte, zog er sich in die Cahosberge zurück, um seine dort versteckten Waffen zu holen, und terrorisierte dann erbarmungslos die französischen Stellungen. Er schnitt die Invasoren vom Nachschub ab und überfiel die Soldaten aus dem Hinterhalt. Ein französischer Kommandeur berichtete, er «verliere viele Männer an die Rebellen, die über die Wälder und Berge verstreut sind. Sie töten alle Nachzügler auf den Straßen und attackieren unsere Kolonnen, und dann ziehen sie sich aufgrund ihrer vollendeten Kenntnis der Gegend behende zurück.»66 Toussaint wusste dank seines Netzwerks von Boten genau, wann und wo er angreifen musste. Norvins, der Sekretär Leclercs, der mit diesem im Labyrinth der Wälder, Schluchten und Berge durchs Landesinnere reiste, wo überall Hinterhalte lauerten, konnte seine Bewunderung für die Effizienz von Toussaints Informanten nicht verhehlen:
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Diese Darstellung einer Gefechtsszene in den ersten Monaten der französischen Invasion in Saint-Domingue, 1802, zeigt Leclercs Soldaten (links, in Uniform), die gegen Toussaints Truppen kämpfen.
«Gegen Felsen gepresst und in Bäumen versteckt bei unserer Ankunft und Abreise, folgten diese Männer unseren Märschen durch die Wälder, beziehungsweise gingen sie uns voraus, wo sie sich auf Trampelpfaden zurechtfanden, von denen nur sie wussten, und die sie selbst in finsterster Nacht allein mit Hilfe des Sternenlichts finden konnten. Toussaint schickte durch diese Männer zu den unerwartetsten Momenten Befehle an seine Kämpfer. Sie verrieten nie seine Geheimnisse, und seine Befehle wurden immer gewissenhaft ausgeführt, egal, wie sie lauteten – als wäre er selbst anwesend.»67
Wie viel Schaden richteten die Attacken von Toussaint und seinen Streitkräften an? Der Begriff «Erfolg» nimmt in einem Krieg, der im höchsten Maße irregulär war, eine andere Bedeutung an: Aus Toussaints Perspektive war es ein Erfolg, wenn seine Männer gleichwertige, tapfere Kämpfer waren und er die Franzosen aus dem Konzept bringen und den Glauben untergraben konnte, ihr Feldzug mache irgendwelche Fortschritte. Unbestritten erreichte er dieses Ziel, wie ein hoher französischer
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Offizier später eingestand: «Der Feind war wie eine Hydra mit tausend Köpfen. Sie wurde nach jedem Schlag, den wir führten, neu geboren. Ein Befehl von Toussaint genügte, seine Männer wieder auftauchen zu lassen und das ganze Territorium vor uns komplett abzudecken.»68 Selbst nach konventionellen Maßstäben kam es bald an den Tag, dass der Krieg nicht nach Bonapartes Plan verlief: Einen Monat nach der Landung steckte Leclerc immer noch in der «ersten Phase», deren Ende nicht in Sicht war. Ende Februar 1802 waren die Franzosen bereits bedenklich geschwächt. Die verschiedenen Gefechte mit Toussaints Streitkräften hatten Leclerc über 4000 Mann an Gefallenen, Verwundeten und Kranken gekostet. Am 27. Februar schrieb er an den Marineminister und bat dringend um eine Verstärkung von 12 000 Soldaten, «um die Kolonie zu retten».69 Einen Monat später war Leclerc so demoralisiert, dass er Bonaparte in einem Brief bat, ihn nach Frankreich abzuberufen.70 Ende April kommandierte Toussaint trotz wiederholter Bemühungen der Franzosen, ihn ausfindig zu machen, immer noch ein Heer von 4000 Mann, «eine beträchtliche Zahl an bewaffneten Arbeitern» und kontrollierte weiterhin die Bergregionen des Nordens und Westens.71 Die Wirksamkeit von Toussaints Feldzug wurde ohne Zweifel gestärkt durch den gemeinsamen Geist seiner Kämpfer, seiner «Kinder», wie er sie nannte. Auch wenn er von seinem Stabschef General Agé verlassen worden war, der sich den Franzosen in Port-Républicain ergab, blieben mehrere weiße französische Offiziere loyal, wie zum Beispiel Barada, der frühere Militärkommandeur von Cap. Sie kämpften mit ihm, und manche verloren ihr Leben. Auch der Division von Dessalines gehörten einige weiße Soldaten an. Toussaint rekrutierte Hilfstruppen aus unabhängigen Banden von Marron-Kämpfern wie PetitNoël Prieur in Dondon, Macaya in Limbé und Acul, Sylla in Mapou (nahe seiner eigenen Basis Ennery) und seinem alten Kamerad SansSouci in Grande-Rivière. Anfang des 19. Jahrhunderts war Sans-Souci zum mächtigsten Militärführer der nördlichen Region aufgestiegen. Nachdem er zunächst die Franzosen unterstützt hatte, schloss er sich dem Aufstand an und nahm in Toussaints Armee den Rang eines Obersten ein. Er unterstützte geschickt die häufigen Scharmützel des Gouverneurs mit den in Cap stationierten Truppen Leclercs.72 Während er durch die Berge streifte, zog Toussaint auch Landarbeiter in seine Armee ein, unter denen eine ansehnliche Zahl in Afrika geborener Frauen waren.73 Toussaint befand sich wieder am Anfang: Auch in den ersten
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Monaten des Sklavenaufstands von 1791 hatten Frauen eine wichtige Rolle gespielt. Neben diesen weißen, kreolischen und Bossale-Kämpfern und Kämpferinnen standen Toussaints großartige mixed-race Kombattanten, wie Bazelais, Larose, Morisset und Gabart (der zukünftige Held der entscheidenden Schlacht von Vertières im November 1803); einer der schneidigsten war Louis-Daure Lamartinière.74 Dieser illegitime Sohn eines weißen Pflanzers war Brigadegeneral in Toussaints Armee und ein glühender Patriot; er hatte erfolglos versucht, die Landung der Franzosen in Port-Républicain zu verhindern, indem er einen anderen Offizier erschoss, der sich für die Kapitulation stark machte. Toussaint ernannte Lamartinière zu einem der Kommandanten des Forts Crête-à-Pierrot, einer strategisch wichtigen Stellung in den Bergen am Fluss Artibonite, die von etwa 1200 Soldaten, neun Kanonen und vier Meter tiefen Gräben geschützt wurde. Anfang März griffen die Franzosen an, und die darauf folgende Belagerung war die längste militärische Aktion des Frühjahrsfeldzugs. Die Franzosen wurden zunächst von Dessalines zurückgeschlagen. Ein Gegenangriff von Toussaints Kavallerie unter der Leitung von Morisset trieb sie in die Flucht, wobei der französische Kommandeur Debelle schwer verwundet wurde. Es folgten zwei weitere Angriffe der Franzosen, an denen auch Leclerc, sein Stabschef Dugua und Rochambeau teilnahmen. Auch diese Vorstöße blieben erfolglos, und Leclerc zog sich eine Verwundung an der Leiste zu. Daraufhin befahl Toussaint die Errichtung einer zweiten Festung auf einem nahegelegenen Berg, die die Stellung seiner Männer verstärkte. Hier übernahm Lamartinière das Kommando.75 Toussaints Männer wurden zwar auf die Hälfte dezimiert, aber die französischen Gefallenen beliefen sich auf 1500, eine größere Zahl als die Besatzung des Forts. Obwohl sie von 12 000 französischen Soldaten belagert waren, brachte Lamartinière eine waghalsige nächtliche Flucht zustande und schaffte es, zusammen mit fast allen seiner überlebenden Kämpfer unbemerkt durch die feindlichen Linien zu entkommen. Fast wären sie auf ihrem Weg nach Rochambeau gefangen genommen worden; der französische General rettete seinen Hals nur dadurch, dass er in den nahegelegenen Wald floh. Einer der tapfersten Verteidiger des Forts war Lamartinières Frau MarieJeanne, die, gekleidet in ein Mamelukenkostüm, unaufhörlich die Verteidiger mit Munition und Schießpulver versorgte und häufig selbst auf die Franzosen schoss.76
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Toussaint beschränkte sich nicht nur auf die Verteidigung: Anfang März 1802 begann er einen längeren Gegenangriff auf französische Positionen und eroberte Saint-Michel, Marmelade, Saint-Raphaël und Dondon zurück, wodurch er Leclerc fast vollständig in Cap einschloss. Er hoffte sogar, die Belagerung von Crête-à-Pierrot zu nutzen, um einen Überraschungsangriff auf Cap auszuführen, den französischen Oberkommandeur und seinen Führungsstab gefangenzunehmen und zurück nach Frankreich zu schicken.77 Er überließ diesen Kampf nicht etwa seinen Untergebenen, wie bei den Feldzügen gegen die Spanier und Briten stellte er sich in die vorderste Linie. Als am 23. Februar eine Begegnung mit Rochambeaus Truppen bei Ravine-à-Couleuvres in der Nähe von Ennery in einen verzweifelten Kampf von Mann zu Mann ausartete, stand Toussaint mitten in seiner Truppe von 3000 Mann, feuerte sie an und trieb sie zurück in den Kampf, wenn es so aussah, als wären die Franzosen in der Vorderhand; er riskierte während des sechsstündigen Gefechts «tausend Tode».78 Toussaints Charisma elektrisierte seine Soldaten, und der vielleicht bemerkenswerteste Augenblick kam, als er erkannte, dass in der französischen Streitmacht Soldaten aus seinem eigenen, zuletzt von Maurepas kommandierten 9. Regiment kämpften, das mit diesem zu den Franzosen übergelaufen war. Er ging unerschrocken auf sie zu und fragte sie, ob sie bereit seien, ihren «Vater» und ihre eigenen «Brüder» zu töten. Zwar feuerte ein Offizier auf ihn, doch die meisten im Regiment ließen beim Anblick ihres früheren Kommandeurs die Waffen sinken, und viele fielen auf die Knie und baten Toussaint um Vergebung.79 Toussaint war in seinem Element. Er spielte mit seinen Gegnern und veröffentlichte am 1. März 1802 eine Antwortproklamation auf Leclercs Dekret, in dem dieser Toussaint für geächtet erklärt hatte. Toussaint widerlegte den französischen Kommandeur Punkt für Punkt und machte deutlich, dass vielmehr Leclerc und seine Generäle die wirklich Gesetzlosen waren. Er machte Leclercs «heimtückische» Behauptung lächerlich, er sei in friedlicher Absicht gekommen, denn wenn das der Wahrheit entspräche, wären seine Schiffe mit Waren beladen gewesen und nicht mit Soldaten. Er fügte hinzu, er selbst sei bereit gewesen, die «wohlwollenden Ansichten» des Konsuls zu empfangen – eine großzügige Interpretation des Briefs von Bonaparte, den Toussaint keinesfalls schriftlich angreifen wollte. Aber Leclerc habe ihm keine Zeit zur Antwort gelassen. Im Grunde sei alles Leclercs Schuld. Er sei unfähig und
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entschlossen, «Tod und Vernichtung» über die Insel zu bringen; selbst für den Brand von Cap trage er die Verantwortung (eine glatte Lüge, aber Toussaint wusste, dass er sie sich erlauben konnte). Im selben Atemzug beharrte er auf seiner Stellung als rechtmäßiger Herrscher über Saint-Domingue kraft der Verfassung von 1801 und beschimpfte die hohen Offiziere, die mit der Invasionsarmee gekommen waren, wie zum Beispiel der Verräter Kerverseau. Er beschrieb geradezu prophetisch den brutalen Rochambeau, der Leclerc nachfolgen sollte, als «Vernichter der Schwarzen und Farbigen«. Dem französischen Versprechen, die Einwohner der Kolonie mit «Freiheit» zu beschenken, entgegnete Toussaint: «Man kann jemandem nichts geben, was er schon hat.» Bezeichnenderweise endete die Proklamation mit der Bemerkung, SaintDomingue verdanke seine Freiheit nicht Frankreich, sondern «Gott» und dem «Kampf seines Volkes gegen die Tyrannei».80 In der letzten Märzwoche des Jahres 1802 begann Toussaint bei den Franzosen vorzufühlen, wie sie zu einem Waffenstillstand standen. Dieser Schritt kam nicht überraschend. Während seiner gesamten Laufbahn hatte Toussaint aus allen möglichen taktischen Gründen verhandelt – um Zeit zu schinden, um seine Feinde gegeneinander auszuspielen, um sich Handlungsoptionen offenzuhalten. Der Rückzug aus Crête-à-Pierrot war zwar eine défaite glorieuse gewesen, doch ein Rückschlag war er allemal. Nun musste er versuchen, ihn mit einem schlauen Verhandlungsmanöver ungeschehen zu machen. Auch das hatte er viele Male erfolgreich durchexerziert: sich Freiräume unter den eingeschränktesten Umständen zu schaffen. Er beschloss, sich an General Boudet zu wenden, einen der Führungsoffiziere Leclercs. Das war eine vernünftige Wahl. Boudet war ein Waffenbruder von Bonaparte, an dessen Seite er in der Schlacht von Marengo gestanden hatte. Er teilte nicht die mörderischen Ansichten einiger seiner Offizierskollegen und begriff, dass die Revolution die Gesellschaft in der Karibik transformiert hatte (er hatte im Feldzug von 1794 / 95 in Guadeloupe unter Victor Hugues gekämpft und an der Vertreibung der Briten mitgewirkt.) Boudet war außerdem bei Crête-àPierrot verwundet worden und musste daher sein Kommando abgeben. So wusste Toussaint, dass er die Tapferkeit seiner Männer aus eigener Erfahrung kannte. Boudet trug sein revolutionäres Credo vor sich her, aber es ging das Gerücht, er habe sich nach der Einnahme von Port-
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Républicain großzügig aus der öffentlichen Kasse bedient.81 Toussaints erster Brief an Boudet ist verlorengegangen, aber wir können aus der Antwort des französischen Generals vom 1. April 1802 auf seinen Inhalt schließen. Toussaint versuchte durch seine Vermittlung unter Umgehung Leclercs direkt mit Bonaparte in Verbindung zu kommen. Boudet ließ sich aber nicht so leicht manipulieren, sondern erinnerte ihn daran, dass Leclerc nicht nur sein Kommandant war, sondern auch Bonapartes Schwager. Es sei sinnlos, hinter seinem Rücken etwas erreichen zu wollen. Im weiteren Verlauf schalt er Toussaint wegen seiner Verfassung, die «das Banner der Unabhängigkeit» in der Kolonie gehisst und einer Erbmonarchie den Boden bereitet habe, was sich mit republikanischen Prinzipien nicht vertrage (das hielt Boudet zwei Jahre später allerdings nicht vom Treueschwur auf Napoleons Erbmonarchie ab). Nachdem er klargestellt hatte, dass er mit Billigung seines Kommandanten schrieb, schloss Boudet seinen Brief mit dem Appell, Toussaint möge das «Blutvergießen unter Franzosen» beenden.82 Toussaint antwortete zehn Tage später. Er war willens, Gespräche aufzunehmen, sofern man ihm mit «Offenheit und Loyalität» begegnete; so habe Laveaux früher ihm gegenüber gehandelt und dafür immer Toussaints «absoluten Gehorsam» erhalten. Toussaints ausführliches Antwortschreiben deckte ein breites Spektrum politischer Fragen ab, die einen Blick auf die Widersprüche und den Druck erlauben, denen er ausgesetzt war, während er seine Möglichkeiten abwog. Eingangs verwies er auf seinen makellos loyalen Ruf in Saint-Domingue. Als Anführer, der die Ordnung und eine gute Regierung in der Kolonie wiederhergestellt hatte, sei er bitter enttäuscht, dass die Franzosen beschlossen hätten, ihn anzugreifen, kaum dass seine Streitkräfte die «widernatürliche und verbrecherische» Rebellion vom November 1801 niedergeschlagen hatten (ohne dass Toussaint es wusste, tauchte in Bonapartes Geheiminstruktionen Moyse als einer der wichtigsten schwarzen Anführer auf, die ausgeschaltet werden müssten). Toussaint bestätigte erneut seine Bindung an Frankreich und erwähnte, er habe wiederholt Annäherungsversuche «fremder Mächte» erlebt, habe sie aber immer zugunsten Frankreichs abgelehnt, weil nur Frankreich «die Freiheit der Schwarzen ausgerufen» hatte. Hier konnte er sich einen Seitenhieb auf Leclerc nicht verkneifen, der sich weigere, mit ihm zu verhandeln, «weil er ein Schwarzer» sei.83 Seine Verfassung von 1801 aber verteidigte Toussaint ausführlich. Er wies den Vorwurf weit von sich, er habe versucht, sich von Frankreich
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zu lösen («wenn die Bewohner der Kolonie gewollt hätten, wären sie schon längst unabhängig geworden»), und hielt dem jakobinischen General einen Vortrag über die Vorzüge dezentraler Verfassungen: «Die Erfahrung lehrt, dass das Rechtssystem eines Landes an sein Klima angepasst sein muss, an die Form seiner Landwirtschaft und an die Werte und Sitten seiner Bevölkerung.» Empört reagierte Toussaint auf Boudets Beschuldigung, er versuche in der Kolonie eine Monarchie zu etablieren, und bekräftigte, er sei immer «der beste Freund der Republik» gewesen und würde zu seinem «großen Volk» stehen, das immer noch volles Zutrauen zu ihm habe und darauf zähle, dass er es gegen die französische Invasion verteidige. Er habe eigentlich geplant, sich vom Gouverneursamt zurückzuziehen, sobald die landwirtschaftliche Produktion völlig wieder hergestellt sei; sein «gesunder Menschenverstand» sage ihm, dass er nicht für immer regieren könne und dass «der heute Mächtige morgen machtlos ist». Jedenfalls habe er weder die Neigung noch die Fähigkeit, seine Herrschaft erblich zu machen, sein Nachfolger würde das Amt durch eine ordentliche Übergabe erhalten.84 Der Brief an Boudet beleuchtet deutlich, in welcher Geisteshaltung Toussaint sich den Diskussionen mit den Franzosen näherte. Er war weder gebeugt noch geschlagen, und seine Erfahrungen in der Feldschlacht hatten ihn wieder mit dem Kampfgeist seines Volkes verbunden. Er hatte sogar aus der Entschlossenheit, die es während des Frühjahrsfeldzugs an den Tag gelegt hatte, neue Energie gewonnen. Doch er wusste nur zu gut, dass ihm die nötigen militärischen Ressourcen fehlten, um die Franzosen zu diesem Zeitpunkt zu besiegen, und dass er mehr Zeit brauchte; daher der Versuch, die Möglichkeiten einer politischen Lösung zu sondieren, welche die wesentlichen Errungenschaften der Revolution, wie sie in seiner Verfassung festgeschrieben waren, sicherte, während er zugleich darauf wartete, dass die Invasionsarmee durch die unvermeidlichen Krankheiten dezimiert wurde.85 Was letzten Endes den Ausschlag für einen Kompromiss gab, war die strategische Situation, die Ende April ein qualvolles Patt erreicht hatte. Die Franzosen hatten die Kontrolle über die Küstenregionen behalten, auch wenn ihre Herrschaft brüchig und die Armee ernsthaft geschwächt war. Inzwischen war die Hälfte der Armee Leclercs tot, verwundet oder von Gelbfieber befallen. Doch obgleich Toussaints Streitkräfte immer noch einen beträchtlichen Landstreifen hielten (Marmelade, den höher gelegenen Teil von
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Plaisance, Saint-Raphaël, Mirebalais, Petit und Grand Cahos sowie einige Stellungen auf der Artibonite-Ebene), verfügte er nicht über genug Soldaten, um gegen die Invasoren einen entscheidenden Schlag zu führen. Einer seiner Ortskommandeure meldete, er könne nur eine Handvoll Vorausreiter stellen, denn der Rest sei in «erbärmlichem Zustand», und die meisten seiner Pferde seien verletzt.86 Toussaint konnte nur mit Mühe Freiwillige finden, die in den Lazaretten als Waschfrauen und Pflegerinnen aushelfen konnten: «Die Gemeindemitglieder werden aufgefordert, moralischen Einfluss auf Individuen auszuüben, die zuhause ihrer Trägheit frönen, damit sie sich um die Stellen bewerben, die hier ausgeschrieben sind.»87 Viele seiner eigenen Leutnants waren desertiert, zuletzt Christophe (am 26. April) – ein empfindlicher Rückschlag, nicht zuletzt weil er mitsamt seinen 5000 Untergebenen überlief. Toussaint hatte vergeblich an ihn appelliert, eine gemeinsame Strategie gegen Leclerc zu entwickeln, um eine zweite Großoffensive vorzubereiten.88 Sogar in seiner engsten Umgebung lauerte der Verrat: Zu denen, die daran arbeiteten, seine Autorität zu untergraben, gehörte sein ehemaliger Sekretär Pascal, der im November 1801 entlassen worden war. Inzwischen war Pascal französischer Agent. Er hatte zahlreiche Briefe über seine «gefährliche Lage» nach Paris geschrieben und informierte die Franzosen nach ihrer Landung ausführlich über seinen Herrn.89 Vielleicht gab es aber einen noch tieferen Grund: Toussaint brachte es nicht über sich, vollständig mit Frankreich zu brechen. Anders als Angehörige seines Lagers, die ernsthaft über die Unabhängigkeit nachdachten, wie Dessalines, glaubte der Gouverneur immer noch, nur ein französisches Saint-Domingue könne die langfristige Sicherheit und den Wohlstand der Kolonie garantieren. Zwar waren Bonaparte und Leclerc schlechte Menschen, aber es hatte edelmütige Franzosen gegeben wie «Papa» Laveaux und die tapferen sans-culottes, die ihr Vaterland gegen den Angriff der Kaiserlichen bei Valmy verteidigt hatten, und es würde sie wieder geben. Toussaints Bewunderung für die Kriegstradition zur Verteidigung der Republik war ungeschmälert, was sich in der Tatsache spiegelt, dass er den Soldaten der Invasionsarmee keine persönliche Animosität entgegenbrachte und die Gefangenen human nach dem droit des gens behandelte, wie es auch viele seiner Kommandeure taten (insbesondere Maurepas).90 Diese kontinuierliche Identifikation mit der Mythologie der französischen Revolution wurde von Toussaints Soldaten geteilt – auf dem Höhepunkt einer der Schlachten um Crête-à-Pierrot
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waren seine schwarzen Soldaten spontan in die ‹Marseillaise› ausgebrochen, während sie einen französischen Angriff zurückschlugen. Toussaint fasste es in einem seiner Briefe an Leclerc bündig zusammen: «Wir haben nie aufgehört, französisch zu sein.»91 Der Kommandeur des Invasionsheers war überglücklich, von solchen Gefühlen zu hören. Die beiden Männer trafen Anfang Mai in Cap zusammen und handelten ein Abkommen über die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen und die Entwaffnung der Landarbeiter aus, die sich dem Kampf gegen die Invasoren angeschlossen hatten. Toussaint wurde mit militärischen Ehren und dem «tiefsten Respekt» der Einwohner begrüßt.92 Der Gouverneur verlangte etwas, von dem er wusste, dass Leclerc es nicht akzeptieren würde – die Ernennung zum «lieutnant général» der Kolonie – um zu bekommen, was er wirklich wollte: die Amnestie und Integration all seiner Offiziere und Soldaten in die französische Armee. Er bestand ausdrücklich darauf, dass das Abkommen auch Dessalines, den Schrecken der Weißen, einschloss. Leclerc stimmte zu, aber nur, weil er insgeheim hoffte, Dessalines gegen seinen Kommandeur aufzustacheln. Am Mittag des 7. Mai lud Leclerc zu einem reichhaltigen Versöhnungsessen ein, an dem hohe Offiziere beider Seiten teilnahmen. Zu den Gästen gehörten vier zukünftige Regierungschefs von Haïti: Dessalines und Christophe, die mit Toussaint gekämpft hatten, und Alexandre Pétion und Jean-Pierre Boyer, die mit der Invasionsflotte nach Saint-Domingue gekommen waren. Toussaint, der trotz allem den Franzosen immer noch misstraute, aß nur eine Scheibe Gruyère.93 Aber er hatte nichts von seiner Schlagfertigkeit verloren. Auf die Frage von Leclerc, wo er die nötigen Waffen und Munition hergenommen hätte, um weiterzukämpfen, antwortete er prompt: «Ich hätte sie aus Ihren Lagern geholt.»94 Als Toussaint in sein Hauptquartier in Marmelade zurückkehrte, wurde er von seinen Soldaten begeistert empfangen. Er nahm bewegt Abschied von seinem Stabschef Jean-Pierre Fontaine und seinen furchtlosen Kavalleristen, von denen einige schon seit den ruhmreichen Feldzügen Anfang der 1790er Jahre an seiner Seite gekämpft hatten. Nach den Statuten des Abkommens mit Leclerc wurde seine Garde nach Cap und Plaisance verlegt, während er nur einen symbolischen Rest von Soldaten behalten durfte.95 Dann reiste er auf eine seiner Besitzungen in Ennery ab, die Habitation Sancey, wo er seinem Versprechen nachkommen
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wollte, die aufständischen Landarbeiter aus der Region Gonaïves auf ihre Plantagen zurückzuschicken.96 Während er die Zeit auf den vier Kaffeeplantagen verbrachte, die er in dieser Gegend besaß, bekam er einen Vorgeschmack auf das ruhige Leben, nach dem er sich so oft gesehnt hatte. Umgeben von seiner Familie, empfing er ortsansässige militärische, zivile und kirchliche Würdenträger und ritt täglich aus, allerdings in einem alles andere als manierlichen Tempo: Alte Gewohnheiten halten sich zäh.97 Leclerc seinerseits litt unter seinem Abkommen mit Toussaint, das vielerorts als Demütigung angesehen wurde, und war entschlossen, Bonaparte zu demonstrieren, dass er die Kontrolle über die Situation nicht verloren hatte. Im März 1802 hatte der Erste Konsul ihn in einem Brief an die Geheiminstruktionen erinnert und gefordert, dass die «Hauptbriganten» nach Frankreich zu deportieren seien, sobald die schwarzen Bürger entwaffnet waren.98 Da er dies nicht leisten konnte, beschloss Leclerc, gegen Toussaint selbst vorzugehen. Als ersten Schritt ließ er Bauern in der Umgegend von Ennery durch Soldaten schikanieren und sie aus Toussaints Plantagen vertreiben. Dieser beschwerte sich bei dem Ortskommandeur in Gonaïves über dieses «beleidigende Verhalten»,99 und als die Irregularitäten sich fortsetzten, schrieb er an Leclercs Stabschef.100 Hinzu kam, dass Toussaints Bundesgenosse Sylla sich geweigert hatte, die Waffen niederzulegen, was die Franzosen Toussaint in die Schuhe schoben, der angeblich diesen fortgesetzten Widerstand anstiftete. Es stellte sich heraus, dass die Hauptquelle dieser provokativen Informationen Dessalines war, der nun aktiv gegen seinen ehemaligen Chef agierte.101 Angeblich soll Toussaint kurz nach der Landung von Leclercs Invasionsarmee einen Vodou-Wahrsager zu Rate gezogen haben, der ihm voraussagte, er werde von seinem wichtigsten Leutnant verraten. Diese Prophezeihung stellte sich als zutreffend heraus.102 Am 7. Juni stellten die Franzosen Toussaint eine Falle. Sie luden ihn zu einem Treffen mit einem ihrer Ortskommandeure, General Jean-Baptiste Brunet, auf die Georges-Plantage ein. Brunet stellte sich als Toussaints «aufrichtiger Freund» dar und bat, er möge dabei helfen, die Gegend vor «Briganten» zu schützen und die Bauern wieder zum Arbeiten zu bringen. Toussaint antwortete mit seinem letzten Brief als freier Mann: Er bestätigte noch einmal sein Engagement für das Gemeinwohl und erklärte sich bereit zu helfen, sofern man ihn «ehrenhaft» behandelte.103 Ehre war das letzte, woran Leclerc dachte: Eine Stunde, nachdem
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Toussaint das Haus betreten hatte, wo das Treffen stattfinden sollte, wurde er von Brunets Männern festgenommen und auf ein Schiff gebracht, das sofort nach Cap absegelte. Sein Diener, seine Frau, seine Nichte und seine Söhne wurden ebenfalls verhaftet. Französische Truppen plünderten seine Besitzung in Ennery, wobei sie Geld, Kleider, Möbel und Kunstwerke stahlen. Unter dem Vorwand, nach Toussaints Papieren zu suchen, stopfte sich Brunets Adjutant Grand-Seigne die Taschen voll mit allem Schmuck, den er finden konnte.104 Leclerc rechtfertigte Toussaints Verhaftung mit dem Argument, dieser habe seit dem Waffenstillstand Pläne gegen Frankreich geschmiedet. Er veröffentlichte eine Proklamation, in der er ihn beschuldigte, Dessalines (der dies Leclerc gemeldet hatte) und Sylla (der sich aus Mapou zurückgezogen hatte, aber immer noch auf der Flucht war) fortwährend zur Insubordination angestiftet zu haben.105 Der französische Kommandeur zauberte außerdem einen Brief hervor, den angeblich Toussaint geschrieben und an seinen ehemaligen Stabschef Fontaine adressiert hatte, welcher inzwischen zu Leclercs Stab gehörte. In dem Brief bat Toussaint Fontaine vermeintlich, das Gerücht zu verbreiten, die Landarbeiter in seinem Hoheitsbereich weigerten sich zu arbeiten. Überdies sollte er dem Militärkommandanten von Borgne mit dem wundervollen Namen Gingembre Trop Fort auftragen, die Bauern in seinem Bereich dazu zu bringen, ihre Arbeit zu verschleppen.106 Abgesehen von dieser Kampagne für passiven Widerstand fragte Toussaint angeblich nach Leclercs Gesundheitszustand und machte Scherze über den Ausbruch von Gelbfieber, dessen erste Opfer im Hôpital de la Providence in Cap behandelt wurden. Die Vorsehung (providence), stand in dem Brief, «ist gekommen, uns zu retten».107 Dieses Bonmot klang nach authentischem Louverture, und es gab kaum einen Zweifel, dass er davon überzeugt war, die Franzosen würden letztlich durch Krankheiten vernichtet werden. Das hatte er in seinem Brief an Dessalines vom 8. Februar geschrieben und viele Male in den Reden an seine Truppen und Hilfstruppen betont; deshalb vertraute er mit Recht darauf, dass die französische Besetzung auf lange Sicht keinen Erfolg haben konnte. Die stille Ermutigung subversiver Aktivitäten anderer, ohne sich selbst zu kompromittieren, war natürlich ein klassischer Trick. Dennoch war Toussaint nicht so töricht, solche inkriminierenden Instruktionen schriftlich zu übermitteln. Derartige Nachrichten wurden mündlich überbracht von Männern, die (wie Norvins im Zitat
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oben bemerkte) lieber gestorben wären, als ihre Geheimnisse zu verraten. Toussaints gesamte Korrespondenz aus der Zeit nach seiner Unterordnung unter Leclerc zeigt, dass er die militärische Ordnung, die er sich auferlegt hatte, peinlich genau einhielt, soweit sogar, dass er die gesamte Munition in seinem Besitz an den verblüfften französischen Ortskommandanten in Gonaïves zusandte. So verhält sich niemand, der bald wieder Kampfhandlungen aufzunehmen trachtet.108 Eigentlich tut es nichts zur Sache, ob Toussaint all dies oder manches davon geschrieben hat. Bonaparte hatte seinen Befehl bekräftigt, den Oberkommandeur festzunehmen, und früher oder später hätte Leclerc den Befehl sowieso befolgt. Die eigentliche Frage ist, warum ein Mann, der im Lauf seiner Karriere Dutzende von Hinterhalten und Fallen vermieden hatte, sich so leicht täuschen ließ. Als er nur einen Monat zuvor in Cap mit Leclerc zusammentraf, kam er einen Tag früher, begleitet von seiner Wache und 300 Soldaten, die die ganze Zeit mit gezücktem Säbel bereit standen. Ein französischer Offizier, der Mitte Mai mit ihm sprach, fand ihn «äußerst misstrauisch».109 Noch am 5. Juni beschwerte er sich in einem Antwortbrief an Brunet über Leclerc und verhehlte nicht, dass er dessen Verhalten als nicht «ehrenhaft» ansah. Und dennoch ging er trotz aller Warnungen, das Treffen bei Brunet sei eine Falle, mit nur einem Adjutanten und einem Hausdiener dorthin.110 Vielleicht war er übermütig geworden und dachte, er habe seine Führungsposition gegenüber den Franzosen zumindest vorläufig gefestigt und sei strategisch im Vorteil. Außerdem unterschätzte er das Ausmaß an Verrat in seinem Umkreis. Die Korrespondenz zwischen Brunet und Leclerc nach Toussaints Verhaftung deutet darauf hin, dass Mitglieder seines engsten Kreises bestochen worden waren und die Franzosen mit Informationen versorgten.111 Es mag auch noch einen weiteren Grund gegeben haben. Toussaints Nachfolge war bereits greifbar nahe. Seine Verfassung gab einen klaren Rahmen vor, der ihm erlaubte, den nächsten Gouverneur zu ernennen, wie er – unvorsichtigerweise – in seinem Brief an Boudet erwähnt hatte. Diese Aussicht verstärkte die Konflikte unter seinen Untergebenen, was die Franzosen sich sofort zunutze machten. Besonders Dessalines’ wachsende Abneigung gegen seinen Kommandeur war ihnen sehr willkommen. Dessalines stand vor Toussaints Ergreifung in engem Kontakt mit Brunet und beklagte sich in einem Gespräch bitterlich, dass der Gouverneur seinen Einsatz stillschweigend voraussetze und ihn nicht am
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Entwurf der Verfassung beteiligt habe. Dies kam nicht von ungefähr: Dessalines war anscheinend klar geworden, dass er bei der Auswahl des Nachfolgers keine guten Karten hatte. Er gab Brunets Operation seine stillschweigende Einwilligung und besiegelte damit Toussaints Schicksal. Am 9. Juli kam der Gefangene in Brest an. Er war zum ersten Mal in seinem Leben auf einem Schiff. Während der gesamten Überfahrt war er in seiner Kabine eingesperrt und durfte keinerlei Kontakt zu seiner Familie haben, die ebenfalls an Bord war. In Frankreich wurde er von ihr getrennt und sollte sie nie wiedersehen. Er schrieb einen Protestbrief an Bonaparte und appellierte an ihn, seine Frau Suzanne zu schonen, «eine Mutter, die Nachsicht und Wohlwollen einer großzügigen und liberalen Nation verdient».112 Placide, der gegen die Franzosen die Waffen erhoben hatte, wurde allein in der Zitadelle Belle-Île gefangen gehalten, und der Rest der Familie (Suzanne, ihre beiden anderen Söhne Isaac und Saint-Jean, ihre Schwiegertochter Victoire, ihre Nichte Louise Chancy und ihre Kammerzofe Justine) wurde nach Bayonne überführt.113 Später kamen sie nach Agen und wurden während der ganzen Regierungszeit Napoleons streng bewacht. Toussaint und sein getreuer mixed-race Diener Mars Plaisir wurden zunächst in einer Festung in Brest festgehalten, ehe sie nach Fort de Joux verlegt wurden, wo sie am 24. August 1802 eintrafen. Toussaints letztes Martyrium hatte begonnen.114 Die Behörden taten alles, um ihn zu brechen, körperlich wie seelisch. Er erhielt keinerlei Nachricht von seiner Familie und konnte nicht einmal in Erfahrung bringen, wo sie sich aufhielten. Es gelang ihm nur, einen einzigen Brief an Suzanne zu schicken, einen Monat nach seiner Ankunft. Die mittelalterliche Festung, in der er gefangen saß, lag im tiefsten französischen Jura, und dieser karge Ort war extra wegen des kalten Wetters und der Entfernung zum Meer ausgewählt worden. Leclerc hatte Angst, er könnte entkommen und nach Saint-Domingue zurückkehren («seine bloße Anwesenheit würde die Kolonie in Flammen setzen»).115 Selbst mit der Hilfe von Makandals Geist wäre allerdings eine solche Flucht unmöglich gewesen: Er war in einem Hochsicherheitstrakt im obersten Stockwerk des Gefängnisses untergebracht. Er durfte seine Zelle nicht verlassen, Lesestoff und Besuche wurden ihm verweigert, und selbst sein Zuckerkonsum – er mischte als einzigen Luxus Zucker in all seine Getränke – war rationiert, ebenso wie das Holz zum
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Heizen seiner Zelle.116 Obgleich er wiederholt forderte, vor Gericht gestellt zu werden, wurde er ohne Anklage festgehalten. Da Bonaparte ihn nicht für kooperativ genug hielt, begann bald eine Reihe engherziger Demütigungen: Zuerst wurde Mars Plaisir, seine einzige Gesellschaft, von Fort de Joux nach Nantes verbracht.117 Dann wurden all seine persönlichen Gegenstände konfisziert, auch seine Uhr, seine Sporen, sein Hut und sogar sein Rasiermesser. Schließlich kamen Ende Oktober neue Instruktionen von der französischen Regierung. Seine Zelle wurde gründlich nach Geld und Schmuckstücken durchsucht, und man verweigerte ihm Papier. Seine Uniform wurde ihm weggenommen, und der Gefängnisleiter hatte ihn nur noch mit «Toussaint» anzusprechen.118 Toussaint Louverture blieb ungebrochen. Er begegnete seiner verächtlichen Behandlung mit Würde und Trotz. Laut dem späteren Zeugnis eines seiner Wächter schleudete er seine Uniform, als er sie ausgezogen hatte, dem Offizier entgegen und sagte: «Bringen Sie das Ihrem Herrn!»119 Im September 1802 schickte Bonaparte einen seiner Adjutanten, General Caffarelli, um den Gefangenen zu verhören. Er sollte seine verräterischen Handlungen gestehen und offenlegen, wo er seine Beute versteckt hatte – eine Idee, von der der Erste Konsul besessen war; er ließ sogar Mars Plaisir zu diesem Thema verhören.120 Auch die immer geldgierigen Briten hatten sich die Ansicht zu eigen gemacht, Toussaint habe einen «unermesslichen Schatz» gehortet.121 Bei der Invasionsarmee hatte sich das Gerücht verbreitet, Toussaint habe sechs seiner Untergebenen befohlen, seine Reichtümer in den Cahos-Bergen zu verstecken und sie anschließend exekutieren lassen, um sein Geheimnis zu schützen.122 Trotz der absurden Logik (Toussaint hätte wiederum die Männer töten müssen, die die sechs Männer getötet hatten, und so immer weiter) wiederholte Caffarelli das Märchen vor Toussaint, der es verächtlich von sich wies. Er leugnete überhaupt alles ab: dass er mit den Briten gemeinsame Sache gemacht habe, dass seine Verfassung umstürzlerisch sei und dass er Gelder in Jamaika, Amerika oder England depo-
In diesem Gefängnis im französischen Jura verbrachte Toussaint ab August 1802 den Rest seines Lebens. Fort de Joux war eine mittelalterliche Festung, die ausdrücklich wegen des kalten Wetters und ihrer Entfernung zum Meer gewählt worden war. Toussaint starb dort in seiner winzigen Zelle im April 1803.
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niert habe. Er fügte hinzu, er habe nie viel Bargeld besessen; all sein Besitz stecke in seinen Landgütern. Das traf zu, aber er erlaubte sich auch, mit seinem Vernehmungsoffizier zu spielen. Als dieser ihn fragte, wie er diesen Besitz erworben habe, antwortete er: «Meine Frau ist vermögend.»123 Nachdem Caffarelli sich siebenmal mit Toussaint getroffen und dessen lange Monologe angehört hatte, musste er Bonaparte das Scheitern seiner Mission gestehen. Der «selbstbeherrschte, listige und geschickte Gefangene» hatte ihn auflaufen lassen.124 Toussaint benutzte Caffarelli sogar als Boten, der seinen «Bericht an den Ersten Konsul» (wie er es nannte) nach Paris mitnehmen sollte.125 Sein letztes schriftliches Zeugnis hatte er Jeannin, dem Sekretär von Fort de Joux, im ersten Monat seiner Gefangenschaft diktiert. Es wurde später als sein Mémoire bekannt.126 Es wird oft als ein weiterer Versuch der Selbstrechtfertigung herabgesetzt oder bestenfalls als vergeblicher Appell an Bonapartes Großmut. Aber es hat eine wesentlich tiefere Bedeutung. Im September 1802 gab Toussaint sich nicht mehr der Täuschung hin, er würde Fort de Joux jemals lebend verlassen. Das lag nicht nur daran, dass er Bonapartes Rachsucht sehr wohl einschätzen konnte, er spürte vielmehr, dass seine Gesundheit allmählich versiegte. Insofern war das Mémoire auch für die Nachwelt geschrieben, es war einerseits ein Ausdruck der Selbstachtung, versehen mit einer Spur von Reue, und andererseits eine subtile, aber eindringliche Botschaft revolutionären Widerstands. Es sollte als Erzählung des Kampfs zwischen republikanischer Tugend und Korruption oder, wie er es mit einer seiner Lieblingsmetaphern ausdrückte, zwischen «Licht und Finsternis» gelesen werden.127 Er beschrieb seine Dienste an der Republik ab 1794 und hielt mit unvermindertem Selbstbewusstsein fest, dass es «mehrere Bände» bräuchte, um allein all seine militärischen Erfolge aufzulisten. Großen Nachdruck legte er auf seinen Patriotismus und fügte hinzu, er habe bei zahllosen Gelegenheiten sein Leben für Frankreich aufs Spiel gesetzt und für das Vaterland «sein Blut vergossen»; unter den Wunden, die er davongetragen hatte, war eine Kugel, die immer noch in seiner rechten Hüfte saß (er hätte natürlich auch den Verlust seiner Schneidezähne erwähnen können).128 Und nun war er zum Lohn für all diese Opfer festgenommen und wie ein «gewöhnlicher Verbrecher» deportiert worden. Hier kam Toussaint auf das «Rassen»-Problem zu sprechen und bemerkte, einem «weißen General» wäre eine solche Behandlung mit Sicherheit nicht zuteil geworden, und diese Entmündigung habe zweifellos mit
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seiner Hautfarbe zu tun. Sodann kehrte er dieses rassistische Argument um: «Aber meine Hautfarbe … hat meine Hautfarbe mich abgehalten, meinem Land mit Eifer und Loyalität zu dienen? Widerstreitet meine Hautfarbe meiner Ehre und meiner Tapferkeit?»129 Als Verwaltungschef hatte Toussaint sich vollständig der Kolonie gewidmet und seinen Mitbürgern einen Sinn für das Gemeinwohl eingeflößt. Er formulierte eine hieb- und stichfeste republikanische Verteidigung seiner umstrittenen Arbeitspolitik: «Wenn ich mein Volk zur Arbeit angehalten habe, so tat ich das, damit es den wahren Wert der Freiheit erkannte, die etwas anderes ist als Zuchtlosigkeit. Ich tat es, um Korruption zu unterbinden, ich tat es für das allgemeine Wohl der Kolonie und für die Interessen der Republik.»130 Seine Leistungsbilanz war ein untadeliger Dienst an der Republik mit «Ehre, Treue und Redlichkeit». Er hatte die Finanzen der Kolonie «solide und im öffentlichen Interesse» verwaltet, so dass Leclerc nach seiner Landung in der Kolonie Millionen in den öffentlichen Kassen vorgefunden hatte.131 Erst der französische Kommandeur hatte diese friedliche Ordnung zerstört, als er unangemeldet kam und die hart arbeitenden Einwohner der Kolonie angriff; er war «die Quelle alles Bösen». Hier verfolgte Toussaint weiterhin seine Strategie, Leclerc zu beschuldigen und Bonaparte zu schonen, aber keinem Leser konnte entgehen, dass die Franzosen es waren, die ohne jede Provokation mit ihrem Überfall das einträchtige Leben in Saint-Domingue zerstört hatten.132 Auch die Verfassung von 1801 wurde zur Gegenüberstellung von Reinheit und Dekadenz herangezogen. Die Franzosen hatten in diesem Dokument den Nachweis seiner «verbrecherischen» Absichten gesehen. Toussaint wies diese Anklage energisch zurück und beharrte auf der Integrität seiner Beweggründe. Er habe versucht, mit der Notlage umzugehen, die durch das Fehlen funktionaler Gesetze für die Kolonie entstanden war. Das Vorgehen war beispielhaft gewesen: mit der Ernennung von Verfassungsdelegierten durch die Stadtparlamente und Gemeinderäte, der Erstellung eines Entwurfs durch diese Delegierten und der Übersendung des Dokuments an die französische Regierung. Vor allem war das Ergebnis ein vollendetes Beispiel für einen republikanischen Verfassungsprozess, denn der Text basierte auf «dem Charakter und den Sitten der Einwohner der Kolonie»133 – das war ein zwar verhüllter, aber pointierter Hinweis auf die Abschaffung der Sklaverei, die in der Verfassung festgeschrieben war, um Saint-Domingue vor jedwedem Versuch
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der Franzosen zu schützen, sie wieder einzuführen. Dies wurde im Mémoire nicht eigens ausgeführt, aber Toussaint ließ seine Leser darüber nicht im Unklaren, da er seinen Text mit zahlreichen Metaphern aus der Sklaverei spickte; sich selbst verglich er mit jemandem, dem «Bein und Zunge abgeschnitten sind» und der «lebendig begraben» ist.134 Wie wir gesehen haben, lag Toussaints Moralkodex ein starker Glaube an die Harmonie der Natur zugrunde. Das Verhalten von Leclercs Truppen, die die Kolonie verwüstet hatten, ermöglichte ihm, einen weiteren drastischen Gegensatz in seine Erzählung einzuführen: den der unschuldigen, bukolischen Reinheit der eingesessenen Bürger von SaintDomingue und der Gier der Invasoren, die er damit illustrierte, dass General Hardÿs Soldaten eine seiner Plantagen geplündert und all sein Vieh gestohlen hatten, einschließlich seines Reitpferds Bel Argent.135 Das war Ende März 1802 geschehen, während der Krieg noch tobte, aber selbst nach dem Waffenstillstand ging die systematische Plünderung der Plantagen in Ennery durch französische Soldaten weiter. Drei Wochen lang konfiszierten sie das Eigentum der ansässigen Bauern und schlugen sogar vor seiner eigenen Tür Bananen ab. Er bemerkte einmal, dass die Früchte, die sie davonschleppten, «nicht einmal reif» waren; damit kontrastierte er die angebliche «Zivilisation» der französischen Invasoren mit ihrem barbarischen Verhalten.136 Mit diesem Erfahrungsbericht prangerte Toussaint – mit einer Verbeugung vor Raynals und Diderots Histoire philosophique – die ungezügelte Brutalität der französischen Invasionsarmee gegenüber der Bevölkerung der Kolonie an, der Bevölkerung aller Hautfarben. Auch dies traf zu. Auf ihrer Fahrt über den Atlantik nach Saint-Domingue, wo sie, wie man ihnen gesagt hatte, unglaubliche Reichtümer erwarteten, stellten die französischen Soldaten eigens Gürteltaschen her, in denen sie ihr Gold zu verstauen hofften.137 Innerhalb eines Jahres nach Ankunft der französischen Flotte war die Kolonie ein Schauplatz von Korruption und Unterschlagung ungeheuren Ausmaßes geworden. Manche Weiße begannen nach kurzer Zeit, den guten alten Zeiten von Toussaints Regierung nachzutrauern: Ein Bewohner von Cap beschwerte sich über die «Erpressung» der Geschäftsleute durch französische Militärbeamte: «Die Männer hier wollen nur Geld, Geld und noch einmal Geld.»138 Der Gefangene schrieb Anfang Oktober 1802 an Bonaparte seinen, wie sich zeigen sollte, letzten Appell an die «Menschlichkeit». Er gestand ein,
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möglicherweise «Fehler» gemacht zu haben, bestand aber darauf, dass die französische Regierung «über Toussaint Louverture vollkommen falsch informiert» worden sei, dass er seit der Revolution Frankreich immer mit «Treue, Rechtschaffenheit, Eifer und Mut» gedient habe und für «Ehre und Ruhm» der Nation eingetreten sei. Eingedenk dessen, dass Bonaparte ein Familienmensch war, beschwor er Pierre-Baptiste herauf, den er als seinen «Vater» bezeichnete und der ihm «den Weg zur Tugend» gewiesen habe. Er hoffe, Bonapartes Herz ließe sich durch sein Leid erweichen, und er möge «ihm die Freiheit schenken».139 Wie nicht anders zu erwarten, erhielt er keine Antwort, und so begann die letzte Phase seines Martyriums. Die Schikanen der Gefängnisaufseher nahmen zu, regelmäßig wurde seine Zelle nachts durchsucht. Als der Winter 1802 /1803 begann, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rasch. Er verlor an Gewicht, begann an chronischem Husten zu leiden und klagte über ständige Kopf- und Magenschmerzen. Er bekam kaum ärztlichen Beistand, und am 7. April 1803 fand ihn der Gefängnisleiter zusammengekrümmt tot neben der Feuerstelle seiner Zelle liegen. Sein Leichnam wurde in der Burgkapelle beerdigt.140 Im Gegensatz zu dem Mythos, er habe in der Gefangenschaft seinen Glauben verloren, starb Toussaint als Katholik. Er bezog sich in seinem letzten Brief zweimal auf Gott und beschrieb sich als «dornengekrönt».141 Zum Zeitpunkt von Toussaints Tod hatte sich das Blatt gewendet, und der militärische Vorteil lag eindeutig nicht mehr bei der Besatzungsmacht. Bonapartes Dreiphasenplan für die Rückeroberung der Kolonie war eine entfernte Erinnerung, und der Mann mit dem Auftrag, ihn umzusetzen, war im November 1802 an Gelbfieber gestorben. Bereits Monate vor seinem Tod wusste Leclerc, dass das Spiel aus war. Nun teilte sich das Vorrücken der Aufständischen in drei Phasen auf. Die erste Phase begann mit der Entscheidung der Franzosen, im benachbarten Guadeloupe die Sklaverei wiederherzustellen; als die Nachricht Anfang August 1802, kurz nach Toussaints Gefangennahme, in SaintDomingue ankam, löste sie in der gesamten Kolonie Revolten aus und machte alle Bemühungen zunichte, die Plantagenarbeiter zu entwaffnen. Oktober 1802 begann die zweite Phase, als alle schwarzen und mixed-race Generäle, die bis dahin Frankreich gedient hatten (Christophe, Dessalines, Pétion und Clervaux), sich der Rebellion anschlossen, die inzwischen zu einem allgemeinen Aufstand angewachsen war. Diese Phase kulminierte im Vertrag von Arcahaie vom Mai 1803, in
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dem alle ansässigen Generäle Dessalines Gefolgschaft schworen, der zum Oberkommandeur des Aufstands ernannt wurde. Bei dieser Gelegenheit erfand Dessalines die zukünftige blau-rote haitianische Flagge, indem er den weißen Streifen aus der französischen Trikolore herausriss. Die Endphase erlebte den Verkauf von Louisiana an die Vereinigten Staaten im April 1803, der das Ende von Bonapartes Traum eines Westreichs markierte, sowie die Niederlage der französischen Armee bei der Schlacht von Vertières im November 1803, gefolgt von der Evakuierung der Besatzungstruppen aus dem französischen Teil der Kolonie. Am 1. Januar 1804 verkündete Dessalines die Unabhängigkeit des neuen Staates Haiti.142 Was heute als Haitianischer Unabhängigkeitskrieg bezeichnet wird, gilt manchmal als zweiter Tod Toussaint Louvertures. Er wollte keine Unabhängigkeit von Frankreich und glaubte bis zum Ende, die Franzosen würden begreifen, dass ihre Ziele nicht mit militärischer Gewalt zu erreichen waren und man eine Übereinkunft zum gegenseitigen Nutzen mit den Revolutionsführern Saint-Domingues anstreben sollte. Dies war nicht völlig unrealistisch: Bonaparte selbst gab später in St. Helena zu, dass der Feldzug in Saint-Domingue ein katastrophaler Fehler gewesen war, einer der größten, die ihm je unterlaufen seien, und dass er sich «mit Toussaint einigen und ihn zum Vizekönig hätte machen sollen».143 Im Unabhängigkeitskrieg kam es zur umfassenden Mobilisierung der Landbevölkerung, was Toussaint in seinem Frühjahrsfeldzug nicht erreicht hatte, und er wurde letztendlich von eben jenen Generälen ausgefochten, die ihm alles verdankten und ihn dann verrieten. Als der Kampf zu Ende war, schaltete Dessalines systematisch alle Unterstützer und Bundesgenossen Toussaints aus, ob schwarz oder weiß. Das Regime, das nach der Unabhängigkeit herrschte, war das Gegenteil von Toussaints Traum von einer Republik der verschiedenen Hautfarben. Es war, als hätte Bonaparte zumindest das eine Ziel erreicht, dass Toussaint «nicht mehr existierte». Allerdings wäre ein solcher Schluss vorschnell. Toussaint verstand früher als jeder andere, worum es in dem Konflikt wirklich ging. Seit dem Augenblick, als er die französische Flotte in der Samanà-Bucht erblickte, erkannte er, dass die Franzosen nur dann ihr Projekt, SaintDomingue wieder zurückzuerobern, würden realisieren können, wenn sie die Sklaverei wieder einführten. Zu diesem Schluss kam er noch früher als Bonaparte, der erst im Juni 1802 Leclerc durch seinen Marine-
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minister mitteilen ließ, die schwarze Bevölkerung der Kolonie müsse letzten Endes «in ihren ursprünglichen Zustand zurückkehren, aus dem sie unglücklicherweise entlassen wurde».144 Zwar weigerte Leclerc sich, diesen Befehl auszuführen, und er wird deshalb oft wegen seiner humanen Haltung gepriesen, doch waren seine Ansichten über die Wiederherstellung der weißen Ordnung in der Kolonie kaum weniger extrem. Einen Monat vor seinem Tod erklärte er Bonaparte, die einzige Methode, die französische Herrschaft über die Kolonie zu erhalten, sei, «alle Schwarzen in den Bergen, Männer wie Frauen, zu vernichten, und nur die Kinder unter zwölf Jahren zu behalten, die Hälfte der Schwarzen, die in den Ebenen lebten zu vernichten und nicht einen einzigen Farbigen, der je Epauletten getragen hat, übrig zu lassen».145 Leclercs Nachfolger Rochambeau führte diese Instruktionen zum Genozid buchstabengetreu aus. Unter seinem grauenhaften Regime waren Massenexekutionen an der Tagesordnung, und Tausende von Männern, Frauen und Kindern wurden in einer Terrorkampagne getötet. Die Menschen wurden erschossen, gehenkt, geköpft, verbrannt und ertränkt; außerdem führte Rochambeau für die Menschenjagd Jagdhunde aus Kuba ein.146 Zu den Getöteten gehörten auch PierreBaptiste, Toussaints Stiefvater, auf den der Gefangene sich in seinem Mémoire bezogen hatte, und an dessen Sohn Simon er Ende Januar 1802 geschrieben hatte;147 obwohl der Patriarch in Haut-du-Cap über 100 Jahre alt und blind war, wurde er von französischen Soldaten einzig und allein wegen seiner familiären Verbindung zu Toussaint aus seinem Haus gezerrt und im Meer ertränkt. Im April 1803 bat Rochambeau Bonaparte brieflich darum, Toussaint nach Saint-Domingue zurückzuschicken, damit er «mit dem größten Dekorum» gehenkt werden könne. Außerdem schlug er vor, wie in Guadeloupe die Sklaverei wiederherzustellen und den Code Noir zu «verschärfen», damit die weißen Pflanzer wieder «Herren über Leben und Tod» ihrer Sklaven seien.148 Toussaint sah nicht nur die Natur des Befreiungskriegs voraus, er entwickelte auch die Strategie, welche die Aufständischen erfolgreich umsetzten. Die geheimen Waffenverstecke, die Politik der verbrannten Erde, die systematische Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen der Kolonie (Ende 1802 kam die Zuckerproduktion komplett zum Erliegen), das Verschanzen der Rebellentruppen in den Bergen und der Appell zu einer levée en masse – all dies waren seine Ideen.149 Anfang 1802 gestand ein hoher französischer Offizier, der Krieg werde «gänzlich zu Toussaints
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Bedingungen» geführt.150 Christophe bezeichnete die Strategie später als «Toussaints System» und bedauerte, dass er und andere Generäle ihn nicht komplett verstanden und rückhaltlos bei seiner Umsetzung unterstützt hätten.151 Auch mit seiner Voraussage, die französische Armee werde sich auflösen, behielt Toussaint Recht: Mitte 1804 hatten die Franzosen von den insgesamt 44 000 Soldaten, die in mehreren Wellen in Saint-Domingue angekommen waren, 85 % durch Tod, Verwundung oder Krankheit verloren (eine ähnliche Relation wie ehedem bei den Briten). Vor allem war die Vereinigung des Widerstands unter einem einigen zentralen Kommando, die im Mai 1803 zustande kam, ein fundamentales Prinzip Toussaints. Es lässt sich kaum bezweifeln, dass er, wäre er nach dem Juni 1802 noch in Saint-Domingue gewesen, den Aufstand mit dem gleichen Elan angeführt hätte, den er im Frühjahrsfeldzug bewiesen hatte. Er hätte es vermutlich ohne den Aderlass vermocht, den der Verlust so brillanter schwarzer Kommandeure wie Charles Bélair, Sylla, Sans-Souci und Macaya bedeutete. Toussaint formte den Verlauf des Haitianischen Unabhängigkeitskriegs ganz entscheidend. Sein Kampf brachte ihn zurück zu seinem republikanischen Selbst und erinnerte ihn an die außerordentlichen Qualitäten des «großen Volks», dessen Geschick er seit Mitte der 1790er Jahre gelenkt hatte. Als die Franzosen einmarschierten, hatten die Einwohner Saint-Domingues, zum großen Teil dank Toussaint, begriffen, dass ihre Freiheit kein Geschenk einer wohlwollenden höheren Macht war, sondern ein Recht, das sie sich erkämpft hatten. Während seiner Truppeninspektionen ergriff Toussaint oft ein Gewehr, hob es demonstrativ in die Höhe und rief: «Dies ist unsere Freiheit!» Den Menschen war nur zu bewusst, dass ihnen ihr Recht genommen würde, wenn sie zuließen, dass man sie entwaffnete, und dass ihre Kraft in ihrer vereinigten Stärke lag. Dies war ein weiteres Vermächtnis Toussaints: Als er das Schiff bestieg, das ihn von Gonaïves fortbringen sollte, erklärte er seinen Häschern: «Ihr habt mich geschlagen und damit den Baum der Freiheit in Saint-Domingue gefällt. Aber er wird aus seinen Wurzeln neu erstehen, denn es sind viele, und sie reichen tief.»152
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Nach der Haitianischen Revolution verblassten Toussaint und seine Mitstreiter in der historischen Erinnerung des Westens. Aber das bedeutet nicht, dass seine Popularität mit ihm in den Bergen des Jura verschwand – im Gegenteil. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts wurde er zu einer ikonischen Gestalt, nicht nur im gerade unabhängigen Staat Haiti, sondern im ganzen atlantischen Raum: eine Legende, die die vitalisierende Kraft der Revolution von Saint-Domingue verkörperte und Menschen ermutigte, die für die Sklavenbefreiung und universelle Brüderlichkeit kämpften oder für radikalen politischen Wandel in ihrer eigenen Gesellschaft. Als Fidel Castro wegen seines Angriffs auf die Moncada-Kaserne 1954 im Gefängnis saß, schrieb er aus seiner Gefängniszelle, dass das historische Ereignis, das ihn motiviere, «Kuba von Grund auf zu revolutionieren, … der Aufstand der schwarzen Sklaven in Haiti» gewesen sei, und er fügte hinzu: «Zu einer Zeit, als Napoleon Caesar nacheiferte und Frankreich Rom glich, wurde die Seele von Spartakus in Toussaint Louverture wiedergeboren.»1 Diese Inspirationskraft wurde bereits in Toussaints letzten Regierungsjahren in Saint-Domingue offenbar, als sich sein Ruf als Befreiungsheld international unter all jenen verbreitete, die die herrschende Klasse der Sklavenbesitzer entmachten wollten, während er für die Anhänger der Sklaverei ein Angst einflößendes Ungeheuer darstellte.2 Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert gab es eine deutliche Zunahme an Sklavenaufständen neuen Typs in der ganzen Karibik und in Nord- und Südamerika: Statt kleiner Einzelaufstände wurde nun bewusst versucht, das ganze System der Sklaverei zu stürzen.3 Vor diesem Hintergrund zogen die Revolutionäre von Saint-Domingue die kollektive Phantasie in ihren Bann, ein um so bemerkenswerteres Phänomen, als Toussaint kaum etwas tat, um seine Revolution in andere Länder zu exportieren.
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Doch ein spontaner Louverture-Kult wurde unübersehbar und unüberhörbar: In der Volksmusik der gesamten Region wurde Toussaint dafür verehrt, dass er «Rassen»-Gleichheit hergestellt und Saint-Domingue in die Lage versetzt hatte, sich auf geordnete Weise selbst zu regieren. Eines der vielen Lieder, die jamaikanische Sklaven ihm zu Ehren komponierten und das 1799 häufig auf den Straßen von Kingston zu hören war, hatte den Refrain: «Black, white and brown (were) all de same.» Toussaint wurde auch als kriegerisches Gegengewicht zu den kolonialen und imperialen Mächten bejubelt. Kurz nachdem er Santo Domingo der Kontrolle der Spanier entrissen hatte, feierten in den Bergen oberhalb von Covo in Westvenezuela Freigelassene und Sklaven, die schon 1795 rebelliert hatten, offen den Sieg ihres Idols, den sie als «Feuerkopf» bezeichneten, bevor sie in einem drohenden Chor gegen die Obrigkeit skandierten: «Sie sollten besser achtgeben!»4 Legendäre Figuren können widersprüchliche Eigenschaften in sich vereinigen, und so nährten diese populären Verklärungen neben den anschlussfähigen Idealen von gutem Regieren und «Rassen»-Gleichheit auch den subversiven Mythos von schwarzer Macht (black power). In der niederländischen Kolonie Curaçao im Süden der Karibik wurde ein Sklavenaufstand 1795 nicht nur vom Abolitionismus in Saint-Domingue inspiriert, sondern ebenso von den dortigen charismatischen Anführern, die für ihre Mitsklaven republikanische Vorbilder darstellten. Einer der Rebellen, der von den niederländischen Machthabern hingerichtet wurde, nannte sich selbst «Toussaint», und viele schwarze Kinder wurden auf seinen Namen getauft.5 So wirkmächtig war der Ruhm seiner militärischen Erfolge, dass er Ende 1797 sogar im republikanischen Guadeloupe Aufstände entfachte, wo die Sklaverei formell abgeschafft war. Zunächst auf der Insel Marie-Galante, dann in der Stadt Lamentin riefen Rebellen die ortsansässigen Plantagenarbeiter auf, die ökonomische Macht der Weißen gewaltsam zu brechen. Sie bezogen sich in ihren Verlautbarungen ausdrücklich auf das Beispiel von Saint-Domingue, wo, wie sie behaupteten, «jeder tun kann, was ihm gefällt, und alle Kommandierenden schwarz sind» und «weiße Frauen mit den Schwarzen gehen». Französische Beamte vor Ort glaubten, der Auslöser für diese Aufstände sei Toussaints Abschiebung von Sonthonax aus der Kolonie gewesen.6 Als im Mai 1799 ebenso in Venezuelas Küstenstadt Maracaibo eine Verschwörung von Schwarzen und mixed-race people unterdrückt wurde,
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entdeckten die Behörden, dass der Aufstand zum Ziel hatte, «das gleiche System von Freiheit und Gleichheit» zu installieren, wie es in SaintDomingue herrschte;7 vergleichbare Verschwörungen wurden in Brasilien und Uruguay aufgedeckt, wo Louvertures Prinzipien von Sklaven und freien People of Color verbreitet wurden.8 Dieses Ideal schwarzer Selbstermächtigung (black power) machte sich oft an Geschichten, Gegenständen und Gerüchten fest, die in Beziehung zu Toussaints Armee standen. Nach seiner Vertreibung der Briten aus Saint-Domingue 1798 kursierten in der Region Gerüchte über «geheime Pläne» Toussaints, nicht nur das von Spanien kontrollierte Santo Domingo anzugreifen (was er natürlich auch tat), sondern auch Expeditionskorps nach Kuba, Jamaika, Santa Lucia, Tobago, Puerto Rico, Mexiko und in die Vereinigten Staaten zu entsenden.9 Im Juli 1798 wurden Weiße in Virginia von hartnäckigen Gerüchten in Angst und Schrecken versetzt, «mehrere Schiffe … besetzt mit bewaffneten Schwarzen» hätten von SaintDomingue Kurs auf Chesapeake Bay genommen.10 Zwei Jahre später schwebte die «ferne Gestalt Toussaints» drohend über der Sklavenverschwörung von Gabriel Prosser in Virginia.11 Geographisch gab es keine Grenzen: Den kubanischen Behörden kam 1800 sogar zu Ohren, Toussaint strebe die «Weltherrschaft» an.12 Solche Phantastereien konnten auch in spezifische Einzelheiten gehen: Eine Zeitung aus Baltimore behauptete, Toussaint wolle zwar die Weltherrschaft an sich reißen, doch fehle das Geld für die Finanzierung. Er löse das Problem, indem er die jamaikanischen Machthaber erpresse; er drohe damit, die Insel anzugreifen, wenn sie nicht alle drei Monate 200 000 gourdes zahlten. Der Mythos von Toussaints Omnipotenz ließ selbst seine akribische Liebe zum Detail nicht außer Acht.13 Toussaint Louverture war der erste schwarze Superheld der Moderne. Die Hauptelemente seiner Legende waren bereits vorhanden, als er zu Beginn des 19. Jahrhunderts die politische Bühne verließ: Man sah ihn als Erlöser, als Kriegshelden und Urbild kämpferischer Männlichkeit, als Gesetzgeber (seine Verfassung von 1801 war ein besonders wichtiger Meilenstein), als Symbol für schwarze Emanzipation und, wie William Wordsworth es in seinem Gedicht «To Toussaint Louverture» ausdrückte, für den «unbesiegbaren Geist des Menschen». Im Einklang mit der Vodou-Praxis der Vergöttlichung machtvoller Ahnen und trotz seiner Bemühungen, die Volksreligion in Saint-Domingue während seiner letz-
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ten Regierungsjahre zu unterdrücken, nahm Toussaint neben Dessalines schließlich seinen Platz unter Haitis loas ein.14 Nach haitianischer Überlieferung waren seine wichtigsten Entscheidungen von Ogoun-Fer, dem Kriegsgott, geprägt.15 Ein alter Vodou-Gesang zollt dem Kampf beider Männer um die Unabhängigkeit Haitis Tribut: Toussaint «ohne Angst vor einem schlimmen Tod» und Dessalines, der «Stier von Haïti».16 Wie wir sahen, entwickelte sich Toussaints Legende zunächst von volkstümlichen mündlichen Erzählungen über die Heldentaten der Revolutionäre in Saint-Domingue aus, die in das kollektive Gedächtnis und die Folklore Haitis Eingang fanden und anschließend von den Sklaven, den freien Schwarzen und mixed-race Gemeinschaften in der Atlantikregion übernommen wurden. Diese Narrative waren, wie ihr Gegenstand, außerordentlich schnell unterwegs: Sie hatten schon im Gefolge des Aufstands von 1791 und Toussaints ersten Siegen gegen die Spanier 1794–95 zu zirkulieren begonnen. Ein besorgter weißer Pflanzer aus der britischen Kolonie Tobago schrieb 1794, viele Sklaven seien von der Idee der «Brüderlichkeit» erfüllt und glaubten sich nun «ihren Herren ebenbürtig». Er fürchte, sie würden sich bald zusammenschließen, um «die Landbesitzer in den Kolonien auszurotten».17 Solche revolutionären Ideen wurden später in Zeitungen, Pamphleten und Flugblättern verbreitet sowie auf Gegenständen wie Knöpfen, Militärjacken und Halsketten mit Porträtmedaillons von Revolutionsführern verewigt – weitergegeben von Reisenden nach oder aus Haiti. Schwarze Seeleute spielten eine zentrale Rolle in diesem internationalen Kommunikationsnetzwerk, das in den Hafenstädten am Atlantik, in Freimaurerlogen, Kneipen, Fremdenpensionen, Leihhäusern, Kirchen und Kaffeehäusern blühte.18 1805, ein Jahr nach Haitis Unabhängigkeit, trugen Offiziere der Stadtmiliz von Rio de Janeiro Miniaturporträts von Dessalines um den Hals.19 Diese Geschichten aus Saint-Domingue bestärkten lokale politische Bewegungen und halfen, eine übernationale Arena für die Entwicklung radikaler Ideen gegen die Sklaverei zu schaffen.20 Die Mythen Saint-Domingues bevölkerten die revolutionäre Phantasie des Atlantikraums auf verschiedenste Weise. Als versklavte Afrikaner ein Jahr nach Haitis Unabhängigkeit in Trinidad einen Aufstand gegen französische Plantagen planten, trafen sie sich zu einem Ritual, das direkt Bezug auf das Zeremoniell von Bois-Caïman 1791 nahm, bei dem sie skandierten: «Hey, Saint-Domingue, denkt an Saint-Domingue!»21 Toussaint und seine Mitstreiter wurden hier in einem quasi-religiösen
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Rahmen beschworen. Die Solidarität der United Irishmen 1798 mit ihren schwarzen Brüdern in Saint-Domingue war dagegen unverhohlen ideologisch. Irische Republikaner, deren Aufstand brutal unterdrückt wurde, verglichen ihre Lage unter britischer Herrschaft oft mit einer Form von Sklaverei. Als sie von der französischen Invasion in Saint-Domingue erfuhren, sagte der irische republikanische Anführer James Napper Tandy in seiner Solidaritätsadresse für Toussaint: «Wir stammen alle aus der gleichen Familie, Schwarze und Weiße, das Werk ein- und desselben Schöpfers.» Wenige Jahre später gab John Swiney, ein weiteres Mitglied der United Irishmen, einem seiner Söhne den Namen Toussaint, was unter atlantischen Progressiven im 19. Jahrhundert viele Nachfolger fand. Das Gedicht des irischen Dichters James Orr «Toussaint’s Farewell to St. Domingo», veröffentlicht 1805, schlug einen eher elegischen Ton an: In seiner Evokation von Schmerz, Verwüstung und Usurpation sowie der Versklavung kleiner Nationen durch große verwob er feinfühlig die Schicksale und Bestrebungen von Saint-Domingue mit denen Irlands.22 Da die Urheber der Sklavenaufstände in der Karibik und in Nordund Südamerika selten so schreibkundig waren wie diese irischen Republikaner, finden sich in den Archiven nur wenige Dokumente ihrer Aktivitäten, so dass wir kaum unmittelbare Quellen über die genauen Aneignungsprozesse heroischer Überlieferungen aus Saint-Domingue an diesen Orten haben. Eine bemerkenswerte Ausnahme war die Nachbarinsel Kuba, die einer der aktivsten Schauplätze von Rebellionen in der Region wurde, auch infolge einer Verdreifachung der Sklavenpopulation zur Zeit der Haitianischen Revolution: Zwischen 1795 und 1812 fanden 19 größere Verschwörungen oder Aufstände auf Kuba statt, vor allem in Havanna, aber auch in Puerto Príncipe, Bayamo, Santa Cruz und Güines. Viele Aussagen von gefangenen Aufständischen wurden transkribiert und haben sich in spanischen Kolonialarchiven erhalten. Sie zeigen, in welchem Ausmaß die mit Saint-Domingue in Verbindung stehenden Anführer, Bilder und Werte das politische Bewusstsein von kubanischen Sklaven und Freigelassenen zu jener Zeit mitprägten.23 Diese Männer und Frauen waren von der Veränderung, die in SaintDomingue stattfand, so fasziniert, dass Toussaint Louverture und seine Mitstreiter in jeder Familie vertraute Namen wurden. Laut einer kubanischen Zeitung kannten die Einheimischen die Ereignisse der Haitianischen Revolution «sozusagen auswendig».24 Das war keine Übertreibung. Toussaints Name taucht oft in den Verhören der Sklaven auf, die
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über ihre Teilnahme an den kubanischen Aufständen befragt wurden. Selbst wenn sie leugneten, an konspirativen Aktionen beteiligt gewesen zu sein, sagten sie aus, Gestalten wie Toussaint seien häufig Gesprächsgegenstand unter kubanischen Sklaven gewesen. In einigen Fällen wurde sein Name bewusst zu Zwecken der Rekrutierung gebraucht: Sklaven wurde versprochen, sie würden bei zukünftigen Rebellionen zu Kommandeuren aufsteigen, in eine ähnliche Position wie Toussaint in SaintDomingue. Toussaints Rolle als Kämpfer und Befreier war unter den kubanischen Sklaven allgemein bekannt.25 Die Verschwörung von 1806 in der Region von Güines, einer Region intensiven Zuckeranbaus, wo das Sklavenregime besonders brutal war, machte deutlich, dass der haitianische Mythos zugleich als Modell «absoluter Freiheit» für einzelne Rebellen und (wie in Toussaints SaintDomingue) als intellektueller Bezugsrahmen für eine ganze Reihe von revolutionären Bestrebungen und Hoffnungen taugte. Die drei Rädelsführer, die verhaftet und verhört wurden, waren Mariano Congo, ein in Afrika geborener Sklave, Francisco Fuertes, ein kubanischer Kreole, und Estanislao, ein «französischer» Sklave, der an der Revolution in SaintDomingue mitgewirkt hatte. Das Trio berief sich auf afrikanische, europäische und karibische Ideale. Die aufständischen Sklaven verbanden hier klassische republikanische Prinzipien mit royalistischen Werten, während sie gleichzeitig rituelle Tänze aufführten und Schweine opferten. Doch der gemeinsame Nenner und eigentliche Motivator war Saint-Domingue, dessen beherzte Rebellen dafür bewundert wurden, dass sie den Mut gehabt hatten, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Bei dem Versuch, die Sklaven einer Plantage aufzuwiegeln, kam Fuertes auf Haiti und die Heldentaten dort zu sprechen: Er pries die kriegerischen Eigenschaften der Anführer und ihre erfolgreiche Selbstbefreiung, die sie zu «absoluten Herren» ihres Landes gemacht hätten.26 Das Ideal der schwarzen Selbstermächtigung war der Kern der Toussaint-Legende. Auch in den Köpfen der kubanischen Revolutionäre, die in den Städten aktiv waren, war Saint-Domingue präsent. Im Jahre 1812, nachdem mehrere Aufstände in diversen Provinzstädten angezettelt oder geplant worden waren, nahmen die Behörden José Antonio Aponte fest, einen freien schwarzen Künstler und Kunsthandwerker, der am Stadtrand von Havanna lebte. Aponte war ehemaliger Hauptmann der städtischen Miliz und führendes Mitglied einer Afrikanischen Bruderschaft;
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zu seinem Netzwerk gehörten lesekundige Handwerker, führende städtische Verwaltungsbeamte und Milizionäre sowie schwarze Sklaven.27 Das Verhör von Aponte und seinen Mitverschwörern brachte ehrgeizige Pläne für einen allgemeinen Aufstand zur Befreiung der kubanischen Sklaven zutage sowie das (von ihnen verbreitete) Gerücht, die haitianische Regierung hätte zwei Offiziere und 5000 bewaffnete Soldaten entsandt, die in den Bergen vor Havanna darauf warteten, sich der kubanischen Rebellion anzuschließen. Bei der Durchsuchung von Apontes Haus wurde eine blaue Militärjacke gefunden (die Uniform der Revolutionsarmee seit Toussaints Tagen), die er wahrscheinlich trug, um den Geschichten über eine haitianische Beteiligung Glaubwürdigkeit zu verleihen.28 Das interessanteste Objekt, das in Apontes Bibliothek gefunden wurde, war ein Buch mit Abbildungen von weltberühmten «Helden»: Es enthielt ein Bild von George Washington, Darstellungen griechischer und römischer Götter und abessinischer Könige sowie der haitianischen Revolutionäre, darunter Christophe, Dessalines und Toussaint Louverture. Das Buch, über das Aponte drei Tage lang ausgehorcht wurde, war aus Bildern zusammengesetzt, die er jahrelang unter schwarzen Hafenarbeitern in Havanna zusammengetragen hatte; wie Tausende von Männern und Frauen in Saint-Domingue bewahrten sie diese Porträts als kostbare Reliquien bei sich zuhause auf. Aponte hatte Kopien von ihnen angefertigt und sie bei revolutionären Treffen in seinem Haus gezeigt. Wir wissen nicht, was er über Toussaint im Einzelnen sagte, aber es lässt sich leicht vorstellen, dass der schwarze General ein perfektes Beispiel für Apontes eklektisches Ideal republikanischer Emanzipation darstellte.29 1824 publizierte der haitianische mixed-race Autor und Parlamentarier Hérard Dumesle seine Voyage dans le nord d’Hayti. Dumesle, der aus der südlich gelegenen Stadt Les Cayes stammte, deren gewählter Abgeordneter er war, schrieb eine poetische Geschichte der tumultuarischen Ereignisse im Land nach der Unabhängigkeit. Dessalines, der erste Regierungschef des neuen Staats, schwor im April 1804, in Zukunft dürfe «kein Kolonist oder Europäer» seinen Fuß «als Herr oder Besitzer» auf haitianischen Boden setzen. Fast alle weißen Siedler, die im Land blieben, wurden getötet.30 Im Oktober 1804 krönte sich Dessalines selbst zum Kaiser von Haiti, doch seine Herrschaft dauerte nur kurz, da er zwei Jahre später einem Attentat zum Opfer fiel. Auf seinen Tod folgte
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die Spaltung des Landes in ein Königreich im Norden, das Christophe von 1807 bis 1820 regierte, und eine Republik im Süden, die zwischen 1807 und 1818 von dem mixed-race Präsidenten Alexandre Pétion regiert wurde, einem weiteren von Dumesle bewunderten Helden des haitianischen Unabhängigkeitskriegs. Auf seinen Reisen sammelte Dumesle Aussagen von Einheimischen und besuchte wichtige Stätten der Revolution, daher der Untertitel seines Werks Révélations des lieux et monuments historiques. Dank der Informationen, die er aus diesen Quellen zusammentrug, war er in der Lage, eine detaillierte Schilderung der Zeremonie in Bois-Caïman 1791 zu geben. Sein Werk war eines der ersten in Haiti, die nachdrücklich auf den Beitrag der schwarzen Sklaven zur Revolution in Saint-Domingue hinwiesen.31 Einen der verblüffendsten Momente erlebte der Autor, als er die Villa besuchte, die Pétion in Volant-le-Thor im Nordosten von Haiti hatte erbauen lassen. Als er in den prächtigen Salon eintrat, stellte Dumesle fest, dass dieser von Pétion als Huldigung an die Helden der Welt entworfen worden war. Wie in Apontes kleiner Galerie gab es Darstellungen berühmter Europäer, die dazu beigetragen hatten, die Menschheit von der Geißel der Sklaverei zu befreien, darunter Raynal, Grégoire und William Wilberforce, der eine wichtige Rolle beim Verbot des Sklavenhandels in England 1807 gespielt hatte. Der Raum zeigte auch Porträts «großer Eroberer der Antike», so Alexander, Hannibal und Caesar. Besonders beeindruckte Dumesle allerdings eine Liste von acht haitianischen Namen, die neben diesen Heroen in goldenen Lettern verewigt waren. Sieben davon waren Persons of Color, darunter die berühmten Märtyrer Ogé und Chavannes. Der einzige Name eines Schwarzen stand gleich rechts neben seinem Erzfeind Rigaud: Toussaint Louverture.32 Dumesle verstörte diese Hommage an Toussaint. In seiner Voyage hatte er ihn als «von Machtgier verzehrten» Mann und «blutrünstigen Tyrannen» beschrieben, der für schreckliche Gräuel im südlichen Krieg verantwortlich sei;33 dies war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die allgemeine Ansicht unter mixed-race Intellektuellen in Haiti.34 Und doch konnte er nicht anders als in Toussaint, trotz seiner Defizite, eine außergewöhnliche Gestalt zu erkennen. In der Tat war die Erwähnung in Pétions Wohnzimmer symptomatisch für Toussaints posthumes Schicksal in seinem Heimatland. Mixed-race Historiker kritisierten ihn scharf, und schwarze Anführer wie Dessalines und Christophe, die seine Untergebenen gewesen waren, schmähten ihn in aller Öffentlichkeit.
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Dennoch wollte Toussaint nicht verschwinden. Im Bewusstsein und in der Erinnerung seiner Landsleute behielt er seine magnetische Anziehungskraft. Die Veteranen, die in seiner Armee gekämpft hatten, verehrten ihn weiterhin und bewahrten Bilder und Andenken von ihm. Sie erzählten ihre Geschichten später dem Historiker Thomas Madiou, dessen Beschreibungen der militärischen Geschehnisse während der Revolutionszeit zu großen Teilen auf Zeugenberichten von ehemaligen Kämpfern basieren.35 Zu Pétions Ehre muss festgehalten werden, dass er schließlich ihre Ansicht über die größten Helden Haitis übernahm. Obgleich er vor 1802 ein unversöhnlicher Gegner Toussaints gewesen war (er stand während des Kriegs im Süden auf Seiten von Rigaud und kehrte mit Leclercs Invasionsarmee zurück, um gegen ihn zu kämpfen), erkannte er doch, wie entscheidend Toussaint das politische Schicksal des haitianischen Volks geprägt und zur Verbreitung des Ideals der Sklavenbefreiung im atlantischen Raum beigetragen hatte. Dieses republikanische Erbe stand Pétion ohne Zweifel vor Augen, als er Ende 1815, gerade als die Villa in Volant fertiggestellt wurde, Simón Bolívar Asyl anbot und später dessen Kampagne für die Unabhängigkeit Lateinamerikas entscheidend unterstützte.36 In der offiziellen Ikonographie des Staates Haiti tauchte Toussaint zum ersten Mal in den frühen 1820er Jahren auf, als der mixed-race Präsident Jean-Pierre Boyer eine Serie von Drucken in Auftrag gab, die an die großen Männer der Nation erinnern sollte. Nach dem Tod von Christophe und Pétion marschierten Boyers Truppen im Norden ein und brachten 1820 in Haiti wieder eine Einheitsregierung zustande. Die Aufnahme von Toussaint in seine Porträtgalerie war einerseits Ausdruck seiner persönlichen Bewunderung. Er war Toussaint als junger Offizier begegnet, als der Oberkommandeur ihm auftrug, ein Kavallerieregiment im Westen aufzubauen.37 Andererseits handelte es sich aber um eine politische Geste, die ein Symbol für die «neu gefundene Einheit» des Landes sein sollte und sich insbesondere an die schwarze Bevölkerung im Norden richtete.38 Haiti galt in den frühen 1820er Jahren immer noch weithin als Paria-Staat – von den großen Mächten noch nicht anerkannt und militärisch von ihnen bedroht. In Toussaints Fußstapfen marschierte Boyer 1822 in Santo Domingo ein, das erneut der spanischen Herrschaft anheimgefallen war, und schaffte dort die Sklaverei wieder ab. Als Preis für die Anerkennung durch Frankreich war Boyer schließlich gezwungen, die ruinöse Abfindungssumme von 150 Mio.
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Francs als Kompensation für den Verlust der Kolonie zu zahlen.39 In solchen aufgewühlten Zeiten bot sich Toussaint Louverture als passende Ikone für den haitianischen Nationalismus an.40 Die vier von Boyer angeregten Drucke, die für die Verbreitung bestimmt waren, wurden in Frankreich hergestellt, wobei die haitianischen Behörden die Auswahl jeder historischen Szene und den genauen Wortlaut der Bildunterschriften überwachten. Sie wurden von mindestens zwei verschiedenen Künstlern angefertigt, und entsprechend den ästhetischen Vorlieben von Haitis mixed-race Herrschern wurde Toussaints Konterfei etwas europäisiert – im Gegensatz zu dem «negroiden» Charakter, der seine Darstellungen sonst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte.41 Das erste Bild trägt den Titel «Begegnung von Toussaint Louverture und Maitland». Toussaint zeigt darauf dem britischen Offizier Dokumente, und die ausführliche Bildlegende erklärt, er habe Anordnung bekommen, Maitland zu verhaften, doch der Oberkommandeur habe dies mit der Begründung abgelehnt, es wäre für ihn «entehrend», einen solchen Befehl zu befolgen, da Maitland in gutem Glauben zu ihm gekommen sei.42 Der Vorfall ereignete sich, wie wir in Kapitel 7 sahen, zu der Zeit von Toussaints Verhandlungen, die 1799 zum MaitlandAbkommen führten. Hier ging es also darum, Toussaints wahrhaft republikanischen Geist hervorzuheben, durch seine Integrität die absolute Vertrauenswürdigkeit der haitianischen Regierung herauszustreichen und den entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Selbstbestimmung der Nation zu feiern. Der zweite Druck «Toussaint Louverture verkündet die Verfassung von 1801» zeigt den Gouverneur, der das heilige Dokument in Anwesenheit der «rechtmäßig versammelten Delegierten des Volks» hochhält: eine wichtige Unterstützung seines insistierend vorgetragenen Arguments, dass der Text rechtmäßig entstanden sei. Ein kleines Kind auf dem Schoß seiner Mutter symbolisiert das Ende der Sklaverei «für immer». Die Anwesenheit eines Bischofs im Vordergrund und der wohlwollende Blick des Allmächtigen von oben fügen dem Bild eine kraftvolle religiöse Komponente hinzu. Die Komposition des Ganzen erinnert im Stil stark an Guillaume Guillon-Lerthières klassizistisches Gemälde Der Schwur der Vorfahren (1822), das Dessalines und Pétion beim Unabhängigkeitseid zeigt (siehe Tafel 10). Die Verknüpfung von Toussaints Verfassung und der Erklärung von 1804 wird durch die Bildunterschrift verdeutlicht, wo zu lesen steht, im Jahre 1801 sei «die Verfassung
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der Republik Hayti»43 ausgerufen worden – ein eleganter Anachronismus, der jedoch die tiefere Wahrheit vermittelt, dass Toussaint einer der Gründungsväter der Nation war. Das nächste Bild war privater Natur, es zeigt einen herzzerreißenden Moment Anfang 1802 nach Leclercs Invasion: Toussaints Kinder werden von ihrem Privatlehrer Coisnon zurückgebracht, um damit ihren Vater zu bewegen, sich den Franzosen anzuschließen. Der Gouverneur wird in nobler Abwehrhaltung dargestellt, er lehnt es trotz der flehentlichen Bitten seiner Frau und seiner Kinder ab, sich von Napoleons Abgesandtem umstimmen zu lassen. Der Untertext besagt, Toussaint habe Coisnon aufgefordert, Isaac und Placide «wieder mitzunehmen», da er «seinen Brüdern und seinem Gott treu» bleiben wolle.44 Dies war wieder eine Vereinfachung: Damals hatte nur Isaac seinen Vater gedrängt, sich auf Napoleons Bedingungen einzulassen, und auch er änderte bald seine Meinung. Aber es war eine vollkommen zutreffende Darstellung von Toussaints Konzept der Brüderlichkeit, das sowohl in seinem Republikanismus wie in seinem christlichen Glauben gründete. Das Bild betonte auch seinen Patriotismus als Vorbild staatsbürgerlichen Verhaltens. Daher seine Bereitschaft, selbst seine Familie zu opfern, wenn es darum ging, sein Volk vor der Sklaverei zu bewahren. Das letzte Bild in der Boyer-Suite zeigt, in Übereinstimmung mit den Konventionen des heroischen Genres, Toussaints Tod. Er scheidet in den Armen seines treuen Dieners Mars Plaisir aus dem Leben, der eigentlich schon lange zuvor aus dem Fort de Joux entfernt worden war. Der Gefangene erscheint in der klassischen Pose des christlichen Märtyrers, die Arme niederhängend und in einen Lichtstrahl getaucht, der durch das Fenster der Gefängniszelle auf ihn fällt und seinen Aufstieg in den Himmel symbolisiert. Davids Der Tod des Marat stand offensichtlich beim Entwurf des Bildes Pate. Das Hauptthema ist hier erneut Toussaints republikanische Tugend, wie aus der Bildlegende hervorgeht: «So endete das Leben eines großen Mannes. Seine Talente und seine Eigenschaften gewannen ihm die Dankbarkeit seiner Landsleute; die Nachwelt wird seinen Namen unter den tugendhaftesten und patriotischsten Gesetzgebern nennen.»45 Seine volkstümliche Anziehungskraft war immer noch so groß, dass Boyer kurz darauf ein Doppelporträt in Auftrag gab, das ihn neben Toussaint zeigte.46 Diese vier Drucke zeugen vor allem von Toussaints Fähigkeit, die Erfahrungen seines Volks während des langen Kampfs um Freiheit stellvertretend zu verkörpern und die
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Der erste von vier Drucken, die der haitianische Präsident Boyer in Auftrag gab. Er stellt Toussaint dar, der Maitland zwei Briefe zeigt: Roumes Forderung, Maitland gefangen zu nehmen, und seine Erwiderung darauf, ein solches Vorgehen sei unehrenhaft.
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Der zweite Boyer-Druck zeigt den Gouverneur, der die Verfassung vor den «rechtmäßig versammelten Delegierten des Volks» hochhält; ein kleines Kind auf dem Schoß seiner Mutter symbolisiert das Ende der Sklaverei. Die Anwesenheit eines Bischofs im Vordergrund und der wohlwollende Blick des Allmächtigen fügen dem Bild eine stark religiöse Komponente hinzu.
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Der dritte Druck ruft den Moment Anfang 1802 in Erinnerung, als nach Leclercs Invasion Toussaints Kinder von ihrem Privatlehrer Coisnon zu ihrem Vater zurückgebracht wurden, um ihn dazu zu bewegen, sich den Franzosen anzuschließen. Der Gouverneur lehnt dies ab und fordert stattdessen Coisnon auf, Isaac und Placide «wieder mitzunehmen», da er «seinen Brüdern und seinem Gott treu» bleiben wolle.
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Das letzte Bild in der Boyer-Serie stellt Toussaints Tod dar. Der Gefangene erscheint in der klassischen Pose des christlichen Märtyrers, die niederhängenden Arme in einen Lichtstrahl getaucht, der durchs Fenster der Gefängniszelle auf ihn fällt und seinen Aufstieg in den Himmel symbolisiert.
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kollektive Phantasie zu beflügeln. Mit den Worten eines bedeutenden haitianischen Ethnologen inspirierte Toussaints Leben «allerhand Erzählungen und Legenden» in der Populärkultur des Landes sowie manchen «andauernden Aberglauben».47 Mit diesem Eintritt ins Pantheon Haitis war Toussaints posthume Wiedergeburt perfekt. Seine Legende hatte vor dieser spektakulären Rückkehr in sein Heimatland beträchtliche Wege durch Zeit und Raum zurückgelegt. Zwei Jahrzehnte nach seiner Deportation aus Saint-Domingue kehrte Toussaint als einzige Symbolgestalt zurück, die glaubwürdig die verschiedenen Traditionen der haitianischen Nation verkörpern und diese angesichts einer aggressiven und feindseligen Welt zusammenhalten konnte. In den Versen der Haïtiade, dem bedeutendsten epischen Gedicht, das sich in der Ära nach der Unabhängigkeit mit der Revolution befasste, wurde Toussaint als «das Fundament» gepriesen, «auf dem das haitianische Volk steht».48 Seine Landsleute feierten die Erinnerung daran während des ganzen 19. Jahrhunderts, und noch im Jahre 1903 begegnete ein Journalist, der Haiti besuchte, einer über hundert Jahre alten mixed-race Frau, die behauptete, Toussaints Patentochter zu sein.49 Das Saint-Domingue-Epos prägte sich den Herzen und Köpfen der Haitianer und atlantischen Progressiven ein, aber niemand eignete es sich mit solcher Inbrunst an wie die Afroamerikaner.50 Von Beginn an beobachteten schwarze Männer und Frauen in den Vereinigten Staaten die Vorgänge der Haitianischen Revolution mit großer Faszination. Das Gefühl der Nähe, sowohl geografisch wie geistig, wurde noch einmal dadurch verstärkt, dass ab den frühen 1790er Jahren viele Flüchtlinge aller Hautfarben aus Saint-Domingue in die Staaten kamen und zugleich häufig Reisen in die entgegengesetzte Richtung unternommen wurden. Eine große Zahl der Seeleute, die auf amerikanischen Schiffen anheuerten, waren Afroamerikaner, und die Erzählungen, die sie von ihren Fahrten in der Karibik mitbrachten, verliehen den Revolutionsereignissen und ihren Anführern eine geradezu mystische Aura.51 Diese Mystik trieb Sklavenrebellen wie Denmark Vesey und Nat Turner zur direkten Aktion, doch im Lauf der Zeit inspirierte die Legende von Saint-Domingue auch Reden, Demonstrationen, Gedenktage, Lieder und die Benennung von Institutionen in den Vereinigten Staaten. In besonders kritischen Augenblicken löste die Revolution sogar eine sig-
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nifikante Migration aus: In den 1820er Jahren wanderten zum Beispiel etwa 10 000 Afroamerikaner nach Haiti aus.52 Der neu geschaffene Staat versinnbildlichte schwarze militärische Macht und Gleichheit ohne Ansehen der Hautfarbe: In seinem Appeal to the Coloured Citizens of the World (1829) nannte der abolitionistische Autor David Walker Haiti «den Glanz und Ruhm der Schwarzen und den Schrecken der Tyrannen».53 Gleichzeitig regten die Erzählungen über Saint-Domingue und die Haitianische Revolution neue und kreative Reflexionen über das afroamerikanische Schwarzsein an. Sie spielten eine wichtige Rolle beim Entstehen eines schwarz-nationalistischen Bewusstseins in den Vereinigten Staaten, schufen aber auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit Gesellschaften afrikanischer Herkunft im Ausland. In einem Artikel, der 1855 im Anti-Slavery Bugle in New Lisbon (Ohio) erschien, wurde Toussaint als der «Held von Saint-Domingue» apostrophiert. Die Geschichte seines Lebens könne, so die Hoffnung, dazu beitragen, «die bitteren Rassenvorurteile zu zerstören, die den Schwarzen die Bürgerrechte verwehren».54 Kurz vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs vermerkte ein Geistlicher in South Carolina, dass in den Südstaaten, in denen um 1860 vier Millionen Sklaven lebten: «Der Name von Toussaint Louverture geht von Mund zu Mund, so dass er ein heimlicher Alltagsbegriff geworden ist», ein Symbol für «die universelle Liebe zur Freiheit».55 Freie Schwarze kontrastierten die Rechte, die Haitianer genossen, mit der Gewalt, dem Rassismus und der politischen Entrechtung, die sie oft im Norden erfuhren.56 Und aufgrund seiner besonderen Kombination von politischem Radikalismus und Religiosität fungierte Toussaint zugleich als Bindeglied zwischen zwei Richtungen des abolitionistischen afroamerikanischen Denkens im 19. Jahrhundert: der revolutionären, die sich auf den haitianischen Unabhängigkeitskampf berief, und der religiösen, die den Kampf der Sklavenbefreiung mit einem neuen Verständnis des christlichen Bekehrungsglaubens verband.57 Toussaints Anziehungskraft wurde noch einmal im Freedom’s Journal deutlich, der ersten afroamerikanischen Zeitung überhaupt, die in New York zwischen 1827 und 1829 erschien. Sie hatte zum Ziel, unter den Schwarzen in den USA ein Gefühl der Solidarität herzustellen und zugleich eine Verbundenheit mit den anderen afrikanischen Diasporas in der Welt. Zahlreiche Kolumnen waren Haiti und den «außergewöhnlichen Männern» gewidmet, die es hervorgebracht hatte.58 Im Mai 1827 publizierte das Blatt einen dreiteiligen Artikel über Toussaint. Dieses
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aufwendige biografische Porträt des «Schwarzen Spartakus», wie er explizit genannt wurde, empfahl ihn als nachahmenswertes Ideal und anschaulichen Beweis dafür, dass schwarze Menschen «keinen Mangel an geistiger Leistungsfähigkeit» haben und vor «heroischer Energie bersten und fähig sind, das Schwert und das Szepter zu schwingen».59 Der Artikel beschrieb das Saint-Domingue unter Louverture als goldenes Zeitalter, das unter der Regierung seines von Schwarzen und Weißen gleichermaßen mit Begeisterung gefeierten «Schutzengels wie durch Zauberei seinen alten Glanz zurück erhalten» habe.60 Toussaints charismatische Führerschaft habe sich durch seine Integrität, seinen Einsatz für «Recht und Ordnung» und seine Ablehnung jeder Art von Korruption ausgezeichnet: So sei er eine ideale Verkörperung jener Tugenden.61 Besonders hervorgehoben wurden auch die «strenge Askese» in seiner Lebensführung und seine Versuche, das «lose und unzüchtige Verhalten» weißer Frauen zu reformieren; «seine Maxime», so stellte der Artikel anerkennend fest, «war, dass Frauen in der Öffentlichkeit immer so auftreten sollten, als gingen sie zur Kirche.»62 Auch wenn hieraus ein traditionelles Konzept von Männlichkeit spricht, wurden die Ereignisse der Haitianischen Revolution und speziell das Gedenken an Toussaint auch ins Feld geführt, um die Selbstermächtigung der Frauen zu unterstützen. Eine Erzählung mit dem Titel Theresa – a Haytian Tale, die 1828 in vier Folgen im Freedom’s Journal erschien, beschrieb die aktive Kriegsteilnahme einer jungen schwarzen Frau in Saint-Domingue zur Zeit des Befreiungskriegs gegen Leclercs Invasionsarmee. Nachdem Theresa wichtige Informationen über einen kurz bevorstehenden Angriff der Franzosen auf Toussaints Stellungen erhalten hat, sieht sie sich mit der qualvollen Entscheidung konfrontiert, ihr Land zu beschützen oder die Sicherheit ihrer Mutter Paulina und ihrer Schwester Amanda aufs Spiel zu setzen. Die furchtlose junge Frau wählt den patriotischen Weg und überbringt die entscheidende Nachricht erfolgreich dem Gouverneur in seinem nahen Militärlager. Der «freundliche und väterliche» Toussaint empfängt sie mit Dankbarkeit und versieht sie mit «allen Auszeichnungen, die ihrer erhabenen Tugend» angemessen sind.63 Die in New York angesiedelte Anti-Slavery Society sah in Toussaint einen vorbildlichen Staatsbürger. Eine der ersten Ausgaben der Zeitschrift dieser Gesellschaft zeigte 1835 auf der Titelseite ein Bild von Toussaint: die Szene, in der er Napoleons Versuch zurückweist, ihn zur
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Toussaint war eine der Ikonen der amerikanischen Antisklavereibewegung im 19. Jahrhundert. Hier wird er als der «George Washington von St Domingo» bezeichnet, und das Bild, eine Kopie des Boyer-Drucks, zeigt die Szene aus dem Jahre 1802, in der er Napoleons Versuch ablehnt, ihn durch das Zurückbringen seiner beiden Söhne zur Unterwerfung zu bewegen.
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Unterwerfung zu bewegen, indem er ihm 1802 seine beiden Söhne zurückschickte. Die Bildunterschrift zitiert Toussaint wie folgt: «Nimm sie wieder mit, es geht nicht anders; ich bin entschlossen, meinen Brüdern und meinem Gott treu zu bleiben.» Sie bezeichnete Toussaint als den «George Washington von St Domingo», der «seinen Landsleuten Einheit, Kraft und eine weise Verfassung geschenkt, mit seinem Mut jeden Feind abgeschreckt und dem Bürgerkrieg und den Aufständen ein Ende bereitet hat». Nach dem Hinweis, sein Leben sei der Beweis für die Gleichwertigkeit schwarzer Menschen, schloss der Artikel: «Die Welt muss sich anstrengen, wenn sie einen nobleren Charakter als den von Toussaint L’Ouverture hervorbringen will.»64 Toussaint wurde auch das Paradebeispiel der afroamerikanischen Vortragsreisenden, vor allem jener Redner, die sich von den gewaltsamen Aspekten der Haitianischen Revolution, repräsentiert von Gestalten wie Dessalines, abwenden und stattdessen ihre harmonischen, friedlichen und aufbauenden Züge hervorheben wollten. Diese Qualitäten wurden häufig an Toussaints Religiosität festgemacht. In einem öffentlichen Vortrag im Februar 1841 betonte der Gemeindevorsteher James McCune Smith, Toussaint sei vor allem ein «Friedensstifter» gewesen, ein «Christ» mit einer «Seele, die sich von dem Zerfall ringsum nicht anstecken ließ». In Anlehnung an den oft gebrauchten Vergleich Toussaints mit Raynals «Rächer der schwarzen Rasse» erklärte Smith, der schwarze Revolutionär habe sich entschieden, «diese Verletzungen durch Vergebung zu rächen». Laut Smith wandte sich Toussaint in dem Moment, da er zu höchster Macht aufstieg, vollständig von Gedanken an Krieg und Eroberung ab, obwohl er «ohne Mühe den gesamten westlichen Archipel hätte revolutionieren können». Als Herrscher von Saint-Domingue wollte er in erster Linie beweisen, dass die black race «ohne jeden Abstrich in der Lage ist, Freiheit und Autonomie zu erlangen»; das sei das außerordentliche Vermächtnis dieses «Wohltäters der Menschheit» gewesen.65 Von Toussaints Genie und seiner christlichen Erhebung des Geistes war in den 1850er und frühen 1860er Jahren gerne und mit Nachdruck die Rede. Das speiste sich aus Werken über Toussaint von europäischen Abolitionspredigern, insbesondere The Hour and the Man (1841), einem Roman der englischen Schriftstellerin Harriet Martineau, dessen Hauptfigur Toussaint ist. Martineaus Schriften waren unter amerikanischen Abolitionisten weit verbreitet. Sie beschrieb ihren Helden als Familienmenschen, der die stoischen Tugenden der Duldsamkeit und Barmher-
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zigkeit verkörperte und durch seine Führungsrolle zeigte, dass schwarze Menschen sehr wohl in der Lage waren, ein Land zu regieren.66 Eine Ausgabe der Louverture-Biografie des englischen Autors John Relly Beard wurde 1863 in den Vereinigten Staaten publiziert und in großem Stil unter Amerikanern afrikanischer Herkunft beworben. Sie endete mit dem Satz, für Toussaint sei «Gott die einzige Wahrheit und das allwaltende Gute gewesen».67 Die Nachfrage nach dem Buch war so groß, dass es Mitte der 1860er Jahre häufig zu Lieferengpässen kam.68 In einer Vortragsreihe des afroamerikanischen Priesters James Theodore Holly wurde Toussaint «als unerschütterlicher Freund und Diener Gottes und der Menschheit» beschrieben. Seine Erfolge als «Held und Staatsmann» waren auch hier ein unbezweifelbarer Nachweis für die Fähigkeit der Schwarzen, sich selbst zu regieren. Der einzige Fehler des Revolutionsführers – und hier bezog sich Holly nicht nur auf SaintDomingue – war sein «zu großes Vertrauen in das Wort des weißen Mannes».69 Eliza Wood, die in Virginia über ihre Flucht aus der Sklaverei sprach, beendete ihre Rede mit einer glühenden Eloge auf den «Schwarzen Staatsmann und Märtyrer» Toussaint Louverture.70 Der bedeutendste Publizist, der sich für den haitianischen Helden in die Bresche warf, war der Harvard-Jurist und Sklavereigegner Wendell Phillips, dessen Vorträge über den großen Mann, 1861 als Broschüre gedruckt, ausführlich auf seine menschliche Qualitäten, seine Glaubhaftigkeit und sein Durchdrungensein von christlicher Barmherzigkeit zu sprechen kamen: Da war jemand, der «nie sein Wort brach» und dessen Motto «keine Vergeltung» lautete. Phillips ging mit den historischen Fakten recht frei um, als er behauptete, Toussaint habe nach seiner Gefangennahme seinen Sohn aufgefordert, zu «vergessen», was die Franzosen ihm angetan hätten; er sei vorbildlich als «Soldat, Staatsmann, Märtyrer» gewesen.71 Phillips war stark beeinflusst von Martineaus Roman, den er auf seinen Vortragsreisen immer mit sich führte.72 1862 hielt er einen Vortrag über Toussaint am Smithsonian Institute in Washington in Gegenwart des Präsidenten Abraham Lincoln.73 Seine Rede wurde ein in der amerikanischen Presse häufig nachgedruckter Klassiker74 und zur Inspiration für mehrere Generationen erfolgreicher High-School-Redner. Auszüge aus dem Text wurden in afroamerikanischen Versammlungen noch bis weit ins 20. Jahrhundert vorgelesen. Doch ging in diesem religiösen Eifer Toussaints revolutionäres Profil keineswegs unter. Sein männlicher Heroismus kam in der Zeit des
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Amerikanischen Bürgerkriegs wieder machtvoll zum Vorschein. Um die Zahl schwarzer Freiwilliger zu erhöhen, bemühte die Unionsarmee die Erinnerung an die Haitianische Revolution, wobei häufig explizit auf Toussaint Bezug genommen wurde. In Massachusetts warb ein Aufruf zum Eintritt in die Armee damit, dass er Afroamerikanern «Gelegenheit bietet, jene Qualitäten zu zeigen, die sie nach den Erfahrungen dieses Krieges und der historischen Schlachten von Toussaint nachweislich besitzen». Ein anderer Aufruf bezeichnete die schwarzen Rekruten höchst plakativ als «schwarze Toussaints», deren «überragende Talente und Prinzipien» nicht nur die Sklavenbefreiung voranbringen würden, sondern insgesamt auch die Integration schwarzer Menschen in die amerikanische Gesellschaft.75 Viele dieser afroamerikanischen Kämpfer versammelten sich im 54. Massachusetts-Regiment. Während eines ihrer berühmtesten Gefechte, dem Angriff auf Fort Wagner in South Carolina im Juli 1863, benannte sich eine Kompanie des 54. Regiments in «Toussaints Garde» um. Unter ihren kühnsten Kämpfern befand sich Toussaint L’Ouverture Delany, der Sohn des afroamerikanischen Autors und Abolitionisten Martin Delany; wie überall sonst im Atlantikraum war es inzwischen üblich geworden, afroamerikanische Kinder nach dem Helden der Haitianischen Revolution zu benennen. Selbst Toussaints medizinische Fähigkeiten fanden Anerkennung, da sich sein Name auch mit der Versorgung verwundeter Soldaten verband. Als 1863 in Alexandria, Virginia, von befreiten schwarzen Sklaven ein Lazarett für schwarze Verwundete errichtet wurde, erhielt es den Namen «L’Ouverture Branch Hospital».76 In seiner später erschienenen Chronik der Rolle schwarzer Soldaten im Bürgerkrieg wies George Washington Williams auf einen zentralen Zusammenhang zwischen der Haitianischen Revolution und dem Amerikanischen Bürgerkrieg hin: Beide hatten das Ende der Sklaverei zum Ziel, so dass er die Befreiung der Sklaven in den Vereinigten Staaten als eine Fortsetzung von Toussaints Werk ansah.77 Ende des 19. Jahrhunderts waren Toussaint und die Haitianische Revolution bedeutende Symbole für Befreiungsbwegungen geworden, die nah und fern, vom Atlantik bis zu Mâori-Gemeinschaften in Neuseeland, Männer und Frauen inspirierten: 1863 verglich eine neuseeländische Zeitung den Kampf der Mâori, die ihre Rechte von den europäischen Siedlern zurückforderten, mit den haitianischen Revolutionären
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während ihres Unabhängigkeitskriegs.78 Während des kubanischen Unabhängigkeitskriegs (1895–98) wurde Toussaints Beispiel oft heraufbeschworen, insbesondere wurde er mit Antonio Maceo verglichen, einem Volkshelden, der in den Vereinigten Staaten als der «kubanische Toussaint Louverture» bekannt wurde.79 Zur gleichen Zeit bildeten die Ereignisse in Saint-Domingue für Progressive einen historischen Referenzpunkt, um die internationale Politik neu zu überdenken, während sie schwarze Intellektuelle bestärkten, die rassistische Ordnung der Welt zunehmend in Frage zu stellen.80 Der positivistische haitianische Intellektuelle Anténor Firmin entkräftete das einflussreiche Pamphlet von Arthur de Gobineau über die Überlegenheit der «weißen Rasse», indem er Toussaint Louvertures Leben und Erfolge als unwiderleglichen Beweis für die Gleichheit der «Rassen» ins Feld führte.81 Während sich die Ideologie einer angeblichen Überlegenheit der «weißen Rasse» in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts immer mehr verfestigte, führten kritische Stimmen unter anderem Toussaints Legende als Beispiel für den schwarzen Beitrag zur globalen Zivilisation an. Wenige Exponenten dieses Gegen-Narrativs waren so eloquent wie der afroamerikanische Abolitionist Frederick Douglass. Als einer der größten Redner seiner Generation war Douglass besonders berufen, über die welthistorische Bedeutung von Haiti zu sprechen. Die epische Geschichte von Saint-Domingue fesselte ihn sein ganzes Leben lang, und er blieb bis zum Ende ein glühender Verehrer von Toussaint Louverture. Er lebte zwischen 1889 und 1891 als amerikanischer Generalkonsul in Haiti und wurde dann von der haitianischen Regierung als Leiter ihres Pavillons auf der Weltausstellung in Chicago 1893 betraut – wo unter anderem an prominenter Stelle eine Büste von Toussaint zu sehen war.82 In seinen Reden erinnerte Douglass sein Publikum daran, dass zur Zeit der Revolution von Saint-Domingue «auf allen Nachbarinseln die Sklaverei herrschte» und dass «Saint-Domingue sich gegen die christliche Welt stellte und die christliche Welt gegen Saint-Domingue stand». Die Freiheit auf Haiti war der Insel «nicht als Gunst geschenkt worden», sondern musste «als Recht erkämpft werden» – vor allem gegen die «tapferen und erfahrenen Krieger», die Napoleon entsendet hatte.83 Douglass kritisierte unverblümt die westliche Welt, die die haitianische Geschichte totschwieg, und hob hervor, dass die Maßstäbe, nach denen Revolutionen international beurteilt wurden, sehr stark von rassistischen Erwägungen abhingen. Deswegen wurde George Washington für seinen
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Freiheitskampf weltweit gefeiert, während der Freiheitskampf von SaintDomingue mit Schweigen übergangen – oder, schlimmer noch, als barbarisch verurteilt wurde. Dass es keine «Mamorstatuen» gab, die an die schwarzen Revolutionäre erinnerten, war kein Zufall: «Farbe und Rasse machen den ganzen Unterschied.» Douglass sah in Haiti viele «Büsten und Porträts» von Toussaint und betonte, er sei «ein Vollblut-Schwarzer» gewesen; doch Toussaint genoss unter den Eliten Haitis, wie er feststellte, nicht das hohe Ansehen, das ihm gebührte. Sie warfen ihm vor, «zu französisch» zu sein, obwohl sie sich selbst französische Manierismen und Sitten angewöhnt hatten, ein klassisches Beispiel jener Art neokolonialer Entfremdung, die Frantz Fanon später «weiße Masken» nennen sollte.84 Das Zentrum der großartigen Haitianischen Revolution bildete laut Douglass Toussaint, eine «einzigartige Gestalt», die für sich alleine stehe und «ohne Beispiel» sei (bei der ersten Erwähnung seines Namens notierte der Stenograph der Chicagoer Rede «lange anhaltenden Applaus»). Durch seine außergewöhnliche Führung habe er die schwarzen Sklaven der Kolonie in gefürchtete Kämpfer verwandelt. Dies erreichte er durch die schiere Wucht seiner Persönlichkeit: «Der Einsatz und die Tapferkeit seiner Soldaten gingen von ihm selber aus.» Dass er sein Volk dazu brachte, an sich selbst und an die große Sache der Freiheit zu glauben, und zwar trotz seiner eigenen Herkunft als Sklave, war ein weiteres Zeugnis für seine Größe. Auch deshalb war Toussaint ein Vorbild, weil er inmitten all der Revolutionsschrecken am Ideal der Barmherzigkeit festhielt und seine gesamte Energie darauf konzentrierte, eine funktionierende Verwaltung und Gesellschaftsordnung in der Kolonie zu etablieren. Vor allen Dingen waren Toussaints Leben und Erfolge angetrieben von einer «Botschaft an die ganze weiße Welt», den moralischen Imperativ der Sklavenbefreiung durchzusetzen. «Die Sklaverei in der christlichen Welt wurde durch niemanden so sehr erschüttert wie durch ihn.»85 Damit kam Douglass auf den allgemeineren Beitrag der Haitianer zur globalen Zivilisation zu sprechen. Obgleich Haiti im Lauf des 19. Jahrhunderts keinen sonderlichen Wohlstand erreicht hatte und von politischer Spaltung und sozialem Elend geplagt blieb, hatte der haitianische Staat dennoch einen transformativen Einfluss auf die Weltläufte. Die Griechen hatten der Menschheit die Schönheit der Philosophie geschenkt und Rom die Liebe zu den Gesetzen; Britanniens kommer-
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zieller Geist hatte die Meere beherrscht, während die Deutschen der Welt das Denken beibrachten; Amerika hatte das Ideal der modernen demokratischen Regierungsform in die Welt gesetzt (für die Franzosen gab es offenbar keinen Platz in dieser Hitparade welthistorischer Glanzleistungen). Haitis zukunftsweisender Beitrag war sein Verdienst «um die universelle Freiheit». Denn die Revolutionäre von Saint-Domingue hatten nicht nur für sich selbst gekämpft: «Verbunden durch ihre Rasse kämpften sie für ihre Freiheit und damit für die Freiheit jedes schwarzen Menschen in der Welt.» Die haitianische Revolution hatte sich als «die wahre Pioniertat der Emanzipation im 19. Jahrhundert» erwiesen.»86 Dank der Bemühungen von Douglass und nachfolgender Generationen von Schriftstellern, Journalisten, Publizisten und Predigern war die Resonanz auf Toussaint Louvertures Legende in der afroamerikanischen Kultur gewaltig. Er wurde als Vorbild gefeiert, das die Eigenschaften «Führungsstärke, Unabhängigkeit und Opferbereitschaft» beispielhaft verkörpere.87 Eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung dieses Idealtypus spielte die Presse. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sangen schwarze und fortschrittliche Zeitungen in Washington, New York, San Francisco und Chicago, aber auch in kleineren Städten in Ohio, North- und South Carolina, Oregon, Indiana, Utah, Kentucky, Louisiana, Minnesota und Montana das Loblied auf den «Black Spartacus» und führten seinen Namen in Abrissen der modernen Weltgeschichte auf, wobei auch die grundlegende Bedeutung der Haitianischen Revolution gebührend gewürdigt wurde.88 Zeitungsartikel enthielten Zitate von ihm, vor allem sein Wort vom «Baum der Freiheit» (der in verschiedenen Variationen auftauchte),89 sowie Geschichten über seine Heldentaten, die von schlichten Zusammenfassungen seiner revolutionären Aktivitäten bis zur Fortsetzungsserie über sein Leben und seine Triumphe reichten.90 Sein Name wurde (mit Apostroph) afroamerikanischen Kindern gegeben, denn er symbolisierte «die Quintessenz der Verlässlichkeit», wie im Fall von Toussaint L’Ouverture Lambert, einem Angestellten des Postdiensts in Detroit, der «in seinen fünfzig Dienstjahren keinen einzigen Arbeitstag versäumte».91 Toussaint wurde auch Namenspatron einer Reihe politischer, künstlerischer und kultureller Gesellschaften. Die Toussaint Louverture Literary Society in St. Paul, Minnesota, war zum Beispiel eine irische Fraternität, die historische Verbindungen zwischen der Irischen und der Haitianischen Revolution hochhielt;92 in ähnlichem Geist fand 1915 die Kundgebung einer in Washington ansässigen Organisation
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namens «The Knights of Toussaint Louverture» statt, auf der gegen die Annahme der Segregationsgesetze im District of Columbia protestiert wurde.93 Ein Film über Toussaint, «Der Abraham Lincoln von Haiti», wurde 1920 von Clarence E. Muse geschrieben, produziert und inszeniert, der später einer der führenden afroamerikanischen Filmstars seiner Generation wurde.94 Bilder von Toussaint verbreiteten sich in den gesamten Vereinigten Staaten: Drucke mit seinem Konterfei wurden verkauft, bei Gedenkanlässen ausgestellt und von Handelsfirmen benutzt, um Zeitungen, Bücher, Uhren, Versicherungen und sogar Bier an den Mann zu bringen: 1940 veröffentlichte die in Michigan ansässige Pfeiffer-Brauerei in der Detroit Tribune eine große Anzeige, die Toussaint als «inspirierenden Namen in der Geschichte der Schwarzen» feierte. Dazu gehörte eine hübsche Zeichnung von ihm und darunter die Zeile von Wendell Phillips: «Soldat, Staatsmann, Märtyrer.»95 Während seiner Zeit als Konsul wurde Douglass Zeuge der aggressiven Vorgehensweise, mit der amerikanische militärische und wirtschaftliche Interessen in Haiti durchgesetzt werden sollten. Er warnte vor denjenigen seiner Landsleute, die versuchten, das Land in ein amerikanisches «Protektorat» zu verwandeln. Die Verteidiger dieser neo-imperialistischen Politik obsiegten schließlich, so dass Präsident Woodrow Wilson 1915 den Befehl zum Einmarsch in Haiti gab, womit eine brutale Besetzung der Insel begann, die beinahe zwei Jahrzehnte andauerte und in schreiendem Widerspruch zu Wilsons hochtönender Rhetorik vom Recht auf nationale Selbstbestimmung stand. Während dieser Jahre wurde Haiti zu einem regelrechten Vasallenstaat und büßte seine wirtschaftliche und politische Souveränität ein: Sein Parlament wurde aufgelöst und zwangsweise eine neue Verfassung erlassen, die zum ersten Mal Ausländern das Recht auf Landbesitz zuerkannte; die Rassensegregation nach US-Vorbild wurde eingeführt und jeder Volksprotest gewaltsam unterdrückt.96 Während sich sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Haiti Widerstand gegen die amerikanische Militärokkupation zu formieren begann, verband dieser sich häufig mit dem Namen Toussaints. Der radikale Internationalist Hubert Harrison verurteilte 1920 die Invasion in der Negro World und forderte seine schwarzen Mitbürger auf, nicht zuzulassen, dass «das Land von L’Ouverture wie eine geknickte Blume unter den Füßen der Schweine» zu liegen komme.97 In Haiti führte der
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Im Jahre 1940 veröffentlichte die in Michigan ansässige Brauerei Pfeiffer eine große Annonce, die Toussaints entscheidende Rolle bei der Erlangung der Haitianischen Unabhängigkeit feierte. Neben einem stattlichen Bild von ihm steht das Zitat von Wendell Phillips: «Soldat, Staatsmann, Märtyrer.»
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Widerstand gegen die amerikanische Präsenz im Dezember 1923 zur Gründung der Société d’Histoire et de Géographie Haïtienne, in der sich die Intellektuellen der Nation mit der Absicht zusammentaten, Haitis besonderes kulturelles Erbe, das in seiner afrikanischen Herkunft wurzelte, zu bekräftigen und zu pflegen; zu ihren Gründern gehörten Jean PriceMars, Dantès Bellegarde und Alfred Nemours.98 Bezeichnenderweise war ihr erster Präsident Horace Pauléus Sannon, Haitis führender Toussaint Louverture-Spezialist. Bei der ersten Zusammenkunft der Gesellschaft im März 1924 erkannte Sannon ausdrücklich im Studium von Helden der Vergangenheit eine Inspirationsquelle für den kollektiven Widerstand gegen die amerikanische Okkupation: «In Krisenzeiten schauen alle Völker zurück, um in ihrer Geschichte Beispiele für einen kollektiven Patriotismus zu finden.»99 Der dritte Band von Sannons Toussaint-Biografie, publiziert 1933 auf dem Höhepunkt der amerikanischen Besetzung, handelt von der französischen Invasion in SaintDomingue und endet mit der Erklärung der Haitianischen Unabhängigkeit, ein deutlicher Hinweis darauf, zu was sein Volk angesichts einer «blutigen und verhassten Unterdrückung» in der Lage war.100 Geschichtsunterricht als Mittel, um die schwarze Bevölkerung von einem «unterwürfigen Bewusstsein» zu befreien, stand auch im Zentrum der Arbeit des jamaikanischen Politikers und Pan-Afrikanisten Marcus Garvey. Um den Stolz von Männern und Frauen afrikanischer Abstammung zu wecken, beschwor er die Größe der äthiopischen Herrscher und der Zulu-Krieger sowie die Aufstände regimekritischer Sklaven. 1920 erklärte Garvey, der nächste globale Konflikt werde ein «Rassenkrieg», der von einem «neuen Toussaint Louverture der schwarzen Rasse» angeführt werde, an der Spitze einer «400 Millionen Mann starken Armee, um einen Afrikanischen Imperialismus und einen Afrikanischen Nationalismus ins Leben zu rufen.»101 Garvey reservierte in seinem Pantheon stets einen speziellen Platz für Toussaint, dessen «Brillanz als Soldat und Staatsmann Cromwell, Napoleon und Washington überstrahlte».102 Als sich in der Zwischenkriegszeit die internationale kommunistische Bewegung entwickelte, wurde der Revolutionär von Saint-Domingue auch von marxistischen Intellektuellen vereinnahmt, um ein radikal anderes Heldenideal zu verkörpern. Der westindische radikale Aktivist Cyril Briggs behauptete 1929, Toussaint gehöre einer historischen Ahnenreihe von «Märtyrern des Weltproletariats» an und sei eine Inspiration für «den gegenwärtigen Kampf gegen die herrschende Klasse».103
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Ein Jahr später kam ein junger Afroamerikaner namens Jacob Lawrence mit seiner Familie in Harlem an. Er war dreizehn Jahre alt und träumte davon, Künstler zu werden. Als Jugendlicher hörte er Redner, die in den Kirchen, Schulen, Vereinen und auf den Straßen in seiner Nachbarschaft von den Errungenschaften bedeutender Schwarzer sprachen. Durch diese volkstümliche Bildung lernte er das Leben von Nat Turner, Denmark Vesey, Fredrick Douglass, W. E. B. Du Bois und Marcus Garvey kennen, und sie wurden für ihn zu Idolen. Doch die Gestalt, die seine Phantasie am meisten fesselte, war Toussaint Louverture, dessen Geschichte er zuerst bei einem Vortrag im YMCA in Harlem kennenlernte. Er war so tief beeindruckt, dass er ihm sein erstes großes Werk widmete. Erstmals 1939 in Baltimore ausgestellt, wurden Lawrences 41 Bilder von Toussaint und der Revolution in Saint-Domingue eines der Monumente moderner politischer Ikonographie. Die Bilder tragen kurze Untertitel, die zusammen die Geschichte der Haitianischen Revolution von der Einführung der Sklaverei bis zu Toussaints militärischen und politischen Erfolgen und dem Haitianischen Unabhängigkeitskrieg erzählen. Sein übergeordnetes Ziel, wie Lawrence später erklärte, war es, am Beispiel der Haitianischen Revolution die «wirtschaftliche und rassistische Sklaverei» der Gegenwart zu geißeln.104 Mit ihrer faszinierenden Modernität, den einfachen Linien, dynamischen Farben und der kraftvollen Darstellung der rohen revolutionären Energie, insbesondere in den sechs Reiterporträts von Toussaint, bezeichnen Lawrences Gemälde in gewissem Sinne den Höhepunkt der heroischen Louverture-Legende. Lawrences Genie gelingt es, uns einen Eindruck davon zu vermitteln, wie Toussaint vom frühen 19. Jahrhundert an von Generationen schwarzer Männer und Frauen diesseits und jenseits des Atlantiks gesehen wurde. Zugleich verorteten die Gemälde und ihre Titel Toussaint in den aufkommenden emanzipatorischen Traditionen panafrikanischer Politik. Der Toussaint von Lawrence war durch und durch ein Sohn Haitis, aber ebenso ein karibischer Internationalist, geprägt von den Veränderungen in Amerika und Frankreich; ein Mann der Tat, aber ebenso ein Denker, der die verschiedenen Schritte seiner politischen Interventionen sorgsam plante; ein außergewöhnliches Genie, aber zugleich ein Kommandeur, der die Fähigkeiten seiner Untergebenen zu nutzen wusste; eine einzigartige Gestalt, aber ebenso ein Anführer, der seine Kraft aus der kollektiven Energie des Volks von Saint-Domingue bezog; ein grimmiger Krieger, aber ebenso ein tole-
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ranter und humaner Regierungschef. Der Titel unter dem letzten, eindrucksvollen Bild von Dessalines zog einen kritischen Vergleich zwischen dessen diktatorischem Stil und der «eher liberalen Führung», die Toussaint verkörperte.105 Lawrences Toussaint-Serie erschien, als eine weitere bedeutende historische Entwicklung Gestalt annahm: das anti-imperialistische Bewusstsein und die Entstehung von Unabhängigkeitsbewegungen in der gesamten kolonialen Welt. Als dieser Kampf in den 1930er Jahren an Dynamik gewann, half das Beispiel von Toussaint und der Haitianischen Revolution, der fortwährenden Behauptung entgegenzutreten, Untertanen in den Kolonien seien gar nicht dazu fähig, sich selbst zu regieren. Seine heroische Gestalt wurde auch herangezogen, um die inzwischen allgemein akzeptierte Ansicht des Westens über die Abschaffung der Sklaverei zu bestreiten: dass sie nämlich im Wesentlichen das Ergebnis europäisch-humanitärer Wohltätigkeit gewesen sei. Anhand des Falls von Haiti wurde dokumentiert, dass die Befreiung durch den Kampf der Sklaven selbst errungen worden war – ein Beispiel, das zweifellos Vorbildwirkung für das Streben nach Selbstbestimmung und kollektiver Selbstermächtigung der kolonisierten Völker hatte. All diese Dimensionen des Antikolonialismus vereinigten sich im Werk des marxistischen trinidadischen Intellektuellen C. L. R. James. In einem Aufsatz aus dem Jahre 1933 prangerte er die fortgesetzte Existenz der Sklaverei in Teilen des Britischen Weltreichs an, ein Jahrhundert nach der formellen Erlassung des Abolition Act im House of Commons.106 Ein Jahr vor der Veröffentlichung von The Black Jacobins, seiner bahnbrechenden politischen Biografie über Toussaint Louverture, schrieb James ein Theaterstück in drei Akten über ihn. Es wurde 1936 in Londons Westminster Theatre uraufgeführt, wobei sein Freund, der radikale afroamerikanische Schauspieler und Sänger Paul Robeson, der Toussaint schon seit der High School verehrte, die Hauptrolle spielte.107 Während es die autoritären Aspekte von Toussaints Herrschaft und seine Abneigung gegen einen Bruch mit Frankreich durchaus kritisch thematisierte, war es doch eine Hommage an ihn und den beherzten Geist seines Volks, zusammengefasst in den Worten, die James Toussaint in den Mund legte, als er sich seinen französischen Häschern gegenübersieht: «Ihr könnt eine Armee besiegen, aber nicht ein bewaffnetes Volk.»108 Das Stück fasste auf diese Weise die Quintessenz der laufenden Diskussionen über
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Schwarzenbefreiung und Antikolonialismus unter karibischen, afroamerikanischen und panafrikanischen Progressiven zusammen. Toussaints Anziehungskraft für die antikolonialistischen Bewegungen nahm nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal zu. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür war Robeson, der für die Bürgerrechte der Afroamerikaner kämpfte und nationale Befreiungskriege gegen europäische imperialistische Mächte unterstützte. 1954, gerade als Fidel Castro Toussaint als modernen Spartakus bezeichnete, stellte Robeson einen direkten Vergleich zwischen dem Kampf der Haitianer und dem der Vietnamesen an: Nach der Niederlage der französischen Kolonialarmee gegen die vietnamesischen Streitkräfte in der Schlacht um Dien Bien Phu beschrieb er den Revolutionsführer Ho Chi Minh als «den Toussaint von Vietnam». Robeson warnte in weiser Voraussicht vor einer amerikanischen Intervention und forderte die Afroamerikaner auf, nicht die Sache des «weißen Imperialismus»zu unterstützen.109 Etwa zur gleichen Zeit nahm der chilenische Dichter Pablo Neruda Toussaint Louverture in seine epische Hommage an die lateinamerikanischen Freiheitshelden, seinen Canto General, auf: er beschrieb Toussaint so: «(er) greift an, er sperrt den Durchmarsch, steigt empor, / befiehlt, vertreibt den Feind, bietet Trotz / wie ein geborener Herrscher». Und so pries er sein flammendes revolutionäres Vermächtnis: «Auf seiner Insel aber glühen die Klippen / reden die verborgenen Äste, teilen sich die Hoffnungen mit.»110 Toussaint und die Haitianische Revolution spielten auch in den Werken früher afrikanischer antikolonialistischer Autoren eine Rolle, wie etwa bei dem angolanischen Dichter Viriato da Cruz, dessen Gedicht «Mamă Negra» Toussaint als globales Symbol für Widerstand und Rebellion anführt, neben kubanischen Sklaven und Jazzmusikern. Diese Präsenz kam noch stärker zur Geltung in der antikolonialistischen panafrikanischen kulturellen Bewegung, die als négritude bekannt wurde. Sie entwickelte sich unter frankophonen Denkern und Politikern ab den 1930er Jahren und prägte sich unterschiedlich, oft ganz gegensätzlich aus: Zum Beispiel erwähnte Léopold Sédar Senghor, einer der intellektuellen Gründer der négritude, Saint-Domingue kaum je in seinen Werken, auch wenn er in seinem 1948 erschienenen «Prière pour la paix» «das geliebte Haiti, das im Angesicht des Tyrannen die Menschlichkeit auf den Schild hob», als Herz der kolonisierten panafrikanischen Welt bezeichnete.111 Für den Schriftsteller René Depestre, den Mitbegründer der Kommunistischen Partei Haitis, symbolisierte Toussaint Louverture
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den Kampf für die Wiedererstehung eines «freien, blühenden und unabhängigen Haiti» und gegen die brutale Diktatur von François Duvalier, besser bekannt als «Papa Doc», der das Land zwischen 1957 und 1971 despotisch regierte.112 Manche Autoren in der Tradition der négritude bezogen sich auf Toussaint, um die politischen und kulturellen Spannungen innerhalb der kolonialen Befreiung zu reflektieren. In seinem Theaterstück Monsieur Toussaint, das 1961 auf dem Höhepunkt des algerischen Befreiungskampfs uraufgeführt wurde, stellte sich der aus Martinique stammende Dichter Édouard Glissant Toussaint in seiner französischen Kerkerzelle vor, wie er über Raum und Zeit hinweg mit Personen sprach, die er in seinem Leben kennengelernt hatte, von Makandal über Bayon de Libertat zu Laveaux, Rigaud, Moyse und seinem eigenen Nachfolger Dessalines. Indem er die physische Grenze zwischen Frankreich und SaintDomingue aufhob, befreite Glissant den Gefangenen aus den engen Kerkermauern; durch seine Gespräche mit den Toten nahm er noch einmal Verbindung mit den kulturellen Traditionen Haitis und seinen kreolischen und afrikanischen Wurzeln auf. Diese «prophetische Vision der Vergangenheit» war das Herzstück von Glissants Ideal der négritude als Beispiel einer intellektuellen Befreiung, in der verlorene oder vergessene Geschichten durch kolonisierte Menschen auf kreative Weise wiederbelebt wurden.113 Doch zumindest für Glissants Toussaint öffnete diese Heimreise in die Vergangenheit nur ein tieferes Paradoxon, da der tragische Held, obgleich aus seiner Zelle befreit, doch gefangen bleibt im Konflikt zwischen seiner Loyalität zu Frankreich und der Verteidigung der Interessen seines Volks. Dieser existenzielle Widerspruch wurde noch intensiver in dem Stück Îles de Tempête (1973) des Ivorer Theaterautors Bernard Dadié beleuchtet, das mit einem einfühlsamen Porträt Toussaints beginnt, ihn dann aber wegen seiner materiellen und intellektuellen Abhängigkeit von Frankreich schmäht. Für Dadié waren die eigentlichen Helden der Haitianischen Revolution Dessalines und Moyse, die beide die Ansicht vertraten, dass Toussaints Vertrauen auf die weißen Siedler und sein Festhalten an engen kolonialen Bindungen zu Frankreich nur in die Katastrophe führen konnten. An einer Stelle des Stücks lehnt Moyse sich in einer Frage, die das postkolonialistische Dilemma sichtbar macht, offen gegen seinen Onkel auf: «Wann werden wir je aufhören, immerzu auf Europa zu starren.»114
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Diese übermäßige – und naive – Europhilie wurde Toussaint von einigen seiner schwarzen Kritiker sowohl in der Diaspora als auch in Haiti zur Last gelegt. Der Denker, der ihn am energischsten gegen solche Vorwürfe verteidigte, war passenderweise der Mann, der die Idee der négritude ins Leben gerufen hatte: Aimé Césaire, der radikale Dichter aus Martinique. Die Revolution von Saint-Domingue war für ihn das entscheidende Ereignis in der modernen Geschichte der Karibik, und er wurde nicht müde, sie in seinen Stücken, Essays und Gedichten zu besingen – besonders eindrucksvoll in seinem Cahier d’un retour au pays natal (1939), wo er Haiti als den Ort beschreibt, an dem «die négritude sich zum ersten Mal erhob und auf ihrem Menschsein bestand».115 In einer der berühmtesten Passagen dieses Gedichts kommt er eindringlich auf Toussaint in seiner Kerkerzelle zu sprechen, der, «gefangen von der Blässe (whiteness)», zugleich den «weißen Schreien eines weißen Todes» trotzt.116 Dank Toussaint wurde Césaire sich der brutalen Realität des französischen Rassismus in den Kolonien bewusst, vor allem auch, als er 1945 seine Parti Progressiste in Martinique gründete. Später notierte er, es sei nicht sein Wunsch gewesen, die politische Arena zu betreten, aber er habe wie Toussaint Anfang der 1790er Jahre das Gefühl gehabt, dass die Ereignisse ihm keine Wahl ließen.117 Toussaint und die Haitianische Revolution bildeten den Hintergrund zu Césaires Discours sur le colonialisme (1950), einer der ersten umfassenden modernen kritischen Auseinandersetzungen mit dem Kolonialismus, in der er viele Kernthemen vorwegnahm, die später von postkolonialistischen Denkern wie Frantz Fanon und Edward Said entwickelt wurden, insbesondere die entzivilisierende Wirkung des Kolonialismus auf indigene Völker. Césaire verbindet all diese historischen, persönlichen und philosophischen Elemente in seinem 1960 erschienenen Essay über Toussaint und die Haitianische Revolution. Diese mitreißende Darstellung war eine Erwiderung auf Black Jacobins von C. L. R. James, der die Haitianische Revolution vor allem als Folgeerscheinung ihres französischen Vorläufers interpretierte. Für Césaire war die Revolution in Saint Domingue zwar ursprünglich von den Ereignissen in Frankreich beeinflusst, fand jedoch «nach eigenen Gesetzen und mit eigener Zielsetzung» statt; es war eine «koloniale Form der Revolution».118 Dieser Unterschied resultierte aus der «Rassen»-Dimension, die Césaire gründlich analysierte, wobei er die widersprüchliche und heuchlerische Haltung der französischen Revolutionäre (darunter
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die Robespierres und der Montagnards) zur schwarzen Emanzipation hervorhob. Vor allem griff er die Ausarbeitung einer «republikanischen» Version des Code Noir von 1793 an, die, wie er sarkastisch anmerkte, «eine sehr interessante Lektüre» sei.119 Obgleich er manchen Aspekten von Toussaints Führung kritisch gegenüberstand, wie zum Beispiel der Militarisierung der Politik, erkannte Césaire Toussaints Leistung uneingeschränkt an. Für ihn war er der Gründungsvater der haitianischen Unabhängigkeit, der Dessalines den Weg ebnete, ein Staatsgründer, der das Selbstbewusstsein seines Volks weckte, und ein Märtyrer, der sich sehenden Auges für das übergeordnete Allgemeinwohl opferte. Seine «Größe» lag in seiner zielstrebigen Hingabe an die Befreiung seines Volks – und zwar aller «Rassen» und Ethnien zusammen.120 Nachdem er mit Erfolg die «Ontologie» das Kolonialismus zerstört hatte, die Idee also, dass Weiße selbstverständlich zur Herrschaft berufen und Schwarze von Natur aus minderwertig seien, war Louverture «der erste große antikolonialistische Anführer, den die Welt je sah.»121 Césaire ging auch auf den Vorwurf ein, Toussaint sei zu nah an Frankreich geblieben (eine Kritik, die häufig an Césaire selbst geübt wurde, der sich nicht für die Unabhängigkeit von Martinique einsetzen wollte). Als Führer hatte Toussaint die Prinzipien von Freiheit und Gleichheit «verinnerlicht» und nutzte geschickt die verfügbaren kulturellen Ressourcen, um die Sklaven für die Sache der Revolution zu gewinnen – daher seine Neigung zu karibischen und monarchistischen Idealen, die Césaire vehement verteidigt.122 Zugegeben, seine Verfassung von 1801 enthielt nicht den magischen Begriff «Unabhängigkeit», aber das diente dazu, eine französische Invasion zu verhindern – und gründete nicht in «irgendeiner schwarzen Neigung zur Diktatur», wie Toussaints Gegner oft behauptet hatten. Vielmehr war seine Verfassung ein «wertvoller Beitrag zur modernen Politikwissenschaft», denn sie bildete den ersten Versuch, eine Theorie imperialistischer Herrschaft zu formulieren, die es den Kolonien ermöglichte, ihre eigenen Gesetze und Institutionen zu entwickeln, während sie rechtlich an Frankreich gebunden blieben. Toussaints «brillante Intuition» nahm damit die Idee eines «französischen Commonwealth» vorweg, in dem sich die Kolonien organisch und friedlich zur Selbstverwaltung hin entwickeln konnten. Ein Nachteil nur, dass er damit um 150 Jahre seiner Zeit voraus war. Toussaint war – und dies ist ein zutreffendes Epitaph – ein Wegbereiter moderner emanzipatorischer Politik.123
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Sklaven und Freigelassene, Künstler und Staatsmänner, Hafenarbeiter und öffentlich wirksame Intellektuelle, schwarze Nationalisten und Vertreter des Panafrikanismus, utopische Rebellen und ordnungsliebende Konservative, temperamentvolle kubanische Arbeiter und verträumte irische Poeten: Toussaint Louvertures Legende fand ein schwindelerregend großes Publikum, sie verbreitete sich in der ganzen atlantischen Welt und darüber hinaus und regte neue Arten des politischen Denkens an, während sie zugleich in unterschiedlichster Weise von lokalen Befreiungskämpfen aufgenommen wurde. In engeren gesellschaftlichen Zusammenhängen diente Toussaints Geschichte auch als Lehrbeispiel für tugendhaftes Verhalten. Die Literaturtheoretikerin Cora Kaplan, die über ihre Kindheit in den Vereinigten Staaten als Tochter engagierter jüdischer Intellektueller in den 1940er und 1950er Jahren schrieb, erinnerte sich an die «Hausgötter», die in der Familie als säkulare Helden verehrt wurden: Die Liste umfasste William Shakespeare, Ludwig van Beethoven, Thomas Paine, Karl Marx, Frederick Douglass, Eleanor Roosevelt – und Toussaint Louverture.124 Toussaints Legende zeigte in ihrer Unverwüstlichkeit, ihrer ständigen Anpassungs- und Erneuerungsfähigkeit die klassischen Züge des modernen politischen Heldentums. Er verkörperte den großen Feldherrn, den von der Vorsehung gesandten Anführer, den Gründungsvater, den Weisen (mit mehr als nur einer Prise karibischem Supranaturalismus), den nationalen Befreier und heiligmäßigen Märtyrer. Ironischerweise ähnelt seine Legende der seines Erzfeinds Napoleon Bonaparte: Im frühen 19. Jahrhundert wurden beide Männer häufig miteinander verglichen, und Denis Volozans klassizistisches Gemälde von Louverture zu Pferde wies stilistisch eine gewisse Verwandtschaft mit Jacques-Louis Davids Darstellung von Napoleon bei der Alpenüberquerung auf. Überschneidungen gibt es auch bei ihrer beider Herkunft von einer Insel, in ihrem Image als Retter, in ihrer rassistischen und monströsen Dämonisierung und in ihrem tragischen Ende in der Verbannung an gleichermaßen verlassenen Orten – mit der zusätzlichen poetischen Gerechtigkeit, dass Napoleons erniedrigende Behandlung durch die Briten sich in seiner eigenen Unmenschlichkeit gegenüber Toussaint spiegelte, bis hin zu der Anweisung, man solle ihn nicht mit seinem Titel anreden.125 Es gibt auch verblüffende Parallelen zwischen den beiden Männern im Hinblick auf ihre posthume Auferstehung und ihre damit verbundene globale Wirkung sowie auf ihre ungelöste Beziehung zu ihrem
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jeweiligen Heimatland, denn manche Haitianer und Korsen sind der Meinung, Toussaint und Napoleon hätten sich zu weit von ihren Wurzeln entfernt. Ein genauerer Vergleich enthüllt jedoch drei große Unterschiede, die noch einmal die Besonderheit von Toussaints Legende deutlich machen. Erstens gründete Napoleons Mythos in seiner radikalen Selbstneuerfindung im Mémorial de Sainte-Hélène, wo er seine Gespräche mit dem Herausgeber Las Cases dazu nutzte, sich als treuen Schüler der Revolution, als Vater des modernen Nationalismus und (höchst befremdlich) als Mann des Friedens darzustellen. Toussaints Legende basierte zunächst weder auf einer auktorialen Selbstdarstellung noch auf irgendwelchen Primärtexten; selbst sein Mémoire, das von dem haitianischen Historiker Saint-Rémy in den französischen Archiven gefunden und 1853 publiziert wurde, nahm nur einen vergleichsweise geringen Raum in den posthumen Preisliedern ein, die sich um seinen Namen rankten.126 Außerdem hat Napoleons Mythos eine sehr viel größere visuelle Komponente als Toussaints mit all seinen Büsten, Porträts, Abbildungen und Statuen, die eine wesentliche Rolle in der Verbreitung seiner Legende im 19. Jahrhundert spielten, welche ihren Höhepunkt in dem feierlichen Festakt erreichte, der anlässlich der Beisetzung seiner sterblichen Überreste im Invalidendom 1840 begangen wurde. Im Gegensatz dazu beruhte Toussaints Legende in erster Linie auf mündlicher Überlieferung und erhielt – ungeachtet der Druckgrafiken, die Präsident Boyer in Auftrag gegeben hatte – relativ wenig Unterstützung durch staatliche Institutionen oder politische Organisationen. Schließlich stand zwar sowohl bei Napoleon wie bei Toussaint das militärische Genie im Zentrum ihres Mythos, aber beim französischen Kaiser war es das eines Eroberers in der imperialen Tradition von Alexander, Caesar und Karl dem Großen, während Toussaint für einen gerechten Verteidigungskrieg und Volkswiderstand gegen ein Imperium stand – eine Tradition, die er mitbegründet hatte.127 Politische Legenden transportieren immer kollektive Ideale und Werte, und in dieser Hinsicht entfaltete auch Toussaints Vermächtnis große Wirkung. Es half, das zentrale Problem des Rassismus in der globalen Politik zu verankern und mit der Zeit in den Vordergrund zu rücken. Dies stand ursprünglich in Zusammenhang mit den kollektiven Kämpfen für die Sklavenbefreiung im ganzen 19. Jahrhundert (in Kuba wurde die Sklaverei erst 1886 abgeschafft) sowie mit dem späteren Kampf
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gegen eine internationale Ordnung, die die imperialistische und kolonialistische Herrschaft der Siedler legitimierte und den Grundsatz der «Rassen»-Gleichheit mindestens bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bestritt. In diesem Prozess war Toussaint die Inspiration für den ersten schwarzen Champion, unsterblich gemacht von Ralph Ellison in seiner Short Story «Mister Toussan» (1941), in welcher der junge Riley an «so einen afrikanischen Burschen namens Toussan» erinnert, der «Napoleon eins auf die Löffel gegeben hat» und von seinem Versteck in den Bergen aus dessen «weiße Soldaten abgeknallt» und «den weißen Leuten einen Todesschrecken eingejagt» hat.128 Es wird zwar oft gesagt, Toussaints Legende sei von soldatischen Idealen geprägt, doch war diese Männlichkeit keineswegs auf Siege auf dem Schlachtfeld begrenzt. Sie stellte auch tiefsitzende rassistische Stereotypen der westlichen Welt in Frage und half, Schwarzsein (blackness) mit Begriffen wie Intelligenz, gutem Regieren, Mäßigkeit und Vergebung zu verbinden. Sein Vermächtnis spannte eine Brücke zwischen verschiedenen und manchmal widerstreitenden Visionen des Schwarzseins in der modernen Zeit: zwischen Reform und Revolution; Separatismus und Transnationalismus; Karibik und Afrika; Katholizismus und Vodou; Religion und Säkularismus; und Marxismus und Antiimperialismus. Toussaints charismatische Persönlichkeit und seine Fähigkeit, ideologische Gräben zu überbrücken, erklären auch, warum er im Denken des modernen globalen Südens eine solche Rolle spielt. Es lag unübersehbar etwas von Louverture in Frantz Fanons kompromisslosem Streben nach Revolution; in Fidel Castros unbezwingbarer physischer und diskursiver Energie; in Ho Cho Minhs und Yassir Arafats strategischer Kunst und ihrer Fähigkeit, materielle Nachteile in politische Stärke umzuwandeln; und in Nelson Mandelas großmütigem Geist der Versöhnung. Vor allem aber enthielt Toussaints Vermächtnis das historische Narrativ eines gegen die Sklaverei gerichteten Republikanismus, der seinen Ursprung in Saint-Domingues Revolution Ende des 18. Jahrhunderts hatte und sich über den Atlantik ausbreitete. Mit seinen Wurzeln in Gemeinschaften afrikanischer Herkunft und in der Idee der Brüderlichkeit unterschied sich dieses Denken ideologisch von seinen amerikanischen und französischen Varianten. Ein solcher Republikanismus, dessen Geschichte gerade erst in den Blick der Forschung gerät, lag den Kämpfen für die Befreiung der Sklaven im 19. Jahrhundert wie dem Kampf für die
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Der Anführer und sein Mythos
Bürgerrechte in Amerika zugrunde. Später beflügelte er eine Bewegung des Antikolonialismus, die Ideale der Gerechtigkeit und eine Vision der Staatsbürgerschaft vertritt, welche auf gemeinsamen politischen Werten anstatt auf ethnischer Zugehörigkeit basiert und die klassische republikanische Gegnerschaft zu imperialistischer Eroberung und militärischer Okkupation bekräftigt.129
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EI N E I NSPI RATION FÜ R U NSERE ZEIT
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1975 vollendete die schwarze Schriftstellerin Ntozake Shange ihr Versdrama for colored girls who have considered suicide / when the rainbow is enuf. In diesem Werk, inzwischen ein Klassiker des modernen feministischen Theaterrepertoires, diskutieren sieben afroamerikanische Frauen über ihre Erfahrungen mit Sexismus und Rassismus in der Gesellschaft und über ihre Strategien im Umgang damit. Eine der Figuren, die «Frau in Braun», erzählt, welch eine lebensverändernde Umwälzung es für sie bedeutete, als sie als Achtjährige in St. Louis Toussaint Louverture für sich entdeckte. Sie hatte sich für einen Lesewettbewerb in ihrer Bibliothek angemeldet und war begeistert darüber, wie Toussaint Haiti aus der Sklaverei befreit hatte – «mit den Geistern von toten Afrikanern aus der Erde». Da das Buch aber aus der ‹Erwachsenenabteilung› stammte, wurde sie vom Wettbewerb ausgeschlossen. Diese Enttäuschung besiegelte nur die Fixierung auf ihren Helden: «Er war tot, aber für mich hat er gelebt.» Er wurde ihr «geheimer Liebhaber» und Vertrauter und gab ihr Ratschläge, wie sie die weißen Mädchen aus ihren «Hüpfspielen» loswerden konnte. Aus Frustration über ihre Situation beschloss sie, nach Haiti durchzubrennen, traf aber dann einen Jungen, der sich als mindestens gleichwertiger Ersatz herausstellte – und umso mehr, als er «Toussaint Jones» hieß.1 Shanges glänzende Evokation belegt nicht nur das Weiterleben von Toussaints Legende, sondern auch deren erfreuliche Eignung für Neuund Umdichtungen. Das einstige Inbild schwarzer Männlichkeit inspirierte nun eine Feministin der zweiten Generation, die traditionellen Vorstellungen von politischer und kultureller Autorität zu hinterfragen. Während die Bibliothek den Zugang zu Toussaint einschränkte, illustriert die unbekümmerte Inbesitznahme des Helden durch die Erzählerin ihre rebellische Freude an der Grenzübertretung. Diese Identifikation
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befreit Toussaint endlich von dem etwas bleiernen Bild, das frühere Generationen von Männern konstruiert hatten. Hier ist ein Toussaint, der jung, spielerisch, frech und subversiv ist und völlig in Saint-Domingues afrikanischen und Vodou-Traditionen aufgeht. Shanges Toussaint ist ein Aufruf, Schwarzen-Stereotype in Frage zu stellen, die sich in der «monolithischen Idee, alle Menschen seien gleich», ausdrücken. Er ist überdies ein Ansporn, sich gegen intellektuellen Konformismus zu wehren und sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, nicht «herumzusitzen und auf höhere Mächte zu warten» – seien sie weiß oder schwarz.2 In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schwang sich Toussaints Mythos zu neuen Höhen auf. Ähnlich wie in Shanges Stück nahmen Romanautoren, Dichterinnen, Theaterautorinnen, Maler und Musikerinnen sein Leben zum Anlass, um eine große Bandbreite an persönlichen und sogar intimen Themen zu beleuchten. Gleichzeitig wurde er von öffentlichen Institutionen förmlich in den Rang einer globalen Ikone erhoben. Selbstverständlich blieb er ein bedeutendes Symbol für den haitianischen Nationalismus und das Versprechen einer besseren Zukunft: Als der katholische Priester und Befreiungstheologe Jean-Bertrand Aristide 1990 die Präsidentenwahl in Haiti gewann, erschienen im ganzen Land Graffitis von Toussaint (dessen Errungenschaften Aristide feierte).3 Voll jugendlicher Lebenskraft zeigt ihn eine Statue, die in Haut-du-Cap, nahe seinem Geburtsort aufgestellt wurde, und der 200. Jahrestag seiner Verfassung von 1801 wurde unter anderem mit einem Porträt auf der neuen 20-gourde-Banknote gefeiert.4 In ähnlichem Geist entstanden in Miami und Montreal, zwei Städten mit großen haitianischen Kolonien, Porträtbüsten zu seinem Gedenken. Während er in der amerikanischen Diaspora gefeiert wurde, soll eine weit überlebensgroße Statue von Toussaint in der Stadt Allada in Benin den Revolutionsführer für das panafrikanische Erbe reklamieren. Dort plant man auch, ein Museum zu seinen Ehren zu bauen (siehe Tafeln 14 und 16).5 Seine fortschrittlichen Ideale sind nicht vergessen: Eine Büste feiert seine Rolle als Emanzipator und als Befreier seiner Nation in Santiago de Cuba. Eine eindrucksvolle Plastik steht im neuen National Museum of African American Culture in Washington, wo ein lebensgroßer Toussaint, bewaffnet mit einem Exemplar seiner Verfassung, neben Jefferson und einem Haufen Ziegelsteine aufragt, die dessen Sklaven repräsentieren; ebenso wurde Toussaint in Südafrika für die Gallery of Leaders im
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Freedom Park ausgewählt, dem offiziellen Gedenkort für den Kampf gegen die Apartheid.6 Das vielleicht spektakulärste Zeichen für Toussaints Ankunft im Olymp war im April 1998 seine symbolische Aufnahme ins Panthéon, die geheiligte Pariser Heimstatt von Frankreichs bedeutenden Persönlichkeiten. Der einstige Paria von Saint-Domingue war nun offiziell zu einem der grands hommes der Republik gesalbt. Die Gedenktafel preist ihn als «Freiheitskämpfer, Architekten der Sklavenbefreiung und haitianischen Helden» – eine liebenswürdige Ehrung, die aber durchaus etwas von der Begeisterung Shanges vertragen hätte: «TOUSSAINT führte die Zombiearmee / wandelnde Kanonenkugel, Geister erschießend, um Haiti zu befreien.»7 Auch für die Darstellung Toussaints in der Literatur war das 20. Jahrhundert ein Meilenstein. In der literarischen Produktion über die haitianische Revolution dominierten lange Zeit vor allem Bühnenstücke und Gedichte. Zwischen den späten 1790er Jahren und 1975 entstanden nicht weniger als 63 Stücke über Saint-Domingue von Autoren aus Afrika, der Karibik, Europa, Skandinavien und den Vereinigten Staaten.8 Die besten dieser Werke waren anregend, komplex und bühnenwirksam und stellten Toussaint aus gegensätzlichen ideologischen Blickwinkeln dar – in der Regel entschied man sich für die revolutionäre oder die konservative Sichtweise.9 Aber zumeist betrachteten die Autoren die Geschichte Saint-Domingues von außen. Vor allem gaben sie sich kaum Mühe, die Ereignisse empathisch aus der Perspektive der Handelnden selbst zu betrachten – ein literarisches Echo der «Auslöschung», das Michel-Rolph Trouillot als definierende Eigenschaft der Geschichtsschreibung über die Revolution ausgemacht hat.10 Zwei durch ein ganzes Jahrhundert getrennte Beispiele sollen diese Tatsache illustrieren. Alphonse de Lamartines Drama Toussaint Louverture (1850) hatte trotz seines Titels wenig über Toussaints politische und militärische Führungsstärke zu sagen, zu schweigen von den sozialen Umwälzungen, die in den 1790er Jahren in Saint-Domingue stattfanden. Zwar sprach sich das Stück an der Oberfläche für die Gleichwertigkeit der «Rassen» aus, aber es hielt an dem kolonialistischen Mantra der Mitte des 19. Jahrhunderts fest, die Sklaven Saint-Domingues hätten ihre Freiheit der Intervention der französischen Regierung verdankt und nicht ihrer eigenen Leistung – das Stück wurde zwei Jahre nach der
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Abschaffung der Sklaverei durch die zweite Republik im Jahr 1848 geschrieben. Außerdem wimmelt es im Text von paternalistischen Untertönen über die ästhetische und intellektuelle Überlegenheit der Europäer. Lamartines Toussaint ist hässlich und hasst seinen eigenen Körper; die Eigenschaften, die er bewundert – Intelligenz, Mut, Entschiedenheit und Patriotismus – sind allesamt französisch definiert; und er erscheint fixiert auf Napoleon, mit dem er sich zwanghaft vergleicht: «Er ist der Erste der Weißen, ich bin der Erste der Schwarzen.»11 Eine andere, aber nicht weniger abschätzige Perspektive nimmt Alejo Carpentiers El reino de este mundo (1949) ein, einer der berühmtesten modernen Romane über die haitianische Revolution. Im Gegensatz zu Lamartine erzählt Carpentier die Ereignisse aus der Sicht eines schwarzen Sklaven namens Ti Noël. Mit Ausnahme von Christophe und (einmal kurz) Dessalines kommen Saint-Domingues große Führerfiguren kaum in dem Buch vor. Toussaint fehlt vollständig. Ti Noëls Beziehung zur Revolution ist großenteils passiv, und letztlich dient seine Geschichte hauptsächlich dazu, deren Vergeblichkeit zu illustrieren. Carpentier setzt sich ausdrücklich mit der spirituellen Dimension der haitianischen Revolution auseinander. Es gibt einige sehr beredte Passagen über Makandal, den «Herrn des Gifts», der «übermenschliche Kräfte besaß». Ti Noël ist einer seiner Anhänger und nimmt als Vodou-Adept später auch an der Bois-Caïman-Zeremonie teil. Trotz der Emphase, mit der die übersinnlichen Aspekte von Saint-Domingues Sklavenreligion geschildert werden, ist ihre Beschreibung durch Carpentier eigentlich nihilistisch: Sie erweist sich weder als selbstermächtigendes Ideal noch als zumindest besänftigendes Balsam für die Narben der Sklaverei, sondern bleibt eine unbezähmbare, destruktive Kraft. So wird zwar Dessalines’ Sieg über die Franzosen den «Göttern des Pulvers und des Feuers» zugeschrieben, aber die vom Vodou inspirierte Gewaltorgie des Rassenhasses verschlingt schließlich die Revolution selbst, so dass Ti Noël am Ende über ein verwüstetes Land blickt, überwuchert von «Kaktus und Gestrüpp».12 Die nahende Zweihundertjahrfeier der Haitianischen Revolution im Jahre 2004 wirkte als Katalysator für deutlich komplexere Werke der Literatur. Die Bewegung wurde in der Hauptsache von Schriftstellern karibischer Herkunft angeführt, und es war kein Zufall, dass sie mit der Rückkehr der Ikone der Revolution ins Zentrum der Aufmerksamkeit zusammentraf. Einen der bedeutendsten Beiträge zu dieser ToussaintRenaissance lieferte der aus St. Lucia stammende Dichter und Theater-
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autor Derek Walcott. Sein Drama The Haitian Earth über die Revolution wurde 1984 uraufgeführt. Es markiert den Kulminationspunkt einer lebenslangen Beschäftigung mit der Geschichte von Saint-Domingue, die mit seinem Stück Henri Christophe (1950) und dem Historienspiel Drums and Colours (1961) begann. Heldenmut und seine volkstümlichen Archetypen waren ein zentrales Thema für Walcott, und in The Haitian Earth werden sie von Yette, einer jungen mixed-race Frau, und von Pompey, einem schwarzen Sklaventreiber, verkörpert. Ihre tragische und zum Scheitern verurteilte Liebe symbolisiert Toussaints republikanischen Traum einer multiethnischen Gesellschaft in Saint-Domingue. Walcott stellt mehrfach die edlen Ziele des «guten Doktor Toussaint» den narzisstischen Schwächen von Dessalines und Christophe gegenüber (der im Stück die Hinrichtung von Yette befiehlt, weil sie versucht, ihn mit einem Fluch zu belegen).13 Tapfer, mitfühlend und menschlich in seiner Führungsrolle, erscheint Toussaint als der wahre Patriot der Haitianischen Revolution, deren größte Tragödie es ist, dass er verraten und verbannt wurde.14 Es erschienen auch kritische Untersuchungen seiner umstritteneren politischen Entscheidungen. Dies war besonders der Fall in Maryse Condés An Tan Revolisyon (In der Zeit der Revolution), einem Stück über den Kampf gegen die Sklaverei in Guadeloupe und Saint-Domingue, das 1989 uraufgeführt wurde, 200 Jahre nach der Französischen Revolution. Condé rühmt die «erstaunliche Geschichte» Toussaints, des «schwarzen Spartakus», der verstanden hatte, dass er «seine eigenen Karten spielen musste, die Karten des schwarzen Mannes». Doch seine Weigerung, das Land an die Bauern zu verteilen, und sein hartes Regime auf den Plantagen erntet bei Condé scharfe Kritik. Der Geschichtenerzähler im Drama beschreibt ihn als «angsteinflößenden» Anführer und verurteilt seine brutalen Disziplinarmaßnahmen. Dennoch hält Condé, nachdem Toussaint 1802 von Leclercs Soldaten gefangen und deportiert worden und die Sklaverei in Guadeloupe durch die Franzosen wiederhergestellt worden war, dem Louverture’schen Geist zugute, den Widerstand des Volks entfacht zu haben. Einer der Rebellenführer fasst seine inspirierende Rolle folgendermaßen zusammen: «Die Weißen haben Toussaint geholt. Aber es gibt Tausende von Toussaints in Saint-Domingue!»15 Zu den subtilsten literarischen Vergegenwärtigungen gehört Fabienne Pasquets Roman La deuxième mort de Toussaint Louverture (2001), in dem der Revolutionsheld als eine Art loa in seine Zelle in Fort de
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Joux zurückkehrt, die nun, im Jahre 1807 von dem preußischen Dichter und Dramatiker Heinrich von Kleist bewohnt wird. Pasquet, deren Vater Haitianer war, zeichnet einen in seiner Virilität und seinem kulturellen Eklektizismus grandiosen Toussaint. Er nutzt seine Kenntnisse über Heilkräuter, um die Knieverletzung des Gefangenen zu heilen, preist die Heilkräfte der Natur mit amerikanisch-indigenen, afrikanischen und Vodou-Mythen und beginnt einen faszinierenden philosophischen Dialog mit Kleist über den Sinn des Lebens, in dem er Kleists hochtrabende romantische Phantasien etwas dämpft. In einer bemerkenswerten Umkehrung der traditionell hierarchischen Beziehung zwischen der europäischen Aufklärung und ihren kolonialen Untertanen ist es der Weise Toussaint, der eine kathartische Rolle spielt und Kleists jungianischen «Schatten» hervorkitzelt, sein unterdrücktes (und besseres) Selbst. Er flößt Kleist eine bedingungslose Liebe zum Leben ein und vermittelt ihm die Ideale des patriotischen Widerstands, allgemeiner Freiheit und fortschreitender Transformation. Er vergleicht die Revolution mit einem Waldbrand und erklärt: «Damit dieses Feuer eine Flamme der Freiheit werden kann, muss es gehegt und bewacht, stellenweise angefacht und anderswo eingedämmt werden.»16 Fort de Joux, ein beliebter Schauplatz Louverture’schen Gedenkens, dient auch als Kulisse für die fiktive Autobiographie Moi Toussaint Louverture (2004) des haitianischen Romanciers Jean-Claude Fignolé. Auch hier spielt Toussaint die Rolle eines Orakels und projiziert sich selbst in die Zukunft, um sich mit anderen bedeutenden Anführern wie Bismarck, Mao und de Gaulle zu vergleichen. Hier aber finden wir einen schwermütigen Helden, geplagt von Kummer und Bedauern, wenn er seine Laufbahn Revue passieren lässt und die problematische Geschichte seines Geburtslandes im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts bedenkt. Fignolés Held ist am provokativsten in seinen Kommentaren über das heutige Haiti. Er distanziert sich von dem Land, bezeichnet sich als «französischen General» und macht sich lustig über die Idee, die Haitianer gehörten zu einer größeren Gemeinschaft von Menschen afrikanischer Abstammung (beides lässt sich eher als kritischer Kommentar Fignolés zu elitären sozialen Haltungen in Haiti lesen, weniger als Darstellung von Überzeugungen, die der Autor Toussaint zuschreibt). Der Revolutionsheld gesteht einige Fehler ein – insbesondere, dass er dem Laster des «Caesarismus» erlegen sei und zugelassen habe, dass sein Vermächtnis von brutalen Diktatoren wie den Duvaliers vereinnahmt
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wurde. Nach der Diktatur von François regierte dessen Sohn JeanClaude von 1971 bis 1986 das Land als Despot. Besonders dramatisch beklagt er die bürgerliche und moralische Desintegration der haitianischen Gesellschaft. Die Nachkommen der Revolution in Saint-Domingue seien ein «Volk von Schatten» geworden. Aber dieser Untergangsprophet hat nicht gänzlich seinen Humor verloren, als er sich beklagt, er sei nicht zur Einweihung seiner Statue in Benin eingeladen worden.17 In Fignolés faszinierendem Roman zeigt sich die zeitgenössische Resonanz auf den Mythos Toussaint, der auch in Madison Smartt Bells fiktiver Trilogie über die Haitianische Revolution reflektiert wird.18 Der Mythos Toussaint ist sogar, um mit Sartre zu reden, der «horizon indépassable» für die Vorstellungswelt der haitianischen Gegenwartsliteratur geworden. Für Toussaints karibische Bewunderer ist er vor allem ein Symbol, das (zusammen mit Dessalines) die unterschiedlichen Elemente der haitianischen Revolutionstradition vereint,19 gleichzeitig aber auch ein Vorläufer des Ideals der négritude.20 Diese Synthese findet in besonders kraftvoller Weise im Werk des haitianischen Romanciers Jean Métellus Ausdruck, namentlich in seinem Toussaint Louverture, le précurseur, das 2004 erschien und 2014, nach seinem Tod, wieder aufgelegt wurde. Métellus verteidigt vehement Toussaints Vermächtnis, das beispielhaft nicht nur für die Geschichte des Antikolonialismus, sondern auch für heutige Kämpfe gegen Ungerechtigkeit und Rassismus in der südlichen Hemisphäre steht. Der Roman betont Toussaints intellektuelle Originalität und seine Fähigkeit, nahtlos europäische, afrikanische und karibische Einflüsse zu verknüpfen, und befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Mehrheitsmeinung in Haiti. Métellus beschäftigt sich ausführlich mit Toussaints medizinischen Kenntnissen und Fähigkeiten, die in seinem Naturkult gründeten und seine sehr persönliche Form der Spiritualität ausdrückten, eine Spiritualität, die sich aus dem Vodou-Glauben und aus katholischen Werten speiste, sich zugleich aber davon unterschied. Im Schlussteil des Romans – selbstredend in der Zelle im Fort de Joux – bringt Métellus seinen Helden zurück zu diesem Thema mit einer lebendigen, tropisch leuchtenden Beschreibung seines Machiavellismus: «Um diese Freiheit zu gewinnen, die man uns immer verweigerte, wandte ich alle Listen des Tierreichs an: die der Spinne, die ihre Beute in der Falle fängt, die des Fuchses, der seine Opfer hypnotisiert, und die der Schlange, die ihren Angreifer lähmt.»21
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Gleichzeitig mit der Konsolidierung von Toussaints Ruf als eine der großen Gestalten der Karibik stieg auch sein Ruhm in Frankreich in ungeahnte Höhen. Seine Aufnahme ins Pantheon 1998 markiert einen Umschwung in der französischen Geschichtswissenschaft, in der langsam allgemeine Debatten über die Bedeutung der Sklaverei für die jüngere Geschichte Frankreichs einsetzten. Bezeichnend für diesen Prozess war das Taubira-Gesetz, das Sklavenhandel und Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit wertete und im Mai 2001 die französische Nationalversammlung passierte. Wenig später wurde ein Gedenktag (der 10. Mai) für die Sklaverei und ihre Abschaffung eingeführt. Seit 2006 wird dieser journée nationale mit feierlichen Zeremonien an entsprechenden Gedenkstätten in ganz Frankreich begangen sowie mit Initiativen von Bildungseinrichtungen und Kulturvereinigungen, um ein größeres Bewusstsein für die Geschichte der Sklaverei zu entwickeln.22 Ein zentraler Aspekt dieser französischen Bemühungen, die eigene Sklaverei-Historie kritisch aufzuarbeiten, ist das neuerliche Gedenken an die Ikone Saint-Domingues. Toussaint ist inzwischen Namenspatron von Schulen, Straßen, Plätzen und sogar Parkplätzen an zahlreichen Orten, darunter Paris, Bobigny, Saint-Denis, Angers, Poitiers, Montpellier, Clermont-Ferrand, Narbonne und Niort; im Schloss von l’Islede-Noé (Gers), dem ehemaligen Stammsitz der Familie Noé, Besitzer der Bréda-Plantage, gibt es heute eine «Allée Toussaint Louverture», und das Dorf hat ihm 2003 ein Denkmal gesetzt. Die Familie Noé schenkte außerdem dem Musée des Beaux Arts im benachbarten Mirande einen Spazierstock, der angeblich Toussaint gehört haben soll.23 Im selben Jahr enthüllte die Stadt Bordeaux an dem Haus, in dem Isaac Louverture bis zu seinem Tod im Exil 1854 gelebt hatte, eine Gedenktafel und nannte – vielleicht ein wenig unglücklich – eine Sackgasse «Impasse Toussaint Louverture». Im Château de Cormatin in Burgund, wo Étienne Lavaux von 1809 bis zu seinem Tod 1828 lebte, erinnert eine Tafel an seine Freundschaft mit Toussaint Louverture, dem «Anführer des Sklavenaufstands». Die Stadt Nantes, einst Frankreichs größter Hafen für den Sklavenhandel, hat ein Denkmal für die Abschaffung der Sklaverei errichtet und einen Platz nach Toussaint benannt. Denkmäler zu seinen Ehren gibt es mittlerweile an vielen Orten in Frankreich: In Massy in der Region Paris wurde auf einem der wichtigsten Plätze eine Bronzestatue von Toussaint aufgestellt; im Mai 2005 enthüllte die Stadtverwaltung von Grenoble eine Louverture-Plakette am Rathaus, und im selben Jahr
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wurde eine Büste von Toussaint am Ufer der Garonne in Bordeaux errichtet, wo ebenfalls Tausende von Sklaven ver- und gekauft worden waren; seit 2009 hat das dortige Musée d’Aquitaine der Geschichte der Sklaverei im Atlantikgebiet mehrere Dauerausstellungen gewidmet. Im Jura wurde Toussaints kahle Zelle im Fort de Joux mit einer Büste des großen Mannes sowie einer Gedenkplakette versehen (beides Geschenke der Regierung von Haiti). Das faszinierendste dieser Denkmäler in Frankreich ist eine lebensgroße Bronzestatue des senegalesischen Bildhauers Ousmane Sow, der zuvor schon die vielbewunderte Skulptur «Toussaint L’Ouverture und der alte Sklave» geschaffen hatte. Sows Werk, das im Mai 2015 in La Rochelle, einem weiteren wichtigen Sklavenhafen an der Westküste Frankreichs, enthüllt wurde, stellt Toussaint dar, der in seine Verfassung von 1801 vertieft ist (siehe Tafel 16). Sows Statue, eine schöne Symbiose europäischer, afrikanischer und karibischer Motive, will Frankreichs Versöhnung mit dem Helden SaintDomingues darstellen sowie die Bereitschaft des Landes seit Beginn des 21. Jahrhunderts, sich mit seiner Kolonialgeschichte wirklich auseinanderzusetzen. Doch bei näherem Hinsehen zeigen sich fortbestehende Spannungen. Zwar war Toussaints Einzug ins Pantheon eine bedeutende Geste des französischen Staats, aber sie kam recht spät, wenn man bedenkt, dass ihr eine mehr als zehnjährige Kampagne durch Gesellschaften und Vereine zur Bekämpfung der Sklaverei vorausging. Anders ausgedrückt scheint es leichter – und weniger schmerzhaft – zu sein, den weißen Abolitionismus zu ehren als den schwarzen Widerstand gegen die Sklaverei: Victor Schoelcher, der republikanische Politiker (und Biograph Toussaints), der für das Ende der Sklaverei eintrat, kam schon 1948 ins Pantheon. Die Orte, die für manche der Toussaint-Denkmäler ausgewählt wurden, verraten ein gewisses Unbehagen bei den französischen Behörden: ganz besonders im Fall der Büste in Bordeaux, die sich deutlich außerhalb des Stadtzentrums befindet. Auch Sows Statue ist im Hof des Musée du Nouveau Monde aufgestellt und damit nicht allgemein zugänglich. Dieses Museum ist übrigens in einem Gebäude untergebracht (dem Hôtel Fleuriot), das nach einem der Hauptsklavenhändler von La Rochelle benannt ist – gelinde gesagt eine unelegante Gegenüberstellung. Die Unsicherheit, die Toussaint im kollektiven Gedächtnis Frankreichs auslöst, lässt sich auch an den unterschiedlichen Beschreibungen auf den öffentlichen Gedenktafeln erkennen. Im Pantheon steht zu
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Im Château de Cormatin in Burgund, wo der Gouverneur Saint-Domingues, Étienne Laveaux, ab 1809 lebte, erinnert diese Tafel an seine Freundschaft mit Toussaint Louverture, dem «Anführer des Sklavenaufstands». Es rühmt auch Laveaux’ Einfluss auf Lamartine, der später eine entscheidende Rolle bei der Abschaffung der Sklaverei in der Zweiten Republik spielte.
lesen, er sei im Exil im Fort de Joux gestorben – eine merkwürdig unpassender Ausdruck in Anbetracht der Tatsache, dass er Franzose war und in Frankreich starb. Der Toussaint, den Sow in seiner Statue schuf, trägt im Gegensatz dazu die Uniform eines französischen Gouverneurs. Die Gedenktafel in Grenoble umgeht die Frage seiner Nationalität, indem sie ihn als republikanischen Abolitionisten feiert – dies aber mit seinem Zitat vom «Baum der Freiheit» illustriert, von dem er sprach, als er von Leclercs Männern festgenommen wurde; das Wort nahm SaintDomingues Unabhängigkeitskampf vorweg. Keiner der Texte erklärt, warum er gefangen genommen wurde, oder erwähnt, dass die französische Armee ihn heimtückisch in eine Falle lockte oder dass die Männer, die ihn festnahmen, von Bonaparte ausgesandt waren, um in der Karibik die Sklaverei wiederherzustellen. Diese Umschreibungen und Widersprüche spiegeln die Unfähigkeit der republikanischen Tradition in Frankreich, über Halbwahrheiten und Scheinbehauptungen hinauszu-
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gehen, wenn Sklaverei und ihre Abschaffung verhandelt wird, und sich mit der wankelmütigen Einstellung der Revolution von 1789 gegenüber der «Rassen»-Gleichheit auseinanderzusetzen. Das Gedenken an Toussaint zeigt, wie unwillig Frankreich ist, sich allzu weit von der «süßen Kolonialutopie» seiner imperialistischen Geschichte zu entfernen – dass nämlich die Sklaverei vom ancien régime vertreten und durch die Revolution aus dem Staatswesen entfernt worden sei; dass die Sklavenbefreiung das Resultat einer aufgeklärten französischen Intervention gewesen sei und nicht eine revolutionäre Tat der schwarzen Sklaven selbst; und dass die Kolonialbehörden wohlwollend im besten Interesse der schwarzen Bevölkerungen unter imperialistischer Herrschaft gehandelt hätten.24 Diese Ambivalenzen kamen in einem Fernsehzweiteiler über Toussaint ans Licht, der 2012 im französischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Unter der Regie des franko-senegalesischen Filmregisseurs Philippe Niang spielte der haitianisch-amerikanische Schauspieler Jimmy JeanLouis die Titelrolle. Natürlich ist es bereits bemerkenswert, dass solch ein Film überhaupt gedreht wurde, wenn man bedenkt, dass es weder in Europa noch in den Vereinigten Staaten irgendeine ernstzunehmende filmische Umsetzung der Haitianischen Revolution gegeben hat.25 Toussaints persönliche Eigenschaften (seine Würde, Tapferkeit, Liebe zu seiner Familie und sein Streben nach einem besseren Leben für die Schwarzen) wurden liebevoll porträtiert. Aber die gesamte Darstellung von ihm und Saint-Domingue Ende des 18. Jahrhunderts wirkte wie eine Karikatur. Es war eine Sklaverei mit Zuckerguss, um keine französischen Empfindlichkeiten zu verletzen. Man bekam den Eindruck, es habe sich um ein friedliches Arbeitssystem im gegenseitigen Einverständnis gehandelt, bei dem die Plantagenarbeiter am Profit beteiligt wurden. Niangs Toussaint erklärte sogar, er sei ein «glücklicher» Sklave gewesen, bis die Histoire philosophique von Raynal und Diderot ihm die Augen geöffnet habe. Selbst die französische Militärinvasion wurde positiv dargestellt – der schneidige Leclerc war hier ein skrupulöser Offizier, der nur widerwillig aufgrund von Toussaints Insubordination Gewalt anwenden musste. Im Geiste der neo-imperialistischen Orthodoxie gab der Film Toussaint die Schuld am Krieg, vor allem seiner Verfassung von 1801, die als Akt mutwilligen Starrsinns dargestellt wurde. Es fehlte jeder Hinweis auf französische Pläne, die Sklaverei in der Karibik wiederherzustellen, oder auf die grauenhafte Brutalität der Truppen Rochambeaus. Alle Gräueltaten, die es auf der Leinwand zu sehen gab, wurden
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von randalierenden schwarzen Aufständischen begangen, die von ihrer primitiven Vodou-Religion dazu angetrieben waren, «die Weißen umzubringen». Durch die nostalgische Sichtweise auf die Plantagen der Weißen, die paternalistische Darstellung Toussaints und die Stigmatisierung der schwarzen haitianischen Revolutionäre illustrierte Niangs Film die Beharrungskraft der französisch-kolonialistischen Geschichtsklitterung (siehe Tafel 15).26 Toussaints Wiederauferstehung in Frankreich lässt erkennen, dass seine Legende, so unterschiedlich sie auch auszulegen ist, sich nicht bequem in vereinfachende Interpretationen fügt. In diesem Sinne sind die französischen Gedenkveranstaltungen (und ihre Beschränktheiten) ein Spiegel der fortgesetzten Debatten in ehemaligen Kolonialstaaten mit Sklavereihistorie über die Schaffung inklusiverer öffentlicher Räume, in denen Kämpfer gegen die Sklaverei geehrt werden können, sowie über die Entfernung oder Umbenennung von Gebäuden und öffentlichen Denkmälern, die eine Verteidigung rassistischer Ansichten beinhalten. In Frankreich ist beispielsweise eine lokale Debatte über die Statue von General Leclerc in Pontoise entbrannt, wobei einige Bürger es unangebracht finden, einen solchen «Kriegsverbrecher» weiterhin zu ehren.27 In Großbritannien ist der Erfolg der Aufarbeitung des immer noch existenten kolonialistischen Erbes bislang begrenzt, wie sich an der erfolglosen Kampagne erkennen lässt, in Oxford eine Statue des britischen Imperialisten Cecil Rhodes zu entfernen.28 Die Vereinigten Staaten sind in beiderlei Hinsicht wesentlich zupackender; besonders bemerkenswert ist dabei eine Statue zu Ehren von Denmark Vesey in Charleston und der Abbau von mehreren großen Konföderationsdenkmälern – obwohl immer noch über 700 davon in den Vereinigten Staaten stehen, vornehmlich im Süden. 2017 setzte der Aktivist Glenn Cantave eine lebhafte Diskussion in Gang, als er vorschlug, die Kolumbusstatue in New York durch eine Statue von Toussaint Louverture zu ersetzen.29 Der eigentliche Kern der Toussaintlegende, wie er von bildenden Künstlern, Schriftstellern und Pädagogen dargestellt wird, ist lebhafter Dissens und Universalismus. Der haitianisch-amerikanische Maler JeanMichel Basquiat fing diesen streitbaren Geist in seinem Gemälde Toussaint L’Ouverture vs. Savonarola ein, einer neoexpressionistischen Arbeit, die Toussaints zeitlose Humanität dadurch zeigt, dass sie ihn neben den Florentiner stellt, der die päpstliche Korruption und Despotie geißelte.30
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Der afro-guyanesische Dichter John Agard verfasste eine «Anerkennung» von Wordsworths Preisgedicht durch Toussaint. Obwohl er nie britischen Boden betreten hat, spricht Toussaint hier von seiner «Sprache», die von «Europa nach Dahomey» reiche, und grüßt seinen walisischen «Bruder», mit dem er die Hingabe an den «süßen Duft der Freiheit» teile.31 Der frühere Fußballweltmeister Lilian Thuram, ein wichtiger Aktivist gegen Rassismus, erklärte Toussaint zu einem seiner «Schwarzen Sterne», ein Leuchtfeuer der Brüderlichkeit, das die jüngere Generation etwas über die Leistungen von Männern und Frauen afrikanischer Abstammung lehren könne.32 Die Comicserie Jour J, in der es um kontrafaktische historische Inhalte geht, hat eine Geschichte publiziert, in der Toussaint 1802 von einem irischen Freiheitskämpfer aus der französischen Gefangenschaft befreit wird und eine «zweite Chance» erhält, die er sofort nutzt, um seine amerikanischen Brüder aus der Sklaverei zu befreien.33 Diese ambitionierte Vision findet sich auch im Leitbild des Lycée Toussaint Louverture in Pontarlier (Doubs), worin Toussaint als «Vorläufer» des weltweiten Kampfs für racial justice und als Begründer einer Tradition des revolutionären Internationalismus bezeichnet wird, zu dessen modernen Inkarnationen unter anderen Martin Luther King und Nelson Mandela gehören.34 Diese Betrachtungsweise findet sich in erweiterter Form auf einem republikanischen Wandbild in West Belfast zu Ehren von Frederick Douglass, das Toussaint zu Pferde neben Mandela und Luther King zeigt, in Begleitung von Ikonen der Schwarzenemanzipation wie Abraham Lincoln, Rosa Parks, Paul Robeson, Muhammad Ali, Bob Marley, Steve Biko und Angela Davis.35 Toussaint ist also sehr viel mehr als nur ein ruhmvolles Relikt der Vergangenheit, das man zu offiziellen Jubiläen hervorholt. Der Kampf Louvertures bleibt eine lebendige Quelle intellektueller Inspiration und progressiver Erneuerung – besonders in unserer populistischen Zeit – und gemahnt uns daran, dass die heutige weltweite Ungerechtigkeit in allen Gesellschaften tief in der Geschichte verwurzelt ist. Toussaints Leben steht auch für klassische republikanische Ideale und Tugenden: die gleiche Würde aller Menschen, ungeachtet von Race, Glauben und Hautfarbe; Standhaftigkeit und Mut selbst im Angesicht überwältigend überlegener feindlicher Streitkräfte; Integrität und Kompromisslosigkeit beim Vertreten der eigenen fundamentalen Werte; Koexistenz und Nachsicht statt Abschottung und Hass; und vor allem die Kühnheit, eine Welt zu imaginieren, die um radikal unterschiedliche Prinzipien herum
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organisiert ist. Diese Ethik könnte eine wirkungsvolle Grundlage für eine Politik der Hoffnung statt der Angst sein und einen robusten Internationalismus fördern, der die falschen Idole von Ethno-Nationalismus und «Identitätspolitik» in Frage stellt, zugleich aber die selbstmitleidige Negativität vermeidet, die häufig postkoloniale Narrative durchsetzt. Die Kunstform, die den universalen Geist dieses Louverture’schen Versprechens am besten einfängt, ist die Musik, und sie bildet eine passende Coda für unsere Odyssee. Toussaint war selbst ein großer Musikliebhaber, wie einige der neueren literarischen Werke zeigen: Métellus stellte ihn sich zum Beispiel vor, wie er die banza spielt, eine viersaitige Violine, die im spätkolonialen Saint-Domingue bei Sklaventänzen zum Einsatz kam. Eigentlich ist jede Musikgeneration von Toussaint angeregt worden: von den temperamentvollen Gesängen der karibischen und afro-amerikanischen Sklaven und Freigelassenen im 19. Jahrhundert zu den Mitgliedern des Toussaint Louverture Musikklubs in Wilmington, Delaware,36 und der symphonischen Dichtung Toussaint Louverture des klassischen Komponisten Samuel Coleridge-Taylor von 1901 bis zu dem Tribut, den die Black Swan-Schallplattenfirma der haitianischen Revolution zollte, die auch einen Phonographen namens «L’Ouverture» vertrieb,37 sowie den Werken späterer Jazzlegenden wie Duke Ellington und Charles Mingus und des New Yorker Jazztrompeters und Bandleaders Donald Toussaint Louverture Byrd.38 Im September 1977 erlebte die Oper Toussaint des Komponisten David Blake ihre Uraufführung im Coliseum in London, eine mitreißende lyrische Evokation der letzten sieben Jahre im Leben des Befreiers, der in biblischer Sprache spricht und ebenso vom Vodou wie von der erhebenden Gegenwart seiner Frau Suzanne inspiriert wird.39 In einem «musikalischen Märchen», das 2012 als CD veröffentlicht wurde, stellte sich Jerôme Brie die letzten Tage von Toussaint vor, dem «schwarzen Stern, der sein einzigartiges Licht auf die Welt um ihn her leuchten ließ».40 Auch die moderne Rockmusik hat sich mit Toussaint beschäftigt. Es gibt eine Komposition zu seinen Ehren vom mexikanisch-amerikanischen Gitarristen Carlos Santana aus dem Jahr 1970 und ein angemessen exzentrisches jüngeres Opus mit dem Titel «Bring the Sun / Toussaint Louverture» von der experimentellen amerikanischen Band Swans. Das Stück dauert 34 Minuten, und es erklingen blutige Beschwörungen vor einem Hintergrund tiefer Hornstöße und galoppierender Pferde. Der Komponist Michael Gira erklärte auf Befragen,
Eine Inspiration für unsere Zeit
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das Stück sei eine metaphysische Hommage an die haitianische Revolution. Er habe einfach «Musik gespielt und, verdammt noch mal, einen Text gebraucht. Ich habe angefangen, ‹Toussaint!› zu brüllen, und da fielen mir Worte ein, die zu dem Thema passten.»41 Gira war nicht der einzige Künstler, der sich vom Louverture’schen Geist besessen zeigte. In seinem Album From the Hut, to the Projects, to the Mansion verwandelte sich der haitianische Rapper Wyclef Jean in «Toussaint St. Jean», eine Figur aus den Slums, die «keine Respektlosigkeit toleriert», während sein britischer Kumpel Akala Toussaints «kugelsichere Ideen» lobt. Last but not least gibt es die haitianische Band Chouk Bwa (Baumstumpf), die ihre erste Englandtournee 2018 unternahm und ihren Namen dem berühmten Ausspruch Toussaints über den «Baum der Freiheit» verdankt. Die Mitglieder stammen aus dem von Toussaint so geliebten Gonaïves und thematisieren einen ganz anderen Aspekt seines Erbes mit ihren schlagzeuglastigen Stücken, die von einer Vodou-Atmosphäre geprägt sind. Ihr Song «Neg Ayisyen» (haitianischer Mann) beschwört Makandal, Toussaint und Dessalines und besingt das haitianische Volk als «die Kinder von Nago, Kongo und Dahomey». Die Sängerin Edele Joseph fasste die louvertureianische Botschaft der Band folgendermaßen zusammen: «Unsere Mission ist es, den Menschen positive Energie zu vermitteln … diese Energie hat keine Grenzen.»42
DAN KSAGU NG
Danksagung
Zwar habe ich mich Zeit meines Lebens mit unterschiedlichen Aspekten der neueren französischen Geschichte, Politik und Kultur beschäftigt, doch bevor ich dieses Buch begann, hatte ich noch nie einen Vorstoß in die Geschichte des französischen Kolonialismus in der Karibik gewagt. Zu den großen Vergnügen bei der Arbeit an dieser Biographie gehört, dass ich die außergewöhnliche Geschichte Haitis und seine ebenso besonderen Menschen für mich entdeckt habe: ihre Wärme, ihre Kreativität, ihre Entschlossenheit und ihren Stolz auf die Leistungen ihrer revolutionären Gründerväter. Der große Gewinn an der Beschäftigung mit Haitis Geschichte war, dass ich dadurch auch zu meinen mauretanischen Wurzeln zurückgekehrt bin. Ich hatte bereits gewusst, dass das Kreolische in Mauritius viele Gemeinsamkeiten mit dem haitianischen Kreolisch teilt. Nachdem ich nun dieses Buch geschrieben habe, ist mir bewusst geworden, wie viel meine Heimatinsel im Indischen Ozean mit dem spätkolonialen Saint-Domingue gemeinsam hatte, ehe es zum unabhängigen Staat Haiti wurde. In den 1790er Jahren war Mauritius (damals bekannt unter dem Namen Île de France) eine Zucker produzierende französische Kolonie, deren europäische Siedler Tausende von afrikanischen Sklaven auf die Insel brachten, ebenso wie in SaintDomingue. Doch obwohl es diesen Männern und Frauen nicht gelang, wie die Haitianer die Sklaverei abzuschaffen, wehrten sie sich mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln dagegen. Als Kind hörte ich in Mauritius von Marron-Rebellionen gegen das Plantagensystem, die von charismatischen Personen wie Diamamouve, Tatamaka und Madame Françoise angeführt wurden, letztere eine Malagasy-Prinzessin, die eine wirkungsvolle Widerstandsbewegung im Südosten der Insel anführte. Da Anfang des 19. Jahrhunderts in den Siedlungen und Höhlen um den Berg Le Morne so viele entlaufene Sklaven lebten, wurde diese Gegend sogar die «Maroon-Republik» genannt. Eine glückliche Fügung war, dass ein Großteil der Primärquellen für
458
Danksagung
dieses Buch, einschließlich der meisten Handschriften von Toussaint Louverture, in Frankreich aufbewahrt werden. Daher fand die Forschung für diese Biographie an vielen vertrauten Orten statt: der Bibliothèque Nationale, den Archives Nationales, den Archives de Paris, den Archives Diplomatiques und dem Service Historique de la Défense in Paris; den Archives nationales d’Outre Mer in Aix und den Departement-Archiven in Bordeaux und Nantes. In Ergänzung dazu fand ich hochinteressantes Material in britischen Archiven (den National Archives in Kew, den National Army Archives, der British Library in London und der Bodleian Library in Oxford) sowie in den USA (vor allem in der Library of Congress in Washington DC und dem Schomburg Centre der New York Public Library; außerdem profitierte ich von der umfangreichen digitalen Sammlung der University of Florida). Ich danke allen Bibliothekar*innen und Archivar*innen, die mich bei meiner Arbeit unterstützten. Ich hatte das enorme Glück, dass die Recherche und das Schreiben dieses Buchs von mehreren Institutionen großzügig unterstützt wurde. Mein tiefempfundener Dank gilt dem Department of Politics and International Relations an der Oxford University, dem Small Research Grants Scheme der British Academy und dem Fonds für Reisestipendien der Society of Authors für ihre beträchtlichen Zuwendungen, die es mir ermöglichten, in Frankreich, Großbritannien, den USA und Haiti zu forschen. Ebenso dankbar bin ich dem Master und den Fellows des Balliol College in Oxford (und besonders meinen PPE – Philosophy, Politics and Economics – -Kollegen und dem Senior Tutor Nicky Trott), dass sie mir für das Trinity und das Michaelmas Trimester 2018 ein Sabbatical bewilligt haben, während dessen der Hauptteil der Archivarbeit stattfinden konnte. Während der letzten Jahre konnte ich einige der zentralen Themen des Buchs bei verschiedenen Tagungen vortragen: beim Seminar über die Geschichte des politischen Denkens (History of Political Thought) am University College in Oxford; bei einer gemeinsamen Sitzung der Seminare für europäische und moderne französische Geschichte am Institute of Historical Research, London; bei Bruce’s Brunch am Balliol College in Oxford und am Early Modern World Seminar der Fakultät für Geschichte in Oxford. Ich stehe tief in der Schuld all meiner Gastgeber sowie aller Teilnehmer an diesen Vorträgen: Ihre Ermutigung, ihre Anmerkungen und Fragen trugen in hohem Maße zur Klärung vieler meiner Themen bei.
Danksagung
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Mein wärmster Dank gilt Jim Gill, der ein wahrer Freund, brillanter Literaturagent und Fels in der Brandung während der gesamten Arbeit an diesem Buch war. Einige Freunde haben den Text gegengelesen und ungemein wertvolle Kommentare und Vorschläge beigetragen, sowohl was einzelne Details betrifft als auch hinsichtlich weiterreichender konzeptioneller und historischer Fragestellungen: Mein herzlicher Dank geht an David Bell, Edward Berenson, Sophie Berlin, Richard Drayton, Nadia Hilliard, Karma Nabulsi, Julia Nicholls, Barnaby Raine, Calvin Runnels, Robbie Shilliam und Quentin Skinner. Ihre Hilfe hat dieses Buch zu etwas viel Besserem gemacht, als es sonst geworden wäre. Julian Jackson und Robert Gildea unterstützten mich bei den Stipendienbewerbungen, während ich praktische und moralische Unterstützung jedweder Form von Jocelyn Alexander, Diana Berruezo-Sánchez, Chris Bongie, Henri Bovet, Tony Crowley, Edouard Duval-Carrié, David Ekserdjian, Ada Ferrer, James Fox, Oliver Franklin, Julia Gaffield, Adom Getachew, Jessica Hollows, Vinesh Hookoomsing, Yanick Lahens, Nathan Perl-Rosenthal, Neha Shah, Anne Simonin, Abdel Razzaq Takriti und Wolfgang Windel empfangen habe. Ihnen allen danke ich von ganzem Herzen. Es war eine große Freude, wieder in Allen Lanes Händen zu sein, und ich stehe in der Schuld des gesamten Teams, das mit der Produktion dieses Buchs befasst war: Isabel Blake, Richard Duguid, Anna Hervé, Linden Lawson, Imogen Scott, Ben Sinyor, Alice Skinner und Christopher Philipps. Cecilia Mackay wurde ihrem Ruf als hervorragende Bildredakteurin wieder mehr als gerecht, indem sie großartige Illustrationen entdeckte. Besonders dankbar bin ich meinem Lektor Stuart Proffitt, der mir während aller Phasen des Buchs zur Seite stand, von den ersten Andeutungen, dass es von Toussaint handeln könnte, bis zu den gründlichen Diskussionen der Rohfassung; seine Kommentare zeugten regelmäßig von tiefer Einsicht. Es war außerordentlich anregend – und hat einen Riesenspaß gemacht –, mit einem solch wahren artiste du livre zusammenzuarbeiten. Wie immer kam die letzte, höchste Inspiration von Karma Nabulsi. Durch ihre bahnbrechende Forschung über die demokratischen und revolutionären Kämpfe gegen den Imperialismus im 18. und 19. Jahrhundert begegnete ich Toussaint zum ersten Mal und begriff, dass er zu dieser republikanischen Kriegstradition gehört, vor allem als nachdrückliche Verkörperung des Ideals der Brüderlichkeit. Karma war auf dieser
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Danksagung
spannenden Reise meine Muse – mit klugen Ratschlägen zu allem, was ich schrieb. Sie gab meinen Gedanken bei jedem Schritt dieses Weges Form und lauschte geduldig, wenn ich begeistert über meine Entdeckungen in den Archiven redete oder mein Schatzkästlein von Anekdoten über Toussaint und Dessalines mit ihr teilte. Ich bin ihr dankbar für alles, was sie mir beigebracht hat, und dafür, dass sie mir immer zur Seite steht. Dieses Buch ist ihr gewidmet. S. H. Oxford, Dezember 2019
GLOSSAR
Glossar
Allada agent ancien régime Artibonite blanc bossale cabildos cercle Code Noir colon conducteur Kreole cultivateur curé émigré escalin Fatras-Bâton Fon gens de couleur gourde gourdin habitation Hispaniola houngan kalinda Kongo kreolisch Krieg der Messer levée en masse
Ethnie von Toussaints Vorfahren; Bezeichnung für ein afrikanisches Königreich französischer Bevollmächtigter in der Kolonie politisches System in Frankreich vor der Revolution größter Fluss in Saint-Domingue weiß (manchmal in petit (klein) und grand (groß) unterschieden) in Afrika geborene Person Stadtverwaltungen (-räte) im spanischen Santo Domingo Audienzen, bei denen Toussaint mit Vertretern der Bevölkerung zusammentraf französisches Regelwerk für die Behandlung von Sklaven Kolonist, weißer Siedler Sklaventreiber, Aufseher in Saint-Domingue geborener Einwohner Land- bzw. Plantagenarbeiter Priester Emigrant; während der Revolution aus der Kolonie geflohener Franzose von Toussaint in Santo Domingo eingeführte Währung (wörtlich: dürrer Stock) Spitzname für den jungen Toussaint Sprache der Alladas People of Color Währungseinheit in Saint-Domingue Viertelgourde Plantage spanische Bezeichnung für die ganze Insel Vodou-Priester Sklaventanz größte Ethnie unter Saint-Domingues schwarzer Bevölkerung Dialekt Saint-Domingues, Kombination von französischen, afrikanischen und indigenen Idiomen Konflikt zwischen Toussaint und Rigaud (1799–1800) kollektive Volkserhebung
462 liberté générale libre lieue livre loa (lwa) Makandal Manumission marron métropole morne mulâtre, mulâtresse Nationalgarde Port-Républicain propriétaire Ogoun Fer Tafia Taino Vodou
Glossar Sklavenbefreiung aus der Sklaverei befreite Person (ancien libre: vor der Revolution befreit, nouveau libre: nach 1793 befreit) Längenmaß, etwa drei Meilen (ca. 4,8 km) Währungseinheit Vodou-Geist revolutionärer Sklavenanführer in der Mitte des 18. Jahrhunderts Entlassung aus der Sklaverei entlaufener Sklave (entsprechend marronnage) französisches Mutterland kreisförmige Erhebung, Hügel oder Berg mixed-race Mann bzw. Frau Bürgermiliz Name von Port-au-Prince ab 1793 Landbesitzer Vodou-Kriegsgeist Rum aus Zuckerrohr-Melasse ursprüngliche amerikanisch-indigene Einwohner von SaintDomingue spirituelles System und Lebenshaltung, die Geisterverehrung praktiziert
CH RON I K
Chronik
1697 September ca. 1740 1758 Januar 1763 November 1772 1774 Januar und April ca. 1775 1782 1784 Dezember
1788 Februar 1789 Januar Juli August September
Oktober
1790 März
Mai
Oktober
Spanien tritt Frankreich das westliche Drittel von Hispaniola ab, das zur Kolonie Saint-Domingue wird. Geburt Toussaints auf der Bréda-Plantage. Hinrichtung von François Makandal, dem Anführer der ersten Sklavenverschwörung. Vertreibung der Jesuiten aus Saint-Domingue. Bayon de Libertat wird Verwalter von Gut Bréda (bis 1789); er macht Toussaint zu seinem Kutscher. Tod von Toussaints Eltern Hippolyte und Pauline. Toussaint wird aus der Sklaverei befreit. Toussaint heiratet Suzanne Baptiste (mit der er zwei Kinder bekommt: Isaac *1786 und Saint-Jean *1791). Die königliche Verfügung über eine «menschlichere» Behandlung von Sklaven wird von den weißen Siedlern in Saint-Domingue zurückgewiesen. Gründung der liberalen abolitionistischen Société des Amis des Noirs in Frankreich. Bildung kolonialer Volksversammlungen in Saint-Domingue. Beginn der Französischen Revolution mit dem Sturm auf die Bastille. Die französische Nationalversammlung verabschiedet die Erklärung der Menschenrechte. Die freien mixed-race Landbesitzer verlangen in einer Petition an die Nationalversammlung gleiche bürgerliche und politische Rechte. Die Kolonialversammlung von Saint-Domingue blockiert die französischen Reformen und verweigert den freien People of Color gleiche Rechte. Die französische Nationalversammlung verleiht Saint-Domingue das volle Recht der Gesetzgebung und vermeidet das Thema der Rechte für freie People of Color. Die Kolonialversammlung erklärt Saint-Domingues Autonomie von Frankreich (die Versammlung wird im Juli von loyalistischen Behörden geschlossen). Rebellionsversuch unter dem freien mixed-race Anführer Vincent Ogé im Norden.
464 1791 Februar Mai Juli August
September–Dezember
November 1792 Januar
April Juli August September Dezember 1793 Januar Mai Juni
August
September November Dezember
1794 Februar März
Chronik Ogé wird in Cap hingerichtet. Die französische Nationalversammlung verleiht Saint-Domingue ein Vetorecht gegen die koloniale Gesetzgebung. Die neue Kolonialversammlung von Saint-Domingue ist dominiert von weißen Suprematisten. Im Norden von Saint-Domingue beginnt der Sklavenaufstand; Toussaint ist an der Planung beteiligt und wird Sekretär von Biassou, dem Anführer der Aufständischen. Toussaint entwickelt sich zu einer Schlüsselfigur in der Führung der Rebellen, er beschützt weiße Gefangene und setzt sich für einen Kompromiss mit der örtlichen Kolonialversammlung ein. Tod von Boukman, einem der wichtigsten Rebellenführer. Scheitern der Kompromissbemühungen; Toussaint kommandiert sein eigenes Bataillon, das hauptsächlich aus Marron- (entlaufenen) Sklaven besteht. Die neue Gesetzgebende Versammlung in Frankreich beendet die rassistisch motivierte Diskriminierung in den Kolonien. Lettre originale des chefs nègres révoltés. Toussaint nimmt an einer Feier zu Ehren des französischen Königs teil. Ankunft französischer Kommissare in Saint-Domingue; Frankreich wird Republik. Kommissar Sonthonax ruft in Saint-Domingue die Republik aus; Toussaint wird zum General in der Rebellenarmee befördert. Nach der Hinrichtung des französischen Königs erklärt Spanien Frankreich den Krieg. Spanien schließt ein formelles Bündnis mit Jean-François und Biassou gegen die Franzosen. Toussaint wird General bei den spanischen Hilfstruppen. In den folgenden Monaten vertreibt er die französische Besatzung aus Dondon, Marmelade, Verrettes, Petite-Rivière und Plaisance. Sonthonax schafft im Norden Saint-Domingues die Sklaverei ab (im September wird die Abschaffung auf den Westen, im Oktober auch auf den Osten ausgeweitet). Toussaint nimmt den Namen Louverture an. Britische Streitkräfte beginnen die fünfjährige Besetzung von Teilen des Westens und Südens Saint-Domingues. Toussaint unterzeichnet nach spanischer Vermittlung ein Versöhnungsabkommen mit Jean-François und Biassou. Toussaint nimmt Gonaïves ein und festigt damit die spanische Kontrolle über den gesamten Norden Saint-Domingues (abgesehen von Cap). Der Konvent erlässt ein Dekret zur Abschaffung der Sklaverei in allen französischen Kolonien. Toussaint sagt sich von Biassou los, nähert sich allmählich Frankreich wieder an.
Chronik April Mai
Juni
Oktober 1795 Juni Juli
August Oktober 1796 März Mai Juli August Oktober 1797 April Mai Mai August September Oktober 1798 Januar April Juli
465 Die Briten erobern Guadeloupe, nachdem sie im März bereits Martinique eingenommen hatten. Massaker an Royalisten in Gonaïves. Toussaint vereinigt das republikanische Lager und bringt die von ihm kontrollierten Territorien auf die Seite der Franzosen. Toussaint wird zum Kommandeur der westlichen Territorien unter französischer Kontrolle ernannt. Die Briten nehmen Port-au-Prince ein. Toussaint erobert Saint-Michel und Saint-Rafaël von den Spaniern. Toussaint erobert nach fünfmonatigen Kämpfen Mirebalais von den Briten zurück. Spanien unterzeichnet den Vertrag von Basel mit Frankreich, gibt alle Stellungen in Saint-Domingue auf und tritt auch Santo Domingo ab. Toussaint wird zum Brigadegeneral befördert. Toussaint beginnt einen großangelegten Angriff auf britische Stellungen in Saint-Domingue. Die neue französische Verfassung etabliert das Direktorium mit dem Rat der 500 als untergeordneter Kammer. Toussaint rettet Gouverneur Laveaux vor einem Putschversuch der People of Color in Cap und wird von ihm zum Stellvertreter ernannt. Aus Frankreich kommen neue Kommissare, darunter Sonthonax und Raimond. Isaac Louverture und sein Halbbruder Placide werden zur Ausbildung nach Frankreich geschickt. Die Briten schlagen Toussaints Streitkräfte vernichtend und erobern Mirebalais zurück. Laveaux verlässt Saint-Domingue, um einen Sitz im Rat der 500 einzunehmen. Konterrevolutionäre Royalisten gewinnen in den französischen Parlamentswahlen die Mehrheit. Ernennung Toussaints zum Oberkommandeur der Armee von Saint-Domingue. Viénot-Vaublanc verurteilt in einer Rede vor dem Rat der 500 die Schwarze Revolution in Saint-Domingue. Toussaint zwingt Sonthonax, Saint-Domingue zu verlassen. Coup d’état vom 18. Fructidor des Jahres V in Paris, die Royalisten unterliegen. Toussaint publiziert die Réfutation de quelques assertions d’un discours prononcé au Corps Législatif le 10 Prairial an cinq par Viénot Vaublanc. Das französische Parlament verabschiedet ein Kolonialgesetz, das Saint-Domingue komplett einschließt. Ankunft des neuen französischen Bevollmächtigten Hédouville in Saint-Domingue. Hédouvilles Arrêté concernant la police des habitations provoziert allgemeine Unzufriedenheit bei den Arbeitern.
466 August September Oktober Dezember 1799 März Mai Juni
August November
Dezember 1800 März April Juni August Oktober November 1801 Januar
Februar März Mai Juli
Chronik Die Briten erfüllen das mit Toussaint ausgehandelte Rückzugsabkommen; geheimer Nichtangriffs- und Handelspakt. Toussaint fordert Hédouville durch eine Amnestie für Emigranten heraus. Nach einem von Toussaint organisierten Aufstand flieht Hédouville aus der Kolonie. Philippe Roume wird zum französischen Bevollmächtigten in Saint-Domingue ernannt. Ernennung von Edward Stevens zum Konsul der USA in SaintDomingue. Réponse du citoyen Toussaint Louverture aux calomnies et aux écrits mensongers du général de brigade Rigaud. Versuchter Aufstand gegen Toussaint und Beginn des guerre des couteaux (Krieg der Messer) gegen Rigaud im Süden; Erweiterung des Vertrags von 1798 zwischen Toussaint und Maitland. Toussaint gewinnt die Kontrolle über den Norden und Westen zurück. Bonaparte entmachtet in seinem Coup vom 18. Brumaire das Direktorium. Die neue Verfassung streicht das Recht der Kolonien auf eigene Abgeordnete im Nationalparlament. Eine republikanische Verschwörung in Jamaika wird vereitelt. Toussaints Schiffe werden von den Briten konfisziert. Dank amerikanischer Hilfe fällt Jacmel an Toussaints Heer (im April dann auch Grand-Gôave). Toussaint zwingt Roume, sein Einverständnis zur Einnahme Santo Domingos durch die Franzosen zu geben. Ankunft der von den Konsuln entsandten Delegation (Vincent, Raimond, Michel). Toussaint siegt im Süden, marschiert in Les Cayes ein. Rigaud flieht. Toussaints Arbeitsdekret etabliert ein drakonisches Regime auf den Plantagen. Toussaint schickt Roume ins innere Exil in Dondon. Toussaint marschiert in Santo Domingo ein, vertreibt die spanische Regierung und schafft die Sklaverei ab. Hispaniola wird unter französischer Herrschaft vereinigt. Toussaint veranlasst die Schaffung einer Zentralversammlung, die eine neue Verfassung für die Kolonie entwerfen soll. Die Mitglieder der Zentralversammlung werden ernannt und beginnen ihre Beratungen. Toussaint formuliert die Instructions aux fonctionnaires publics. Saint-Domingues Verfassung wird bei einer Zeremonie in Cap verkündet. Toussaint wird zum Gouverneur auf Lebenszeit und die Sklaverei «für immer» abgeschafft.
Chronik
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Oktober
Bonaparte entsendet 20 000 Soldaten, um Toussaint zu entmachten. Rebellion von Moyse. Toussaints Dekret vom 4. Frimaire des Jahres X: Der Kampf gegen den «Aufruhr» wird ausgeweitet. Eine Proklamation Toussaints kündigt die bevorstehende französische Invasion an. Die ersten Schiffe von Leclercs Expeditionsarmee werden vor der Küste Santo Domingos gesichtet; die französische Invasion beginnt. Toussaint steckt Cap in Brand und weigert sich zu kapitulieren. Beginn des Frühlingsfeldzugs gegen das französische Heer. Schlacht von Crête-à-Pierrot: Die Franzosen nehmen das Fort ein, erleiden aber schwere Verluste. Toussaint stimmt einem Waffenstillstand zu und zieht sich nach Ennery zurück. Bonaparte führt in Martinique, Tobago und St. Lucia die Sklaverei wieder ein, kurz darauf auch in Guadeloupe und Guyana. Toussaint und seine Familie werden gefangen genommen und nach Frankreich deportiert. Die Einreise von Schwarzen und People of Color nach Frankreich wird per Regierungsdekret verboten. Toussaint wird im Fort de Joux interniert. Die Nachricht von der Wiedereinführung der Sklaverei in Guadeloupe befeuert den Widerstand in Saint-Domingue. Toussaint diktiert sein Mémoire. Dessalines und Pétion vereinigen ihre Streitkräfte gegen die französische Besatzung; Generalmobilmachung. Leclerc stirbt an Gelbfieber, Nachfolger wird Rochambeau. Tod Toussaints im Fort de Joux. Abkommen von Arcahaie: Vereinigung der schwarzen und mixedrace Aufständischen unter Dessalines’ Kommando. Endgültige Niederlage der Franzosen in der Schlacht von Vertières, Rochambeau kapituliert. Die französischen Streitkräfte verlassen Saint-Domingue. Dessalines proklamiert den neuen Staat Haiti.
November Dezember 1802 Januar Februar März Mai
Juni Juli August
September Oktober November 1803 April Mai November Dezember 1804 Januar
ANHANG
ANMERKU NGEN
Anhang Anmerkungen
EINLEITUNG TOUSSAINT LOUVERTURES HISTORISCHE ORIGINALITÄT 1 Proklamation von Toussaint, 25. August 1793. AN AE II 1375. 2 Einen Überblick zu den Schlüsselereignissen auf Saint-Domingue vom späten 18. Jahrhun-
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dert bis zur Haitianischen Unabhängigkeitserklärung geben Jeremy Popkin, A Concise History of the Haitian Revolution (Oxford: Wiley-Blackwell, 2012), und David Geggus, The Haitian Revolution: A Documentary History (Indianapolis: Hackett Publishing Company, 2014). Siehe David Armitage und Sanjay Subrahmanyam (Hrsg.), The Age of Revolutions in Global Contexts (Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2009), und Rafe Blaufarb, The Revolutionary Atlantic: Republican Visions 1760–1830 (New York: Oxford University Press, 2017). Toussaint an den Marineminister, 3. Prairial des Jahres V (28. Mai 1797). AN AFIII 210. Ausführlicher erörtert wird der Gesamtzusammenhang der Haitianischen Revolution in Robin Blackburn, «Haiti, slavery, and the age of democratic revolution», in: The William and Mary Quarterly Bd. 63, Nr. 4 (Oktober 2006). Rede anlässlich der Befreiungsfeier, Môle Saint-Nicolas, 16. Pluviôse des Jahres VIII (5. Februar 1800). ANOM CC9B. Zitiert nach James Alexander Dun, Dangerous Neighbours: Making the Haitian Revolution in Early America (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2016), S. 149. London Gazette, 12. Dezember 1798. Zitiert nach Grégory Pierrot, «‹Our hero›: Toussaint Louverture in British representations», in: Criticism, Bde. 50–54 (Herbst 2008), S. 598. Siehe Susan Buck-Morss, Hegel, Haiti and Universal History (Pittsburgh: University of Pittsburgh Press, 2009). Zitiert nach Donald Hickey, «America’s response to the slave revolt in Haiti, 1791–1806», in: Journal of the Early Republic, Bd. 2, Nr. 4 (Winter 1982), S. 368. Hobart and Nugent, Downing Street, London, den 18. November 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Zitiert nach Christer Petley, White Fury: A Jamaican Slave-holder and the Age of Revolution (Oxford: Oxford University Press, 2018), S. 176 f. Siehe von 1798 aufwärts die Gazette of the United States and Daily Advertiser (Philadelphia) sowie National Intelligencer and Washington Advertiser (Washington), Kongressbibliothek, Abt. Historische amerikanische Zeitungen. Zum umfangreichen Thema des Sklavenaufstandes siehe insbesondere Eugene Genovese, From Rebellion to Revolution: Afro-American Slave Revolts in the Making of the Modern World (Baton Rouge: Louisiana State University Press, 1979); zur Revolution als Initialzündung des Terrors in den Vereinigten Staaten siehe Ashli White, Encountering Revolution: Haiti and the Making of the Early Republic (Baltimore: Johns Hopkins University Press, 2010) sowie Elizabeth Maddock Dillon und Michael Drexler (Hrsg.), The Haitian Revolution and the Early United States (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2016).
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Anhang
16 Das jährliche Abonnement der Zeitung zu einem Bezugspreis von $ 2.50 wurde prämiert
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mit der Geschenkgabe einer «exklusiven Fotografie von Frederick Douglass, Esq. oder Toussaint L’Ouverture». New National Era, 16. April 1874. Kongressbibliothek, Abt. Historische amerikanische Zeitungen. Médéric Louis Élie Moreau de Saint-Méry, Description topographique, physique, civile, politique et historique de la partie française de l’isle Saint-Domingue (Paris, 1797), Bd. 1, S. 105. Zur Geschichte der Hauptstadt siehe Roland Devauges, «Une capitale antillaise: Port-auPrince (Haïti)», in: Les Cahiers d’Outre-Mer (1954), S. 7–26. Betreffend die Küstenstädte siehe David Geggus, «The major port towns of Saint-Domingue in the late eighteenth century», in: P. Liss und F. Knight (Hrsg.), Atlantic Port Cities (Knoxville: University of Tennessee Press, 1991). Jean Saint-Vil, «Villes et bourgs de Saint-Domingue au XVIIIe siècle (essai de géographie historique)», in: Les Cahiers d’Outre-Mer (1978), S. 251. In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts wurden die Provinzen in Folge der territorialen Veränderungen, die durch die Französische Revolution eingeleitet wurden, zu Departments. François Girod, La vie quotidienne de la société créole (Saint-Domingue au 18e siècle) (Paris: Hachette, 1972), S. 71 f. Laurent Dubois, Avengers of the New World (Cambridge, Mass. and London: Harvard University Press, 2004), S. 26. Alexandre de Laujon, Souvenirs et voyages (Paris, 1835), S. 124. Siehe M.-A. Menier und G. Debien, «Journaux de Saint-Domingue», in: Revue d’Histoire des Colonies, 36 (1949), und Jean Fouchard, «Les joies de la lecture à Saint-Domingue», in: Revue d’Histoire des Colonies, 41 (1954); siehe ebenso Fouchards Klassiker Le Théâtre à Saint-Domingue (Port-au-Prince: Imprimerie de l’État, 1955). Eine nähere Analyse des Kreises und der wissenschaftlichen Betätigung im vorrevolutionären Saint-Domingue im Allgemeinen findet sich bei James McClellan III, Colonialism and Science: Saint-Domingue in the Old Regime (Baltimore and London: Johns Hopkins University Press, 1992). Julius Scott, The Common Wind: Afro-American Currents in the Age of the Haitian Revolution (London: Verso, 2018), S. 115. Der Klassiker hierzu stammt von Charles Frostin, Les révoltes blanches à Saint-Domingue au XVIIe et XVIIIe siècles (1975; Rennes: Presses Universitaires de Rennes, 2008). Henri-Baptiste Grégoire, Mémoire en faveur des gens de couleur ou sang-mêlés de SaintDomingue (Paris, 1789), S. 7 f. Ordonnance du Roi, concernant les procureurs & économes-gérans des habitations situées aux Isles sous le Vent, du 17 Décembre 1784 (Paris, 1785), S. 5. Zitiert nach Girod, La vie quotidienne de la société créole, S. 189. Unterhaltung mit Edward Corbet, aufgezeichnet im Brief von Corbet, Port-Républicain, den 21. Juli 1801. National Archives, Kew, CO 137 /105. Siehe Fritz Daguillard, Toussaint Louverture: mystérieux dans la gloire (Port-au-Prince: Musée du Panthéon National Haïtien, 2003), S. 11–15. Jacques de Norvins, Souvenirs d’un historien de Napoléon (Paris, 1896), Bd. 2, S. 362. George E. Simpson und J. B. Cinéas, «Folk tales of Haitian heroes», in: Journal of American Folklore, Bd. 54, Nr. 213 /14 (Juli–Dezember 1941), S. 184. Louis Dubroca, Vie de Toussaint Louverture, chef des noirs insurgés (Paris, 1802), S. 53; Thomas-Prosper Gragnon-Lacoste, Toussaint Louverture (Paris, 1877), S. 1. Eine Zusammenfassung dieser kulturenübergreifenden Darstellung findet sich bei David Nicholls, From Dessalines to Duvalier: Race, Colour and National Independence in Haiti (Cambridge: Cambridge University Press, 1979), S. 90 f., 95 und 97.
Anmerkungen
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37 Victor Schoelcher, Vie de Toussaint Louverture (1889; Paris: Karthala, 1982). 38 Horace Pauléus Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, 3 Bde. (Port-au-Prince: Impri-
merie Héraux, 1920–33). 39 Zu einer Gesamteinschätzung von Jamesons Toussaint-Biographie siehe die von Charles
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Forsdick und Christian Høgsbjerg herausgegebene Sammlung The Black Jacobins Reader (Durham, NC and London: Duke University Press, 2017). Siehe Richard Drayton und David Motadel, «Discussion: the futures of global history», in: Journal of Global History Bd. 13, Ausgabe 1 (2018), S. 7. Siehe vor allem Alyssa Goldstein Sepinwall (Hrsg.), Haitian History: New Perspectives (New York und London: Routledge, 2013) sowie ihren Artikel «Beyond The Black Jacobins: Haitian Revolutionary historiography comes of age», in: Journal of Haitian Studies, Bd. 23, Nr. 1 (Frühjahr 2017). Jean Fouchard, Les marrons de la liberté (Paris: Éditions de l’École, 1972; englische Übersetzung The Haitian Maroons, New York: Blyden Press, 1981); Carolyn Fick, The Making of Haiti: The Saint-Domingue Revolution from Below (Knoxville: University of Tennessee Press, 1990). Siehe vor allem Ada Ferrer, Freedom’s Mirror: Cuba and Haiti in the Age of Revolution (New York: Cambridge University Press, 2014). Mimi Sheller, «Sword-bearing citizens: militarism and manhood in nineteenth-century Haiti», in: Sepinwall (Hrsg.), Haitian History, S. 157. Michael O. West und William G. Martin, «Haiti, I’m sorry: the Haitian Revolution and the forging of the black international», in: Michael O. West, William G. Martin und Fanon Che Wilkins (Hrsg.), From Toussaint to Tupac: The Black International Since the Age of Revolution (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 2009), S. 76. Pierre Pluchon, Toussaint Louverture, un révolutionnaire noir d’Ancien Régime (Paris: Fayard, 1989). Philippe Girard, Toussaint Louverture: A Revolutionary Life (New York: Basic Books, 2016), S. 4 f. Philippe Girard, The Slaves Who Defeated Napoleon: Toussaint Louverture and the Haitian War of Independence 1801–1804 (Tuscaloosa, AL: University of Alabama Press, 2011), S. 9 f. und 43. David Scott, Conscripts of Modernity: The Tragedy of Colonial Enlightenment (London and Durham, NC: Duke University Press, 2004), S. 210. Celeste-Marie Bernier, Characters of Blood: Black Heroism in the Transatlantic Imagination (Charlottesville: University of Virginia Press, 2012), S. 7. Siehe beispielweise seinen offiziellen Bericht über «die Wiederherstellung der Ordnung in den Bergen von Port-de Paix», 7. Brumaire des Jahres V (28. Oktober 1796). A NOM CC9A 13. Gordon K. Lewis, Main Currents in Caribbean Thought: The Historical Evolution of Caribbean Society in its Ideological Aspects, 1492–1900 (Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1987), S. 27 Siehe Laurent Dubois, «An enslaved Enlightenment: rethinking the intellectual history of the French Atlantic», Social History Bd. 31, Nr. 1 (Februar 2006), S. 12; zur hybriden Diasporakultur siehe im Allgemeinen den Klassiker von Paul Gilroy, The Black Atlantic (London: Verso, 1993). Nick Nesbitt, «Turning the tide: the problem of popular insurgency in the historiography of the Haitian Revolution», in: Small Axe, 27 (Oktober 2008), S. 31; zu dieser Thematik siehe auch den hervorragenden Artikel von Adom Getachew, «Universalism after the post-colonial turn: interpreting the Haitian Revolution», in: Political Theory, Bd. 44, Nr. 6 (2016), S. 821–845.
474
Anhang
55 Leclerc, «Campagne du Limbé, et détail de quelques événements qui ont eu lieu dans ce quartier, jusqu’au 20 juin 1793», n. d. [1793]. A NOM CC9A 8. 56 Darstellung des französischen Berichterstatters Roume vom 15. Messidor des Jahres VII
(3. Juli 1799). National Archives, Kew, CO 137 /104. 57 Toussaint an Pascal, 26. Germinal des Jahres VII (15. April 1799). National Archives, Kew,
CO 245 /2. 58 Siehe zum Beispiel Toussaints Brief an die Bürger von Petite-Montagne vom 29. Nivôse des Jahres IV (19. Januar 1796). BNF NAF 12104. 59 Siehe Quentin Skinner, Liberty Before Liberalism (Cambridge: Cambridge University
Press, 1998). 60 Siehe vor allem Toussaint, «Address to the citizens capable of bearing arms», Cap, 15. Plu-
viôse des Jahres V (3. Februar 1797), Bulletin Officiel de Saint-Domingue, 12. Februar 1797. 61 Diese Thematik wird vertieft im dritten Kapitel von Michel-Rolph Trouillot, Silencing the
Past (Boston, Mass.: Beacon Press, 1995). 62 Siehe dazu Charles Forsdick und Christian Høgsbjerg, Toussaint Louverture: A Black Jaco-
bin in the Age of Revolutions (London: Pluto Press, 2017), S. 147. 63 Yanick Lahens, «Le 19e siècle, ce grand inconnu», Collège de France lecture, 1. April
2019. 64 «Toussaint Louverture: A finding list of his letters and documents in archives and collec-
65 66 67 68 69 70 71
72 73 74 75 76
77
tions (public and private) of Europe and America». Joseph Boromé Papers, Sc MG 714, Box 2, New York Public Library. Patrice Gueniffey, Bonaparte (Paris: Gallimard, 2013), S. 595. Joseph Boromé, «Some desiderata in Caribbean biography», in: Caribbean Quarterly Bd. 19, Nr. 4 (Dezember 1973), S. 29. Hippolyte de Saint-Anthoine, Notice sur Toussaint Louverture (Paris, 1842), S. 30. Toussaint an Hédouville, 7. Thermidor des Jahres VI (25. Juli 1798). A NOM CC9 B6. Toussaint an Lescallier, 21. Prairial des Jahres VI (9. Juni 1798). A NOM CC9A 14. Toussaint an den Handelskonsul Charles-François Liot, Philadelphia, Cap, den 3. Juli 1801. Archiv des Französischen Außenministeriums, CCC, Philadelphia V. Stuart Hall, «Cultural identity and diaspora», in: P. Williams und L. Chrisman (Hrsg.), Colonial Discourse and Post-colonial Theory: A Reader (London und New York: Routledge, 1994), S. 235. «Treuloser Schurke und Verräter». Toussaint an Antoine Chanlatte (ein Obrist in der Französischen Republikanischen Armee), 27. August 1793. A NOM CC9A 8. Jean Fouchard, «Toussaint Louverture», Revue de la Société haïtienne d’histoire et de géographie, Nr. 164 (September–Dezember 1989), S. 41. Toussaint an Renne de Saba, 28. Germinal des Jahres VII (17. April 1799). Library of Congress, Manuscript Division, Papers Toussaint-Louverture. Brief von Madame Louverture an Toussaint, 24. Juli 1794. Archives Départementales de la Gironde, Collection Marcel Chatillon, 61 J 18. Toussaint an Laveaux, 16. September 1795. BNF NAF 12103. Das Schreiben von Toussaint datiert auf den 30. Nivôse des Jahres X (20. Januar 1802), Edmond Mangonès collection, University of Florida, zitiert nach Boromé, «A finding list». Toussaint an den Marineminister, 24. Germinal des Jahres VII (13. April 1799), zitiert nach Testament politique de Toussaint Louverture (Paris 1855), S. 5.
475
Anmerkungen 1 DIE SEELE EINES FREIEN MENSCHEN
1 «Né dans l’esclavage, mais ayant reçu de la nature l’âme d’un homme libre». Bericht von
Toussaint an die Direktion, 18. Fructidor) des Jahres V (4. September 1797). AN AFIII 210. 2 Anna Julia Cooper, Slavery and the French and Haitian Revolutionists (Lanham, MD: Row-
man and Littlefield, 2006), S. 102. 3 Diese bestanden hauptsächlich aus Jahresberichten, Sklavenlisten, Arbeitsprotokollen und
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administrativen Anweisungen. Eine vollständige Beschreibung dieser Quellen findet sich bei Gabriel Debien, Les esclaves aux Antilles françaises, XVII–XVIIIe siècles (Basse Terre: Société d’histoire de la Guadeloupe, und Fort-de-France: Société d’histoire de la Martinique, 1974), S. 9–38. Isaac Louverture, Notes sur la vie de Toussaint Louverture, S. 325. BNF NAF 6864. Charles Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture, n. d. Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). Zu Toussaints Familie siehe Alfred Nemours, Histoire de la famille et de la descendance de Toussaint Louverture (Port-au-Prince: Staatliche Druckerei, 1941). Siehe die Doktorarbeit von Christian Frances Mobley, «The Kongolese Atlantic: Central African Slavery & Culture from Mayombe to Haïti» (Duke University, 2015). Der einschlägige Beitrag zu diesem Thema stammt von John Thornton, «‹I am the subject of the King of the Congo›: African political ideology and the Haitian Revolution», in: Journal of World History, Bd. 4, Nr. 2 (Herbst 1993). Zu den Immobilieneigentümern siehe Jean-Louis Donnadieu, Un grand seigneur et ses esclaves. Le comte de Noé entre Antilles et Gascogne (Toulouse: Presses Universitaires du Mirail, 2009). Artikel XI verfügte, dass «Kinder, die aus einer Ehe zweier Sklaven hervorgehen, selbst Sklaven sein werden». Le Code Noir (Paris, 1685), S. 5. David Geggus, «Toussaint Louverture and the slaves of the Bréda plantations», in: Journal of Caribbean History, Bd. 20, Nr. 1 (1985 f.), S. 36. Der Begriff «Fatras» wurde üblicherweise als Bezeichnung von Sklaven gebraucht, die verletzt oder nicht einsatzfähig waren. Saint-Rémy, Vie de Toussaint (Paris: Moquet, 1850), S. 8. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Isaac Louverture, Notes historiques sur Toussaint Louverture. BNF NAF 6864. Antoine Métral, Histoire de l’insurrection des esclaves dans les nord de Saint-Domingue (Paris, 1818), S. 53. Code Noir, S. 8. Fick, The Making of Haiti, S. 21. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409. François Cliquot, «Nouvelle description de l’île d’Haïti», unveröffentlichtes Manuskript, 1843. Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). Debien, Les esclaves aux Antilles françaises, S. 285. Ebd., S. 287. Charles Frostin, «Méthodologie missionnaire et sentiment religieux en Amérique française au 17e et 18e siècles: le cas de Saint-Domingue», in: Cahiers d’Histoire (Universitäten Clermont, Lyon und Grenoble, 1979), Bd. 24, Nr. 1, S. 24. Siehe allgemeiner François Kawas, Sources documentaires de l’histoire des jésuites en Haïti aux XVIIIe et XXe siècles (Paris: L’Harmattan, 2006). In einem Brief an Grégoire (datiert auf den 9. April 1799) behauptet ein ortsansässiger
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Anhang Priester, Pater Constantin de Luxembourg, er habe von «Toussaint, Sklave im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder», das Abendessen serviert bekommen; zitiert nach Adolphe Cabon, Notes sur l’histoire religieuse d’Haïti (Port-au-Prince: Petit Séminaire Collège Saint-Martial, 1933), S. 44. John Thornton, Africa and Africans in the Making of the Atlantic World (Cambridge: Cambridge University Press, 1998), S. 319. Siehe David Richardson, «Slave exports from West and Central Africa, 1700–1810: new estimates of volume and distribution», in: Journal of African History, Bd. 30 (1989), S. 10– 14. Phillipe Girard und Jean-Louis Donnadieu, «Toussaint before Louverture: new archival findings on the early life of Toussaint Louverture», in: William and Mary Quarterly, Bd. 70, Nr. 1 (Januar 2013), S. 46. Dubois, Avengers, S. 42; siehe allgemeiner Gérard Barthélémy, Créoles–Bossales: conflit en Haïti (Petit-Bourg, Guadeloupe: Ibis Rouge, 2000). Zitiert nach Debien, Les esclaves aux Antilles françaises, S. 321. «malheureux qui a des nègres, plus malheureux, qui n’en a pas»; Regnaud de Beaumond an seine Mutter, Saint-Marc, den 6. April 1785, zitiert nach Gabriel Debien, «À SaintDomingue avec deux jeunes économes de plantation», in: Revue de la société d’histoire et de géographie d’Haïti, Bd. 16, Nr. 58 (Juli 1945), S. 61. Hilliard d’Auberteuil, Considérations sur l’état présent de la colonie française de Saint-Domingue (Paris, 1776), Bd. 2, S. 68. Frantz Fanon, The Wretched of the Earth (London: Penguin, 2001), S. 32. Moreau de Saint-Méry, Description topographique, Bd. 1, S. 29. Die größte Gruppe bildeten die Kongolesen. Siehe David Geggus, «Sex ratio, age and ethnicity in the Atlantic slave trade», in: Journal of African History, Bd. 30, Nr. 1 (1989); Debien, Les esclaves aux Antilles françaises, S. 48. Bernard Gainot, La révolution des esclaves: Haïti, 1763–1803 (Paris: Vendémiaire, 2017), S. 50. Gragnon-Lacoste, Toussaint Louverture, S. 3 f. Siehe Baron Alexandre-Stanislas de Wimpffen, Saint-Domingue à la veille de la Révolution (Paris: L. Michaud, 1911), S. 90. Rachel Beauvoir Dominique, «La valeur sociale du vaudou à travers l’histoire», in: Museum International, Bd. 62, Nr. 4 (2010), S. 108. Was die weiteren Merkmale der haitianischen Vodou-Praxis während des späteren 18. Jahrhunderts anbelangt, siehe Michel Laguerre, Voodoo and Politics in Haiti (Houndmills and London: Palgrave Macmillan, 1989), S. 32 f. Patrick Bellegarde-Smith, «Resisting freedom: cultural factors in democracy: the case for Haiti», in: Claudine Michel und Patrick Bellegarde-Smith (Hrsg.), Vodou in Haitian Life and Culture (New York: Palgrave Macmillan, 2006), S. 101. Robbie Shilliam, «Race and revolution at Bwa Kayiman», in: Millenium, Bd. 45, Nr. 3 (2017), S. 280. Alfred Métraux, Le vaudou haïtien (Paris: Gallimard, 1958), S. 40. Stephen Alexis, Black Liberator: The Life of Toussaint Louverture (London: E. Benn, 1949), S. 12. Ausführlicher erörtert finden sich diese Techniken bei Karol Weaver, Medical Revolutionaries: The Enslaved Healers of Eighteenth-Century Saint-Domingue (Urbana and Chicago: University of Illinois Press, 2006), S. 69–75. Saint-Rémy, Vie de Toussaint, S. 8. AN 18 AP 3, Papiers Bréda; Brief vom 3. Februar 1785. Isaac Louverture, Notes sur la vie de Toussaint Louverture, S. 336 f. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409.
Anmerkungen
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48 Toussaint, Réfutation de quelques assertions d’un discours prononcé au Corps Législatif le 10 Prai-
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rial an cinq par Viénot Vaublanc, Cap, den 8. Brumaire des Jahres VI (29. Oktober 1797), S. 18 f. Code Noir, Artikel XI, XV, XXVIII und XXXI; eine ausführlichere Erörterung findet sich bei Frédéric Régent, La France et ses esclaves (Paris: Grasset, 2007), S. 66–87. de Wimpffen, Saint-Domingue à la veille de la Révolution, S. 63 f., n. 2. Eine detailliertere Analyse der in den Kolonien verübten Gräueltaten gegenüber den Sklaven liefert Fouchard, Marrons de la liberté, S. 103–129. Geggus, «Toussaint Louverture and the slaves of the Bréda plantations», S. 36 f. Gragnon-Lacoste, Toussaint Louverture, S. 6 f. Jacques de Cauna, «La famille et la descendance de Toussaint Louverture», in: J. de Cauna (Hrsg.), Toussaint Louverture et l’indépendance d’Haïti (Paris: Karthala, 2004), S. 183. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Ebd. Gragnon-Lacoste, Toussaint Louverture, S. 14 f. Siehe Jean-Louis Donnadieu, «La famille oubliée de Toussaint Louverture», in: Bulletin de la Société Archéologique et Historique du Gers, Nr. 401 (2011). Ebd., S. 359. Karen McCarthy Brown, «Afro-Caribbean spirituality: a Haitian case study», in: Michel und Bellegarde-Smith (Hrsg.), Vodou in Haitian Life and Culture, S. 6. François de Kerverseau, Bericht an die französische Regierung, 1. Germinal des Jahres IX (22. März 1801). ANOM CC9B 23. AN 18 AP 3, Papiers Bréda; correspondence Bayon de Libertat. «Toussaint Louverture», in: Le Moniteur Universel, 9. Januar 1799. Siehe beispielsweise Schoelcher, Vie de Toussaint Louverture, S. 387. Toussaint an die Direktion, 30. Messidor des Jahres V (18. Juli 1797). AN F7 7321. Seine Befreiung war ein außergewöhnlicher Einzelfall, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Freilassungen in der späteren Kolonialzeit zumeist Frauen oder Männern gewährt wurden, die Militärdienst geleistet hatten. Darüber hinaus war deren Zahl gegen Ende des 18. Jahrhunderts stark rückläufig: Im Jahr 1789 wurden im gesamten Norden von Saint-Domingue, dessen Bevölkerung sich auf über 190 000 Menschen belief, gerade einmal sieben Schwarze befreit. Siehe David Geggus, «Saint-Domingue on the eve of the Haitian Revolution», in: D. Geggus und N. Fiering (Hrsg.), The World of the Haitian Revolution (Bloomington: Indiana University Press, 2009), S. 9. Marie-Antoinette Menier, Gabriel Debien und Jean Fouchard, «Toussaint Louverture avant 1789. Légendes et réalités», in: Conjonction, Nr. 143 (1977). Pachtvertrag zwischen Philippe-Jasmin Désir und Toussaint Bréda, Cap, den 17. August 1779. ANOM G3 527. Der Vertrag wurde in gegenseitigem Einvernehmen im Juli 1781 aufgekündigt. AN 18 AP 3, Papiers Bréda. Jacques de Cauna und Jean-Louis Donnadieu, «Quand le Comte de Noé écrit à Toussaint Louverture», in: Outre-Mers. Revue d’Histoire, Nr. 358 f. (2008), S. 297. Girard und Donnadieu, «Toussaint before Louverture», S. 68 f. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 6864. «Toussaint Louverture, l’Aquitaine, et les Gascons», in: de Cauna (Hrsg.), Toussaint Louverture et l’indépendance d’Haïti, S. 190. Brief von Bayon vom 19. Dezember 1878, zitiert nach Alfred Nemours, «Lieux et dates de la naissance et de la mort de Toussaint Louverture», in: Toussaint Louverture fonde à SaintDomingue la liberté et l’égalité (Port-au-Prince: Imprimerie du Collège Vertières, 1945), S. 13.
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Anhang AN 18 AP 3, Papiers Bréda; Berichte von Bayon bezogen auf das Jahr 1788. Debien, Les esclaves aux Antilles françaises, S. 318 f. Siehe die Tabelle in: Régent, La France et ses esclaves, S. 189. Gabriel Debien, «A propos du trésor de Toussaint Louverture», in: Revue de la société d’histoire et de géographie d’Haïti, Bd. 17, Nr. 62 (Juli 1946), S. 35. Sue Peabody, «Négresse, mulâtresse, citoyenne: gender and emancipation in the French Caribbean», in: Pamela Scully und Diana Paton (Hrsg.), Gender and Slave Emancipation in the Atlantic World (Durham, NC and London: Duke University Press, 2005), S. 61 f. Verzeichnis der Sklaven auf der Plantage von Bréda, Dezember 1785, wiederabgedruckt in: Jean-Louis Donnadieu, «Nouveaux documents sur la vie de Toussaint Louverture», in: Bulletin de la Société d’Histoire de la Guadeloupe, Bd. 166 f. (2013), S. 133. Ebd., S. 136. Ebd., S. 129. Ebd., S. 136. Guillaume-Thomas Raynal und Denis Diderot, Histoire philosophique des Deux Indes (Geneva, Aufl. 1780), Bd. 1, D. 545. Michel-Rolph Trouillot, «An unthinkable history: the Haitian Revolution as a nonevent», in: Sepinwall (Hrsg.), Haitian History, S. 40. Louis Sala-Molins, Dark Side of the Light: Slavery and the French Enlightenment (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2006), S. 124. Guillaume-Thomas Raynal, Essai sur l’administration de Saint-Domingue (Paris, 1785), S. 14 f. Dantès Bellegarde, Histoire du peuple Haïtien (Port-au-Prince, 1953), S. 59. Fouchard, Les marrons de la liberté, S. 388. Moreau de Saint-Méry, Description topographique, Bd. 1, S. 653. Eine kritischere Sichtweise, die nahelegt, dass der «Komplott» Makandals ein Hirngespinst weißer Plantagenbetreiber war, liefern Trevor Burnard und John Garrigus, The Plantation Machine: Atlantic Capitalism in French Saint-Domingue and British Jamaica (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2016). Zur Legende von Makandal in Saint-Domingue in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts siehe den dritten Teil von Pierre Pluchon, Vaudou, sorciers, empoisonneurs. De SaintDomingue à Haïti (Paris: Karthala, 1987). Jason Daniels, «Recovering the fugitive history of marronage in Saint-Domingue, 1770– 1791», in: Journal of Caribbean History, Bd. 46, Nr. 2 (2012), S. 131. Girard und Donnadieu, «Toussaint before Louverture», S. 64 und 66. Anzeige in: Affiches Américaines, 7. April 1784, gefunden in: Le marronage à Saint-Domingue, http: / / www.marronnage.info / . Dezember 1785, Bericht zitiert nach Donnadieu, «Nouveaux documents sur la vie de Toussaint Louverture», S. 126. Hinsichtlich weiterer Berichte über abtrünnige Sklaven auf der Plantage von Bréda im Jahre 1790 siehe Debien, Les esclaves aux Antilles françaises, S. 458. Zur Verschmelzung afrikanischer und katholischer Rituale im Vodou siehe Métraux, Le vaudou haïtien, S. 288. «respecté par les Africains comme une espèce de Macanda [sic]», Hervorhebung im Text. Bericht von Kerverseau an die französische Regierung, 1. Germinal des Jahres IX (22. März 1801). ANOM CC9B 23. Frederick Douglass, «Toussaint Louverture», nichtdatiertes Manuskript. Frederick Douglass Papers, Library of Congress. Roger Dorsinville, Toussaint Louverture ou la vocation de la liberté (Paris: Julliard, 1965), S. 94.
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Anmerkungen
100 Rede von Toussaint auf Kreolisch im Süden von Saint-Domingue, 1799, zitiert nach
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Pélage-Marie Duboys, Précis historique des Annales de la Révolution à Saint-Domingue, Bd. 2, S. 80. BNF NAF 14879. Berichte von Bayon, zitiert nach Debien, Les esclaves aux Antilles françaises, S. 242. Gérard Barthélémy, «Toussaint Louverture, noir libre», in: Revue de la Société haïtienne d’histoire et de géographie, Bd. 83, Nr. 236 (Januar–Juni 2009), S. 23–78. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture; diese Information stammt aller Wahrscheinlichkeit nach von Pierre-Baptiste, den Vincent im Jahr 1801 traf. Scott, The Common Wind, S. 28. Donnadieu, «Nouveaux documents sur la vie de Toussaint Louverture», S. 127. Girard und Donnadieu, «Toussaint before Louverture», S. 55. Über den berüchtigten Fall von 1788, in dem der Plantagenbetreiber Nicolas Lejeune trotz erdrückender Beweise gegen ihn von der Folter freigesprochen wurde, siehe Malick Ghachem, «Prosecuting torture: the strategic ethics of slavery in pre-revolutionary SaintDomingue», in: Law and History Review, Bd. 29, Nr. 4 (November 2011). Siehe auch die Studie von Ghachem zu den in spätkolonialer Zeit geführten juristischen Debatten in Saint-Domingue, The Old Regime and the Haitian Revolution (New York: Cambridge University Press, 2012). Ich danke Robbie Shilliam für diesen umsichtigen Vorschlag. Franklin Midy, «L’exception Haïtienne», in: Marcel Dorigny (Hrsg.), Haïti, première république noire, Sonderausgabe von: Outre-Mers. Revue d’histoire, XC (2003), S. 133 und 135. Charles Malenfant, Des colonies et particulièrement de celle de Saint-Domingue (Paris, 1814), S. 93 f., n. 1. Nemours, Toussaint Louverture fonde à Saint-Domingue la liberté et l’égalité, S. 19; BellegardeSmith, «Resisting freedom», S. 102 f.
2 DIE PFORTEN DES SCHICKSALS 1 2 3 4 5 6 7 8
9
10 11 12 13
Toussaint, Camp Turel proclamation, 29. August 1793. AN AA 53. Dubois, Avengers, S. 176. Toussaint, Camp Turel proclamation. Zeugnis von Guillaume Moulinet, 24. Dezember 1791. AN D / XXV / 63, Dossier 635. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 6864. Zitiert nach Ralph Korngold, Citizen Toussaint (London: Victor Gollancz, 1945), S. 86. Protokoll der Sitzung vom 8. April 1788, zitiert nach Jean-Pierre Barlier, La Société des Amis des Noirs 1788–1791 (Paris: Éditions de l’Amandier, 2010), S. 94. In Hinblick auf ein Fallstudium siehe Elodie Lambert, «L’intervention des habitants de Champagney pour l’abolition de l’esclavage des noirs dans leur cahier de doléances (1789)», in: Bulletin de la Société d’Histoire de la Guadeloupe, Nr. 172 (September–Dezember 2015). Siehe Gabriel Debien, Les colons de Saint-Domingue et la Révolution. Essai sur le Club Massiac (Paris: A. Colin, 1953); und Déborah Liébart, «Un groupe de pression contre-révolutionnaire: le club Massiac sous la Constituante», in: Annales Historiques de la Révolution française, Nr. 354 (Oktober–Dezember 2008). Nationalversammlung, Erlass vom 15. Mai 1791, S. 4. AN D / XXV /3. Henri-Baptiste Grégoire, Lettre aux citoyens de couleur et nègres libres (Paris, 1791), S. 12. Brief von Raimond, zitiert nach Geggus, The Haitian Revolution, S. 44. David Geggus, Slavery, War, and Revolution: The British Occupation of Saint-Domingue 1793– 1798 (New York: Oxford University Press, 1982), S. 34 f.
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Anhang
14 Garran Coulon, Rapport sur les troubles de Saint-Domingue, fait au nom de la Commission des
Colonies, Bd. 1 (Paris, 1797), S. 170 f. 15 Convocation de l’Assemblée coloniale (Port-au-Prince, 1790), S. 2 f. 16 Doutes proposés à l’Assemblée Nationale, par un membre de l’Assemblée générale de la partie fran-
çaise de Saint-Domingue (Paris, 1790). 17 Tanguy de la Boissière, Réflexions impartiales d’un citoyen sur les affaires de Saint-Domingue
(Port-au-Prince, 1789). 18 Petition of free coloureds to assembly of north province, 10. November 1789. Archives départe-
mentales de la Gironde 61 J 15. 19 Schoelcher, Vie de Toussaint Louverture, S. 5; Dubois, Avengers, S. 64. 20 Ogé message to assembly of north province, 29. Oktober 1790, zitiert nach Geggus, The Hai-
tian Revolution, S. 63. 21 John Garrigus, «Vincent Ogé ‹jeune› (1757–91): social class and free colored mobilisation 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35
36 37 38 39 40 41 42
43 44
on the eve of the Haitian Revolution», in: The Americas, Bd. 68, Nr. 1 (Juli 2011), S. 34. Brief von Kapitän Henry, Cap, 27. September 1791. AN D / XXV / 78. Scott, The Common Wind, S. 111–117. Félix Carteaux, Soirées bermudiennes (Bordeaux, 1802), S. 76 f. Zitiert nach Fick, The Making of Haiti, S. 86. Wimpffen, Saint-Domingue à la veille de la Révolution, entry for July 1790, S. 186. Siehe zum Beispiel die Aussage des Sklaven Antoine, Januar 1791, in: Fick, The Making of Haiti, Anhang C, S. 267 ff. Bericht von François Barbé-Marbois, 10. Oktober 1789, zitiert nach Geggus, The Haitian Revolution, S. 76. «Mon Odyssée», zitiert nach Jeremy Popkin, Facing Racial Revolution: Eyewitness Accounts of the Haitian Insurrection (Chicago: University of Chicago Press), S. 79. Gemäß dem regional gebräuchlichen Ausdruck «glücklich wie die Sklaven von Gallifet». Brief vom 25. September 1791. AN D / XXV / 78. Garran Coulon, Rapport sur les troubles de Saint-Domingue, Bd. 2 (Paris, 1798), S. 214. Anon, «La Révolution de Saint-Domingue», zitiert nach Popkin, Eyewitness Accounts, S. 50, 53. Ausführlicher erörtert bei Kate Ramsey, The Spirits and the Law: Vodou and Power in Haiti (Chicago: University of Chicago Press, 2011), S. 42 ff. Fick, The Making of Haiti, S. 95. Die Nachwirkung von Bois-Caïman im gegenwärtigen kollektiven Gedächtnis der Haitianer wird erläutert in: Rachel Beauvoir-Dominique und Eddy Lubin, Investigations autour du site historique du Bois-Caïman (Cap-Haïtien: ISPAN, 2000). Schoelcher, Vie de Toussaint Louverture, S. 89. C. L. R. James, The Black Jacobins: Toussaint L’Ouverture and the San Domingo Revolution (New York: Vintage Books, 1989), S. 90. Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 1, S. 9. Siehe beispielsweise Roume, «Précis historique de la Révolution de Saint-Domingue», Paris, 3. Brumaire des Jahres III (24. Oktober 1794). AN D / XXV /3. Zitiert nach Beaubrun Ardouin, Études sur l’histoire d’Haïti (Paris, 1854), Bd. 1, S. 228. Der Brief datiert auf den 15. April 1790 und ist versehen mit dem Vermerk «erhalten am 20. Juni». ANOM CC9A 4 (Korrespondenz der Generalgouverneure, 1789–90). «Certificate of Toussaint Louverture, general at Dondon», Dondon, 15. Juli 1793. Königliches Spanisches Generalarchiv (ARGS), Guerra Moderna 7157; zitiert nach Boromé, «A finding list». Toussaint an Rallier, 26. Germinal des Jahres VII (15. April 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. Dubois, «An enslaved Enlightenment», S. 11.
Anmerkungen
481
45 Über Lahaye siehe Chris Bongie, «A flexible quill: Abbé de Lahaye’s role in late colonial
46 47 48
49 50 51 52 53 54
55 56
57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68
69
70
Saint-Domingue», in: Atlantic Studies, Bd. 15, Nr. 4 (2018), S. 476–503. Über die Unterstützung des Sklavenaufstandes durch den Klerus siehe im Allgemeinen Laënnec Hurbon, «Le clergé catholique et l’insurrection», in: Laënnec Hurbon (Hrsg.), L’insurrection des esclaves de Saint-Domingue (Paris: Karthala, 2000), S. 32; siehe auch Kapitel 1 in: Erica R. Johnson, Philanthropy and Race in the Haitian Revolution (New York: Palgrave Macmillan, 2018). Kerverseau, Bericht an die Französische Regierung, 1. Germinal des Jahres IX (22. März 1801). ANOM CC9B 23. Joubert, «Renseignements sur la position actuelle du Limbé, et depuis le commencement de la Révolte», n. d. [late 1791]. AN D / XXV / 78. Jacques de Cauna, «Toussaint Louverture et le déclenchement de l’insurrection des esclaves du Nord en 1791», in: Alain Yacou (Hrsg.), Saint-Domingue espagnol et la révolution nègre d’Haïti (Paris: Karthala, 2007), S. 152 f. Siehe die Rede von M. de Cambefort, Einzelkommandant der Stadt Cap, bei der Versammlung der nördlichen Provinzen, in der Sitzung vom 10. November 1791 (Cap, 1791). Fouchard, Marrons de la liberté, S. 532. Einige Historiker behaupten, dass diese Briefe nicht von Toussaint sondern Jeannot stammten, was eher unwahrscheinlich ist. Siehe Antonio del Monte y Tejada, Historia de Santo Domingo (Santo Domingo, 1890), Bd. 3, S. 154 f. «Lettre signée Médecin Général, datée de Grande-Rivière, 15 octobre 1791», in: ebd., S. 155. Brief an die Zivilkommissare vom 12. Dezember 1791, unterschrieben von den Generälen Jean-François und Biassou sowie den Kommissaren Manzau, Aubert und Toussaint. AN DXXV /1 /1. Aussagen von René Guillemeton und René Cossait, 24. Dezember 1791. AN D / XXV / 63 (635). Gabriel Le Gros, Récit historique sur les événemens qui se sont succédés dans les camps de la Grande Rivière, du Dondon, de Sainte-Suzanne & autres, depuis le 26 octobre 1791, jusqu’au 24 décembre de la même année (Paris, 1793), S. 7. Ebd., S. 17. Popkin, Facing Racial Revolution, S. 57. Gros, Récit historique, S. 26 f. Aussagen von Häftlingen, 24. Dezember 1791. AN D / XXV / 63, Dossier 635. Guy Lemarchand, «A propos des révoltes et des révolutions de la fin du XVIIIe siècle», in: Annales Historiques de la Révolution Française, Nr. 340 (April–Juni 2005), S. 164. Fick, The Making of Haiti, S. 162. Proklamation vom 24. September, zitiert nach Geggus, The Haitian Revolution, S. 82. «bout à blancs». Gros, Récit historique, S. 17. Brief von Tousard, 27. November 1791, zitiert nach Geggus, The Haitian Revolution, S. 87. Dorigny, in: Hurbon (Hrsg.), L’insurrection des esclaves de Saint-Domingue, S. 108. Der vollständige Text und Wortlaut des Briefes kann eingesehen werden bei Nathalie Piquionne, «Lettre de Jean- François, Biassou et Belair», in: Annales Historiques de la Révolution Française, Nr. 311 (1998), S. 132–135. Zu den Schriften von Milscent siehe im Allgemeinen Alexandra Tolin Schultz, «The Créole Patriote: the journalism of Claude Milscent», in: Atlantic Studies, Bd. 11, Nr. 2 (2014). Zum Beispiel Nathalie Piquionne, in: «Lettre de Jean-François, Biassou et Belair», S. 137.
482
Anhang
71 Biassou an de Lahaye, Pfarrer von Dondon, n. d. [1792]. ANOM CC9A 7. 72 Siehe vor allem die Korrespondenz von Biassou und Jean-François (1792–3). AN D /
XXV /12. 73 Nicht zu verwechseln mit Charles Bélair, Toussaints Neffen und einem späteren General 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85
86 87 88 89 90 91 92 93 94 95
96 97 98
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in der Revolutionsarmee. Siehe Bongie, «A flexible quill», S. 493–496. Siehe Scott, The Common Wind, S. XV–XVI. Piquionne, «Lettre de Jean-François, Biassou et Belair». Biassous Einberufung, 24. August 1792. AN D / XX /12. Briefe von Matias de Armona an Governor García, 20. und 30. August 1793, zitiert nach Geggus, The Haitian Revolution, S. 110. Biassou an Delahaye, Pfarrer von Dondon, 28. Oktober 1792. ANOM CC9A 7. Siehe zum Beispiel die Proklamation von Biassou vom 14. August 1793. AN D / XXV /12 (Korrespondenz zwischen Biassou und Jean-François). Aussagen weißer Häftlinge vom 24. Dezember 1791 und Befragung eines inhaftierten Sklaven am 2. April 1792. AN D / XXV / 63, Dossier 635. Alain Yacou, «La stratégie d’éradication de Saint-Domingue», in: Yacou (Hrsg.), SaintDomingue espagnol, S. 180. Ebd., S. 141. Bericht vom 3. Januar 1794, Santo Domingo. AGI, zitiert nach Gérard Laurent, Trois mois aux archives d’Espagne (Port-au-Prince: Imprimerie Les Presses Libres, 1956), S. 45. AGS, Bericht datiert auf den 22. Juli 1793, Santo Domingo; zitiert nach Antonio Jesús Pinto Tortosa, Santo Domingo: Una colonia en la encrucijada 1790–1820 (Madrid: FEHME, 2017), S. 85. Toussaints Antwort an den Französischen Kommandanten des Westsektors, Camp BassinCayman, 25. Juni 1793. AN D / XXV /20. Siehe zum Beispiel das auf den 1. September 1793 datierende Dokument zur Ernennung Talamons zum Kapitän. AN AA55 /1511. Saint-Rémy, Vie de Toussaint, S. 85. Thomas Madiou, Histoire d’Haïti (Port-au-Prince: Imprimerie Courtois, 1847), Bd. 1, S. 164. García an Toussaint, Bayaja, 16. Februar 1794. AGI, zitiert nach Laurent, Trois mois aux archives d’Espagne, S. 53. Proklamation von Sonthonax, Cap, den 30. Dezember 1792. Sonthonax’ Artikel in Révolutions de Paris, Nr. 63 (25. September 1790), zitiert nach Geggus, The Haitian Revolution, S. 102. Die Korrespondenz wurde von Jean-François in einem Brief vom 17. September 1793 an die spanischen Behörden angeprangert. AGS, zitiert nach Tortosa, Santo Domingo, S. 88. Étienne Polverel, Jean-Antoine Ailhaud und Léger-Félicité Sonthonax, «Proclamation au nom de la nation aux hommes libres de Saint-Domingue», Cap, 24. September 1792. Eine detaillierte Untersuchung der Ereignisse von 1793 findet sich bei Jeremy Popkin, You Are All Free: The Haitian Revolution and the Abolition of Slavery (Cambridge: Cambridge University Press, 2010). James, The Black Jacobins, S. 124. Proklamation von Toussaint vom 8. August 1793. AN AA55 /1511. Ein solches Treffen, das am 10. August stattgefunden hat, findet sich in einem Brief aus dem Jahr 1793 von dem republikanischen Offizier Antoine Chanlatte erwähnt, Zitation in: Gérard Laurent, Erreurs et vérités dans l’histoire d’Haïti (Port-au-Prince: Imprimerie Tehomme, 1945), S. 364. Proklamation von Toussaint vom 25. August 1793. AN AEII 1375.
483
Anmerkungen
100 Siehe Georges Corvington, Port-au-Prince au cours des ans, Bd. 2 (Port-au-Prince: Impri-
101 102 103 104 105
106 107 108 109 110 111
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merie Henri Deschamps, 1992), S. 150. Die britische Besetzung wird ausführlicher erläutert in Kapitel 3. Tortosa, Santo Domingo, S. 92. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409. Toussaint an Don García, 20. März 1794, zitiert nach Ardouin, Études sur l’histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 420. Toussaint an Don García, 27. März 1794, zitiert nach ebd., Bd. 2, S. 423–426. Ebd. In seinen historischen Aufzeichnungen bemerkt Isaac Louverture: «Biassou hat das Motiv seines Kampfeinsatzes in Verruf gebracht, indem er an die Spanier Schwarze verkaufte.» BNF NAF 12409. Siehe Carlos Esteban Deive, Los refugiados franceses en Santo Domingo (Santo Domingo: Universidad Nacional Pedro Henríquez Ureña, 1984), S. 110–119. Brief von Laplace an Don García, Fort-Dauphin, 4. April 1794. BNF NAF 12102. Denkschrift unterschrieben von Biassou, Jean-François und Toussaint, Saint-Raphaël, 16. November 1793. AGI, zitiert nach Laurent, Trois mois aux archives d’Espagne, S. 46 f. Toussaints Briefe vom 20. und 27. März 1794, zitiert nach Ardouin, Études sur l’histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 422 und 426. Ebd., S. 425. Siehe David Geggus, «From his most Catholic Majesty to the godless Republic: the volteface of Toussaint Louverture and the ending of slavery in Saint-Domingue», in: OutreMers. Revue d’histoire, Nr. 241 (1978), S. 481–499. Ebd., Anhang. Siehe das Dossier von 1795, in welchem Lleonart seine Haltung gegenüber den Gebietsverlusten unter spanischer Kontrolle an Toussaint rechtfertigt. Archivo General de Simancas, SGU, LEG, 6855, 51. Siehe (auf Grundlage der spanischen Archivquellen) die Kapitel von Carlos Esteban Deive, «Les débuts de la révolution nègre: Toussaint Louverture change de camp, d’après des documents inédits», in: Yacou (Hrsg.), Saint-Domingue espagnol, S. 187–201. Garcías Brief vom 6. August 1796, zitiert nach Tortosa, Santo Domingo, S. 116. Berichterstattung eines französischen Offiziers vor Ort an Laveaux, Plaisance, den 10. August 1793. BNF NAF 12012. Siehe den vollständigen Bericht von Laveaux über diesen frühen Feldzug aus dem Jahr 1793, April 1793. AN D / XXV /50, Korrespondenz von Laveaux. Laurent, Erreurs et vérités dans l’histoire d’Haïti, S. 364. Toussaint an Laveaux, 18. Mai 1794. BNF NAF 12102. Toussaint an Laveaux, 7. Juli 1794. BNF NAF 12102. «Mauvais sujets». Bericht von Laveaux an den Kongress, Port-de-Paix, 1. Vendémiaire des Jahres III (22. September 1794). ANOM CC9A 9. Bericht von Laveaux, Port-de-Paix, 25. März 1795. ANOM CC9A 10.
3 TAPFERE REPUBLIKANISCHE KRIEGER 1 Toussaints Brief an die Militärführung von Petite-Rivière, 29. Nivôse des Jahres III (18. Januar 1795). BNF NAF 12103. 2 Michael Duffy, «World-wide war, 1793–1815», in: P. J. Marshall (Hrsg.), The Oxford His-
tory of the British Empire, Bd. 2 (Oxford: Oxford University Press, 1998), S. 186. 3 «My Odyssey», zitiert nach Popkin, Facing Racial Revolution, S. 266.
484
Anhang
4 Geggus, Slavery, War, and Revolution, S. 68. 5 Toussaint an Laveaux, 31. Januar 1795, in: Toussaint Louverture, Lettres à la France (Bruy-
6
7
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
ères-le-Châtel: Nouvelle Cité, 2011); dies ist eine veröffentlichte Fassung der Korrespondenz zwischen Toussaint und Laveaux, die einen wichtigen Teil der Dokumente mit den Kennnummern 12102–12103–12104 im BNF und NAF ausmacht. Alle Briefe an Laveaux, die in diesem Kapitel und den folgenden zitiert werden, sind auf diese Fassung bezogen. Der Zeitpunkt der Übergabe wurde nicht näher spezifiziert, und Santo Domingo verblieb bis 1801 unter spanischer Kontrolle, als Toussaints Armee in das Territorium einfiel. Siehe Kapitel 8. Adolphe Thiers, Histoire du Consulat et de l’Empire (Paris, 1865), Bd. 4, S. 173. Ähnlich geringschätzige Sichtweisen finden sich wiedergegeben in: Pluchon, Toussaint Louverture, S. 563. Fick, The Making of Haiti. Karma Nabulsi, Traditions of War: Occupation, Resistance, and the Law (Oxford: Oxford University Press, 1999). Brief von Toussaint an die Generäle Beauvais und Laplume, 29. Floréal des Jahres VI (2. Juni 1798). ANOM CC9A 19. Bericht von Laveaux an den Marine- und Kolonialausschuss des Nationalkonvents, 25. März 1795. ANOM CC9A 10. Toussaint an Laveaux, 20. Oktober 1795. Toussaint an Laveaux, 18. März 1796. Bernard Gainot, «Le général Laveaux, gouverneur de Saint-Domingue, député néo-jacobin», in: Annales Historiques de la Révolution Française, Nr. 278 (1989), S. 436 und 452. Bericht von Laveaux, 1794. ANOM CC9A 8, correspondance du général Laveaux. Siehe Carolyn Fick, «The Haitian Revolution and the limits of freedom», in: Social History, Bd. 32, Nr. 4 (November 2007), S. 400. Bericht von Laveaux, 6. Februar 1794. ANOM CC9A 8. Toussaint an Laveaux, 31. August 1796. Brief von Laveaux, 9. September 1795, in: Girard Papers, American Philosophical Society, Philadelphia, zitiert nach White, Encountering Revolution, S. 148. Undatierter Brief von Toussaint an Laveaux (vermutlich Ende 1798 oder Anfang 1799). BNF NAF 12104, f. 417. Proklamation von Toussaint, 18. Februar 1795. BNF NAF 12103. Die «Carmagnole» wurde von den republikanischen Armeen Frankreichs als Schlachtruf angestimmt; darüber hinaus diente sie dazu, die Anhänger der Monarchie zu provozieren. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Saint-Anthoine, Notice sur Toussaint Louverture, S. 26 f. und 30. Michel und Bellegarde-Smith (Hrsg.), Vodou in Haitian Life and Culture, S. 205. Laguerre, Voodoo and Politics in Haiti, S. 65. Thomas Madiou, Histoire d’Haïti (Port-au-Prince, 1847), Bd. 1, S. 199; siehe ebenso Toussaint an Laveaux, 21. Oktober 1794. Toussaint an Laveaux, 6. August 1795. Toussaint an Laveaux, 7. Juli 1794. Madiou, Histoire d’Haïti, S. 211. Ebd. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409. Toussaint an Laveaux, 30. September 1795. Madiou, Histoire d’Haïti, S. 210.
Anmerkungen
485
35 Toussaint an Laveaux, 5. Dezember 1795. 36 Brief des französischen Kommissars Sonthonax an Toussaint, Cap, 24. Floréal des Jahres V (13. Mai 1797). BNF NAF 8987, Papiers Sonthonax. 37 Brief an General Pierre Michel, 13. Juli 1796. BNF NAF 12103. 38 Madiou, Histoire d’Haïti, S. 202; Isaac Louverture, Réfutation des assertions avancées dans
39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50
51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62
63 64 65
66 67 68
l’Histoire du Consulat et de l’Empire par M. Thiers, concernant le général Toussaint Louverture, par Isaac Louverture, Bordeaux, 18. August 1845. BNF NAF 6864. Toussaint an Laveaux, 17. August 1796. Bericht von Toussaint, 26. Nivôse des Jahres VII (15. Januar 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. Madiou, Histoire d’Haïti, S. 279. Toussaint an Laveaux, 31. August 1794. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409. Marcus Rainsford, An Historical Account of the Black Empire of Hayti (London, 1805), S. 244. Toussaint an Laveaux, 14. August 1794. Toussaint an Laveaux, 30. September 1795. Rainsford, An Historical Account, S. 283. Ebd., S. 218. Fick, The Making of Haiti, S. 111. Toussaint an Laveaux, 4. Oktober 1794; Madiou, Histoire d’Haïti, S. 200 f.; Geggus, Slavery, War, and Revolution, S. 128. Brisbane wurde im Februar des folgenden Jahres während eines Kavallerieangriffs von Toussaint in den Nacken geschossen und erlag seiner Verletzung. Toussaint an Laveaux, 25. Januar 1795. Toussaint an Laveaux, 19. Januar 1796. Toussaint an die Generäle Beauvais und Laplume, 8. Pluviôse des Jahres VI (27. Januar 1798). ANOM CC9A 19. Toussaint an Laveaux, 19. Juli 1794. The Haitian Journal of Lieutenant Howard (Knoxville: University of Tennessee Press, 1985), S. 39. Ebd., S. 59. Henry de Poyen-Bellisle, Histoire militaire de la révolution de Saint-Domingue (Paris, 1899), S. 54. Toussaint an Laveaux, 14. September 1795. Howard, S. 60. M. Grouvel, Faits historiques sur Saint-Domingue (Paris, 1814), S. 93, 97 f. Howard, S. 81. Toussaint erstellte in seinem Brief an Rallier eine Liste der Territorien, die er von 1794 an eingenommen hatte, 26. Germinal des Jahres VII (15. April 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. Geggus, Slavery, War, and Revolution, S. 157. Toussaint an Laveaux, 13. August 1796. «Procès-verbal de l’expédition du général divisionnaire Toussaint Louverture sur le Mirebalais et sa dépendance», 20. Germinal des Jahres V (9. April 1797). Archives Départementales de la Gironde, Sammlung Marcel Chatillon, 61 J 18. Ebd. Proklamation von Toussaint, Mirebalais, den 22. Germinal des Jahres V (11. April 1797). ANOM CC9A 12. Madiou, Histoire d’Haïti, S. 279.
486
Anhang
69 «Procès-verbal de l’expédition du général divisionnaire Toussaint Louverture sur le Mire-
balais et sa dépendance». 70 Toussaint an Laveaux, 5. und 7. Dezember 1795. 71 Petition der Offiziere des 5. Regiments an Toussaint, 31. Januar 1796. BNF NAF 12104. 72 Brief von Dubuisson, Kommandant von Fort Louverture, an Toussaint, 18. April 1796. BNF NAF 12104. 73 Toussaint an Laveaux, 7. Juli 1796. 74 Bericht von Toussaint, Port-de-Paix, 9. Ventôse des Jahres V (27. Februar 1797). ANOM
CC9A 12. 75 Militärbericht von Toussaint, 1. Juli 1798. ANOM CC9A 3. 76 Toussaint an Hédouville, 9. August 1798. ANOM CC9A 23. 77 Diese Klage wird in einem Brief von Sonthonax an Toussaint erwähnt, 15. Brumaire des Jahres V (5. November 1796). BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. 78 Toussaint an Laveaux, 18. Mai 1794; 4. Oktober 1794 und 24. April 1796. 79 Toussaint an Laveaux, 5. Februar 1795 und 18. Juli 1796. 80 Toussaint an Laveaux, 23. Dezember 1795. 81 Toussaint an die Generäle Beauvais und Laplume, 29. Floréal des Jahres VI (2. Juni 1798). ANOM CC9A 19. 82 Madiou, Histoire d’Haïti, S. 212. 83 Geggus, Slavery, War, and Revolution, S. 224 und 318. 84 Toussaint, «Procès-verbal de la campagne ouverte le 13 Pluviôse an VI contre les ennemis de la République», 29. Floréal des Jahres VI (18. Mai 1798). ANOM CC9A 19. 85 Toussaint an Laveaux, 9. Dezember 1794. 86 Toussaint an Laveaux, 15. Oktober 1795. 87 «Réponse à l’adresse faite par Jean-François à ses soi-disants frères du Dondon», 13. Juni 1795. BNF NAF 12103. 88 Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti (Paris: Karthala, 1995), S. 214. 89 Bericht von Toussaint an den Marineminister, 4. Germinal des Jahres VII (24. März 1799).
National Archives, Kew, CO 245 /2. 90 «Procès-verbal de l’expédition du général divisionnaire Toussaint Louverture sur le Mire-
balais et sa dépendance». 91 Eine Darstellung einer solchen Operation findet sich im Brief von Dessalines an Toussaint, 11. Mai 1796. BNF NAF 12103. 92 Siehe beispielsweise den Bericht von Toussaint über Dessalines’ Intervention in Petite-
Rivière, 13. Germinal des Jahres VII (2. April 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. 93 Jacques de Cauna, «L’entourage, la famille, et la descendance», in: de Cauna (Hrsg.), Tous-
saint Louverture et l’indépendance d’Haïti, S. 183–186. 94 Isaac Louverture, Notes historiques sur Toussaint Louverture. BNF NAF 12409. 95 Siehe Claude B. Auguste, «Les Congos dans la Révolution Haïtienne», in: Revue de la
Société haïtienne d’histoire et de géographie, Bd. 46, Nr. 168 (Dezember 1990). Zum Vorfall betreffend Dieudonné siehe Toussaint an Laveaux, 24. Februar 1796. Isaac Louverture, Notes historiques sur Toussaint Louverture. BNF NAF 12409. «une morale véhémente», 9. Dezember 1794. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Petition der zweiten Bataillon der 141. Halbbrigade an Toussaint (1798). ANOM CC9A 18. Toussaint an die Generäle Beauvais und Laplume, 8. Pluviôse des Jahres VI (27. Januar 1798). ANOM CC9A 19. 102 Toussaint, «Ordre de marche donné au général Dessalines», Petite-Rivière, 15. Pluviôse des Jahres VI (3. Februar 1798). ANOM CC9A 19. 96 97 98 99 100 101
Anmerkungen
487
103 Toussaint an Christophe, Camp Maugé, 28. Pluviôse des Jahres VI (16. Februar 1798).
Boromé, «A finding list», S. 100. 104 «Ordre de marche donné au général Dessalines». 105 «S’amuser à tirailler», ebd. 106 Verteidigungsschreiben von Toussaint betreffend Kapitän Mayandon, 24. Frimaire des
Jahres VI (14. Dezember 1797). Rochambeau Papers, University of Florida. 107 Toussaint an die Heeresführer von Petite-Rivière, 29. Nivôse des Jahres III (18. Januar 1795). BNF NAF 12103. 108 Toussaint, «Adresse aux officiers, sous officiers, et soldats composant l’armée en marche», 4. Pluviôse des Jahres VI (23. Januar 1798). ANOM CC9A 19. 109 Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. 110 Toussaint, «Procès-verbal de la campagne ouverte le 13 Pluviôse an VI contre les ennemis 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138
de la République». Toussaint an Hédouville, 6. Floréal des Jahres VI (25. April 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint, «Adresse aux officiers». Ebd. Toussaint an Morin, 28. Germinal des Jahres III (17. April 1795), zitiert nach Mémoires du citoyen Morin, commandant militaire au quartier des Verrettes (Port-de-Paix, n. d.), S. 23. Toussaint, «Adresse aux généraux de brigade et aux chefs des colonnes», 24. Ventôse des Jahres VI (14. März 1798). ANOM CC9A 19. Toussaint, «Adresse aux officiers». Schoelcher, Vie de Toussaint Louverture, S. 391. Isaac Louverture, Notes historiques sur Toussaint Louverture. BNF NAF 12409. Madiou, Histoire d’Haïti, S. 236. Dieser Vorfall wird ausführlicher zu Beginn des 4. Kapitels behandelt. Siehe Toussaints Brief an Huin, 13. Floréal des Jahres VI (2. Mai 1798). ANOM CC9A 198. Toussaint an Hédouville, Port-Républicain, 17. Floréal des Jahres VI. (6. Mai 1798). ANOM CC9A 23. Rede des Majors von Saint-Marc, 20. Floréal des Jahres VI (9. Mai 1798). ANOM CC9A 19. BNF NAF 14878, zitiert nach Geggus, The Haitian Revolution, S. 133. Corvington, Port-au-Prince au cours des ans, Bd. 2, S. 143 f. Toussaint an Laveaux, 21. Oktober 1794. Toussaint an Laveaux, 30. September 1795. Toussaint an Laveaux, 14. Juli 1795. Brief von Kommandeur Cordon an Toussaint, 15. September 1795. BNF NAF 12103. Bericht, Santo Domingo, 29. August 1796. AGI, Zitiert nach Tortosa, Santo Domingo, S. 143 f. Proklamation von Toussaint, 25. Pluviôse des Jahres VI (13. Februar 1798). ANOM CC9A 19. Bericht von Toussaint, 9. Prairial des Jahres V (28. Mai 1797). ANOM CC9A 13. Siehe hierzu beispielweise die Berichte des britischen Militärs vor Ort über die ersten Monate des Jahres 1798. National Archives, Kew, WO 1 / 68 und WO 1 / 69. Madiou, Histoire d’Haïti, S. 279. Toussaint an Laveaux, 14. September 1795. Isaac Louverture, Notes historiques sur Toussaint Louverture. BNF NAF 12409. Rainsford, An Historical Account, S. 248 f. Brief eines britischen Kriegsgefangenenkommissars an Toussaint, 7. November 1795. BNF NAF 12103. Was die schwarzen Häftlinge anbelangt, siehe Toussaints Brief an Whyte, 13. Germinal
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Anhang des Jahres VI. (2. April 1798), ANOM CC9A 18; außerdem den Briefwechsel zwischen Toussaint und Maitland vom 29. Prairial des Jahres VI (17. Juni 1798), ANOM CC9A 23. Toussaint, «Procès-verbal de la campagne ouverte le 13 Pluviôse an VI contre les ennemis de la République». Lettre s. d. de Jean-Baptiste Lapointe, commandant pour sa majesté britannique aux Arcahayes, trouvée lors de la prise du camp Dubourg. ANOM CC9A 19. Zur Laufbahn von Lapointe siehe Placide David, «Un terroriste: Jean-Baptiste Lapointe», in: Sur les rives du passé (Montreal: Éditions Leméac, 1972), S. 155–180. Toussaint an John Whyte, n. d. ANOM CC9A 19. Roume an den Marineminister, Santo Domingo, 2. Frimaire des Jahres VII (22. November 1798). ANOM CC9A 18. Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 2, S. 60 f. «Morin, chef de brigade, au Directoire Exécutif, Paris», 28. Nivôse des Jahres VII (17. Januar 1799). ANOM CC9A 23. Über die Arbeit dieser Militärkrankenhäuser siehe «Précis des services de Joseph Antoine Idlinger, commissaire ordonnateur à Saint-Domingue». Archives de la Seine, Paris, DQ10–1418, Dossier Joseph Idlinger. Toussaint an Flaville, 26. Juni 1795. BNF NAF 12103. Toussaint an Laveaux, 19. Juli 1794. «honnête homme». Toussaints Anrede der Bevölkerung von Arcahaie, 22. Ventôse des Jahres VI (12. März 1798). ANOM CC9A 19. Toussaint an Laveaux, 4. Oktober 1794. Isaac Louverture, Réfutation. Toussaint an Laveaux, 7. Juli 1795. Saint-Rémy, Vie de Toussaint Louverture, S. 187, fn. 1. Laveaux, «Résumé des observations et réflexions sur la colonie», 1. Vendémiaire des Jahres III (22. September 1794). ANOM CC9A 9. In einem Brief vom 23. Mai 1796 schrieb das Mitglied der französischen Versammlung Dufay an Laveaux: «Ich teile Ihre Sichtweise vollkommen, dass wir eine beachtliche Streitmacht europäischer Truppen in Saint-Domingue benötigen»; Hervorhebung im Text. «Les officiers et les soldats de l’armée sous les ordres de Toussaint Louverture, général de brigade des armées de la République, à la Convention Nationale». Cordon de l’Ouest, Saint-Domingue, 14. Frimaire des Jahres IV (5. Dezember 1795). ANOM CC9A 12. «Ihr Weißen könnt keinen Krieg gegen die Schwarzen führen»; zitiert nach Charles Malenfant, «Observations sur Saint-Domingue», 23. Pluviôse des Jahres VI (11. Februar 1798). ANOM CC9A 19. Toussaint an Hédouville, 22. Germinal des Jahres VI (11. April 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint, «Procès-verbal de la campagne ouverte le 13 Pluviôse an VI contre les ennemis de la République». Ebd. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Toussaint, «Procès-verbal de la campagne ouverte le 13 Pluviôse an VI contre les ennemis de la République».
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Anmerkungen 4 EINE EINZIGE FAMILIE VON FREUNDEN UND BRÜDERN
1 Bericht von Laveaux an den Marineminister, Cap, 8. Thermidor des Jahres IV (26. Juli 1796). ANOM CC9A 12. 2 Zitiert nach Schoelcher, Vie de Toussaint Louverture, S. 172. 3 Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti, S. 194. 4 Madiou, Histoire d’Haïti, S. 237. 5 James, The Black Jacobins, S. 173. 6 Michel-Étienne Descourtilz, Voyages d’un naturaliste (Paris, 1809), Bd. 3, S. 246. 7 Henry Perroud, Précis des derniers troubles qui ont eu lieu dans la partie du nord de Saint-
Domingue (Cap-Français, 1796). 8 Toussaint an Vincent, 30. Vendémiaire des Jahres VI (21. Oktober 1797). Archives of
Smithsonian Museum of African American History and Culture, Washington DC. 9 Toussaint an Vincent, Port-de-Paix, 29. Thermidor des Jahres VII (16. August 1799). Un-
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veröffentlichte Briefe von Toussaint Louverture, Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). Toussaint an Laveaux, Gonaïves, 23. Mai 1797. BNF NAF 12104. Madiou, Histoire d’Haïti, S. 193 f. Über Rigauds Lob für seinen «tapferen und unerschrockenen Freund» Villatte siehe seinen Brief an Laveaux, Les Cayes, den 20. Thermidor des Jahres II (7. August 1794). AN AFIII 209. Madiou, Histoire d’Haïti, S. 76 f. «der schlaue Fuchs». Toussaint an Laveaux, 21. April 1796. Juste Chanlatte, Réflexions politiques sur les troubles et la situation de la partie françoise de SaintDomingue (Paris, 1792), S. 17. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Siehe zum Beispiel «Rapport au Directoire Exécutif», Paris, den 30. Thermidor des Jahres IV (17. August 1796). ANOM CC9A 12. Toussaint an Laveaux, 4. Oktober 1794. Toussaint an Laveaux, 25. Januar 1795. Toussaint an Laveaux, 31. Januar 1795. Toussaint an Laveaux, 6. Februar 1795. Toussaint an Laveaux, 14. April 1796. Toussaint an Laveaux, 5. Juni 1796. Toussaint an Laveaux, 12. März 1796. Proklamation von Toussaint an die Bürger von Gros-Morne, 30. Germinal des Jahres IV (19. April 1796). Courrier Français, 19. Juli 1796. Bericht von Laveaux an den Marineminister, Cap, 24. Pluviôse des Jahres IV. (13. Februar 1796). ANOM CC9A 11. Ebd. Schoelcher, Vie de Toussaint Louverture, S. 172. Toussaint an Laveaux, 5. Dezember 1795. Toussaint an Laveaux, 7. Juli 1795. Toussaint an Laveaux, 21. Juli 1795. Toussaint an Laveaux, 4. Oktober 1794. Ein portugiesischer Real entsprach einer halben Unze Gold und hatte einen Wert von acht Gourdes. Toussaint an Laveaux, 15. Januar 1796.
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Anhang
35 Toussaint an Laveaux, 11. Mai 1796. 36 Toussaint an Laveaux, 25. Pluviôse des Jahres IV (14. Februar 1796). Archives Départe-
mentales de la Gironde, Sammlung Marcel Chatillon, 61 J 18. 37 Toussaint, «Rapport sur le rétablissement de l’ordre dans la montagne du Port-de-Paix», Vendémiaire–Brumaire des Jahres V (September–Oktober 1796). ANOM CC9A 13. 38 Bericht von Raimond an den Marineminister, 18. Brumaire des Jahres V (8. November 1796). ANOM CC9A 12. 39 Zitiert nach Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. 40 Toussaint an Laveaux, 10. Juli 1795. 41 Toussaint an Dieudonné, 12. Februar 1796. BNF NAF 12104. 42 Toussaint an Laveaux, 5. April 1796. 43 Zitiert nach Delatte, «Mémoire sur les évènements de Fort-Liberté», 16. Frimaire des Jahres VII (6. Dezember 1798). ANOM CC9A 22. 44 Toussaint an Laveaux, 20. Februar 1796. BNF NAF 12104. 45 Ebd. 46 Toussaint an Laveaux, 6. Februar und 31. Oktober 1795. 47 Toussaint an Laveaux, 26. Juni 1795. 48 Toussaint an Laveaux, 15. April 1796. 49 Toussaint an Laveaux, 19. April 1796. 50 Toussaint an Laveaux, 17. Juni 1795. 51 Madiou, Histoire d’Haïti, S. 181. 52 Siehe zum Beispiel Pluchon, Vaudou, S. 138 f. 53 Siehe zum Beispiel Toussaint an Laveaux, 15. Juni 1794 und 10. August 1794. 54 Toussaint an Laveaux, 6. März 1796. 55 Proklamation von Toussaint, Gonaïves, den 10. Fructidor des Jahres IV (27. August 1796). 56 57 58 59 60 61 62 63
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Kongressbibliothek, Toussaint-Louverture-Akte. Toussaint an Laveaux, 6. März 1796. Toussaint an Laveaux, 21. Juli 1795. Toussaint an Laveaux, 14. September 1795. Toussaint an Laveaux, 22. Februar 1796. Dubois, Avengers, S. 201 f. Thornton, Africa and Africans, S. 207, 208 und 213. Proklamation von Toussaint vom 25. April 1796, zitiert nach Schoelcher, Vie de Toussaint Louverture, S. 175. Der Rat der 500 wurde im Zuge der Einführung der Verfassung im Jahr III eingerichtet und trat das erste Mal im Oktober 1795 zusammen. Er wurde 1799 nach dem Staatsstreich vom 18. Brumaire aufgelöst. Toussaint an Laveaux, 17. August 1796. BNF NAF 12103. Zur Abreise von Laveaux und seiner Rolle in der französischen Versammlung siehe Gainot, «Le général Laveaux», S. 444 f. Marcel Dorigny und Bernard Gainot, La Société des Amis des Noirs 1788–1799 (Paris: EDICEF, 1998), S. 317 ff. In einem Brief an Domergue jun., kurz nach seiner Rückkehr in die Kolonie, berief Sonthonax sich auf sich selbst als «Begründer der Freiheit von Saint-Domingue»; Brief vom 19. Prairial des Jahres IV (7. Juni 1796). BNF NAF 8986, Papiers Sonthonax. Brief vom 20. Juni 1796, zitiert nach Robert Louis Stein, Léger Félicité Sonthonax: The Lost Sentinel of the Republic (Cranbury, NJ: Fairleigh Dickinson University Press, 1985), S. 138. Toussaint an die Direktion, 13. Pluviôse des Jahres V (1. Februar 1797). AN AFIII 210. Siehe Sonthonax an Toussaint, 13. Messidor des Jahres IV (bezüglich der Fanfare, 1. Juli
Anmerkungen
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1796), und seine Dankesbekundungen an Toussaint für das Pferd, 7. Pluviôse des Jahres V (26. Januar 1797). BNF NAF 8986 und 8987, Papiers Sonthonax. Brief vom 14. Juni 1796, Stein, Léger Félicité Sonthonax, S. 159. Bericht von Sonthonax an den Marineminister, 26. Floréal des Jahres V (15. Mai 1797). ANOM CC9A 13. Sonthonax an Toussaint, 11. und 29. Brumaire des Jahres V (1. und 19. November 1796). BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. Toussaint an Sonthonax, n. d. BNF NAF 12104. Sonthonax an Toussaint, 24. Prairial des Jahres IV (12. Juni 1796), und an Madame Louverture, 19. Messidor des Jahres IV (7. Juli 1796). BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. Siehe Michel Roussier, «L’Éducation en France des enfants de Toussaint Louverture», in: Revue Française d’Histoire d’Outre-Mer, Nr. 236 (1977), S. 308–349. Stein, Léger Félicité Sonthonax, S. 129. Toussaint an Laveaux, 5. Juni 1798. «sa bouche n’a pas de dimanche». Toussaint an Chanlatte, 27. August 1793. ANOM CC9A 8. Sonthonax an die Direktion, 8. Pluviôse des Jahres VI (27. Januar 1798). AN AFIII 210. Zitiert nach François de Kerverseau, Bericht an die französische Regierung, 1. Germinal des Jahres IX (22. März 1801). ANOM CC9B 23. Sonthonax an Toussaint, Cap, 27. Floréal des Jahres V (16. Mai 1797). BNF NAF 8987, Sonthonax-Akte. Sonthonax an Toussaint, 14. Fructidor des Jahres IV (31. August 1796). BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Toussaint an Philippe-André-Joseph Létombe, französischer Generalkonsul, Cap, 9. Nivôse des Jahres VI (29. Dezember 1797). Archiv des französischen Außenministeriums. Toussaint an das Direktorium, 30. Messidor des Jahres V (18. Juli 1797). AN F7 7321, Dossier B4 /5915. Siehe das Dekret der Kommissare von Saint-Domingue, Cap, 28. Brumaire des Jahres V (18. November 1796), in dem festgehalten wird, dass er in der Kolonie angekommen und «eindringlich vor einer Emigration gewarnt» worden war sowie seine sofortige Festnahme und Deportation nach Frankreich angeordnet wurde, um kriminellen Machenschaften Einhalt zu gebieten. BNF NAF 6847, Sonthonax-Akte. Sonthonax an Toussaint, 7. Frimaire des Jahres V (27. November 1796). BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. Sonthonax an Toussaint, 6. Floréal und 16. Messidor des Jahres V (25. April und 4. Juli 1797). BNF NAF 8987 und 8988, Sonthonax-Akte; siehe auch François Bléchet, «La seconde mission de Sonthonax à Saint-Domingue», in: Revue Française d’Histoire d’OutreMer, Bd. 84, Nr. 316 (1997), S. 82. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Citoyen B*** (François Marie Bottu), La liberté générale ou les colons à Paris (Cap, 1796). Madiou, Histoire d’Haïti, S. 250. Siehe beispielsweise Toussaints Korrespondenz mit Sonthonax darüber, wer die Gesamtverantwortung für die militärischen Operationen trage, in Sonthonax’ Brief an Toussaint vom 21. Messidor des Jahres IV (9. Juli 1796). BNF FR 8986, Papiers Sonthonax. Sonthonax an Toussaint, 6. Messidor des Jahres IV (24. Juni 1796). BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. Sonthonax an Toussaint, 3. und 7. Thermidor des V. Revolutionsjahres (21. und 25. Juli 1797). BNF NAF 8988, Sonthonax-Akte.
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Anhang
96 Sonthonax an Toussaint, 22. Fructidor des IV. Revolutionsjahres (8. September 1796). BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. 97 Moyse schrieb, dass Sonthonax’ Aufbruch «Zwietracht innerhalb der Bevölkerung» säen würde. 19. Floréal des Jahres V (8. Mai 1797). AN D XXV /13. 98 Proklamation der Stadtverwaltung von Gonaïves, 25. Floréal des Jahres V (14. Mai 1797). BNF NAF 6847, Sonthonax-Akte. 99 Télémaque an Sonthonax, Cap, 4. Fructidor des Jahres V (21. August 1797). BNF NAF
6846, Sonthonax-Akte. 100 Gérard Laurent, Le Commissaire Sonthonax à Saint-Domingue (Port-au-Prince: La Pha-
lange, 1965), Bd. 2, S. 148. 101 Toussaint an Sonthonax, 3. Fructidor des Jahres V (20. August 1797). AN AFIII 210. 102 Außerordentliche Sitzung der Stadtverwaltung von Cap, 19. Floréal des Jahres V (8. Mai 1797). BNF NAF 6847, Sonthonax-Akte. 103 Toussaint, «Aux citoyens composant l’administration municipale de la ville du Cap»,
5. Fructidor des Jahres V (22. August 1797). AN AFIII 210. 104 Toussaint an Julien Raimond, Petite Anse, 3. Fructidor des Jahres V (20. August 1797). ANOM CC9A 14. Siehe ebenso die Berichte von Julien Raimond an die Direktion, 18. Fructidor (ANOM CC9A 14) und 24. Fructidor des Jahres V. AN AFIII 210 (4. und
10. September 1797). 105 Proklamation von Toussaint, gerichtet an Sonthonax und seinen Militärstab, 3. Fructidor
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des Jahres V (20. August 1797). Service Historique de la Défense, Vincennes, B7 carton 1, correspondance Toussaint Louverture. Toussaint an Maurepas, Petite Anse, 8. Fructidor des Jahres V (25. August 1797). AN AFIII 210. Proklamation von Toussaint, Cap, 12. Fructidor des Jahres V (29. August 1797). AN AFIII 210. Toussaint an Laveaux, 1. Juni 1798. Brief vom 15. Juni 1796, zitiert nach Stein, Léger Félicité Sonthonax, S. 154. Sonthonax an den Marineminister, Paris, 17. Frimaire des Jahres VIII (8. Dezember 1799). ANOM CC9A 23. «Yon cochon qui déjà mangé poule, vous borgnéyon yieuxli, vous borgné l’autre yeux li, ça pas empeché li quand li passé côté poule, li va cherché mangé li toujours.» Alle Zitate sind Toussaint entnommen, «Rapport au Directoire Exécutif», Cap, 18. Fructidor des Jahres V (4. September 1797). AN AFIV 1213. Toussaint, «Extrait du rapport adressé au Directoire Exécutif», Cap, September 1797. Proklamation der Stadtverwaltung von Jean-Rabel, 20. Vendémiaire (Weinmonat) des VI. Revolutionsjahres (11. Oktober 1797). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Petite-Rivière, 28. Vendémiaire des Jahres VI (19. Oktober 1797). AN AFIII 210. Brief von JP Lamontagne, 24. Vendémiaire des Jahres VI (15. Oktober 1797). AN AFIII 210. Marineminister Truguet schloss für Toussaint Abonnements über die führenden Zeitungen ab. Siehe den Brief von Sonthonax an Toussaint, 10. Thermidor des Jahres IV (28. Juli 1796). BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. Rede von Villaret-Joyeuse vor dem Rat der 500, 12. Prairial des Jahres V (31. Mai 1797) (Paris, 1797), S. 4 und 6 f. Gros, De l’affranchissement des noirs (Paris, 1797), S. 2; siehe ebenso De la nécessité d’adopter l’esclavage en France (Paris, 1797). Ausführlicher diskutiert werden die Auseinandersetzungen innerhalb der kolonialen Interessensgruppen zu dieser Zeit bei Baptiste Biancardini, «L’opinion coloniale et la question de la relance de Saint-Domingue 1795–1802», in: An-
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nales historiques de la Révolution Française 382 (Oktober–Dezember 2015). Siehe allgemeiner Yves Benot, La Révolution Française et la fin des colonies (Paris: La Découverte, 1989), und Claude Wanquet, La France et la première abolition de l’esclavage (Paris: Karthala, 1998). Toussaint an die Direktion, Cap, 8. Brumaire des Jahres VI (29. Oktober 1797). ANOM CC9A 14. Weitere Informationen über Moreaus Buchhandlung in Philadelphia finden sich in Sara E. Johnson, «Moreau de Saint-Méry: itinerant bibliophile», in: Library and Information History, Bd. 31, Nr. 3 (2015), S. 171–197. Discours sur l’état de Saint-Domingue et sur la conduite des agents du Directoire, prononcé par Viénot-Vaublanc, Sitzung vom 10. Prairial des Jahres V (29. Mai 1797) (Paris, 1797). Bericht von Raimond an den Marineminister, 28. Vendémiaire des Jahres VI (19. Oktober 1797). ANOM CC9A 13. Siehe Bernard Gainot, «La députation de Saint-Domingue au Corps Législatif du Directoire», in: Outre-Mers. Revue d’Histoire Nr. 316 (1997), S. 95–110. Réponse d’Étienne Laveaux, général de division, ex-gouverneur de St-Domingue, aux calomnies que le citoyen Viénot-Vaublanc, colon de St-Domingue et membre du Conseil des Cinq-Cents, s’est permis de mettre dans son discours prononcé à la séance du 10 Prairial dernier (Paris, 1797), S. 15. Toussaint an den Marineminister, 29. Vendémiaire des Jahres VI (20. Oktober 1797). ANOM CC9A 14. Toussaint an die Direktion, Cap, 8. Brumaire des Jahres VI (29. Oktober 1797). ANOM CC9A 14. Discours sur l’état de Saint-Domingue, S. 12. Toussaint, Réfutation. Ebd., S. 5. Ebd., S. 9 f. und 14. Ebd., S. 12 f. Ebd., S. 10. Ebd., S. 22 f. Ebd., S. 6. Ebd., S. 10. Ebd., S. 18 f. Ebd., S. 15. Siehe Kapitel 2. Toussaint, Réfutation, S. 18 und 32. Toussaint an das Direktorium, 14. Brumaire des Jahres VI (4. November 1797). AN AFIII 210. Toussaint an Vincent und Desfontaines, Cap, 10. Brumaire des Jahres VI (31. Oktober 1797). Unveröffentlichte Briefe von Toussaint Louverture, Archives Diplomatiques ParisLa Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). Toussaint an Lescallier, 21. Prairial des Jahres VI (9. Juni 1798). ANOM CC9A 14. Toussaint, Réfutation, S. 28 f. Isaac Louverture, Réfutation. Noé an Toussaint, London, 6. April 1799. National Archives, Kew, CO 137 /50. Diese Korrespondenz findet auch Erwähnung in einem Brief des Gouverneurs von Jamaika, Balcarres, an den Herzog von Portland, 21. März 1800. National Archives, Kew, CO 137 /104. Saint-Anthoine, Notice sur Toussaint Louverture, S. 23. Toussaint an Laveaux, Cap, 1. Juni 1798. BNF NAF 12104. Toussaint an Rallier, 26. Germinal des Jahres VII (15. April 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2.
494
Anhang
149 Zur Ignoranz des französischen Kolonialbürgertums siehe Silyane Larcher, L’autre citoyen:
l’idéal républicain et les Antilles après l’esclavage (Paris, 2014). 150 Toussaint, Réfutation, S. 32.
5 DER BEVOLLMÄCHTIGTE TAUGT NICHTS 1 2 3 4
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Balcarres an Maitland, Kingston, Jamaika, 4. Juli 1798. NAM, 6807 /183 /1, ff. 39–43. Dorigny und Gainot, La Société des Amis des Noirs, S. 307. Observations du général du génie Vincent (Paris, 1824), S. 9–10. Rede des Bürgers Baud (1797), zitiert nach Christian Schneider, «Le Colonel Vincent, officier de génie à Saint-Domingue», in: Annales historiques de la Révolution française, Nr. 329 (2002), S. 107. Hinsichtlich weiterer biographischer Einzelheiten über Hédouville siehe Antoine Michel, La mission du général Hédouville à Saint-Domingue (Port-au-Prince: Imprimerie La Presse, 1929). Brief in Haitianischer Privatsammlung, zitiert nach Faine Scharon, Toussaint Louverture et la révolution de Saint-Domingue (Port-au-Prince: Imprimerie de l’État, 1957), Bd. 2, S. 129. Toussaint an den Marineminister, 19. Prairial des Jahres VI (7. Juni 1798). AN EE 1991. Toussaint an Lescallier, 21. Prairial des Jahres VI (9. Juni 1798). ANOM CC9A 14. Toussaint an Hédouville, 22. Germinal des Jahres VI (11. April 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, Camp du Gros-Morne, 15. Floréal des VI (4. Mai 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 18. Germinal des Jahres VI (7. April 1798). ANOM CC9B 6. Toussaint an Hédouville, 22. Germinal des Jahres VI (11. April 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 6. Floréal des Jahres VI (25. April 1798). ANOM CC9B 6. Hédouville an Toussaint, 3. Prairial des Jahres VI (22. Mai 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 18. Floréal, 8. und 11. Prairial des Jahres VI (7., 27. and 30. Mai 1798). ANOM CC9B 6. Zitiert nach «Mémoire abrégé des événements de l’île de Saint-Domingue, 1789–1807», in: de Cauna (Hrsg.), Toussaint Louverture et l’indépendance d’Haïti, S. 94, fn. 138. Rede Toussaints bei der Siegesfeier, Cap, 20. Prairial des Jahres VI (8. Juni 1798). ANOM CC9B 6. Toussaint an Hédouville, 14. Prairial des Jahres VI (2. Juni 1798). ANOM CC9B 6. Hédouville an Toussaint, 6. Messidor des Jahres VI (24. Juni 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 22. Messidor des Jahres VI (10. Juli 1798). ANOM CC9A 23. Siehe zum Beispiel Toussaint an Hédouville, 24. Floréal des Jahres VI (31. Mai 1798). ANOM CC9B 6. Dessalines an Hédouville, 17. Messidor des Jahres VI (8. Juni 1798); Toussaint an Hédouville, 21. und 25. Messidor des Jahres VI (5. und 9. Juli 1798). ANOM CC9A 23. Rede Toussaints in Port-Républicain, 21. Messidor des Jahres VI (9. Juli 1798). ANOM CC9A 23. Bericht von Hédouville an das Direktorium, undatiert (Jahr VI). ANOM CC9A 19. Hédouville an Toussaint, 7. Messidor des Jahres VI (25. Juni 1798). ANOM CC9A 23. Hédouville an Toussaint, 23. Messidor des Jahres VI (11. Juli 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 29. Messidor des Jahres VI (17. Juli 1798). ANOM CC9B 6.
Anmerkungen
495
28 Toussaint an Hédouville, 1. Fructidor des Jahres VI (18. August 1798). ANOM CC9B 6. 29 Toussaint an Hédouville, n. d. [early–mid July 1798]. ANOM CC9A 23. 30 Hédouville an Toussaint, 5. Vendémiaire des Jahres VII (26. September 1798). ANOM
CC9A 23. 31 Maitland an Dundas, 18. März 1798. National Archives, Kew, WO 1 / 69. 32 Hédouville an Toussaint, Cap, den 9. Messidor des Jahres VI (27. Juni 1798). ANOM
CC9A 23. 33 Toussaint an Maitland, 8. Floréal des Jahres VI (27. April 1798), und an Huin, 9. Floréal des Jahres VI (28. April 1798). ANOM CC9A 18. 34 Nacherzählte Geschichte: «Character of Toussaint Louverture», in: The National Intelligen-
cer and Washington Advertiser, 17. August 1801. 35 Maitland an Dundas, 10. Mai 1798. National Archives, Kew, WO 1 / 69. 36 Toussaint an Charles Vincent, Cap, 10. Nivôse des Jahres VII (30. Dezember 1798). Un-
37 38 39 40 41 42
43 44
45 46 47 48 49 50 51 52
veröffentlichte Briefe von Toussaint Louverture, Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). «Geheimabkommen», Camp de la Pointe Bourgeoise, 31. August 1798. National Archives, Kew, WO 1 / 70. Maitland an Balcarres, 31. August 1798. National Archives, Kew, WO 1 / 70. Mémoire abrégé des événements de l’île de Saint-Domingue, 1789–1807, S. 96–97. Toussaint an Hédouville, 16. Fructidor des Jahres VI (2. September 1798). ANOM CC9A 23. Der Brief von Toussaint, in dem er Maitland für das Präsent dankt, datierte auf den 27. Floréal des Jahres VI (16. Mai 1798). ANOM CC9A 18. Toussaint an Hédouville, 29. Fructidor des Jahres VI (15. September 1798). ANOM CC9A 23. Toussaints Bemühungen zum Trotz wurden einige Sklaven aus den britisch besetzten Gebieten nach Jamaika verschifft. Britisches Archivmaterial aus dem Jahre 1799 enthält eine Auflistung von 515 «französischen Negerbauern, die auf Jamaika Zuflucht fanden». National Archives, Kew, CO 137 /102. Hédouville an Toussaint, 9. und 16. Floréal des Jahres VI (28. April und 5. Mai 1798). ANOM CC9A 23. Hédouville an Toussaint, 23. Fructidor des Jahres VI (9. September 1798). ANOM CC9A 23. «Proclamation portant amnistie en faveur des habitants de Jérémie et du Môle, par le général de division Hédouville», Cap, 28. Thermidor des Jahres VI (15. August 1798). University of Florida, Documents originating in Saint-Domingue 1789–1802, reel 9 n. 40. Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 19. Toussaint an Hédouville, 29. Fructidor des Jahres VI (15. September 1798). ANOM CC9A 23. Hédouville an Toussaint, 12. Thermidor des Jahres VI (30. Juli 1798). ANOM CC9A 20. Toussaint an Hédouville, 1. Vendémiaire des Jahres VII (22. September 1798). ANOM CC9 B6. Ebd. Hédouville an Toussaint, 1. Zusatztag des Jahres VI (17. September 1798). ANOM CC9A 23. Proklamation von Hédouville, 1. Brumaire des Jahres VII (22. Oktober 1798). ANOM CC9A 23. Siehe beispielweise seinen Brief vom 16. Prairial des Jahres VI (4. Juni 1798) an die Bürger Fontanges und Emilie sowie Pauline Descahaux in Paris, in dem er sie an seine großzügige Amnestiepolitik in den von der britischen Kontrolle befreiten Gebieten erinnert. Manuskripte von Toussaint Louverture, Bibliothèque Municipale Nantes.
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62 63 64 65 66
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Anhang
Le Citoyen véridique, ou Gazette du Port-Républicain, 26. September 1798. ANOM CC9B 8. Boerner an Hédouville, 10. Fructidor des Jahres VI (27. August 1798). ANOM CC9A 23. Bericht von Hédouville an das Direktorium, n. d. AN AFIII 210. Der Militärkommandeur von Saint-Louis-du-Nord an Hédouville, 23. Fructidor des Jahres VI (9. September 1798). ANOM CC9A 23. Siehe den Brief von Hédouville an Boerner, 20. Messidor des Jahres VI (8. Juli 1798). ANOM CC9A 23. Hédouville an Toussaint, 24. Messidor des Jahres VI (12. Juli 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 22. Messidor des Jahres VI (10. Juli 1798). ANOM CC9 B6. Toussaint an Hédouville, 19. Floréal des Jahres VI (8. Mai 1798). ANOM CC9 B6. Hédouville an Toussaint, 23. Fructidor des Jahres VI (9. September 1798), ANOM CC9A 23; «kein halbes Pfund», Toussaint an Hédouville, 13. Messidor (Erntemonat) des VI. Revolutionsjahres (1. Juli 1798), ANOM CC9 B6. Hédouville an Toussaint, 3. Messidor des Jahres VI (21. Juni 1798), ANOM CC9A 20; Boerner an Dessalines, 25. Messidor des Jahres VI (13. Juli 1798), ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 13. Messidor des Jahres VI (1. Juli 1798). ANOM CC9 B6. Dessalines an Hédouville, 25. Messidor des Jahres VI (13. Juli 1798). ANOM CC9A 23. Hédouville an Toussaint, 1. Zusatztag des Jahres VI (17. September 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 27. Floréal; Hédouville an Toussaint, 3. Prairial des Jahres VI (16. und 22. Mai 1798), ANOM CC9A 20; Toussaint an Hédouville («sehr verärgert»), 11. Prairial des Jahres VI (30. Mai 1798), ANOM CC9B 6. Toussaint an Hédouville, 1. Fructidor des Jahres VI (18. August 1798). ANOM CC9 B6. Hédouville an Toussaint, 6. Fructidor des Jahres VI (23. August 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 13. Thermidor des Jahres VI (31. Juli 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 5. Fructidor des Jahres VI (22. August 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 15. Vendémiaire des Jahres VII (6. Oktober 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 26. Vendémiaire des Jahres VII. (17. Oktober 1798). ANOM CC9A 23. Toussaint an Hédouville, 1. Vendémiaire des Jahres VII (22. September 1798). ANOM CC9A 23. Bericht von Hédouville an das Direktorium, n. d. AN AFIII 210. Zitiert nach Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture; siehe auch Scharon, Toussaint Louverture, S. 175. Toussaint an Hédouville, n. d. [1798]. AN AFIV 1213. «Discours du général Hédouville, agent particulier du Directoire Exécutif, prononcé le 1er Vendémiaire an VII» (22. September 1798), Cap, 1798, S. 3. Toussaint an Hédouville, 5. und 16. Fructidor des Jahres VI (22. August und 2. September 1798); 1. und 4. Vendémiaire des VII. Revolutionsjahres (22. und 25 September 1798). ANOM CC9B 6. Toussaint an Hédouville, Arcahaie, 17. Thermidor des Jahres VI (4. August 1798), ANOM CC9B 6; und Port-Républicain, 21. Thermidor des Jahres VI (8. August 1798), ANOM CC9A 23. Hédouville an Toussaint, Cap, 21. Thermidor des Jahres VI (8. August 1798). ANOM CC9A 23. Arrêté concernant la police des habitations, et les obligations réciproques des propriétaires ou fermiers et des cultivateurs, Cap, 6. Thermidor des Jahres VI (24. Juli 1798). ANOM CC9B 9. Hédouville an Toussaint, 1. Zusatztag des Jahres VI (17. September 1798). ANOM CC9A 23.
Anmerkungen
497
83 Rundbrief von Toussaint an alle Militärkommandeure, 2. Vendémiaire des Jahres VII (23. September 1798), ANOM CC9B 8; Toussaint an Hédouville, 1. Vendémiaire des Jahres VII (22. September 1798), ANOM CC9A 23. 84 Bericht des Brigadisten Jaubert an Toussaint, 5. Zusatztag des Jahres VI (21. September 1798). ANOM CC9A 23. 85 Stadtverwaltung von Petit-Goâve an Toussaint, 1. Vendémiaire des Jahres VII (22. September 1798). ANOM CC9A 23. 86 Boerner an Hédouville, 16. Fructidor des Jahres VI (2. September 1798). ANOM
CC9A 23. 87 Hédouville an Moyse, 14. Vendémiaire des Jahres VII (5. Oktober 1798). ANOM
CC9A 23. 88 Claude B. Auguste, «Les Congos dans la Révolution Haïtienne», in: Revue de la Société
haïtienne d’histoire et de géographie, Bd. 46, Nr. 168 (Dezember 1990), S. 25. 89 Toussaint an den Marineminister, 4. Germinal des Jahres VII (24. März 1799). National
Archives, Kew, CO 245 /2. 90 Nacherzählt in: Godard, «Rapport sur la situation morale et politique de Saint-Domingue», 17. Thermidor des Jahres VII (4. August 1799). ANOM CC9A 22. 91 Zitiert nach Mémoire abrégé des événements de l’île de Saint-Domingue, 1789–1807, S. 98. 92 Bericht von Hédouville an die Direktion, n. d. AN AFIII 210. 93 Proklamation der Stadtverwaltung von Cap, 7. Brumaire des Jahres VII (28. Oktober 1798). AN AFIV 1213. 94 Toussaint, «Aux citoyens Président et membres de la commune du Cap», 3. Brumaire des Jahres VII (24. Oktober 1798). AN AFIV 1213. 95 Proklamation der Stadtverwaltung von Cap, 7. Brumaire des Jahres VII (28. Oktober 1798). AN AFIV 1213. 96 Toussaint an Dessalines, Oktober 1798, zitiert nach Deborah Jenson, «Toussaint Louver-
97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107
ture, spin doctor?», in: Doris Garraway (Hrsg.), Tree of Liberty: Cultural Legacies of the Haitian Revolution in the Atlantic World (Charlottesville: University of Virginia Press, 2008), S. 52–55. Proklamation der Stadtverwaltung von Gonaïves, 6. Brumaire des Jahres VII (27. Oktober 1798). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Petite-Rivière, 8. Brumaire des Jahres VII (29. Oktober 1798). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Plaisance, 2. Brumaire des Jahres VII (23. Oktober 1798). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Marmelade, 2. Brumaire des Jahres VII (23. Oktober 1798). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Gros-Morne, 8. Brumaire des Jahres VII (29. Oktober 1798). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Gonaïves, 6. Brumaire des Jahres VII (27. Oktober 1798). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Port-à-Piment und Terre-Neuve, 2. Brumaire des Jahres VII (23. Oktober 1798). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Toussaint Louverture, 3. Brumaire des Jahres VII (24. Oktober 1798). AN AFIII 210. Ebd. Lettre du citoyen Ignace, commandant militaire, au conseil municipal de Port-à-Piment et Terre-Neuve, 8. Brumaire des Jahres VII (29. Oktober 1798). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Petite-Rivière, 8. Brumaire des Jahres VII (29. Oktober 1798). AN AFIII 210.
498
Anhang
108 Bürgerpetition von Toussaint Louverture an den Oberbefehlshaber, Brumaire des Jah-
res VII (Oktober / November 1798). AN AFIII 210. 109 Petition von Petite-Rivière, 8. Brumaire des Jahres VII (29. Oktober 1798). AN AFIII
210. 110 Undatierter Brief von Hédouville an den Marineminister. ANOM CC9A 23. 111 Bericht von Hédouville an das Direktorium, n. d. AN AFIII 210. 112 Bericht von Roume an den Marineminister, Santo Domingo, 2. Frimaire des Jahres VII (22. November 1798). ANOM CC9A 18. 113 Proklamation von Hédouville, 1. Brumaire des Jahres VII (22. Oktober 1798). ANOM
CC9A 23. 114 Hédouville an Rigaud, 1. Brumaire des Jahres VII (22. Oktober 1798). ANOM CC9A 20.
Dieser Konflikt wird in Kapitel 7 abgehandelt. 115 Zitiert nach Delatte, «Mémoire sur les événements de Fort-Liberté», 16. Frimaire des Jahres VII (6. Dezember 1798). ANOM CC9A 22. 116 Maitland an Dundas, London, 26. Dezember 1798. National Archives, Kew, WO 1 / 70. 117 Harcourt an Toussaint, Gonaïves, 20. April 1799. Service Historique de la Défense, Vin-
cennes, B7 carton 1, correspondance Toussaint Louverture. 118 London Gazette, 12. Dezember 1798. 119 Bericht von Hédouville an die Direktion, n. d. AN AFIII 210. 120 « Li aurait mieux fait de baisser pour hausser que hausser pour baisser». Zitiert nach «Rap-
121 122 123 124 125
port anonyme sur les causes et les suites du depart d’Hédouville», Frimaire des Jahres VII (November 1798). ANOM CC9A 19. Toussaints Bericht an die Direktion, Cap, 22. Brumaire des Jahres VII (12. November 1798). AN AFIV 1213. Toussaint, «Aux citoyens Président et membres de la commune du Cap». Toussaint an Perodin, 28. Germinal des Jahres VII (17. April 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. Proklamation der Stadtverwaltung von Marmelade. «Rapport anonyme sur la situation à Saint-Domingue», Nivôse des Jahres VIII (Dezember 1799). ANOM CC9A 18. 6 TUGENDHAFTE BÜRGER
1 Juin und d’Hébécourt an den Marineminister, 10. Brumaire des Jahres IX (1. November 1800). ANOM CC9A 21. 2 Verwaltungsbericht, 28. Germinal des Jahres VII (17. April 1799). National Archives, Kew,
CO 245 /2. 3 Bericht in The Sumter Banner (Sumterville, SC) vom 25. April 1849. Library of Congress,
Abt. Historic American Newspapers. Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti, S. 244. Malenfant, Des colonies, S. 93. Isaac Louverture, Réfutation. «Après Bon Dieu, c’est François Makandal», zitiert nach Franklin Midy, «Vers l’indépendence des colonies à esclaves d’Amérique: l’exception Haïtienne», in: Outre-Mers. Revue Historique Nr. 340–341 (2003), S. 132. 8 «doucement allé loin.» 9 Alain Le Bihan, Loges et chapitres de la Grande Loge et du Grand Orient de France (2e moitié du XVIIIe siècle) (Paris: Bibliothèque Nationale, 1967), S. 389–395. 4 5 6 7
Anmerkungen
499
10 Tableau des FF. qui composent la R. L. de S. J. de J.em (Port-Républicain, 1800). BNF Gallica NUMM-316971. 11 Zu den freimaurerischen Verbindungen innerhalb von Toussaints Gefolgschaft siehe Jac-
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ques de Cauna, «Toussaint Louverture, l’Aquitaine, et les Gascons», in: de Cauna (Hrsg.), Toussaint Louverture et l’indépendance d’Haïti, S. 197 ff. François de Kerverseau, Bericht an die Französische Regierung, 1. Germinal des Jahres IX (22. März 1801). ANOM CC9B 23. Zu Gonaïves Verwaltungsangelegenheiten siehe den Brief von Roume an Toussaint, 15. Germinal des Jahres VII (4. April 1799), National Archives, Kew, CO 245 /2. Zu Cazes siehe de Cauna, «Toussaint Louverture, l’Aquitaine, et les Gascons», S. 200. Jean Fouchard, «Toussaint Louverture», in: Revue de la Société haïtienne d’histoire et de géographie, Nr. 164 (September–Dezember 1989), S. 41. Siehe Toussaints Brief an Perroud über die Lieferung einer Zuckermühle in Acul; Gonaïves, 10. Brumaire des Jahres IV (1. November 1795). Archives Municipales Reims, Collection Tarbé, XXI–105. Saint-Anthoine, Notice sur Toussaint Louverture, S. 26. Isaac Louverture, Notes historiques sur Toussaint Louverture. BNF NAF 12409. Rainsford, An Historical Account, S. 252. Siehe beispielweise den Brief von Sonthonax an Toussaint vom 7. Vendémiaire des Jahres IV (29. September 1795) über die (erfolgreiche) Ernennung seines Kandidaten Chenaux als Friedensrichter in Petite-Rivière. BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. Toussaint an Isaac und Placide Louverture, Cap, 25. Germinal des Jahres VII (14. April 1799). Manuskripte von Toussaint Louverture, Bibliothèqie Municipale Nantes. Toussaint an den Marineminister, 25. Germinal des Jahres VII (14. April 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. Toussaint an Monginot und die Bürgerin Flanet, 20. Ventôse des Jahres VI (10. März 1798). ANOM CC9A 18. Bericht an das Direktorium, 23. Pluviôse des Jahres VII (11. Februar 1799). AN AFIII 210. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409. Siehe Toussaints Brief an Grégoire, Cap, 23. Brumaire des Jahres VII (13. November 1798); zitiert nach Annales de la religion 8 (1799). Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409. Zu Toussaints religiöser Gefolgschaft siehe Jean Fritzner Étienne, «L’Église et la révolution des esclaves à Saint-Domingue (1791–1804)», in: Histoire, monde et cultures religieuses, Nr. 29 (2014–1), S. 27 f. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409. Jean Fouchard, «Toussaint Louverture», in: Revue de la Société haïtienne d’histoire et de géographie, Nr. 164 (September–Dezember 1989), S. 41. Jacques Périès, La révolution de Saint-Domingue. British Library MS 38074, f. 20. Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 91. Einer dieser Prediger wird zitiert in: Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 172. Toussaint, «Adresse à tous les militaires», 22. Floréal des Jahres V (11. Mai 1797). AN FIII / 201. Toussaint, «Adresse à tous les militaires composant l’armée de Saint-Domingue», 19. Vendémiaire des Jahres VII (10. Oktober 1798). ANOM CC9A 23. Siehe beispielsweise seinen Brief an die Stadtverwaltung von Port-Républicain vom 30. Messidor des Jahres VI (18. Juli 1798). ANOM CC9 B6. Toussaint, «Proclamation aux soldats de l’Armée», Cap, 1796. Toussaint, «Adresse à tous les militaires». Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409.
500
Anhang
39 Toussaint, «Adresse à tous les militaires». 40 Toussaint, Aux citoyens Président et membres de la Commune du Cap, 3. Brumaire des Jah-
res VII (24. Oktober 1798). AN AFIII 210. 41 Toussaints Rede beim Zeremoniell am Freiheitsbaum in Môle Saint-Nicolas, 15. Vendémiaire des Jahres VII (6. Oktober 1798). ANOM CC9B 9. 42 Ebd. 43 Toussaint an Laveaux, 14. September 1795 BNF NAF 12103. Siehe auch die Korrespon-
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48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
60 61
denz von Laveaux mit Toussaint über die Einberufung der örtlichen Versammlungen, Jahr V. AN D / XXV /50. Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 37. Desfontaines wurde nach Frankreich geschickt, um der französischen Regierung den Ausschluss Toussaints durch Sonthonax zu erklären; siehe seinen Brief an den Marineminister vom 11. Brumaire des Jahres V (1. November 1796). ANOM CC9A 13. Siehe ebenso Toussaints Brief an den Ratsherrn Lescallier, 21. Prairial des Jahres VI (9. Juni 1798). ANOM CC9A 14. Siehe beispielsweise den Bericht von Laplume an Toussaint über die Versammlungen von Léogâne, Grand-Goâve und Petit-Goâve, 10. Germinal des Jahres VII (30. März 1799). ANOM CC9A 22. Aux administrateurs municipaux des divers départements de Saint-Domingue, Port-Républicain, 19. Frimaire des Jahres VII (9. Dezember 1798). University of Florida, Documents originationg in Saint-Domingue (1789–1802), reel 9 n. 42. Die Proklamation wurde unterschrieben von Dessalines, Clervaux, Laplume, Christophe und mehr als dreißig örtlichen Kommandanten. Toussaint an die Stadtverwaltung von Cap, Gonaïves, 1. Germinal des Jahres IV (21. März 1796). BNF NAF 12104. Zu dieser Angelegenheit siehe den Brief von Sonthonax an Toussaint vom 19. Messidor des Jahres IV (7. Juli 1796). BNF NAF 8986, Sonthonax-Akte. Dieses Ereignis trug sich am 1. Dezember zu und findet Erwähnung in: Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 178. Siehe beispielsweise seine (negative) Antwort an die Stadtverwaltung von Môle vom 16. Germinal des Jahres IX (6. April 1801). ANOM CC9A 28. «Ordonnance du général Toussaint Louverture», 13. Dezember 1794. BNF NAF 12102. «Proclamation de Toussaint Louverture aux administrations municipales de la colonie, et à ses concitoyens», 16. Pluviôse des Jahres IX (5. Februar 1801). ANOM CC9B 9. Verordnung von Toussaint, 22. Pluviôse des Jahres IX (11. Februar 1801). ANOM CC9B 9. Isaac Louverture, Notes historiques sur Toussaint Louverture. BNF NAF 12409. Sonthonax an Toussaint, Cap, 8. Prairial des Jahres V (27. Mai 1797). BNF NAF 8988, Papiers Sonthonax. Verordnung von Toussaint, 17. Thermidor des Jahres IX (5. August 1801). ANOM CC9B 9. Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409. Bericht an den Marineminister im Floréal des Jahres V (April 1797). ANOM CC9A 13. Bericht an den Marineminister im Germinal des Jahres VII (März 1799), zitiert nach Geggus, The Haitian Revolution, S. 158. Toussaint, Lettre de service du général de brigade Maurepas, 14. Floréal des Jahres IX (14. Mai 1801). ANOM CC9B 9. Toussaint, Pour le soulagement de l’humanité souffrante, 2. Nivôse des Jahres VIII (23. Dezember 1799). ANOM CC9B 9.
Anmerkungen
501
62 Brief der Stadtverwaltung von Môle Saint-Nicolas an Toussaint, 27. Ventôse des Jahres IX (18. März 1801). ANOM CC9B 9. Toussaint machte für sie eine Ausnahme. 63 Toussaint, Proclamation à tous les Français qui sont au Môle, Camp de la Pointe Bourgeoise,
64 65 66 67 68 69 70
71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85
9. Vendémiaire des Jahres VII (30. September 1798). Archives de la Seine, Paris, DQ10– 1418, Dossier von Joseph Idlinger. Siehe Geggus, Slavery, War, and Revolution, S. 140. Liste des personnes les plus capables de gérer les affaires communales, Môle Saint-Nicolas, 11. Brumaire des Jahres IX (2. November 1800). ANOM CC9B 9. Erklärung des Gemeinderats von Môle, 4. Brumaire des Jahres X (26. Oktober 1801). ANOM CC9B 9; siehe Kapitel 10. «Adresse de l’administration municipale du Môle au citoyen Ministre de la Marine», 10. Fructidor des Jahres VIII (28. August 1800). ANOM CC9B 9. Proklamation der Stadtverwaltung von Môle Saint-Nicolas, 10. Pluviôse des Jahres VIII (30. Januar 1800). ANOM CC9B 9. Discours de l’administration municipale du Môle, 16. Pluviôse des Jahres VII (4. Februar 1799). ANOM CC9A 21. Alle Zitate von Rochefort sind seinen beiden Reden entnommen und finden sich vollständig übertragen in den Gemeindeberichten von Môle Saint-Nicolas zu den Feierlichkeiten anlässlich des Fête de la liberté générale, 16. Pluviôse der Jahre VIII und IX (5. Februar 1800 und 1801). ANOM CC9B 9. Rede anlässlich der Zeremonie der Nationalgarde, Môle Saint-Nicolas, 10. Frimaire des Jahres VII (30. November 1798). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 12. Pluviôse des Jahres VIII (1. Februar 1800). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 26. Vendémiaire des Jahres VII (17. Oktober 1798). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 1. Floréal des Jahres X (21. April 1802). ANOM CC9B 9. Siehe beispielweise die städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 28. Vendémiaire des Jahres VII (19. Oktober 1798). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 15. Vendémiaire des Jahrs X (7. Oktober 1801). ANOM CC9B 9. Proklamation von Toussaint, Cap, 7. Floréal des Jahres VIII (27. April 1800). ANOM CC9B 18. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 4. Brumaire des Jahres VII (25. Oktober 1798). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 3. Brumaire des Jahres VII (24. Oktober 1798). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 9. Prairial des Jahres VIII (29. Mai 1800). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint- Nicolas, 18. Vendémiaire des Jahres VIII (10. Oktober 1799). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 27. Vendémiaire des Jahres VII (18. Oktober 1798). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint- Nicolas, 28. Vendémiaire des Jahres VII (19. Oktober 1798). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 5. Ventôse des Jahres VII (23. Februar 1799). ANOM CC9B 9. Städtische Proklamation von Môle Saint-Nicolas, 6. Ventôse des Jahres IX (25. Februar 1801). ANOM CC9B 9.
502
Anhang
86 Toussaint an Roume, 14. Nivôse des Jahres VIII (4. Januar 1800). ANOM CC9B 1. 87 Toussaint an Christophe, Verrettes, 3. April 1798. Nemours Papers, University of Puerto
Rico; zitiert nach Boromé, «A finding list». 88 Isaac Louverture, Notes historiques. BNF NAF 12409. 89 Jujardy speech for anniversary of foundation of French Republic, Môle Saint-Nicolas, 1. Vendémiaire des Jahres VIII. (23. September 1799). ANOM CC9A 23. 90 Rainsford, An Historical Account, S. 255. 91 Placide David, «Vie amoureuse de Toussaint Louverture», in: Sur les rives du passé, S. 101. 92 Bericht des britischen Repräsentanten Hugh Cathcart, Port-Républicain, 26. November
1799. National Archives, Kew, CO 245 /1. 93 Bericht von Roume an das Direktorium, 23. Pluviôse des Jahres VII (11. Februar 1799).
AN AFIII 210. 94 Proklamation der Stadtverwaltung von Saint-Marc, gerichtet an den französischen Marineminister, 12. Germinal des Jahres VIII (2. April 1800). ANOM CC9B 17. 95 Proklamation der Stadtverwaltung von Ennery, 19. Floréal des Jahres V (8. Mai 1797).
AN AFIII 210. 96 Descourtilz, Voyages d’un naturaliste, Bd. 2, S. 121. 97 Proklamation der Stadtverwaltung von Arcahaie, 22. Germinal des Jahres VIII (12. April 1800). ANOM CC9B 17. 98 Proklamation der Stadtverwaltung von Terre-Neuve, 22. Pluviôse des Jahres VII (10. Februar 1799). ANOM CC9A 21. 99 Proklamation der Stadtverwaltung von Terre-Neuve, 1. Floréal des Jahres VIII (21. April 1800). ANOM CC9B 17. 100 Berichte von Roume an den Marineminister, Port-Républicain, 1. Pluviôse und 29. Ger-
minal des Jahres VII (20. Januar und 18. April 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. 101 Marin-Gallon, «Bouquet à l’armée victorieuse, commandée par le général Toussaint Lou-
102 103 104 105 106
verture», in: Le Citoyen véridique, oder: Gazette du Port-Républicain, 30. Ventôse des Jahres VIII (21. März 1800). ANOM CC9A 24. Ratschlag der Stadtverwaltung von Port-Républicain an den französischen Marineminister, 13. Germinal des Jahres VIII (3. April 1800). ANOM CC9B 17. Proklamation der Stadtverwaltung von Gonaïves, 22. Vendémiaire des Jahres VI (13. Oktober 1797). AN AFIII 210. Proklamation der Stadtverwaltung von Gonaïves, gerichtet an den französischen Marineminister, 19. Germinal des Jahres VIII (9. April 1800). ANOM CC9B 17. Die Stadtverwaltung von Cap an das Marineministerium im Prairial des Jahres VIII (Mai 1800). ANOM CC9B 2. Jacques Périès, La révolution de Saint-Domingue. British Library MS 38074, f. 15.
7 EIN GROSSER SPIELRAUM 1 Toussaints Bericht an den Marineminister, 4. Vendémiaire des Jahres VII (25. September 1798). ANOM CC9A 20. 2 Mats Lundahl, «Toussaint Louverture and the war economy of Saint-Domingue, 1796–
1802», in: Slavery and Abolition, Bd. 6, Nr. 2 (1985), S. 125 f. 3 Observations sur la situation actuelle de la colonie de Saint-Domingue, par Rallier, député d’Ille et Vilaine, Paris, 16. Frimaire des Jahres VIII (7. Dezember 1799). ANOM CC9A 23. 4 Someruelos an Urquijo, Havanna, den 6. August 1799, AGI, zitiert nach Scott, The Com-
mon Wind, S. 208; zur Sklaverei in Cuba siehe Ferrer, Freedom’s Mirror.
Anmerkungen
503
5 Toussaints Sendschreiben wird in einem Briefwechsel zwischen spanischen Offizieren in
6 7 8 9 10
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27
Kuba im April 1800 erwähnt und zitiert in: Ada Ferrer, «Talk about Haiti», in: Sepinwall (Hrsg.), Haitian History, S. 141. Hyde Parker an Lord Spencer, 19. Mai 1799, zitiert nach Scott, The Common Wind, S. 205. «verführerische Offerten»; Toussaint an Roume, 12. Prairial des Jahres VII (31. Mai 1799). National Archives, Kew, CO 137 /104. Siehe beispielweise den Bericht über Toussaints erfolgreichen Feldzug gegen die Briten in: Gazette of the United States und Daily Advertiser (Philadelphia), 1. Mai 1798. Ausführlicher erörtert in: Ashli White, «The politics of ‹French negroes› in the United States», in: Sepinwall (Hrsg.), Haitian History. Ein Ausdruck, der sich in etwa übersetzen lässt mit: «großes politisches Geschick demonstrieren». Brief von Toussaint, 22. Fructidor des Jahres VII (8. September 1799). ANOM CC9A 26. Siehe den Bericht von Philippe-Rose Roume über seinen Einsatz in Saint-Domingue (Paris, 1793). «Acte de naissance de Rose-Marie Gabrielle ROUME, fille de Philippe-Rose ROUME, agent du Directoire exécutif de la colonie de Saint-Domingue, habitant à Port-Républicain, et de Marie-Anne-Élisabeth ROCHARD-L’EPINE, née le 28 Brumaire an VIII (19. November 1799)». AN MC / ET / XXXI / 703. «Gewaltritte»; Roume an Toussaint, 22. Frimaire, 22. Nivôse und 9. Germinal des Jahres VII (12. Dezember 1798, 11. Januar und 29. März 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. In seinem Vie de Toussaint Louverture (1850) schreibt Saint-Rémy, dass dieses Portrait «in religiöser Obhut bei der Familie von Roume» in Paris war. Toussaint an Roume, 10. Brumaire des Jahres VII (31. Oktober 1798). ANOM CC9A 18. Brief der Stadtverwaltung von Cap an Roume, 12. Brumaire des Jahres VII (2. November 1798). ANOM CC9A 18. Toussaint an Roume, 5. Frimaire des Jahres VII (25. November 1798). National Archives, Kew, CO 245 /2. Toussaint an Roume, 17. Ventôse des Jahres VII (7. März 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. Roume an Toussaint, 23. Frimaire und 30. Ventôse des Jahres VII (13. Dezember 1798 und 20. März 1799). ANOM CC9A 20. Roume an Toussaint, 4. Pluviôse des Jahres VIII (24. Januar 1800). ANOM CC9B 1. Roume an Toussaint, 21. Vendémiaire des Jahres VIII (13. Oktober 1799). ANOM CC9A 26. Roume an Toussaint, 15. Pluviôse des Jahres VIII (4. Februar 1800). ANOM CC9B 1. Roume an Toussaint, 16. Nivôse des Jahres VIII (6. Januar 1800). ANOM CC9B 17. «Précis des services de Joseph Antoine Idlinger, commissaire ordonnateur à Saint-Domingue». Archives de la Seine, Paris, DQ10–1418, dossier Joseph Idlinger. Alexander DeConde, The Quasi-War: The Politics and Diplomacy of the Undeclared War with France, 1797–1801 (New York: Scribner, 1966), S. 140. Toussaint schrieb seinen Brief im November 1798. Über das bemerkenswerte Leben und die Laufbahn des Bunel-Paars siehe Philippe Girard, «Trading races: Joseph and Marie Bunel, a diplomat and a merchant in revolutionary Saint-Domingue and Philadelphia», in: Journal of the Early Republic, Bd. 30, Nr. 3 (Herbst 2010), S. 351–376. Toussaint an Adams, 6. November 1798, zitiert nach «Letters of Toussaint Louverture and Edward Stevens», in: American Historical Review, Oktober 1910, S. 66 f.; siehe auch Toussaints Brief an Bunel, Cap, den 17. Nivôse des Jahres VII (6. Januar 1799), zitiert nach Boromé, «A finding list».
504
Anhang
28 Stevens an Pickering, Cap, 3. Mai 1799, in: «Letters of Toussaint Louverture and Edward 29 30 31 32 33 34
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55
Stevens». White, Encountering Revolution, S. 157. Ebd. Roume an Toussaint, 2. Brumaire des Jahres VIII (24. Oktober 1799). ANOM CC9A 26. Rede von Roume anlässlich des Jahrestages der Fête de la liberté générale, 20. Pluviôse des Jahres VIII (9. Februar 1800). ANOM CC9B 1. Roume an Toussaint, 15. Thermidor des Jahres VII (2. August 1799). ANOM CC9A 25. Roume an den Marineminister, 27. Thermidor des Jahres VII (14. August 1799), National Archives, Kew, CO 137 /104. Die Information wurde durch einen Bericht von Douglas an Balcarres bestätigt, Port-Républicain, 21. August 1799, National Archives, Kew, CO 137 /102. Mémoire abrégé des évènements de l’île de Saint-Domingue, 1789–1807, S. 100 f. Philippe Girard, «Black Talleyrand: Toussaint Louverture’s diplomacy, 1798–1802», in: William and Mary Quarterly, Bd. 66, Nr. 1 (Januar 2009), S. 110. «État sommaire des denrées coloniales exportées du Cap Français depuis le 1er Vendémiaire an 8 jusqu’au 20 Fructidor, Cap, 25 Fructidor an VIII» (12. September 1800). Archives de la Seine, Paris, DQ10–1418, dossier Joseph Idlinger. Roume an Toussaint, 12. Brumaire des Jahres VIII (3. November 1799). ANOM CC9A 26. Toussaint an Roume, 5. Floréal des Jahres VIII (25. April 1800). ANOM CC9 B 2. Toussaint an Roume, 5. Frimaire des Jahres VIII (26. November 1799). ANOM CC9 A 26. Zitiert nach Dun, Dangerous Neighbours, S. 153. Placide Justin, Histoire politique et statistique de l’île d’Hayti (Paris, 1826), S. 331 f. Ronald Angelo Johnson, Diplomacy in Black and White: John Adams, Toussaint Louverture and their Atlantic World Alliance (Athens, GA: University of Georgia Press, 2014), S. 101. Stevens an Pickering, 26. Oktober 1799, in: «Letters of Toussaint Louverture and Edward Stevens». Stevens an Pickering, 24. Juni 1799, ebd. Ebd. Ebd. Stevens an Pickering, 13. Februar 1800, ebd. Roume an Toussaint, 9. Frimaire des Jahres VIII (30. November 1799). ANOM CC9A 26. Maitland an Toussaint, London, 15. Januar 1799. Service Historique de la Défense, Vincennes, B7 carton 1, correspondance Toussaint Louverture. Maitland an Toussaint, Hafen von Cap, 14. Mai 1799. Service Historique de la Défense, Vincennes, B7 carton 1, correspondance Toussaint Louverture. Maitland an Toussaint, Bucht von Gonaïves, 20. Mai 1799. Service Historique de la Défense, Vincennes, B7 carton 1, correspondence Toussaint Louverture. Toussaint an Roume, 12. Prairial des Jahres VII (31. Mai 1799). National Archives, Kew, CO 137 /104. «Propositions du général en chef de l’armée de Saint-Domingue à son excellence l’honorable brigadier-général Maitland», n. d. [Mai 1799]. Service Historique de la Défense, Vincennes, B7 carton 1, correspondance Toussaint Louverture. «Convention secrette [sic] arrêtée entre l’Honorable Brigadier General Maitland et le général en chef de Saint-Domingue Toussaint L’Ouverture [sic], Arcahaye, 25 Prairial an VII» (13. Juni 1799). Service Historique de la Défense, Vincennes, B7 carton 1, correspondance Toussaint Louverture. Siehe auch Alfred Nemours, Histoire des Relations internationales de Toussaint Louverture (Port-au-Prince: Imprimerie du Collège Vertières, 1945), S. 185–190.
Anmerkungen
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56 Balcarres an Portland, Kingston, Jamaica, 7. Dezember 1799. NAM, 6807 /183 /1, ff. 121–
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6. Siehe auch Stevens an Maitland, 23. Mai 1799, in: «Letters of Toussaint Louverture and Edward Stevens». Seine Schiffe durften nicht außerhalb eines Radius von 15 Meilen von der Küste von Saint-Domingue entfernt segeln; außerdem gab es Beschränkungen für die Fracht und die Größe der Besatzung. Siehe Maitland an Hyde Parker, 31. Mai 1799. National Archives, Kew, CO 137 /102. Maitland an Stevens, 23. Mai 1799. Ebd., S. 237. Maitland an Balcarres, an Board der HMS Camilla, 17. Juni 1799. NAM, 6807 /183 /1, ff. 143–53. Balcarres an Portland, 14. Juli 1799. National Archives, Kew, CO 137 /102. Sasportas an Roume, 22. Germinal des Jahres VII (11. April 1799). ANOM CC9 B17. Roume an Sasportas, 1. Thermidor des Jahres VII (19. Juli 1799). ANOM CC9 B17. Verordnung von Roume, 13. Fructidor des Jahres VII (30. August 1799). ANOM CC9 B17. Siehe Toussaints Briefe an Roume, jeweils datiert auf den 2. Brumaire des Jahres VIII (24. Oktober 1799). ANOM CC9A 26. Roume hat die Vorbereitungen für die Jamaika-Invasion (einschließlich seines Austauschs mit Toussaint) in einem Brief an Pons vom 2. Pluviôse des Jahres VIII (22. Januar 1800) zusammengefasst. ANOM CC9 B 1. Toussaint an Charles Vincent, Cap, 10. Nivôse des Jahres VII (30. Dezember 1798). Unveröffentlichte Briefe von Toussaint Louverture, Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). Raimonds Brief war an Christophe gerichtet und wird zitiert in Stevens Brief an Pickering vom 30. September 1799, in: «Letters of Toussaint Louverture and Edward Stevens». Balcarres an Portland, Jamaika, den 28. Oktober 1799. National Archives, Kew, CO 137 / 103; beigefügt war dem Brief eine Kopie der Vorlage von Besse. Stevens an Pickering, 30. September 1799, in: «Letters of Toussaint Louverture and Edward Stevens». Zu Details der Gefangennahme, der Befragung und dem Untersuchungsverfahren von Sasportas siehe den Bericht von Balcarres an Portland vom 31. Dezember 1799 und 1. Januar 1800. National Archives, Kew, CO 137 /103. Siehe vor allem Gabriel Debien und Pierre Pluchon, «Un plan d’invasion de la Jamaïque en 1799 et la politique anglo-américaine de Toussaint Louverture», in: Revue de la Société hai’tienne d’histoire, de géographie et de géologie, Bd. 36, Nr. 119 (Juli 1978), S. 36 f.; Girard, «Black Talleyrand», S. 106 f. Balcarres an Stevens, Jamaika, 29. Oktober 1799. National Archives, Kew, CO 137 /105. Balcarres an Portland, Kingston, Jamaika, 7. Dezember 1799. NAM, 6807 /183 /1, ff. 121– 6. Toussaint an Balcarres, 8. Oktober 1799; die Antwort von Balcarres erfolgte am 24. Oktober 1799. National Archives, Kew, CO 137 /103. Die Schiffe beförderten insgesamt 54 Kanonen und über 400 Männer. Siehe den Bericht aus Jamaika vom 20. Dezember 1799. National Archives, Kew, WO 1 / 74. Scott, The Common Wind, S. 207. Toussaint an Cathcart, 19. Dezember 1799. National Archives, Kew, CO 245 /1. Siehe Douglas an Toussaint, 24. September und 12. Oktober 1799. National Archives, Kew, CO 137 /103. Toussaint an Balcarres, 21. Dezember 1799. National Archives, Kew, WO 1 / 74. Toussaint schrieb im September zuerst an Parker, um ihn darum zu ersuchen, seine Kreuzer südlich von Saint-Domingue «nicht zu belästigen»; siehe Parker an Toussaint, 10. Sep-
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Anhang tember 1799, National Archives, Kew, WO 1 / 74. Anfang November dann schrieb er über seine geplante Operation gegen Rigaud und bat um britische Flottenunterstützung; siehe Toussaint an Parker, Port-Républicain, 10. November 1799, Jamaica-Archives; zitiert nach Boromé, «A finding list». Toussaint an Roume, Jacmel, den 8. Pluviôse des Jahres VIII (28. Januar 1800). ANOM CC9B 1. Zitate von Toussaint im Bericht des britischen Stellvertreters Robinson vom 29. Januar 1800. National Archives, Kew, WO 1 / 74. Roume an Toussaint, 2. Nivôse des Jahres VIII (23. Dezember 1799). ANOM CC9A 26. Toussaint an Roume, 23. Nivôse des Jahres VIII (13. Februar 1800). ANOM CC9 B1. Toussaint an Roume, 27. Nivôse und 3. Pluviôse des Jahres VIII (17. und 23. Januar 1800). ANOM CC9 B1. Roume an Toussaint, 3. Pluviôse des Jahres VIII (23. Januar 1800). ANOM CC9 B1. Toussaint an Roume, 8. Pluviôse des Jahres VIII (28. Januar 1800). ANOM CC9B 1. Toussaint an Roume, 8. Floréal des Jahres VIII (28. April 1800). ANOM CC9 B1. Arambarri an Someruelos, 19. Februar 1800, zitiert nach Matt Childs, «‹A French black general arrived to conquer the island›: images of the Haitian revolution in Cuba’s 1812 Aponte rebellion», in: David Geggus (Hrsg.), The Impact of the Haitian Revolution in the Atlantic World (Columbia: University of South Carolina Press, 2001), S. 139. «Sicherheit meines Landes»; Toussaint an Roume, 22. Fructidor des Jahres VII (8. September 1799). ANOM CC9A 26; Hervorhebung hinzugefügt. Toussaint an Roume, 23. Nivôse des Jahres VIII (13. Januar 1800). ANOM CC9 B1. Roume an Toussaint, 3. Pluviôse des Jahres VIII (23. Januar 1800). ANOM CC9 B1. Proklamation von Roume, Cap, den 14. Ventôse des Jahres VIII (5. März 1800). ANOM CC9 B1. Toussaint an Roume, 18. Ventôse des Jahres VIII (9. März 1800). ANOM CC9 B1. Siehe den Brief von Roume an Rigaud, 2. Ventôse des Jahres VII (20. Februar 1799); siehe auch den Bericht von Laplume an Toussaint, 16. Floréal (Blumenmonat) des VII. Revolutionsjahres (5. Mai 1799). ANOM CC9A 22. Proklamation von Rigaud, Les Cayes, den 14. Prairial des Jahres VII (2. Juni 1799). ANOM CC9A 25. Roume an Toussaint, 29. Messidor des Jahres VII (17. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Réponse du citoyen Toussaint Louverture aux calomnies et aux écrits mensongers du général de brigade Rigaud, Gonaïves, 30. Floréal des Jahres VII (19. Mai 1799); ebenso publiziert in: Bulletin Officiel de Saint-Domingue, Nr. 24 und 25, 19. und 24. Prairial des Jahres VII (7. und 12 Juni 1799). Toussaint an Roume, 6. Fructidor des Jahres VII (23. August 1799). ANOM CC9A 25. Lieutenant Lacroix an Toussaint, 23. Vendémiaire des Jahres VIII (15. Oktober 1799). ANOM CC9A 23. Toussaint an Vincent, Port-de-Paix, 29. Thermidor des Jahres VII (16. August 1799). Unveröffentlichte Briefe von Toussaint Louverture, Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). Toussaint an Vincent, Port-de-Paix, 3. Fructidor des Jahres VII (20. August 1799). Unveröffentlichte Briefe von Toussaint Louverture, Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). Toussaint Louverture, général en chef de l’Armée de Saint- Domingue aux cultivateurs et aux hommes de couleur égarés, Port-de-Paix, 12. Thermidor des Jahres VII (30. Juli 1799). University of Florida, collection Saint-Domingue (A, 45). Zitiert nach Corvington, Port-au-Prince au cours des ans, Bd. 2, S. 178. Laut der Darstellung von Vincent soll Toussaint die Schwarzen gewarnt haben, dass sie
Anmerkungen
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sich «auf dem Weg zur Selbstzerstörung» befänden und er sie in «seiner Hand» halte; würde er nur einen Finger krümmen, würden sie «zerdrückt» werden. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Toussaint an Roume, 13. Thermidor des Jahres VII (31. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Proklamation von Toussaint, 8. Fructidor des Jahres VII (25. August 1799). ANOM CC9 B9. Toussaint an Roume, 10. Thermidor des Jahres VII (28. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Bericht von Toussaint an den Marineminister, 4. Germinal des Jahres VII (24. März 1799). National Archives, Kew, CO 245 /2. Toussaint an Roume, 4. Thermidor des Jahres VII (22. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Toussaint an Roume, 10. Thermidor des Jahres VII (28. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Bericht von Douglas an Balcarres, Port-au-Prince, den 15. August 1799. National Archives, Kew, CO 137 /102. Toussaint an Roume, 13. Germinal und 12. Thermidor des Jahres VII (2. April und 30. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Die Geschichte wurde von Toussaint in einem Brief an Roume berichtet, 25. Thermidor des Jahres VII (12. August 1799). ANOM CC9A 25. Brief von Admiral Hyde Parker, Kommandeur der British-Karibischen Marineflotte, an Spencer, Erster Lord der Admiralität, zitiert nach Michael Palmer, Stoddert’s War: Naval Operations during the Quasi-War with France 1798–1801 (Columbia, SC: University of South Carolina Press, 1987), S. 161. Maitland an Balcarres, 17. Juni 1799, an Board der HMS Camilla. NAM, 6807 /183 /1, ff. 143–153. Bericht von Roume an den Marineminister, 27. Thermidor des Jahres VII (14. August 1799). ANOM CC9A 25. Weitere Details über solche Vorfälle finden sich im Brief von Toussaint an Roume, 21. Messidor des Jahres VII (9. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Toussaint an Roume, 20. Thermidor des Jahres VII (7. August 1799). ANOM CC9 A 25. Toussaint, «Aux citoyens composant la garnison du Môle», 1. Thermidor des Jahres VII (19. Juli 1799). ANOM CC9A 21. Toussaint an Roume, 25. Thermidor des Jahres VII (12. August 1799). ANOM CC9A 25. Proklamation von Roux, Major von Saint-Louis-du-Nord, 24. Messidor des Jahres VII (12. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Toussaint an Roume, 10. Thermidor des Jahres VII (28. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Toussaint an Roume, 4. Thermidor des Jahres VII (22. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Toussaint an Roume, 21. Fructidor des Jahres VII (7. September 1799). ANOM CC9A 26. Toussaint an Roume, 6. Fructidor des Jahres VII (23. August 1799). ANOM CC9A 25. Dessalines’ Bericht an Toussaint, 21. Vendémiaire des Jahres VIII (13. Oktober 1799). ANOM CC9A 26. Toussaint an Roume, 2. Zusatztag des Jahres VII (18. September 1799). ANOM CC9A 26. Siehe beispielsweise den Bericht des Kommandanten der Nationalgarde Latour über die Hinrichtungen, die von Rigauds Männern in Mirebalais durchgeführt wurden, 1. Fructidor des Jahres VII (18. August 1799). ANOM CC9A 22. Roume an Toussaint, 29. Messidor des Jahres VII (17. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 92. Sanon Desfontaines an Roume, Gonaïves, den 2. Thermidor des Jahres VII (20. Juli 1799). ANOM CC9A 25. Brief von Pierre Lyonnet (früherer Forstbeamter in Saint-Domingue) an den Marineminister, 1. Vendémiaire des Jahres IX (23. September 1800), ANOM CC9A 26; eine ge-
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Anhang nauere Darstellung der Gräueltaten in Port-Républicain findet sich in Cathcarts Bericht an Maitland vom 31. Oktober 1799, National Archives, Kew, CO 245 /1. Brief von François Dubois und Germain Crespin an den Marineminister, Havanna, 26. Prairial des Jahres VIII (15. Juni 1800). ANOM CC9B 17. Proklamation von Toussaint, in: Bulletin officiel de Saint-Domingue, Nr. 12, 29. Frimaire des Jahres VIII (20. Dezember 1799). Vincent, «Considérations sur les moyens de faire cesser la guerre civile à Saint-Domingue», 6. Floréal des Jahres VIII (26. April 1800). ANOM CC9B 17. «Moué dit baliser, yo dessoucher même.» «Quand la pluie tombé, tout ca qui dehors mouillé.» Proklamation von Toussaint, 20. Messidor des Jahres VIII (9. Juli 1800). Unveröffentlichte Briefe von Toussaint Louverture, Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). Proklamation von Toussaint, 30. Messidor des Jahres VIII (19. Juli 1800). ANOM CC9B 9. Proklamation von Toussaint, 26. Frimaire des Jahres VIII (17. Dezember 1799). ANOM CC9B 1. Toussaint an Roume, 22. Nivôse des Jahres VIII (12. Januar 1800). ANOM CC9B 1. Stevens an Pickering, 16. März 1800, in: «Letters of Toussaint Louverture and Edward Stevens». Roume an Toussaint, 4. Frimaire des Jahres VIII (25. November 1799). ANOM CC9A 26. Stevens an Pickering, 24. Juni 1799, in: «Letters of Toussaint Louverture and Edward Stevens». Eine Beschreibung einer solchen Auseinandersetzung findet sich in einem Brief von Stevens an Pickering vom 16. Januar 1800. Toussaint an Kommandeur Silas Talbot, Port-Républicain, den 26. Germinal des Jahres VIII (16. April 1800), in: Revue de la société haïtienne d’histoire et de géographie, Bd. 18, Nr. 66 (Juli 1947), S. 64 ff. Johnson, Diplomacy in Black and White, S. 123. Toussaints Rundschreiben an die Zivil- und Militärbehörden, Les Cayes, den 17. Thermidor des Jahres VIII (5. August 1800). ANOM CC9B 9. Dekret von Toussaint, Les Cayes, den 30. Thermidor des Jahres VIII (18. August 1800). Service Historique de la Défense, Vincennes, B7 carton 1, correspondance Toussaint Louverture. Proklamation von Toussaint gegenüber der Armee, 12. Fructidor des Jahres VIII (30. August 1800). ANOM CC9B 9. Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 197 f. «Sans son appui, l’ouvrage des hommes est périssable, et ses desseins sont plus mobiles que les flots agités de la mer», Proklamation von Toussaint, Les Cayes, den 18. Thermidor des Jahres VIII (6. August 1800). ANOM CC9B 2. Toussaint an die Stadtverwaltung von Cap, 12. Germinal des Jahres VIII (2. April 1800); zitiert nach Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 151. Siehe auch das Dekret von Toussaint vom 10. Frimaire des Jahres IX (1. Dezember 1800). ANOM CC9B 9. Siehe auch Toussaint an Vollée, 21. Nivôse des Jahres VIII (11. Januar 1800), worin er seinen Offizier instruiert, keine weiteren Pachtverträge ohne seine Zustimmung abzuschließen. ANOM CC9B 1. «Kein Penny»; Schreiben von Toussaint an Idlinger, Léogâne, den 27. Nivôse des Jahres VIII (17. Januar 1800). ANOM CC9B 1. Bericht über das Treffen der britischen Repräsentanten mit Toussaint, 29. Januar 1800. National Archives, Kew, WO 1 / 74. Toussaint an Vincent, Port-Républicain, 19. Messidor des Jahres VII (7. Juli 1799). Unver-
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Anmerkungen
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öffentlichte Briefe von Toussaint Louverture, Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 23MD /2 (mémoires et documents, Haïti). Isaac Louverture, Notes historiques sur Toussaint Louverture. BNF NAF 12409. Balcarres an Hyde Parker, 5. Februar 1800; und an Portland, 23. März 1800. National Archives, Kew, CO 137 /105 und CO 137 /104. Toussaint an Portland, 30. Ventôse des Jahres VIII (21. März 1800). National Archives, Kew, WO 1 / 74. Pennetier sprach fließend Englisch, und Toussaint griff auf ihn als Dolmetscher in PortRépublicain zurück. Siehe Toussaint an Roume, 28. Frimaire des Jahres VIII (19. Dezember 1799). ANOM CC9A 26. Toussaint an Maitland, 11. März 1800. National Archives, Kew, WO 1 / 74. Toussaint an Portland, 11. März 1800. National Archives, Kew, WO 1 / 74 Portland an Balcarres, London, 19. März 1801. NAM, 6807 /183 /1, ff. 273–283. Harcourt an Balcarres, 11. April und 8. Mai 1799. National Archives, Kew, CO 137 /102. Bericht von Whitfield an Corbet, 21. Januar 1801. National Archives, Kew, CO 245 /1. Bericht von Cathcart an Maitland, Port-Républicain, 26. November 1799. National Archives, Kew, CO 245 /1. Graham T. Nessler, An Islandwide Struggle for Freedom: Revolution, Emancipation and ReEnslavement in Hispaniola, 1789–1809 (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 2016), S. 99. Zitiert nach Donald Hickey, «America’s response to the slave revolt in Haiti, 1791–1806», In: Journal of the Early Republic, Bd. 2, Nr. 4 (Winter 1982), S. 367. Siehe W. Jeffrey Bolster, Black Jacks: African American Seamen in the Age of Sail (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1997). «Character of Toussaint Louverture», in: National Intelligencer and Washington Advertiser, 17. August 1801. Zum Treffen zwischen Toussaint und Geneviève in Les Cayes siehe Ardouin, Études sur l’histoire d’Haiti, Bd. 5, S. 198.
8 KEINE ZEIT VERLIEREN 1 Verfassung vom 22. Frimaire des Jahres VIII (13. Dezember 1799), in A. C. Bouyer (Hrsg.),
Constitutions Françaises (Paris, 1848), S. 142. 2 Zitiert nach Pluchon, Toussaint Louverture, S. 322. 3 Alle Zitate in diesem Abschnitt sind drei Briefen von Vincent entnommen, adressiert an
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den Staatsrat Lescallier am 4. Floréal sowie am 7. und 16. Messidor des Jahres VIII (24. April, 26. Juni und 5. Juli 1800). ANOM CC9B 17. 120 Meilen. Zu diesem Punkt siehe auch: Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 106. «Ne perdons pas notre temps.» Harcourt an Balcarres, 8. Mai 1799. National Archives, Kew, CO 137 /102, Hervorhebung im Text. Balcarres an Portland, 14. September 1800. National Archives, Kew, CO 137 /104. Bericht von Chanlatte an den Marineminister, 13. August 1800. ANOM CC9B 18. Der Marineminister an Toussaint, im Brumaire des Jahres IX (Oktober 1800). ANOM CC9B 18. Bericht von Godard an den Marineminister, 17. Thermidor des Jahres VII (4. August 1799). ANOM CC9A 22.
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Anhang
12 Brief an den Marineminister, 19. Prairial des Jahres VIII (8. Juni 1800). ANOM CC9A 27. 13 Toussaint an Roume, 25. Thermidor des Jahres VII (12. August 1799), zitiert nach Ar14 15 16 17 18 19
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douin, Études sur l’histoire d’Haiti, Bd. 4, S. 35. Toussaint an Roume, 13. Ventôse des Jahres VIII (4. März 1800). ANOM CC9B 1. Toussaint an Roume, 27. Nivôse des Jahres VIII (17. Januar 1800). ANOM CC9B 1. Deklaration von Michel Pérèz, 12. Januar 1800. ANOM CC9B 1. Roume an Toussaint, 24. Pluviôse des Jahres VIII (13. Februar 1800). ANOM CC9B 1. Toussaint an Roume, 28. Nivôse des Jahres VIII (18. Januar 1800). ANOM CC9B 1. Siehe beispielsweise Girard, der aufgrund der abschlägigen Reaktion der spanischen Behörden in Santo Domingo argumentiert, die Sklaverei fungiere «nicht einmal als ein nachgeordnetes Motiv» für Toussaints Aktionen. «Black Talleyrand», S. 111 f. Toussaint an Laveaux, 29. Frimaire des Jahres IV (20. Dezember 1795). BNF NAF 12103. Toussaints eigene Streitkräfte wurden heimtückisch angegriffen, als sie die Stadt Lascahobas unter Kontrolle brachten. Zur «grausamen Perfidität» der Spanier zu dieser Zeit siehe die Berichte von Sonthonax vom 25. and 27. Thermidor des Jahres IV (12. und 14. August 1796). BNF 8986, Papiers Sonthonax. Roume an Moyse, 26. Vendémiaire des Jahres VIII (18. Oktober 1799). ANOM CC9A 26. Toussaint an Roume, 28. Nivôse des Jahres VIII (18. Januar 1800). ANOM CC9B 1. Roume an Toussaint, 4. Pluviôse des Jahres VIII (24. Januar 1800). ANOM CC9B 1. Toussaint an Roume, 8. Ventôse des Jahres VIII (27. Februar 1800). ANOM CC9 B 1. Alle Einzelheiten dieses Abschnitts sind Roumes Tagebuch entnommen, das den Namen «Journal du transport de l’agent du gouvernement au Haut du Cap» trägt und auf den 5. Floréal des Jahres VIII (25. April 1800) datiert ist. ANOM CC9B 2. Proklamation der Stadtverwaltung von Gros-Morne, 20. Germinal des Jahres VIII (10. April 1800). ANOM CC9B 2. Proklamation der Stadtverwaltung von Dondon, 20. Germinal des Jahres VIII (10. April 1800). ANOM CC9B 2. Roume, «Journal». Bericht von Roume an den Marineminister, 27. Prairial des Jahres VIII (16. Juni 1800). ANOM CC9B 1. Roume an Toussaint, 13. Floréal des Jahres VIII (3. Mai 1800). ANOM CC9B 2. Bericht von Roume an den Marineminister, 19. Prairial des Jahres VIII (8. Juni 1800). ANOM CC9B 2. Brief von Toussaint, 7. Floréal des Jahres VIII (27. April 1800). ANOM CC9B 1. Siehe Kapitel 2. García an Roume, 24. Floréal des Jahres VIII (14. Mai 1800). ANOM CC9B 1. Brief von García, 27. April 1800, zitiert nach Itamar Olivares, «La cession de Santo Domingo à la France», in: Mélanges de la Casa de Velázquez, Bd. 30, Nr. 2 (1994), S. 67. Petition der Prominenz von Santo Domingo gegenüber Bonaparte, 28. April 1800. ANOM CC9B 17. Petition der Einwohner von Santo Domingo, 16. Mai 1800. ANOM CC9B 1. Proklamation von García, 21. Mai 1800, zitiert nach Tortosa, Santo Domingo, S. 185. Roume an Toussaint, 24. Prairial des Jahres VIII (13. Juni 1800). ANOM CC9B 1. Roume an Toussaint, 18. Prairial des Jahres VIII (7. Juni 1800). ANOM CC9B 1. Roume an Toussaint, 27. Prairial des Jahres VIII (16. Juni 1800). ANOM CC9B 1. Dekret von Roume, 27. Prairial des Jahres VIII (16. Juni 1800). ANOM CC9B 1. Toussaint an Roume, 18. Prairial des Jahres VIII (7. Juni 1800). ANOM CC9B 1. Siehe beispielsweise Toussaints Brief an Joseph Idlinger, 28. Vendémiaire des Jahres VIII (20. Oktober 1799). Boromé, «A finding list». Toussaint an Roume, 9. Messidor des Jahres VIII (28. Juni 1800). ANOM CC9B 1.
Anmerkungen
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47 Roume, Moyens proposés au gouvernement français par son agent à Saint-Domingue pour la réor-
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ganisation de cette colonie, sans recourir aux voies de rigueur, Cap, 22. Prairial des Jahres VIII (11. Juni 1800). ANOM CC9B 2. Ebd. Ebd. Ebd. «reformé de toutes ses idées coloniales», ebd. Compte-rendu sur Saint-Domingue par le citoyen Michel, général de division, Paris, an IX (1800). AN AFIV 1213. Ebd. Ebd. «Forfait» bedeutet «Versäumnis» oder «Missetat». «Métal corrupteur». Toussaint an Bonaparte, n. d. [Juni 1800]. AN AFIV 1213. Nemours, Histoire de la famille et de la descendance de Toussaint-Louverture, S. 149–154. Die Mission scheiterte, da die französischen Behörden ihr auf die Schliche kamen und Toussaints Mittelsmänner engmaschig observierten. Zitiert nach Observations du général du génie Vincent, S. 11. Die Sklaverei wurde auf SaintDomingue, Guadeloupe und Guyana in der Folgezeit der Französischen Revolution abgeschafft, aber auf der Insel Bourbon (Réunion) blieb sie in Kraft, nachdem die dortigen Kolonien es abgelehnt hatten, das Dekret von 1794 zur Abschaffung der Sklaverei zu akzeptieren. 1802 wurde die Sklaverei auf Bourbon Island offiziell wiederhergestellt. Alle Einzelheiten zum Vorfall wurden in einem Bericht von einem französischen Offizier an Roume kolportiert, der an der Seite von Michel reiste. Siehe den Bericht des Brigadegenerals Pageot, 20. Prairial des Jahres VIII (9. Juni 1800). Pageot beobachtete, dass dies kein Einzelfall war: «Er verkaufte oft entführte französische Neger». ANOM CC9B 1. Toussaint, Règlement relatif à la culture, 20. Vendémiaire des Jahres IX (12. Oktober 1800). ANOM CC9B 9. Vincent an den Marineminister, 27. Floréal des Jahres IX (17. Mai 1801). ANOM CC9A 28. Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 2, S. 213–214. Lear an Douglas, Cap, 28. August 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Toussaint an Roume, 5. Frimaire des Jahres IX (26. November 1800). ANOM CC9B 2. Proklamation von Toussaint, Cap, 5. Frimaire des Jahres IX (26. November 1800). ANOM CC9B 2. Zitiert nach Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 2, S. 216 f. Proklamation von Toussaint, San Jean de la Maguana, 14. Nivôse des Jahres IX (4. Januar 1801). ANOM CC9B 9. Emilio Cordero Michel, La revolución haitiana y Santo Domingo (Santo Domingo: Universidad Abierta para Adultos, 2000), S. 252. Die folgenden Einzelheiten sind im Wesentlichen Toussaint entnommen, Procès-verbal de la prise de possession de la partie espagnole de Saint-Domingue, Santo Domingo, 12. Ventôse des Jahres IX. (3. Februar 1801). BNF LK12–1277. Tortosa, Santo Domingo, S. 191. Toussaint, Proclamation aux concitoyens de la partie française de Saint-Domingue, 13. Pluviôse des Jahres IX (2. Februar 1801). National Archives, Kew, CO 137 /105. Chanlatte, Précis historique des faits qui ont précédé l’invasion du territoire de la partie ci-devant Espagnole de Saint-Domingue par Toussaint Louverture, Paris, 8. Prairial des Jahres IX (28. Mai 1801). ANOM CC9B 18. Zur Aufnahme dieser Männer bei den örtlichen Behörden und der Reaktion in Vene-
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Anhang zuela auf die Ereignisse in Santo Domingo siehe Jean-Pierre Tardieu, «La province du Venezuela et l’insurrection de Saint-Domingue», in: Annales historiques de la Révolution Française 390 (2017), S. 129–154. Isaac Louverture, Notes historiques. Zitiert nach Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Gilbert Guillermin, Journal historique de la révolution de la partie est de Saint-Domingue (Philadelphia, 1810), S. 313 f. Der Autor war ein französischer Offizier und Zeuge der beschriebenen Ereignisse. Ebd., S. V. Toussaint an García, 26. Pluviôse des Jahres IX (15. Februar 1801), zitiert nach Ardouin, Études sur l’histoire d’Haiti, Bd. 4, S. 66. Périès zufolge erzählte Toussaint ihm, dass sich zum Zeitpunkt seiner Übernahme des spanischen Territoriums 900 000 Gourdes in den Truhen von Santo Domingo befanden, dass García es jedoch geschafft habe, den Großteil des Geldes herauszuschaffen. Jacques Périès, La révolution de Saint-Domingue. British Library MS 38074, f. 17, n. 17. Diplomatic reports, Ende Januar /Anfang Februar 1801, zitiert nach Tortosa, Santo Domingo, S. 189. Toussaint an Bonaparte, 23. Pluviôse des Jahres IX (12. Februar 1801), Santo Domingo. Archives Nationales d’Haïti (online Dokument). Toussaint an Bonaparte, 23. Pluviôse des Jahres IX (12. Februar 1801). AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Toussaint an Roume, 2. Floréal des Jahres IX (22. April 1801). ANOM CC9B 2. Toussaint an die Stadtverwaltung von Cap, 11. Fructidor des Jahres IX (29. August 1801). ANOM CC9B 2. Roume schiffte aus am 16. Fructidor (3. September) und traf in New York am 1. Vendémiaire des Jahres X ein (23. September 1801). Siehe seinen Brief an den französischen Generalkonsul Pichon vom selben Datum. Archives Diplomatiques ParisLa Courneuve, 40CP /37. Zitiert nach Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, S. 223. Ardouin, Études sur l’histoire d’Haïti, Bd. 4, S. 303. Tortosa, Santo Domingo, S. 201 und 203. Siehe José Luis Saez, La iglesia y el negro esclavo en Santo Domingo: una historia de tres siglos (Santo Domingo: Ciudad Colonial de Santo Domingo, 1994), S. 561. Nessler, An Islandwide Struggle for Freedom, S. 131. Erinnerungen von Gaspar Arredondo y Pichardo, zitiert nach Emilio Cordero Michel, «Toussaint en Saint-Domingue espagnol», in: Yacou (Hrsg.), Saint-Domingue espagnol, S. 256. Michel, ebd., S. 255. Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, 19. Pluviôse des Jahres IX (8. Februar 1801). ANOM CC9B 18. Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, 19. Pluviôse des Jahres IX (8. Februar 1801). ANOM CC9B 9; Hervorhebung hinzugefügt. Das würde auch erklären, warum Toussaint es nicht für notwendig hielt, die Abschaffung der Sklaverei in Santo Domingo zu verkünden: Wenn das Territorium der französischen Gesetzgebung unterstehen würde, bedeutete dies automatisch ein Verbot von Leibeigenschaft. Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti, S. 258 f. Toussaint an García, Santo Domingo, den 27. Pluviôse des Jahres IX (16. Februar 1801). Boromé, «A finding list». Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, den 23. Pluviôse des Jahres IX (12. Februar 1801). ANOM CC9B 9.
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Anmerkungen
98 Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, den 18. Pluviôse des Jahres IX (7. Februar 1801). ANOM CC9B 9. 99 Pierre Lyonnet, Statistique de la partie espagnole de Saint-Domingue (Paris, 1800). 100 Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, den 19. Pluviôse des Jahres IX (8. Februar 1801). ANOM CC9B 9. 101 Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, den 19. Pluviôse des Jahres IX (8. Februar 1801). ANOM CC9B 9. 102 Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, 12. Ventôse des Jahres IX (3. März 1801). ANOM CC9B 9. 103 Toussaint an Dupré, Azua, 11. Pluviôse des Jahres X (31. Januar 1801); zitiert nach Dupré, Mémoire, 6. Vendémiaire des Jahres XI (28. September 1802). ANOM CC9A 32. 104 Proklamation von Toussaint, Azua, 21. Nivôse des Jahres IX (11. Januar 1801). ANOM
CC9B 18. 105 Isaac Louverture, Notes historiques. 106 Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, 26. Ventôse des Jahres IX (17. März 1801). ANOM CC9B 9. 107 Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, 23. Fructidor des Jahres IX (10. September 1801). ANOM CC9B 9. 108 Zitiert nach Tortosa, Santo Domingo, S. 196, n. 258. 109 Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 86. 110 Emilio Cordero Michel, La revolución haitiana y Santo Domingo, S. 256. 111 Fernando Pérez Memén, La politica religiosa de Toussaint L’Ouverture en Santo Domingo
(Santo Domingo: Museo del Hombre Dominicano, 1984), S. 20. 112 Brief von Doña Francisca Valerio, Santiago, Januar 1802, zitiert nach Michel, «Toussaint
en Saint-Domingue espagnol», S. 255. 113 «Diario de lo ocurrido en Santo Domingo desde el 1° de enero de 1801 hasta el 20 del mismo», AGI, zitiert nach Boromé, «A finding list». 114 Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, 15. Nivôse des Jahres X (5. Januar 1802). ANOM CC9B 9.
9 IN DER REGION DER ADLER 1 Proklamation von Toussaint, Santo Domingo, den 16. Pluviôse des Jahres IX (5. Februar 1801). ANOM CC9B 9. 2 Zitiert nach Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 4. 3 Louis Dubroca, La Vie de Toussaint-Louverture, chef des noirs insurgés de Saint-Domingue
(Paris, 1802), S. 43. 4 James, The Black Jacobins, S. 266. 5 Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 96. 6 Siehe vor allem Julia Gaffield, «Complexities of imagining Haiti: a study of national con-
stitutions 1801–1807», in: Journal of Social History, Bd. 41, Nr. 1 (Herbst 2007); Nick Nesbitt, Universal Emancipation: The Haitian Revolution and the Radical Enlightenment (Charlottesville: University of Virginia Press, 2008); Lorelle D. Semley, «‹To Live and Die, Free and French›: Toussaint Louverture’s 1801 Constitution and the original challenge of black citizenship», in: Radical History Review, Bd. 115 (2013); Philip Kaisary, «Hercules, the Hydra, and the 1801 Constitution of Toussaint Louverture», in: Atlantic Studies, September 2015; und Sibylle Fischer, «Inhabiting rights», in: L’esprit créateur, Bd. 56, Nr. 1 (Frühjahr 2016).
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Anhang
7 Dorigny und Gainot, La Société des Amis des Noirs, S. 324 f. 8 Eine erhellende Diskussion dieser Frage findet sich bei Sibylle Fischer, Modernity Dis-
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avowed: Haiti and the Cultures of Slavery in the Age of Revolution (Durham, NC: Duke University Press, 2004), S. 265 f. Toussaint an den Marineminister, Santo Domingo, 23. Pluviôse des Jahres IX (12. Februar 1801). Archives Départementales de la Gironde, Collection Marcel Chatillon, 61 J 18. Constitution républicaine des colonies française [sic] de Saint-Domingue en soixante-dix-sept articles, concernant la liberté des nègres, des gens de couleurs et des blancs, Port-Républicain, 19. Floréal des Jahres IX (9. Mai 1801). BNF LK12–554. Zitiert nach Placide Justin, Histoire d’Hayti, S. 340. The Papers of Alexander Hamilton (New York: Columbia University Press, 1975), Bd. 22, S. 492 f. Jean-Baptiste Lapointe an die britische Regierung, London, Mai 1800. National Archives, Kew, WO 1 / 73. Bericht von Governor Manuel Guevara Vasconcelos, Caracas, 29. Januar 1801. Archivo General de Indias, Estado 59, n. 17. Toussaint schrieb über die «Torheit» der Briten in einem Brief an den französischen Marineminister, 25. Thermidor des Jahres VII (12. August 1799). National Archives, Kew, CO 137 /104. Bericht von Corbet über seinen Austausch mit Toussaint, Port-Républicain, 21. Juli 1801. National Archives, Kew, CO 137 /105. Bericht von Raimond an Bonaparte, n. d. [1800]. ANOM CC9 B 2. Eine allgemeinere Auseinandersetzung mit Raimond findet sich bei John D. Garrigus, «Opportunist or Patriot? Julien Raimond (1744–1801) and the Haitian Revolution», in: Slavery and Abolition, Bd. 28, Nr. 1 (2007). Jacques Périès, La révolution de Saint-Domingue. British Library MS 38074, ff. 24 f. Placide Justin, Histoire d’Hayti, S. 341. Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 5. Laurent Dubois, Haiti: The Aftershocks of History (New York, 2012), S. 34. Aus naheliegenden Gründen wurden keine Berichterstattungen der Debatten nach Frankreich überstellt, doch eine Kopie des Protokolls der Eröffnungssitzung ist auf recht rätselhafte Weise ins britische Archiv gelangt; siehe den folgenden Text. «Extract from the records of the Central Assembly of Saint-Domingue», Port-Républicain, 28. März 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Artikel 34, ebd. «Extract from the records of the Central Assembly of Saint-Domingue». Constitution républicaine. Gaston de Nogérée, unbetitelte Erinnerungen an diese Zeit in Saint-Domingue. Nogérée Papers, AN AB / XIX /5002. Ebd. Ebd. Toussaint an den Marineminister, 6. Fructidor des Jahres IX (24. August 1801). AN AFIV 1213. Artikel 15, Constitution républicaine. Nogérée, Erinnerungen. «Extract from the records of the Central Assembly of Saint-Domingue». Nogérée, Erinnerungen. «Es muss einen Aufstand aller zusammen geben, von Frauen wie von Männern.», ebd. Diese Rede von Dessalines wurde seinerzeit häufig in den Denkschriften von Kolonisten zitiert; siehe beispielweise: Considérations politiques sur la révolution des colonies françaises, mais
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particulièrement sur celle de Saint-Domingue, par Guillaume-Thomas DUFRESNE, colon de cette isle (1805). BNF NAF 4372, f. 291. Siehe beispielsweise Henry Perroud, Projet d’une nouvelle organisation de la colonie de SaintDomingue, 1. Germinal des Jahres IX (22. März 1801). ANOM CC9A 28. Faits historiques sur la colonie de Saint-Domingue, 1800. AN AB XIX 3226. Brief von Roux, früherer Bewohner von Saint-Domingue, 1. Prairial des Jahres VIII (21. Mai 1800). ANOM CC9B 2. Proklamation der Stadtverwaltung von Gros-Morne, 20. Germinal des Jahres VIII (10. April 1800). ANOM CC9B 2. Proklamation der Stadtverwaltung von La Croix des Bouquets, 27. Germinal des Jahres VIII (17. April 1800). ANOM CC9B 17. Zitiert nach Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 98. Toussaint, Programme de la cérémonie qui aura lieu le 18 Messidor, Cap, 15. Messidor des IX. Revolutionsjahres (4. Juli 1801). ANOM CC9B 18. Procès-verbal de la cérémonie qui a eu lieu, au Cap-Français, le 18 Messidor, l’an neuvième de la République Française, une et indivisible, jour de la proclamation de la Constitution. ANOM CC9B 18. Alle folgenden Zitate entstammen dieser Quelle. Ebd., S. 3 f. Ebd., S. 7 ff. Ebd., S. 5 f. Ebd., S. 6. Artikel 76, Constitution républicaine. Jacques Périès, La révolution de Saint-Domingue. British Library MS 38074, f. 27. Procès-verbal de la cérémonie qui a eu lieu, au Cap-Français, le 18 Messidor, l’an neuvième de la République Française, une et indivisible, jour de la proclamation de la Constitution, S. 11 f. Charles Vincent, «Précis de mon dernier voyage à Saint-Domingue», Paris, 20. Pluviôse des Jahres X (9. Februar 1802). AN AFIV 1212. Vincent an den Marineminister, 29. Prairial des Jahres VIII (18. Juni 1800). ANOM CC9A 28. Vincent, «Précis de mon dernier voyage». Ebd. Ebd. Brief von Toussaint, 27. Messidor des Jahres IX (16. Juli 1801). Zu diesem Zeitpunkt hatte Pichon bereits an Toussaint geschrieben, um ihn über kursierende Gerüchte zu informieren, dass er im Begriff sei, seine Unabhängigkeit von Frankreich zu erklären und seine Herrschaft als «Erbfolge» zu beanspruchen. Siehe Pichon an Toussaint, 4. Thermidor des Jahres IX (23. Juli 1801). Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Pascal gab dieselbe Empfehlung an den französischen Bevollmächtigten in Philadelphia; siehe seinen Brief an Pichon, 2. Thermidor des Jahres IX (21. Juli 1801). ANOM CC9A 28. «Ci là qui conné planté, cé ci là qui doit mangé patate.»; zitiert nach Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Vincent, «Précis de mon dernier voyage». Vincent an Toussaint, Cap, den 29. Messidor des Jahres IX (18. Juli 1801). AN AFIV 1212. Der Text wurde am 12. August 1801 im National Intelligencer (Washington DC) veröffentlicht und dann auch von einigen anderen amerikanischen Zeitungen, insbesondere in Philadelphia. Pichon an Toussaint, Georgetown, 5. Fructidor des Jahres IX (23. August 1801). Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Anfang des 19. Jahrhunderts war Algier, obwohl es offiziell zum Osmanischen Reich gehörte, zu einem der Zentren barbarischer
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Anhang Piraterie geworden, und seine Schiffe waren häufig in Angriffe auf europäische und amerikanische Schiffe verwickelt. Pichon an Toussaint, Georgetown, 9. Fructidor des Jahres IX (27. August 1801). Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Vincent an Toussaint, Philadelphia, Fructidor des Jahres IX (August 1801). AN AFIV 1212. Artikel 40, Constitution républicaine. Vincent an Toussaint, Fructidor des Jahres IX (August 1801). AN AFIV 1212. Ebd. Pichon an den französischen Marineminister, 18. Fructidor des Jahres IX (5. September 1801). ANOM CC9A 28. Vincent an Toussaint, Fructidor des Jahres IX (August 1801). AN AFIV 1212. Toussaint an Bonaparte, 27. Messidor des Jahres IX (16. Juli 1801). AN AFIV 1213. Toussaint an Bonaparte, 6. Fructidor des Jahres IX (24. August 1801). AN AFIV 1213. Pichons Quelle für diese Information war Edward Stevens, der Roume während seines Leidensweges in Dondon heimlich geholfen hatte. Pichon erwähnte Roume namentlich in vier Briefen an Toussaint: 4. Prairial, 4. Thermidor, 5. und 9. Fructidor des Jahres IX (24. Mai, 23. Juli, 23. und 27. August 1801). Als Roume freikam und schließlich die Vereinigten Staaten erreichte, bedankte sich Pichon bei Toussaint (Brief vom 8. Vendémiaire [30. September]), beklagte sich aber zugleich darüber, wie er Roume behandelt habe, und wies darauf hin, dass man sich die Gelder der Agentur in Höhe von 22 000 Livres in bar (und nochmal so viel in Edelsteinen), die er dem Präsidenten der Gemeinde Cap zur Verwahrung überlassen hatte, «angeeignet» habe. Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Toussaint an den Marineminister, 27. Messidor des Jahres IX (16. Juli 1801). AN AFIV 1213. Toussaint an den Marineminister, 10. Fructidor des Jahres IX (28. August 1801). AN AFIV 1213. Toussaint an Bonaparte, 7. Fructidor des Jahres IX (25. August 1801). AN AFIV 1213. Periès’ Bericht an den Marineminister, 10. Fructidor des Jahres IX (28. August 1801). ANOM CC9B 18. Doch sein Tod war in gewisser Weise ein Segen, denn Raimonds Name stand ganz oben auf der Liste der Unterstützer Toussaints, die 1802 von der französischen Invasionsarmee eliminiert werden sollten. Anecdotes de la révolution de Saint-Domingue, racontées par Guillaume Mauviel, évêque de la colonie (1799–1804), (Saint-Lô, 1885), S. 39. Bonaparte an Toussaint, 27. Brumaire des Jahres X (18. November 1801), in: T. Lentz (Hrsg.), Napoléon Bonaparte: Correspondance générale (Paris: Fayard, 2006), Bd. 3, S. 853. Constitution républicaine, Hervorhebung hinzugefügt. In seinem Brief vom 4. Thermidor des Jahres IX. an Toussaint erwähnt Pichon seinen Brief an Pascal und datiert diesen auf den 27. Messidor (16. Juli 1801). Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Pascal an Pichon, Cap, den 20. Fructidor des Jahres IX (7. September 1801). ANOM CC9B 18. Zu dieser weitreichenden republikanischen Verfassungstradition siehe Nabulsi, Traditions of War. Weitere Details finden sich bei Charles Vincent, «Notice sur un grand nombre d’hommes civils et militaires actuellement dans la colonie de Saint-Domingue» (1802). ANOM Collection Moreau de Saint-Méry F3 59. Lois de la colonie française de Saint-Domingue (Cap, 1801). Loi sur les costumes, 24. Thermidor des Jahres IX (12. August 1801), ebd., S. 102 ff.
517
Anmerkungen
86 Artikel 30, Constitution républicaine. 87 Siehe beispielsweise Claude Moïse, Le projet national de Toussaint Louverture (Port-au-
Prince, 2001), S. 33; siehe auch das Kapitel über die «präsidentielle Monarchie» in: Robert Fatton Jr., The Roots of Haitian Despotism (Boulder, CO: Lynne Rienner, 2007), S. 81–130. 88 Der Gouverneur hatte die Aufgabe, «die Einhaltung der Verpflichtungen oder anderer Zusagen der Plantagenbetreiber und ihrer Vertreter gegenüber den Arbeitern und Angestellten zu überwachen». Artikel 35, Constitution républicaine. 89 Siehe insbesondere Artikel 33 der Verfassung, der die Aufsicht über die Funktionsfähigkeit der Exekutive dem ranghöchsten Militäroffizier anvertraut. Constitution républicaine.
10 RASCHE UND UNSICHERE BEWEGUNGEN 1 Loi sur la division du territoire de la colonie française de Saint-Domingue, 14. Messidor des Jah-
res IX (3. Juli 1801). 2 Arrêté de Toussaint Louverture, gouverneur de Saint-Domingue, aux citoyens du département Louverture, Cap, 25. Messidor des Jahres IX (14. Juli 1801). ANOM CC9B 9. 3 Bulletin officiel de Saint-Domingue, 19. Messidor des Jahres IX (8. Juli 1801). 4 Eine lebendige Beschreibung des gesellschaftlichen Lebens in Saint-Domingue in spät-
kolonialer Zeit findet sich bei Rainsford, An Historical Account, S. 220–228. 5 Siehe beispielweise Toussaints Brief an Idlinger, in dem er ihn darum bittet, einen Stoß
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Briefe für ihn zum Signieren vorzubereiten, Quartier Général d’Héricourt, 12. Brumaire des Jahres X (3. November 1801). Rochambeau Papers, University of Florida. Bunel an Nugent, Jamaika, September 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Pichon an Toussaint, Georgetown, 26. Germinal und 5. Floréal des Jahres IX (16. und 25. April 1801); Toussaint an Pichon, Cap, 14. Messidor des Jahres IX (3. Juli 1801). Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Bericht an den französischen Marineminister, New York, 14. Prairial des Jahres IX (3. Juni 1801). ANOM CC9A 28. Tobias Lear an James Madison, Cap, 20. Juli 1801. Madison Papers, National Archives, Washington DC. Lear an Madison, Cap, 30. August 1801. Madison Papers, National Archives, Washington DC. Toussaint an Lear, 25. November 1801. Toussaint Louverture Collection, Smithsonian Institution, Washington DC. «nimmermüde Umtriebigkeit»: Pascal an Pichon, Cap, 20. Fructidor des Jahres IX (7. September 1801). ANOM CC9B 18. Toussaint, Instructions aux fonctionnaires publics, civils et militaires, 24. Floréal des Jahres IX (14. Mai 1801). ANOM CC9A 28. Ebd. Zitiert nach Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Toussaint an Julien Raimond, Cap, 6. Prairial des Jahres IX (26. Mai 1801). New York Public Library, digital collections. Siehe Kapitel 6. Toussaint an Pichon, Cap, 1. Thermidor des Jahres IX (20. Juli 1801); Pichon an Toussaint, Georgetown, 9. Fructidor des Jahres IX. (27. August 1801). Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Anordnung von Toussaint, 14. Thermidor des Jahres IX (2. August 1801). ANOM CC9B 18.
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Anhang
20 Bericht von Corbet an Balcarres, Port-Républicain, 31. März 1801. NAM, 6807 /183 /1,
ff. 285–291. 21 Toussaint, Règlement relatif à la culture, 18. Floréal des Jahres IX (8. Mai 1801). ANOM 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
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CC9B 18. Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 13. Anordnung von Toussaint, 22. Messidor des Jahres IX (11. Juli 1801). ANOM CC9B 18. Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 117. «Meisterdiebe»; Toussaint, Avis, 9. Thermidor des Jahres IX (28. Juli 1801). ANOM CC9B 18. Instructions aux fonctionnaires publics. Siehe den Bericht von Whitfield an Corbet, 8. Mai 1801. National Archives, Kew, CO 137 /105. Dies wird ausführlicher im nächsten Kapitel abgehandelt. Robinson an Balcarres, Port-Républicain, 13. September 1800. National Archives, Kew, CO 137 /105. Toussaint an Corbet, Port-Républicain, 11. Germinal des Jahres IX (1. April 1801). NAM, 6807 /183 /1, ff. 302–20. Bericht von Corbet an Balcarres, 31. März 1801. National Archives, Kew, CO 137 /105. Proklamation von Toussaint, 16. Germinal des Jahres IX (6. April 1801). ANOM CC9B 18. Proklamation von Toussaint, 9. Floréal des Jahres IX (29. April 1801). NAM, 6807 /183 /1, f. 345. Adresse de Toussaint Louverture général en chef de l’armée de Saint-Domingue aux militaires de tout grade, Cap, 6. Floréal des Jahres IX, in: Bulletin Officiel du Port-Républicain, 29. Floréal des IX. Revolutionsjahres (19. Mai 1801). NAM, 6807 /183 /1, f. 344. Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 105. Loi sur la religion catholique, apostolique et romaine, 16. Messidor des Jahres IX (5. Juli 1801). Bericht an den französischen Marineminister, New York, 14. Prairial des Jahres IX (3. Juni 1801). ANOM CC9A 28. Fritzner Étienne, «L’Eglise et la révolution des esclaves», S. 19. Profession de foi des ministres du culte catholique du département du Nord, Cap, 11. Germinal des IX. Revolutionsjahres (1. April 1801). ANOM CC9B 18. Guillaume Mauviel, «Mémoire sur la colonie de Saint-Domingue», unveröffentlichtes MS, 1805. AN FIV 1212. Zu Mauviel siehe im Allgemeinen Gabriel Debien, Guillaume Mauviel, evêque constitutionnel de Saint-Domingue (Basse-Terre, Guadeloupe: Socièté d’histoire de la Guadeloupe, 1981). Anordnung von Toussaint, 19. Floréal des Jahres IX (9. Mai 1801). ANOM CC9B 9. Anordnung von Toussaint, Port-Républicain, 14. Nivôse des Jahres VIII (4. Januar 1800). ANOM CC9B 9. Ramsey, The Spirits and the Law, S. 48. Artikel 3 des Religionsgesetzes schrieb vor, dass keine religiöse Zeremonie «vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang» stattfinden könne. Proklamation von Toussaint, 24. Vendémiaire des Jahres X (16. Oktober 1801). ANOM CC9B 18. Instructions aux fonctionnaires publics. Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 109. Pichon an den Marineminister, 18. Fructidor des Jahres IX (5. September 1802). ANOM CC9A 28. See L. Darondel, «La fortune de Toussaint Louverture et Stephen Girard», in: Revue de la Société d’histoire et de géographie d’Haïti (Juli 1943); und Gabriel Debien, «À propos du trésor
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de Toussaint Louverture», in: Revue de la société d’Histoire et de Géographie d’Haïti (Juli 1946); die behaupteten Summen rangieren zwischen 2 Millionen und 40 Millionen Dollar. Toussaint, Règlement relatif à la culture, 20. Vendémiaire des Jahres IX (12. Oktober 1801). ANOM CC9B 9. Siehe die Proklamation von Dessalines, Port-Républicain, in: Bulletin Officiel du PortRépublicain, 29. Floréal des Jahres IX (19. Mai 1801). Toussaint, «Ordonnance sur la répression des propos incendiaires», 5. Brumaire des Jahres IX (27. Oktober 1800). ANOM CC9B 9. Gabriel Debien, Plantations et esclaves à Saint-Domingue (Dakar: University of Dakar, 1962), S. 161. Nugent an Portland, Jamaika, 5. September 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Mauviel, «Mémoire sur la colonie de Saint-Domingue». Denkschrift von Toussaint für die Zivil- und Militäroffiziere, 28. Fructidor des Jahres IX (15. September 1801). ANOM CC9B 18. Toussaint an Pichon, 14. Messidor und 23. Thermidor des Jahres IX (3. Juli und 11. August 1801). Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Proklamation von Toussaint, 8. Vendémiaire des Jahres X (30. September 1801). ANOM CC9B 9. Proklamation von Toussaint, 16. Vendémiaire des Jahres X (8. Oktober 1801). ANOM CC9B 9. Pluchon, Toussaint Louverture, S. 400. Proklamation von Toussaint, n. d. [Anfang 1802]. ANOM CC9 B9. Commerce de la colonie pendant l’An VIII. ANOM CC9A 28. Bericht an Bonaparte, 1. Thermidor des Jahres IX (20. Juli 1801). AN AFIV 1213. Lundahl, «Toussaint Louverture and the war economy of Saint-Domingue», S. 135. Claude Auguste und Marcel Auguste, L’expédition Leclerc 1801–1803 (Port-au-Prince: Imprimerie H. Deschamps, 1985), S. 15. Vincent, «Notice sur un grand nombre d’hommes civils et militaires». Nach seiner Ausweisung in die Vereinigten Staaten notierte Roume in einem Brief an Pichon, dass Toussaint seine gesamte Korrespondenz «während der letzten achtzehn Monate» gelesen habe, New York, 1. Vendémiaire des Jahres X (23. September 1801). Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Brief an das französische Marineministerium, Cap, 6. Prairial des Jahres VIII (26. Mai 1800). AN AFIV 1212. Brief an Guiton de Maulévrier, Cap, 21. Frimaire des VIII (12. Dezember 1799), zitiert nach de Cauna (Hrsg.), Toussaint Louverture et l’indépendance d’Haïti, S. 74. «Quelques observations sur le parti à prendre, relativement à la colonie de SaintDomingue», 27. Vendémiaire des IX. Revolutionsjahres (19. Oktober 1800). ANOM CC9A 28. Malenfant, Des colonies, S. 78. Brief von Pierre-Jacques de la Ferronays, April 1801, zitiert nach Paul Cheney, Cul de Sac: Patrimony, Capitalism, and Slavery in French Saint-Domingue (Chicago: University of Chicago Press, 2017), S. 187. Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 6. Brief von Guilhou, Port-Républicain, den 10. Brumaire des Jahres IX (1. November 1800). ANOM CC9A 28. Guilhou an Toussaint, n. d. [Ende 1801]. ANOM CC9A 32. Brief vom obersten Stabsarzt Decout, Les Cayes, den 15. Brumaire des Jahres X (6. November 1801). ANOM CC9A 28. Siehe Toussaints Brief an Deseulle, 23. Thermidor des Jahres V (10. August 1797), ANOM
520
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Anhang CC9A 15; siehe auch Toussaint an Vincent, 30. Vendémiaire des Jahres VI (21. Oktober 1797), AN AFIII 210. Toussaint an Roume, Port-de-Paix, 25. Thermidor des Jahres VII (12. August 1799). ANOM CC9A 25. Deseulle an Toussaint, Cap, den 14. Fructidor des Jahres IX (1. September 1801). ANOM CC9B 2. Ebd. «Mémoire sur la colonie de Saint-Domingue», 1801. AN AFIV 1212. «Notice sur Toussaint Louverture, au général Bonaparte», 1801. AN AFIV 1212. «Lettre d’un colon de Saint-Domingue au premier consul» (Anfang 1802). AN AFIV 1213. «Idées sur Saint-Domingue», 1801. AN AFIV 1212. Toussaint an Descourtilz, Cap, den 14. Fructidor des Jahres IX (1. September 1801). Archives Départementales de la Gironde, Collection Marcel Chatillon, 61 J 18. Descourtilz, Voyages d’un naturaliste, Bd. 3, S. 245 ff., 249 und 253. Jacques Périès, La révolution de Saint-Domingue. British Library MS 38074, f. 7. Ebd., ff. 18–19. Périès an den Marineminister, 25. Brumaire des Jahres IX (16. November 1800). ANOM CC9B 18. Siehe «Demande de concession de la Compagnie Périès dans l’ancienne partie espagnole». ANOM CC9A 23. Périès an den Marineminister, 25. Germinal des Jahres IX (15. April 1801). ANOM CC9B 18. Brief von Périès, 15. Messidor des Jahres VIII (4. Juli 1800). ANOM CC9B 18. Brief von Périès, 25. Thermidor des Jahres VIII (13. August 1800). ANOM CC9B 18. Bericht von Edward Corbet an Balcarres, Port-Républicain, 31. März 1801. NAM, 6807 /183 /1, ff. 285–291. Brief von Périès, 25. Brumaire des Jahres IX (16. November 1800). ANOM CC9B 18. Brief vom Dezember 1802, Port-au-Prince, zitiert nach Gabriel Debien, «Réfugiés de Saint-Domingue aux Etats-Unis», in: Revue de la Société d’histoire et de géographie d’Haïti, Bd. 21, Nr. 79 (Oktober 1950), S. 20 f. Brief an den französischen Marineminister, 1. Floréal des Jahres IX (21. April 1801). ANOM CC9A 24. Brief von Périès, 25. Germinal des Jahres IX (15. April 1801). ANOM CC9B 18. Brief von Périès, 30. Messidor des Jahres VIII (19. Juli 1800), ANOM CC9B 18. Er griff diesen Punkt in seinen späteren Memoiren nochmal auf: «ob frei oder versklavt», schwarze Menschen seien «von Natur aus kriminell» («ne connaissent d’autre vertu que le crime»). Périès, La révolution de Saint-Domingue. British Library MS 38074, f. 38. Brief von Périès, 25. Thermidor des Jahres VIII (13. August 1800). ANOM CC9B 18. Brief von Périès, 27. Thermidor des Jahres IX (15. August 1801). ANOM CC9B 18. Brief vom 8. Brumaire des Jahres X (30. Oktober 1801). ANOM CC9B 18. Bericht von Whitfield an Nugent, Port-Républicain, 5. Dezember 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Toussaint, Récit des événements qui se sont passés dans la partie Nord de Saint-Domingue depuis le 29 Vendémiaire jusqu’au 13 Brumaire an X, S. 11. ANOM CC9B 18. «Coup d’oeil of the actual situation of the colony of Saint-Domingue», n. d. [1801]. National Archives, Kew, WO 1 / 72. Dies war vor allem die Sichtweise von Périès; siehe La révolution de Saint-Domingue. British Library MS 38074, ff. 29 f. Roume an den Marineminister, Philadelphia, 11. Frimaire des Jahres X (2. Dezember 1801). ANOM CC9B 2.
Anmerkungen
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107 Ebd. 108 Bericht von Corbet, 16. November 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. 109 Roume an den Marineminister, New York, 3. Vendémiaire des Jahres X (25. November 1801). ANOM CC9B 2. 110 Toussaint, Récit des événements, S. 3. 111 Siehe beispielsweise den Brief von Moyse an den Stadtverwalter von Montéchrist,
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28. Ventôse des Jahres VIII (19. März 1800), in dem er die Behörden der Komplizenschaft mit dem Menschenhandel beschuldigte. ANOM CC9B 17. Zitiert nach Delatte, «Mémoire sur les évènements de Fort-Liberté», 16. Frimaire des Jahres VII (6. Dezember 1798). ANOM CC9A 22. Claude B. Auguste, «L’Affaire Moyse», in: Revue de la Société haïtienne d’histoire et de géographie, Nrn. 180 f. (Juli–Oktober 1994), S. 9. Bericht von Whitfield an Nugent, Port-Républicain, 5. Dezember 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Toussaint, Récit des événements, S. 11. Ebd. Pageot an den Marineminister, Philadelphia, 10. Pluviôse des Jahres X (30. Januar 1802). ANOM CC9B 18. Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 123. Toussaint an den britischen Repräsentanten, 11. Germinal des Jahres IX (1. April 1801). NAM, 6807 /183 /1, ff. 302–320. Siehe beispielsweise den Brief von Roume an den Marineminister, in dem er die Verdienste von Christophe als treuer französischer Verbündeter rühmt, New York, 3. Vendémiaire des Jahres X (25. September 1801). ANOM CC9 B2. Whitfield an Toussaint, 20. Januar 1801, National Archives, Kew, CO 245 /1; Toussaint an Balcarres, Santo Domingo, den 1. Februar 1801, CO 137 /105. Bericht von Whitfield an John King, Whitehall, den 17. Juni 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Corbet an Balcarres, 6. März 1801. National Archives, Kew, CO 245 /1. Berichte von Corbet an Balcarres, 31. März und 21. Juli 1801, und an Nugent, 9. September 1801. National Archives, Kew, CO 137 /105 und CO 137 /106. Balcarres an Vizeadmiral Hugh Seymour, 28. Juli 1801. National Archives, Kew, CO 137 /105. Siehe Corbets Unterrichtung Nugents über die Debatten, Kingston, 24. Oktober 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Vereinbarung von Bunel und Corbet, Kingston, Jamaika, 16. November 1801. NAM, 6807 /183 /1, ff. 131–142. Philip Wright (Hrsg.), Lady Nugent’s Journal of her Residence in Jamaica from 1801 to 1805 (Kingston, Jamaika: University of West Indies Press, 2002), Eintrag am 21. Oktober 1801. «Adresse des citoyens des États-Unis d’Amérique résidant au Cap Français», 21. Brumaire des Jahres X (12. November 1801). ANOM CC9B 18. Proklamation der Stadtverwaltung, 19. Brumaire des Jahres X (10. November 1801). ANOM CC9B 18. Brief von Mr. Law, Gonaïves, 26. Oktober 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Dekret von Toussaint, Cap, 19. Brumaire des X. Revolutionsjahres (10. November 1801). ANOM CC9B 18. Brief von Moyse an Toussaint, 15. Fructidor des Jahres VII (1. September 1799). ANOM CC9A 26. Moyse an Isaac und Placide Louverture, 12. Ventôse des Jahres IX (3. März 1801). Stadtbibliothek Nantes.
522
Anhang
135 Dekret von Toussaint, Cap, 4. Frimaire des Jahres X (25. November 1801). ANOM CC 136 137 138 139
9B 9. Ebd. Dekret vom 10. Januar 1802, Santo Domingo, «Diario de lo ocurrido en Santo Domingo». Dekret von Toussaint, Cap, 4. Frimaire des Jahres X (25. November 1801). ANOM CC9B 9. Ebd.
11 DER BAUM DER SCHWARZEN FREIHEIT 1 Siehe beispielsweise den Brief von Borgella an Toussaint, 30. Januar 1802, in dem er die Unruhen erwähnt, die «seit zwei Monaten» in der Kolonie andauern. ANOM CC9B 19. 2 Geheime Denkschrift von Lord Hobart, Downing Street, London, 18. November 1801.
National Archives, Kew, CO 137 /106. 3 Toussaint an Nugent, 8. Dezember 1801, National Archives, Kew, CO 137 /106; Brief von Nugent, Jamaika, 29. November 1801, NAM, 6807 /183 /1, ff. 439–40. 4 Whitfield an Nugent, Port-Républicain, 9. Dezember 1801. National Archives, Kew,
CO 137 /106. 5 Whitfield an Corbet, Port-Républicain, den 17. Dezember 1801. National Archives, Kew,
CO 137 /107. 6 Nachdem er zunächst versucht hatte, seine beiden Kinder heimlich zurückzubekommen
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(siehe Kapitel 8), bat er im Februar 1801 erstmals formell um ihre Aushändigung. Toussaint an den Marineminister, Santo Domingo, 23. Pluviôse des Jahres IX (12. Februar 1801). Archives Départementales de la Gironde, Marcel Chatillon Collection, 61 J 18. Proklamation von Toussaint, Port-Républicain, 19. Frimaire des Jahres X (20. Dezember 1801). ANOM CC9 B9. Auguste Nemours, Histoire de la guerre d’indépendance de Saint-Domingue (Paris und Nancy: Berger-Levrault, 1925), Bd. 1, S. 1. Nemours, Histoire de la famille et de la descendance de Toussaint-Louverture, S. 363. Mémoires d’Isaac fils de Toussaint Louverture sur l’expédition des français sous le Consulat de Napoléon Bonaparte. BNF NAF 12409. Rallier schickte Bonaparte eine Kopie seiner Beobachtungen zur aktuellen Situation der Kolonie von Saint-Domingue (1800). AN AFIV 1212. Dokumententwurf, datiert auf den 17. Pluviôse des Jahres IX (6. Februar 1801), findet sich noch in Toussaints persönlichem Ordner im Nationalarchiv. AN EE 1991. Brief von Bonaparte, 13. Ventôse des Jahres IX (4. März 1801), zitiert nach Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 36. Anweisungen an den Kolonialpräfekt, zitiert nach Ebd., S. 37. Der Marineminister an Toussaint, April 1801, ANOM CC9B 18; siehe auch das Dekret der Konsuln betreffend Santo Domingo, 7. Brumaire des Jahres X. Anweisungen an den Hinteradmiral Lacrosse, 4. Januar 1800. Napoleon Bonaparte, Correspondance générale, Bd. 3, S. 22 ff. Gainot, «Le général Laveaux, gouverneur de Saint-Domingue», S. 451. Journal du Comte P.-L. Roederer, ministre et conseiller d’état (Paris, 1909), zitiert nach Geggus (Hrsg.), The Haitian Revolution, S. 171. Bericht von Kerverseau, 7. September 1801. ANOM CC9B 23. François Barbé de Marbois, Réflexions sur la colonie de Saint-Domingue (Paris, 1796). Emmanuel de Las Cases, Mémorial de Sainte-Hélène, hrsg. von M. Dunan (Paris: Flammarion, 1983), Bd. 1, S. 714 ff.
Anmerkungen
523
22 Siehe vor allem den Brief von Vincent an den Kommandanten der Expedition, Paris, 27. Brumaire des Jahres X (18. November 1801). ANOM Collection Moreau de Saint-
Méry F3 283. 23 Charles Vincent, «Réflexions sur l’état actuel de la colonie de Saint-Domingue et sur les
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39 40 41
moyens d’y rétablir l’autorité de la métropole», 21. Vendémiaire des Jahres X (13. Oktober 1801). ANOM Collection Moreau de Saint-Méry F3 283. Vincent, Notice sur Dominique Toussaint Louverture. Beobachtungen des genialen Generals Vincent, S. 13. Zitiert nach Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 33; das Dekret zum Verbot von Schwarzen und persons of colour wurde im Juli 1802 verkündet. Zitiert nach Antoine-Clair Thibaudeau, Mémoires sur le Consulat (Paris, 1827), S. 120 f. Ich bin David Bell dankbar dafür, mich auf diese Passage aufmerksam gemacht zu haben. Zitiert nach Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti, S. 283. Toussaint an Paul Louverture, 17. Pluviôse des Jahres X (6. Februar 1802). Boromé, «A finding list». Siehe beispielweise seine Vereinbarung mit dem amerikanischen Händler James Gillespie, 5. Vendémiaire des Jahres IX (27. September 1800), zitiert nach Nemours, Relations internationales, S. 152 f. Siehe den Bericht von Whitfield an Corbet über die Ankunft einer mit Waffen beladenen amerikanischen Brigade in Cap, 19. Mai 1801. NAM, 6807 /183 /1, f. 341. Siehe auch den Bericht des französischen Agenturmitarbeiters Liot an Pichon, Cap, 25. Thermidor des Jahres IX (13. August 1801) betreffend eine Vereinbarung über den Verkauf amerikanischer Waffen, der zwischen Toussaint und einem amerikanischen Händler namens Holmes geschlossen wurde. Archives Diplomatiques Paris-La Courneuve, 40CP /37. Bericht des französischen Kommissars, Philadelphia, 14. Prairial des Jahres IX (3. Juni 1801). ANOM CC9A 28. Militärbericht an den französischen Marineminister, 2. Ventôse des Jahres XI (21. Februar 1803). ANOM CC9A 30. Notiz von Toussaint an Borgella, 12. Dezember 1801; zitiert nach Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 227 f. Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti, S. 284. Französischer Militärbericht, 20. Februar 1802. ANOM CC9B 23. Siehe auch Nemours, Histoire militaire, Bd. 1, S. 114. Weitere 24 000 Soldaten wurden im Laufe des Konflikts entsandt. Siehe beispielweise den Brief an Toussaint von Leandre, Kommandeur von La Saline, 4. Ventôse des Jahres X (23. Februar 1802); Archives départementales de la Gironde, 61 J 18. Siehe auch Nemours, Histoire militaire, Bd. 1, S. 194. Toussaint schrieb zwei Briefe aus seinem Hauptquartier in Saint-Marc an seinen Bruder, wovon er ihn in dem einen dazu aufforderte, den Widerstand in Santo Domingo fortzusetzen, und im anderen (der nur verwendet werden sollte, wenn der Bote von den Franzosen abgefangen werden sollte) mit den Franzosen zu kooperieren. Kerverseaus Truppen fingen den Boten ab, und der französische General täuschte Paul Louverture, indem er ihm den zweiten Brief schickte. Beide Texte, datiert auf den 20. Pluviôse des Jahres X (9. Februar 1802), finden sich in der Korrespondenz von Kerverseau. Archives départementales de la Gironde, Marcel Chatillon Collection, 61 J 24. Précis des services de Joseph Antoine Idlinger, commissaire ordonnateur à Saint-Domingue. Archives de la Seine, Paris, DQ10–1418, dossier Joseph Idlinger. Toussaint an Leclerc, Gonaïves, 22. Pluviôse des Jahres X (11. Februar 1802). AN AB XIX 5002, Leclerc-Akte. Claude Auguste und Marcel Auguste, L’expédition Leclerc 1801–1803, S. 93.
524
Anhang
42 Bericht von Maurepas an Toussaint, 6. Februar 1802. Archives départementales de la Gi-
ronde, Marcel Chatillon Collection, 61 J 18. 43 Berichte von Maurepas an Toussaint, 11. und 14. Februar 1802. Archives départementales 44 45 46 47 48
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de la Gironde, Marcel Chatillon Collection, 61 J 18. Pluchon, Toussaint Louverture, S. 478. Girard, The Slaves Who Defeated Napoleon, S. 90 f. Proklamation von Bonaparte, 17. Brumaire des Jahres X (8. November 1801). Bonaparte an Toussaint, 18. November 1801. Antoine Métral, Histoire de l’expédition militaire des français à Saint-Domingue (Paris, 1825), S. 59. Coisnon beschönigt das Treffen in einem Brief an Leclerc ein wenig. Siehe Archives départementales de la Gironde, Marcel Chatillon Collection, 61 J 18. Bonaparte erteilt schriftliche Anweisungen an Leclerc, 31. Oktober 1801; Archives Nationales AFIV / 863; siehe auch Gustav Roloff, Die Kolonialpolitik Napoleons I (München, 1899), Anhang. Eine detaillierte Studie des Phänomens, die sich auf französische Archivquellen beruft, bietet Charles Bonaparte, Auguste and Marcel Bonaparte Auguste, Les déportés de Saint-Domingue (Quebec: Éditions Naaman, 1979). Ebd. Leclerc an den Marineminister, 17. Messidor (6. Juli 1802), Lettres du général Leclerc (Paris: Ernest Leroux, 1937), S. 182. Ebd., S. 98 ff. «Notice sur un grand nombre d’hommes civils et militaires». Girard, The Slaves Who Defeated Napoleon, S. 121 f. Nemours, Histoire militaire, Bd. 1, S. 227; Auguste, L’expédition Leclerc 1801–1803, S. 134 f. Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 182 f. Rede von Toussaint, 19. /20. Pluviôse des Jahres X (8. / 9. Februar 1802), zitiert nach Métral, Histoire de l’expédition des français à Saint-Domingue, S. 67 f. Toussaint an Dommage, 9. Februar 1802, zitiert nach Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 59. Toussaint an Dessalines, 8. Februar 1802, zitiert nach ebd., S. 58. Admiral Villaret de Joyeuse an Leclerc, 3. Ventôse des Jahres X (22. Februar 1802). AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc. Zitiert nach dem Bericht des französischen Offiziers Jean Figeac, 14. Vendémiaire des Jahres XI (6. Oktober 1802). ANOM CC9A 32. Descourtilz, Voyages d’un naturaliste, Bd. 3, S. 304 ff. und 359 n. 1. Eine Reihe von Vernets Briefen an Toussaint aus den Monaten März und April 1802 findet sich in den Rochambeau Papers; sowie eine Kopie von Belairs Brief an Toussaint, Habitation Mayance, 21. Germinal des Jahres X (11. April 1802). Rochambeau Papers, University of Florida. Siehe beispielsweise den frustrierten Brief von General Desfourneaux an Leclerc, Plaisance, 15. Ventôse des Jahres X (16. März 1802). AN 135AP / 6, Rochambeau Papers. Brief des Kommandeurs Dalton, 5. Germinal des Jahres X (26. März 1802), zitiert nach Nemours, Histoire militaire, Bd. 2, S. 410. Jacques de Norvins, Souvenirs d’un historien de Napoléon, Bd. 2, S. 376. Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti, S. 325. Leclerc an Decrès, 27. Februar 1802. ANOM CC9 B19. Leclerc an Bonaparte, 25. März 1802, in: Lettres du général Leclerc, S. 116 f. Leclerc an den Marineminister, 21. April 1802, ebd., S. 130 ff. Ein paar Briefe von Sans-Souci an Toussaint sind erhalten geblieben. Einer davon datiert in den März 1802; er wurde in seinem Hauptquartier in Grande-Rivière verfasst und
Anmerkungen
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findet sich in der Kurt Fisher Collection in der New York Public Library; ein anderer vom April 1802 wird zitiert in Auguste, L’expédition Leclerc 1801–1803, S. 147 f. Darüber hinaus finden sich zwei seiner Briefe aus dem Zeitraum Anfang April des Jahres 1802 in den Rochambeau Papers, University of Florida. Girard, The Slaves Who Defeated Napoleon, S. 121. Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 203. Brief von Dessalines vom 14. März 1802, in: de Cauna (Hrsg.), Toussaint Louverture et l’indépendance d’Haïti, S. 14; Mémoires d’Isaac Louverture, S. 261. Madiou, Histoire d’Haïti, Bd. 2, S. 222; Saint-Rémy, Vie de Toussaint, S. 368. Nemours, Histoire militaire, Bd. 1, S. 255. Métral, Histoire de l’expédition des français à Saint-Domingue, S. 69. Ebd., S. 87. Proklamation von Toussaint, 10. Ventôse des Jahres X (1. März 1802); zitiert nach Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 75–81. Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 259. Boudet an Toussaint, Port-Républicain, 11. Germinal des Jahres X (1. April 1802). AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc. Toussaint an Boudet, Dondon headquarters, 21. Germinal des Jahres X (11. April 1802). AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc. Ebd. Auguste, L’expédition Leclerc 1801–1803, S. 116. André Vernet an Toussaint, Saint-Michel, 10. Floréal des Jahres X (30. April 1802). Rochambeau Papers, University of Florida. Anordnung von Toussaint, 9. Floréal des Jahres X (29. April 1802). ANOM CC9B 9. Toussaint an Christophe, 8. Floréal des Jahres X (28. April 1802). Archives Départementales de la Gironde, Marcel Chatillon Collection, 61 J 18; der Umschlag trug die Aufschrift «eiliger Wehrdienst». Zum zweiten Angriff siehe Nemours, Histoire militaire, Bd. 1, S. 266, 270–271. Norvins, Souvenirs d’un historien de Napoléon, Bd. 2, S. 308 f., 362 f. Siehe seinen Brief an Toussaint vom 14. Februar 1802: «Auch wenn diese (französische) Armee gekommen ist, um uns unserer Freiheit zu berauben, kann ich nicht anders, als den gefangen genommenen Soldaten mit Menschlichkeit zu begegnen. Denn nicht sie sind es, auf die wir unseren Zorn richten sollten, sondern ihre Anführer.» Archives Départementales de la Gironde, Marcel Chatillon Collection, 61 J 18. Toussaint an Leclerc, Verrettes, den 25. Pluviôse des Jahres X (14. Februar 1802). AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc. Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti, S. 349. Norvins, Souvenirs d’un historien, Bd. 2, S. 395 f. Mémoires d’Isaac Louverture, S. 292. Leclerc an Toussaint, 17. Floréal des Jahres X (7. Mai 1802), und Toussaints Antwort vom 22. Floréal des Jahres X (12. Mai 1802). Toussaint wurde schließlich eine Garde von zwölf Soldaten zugestanden. AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc. Toussaint an Leclerc, 22. Floréal des Jahres X (12. Mai 1802). AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc. Mémoires d’Isaac Louverture, S. 295 f. Bonaparte an Leclerc, 16. März 1802, zitiert nach Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 102. Toussaint an Kommandeur Gonaïves, 25. Floréal (15. Mai 1802). AN 135AP / 6, Rochambeau Papers. Toussaint an Dugua, 25. Mai 1802. AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc.
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Anhang
101 In einem Brief an Leclerc, datiert auf den 21. Prairial (22. Mai 1802), beklagte sich Dessa-
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lines darüber, dass er Abgesandte von Toussaint aus Plaisance empfangen habe, die um Anweisungen baten, wie man «die Rebellion fortsetzen» könne. AN 135AP / 6, Rochambeau Papers. Zu Syllas Widerstand siehe Auguste, L’expédition Leclerc 1801–1803, S. 163–167. Berichtet in Descourtilz, Voyages d’un naturaliste, Bd. 3, S. 186. Toussaint an Brunet, 16. Prairial des Jahres X (5. Juni 1802). AN 135AP / 6, Rochambeau Papers. Mémoires d’Isaac Louverture, S. 307 f. Proklamation von Leclerc, 22. Prairial des Jahres X (11. Juni 1802), in: Gazette Officielle de Saint-Domingue, 4. Messidor des Jahres X (23. Juni 1802). Zum «wunderbaren und großartigen» Schicksal von Gingembre, der schließlich zusammen mit einer Reihe von Toussaints ergebensten Anhängern nach Korsika deportiert wurde, siehe Nemours, Histoire militaire, Bd. 2, S. 300–343. Brief von Toussaint, 7. Prairial des Jahres X (27. Mai 1802), zitiert nach Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 108, n. 2. Toussaint an Leclerc, 22. Floréal des Jahres X (12. Mai 1802). AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc. Bericht des Brigadiers Pesquidon, 30. Floréal des Jahres X (20. Mai 1802). AN 135AP / 6, Rochambeau Papers. Brunet an Leclerc, Habitation Georges, 7. Juni 1802. AN 135AP / 6, Rochambeau Papers. Zwei «emissaries» (Spione), die «den Bewegungen von Toussaint anhingen», wurden mit 1200 Francs bezahlt. Ein separater Eintrag über 4000 Francs für «außerordentliche Ausgaben» erwähnt auch «Geschenke an Dessalines und seine Frau sowie Gelder für seine Offiziere». Brunet an Leclerc, Habitation Georges, 19. Juni 1802. AN 135AP / 6, Rochambeau Papers. Toussaint an Bonaparte, Brest, 1. Thermidor des Jahres X (20. Juli 1802). AN AFIV 1213. Bericht des Majors von Bayonne, 14. Fructidor des Jahres X (1. September 1802). AN EE 1991. Über diesen Zeitabschnitt siehe Nemours, Histoire de la captivité et de la mort de Toussaint Louverture (Paris und Nancy: Berger-Levrault, 1929). Leclerc an den Marineminister, 17. Messidor des Jahres X (6. Juli 1802), in: P. Roussier (Hrsg.), Lettres du général Leclerc, S. 183. Nemours, Histoire de la captivité, S. 51 und 57. Der Befehl kam direkt von Bonaparte und wurde von seinem Kriegsminister Berthier überbracht (Brief vom 13. Fructidor des Jahres X [31. August 1802] an Fouché). AN 135AP / 6, Rochambeau Papers. Baille an den Marineminister, 10. Brumaire des Jahres XI (1. November 1802). ANOM CC9B 18. Von Dubois gesammelte und in seinem Brief an Grégoire wiedergegebene Zeugenaussagen, Paris, 25. Mai 1823. BNF NAF 6864. Mars Plaisir an Isaac Louverture, Paris, 3. Oktober 1815. BNF NAF 6864. Siehe den Bericht von Whitfield an Nugent, 5. Dezember 1801. National Archives, Kew, CO 137 /106. Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti, S. 312; siehe auch Périès, La révolution de Saint-Domingue, f. 35. Philippe Artières (Hrsg.), Journal du général Caffarelli (Paris: Mercure de France, 2016), S. 126. Bericht von Caffarelli an Bonaparte, 2. Vendémiaire des Jahres XI (24. September 1802), AN EE 1991; siehe auch Henry Gauthier-Villars, «La captivité de Toussaint Louverture», in: Revue Bleue, 23. Januar 1892.
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Anmerkungen 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152
Toussaint an Bonaparte, 30. Fructidor des Jahres X (17. September 1802). AN AFIV 1213. Jeannin an Isaac Louverture, Fort de Joux, 24. November 1810. BNF NAF 6864. Artières (Hrsg.), Toussaint Louverture, Mémoires, S. 93. Ebd., S. 99 f. Ebd., S. 89 f. Ebd., S. 62. Ebd., S. 96. Ebd., S. 94. Ebd., S. 92. Ebd., S. 91. Ebd., S. 66. Ebd., S. 76. Duboys, Précis historique, Bd. 2, S. 261. Brief von Follin, 22. März 1803, Cap, in: Gabriel Debien, «Vers la fin de l’expédition de Saint-Domingue», in: Caribbean Studies, Bd. 11, Nr. 2 (Juli 1971), S. 100. Toussaint an Bonaparte, 17. Vendémiaire des Jahres XI (8. Oktober 1802). AN AFIV 1213. Fort Chapel wurde 1879 zerstört, so dass Toussaints sterbliche Überreste für immer abhandengekommen sind. Toussaint an Bonaparte, 17. Vendémiaire des Jahres XI (8. Oktober 1802). AN AFIV 1213. Siehe Julia Gaffield (Hrsg.), The Haitian Declaration of Independence (Charlottesville und London: University of Virginia Press, 2016). Charles Tristan Montholon, Récits de la captivité de l’empereur Napoléon à Sainte-Hélène (Paris, 1847), Bd. 2, S. 52. Brief des Marineministers Decrès an Leclerc, 25. Prairial des Jahres X (14. Juni 1802), in: Lettres du général Leclerc, S. 285. Leclerc an Bonaparte, 15. Vendémiaire des Jahres XI (7. Oktober 1802), ebd., S. 256. Métral, Histoire de l’expédition des français à Saint-Domingue, S. 176–186. Toussaint an Simon Baptiste, 7. Pluviôse des Jahres X (27. Januar 1802), Santo Domingo; Boromé, «A finding list». Rochambeau an Bonaparte, Cap, 23. Germinal des Jahres XI (14. April 1803). AN AFIV 1213. Nemours, Histoire militaire, Bd. 2, S. 173. General Hardÿ an Leclerc, 16. Ventôse des Jahres X (7. März 1802). AN AB XIX 5002, Papiers Leclerc. Zitiert nach Pamphile de Lacroix, La Révolution de Haïti, S. 366 f. Zitiert nach Lélia Justin Lhérisson, Les héros de l’indépendance dans l’histoire d’Haïti (Portau-Prince, 1954), S. 3.
12 EIN UNIVERSELLER HELD 1 Brief vom 15. April 1954, in: Ann Bardach (Hrsg.), The Prison Letters of Fidel Castro (New
York: Nation Books, 2007). 2 Zu dem «kulturellen Trauma», das die Revolution von Saint-Domingue unter den wei-
ßen Eliten im Atlantikraum hervorrief, siehe Alejandro Gómez, Le spectre de la révolution noire (Rennes: Presses Universitaires de Rennes, 2013). 3 Siehe David Geggus, «Slave rebellion during the Age of Revolution», in: Wim Klooster und Gert Oostindie (Hrsg.), Curaçao in the Age of Revolutions (Leiden: KITLV Press, 2011); Genovese, From Rebellion to Revolution, S. 3.
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4 Beispiele zitiert nach Geggus, The Haitian Revolution, S. 188; zu Jamaika und der Haitiani-
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schen Revolution siehe Michael Mullin, African in America: Slave Acculturation and Resistance in the American South and the British Caribbean (Chicago: University of Illinois Press, 1992), S. 216 f. Zitiert nach Scott, The Common Wind, S. 180. Siehe Laurent Dubois, «The promise of revolution: Saint-Domingue and the struggle for autonomy in Guadeloupe 1797–1802», in: Geggus (Hrsg.), The Impact of the Haitian Revolution, S. 113, 116 und 117. Militärbericht, zitiert nach Aline Helg, «A fragmented majority: free ‹of all colours›, Indians, and slaves in Caribbean Colombia during the Haitian Revolution», ebd., S. 159. Weitere Beispiele finden sich bei Oruno D. Lara, «L’influence de la Révolution haïtienne dans son environnement caraïbe», in: Présence Africaine 2004 (1), S. 89–103. Consuelo Naranjo Orovio, «Le fantasme d’Haïti: l’élaboration intéressée d’une grande peur», in: Yacou (Hrsg.), Saint-Domingue espagnol, S. 639. Zitiert nach James Sidbury, «Saint-Domingue in Virginia: ideology, local meanings, and resistance to slavery 1790–1800», in: Journal of Southern History, Bd. 63, Nr. 3 (August 1997), S. 547. Douglas Egerton, Gabriel’s Rebellion: The Virginia Slave Conspiracies of 1800 and 1802 (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1993), S. 48; siehe auch Michael Nicholls, Whispers of Rebellion: Narrating Gabriel’s Conspiracy (Charlottesville: University of Virginia Press, 2012). Bericht vom Juni 1800, zitiert nach Ada Ferrer, Freedom’s Mirror, S. 152. Bericht des französischen Konsuls an den Marineminister, Philadelphia, 30. September 1800. ANOM CC9B 2. Auf einer Liste von Vodou-Göttern, die Mitte des 20. Jahrhunderts auf Grundlage von neun Quellen aus der Region von Plaisance erstellt wurde, trug ein Gott den Namen «Monsieur Toussaint». George Eaton Simpson, «The belief system of Haitian vodun», in: American Anthropologist, Bd. 47, Nr. 1 (Januar–März 1945), S. 45. Odette Mennesson-Rigaud, «Le rôle du vaudou dans l’indépendance d’Haïti», in: Présence Africaine 1958 (1), S. 64. Zitiert nach Laurent Dubois, «Thinking Haitian independence in Haitian vodou», in: Gaffield (Hrsg.), The Haitian Declaration of Independence, S. 209. John Balfour an Henry Dundas, Tobago, 15. Februar 1794. Correspondance of Henry Dundas, Bodleian Library, Oxford, MSS W. Ind. S. 8. Zur Rolle der Seeleute siehe Kapitel 2 in: Scott, The Common Wind. Matthias Assunçao, «L’adhésion populaire aux projets révolutionnaires dans les sociétés esclavagistes», in: Caravelle Nr. 54 (1990), S. 295. Siehe Janet Polasky, Revolutions Without Borders (New Haven: Yale University Press, 2015). Zitiert nach Michael Craton, Testing the Chains: Resistance to Slavery in the British West Indies (Ithaca, NY and London: Cornell University Press, 1982), S. 236. Kevin Whelan, «The Green Atlantic: radical reciprocities between Ireland and America in the long eighteenth century», in: Kathleen Wilson (Hrsg.), A New Imperial History (Cambridge: Cambridge University Press, 2004), S. 232 und 234. Zu den politischen Kämpfen kubanischer Sklaven während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts siehe Alain Yacou, La longue guerre des nègres marrons de Cuba (1796–1852), (Paris: Karthala, 2009). Gaceta de Madrid, 18. Mai 1804, zitiert nach Ada Ferrer, «Speaking of Haiti», in: Geggus (Hrsg.), The Impact of the Haitian Revolution, S. 224. Ebd., S. 235.
Anmerkungen
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26 Ada Ferrer, «La société esclavagiste cubaine et la révolution Haïtienne», in: Annales. Histo-
ire, sciences sociales 2003–4, S. 352–355. 27 Manuel Barcia, «Revolts among enslaved Africans in nineteenth-century Cuba», in: Jour-
nal of Caribbean History 2005–2, S. 178 und 179. 28 Matthew Childs, «‹A French black general arrived to conquer the island›: images of the
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Haitian revolution in Cuba’s 1812 Aponte rebellion», in: Geggus (Hrsg.), The Impact of the Haitian Revolution, S. 148. Ebd., S. 136, 143 f. Proklamation von Dessalines, Cap, 28. April 1804. ANOM CC9B 23. Hérard Dumesle, Voyage dans le nord d’Hayti (Les Cayes, 1824), S. 85–89. Ebd., S. 310 f. Ebd., S. 159 und 176. Ausführlicher erörtert bei Erin Zavitz, «Revolutionary narrations: early nineteenth century Haitian historiography and the challenge of writing counter-history», in: Atlantic Studies, Bd. 14, Nr. 3 (2017). Thomas Madiou, Histoire d’Haïti. Zu den maßgeblichen Einflüssen Haïtis auf das Denken von Bolívar siehe Sibylle Fischer, «Bolívar in Haiti: republicanism in the revolutionary Atlantic», in: Caria Calargé, Raphael Dalleo, Luis Duno-Gottberg und Clevis Headley (Hrsg.), Haiti and the Americas (Jackson: University Press of Mississipi, 2013). Sonthonax an Toussaint, Cap, 13. Prairial des Jahres V (1. Juni 1797). BNF NAF 8988, Papiers Sonthonax. Carlo Célius, «Neoclassicism and the Haitian revolution», in: Geggus (Hrsg.), The Impact of the Haitian Revolution, S. 378. Auf etwa 21 Milliarden Dollar in der Währungseinheit des 21. Jahrhunderts zu beziffern. Eine hervorragende Erläuterung der internationalen Restriktionen, die über den Haitianischen Staat verhängt wurden, sowie deren Einfluss auf die Innenpolitik findet sich bei Robert Shilliam, «What the Haitian Revolution might tell us about development, security, and the politics of race», in: Comparative Studies in Society and History, Bd. 50, Nr. 3 (Juli 2008), S. 778–808. Siehe Helen Weston, «The many faces of Toussaint Louverture», in: Agnes Lugo-Ortiz and Angela Rosenthal, Slave Portraiture in the Atlantic World (New York: Cambridge University Press, 2013), S. 356 f. François Grenier, Entrevue de Toussaint Louverture et du général Maitland (1821). Toussaint Louverture proclame la constitution de 1801, undatiert, unbekannter Künstler (um 1822). Entrevue de Toussaint Louverture et de ses enfants, undatiert, unbekannter Künstler (um 1822). Mort de Toussaint Louverture, undatiert, unbekannter Künstler (um 1822). Célius, «Neoclassicism and the Haitian revolution», S. 378. Jean Price-Mars, Ainsi parla l’oncle (New York: Parapsychology Foundation Inc., 1928), S. 28. «O Muse, now to the new songs I tune to my lyre», Auszug aus: The Haïtiade (1827 f.), in: Doris Kadish und Deborah Jenson (Hrsg.), Poetry of Haitian Independence (New Haven und London: Yale University Press, 2015), S. 125; die Autorschaft ist nicht abschließend geklärt, aber einige Literaturkritiker gehen davon aus, dass das Gedicht von Toussaints Sohn Isaac geschrieben worden sein dürfte; ebd., S. XXVIII–XXIX. The Denison Review (Denison, Iowa), 8. Juli 1903. Library of Congress, Historic American Newspapers.
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Anhang
50 Alfred N. Hunt, Haiti’s Influence on Antebellum America (Baton Rouge: Louisiana State
University Press, 1988), S. 190. 51 Zur Rolle schwarzer Seeleute siehe im Allgemeinen Gilroy, Black Atlantic, sowie Peter
Linebaugh und Marcus Rediker, The Many Headed Hydra (London: Verso, 2002). 52 Siehe Sara Fanning, Caribbean Crossing: African Americans and the Haitian Emigration Move-
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ment (New York: New York University Press, 2017); siehe auch Matthew J. Smith, Liberty, Fraternity, Exile: Haiti and Jamaica after Emancipation (Durham, NC: University of North Carolina Press, 2014). David Walker, Appeal to Coloured Citizens of the World, hrsg. v. P. Hinks (University Park, PA: Pennsylvania State University Press, 2000), S. 23. Anti-slavery Bugle, 28. April 1855. Library of Congress, Historic American Newspapers. Weekly Anglo-African, 15. Februar 1862, zitiert nach Matthew Clavin, «American Toussaints: symbol, subversion, and the Black Atlantic tradition in the American Civil War», in: Maurice Jackson und Jacqueline Bacon (Hrsg.), African Americans and the Haitian Revolution (New York und London: Routledge, 2010), S. 115. Sara Fanning, «The roots of early black nationalism: Northern African Americans’ invocations of Haiti in the early nineteenth century», in: Slavery and Abolition, Bd. 28, Nr. 1 (April 2007), S. 62 f. Zur näheren Diskussion dieser beiden Traditionen siehe Michael O. West und William G. Martin, «Haiti, I’m sorry: the Haitian revolution and the forging of the black international», in: West, Martin and Wilkins (Hrsg.), From Toussaint to Tupac, S. 91–97. Zur näheren Analyse siehe Jacqueline Bacon, «A revolution unexampled in the history of man: the Haitian revolution in Freedom’s Journal, 1827–1829», in: Jackson und Bacon (Hrsg.), African Americans and the Haitian Revolution. Freedom’s Journal, Freitag, 4. Mai 1827. Freedom’s Journal, Freitag, 11. Mai 1827. Als Hauptquelle diente hier Pamphile de Lacroix’ Arbeit über die Haitianische Revolution. Freedom’s Journal, Freitag, 18. Mai 1827. Freedom’s Journal, Freitag, 11. Mai 1827. Entnommen aus: «Theresa – a Haytien Tale», in: Freedom’s Journal, Januar–Februar 1828, in: Jackson und Bacon (Hrsg.), African Americans and the Haitian Revolution, S. 174 f. The Anti-Slavery Record, Bd. 1, Nr. 4, April 1835. Ich danke Oliver Franklin dafür, dass er mir sein persönliches Exemplar dieses Dokuments zur Verfügung gestellt hat. James McCune Smith, «Lecture on the Haytien Revolutions», 26. Februar 1841, die Ausschnitte finden sich wiedergegeben in: Jackson und Bacon (Hrsg.), African Americans and the Haitian Revolution, S. 177–183. Harriet Martineau, The Hour and the Man (London, 1841). John Relly Beard, Toussaint L’Ouverture, a Biography and Autobiography (Boston, 1863), S. 292; diese Ausgabe enthält eine Übersetzung von Toussaints in Fort de Joux niedergeschriebenen Erinnerungen. Brandon Byrd, «Black republicans, black republic: African Americans, Haiti, and the promise of reconstruction», in: Slavery and Abolition, Bd. 36, Nr. 4 (2015), S. 550. James Theodore Holly, A vindication of the capacity of the negro race for self-government, and civilised progress, as demonstrated by historical events of the Haytian revolution (New Haven, 1857). Byrd, «Black republicans, black republic», S. 551. Wendell Phillips, One of the Greatest Men in History: Toussaint Louverture (New York und Boston, 1861). Susan Belasco, «Harriet Martineau’s black hero and the American antislavery movement», in: Nineteenth Century Literature, Bd. 55, Nr. 2 (September 2000), S. 177.
Anmerkungen
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73 Schuyler Colfax, «Recollections of Wendell Phillips’ lecture in Washington in 1862», in:
The Indianapolis Journal, 18. April 1884. 74 Siehe beispielsweise: «Wendell Phillips’s oration on Toussaint Louverture», New York Daily
Tribune, 13. März 1863. 75 Weekly Anglo African, 19. Dezember 1863; und New York Independent, 4. Februar 1864,
zitiert nach Clavin, «American Toussaints», S. 110. 76 Ebd., S. 111 f. und 116. 77 George Washington Williams, A History of the Negro Troops in the War of the Rebellion
(New York, 1888), S. 45 f. 78 Robbie Shilliam, The Black Pacific (London: Bloomsbury, 2015), S. 147. 79 Siehe beispielsweise die Artikel über Maceo in: The Hawaiian Star, 12. Februar 1897, und
in: The Nashville Globe, 22. Januar 1909. 80 Zur näheren Analyse siehe Robin Kelley, «‹But a local phase of a world problem›: black
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history’s global vision 1883–1950», in: Journal of American History, Bd. 86, Nr. 3 (Dezember 1999). Anténor Firmin, De l’égalité des races humaines: anthropologie positive (Paris, 1885), S. 545–560. Über das Leben von Douglass siehe die Biografie von David Blight, Frederick Douglass: Prophet of Freedom (New York, 2018). Frederick Douglass, Lecture on Haiti (Chicago, 1893), S. 209 f. Frederick Douglass, «Toussaint Louverture», in: The Colored American, Juli 1903, S. 487, 489, 491 und 492; Frantz Fanon, Schwarze Haut, Weiße Masken (Hamburg: Suhrkamp, 1985), S. 100. Ebd., S. 490 f. Douglass, Lecture on Haiti, S. 205, 208 f. Mitch Kachun, «Antebellum African Americans, public commemoration, and the Haitian revolution», in: Journal of the Early Republic Bd. 26, Nr. 2 (Sommer 2006), S. 52. George Kilmer, «A Black Spartacus», in: The Roanoke Times (Roanoke, VA), 3. Oktober 1893. In seiner Ausgabe vom 27. April 1906 veröffentlicht der Montana Plaindealer diese Fassung: «Sie können mich in den Tod schicken, meine Herren, aber Haiti wird frei und unabhängig sein, nachdem ich die Wurzeln der Freiheit so tief in die haitianische Seele verpflanzt habe, dass Frankreich niemals im Stande sein wird, sie zu kappen.» Library of Congress, Historic American Newspapers. Von April bis Mai 1897 veröffentlichte The Broad Ax (Salt Lake City) eine siebenteilige Serie über Toussaint. Library of Congress, Historic American Newpapers. Artikel in: The Kansas City Sun, 17. April 1920. Libray of Congress, Historic American Newspapers. Programm der Toussaint Louverture Literary Society anlässlich der Feier zum St. Patrick’s Day, St. Paul Daily Globe (Minn.), 15. März 1896. Library of Congress, Historic American Newspapers. The Evening Star (Washington), 21. Februar 1915. Library of Congress, Historic American Newspapers. Bericht in: Cayton’s Weekly (Seattle), 13. November 1920. Library of Congress, Historic American Newspapers. The Detroit Tribune, 13. Juli 1940. Library of Congress, Historic American Newspapers. Zur amerikanischen Besatzung siehe Dantès Bellegarde, La résistance haïtienne (Montreal: Éditions Beauchemin, 1937); siehe auch seine Arbeit La nation haïtienne (Paris: J. de Gigord, 1938). Zitiert nach Musab Younis, «The Grand Machinery of the World: Race, Global Order, and the Black Atlantic», Doktorarbeit, Oxford University, 2017, S. 276.
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Anhang
98 Zum intellektuellen Leben in Haiti während dieser Zeit siehe im Allgemeinen Magdaline
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Shannon, Jean-Price Mars, the Haitian Elite, and the American Occupation 1915–1935 (London: Macmillan, 1996); zur Zusammensetzung der Société siehe S. 166 f. Zitiert nach Joseph Guerdy, «Société Haïtienne d’Histoire, de géographie, et de géologie», Le Nouvelliste, 7. Dezember 2012. Sannon, Histoire de Toussaint Louverture, Bd. 3, S. 205. Rede von Garvey beim UNIA-Treffen, New York, März 1920, in: R. Hill (Hrsg.), The Marcus Garvey and Universal Negro Improvement Association Papers (Berkeley: University of California Press, 1983), Bd. 2, S. 255. Marcus Garvey, «African Fundamentalism» (1925), in: John Henrik Clarke und Amy Jacques Garvey (Hrsg.), Marcus Garvey and the Vision of Africa (New York: Vintage Books 1974), S. 156. Zitiert nach Charles Forsdick und Christian Høgsbjerg, Toussaint Louverture: A Black Jacobin, S. 138. Zitiert nach Carolyn Williams, «The Haitian Revolution and a North American Griot: the life of Toussaint L’Ouverture by Jacob Lawrence», in: Martin Munroe und Elizabeth Walcott-Hackshaw (Hrsg.), Echoes of the Haitian Revolution (Kingston, Jamaika: University of the West Indies Press, 2009), S. 78. Die Begleittexte zu jedem dieser Bilder finden sich bei Patricia Hill, Painting Harlem Modern: The Art of Jacob Lawrence (Berkeley: University of California Press, 2009), S. 62–68. C. L. R. James, «Slavery to-day: a shocking exposure», Tit-Bits, 5. August 1933. Lindsey Swindall, Paul Robeson: A Life of Activism and Art (Lanham, MD: Rowman and Littlefield, 2013), S. 18. Christian Hřgsbjerg (Hrsg.), C. L. R. James, Toussaint Louverture: The Story of the Only Successful Slave Revolt in History. A Play in Three Acts (Durham, NC: Duke University Press, 2013), S. 127. Paul Robeson, «Ho Chi Minh is the Toussaint L’Ouverture of Indo-China», Freedom, März 1954. Pablo Neruda, «Toussaint Louverture», in: Dichtungen 1919–1965, hrsg. und übertragen von Erich Arendt, Bd. 1, Berlin und Neuwied, 1967, S. 222. «Prière de paix», Hosties noires; in: Léopold Sédar Senghor, Poèmes (Paris, 1973), S. 90. René Depestre, «Haiti as a myth and as a reality», in: Tricontinental 13 (Juli 1969), S. 7. Ich danke Neha Shah dafür, mich auf diesen Artikel hingewiesen zu haben. Édouard Glissant, Preface to Monsieur Toussaint (Paris: Gallimard, 1998 Aufl.), S. 9. Bernard Dadié, Îles de tempête (Paris: Présence Africaine, 1973), S. 80. Aimé Césaire, Cahier d’un retour au pays natal (Paris: Présence Africaine, 1983 Aufl.), S. 24. Ebd., S. 25 f. Hurley, in: Garraway (Hrsg.), Tree of Liberty, S. 126. Aimé Césaire, Toussaint Louverture. La Révolution française et le problème colonial (Paris: Présence Africaine, 1981 Aufl.), S. 24. Ebd., S. 185. Ebd., S. 195 f. Ebd., S. 205. Ebd., S. 199. Ebd., S. 345. Zu einer allgemeineren Einschätzung von Césaires und Senghors Blickwinkel auf die Souveränität siehe Gary Wilder, Freedom Time: Negritude, Decolonisation, and the Future of the World (Durham, NC: Duke University Press, 2015). Cora Kaplan, «Black Heroes / White Writers: Toussaint L’Ouverture and the literary imagination», History Workshop Journal 46 (1998), S. 33. Siehe Sudhir Hazareesingh, The Legend of Napoleon (London: Granta, 2004).
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Anmerkungen
126 Joseph Saint-Rémy, Mémoires du général Toussaint Louverture, écrits par lui-même (Paris,
1853). 127 Siehe Karma Nabulsi, Traditions of War. 128 Ralph Ellison, «Mister Toussan», in: Flying Home and Other Stories (London: Random
House, 1998), S. 26, 27 und 30. 129 Siehe Tiffany Ruby Patterson und Robin Kelley, «Unfinished migrations: reflections on
the African diaspora and the making of the modern world», in: African Studies Review, Bd. 43, Nr. 1 (April 2000), S. 30 ff.
EPILOG EINE INSPIRATION FÜR UNSERE ZEIT 1 Ntozake Shange, for colored girls who have considered suicide / when the rainbow is enuf (London:
Prentice Hall, 1997), S. 26–29. 2 Henry Blackwell, «An interview with Ntozake Shange», in: Black American Literature
Forum, Bd. 13, Nr. 4 (Winter 1979), S. 135 und 137. 3 Siehe Karen McCarthy Brown, «Art and resistance: Haiti’s political murals, October
1994», in: African Arts, Bd. 29, Nr. 2 (Oktober 1994). 4 Siehe vor allem das Pamphlet Toussaint Louverture, précurseur de l’indépendance d’Haïti (Port-
au-Prince, 2001). 5 Pierre Lepidi, «La route des esclaves», in: Le Monde, 22. Januar 2018. 6 Stephen R. Davis, The ANC’s War Against Apartheid (Bloomington: Indiana University
Press, 2018). 7 Shange, for colored girls. 8 Jean Jonassaint, «Towards new paradigms in Caribbean studies», in: Garraway (Hrsg.),
Cultural Legacies of the Haitian Revolution, S. 205 f. 9 Zur literarischen Dimension des Toussaint-Mythos siehe Philip Kaisary, The Haitian Re-
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volution in the Literary Imagination (Charlottesville: University of Virginia Press, 2014); und Isabel Lamell, Der Toussaint-Louverture-Mythos (Bielefeld: De Gruyter, 2015). Zu Beschreibungen von Toussaint aus dem 19. Jahrhundert siehe Kapitel 8 in: Marlene Daut, Tropics of Haiti: Race and the Literary History of the Haitian Revolution in the Atlantic World (Liverpool: Liverpool University Press, 2015). Alphonse de Lamartine, Toussaint Louverture (Paris, 1857 Aufl.), S. 58. Alejo Carpentier, The Kingdom of this World (New York: Farrar, Straus and Giroux, 1989 Aufl.), S. 36, 108 und 109. Derek Walcott, «The Haitian Earth», in: The Haitian Trilogy (New York: Farrar, Straus and Giroux, 2002), S. 353. Zur näheren Auseinandersetzung mit den Niederschriften von Walcott über die Haitianische Revolution siehe Edward Baugh, «Of Men and Heroes: Walcott and the Haitian revolution», Callaloo, Bd. 28, Nr. 1 (Winter 2005), S. 45–54. Maryse Condé, In the Time of the Revolution, S. 466 und 488. Fabienne Pasquet, La deuxième mort de Toussaint Louverture (Arles: Actes Sud, 2001), S. 73. Jean-Claude Fignolé, Moi Toussaint Louverture, avec la plume complice de l’auteur (MontRoyal, Quebec: Ville Mont-Royal Plume & Encre, 2004), S. 23, 185, 205 und 277. Madison Smartt Bell, All Souls’ Rising (New York: Pantheon, 1995), Master of the Crossroads (New York: Pantheon, 2000) und The Stone that the Builder Refused (New York: Pantheon, 2004). Siehe Anthony Georges-Pierre, «Toussaint Louverture face à l’histoire», in: Le Nouvelliste, 17. März 2014.
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Anhang
20 Rede von Pierre Buteau anlässlich der Gedenkfeier zum 214. Todestag Toussaints, Uni-
versité de la Fondation Aristide, Haïti. Le Nouvelliste, 6. April 2017. 21 Jean Métellus, Toussaint Louverture, le précurseur (Paris: Le Temps des Cerises, 2014), S. 280.
Métellus schrieb auch ein Drama über Toussaint, veröffentlicht im Jahre 2003. 22 Allgemeiner siehe Renaud Hourcade, «L’esclavage dans la mémoire nationale française:
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cadres et enjeux d’une politique mémorielle en mutation», in: Droit et Cultures, Bd. 66 (2013), S. 71–86. Lucie Poulvélarie, «L’Isle-de-Noé: abolition de l’esclavage, un haut-lieu de mémoire», in: La Dépêche, 15. Mai 2013. François Bancel, Pascal Blanchard and Françoise Vergès, La République coloniale, essai sur une utopie (Paris: Albin Michel, 2003), S. 154. Zur weiteren Auseinandersetzung siehe Christine Chivallon, «L’émergence récente de la mémoire de l’esclavage dans l’espace public: enjeux et significations», in: Revue d’Histoire Moderne et Contemporaine, Nr. 52 (2005–5), S. 64–81; siehe auch ihre detailliertere Studie, L’esclavage, du souvenir à la mémoire (Paris: Karthala, 2012). Zur Rezeption der Revolution im Kinofilm und über Sklaverei im Allgemeinen siehe Alyssa Goldstein Sepinwall, «Slavery, memory, and the Haitian revolution in Chris Rock’s Top Five», in: Journal of American Culture, Bd. 41, Nr. 1 (März 2018). Toussaint Louverture (Regie: Philippe Niang, 180 min, France-Télévisions, 2012). Julie Ménard, «Pontoise: cette statue est scandaleuse, c’est un criminel de guerre», in: Le Parisien, 12. September 2017. Siehe allgemeiner Myriam Cottias, «Faut-il déboulonner les statues des ‹héros’ controversés›?», La Croix, 11. Oktober 2017. Siehe Amia Srinivasan, «Under Rhodes», in: London Review of Books, Bd. 38, Nr. 7 (31. März 2016). «Columbus statue should be replaced with Toussaint Louverture», in: Chicago Defender, 5. Dezember 2017. Siehe André Marie und Yinda Yinda, «Mémoires indociles: de Louverture à Basquiat», in: Tumultes, Nr. 27 (2006), S. 69–88. John Agard, «Toussaint L’Ouverture acknowledges Wordsworth’s sonnet ‹To Toussaint L’Ouverture›», 2006. Lillian Thuram, Mes étoiles noires (Paris: Éditions des Noyelles, 2009). Fred Duval, Jean-Pierre Pécau und Dim. D, Jour J: Les fantômes d’Hispaniola (Paris: Delcourt, 2018). http: / / www.lycee-toussaintlouverture.com. Tony Crowley, «Murals of Northern Ireland» http: / / ccdl.libraries.claremont.edu / cdm / singleitem / collection / mni / id /5993 / rec /5. Dieser «Toussaint Louverture Club» findet Erwähnung in einem Artikel im Evening Journal (Wilmington, Del.) vom 1. Juli 1893, der außerdem darauf hinwies, dass er «sich vollständig aus nicht-weißen Männern zusammensetzte» und seine Treffen in der 109 West 34th Street abgehalten wurden. David Suisman, «Co-workers in the kingdom of culture: Black Swan records and the political economy of African American music», in: Journal of American History, Bd. 90, Nr. 4 (März 2004), S. 1311. Maurice Jackson, «‹Friends of the Negro! Fly with me, the Path is open to the sea›: remembering the Haitian revolution in the history, music, and culture of the African American people», in: Early American Studies, Bd. 6, Nr. 1 (Frühjahr 2008), S. 98 f. Siehe das Interview von David Blake mit Gerald Larner in The Musical Times Bd. 118, Nr. 1615 (September 1977), S. 721–7. David Ekserdjian ist es zu verdanken, dass ich auf diese Oper aufmerksam geworden bin.
Anmerkungen
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40 Jérôme Brie, Les derniers jours de Toussaint Louverture (Grinalbert Polymedia, 2012). 41 Michael Gira, Interview, in: Stereogum, 7. Mai 2014. 42 Doug DeLoach, «Chouk Bwa: deep roots, borderless energy», Songlines, 3. März 2018.
B I LDNACHWEIS
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Wir haben uns alle Mühe gegeben, jeden Rechteinhaber zu kontaktieren. Der Verlag ist gerne bereit, in zukünftigen Ausgaben etwaige Fehler oder Auslassungen, die ihm mitgeteilt werden, zu korrigieren. TAFELN
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Toussaint Louverture, handkolorierte Lithographie von Nicolas-Eustache Maurin, veröffentlicht von F. S. Delpech, Free Library of Philadelphia, John Frederick Lewis Portrait Collection (Foto: Bridgeman Images). Ausschnitt aus einer topographischen Karte von Saint Domingue, 1760 (Foto: Bibliothèque nationale de France, Département cartes et plans). (oben) Eine Zuckerraffinerie, kolorierte Version einer Illustration aus: Denis Diderot, Encyclopédie, ou Dictionnaire Raisonné des Sciences, des Arts et des Métiers, 1762, Bd. I, Tafel I (Foto: City of Vancouver Archives, British Columbia Sugar Refining Fonds); (unten) Sklaven arbeiten im Garten einer Plantage in den Westindischen Inseln, kolorierte Version einer Illustration aus: Jean-Baptiste Du Tertre, Histoire Générale des Antilles habitées par les François, 1667 (Foto: Leonard da Selva / Bridgeman Images). Der französische Teil der Insel von Saint Domingue 1789, Karte von Daniel Derveaux, um 1930, nach einem Stich von G. Delisle (Foto: Archives Charmet / Bridgeman Images). (oben) Der Brand von Cap Français am 21. Juni 1793, kolorierter Kupferstich von JeanBaptiste Chapuy nach Jean-Louis Boquet (Foto: Archives Charmet / Bridgeman Images); (unten) Dekret des Nationalkonvents zur Abschaffung der Sklaverei 1794, Gemälde NicolasAndré Monsiau zugeschrieben, Musée Carnavalet, Paris (Foto: Paris Musées). (oben links) Léger-Félicité Sonthonax, Porträt eines unbekannten Künstlers, Musée de Panthéon National Haïtien, Port-au-Prince (Foto: MUPANAH); (oben rechts) Gabriel Hédouville, Porträt von Jean-Baptiste Paulin Guérin, Château de Versailles (Foto: © RMN-Grand Palais (Château de Versailles) / Gérard Blot / Jean Schormans); (unten links) Thomas Maitland, Porträt von John Hoppner, Thirlestane Castle, Lauder (Foto: Christie’s / Bridgeman Images); (unten rechts) Charles Emmanuel Leclerc, Porträt von François Joseph Kinson, Château des Versailles (Foto: © RMN-Grand Palais (Château de Versailles) / Gérard Blot). (oben links) Isaac Louverture, Porträt von einem unbekannten Künstler, Musée du Panthéon National Haïtien (Foto: © Fonds Jacques de Cauna, MUPANAH, 2003); (oben rechts) Placide Louverture, Porträt von einem unbekannten Künstler, Musée du Panthéon National Haïtien (Foto: © Fonds Jacques de Cauna, MUPANAH, 2003); (Mitte links) Louise Chancy, Porträt von Séjour Legros, 1811, Musée du Panthéon National Haïtien (Foto: © Fonds Jacques de Cauna, MUPANAH, 2003); (Mitte rechts) Toussaint Louverture, Porträt von Louis Rigaud, 1877, Yale Center for British Art. Leihgabe vom Yale Peabody Museum of Natural History (Foto: Yale Center for British Art).
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Théodore Géricault, Épisode de la Guerre Coloniale: Noir sur un cheval cabré, 1829–19 (Foto: Christie’s / Bridgeman Images). Toussaint Louverture auf seinem Pferd Bel-Argent, Zeichnung von Denis-Alexandre Volozan, ca. 1800–1825, Musée d’Aquitaine, Bordeaux (Foto: © JM Arnaud, Rathaus von Bordeaux). Der Schwur der Vorfahren, Gemälde von Guillaume Guillon-Lethière, 1822, vormals Musée National d’Haïti, heute Musée du Panthéon National Haïtien, Port-au-Prince (Foto: © RMN-Grand Palais / Gérard Blot). (oben) Toussaint Louverture zu Pferde, Gemälde von Jacob Lawrence, Nr. 32 der Serie The Life of Toussaint L’Ouverture, 1938, Aaron Douglas Collection, Amistad Research Center, New Orleans © The Jacob and Gwenolyn Knight Lawrence Foundation, Seattle /Artists Right Society (ARS), New York, und DACS, London, 2020 (Foto: Amistad Research Center); (unten) Toussaint l’Ouverture, Haiti, Gemälde von William H. Johnson, um 1945. Smithsonian American Art Museum. Schenkung der Harmon Foundation (Foto: SAAM). Toussaint Emanating Yellow, Gemälde von Edouard Duval-Carrié, 2008 (Foto: © Edouard Duval-Carrié, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Künstlers). (oben) Gedächtnisbriefmarke zum 150. Jahrestag der Haitianischen Revolution, ausgegeben 1954 in Haiti (Foto: Wolfgang Windel, Haiti Philatelic Society); (Mitte links) Gedächtnisbriefmarke zum 200. Todestag von Toussaint, ausgegeben 2003 in Haiti (Wolfgang Windel, Haiti Philatelic Society); (Mitte) Briefmarke mit dem Konterfei von Toussaint, ausgegeben 1963 in Dahomey (Foto: Hipstamps / J. Freedom Stamps); (Mitte rechts) Briefmarkenstempel zum Gedächtnis des Todes von Toussaint, ausgegeben 2001 in Pontarlier, Fort de Joux, Frankreich (Foto: Wolfgang Windel, Haiti Philatelic Society); (unten) Gedächtnisbriefmarke zur Zweihundertjahrfeier der Sklavenrevolution, ausgegeben 1991 in Kuba (Foto: Wolfgang Windel, Haiti Philatelic Society). (oben) 10-gourde Silbermünze mit dem Kopf von Toussaint, 1968 geprägt in Haiti (Foto: Heritage Auctions); (Mitte) 2500-franc-Münze zur Zweihundertjahrfeier des Gesetzes zum Verbot des Sklavenhandels, 2007 geprägt in Senegal (Foto: Allnumis); (unten) 20-gourdeGeldschein, 2001 gedruckt in Haiti (Foto: Privatsammlung). (oben links) Titelcover der ersten englischen Ausgabe von Alejo Carpentiers The Kingdom of This World, 1957; (oben rechts) Umschlag des Programmhefts zur Produktion der Talawa Theatre Company von C. L. R. James’ Stück The Black Jacobins, 1968, V&A Theatre & Performance Collection, London (Foto: © Talawa Theatre Company); (unten) Filmplakat zu Toussaint Louverture, Regie Philippe Niang, 2011 (Foto: Eloa Prod / La Petite Reine / France Télévision). (oben links) Toussaint-Statue, ca. 1989, Allada, Benin; (oben rechts) Toussaint-Büste von James Mastin, 2002, Fort de Joux, Frankreich (Foto: Christophe Finot); (unten links) Toussaint-Statue von Ousmane Sow, 2014, Musée du Noueveau Monde, La Rochelle, Frankreich (Foto: Julien Chauvet); (unten rechts) Toussaint-Büste von Dominique Dennery, 2017, Parc Toussaint-Louverture, Montreal, Kanada (Foto: Alain Quevillon). Bwa Kayiman Haiti, Gemälde von Nicole Jean-Louis, ca. 2010 (© Nicole Jean-Louis).
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Anhang TEXTILLUSTRATIONEN Textillustrationen
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Titelseite der Affiches Américaines, 25. Dezember 1784 (Foto: University of Florida Library). Titelblatt des Code Noir, Ausgabe von 1743 (Foto: AF Fotografie /Alamy). Toussaint liest Raynal und Diderots Histoire philosophique des Deux Indes, Illustration von John R. Beard, in: The Life of Toussaint L’Ouverture: The Negro Patriot of Hayti, Ausgabe 1853 (Foto: Harvard Uinversity Library). Incendie de la Plaine du Cap – Massacre des Blancs par les Noirs, 22 Août 1791, Illustration aus France Militaire, 1833 (Foto: Heritage Images /Alamy). Erste Seite des Récit historique von Gabriel Le Gros, 1793. Archives Nationales, Paris (Foto: University of Florida Library). Sonthonax’ Proklamation zur Abschaffung der Sklaverei, Kreolisch, 29. August 1793 (Foto: © Centre historique des Archives nationales). Toussaint Louverture, Illustration von I. Barlow, aus: Marcus Rainsford, An Historical Account of the Black Empire of Hayti, 1805 (Foto: mit freundlicher Erlaubnis der John Carter Brown Library). Erste Seite von Toussaints Réfutation de quelques assertions d’un discours … par Viénot Vaublanc, 1797 (Foto: Archives nationales d’outre-Mer, Aix-en-Provence). Brief von Toussaint an Gabriel Hédouville, ca. April / Mai 1798. Archives Nationales, Paris (Foto: der Autor). Brief von Toussaint an seine Söhne Isaac und Placide, vom 14. April 1799 (Foto: Bibliothèque Municipale, Nantes). Erklärung von Armeeoffizieren an die Stadtgemeinden mit der Ermahnung, Toussaint zu unterstützen, 9. Dezember 1798. Archives nationales d’outre-Mer, Aix-en-Provence (Foto: University of Florida). Toussaints Plan für die Stadt Aquin, Saint Domingue, 1799 (Foto: Bibliothèque nationale de France, Département cartes et plans). Plan der Stadt Môle-Saint-Nicolas, Saint-Domingue, 1804 (Foto: Bibliothèque nationale de France, Département cartes et plans). Toussaints Proklamation «an Plantagenarbeiter und People of Color, die von den Feinden Frankreichs und der wahren Freiheit getäuscht wurden», 30. Juli 1799, Archives nationales d’outre-Mer, Aix-en-Provence (Foto: University of Florida Library). Toussaints Proklamation «an alle Bewohner des ehemals spanischen Territoriums», französisch und spanisch, 2. Juni 1801, Archives nationales d’outre-Mer, Aix-enProvence (Foto: University of Florida). Programm der Zeremonie vom 18. Messidor zur feier der neuen Verfassung, 4. Juli 1801. Archives nationales d’outre-Mer, Aix-en-Provence (Foto: University of Florida). Erste Seite der Constitution-Républicaine des colonies Française de Saint-Domingue … concernant la liberté des Nègres, des gens de couleurs et des blancs, 1801 (Foto: Bibliothèque nationale de France, département Réserve des livres rares.) Bekanntmachung von Toussaint, 28. Juli 1801. Archives nationales d’outre-Mer, Aix-en-Provence (Foto: University of Florida).
Textillustrationen S. 381
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Aufstand in Saint Domingue, 16. September 1802, Stich von Jean-François Pourvoyeur nach Martinez, aus: Histoire Universelle du XIXe siècle (Foto: Bibliothèque nationale de France, Cabinet des estampes). Fort de Joux, Frankreich, Stich von Augustin François Lemaître, aus: L’Univers pittoresque, 1845 (Foto: DeAgostini / Bridgeman Images. Toussaint Louverture zeigt General Maitland Briefe, Stich von François Grenier, 1821 (Foto: Alamy). Die Verfassung der Republik Haiti, 1801, Stich eines unbekannten Künstlers, veröffentlicht von Villain, ca. 1822 (Foto: Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, DC). Toussaint Louverture und seine Kinder, Stich eines unbekannten Künstlers, veröffentlicht von Villain, ca. 1822 (Foto: Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, DC). Toussaint L’Ouvertures Tod, Stich eines unbekannten Künstlers, veröffentlicht von Villain, ca. 1822 (Foto: Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, DC). Titelseite von The Anti-Slave Record, Band 1, Nr. 4, April 1835. Sammlung von Oliver Franklin, Wiedergabe mit freundlicher Erlaubnis. Werbung mit Toussaint-Porträt der Pfeiffer Brewing Company, Detroit, 1940 (Foto: The Detroit Tribune). Gedächtnisplakette mit den Namen von Laveaux, Toussaint und Lamartine, Château de Cormatin, Burgund (Foto: Deposit Photos).
KARTEN
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Das revolutionäre und napoleonische Frankreich, 1800 VEREIN. KGR. VON GROSSBRITANNIEN UND IRLAND
BATAVISCHE REPUBLIK
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FRANKREICH
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PERSON EN REGISTER
Personenregister
Kursive beziehen sich auf Abbildungen und Bildunterschriften.
Adams, John 235, 260 Affiba «Catherine», erste Frau von Toussaints Vater 35, 38, 261 Agard, John 453 Agé, Pierre, General 95, 109, 144, 263, 272–274, 279–282, 284, 382 Akala 455 Alaux, Gustave T14 Ali, Muhammad 453 Allier, Toussaints Privatsekretär 344 Alliot, Paul, Großgrundbesitzer 267 Antheaume, Toussaints Beichtvater 200, 279 Aponte, José Antonio, Rebellenführer 408–410 Arafat, Yassir 439 Arambarri, Miguel de, Leutnant 246 Ardouin, Beaubrun 17, 286 Ardouin, Céligny 63 Aristide, Jean-Bertrand, Präsident v. Haiti 442 Armona, Matias, Marquis de 77, 82 Artaud, Noël, Milizenführer 132, 142 Augustin, Toussaints Halbbruder 38 f. Balcarres, Alexander Lindsay, 6. Earl of, Gouverneur v. Jamaika 160, 170, 241–245, 266, 330, 336, 360 Barbé de Marbois, François, Kolonialbeamter 371 Basquiat, Jean-Michel 452 Bayon de Libertat, Antoine-François, Plantagenverwalter 41–45, 47 f., 50–52, 62, 63, 66, 90, 141, 149, 163, 170, 195, 393, 434, 463 Béagé, Plantagenverwalter 32, 36 Beard, John Relly 423
Bélair, Charles, Toussaints Neffe 108, 358, 380, 402, 482 Belair, Gabriel, Rebellenführer 71 f., 524 Bell, Madison Smartt 447 Bellegarde, Dantès 430 Bernier, Celeste-Marie 20 Besse, Martial, General 242 f., 505 Biassou, Georges, General 65–68, 71–76, 78 f., 81–83, 86, 97, 291, 464, 481, 483 Biko, Steve 453 Biret, Brigadier 116 f., 120 Birète, Adjutant 109 Blake, David 454 Blanchelande, Philibert François Rouxel de, Gouverneur v. Saint-Domingue 63 f., 70 Bléigat, Marie Eugénie, verh. Sonthonax 239 Bolívar, Simón 411 Bonaparte, Napoleon 11, 19, 118 f., 233 f., 243, 254, 262, 266, 273, 277, 279 f., 285, 295, 297 f., 300, 302, 311, 314, 316–322, 325 f., 335, 349, 353, 366–378, 382, 384–386, 388, 390, 392 f., 395– 401, 413, 420, 421, 425, 430, 437–439, 444, 450, 466 f. Bonaparte, Pauline 377 Borgella, Bernard, Toussaints Rechtsberater 205, 297, 304 f., 307, 314, 321, 344, 376 Boromé, Joseph 24 Boudet, Jean, General 378, 385–387, 392 Boukman, Dutty «Zamba», Rebellenführer 65 f., 464, T17 Boyer, Jean-Pierre, Präsident von Haiti 389, 411–413, 414 f., 417, 421, 438 Bréda, Graf Pantaléon de, Plantagenbesitzer 30
Personenregister Brie, Jerôme 454 Briggs, Cyril 430 Brisbane, Thomas, Major 99, 128, 485 Brissot, Jacques Pierre 57, 70 Brunet, Jean-Baptiste, General 390–393 Bullet, Guillaume 66 Bullet, Jeannot, Rebellenführer 51, 65 f., 70, 481 Bunel, Joseph, Diplomat 168, 235, 271, 330, 341, 344, 360 Caffarelli, Marie-François Auguste de, General 395 f. Cantave, Glenn 452 Cap, Jean-Baptiste, Aufständischer 64 Carpentier, Alejo 444, T15 Castro, Fidel 403, 433, 439 Cathcart, Hugh 244, 247 Cazenave, Blanc, Kommandant 128 f. Cazes, Kaufmann 196 Cécile, Toussaints erste Frau 40 f. Césaire, Aimé 435 f. Chancy, Bernard, Toussaints Schwager 261 Chancy, Bernard jun., Toussaints Neffe 108 Chancy, Jacques, Toussaints Neffe 108 Chancy, Louise, Toussaints Schwiegertochter 393, T7 Chanlatte, Antoine, Regierungskommissar 266 f., 273, 282–284, Chavanne, Jean-Baptiste, Rebellenführer 59, 128, 410 Chevalier, Regionalkommandeur 129 Christophe, Henri, General 108, 110, 120, 239, 278, 309, 311, 314, 339, 353 f., 358, 361, 374 f., 378, 388 f., 399, 402, 409–411, 444 f., 500, 521 Clervaux, Augustin, Kommandeur 103, 108, 212, 374, 378, 399, 500 Coisnon, Privatlehrer der Familie Toussaint 376, 413, 416, 524 Coleridge-Taylor, Samuel 454 Collet, André 297, 376 Condé, Maryse 445 Condorcet, Nicolas de Caritat, Marquis de 57 Congo, Mariano, Sklavenrebell 408 Corbet, Edward, Kolonialbeamter 359 f. Coupé, Hauptmann 222 Cruz, Viriato da 433
547 Dadié, Bernard 434 Danty, Regionalkommandeur 129 Datty, Étienne, Milizenführer 133 David, Jacques-Louis 413, 437, T9 David, Placide 223 Davis, Angela 453 Debelle, Jean-François, General 378, 383 Decrès, Denis, Admiral 371 Delany, Martin 424 Delany, Toussaint L’Ouverture 424 Delribal, Verwalter 42, 48 Depestre, René 433 Dervaux, Daniel T4 Descourtilz, Michel 289, 349 f., 380 Deseulle, Jean-Michel, Arzt 347 Desfontaines, Sanon 155, 166, 204 Desfourneaux, Edme, General 97, 142, 378, 524 Désir, Philippe-Jasmin, Toussaints Schwiegersohn 42, 51 Dessalines, Claire-Heureuse 353, 380 Dessalines, Jean-Jacques, General 51, 74, 103, 108–111, 120, 166, 176, 181, 183, 254, 256 f., 278, 285, 301 f., 304, 309, 339 f., 346, 353, 357, 359, 366, 374, 378–380, 383, 388–393, 399 f., 406, 409 f., 412, 422, 432, 434, 436, 444 f., 447, 455, 460, 467, 486, 500, 514, T10 Dessources, Kommandeur 96 f., 99, 115, 173, 191 Diderot, Denis 22, 45, 46, 60, 398, 452 Dieudonné, Pierre, Milizenführer 109, 132, Dorsinville, Roger 50 Douglas, Charles 243, 247 Douglass, Frederick 12, 28, 50, 425–428, 431, 437, 453, 472 Du Bois, William Edward Burghardt, «W. E. B.» 431 Dubois, Laurent 298 Duboys, Pélage-Marie 346, 348 Dubroca, Louis 16, 294 Dubuisson, Adjutant 109 Dugua, Charles, Stabschef 383 Dumai, Nicolas, Stadtrat 211 Dumesle, Hérard 409 f. Dundas, Henry 87 Dupuis, Toussaints Sekretär 196 Duval-Carrié, Edouard T12 Duvalier, François, «Papa Doc», Präsident v. Haiti 434, 446 f.
548 Duvalier, Jean-Claude, Präsident v. Haiti 446 f. Ellington, Duke 454 Ellison, Ralph 439 Equiano, Olaudah 28 Espinville, Marquis d’ 116 Fanchette, Marie 200 f. Fanon, Frantz 35, 426, 435, 439 Ferret, Kommandeur 32, 208 Fick, Carolyn 18 f. Fignolé, Jean-Claude 446 f. Firmin, Anténor 425 Fisson, Madame, Geliebte Toussaints 25 Flanet, Mme. 197, 199, 332 Flaville, Joseph, Kommandeur 358 Fleurieu, Charles Pierre Claret, Comte de 371 Fontaine, Jean-Pierre, Stabschef 389, 391 Forfait, Pierre-Alexandre-Laurent 266, 279, 320 Fouchard, Jean 18 Fouqueau, Gerichtspräsident 221, 304 f., 307, 344 Fuertes, Francisco, Sklavenrebell 408 Gabart, Louis, Oberst 109, 383 Gabriel, Toussaints Sohn aus erster Ehe 40 Gaou Guinou, König d. Alladas 29 García y Moreno, Joaquín, Gouverneur v. Santo Domingo 75, 77 f., 81–83, 272–274, 281–285, 287 f., 512 Garvey, Marcus 430 f. Gemir y Lleonart, Juan Bautista 82 f., 483 Geneviève, Toussaints Halbschwester 38 f., 26, 509, T7 George III., König v. England 99 Géricault, Théodore T8 Gira, Michael 454 f. Girard, Philippe 19 Glissant, Édouard 434 Godard, frz. Ministerialbeamter 266 f. Gragnon-Lacoste, Thomas Prosper 17 Grand-Seigne, Adjutant 391 Granville, Privatlehrer von Toussaints Sohn 197, 198 Grégoire, Henri Jean-Baptiste, Abbé 21, 58, 60, 200, 337, 410, 475 Gros, Gabriel Le, Sekretär 67 f., 69, 70
Anhang Guilhou, Anwalt 346 Guillon-Lethière, Guillaume 412, T10 Guy, Regionalkommandeur 129 Guybre, Toussaints Privatsekretär 344 Halaou, Rebellenführer 135 Hall, Stuart 25 Hamilton, Alexander 235 f., 296 Harcourt, Edward 188 Hardÿ, Jean, General 378, 398 Harrison, Hubert 428 Hébécourt, Augustin d’, Toussaints Adjutant 109, 209, 268, 280 Hédouville, Gabriel de, Gouverneur v. Saint-Domingue 159–163, 164, 166–193, 196, 225, 228–232, 236, 247, 258, 262, 266, 269, 465 f., T6 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 11 Hippolyte, Toussaints Vater 34–39, 261, 463 Ho Chi Minh 433, 439 Hobart, Robert, 4. Earl of Buckinghamshire 11, 365 Holly, James Theodore 423 Howard, Thomas, Leutnant 100 f. Hugues, Victor, Gouverneur v. Guadeloupe 385 Huin, Christophe, Leutnant 114, 169 f., 196, 280 Idlinger, Joseph, Kolonialbeamter 234, 344, 374 James, Cyril Lionel Robert, «C. L. R.» 17–20, 63, 125, 432, 435, 537, T15 Jasmin, Kommandant 109 Jean-François, Rebellenführer s. Papillon Jean-Louis, Jimmy 451 Jean-Louis, Nicole 537, T17 Jean-Louis, Untergrundführer 14, 309 Jean, Wyclef 455 Jeannot s. Bullet, Jeannot Jeanton, Jean, Kommandeur 115 Jefferson, Thomas 11, 442 Johnson, William H. T11 Joseph, Edele 455 Josephine de Beauharnais, Gemahlin Bonapartes 368, 371, 379 Jujardy, Joseph, Ratspräsident 211, 223 Kanapaux, Guillaume 211 Kaplan, Cora 437
Personenregister Kerverseau, François-Marie de, General 267, 269, 283 f., 370 f., 374, 385, 523 King, Martin Luther 453 Kolumbus, Christoph 12, 284, 452, T4 Labelinaye, Kommandant 109 Lacoste, Sanitätsoffizier 168, 196 Lacour, Abgeordneter 297, 314 Lacroix, Pamphile de 125, 194 Lafayette, Gilbert du Motier, Marquis de 57 Lagarde, Regierungskommissar 344 Lahaye, Guillaume Sylvestre de, Abbé 65, 72 Lamartine, Alphonse de 443 f., 450 Lamartinière, Louis-Daure, Brigadegeneral 383, 450, T13 Lamartinière, Marie-Jeanne 383, T13 Lamontagne, J. P., Friedensrichter 147 Laplace, Jean-Baptiste 81 Laplume, General 109, 112, 120 f., 175 f., 253 f., 257, 378 f., 500 Lapointe, Jean-Baptiste 117 Las Cases, Emmanuel-Auguste-Dieudonné 438 Laveaux, Étienne Maynaud de, Gouverneur v. Saint-Domingue 85 f., 90–92, 95–97, 100, 104–106, 109, 112, 114, 116, 119 f., 124–127, 129–131, 134–140, 142–144, 149–151, 159, 177, 196, 205, 228, 251, 268, 326, 370, 386, 388, 434, 450, 465 Lavette, Gille, Offizier 97 Lawrence, Jacob 431 f., T11 Lear, Tobias, am. Konsul 304, 330 f., Leclerc, Victoire-Emmanuel, General 377 f., 380–392, 381, 397, 399–401, 411, 413, 416, 445, 450–452, 467 Lescallier, Daniel, Staatsrat 155, 161, 314, 369 f. Lesuire, Kommandeur 199 Levy, Nathan 238 Lincoln, Abraham 423, 453 Lindsay, Alexander, Earl of Balcarres 160 List, Charles, Stadtrat 211 Louverture «Bréda», Toussaint 46, 69, 93, 156, 164 f., 198, 206 f., 212–215, 249, 290, 306, 310 f., 334, 394 f., 414–417, 421, 429, T1, T2, T4, T7, T9, T11, T12, T13, T14, T15, T16 Louverture, Isaac, Toussaints Sohn 29, 37, 39, 44, 82 f., 97, 139, 197 f., 261, 280,
549 362, 367, 375 f., 393, 413, 416, 421, 422, 448, 463, 465, T7 Louverture, Jean-Pierre, Toussaints Bruder 74, 79, 108 Louverture, Paul, Toussaints Bruder 63, 74, 108, 176, 195, 283, 336, 358, 373 f., 523 Louverture, Placide, Toussaints Stiefsohn 29, 37, 39 f., 44, 97, 139, 197 f., 261, 280, 362, 367 f., 375 f., 393, 413, 416, 421, 422, 465, T7 Louverture, Saint-Jean, Toussaints Sohn 39, 82 f., 197, 198, 393, 463 Louverture, Suzanne, geb. Baptiste, Toussaints Ehefrau 25, 39–41, 44, 46, 63, 82 f., 126, 311, 353, 391, 393, 454, 463 Louverture, Victoire, Toussaints Schwiegertochter 393 Ludwig XVI., König v. Frankreich 73, 75, 77 Macaya, Kommandeur 136 f., 382, 402 Maceo, Antonio 425 Mademoiselle, Kommandant 109, 136 Madiou, Thomas 17, 125, 411 Maitland, Thomas, Brigadegeneral 169–171, 174, 188 f., 202, 229 f., 240–243, 245 f., 252, 259, 312, 360, 412, 414, 466, T6 Makandal, François, Rebellenführer 47–49, 51 f., 65, 195, 393, 434, 444, 455, 462 f., 478 Malouet, Pierre Victor 371 Mandela, Nelson 439, 453 Manigat, Friedensrichter 181 Marini, Toussaints Beichtvater 298 Marley, Bob 453 Martin, Claude, Toussaints Schwager 108 Martineau, Harriet 422 f. Maurepas, Jacques, Brigadegeneral 120, 209, 254, 374, 378, 384, 388 Maurin, Nicolas 232, T1 Mauviel, Guillaume, Bischof 338 Médard, Generaladjutant 222 Mercier, Louis-Sébastien 224 Métellus, Jean 447, 454 Métral, Antoine 32 Mézy, Lenormand de, Plantagenbesitzer 65 Michaud, Brigadier 116 f. Michel, Claude-Étienne, General 278 f., 281, 296, 466
550 Michel, Pierre, General 142 f., 251, 255 Milscent, Claude 71 Mingus, Charles 454 Mirabeau, Honoré Gabriel Riqueti, Comte de 57 Molière, Toussaints Beichtvater 200, 298 Montesquieu 22, 307, 331 Moreau de Saint-Méry, Médéric L. É., Anwalt 35, 148, 352, 371 Morisset, Oberst 108 f., 130, 383 Mornet, Christophe, Oberst 103, 176, 251, 255 Moyse, Toussaints Neffe 44, 74, 82, 106–108, 120, 143, 181, 184 f., 268, 270 f., 278, 282–286, 297, 304, 309, 314, 339, 351, 355–358, 360–363, 365, 386, 434, 467, 492 Muse, Clarence E. 428 Nathan, Dolmetscher 196, 339 Nemours, Alfred 430 Neruda, Pablo 433 Niang, Philippe 451 f., T15 Noé, Graf Louis-Pantaléon de 42, 157 Nogérée, Gaston de 297, 299–302, 316, 319 f., 322, 326, 345 Norvins, Jacques de, Sekretär 380, 391 Nugent, George, Gouverneur v. Jamaika 330, 360, 365 f. Nugent, Maria 360 Ogé, Vincent, Rebellenführer 59, 72, 127 f., 410 Orr, James 407 Pageot, François, Brigadegeneral 283, 357, 511 Papillon, Jean-François 51, 65–68, 70–73, 78, 81 f., 86, 88, 95, 107, 131 f., 150, 464, 481–483 Parker, Hyde, Admiral 170, 245, 252, 259, 336, Parks, Rosa 453 Pascal, Henri, Toussaints Sekretär 196, 298, 313, 322, 331, 339, 388, 515 f. Pasquet, Fabienne 445 f. Pauline, Toussaints Mutter 34, 37 f., 463 Pélagie, Toussaints Adoptivmutter 37, 39, 44 Pennetier, Gesandter 259, 359, 509
Anhang Périès, Jacques, Kolonialbeamter 350–352, 512 Perry, Christopher, Kapitän 257 Pétion, Alexandre 389, 399, 410–412, 467, T10 Phillips, Wendell 423, 428, 429 Pichon, Louis-André, Generalkonsul 313, 315, 317, 320, 322, 330, 332, 340, 342, 515 Pickering, Timothy 235 f., 238, 240 Pierre-Baptiste, Toussaints «Pate» 39, 314, 399, 401, 479 Pitt, William d. J. 87 f. Plaisir, Mars, Toussaints Diener 393, 395, 413 Pluchon, Pierre 19 Prevost, Pierre, Friedensrichter 211 Price-Mars, Jean 430 Prieur, Petit Noël, Kommandant 109, 120, 382 Prosser, Gabriel, Rebellenführer 405 Raimond, Julien 131, 144, 149 f., 243, 296–298, 311, 321, 465 f., 516 Rainsford, Marcus 93 Rallier, Louis 229, 314, 368 Ramadou, Pierre, Regierungskommissar 211 Raynal, Guillaume-Thomas 22, 45 f., 46, 60, 62, 124 f., 350, 410, 422, 452 Rigaud, André, General 23, 127, 142, 167, 179. 187, 191, 230, 239, 241, 244, 247 f., 249, 250–260, 263–266, 270, 279, 285, 295, 302 f., 346, 356, 358, 367, 410 f., 434, 461, 466, 489, 506 f. Rigaud, Lous T7 Ritchie, Robert 238 Robeson, Paul 432 f., 453 Robespierre, Maximilien de 11, 147, 436 Rochambeau, Donatien, General 149, 152, 378, 383–385, 401, 467 Rochefort, Stadtschreiber 211, 216–218 Roume de Saint-Laurent, Philippe-Rose, Gouverneur v. Saint-Domingue 117 f., 187, 231–234, 236–242, 245–248, 250, 252 f., 255, 258, 263, 267–283, 285 f., 296, 303, 318, 320 f., 345, 347, 354 f., 369, 414, 466, 516, 519, T1 Roume, Marie-Anne Elisabeth, geb. Rochard 231, 272
551
Personenregister Roumillat, Jacques 211 Rousseau, Jean-Jacques 22, 153, 307, 324, 347 Said, Edward 435 Saint-Rémy, Joseph 17, 438, 503, T1 Sala-Moulins, Louis 46 Sannon, Horace Pauléus 17 f., 298, 430 Sans-Souci, Jean-Baptiste, Oberst 51, 109, 135 f., 181, 185, 382, 402, 524 Santana, Carlos 454 Sasportas, Isaac 242, 244, 259 Schoelcher, Victor 17 f., 63, 449 Scott, David 20 Senghor, Léopold Sédar 433 Shange, Ntozake 441–443 Sheridan, Eugene Macmahon 238 Skinner, Quentin 22 Smith, James McCune, Gemeindevorsteher 422 Someruelos, Salvador José de Muro, Gouverneur v. Kuba 246 Sonthonax, Léger-Félicité, Gouverneur v. Saint-Domingues 70, 76, 78, 80, 84, 135, 138–147, 149, 151, 155, 157, 159, 162 f., 172, 178, 200, 208, 228, 231, 347, 404, 464 f., 490, 500, T6 Sow, Ousmane 449 f., T16 Spartakus (111–71 v. Chr.), röm. Sklave und Aufstandsführer 11, 22, 218, 224, 403 Stevens, Edward, am. Konsul 235–240, 243 f., 257, 260, 286, 304, 329, 468 Swiney, John 407 Sylla, Kommandant 109, 382, 390 f., 402 Tandy, James Napper 407 Taylor, Simon, Zuckerbaron 11 Télémaque, Charles-César, Bürgermeister 143, 222 Thiers, Adolphe 89
Thuram, Lilian 453 Toiny, Stadtrat 211 Toussaint, Toussaints Sohn aus erster Ehe 40 Trop Fort, Gingembre, Kommandant 391 Trouillot, Michel-Rolph 23, 443 Truguet, Laurent, Admiral 139, 369, 372, 492 Turner, Nat, Sklavenrebell 12, 418, 431 Vallery, Regionalkommandeur 129 Vaublanc s. Viénot Vernet, André, Kommandeur 75, 120, 380 Vesey, Denmark, Sklavenrebell 12, 418, 431, 452 Viard, Etienne, Toussaints Assistent 297, 376 Viénot, Vincent-Marie, Comte de Vaublanc 148–155, 156 f., 158, 186, 190, 465 Villatte, Jean, General 124, 126–128,136, 138, 489 Vincent, Charles, Vertrauter Toussaints 126, 154 f., 196, 232,234, 243, 250, 256, 259, 262–265, 268, 280 f., 296, 309, 311– 319, 322, 345, 371 f., 375, 466, 479 Vollée, Finanzbeamter 168 f., 344 Volozan, Denis 437, T9 Walcott, Derek 445 Walker, David 419 Washington, George 11, 409, 421, 422, 425, 430 Whitfield, W. L., Kolonialbeamter 359, 366 Whyte, John, Generalmajor 117 Wilberforce, William 410 Williams, George Washington 424 Wilson, Woodrow 428 Wood, Eliza 423 Wordsworth, William 405, 453 Zamor, Charles, Toussaints Neffe 181
1. Lithographie von Nicolas-Eustache Maurin, Frankreich, 1832. Laut dem haitianischen Historiker Joseph Saint-Rémy basiert sie auf einem Originalporträt Toussaints, das Louverture dem französischen Bevollmächtigten Roume schenkte, der es nach Frankreich mitnahm, als er Saint-Domingue verließ.
2. «Carte topographique du Nord de Saint-Domingue, 1760». Abgebildet ist die fruchtbare nördliche Hochebene von Saint-Domingue mit den größten und reichsten Plantagen der Kolonie. Direkt südlich vom Dorf Haut-du-Cap liegt die BrédaPlantage, wo Toussaint geboren wurde und die ersten fünf Jahrzehnte seines Lebens vor der Revolution verbrachte.
3. Zwei etwas idealisierte Darstellungen des Plantagenlebens auf der Kolonie. Oben: In der Mitte befinden sich die Zuckerrohrpflanzungen, links die Zuckerfabrik und -raffinerie, rechts die Sklavenhütten; die Villa des Plantagenbesitzers liegt hinten rechts. Unten: Die Verarbeitung von Tabak und Maniok durch Sklaven; in der Mitte hinten das Haus des Besitzers.
4. Diese französische Landkarte von Daniel Dervaux vom Beginn des 20. Jahrhunderts basiert auf einem Original aus dem 18. Jahrhundert. Sie stellt vergangene Ereignisse aus dem Blickwinkel der Republikaner dar: Die Landung von Christoph Kolumbus, die Ankunft spanischer und französischer Siedler und die Sklavenemanzipation durch die Französische Revolution (unten Mitte). Unten links findet sich Toussaint Louverture als letzter Kolonialgouverneur von Saint-Domingue.
5. Zwei gegensätzliche Szenen aus den frühen Revolutionsjahren in SaintDomingue und Frankreich: Der Brand von Cap am 21. Juni 1793 (oben) und eine Darstellung des französischen Parlaments im Februar 1794 (unten) nach dem Dekret vom 16. Pluviose, das die Sklaverei abschaffte; im Vordergrund jubeln emanzipierte schwarze Bürger, die vom Podium aus von einer angeblich über hundert Jahre alten schwarzen Frau beobachtet werden.
6. Toussaints wichtigste Gesprächspartner und Gegner: die französischen Kommissare Léger-Félicité Sonthonax (oben links) und Gabriel Hédouville (oben rechts), die er beide ausbootete; der britische Gesandte Thomas Maitland (unten links), der ihn gegenüber den britischen Behörden unterstützte; und der Kommandeur der französischen Expeditionsarmee, Victoire-Emmanuel Leclerc (unten rechts), der ihn 1802 gefangen nahm und nach Frankreich deportieren ließ.
7. Drei Porträts, ursprünglich aus dem Besitz von Toussaints Nachkommen, zeigen wichtige Mitglieder der Familie Louverture: oben links Toussaints Stiefsohn Placide, oben rechts sein Sohn Isaac, unten links Isaacs Frau Louise Chancy, die Tochter von Toussaints Halbschwester Geneviève. Unten rechts ein Porträt Toussaints von 1877 von dem haitianischen Maler Louis Rigaud.
8. Théodore Géricault: Épisode de la guerre coloniale (1818–19). Géricault war ein geschworener Feind der Sklaverei und malte mehrere bedeutende Bilder von Schwarzen. Dieses Gemälde gilt als Schlachtenszene aus dem Haitianischen Unabhängigkeitskrieg und zeigt die heroische Tapferkeit von Toussaints Soldaten.
9. Reiterporträt von Denis Volozan aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Dargestellt ist Toussaint auf seinem Pferd Bel-Argent in klassischer Kriegerpose; seine Gesichtszüge ähneln dem Porträt von Maurin; kompositorisch sticht die Ähnlichkeit mit Davids berühmtem Reiterporträt Bonapartes bei der Alpenüberquerung ins Auge.
10. Guillaume Guillon-Lethière: Schwur auf die Ahnen (1822). Das Gemälde transportiert das haitianische Ideal nationaler Versöhnung nach der Unabhängigkeit durch die Allianz von schwarzen und mixed-race Bürgern, hier vertreten durch die Revolutionsführer Jean-Jacques Dessalines (links) und Alexandre Pétion (rechts).
11. Diese Bilder von Jacob Lawrence (oben, aus seiner Serie The Life of Toussaint L’Ouverture) und von William H. Johnson (links, Toussaint l’Ouverture, 1945) lassen erkennen, dass Toussaint als Symbol charismatischer Führungskraft, der ethnischen Gleichheit und des Widerstands gegen jede imperialistische Besatzung auch Mitte des 20. Jahrhunderts seine Anziehungskraft auf die Vorstellungswelt der Afroamerikaner nicht verloren hatte.
12. Le Général Toussaint Enfumé. Eine bezaubernde Beschwörung des kreolischen, karibischen Toussaint Louverture von dem in Haiti geborenen Künstler Edouard Duval-Carrié und zugleich eine Hommage an die lebendigen politischen und religiösen Traditionen des heutigen Haiti (vor allem Vodou) und ihre tiefen Wurzeln in der spirituellen Kultur Afrikas.
13. Es gibt viele Briefmarken zum Gedenken an Toussaint und die haitianischen Revolutionäre. Oben links: zum 150. Jubiläum der Revolution eine Darstellung von Lamartinière und seiner Frau MarieJeanne bei der Schlacht von Crête-à-Pierrot; Mitte: der 200. Todestag Toussaints 2003 und eine Briefmarke aus Dahomey (1963) sowie ein französischer
Stempel (1991 neben Charles de Gaulle), die beide Toussaint als Befreier Haitis beschreiben; unten: kubanische Gedenkmarke und Stempel zur Zweihundertjahrfeier der Sklavenrevolte in Saint-Domingue von 1991.
14. Toussaints Konterfei findet sich regelmäßig auf Münzen und Geldscheinen, wie auf dieser haitianischen 10-gourdes-Silbermünze (1968, oben), die auf einem Gemälde von Gustave Alaux basiert, und der 20-gourdes-Note (2001, unten). 2007 wurde im Senegal zum 200. Jahrestag der Verfügung zur Beendigung des Sklavenhandels eine Münze geprägt (Mitte).
15. Toussaint und die haitianische Revolution bilden den Gegenstand von Theaterstücken, Romanen und Filmen in der gesamten Karibik, in Europa und Nord- und Südamerika: Titelbild der englischen Erstausgabe von Alejo Carpentiers Das Reich von dieser Welt (1957), Plakate für eine Aufführung von C. L. R. James’ Stück The Black Jacobins (1986) und für Philippe Niangs Fernsehfilm Toussaint Louverture (2012).
16. Die Legende lebt bis heute weiter. Diese Skulpturen zeigen Toussaint Louverture oben links in Kriegerpose in Allada in Benin (1989), oben rechts ungebrochen in seiner Zelle im Fort Joux, unten links in seine Verfassung von 1801 vertieft in La Rochelle (2014), modelliert vom preisgekrönten Bildhauer Ousmane Sow; und mit entschlossenem Ausdruck in Montreal (2017).
17. Vodou-Zeremonie in Bois-Caïman im August 1791, einer der Gründungsmythen der modernen Nation Haitis, dargestellt von der zeitgenössischen haitianischen Künstlerin Nicole Jean-Louis. Viele der Sklaven tragen Messer für den bevorstehenden Aufstand; die Narben auf ihren Rücken legen Zeugnis von der grausamen Behandlung durch ihre Besitzer ab. Links ist der Marron-Anführer Dutty Boukman zu sehen, der, weiß gekleidet und ein Buch in der Hand (daher sein Name), vor den versammelten Sklaven eine flammende Rede hält. In den Worten der Künstlerin: «Die Haitianer haben sich selbst aus der Sklaverei befreit, weil sie glauben, dass Gott uns alle gleich geschaffen hat.»
Zum Buch «Ich wurde als Sklave geboren, aber die Natur gab mir die Seele eines freien Menschen.» Toussaint Louverture ist der Ahnherr von «Black Lives Matter». Sein Name ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen koloniale Unterdrückung, Sklaverei und Rassismus. Ende des 18. Jahrhunderts organisiert er auf Haiti erfolgreich einen großen Sklavenaufstand, und von da an führt ihn sein Weg immer weiter empor, bis er schließlich Gouverneur der Insel wird und ihr eine eigene Verfassung gibt. 1802 gerät er in die Hände Napoleons und wird nach Frankreich deportiert, wo er elendig in einem Kerker sein Leben aushaucht. Doch Toussaints Botschaft der Befreiung hallt durch die Jahrhunderte. Es ist längst an der Zeit, ihm den Platz unter den großen Gestalten der Weltgeschichte einzuräumen, der ihm gebührt. Sudhir Hazareesingh hat es getan und auf der Grundlage jahrelanger Forschungen die faszinierende Biografie des Mannes geschrieben, mit dem der Anfang vom Ende der weißen Vorherrschaft begann. «Das atemberaubend draufgängerische, blutbespritzte, inspirierende Leben von Toussaint Louverture in einer brillanten Darstellung.» Simon Sebag Montefiore Ausgezeichnet mit dem Wolfson-Preis für das beste historische Buch des Jahres.
Über den Autor Sudhir Hazareesingh wurde in Mauritius geboren. Er ist Fellow der British Academy und seit 1990 Fellow und Tutor am Balliol College in Oxford. Alle seine Bücher sind preisgekrönt, darunter zuletzt «How the French think», für das er den Grand Prix du Livre d’Idées erhielt. – Wolfson-Preis für das beste historische Buch des Jahres – Shortlisted für den Baillie Gifford Prize für das beste Sachbuch – Shortlisted für den Elizabeth Longford Prize für historische Biografien – Finalist für den American Library in Paris Book Award – Shortlisted für den James Tait Black Prize für Biografie – Shortlisted für den Slightly Foxed beste erste Biografie Preis – Finalist für den Pen/Jacqueline Bogard Weld Award für Biografie – Shortlisted für den Prix Château de Versailles du Livre d’Histoire – Shortlisted für den Prix Jean d’Ormesson