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German Pages 300 [247] Year 2013
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Archa Verbi Subsidia, Vol. 9
Archa Verbi
Yearbook for the Study of Medieval Theology Subsidia 9
Hanns Peter Neuheuser (Hrsg.)
Bischofsbild und Bischofssitz Geistige und geistliche Impulse aus regionalen Zentren des Hochmittelalters
Archa Verbi Annuarium Societatis Internationalis pro Studiis Theologiae Medii Aevi promovendis Annuaire de la Société Internationale pour l’Étude de la Théologie Médiévale Annuario della Società Internazionale per lo Studio della Teologia Medievale Anuario de la Sociedad Internacional para los Estudios de la Teología Medieval Jahrbuch der Internationalen Gesellschaft für Theologische Mediävistik Yearbook of the International Society for the Study of Medieval Theology
Subsidia iussu Societatis edenda curaverunt Rainer Berndt S.J. Hanns Peter Neuheuser Hideki Nakamura S.J. curator Riccardo Quinto Jan Klok Britta Müller-Schauenburg directorium Societatis Volker Leppin praeses Societatis
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detailliert bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2013 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nach drucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Druckzentrum Aschendorff, Münster, 2013 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞ ISSN 1865-2964 ISBN 978-3-402-10223-7
Inhalt Hanns Peter Neuheuser Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Frank G. Hirschmann Bischofssitze als Bildungszentren im hohen Mittelalter . . . . . . . . . . . . . 1 Markus Schütz Neue Bistümer, neue Bücher? Die Erstausstattung der Dombibliotheken in Bamberg und Merseburg als Indikator für zugedachte Zentralfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Ulrike Siewert Die Bedeutung des Kollegiatstiftes St. Stephan in der BischofsstadtBamberg von der Bistumsgründung bis zum ausgehenden Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Hanns Peter Neuheuser IHPAPXHIA. Zur Auszeichnung von Bischof und Bistumssitz mit dem Rationale. Das spätottonische Bischofsbild des Regensburger Uta-Kodex in der Deutung des Hebräerbriefs . . . . . . . . . . . . . . .
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Domenico Parducci Bischöfe und Bischofssitze in der hochmittelalterlichen Toskana . . . . . . . 135 Daniel Baumann Stephen Langton und sein Bischofssitz Canterbury . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Ludwig Vones Bischofssitze als geistige Zentren eines katalanischen Kulturraumes im 10. Jahrhundert: Barcelona, Vic und Girona . . . . . . . . . . . . . . 173 Jürgen Bärsch Der Bischof im Licht seiner Ordinationsliturgie im Mittelalter. Liturgiehistorische und liturgietheologische Anmerkungen zum Ritus der Bischofsweihe im Pontificalis ordinis liber des Wilhelm Durandus d. Ä. (1293/95) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Personennamenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Ortsnamenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
Vorwort Kristallisationspunkte theologischer Reflexion und spiritueller Impulse lassen sich ebenso wie ihre Streuweite und Ausstrahlungsintensität lokalisieren und geographisch bestimmen, doch erweisen sie sich keineswegs das ganze Mittelalter hindurch als ortsfest. Ihr Bestand und ihr Profil sind vielmehr an wechselnde Protagonisten und der Veränderung unterworfenen Institutionen gebunden. Zu unterschiedlichen Zeiten treten an bestimmten Stätten Ordensgemeinschaften, Kommunen, Universitäten und immer wieder Bischofssitze mit vielfältigen Initiativen hervor, manchmal zur gleichen Zeit, öfter jedoch zeitversetzt. Der vorliegende Aufsatzsammelband hebt aus dem genannten Spektrum möglicher Akteure die Funktionen von Bischöfen und ihrer Bistümer und Bischofssitze hervor, wo neben der Wahrnehmung pastoral und kirchenrechtlich bestimmter Aufgabenstellungen eminent wichtige Initiativen im Hinblick auf die Entwicklung von Theologie und Spiritualität ergriffen wurden und welche hierdurch zu geistigen und geistlichen Zentren ihrer Region avancierten. Bauwerke, Skriptorien, Bibliotheken und Bildungseinrichtungen von den Domschulen über die Ordensstudien bis hin zu den Universitäten sind manifeste Zeugen der von Bischofssitzen geprägten Infrastruktur. Die Förderung von Klostergründungen und wissenschaftlicher Betätigung sowie die Stärkung von Kunst, Literatur und Kultur einschließlich hagiologischer Akzentsetzungen belegen die dort entfaltete Dynamik. Zudem wird deutlich, dass diese Impulse nicht nur innertheologisch oder kirchenintern Wirkung zeitigten: Hochmittelalterliche Bischofssitze prägten auch siedlungsgeschichtlich, gesellschaftlich, politisch und kulturell ihr Umland. Zugleich gewannen Bischofspersönlichkeiten und Bistumsstrukturen ihr unverwechselbares Profil durch ihr Wirken in Stadt und Land. Die Beiträge des vorliegenden Bandes verfolgen die Absicht, anhand der geschilderten Fragestellung die Kirchengeschichtsforschung als genuin theologische Forschungsdisziplin zu präsentieren: Neben allen notwendigen Verortungen, Datierungen sowie Klärungen in Bezug auf organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen – also der Erhebung eher äußerer Faktoren – kommt in den Aufsätzen die innere Qualität theologischer Reflexionsprozesse zum Ausdruck, jedoch auch umgekehrt deren Abhängigkeit von lokalen, personen- und institutionsbezogenen Einflüssen, wie sie die Indizes unserer Publikation ausweisen. Mittelalterliche Bischofssitze werden in den jetzt ver öffentlichten Studien somit vorrangig als Zentren intellektueller Strahlkraft und spiritueller Prozesse charakterisiert. Dass diese Auffassung ein gesamteuro päisches Phänomen darstellt, belegen die Untersuchungen mit ihrer je eigenen Spezialisierung und topographischen Fokussierung. Einige der nunmehr publizierten Texte gehen zurück auf die bereits 2007 in Bamberg ausgerichtete Tagung unter dem Titel „Spargentes semina verbi.
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Vorwort
Hochmittelalterliche Bischofssitze als geistige Zentren und Orte der Verkündigung des Evangeliums“. Veranstalter war damals die Internationale Gesellschaft für Theologische Mediävistik (IGTM) in Kooperation mit der Katholisch-Theo logischen Fakultät der Universität Bamberg. Dass die Fakultät kurze Zeit später ihre Arbeit einstellen könnte und die vorgesehenen Herausgeber ihres Amtes nicht walten würden, war nicht vorhersehbar. Die IGTM hat sich gleichwohl entschlossen, die als wichtig erkannten Forschungsansätze und die für die Theologische Mediävistik bedeutsame Thematik wieder aufzugreifen und sogar neue Beiträge einzuwerben. Dass die Beiträge mit Bamberg-Bezug das 2007 gefeierte tausendjährige Bistumsjubiläum zum Anlass nahmen, kann und soll nicht verschwiegen werden; die zeitversetzte Publikation ermöglicht es sogar, nunmehr die damals noch im Druck befindlichen Veröffentlichungen einzubeziehen und die Rahmenbedingungen eines geistigen und geistlichen Zentrums von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Gedankt sei daher allen Mitwirkenden an der Bamberger Tagung dafür, dass sie ihre Texte nochmals überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht haben, ferner den neu hinzugekommenen Beiträgern für ihre in kurzer Zeit abgeschlossenen Untersuchungen. Besonderer Dank gilt ganz persönlich Herrn Domkapitular Dr. Norbert Jung für die Ermöglichung einer großzügigen Finanzierung der Publikation durch das Erzbistum Bamberg und sowie Herrn Dr. Dirk Paßmann für die engagierte Begleitung seitens des Verlages, schließlich allen Beteiligten und dem Leserkreis für das Verständnis, dass nach der schwierigen Vorgeschichte des Projektes der Band nur durch die Inkaufnahme von Kompromissen realisiert werden konnte: Die ergiebig behandelte Thematik war für alle Verantwortlichen die stärkste Triebfeder ihres Engagements. H. P. Neuheuser
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Bischofssitze als Bildungszentren im hohen Mittelalter von Frank G. Hirschmann I. Die Bischofssitze im Reich Die Bischöfe und ihre Entourage waren die wichtigsten Vermittler antiker Kultur, der lateinischen Sprache, der christlichen Religion, des städtischen Lebens und frühchristlicher Bildung.1 Eine ungebrochene Kontinuität christlicher Gemeinden – und damit ihrer Bildungswerte – über die Wirren der Völkerwanderung hinweg lässt sich im späteren römisch-deutschen Reich nur in der Trierer Kirchenprovinz, also in Trier, Metz, Verdun und Toul, sowie im äußersten Süden in Chur und Trient nachweisen, ist aber auch für Köln wahrscheinlich. Das höchste Maß an Kontinuität wies Metz auf, wo Religion, Sprache und große Teile der Bausubstanz bis ins Mittelalter überlebten. Für Verdun, Toul, Chur und Trient gilt Ähn liches, aber auf erheblich niedrigerem Niveau. In Köln blieb abgesehen von der lateinischen Sprache vieles erhalten, ebenso in Trier, wo sich mit dem Moselromanisches sogar ein eigenes Idiom herausbildete, der riesige Mauerring jedoch zunehmend verfiel. Dagegen gingen am Oberrhein (Mainz, Worms, Speyer, Straßburg) neben der Sprache und viel Bausubstanz wohl auch die episkopalen Strukturen verloren.2 Hier ist gemeindlich verfasstes Christentum erst wieder seit dem frühen 7. Jahrhundert bezeugt.3 Um dieselbe Zeit ist solches auch für Cambrai, Konstanz und Basel – teils in Nachfolge älterer Bischofssitze – fassbar, etwa 100 Jahre später in Utrecht und zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen dem Beginn des 8. und dem frühen 9. Jahrhundert in Lüttich (in Nachfolge Tongerns und Maastrichts). Merowingische Neu- oder Wiederbegründungen beschränkten sich somit bis um 740 auf den Boden des ehemaligen Römischen Reiches. Dies änderte sich erst mit den Gründungen zur Zeit – und teils unter Mitwirkung – des Bonifatius: 739 in Bayern Salzburg und seine Suffragane Regensburg, Freising, Passau und Säben (später Brixen), 741/42 in Mainfranken Würzburg, in Hessen Büraburg, in Thüringen Erfurt (die beide keinen Bestand hatten) und vor 745 im bayerisch-fränkisch-schwäbischen Grenzraum Eichstätt. Bei dieser Gelegenheit erinnerte Papst Zacharias Bonifatius noch einmal an das Gebot
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Vgl. hierzu etwa Hirschmann 2011/2012, 2; Escher/Hirschmann 2005, 543. Hirschmann 2011/2012, 1031–1035. Zu diesem Absatz vgl. Hirschmann 2011/2012, 1024.
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Frank G. Hirschmann
Gregors III., dem zufolge Bischofssitze nicht an Dörfern oder unbedeutenden Städten zu errichten seien.4 Nach der Eroberung Sachsens durch Karl den Großen und der damit verbundenen Erweiterung des Frankenreiches bis an den Unterlauf der Elbe entstanden in den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts der Erzbischofssitz Bremen (in Nachfolge Hamburgs) sowie die teils der Kölner, teils der Mainzer Kirchenprovinz zugeschlagenen Bischofssitze Münster, Paderborn, Osnabrück, Minden, Verden, Hildesheim und Halberstadt. Unter den ottonischen Gründungen im Osten hatten das Erzbistum Magdeburg sowie die Bistümer Prag, Olmütz, Meißen, Naumburg (ursprünglich mit Sitz in Zeitz), Merseburg und Bamberg dauerhaften Bestand.5 Der Ausgriff nach Ostelbien scheiterte zunächst, erst im 12. Jahrhundert wurde dieser Raum definitiv für das Christentum erschlossen, und es entstanden die Bistümer Schwerin in Nachfolge Mecklenburgs,6 Lübeck in Nachfolge Oldenburgs,7 Ratzeburg sowie als Neugründung Kammin8 und eine Reihe von Bistümern im weiteren Ostseeraum, die am Ende des Mittelalters jedoch zu Polen gehörten. Bis ins späte Mittelalter stand somit das Netz der Bischofssitze im Reich; erst im 15. Jahrhundert kamen im äußersten Südosten Wien,9 Wiener Neustadt10 und Ljubljana11 hinzu, die in dieser Studie jedoch – ebenso wie die Salzburger Eigenbistümer12 – mit Ausnahme Wiens nicht zu berücksichtigen sind. II. Die Domschulen als Bildungszentren bis ins 12. Jahrhundert Karl der Große verlangte 798 von allen Bischöfen die Einrichtung einer Schule, und auch die Aachener Kanonikerregel Ludwigs des Frommen von 816 betonte die Bedeutung der Bildung.13 Bis ins 9. Jahrhundert lassen sich jedoch nur sehr wenige Kathedralschulen in den Quellen fassen.14 Für die Zeit Karls des Großen ist eine solche nur für Trier, Metz und – bemerkenswerterweise 4
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Meminis enim, carissime, quid in sacris canonibus precipimur observare, ut minime in villulas vel in modicas civitates episcopos ordinemus, ne vilescat nomen episcopi, Die Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus, ed. Michael Tangl, Berlin 1916 (MGH Epistolae selectae 1), Nr. 51, S. 87; ausführlich hierzu Heinemeyer 1995, 47–49, sowie Patzold 2009, 200f. Vgl. ferner Fischer 2009, 45, der die ganz anders gelagerten Verhältnisse im angelsächsischen England untersucht, wo bis 1066 mehr als die Hälfte der Bischofssitze in Siedlungen lag, die „bestenfalls ländliche Kirchdörfer“ waren. Hirschmann 2011/2012, 1025–1027. Gatz 2003, 670–675; Gatz 2009, 130. Gatz 2003, 363–369; Gatz 2009, 96. Gatz 2003, 267–272; Gatz 2009, 86f. Gatz 2003, 809–815; Gatz 2009, 114. Gatz 2003, 631–654; Gatz 2009, 126f. Štih 1999, Sp. 2055; Gatz 2009, 66f. Gatz 2003, 158–163, 344–346, 676–687; Gatz 2009, 126f; Seidenschnur 1919. Ehlers 1966, 32. Vgl. hierzu und zum Folgenden Hirschmann 2011/2012, 1154–1156.
Bischofssitze als Bildungszentren im hohen Mittelalter
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– Freising bezeugt. Trier war bereits zur Zeit des Bischofs Nicetius (525/26– 66) ein weithin ausstrahlendes Kulturzentrum.15 In Metz begründete Bischof Chrodegang (742–66), der Vater der Kanonikerregel von 816, u. a. eine schola cantatorum.16 An der Freisinger Domschule erfuhr Bischof Arbeo (764–84) seine Ausbildung; er selbst führte sie zu großer Blüte. Hier wurden etwa die Erzbischöfe Arn von Salzburg und Leidrat von Lyon sowie Franco und Andreas von Vincenza ausgebildet.17 Der so eingeleitete Aufschwung Freisings als geistlich-kulturelles Zentrum setzte sich unter Arbeos Nachfolgern verstärkt fort. Unter den Bischöfen Atto (783–811) und Hitto (811–36) kam es zu einer enormen Zunahme der Urkundenproduktion; das 823 angelegte Traditionsbuch, in dem alle auffindbaren Urkunden des Domklosters zusammengefasst wurden,18 enthält 190 Urkunden Attos und 200 allein aus den zwölf ersten Jahren Hittos;19 kein anderer Ort nördlich der Alpen wird so früh so oft genannt wie Freising.20 Für das 9. Jahrhundert ist die Paderborner Domschule bezeugt, von der es heißt, Bischof Badurad habe dort Schüler hoher wie niederer Herkunft (pueros tam nobilis quam inferioris conditionis) unterrichten lassen.21 Metz war unter Bischof Drogo (823–55) ein bedeutendes künstlerisches Zentrum mit umfangreicher literarischer Produktion.22 Auch durch die dichter werdende Überlieferung ist für die Ottonenzeit Lehrtätigkeit an einer ganzen Reihe von Bischofssitzen belegt. Die Würzburger Domschule erfuhr durch Bischof Poppo I. eine Neubelebung, als dieser vor 956 den Lombarden Stefan von Novara dorthin holte; u. a. erhielten hier die späteren Bischöfe Heinrich von Trier – ein Bruder Poppos – und Wolfgang von Regensburg ihre Ausbildung.23 In Köln förderte Erzbischof Brun das (von Sigebert von Gembloux so genannte) sanctae Coloniensis ecclesiae gimnasium, das in der Folgezeit ebenfalls eine Reihe bedeutender Bischöfe hervorbrachte, darunter Everaclus von Lüttich, Dietrich I. von Metz, Wigfried von Verdun und Gerhard von Toul.24 Auch die Freisinger Domschule blühte nach einer einige Jahrzehnte währenden Unterbrechung in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts erneut auf; um 980 entstanden hier die ältesten altslawischen Texte überhaupt.25 In Sachsen dominierte damals die Magdeburger Dom15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
Pfeifer 2003, 207f. Vgl. etwa Piva 2000, 252. Mass 1986, 63f. Zum blühenden literarischen Leben und zur Freisinger Buchkunst im 8.–10. Jahrhundert vgl. auch Bierbrauer 1989; Daniel 1989; Kuder 1993. Benker 1989, 59; Mass 1986, 81. Diepolder 1990, 423f. Diepolder 1990, 424. Vita et translatio anonymi Paderbornensis, ed. Volker der Vry, 195; Brandt/Hengst 2002, 508. Glansdorf 2003, 998–1010; zur überaus bedeutenden Buch-, Elfenbein- und Metallproduktion im frühen Mittelalter in Metz vgl. Collet/Parisse 1986. Zielinski 1984, 86f; Wendehorst 2001a, 65; Endres 2001, 316. Vgl. hierzu etwa Ehlers 1966, 42, sowie ausführlich Vones 1993. Benker 1989, 60; Mass 1986, 116f.
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Frank G. Hirschmann
schule unter ihrem weithin bekannten Schulmeister Otrich;26 ihr lief jedoch seit der Jahrtausendwende diejenige von Hildesheim den Rang ab, die unter den Bischöfen Bernward (993–1022) und Godehard (1022–38) ihre Blütezeit erlebte und aus der u. a. Bernward selbst sowie die Bischöfe Meinwerk von Paderborn,27 Benno von Meißen, Ekkehard von Schleswig, Albuin von Merseburg und Heinrich von Paderborn/Magdeburg hervorgingen.28 Insgesamt 27 Reichsbischöfe der Ottonenzeit – darunter Brun von Köln, Willigis von Mainz und Adaldag von Bremen – waren zuvor Domherren in Hildesheim.29 Eine neuerliche Blüte verbunden mit einer umfangreichen Bibliothek erfuhr die dortige Domschule Ende des 11. Jahrhunderts.30 Die Lütticher Kathedralschule wurde unter Bischof Notger (971–1008) zu großer Blüte geführt, wobei er an die Arbeit seines Vorgängers Everaclus (959–971) anknüpfen konnte.31 Eine ganze Reihe späterer Bischöfe erhielt hier ihre Ausbildung. Anselm, der um 1050 schreibende Verfasser der Lütticher Bischofsgesten, nennt Rothard und Erluin von Cambrai, Hermann von Toul, Haimo von Verdun, Adelbold von Utrecht und Gunther von Salzburg.32 Auch die späteren Lütticher Bischöfe Durandus und Nithard haben an der dortigen Domschule ihre Ausbildung erhalten.33 Die Lütticher Gelehrsamkeit beeindruckte selbst Kaiser Heinrich II., der den ersten Leiter der Bamberger Domschule, Durandus, sicher nicht zufällig von der Maas an die Regnitz holte und für seinen neu gegründeten Bischofssitz dem Annalista Saxo zufolge Hildesheimer Strenge (rigor) Lütticher Gelehrsamkeit (studium) anstrebte.34 Für den aus Lüttich stammenden Mainzer Domscholaster Gozechin war um 1065 seine Heimatstadt gar die Blüte Galliens und ein neues Athen, das in Bezug auf seine Gelehrsamkeit weder den Vergleich mit Platons Akademie noch den mit dem Rom Papst Leos zu scheuen habe.35 Im 11. und 12. Jahrhundert
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Ehlers 1966, 43–46; vgl. zur Bedeutung der Magdeburger Schule Pätzold 2001, 82–84. Meinwerks Vita zufolge, soll der Bischof die Paderborner Domschule zu hoher Blüte geführt haben, vgl. jedoch hierzu kritisch Müller 2009. Zielinski 1984, 89f; Ehlers 1966, 47–51. Riebartsch 1985, 216f. Petersen 2004, 154–156, mit der Aussage: „Kaum eine Schule in Deutschland hatte so viel zu bieten wie Hildesheim“ (154). Vgl. ausführlich zur Bedeutung Lüttichs als intellektuelles und künstlerisches Zentrum, zur Domschule sowie zu deren wichtigsten Lehrern und Schülern Zielinski 1984, 77–80; Stiennon/Deckers 1991 sowie Delville 2008. Anselmi gesta episcoporum Leodiensium, ed. Rudolf Koepke, 205. Finck von Finckenstein 1989, 60. Annalista Saxo, ed. Georg Waitz, P. Kilon, 542–777, 686. Märtl 1991, 330; Coué 1997, 76. Gozechini scholastici epistola ad Valcherum itidem scholasticum (PL 143, 888f): Denique ipsa flos Galliae tripartitae et altera Athenae nobiliter liberalium disciplinarum floret studiis, et – quod his praestantius est – egregie pollet observantia divinae religionis adeo ut quantum ad litterarum studia, nihil de Platonis expetes Academia, quantum vero ad cultum religionis, nihil de Leonis desideres Roma.
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entsandte Lüttich Kleriker und Mönche bis hin nach Exeter, Breslau und Florenz.36 Prag war im 10. Jahrhundert ebenfalls ein wichtiges Bildungszentrum, an dem tschechisches und lateinisches Schrifttum entstand und der Kult der přemyslidischen Heiligen Wenzel und Ludmila gepflegt wurde.37 In Mainz berief Erzbischof Willigis (975–1011) mit Ekkehard II. Palatinus einen St. Galler Mönch an die Kathedralschule.38 Aus der durch den Willigisschüler Bischof Burchard (1000–1025) zu großer Blüte geführten Wormser Domschule ging ebenfalls eine Reihe von Reichsbischöfen hervor, und auch der spätere König Konrad II. erhielt hier seine Ausbildung.39 Nicht unbedeutend war im frühen 11. Jahrhundert zudem die Straßburger Domschule,40 und für Konstanz ist reger Schulbetrieb für die Mitte des 11. Jahrhunderts bezeugt.41 Der gute Ruf, den die Schulen in den westlichen Reichsteilen besaßen, manifestiert sich auch darin, dass Bischof Heribert von Eichstätt (1022–1042) mit dem Schulmeister seiner Domkirche unzufrieden war und diesem vorhielt, dass er seine Ausbildung in Eichstätt selbst und nicht am Rhein oder in Gallia erhalten hatte.42 In Bamberg schuf Kaiser Heinrich II. selbst die Basis für Schule und Bibliothek nach, wie gesagt, Lütticher Vorbild, die rasch einen guten Ruf erwarben und weithin Beachtung fanden. Bis ins 12. Jahrhundert brachte Bamberg ebenfalls zahlreiche Bischöfe hervor, und die in Siegburg entstandene „Vita Annonis“ rühmt um 1105 die dortige Schule, da sie alle anderen in den deutschen Landen an Disziplin, Frömmigkeit und Wissenschaft überträfe.43 Die Bremer Domschule fungierte während des 11. Jahrhunderts als Ausbildungsstätte des Klerus für Skandinavien.44 Kein Schulbetrieb ist bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts für Chur, Brixen und Trient im Süden, Merseburg, Meißen und Olmütz im Osten sowie Osnabrück im Norden bezeugt. In Minden war offenbar die Tätigkeit des unter Bischof Sigebert (1022–1036) aktiven Skriptoriums Mitte des 11. Jahrhunderts zum Erliegen gekommen.45
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Vgl. die Karte bei Stiennon/Deckers 1991, 108. Ledvinka/Pešek 2000, 50. Egler 1990, 301; Scherf 1998, 734; Staub 2000, 302. Egler 1990, 302; Staub 2000, 300; Bönnen 2005, 138. PFLeger 1941, 31. Kramml 1988, 125; Maurer 1991, 171. Weinfurter 1987, 56: Sub hoc episcopo Gunderammus Eihstetensium scolarum magister fuerat; qui quoniam domi, non iuxta Rhenum seu Gallia doctus erat, tam nullius ab episcopo habitus est, ut ipsum eicere et alium substituere cogitaret. Vgl. hierzu auch Zielinski 1984, 81; Flachenecker 1996, 162. Vita Annonis archiepiscopi Coloniensis, ed. Rudolf Köpke, 467f: in scola Babenbergensium, qui tunc temporis disciplinae, religionis ac studii fervore cunctis in Germania praepollebant. Vgl. hierzu Märtl 1991, 328. Zur Bedeutung der Bamberger Domschule in salischer Zeit vgl. auch Zielinski 2006, 179. Schubert 1997, 255. Hirschmann 2011/2012, 1156.
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III. Klosterschulen und Klosterreform Obwohl die 816 in Aachen formulierte Regel für alle Kanoniker Gültigkeit besitzen sollte, scheinen die Kollegiatstifte an den Bischofssitzen ihre Lehrtätigkeit (ebenso wie übrigens auch ihr karitatives Engagement) vernachlässigt zu haben. Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts sind lediglich an St. Stefan in Bamberg, St. Simeon in Trier sowie St. Viktor und St. Stefan in Mainz Schlauster – und damit indirekt eine Schule – bezeugt.46 Auch für keines der Frauenklöster an den Bischofssitzen ist bis zu diesem Zeitpunkt eine Schule nachweisbar, und dasselbe gilt für die aus der neuen religiösen Bewegung hervorgegangenen Augustinerniederlassungen. Dagegen besaßen die Benediktinerabteien zum Teil bedeutende Schulen, unter denen etwa St. Alban in Mainz und St. Emmeram in Regensburg im 9. Jahrhundert, St. Arnulf in Metz im 10. Jahrhundert oder St. Vanne in Verdun vom 9. bis ins 12. Jahrhundert herausragten.47 Die seit dem frühen 10. Jahrhundert vom burgundischen Cluny sowie in Lothringen insbesondere von Gorze bei Metz und St. Maximin vor Trier ausgehenden Klosterreformen wurden von der Forschung ausgiebig untersucht,48 ebenso die knapp 100 Jahre jüngere Reformbewegung von St. Vanne in Verdun (und Stablo)49 und die im 3. Viertel des 11. Jahrhunderts einsetzende kluniazensisch inspirierte Bewegung, die man meist als Jungkluniazenser bezeichnet und die in den Rheinlanden mit der Abtei Siegburg,50 in Süddeutschland etwa mit Hirsau51 und St. Blasien52 verbunden ist. Die ersten grundlegenden Reformen53 im Reichsgebiet lassen sich in den 930er Jahren in der Trierer Kirchenprovinz fassen, wo Bischof Albero I. von Metz das Kloster St. Arnulf ab 933 der gorzischen Reform zuführte, wohl aus dem gleichen Geist heraus, aber unabhängig von Gorze St. Maximin in Trier ab 934 zu einem Reformzentrum wurde und Bischof Gauzlin von Toul 936 in St. Evre die Erneuerungsbewegung nach dem Vorbild von Fleury-sur-Loire einführte. Wenig später (vor 942) wurde auch St. Martin-devant-Metz gorzisch, und bei der Gründung von St. Vinzenz in Metz (wohl vor 967) kam ein aus Gorze 46 47 48
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Hirschmann 2011/2012, 1156. Hirschmann 2011/2012, 1156. Hallinger 1971 hatte sehr zu Recht dargelegt, dass die gorzische Klosterreform eine gegenüber Cluny eigenständige Bewegung war, dabei jedoch die Unterschiede überbetont. Zudem hatte er für Lothringen Gorze zu einseitig in den Vordergrund gestellt und den eigenständigen Ansatz von St. Maximin und auch St. Evre übersehen, vgl. hierzu Werner 1989, 261. Hirschmann 1997. Hochholzer 1999 erkennt nicht die Eigenständigkeit der Reform von St. Vanne und bezeichnet den Reformabt Richard als „cluniazensisch geprägt“ (77). Grundlegend immer noch Semmler 1959; vgl. ferner Semmler 1999 sowie Wisplinghoff 1975. Vgl. etwa Schreiner 1999; Keller 2006; Patzold 2006. Vgl. Sinderhauf 1999; Keller 2006; Patzold 2006; Weinfurter 2009. Die folgende Passage entspricht weitgehend den Ausführungen bei Hirschmann 2011/ 2012, 1054–1056.
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stammender Baumeister zum Einsatz, auch darüber hinaus gab es Verbindungen zwischen beiden Klöstern. In den 970er Jahren wurde das monastische Leben an St. Maria und an St. Martin in Trier im gorzischen Sinne erneuert, und 993 entnahm man den Gründungskonvent für Petershausen in Konstanz dem gorzisch geprägten Einsiedeln. Auch St. Paul in Verdun gehörte um 1000 wohl dem Gorzer Reformkreis an. St. Evre wiederum stellte die Gründungsäbte von St. Vanne in Verdun (951/952) und St. Mansuy in Toul (967/968). Große Ausstrahlungskraft entfachte auch St. Maximin: Von hier aus erfolgte 937 die Gründung von St. Mauritius in Magdeburg durch König Otto I., 964 wurde St. Pantaleon in Köln im maximinischen Sinne erneuert, ebenso wohl in den 970er Jahren St. Eucharius in Trier und 973/975 St. Emmeram in Regensburg, und noch 1037 entsandte St. Maximin einen Mönch als Gründungsabt nach St. Airy in Verdun. St. Emmeram wiederum wurde in der Folgezeit selbst zu einem weithin ausstrahlenden Reformzentrum. Bei der Gründung des Petersklosters 987 holte man einen Emmeramer Mönch als Abt nach Salzburg, und für die Umwandlung von St. Andreas in Würzburg in ein Benediktinerkloster vor 990 wurden wohl ebenfalls Regensburger Mönche herangezogen. Auch die ersten Äbte des 1021 in ein Kloster umgewandelten Weihenstephan in Freising kamen aus dem Regensburger Reformkonvent; auf demselben Wege geriet Prüll bei Regensburg vor 1036 unter emmeramischen Einfluss. Aus dem von Regensburg aus reformierten mainfränkischen Münsterschwarzach wiederum entnahm Bischof Albero von Würzburg 1057 den Gründungskonvent für St. Peter, wo bis dahin ein Stift bestanden hatte, auch in St. Andreas/ St. Burchard in Würzburg herrschte seit den 1060er Jahren der Einfluss von Münsterschwarzach, ebenso seit 1071 auf dem Bamberger Michelsberg. St. Emmeram war somit das mit Abstand strahlkräftigste unter den der Maximiner Reformrichtung angehörigen Klöstern. Der Trierer Reformzweig reichte letztlich sogar bis Hildesheim, Prag und Olmütz. St. Michael in Hildesheim wurde 1022 über St. Pantaleon der Reform zugeführt, Břevnov vielleicht um 1000, sicher um die Mitte des 11. Jahrhunderts über Niederaltaich an der Donau, Hradisch bei Olmütz wiederum 1078 von Břevnov aus. St. Evre in Toul wurde 994 Wilhelm von Volpiano, dem Abt von St. B énigne in Dijon, zur Reform übergeben, ebenso 996/997 St. Arnulf in Metz, und durch die Unterstellung unter einen aus St. Evre stammenden Abt gehörte auch St. Mansuy seit 1026 zum Dijoner Reformkreis. St. Vanne in Verdun wurde unter Abt Richard bald nach 1004 zu einem eigenständigen Reformzentrum. Von hier aus wurden 1018/1021 die beiden im Entstehen begriffenen Lütticher Klöster St. Jacques und St. Laurent erneuert, ebenso – auf dem Umweg über Stablo – wohl 1020 St. Vinzenz in Metz und um 1024 St. Maximin sowie St. Eucharius in Trier. Von den 930er bis in die 1020er Jahre hinein entfalteten somit die oberlothringischen Reformklöster große Strahlkraft, danach wirkten sie noch einige Jahre indirekt weiter, insbesondere über St. Emmeram, jedoch standen seit den 1070er Jahren nahezu alle Klosterreformen – zumindest an den
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Bischofssitzen – unter dem Einfluss Clunys. In jener Zeit wurde St. Airy in Verdun kluniazensisch, und von hier aus erfolgte die Reform des einst selbst als Reformzentrum ausstrahlenden St. Vanne sowie 1085 des kurz zuvor gegründeten Afflighem in Brabant, welches wiederum wohl um 1121 die Reform nach Oostbroek bei Utrecht trug. Unmittelbar Cluny unterstellt war das 1083 gegründete Priorat St. Alban in Basel; in Form der „Consuetudines“ von Fruttuaria zog kluniazensischer Geist vor 1082 in St. Pantaleon und über Siegburg vor 1100 in Groß St. Martin in Köln und spätestens 1118 in St. Paul in Utrecht ein. St. Jakob in Mainz (nach 1089) und St. Godehard in Hildesheim (1136) wurden über Fulda kluniazensisch. Am weitaus einflussreichsten jedoch war das Schwarzwaldkloster Hirsau. Zu dessen Reformkreis zählten Petershausen in Konstanz (1085/1086), St. Alban in Mainz (nach 1085), Abdinghof in Paderborn (nach 1093), Weihenstephan in Freising (1095), St. Eucharius in Trier (um 1100), St. Ulrich-und-Afra in Augsburg (1109), Michelsberg in Bamberg (1112), Prüll bei Regensburg (1140) und wohl auch St. Stephan in Würzburg (Anfang des 12. Jahrhunderts). Der Aufbau einer Bibliothek und eines Skriptoriums stellten die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Klosterreform dar. So nahm etwa der bedeutende Verduner Reformabt Richard von St. Vanne zunächst die Wiederherstellung der inneren Ordnung und die Belebung der Liturgie in Angriff.54 Nachdem die inneren Verhältnisse geordnet waren, konnte er weitere Reformmaßnahmen einleiten: die Förderung des Kultes des Klosterpatrons, die Rekuperierung und den Neuerwerb beträchtlicher Güter und Einnahmen, die Mehrung des Reliquienschatzes, den Aufbau einer hochadeligen Familiengrablege, den Neubau der Abteikirche und der Nebengebäude, die Gründung von Kapellen und die Ummauerung des Abteigeländes sowie die Gründung eines Priorates und schließlich die Reform weiterer Klöster, die ihm aufgetragen wurden. Für alles war der Aufbau von Schule, Bibliothek und Skriptorium die grundlegende Voraussetzung. Zur Reform der monastischen Lebensweise ließ er gewiss „Consuetudines“ verfassen; dem Rückerwerb der Güter diente ein Chartular, der Übersicht über die Einkünfte ein Urbar; um die Pflege der Memoria zu dokumentieren, die Gläubigen zu Spenden zu bewegen und die Grafen von Verdun zu veranlassen, hier ihre Familiengrablege zu nehmen, ließ er ein Totenbuch anlegen, und zur Kultförderung verfasste er selbst eine Lebensbeschreibung des heiligen Verduner Bischofs Vito. All dies trug dazu bei, aus St. Vanne eine der blühendsten und reichsten Abteien im Westen des Reiches zu machen. Hinzu kommt, dass wir dank der regen Tätigkeit des Skriptoriums große Teile der Verduner Geschichte des 9. bis 12. Jahrhunderts vorwiegend aus der Sicht von St. Vanne kennen. Nahezu die gesamte hochmittelalterliche Verduner Chronistik und Hagiografie ist hier entstanden: vom Kanoniker55 Berthar im frühen 10. Jahrhundert und seinem anonymen Fort54 55
Vgl. hierzu Hirschmann 1997 sowie Hirschmann L’ importance du scriptorium. St. Vanne war seinerzeit noch ein Kollegiatstift.
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setzer (bis 1047),56 über Abt Richard (gest. 1046), dessen Biografen (wohl um 1130)57 und den Geschichtsschreiber und Abt von St. Vanne Hugo von Flavigny (vor 1092 oder 1097)58 bis zum St. Vanner Mönch Lorenz von Lüttich (bis 1144) und dessen Fortsetzer (bis 1250).59 Auch die bedeutendste Bibliothek Verduns befand sich im Vitokloster.60 Aus all dem wird evident, wie grundlegend Skriptorium, Schule und Bibliothek für eine erfolgreiche Klosterreform waren und wie letztere einem Kloster zu einer weit ausgreifenden Strahlkraft als Bildungszentrum verhelfen konnte. IV. Jüdische Bildungseinrichtungen Die herausragenden jüdischen Bildungszentren im Reich waren im 10. und 11. Jahrhundert Mainz und Worms. Mainz fungierte seit der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts als „ein abendländischer Mittelpunkt jüdischer Gelehrsamkeit“61 und „das bekannteste Zentrum des aschkenasischen Judentums“.62 Die Stadt zog viele berühmte Gelehrte, auch aus Frankreich und Italien, an, und ihre jüdische Schule brachte sehr bedeutende Rabbiner hervor.63 Aus Lucca wanderte die Gelehrtendynastie der Kalonymos ein,64 und der in Mainz verstorbene Gerschom ben Jehuda gilt als „der einflussreichste Gelehrte des Abendlandes um die Jahrtausendwende“.65 Der jüdische Anteil an der Gesamtbevölkerung scheint in Worms im 11. Jahrhundert so hoch wie sonst fast nirgends in Europa gewesen zu sein.66 Das älteste bekannte bürgerliche Bauprojekt im gesamten Reich stellt die Errichtung der 1034 vollendeten Wormser Synagoge durch das jüdische Ehepaar Jakob ben David und seiner Frau Rahel dar.67 Auch die Tatsache, dass 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
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Gesta episcoporum Virdunensium auctoribus Bertario et anonymo monachis S. Vitoni, ed. Georg Waitz, 36–51. Vita Richardi abbatis S. Vitoni Virdunensis, ed. Wilhelm Wattenbach, 280–289. Chronicon Hugonis monachi Virdunensis et Divionensis, abbatis Flaviniacensis, ed. Georg Heinrich Pertz, 280–502. Laurentii de Leodio gesta episcoporum Virdunensium et abbatum S. Vitoni, ed. Georg Waitz, 486–525. Ronig 1978, 65; Hirschmann 1996, 181. Heinemeyer 1976, 55. Vgl. zu Mainz und Worms als jüdisches Bildungszentren im 11. Jahrhundert Grossman 2000, 11ff, sowie Lehnardt 2009, 87–102. Schütz 1998, 679. Ausführlich zur Geschichte der Mainzer Juden im 10. und 11. Jahrhundert Mentgen 1995. Schütz 1998, 679. Schütz 1998, 679. Unklarheit besteht offenbar darüber, ob Gerschom ben Jehuda in Mainz geboren wurde (so Schütz 1998, 679) oder als junger Mann von Metz nach Mainz einwanderte (so Schieffer 1998, 79). Lehnardt 2009, 98, lässt die Frage offen, die wohl in der Tat nicht zu klären ist. So Mentgen 1995, 45. Böcher 1960, 26f; Bönnen 2002, 142; zur Einordnung Hirschmann 2011/2012, 1288.
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önig Heinrich IV. 1074 sein berühmtes Zollfreiheitsprivileg den iudei et coK eteri Wormacenses ausstellte,68 verweist auf deren herausragende Bedeutung im Sozialgefüge der Stadt. Ebenso wie das benachbarte Mainz entwickelte sich Worms zu einem weithin ausstrahlenden jüdischen Bildungszentrum.69 Insbesondere ist hier auf Salomo ben Isaak, den berühmten Rashi aus Troyes, zu verwiesen, der wohl in Worms um 1060 seine Ausbildung erfuhr.70 Die älteste gesicherte Synagoge im späteren Ostreich ist diejenige zu Köln, welche archäologisch auf die Zeit um 800 datiert werden kann.71 Die Mainzer dürfte mindestens auf das 10. Jahrhundert zurückgehen, auch wenn sie erst 1093 fassbar wird.72 Die Regensburger ist ebenfalls Ende 11. Jahrhundert (durch Grabungen) bezeugt, aber wohl ebenfalls deutlich älter und die älteste östlich des Rheins.73 In Worms wurde die Synagoge, wie erwähnt, 1034 vollendet; für Speyer nennt sie Bischof Rüdiger 1084 in seinem Ansiedlungsprivileg.74 In Trier begegnet sie anlässlich des Pogroms von 1096, dürfte aber wiederum damals schon länger bestanden haben75. 1104 erhielt Speyer eine zweite Synagoge,76 1124 ist diejenige von Prag bezeugt77, die Würzburger findet 1147 Erwähnung.78 Die frühen Zentren jüdischer Bildung im Reich befanden sich somit ausschließlich an den Bischofssitzen. Straßburg hatte seit den 1180er Jahren eine Synagoge.79 In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts folgten Basel, Augsburg, Bamberg und mit Münster der erste sächsische Bischofssitz, in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts Passau,80 Konstanz, Hildesheim und Minden. Für das gesamte jüdische Leben im Reich markierten die Pestverfolgungen von 1349/1350 einen tiefen Einschnitt; insbesondere viele Städte ließen danach keine dauerhafte jüdische Ansiedlung mehr zu. Gleichwohl begegnet auch im späten Mittelalter noch eine Reihe von (gewiss zum Teil älteren) Synagogen erstmals in den Quellen, so in Eichstätt, Halberstadt, Salzburg, Meißen, Magdeburg, Olmütz, Trient und vielleicht Merseburg. Am Ende des Mittelalters waren jedoch nahezu überall die jüdischen Gemeinden und damit die Synagogen verschwunden, nach der Ausweisung aus Regensburg 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80
MGH DD Heinrich IV, Nr. 267, 341ff. Reuter 2005, 665; Bönnen 2002, 121; Bönnen 2005, 144; Patzold 2009, 203ff. Vgl. hierzu etwa Bönnen 2004, 433. Vgl. etwa Reuter 2005, 664. Clemens 2003, 52; Schmandt 2002, 444; Cluse 2005, 5. Schütz 1998, S. 679. Codreanu-Windauer/Wanderwitz 2000, 621; Codreanu 2004, 120f. Hilgard 1885, Nr. 11, S. 11. Zur Diskussion um deren Standort vgl. zusammenfassend Hirschmann 2011/2012, 334–336. Haverkamp 1996, 478. Haverkamp 2005, 492; Transier 2004, 424; Hirschmann 2011/2012, 337. Machilek 1982, 77. Müller 2004, 29f. Alle folgenden Angaben nach Germania Judaica 3, Tübingen 1987/1995 und Haverkamp 2002. http://www.alemannia-judaica.de/passau_juedgeschichte.htm.
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1519/1520 waren Worms und Prag81 die letzten verbliebenen Bischofssitze mit jüdischem Leben, was sich zu der langen Tradition in beiden Städten fügt. Mainz, Worms und Speyer waren für Jahrhunderte bedeutende jüdische Bildungszentren, auch personell und wirtschaftlich waren die drei Städte als sogenannte SCHUM-Gemeinden auf das Engste verflochten.82 Nimmt man noch Frankfurt am Main und Friedberg (die neben Worms und Prag einzigen Städte mit bis in die Neuzeit hinein bestehenden Synagogen) hinzu, so zeichnet sich das Rhein-Main-Gebiet als eindeutiger Schwerpunkt jüdischen Geisteslebens im Reich ab. Darüber hinaus fällt bezüglich der Verteilung im Raum auf, dass es an keinem der Bischofssitze im frankophonen Westen eine Synagoge gab und solche auch im Norden an so bedeutenden Städten wie Utrecht oder Bremen fehlten. V. Umbrüche ab der Wende zum 13. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Bettelorden Mit dem Aufkommen einer neuen Armutsbewegung um 1200 verloren die traditionellen Klöster und Stifte erheblich an Bedeutung, und das gilt auch für die rund hundert Jahre zuvor entstandenen neuen Orden wie etwa die Zisterzienser oder die nach der Augustinusregel lebenden Chorherrenstifte. In den Städten übernahmen fortan die Bettelorden, insbesondere Franziskaner und Dominikaner, seelsorgerische Aufgaben, und sie rückten auch als Bildungszentren in den Vordergrund. Besonders populär wurden die Bettelmönche durch ihre Predigten in der Volkssprache.83 Aufgrund ihres Vorsprungs in Bezug auf die urbane Entwicklung zogen insbesondere die Bischofssitze die Mendikanten an. Als erste Städte im Reich verfügten denn auch das weiterhin alle überragende Köln,84 der bedeutende Finanzplatz Metz85 und mit Würzburg die damals wohl noch bedeutendste Stadt Europas ohne römische Vorprägung86 seit den 1260er Jahren über die vier großen Bettelorden. In den darauffolgenden Jahrzehnten ließen sich alle vier Orden auch in Mainz, Worms, Speyer, Trier und Magdeburg nieder,87 und mit der späten Gründung des Karmeliterklosters Maria Schnee 1347 durch Karl IV. wies auch Prag vier Bettelordensklöster auf.88 Hinzu kamen noch im 13. Jahrhundert Nürnberg und bemerkenswerterweise Esslingen als einzige Städte im Reich ohne Bi81 82 83 84 85 86 87 88
In Prag bestanden sogar beide auf die Zeit vor den Pestpogromen zurückgehende Synagogen, die Altschul und die Neuschul, bis in die Neuzeit fort; Seibt/Tischler 1987, 1117. Vgl. hierzu zuletzt Barzen 2004 sowie Transier 2005. Escher/Hirschmann 2005, 303. Escher/Hirschmann 2005, 306; Bönnen/Hirschmann 2006, 34. Reverchon 2005, 409. Wendehorst 2001b, 265f; Hirschmann 2002, 61f.; Sehi 1981. Zu Mainz, Worms und Speyer vgl. Berger 1994; zu Trier vgl. Schmidt 1986; zu Magdeburg vgl. Pätzold 2001, 91. Machilek 1974, 75 (zu Maria Schnee) bzw. 69–71 (zu den drei anderen Orden).
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schofssitz mit vier Bettelordensniederlassungen,89 wogegen alle anderen Städte über maximal drei verfügten. Regensburg beherbergte zwar kurzzeitig alle vier Orden, jedoch zogen die Karmeliter dann nach Straubing,90 und abgesehen von Esslingen gelang es keiner Stadt ohne Bischofssitz alle vier Bettelorden an sich zu binden. Auch in so bedeutenden Städten wie etwa der brabantischen Hauptstadt Brüssel,91 der Messestadt Frankfurt am Main92 oder der „quasi-Bischofsstadt“ Erfurt93 gab es nur jeweils drei Bettelordenskonvente. Bedeutung für das Bildungswesen erlangten die Mendikanten vor allem durch die an einigen Städten eingerichteten Generalstudien. Leider ist die Forschungslage zu diesen zeitweise so bedeutenden und mitunter die Keimzelle für die späteren Universitäten bildenden Einrichtungen abgesehen von den Franziskanern94 sehr schlecht. Die Dominikaner unterhielten im 13. Jahrhundert Generalstudien in Köln, Straßburg, Wien, Erfurt und Magdeburg, im 14. Jahrhundert kam Prag hinzu, im 15. Jahrhundert Basel, Freiburg, Trier, Berlin und Rostock.95 Bekannt ist zudem, dass im 14. Jahrhundert das sehr gut erforschte Straßburger und danach das Wiener Generalstudium in Bezug auf die Studentenzahlen an zweiter Stelle hinter Köln lag.96 Franziskanische Studieneinrichtungen gab es im späten 14. Jahrhundert in Köln, Magdeburg, Erfurt, Straßburg, Wien, Prag,97 Regensburg98 und Heidelberg.99 Im 15. Jahrhundert kamen Greifswald,100 Rostock101 sowie Frankfurt an der Oder102 hinzu. Generalstudien der Augustinereremiten bestanden im Reich seit dem 13. Jahrhundert in Erfurt, Köln, Magdeburg, Prag, Straßburg, Brüssel und Wien.103 Die Karmeliter schließlich betrieben im frühen 14. Jahr-
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Zu Nürnberg: Wendehorst 1993, Sp. 1318. Zu Esslingen: Schröder 1987, 31; Escher/ Hirschmann 2005, 306. Hilz 2000, 785. Henne/Wauters 1975, 72. Berger 1994, 69, 76 und 78. Boehm 1986, Sp. 2135. Die sehr treffende Bezeichnung Erfurts als „quasi-Bischofsstadt“ stammt von Bönnen 2008, 240; geprägt wurde dieser Begriff mit Bezug auf Soest durch Ehbrecht 2000, 268. Vgl. hierzu die umfassende Studie Roest 2000, besonders 1–117. Springer 1999, 36f. Dort fehlt wegen der Beschränkung auf den deutschen Sprachraum Prag, vgl. jedoch Šmahel 2007, 14, mit dem Hinweis auf das 1347 eingerichtete Generalstudium der Dominikaner in Prag. Vgl. hierzu die sehr aspektreiche und profunde Studie: Turck 2002, 129. Elm 1999, 112. Roest 2000, 29 Roest 2000, 33–35. Roest 2000, 33 und 41. Roest 2000, 41. Roest 2000, 41, nennt irrtümlich Frankfurt am Main. Da es jedoch um eine Assoziation oder Inkorporation mit der örtlichen Universität geht, kann nur Frankfurt an der Oder gemeint sein. Kunzelmann 1969, 171.
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hundert Generalstudien in Köln und Trier104 und seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auch in Prag.105 In Köln und Prag waren somit im 14. Jahrhundert alle vier Mendikantenorden mit Generalstudien vertreten.106 In Magdeburg,107 Straßburg, Erfurt und Wien fehlten lediglich die Karmeliter, diese waren jedoch in Trier präsent. In Regensburg unterhielten die Franziskaner ein Generalstudium, und mit dem der Augustinereremiten reihte sich auch Brüssel unter die mendikantischen Bildungszentren des 14. Jahrhunderts ein. Als solche fungierten somit neben einigen Bischofssitzen das sich auch in diesem Punkt ganz kathedralstadtmäßig gebende Erfurt sowie mit Brüssel und Wien die Hauptstädte108 der wichtigsten Territorien im äußersten Nordwesten und Südosten des Reiches, nämlich Brabants und Österreichs. Insbesondere Erfurt und Wien dokumentieren somit, dass sie auch als Bildungszentren den Vorsprung der alten Bischofssitze im Westen des Reiches aufgeholt hatten. Gegen Ende des Mittelalters erhielt dann durch dominikanische Neugründungen Trier ein zweites Generalstudium. Auch die mecklenburgische Universitätsstadt Rostock besaß am Ende des Mittelalters zwei Generalstudien. Am (damals freilich nicht mehr unter bischöflicher Herrschaft stehenden) Bischofssitz Basel, in Freiburg als Vorort Vorderösterreichs, in der pommerschen Universitätsstadt Greifswald und bemerkenswerterweise zwei in Brandenburg, nämlich in der Universitätsstadt Frankfurt an der Oder und im zur brandenburgischen Hauptstadt aufsteigenden Berlin109 befanden sich nun ebenfalls solche Bildungseinrichtungen, jedoch mögen für diese etwas willkürlich erscheinende Verteilung im Raum ordensinterne Überlegungen oder lokale Gegebenheiten verantwortlich gewesen sein. Immerhin fällt eine gewisse Dominanz des Ostens mit Prag, Magdeburg, Erfurt und Wien sowie später Rostock, Greifswald, Frankfurt an der Oder und Berlin auf. Während somit das Aufkommen der Bettelorden zwar die Bedeutung der Kathedralschulen erheblich schmälerte, gehörten zumindest einige Bischofsstädte aufgrund ihres Vorsprungs in der urbanen Entwicklung auch im 13. und 14. Jahrhundert noch zu den bedeutendsten Bildungszentren im Reich. 104 105 106 107
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Elm 1999, 113. Šmahel 2007, 14. Vgl. zu Köln auch Finger 2011 sowie Strauch 2011. Auch Pätzold 2001, 95f., weist darauf hin, dass die Elbmetropole zu den wenigen Städten im Reich mit drei Generalstudien zählte und verbindet dies mit der Bemerkung: „Wie zuvor schon in ottonischer Zeit gehörte Magdeburg erneut zu den führenden Horten der Gelehrsamkeit zumindest im östlichen Teil des Reiches.“ Der Hauptstadtbegriff ist im Mittelalter bezogen auf die einzelnen Reichsterritorien mit großer Vorsicht anzuwenden, Brüssel und Wien erfüllten jedoch (ähnlich wie etwa Heidelberg für die Kurpfalz oder Nimwegen für Geldern sowie vor allem Prag für Böhmen) alle diesbezüglichen Kriterien wie dauerhafte Herrscheraufenthalte, Grablege der Dynastie, Anwesenheit des Hofes, Konzentration von fest eingerichteten Verwaltungseinrichtungen, religiöse Zentren u.a. Zur Diskussion vgl. zusammenfassend Escher/ Hirschmann 2005, 123–137. Vgl. zur Einordnung dieses Befundes Moraw 2001.
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VI. Ausblick ins Spätmittelalter: die Universitäten Seit der Zeit um 1200 erhielten die Domschulen auch von anderer Seite verstärkt Konkurrenz: Neben den entstehenden Universitäten – allen voran Paris und Bologna – mit ihrer europaweiten Ausstrahlung verblassten sie als Bildungsinstitute mehr und mehr.110 Dies galt allerdings zunächst nur für das romanisch geprägte Süd- und Westeuropa. Im Reichsgebiet war bekanntlich Prag (1348) die älteste Universität, im deutschen Sprachraum Wien (1365), gefolgt von Heidelberg (1385), und nach diesen aus landesherrlicher Initiative entstandenen Hochschulen wurde in Köln 1388 die erste städtische Universität gegründet. Die Mehrzahl entstand jedoch nicht an Bischofssitzen, und unter letzteren besaß allein die Kölner Universität überregionale Ausstrahlung.111 Prag büßte diese mit dem Auszug der meisten deutschsprachigen Professoren und Studenten nach Leipzig im Zuge der Hussitenunruhen ab 1409 teilweise ein und hatte schließlich nur noch regionale Bedeutung.112 Mainz, Trier und Basel blieben stets bedeutungslos, die Würzburger Universität war ohnehin nur kurzlebig. Dem standen am Ende des Mittelalters dreizehn landesherrliche oder städtische Universitäten gegenüber, die nicht an Bischofssitzen errichtet worden waren. Die meisten Universitäten finanzierten sich über Pfründen an ortsansässigen Kollegiatstiften.113 Mitunter stifteten die Landesherren auch Hochschulen, nachdem eine geplante Bistumsgründung gescheitert war, um auf diese Weise wenn schon nicht kirchlich-administrativ, so doch zumindest im Bildungssektor eine gewisse Autonomie gegenüber auswärtigen Herrschaftsträgern zu erlangen.114 Auch dürfte die Errichtung eines Bistums bzw. ersatzweise einer Universität als Konstitutivum eines sich herausbildenden Landesbewusstseins eine Rolle gespielt haben. Unter allen Zentralitätskriterien stellen die Universitäten wohl das am stärksten an die Stadt gebundene dar. Während selbst Bettelordensniederlas110
111 112 113 114
Vgl. hierzu mit Bezug auf Magdeburg Pätzold 2001, 89, mit der Feststellung, dass „die Schule in Magdeburg ebenso wie das gesamte traditionelle Bildungswesen jener Zeit durch das Aufkommen der Universitäten beeinflußt wurde. Denn die höhere Bildung verlagerte sich allmählich von den herkömmlichen Kloster- und Kathedralschulen weg und hin zu den neuen ‚hohen Schulen‘. Wer also im 13. Jahrhundert die damals moderne, scholastische Theologie gründlich kennenlernen wollte, ging am besten nach Paris“. Vgl. etwa die Zusammenstellung bei Verger 1993, 70f., und Verger 1999, Sp. 1252. So Moraw 1999, 111. Zur Bedeutung der Stiftskirchen bzw. -pfründen für das Bildungswesen im späten Mittelalter vgl. insbesondere Moraw 1995a. Dies war etwa in Wien 1365 und in Löwen 1425 der Fall. Sowohl die Herzöge von Brabant als auch die Habsburger und somit die wohl mächtigsten Herrschaftsträger im Reich – hatten sich im 14. Jahrhundert vergeblich um eine Bistumsgründung bemüht. Zu Löwen vgl. zuletzt Schmidt 1999, 216–219, sowie Hirschmann 2004, 229f. Zur Wiener Universität vgl. Mühlberger 2001; zum Versuch einer Bistumsgründung durch Erzherzog Rudolf IV. vgl. Csendes/ Opll 2001, 127.
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sungen in seltenen Fällen in Dörfern115 oder gar in einsamer Lage116 errichtet wurden, entstanden die Hochschulen ausschließlich in (wenn auch oftmals nur mittelgroßen) Städten.117 Dadurch erwuchs nicht nur den Domschulen, sondern auch den Mendikantenklöstern neue Konkurrenz. Zwar fungierten die Bettelordensstudien mitunter als Keimzellen der Universitäten, so die der Franziskaner in Köln und Erfurt,118 generell aber nahm deren Bedeutung gegen Ende des Mittelalters ab: „Die Mendikanten gerieten gegenüber dem Weltklerus ins Hintertreffen.“ 119 In anderen Fällen prägten allerdings die Bettelmönche die neuen Universitäten; teilweise waren ihre Generalstudien den Universitäten assoziiert oder inkorporiert.120 Mitunter erlebten in deren Sog die Mendikantenklöster als Ausbildungsstätten einen Aufschwung, wie dies für Trier nachgewiesen werden konnte.121 Neben den Universitäten erlebten die Dom- und Klosterschulen im späten Mittelalter auch verstärkten Konkurrenzdruck „von unten“, denn in den nachwachsenden Zentren entstanden nun vermehrt von geistlichen Institutionen, der Stadtgemeinde oder einzelnen Laien getragenen Schulen. Hierfür stellt das auch in anderer Hinsicht (etwa bei der medizinischen Versorgung) oft eine Vorreiterrolle einnehmende Brüssel ein markantes Beispiel dar. 1320 lagen hier die Stadt und das Stift St. Michael-und-Gudula im Konflikt um die Schulen, den Herzog Johann III. von Brabant dahingehend schlichtete, dass er den Kanonikern zwar ihr Unterrichtsmonopol bestätigte, sie aber zugleich zur Einrichtung neuer Schulen verpflichtete. Seither gab es in Brüssel eine höhere Schule für Jungen, vier niedere Schulen für Jungen und ebenso vier für Mädchen, eine weitere Jungenschule befand sich in Molenbeek vor den Mauern der Stadt, und sogar die Gründung einer höheren Schule für Mädchen wurde anvisiert, kam dann aber nicht zur Ausführung.122 Nicht nur im Bildungssektor hatten die meisten Bischofssitze ihre ehemals herausragende Stellung im urbanen Gefüge an der Wende zur Neuzeit eingebüßt. Von daher ist es auch bezeichnend, dass nur ein knappes Drittel der rund vierzig Großstädte am Ende des Mittelalters einen Bischofssitz beherbergte. Nach Köln mit seinen etwa 40.000 Einwohnern (zu dem Brüssel in Bezug auf die Einwohnerzahl mittlerweile aufgeschlossen hatte) sind hier Metz, Magdeburg und Prag zu nennen. Auch Utrecht, Lüttich, Straßburg, 115 116 117 118 119 120 121 122
Hier ist etwa auf die Augustinereremiten in Hillesheim in der Eifel zu verweisen, vgl. Bönnen/Hirschmann 2006, 31. Ein bis heute sehr augenfälliges Merkmal hierfür stellt Seligental bei Siegburg dar, vgl. Busch 1981. Vgl. etwa die Karte bei Verger 1993, 72. Berg 1999, Sp. 813. Springer 1999, 37. Dies gilt bei den Franziskanern für Heidelberg, Köln, Freiburg, Trier, Erfurt, Rostock und Greifswald, vgl. Roest 2000, 41. Schmidt 1986, 311–319. Lefèvre 1942, 213–215; Wensky 1999, 23f.
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Augsburg und Wien zählten mit rund 20.000 Einwohnern zu den größten Städten im Reich. Bremen lag bei rund 15.000, Münster bei 10.000, und auch Basel und Regensburg dürften die „Großstadtgrenze“ erreicht haben – im Gegensatz zu Trier, Mainz, Würzburg und allen anderen.123 Hinzu kommt, dass unter den genannten Städten mehr als die Hälfte (Köln, Metz, Straßburg, Augsburg, Basel, Regensburg und Bremen) bereits seit langem Freie Reichsstädte waren und ihre Bischöfe nicht mehr in der Stadt residierten. VII. Fazit Ihre Hochzeit als Bildungszentren hatten die Bischofssitze somit um die Jahrtausendwende erlebt, jedoch setzte sich ihre Ausstrahlungskraft bis ins 11. Jahrhundert hinein fort. Ab dem 13. Jahrhundert erfuhren die Dom- und Klosterschulen einen zunehmenden Bedeutungsverlust angesichts der Konkurrenz durch die neu aufkommenden Bettelorden und ihre Generalstudien, die sich allerdings durchaus noch an den Bischofssitzen konzentrierten, auch wenn andere Städte bereits eine stärkere Dynamik entfalteten. Mit den nur ausnahmsweise noch an Bischofssitzen errichteten Universitäten gerieten diese weiter ins Abseits, sodass am Übergang zur Neuzeit unter den Kathedralstädten nur noch Köln und – mit Abstrichen wegen der sinkenden Ausstrahlungskraft seiner Universität – Prag als herausragende Bildungszentren fungierten. Letzteres war zudem der einzige Ort im Reich, der – wenn man es an den Personen festmachen will – zugleich einen Bischof und einen Universitätsrektor (und darüber hinaus einen König) in seinen Mauern beherbergte. Mit seinen zwei fortbestehenden Synagogen war Prag zudem (ebenso wie Worms) ein Mittelpunkt jüdischen Geisteslebens. Hinzu kam das erst sehr spät zum Bischofssitz erhobene Wien mit seiner landesherrlichen Universität und den Generalstudien der Bettelorden, das ebenso wie Prag (und Erfurt) dokumentiert, dass die aufstrebenden Städte des Ostens im Zuge der spätmittelalterlichen Ausgleichstendenzen den aus der Antike resultierenden Vorsprung der alten Bischofssitze westlich des Rheins weitgehend eingeholt hatten.124
123 124
Vgl. die Übersicht bei Hirschmann 2009, 18–20. Vgl. hierzu etwa Moraw 1995b.
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Bischofssitze als Bildungszentren im hohen Mittelalter
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Neue Bistümer, neue Bücher? Die Erstausstattung der Dombibliotheken in Bamberg und Merseburg als Indikator für zugedachte Zentralfunktionen von Markus Schütz
Betrachtet man hochmittelalterliche Bischofssitze als geistige Zentren und Orte der Verkündigung des Evangeliums, so liegt der Gedanke an Bücher nahe: Bücher, in denen das Wort Gottes und die Gedanken der Menschen darüber aufgeschrieben sind, Bücher, die als Grundlage von Bildung und Verkündigung dienen konnten. Der einer Bamberger Regelhandschrift entnommene Tagungstitel verweist auf die „Hirten der segenspendenden Kirchen ..., die als Erleuchtete die Samen des lebendigen Wortes streuen, auf denen sie selbst, so scheint es, wie auf festen Säulen stehen.“1 Über die Funktion von Büchern als Säulen geistigen Lebens dürfte bei den Zeitgenossen vor tausend Jahren Konsens bestanden haben, auf mediävistischen Tagungen unserer Zeit ist das nicht anders.2 Ist diese pauschale Gleichsetzung von ‚Buch = Bildung‘ unter wissenschaftlichen Maßstäben jedoch ohne weiteres zulässig? Gerade die besonders prominenten Handschriften werfen hier Fragen auf. Denn liest man die verschiedenen Kataloge oder einschlägige Literatur über illuminierte Bücher, so stößt man immer wieder auf die Formulierung, diese Cimelien hätten „selten oder nie Verwendung“ gefunden.3 Etwas gelehrter formuliert: „Der eigentliche Text und die Lesenutzung von Evangelienbüchern treten dabei gegenüber der präsentistischen Materialität des Codex zurück.“4 Vor einigen Jahren hat zudem Ludger Körntgen die von der Kunstgeschichte geprägte Wahrnehmung von Herrscherbildern mit der These ins Wanken gebracht, daß auch ins Bild gesetzte 1
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Abt Gerhard von Seeon schrieb dies um 1012 in seinen Widmungsversen einer für Bamberg bestellten Regelhandschrift, Staatsbibliothek Bamberg, Msc. Lit.143, f. 4v—5r; ediert von Karl Strecker (MGH Poet. lat. 5), Leipzig 1937, 397f.; vgl. van Eickels 2002. Vgl. Patzold 2002. Zuletzt Taegert 2007, 91 und Taegert 2012, 95, ebenso Wünsche 2007, 89. Schemmel 2007, 67 sieht die Funktion des Evangeliars Ottos III. in seinem „außerordentlichen Rang“. Der Codex hatte „wie vergleichbare Prachtcodices, kaum einen praktischen, sondern einen ideellen Wert. Eine solche Zimelie wurde höchstens zu den Besuchen des Herrschers aufgelegt. In der Wertschätzung oszillierte sie später zwischen Reliquie und Heiltum“. Felix Heinzers Vortrag zur „Inszenierung des Evangelienbuchs in der Liturgie“ im Mediävistischen Arbeitskreis der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel; vgl. Tagungsbericht Codex und Raum (16.11.2006–17.11.2006), Wolfenbüttel, in: H-Soz-u-Kult, 04.06.2007, .
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Propaganda keineswegs für irdische Augen bestimmt, sondern nur Gott als Publikum zugedacht war.5 Nun stellen die illuminierten Codices lediglich einen kleinen Teil der Handschriftenüberlieferung dar. Dennoch ist die Frage berechtigt, welche Funktion Büchern denn sonst zugedacht war, wenn man sie nicht aufschlug, ihre Bilder nicht betrachtete, ihre Texte nicht las. Von den Abteien St. Gallen und Montecassino haben sich bedeutende mittelalterliche Bestände erhalten, die Kölner Dombibliothek gehört ebenfalls zu jenen Glücksfällen, in denen sich Quantität und Qualität mittelalterlicher Bibliotheken anhand des noch vorhandenen Originalbestandes gut erforschen lassen.6 Dieser Beitrag will sich jedoch den Dombibliotheken von Bamberg und Merseburg zuwenden. Er tut dies aus einem bestimmen Grund: In beiden Fällen handelt es sich nämlich um Bistumsneugründungen der Jahrtausendwende. Der Sonderfall der beiden ‚verspäteten‘ Bistümer brachte ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit in den Quellen mit sich. So läßt sich jeweils ein Bibliotheksbestand untersuchen, der nicht über Jahrhunderte angewachsen ist, sondern innerhalb weniger Jahrzehnte an einem Ort neu aufgebaut wurde. Bedeuten neue Bistümer auch neue Bücher? Versuchsweise soll hier davon ausgegangen werden, daß generell die Erwerbung einer Handschrift die Wahrnehmung eines Bedarfs impliziert. Beim Akt der Neugründung mußten Ausstattung und Funktion eines Bistums als Pflanzstätte des Glaubens neu definiert werden. Bücher waren ein Teil dieser Idee. Der Neuanfang 1004 und 1007 erlaubt daher die Frage, was zu einer Komplettausstattung eines Bistums nach Ansicht der Zeit gehörte, welche Quellen für die Ausstattung einer Neugründung mobilisiert wurden und wie man sich die Funktion dieser Bücher vorstellen kann. Diesen drei Aspekten folgen die Abschnitte der vorliegenden Untersuchung: Zunächst soll in komprimierter Weise die Situation in Merseburg und Bamberg Revue passieren, dann ist die Quellengrundlage vorzustellen, nämlich der erhaltene Buchbestand. Drittens stellt sich die entscheidende Frage nach der tatsächlichen Benutzung und Funktion der Bücher. 1. Des Herrschers neue Bistümer Mit der Einrichtung des Bistums Bamberg war im Jahr 1007 die Reihe der Bistumsgründungen im nordalpinen Reich abgeschlossen. Die Forschung hat sich mit Merseburg und Bamberg intensiv beschäftigt.7 5
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Körntgen 2001. Zuletzt vgl. den Vortrag von Henry Mayr-Harting zu „Pictorical symbolism and public communication. The contrast between Otto III. and Henry II.“ auf der Münsteraner Tagung des SFB 496 „Die Bildlichkeit symbolischer Akte“ 2007, der eine unterschiedlich starke propagandistische Zielrichtung der Auftragswerke annimmt. Die Codices Electronici Ecclesiae Coloniensis (http://www.ceec.uni-koeln.de/) und die Codices Electronici Sangallenses (http://www.cesg.unifr.ch/de/index.htm) bieten ein hervorragendes Erschließungsinstrument für diese Ensembles. Zu Merseburg: Kunde e.a. 2005 (darin bes. Ehlers 2005); Kunde e.a. 2004; Ramm 2003;
Neue Bistümer, neue Bücher?
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Zunächst brachte Heinrich II. 1004 die unter seinem Vorgänger Otto III. begonnene Restitution des Bistums Merseburg zum Abschluß. Das Bistum des hl. Laurentius war 968 von Otto dem Großen gegründet, von dessen Sohn jedoch 981 aufgelöst worden. Kaiser Otto III. hatte die rechtliche Grundlage dieser Auflösung auf Synoden diskutieren lassen. Es waren die Beschlüsse seines Vorgängers, die Heinrich II. ab 1002 konsequent umsetzte. Ganz seiner persönlichen Initiative entsprang dagegen die Einrichtung einer Diözese an der Regnitz nur drei Jahre später.8 Bamberg und Merseburg verbinden einige Gemeinsamkeiten. Beide gingen aus einer Pfalz hervor, zu der der Herrscher eine besondere Beziehung pflegte und die vorher Teil der dos waren.9 Die Merseburger Pfalzkapelle St. Johannes wurde ab 968 als Bischofskirche und nach der Auflösung 981 als Klosterkirche weitergenutzt. Dieses Mindestmaß an Kontinuität genügte offenbar auch 1004 für einen ordnungsgemäßen Betrieb selbst während der Herrscheraufenthalte. Erst 1015–1021 hob man durch einen Neubau die sakrale Infrastruktur auf ein für eine bischöfliche sedes angemessenes Niveau und richtete in der Folgezeit unter dem Patrozinium St. Peter auf dem Altenberg ein Kloster, um die Mitte des 11. Jahrhunderts auch ein Stift ein. Die uns heute erhaltene Bibliothek ist daher in der Tat ein Überrest der eigentlichen Dombibliothek. Auf dem Bamberger Burgberg gab es vor 1007 lediglich eine kleine Marienkirche. Es mußten praktisch alle Teile der Ausstattung neu beschafft werden. Dennoch ging hier manches schneller. Der Plan entstand unmittelbar nach der Königswerdung 1002, die Frankfurter Gründungssynode tagte 1007, die Domweihe erfolgte 1012 und 1020 ist in Bamberg der Besuch Papst Be-
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Hehl 1997; Lippelt 1973 u. Holtzmann 1926. Zu den Bistumsgründungen: Hoffmann 1993; Georgi 1998; Althoff 1998; Beumann 2000; Althoff 2001; Petersen 2006 u. van Eickels Bamberg 2007a. Zu Bamberg vgl. die Zusammenschau im Kontext des Bistums- und Domjubiläums: Urban 2006; Göller e.a. 2007; van Eickels e.a. 2007; Schneidmüller 2007 u. Jung/Hölscher 2012. Für das vorliegende Thema weiterhin von Interesse: Berichte des Historischen Vereins Bamberg 131 (1995) u. 133 (1997) und mit einem besonderen Schwerpunkt auf den Handschriften: Kirmeier e.a. 2002. Zu Kaiser Heinrich II. mit weiterer Literatur: Weinfurter 2000. Für die Umstände der Bistumsgründungen von Merseburg und Bamberg sei auf den Beitrag von Ulrike Siewert in diesem Band hingewiesen, die den enormen Aufwand anspricht, den diese beiden Bistumsgründungen notwendig machten. Ludwig Vones thematisiert die Chancen, die eine wissenschaftliche Bibliothek für großräumige Gelehrtenkontakte bot und Jürgen Bärsch nimmt weitere konkrete Anwendungen von Buchbesitz in den Blick. Die Umwandlung des Klosters Bobbio, einer Columbanischen Gründung, war im Jahr 1014 die dritte und letzte Bistumsgründung unter Kaiser Heinrich II. Bobbios Situation inmitten der lombardischen Städte gehört jedoch in einen anderen Kontext und bleibt deshalb trotz seiner ebenfalls berühmten, aber älteren Bibliothek in diesem Vergleich unberücksichtigt. Eine ungewöhnliche, persönliche Beziehung zwischen Heinrich und seiner Gründung läßt sich an der Terminierung von Urkunden (MGH D HII 134f. von 1007) und der Domweihe 1012 auf den Geburtstag Heinrichs II. am 6. Mai erkennen. Keller 2001; Ehlers 2003 u. Ehlers 2005a.
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nedikts VIII. zu vermelden, der bei dieser Gelegenheit das Stift St. Stephan weihte. 1021 folgte die Weihe der Abteikirche auf dem Michelsberg. Die Bamberger Bestände verteilen sich demnach auf die drei Bibliotheken von Dom, Kloster Michelsberg und dem Stift des hl. Erzmärtyrers Stephan. Für die Funktion eines Bistums wirkten alle drei Institutionen als Verbund zusammen. Ortswechsel einzelner Bücher zwischen Dom, Kloster und Stift sind nachgewiesen.10 Im gegenwärtigen Kontext läßt sich folglich die Aufteilung auf drei Bibliotheken hintanstellen. Für beide Bistümer war es zuallererst der Herrscher, der ihre Einrichtung beschließen und durchführen ließ. Als Heinrich II. den Plan faßte, Merseburg als Bistum zu restituieren und Bamberg neu zu gründen, übernahm er auch die Aufgabe, dort „allmählich alles zusammenzubringen, was für die Feier der göttlichen Geheimnisse nötig war“ – wie es Thietmar von Merseburg in seiner Chronik ausdrückte.11 Neue Bistümer brauchen Kirchen, Reliquien, fromme und gebildete Männer, einen abgegrenzten Rechtsraum in Form eines neuen Sprengels, eine tragfähige Güterausstattung, ein umfassendes Inventar vom Wasserkännchen für die priesterliche Handwaschung bis zum Taufbrunnen, vom Weinkeller bis zur Pferdetränke. Und: Neue Bistümer brauchen Bücher. An erste Stelle stehen die Bücher für den Vollzug des Gottesdienstes. Allein hier gibt es eine lange Liste verschiedener, unmittelbar in der Meßfeier oder den Tagzeiten benötigter Handschriften – Evangelistare und Sakramentare, Gradualhandschriften und Ordines, Antiphonare und Homiliare – und weitaus mehr Varianten und Klassifizierungen wären hier zu nennen. Bücher bildeten die Grundlage der Rechts- und Lebensordnung, sie dienten dem persönlichen Seelenheil ebenso wie der Konsensstiftung hinsichtlich allgemeiner Tugenden und Glaubenslehren. Schriften der Väter, Mönchs- und Klerikerregeln, Heiligenviten und – am Ende des 10. Jahrhunderts gerade neu aufblühend – die Kanonessammlungen gehörten in den Bücherschrank jeder geistlichen Institution. Daneben konnte man in Traditionsbüchern Besitzstände sichern, Heilsgeschichte in Chroniken oder Bischofsgesta auf die eigene Gegenwart zulaufen lassen und durch wissenschaftliche Werke die Zeit mittels der Gestirne exakter berechnen. All dies gelang nur, wenn man die Schriftsprache Latein beherrschte. Also kam zu all diesen Gebrauchsschriften noch ein Bestand an Schulliteratur, ein Kanon von klassischen Autoren, an denen man Sprachkenntnisse und Stil schulen konnte. Mit anderen Worten, man benötigte für ein neues Bistum eine Bibliothek, deren einer Teil für den gottesdienstlichen Gebrauch vorgesehen war und den man daher zweckdienlich in unmittelbarer Nähe zur Kirche aufbewahrte – in der Sakristei oder der Schatzkammer – und deren anderer Teil aus Büchern für den außerliturgischen Gebrauch, für erbauliche Lektüre, Geschichte oder 10 11
Dengler-Schreiber 1979, 8. Thietmar von Merseburg Chronik, VI, 102: „Heinricus etenim rex aecclesiam adaugxit nostram multis utilitatibus, inprimis divino apparatu ... Euvangelium auro et tabula ornatum eburnea ...“.
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Schule vom armarius beaufsichtigt wurde. Gab es an einem Ort mehrere Kirchen, mußten diese ebenfalls zumindest mit den liturgischen Handschriften ausgestattet werden. Woher aber nahm man 1004 bzw. 1007 all diese Bücher für zwei Bistümer? Hier wird nun ein Blick auf die erhaltenen Bestände notwendig. 2. Altbestände und Auftragsarbeiten Beide Dombibliotheken in Bamberg und Merseburg haben einen Teil ihrer Gründungsausstattung am Ort bewahrt. Die Bamberger Handschriften sind geradezu vorbildlich erforscht. Die bis zum Jahr 1127 zurückreichenden Schatzverzeichnisse und die Bücherverzeichnisse seit 1140 erlauben zwar nur zu kleinen Teilen die eindeutige Identifizierung von Handschriften, geben aber Hinweis auf die Kontinuität des Bestandes.12 Im Jahr 1736 legte der Subkustos des Domes Graff ein minutiöses Bücherverzeichnis an.13 Die hervorragende Aufarbeitung der Bamberger Bestände in den letzten Jahrzehnten ist vor allem Hartmut Hoffmann und den Bamberger Bibliothekaren Fridolin Dressler, Bernhard Schemmel und Werner Taegert zu verdanken.14 Die reiche und kontroverse Diskussion um die Datierung der fünf, teils faksimilierten Münchner Cimelien faßt der Katalog von Elisabeth Klemm zusammen.15 Mit Hilfe der mittelalterlichen Bücherverzeichnisse rekonstruierte Karin Dengler-Schreiber die Michelsberger Bibliothek.16 Peter Wünsche trug aus liturgiewissenschaftlicher Perspektive zur Einordnung der Inhalte bei17 und Gude Suckale-Redlefsen krönte die Beschäftigung mit den Codices 2004 durch den Katalog der Handschriften des 8. bis 11. Jahrhunderts,18 die auch im Netz als „Heinrichsbibliothek“ samt Katalogen Seite für Seite durchgeblättert werden können.19 Um 1100 dürfte es in der Dombibliothek etwa 400 Codices, im Michelsberg etwa 200 Handschriften und in St. Stephan ein unbekannte Zahl weiterer 12
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Die älteste Nachricht über vermißte Objekte aus dem Domschatz datiert um 1075 im Psalterium Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 45, f. 1r. Das älteste Domschatzinventar befindet sich im Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 86 XI 61 rot von 1127 (Abschrift 14. Jh.); Custos Ulrich erwähnt 120 Handschriften; vgl. Ruf 1939. Vgl. Baumgärtel-Fleischmann 1999 sowie Suckale-Redlefsen 2004, XXXIV. Hoffmann 1986; Hoffmann 1995; Dressler 1995; Schemmel 1997; Schemmel 2007; Taegert 2007 u. Taegert 2012. Klemm 2004. Außerdem Bierbrauer 1990, Nr. 229, S. 115–117. Für die Reichenauer Cimelien (Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4452, clm 4453, clm 4456 sowie Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 140 u. Lit. 6) existieren Faksimiles oder digitalisierte Ausgaben. Dengler-Schreiber 1979. Wünsche 1998. Suckale-Redlefsen 1995 u. Suckale-Redlefsen 2004. Diese Kataloge ersetzen Leitschuh e.a. 1887–1966. Zu den mittelalterlichen Verzeichnissen vgl. Ruf 1939. http://www.kaiser-heinrich-bibliothek.de.
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Bücher gegeben haben.20 Heute ist davon die beachtliche Anzahl von 175 Originalen erhalten.21 Innerhalb weniger Jahre entstand so eine Bibliothek, die es an Umfang und Qualität mit ihren altehrwürdigen Schwestern in St. Gallen, St. Emmeram oder Würzburg aufnehmen konnte.22 Angesichts dieser ungeheueren Massen erstaunt es, daß für das nur drei Jahre zuvor eingerichtete Merseburg überhaupt Bücher verfügbar waren.23 Für das Bistum an der Saale dürfen wir uns alles etwas bescheidener vorstellen. Der älteste Merseburger Katalog listet 1565 insgesamt nur 173 Handschriften auf, von denen tatsächlich die meisten erhalten, aber nur 26 vor die Mitte des 11. Jahrhunderts zu datieren sind.24 Der heutige Bestand ist also weitaus kleiner und war das offenbar bereits im Mittelalter. Der Kenntnisstand über die Merseburger Bibliothek beruht auf detaillierteren Forschungen zu einzelnen Handschriften, unter denen das Merseburger Sakramentar oder die Merseburger Zaubersprüche hervorragen,25 sowie auf einer allgemeinen Sichtung der Bestände durch Walther Holtzmann und Bernhard Bischoff.26 Paul Fridolin Kehrs Urkundenbuch verzeichnete darüber hinaus Nachrichten zum Merseburger Domschatz27 und das vom Domstift 2004 begangene Bistumsjubiläum sorgte für einen Katalog, der ebenfalls einen Teil der Handschriften berücksichtigt.28 Ausgesprochen selten sind aber 20 21
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Hoffmann 1995, 87–89. Bisher nicht bearbeitet sind die Pergamente, die in der frühen Neuzeit als Einbände für Rechnungsbücher des Domkapitels – heute im Staatsarchiv Bamberg – verwendet wurden. Zu verlorenen Handschriften vgl. Suckale-Redlefsen 2002. Alle drei Bibliotheken umfaßten im 11. Jahrhundert etwa 500 Bände – vgl. Schemmel 2007, 62. Durch die Kontinuität einer geistlichen Gemeinschaft vor Ort ist anzunehmen – aber bislang nicht zu belegen, daß ein Teil der Handschriften der Gründungswelle von 968 zuzurechnen ist. Bislang fehlt eine Untersuchung zur Buchausstattung der gleichzeitig mit Merseburg errichteten Bistümer Magdeburg, Zeitz und Meißen. Index librorum qui repositi in Cathedralis Ecclesiae Merseburgensis Bibliotheca asservantur sowie Index quartus et postremus Bibliothecae Mersburgensis ad D. Sixtum; Landeshauptarchiv Magdeburg, Rep. A 30a I Nr 15. Das Verzeichnis von 1562 enthält nur heute noch vorhandene Bücher der Dombibliothek: Cod. 4–114, 122, 127–140, 146 u. 171, wobei heute zusammengebundene Handschriften in wenigen Fällen separat aufgeführt und einmal zwei heutige Handschriften zusammengefaßt genannt werden. Merseburg Cod. 108 ist nach der Liste eine verlorene Handschrift. Dazu auch: Müller 1968 u. Nagel 1999/2000. Zu den 26 Handschriften zählen außerdem zwei Codices der Dresdner Landesbibliothek (A 208 und R 147), vgl. Manitius 1966. Oltrogge e.a. 2005, Beck 2005, auch im Katalog Kunde e.a. 2004. Außerdem Glaser 2000; McKitterick 2001, 214; Hoffmann 2003 u. Rademacher 1912. Das meiste Inter esse zog das Merseburger Sakramentar mit Nekrolog (Cod. 129) auf sich, vgl. bes. Die Totenbücher von Merseburg, Magdeburg und Lüneburg und zuletzt Hoffmann 2006. Holtzmann 1940. Mit Cod. 1–171 sind alle mittelalterlichen Stücke der heutigen Domstiftsbibliothek (Cod. 1–208) enthalten. Vgl. auch Bernhard Bischoff: Beschreibungen von Merseburger Handschriften im Handschriftenarchiv der Berliner Akademie (HSA). Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg 1, bes. 1080f. (Anh. 7). Kunde e.a. 2004, 65f. u. 312–328 zu Cod. 1–3, 9, 54, 83, 89, 136 u. 202; Kunde e.a. 2005.
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exakte Datierungen, Stifter-, Schreiber- oder Besitzvermerke, die allein eine präzise Zuschreibung an zeitlich einordenbare Persönlichkeiten oder Schreibbzw. Malschulen ermöglichen.29 Wenn hier von einer Gründungsausstattung an Büchern die Rede ist, so muß dies stets unter Vorbehalt gesehen werden. Die Datierung einer Handschrift vor oder während der Einrichtung des Bistums legt zwar nahe, daß die Bibliotheken insgesamt in dieser speziellen Bedarfssituation zusammengeführt wurden. Eine Entstehungszeit vor der Mitte des 11. Jahrhunderts impliziert jedoch nicht zwangsläufig, daß ein einzelnes Objekt nicht erst als spätere Erwerbung seinen Weg in die fragliche Bibliothek fand. Denkt man sich die Ausstattung eines Bistums als gestreckten Prozeß, so können Erwerbungen mindestens bis zum Tod des Stifters Heinrich II. (1024) oder des ersten Bischofs (Wikbert 1004–1009 bzw. Eberhard 1007–1040) unter dem Kontext der Gründungsausstattung betrachtet werden. Offen kann gleichzeitig bleiben, wie die Rollen bei der Stiftung personell verteilt waren. Ob Bücherstiftungen auf die unmittelbare Initiative des Herrschers zurückgingen, ob Bischöfe, andere Kleriker oder außenstehende Personen Handschriften beisteuerten und in welcher Phase vor, während oder nach dem eigentlichen Gründungsdatum dies geschah, kann bis auf wenige Ausnahmen nur gemutmaßt werden. Solche Beiträge anderer Personen dürften sicher der Absicht des Kaisers und seiner Personalentscheidungen entsprochen haben.30 Unter diesem Vorbehalt der im Einzelfall unsicheren Einordnung in den Gründungskontext soll hier versucht werden, den Gesamtbestand jener 26 Merseburger und 175 Bamberger Handschriften zu sichten, die vor der Mitte des 11. Jahrhunderts entstanden. Weitaus problematischer wirkt sich möglicherweise die schwer abschätzbare Bestandsveränderung durch die quellenmäßig im Regelfall nicht überlieferten Verluste aus. Zwei Kriterien stehen hier im Vordergrund. Erstens wird nach der Herkunft der Bücher gefragt, wobei Erwerbungen vorhandener Codices von den 29
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Für Merseburg darf man auf einen Handschriftenkatalog hoffen, der durch Arno Mentzel-Reuters bei den Monumenta Germaniae Historica im Projekt „Merseburger Schriftlichkeit“ vorbereitet wird. Die 2006 neu eingerichtete Bibliothek im Kapitelshaus bietet optimale Arbeitsbedingungen und eine Digitalisierung der Bestände ist ebenfalls bereits im Gange (Das multimediale Archiv KoRAX als Projekt der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz und der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, http://archive.thulb.uni-jena.de/korax/content/below/index.xml). Zu Buchstiftungen im Umkreis Heinrichs II. vgl. Suckale-Redlefsen 2002 sowie McKitterick 2001, 214. Hoffmann, Schemmel und Suckale-Redlefsen schließen aus dem Wert der Handschriften, daß niemand außer dem Herrscher solche Geschenke machen konnte. Für die illuminierten Prachthandschriften der Reichenau oder des Regensburger Sakramentars mag dies gelten. Es sind jedoch genügend Beispiele für kaum weniger hochrangige Buchstiftungen durch Bischöfe belegt, die ihrer Kirche nicht selten ganze Ensembles vermachten: zu Bernward von Hildesheim vgl. Brandt e.a. 1993. Zu Sigebert von Minden vgl. Suckale-Redlefsen 2002. Zu Thietmar von Osnabrück vgl. Schnackenburg 2002, 71f. Zu Wikbert von Merseburg vgl. Merseburg Cod. 4–6.
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Neuanfertigungen unterschieden werden müssen. Zweitens bleibt die inhaltliche Zusammensetzung der Handschriften zu untersuchen. Bei der Zusammensetzung und Herkunft der Merseburger Bücher stößt man schnell an die Grenzen der Rekonstruierbarkeit. Es fehlen über weite Strecken die exakte Bestimmung von Schriften, Malschulen und Bindungen, zur Einordnung und Herkunft der enthaltenen Texte. Die Datierung beruht in der Regel auf einer groben paläographischen Einordnung. Zuweisungen an Schreibschulen sind bisher nicht möglich. Selbst im Fall des angelsächsisch beeinflußten Schreibers im Cod. 8 läßt sich nicht sagen, wo dieser Schreiber tätig war. Möglicherweise ist dieser Cod. 8 mit dem formatgleichen Evangeliar (Cod. 9) zusammengehörig. Paläographisch bilden die Cod. 12, 103, 105 und 109 eine Gruppe, die ebenfalls in das 9. oder spätestens in das 10. Jahrhundert zu datieren ist. Gut einordnen läßt sich das initialengeschmückte St. Galler Sakramentar vom Ende des 10. Jahrhunderts.31 Ob die vier übrigen Handschriften aus dem 9. Jahrhundert32 und der noch früher anzusetzende Jesaia und Jeremia33 mit den beiden genannten Gruppen in irgendeinem Zusammenhang stehen, bleibt offen. Schreibern des 10. Jahrhunderts sind acht Bücher zuzuordnen,34 aus dem frühen 11. Jahrhundert stammen sechs Codices sowie die Chronik des Merseburger Bischofs Thietmar.35 Es sind also nur für sechs der 26 Stücke Gruppen erkennbar, die alle auf karolingerzeitliche Skriptoren verweisen. Immerhin stammt mit 16 Handschriften über die Hälfte des Bestandes aus dem 10. und frühen 11. Jahrhundert, so daß 968 oder 1004 gezielt vergebene Aufträge oder Sammeltätigkeiten angenommen werden können. Die sächsischen Bistümer und Klöster bildeten die Basis der ottonischen Herrscher, doch müßte der Nachweis erst noch geführt werden, ob hier sächsische Skriptorien herangezogen wurden.36 31 32 33 34 35
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Merseburg Cod. 129. Merseburg Cod. 42, 54, 61 u. teilw. 136. Merseburg Cod. 83. Merseburg Cod. 11, 14, 57, 89, 95, 127 u. teilw. 136 sowie Dresden A208. Merseburg Cod. 20, 55, 88, 94, 135 u. teilw. 136 sowie Dresden R147. Weitere Nachträge des 11. Jahrhunderts in mehreren Handschriften belegen deren Vorhandensein der Dombibliothek, ohne weitere Anhaltspunkte für die Herkunftsbestimmung zu liefern. Teilweise untersucht sind Essen, Werden und Corvey: Hoffmann 1991. Im Projekt ‚Kloster Werden an der Ruhr – Soziales Wissen und Lernen 800–1500‘ beabsichtigt Eckhard Freise auch eine Rekonstruktion der Klosterbibliothek. Gerchow 1999, bes. 212–249 u. Karpp 1999. Kahsnitz 2001, bes. 230–240 (sowie ebd. Band 2, Katalog, 176–198, Nr. IV.7 bis IV.15) mit einzelnen Handschriften zum Skriptorium und der Malschule von Corvey. Corveyer Handschriften lassen sich u.a. in Essen, Gandersheim, Quedlinburg, Helmstedt und Magdeburg nachweisen. Vgl. außerdem: Hoffmann 1992. Zu den Hildesheimer Cimelien vgl. Brandt e.a. 1993. Aus den anderen Neugründungen von 968 ist lediglich eine handvoll Handschriften des 10. Jahrhunderts erhalten. Zur Buchausstattung Magdeburgs vgl. Puhle 2001, Nr. V.31–34. Die sedes Zeitz wurde 1028 nach Naumburg verlegt, vgl. Stewing e.a. 2005. Die 968 Magdeburg zugeordneten, aber älteren Bistümer Brandenburg und Havelberg wurden nach dem Slawenaufstand 983 aufgegeben. Allein Meißen bestand unverändert weiter. Neue Einsichten verspricht die
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19 Merseburger Codices werden derzeit vor oder in das 10. Jahrhundert datiert und sind daher nicht eindeutig der ersten oder zweiten Gründung zuzuordnen.37 Ob durch Personaltransfer neue Bücher nach Merseburg kamen, läßt sich für die ersten Jahre nicht belegen.38 Inhaltlich waren die in einer Kathedrale erwartbaren liturgischen und patristischen Handschriften vorhanden – Evangelistare und sogar eine eigene Handschrift mit Apostelgeschichte und Apokalypse, Kommentare Gregors des Großen und von Augustinus, Prudentius und Eusebius, Sulpicius Severus und eine kanonistische Sammelhandschrift. Da sich unter den 26 Handschriften immerhin acht Homiliare und Kommentare erhalten haben – also ein Drittel – während lediglich ein Pontifikale und zwei Sakramentare39 sowie ein Sakramentarfragment aus der ursprünglichen Ausstattung überlebt haben, könnte man darüber Vermutungen anstellen, ob dies an einem höheren Veräußerungsrisiko der für den Gottesdienst kostbar ausgestatteten Handschriften oder an einer durch die Reformation veränderten Bedarfssituation liegen könnte. Anders als in Bamberg finden sich aber keinerlei Bücher, die einer Domschule zuzuordnen wären. Wissenschaftliche Traktate gibt es überhaupt nicht, klassische Autoren fehlen. Ein Prudentius hat sich bezeichnenderweise nicht am Ort, sondern in Dresden erhalten.40 Ohne Zweifel erlangte Merseburg nie den Ruf eines „Sepher Cariath“ oder eines mit Athen vergleichbaren Hortes der Wissenschaft, wie es Gerhard von Seeon in schmeichelnden Worten für Bamberg festhielt. Die Existenz einer Domschule ist in Merseburg nicht belegt, doch konnte Thietmar von Merseburg immerhin auf Klassiker zurückgreifen.41 Die Merseburger Lücke bei den Schulwerken bleibt erklärungsbedürftig.
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seit 2007 von der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel betriebene Katalogisierung der Handschriften des Halberstädter Doms und von vier Chorherrenstiften. Da die Bischofskirche während der Aufhebung 981–1004 als Laurentiuskloster fortbestand, ist von einer gewissen Kontinuität auszugehen. Heinrich II. konnte sich frühestens 1002 mit der Ausstattung Merseburgs befaßt haben. Im Falle des St. Galler Sakramentars (Merseburg Cod. 129) ist anzunehmen, daß eine Handschrift des 10. Jahrhunderts erst nach 1004 an die Saale kam. Der erste Merseburger Bischof Boso kam aus St. Emmeram, Handschriften aus Regensburg sind jedoch nicht nachweisbar. Zu Boso vgl. Fink von Finkenstein 1989, 119f. Auch die Bischöfe der anderen Gründungen stammen von außerhalb, so Erzbischof Adalbert von Magdeburg aus der Abtei Weißenburg bzw. St. Maximin/Trier und Burchard von Meißen ebenfalls aus St. Emmeram/Regensburg. Die Herkunft der Bischöfe Hugo von Zeitz, Dudo von Havelberg und Thietmar von Brandenburg ist nicht gesichert. Seit 1004 standen dagegen die Kontakte zur Metropole Magdeburg im Vordergrund, wo die neugegründete Domschule unter Othrich einen guten Ruf genoß. Doch ob damit ein Handschriftentransfer verknüpft war, läßt sich nach derzeitigem Stand nicht erkennen. Merseburg Cod. 127 u. 129. Dresden, Sächsische Landesbibliothek, A 208. Die Handschrift stammt aus dem 10. Jahrhundert. Der Besitzvermerk „Sancto Petro Werinherus ep.“ verweist auf das nach 1015 gegründete Kloster/Stift St. Peter und Bischof Werner von Merseburg (1063–1093). Thietmar benutzte u.a. Vergil und Horaz sowie Ovid, Persius, Lucanus, Terenz, Statius, Martialis, Juvenalis, Macrobius, Prudentius, Augustinus, Gregor I., Isidor von Sevilla –
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Ebenso fehlt heute die Gattung der Gradual- und Antiphonarhandschriften, die für den Gottesdienst zwingend vorhanden gewesen sein müssen, aber nach dem Ende der lateinisch gefeierten Liturgie in der Reformation obsolet geworden waren. Das Pontifikale und die drei Evangelistare sind Reste eines einstmals sicher weit umfangreicheren Bestandes, aus dem noch drei Bücher mit biblischen Texten erhalten sind – allenfalls die Apostelgeschichte dürfte von diesen im Gottesdienst verwendet worden sein. Am geringen Anteil erhaltener liturgischer Manuskripte liegt es wohl, daß nur drei Handschriften illuminiert und aufwendiger gestaltet sind.42 Kostbare Buchdeckel sucht man ebenso vergeblich, doch sind in zehn Fällen die Einbände offensichtlich verloren, sieben weitere Einbände wurden in einer Bindeaktion des 15. Jahrhunderts durch neue, einheitliche ersetzt.43 Keine der heute noch vorhandenen Handschriften enthält ein Widmungsbild, nur ein einziger, fragmentarisch erhaltener Codex verfügt über eine hochrangige Ausstattung: Das Evangelistar Cod. 54. Den Beginn des Matthäus evangeliums markiert ein Purpurblatt, die übrigen Evangelisteninitialseiten wurden herausgeschnitten und auch vom Einband blieb nur noch der Lederrücken erhalten. Der Deckel kam wohl wegen seines materiellen Wertes abhanden. Genau in diese hochrangige Handschrift trug man nach 1081 drei Urkunden als Traditionsnotiz ein, so daß sie wohl als das kostbarste Evangeliar der Domkirche angesehen wurde. Kaiser Heinrich II. schenkte jedenfalls ein gold- und elfenbeingeschmücktes „Evangelium“ nach Merseburg, das Thietmar als einzige individuelle Handschrift in seiner Chronik erwähnt.44 Die prominenteste Merseburger Handschrift ist allerdings jenes Sakramentar, in das Thietmar von Merseburg das Totengedenken seines Bistums, die Memoria des ottonischen Herrscherhauses und seiner selbst eintrug.45 Es
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ob aus vollständigen Ausgaben oder über andere Autoren wie Isidor vermittelt, bleibt offen; vgl. die Einleitung in: Trillmich e.a. 2002, XXVI. Merseburg Cod. 54, 83 u. 94. Ohne Einband sind heute die Merseburger Cod. 9, 54, 88, 89, 95, 103, 105, 127, 129 u. 135, darunter je zwei Sakramentare und Evangelistare und drei Homeliare. Cod. 14 besaß möglicherweise bereits ursprünglich keine Buchdeckel. Die neugebundenen Bücher stammen vermutlich aus der Bibliothek: Cod. 42, 55, 57, 61, 83, 94 u. 136, darunter immerhin zwei liturgische Bücher (Evangelistar Cod. 94 u. Pontifikale Cod. 57). Es ist kaum davon auszugehen, daß man Handschriften mit Prachteinbänden durch die neuen Standardeinbände im Rang herunterstufte. Thietmar von Merseburg Chronik, VI, 102: „Evangelium auro et tabula ornatum eburnea“. Kunde e.a. 2004a, 52 bezieht diese Stelle auf den Merseburger Cod. 129, doch handelt es sich bei diesem um ein Sakramentar, nicht um ein Evangeliar. Merseburg Cod. 129, s.o. Die Totenbücher von Merseburg, Magdeburg und Lüneburg, bes. XIIIXXI. Thietmars Namen wurde in die Te Igitur-Initiale am Beginn des Kanons eingetragen (f. 38r), zwischen etwa 1009 und dem Ende des 11. Jahrhunderts datieren Memorialeinträge und Ergänzungen im Kalendar von verschiedenen Händen (z.B. f. 8v-27r Ergänzung der Adventssonntage sowie des Kalendars durch weitere Heiligenfeste und Namen von über 700 Verstorbenen in zwei Hauptschichten von 1015/1016 (bes. Umkreis Thietmars) sowie von 1017/1018 (bes. Umkreis Heinrichs II.) und weitere Einträge). Hoffmann
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stammt aus St. Gallen, weist einige kunstvolle Initialen auf und gehörte – wie die Nekrologeinträge belegen – zu den am höchsten wertgeschätzten Bücher der Kathedrale. Das Sakramentar dürfte ebenso wie das Evangelistar Cod. 54 ursprünglich einen Prachteinband besessen haben und zu den drei von Heinrich II. gestifteten „Plenarien“ gehören.46 Denn obwohl der Cod. 129 in das 10. Jahrhundert datiert wird, erfolgten die Merseburger Ergänzungen erst ab dem Jahr 1010, so daß auch diese zentrale Handschrift erst nach 1004 durch eine Umwidmung an die Saale kam.47 Zehn Handschriften aus dem 8.-9. Jahrhundert und acht Codices des 10. sind nicht eindeutig einer der Gründungsphasen nach 968 oder 1004 zuzuordnen. Jedenfalls stammte etwa die Hälfte aller Bücher aus anderen, älteren Bibliotheken. Die Transferierung alter Codices ist auch nach 1004 belegt, wo zu den sechs in das elfte Jahrhundert datierten Bänden mindestens noch ein Sakramentar des 10. und wohl ein Evangelistar des 9. Jahrhunderts hinzukommen.48 Es fehlen Hinweise, daß diese Stiftungen Heinrichs II. in einem gemeinsamen Skriptorium in Auftrag gegeben worden sein könnten, doch kam ein wesentlicher Teil der repräsentativen Codices erst bei der Wiedererrichtung des Bistums 1004 nach Merseburg. Widmungsgedichte, eine Bücherliste und Klagen über den Bücherräuber Heinrich geben ein weitaus plastischeres Bild von den Kanälen, aus denen die Stiftungen für Bamberg flossen. Hier läßt sich die Erwerbspolitik Heinrichs deutlicher, wenn auch keineswegs vollständig ablesen. Bevor die inhaltliche Zusammensetzung der neuen Bibliothek betrachtet wird, steht daher ein Überblick zur Herkunft ihrer Ausstattung. Daß es rigoroser Sammeltätigkeit bedurfte, um aus dem Nichts eine Bibliothek zu schaffen, die es quantitativ
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2001, 388 äußerte Zweifel an der Theorie einer „Übertragung“ des ottonischen Familiengedächtnisses. Unstrittig ist jedoch, daß diese Memoria ab Bischof Thietmar in Merseburg gepflegt wurde. Merseburger Bischofschronik, 176: „Dedit hic imperator [Heinrich II.] nobis plurima divino officio conveniencia, scilicet tria plenaria, unum de auro et eburnea tabula ornatum quod minimum est; secundum auro gemmis et eburnea tabula variatum quod preciosus est; tercium auro electro et preciosissimis gemmos artificiose decoratum quod optimum est“. Zum ursprünglichen Einband des Merseburger Cod. 129 gibt es keine unmittelbaren Quellen, doch wurde der Einband später unter Verlust der ersten Blätter gewaltsam vom Buchblock getrennt; vgl. Die Totenbücher von Merseburg, Magdeburg und Lüneburg, XXI. Für die beiden anderen Plenarien könnte man an die fragmentarisch erhaltenen Merseburg Cod. 20 (11. Jh. als Fragment im Vorsatz) und Cod. 127 (10. Jh. mit Traditionsnotizen) denken, zu prüfen wäre außerdem das Pontifikale Cod. 57 (10. Jh.). Vgl. dazu McKitterick 2001, 214. Der ursprüngliche Textbestand spiegelt St. Galler Gegebenheiten und wurde erst in Merseburg an die dortigen Bedürfnisse angepaßt – vgl. Die Totenbücher von Merseburg, Magdeburg und Lüneburg, XXI. Die Annahme, der Codex gehörte zu jenen, die Kaiser Otto II. laut Ekkehards Casus s. Galli, c. 143 requirierte – und die dann über Otto III. an Heinrich II. gekommen wären – läßt sich nicht belegen; vgl. Hoffmann 1995, 15 zu Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 44. Die durch Bischof Thietmar zwischen 1012 und 1018 selbst verfaßte Chronik bildet hier einen Sonderfall.
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und qualitativ mit den größten des Reiches aufnehmen konnte, berichtet die Chronik des Klosters Petershausen: „Als der bereits genannte König Heinrich aus anderen Kirchen alles das zusammensammelte, was irgendwie nötig war, um den von ihm erbauten Ort [Bamberg] zu bereichern und zu schmücken, da beraubte er viele Orte durch seine Bitte, wohingegen er seinen Ort über die Maßen bereicherte.“ Bischof Lambert von Konstanz mußte ein „subsidium wie die übrigen Bischöfe auch“ erbringen. „Daher nahm Lambert aus dem vom hl. Gebhard gegründeten Kloster mit Gewalt viele von den Schätzen weg, … um dem Willen des Kaisers zu entsprechen.“49 Andere – wie der französische König Robert II. – gaben Bücher als Ehrengaben, die der Herrscher dann weiterschenken konnte.50 Ob die Personalentscheidungen bei der Bistumsgründung mit einem Buchtransfer verbunden waren, läßt sich nicht mehr eindeutig belegen. Eberhard, der Gründungsbischof, stammte wie sein „nepos“51 Heinrich aus Bayern. Die erzählenden Quellen kommentieren, Heinrich habe in der Bamberger Domschule Hildesheimer Disziplin und Lütticher Gelehrsamkeit zusammengebracht. Obwohl der erste Schulleiter Durandus – vorher Lüttich – namentlich bekannt ist, fehlt von Büchern aus Niederlothringen jede Spur.52 Eine möglicherweise über Bischof Bernward an Otto III. vermittelte Handschrift aus Hildesheim enthält jedoch einen Cicero-Kommentar von Boethius und nicht etwa eine Kloster- oder Klerikerregel.53 Kontributionen und Geschenke griffen in bestehende Bibliotheken ein. An den kostbarsten Cimelien hingen Prestige und Identität der Kirchen. Eine weitaus bessere Quelle hochrangiger Handschriften fand sich in den von seinem Vater und seinem Vorgänger ererbten Beständen. Ein Widmungsbild 49
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Chronik des Klosters Petershausen, II, 3 (90): „cum iam dictus rex Heinricus undecumque ex aliis ecclesiis queque necessaria erant ad ditandum et ornandum locum quem construxerat studiosissime congregaret, multa loca rogando spoliavit, quosque locum suum ultra modum ditavit. Qua de re factum est, ut etiam Lampertum Constantiniensis aecclesiae praesulem rogare, ut et ipse sicut et caeteri episcopi, de sua aecclesia sibi aliquot subsidium subrogare deberet.“ Beim Herrschertreffen 1023 wählte Heinrich II. aus den angebotenen Geschenken ein Evangeliar und ein Reliquiar aus; vgl. Radulfus Glaber Historiae, III, 8: „obtulit Rotbertus rex immensa munera auri atque argenti et preciosarum gemmarum Henrico, centum insuper equos honestissime faleratos, super unumquemque lorica et galea, mandans insuper tantum illorum amiciciam minuere quantum contingeret ex omnibus illi relinquere. At Henricus cernens amici liberalitatem, suscepit ex illis tantum librum euangelii, auro et lapidibus preciosis insertum, ac philaterium simile factum continens dentem sancti Vincentii leuite et martyris“. Es wird vermutet, daß die weihenden Bischöfe zur Bamberger Domweihe 1012 Reliquien mitbrachten; vgl. Zimmermann 1997, bes. 85f. Ebenso wären Handschriftenpräsente vorstellbar. MGH D H II 208 vom 29.10.1009. Zu Eberhard zuletzt Weiss 2006. In den Handschriften finden wir allerdings keinen direkten Beleg. Eine Reihe von Codices ist nach Lothringen zu lokalisieren, doch ist dabei eher an Oberlothringen zu denken. Immerhin in Köln sind Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 94 und Class. 36 geschrieben. Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Class. 14; vgl. Mütherich 1986, 21.
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Herzog Heinrichs des Zänkers zeugt von der „Umwidmung“ einer Regelhandschrift, die von Heinrichs Vater an das Damenstift Niedermünster gestiftet worden war, dann aber nach Bamberg umgeleitet wurde.54 Kaiser Otto III. – 1002 plötzlich und mit gerade 21 Jahren verstorben – versorgte Heinrich unfreiwillig sogar über mehrere Kanäle mit bedeutenden Büchern vor allem aus den Bereichen Recht, Geschichte, Musik und Artes sowie mit klassischen Autoren und durch ihr Alter wertvollen Bücher.55 Noch während des Rücktransports des toten Kaisers aus Italien versicherte sich der damalige Bayernherzog der kaiserlichen Erbmasse. Da waren neben persönlichem Besitz56 zum einen illuminierte Codices, die Otto III. bestellt, deren Fertigstellung er aber nicht mehr erlebt hatte.57 Zum anderen zeigt eine Bücherliste, die Bischof Leo von Vercelli wohl von eigener Hand in das Lorscher Arzneibuch eintrug, daß Otto seinerseits zwölf Bücher vom Gelehrten Johannes Philagatos übernommen hatte: „Dies sind die Bücher des Kaisers Otto III., die Johannes in Piacenza zur Benutzung vorfand.“58 Der Umstand, daß Johannes zunächst Erzieher Ottos III., dann Bischof von Piacenza wurde und nach seinem sogenannten Verrat 997 der bald vernichtete Gegner des Kaisers geworden war, erklärt sowohl den Weg der Bücher wie auch die Damnatio memoriae, da Leo von Vercelli bei der Dokumentation des Vorbesitzers der Bücher mitten im Eintrag seines Namens „Joh...“ aussetzte. Eine zweite Gruppe von Codices aus Italien könnte über den eifrigsten Verfechter der kaiserlichen Stellung in Oberitalien an Otto III. oder direkt an Heinrich II. gelangt sein, nämlich den bereits genannten Bischof Leo von Vercelli. Dabei handelt es sich vor allem um kanonistische Schriften.59 Für eine dritte Gruppe ist wiederum der persönliche Kontakt Ottos zu einem geistlichen Ratgeber entscheidend. Diesmal handelt es sich um Gerbert 54
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Hubel 2007, bes.120–122 zum möglichen Kontext der Umwidmungen. Das Regensburger Sakramentar könnte von Heinrich selbst zuerst für den dortigen Dom bestimmt gewesen sein, bevor es um 1007 nach Bamberg kam. Spannend wäre ein Vergleich mit der Praxis bei anderen Stiftungen, bei Gütern oder Einkünften in Urkunden und noch viel mehr bei Goldschmiedearbeiten oder Textilien. Ob hier ebenfalls Umwidmungen vorkamen, wird vereinzelt zusammen mit der Provenienz der Stücke diskutiert; Suckale-Redlefsen 2002a, 85f. Im Falle der Alten Kapelle bei der Regensburger Herzogspfalz schenkte Heinrich II. sogar eine komplette Regensburger Kirche an Bamberg; vgl. Schneidmüller 2002 und Gruber 2006. Mütherich 1986, 21. Das Gebetbuch Ottos III. (Bayerische Staatsbibliothek München, clm 30111) befand sich bis um 1700 ebenfalls in der Bamberger Dombibliothek. Solch persönlicher Buchbesitz ist für Heinrich II. nicht belegbar. Dies wird für einige der illuminierten Reichenauer Handschriften (Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4453, und Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 140) kontrovers diskutiert. Vgl. auch Mütherich 1986, Anm. 11f. Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Med. 1: „Isti sunt libri tertii imperatoris Ottonis, quos Placentiae invenit sibi servatos“. Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Can. 1, Can. 4, Iur. 1 und Patr. 107 – vgl. Mütherich 1986, 17f.
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von Aurillac, der vermutlich erst in seiner Zeit als Papst (ab 999) Bestände aus seiner früheren Heimat Reims an Otto sandte, für die sich ein thematischer Schwerpunkt in den Schriften des Boethius und der Artes erkennen läßt.60 Ob einige St. Galler Handschriften in Bamberg zu jenen Büchern gehören, die der Vater Ottos III., Otto II., sich dort hat aushändigen lassen, kann nur gemutmaßt werden.61 Heinrich II. nutzte offenbar alle Möglichkeiten, um an Bücher zu kommen. Die bisher genannten Quellen erwecken den Eindruck, als wäre dabei vor allem die Verfügbarkeit von Büchern ausschlaggebend gewesen: Bücher, die gerade verschenkt werden konnten, weil ihre Besitzer verstorben waren oder sie seinerseits an den Kaiser geschenkt hatte. Florentine Mütherich hat darauf aufmerksam gemacht, daß alle nach Bamberg gelangten Bücher, die mit Otto III. in Verbindung gebracht werden können, vom jung verstorbenen Kaiser erst in seinen letzten vier oder fünf Lebensjahren erworben wurden.62 Auch jene Werke, die das Skriptorium noch nicht verlassen hatten, können insofern als „alte“ Bücher gelten, weil sie von Otto III. für andere Empfänger bestellt wurden, und durch den Tod des Auftraggebers umgewidmet wurden.63 Unter den eindeutig identifizierbaren Exemplaren zeichnen sich mehrere Kriterien ab, die diesen Altbeständen in unterschiedlicher Kombination zu eigen war: Sie waren teilweise sehr alt – das heute noch erhaltene Livius-Fragment immerhin aus dem 5. Jahrhundert – und hatten durch Amt und Gelehrsamkeit berühmte Vorbesitzer, wie der Boethius Karls des Kahlen.64 Zu diesen Altbeständen kam eine lange Liste von Neuanfertigungen, die speziell für das neugegründete Bistum in Auftrag gegeben worden sind. Eine historiographische Handschrift wurde dem Kloster Corvey zur Abschrift unter der Bedingung überlassen, bei dieser Gelegenheit eine weitere Abschrift für Bamberg herzustellen.65 Heinrich war hier offenbar als Vermittler tätig. Das Widmungsgedicht des Abtes Gerhard von Seeon informiert über ein weiteres Skriptorium, aus dem mehrere, vor allem liturgische Bücher der Dombibliothek stammen.66 Das Kloster nahe des Chiemsees unterhielt enge Beziehungen 60 61 62 63
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Mütherich 1986, 19–21, vor allem Klassikerhandschriften und Kirchenväter, aber auch die Historien Richers von Reims. S.o. Anm. 47. Mütherich 1986, 14. Der Festtag des hl. Adalbert in einer Reichenauer Handschrift könnte als mögliches Indiz für die Bestimmung dieser (und weiterer?) Handschriften für Aachen unter Otto III. dienen; für diesen Hinweis danke ich Herrn Prof. Franz Machilek. Zu den möglichen Plänen einer Bistumsgründung in Aachen durch Otto III. – die dann einen ähnlichen Bedarf erzeugt hätte, wie unter Heinrich II. in Bamberg – vgl. Hehl 1997 und nochmals Hehl 2001/2002. Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Class. 5. Die künstlerische Ausstattung dieser Handschriften bewegte sich vielfach auf hohem Niveau (auch Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 6 u. Bibl. 1), sie waren jedoch noch nicht an ihre ursprünglichen Empfänger übergeben worden. Landulf Sagax Historia Romana – vgl. Hoffmann 1995, 101f. sowie Rotter 2005, 425f. Der Codex Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 143 enthält ein Widmungsgedicht, in dem
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zu Regensburg und Salzburg und war zudem eine Aribonische Gründung – hier aktivierte Heinrich Kontakte aus seiner Zeit als bayerischer Herzog, wie sie auch bei den umgewidmeten Regensburger Büchern zugrunde liegen. Obwohl die Seeoner Aufträge mit reichem Initialschmuck versehen waren, kamen die kostbarsten Geschenke aus der Reichenauer Schule, die bereits für Otto kaiserliche Bücher hergestellt hatte und nun mit dem von Heinrich II. bestellten Perikopenbuch den Höhepunkt ihres Schaffens erreichte.67 Allein das ungewöhnlich große Format und der verschwenderische Umgang mit dem Pergament inszenieren das Buch als Prestigeobjekt. Die Qualität der Ausstattung durch Initialseiten und häufig doppelseitige Illuminationen wurde für die biblischen Szenen ebenso eingesetzt, wie für ein Herrscherbild am Anfang. Der Blick auf die Buchdeckel bestätigt den Aufwand, den man bei der Ausgestaltung betrieb. Die Texte zu den Artes fanden in schlichten Ledereinbänden Platz. Für die im Gottesdienst vom Priester bzw. Bischof benötigten Bücher besorgte man sich karolingische oder byzantinische Elfenbeintafeln, Gemmen und Edelsteine, fertigte man Goldschmiede- und Emailarbeiten. Die Integration älterer Kunstwerke wertete die Buchdeckel auf.68 Die Anordnung der Steine und Zierleisten, vor allem aber die Bilder der Elfenbeine und Emails, der Treib- und Interrasilearbeiten verliehen den Deckeln eine eigene Programmatik, die derjenigen der Illuminationen in nichts nachstand. Bei einigen Einbänden und Bildseiten entschlüsseln Inschriften die Deutung und tragen zur Frage nach der Funktion der Handschriften bei. Gliedernde Zierseiten, Autorenbilder oder Bildseiten stehen in funktionaler Verbindung zu Textteilen. Widmungsbilder und Widmungsgedichte heben auf die Bedeutung des Objekts insgesamt ab. Sie stellen den memorialen Aspekt in den Mittelpunkt und betonen den Rang der Stifter, wovon im folgenden noch zu sprechen ist.69 In der Zusammenschau decken die Bamberger Bestände quantitativ wie thematisch alle an einer Bischofskirche relevanten Bereiche ab: Liturgica, darunter durch Alter und Ausstattung ausgezeichnete Cimelien, Homiletik für Gottesdienst und Selbstheiligung, Patristik, Regelhandschriften und Kanoni-
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der Abt das „auf deine Anordnung niedergeschriebene Büchlein“ nennt. Zur Seeoner Malerschule: Suckale-Redlefsen 1993; Kahsnitz 1994; Kirmeier e.a. 1994 und Schemmel 1997. Der einzige bekannte Besuch Heinrichs II. auf der Reichenau fiel in den Sommer 1002, als er seine Ansprüche nach der Mainzer Krönung erst noch durchsetzen mußte. Das Prinzip integrierter Altkunst funktionierte auch bei Reliquiaren (Bergkristallgefäße aus dem Orient wie z.B. Flakons, Schachfiguren bis hin zum ungarischen Königsszepter) sowie bei Kelchen (Kelch und Adler aus dem Schatz Sugers aus St. Denis im Louvre) oder dem Heinrichskelch der Münchner Residenz, bei dem Marmor- oder Bergkristallgefäße in neuer Funktion neu gefaßt wurden. Vom Buchdeckel der Apokalypse Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 140 hat sich neben einem Fragment die Inschrift abschriftlich erhalten; vgl. zuletzt: Klein 2000/2001. Dem Widmungsbild des Perikopenbuches Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4452 steht ein langer Text gegenüber; vgl. Dressler 1995 auch zu Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 130 und Lit. 143.
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stik, daneben Handschriften der Volksrechte, der Artes und der Klassiker für Trivium und Quadrivium.70 Dazu zeigt die Herkunft der Bamberger Bücherschätze in besonderer Weise, wie unterschiedliche Bezugsquellen ausgeschöpft wurden. Aus dem existierenden Bestand älterer Bibliotheken kamen vor allem patristische und wissenschaftliche Schriften bzw. Klassiker. Liturgica waren demnach an anderen Orten nicht entbehrlich, waren zu fest mit Altären oder Memoria verknüpft oder nicht in der gewünschten Prachtausstattung verfügbar. Auf ihnen liegt daher der Schwerpunkt bei den Neuanfertigungen. Zu den liturgischen Handschriften ist noch ein besonderer Punkt anzusprechen: In Bamberg versammelte man liturgische Bücher, deren liturgische Traditionen keineswegs durchgehend miteinander vereinbar waren.71 Mit dem Pontificale Romano Germanico und dem Fuldaer Sakramentar waren die beiden erfolgreichsten Haupttypen des gregorianisch-gelasianischen Mischsakramentars der Jahrtausendwende in Bamberg vorhanden. Der König oder seine Gefolgsleute stifteten Sakramentare oder Mönchsregeln, die für die Verwendung im neuen Konvent erst adaptiert werden mußten. Was bezweckte man mit der Zusammenführung solch heterogener Bestände? Es ist durchaus unklar, ob das bloße Vorhandensein eines Ordos auch impliziert, daß er am Ort für die liturgische Praxis benötigt und in diesem Fall auch unverändert verwendet wurde. Die Mehrzahl der Handschriften stammen aus Bischofskirchen, für die beispielsweise der „Ordo qualiter ordinetur Romanus pontifex“72 oder der „Ordo Romanus ad benedicendum imperatorem quando 70
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Vgl. besonders die Tabellen bei Schemmel 1997: 47 Klassikerbände, 40 Biblica, 39 Patristik, 24 Liturgica, 10 kanonistische Handschriften, 6 Bücher zur Geschichte, 3 Juridica, je 2 Bände der Philosophie, Medizin und Isidors, dazu 29 Fragmente vor allem aus den Bereichen liturgischer und patristischer Handschriften. Bei Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4456 handelt es sich um ein Mischsakramentar mit gallischen Einflüssen. Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 1 enthält den Fuldaer Sakramentartyp. Wünsche 1998, 14–22: „Bei der Gründung des Bistums zu Anfang des 11. Jahrhunderts und in den darauffolgenden Jahrzehnten kamen Sakramentare verschiedener Provenienz und unterschiedlicher Typen nach Bamberg. Die im 11./12. Jahrhundert in Bamberg selbst redigierten Sakramentare [Lit. 4 und Lit. 11] griffen vorhandenes Traditionsgut auf und stellten es neu zusammen.“ Die liturgischen Handschriften (Sakramentare, Evangelistare) stammen aus folgenden Skriptorien: Reichenau (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 5 und Bibl. 140, Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4452, clm 4453, clm 4454), Regensburg (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 6, Lit. 8, Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4456), Seeon/Salzburg (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 7, Lit. 53, Bibl. 95) und anderen süddeutschen Skriptorien (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 131, Bibl. 92), Corvey (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 96, Bibl. 133), Fulda (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 1), Lorsch (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 93), Köln (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 94) und Mainz (Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4451). Noch Mitte des 11. Jahrhunderts kamen Sakramentare aus Freising (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 2), Lüttich (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 3) und Hildesheim (Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 54) hinzu. Eine ähnliche Beobachtung für Essen macht: Bärsch 1997, bes. 13–19 und 322f. Le Pontifical romano-germanique, Ordo LXXI (Numerierung der Edition).
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coronam accipit“73 lediglich Vergegenwärtigung eines Rituals waren, das man eben nicht selbst vollzog. Soweit die Überlieferungsverluste für die Bibliotheken Merseburg und Bamberg erkennen lassen, erhielten beide in den ersten Jahren unmittelbar nach der Bistumsgründung eine Ausstattung, die den liturgischen Bedürfnissen einschließlich der Homiletik und Patristik Rechnung trug. Die Feier des Gottesdienstes zeigt sich als primäre Aufgabe einer Bischofskirche, woran graduelle Unterschiede in der Ausstattung nichts ändern. Auf funktionelle Unterschiede deuten die rechts- und naturwissenschaftlichen Werke sowie die Klassikerhandschriften hin, die Bamberg über Nacht zu einem Haus der Weisheit machten, die in Merseburg aber nicht nachweisbar sind. Ein Bistum konnte offenbar auch ohne eine Schule seine Zentralfunktionen wahrnehmen. 3. Bücher als Reliquiare des Wortes? Die Diversität liturgischer Traditionen leitet über zur Frage nach der Benutzung. Bei der Beschaffung mag in vielen Fällen die Verfügbarkeit ausschlaggebend für den Transfer nach Bamberg gewesen sein. Dennoch: Die Handschriften Leos von Vercellis, Gerberts von Aurillac oder Ottos III. hätten auch an mehrere Empfänger verteilt oder bereits 1004 nach Merseburg gegeben werden können. Daß sie bis 1007 zurückgehalten worden waren, deutet auf eine bewußte Auswahl. Nicht vergessen werden sollte der Sachverstand Heinrichs II. Die Latinität des Kaisers, seine Eigendiktate und seine bildungsmäßig ebenbürtige Interaktion mit den Bischöfen sind überliefert. Er kannte also einige jener Autoren und Werke, die er für die beiden neuen Bistümer zusammenbrachte. Und er kam auf seinen Reisen durch das Reich genügend mit Bibliotheken in Kontakt, um zu wissen, woher man hochwertige Handschriften beziehen konnte. Die Büchersuche Heinrichs und seiner Gefolgsleute war erfolgreich, denn immerhin versammeln sich in Bamberg eine Reihe wichtige Textzeugen alter und seltener Werke wie das antike Geschichtswerk des Livius, eine AlkuinBibel, ein St. Gallener Psalterium quadrupartitum oder das Regensburger Graduale.74 Gleichzeitig war die Bibliothek auf dem neusten Stand durch ein Pontificale Romano Germanico, die Historien Richers von Reims oder das Decretum des Bischofs Burchard von Worms.75 Der Ruf der Bamberger Domschule und der Erfolg ihrer Schüler im 11. Jahrhundert belegen, daß die Geistlichen dieses Startkapital durchaus nutzten. Es entstanden Abschriften, Glossierungen oder Traditionsnotizen, ein Skriptorium auf dem Michelsberg und – allerdings erst um 1100 – sogar eine
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Ebd. Ordo LXXV. Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Class. 35a, Bibl. 1, Bibl. 44 und Lit. 6. Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 53, Hist. 5 und Can. 6.
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Welle neuer Werke.76 In Merseburg erlaubt die dünnere Materialgrundlage keine vergleichbar detaillierten Überlegungen. Was die wissenschaftlichen Bücher angeht, so kann hier der Inhalt die Funktion einer Handschrift erklären. Bei den konkurrierenden Sakramentartypen ist die praktische Benutzbarkeit nicht ohne weiteres klar. Sucht man losgelöst vom enthaltenen Text nach alternativen Motivationen, diese Bücher nach Bamberg zu schaffen, so wird man zuerst an den repräsentativen Charakter der kostbaren Objekte denken. Eine unmittelbare dingliche Repräsentation ergibt sich aus dem materiellen und künstlerischen Wert der Ausstattung, aus Goldschmiedearbeiten, Elfenbeinen und Gemmen der Einbände, aus farbenprächtiger, goldglänzender Malerei oder initialendurchsetzten Buch- und Zierschriften.77 Eine mittelbare dingliche Repräsentation liegt im Seltenheitswert – das Alter der Objekte, das Renommee der Vorbilder oder der Vorbesitzer werden wahrgenommen, wie die Stellung des Codex’ Aureus von St. Emmeram für die Regensburger Buchmalerei zeigt.78 Die Herkunft der Bücher transportiert potentiell symbolische Botschaften, wenn mit dem Pergament ein Stück von der Gelehrsamkeit oder der Autorität ausgesuchter Orte in die eigenen Bibliothekswände geholt wird. Spolien oder eingearbeitete exotische Pretiosen verbinden materielle und ideelle Kostbarkeit, wie die Gemmen auf den Evangelistareinbänden oder die diptychonartigen Elfenbeintafeln der beiden Bamberger Gradualhandschriften eindrucksvoll demonstrieren.79 Die Umsetzung prominenter Vorlagen für Bilder oder Buchschmuck lassen sich am Regensburger Sakramentar besonders gut studieren.80 Viel Aufwand trieb man 76 77
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Frutolf von Michelsberg und Heimo von St. Jakob setzten auf historiographischem Gebiet Meilensteine. Allg. vgl. Ehlers, J. 2002 u. Märtl 1992 sowie Schneidmüller 1998. Völlig von der Benutzung lassen sich Illuminationen jedoch nicht trennen, da sie entweder gliedernde Funktion übernehmen oder in unmittelbarem Bezug zum Text stehen. Dies läßt sich bereits am Platz des Buchschmuckes ablesen. Zu Anfang oder Ende einer Handschrift findet man die der Erschließung dienenden Kalendare bzw. Kanontafeln. Regelmäßig durch Bilder ausgezeichnet werden der Kanon als Mittelpunkt der Meßfeier oder die höchsten Festtagsevangelien. Über das individuelle Gedächtnis hinaus ist die Objektgeschichte der Bücher an Exlibris oder Kalendaren ablesbar. Das Funktionieren von Zitaten und Vorlagen läßt sich an nahezu identischen Thronbildern des Evangeliars Ottos III. und der beiden Einzelblätter in Chantilly und im Bamberger Flavius Josephus verfolgen – vgl. Suckale-Redlefsen 2003. Vorlagen außerhalb der eigenen Schule lassen sich in Regensburg gut studieren, wo Abt Ramwold von St. Emmeram den Codex Aureus Karls des Kahlen restaurieren ließ und dabei – unter Imitation von dessen Zierelementen – sein Bild hinzufügen ließ. Auch die Widmungs- und Autorenbilder des etwa zeitgleichen Regelbuches von Niedermünster greifen dessen Illustrationsstil auf. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4451–clm 4454, Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 7 und Lit. 8 – vgl. Shalem 2007, besonders 167–169 zu Objekten der Zeit Heinrichs II. Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4456 – Für die Anfertigung des Sakramentars verdoppelte man das Herrscherbild – eine Eigenheit, die bisher noch nicht schlüssig gedeutet werden konnte. Hier ist von Interesse, daß man offenbar zwei unterschiedliche
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für Autorenbilder, Widmungsbilder und -gedichte. Als zweiter Besitzer einer Handschrift erbte man zudem Gebetseinträge und Memorialverpflichtungen oder ging gegenüber dem Stifter neue Verbindlichkeiten ein, die in den Handschriften eingetragen wurden. Die Materialität der Objekte, die Kostbarkeit ihrer Ausstattung und die ideelle Bedeutung bestehen in der Theorie unabhängig von einer lesenden Verwertung.81 Sie schließen diese aber nicht aus. Im Gegenteil: Als exponierte Träger von Liturgie, Ordnungsvorstellungen und Bildung verknüpfen Codices das Heil der göttlichen Geheimnisse sowie den Ruhm der Stifter mit zentralen Bereichen des gemeinschaftlichen Lebens an den Kirchen. Warum sollte man seine wertvollsten Repräsentationsgüter nicht so einsetzen, wie es ihrem Inhalt entspricht und wie sie auch eine maximale Öffentlichkeitswirkung entfalten konnten, nämlich bei festlichen Gottesdiensten? Thietmars Chronik hält einen solchen Moment ausdrücklich fest: Kaiser Otto II. bestätigte der Magdeburger Kirche ihr Recht, den Erzbischof zu wählen, „durch ein Buch, das sich heute dort befindet“, das „sein und der Kaiserin Theophanu goldenes Bildnis“ enthielt und das der Erzbischof öffentlich vorzeigte, nachdem er daraus gelesen hatte.82 Es ist eine seit langem ungeklärte Frage, ob man aus den mit Illuminationen ausgezeichneten Teilen einer Handschrift folgern kann, an welchen Festen sie zum Einsatz kommen sollte.83 Für zwei der prominentesten Bam-
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Vorlagen durch beide Bilder zusammenführte. Die erste Vorlage war das Thronbild Kaiser Karls des Kahlen aus seinem Codex Aureus, der auch dem übrigen Schmuck der Handschrift als Vorlage diente. Das zweite Herrscherbild auf der Rückseite des gleichen Pergamentblattes zeigt Heinrich II. stehend, die Komposition bis hin zur Gesichtsfarbe orientieren sich an einem byzantinischen Typ, für den heute nur noch ein Zeugnis in der Bibliotheca Marziana in Venedig vergleichend herangezogen werden kann. Obwohl also mit dem Codex Aureus Karls des Kahlen eine überaus prominente Vorlage zur Verfügung stand, versuchte man sich in St. Emmeram noch an einer Steigerung, indem man der karolingischen Kaisertradition die zweite, östliche beigesellte. Vgl. den Kommentarband des 2010 erschienen Faksimiles. Mostert 1999. Mohnhaupt 2004, 184 nennt es „die magische Wirkung der materiellen Erscheinung“. Thietmar von Merseburg Chronik, III, 1: „Insuper licentiam archiepiscopum eligendi … dedit Adalberto et cum uno libro, qui hodie ibidem est, in quo sua imperatricisque Theuphanu imago auro splendet formata, munus affirmavit. Quod gratia cesaris et in presentia eius archiepiscopus, preparatus ad missam, cum perlecto euvangelio more solito optime predicasset, recitato coram precepto inperiali … ostendit … cunctis prosequentibus ‚Amen! fiat! fiat’ consolidavit“. Das entsprechende Privileg datiert auf den 19. November 979 (D OII 207). Es wird nicht ausdrücklich gesagt, ob der Erzbischof Adalbert Privileg und Evangelium aus dem gleichen Buch las, doch deutet die Ausstattung auf eine liturgische Handschrift hin, in die das Magdeburger Wahlrecht als Traditionsnotiz eingetragen wurde. Das Herrscherbild fungierte hier möglicherweise als Repräsentant des abwesenden Herrschers. Für die Lokalisierung von Handschriften bezieht man sich jedoch regelmäßig auf dieses Argument. Sicher ergeben ganzseitige oder halbseitige Bilder eine noch stärkere Hierarchisierung als dies durch Initialzierseiten oder Initialen bewirkt würde. Dennoch
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berger Handschriften gibt es Hinweise, die grundsätzlich erkennen lassen, daß Bücher genau definierten Anlässen vorbehalten sein konnten. In der Bamberger Apokalypse fehlen im Evangelistarteil die liturgischen Texte für Palmsonntag, Gründonnerstag und Karfreitag. Wenn die Kleriker von St. Stephan aber an diesen Tagen die Liturgie an der Bischofskirche mitfeierten, erübrigte sich die Vorhaltung der Lesetexte für diese wichtigen Tage.84 Hier scheint eine gezielte Ausrichtung am praktischen Bedarf einer Stiftskirche erkennbar, der – allerdings erst für das Jahr 1582 – vom Liber ordinarius aus St. Stephan bestätigt wird. Für das Perikopenbuch Heinrichs II. vermutet Joachim Ott die Stiftung an den Hauptaltar des Bamberger Domes.85 Die auf die Spitze getriebene Ausstattung dieser ungewöhnlich großformatigen Handschrift und der ausführliche Hinweis auf Petrus und Paulus im Widmungsgedicht unterstützen die These, der Clm 4452 sei speziell für den Petrus-Altar gestiftet worden.86 Gleichzeitig entwickelt die Gottesdienstordnung um 1200 eine bereits für 1012 plausible Abfolge von Altären, die je nach Festtag benutzt wurden und somit die tatsächliche Benutzung bestimmter liturgischer Bücher für spezielle Anlässe implizieren.87
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war das Kirchenjahr ohnehin nach der Wertigkeit der einzelnen Fest- und Gedenktage geordnet, so daß die Auszeichnung durch Bilder jene Hierarchisierung allenfalls verstärken oder durch lokale Schwerpunkte ergänzen konnte. Letztlich bleibt auch offen, welchen Einfluß das Vorhandensein von Vorlagen je nach ausführendem Künstler auf die Vollständigkeit des Bildprogramms hatte. Wünsche 2000, 152 geht davon aus, daß während der Karwoche ein anderes Evangelistar zum Einsatz gekommen sein müsse. Zur identitätsstiftenden Praxis der gemeinsamen Feiern vgl. Palazzo 2002. Ott 1994, 369. Widmungsgedicht in der Handschrift und Inschrift auf dem Vorderdeckel s. MGH Poet. lat. 5.2, 1939, 433f. Wünsche 1998 u.a. Ein anderes Beispiel führt Ernst-Dieter Hehl für Aachen an, wo das Kardinalsprivileg von 997 ausdrücklich die Meßfeier am Maria geweihten Hauptalter regelte – vgl. Hehl 1997, 193–196 sowie JL 3875 u. RI II,5 (2. Aufl.) Nr. 340, S. 663f. zur Urkunde Papst Gregors V. Nach dem Bericht zur Domweihe von 1012 gab es im ersten Bamberger Dom sechs Altäre, von denen vermutlich jeder ein Evangeliar sowie ein Sakramentar oder Pontifikale zu seiner Ausstattung erhielt. Das Schatzverzeichnis von 1127 erwähnt zwölf Prachtcodices – vgl. Schemmel 2007, 62. Aus dem erhaltenen Bestand kommen dafür die Evangelistare Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4451, clm 4452, clm 4453, clm 4454, Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Bibl. 94 und Bibl. 195 oder Pommersfelden, Gräflich Schönbornsche Bibliothek, Ms. 340 (2821) sowie die Sakramentare Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4456 und Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 1 sowie nach Schemmel 2007 (ebd.) auch Trier, Dom, Hs. 151/62 in Frage. Ein verlorenes, mit dem Perikopenbuch etwa formatgleiches Stück (dazu Dressler 1995, S. 92, 101 u. 107) dürfte ein Sakramentar enthalten haben. Beide Bücher wurden bei Prozessionen mit dem Domkreuz mitgeführt, das als Altarkreuz des Hauptaltares anzusprechen ist. Laut Breviarium Eberhardi Cantoris soll der Subdiakon zur Fußwaschungsprozession am ein „gutes“ Evangeliar tragen: „Subdyaconus portet plenarium bonum“. Außerdem „crux magna cum plenariis exponatur“ zur Vesper in der Heiligen Nacht, der Weihnachtsoktav, Mariä Reinigung und an Kunigundes Todestag. Allg. zum Gebrauch von Evangelienhandschriften: Haimerl 1937, besonders 116, 118, 142 und 164. In spätmit-
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Zu den Indizien einer tatsächlichen Benutzung zählen absichtliche oder ungewollte Veränderungen an Text oder Schriftträger. Die Ergänzung von Kalendaren und besonders von Nekrologen erfüllt nur bei der Benutzung am Altar ihren Sinn. Markierung von häufig benötigten Stellen wie dem Kanongebet durch Reiter auf den entsprechenden Seiten oder durch eine marginale Numerierung der als Lesung benutzten Passagen, wie es besonders bei Heiligenviten beobachtet werden kann, sind als Einrichtungen für den Gebrauch aufzufassen. Dazu zählen auch Adaptionen für die örtlichen Gegebenheiten, wie sie vor allem als Nachträge für liturgische Feiern der eigenen Patrone häufig sind oder wie sie im monastischen Bereich je nach Geschlecht der Konventualen durch die Anpassung weiblicher oder männlicher Formen in Regeltexten feststellbar ist.88 Am gleichen Ort angefertigte und aufbewahrte Abschriften dokumentieren einen inhaltlichen Bedarf.89 Auf freien Seiten nachgetragene Traditionsnotizen bleiben disfunktional hinsichtlich der eigentlichen Bestimmung einer liturgischen Handschrift, unterstreichen allerdings deren Schatzcharakter. Spuren einer Aneignung der Texte und ggf. der Bilder wie Glossierung und Marginalien, Abrieb, Wachsflecken und Verschmutzung90 ergänzen das Bild. Autorenbilder oder ins Bild gesetzte Szenen aus dem Bericht der Evangelien folgen spezifischen Gesetzmäßigkeiten.91 Wie die würdige, goldene Form
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telalterlichen Rechnungen über Reparaturarbeiten an Handschriften („plenaria“), die im Gottesdienst und bei Prozessionen benutzt wurden, ist die Rede vom „magno plenario“, vom „missale, quod pertinet ad summam missam“ (Hochamt), von den „quinque plenaria preciosa“ (vermutlich Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4451, clm 4452, clm 4453, clm 4454 und Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 1, deren Deckel sich erhalten haben). Die Arbeiten erstrecken sich größtenteils auf Goldschmiedearbeiten, teils auf das Reinigen und einmal explizit auf die Bindung – vgl. Dressler 1995. In Bamberg hat man bereits im frühen 11. Jahrhundert in Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 5, f. 95v in der Sequenz des Dompatrons Georg das ursprüngliche „[Augi]ensibus incolis“ zu „[B]abenbergensibus incolis“ verändert. Im Herrscherbild des Class. 79 änderte man die Benennung „Otto“ zu „Heinrich“. Die nachträgliche Eintragung des Stifternamens „Heinrich“ in Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 53 zielt gerade nicht auf eine Einrichtung zum besseren, liturgischen Gebrauch des Buches. Sie zeigt aber doch, daß die Handschrift samt ihrem ‚Titelbild‘ nicht im ‚Tresor‘ weggeschlossen und somit dauerhaft unsichtbar war. Bei Abschriften für den eigenen Gebrauch ist der Inhalt das maßgebliche Kriterium einer Abschrift, denn das Prestige einer Vorlage kann nur an anderen Orten in Form einer Abschrift wirksam werden, nicht aber dort, wo es direkt neben dem Original liegt. Im Falle des Buchschmucks wird die Rezeption in den später nach seinem Vorbild gestalteten Buchproduktionen deutlich. Staatsbibliothek Bamberg, Hs. Lit. 6 stark abgegriffen, Bayerische Staatsbibliothek München, clm 4452 mit Wachsflecken. Zu der liturgiepraktischen Einrichtung von liturgischen Handschriften vgl. jetzt Neuheuser 2012. Bis in das frühe 11. Jahrhundert scheinen Bilder stets die überzeitliche Geltung einer Idee oder eines heilsrelevanten Ereignisses einzufangen und sind – anders als etwa Initialen und Überschriften – nicht an einer konkreten Nutzanwendung ausgerichtet – vgl. Bussmann 2006.
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der Reliquiare die Bedeutung der in ihnen verborgenen Reliquien hervorhebt, so bestätigen Prachthandschriften den Rang der in ihnen verkörperten Texte und mehren durch ihr bloßes Dasein das Prestige der Besitzer. Diese doppelte Rangerhöhung von Objekt und Besitzer gilt auch für Stifterbilder. Sie erlauben es einem beliebigen, weil nicht zwingend literatem Publikum, die tradierte Verknüpfung eines Codex mit einem Stifter unabhängig von dessen persönlicher Präsenz zu verifizieren. Zu Lebzeiten und nach dem Tod verstärken die Stifterbilder die Erinnerung und somit die Memoria.92 Dabei wirken sie zusammen mit textlichen Erwähnungen in Beischriften, in Widmungsversen und in Erwähnungen innerhalb der Handschrift wie z.B. den Laudes oder den Kalendaren.93 Ebenfalls als Nachträge können Traditionsnotizen gelten, die Urkunden in Verbindung mit einem Stifter oder seiner Stiftung stellen. Über diese grundsätzliche memoriale Intention von Büchern wie auch aller anderen Stiftungen besteht Einigkeit. Geistliche und Fürsten, Schreiber und Illuminatoren nutzten diesen Effekt. Für diese Identifikationsleistung ist nicht die Benutzung einer Handschrift ausschlaggebend, sondern das Wissen um die hergestellten Beziehungen zwischen Stifter, Objekt und Besitzer. Niemand wird jedoch bestreiten, daß eine wie auch immer geartete Benutzung der Codices diese Memorial- und Identifikationsleistung mit Leben erfüllen konnte. Unstrittig ist ferner, daß an mittelalterlichen Kirchen Gottesdienst gefeiert wurde, der zu einem großen Teil aus Büchern gelesen wurde. In einzelnen Fällen ist die Sichtbarkeit von Prachthandschriften im Rahmen von Festtagsgottesdiensten belegt. Angesichts der zentralen Bedeutung der Memoria und angesichts des repräsentativen Aufwandes, den man durch Stiftungen und Grablegen für das persönliche Seelenheil betrieb, fällt es schwer zu glauben, daß gerade jene Objekte, in denen sich die Memorialfunktion und das Prestige der eigenen Kirche am stärksten verkörperten, weggesperrt und nicht zum Einsatz gekommen wären. Eine Skepsis, die liturgische Cimelien zu Vitrinenstücken abstempelt, erscheint unangebracht, wo bei Bischofsstäben, Kelchgarnituren und Tragaltären und sogar bei fragilen Seidengewändern niemand auf den Gedanken verfällt, sie könnten nicht zur liturgischen Ver92
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Herrscherbilder der Ottonenzeit und der frühen Salier finden sich ausnahmslos in liturgischen Handschriften – vgl. Hoffmann 1986, 469. Bussmann 2006 stellt dabei ab dem 11. Jahrhundert einen grundlegenden Wandel von modellhaften, zeitlosen Präsentationen hin zu Ereignisdarstellungen fest. Schneider 2000 wies darauf hin, daß doppelseitige Widmungsbilder mitunter das Öffnen und Zuklappen bzw. das Umblättern der Handschrift benutzen, um die im Bild repräsentierte Stiftergabe paßgenau in die Hände der auf der Gegenseite abgebildeten Heiligen, für die sie bestimmt sind, gelangen zu lassen. Einträge im Kalendar erfolgen im Unterschied zur üblichen Praxis bereits zu Lebzeiten mit Krönungs- oder Geburtstagen, die später durch den Todestag vervollständigt werden. Im Merseburger Sakramentar Cod. 129, f. 2r und f. 3r wurde der Geburtstag Heinrichs II. am 6.5. und von anderer Hand der Todestag am 13.7. eingetragen. In das Nekrolog im Sakramentar aus St. Gallen (Brüssel, KBR, Ms. 1814–16, f. 8r) wurde in Magdeburg die „ordinatio Heinrici regis secundi“ vermerkt.
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wendung bestimmt gewesen sein.94 Die Gebrauchsspuren zeigen, wie man verschiedene Traditionen kombinierte und den vorhandenen Bestand für den Gebrauch einrichtete. Memoriale und repräsentative Funktion der Handschriften und ihr praktischer Einsatz im Kontext der Liturgie waren keine Widersprüche. Auf eine Benutzung der liturgischen Handschriften an solchen Festtagen war im Gegenteil alles ausgerichtet, im Gottesdienst fanden sie ihre eigentliche Bestimmung. Bei der Gründung einer neuen Kirche, zumal einer Bischofskirche, bestand die praktische Notwendigkeit, benutzbare Bücher für die verschiedenen Bedürfnisse in Gottesdienst, Schule und Verwaltung zusammenzubringen. Zur Lösung dieser quantitativ wie qualitativ anspruchsvollen Aufgabe nutzte man vorhandene Bestände, soweit sie verfügbar waren. Wo dies möglich war, bevorzugte man Exemplare, denen durch ihr Alter oder ihre Ausstattung ein besonderer Rang zugemessen wurde. Bei neu anzufertigenden Handschriften übernahmen diese Funktion der Rang des Auftraggebers und die kostbare Ausstattung. Gleichzeitig konnte man bei Buchaufträgen gezielt auf den Bedarf am Bestimmungsort eingehen. In neuen Prachtcodices verewigte sich der Stifter durch Bilder, transferierte Bücher vermittelten durch Skriptorien, Vorbesitzer und den Rang des Schenkers eine Zugehörigkeit und Gleichrangigkeit mit den etablierten Bischofskirchen im Reich.95 Daher könnte man besonders bei den Prachthandschriften resümieren, daß alte Bücher für neue Bistümer letztlich noch notwendiger waren als neue. Was bleibt zu tun? In der Frage nach dem Umgang mit heterogenen Handschriftenbeständen ist wohl nur weiterzukommen, indem man den Untersuchungszusammenhang ausweitet, die lokale Rezeption der Erstausstattungshandschriften berücksichtigt und insbesondere die Ergänzungen des Bestandes in den Jahrzehnten nach der Gründung systematischer auswertet, als dies hier geschehen konnte. Für Merseburg steht die Katalogisierung der mittelalterlichen Handschriften erst am Anfang, doch sind hier fruchtbare Hinweise zu erwarten. Die beiden neu gegründeten Bischofskirchen Merseburg und Bamberg erhielten von Anfang an komplette Bibliotheken, in die die Saat des Wortes gelegt wurde. Ihre Ausstattung sollte sie zur Übernahme der gleichen Funktionen 94
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Elbern 2001 und Burkart e.a. 2008. Zum Publikum der Herrscherbilder vgl. zuletzt Körntgen 2001, 168f. u. 447: „Herrscherbilder wirken nicht ‚politisch‘ nach dem Modell politischer Publizistik und Propaganda, sondern so, wie überhaupt liturgische Praxis und religiöses Zeremoniell politisch integrierend wirken.“ Eine solche Schlußfolgerung entwickelte aus der Fallstudie zu einem schwäbischen Kloster: Maurer 1977, besonders 223: „so wird man denn künftig zu überlegen ... haben, ob neben und außer der Erlangung des besonderen Königsschutzes nicht auch die Übernahme ̦königlicher‘ Liturgie für die Zugehörigkeit zur ottonischen Reichskirche ̦konstitutiv‘ gewesen sein mochte.“ Die Gründungsurkunde Papst Johannes̓ XIII. für Magdeburg vom 20. April 967 betont, daß die neue „metropolis ... non posterior sit ceteris urbibus metropolitanis, sed cum primis prima et cum antiquis antiqua inconvulsa permaneat“; vgl. Jaffé 1885/1888, JL 3715 u. Zimmermann 1998, RI II,5 (2. Aufl.) Nr. 418.
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befähigen, wie die älteren Bischofssitze. Die Handschriften der Gründungszeit erfreuen sich bis heute höchster Wertschätzung und belegen die Bedeutung der durch Buchbestellungen und -transfer mit Merseburg und Bamberg verknüpften Traditionen. Sie präsentieren die Autorität ihrer aus Miniaturen und vom Buchdeckel blickenden Autoren. Widmungsbilder und Namenseinträge mahnen an die memoriale Funktion für Stifter, Schreiber und beschenkte Kirche. Exegetische, wissenschaftliche oder kanonistische Schriften scheinen am stärksten ausgerichtet am täglichen Bedarf beschafft worden zu sein, vorzugsweise aus Altbeständen. Liturgische Bücher waren am häufigsten Neuaufträge – oder besser: herausragend ausgestattete Abschriften. Die repräsentativen Funktionen knüpfen sich dabei an alte und neue Bücher – die richtige Mischung von alt und neu war also keineswegs nur bedarfs- oder angebotsbestimmt. Evangeliare als Höhepunkte der repräsentativen Ausstattung machen die Bedeutung des Gotteswortes für die Identität hochmittelalterlicher Bistümer augenscheinlich. Ehrwürdige, alte Bücher und der Glanz neuer Aufträge ließen sich durch Widmungsgedichte und Stifterbilder für die Repräsentation und – wohl noch entscheidender – die Memoria der Stifter nutzen. Die Quellen vermerken dankbar die Geschenke und die meisten Prachthandschriften halten bis zum heutigen Tag das Gedächtnis an fürstliche Gönner wach. Die vorliegende Untersuchung erstreckte sich auf das Wort, wie es in Handschriften greifbar wird. Gottes Wort, heilige Worte, ausdeutende Worte und Gebete umgeben die Geistlichen einer Domkirche und diejenigen, die sie bei Gottesdiensten aufsuchen, jedoch in weitaus vielfältigerer Weise. Gesprochen, geschrieben, gemalt – auf Architektur und Sakralgegenständen, T extilien und Urkunden, gefaßt nicht nur in Buchstaben, sondern auch in Bilder, Skulpturen und nachempfundene Topographien begegnete das Wort weitaus intensiver, als es die Aufbewahrung in Buchdeckeln vermuten lassen könnte. Mit Blick auf die Handschriften aber und ihre Bedeutung wandte sich Bischof Thietmar von Merseburg am Ende seines Lebens an seinen Amtsnachfolger: „Du hast genug an Büchern, die unsere Vorgänger hier zusammengebracht haben, die ich vorfand und die ich noch hinzuerworben habe. Du wirst in ihnen heilsamen Lehren begegnen – höre auf sie, so wirst Du bestehen können.“96
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Thietmar von Merseburg Chronik, VIII, 14: „Habes satis de libris, quos hic ab antecessoribus nostris collectos inveni et insuper quos contraxi. In his magisterium salubre reperies ac hos exaudi et tunc potes salvari.“
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Zimmermann 1997 Gerd Zimmermann: “Bambergs Zeichenhaftigkeit für die Reichskirche des 11. Jhs.”, in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg 133 (1997) 83–92.
Archa Verbi. Subsidia 8
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Die Bedeutung des Kollegiatstiftes St. Stephan in der Bischofsstadt Bamberg von der Bistumsgründung bis zum ausgehenden Mittelalter von Ulrike Siewert
Die Ottonen initiierten die Einrichtung mehrerer Bistümer, so auch die Gründung des Bamberger Bistums, dessen tausendjähriges Jubiläum 2006/2007 festlich begangen wurde.1 Auf die Initiative Heinrichs II. geht jedoch nicht nur dieses Bistum zurück, sondern auch die Wiedereinrichtung des Bistums Merseburg.2 Letzteres war zwar mit dem Erzbistum Magdeburg und den Bistümern Meißen und Zeitz unter Otto I. 968 gegründet,3 unter Otto II. aber bereits 981 u.a. wegen des beharrlichen Widerstandes des Halberstädter Bischofs und der Aufstiegsbestrebungen des Merseburger Bischofs Giselher wieder aufgehoben worden.4 Otto III. unternahm dann erste Versuche, um dieses Vergehen, das seinem Vater und Giselher, inzwischen Erzbischof von Magdeburg, angelastet wurde, wiedergutzumachen. Diese scheiterten allerdings an der klugen Verzögerungstaktik Giselhers.5 Erst nach dessen Tod gelang es schließlich Heinrich II., das Bistum wieder zu errichten.6 Während in Merseburg nur der Bau der neuen Domkirche (1015–1021) in die Regierungszeit Heinrichs II. fiel,7 entstand in Bamberg bereits bis 1024 mit der Domkirche, dem Kollegiatstift St. Stephan (vor 1009) und dem Kloster St. Michael (1015) eine sakrale Landschaft.8 Diese wurde später mit den Kollegiatstiften St. Gangolf (1057/1059) und St. Jakob (1072) noch ausgebaut und wies mit drei Kollegiatstiften und einem Kloster ein typisches Ensemble an Kirchen in damaligen Kathedralstädten auf.9 In der Anordnung der Bamberger Kirche wurde zudem seit dem 12. Jahrhundert ein Kirchenkreuz erkannt (Abb. 1).10 1 2
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Vgl. van Eickels 2007. Während dies lange vernachlässigt wurde, findet die Geschichte des Merseburger Bistums spätestens seit der Landesausstellung „Zwischen Kathedrale und Welt – 1000 Jahre Domkapitel Merseburg“ 2004 das Interesse der Forschung (vgl. dazu: Heise/Kunde/ Wittmann 2004 und Kunde/Ranft/Sames/Wittmann 2005). U. a. Chronica episcoporum ecclesiae Merseburgensis, Prooemium, 166. Vgl. zum Folgenden auch: Siewert 2002. Thietmar Chronicon, III, 14; Chronica episcoporum ecclesiae Merseburgensis, cap. 2. Thietmar Chronicon, IV, 10. U. a. Chronica episcoporum ecclesiae Merseburgensis, Icidentia de Otto III. et Heinrico I. imperatore. Zur Domweihe vgl. u.a. Benz 1975, 186–191. Vgl. Schneidmüller 2000, 25f.; Haverkamp 1987, 126f. Vgl. Crusius 1995, 10f.; Eberl 2006, 357ff., 362; Flachenecker 2005, 378. Beispielsweise Heimo Liber de decurso temporum, lib. IV, 546. Vgl. Crusius 1995, 29.
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Abb. 1. Karte der Bamberger Stifte und Klöster im 11. Jahrhundert (Karte Ulrike Siewert, Umsetzung Sabine Zinsmeyer)
Das Kollegiatstift St. Stephan in der Bischofsstadt Bamberg
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Was die Sakraltopographie von Merseburg und Bamberg betrifft, lassen sich also klare Unterschiede erkennen, die nur aus den jeweiligen Motiven für die Bistumsgründung und der entsprechenden Bedeutung dieser Bischofsstädte für Heinrich II. erklärbar sind. Merseburg diente Heinrich II. während dessen Regierungszeit immer wieder als Stützpunkt für seine Unternehmungen Richtung Osten. So war dieser Ort in den Auseinandersetzungen mit Boleslaw Chrobry Ausgangspunkt mehrerer Kriegszüge und wurde als Rückzugsmöglichkeit genutzt.11 Die Bistumsgründung in Bamberg, die ähnlich wie die Wiedererrichtung des Merseburger Bistums auf den Widerstand der betroffenen Bischöfe stoßen musste,12 war hingegen anders motiviert. Verschiedene Beweggründe sind erkennbar: Neben politischen, die auch aus der Unterwerfung des Schweinfurter Markgrafen Heinrich resultierten,13 lassen sich in den Quellen persönliche finden. So war Bamberg für Heinrich II. „a puero […] unice dilecta […] pre caeteris [civitas]“.14 Allerdings darf auch hier die religiöse Motivierung nicht unterschätzt werden. Denn Gott sollte einerseits als Erbe eingesetzt werden,15 da das Herrscherpaar keine Kinder hatte und anscheinend auch die Hoffnung auf solche aufgegeben hatte, andererseits diente die Stiftung einer Kirche dem Seelenheil des Gründers.16 Um wie viel mehr musste die Stiftung eines ganzen Bistums im Jenseits gelten. So wundert es nicht, dass laut dem Privileg von Papst Johannes XVIII. das Bistum „pro sua suorum parentum anima“ ein-
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Vgl. zusammenfassend Siewert 2002, 56–63. Bischof Heinrich von Würzburg schien erst Heinrichs II. Plänen zugestimmt zu haben. Als er dann seine Hoffnungen auf Rangerhöhung aufgeben musste, sprach er sich gegen die Bistumsgründung aus, da dadurch der heilige Kilian, der Patron des Würzburger Bistums, geschädigt werden würde. Heinrich II. hatte sich allerdings vor den versammelten Bischöfen zu Boden geworfen und sich damit erniedrigt, so dass diese quasi gar nicht mehr anders konnten, als ihre Einwilligung zur Neugründung eines Bamberger Bistums zu geben. Thietmar Chronicon, VI, 30ff. Der Bischof von Eichstätt konnte sich bis zu seinem Tod einer Abtretung von Gütern seines Bistums widersetzen. Erst unter seinem Nachfolger, der ganz bewusst von Heinrich II. in sein Amt eingesetzt worden war, erhielt das Bamberger Bistum Besitz des Eichstätters. Die Geschichte der Eichstätter Bischöfe des Anonymus Haserensis, cap. 25; vgl. zum Widerstand dieser beiden Bischöfe u.a. Weinfurter 2000, 254–259. Zu den bischöflichen Widerständen u.a. auch Althoff 1998 und Hehl 1998. Vgl. Beumann 2000, 165; von Guttenberg 1926, 79–85; von Guttenberg 1931, 458f.; Meyer 1973, 13f.; Meyer 1951b, 78; Soder von Güldenstubbe 2006, 81; Weinfurter 2000, 262. Machilek 2006, 18f. spricht sich dagegen aus. Thietmar Chronicon, VI, 30. DD H II, Nr. 143: „Nam idem rex Heinricus magnus et pacificus, ut in deum erat credulus et in homines pius, dum alta mentis deliberatione sepenumero cogitaret, in quo deum sibi maxime placaret, summa inspirante divinitate cogitando disposuit, ut deum sibi heredem eligeret et consciberet et episcopatum in honorem sancti Petri principis apostolorum in quodam … loco Babenberc dicto … construeret“. Vgl. u.a. Borgolte 1993, 237.
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gerichtet wurde und „primi constructoris eiusdem ecclesie et recuperatoris17 iugiter memoriam habere“ soll.18 Als ein weiterer möglicher Grund wird in der Forschung die Slawenmission immer wieder heftig diskutiert.19 Nur aus einem starken religiösen Motiv heraus lassen sich die baldigen Gründungen weiterer Kirchen in Bamberg verstehen. Im Folgenden soll daher die Bedeutung des ältesten Bamberger Kollegiatstiftes St. Stephan für die Ausstattung des Bamberger Bischofssitzes exemplarisch aufgezeigt werden.20 Auch wenn das genaue Stiftungsdatum St. Stephans nicht überliefert ist, lässt sich der infragekommende Zeitraum relativ eng eingrenzen. Am 29. Oktober 1009 schenkte Heinrich II. zwar den Ort Ering „ad aecclesiam in honore sancti Stephani Babenberc constructam“,21 aber die Stiftskirche wurde erst am 24. April 1020 von Papst Benedikt VIII. geweiht.22 Einzelne Teilweihen werden jedoch bereits vorher vollzogen und „nur“ die Gesamtweihe für den Besuch des kirchlichen Oberhauptes in Bamberg aufgespart worden sein. Der Bau der Kirche war sicherlich 1009 noch nicht fertig gestellt. Denn eine mehr als zehnjährige Zeitspanne zwischen Errichtung und Weihe wäre nicht zu erklären und der Papstbesuch war erst aus aktuellem Anlass heraus erfolgt.23 Der Ehre, eine der sehr wenigen nordalpinen von einem Papst geweihten Kirchen zu sein, war man sich bei St. Stephan wohl bewusst. Dies bestätigte auch eine laut Pater Johannes Gamans, einem Jesuiten des 17. Jahrhunderts, der sich mit der Kirchengeschichte der Mainzer Erzdiözese beschäftigte und dazu auch Recherchen und Besichtigungen am Ort durchführte,24 in der Stiftskirche hängende Pergamenttafel, auf deren einen Seite das Schüsselwunder Kunigundes25 und auf der anderen Seite eben die Kirchweihe durch den 17
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Das Bistum Bamberg hatte zwar in Heinrich II. seinen Gründer, es wurde jedoch neu gegründet und nicht wiedererrichtet. Deshalb wird das Privileg für das Merseburger Bistum als Vorlage für das Privileg des Bamberger Bistums benutzt worden sein. Vgl. von Guttenberg 1931, 451f.; Hoffmann 1993, 89. Papsturkunden, Nr. 435. Die Pflege seiner Memoria mahnte Heinrich II. auch in den Urkunden für das Bamberger Bistum an, vgl. Ehlers 1997, 66. Vgl. von Guttenberg 1937, 31; von Guttenberg 1931, 454f.; Machilek 2006. Da in diesem Beitrag die verschiedenen Aspekte nur kursorisch behandelt werden können, sei hier auf folgende Arbeit und die dortigen Quellen- und Literaturangaben verwiesen: Siewert 2007. DD H II 208. Dedicationes Bambergenses, Nr. 3; vgl. zusammenfassend Benz 1975, 166–176. Zur folgenden Argumentation: Siewert 2007, 32. U.a. Glück 1920, 26f.; Mikoletzky 1946, 65f. Vgl. Meyer 1951a; Arens/Dressler 1966, 409f. Entsprechend der Legende soll Kunigunde die Bauarbeiter an der Stephanskirche selbst ausbezahlt haben. Jeder konnte allerdings nur so viel Lohn aus der ihm von der heiligen Kunigunde dargereichten Schüssel nehmen, wie er verdient hatte. Noch im 16. Jahrhundert wurde die kristallene Schüssel Kunigundes im Kloster St. Michael aufbewahrt (Nonnosus Stettfelder Dye legend vnd leben des heiligen sandt Keyser Heinrichs und Das leben vnd legend der heyligen junckfrawen vnd Keyserin sandt Kungunden (Staatsbibliothek Bamberg, Inc.typ.Ic.I. 18, f. 45r)) und ging während des Bauernkrieges in Scherben (Chroniken der Stadt Bamberg Teil II, 185).
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Papst unter Beteiligung eines Kardinals und weiterer Bischöfe in Gegenwart Heinrichs II. und Kunigundes abgebildet waren.26 Dieses einmalige Ereignis fand allerdings kaum einen Niederschlag in den Quellen. Wenn es im Rahmen der Beschreibungen des Papstaufenthaltes in Bamberg und der dortigen Osterfeierlichkeiten überhaupt erwähnt wird, geht dies kaum über eine bloße Nennung hinaus.27 Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die Kirchweihe nicht von langer Hand, und schon gar nicht ab 1009, geplant war, sondern mehr oder weniger ein Neben- oder Zufallsprodukt des sich aus aktuellen politischen Gründen ergebenen Papstbesuches war. Die zeitliche Nähe der Gründung St. Stephans zu der Bistumserrichtung macht deutlich, welche Bedeutung diesem Kollegiatstift neben dem Domstift zugemessen wurde. Mit dem heiligen Stephan wurde ein damals beliebter Patron gewählt. Das Bistum Metz, dem damals mit Dietrich ein Bruder Kunigundes vorstand, war ihm geweiht. Von dort aus hatte eventuell Erzbischof Willigis von Mainz, der in seiner Bischofsstadt das Kollegiatstift St. Stephan errichten ließ, die Stephansverehrung adaptiert. Aufgrund der Beziehungen zwischen Willigis von Mainz und Heinrich II. wird die Wahl für den Patron des ältesten Bamberger Kollegiatstiftes möglicherweise auf diesen Heiligen gefallen sein.28 Dies ist umso wahrscheinlicher, da sich die Lage und die Doppelchoranlage dieser beiden Stifte ähnelten.29 Den heiligen Stephan erhielten darüber hinaus zwei Altäre in der Bamberger Domkirche als Mitpatron.30 Vor einem dieser, nämlich vor dem Kreuzaltar, ließ sich Heinrich II. bestatten.31 Auch darf vermutet werden, dass S. Stefano Rotondo in Rom bei der Wahl dieses Patrons eine Rolle gespielt hatte. Schließlich sollte Bamberg ein neues Rom werden.32 Die Westung der Domkirche und der Stephanskirche in Bamberg ist ein weiteres Zitat aus Rom.33 Ähnlich wie der Bamberger Dom besaß auch St. Stephan zwei Chöre, wobei der Westchor dem Hauptpatron und der Ostchor dem heiligen Petrus geweiht waren. Erst mit dem Abbruch des Westchores 1659 wurde der Stephansaltar in den Ostchor verlegt.34 26 27 28 29 30 31 32
33 34
Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.q.93, f. 73r. Dedicationes Bambergenses, Nr. 3; vgl. Benz 1975, 166f. Zum Patron: Siewert 2007, 42–47. Vgl. zum Stephanskult auch Staab 1990; Bauerreiss 1958, 52f. Kippes 2000, 31; Bauerreiss 1963, 11–16. Zum Mainzer Kollegiatstift vgl. Egler 1990, 291. Vgl. Baumgärtel-Fleischmann 1987, 12f.; Zimmermann 1989, 4ff. Dedicationes Bambergenses, Nr. 2. So bereits Gerhard an Heinrich II.; van Eickels 2002, 124ff. Vgl. Maierhöfer 1976, 147; Schneidmüller 2000, 27. Allgemein dazu: Haverkamp 1987, 131–139; Hirschmann 1998, 475–484. Vgl. Kippes 2000, 33; Siewert 2007, 26, 47. Aufgrund der späteren Verlegung des Stephansaltares kam es bezüglich der Verortung der beiden Chöre zu Irritationen, auf die bereits Breuer/Gutbier/Kippes-Bösche 2003, 28 aufmerksam machten. Zu den Altären bei St. Stephan vgl. auch Siewert 2007, Kap. III. 2. 3. Die innere Ausstattung.
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Nachdem der Zeitraum der Stiftsgründung abgesteckt und die Wahl des Patrons untersucht wurden, muss noch auf den Gründer eingegangen werden, nach dem in der Forschung immer wieder gefragt wird. Während in den älteren, v.a. chronikalischen Quellen Heinrich II. als Stifter des Bistums sowie von St. Stephan und St. Michael genannt wird,35 sah die Forschung in dem ersten Bamberger Bischof Eberhard den Gründer des Stiftes und damit in St. Stephan ein „bischöfliches Eigenstift“36. Anlass für diese Schlussfolgerung war die genannte Schenkungsurkunde Heinrichs II. vom 29. Oktober 1009, in der er dem Bamberger Bischof den Ort Ering zum Nutzen für St. Stephan übertrug.37 Es ist auch fraglich, ob sich das Gebiet, auf dem die Kirche errichtet worden war, nach der Bistumsgründung überhaupt noch in der Verfügungsgewalt Heinrichs II. befand. Bischof Eberhard hätte wiederum diese Stiftung kaum ohne das Einvernehmen mit dem Herrscherpaar vorantreiben können.38 Interessanterweise haben sich weder Heinrich II. noch Bischof Eberhard in der Tradition als Gründer durchgesetzt, sondern vielmehr gilt Kunigunde seit ihrer Heiligsprechung als Stifterin.39 Sie soll laut dem genannten Schüsselwunder durch eine faire Entlohnung der Bauarbeiter maßgeblich zum Bau der Kirche beigetragen haben.40 Die Legende vom gerechten Lohn ist bis heute mit der Pflugscharprobe eine der bekanntesten von der heiligen Kunigunde und sie hatte große Bedeutung für St. Stephan. So hing in der Stiftskirche die beschriebene Pergamenttafel, auf deren einen Seite eine Abbildung des Baues der Kirche mit der Bezahlung der Bauarbeiter durch die Heilige zu sehen war.41 Des Weiteren war die Legende an der Kirchenmauer des nördlichen Querhauses beim Seiteneingang gegenüber dem Erhardsaltar dargestellt. Zu diesem Bild („ad imaginem S. Cunegundis in muro depictam in ecclesiâ S. Stephani“) erteilten am 23. Mai 1353 Erzbischof Jakob von Neapel und elf weitere Bischöfe sogar einen vierzigtätigen Ablass, der auch in den späteren Lebensbeschreibungen Kunigundes genannt wird.42 Dies zeigt, wie sehr dieses Bild und damit Kunigunde bei diesem Stift im Spätmittelalter verehrt wurden. 35 36 37
38 39 40
41 42
Frutolf Chronicon, anno 1001. V.a. Faber 1950, 8–13. DD H II 208: Heinrich II. schenkte den Ort Ering also, „ut dilectissimus Babenbergensis aecclesiae nepos noster Eberhardus episcopus suique successores liberam dehinc habeant potestatem eundem locum Eringun dictum cum omnibus appenditiis suis tenendi possidendi cummutandi seu quicquid sibi libeat modis omnibus in usum predictę sancti Stephani aecclesiae inde faciendi“. Schneidmüller 2000, 26; Schneidmüller 2002, 45f.; Weiss 2006, 291. Vita sancte Cunegundis, cap. 1; Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.q.93, f. 73r, 75v; Ebernand Heinrich und Kunigunda, V. 3218–3223. Nonnosus Stettfelder Dye legend vnd leben des heiligen sandt Keyser Heinrichs und Das leben vnd legend der heyligen junckfrawen vnd Keyserin sandt Kungunden (Staatsbibliothek Bamberg, Inc.typ.Ic.I.18, f. 44vf.). Vgl. Guth 2001, 416f.; Kretzenbacher 1978, 12; Meyer 2003, 85. Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.q.93, f. 73r. Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.q.93, f. 73r; Staatsbibliothek Bamberg, Inc.typ. Ic.I.18, f. 45v.
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Die Armreliquie der heiligen Kunigunde scheint zudem große Bedeutung in St. Stephan gehabt zu haben. Ob sie jedoch mit einer der beiden abgebildeten Armreliquiare Kunigundes in dem Bamberger Heiltumsbuch von 1508/1509, das sich in Faksimile in der Staatsbibliothek Bamberg und im Original in der British Library befindet, identisch war,43 ist ungewiss. Der Arm der heiligen Kunigunde soll nach neuzeitlichen Beschreibungen eine Pflugschar in der Hand gehalten haben.44 Diese ist jedoch in keiner der beiden Darstellungen zu sehen. Sie könnte theoretisch aber auch erst nach 1508/1509 dem Reliquiar beigefügt worden sein. Obwohl in der Gottesdienstordnung von St. Stephan die Reliquien meist nur in ihrer Gesamtheit genannt wurden, finden jedoch die Kunigundenreliquie und eine Kapsel Heinrichs II. gesonderte Erwähnung.45 Insgesamt wissen wir kaum etwas über den Reliquienbesitz von St. Stephan. So listete Johannes Gamans in seiner Arbeit nur die Reliquien auf, die sich in einem in der Mitte der Stiftskirche hängendem Kreuz bzw. in dem dazugehörenden Straußenei befanden.46 Der heiligen Kunigunde war bei St. Stephan zudem eine Kapelle mit einem Altar geweiht.47 Der Eingang neben dieser Kapelle wurde von zwei Statuen flankiert,48 vom Betrachter aus links von einer Statue der heiligen Kunigunde,49 rechts von einer des heiligen Laurentius,50 dem im südlichen Querhausarm ebenfalls eine Kapelle geweiht war (Abb. 2). Die Kunigundenkapelle befand sich im Norden der Kirche gegenüber der Curia Karoli, deren Gebäude nach der Legende einst Kunigunde als Wohnung gedient haben sollen.51 Ferner wurde der Stephansberg in Erinnerung an die vermeintliche Stifterin auch „peplum [Cunigundis]“ („Kunigundes Schleier“) genannt, das erste Mal in einer Urkunde Bischof Leupolds I. vom 7. Juni 1299.52
43 44 45 46 47 48 49 50
51 52
Bamberger Heiltumsbuch (1508/1509), f. 27r, 27v: Faksimilie: HVB 1998 (Staatsbibliothek Bamberg, Msc.sim.33(1); Original: British Library London, Add MS 15689. U.a. von Murr 1799, S. 144; Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 115, Nr. 214, p. 5; Rep. K 202, Nr. 911, p. 15. Staatsbibliothek Bamberg, HV.Msc.476, f. 119r, 157r. Ausführlicher: Siewert 2007, 130ff. Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.q.93, f. 72v. Ausführlich zu den Altären und Kapellen des Stiftes: Siewert 2007, 48–53, 54f., 56ff. Dies ist auf einem Altarflügel eines fränkischen Kunigundenaltares (Historisches Museum Bamberg Gal. 50) zu erkennen. Auch wenn diese Darstellung nicht ganz eindeutig ist, so wird in dieser Statue allgemein die heilige Kunigunde gesehen. Vgl. auch Breuer/Gutbier/Kippes-Bösche 2003. Die Bedeutung des heiligen Laurentius unter den Ottonen und speziell unter Hein rich II. zeigt sich auch daran, dass diesem Heiligen das Merseburger Bistum gestiftet wurde. Vgl. Siewert 2007, 51f. Kopialbuch von St. Stephan, Nr. 21: u.a. Stadtarchiv Bamberg, HV Rep. 2, Nr. 245f. (ed.: Das Copialbuch des Collegiat-Stiftes St. Stephan zu Bamberg in vollständigen Auszügen der Urkunden von 1224–1616 mitgetheilt).
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Abb. 2. Karte der Immunität St. Stephan, Stiftskurien (Lageplan Ausschnitt M. 1:2000): Von Tilmann Kohnert, Januar 2003 (aus: Tilmann Breuer, Reinhard Gutbier, Christine Kippes-Bösche: Stephansberg (Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Oberfranken V. Stadt Bamberg 3 – Immunitäten der Bergstadt. 1. Viertelband), Bamberg/München/Berlin 2003, S. 182, Abb. 204.
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Dies alles unterstreicht die Ehrfurcht, die dieser Heiligen bei St. Stephan entgegengebracht wurde. Trotz der Verehrung des heiligen Stephans als Patron wurde dieser von der heiligen Kunigunde in den Hintergrund gedrängt.53 Ob damit wirklich eine bewusste Trennung vom Dom, als dessen Gründer Heinrich II. gilt, erreicht werden sollte, muss dahin gestellt bleiben. Sicher ist jedoch, dass bei St. Stephan die Rückführung auf Kunigunde zielstrebig betrieben wurde54 und man dadurch nicht nur das Alter der Stiftskirche hervorhob, sondern auch eine heilige Stifterin vorwies. So hatte auch ein Diakon von St. Stephan namens Leupold an der Bamberger Gesandtschaft nach Rom teilgenommen, die die Heiligsprechung Kunigundes voranbringen sollte.55 Die Stephanskirche hat viele Umbauarbeiten erfahren, trotzdem erhielt diese Heilige noch im heutigen Bau einen exponierten Platz: Denn im Chor befinden sich von links nach rechts die Stuckfiguren der Heiligen Heinrich, Maria, Kunigunde und Otto (Abb. 3). In der Mitte ist also auf gleicher Höhe wie die Gottesmutter die heilige Kunigunde dargestellt und damit gleichsam zu deren Rechten.56 Auch wenn bei St. Stephan bewusst die Erinnerung an die heilige Kunigunde als Stifterin gepflegt wurde und immer noch wird, muss schließlich und endlich in der Gründung des Kollegiatstiftes eine Gemeinschaftsaktion von Bischof Eberhard und von Heinrich II. mit Kunigunde gesehen werden.57 An der Entstehung St. Stephans waren demnach die drei wichtigsten Personen für das noch junge Bistum beteiligt: Heinrich II., der die Bamberger Bistumsgründung entscheidend vorangetrieben hatte und der dessen Fortbestehen langfristig abzusichern bestrebt war; Kunigunde, die für das Bistum auf ihre Morgengabe verzichtet hatte58 sowie Eberhard, der erste Bamberger Bischof. Dies unterstreicht ebenso die Bedeutung, die man St. Stephan beimaß, wie die kurze Zeitdauer zwischen Bistumsgründung und der Errichtung des ersten Bamberger Kollegiatstiftes. Schließlich folgte erst 1015 mit St. Michael die Stiftung des ersten Bamberger Klosters. St. Stephan wurde bei der Gründung unter den ordo canonicus gestellt. Dort sollten die „minores“ im Gegensatz zu den „nobiles et eminentiores persone“ im Dom Aufnahme finden.59 Wie im Dom so dürfte man auch bei St. Stephan um 1203 die vita communis aufgegeben haben.60 Einzelne Hinweise auf das frühere gemeinsame Leben der Kanoniker waren jedoch noch später sichtbar. So sollten entsprechend einem aus dem 13./14. Jahrhundert stammenden „Li53 54 55 56 57 58 59 60
Vgl. ausführlich Siewert 2007, Kap. III. 1. Der Patron. Vgl. Klauser 1956, 135ff.; Siewert 2007, 245f. Looshorn 1888–1900, Teil I, 308, 325. Zur Bedeutung des ̦rechten Platzes‘ und zur besonderen Ehrung durch das Sitzen zur rechten Seite u.a. Zink 2005. U.a. Moraw 1995, 161f.; Schneidmüller 2002, 45f.; Schneidmüller 2000, 26. Zur Diskussion um den Gründer: Siewert 2007, 27ff. Thietmar, Chronicon, VI, 30; Siegebert Chronica, anno 1004. Heimo Liber de decurso temporum, lib. IV, 546. Vgl. Paschke 1957, 59; von Guttenberg 1932, Reg. 73; Weber 1877, 47.
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Abb. 3. Chor von St. Stephan in Bamberg mit den Stuckfiguren der Heiligen Heinrich, Maria, Kunigunde und Otto. Foto: Axel Stieglbauer.
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ber variarum orationum et benedictionum aliarum rerum“ im Rahmen einer Aspersionsprozession auch der Speisesaal, der Keller, der Schlafsaal und der Friedhof gesegnet werden.61 Zu dieser Zeit werden diese Gemeinschaftsräume also noch vorhanden gewesen sein und auch noch eine gewisse Bedeutung für das Leben der Stiftsangehörigen besessen haben. Mitte des 13. Jahrhunderts dürfte jedoch die vita communis bereits weitgehend aufgehoben gewesen sein, denn in der Folgezeit entstanden um die Stiftskirche herum Kurien, die von den einzelnen Kanonikern bewohnt wurden.62 Bei einer Untersuchung der internen Regelungen bzw. der Aufgaben der Stiftsangehörigen lassen sich verschiedene Gemeinsamkeiten mit den anderen Bamberger Stiften erkennen. So war beispielsweise der Kellerer bei St. Stephan ebenso wie z.B. der bei St. Gangolf nicht nur für die Verteilung gewisser Gelder, sondern auch für die Rechtsprechung zuständig.63 Dass er dem Domkapitel gegenüber einen Eid abzulegen hatte, konnte dieses in der frühen Neuzeit zuletzt auch bei St. Stephan durchsetzen.64 Des Weiteren hatte das Bamberger Domkapitel ab Albrecht von Wertheim den Bischof in den Wahlkapitulationen dazu verpflichtet, die Propsteien u.a. der Bamberger Kollegiatstifte nur mit Domherren zu besetzen.65 Denn das Domkapitel war äußerst bemüht, Einfluss auf die Kollegiatstifte zu nehmen. Diese Regelung ging jedoch mit einer Entmachtung der Pröpste in den Stiften einher, da in der Folgezeit der Dekan und das Kapitel des jeweiligen Stiftes mehr und mehr die Aufgaben und Rechte des Propstes übernahmen, auch deswegen, weil der Propst – u.a. aufgrund seiner Angelegenheit als Domherr – weniger in dem Stift präsent war.66 Die Pröpste hatten außerdem nach ihrer Bestätigung einen gewissen Betrag an das Domkapitel zu entrichten.67 Während es für die Bamberger Stifte von Vorteil war, dass im Immunitätenstreit68 das Domkapitel die Interessen aller Bamberger Immunitäten gegenüber der Stadt vertrat, wollten sie jedoch eine weitergehende Einmischung des Domkapitels in die Interna der Stifte verhindern. Weitere Verbindungen zwischen den Bamberger Kollegiatstiften lassen sich anhand der Stiftsverfassungen erkennen. So entsprach der Eid, den ein neu aufzunehmender Kanoniker bei St. Jakob leisten musste, wortwörtlich dem bei St. Stephan – einschließlich der Verpflichtung gegenüber den Statuten von
61 62 63 64 65 66 67 68
Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 115, Nr. 260, f. 108v–110r. Vgl. Siewert 2007, 156ff.; Haimerl 1937, 133f. Zu den Stiftskurien: Breuer/Gutbier/Kippes-Bösche 2003, 182–253; Paschke 1957, 22–46; Siewert 2007, 60–66. Vgl. Siewert 2007, 102f.; Paschke 1959, 30. Vgl. Reinle 1969, 241–248, 262ff. Vgl. zu dieser Thematik mit Schwerpunkt auf St. Stephan: Siewert 2007, 92f. Vgl. Siewert 2007, 91–97. Urbare und Wirtschaftsordnungen des Domstifts zu Bamberg I, 173f. bzw. Looshorn 1888– 1900, Teil III, 459ff. Chroniken der Stadt Bamberg; Schmid 2004.
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St. Stephan.69 Dabei dürfte es sich allerdings um einen Abschreibfehler bei der Übernahme des Eides aus dem Eidformular des ältesten Bamberger Kollegiat stiftes handeln. Die Tatsache, dass der Eid von St. Stephan anscheinend als Vorlage diente, spricht jedoch für eine Vorbildwirkung St. Stephans. Die Kollegiatstifte in der Bamberger Diözese hatten sich bei der Aufrechterhaltung der internen Ordnung auch gegenseitig zu unterstützen. Waren beispielsweise der Dekan und das Kapitel von St. Gangolf nicht in der Lage, eine innerstiftische Auseinandersetzung beizulegen, sollten die Dekane und Kapitel der beiden anderen Bamberger Kollegiatstifte hinzugezogen werden.70 So mussten der Generalvikar und die Kapitel von St. Stephan und St. Jakob 1442 einen Streit zwischen dem Kapitel und dem Propst von St. Gangolf schlichten. Dieses Vorgehen war anscheinend zu der Zeit bereits üblich.71 Ebenso waren St. Stephan und St. Gangolf in die Statuten von St. Jakob eingebunden.72 In denen von St. Martin in Forchheim nahm St. Stephan sogar eine Sonderstellung ein. Dort sollten nur das Domkapitel, das in den Statuten der Bamberger Kollegiatstifte keine Erwähnung fand, und das älteste Bamberger Kollegiatstift bei Streitigkeiten zwischen Kanonikern und Kapitel schlichtend eingreifen dürfen.73 Konflikte gab es allerdings auch zwischen den einzelnen Stiften. So kam es 1395 zwischen dem Domkapitel und den Kapiteln der Kollegiatstifte zu „zancorisus et dissensio“. Die Kollegiatstifte hatten einer Appellation der Domherren widersprochen und sich ihnen gegenüber so benommen, als wären diese exkommuniziert. Zur Vorbeugung weiterer derartiger Auseinandersetzungen wurde ein Adhäsionsbrief verfasst, nach dem die Kapitel in Zukunft gegenseitig plausible Appellationen vorbehaltlos unterstützen sollten.74 Die häufigsten Streitpunkte zwischen den Kirchen waren jedoch materieller Natur. Nachdem die Dekane des Eichstätter Domes, von St. Stephan in Bamberg und St. Maria in Erfurt z.B. das Bamberger Domkapitel in Bezug auf Einkünfte und Besitz geschädigt hatten, musste sogar Papst Gregor XI. auf Wunsch des Bamberger Domkapitels eingreifen.75 Verwicklungen gab es bei St. Stephan aufgrund der geographischen Nähe besonders mit der Oberen Pfarre. Denn diese Pfarrkirche besaß u.a. Zehnten auf Gütern von St. Stephan und St. Stephan bezog teilweise Einkünfte von Häusern der Pfarrei, die im Immunitätsgebiet des Kollegiatstiftes lagen. Am Ausgang des Mittelalters verkomplizierten sich die Besitzverhältnisse dann nochmals.76 Zinsen auf Gütern 69 70 71 72 73 74 75 76
Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 101, Nr. 287, p. 199ff. Würdtwein 1781, 197–269, 208f. Paschke 1959, 22. Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 101, Nr. 287, p. 199ff. Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 108, Nr. 2. Eine Untersuchung zu diesem Kollegiatstift hat Andreas Jakob vorgelegt: Jakob 1998. Kopialbuch von St. Stephan, Nr. 230, 359. Looshorn 1888–1900, Teil III, 327. Vgl. Siewert 2007, 197f.
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innerhalb der Immunität von St. Stephan besaßen auch andere Einrichtungen wie beispielsweise das Katharinenhospital.77 Darüber hinaus gab es zwischen den verschiedenen Bamberger Kirchen auch personelle Verbindungen. Mindestens 39 Geistliche, die im Laufe ihres Lebens eine Pfründe bei St. Stephan besaßen, standen sogar zeitweise im Dienst des Bamberger Bischofs. Zwei Pröpste von St. Stephan, die jedoch auch andere Würden innehatten, wurden schließlich zum Bischof von Bamberg gewählt.78 Welche Bedeutung das älteste Kollegiatstift in der Bamberger Kirchenlandschaft besaß, zeigt sich besonders im sakralen Bereich. In dem „Liber variarum orationum et benedictionum aliarumque rerum“ aus dem späten 14. Jahrhundert sind u.a. „servicia de summo“ und in dem Kalendar „servicia omnibus congregationibus“ verzeichnet, die wohl, nach Heinrich Weber, eine Ausbezahlung der Kleriker darstellten, da sie entsprechend der Regel Chrodegangs von Metz an Sonn- und Feiertagen eigentlich mit dem Domkapitel speisen sollten.79 Dies war jedoch aufgrund ihrer großen Anzahl nicht möglich, weshalb sie auf diese Weise entschädigt werden sollten. 80 Ein weiterer Aspekt für die mannigfachen Verbindungen innerhalb der Bamberger Sakraltopographie war die Feier von Jahrgedächtnissen. Verstorbene Kleriker von St. Stephan hatten so nicht nur in der eigenen Stiftskirche Jahrtage, sondern auch in anderen Bamberger Kirchen. Und bei St. Stephan wurden nicht nur Anniversare von Stiftsangehörigen begangen, sondern z.B. auch der Jahrtag von drei Geistlichen aus St. Gangolf, von vier aus St. Jakob, von drei Mönchen aus St. Michael, von 22 Domherren inklusive der Pröpste von St. Stephan sowie von 24 Bischöfen.81 Die Verflechtungen erstreckten sich auch auf weitere Stiftungen. Johannes Nassach,82 der in den Diensten des Bamberger Bischofs stand und seit 1392 als Kanoniker und bald danach auch als Kellerer bei St. Stephan nachweisbar ist, hatte beispielsweise am 3. März 1393 dem Fabrikmeister des Bamberger Domes einen ungarischen Gulden für den Schmuck und die Erneuerung der Kopfreliquie der heiligen Kunigunde übertragen.83 Noch deutlicher wird die Verbundenheit zwischen den verschiedenen Bamberger Kirchen und ihren Geistlichen bei einer Untersuchung der Gottesdienste, die v.a. auf den „Libri ordinarii“84 des Bamberger Domes und auf einer aus dem späten 16. Jahrhundert stammenden Gottesdienstordnung von St. Stephan, dem „Index omnium festorum et sanctorum secundum ordinem 77 78 79 80
81 82 83 84
Vgl. Siewert 2007, 198f. Vgl. Siewert 2007, 192 und Personallisten passim. U.a. Chrodegang Regula canonicorum, cap. 8. Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 115, Nr. 260, f. 30r; Kalendar von St. Stephan: Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 115, Nr. 260, f. 2r–27r (vgl. Vollständiger Auszug aus den vorzüglichen Calendarien des ehemaligen Fürstenthums Bamberg); Weber 1877, 120. Vgl. Siewert 2007, Kap. V. 1. 4. Anniversarien. Zu Johannes Nassach: u.a. Siewert 2007, 348f. Kopialbuch von St. Stephan, Nr. 131. U.a. Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Lit.12, 116, 117, 118.
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Stephaninae [sic!] ecclesiae Bambergae annuatim dies demonstrans“,85 basiert. Bereits die Weihe der Stiftskirche am 24. April 1020 war ein Bamberger Ereignis, denn sie war Bestandteil der Inszenierung des Papstbesuches Ostern 1020 in Bamberg. Seitdem war dieser Tag ein Festtag. Papst Alexander IV. bestätigte am 12. Januar 1259 einen angeblich auf Papst Benedikt VIII. zurückgehenden vierzigtätigen Ablass für die Besucher der Stiftskirche am 24. April. Der Jahrestag der Weihe sollte in der ganzen Stadt und in der ganzen Diözese festlich mit Offizium, Umgang und Festzeremonien begangen werden.86 Erst der Bamberger Bischof Veit verlegte 1503 den Festtag vom 24. April auf den Sonntag nach dem Festtag des heiligen Georg (23. April). Als Begründung wurden die vielen zu begehenden Feiertage angeführt, weswegen die Menschen ihren eigentlichen Aufgaben nicht mehr nachkommen könnten.87 Für den Besuch St. Stephans an bestimmten Festtagen und für Spenden für die Ausstattung bzw. Instandhaltung der Stiftskirche und v.a. für das genannte Kunigundenbild sind bis 1510 neun Ablässe bekannt.88 Wenn drei Ablässe von Päpsten gewährt wurden,89 muss St. Stephan im Mittelalter im religiösen Bereich eine gewisse Stellung besessen haben, die auch über Bamberg hinausreichte. Die Kanoniker und Vikare von St. Stephan hatten nicht nur in ihrer Stiftskirche Gottesdienste zu feiern, wozu die gestifteten Anniversar- und Messfeiern zählten, sondern sie waren ebenso in die Gottesdienste und Prozessionen in der Domkirche bzw. in der Bamberger Kirchenlandschaft eingebunden. So mussten an der Ölprozessionen am Gründonnerstag im Bamberger Dom außer dem Domklerus die Geistlichen von St. Michael, St. Stephan, St. Gangolf und St. Jakob nicht nur teilnehmen, sondern es agierten jeweils drei Vikare zusammen mit zwölf Domvikaren als Ölpriester.90 Bischof Lambert führte 1390/1391 die noch heute groß gefeierte Fronleichnamsprozession in Bamberg ein, in die wiederum die Kanoniker und Vikare aller Stifte eingebunden wurden.91 Ebenso waren alle Bamberger Stifte zur Beteiligung an den Prozessionen am Tag des heiligen Georg, am Heinrichstag, an Marien Geburt und am Tag der Translation der heiligen Kunigunde sowie an weiteren Tagen zur Teilnahme an den Gottesdiensten in der Domkirche verpflichtet.92
85 86 87 88 89 90 91 92
Staatsbibliothek Bamberg, HV. Msc.476. Zum religiösen Leben vgl. Siewert 2007, 129–163. Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.q.93, f. 73r, 75r. Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.q.93, f. 76rv. Vgl. Siewert 2007. Kap. V. 1. 2. Die Ablässe. Universitätsbibliothek Würzburg, M.ch.q.93, f. 73r und 75r; 73r und 77r (ed. in: Enzensberger 1999, 93 Nr. 3); 82rv. Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Lit.118, f. 57r–57v; HV. Msc.476, f. 191v. Vgl. Haimerl 1937, 121. Looshorn 1888–1900, Teil III, 477; vgl. Haimerl 1937, 37–41. Vgl. Siewert 2007, 163.
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Bei einigen Prozessionen war die Stiftskirche selbst Station, so an Mariä Lichtmess, wo in St. Stephan die Kerzen geweiht wurden.93 Am Montag der Bittwoche führte die Bittprozession vom Dom zu St. Stephan, am Dienstag zur Oberen Pfarre und am Mittwoch zu St. Michael.94 Patroziniumsprozessionen gingen am Vorabend des Festtages des heiligen Jakob zu St. Jakob und auf dem Rückweg zum Dom u.a. über St. Stephan95 und am Vorabend des Festtages des heiligen Johannes des Täufers zur Johanneskapelle.96 Außerdem gab es eine Patroziniumsprozession vom Dom über die Johanneskapelle zu St. Stephan, die dort mit feierlichen Gesängen enden sollte.97 Am Tag des heiligen Evangelisten Markus nahmen die Kanoniker von St. Stephan außerdem an der Prozession von der Domkirche nach St. Gangolf teil.98 Bei den Prozessionen, in die der gesamte Bamberger Klerus eingebunden war, ist dessen Aufstellung signifikant. Die Geistlichen der Stifte wurden in der Regel entsprechend dem Alter ihrer Kirche geordnet, d.h., zuerst kamen die Domherren, dann die Kanoniker von St. Stephan, von St. Gangolf und schließlich die von St. Jakob.99 Somit hatte St. Stephan als ältestes Bamberger Kollegiatstift immer eine herausgehobene Stellung hinter dem Dom inne, die man auch zeigte. Diese gemeinsamen Aktionen werden bei den beteiligten Bamberger Geistlichen zudem ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt haben.100 Darüber hinaus sind in den Gottesdienstordnungen vom Dom und von St. Stephan viele Entsprechungen zu finden, so dass Peter Wünsche in der Gottesdienstordnung von St. Stephan eine für dieses Stift angepasste Abschrift der Domgottesdienstordnung sieht.101 Folglich sollten bei der Untersuchung einer Bamberger Kirche immer auch die anderen berücksichtigt werden. Denn durch diese Vernetzungen der einzelnen Kirchen und der ihnen angehörenden Personen wird einmal mehr deutlich, dass keine Kirche für sich stand, sondern dass in Bamberg eine sakrale Landschaft entstanden war. Und gerade deshalb wären weitere Forschungen zur Bamberger Kirchengeschichte außerordentlich wichtig.102 Die Gottesdienste bei St. Stephan gestalteten – wie üblich – Chorschüler mit aus. Diese werden v.a. die ärmeren Schüler gewesen sein, die sich durch 93 94 95 96 97 98 99 100
101 102
Vgl. Siewert 2007, 160f. Staatsbibliothek Bamberg, HV. Msc.476, f. 24r–25v. Vgl. Siewert 2007, 158f. Staatsbibliothek Bamberg, HV. Msc.476, f. 94v–95r. Staatsbibliothek Bamberg, HV. Msc.476, f. 282v. Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 115, f. 106v; Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Lit.117, f. 33v, 35r; HV. Msc.476, f. 81rv, 282v. Vgl. Siewert, 2007, 160. Staatsbibliothek Bamberg, HV. Msc.476, f. 277r. Ausführlicher zu den einzelnen Prozessionen: Haimerl 1937; Siewert 2007, Kap. V. 1. 5: Die Prozessionen. Dazu werden auch die Glocken der einzelnen Kirchen beigetragen haben, die ja weithin hörbar waren. Insofern ist es nur folgerichtig, dass Claus Peter ein Kapitel seiner Arbeit „Das ehemalige Hochstift Bamberg als Glockenlandschaft“ nennt (Peter 2008). Wünsche 1998, 62f.; Wünsche 1999, 27, 31. Viele neue Erkenntnisse werden daher von der Dissertation über „Das Kollegiatstift St. Jakob in Bamberg im Mittelalter“ erhofft, an der derzeit Christine Kofer arbeitet.
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den Chordienst etwas Geld verdienen konnten. Denn ab dem vierten Laterankonzil (1215) waren nicht nur die Domkirchen zur Aufnahme von Schülern aus ärmeren Verhältnissen verpflichtet.103 Wie wichtig die Schüler für die religiösen Aufgaben waren, zeigt sich auch daran, dass in die Gottesdienstordnung von St. Stephan zweimal der Brauch des Kinderbischofs sowie ein Fangspiel der Schüler aufgenommen wurden.104 Eine Schule gab es bei St. Stephan relativ früh. Bereits 1024 wurde ein Egilbert Magister der Schulen bei St. Stephan genannt. 105 Ob er mit dem Domdekan gleichen Namens identisch ist, muss offen bleiben; ebenso wie die Frage, ob Erzbischof Anno von Köln – wie es Stephanie Haarländer und Claudia Märtl vermuten – wirklich in der Stiftsschule und nicht etwa in der Bamberger Domschule gelernt hat. Jedenfalls bat der Domscholaster Meinhard im Gegenzug für eine Abschrift des Cassiodor den Kölner Erzbischof Anno um eine Unterstützung dieses Kollegiatstiftes.106 Der Scholaster bei St. Stephan sollte entsprechend einer Urkunde vom 2. Juli 1283 von Propst, Dekan und Kapitel jährlich für die „Schulen“ zwei Pfund erhalten, von denen er, sofern er nicht selber für den Schulbetrieb sorgte, einen Rektor zu bezahlen hatte. Die Einkünfte der Scholasterei wurden in dieser Urkunde als „nimis tenues et exiles“ bezeichnet.107 Dies würde mit den Aussagen Hugos von Trimberg, eines Schulmeisters bei St. Gangolf um 1300, über dessen finanzielle Situation übereinstimmen.108 Die Ausstattung und die Bedeutung der Stiftsschule bei St. Stephan sollte jedoch nicht in allzu negativem Licht gesehen werden, denn die Schulen der Kollegiatstifte konnten in aller Regel keinen Vergleich mit denen der Domstifte aushalten.109 Allerdings scheint die Zahl der Graduierten unter den Angehörigen von St. Stephan verhältnismäßig hoch gewesen zu sein.110 Für einen ordentlichen Schulbetrieb waren Bücher unverzichtbar. Trotz der wenigen überlieferten Informationen hat es mit Sicherheit bei St. Stephan eine Bibliothek gegeben, denn in den Statuten wurde die Ausleihe von Büchern geregelt.111 Außerdem war der Kustos laut dem 1466 von Konrad Egfelten geleisteten Eid nicht nur für die Bücher, die für den Chordienst benötigt wurden, 103 104 105 106 107 108 109 110
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Viertes Laterankonzil, canon 11 (ediert in: Konzilien des Mittelalters). Dazu auch Kist 1962b, Nr. 12; Weber 1880, 30. Staatsbibliothek Bamberg, HV. Msc.476, f. 297r–299r, 252rv (Kinderbischof); f. 256v (Spiel; vgl. auch Weber 1877, 159f.). Vgl. Siewert 2007, 171f. Looshorn 1888–1900, Teil I., 332f. Detaillierter zur Schule bei St. Stephan: Siewert 2007, Kap. V. 2. 2: Die Stiftsschule. Märtl 1992, 331 Anm. 11; vgl. Haarländer 2000, 271f. mit Anm. 44, 276. Kopialbuch von St. Stephan, Nr. 264. Hugo Renner, V. 18925–18931. Vgl. auch Schiefer 2006, 263. Siewert 2007, Kap. V. 2. 3: Studium und Bildung, und die dort angegebene Literatur. Ein Vergleich mit den Angehörigen der anderen Bamberger Kollegiatstifte kann aufgrund noch ausstehender Stiftsuntersuchungen derzeit nicht gezogen werden. Stadtarchiv Bamberg, HV Rep. 2, Nr. 249, Statutum 19.
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zuständig, sondern auch für die Bibliotheksbücher.112 Die Bibliothek wird sich ebenso wie das Stiftsarchiv in der Sakristei befunden haben.113 Leider wissen wir über den Bestand nur, dass St. Stephan die sogenannte Bamberger Apokalypse mit einem angehängten Evangelistar als Geschenk von Heinrich II. und Kunigunde und ein weiteres Evangelienbuch114 besaß. Aufgrund der Ausgestaltung der Bamberger Apokalypse mag es erstaunen, dass sie St. Stephan und nicht dem Dom geschenkt worden war. Dies unterstreicht einmal mehr den Rang, den Heinrich II. und Kunigunde diesem Kollegiatstift zugedacht hatten.115 Die Stellung, die St. Stephan im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit besaß, zeigt sich darüber hinaus in der eigenen Bezeichnung als „kaiserliches Primatnebenstift“116. Es war ein Kollegiatstift, das in einigen Bereichen dem Bischof unterstand und dem Domkapitel untergeordnet war. Dieser Terminus verweist gleichzeitig auch auf die Bedeutung Kunigundes und Heinrichs II. bei der Gründung St. Stephans und unterstreicht die Bemühungen, die Bestrebungen des Domkapitels auf mehr Einfluss in die internen Angelegenheiten des Kollegiatstiftes abzuwehren.117 Obwohl das Kollegiatstift St. Stephan während der Säkularisation aufgehoben wurde,118 hat die ehemalige Stiftskirche in der Bamberger Kirchenlandschaft wieder eine wichtige Bedeutung. Denn am 10. Juni 1807 wurde sie die erste evangelische Kirche in Bamberg und beheimatet heute das Dekanat.119 Die einzelnen Bamberger Kirchen und vor allem die drei Kollegiatstifte wurden bisher in der Forschung kaum beachtet, dabei bildeten gerade die Kollegiatstifte eine Brücke zwischen sakraler und säkularer Welt,120 u.a. indem die Kanoniker als Notare, Sekretäre oder Familiare in den Diensten geistlicher und weltlicher Herren standen. Hier sei stellvertretend auf Propst Johannes Zufraß verwiesen, der Geheimer Sekretär Karls IV. war und für St. Stephan dadurch zwei kaiserliche Privilegien erwirken konnte.121 Für die Erfüllung dieser Aufgaben benötigten die Kanoniker gewisse Handlungsfreiräume, die nicht als reine Aufweichung der regula und der vita communis gesehen werden dürfen. Kollegiatstifte hatten eine wichtige Funktion. Wie anders sollte die bald nach der Bistumserrichtung erfolgte Gründung eines Kollegiatstiftes in Bamberg, die in eine Gründungswelle von Kollegiatstiften fiel,122 und seine aufgezeigte Bedeutung in der Bamberger Kirchenlandschaft 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122
Staatsarchiv Bamberg, Rep. A 120, L. 118, Nr. 71. Siewert 2007, Kap. III. 3. 2: Sakristei. Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 115, Nr. 214, p. 6. Vgl. von Murr 1799, 141–144. Suckale-Redlefsen/Schemmel 2000; Staatsarchiv Bamberg, Rep. B 115, Nr. 214, p. 6. U.a. Der Bambergische Wahrsager. Ausführlicher: Siewert 2007, Kap. VI. 3: Das Verhältnis zum Bamberger Bischof und Domkapitel. Vgl. Kist 1962a, 131. Vgl. Heller 1830 und Glück 2008. Vgl. Moraw 1995, bes. 153f., 161–168. Kopialbuch von St. Stephan, Nr. 98, 99. Vgl. v.a. Moraw 1995.
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erklärt werden können. St. Stephan war das älteste Kollegiatstift in Bamberg und bestrebt, diesen Vorrang zu untermauern. Allerdings konnte keine Kirche für sich allein stehen, vielmehr waren sie alle in vielfältiger Hinsicht mit einander verwoben, weshalb von einer Bamberger Kirchenlandschaft gesprochen und diese in ihrer Gesamtheit gesehen werden muss.123
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Der vorliegende Beitrag erschien bereits leicht geändert im Jahrbuch für fränkische Landesforschung 71 (2011).
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Gedruckte Quellen Der Bambergische Wahrsager Der Mit vollständigem Beweiß Versehene Bambergische Wahrsager, Bey welchem zu erfahren Was für ein Richterlicher Außspruch zwischen dem Hochwürdig=Hochwohlgebohren Dhom=Capitul zu Bamberg / und dem Kayserlichen Primat-Neben=Stifft daselbsten / denen Rechten nach wefolgen könne / wann die Reichs=Constitutions- widrig= an das Kayserliche und Reichs=Cammer=Gericht gebrachte Sache Eines Hochwürdigen Dhom=Capituls zu Bamberg Contra Seine Hochfürstliche Gnaden daselbsten, und das Collegiat-Stifft ad Stum. Stephanum An das Hochfürstliche Forum competens & præventum Recht und Ordnung nach wird verwisen werden, gedruckt im Jahr 1744. Chrodegang Regula canonicorum Chrodegang von Metz: Regula canonicorum secundam editionem Labbei, in: Patrologiae cursus completus. Series Latina 89, ed. Jacques-Paul Migne, Paris 1863, Sp. 1097–1120.
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Das Kollegiatstift St. Stephan in der Bischofsstadt Bamberg
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Ulrike Siewert
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Archa Verbi. Subsidia 8
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IHPAPXHIA. Zur Auszeichnung von Bischof und Bistumssitz mit dem Rationale. Das spätottonische Bischofsbild des Regensburger Uta-Kodex in der Deutung des Hebräerbriefs von Hanns Peter Neuheuser Bei der kunsthistorischen und theologischen Annäherung an Bildgestalt und Bildgehalt von hochmittelalterlichen Werken der an der kirchlichen Glaubensverkündigung orientierten Sakralkunst muss gelegentlich mit hochkomplexen hermeneutischen Strukturen und Aussagen gerechnet werden. Die Bildintention mag sich im Rahmen der Bildfindung, Bildrealisation und Bildpräsentation auch einfach erscheinender Zeichen und Zugänge bedienen, während die eigentliche Botschaft äußerst subtil formuliert sein kann. Dies erweist sich bereits, wenn die Bildintention die narratio der biblischen Geschichte verkürzt oder erweitert, um der institutio einer Glaubenswahrheit Gestalt zu verleihen und sich auf diesem Wege eines dezidiert theologischen Instrumentariums bedient.1 Als Beispiel für eine solche Bildrealisation sei die Miniaturmalerei mit dem Bild des Bischofs Erhard aus dem St. Emmeramer Uta-Evangelistar, clm 13601 der Bayerischen Staatsbibliothek, herangezogen. Bereits Georg Swarzenski hatte die Handschrift nicht allein kunsthistorisch gewürdigt, sondern als „unerreicht gebliebenes Kunstwerk des Geistes“ bezeichnet2 und noch Henry Mayr-Harting betonte ausdrücklich die „theologische Systembildung“ in ihren Darstellungen,3 während Florentine Mütherich das „gedanklich-spekulative Element“ in diesen Formen hervorhob.4 Die Besonderheiten dieses spätottonischen Kodex und seiner künstlerischen Konzeption lassen vermuten, dass auch die Ausprägung des Bischofsporträts Aufschlüsse über ‚das Bild‘ des Diözesanbischofs und seines Amtes in hochmittelalterlicher Zeit ermöglichen. Nach einer Klärung des kodikologischen Kontextes (I.) sollen sodann Anhaltspunkte zur Erschließung der Bildgestalt mitgeteilt werden (II.), um anschließend den Bildgehalt erörtern zu können (III.). Zuletzt (IV.) wären Erkenntnisse in Bezug auf das Bischofsbild im Allgemeinen und zur entsprechenden Aussage im zeitlich und räumlich kontextuierten Uta-Evangelistar vorzutragen.
1 2 3 4
Vgl. Neuheuser 2001. Swarzenski 1901, 88–122, hier 106. Mayr-Harting 1991, 375. Mütherich 1987, hier 23.
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I. Kodikologischer Kontext des Erhard-Bildes Der traditionell mit dem Namen der zwischen 1001 und 1025 urkundlich nachgewiesenen Uta von Kirchberg, Äbtissin von Niedermünster, und ihrem Kloster verbundene Uta-Kodex stellt als liturgisches Buch bereits hinsichtlich seines funktionalen Aufbaus eine Besonderheit dar,5 verbindet es doch in Bezug auf die Leseabschnitte Merkmale eines Perikopenbuches mit deren Anordnung in der Reihenfolge des neutestamentlichen Bibelkanons und erfüllt somit Merkmale eines Evangeliars. Im Hinblick auf die Typologie liturgischer Bücher generell muss festgestellt werden, dass auf diese Weise ein Gebrauch des Kodexes innerhalb liturgischer Vollzüge ohne weiteres möglich ist, die zusätzliche Gliederung nach den Evangelisten jedoch keinen erkennbaren Nutzen bringt.6 Das Auffinden der jeweils treffenden Perikope muss vielmehr durch ein Capitulare als zusätzliches Instrument geleistet werden. Der 119 Blätter im Format 382 × 274 mm umfassende Kodex ist aus paläographischen Gründen in das unmittelbare Umfeld des Montecassino-Evangeliars Kaiser Heinrichs II. gerückt worden,7 doch ergeben sich neuerdings aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive Indizien, die dortige Kaiser-Miniatur auf Heinrich III. zu beziehen und somit eine Datierung um 1045–1047 anzunehmen.8 Demnach wäre mit der Möglichkeit zu rechnen, ggf. die Datierung von Textteil und Bildteil auch des Uta-Kodex zu trennen und anzunehmen, dass die Miniaturen einem bereits fertigen Textkorpus eingefügt worden seien. Dieser Vorgang der Kompilation könnte sogar noch kurz nach der Mitte des 11. Jahrhunderts erfolgt sein. Der Uta-Kodex wird f. 1v–4r mit einem Miniaturenvorspann eröffnet, diesem folgt unmittelbar f. 5v das Matthäusbild, während die anderen Evangelistenbilder f. 41v, 59v und 89v bei den ihnen zuzuordnenden Textauszügen stehen. Die vorgeschaltete Bilderfolge zeigt f. 1v und 2r gegenüberliegend ganzseitige Darstellungen der Hand Gottes und der Dedikation des Buches an die beischriftlich genannte Äbtissin Uta vor der thronenden Madonna, ferner f. 3v und 4r gegenüberliegend ganzseitige Darstellungen eines Kreuzesbildes und des Erhard-Bildes. Zudem zu erwähnen sind die f. 6r, 42r, 60r und 90r positionierten, qualitätvollen ganzseitigen Initialtafeln. Die Lagenformel weist aus, dass der Vorspann und die Darstellungen mit den Initialseiten sowie den Evangelistenbildern jeweils auf isolierten Lagen – nämlich der ersten, sechsten, neunten und vierzehnten Lage – stehen und keinen technischen 5 6 7 8
Vgl. die aktuelle kodikologische Beschreibung im Inventar von Klemm 2004, Textband, Kat.-Nr. 18, 43–49. Vgl. Neuheuser 1992b. Vatikanstadt, Biblioteca Apostolica, Cod. Ottob. lat. 74, wohl 1022 geschenkt. Vgl. Hoffmann 1986, Textband, 294 und 300–301. Vgl. hierzu Keller 1996, 173–214, zum Uta-Kodex 197–199, jedoch nur zu den Rahmenbildern der Miniaturen, zur Datierung vor allem 209–211.
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Verbund zu den Textseiten aufweisen.9 Es ist auffällig, dass diese Konzeption keine Illustrierung der Evangelientexte vorsieht: Die kleinen Rahmenbilder, welche etwa die Geburt Jesu (vgl. f. 59v) oder den Gang der Frauen am Ostermorgen (vgl. f. 41v) zeigen, führen nicht primär zur Veranschaulichung der narratio, sondern dienen als Bestandteil der Evangelistenbilder der Charakterisierung dieser Evangelistengestalten. Der den Uta-Kodex eröffnende Miniaturenvorspann steht durch die hier integrierten Matthäusseiten (f. 5v und 6r) in systematischem Zusammenhang zum Textteil. Die auch in der Forschung stets unterstellte Einheit sowie insbesondere die bildhafte Zuordnung des Kodex zu Äbtissin Uta und zu Bischof Erhard von Regensburg wird durch den kodikologischen Befund unterstrichen. Hinzuzufügen ist die hier nicht weiter im Detail zu erörternde gestalterische Einheit des Miniaturenvorspanns mit den oben erwähnten Doppelbildern, welche jeweils zugehörige, nämlich nachfolgende Textabschnitte einleiten. Die letztgenannten, aus Evangelistenbild und Zierinitiale bestehenden Doppelbilder verdeutlichen zudem ein wesentliches, aber triviales Gestaltungsprinzip der Handschrift, und zwar den Bezug gegenüberliegender Bildseiten; dieses Prinzip gilt auch für den Miniaturenvorspann: Hier wird die Serie erst auf einer Verso-Seite eröffnet, um f. 1v und 2r das Eingangsbild und das Widmungsbild im wechselseitigen Bezug darbieten zu können. Infolgedessen müssen auch das Kreuzesbild f. 3v und das Erhard-Bild f. 4r zwingend als eine Einheit angesehen werden. Diese formale Erkenntnis gilt es, bei der Erschließung der Bildgestalt und bei der Interpretation des Bildgehaltes zu berücksichtigen. II. Zur Erschließung der Bildgestalt a) Kontextuelle Bildgestalt Jedes Einzelbild des Uta-Kodex präsentiert sich hinsichtlich einer beeindruckenden autonomen Bildfindung, fügt sich indessen in ein gestalterisches Gesamtkonzept ein, das die gesamte Handschrift prägt: Die Bilderserie zeichnet sich durch eine kraftvolle, teils vordrängende tektonische Rahmung und überreiche Binnengliederung der Seiten aus. Stilistisch fügen sich diese Bildseiten ganz der Tradition der zugrunde zu legenden ottonischen Periode der Regensburger Buchmalerei an. Auch frühere Produkte, wie das zwischen 1002 und 1014 entstandene Sakramentar Heinrichs II.10 oder sogar das vor 1000 anzusetzende Einzelblatt mit der Darstellung des Abtes Ramwold von St. Emmeram11 sowie das schon genannte Montecassino-Evangeliar Heinrichs II. oder Heinrichs III., zeigen die auffälligen und mehrteiligen Rahmungen mit breiten Leisten, die 9 10 11
So bereits Neuheuser 1992a, 217–218. Sakramentar Heinrichs II., München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 4456. Einzelblatt mit der Darstellung des Abtes Ramwold von St. Emmeram, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 14000, f. 1.
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Abb. 1. Kreuzesbild aus dem Uta-Evangelistar, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 13601, f. 3v (Foto und Reproduktionserlaubnis: München, Bayerische Staatsbibliothek).
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Abb. 2. Erhard-Bild aus dem Uta-Evangelistar, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 13601, f. 4r (Foto und Reproduktionserlaubnis: München, Bayerische Staatsbibliothek).
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Aufteilung des Blattes in geometrische Elemente, Quadrate und Kreissegmente, die Integration von Nebenbildern, die kleinteilige Füllung der Zwischenräume sowie vor allem die Beigabe zahlreicher Beischriften. Die hypertroph gestaltete Überladenheit der Seiten korrespondiert mit den Sinnbezügen, wie sie in den Textzeilen, Einzelwörtern und kunstvollen Abbreviationen dargeboten werden. Alle Elemente einer Bildseite scheinen in einem kontextuellen Verhältnis zu einander zu stehen, intentional wohl auch alle Teile der Bildserien untereinander. Es ist bislang nur mühsam gelungen, das Geflecht der Bilder und Texte zu inventarisieren, so allerdings für unseren Uta-Kodex.12 Der Miniaturenvorspann des Uta-Kodex bietet in seinem übergreifenden, textunabhängigen Teil vier ganzseitige Bilder, die jeweils einen Gottesbezug und einen Hierarchiebezug darbieten. So stehen die Hand Gottes und Maria mit der Äbtissin einerseits dem Kreuz Christi und einem heiligen Bischof andererseits einander gegenüber. Sind die beiden erstgenannten Bildseiten dem traditionellen Schema der Widmungsseiten zuzurechnen, so verfolgen Kreuzesbild und Erhard-Bild offensichtlich eine andere Bildintention, welche sich ebenso offenkundig von der überlieferten Typologie der Evangeliar- und Perikopenillustration abhebt und – sowohl im Einzelnen als auch im Kontext – keinen Bezug zur biblischen narratio anstrebt. Das Kreuzesbild des Uta-Kodex erweckt unser Interesse als die dem ErhardBild gegenüberliegende und auf der Verso-Seite gemäß der Leserichtung logisch vorausgehende Darstellung (Abb. 1). Bereits prima vista verweigert sich das Kreuzesbild der Deutung aus der Schilderung des Evangeliums, erkennbar an der Ausstattung des Gekreuzigten mit Krone und priesterlicher Stola sowie der Beigabe der Personifikationen von Ecclesia und Synagoga. Insbesondere die Beischriften zeigen die hochkomplexe Bildintention an, welche sich zwar allgemein an die Hohepriestertheologie des Hebräerbriefes anlehnt, jedoch auch hier zu hoher Spezialisierung neigt, wie die gräzisierende Beischrift des „Plin-tes-pilon“ andeutet.13 Die Implikationen der musiktheoretischen Beischriften dieser Seite mögen hierbei noch ausgeblendet bleiben, um an dieser Stelle die weiterhin bestehenden Interpretationsschwierigkeiten des Kreuzesbildes lediglich anzumerken. Zur Interpretation des gesamten Bilderzyklus im Uta-Kodex und für das Erhard-Bild im Speziellen gehört die Feststellung, dass sowohl die geometrischen und ornamentalen Gestaltungselemente als auch die figurale Ausstattung mit hoher stilistischer Sicherheit ausgeführt sind. Auch in den reduziertesten Darstellungen wie bei den kleinformatigen Rahmenbildern haben die Miniatoren den seinerzeit höchsten Qualitätsstandard realisiert. Alle Details, auch komplizierte Sichtbezüge und die Gestik, müssen als bewusste Bildfindungen angesehen werden, die mit einem adäquaten Betrachterkreis rechneten. Diese Tatsache gilt als Grundinformation für jede minutiöse Analyse geistiger Bezüge 12 13
Vgl. Rütz 1991, hierzu Neuheuser 1992a. Vgl. Neuheuser 1996, 279–306.
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innerhalb der Darstellungen, die keine konzeptionellen und handwerklichen Defekte zulassen. b) Das Erhard-Bild Dem f. 4r stehenden Erhard-Bild (Abb. 2) wird der Gesamtbereich der inneren Bildfläche eingeräumt. Die ganzseitige Miniatur weist einen vergleichsweise zurückhaltenden Rahmen auf, welcher mit vier kleinen quadratischen Eckbildern, einem Medaillon am oberen Rahmen und drei halbrunden Zierelementen besetzt ist. Die Rahmenelemente und die dort eingefügten oder angefügten Beischriften können hier im Detail ohne Berücksichtigung bleiben: Sie beziehen sich auf das Leben des wohl Auftrag gebenden Niedermünsterstifts resp. erinnern an die Leitungsgewalt der Äbtissin. Das innere Bild zeigt die in der Achse stehende Gestalt des heiligen Erhard, welcher die Szene beherrscht und von einem Altardiener zu seiner Linken begleitet wird. Die Personen werden überfangen von einem prächtig ausgestatteten, seitlich einsichtigen Gewölbe, das auf vier Stützen mit Kapitellen ruht. Die Regensburger Malerschule hatte eine solche Kuppel bereits im Sakramentar Heinrichs II. (f. 11v) abgebildet, doch liefert letztlich der in der Hofschule Karls den Kahlen hergestellte, noch berühmtere Codex aureus die Vorlage.14 Diese Handschrift befand sich spätestens seit dem ersten Drittel des 11. Jhs. als Schenkung König Arnulfs von Kärnten in St. Emmeram,15 in dessen Schenkungskomplex auch das heute der Münchner Residenzschatzkammer zugehörige sog. Arnulfziborium mit einem Dachaufbau gehört.16 In der Tat bietet auch das Erhard-Bild in der linken Arkade eine Ansammlung von Sakralgerät. Auf einem Tisch erhebt sich ein Altarziborium mit einem Dachaufbau, darin hängend eine kleine Pyxis, darunter stehend ein Kelch. Vielleicht an eine Ziboriumssäule angelehnt erkennt man eine aufrecht positionierte Patene. Diese vertikale Stellung macht die flache Schale nicht nur überhaupt sichtbar, sie deutet auch an, dass sie nicht gefüllt ist. Links vom Ziborium wird ein geschlossenes liturgisches Buch angedeutet, ohne dass seine Gattung bestimmbar wäre. Über der Teilszene ist am Arkadenbogen ein kleines Hängetabernakel oder Reliquiar befestigt. Vom Tisch hängt ein wertvolles Textil herab, in dessen Medaillonmuster jeweils ein Paar geflügelter Pferde sichtbar wird. Die Darstellung legt aufgrund der gedrängten und artifiziellen Aufstellung eine eher summarische Zusammenfassung von Sakralgut nahe, welches als Abbreviatur für das Heilsinstrumentarium der Kirche steht. Im Zentrum des Erhard-Bildes tritt uns eine kostbar gewandete geistliche Gestalt entgegen, welche beischriftlich als „S(anctus) Herhard(us)“ charakterisiert wird. Die gerade stehende Figur ist streng axial ausgerichtet, lediglich der Blick scheint minimal zur rechten Seite der Figur abzuweichen. Durch die 14 15 16
Codex aureus, München, Bayerische Staatsbibliothek, clm 14000, f. 5v. Vgl. Arnoldus de sancto Emmeramo Liber I. de s. Emmeramo, cap. 5 (549–555, hier 551). Vgl. Otto 1952.
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seitliche Öffnung der Arme und die eher nach unten weisenden Hände wird die Bekleidung des Sakralornats zur Betrachtung freigegeben: Der Geistliche trägt über einer Albe die Dalmatik des Diakons, die priesterliche Kasel und das bischöfliche Rationale. Zudem ist über dem linken Arm das Manipel zu erkennen. Die Stola zeigt sich in den schmalen Streifen, die in der Nähe des Saums der Albe unter der Dalmatik herausragen, während die seitlichen Bänder vielleicht der Dalmatik zuzurechnen sind. Es ist nicht anzunehmen, dass die Stola in der Trageweise der Diakone angelegt ist. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Deutung der Kopfbedeckung: Die Erhard-Figur trägt eine turbanähnliche Kopfbinde, deren Enden am Hinterkopf in der Art der vittae einer Mitra herabhängen. Der etwas ausladende, stoffreiche Turban mag an den Hohenpriester des Alten Bundes gemahnen, ist der christlichen Paramentik aber ebenso fremd wie das dreieckige Element, das an der Binde befestigt zu sein scheint und die Stirn berührt. Gebärde und Gestik der Erhard-Figur lassen in ihrer zunächst unbestimmten Ausprägung vielfache Deutungen zu. Wir scheinen Gewissheit zu haben über das ruhige Stehen an der vorderen Begrenzung eines Plateaus, über dessen Schwelle die Fußspitzen hinausragen. Die erste Frage liegt bereits darin, ob der Gestus einer aktuellen und dynamischen Handbewegung entspringt oder einer statischen Öffnung geschuldet ist, etwa um den Blick auf das Rationale freizugeben. Diese Insignie, deren Gebrauch durch die Bischöfe von Regensburg historisch erst im Siegel des Bischofs Hartwig I. (1105–1126) nachweisbar ist,17 aber offensichtlich älteren Ursprungs ist,18 war für die Miniatoren des Uta-Kodex offensichtlich von großer Bedeutung, da sie die Teile des Textils mit mehreren Beischriften versahen: Die drei runden Elemente tragen die Bezeichnungen „lux aeternae“, „corp(us) ec(clesiae)“ und „umbra legis“, die beiden halbrunden Applikationen die Worte „doctrina“ und „veritas“, der die Medaillons verbindende Vertikalstab die Bezeichnung „ordo s(e)c(u) lor(um)“, die diagonalen Stabilisatoren die Wörter „sacer“ und „principat(us)“, sowie schließlich das vertikale Brustband die Aufschrift „IHPAPXHIA“ in griechischen Majuskeln. Schon jetzt ist deutlich, dass auch die beiden Wortteile in den Zwickeln zwischen Binnenrahmen und Kuppelrund „pre – sul“ auf diesen Zusammenhang Bezug nehmen. Ansonsten finden sich auf den Ärmeln der Albe die griechischen Minuskeln für das Theta und das Pi, welche gelegentlich als Abkürzung für die Wörter theoria und praxis gedeutet worden sind. Ohne Zweifel handelt es sich bei der Bekleidung der Erhard-Figur mit dem Rationale um eine archaisierende, ja anachronistische Darstellung. Das Rationale ist nach den Forschungen von Joseph Braun als auszeichnender Schmuck – immerhin – kurz vor der Jahrtausendwende erstmals nachweisbar und dann für Halberstadt, Metz, Aquileja und Minden bezeugt. Die Quellen verraten einen eifersüchtigen Vergleich unter den Amtsträgern. Die Zweifel von Braun 17 18
Vgl. Hubel 1976, Kat.-Nr. 112, 219–229, hier 222. Vgl. auch Kleinschmidt 1904. Vgl. Honselmann 1975, 44; vgl. auch Braun 1907, 676–700, speziell zur Geschichte 676– 687.
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und Beda Kleinschmidt über die Authentizität des Bischofsbildes im Uta-Kodex resp. der Rationale-Abbildung innerhalb des Erhard-Bildes19 müssen als hinfällig gelten, da die hybride Gestaltung des Bildes (alttestamentlicher Kopfschmuck und modernste Insignie) den Zeitgenossen zwar gewiss auffiel, aber nicht als absurd erschien. Dem Regensburger Bischof stand also zumindest im 11. Jahrhundert das Rationale zu, und wohl in der hier dokumentierten künstlerischen Ausgestaltung des Efod-Typs. Körperhaltung und Gebärde der Erhard-Figur sind aufgrund ihrer axialen Positionierung im äußersten Bildvordergrund und ihrer frontalen Ausrichtung als autonome Darstellung zu deuten: Die Bischofsfigur ist weder zur einen noch zur anderen Seite, weder zu dem Sakralgerät noch zum Altardiener, hin gewendet, unabhängig von der Frage, ob die seitlichen Raumkompartimente und ihre Inhalte wiederum dieser Bischofsgestalt zuzuordnen sind. Da der Gestus des Geistlichen – wegen der Abwendung vom Altartisch und aufgrund der nach unten zeigenden Fingerspitzen sowie der eher seitlichen Ausstreckung der Unterarme – wohl nicht als Orantenhaltung anzusprechen ist und sich an keine erkennbare Person im Bildraum richtet, ferner auch sonst jeder erzählerischen Attitüde ermangelt, muss angenommen werden, dass der ihm innewohnende Sinn allein in der Selbstpräsentation des Bischofs und allenfalls in der Vorweisung des Rationale und seiner Botschaft beruht. c) Formale Parallelen Die spezielle Gestaltung des Erhard-Bildes im Uta-Kodex mit der zentralen Stellung einer herausgehobenen Figur und der spezifischen Gestik der seitlich geöffneten Hände lässt nach Parallelen fragen, um ggf. auf diesem Wege einen Bedeutungstransfer leisten zu können. Zu prüfen ist, ob die Details des Erhard-Bildes in anderen hochmittelalterlichen Bildwerken aufscheinen, ob die zunächst uneindeutige Gestik der Erhard-Figur Parallelen kennt oder die Anordnung der Gesamtszene aus ähnlichen Bildrealisationen gedeutet werden kann. Dabei ist vorab nach Möglichkeiten der Klärung indifferenter Gesten in liturgischen Kontexten zu suchen, sodann das breite Spektrum dieser Kontexte selbst in den Blick zu nehmen. Die Details des Erhard-Bildes, wie sie sich vorwiegend in den dargestellten Realien präsentieren, sind zunächst weniger spezifisch als angenommen werden mag. So muss das Tischziborium, ein Gestell mit hohem, über Kapitellen sich öffnendem Arkadenbogen, das zudem über dem geraden Abschluss noch einen Zwischenraum mit Säulenstellungen kennt und einen Satteldachaufbau mit Firstapplikationen aufweist, nicht zwingend jenes ähnliche Gerät aus der oben erwähnten Arnulfschenkung abbilden.20 Vielmehr zeigt eine Muster-
19 20
Vgl. Braun 1907, 681; Kleinschmidt 1904, 40. Zu dem um 870 gefertigten Arnulfziborium vgl. Schramm/Mütherich 1981, Nr. 61, 139; zu Arnulf vgl. Schmid 1976.
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zeichnung vom Ende des 10. Jhs. die weite Verbreitung dieses Ziborientyps,21 dessen Exemplar im Erhard-Bild übrigens nur über ein einfaches Satteldach zu verfügen scheint, während die anderen Ausführungen vor allem einen markanten Frontgiebel aufweisen. Auch dürfte es schwerfallen, das Medaillontextil mit den streng geometrisch geflügelten Pferden historisch zuzuordnen, da Stoffe mit solchen Rapporten, welche vielleicht die auch in deutschen Landen beliebte Himmelfahrt Alexanders verbildlichen,22 trotz stilistischer Auffälligkeiten keineswegs unikalen Charakter besitzen; verwiesen sei nur auf die vor allem byzantinischen und nahöstlichen Textilien, etwa den spätestens aus dem 10. Jh. stammenden Kölner Jesdegerdstoff.23 Nicht einmal ein anderes Detail, die Darstellung eines Geistlichen mit einem weichen Kopftuch, kann als grundsätzlich einzigartig gelten, wenn man die Abbildung des Ildefonsus bei einer dieses Mal eindeutig liturgischen Handlung in einer aus Cluny stammenden, wohl von einem bayerischen Künstler Ende des 11. Jhs. angefertigten Handschrift betrachtet.24 Auch zeitgenössische Abbildungen des soeben erst eingeführten Rationale können benannt werden: Ein Elfenbeinrelief der Zeit um 1022 bis 1036 ziert den Buchdeckel des Gebetbuches der Herzogin Maria von Geldern und zeigt die frontale Standfigur des Bischofs Sigebert von Minden.25 Sigebert trägt das Mindener Rationale in der Form der beiden parallelen Vertikalstreifen (Superhumerale-Typ), wie auch auf dem zeitgleichen Einzelblatt.26 Die zunächst indifferente Gestik der Erhard-Figur gehört gewiss nicht zu jenen ausdrucksstarken Äußerungsformen, der sich die mediävistische Gebärdenforschung27 verstärkt angenommen hätte, insbesondere wenn wir bei geistlichen Personen vergleichsweise an die ‚eindeutigen‘ liturgischen Gesten der Elevation, der Handauflegung oder speziell an die Orantenhaltung oder an den liturgischen Gruß etc. denken.28 Bei prima vista ‚unklaren‘ Gesten wäre insbesondere die liturgische Kontextuierung zu analysieren. Die fehlende Zuwendung zum Altartisch kann durchaus eine rituelle Begründung haben; man sehe etwa die Kirchweihszene aus dem Benedictional of St. Ethelwold, einer um 971–984 gefertigten Handschrift,29 in welcher der Bischof dem Altartisch sogar den Rücken zuwendet, um bei gleichzeitigem Vollzug des Segensgestus aus einem Buch vorzutragen. Auch gilt die Orantenhaltung stets dann als ein21 22 23 24 25 26 27 28 29
Musterbuchfragment aus Saint-Benoit-sur Loire, Ende 10. Jhs., Vatikanstadt, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Reg. lat. 596, f. 27r; vgl. Lenzen/Buschhausen 1965, insb. 63–72. Vgl. den Stoff in Würzburg, Mainfränkisches Museum, Inv.-Nr. H 5604. Köln, St. Ursula, Schatzkammer; vgl. Wentzel 1973, hier insb. S. 61–74. Ildefonsus De virginitate Beatae Mariae, in: Parma, Biblioteca Palatina, Cod. Pal. 1650, f. 4r; vgl. Shapiro 1970. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 42. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. quart. 3. Vgl. Schmitt 1992, zum Wandel des Geschichtsverständnisses in der ottonischen Kunst vgl. 106–109. Vgl. zusammenfassend Suntrup 1978. London, British Library, Add. ms. 49598, f. 118v.
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deutig, wenn weitere liturgische Bezugspunkte erkennbar sind; man denke etwa an die ‚flach ausgeführte‘ Orantenhaltung des celebrans im Lanalet-Pontifical aus dem 2. Viertel des 11. Jhs.,30 welchem ein Akolyth ein aufgeschlagenes Buch entgegenhält. Zudem kennen wir, etwa in der im späten 10. Jh. dargestellten Predigt des hl. Kilian, einen Redegestus in einer ‚flachen Ausführung‘, welcher aufgrund der Positionierung des Geistlichen hinter einer Altarmensa durchaus missverständlich aufgefasst werden kann.31 Allerdings vollzieht die Erhard-Figur des Uta-Kodex einen ‚unspektakulären‘, jedoch keineswegs uninteressanten Gestus, indem sie die Unterarme jeweils nur minimal angehoben seitlich ausstreckt, die offenen Hände aber nach unten weisen lässt, so dass in der gestischen Bilanz eine waagerechte Linie entsteht. Hierdurch manifestiert sich der Eindruck einer gewissen, keineswegs leblosen Passivität, welche der hochmittelalterlichen Kunst nicht grundsätzlich fremd ist. So zeigt eine Einsiedelner Handschrift der Zeit um 970–980 Papst Gregor den Großen mit dieser Gestik, um das Hören auf die Eingebungen des Heiligen Geistes anzudeuten.32 Die ‚offene Geste‘ ist ganz allgemein als die Haltung des Hörenden und des sich in dieser Position Zeigenden aufzufassen, so in der berühmten lothringischen Bergkristallscheibe aus der zweiten Hälfte des 9. Jhs., wo im Rahmen der gestenreich erzählten Susannengeschichte die Verurteilung des zweiten Ältesten durch Daniel veranschaulicht wird, innerhalb deren dieser Älteste sein Urteil entgegennimmt.33 Auf diese Weise kann auch in einer angelsächsischen Miniatur der Zeit um 1012–1020 dargestellt werden, wie Maria unter dem Kreuz Jesu die letzten Worte ihres Sohnes entgegennimmt.34 Wie eine Zusammenfassung zahlreicher weiterer Beispiele erweisen sich die Gestendarstellungen im Einzelblatt aus dem Weingartner Kollektar, wo die Personifikation der Humilitas mit der ̦offenen Geste‘ charakterisiert wird.35 Die Tugend der Humilitas, verbunden mit einer Repräsentationsdarstellung, gilt gewiss in ottonischer Zeit als ein akzeptables Bildkonzept. Wenn wir dem Vorschlag Christoph Eggenbergers folgen dürfen und auch den griechischen Bildvorrat einbeziehen sollen, so bietet sich der um 1059 entstandene Psalter Vat. gr. 752 an, in dessen Autorenbild uns König David entgegentritt:36 In strenger Frontalität steht David in einem Gehäuse, das zugleich als Unterbau für den Thron Christi dient. Er verwendet die ̦offene Geste‘, um seine Position zwischen den Säulen auszufüllen. In unserem Zusammenhang ist interessant, dass David hier mit 30 31 32 33 34 35 36
Rouen, Bibliothèque municipale, Ms. A. 27, f. 1v. Vita des hl. Kilian und der hl. Margareta, Hannover, Landesbibliothek, Hs. 1,189, f. 4v. Gregor der Große, Kommentar zum Buch Ezechiel, Einsiedeln, Stiftsbibliothek, Cod. 156 (239). Bergkristall, London, British Museum; vgl. Wentzel 1970, 365–372. London, British Library, Ms. Cotton Tiberius XXVII, f. 65v; vgl. Hürkey 1983, Kat.-Nr. 153a, 193. Einzelblatt aus dem Kollektar in München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 38789. Psalter, Vatikanstadt, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. gr. 752, f. 18v; vgl. Eggenberger 1987, 72ff., etwa 189.
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der kaiserlichen Trabea bekleidet ist und das Bild ohne Zweifel die Funktion erfüllt, dieses Kleidungsstück – und mit diesem das königliche Amt des Propheten – zur Schau zu stellen. Doch prüfen wir im nächsten Schritt, ob sich solche Gesten auch bei eindeutig als Priester oder Bischöfe apostrophierten Personen finden lassen! Nicht ganz zweifelsfrei ist die sehr interessante Szene in der Lütticher Prudentius-Handschrift vom Ende des 10. oder Anfang des 11. Jhs., in welcher Melchisedek mit ausgebreiteten Armen vor seinen Tempel tritt: Der Schenkungsgestus des Abram, welcher dem Hohenpriester ein Lamm hinhält, könnte auf einen Annahmegestus schließen lassen.37 Auch dem Dedikationsbild des Evangeliars von St. Vaast könnte ein solcher Gestus unterstellt werden, doch zu Unrecht, denn der Schreiber präsentiert zwar sein Buch, doch der hl. Vedastus nimmt im ̦offenen Gestus‘ eher eine Mittlerposition ein und hat seinen Blick der Maiestas-Christi-Darstellung im oberen Bilddrittel zugewandt.38 Eindeutig wiederum ist die Szene in einem ottonischen frankosächsischen Evangeliar, auf welches Ulrich Kuder hingewiesen hat und welches Matthäus im Augenblick der Berufung durch Christus zeigt.39 Am ehesten mit unserer Miniatur im Uta-Kodex vergleichbar ist das freilich spätere, nämlich um 1071 begonnene Gundekar-Pontifikale in Eichstätt,40 das in seiner Serie der Bischofsbilder immer wieder Bischöfe in frontaler ‚Selbstdarstellung‘41 präsentiert, übrigens wohl auch, um das Rationale auf ihrer Brust und insoweit ihr diesbezügliches Vorrecht zeigen zu können. In einem weiteren Schritt sollen nun solche Bildrealisationen betrachtet werden, welche über die bloße Gestik hinaus Parallelen zur Gesamtkonzeption der Erhard-Szene, zur Positionierung des Geistlichen innerhalb einer Personengruppe und ggf. im Hinblick auf die Hinordnung zu einem Altar, aufweisen. Solche Konstellationen sind zunächst aus den spätantiken und frühmittelalterlichen Darstellungen des Sakralraumes zu erwarten. In der Sarkophagkunst und in anderen Reliefs finden sich immer wieder Arkadenreihungen mit eingestellten Figuren, welche die Erinnerung an bestimmte Personen wach halten sollen, darunter auch solche mit Gesten, die zwischen einem neutralen Ausdruck des Selbstbezugs und der Orantenhaltung oszillieren.42 Nicht zuletzt bietet sich der Gesamteindruck der Kreuzigungsszene aus der wohl spätantiken Holztür von Santa Sabina in Rom zum formalen Vergleich an.43 Bereits die frühmittelalterliche Kunst kannte den Bildtopos der liturgischen Szene, gerade auch in sehr 37 38 39 40 41 42 43
Prudentius, Psychomachia und Physiologus, Brüssel, Bibliothèque royale, Ms. 10066– 10077, f. 113v. Bibel von St. Vaast, Boulogne-sur-mer, Bibliothèque municipale, Ms. 9, f. 1r; vgl. Schulten 1956, 49–90, hier Kat.-Nr. 11, 83–84. Evangeliar, wohl Corvey, Prag, Bibliothek des Metropolitankapitels, Cim. 2, f. 23v; vgl. Kuder 1993, hier 194. Eichstätt, Diözesanarchiv, Cod. B 4; vgl. Pontifikale Gundekarianum. Vgl. Zchomelidse 1997. Vgl. auch Brenk 1992. Vgl. stellvertretend etwa zum Istanbuler Plattensarkophag Deckers 1994. Vgl. Jeremias 1980.
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verkürzenden Darstellungen, vor allem im Drogo-Sakramentar44 oder im Sakramentar in Tours,45 dessen Elevationsszene wenigstens vom Typus her für das einer Utrechter Kirche gewidmete ottonische Sakramentar bestimmend gewesen sein könnte.46 Für die Gesamtkonzeption der Szene lässt sich ebenfalls eine, wenngleich viel spätere Parallele benennen: Sie findet sich in einem Matutinale, das spätestens im Jahre 1178 im Nonnenkloster von Admont geschrieben wurde.47 F. 210v leitet die Initiale „R“ das Formular zur Kirchweihe ein und weist in der unteren Hälfte des Buchstabenkörpers eine dreifache Arkatur auf, die das Bild in selbstständige Kompartimente gliedert. In der Mitte steht frontal ein infulierter Bischof mit Pedum und Segensgestus, zu seiner Linken und ebenfalls frontal ein Diakon, mit der linken Hand ein Buch haltend, mit der Rechten auf den Bischof weisend. Das andere Kompartiment wird gefüllt von einem Kastenaltar, den eine an der Arkade hängende Ampel überragt. Im Hinblick auf die liturgische Handlung der Kirchweihe ist die Admonter Szene – trotz des zeitlichen Abstandes – durchaus mit dem Benedictional of St. Ethelwold von 971–984 vergleichbar. In der Admonter Handschrift kommt indes hinzu, dass die Szene, wie im Uta-Kodex, in eine dreifach vertikal gegliederte Arkatur gestellt ist und dass sich die Personen frontal zeigen. Die Segenshaltung innerhalb des Kirchweihrituals ist in Admont also bereits stark abstrahiert, während die gleiche Szene im Ethelwold-Benediktionale durch die Darstellung einer bildinternen Interaktion noch erzählerischen Duktus aufweist. Zu thematisieren ist noch die Frage, ob das Erhard-Bild trotz seiner prima vista diagnostizierten Unbestimmtheit dennoch eine rituell korrekte liturgische Szene darstellen könnte.48 Vergleichsbilder für die Darstellung der Messliturgie sind verhältnismäßig einfach zu bestimmen. Beginnen wir mit dem aus der Zeit um 1000 stammenden Sakramentar von Ivrea:49 Die ganzseitige Miniatur zeigt oberhalb der VD-Ligatur zum Präfationsbeginn eine Bogenstellung mit axial gestelltem Altartisch, darüber eine Hängelampe. In der linken Bildhälfte agiert Bischof Warmund, indem er ein aufgeschlagenes Buch hält resp. mit der Linken fasst. Obwohl die Geste nicht eindeutig ist, so ordnet die Miniatur die Gestalt doch ohne Zweifel dem ansonsten leeren Altartisch zu. Der rechts mit einer Ampulle zum Altartisch hinzutretende Altardiener bestätigt den eucharistischen Zusammenhang in dieser nicht näher zu deutenden Szene. Im sog. Kostbaren Hildesheimer Evangeliar der Zeit um 1015 findet sich eine ähnliche, doch auch wiederum differierende Szene:50 Auch hier ist in der rechten Bildhälfte ein Geistlicher, Bischof Bernward, in Seitenansicht vor einem Altar zu sehen – dieser bestückt mit Kelch und Patene auf einem zusätzlichen 44 45 46 47 48 49 50
Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. lat. 9428, f. 15v. Tours, Bibliothèque municipale, Ms. 184, f. 3r. Vgl. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. quart. 2, f. 1r. Vgl. Admont, Stiftsbibliothek, Ms. 35 (18), f. 210v. Vgl. jetzt auch den Überblick bei Augustyn 2009. Warmund-Sakramentar, Ivrea, Biblioteca Capitolare, Cod. 86, f. 11v. Kostbares Evangeliar, Hildesheim, Dom- und Diözesanmuseum, Inv.-Nr. DS 18, f. 16v.
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Tragaltar (?). Bernward trägt eindeutig ein Buch in kostbarem Einband, doch ist der Bezug unklar, da der Altar um weitere zwei Stufen entfernt ist und auch eine Dedikation des Buches an die auf dem gegenüberliegenden Blatt erscheinende Gottesmutter möglich ist. Der liturgische Gehalt der Bernward-Szene muss also offen bleiben. Die vielleicht bedeutendste Liturgiedarstellung zu unserem Bildkreis befindet sich wohl in der Unterkirche von San Clemente in Rom. Wenngleich in Einzelheiten erstaunlich wenig erforscht, so erschließt sie sich uns doch ausreichend, um als Vergleichsdarstellung zum Erhard-Bild des Uta-Kodex zu dienen. Die beiden hier infrage kommenden, Ende des 11. Jhs. entstandenen Wandgemälde zeigen Papst Klemens während des Messritus.51 Die Gemälde sind deshalb besonders aufschlussreich, weil sie aufgrund von Details dem konkreten Ablauf der Liturgie zugeordnet werden können: Die (neben Kelch und Patene liegenden) aufgeschlagenen Sakramentare zeigen nämlich in beiden Szenen den Text zum Friedensgruß an, und in der Tat hat der Papst seine Hände in einem hybriden Gestus zwischen Orantenhaltung und Grußgestus erhoben. In dem besser erhaltenen Fresko sieht man deutlich, wie Klemens, neben dem Altar stehend, sich persönlich und den liturgischen Gruß ganz dem Betrachter zugewendet hat. Unter den frontalen Liturgiedarstellungen ragt in der traditionellen Forschung seit langem die sog. Frankfurter Tafel vom Ende des 10. Jhs., vielleicht sogar aus der Zeit um 875, heraus:52 Das aus Lotharingien stammende Elfenbeinrelief zeigt einen mit Pallium bekleideten Erzbischof mit dem Gestus der vorgewiesenen Handflächen, und zwar hinter einer Altarmensa stehend, welche Kelch und Patene, ein offenes und ein geschlossenes Buch aufnimmt. Bei dem geschlossenen Buch muss es sich um das Lektionar mit dem Evangelientext handeln, denn dessen bereits vollendete Verlesung wird durch die beiden ausgelöschten Kerzen angezeigt.53 Das aufgeschlagene Sakramentar bietet den lesbaren Text „TE igi(tur) clementissime pater benedicas hec dona“ dar und deutet somit auf den Beginn des Kanons. Ebenfalls eine frontale Szene enthält das wohl im mittleren Drittel des 11. Jhs. entstandene Prümer Ruotpertus-Evangelistar, wo f. 130r ein Priester hinter der Altarmensa steht und das aufgeschlagene Sakramentar den lesbaren Text „Te igitur clementissime pater“ aufweist.54 Sogar eine Bilderfolge von drei Messszenen bietet das um 970 bis 990 entstandene Reichenauer Sakramentar von St. Paul,55 wo die Marginalminiaturen – jeweils einen Geistlichen seitlich vor dem Altartisch zeigend – in den Text des Kanons integriert sind. Immerhin steht ein Kelch auf einem stark stilisierten Altar, vor oder eher neben dem ein gebeugter Priester seine offenen Hände herabsinken lässt – so die Marginalminiatur auf einem 51 52 53 54 55
Vgl. Wolf 1993. Elfenbeintafel, Frankfurt am Main, Liebieghaus, Inv.-Nr. Barth. 181; vgl. auch Knop 1990. Vgl. Amalarius Metensis Liber officialis 2, 18, 13 (2, 310–311). Manchester, John Rylands Library, Ms. 7; vgl. Schilling 1967, S. 143–154. St. Paul im Lavanttal, Abteibibliothek, Cod. 20/1; vgl. hierzu von Euw 1974.
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im 11. Jh. gefertigten Sakramentar aus St. Gallen.56 Die höher gesetzte Altarposition erweckt den täuschenden Eindruck, als griffe der Geistliche mit seiner Gestik ins Leere resp. stünde seitlich neben der Mensa. Aufgrund der direkten Benachbarung der Miniatur zum Kanontext wird man – trotz der erheblichen stilistischen Verkürzungen in der Darstellung – eine Intention zur Wiedergabe einer echten liturgischen Szene wohl geradezu annehmen müssen. Auch eine Szene aus der Maurusvita in einem aus dem 11. Jh. stammenden Lektionar aus St. Maur-des-Fossés bei Paris57 darf als echte liturgische Darstellung angenommen und dem Kreis der vorgenannten Kodizes zugerechnet werden, da die verschiedenen Miniaturen dieser Handschriften sehr wohl zwischen liturgischen und zeichenhaften Wiedergaben von Altären und Gebetsgesten zu unterscheiden wissen. Die Problematik der Vergleichsdarstellungen liegt nun darin, dass neben den ausführlichen und detailreichen Wiedergaben der Messliturgie auch starke inhaltliche Verkürzungen zur Abbildung gelangten. Bei ihnen stellt sich die Frage, ob die Darbietung von Priester und Altar überhaupt mehr als den pauschalen Verweis auf ‚Liturgie‘ oder sogar nur Gebet intendierten. So zeigt eine aus dem 2. Viertel des 10. Jahrhunderts stammende kanonistische Sammelhandschrift aus Montecassino58 die neben dem gänzlich leeren Altartisch stehende Figur eines Geistlichen, welche beide Hände seitlich hoch erhoben hat, jedoch den Betrachter anblickt. Eine semiliturgische Handschrift um 1000 mit den preces zur Messe präsentiert ähnlich die Gestalt eines Priesters – vielleicht in der geistlichen Vorbereitung zur Messfeier – vor einem wohl gänzlich leeren Altartisch stehend.59 Eine wiederum andere, wohl um 1030– 1040 in Regensburg entstandene Handschrift bildet f. 16r eine zunächst nur schwer zu bestimmende liturgische Szene ab, bei der die Figur des beischriftlich benannten heiligen Bischofs Engilmar im Mittelpunkt steht.60 Unter dem Giebel eines Innenbildes ragt ein Altartisch in die Bildachse, gekennzeichnet durch einen Kelch, eine aufrecht gestellte Patene sowie ein halb verdecktes, aufgeschlagenes Buch mit unleserlichem Text. Der Altar wird flankiert durch die Gestalt eines Subdiakons und des Bischofs, weitere Figuren stehen in den Randbereichen der Miniatur. Die Gebärde der Engilbert-Figur verdeutlicht einen Segensgestus, welcher mit der hoch erhobenen Rechten des Bischofs ausgeführt wird; die leicht schräge Positionierung der Gestalt unterstreicht den Gestus und die unspezifische Hinwendung zur Bildachse. Der gegenüber stehende Altardiener hält ein geöffnetes Buch, das freilich nur die ungedeuteten Buchstaben „ccpe/c“ erkennen lässt, dem Zelebranten hin. Dessen Blick ruht jedoch weder auf diesem Text, noch gilt sein Gestus dem Altar oder Kelch und Patene. Die Aussage der Szene als ‚Segnung‘ anzusprechen, mag im Typus 56 57 58 59 60
St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 342, pag. 287. Troyes, Bibliothèque municipale, Ms. 2273, f. 64r; vgl. Brenk 1987, 88–93. Kanonistische Sammelhandschrift, Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. can. 1. Ivrea, Biblioteca capitolare, Cod. 4, f. 4v. Los Angeles, Paul Getty–Museum, Ms. Ludwig VII–1; vgl. von Euw/Plotzek 1979, 293– 296.
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der Handschrift als Benediktionale begründbar sein, doch muss dies liturgisch als unbefriedigend empfunden werden, es sei denn, man vermutete eine Konsekration des Kelches und der Patene vor ihrer ersten Ingebrauchnahme; eine Messfeier scheint nicht dargestellt zu sein. Das Problem wird allerdings durch einige Nachlässigkeiten in der Komposition vergrößert: Sowohl das starre Hineinragen der Bischofsfigur in die Szene, die ‚unrealistische‘ Aufrechtstellung der Patene sowie die unglückliche Darstellung des Buches auf der Mensa zeigen proportionale und perspektivische Unfähigkeiten des Miniators auf, so dass die Handlungsbezüge – im Gegensatz zum Uta-Kodex – bereits aus diesen Qualitätsdefiziten verunklärt oder zumindest stark verkürzt sein können. Von den abbreviaturhaften Liturgiedarstellungen sind jedoch solche Bild entwürfe zu unterscheiden, welche die Wiedergabe einer authentischen Ritenabfolge nicht intendierten, sondern eine eher allegorische Aussage zu treffen beabsichtigten. Formal nehmen sie ihren Ursprung von jenen Abbildungen profaner oder sakraler Repräsentationsbauten, darunter vor allem von Skizzen, die von dem dichotomen Kirchenbegriff ausgehen und die Ecclesia zugleich als Personifikation von Gemeinde und Gebäude zeigen.61 Eine Exsultet-Rolle des 11. Jhs. zeigt die beischriftlich so bezeichnete „MATER ECCL(esi)A“ im mittleren einer dreiteiligen Bogenstellung stehend und gleichsam ihre eigene Persönlichkeit und ihre feierliche Gewandung präsentierend.62 Sie hält die Arme weit geöffnet und hat die Handinnenflächen stützend an die Säulenstellungen angelehnt. Auch das Sigebert-Sakramentar der Zeit um 1022–1036 zeigt f. 9r eine solche allegorische Szene, welche zwar den Bischof seitlich neben dem zentralen Altartisch darbietet, doch ist dieser ganz in Konversation mit der in der linken Bildhälfte hinzutretenden Personifikation der Ecclesia vertieft.63 Beda Kleinschmidt hielt es für bemerkenswert, dass mehrere Exsultetrollen die bislang weibliche Personifikation der Ecclesia „durch einen Bischof in liturgischen Gewändern“ ersetzten.64 In der Tat ist es so, dass im hohen Mittelalter neben die konventionelle Form der weiblichen Einzelgestalt oder des Paars von Ecclesia und Synagoga65 eine andere Form der Kirchenpersonifikation tritt, welche auch den Aspekt des kirchlichen Amtes einbezieht66 und insofern die Darstellung eines bischöflichen Würdenträgers nahe legt. Insofern wäre zu diskutieren, ob die Ecclesia-Figur des Kreuzesbildes im Uta-Evangelistar (Abb. 1) inhaltlich auf die gegenüberliegende Seite mit dem Erhard-Bild bezogen und das Erhard-Bild in diesem Kontext selbst als eine Personifikation der Kirche angesprochen werden müsste. 61 62
63 64 65 66
Vgl. als Fallbeispiel Bloch 1966, 370–381. Vatikanstadt, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Barb. lat. 592. Vgl. auch die ähnlichen, freilich jüngeren Darstellungen in den Exsultetrollen in Montecassino, Rolle 2, und in London, British Library, Add. ms. 30337. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. fol. 2, f. 9r; vgl. Meyer 1967. Kleinschmidt 1908/1909, hier 180. Vgl. Thérel 1973; Thérel 1984; vgl. auch Seiferth 1964. Vgl. Skubiszewski 1985; vgl. auch Toubert 1990.
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Insofern bestätigen die Ergebnisse einer Heranziehung vergleichbarer Bildrealisierungen die Andeutungen aus der intrinsischen Erschließung der Bildgestalt, dass das Erhard-Bild nicht auf einer erzählerischen Bildintention beruht und insbesondere auch keine spezifische liturgische Szene darbietet. Dem entsprach der frühere Befund aus dem gegenüberliegenden Kreuzesbild, welches ebensowenig beabsichtigte, die Erzählung von der Kreuzigung Christi auf Golgota schlicht zu veranschaulichen.67 Es handelt sich bei der Doppelminiatur vielmehr um das Ergebnis einer Bildintention aus der institutio, nämlich der Glaubensverkündigung und der Darlegung theologischer Positionen. Mit den vorstehenden Erörterungen zur Allegorie der Ecclesia haben wir das unmittelbare Umfeld der Miniaturen betreten, wobei wir bereits den speziellen Aspekt der Hierarchie und des priesterlichen Vorsteheramtes zu erkennen vermochten, ohne die direkte theologische Quelle ermittelt zu haben; diese Arbeit ist nun bei der Erhebung von Bildgehalt und Bildintention zu leisten. III. Bildgehalt und Bildintention Wie oben bereits angedeutet, muss die Doppelseite mit Kreuzesbild und Erhard-Bild im Kontext der extrem elaborierten tektonischen Gestaltung des Uta-Kodex und seiner zusätzlichen Inschriftenbeigaben betrachtet werden. Florentine Mütherich hat die hoch komplexe Situation dahingehend beschrieben, indem sie auf ein „weit gespanntes Bildungsgut“ hinwies, „das durch das unmittelbare Zusammenwirken von Gelehrten und Malern in die Sprache der Bilder eindringen konnte“ – ein Bereich, „dem theologisch-spekulative Vorstellungen [...] vertraut waren“.68 Bei derart anspruchsvollen Konzeptionen ist zu erwarten, dass sich die initiative Bildintention aus einem Gefüge verschiedener Deutungsebenen ergibt. Umso mehr ist es verwunderlich, dass die bisherige kunsthistorische Beschäftigung mit dem Erhard-Bild eine eher schlichte, monokausale Deutung vorschlägt. Die Dissertation von Jutta Rütz beruht auf der traditionellen Deutung, wie sie insbesondere Albert Boeckler formuliert hat, nämlich auf der Auffassung des Erhard-Bildes als der einfachen Wiedergabe einer Messfeierszene. Die bloße Wiedergabe der Boeckler-These hat gleichermaßen jede weitere, unbefangene Analyse des Erhard-Bildes verhindert. So spricht Ulrich Kuder zwar von den „vier ersten Bildseiten des Utacodex“,69 doch behandelt er faktisch nur drei, da das Erhard-Bild mit seiner angeblich liturgischen Szene scheinbar für sich selbst spricht. Adam S. Cohen bezeichnet die Miniatur ohne jede Einschränkung als „an image of Saint Erhard celebrating the mass“ und „the liturgical act of celebrating the mass“.70 Interessanterweise 67 68 69 70
Vgl. das Gesamtergebnis bei Neuheuser 1996. Mütherich 1987, 28. Vgl. Kuder 1992. Vgl. Cohen 2000, Kapitel 5: „The visual polemics of reform. Saint Erhard celebrating the mass“ (77–96), Zitate 78; vgl. auch allgemein Boeckler 1954.
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äußert sich die bisherige Forschung nicht dazu, dass die Messfeier ein dynamisches und vielseitiges Geschehen bildet, während die Miniatur des Uta-Kodex eine einzige, benennbare statische Szene darstellt. Mangels einer in der Miniatur identifizierbaren echten Handlung verkürzt die bisherige Forschung den Bildgehalt daher auf das Abstraktum der ‚Messe‘. Cohen deutet dieses Defizit wohl zurückhaltend an, wenn er unbeholfen von der Messe spricht, „as a representation of the liturgical act“.71 An anderer Stelle scheint Cohen das Gegenteil ausdrücken zu wollen, wenn er die Gestik Erhards – trotz der eher herabsinkenden, nach unten weisenden Fingerspitzen – als „orant position“ bezeichnet, „which reflects actual liturgical practice“.72 Auch Cohens Deutung des Sakralgeräts – „articles of the mass during the liturgical celebration“ resp. „the altar at which Saint Erhard himself conducts the mass“73 – geht dann eher pauschal von einer Messfeier, nicht aber von einer spezifischen liturgischen Situation, aus. Zudem spricht Elisabeth Klemm uneingeschränkt von einer „Messe des Heiligen Erhard“.74 Eine nochmalige Analyse des Erhard-Bildes erweist nun die Vielfalt der Verschränkungen in den Bildintentionen. a) Deutung aus der Hagiographie Die Erhard-Darstellung ist durch ihre Namensbeischrift eindeutig als Regensburger Heiligenbildnis charakterisiert. Obwohl ohne Attribut ausgestattet, unterstreicht die prachtvolle, pontifikale Gewandung Status und Habitus des Geistlichen. Zudem wird die Aufnahme des Bildes in den Kodex durch die Beziehung des Heiligen zum Auftrag gebenden Stift plausibel: Der hl. Erhard als ein am Regensburger Hof des Herzogs Theodor tätiger Wanderbischof75 war um 700 in der Niedermünsterkirche, wo sich seit der 1. Hälfte des 9. Jhs. ein Konvent niederließ, begraben worden. Die Ortstradition betont die Bedeutung Erhards bei den Agilolfingern und im baierischen Raum. Zwei größere Baumaßnahmen der Kirche haben sein allgemein verehrtes Grab unangetastet gelassen, und die Stiftsfrauen werden bei den reichen Schenkungen von 973 angesprochen als „sanctimoniales in urbe Ratespona [sic] ad inferius monasterium [i. e. Niedermünster, H. P. N.] sanctae Mariae sanctique confessoris Erhardi“.76 Die auch im Bildtitulus zum Ausdruck kommende Bezeichnung als sanctus wurde durch die 1052 in Gegenwart von Papst Leo IX. und Kaiser Heinrich III. vollzogene Kanonisation (nachträglich?) legitimiert.77
71 72 73 74 75 76 77
Cohen 2000, 81. Cohen 2000, 83. Beide Zitate Cohen 2000, 93. Vgl. Klemm 2004, 45, vgl. auch 48. Vgl. das Folgende nach Koschwitz 1975, 481–644, insb. 486–491. Vgl. MGH Diplomata 1879/1884, Nr. 432, vgl. Nr. 433. – Vgl. auch MGH Diplomata 1888, Nrn. 40–41. Vgl. Brakel 1972, hier 269; Kemp 1948, 64. – Vgl. auch Koschwitz 1975, 494–496.
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b) Deutung aus dem Alten Testament Das Erhard-Bild des Uta-Kodex verdankt seine Wirkung jedoch nachdrücklich der Kontextuierung aus Architekturrahmung, seitlichen Beigaben sowie Gebärde und Habitus der Erhard-Figur, welche über die Aufgabe eines Heiligenbildnisses weit hinausgeht: Die Miniatur setzt bei der Betrachtung gewiss die Auseinandersetzung um den Glauben der jüdischen Bibel, um den Jerusalemer Tempel und um das Problem des jüdischen Priestertums während des Aufkommens des Christentums voraus, zumal seit der Zerstörung des Tempels der hergebrachte Gottesdienst nicht mehr möglich war78 und sich spätestens seit dieser Zeit die vorderhand bestehende Spiritualisierung des Tempelbegriffs79 in eine manifeste Kultkritik gewandelt hatte.80 Mit Entstehung der ekklesialen Struktur der christlichen Gemeinde wurde zunächst die Dualität des neu- und alttestamentlichen Priestertums scharf gestellt.81 Die Gegenüberstellung der Personifikationen von Ecclesia und Synagoga im Kreuzesbild und die Vorweisung des endgültig zerrissenen Tempelvorhangs in einem Nebenbild der Kreuzesallegorie (Abb. 1) zeigen im Uta-Kodex überdeutlich den Kontext an. Aber auch die Auskleidung des Erhard-Bildes als Szene unter einer zeltförmigen Kuppel mit der Beischrift „sancta sanctorum“ evoziert die Vorstellung eines Wandlungsraumes, in welchem der Übergang der Ordnungen vom Alten zum Neuen Testament veranschaulicht werden soll. Die verflachende Darstellung einer Hängekuppel82 übernimmt allerdings – gleichwohl auf stilistischen Vorbildern beruhend – nur vage die Intention, das Wüstenzelt oder den konkreten Jerusalemer Tempel abzubilden, sondern verfolgt eher repräsentative, wohl zugleich auch exotisierende Absichten. Die Kunst- und Kulturgeschichte steht in dieser Hinsicht in einer spezifischen, auf Cassiodor zurückgehenden Tradition, alttestamentliche Realien und Zeichen abzubilden und zwar auch in einer zum Teil archäologistischen Ambition, welche von Flavius Josephus gespeist sein mochte, dessen bildhafte Darstellung von Zelt und Tempel Beda Venerabilis ausdrücklich heranzieht,83 so wie etwa der um 690–716 in Northumbrien entstandene Codex Amiatinus84 oder der 929 datierte, aus dem Nahen Osten stammende Pentateuch in St. Petersburg.85 Eindrucksvoll ist hingegen die im 7. Jh. entstandene westliche Darstellung des Bundeszeltes f. 76r des frühmittelalterlichen Ashburnham-Pentateuchs mit sei78 79 80 81 82 83 84 85
Vgl. Guttmann 1967; Clark 1959–1960. Vgl. Moe 1953. Vgl. Cullmann 1959. Vgl. Vanhoye 1980. Vgl. Birchler 1965. Vgl. Beda Venerabilis De tabernaculo et vasis eius ac vestibus sacerdotum 2, 12 (81): „in pictura Cassiodori senatoris“; vgl. auch Beda Venerabilis De templo 16 (192–193). Florenz, Biblioteca Laurenziana, Cod. Amiatinus 1, f. 2v–3r; vgl. anstelle der älteren Literatur Fischer 1962 und Revel–Neher 1982. St. Petersburg, Öffentliche Bibliothek, Ms. II 17.
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nen beiden Altarbildern,86 speziell auch die Miniatur f. 127v, welche uns in der linken Bildhälfte den seitlich geöffneten Tempel mit Bundeslade und Altar zeigt, vor allem jedoch die in unserem Zusammenhang relevante Gestalt des vor dem Eingang agierenden Hohenpriesters. Die Rezeptionsforschung hat bis ins hohe Mittelalter unterschiedlich aussagefähige Zeugnisse ermittelt,87 vor allem dann im 12. Jh.,88 vorwiegend aber im späten Mittelalter. Weniger präzise sind Veranschaulichungen von Szenen, die pauschal alttestamentliche Tempelszenen zeigen, wie etwa die kultische Tätigkeit des Zacharias im Hildesheimer Bernward-Evangeliar, das mit der Entstehungszeit um 1015 dem Uta-Kodex vorausliegt.89 Hier wie dort findet sich auch jener, aus der Tradition jüdischer Realienabbildungen ableitbare Tisch, im Bernward-Evangeliar als Altar ausgestaltet, oft jedoch mit den ohne erkennbare Funktion bestückten oder sogar angehäuften Sakralgeräten. Unser Kodex aus St. Emmeram nimmt nun zwischen reinem Archäologismus und prospektiver Aktualität insgesamt eine mittlere Position ein: Insbesondere wird in der Erhard-Figur zugleich ein Rückblick auf das alte Priestertum und ein Ausblick auf die gegenwärtige Amtsverfassung versucht. Alexander Guttmann hat auf die wichtige Rolle der ehemaligen Hohenpriester nach der Tempelzerstörung und bei der Konstituierung eines neuen (jüdischen) Kultes hingewiesen.90 Damit ist unsere Thematik über die gegenstandsbezogene Tradition hinaus geöffnet auf den personalen Bereich. Die Kopfbedeckung der Erhard-Figur ist ohne Zweifel den rückblickenden Intentionen verbunden. Ob diese allgemein als Kopfschmuck des alten Adam zu deuten oder als exakte Rekonstruktion des alttestamentlichen Zeremonialturbans mit der goldenen Stirnrosette resp. dem Diadem (vgl. Ex 28,37–38; 29,6; Lev 16,4) zu verstehen ist, bleibt letztlich schwer zu beantworten, zumal keine Vergleichsdarstellungen bekannt sind und innerhalb des Uta-Kodex auch keine Beischrift auf die Kopfbedeckung Bezug nimmt. Sehr viel eindeutiger erscheint, dass im frühen und hohen Mittelalter der hohepriesterliche Brustschmuck aus dem Alten Testament gedeutet und zu den aktuellen Paramenten in Bezug gesetzt wurde, etwa ausgehend vom Werk des Hieronymus, welches es erleichterte, sich den Hohenpriester vorzustellen: Bereits im Brief an Marcella äußert sich der Kirchenvater über den in Ex und Lev erwähnten Schulterschmuck des Hohenpriesters.91 Hieraus ergib sich auch die Bedeutung der beiden im Uta-Kodex hervorgehobenen Wörter „doctrina“ und „veritas“ als Beischriften des Rationale; diese Begriffe sind ohne den Bezug auf die jene Lostasche beschreibende Vulgatastelle „quod adstringens cingulo ap86 87 88 89 90 91
Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. nouv. acq. lat. 2334; vgl. Sloane 1934; Gutmann 1953–1954. – Vgl. vor allem Verkerk 2004. Vgl. Roth 1943; Metzger 1969–1970. Vgl. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 10. Hildesheim, Domschatz, Cod. DS 18, f. 111r. Vgl. Guttmann 1967, 142. – Zum Folgenden auch Neuheuser, Adaption und Distinktion (in Druckvorbereitung). Zum Efod vgl. Hieronymus Epistula 29,4–5 (Brief an Marcella) (CSEL 54,237–239).
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tavit rationali in quo erat doctrina et veritas“ (Lev 8,8) nicht zu denken. Der Brief des Hieronymus an Fabiola92 gilt nachgerade als Urkunde dafür, wie bereits das Aussehen und die Gewandung des alttestamentlichen Hohenpriesters der christlichen Theologie als Negativfolie dafür fungierte, über die christliche Paramentik auch das Bild des neuen Priestertums zu zeichnen, etwa zum Efod.93 Die Erkundung der alten Bräuche ging bis in kleinste Details, etwa bis zu dieser auf die Stirn herabhängende und auch im Erhard-Bild zu erkennende Goldplatte mit dem Namen Gottes (Ex 28,36.38; Lev 8,9), welche daran erinnern sollte, alles, was auf der Erde ist, als Vertreter des Schöpfers nach dem Willen Gottes zu regieren.94 Das hohe Mittelalter hat diese Darstellung bei Hieronymus aufgenommen, um ein eigenständiges Bild von der neutestamentlichen Paramentik und somit vom ‚wahren Priestertum‘ zu zeichnen – ausgehend vielleicht von Beda Venerabilis und seiner Schrift De tabernaculo et vasis eius ac vestibus sacerdotum95 sowie von Walafrid Strabos Liber de exordiis et incrementis.96 Hier kann es unentschieden bleiben, ob zusätzlich Rezeptionen der Hieronymus-Texte vorlagen. Die im 10. Jh. zusätzlich einsetzenden Rationaleverleihungen haben die alttestamentlichen Reminiszenzen wieder aktualisiert, so dass auch eine bildliche Darstellung wie im Uta-Kodex den Zeitgenossen unmittelbar verständlich war: Es ist auffällig, dass speziell das um 1024–1027 für Sigebert von Minden gefertigte Orationale97 f. 11r das Gebet aufführt, das der Bischof beim Anlegen des Rationale sprechen soll und hierbei auch die beiden alttestamentlichen Vokabeln „veritas“ und „doctrina“ nennt, welche im Uta-Kodex dem Rationale als Beischriften beigegeben sind: „Da mihi, Domine, veritatem tuam firmiter retinere et doctrinam veritatis plebi tuae digne aperire.“
Insbesondere war es der die Liturgik des 11. Jhs. zusammenfassende Rupert von Deutz, welcher zeigte, wie an die Stelle der Goldplatte auf der Stirn das Kreuz (Pektorale) resp. das Pallium getreten ist.98 Ausweislich des Uta-Kodex hatte man sich in Regensburg – im Gegensatz zu Minden – für die palliumähnliche Ausführungsart des Rationale entschieden: Der Bischof erscheint hier in hybrider Gewandung, mit alttestamentlicher Kopfbedeckung ein schließlich der Goldplatte und dem Rationale als aktuellstem Element der Paramentik. Dabei betonte Pseudo-Alkuin ausdrücklich, dass die alttestamentliche Kopfbedeckung nicht in die christliche, d. h. mittelalterliche Paramentik 92 93 94 95 96 97 98
Hieronymus Epistula 64 (Brief an Fabiola) (CSEL 54,586–615). Hieronymus Epistula 64,16–20 (603–612). Speziell Hieronymus Epistula 64,18 (605–609). Beda Venerabilis De tabernaculo et vasis eius ac vestibus sacerdotum 3, 4–5 (97–110). Zur alttestamentlichen Gewandung vgl. Walafridus Strabonis Liber de exordiis et incrementis 25 (150–152), darunter auch „rationale“ (152, Zeile 23). Orationale, vielleicht St. Gallen, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 1151 Helmst. Rupertus Tuitiensis De Divinis officiis 1,26 und 27 (CChr.CM 7,21–23), vgl. auch 18 (17).
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übernommen wurde.99 Offensichtlich aber war die seit der Mitte des 11. Jhs. durchaus schon verbreitete Mitra bei der Konzipierung der Bildgestalt noch nicht in Regensburg eingeführt worden.100 Gleichwohl ist zu betonen, dass die Erhard-Darstellung aus den antiquarischen Reminiszenzen allein nicht gedeutet werden kann. Die erste hermeneutische Ebene bietet sich somit aus dem phänotypischen Befund der Doppelseite an, wobei die Ecclesia-Synagoga-Personifikationen der Kreuzesminiatur auch auf das gegenüber liegende Erhard-Bild zu beziehen sind sowie der Turban und das Rationale ebenso als Zeichen der beiden heilsgeschichtlichen Epochen zu begreifen wären:
Kreuzesbild – Erhard-Bild Synagoga – Turban Ecclesia – Rationale
c) Deutung aus dem Hebräerbrief Die Entfaltung der neutestamentlichen Hohepriestertheologie resp. die Charakterisierung Christi mit diesem Hoheitstitel101 – wie es die mit dem Erhard-Bild zugleich zu betrachtende Kreuzesdarstellung des Uta-Kodex veranschaulicht – gehört zu den exklusiven theologischen Leistungen des Auctor ad Hebraeos, wenngleich einzelne priesterliche Charakteristika Christi auch in anderen neutestamentlichen Schriften erscheinen.102 Es ist indes u. a. die spezifische Prädikatisierung Christi als Hoherpriester,103 welche durch ihren Bezug auf das einzigartige alttestamentliche Amt sogar nahelegt, den Adressatenkreis des Hebräerbriefs im Bereich des Judenchristentums zu suchen. Im Uta-Kodex finden wir auf der Recto-Seite der Doppelminiatur den Gekreuzigten im Habitus der Krone und vor allem mit der Stola bekleidet: Christus rex et sacerdos. Allerdings entwickelt der Hebräerbrief den Typus des Hohenpriesters christologisch weiter und trägt etliche prägnante Charakteristika zusammen, die mit dem Heilswirken Christi unmittelbar in Verbindung zu bringen sind. Kurz und im Hinblick auf unsere Fragestellung referiert, wird das Hohepriestertum Christi im Hebräerbrief bereits von der bisherigen Forschung auf folgende Weise gekennzeichnet: – Das Hohepriestertum Christi beruht auf dem persönlichen Leiden des Gottessohnes und ist erfüllt von den Eigenschaften Gehorsam, Treue, Barm 99 100 101 102
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Vgl. Pseudo-Alcuinus De Divino officio 38 (Migne PL 101,1239AC). Vgl. Braun 1907, 447–448. – Vgl. auch Sirch 1975, zur Frühphase der Mitra-Einführung und schließlich zur Kopfbedeckung der Erhard-Figur vgl. 11–29. Vgl. Hahn 1974. Für die Argumentation aus der Exklusivität des Hebräerbriefs vgl. Baigent 1981. – Die Gegenposition, also die Betonung vereinzelter Hinweise in anderen biblischen Schriften, vertreten Moe 1947, Spicq 1950, Schaefer 1968. Vgl. Haering 1917/1918; Büchsel 1922; Gyllenberg 1934; Ungeheuer 1939; Schille 1955; Zimmermann 1964; Loader 1981.
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herzigkeit, Verständnis für Schwachheit sowie der Erfüllung von Gottes Willen;104 dies alles korrespondiert letztlich mit der Berufung zum Hohenpriester durch Gott. – Der Hohepriester Christus erbringt ein einmaliges und einziges Opfer, das als Hoherpriester in eigener Person als Sühne für das Volk dargebracht wird. Das nicht wiederholbare Opfer wird damit auch für die Zukunft ein für allemal vollzogen.105 – Christi ewiges Sein erlaubt es und garantiert, für Menschen aller, auch künftiger Generationen einzutreten. In dieser Hinsicht ist das Hohepriestertum nicht mehr auf die Sukzession in folgenden Generationen und den Ersatz etwa verstorbener Amtsträger angewiesen. – Christus stellt sich persönlich in das Amt des Hohenpriesters, jedoch folgt er hierin nicht der levitischen Tradition. Er gehört zur Ordnung des Melchisedek, dessen Priestergesetz mit dem Amt und Opfer Christi aufgehoben wird.106 – Christus beendet nicht nur ein Gesetz und eine Tradition, er ist auch zugleich Mittler eines neuen und besseren Bundes; mit ihm tritt das verheißene Testament in Kraft.107 – Der neue Bund verlangt eine neue, spirituelle Auffassung von Tempel und Tempeldienst. Die Auffassung von der Gemeinde als dem neuen Tempel erwartet eine andere als die traditionelle Struktur von Gemeinde und Amt. Der Menschen und ihrer spirituellen Versorgung wegen bedarf es auch künftig der „Vorsteher“108 und der gottesdienstlichen „Zusammenkünfte“ als Darbringung des „Opfers des Lobes“ und als Nachfolge und Bekenntnis des Lebensweges Christi. – Gleichwohl hinterfängt das Hohepriestertum Christi jedwede irdische Struktur und sogar die archäologisch fassbare Zwischenwelt der Tempelausstattung und verweist zudem auf die Transzendenz und Parusie, da Christus als Sohn und Hoherpriester bereits „die Himmel durchschritten“ hat und „das Innere hinter dem Vorhang kennt“.109 Die Hoffnung der Gemeinde richtet sich daher „auf die künftige Stadt“. Die Charakterisierung Christi als neuer Hohepriester ist nach dem Hebräerbrief also ganz wesentlich mit der Negativdefinition des alttestamentlichen Hohepriestertums verbunden: Das alte Priestertum war schwach und nutzlos (Hebr 7,18–19), seine Opfergaben bewirkten nichts (10,1–8). Nunmehr ist ein unvergängliches Priestertum geschaffen worden (7,23–24). Es ist äußerst erhellend, dass der Auctor ad Hebraeos trotz der Spiritualisierung des Tempel- und Priesterbegriffs dennoch kein rein abstraktes und theoretisches Bild 104 105 106 107 108 109
Vgl. Rissi 1955; Roloff 1975. Vgl. Brooks 1970. Vgl. Delcor 1971, zur Hebr-Stelle insb. 125–127; Demarest 1976. Vgl. Campbell 1972. Vgl. Grässer 1982. Vgl. Galling 1950/1951; Friedrich 1962; Smith 1969.
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entworfen hat, vielmehr ist dieses mit der Person Jesu und seines irdischen Heilswirkens in der Personalität und Konkretisation der Zeit verbunden. Christus selbst steht trotz seiner Gottessohnschaft und göttlichen Berufung in der Priesterordnung des Melchisedek (5,6.10; 6,19; 7,1–24). Zwar ist das levitischaaronitische Priestertum durch das Opfer Christi beendet, doch werden die Priestersatzungen nicht grundsätzlich und nachträglich desavouiert. So sehr sich der Auctor ad Hebraeos mit den alttestamentlichen Kultvorschriften und den Heilszeichen auskennt (9,1–10),110 so spricht er die jetzt eingetretene Verwandlung des Amtes unmissverständlich an: – Mose war als Diener in Gottes Haus treu, Christus ist treu als Sohn und über das Haus gesetzt (3,5–6; 10,21).111 – Jetzt ist das „wahre Zelt“ entstanden (8,2), ein vollkommenes, nicht von Menschenhand geschaffenes Zelt (9,11.24; vgl. auch 2 Kor 5,1), das als Abbild des verklärten Leibes des Auferstandenen gedeutet werden kann.112 – Gottes Haus ist nach Hebr wie im paulinischen und petrinischen Sinne die Gemeinde (3,6; vgl. auch 1 Kor 3,16–17; 6,19; 1 Petr 2,5). – Die neuen Vorsteher sind Vorbilder (13,7.17), Jesus ist in dieser Hinsicht der Vorläufer (6,18–19) für den Funktionsträger in einer ‚priesterlichen Gemeinde‘ geworden.113 – Die ‚unpriesterliche‘ Redeweise114 von den Vorstehern und ihrer Autorität (13,17) setzt deren Verpflichtung115 innerhalb einer Hierarchie voraus, wie sie auch in der Reihenfolge des Segens – wohl als eine Metapher für jede rituelle Handlung gebraucht – zum Ausdruck kommt (7,7), ohne dass das Priesteramt Christi tangiert und die eucharistische Funktion der Vorsteher gänzlich ausgeschlossen würde.116 – Als Hoherpriester der künftigen Güter (9,11) entfaltet Christus derzeit noch nicht alle Geheimnisse. Damit kommt eine historische Stufung zwischen dem Wissen aus der Vergangenheit und dem Teilwissen aus der Gegenwart zum Ausdruck (11,40). Die neue Versammlung ist in aller Hoffnung117 auf das himmlische Jerusalem verwiesen (12,22–24).118 In dieser Theologie ist freilich nicht nur eine Kritik des alttestamentlichen Priestertums enthalten, hierin verbirgt sich auch ein vager Vorbehalt gegenüber kultischen Vollzügen irdischer Amtsträger ganz allgemein. Durch die Überbetonung der heilsgeschichtlichen und historischen Einmaligkeit sowie Unüberbietbarkeit von Christi Opfer (Hebr 9,28; 10,10; vgl. auch Röm 6,10; 110 111 112 113 114 115 116 117 118
Vgl. Hofius 1970. Vgl. Grässer 1984, insb. 15–21. Vgl. Vanhoye 1965; Swetnam 1966; Andriessen 1971. Vgl. Floor 1971. Vgl. Dibelius 1956, 174–175. Vgl. Broer 1969. Vgl. hierzu Vanhoye 1980, insb. 242 und 258–259. – Vgl. auch Vanhoye 1969. Vgl. Schierse 1955; Braun 1971; vgl. hierzu Grässer 1973. Vgl. Cody 1960.
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1 Petr 3,18) werden alle anderen ‚symbolischen Nachahmungen‘ geradezu zwangsläufig ausgeschlossen. Es mag sein, dass diese Botschaft der konkreten Situation der Erstadressaten des Hebräerbriefs geschuldet ist,119 dennoch muss weiter gefragt werden, worin die Botschaft für alle künftigen Lesergenerationen bestünde, wenn der Hebräerbrief einen Gottesdienst nur auf die Verkündigung des Wortes Gottes oder aber auf transzendente Bezüge verwiesen wissen120 und ein Priestertum allein im himmlischen sacerdotium Christi zulassen wollte,121 Gerade im ‚rätselhaften‘ Fehlen eucharistischer Bezüge im Hebräerbrief,122 im ausdrücklichen Verbot, vom Altar zu essen (Hebr 13,10), ja gerade im Postulat, zur Speise für Erwachsene nicht fähig zu sein (5,12–14) sowie in der generellen Abkehr von jüdischen Zeremonialvorschriften, welche auch das Paschamahl eingeschlossen hätten, wurde ein nicht-eucharistisches Liturgieverständnis geschlussfolgert.123 Die Redeweise vom Genuss der „himmlischen Gaben“ (6,4) erklärt sich in den nachfolgenden Versen jedenfalls als geistliche und sogar nur intellektuelle Anteilnahme (6,4–5). Die Frage ist also, ob die Ausklammerung einer dezidiert eucharistischen Praxis im Hebräerbrief auch zwingend zu einer nicht-kultischen Theologie oder zur Absage an liturgische Vollzüge überhaupt führen muss resp. welche Konsequenzen dies für das Priester- und Vorsteherbild, nicht zuletzt für unsere Miniatur im Uta-Kodex, hätte. Auch außerhalb der Fokussierung auf die eucharistische Ausrichtung ist der Problemkreis der ‚Liturgie nach dem Hebräerbrief‘ schon seit langem Gegenstand der theologischen Forschung.124 Otto Knoch ist nun den konfes sionalistischen Vereinnahmungen in verschiedenen Untersuchungen, insbesondere denen von Friedrich Schröger und zuvor schon von Oskar Holtzmann,125 entgegengetreten,126 wonach es „in der Hebräerbriefgemeinde keine Eucharistiefeier gibt [... und] die wirksame Mitte des Gottesdienstes nicht das Herrenmahl gewesen sei soll“,127 ja, „dass es als etwas Fremdartiges in den Gemeinden empfunden wurde, wie der Gedanke laut gepredigt wurde, dass man im Abendmahl Christi Leib esse“.128 Knoch räumt ein, dass der Briefverfasser „einem einseitig sakramental geprägten Gemeindeleben kritisch gegenübersteht“ und die Briefintention in der Warnung vor dem Missbrauch der sakramentalen Gaben besteht.129 Knoch weist jedoch darauf hin, dass die 119 120 121 122 123 124
125 126 127 128 129
Vgl. bereits von Harnack 1900; Weiss 1910; Dahms 1977; Rissi 1987. Vgl. Dibelius 1956. Vgl. Hughes 1973/1974. Vgl. Schenke 1973. Vgl. bereits Wrede 1906. Vgl. Moe 1951; Andriessen 1972; Williamson 1975. Vgl. Schröger 1968; Sabourin 1968; Sabourin 1971; Thurén 1973; Swetnam 1966, hier 95–104, hatte mit Hinweis auf Adam 1963 die Zeltmetapher durchaus in eucharistischem Bezug gesehen. Vgl. Holtzmann 1909. Vgl. Knoch 1992. Schröger 1968, hier 180–181. Holtzmann 1909, 259. Knoch 1992, 183.
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Aufforderung, nicht den Zusammenkünften fernzubleiben (Hebr 10,25), „die regelmäßige Zusammenkunft der Christen zum Gottesdienst bezeichnet“130 und auch etymologisch die ecclesia / synagoga meint (vgl. Jak 2,2). Auch sei die Redewendung vom „Hinzutreten“ (Hebr 4,16; 7,25; 10,1; 11,6; 12,22) „im Sinne gottesdienstlichen Handelns gebraucht“.131 In der Tat ist es dem Text des Hebräerbriefs wohl angemessen, in diesen eher warnenden als grundsätzlich die Liturgie ablehnenden Worten Ausführungen zur aktuellen Verfassung der Hebräerbriefgemeinde zu erblicken. Dies betrifft einmal allgemein die Situation nach dem Schock des Tempelverlustes und das Problem des Fortbestehens des jüdischen Kultes mit polemischen Abgrenzungstendenzen, zum anderen vielleicht eine akute Krise,132 in welcher die Gemeinde die Milch der Grundkatechese momentan nötiger hatte als die feste (eucharistische) Speise (Hebr 5,12). Es entspricht durchaus dem Standard der hochmittelalterlichen Exegese, diese Differenzierung erkennen und eine Synthese zur ganzheitlichen Sicht des Liturgieauftrags aus Jesu Abendmahlsbotschaft und der paulinischen Paränese in 1 Kor 11 fertigen zu können. Bereits ein erster Blick in Stegmüllers Repertorium biblicum macht mit der Fülle der im hohen Mittelalter nutzbaren Hebräerbriefkommentare von Beda Venerabilis, Rhabanus Maurus, Alkuin, Remigius von Auxerre, Florus Diaconus, Sedulius Scotus, Johannes Chrysostomus oder Lanfrank vertraut.133 Freilich kann die Hebräerbrieftheologie auch auf sekundärem Weg tradiert worden sein.134 Die Überprüfung einer speziellen Akzentuierung bedürfte jedoch weiterer exegesegeschichtlicher Forschungen. Es scheint, als habe sich der geistige Autor des Erhard-Bildes im Uta-Kodex mit den spezifischen Problemen des Hebräerbriefs beschäftigt und geradezu für sein konkretes Werk und vielleicht ebenso für eine aktuelle Situation in der kirchlichen Verfassung der Donaustadt nutzbar machen wollen. Die im Hebräerbrief sehr reduzierten eucharistischen Aspekte des Priestertums werden im Uta-Kodex jedoch zum Teil durch die Beischriften kompensiert. Insbesondere durch die sternförmig angeordnete Beischrift oberhalb der Sakralgeräte-Darstellung „Iesus Christus verus panis veniens de celis“ sowie durch die Beischrift unter dem Zeltdach „Hic pascit ecclesiam corpore suo per fidem in terris qui per speciem suam angelos pascit in celis“ kommt eine Interpretation in eucharistischem Sinne zustande. Gleichwohl dient das Erhard-Bild nicht der Propagierung der Liturgie, sondern des geistlichen Amtes. Dies kommt durch die zentrale Figur des Regensburger Bischofs, bekleidet mit dem Rationale, zum Ausdruck. Die Beischriften „presul“ und „IHPAPXHIA“, aber auch die Beischrift auf dem Rationale „sacer principatus“ zeigen eindeutig den vorherrschenden Amtsbezug an. Innerhalb der zeitlichen Schichtung der drei Rationale-Elemente 130 131 132 133 134
Knoch 1992, 177. Knoch 1992, 177. Gegen diese Auffassung und für eine systematisch–dogmatische Betrachtungsweise vgl. Dibelius 1956, 175. Vgl. Stegmüller 1940–1955, Nrn. 1619–1631, 7077, 1099, 7244, 2290, 7621, 4397, 5383. Vgl. auch Riggenbach 1907. Vgl. Nellessen 1970.
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lenkt das mittlere mit der Beischrift „corpus ecclesiae“ sogar den Blick auf die kirchliche Verfassung als gegenwartsbezogenes Instrument. Die Darstellung der Äbtissin im Nebenbild der Erhard-Miniatur erweist die Einordnung auch ihrer Position in die kirchliche Hierarchie. Im Rahmenbalken der Miniatur wird sie als „rectrix agnarum“ angesprochen und auf ihre Leitungsfunktion aufmerksam gemacht. Zudem muss angenommen werden, dass auch der im rechten Bilddrittel agierende Altardiener, da ansonsten ohne erkennbare Funktion, zumindest die Grundaussage der kirchlichen Hierarchieabbildung unterstützt. d) Sonstige Deutungsmöglichkeiten Da das Erhard-Bild des Uta-Kodex seine Bildintentionen selbst nur sehr vage andeutet – etwa durch die Beischriften „presul“ und „IHPAPXHIA“ – muss es im Hinblick auf seine konkreten Quellengrundlagen als verschieden interpretationsfähig betrachtet werden Auch die vorstehenden Vorschläge aus der Hagiographie, dem Alten Testament und aus dem Hebräerbrief beweisen noch keine exklusive Herleitung aus Bild- oder Textquellen. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen, und zwar die Transformation der Hohepriestertheologie des Hebräerbriefes durch den ersten Klemensbrief: Bereits Michael Mees hat darauf hingewiesen, dass die Stellen 1 Klem 36,1ff., 61,3 und 64 nicht nur einer liturgischen Quelle entstammen, sondern wohl auch die liturgiebezogenen Defizite des Bibeltextes auszugleichen beabsichtigten.135 Insbesondere in 1 Klem 36,1 geht die Formulierung vom „Hohenpriester unserer [!] Opfergaben“136 im ausdrücklichen Widerspruch zu Hebr weit über den biblischen Text hinaus und scheint eine (eucharistische) Liturgie vorauszusetzen. Das Beispiel belegt zumindest eine frühe Verwendung des christlichen Hohepriesterbildes ohne die vielleicht gegebene Verengung der Hebr-Theologie. Bei der Prüfung weiterer Quellen und Grundlagen, welche die Bildgestalt geprägt haben könnten, handelt es sich gelegentlich um Vorschläge, die nicht so sehr die Gesamtkonzeption, sondern lediglich einzelne Elemente der Darstellung in den Blick nehmen. Einer dieser Einzelaspekte betrifft etwa die Gestik der Erhard-Figur. So hat Jutta Rütz für diesen Gestus zwei Deutungen vorgeschlagen und einmal den „Gruß Dominus vobiscum während [sic!] der Präfation“ in Vorschlag gebracht,137 ein anderes Mal mit Boeckler die geöffneten Hände der Erhard-Figur mit „der Ausbreitung der Arme und Hände des Priesters beim Hochgebet“ in Bezug gesetzt: Erhard halte „in liturgischer Geste die Arme horizontal ausgebreitet wie Christus am Kreuz“.138 Diesen Interpretationen ist schon früher widersprochen worden,139 und nach der Ablehnung jeglicher konkreter ritueller Bezüge im Erhard-Bild entbehren sie ohnehin der Grundlage. 135 136 137 138 139
Vgl. Mees 1978. Vgl. hierzu: Clemens papa Epistula 1 (388–398). Rütz 1991, 123. Rütz 1991, 99 und 126. – Vgl. Boeckler 1954, 219. Vgl. Neuheuser 1992a, hier 220.
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Es ist bereits der Bildgestalt jene Intention abzusprechen, dass die Arme der Erhard-Figur von den Schultern aus eine horizontale Linie zeichnen sollen, um den Gekreuzigten abzubilden, vielmehr liegen die Oberarme noch sehr dicht am Oberkörper. Damit entfallen für die Miniatur alle Deutungsmöglichkeiten, welche die Allegorese seit der Antike mit der Christusnachahmung in Verbindung gebracht140 und dann in der hochmittelalterlichen Liturgik – freilich im zeitlichen Abstand zum Uta-Kodex – zu neuer Entfaltung entwickelt hat.141 Die geistige Heimat der Doppelminiatur des Uta-Kodex ist zudem von der bisherigen kunsthistorischen Forschung vor allem mit der Theologie des Pseudo-Dionysius Areopagita in Verbindung gebracht worden, zumal gerade die Hierarchieabbildung dies nahezulegen scheint. Indiz für diese These ist die Aufschrift „IHPAPXHIA“ auf dem Rationale der Erhard-Figur. In der Tat erscheint diese Begrifflichkeit im hohen Mittelalter beinahe unausweichlich mit dem Areopagiten und dem von ihm geschaffenen Textcorpus verbunden. Nicht weniger als 59 mal tritt dieser Zentralbegriff im Text von De ecclesiastica hierarchia auf, und die beiden Übersetzer des 9. Jhs. – Hilduin und Eriugena – haben die substantivische Vokabel stets unübersetzt gelassen, so dass er sich für längere Zeit jener Leserschaft einprägte, welche das Werk nur in der lateinischen Fassung zu lesen vermochte; wohl erst später – worauf Maria Burger hinweist – wird der im Uta-Kodex bereits überlieferte Begriff des „sacer principatus“ von Petrus Lombardus verwendet.142 In dem Doppelwerk über die Hierarchien wird wohl erstmals die ekklesiale Struktur über die Zuordnung von sakramentalen Handlungen zu Ämterstufungen – das neuplatonische Bild des Zusammenhangs von immaterieller und materieller Welt – als Bedeutung tragend dargelegt: Insofern erliegt leicht der Suggestion, wer im Bild des priesterlichen Christus und im gegenüber liegenden Bild des Bischofs die Vertreter der himmlischen und der kirchlichen Hierarchie erblickt, und etwa in der Eriugena-Übersetzung „omnium hierarchiarum principium et consummationem Jesum invocans“143 gleichsam die Überschrift zum Doppelblatt des Uta-Kodex vermutet. Ähnlich könnte man heranziehen: „Ut enim omnem hierarchiam videmus in Jesum consummatam, sic unamquamque in proprium divinum summum sacerdotem“.144 Gleichwohl muss zugestanden werden, dass die theologische Forschung den ostkirchlichen Zentralbegriff ‚hierarchia‘ in dieser latinisierten Form noch nicht ausreichend für die westliche Theologie des hohen Mittelalters fruchtbar gemacht hat.145 Erst allmählich wird begonnen, die teils kryptischen, teils mystischen Ausführungen des Areopagiten auf Bezugspunkte in der okzidentalen Theologie und etwa auch in der hochmittel alterlichen Liturgik kritisch und unter Ausklammerung von Banalaussagen 140 141 142 143 144 145
Vgl. Dölger 1962. Vgl. Suntrup 1978, 172–178. Petrus Lombardus Sententiae d. 10 cap. 1 (377); vgl. Burger 2000, 407. Pseudo-Dionysius Areopagita Hierarchia ecclesiastica 3 (1086). Pseudo-Dionysius Areopagita Hierarchia ecclesiastica 5 (1334). Vgl. die bisherigen Untersuchungen Stiglmayr 1898, 180–187, und Parsons 1989. – Vgl. auch zusammenfassend Roques 1983, speziell 319–329.
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durchzusehen.146 Bei strenger Betrachtung ist bereits früher hinsichtlich einer direkten Beeinflussung des Uta-Kodex durch das Corpus Dionysiacum Skepsis angemeldet worden.147 Diese Skepsis betrifft nicht nur die bildhafte Darstellung der Doppelminiatur, sondern auch die Tatsache, dass unter den wahrlich zahlreichen Beischriften des Uta-Kodex keine einzige aus dem Corpus Dionysiacum philologisch oder inhaltlich hergeleitet werden konnte. Dies schließt nicht aus, dass weiter derivierte Quellen eine pauschale, indirekte Beeinflussung in das Umfeld des Miniators vorgenommen haben. So hat beispielsweise Reinhard Meßner auf die 15. Homilie des Theodor von Mopsuestia hingewiesen, in welcher einige Gedanken über das ‚Bild des Bischofs‘ als ‚Ikone‘ des Hohenpriesters Christi vorgetragen werden.148 Dennoch würde es zu weit gehen, hier eine Abhängigkeit von solchen Quellen zu vermuten. Richtig ist hingegen, dass derartige Quellen maßgeblich waren, den Amts- und Hierarchiebegriff zu veranschaulichen, wie es offensichtlich von der Zeit erfordert wurde. Deutlich wird, dass das Erhard-Bild mittels des Hierarchiebegriffs das Priestertum und das Bischofsamt anspricht und hier vielleicht einen zeitgenössischen Rekurs auf die Begriffsklärung versucht, hat doch Pierre–Marie Gy darauf hingewiesen, dass sich erst im 11. Jh. die Gleichsetzung von sacerdos und presbyter durchsetzt und damit den Episkopat ausgrenzt.149 Zum gleichen Zeitpunkt entsteht auch die Mitra für die Diözesanbischöfe, derer die ErhardFigur unserer Miniatur noch entbehren musste. Bernhard Bischoff hat eine Vermutung ausgesprochen, wessen geistiger Leistung das Konzept des Uta-Kodex entsprungen sein mochte und hat hierfür Hartwic von St. Emmeram, der bei Fulbert von Chartres studiert hatte, namhaft gemacht.150 Bischoff ging hierbei von dem zeitgenössischen kulturellgeistigen Klima der Donaustadt in der ottonischen Epoche aus151 und machte insbesondere bezüglich der Rationale-Aufschriften auf den Widmungsbrief des Johannes Scotus Eriugena an Karl den Kahlen152 aufmerksam, in welchem die hierarchischen Ebenen des pseudo–dionysianischen Systems entfaltet und „drei Entwicklungsstadien der Hierarchie“ verdeutlicht worden seien: die vorchristliche Zeit des Gesetzes, das christliche [gegenwärtige, H. P. N.] Zeitalter und das ewige Leben.153 In einem umfassenderen Sinne wies auch J. David McGee auf mögliche Einflüsse des Eriugena auf die ottonische Kunst hin.154 Mit seiner Skizzierung unterstreicht Bischoff jedenfalls die Bedeutung 146 147 148 149 150 151 152 153 154
Vgl. Neuheuser 2011. Vgl. Neuheuser 1996, insb. 304–306. Vgl. Messner 1993, hier 296–297. Vgl. Gy 1957. Vgl. Bischoff 1933. Vgl. Benz 1979, zum Umfeld des Uta-Kodex vgl. 82–83. Johannes Scotus Eriugena Epistola ad Carolum (MGH Epistolae 6: epistolae karolini aevi 4, Nr. 14, 158–161). Vgl. Bischoff 1933, 129–131. Vgl. McGee 1988, mit Hinweis auf den Aufsatz Bischoffs, jedoch ohne explizite Analyse des Uta-Kodex.
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der Rationale-Präsentation im Erhard-Bild, welche bei einer Reduzierung auf den bloß liturgischen Gehalt der Miniatur, d. h. auf eine diffuse Wirksamkeit der Erhard-Figur am Altar, nicht in diesem Sinne hätte realisiert werden können. Wenngleich in den Erörterungen Bischoffs, welche im Übrigen andere Bildbestandteile (Kuppel, Sakralgerät, Assistenzfigur, andere Beischriften) völlig ausklammert, die vorstehenden Versuche einer Detailklärung noch nicht enthalten sein konnten, so müssen sich die neu unterbreiteten Vorschläge und die Annahme von Hartwics Mitwirkung keineswegs grundsätzlich ausschließen. Vielmehr könnten die jetzt formulierten Interpretationen der Hartwic-Forschung dazu dienen, die Rolle des Emmeramer Mönchs in dieser Hinsicht zu konkretisieren. IV. Das Bild des Bischofs in seiner Kirche Die Betrachtung und Deutung der Doppelminiatur im Uta-Kodex und insbesondere seines Erhard-Bildes hat mannigfache geistige Gehalte an die künstlerische Komposition herangetragen, wahrscheinlich aber ohne deren Intention und Bedeutung restlos ausgeschöpft zu haben. In einem Aufsatzsammelband, welcher der Annäherung von Theologie- und Kirchengeschichte gewidmet ist, darf jedoch eine abschließende Überlegung über den zeitgenössischen Kontext nicht fehlen. Das heißt, dass gefragt werden muss, ob der Zeithorizont und das örtliche Umfeld des Uta-Kodex auch allgemeingeschichtlich in der Lage sind, einen Beitrag zur Interpretation von ‚Bischofsbild und Bischofssitz‘ zu leisten. Es handelt sich beim Erhard-Bild des Uta-Kodex somit gewiss nicht um die Darstellung des Bischofs als Privatperson; es ist nicht mit seiner Vita verknüpft wie etwa andere Abbildungen des hl. Bonifatius und seines Todes oder später des hl. Thomas Becket und seines Martyriums etc., vielmehr ist die Darstellung auf das Amt bezogen. Diese Kennzeichnung unterscheidet das Erhard-Bild auch von jener oben bereits erwähnten Serie von Bischofsbildern im Eichstätter Gundekar-Pontifikale, für welche Otto Gerhard Oexle zu Recht konkrete Memorialfunktionen angenommen hatte.155 Trotz der formalen Ähnlichkeit der Bischofsgestalten und ihrer Gestik sowie der Rationale-Präsentation liegt dem Uta-Kodex mit seiner Doppelminiatur eine andere Intention zugrunde, welche über die Konstituierung eines individuellen Bischofsbildes hinaus zugleich ein Bild des Bischofssitzes als Zeichen für die hierarchisch verfasste Kirche darbietet. Die Hängekuppel zeigt insoweit die Kirche an, wobei das Gebäude als Metapher für die innere, verfasste Ordnung der hierarchischen Gemeinschaft steht. In diesem Falle mag das Kuppelgebäude für die Regensburger Kirche, den Bischofssitz, stehen. Die Gebärde Erhards ist jene der Vorweisung des nicht persönlich verliehenen Rationale mit Betonung des legitimen Besitzes durch die Regensburger Kirche und der Auszeichnung vor anderen Bistümern. Das 155
Vgl. Oexle 1984, hier 409–412.
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Erhard-Bild des Uta-Kodex konzentriert sich ganz auf diese Präsentationsweise des Amtes und des Amtsinhabers, dessen Selbstdarstellung sich in der Vorweisung des ortsbezogenen Rationale erschöpft. Insoweit muss auch die Figur des Diakons als Altardiener nicht etwa im Hinblick auf eine spezifische Handlung gedeutet werden: Diese Figur ist ganz auf den Bischof hingeordnet und interpretiert ihrerseits ihre Ordostufe innerhalb der Hierarchie, wie es Roger Reynolds im Hinblick auf eine andere Ordoabbildung thematisiert hat.156 Wir haben hier eine – im Gegensatz zu den Bildnissen weltlicher Herrscher – überschaubare Gruppe vom ‚autonomen‘ Amtsdarstellungen von Geistlichen vor uns, während zumal Bischöfe im weit überwiegenden Teil künstlerischer Darstellungen innerhalb liturgischer Handlungen wiedergegeben sind:157 Man wird sogar umgekehrt formulieren müssen, dass in solchen Fällen vorwiegend eine liturgische Handlung darzustellen beabsichtigt war und der handelnde Geistliche lediglich als integrierter Akteur aufscheint – das Gegenteil ist im Uta-Kodex der Fall. Ein Bezug auf den allgemeingeschichtlichen, das heißt ggf. politischen Kontext des Erhard-Bildes ist nur schwer auszumachen, ebenso wenig aber auszuschließen: Zu sehr ist die Christusfigur – wenngleich gekrönt – durch die Stola als Priester ausgewiesen und in die Tradition des rex et sacerdos eingebunden.158 Sehr zaghaft könnte mit diesem Überbau angedeutet sein, dass das bischöfliche Amt („presul“, „IHPAPXHIA“, „sacer principatus“) ganz auf das Priesteramt Christi zurückgeht, ebenso wie im Sigebert-Sakramentar die Ecclesia-Personifikation an der bischöflichen Liturgie mitwirkt. Hieraus jedoch eine prononcierte Äußerung zur konkurrenzierenden kaiserlichen Amtsverleihung an die Mitglieder des Reichsepiskopats159 zu erblicken, dürfte einer Überinterpretation der Miniatur gleichkommen. Auch kann eine Anspielung auf die Inhaber des Regensburger Bischofsamtes im hier interessierenden Zeitabschnitt, die Bischöfe Gebhard II. und III.,160 nicht gemeint sein, da sie der weltlichen Obrigkeit in besonderem Maße ergeben waren. Eine spezielle Schwierigkeit der Interpretation ergibt sich aus der Situation der geistlichen Institutionen im Regensburger Stadtgebiet: Nach der bisherigen Forschungslage wurde der Uta-Kodex zwar im Atelier von St. Emmeram hergestellt, jedoch wohl im Auftrag des Niedermünsterstifts. Abgesehen von der 156 157 158
159
160
Vgl. Autun, Bibliothèque municipale, Ms. 19bis, f. 1r; vgl. Reynolds 1971, 432–442. Vgl. Palazzo 1999, zum theologischen und politischen Bischofsbild vgl. 101–108, zum Erhard-Bild vgl. lediglich den knappen Hinweis auf 107. Vgl. die älteren Arbeiten zu diesem Herrschaftstopos von Kern 1915, worin freilich nur auf die Melchisedek-Darstellungen abgehoben wird, und von Kampers 1925, zum Melchisedek-Topos vgl. 514–515. – Vgl. auch Ullmann 1969, insb. die Kapitel 4 und 5 zur pseudo-dionysianisch beeinflussten Theologie des Königtums und der dort verwendeten Hierarchie-Begrifflichkeit. – Zur Überhöhung vgl. auch Deshman 1976, vgl. etwa 372, 384ff. Zum geschichtlichen Hintergrund vgl. auswahlhaft den Sammelband: Reich und Kirche vor dem Investiturstreit, hg. von Karl Schmid, Sigmaringen 1985. – Vgl. ferner Zielinski 1984; Engels 1986; Engels 1989; Finck von Finckenstein 1989. – Vgl. auch die Kontroverse um den Aufsatz von Reuter 1982. Vgl. Janner 1883, 466–476 und 477–545.
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zaghaften pseudo-dionysianischen Anspielung der Beischrift „IHPAPXHIA“ lässt sich jedoch im Uta-Kodex kein positiver Hinweis auf die kirchenpolitischen Aktivitäten von St. Emmeram feststellen: Es gibt keine Andeutung auf den dortigen Stiftspatron, aber auch nicht auf den erst kürzlich kanonisierten und ebenso der Kultpropaganda bedürftigen hl. Wolfgang161 oder den amtierenden Regensburger Bischof. Abgesehen von den kirchenpolitischen Bezügen hat Bernhard Bischoff festgestellt, dass der Protagonist der pseudo-dionysianischen Reliquienfälschung162 Otloh zwar vielleicht die ihm zugeschriebenen Schriften in Montecassino kopiert haben mochte, sein Denken aber ohne Einfluss ihrer Theologie geblieben sei.163 Auch Helga Schauwecker erwähnt sehr kurz die Abschreibeleistung Otlohs und die damit unausweichlich anzunehmende ‚Kenntnisnahme‘ des Corpus Dionysiacum und sogar eine ‚Einflussnahme‘, ohne jedoch nur an einer einzigen Stelle den philologischen Nachweis einer Rezeption im Werk Otlohs anzutreten.164 So bleibt vorerst, die aktualisierende Bildintention des Erhard-Bildes in dem Rekurs auf die Anfänge des bonifatianischen Regensburger Bistums von 739 zu erblicken, welches zum Zeitpunkt der Trierer und Mainzer Vorrangbestrebungen und der 1007 erfolgten Gründung des Bistums Bamberg165 aktuelle kirchenpolitische Bedeutung gehabt haben mag. Der Besitz des Rationale muss hierbei von zeichenhafter Bedeutung gewesen sein. Vielleicht war die Rationale-Verleihung auch als ‚Ausgleich‘ für die Bamberger Bistumsgründung gedacht. Die Ähnlichkeiten des Bamberger und des Regensburger Rationale sind bereits von Beda Kleinschmidt thematisiert worden.166 Die Einbindung des Niedermünsterstifts und seiner Äbtissin in die Hierarchie der Kirche könnte eine zusätzliche Bildintention dargestellt haben. Abgesehen von möglichen internen Disziplinproblemen der „rectrix agnarum“ und Schwierigkeiten bei der Respiritualisierung oder gar Remonialisierung des Stiftes, könnte auch die Außendarstellung von Bedeutung gewesen sein. Das Niedermünsterstift als Bestimmungsort für den Uta-Kodex war seinerseits mit der weltlichen Führungsschicht verbunden, war Grablege des bayerischen Herzogspaars Heinrich I. und Judith und hatte im Jahre 1002 von König Heinrich II. Immunität und Königsschutz verliehen bekommen.167 Dass angesichts eigener Konflikte gerade St. Emmeram durch die Fertigung der Miniatur in seinem Atelier an der Festigung des Verhältnisses zum Bischof beigetragen haben könnte, bleibt hingegen ein ungelöstes Rätsel – es sei denn, man wollte im Ideal des Erhard-Bildes ein bewusstes Übergehen des verhassten Wolfgang oder eine gegen den ungeliebten, freilich erst seit 1036 regierenden Gebhard 161 162 163 164 165 166 167
Vgl. Schwaiger 1973; vgl. allgemein Schwaiger 1972. Vgl. Kraus 1988. Bischoff 1933, 123. Vgl. Schauwecker 1965, 105–106 und 144. Vgl. Protokoll der Frankfurter Synode von 1007 November 1 in: MGH D H II. 143 (MGH Diplomata 1900, 3, 169–172). Vgl. Kleinschmidt 1904, insb. 52. Urkunde von 1002 November 20 in MGH D H II. 29 (MGH Diplomata 1900, 3, 31–33).
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III. gerichtete Aktion aus dem Umkreis Otlohs erblicken.168 Der überzeitliche Rekurs auf den biblischen Topos vom neuen Priestertum oder gar vom wahren Priester Christus bot dabei den am wenigsten verfänglichen Hinweis. Im Übrigen ist die kirchen- und kulturgeschichtliche Einordnung einer Miniatur naturgemäß abhängig von der genauen Datierung ihres Umfeldes. Wir erinnern uns, dass die traditionelle chronologische Einordnung des Uta-Kodex einerseits von der aus der Quellensituation der Nekrologe und Urkunden zeitlich nicht genau fassbaren Äbtissin Uta,169 andererseits vom paläographischen Befund abhängt, welcher indes streng genommen nur auf den Textteil, nicht auf die Miniaturen bezogen werden darf. Wir erinnern uns ferner, dass der Bildteil des Uta-Kodex kodikologisch vom Textteil unabhängig ist, d. h. dass die heutige Gestalt auch jüngeren Datums sein und etwa an die Mitte des 11. Jhs. heranreichen könnte – gerade wenn man dem Datierungsvorschlag Hagen Kellers für das verschwisterte Montecassino-Evangeliar folgen würde. Diese Feststellung erlaubt mehrere Hypothesen, welche hier lediglich ausgebreitet werden, um weitere Forschungsmöglichkeiten gerade auf dem Gebiete der Kirchengeschichte aufzuzeigen. Es ist nämlich geradezu auffällig, dass die Jahrhundertmitte des 11. Jhs. mehrere Aspekte bereithält, welche eine andere Beurteilung des Uta-Kodex – und somit auch des ErhardBildes und überhaupt der Doppelminiatur mit dem Kreuzesbild – eröffnen würde. Bereits angedeutet wurden die Schenkung des Arnulfziboriums, die 1052 erfolgte Erhebung der Gebeine des hl. Erhard sowie die Phase der Dionysiusfälschungen und des Dionysiuskultes. Hinzuzufügen wären die Ereignisse der Papstbesuche von Leo IX. im Jahre 1052 und Viktor II. zu Weihnachten 1056/1057. Zudem würden die Miniaturen unter den obwaltenden aktuellen Eucharistiedebatten oder im Hinblick auf die erste Glaubensspaltung von 1054 eine neue Deutungsmöglichkeit erhalten. Die starke Fokussierung des Miniators auf das Rationale lässt ferner die Frage aufkommen, ob mit Hilfe des Rekurses auf die Zeit des hl. Erhard nicht die relativ spät einsetzende Übung der Amtsauszeichnung mit einer älteren, geradezu archaischen Tradition ausgestattet werden sollte, welche dann das gegenwärtige Bischofsbild spirituell prägen sollte. Mit diesen Hinweisen sollte allerdings keine Suggestion einer ungerechtfertigten Spätdatierung des Uta-Kodex zugunsten einer vordergründigen geschichtlichen Harmonisierung erzeugt werden. Kultur-, Kirchen- und Theologiegeschichte werden – gerade bei dem anzustrebenden interdisziplinären Dialog – auch mit ‚Ungleichzeitigkeiten‘ leben müssen.
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Vgl. auch die Gegenüberstellung der Wolfgangsvita mit dem Idealbild eines Bischofs bei Otloh Vita s. Wolfkangi, 15 und 22 (MGH SS IV, hier 532 und 536). – Vgl. zu den kirchengeschichtlichen Hintergründen Janner 1883, 509–522. Vgl. Bischoff 1933, 130–131. – Vgl. bereits den Versuch bei Janner 1883, 555.
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Archa Verbi. Subsidia 8
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Bischöfe und Bischofssitze in der hochmittelalterlichen Toskana von Domenico Parducci 1. Einleitung 1.1 Vorbemerkung Zunächst soll der Beitragstitel erklärt werden, weil das Thema nicht erschöpfend behandelt werden kann. Die eigenen Charakteristiken jeder toskanischen Diözese, die starken Gepräge einzelner unter den lokalen Bischöfen und die nicht immer eindeutigen oder konvergierenden Erörterungen der relativ reichen Quellenlage erlauben hier keine systematische kritische Datenuntersuchung. Der betreffende Beitragszeitraum breitet sich innerhalb des Rahmens zweier epochaler Zäsuren aus, des Endes der karolingischen Einheitsherrschaft, bekräftigt durch den Vertrag von Verdun 843, und des Anfangs der sogenannten gregorianischen Reform in den späteren 50er Jahren des 11. Jhs., besser bekannt als Investiturstreit. Einerseits, in den früheren Zeiten vor der zweiten Hälfte des 9. Jhs., gibt die fast absolute Quellenstille dem Historiker tatsächlich geringe Forschungschancen. Andererseits, nach der Reform der Mitte des 11. Jhs. wird das Kirchenbild dahingehend komplexer, daß die Verbindungen zwischen Rom und den Toskanischen Diözesanordinarien zunehmend durch die persönlichen Beziehungen der jeweiligen Päpste und Bischöfe bestimmt werden. So bietet sich dieser Beitrag als eine Darstellung von einer noch in Ausführung befindlichen Arbeit über die toskanischen Quellen des Hochmittelalters. Sein Hauptzweck ist das Skizzieren der sozio-religiösen Rolle und der institutionellen Präsenz der Bischöfe innerhalb der toskanischen Bürgerschaften. 1.2 Die Toskana bis zum Ende des Karolingerreiches Mit der Ausnahme Siziliens und Sardiniens stellt die Toskana den geschlossensten und eigenständigsten Territorialrahmen Italiens dar: Das Tyrrhenische Meer im Westen und die Apenninen in Norden und Osten isolieren das Land und nur seine südliche Grenzlinie bleibt – bis heute – eher politisch als geographisch bestimmt.1 Die Region ist früh besiedelt worden und einige der hier genannten früh- und hochmittelalterlichen Bischofssitze (d.h. Arezzo, Chiusi, Fiesole, Pisa, Populonia, Roselle, Sovana und Volterra) erleben ihre städtische Entwicklung schon in der Etruskerzeit.2 1 2
Über die Geomorphologie der Toskana, vgl. Cori/Federici 1992. Cristofani 1984, 14; Bonamici 1992.
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Domenico Parducci
Das römische Etrurien – Land der Etrusker – faßt die heutige Toskana und Nordlatium fast bis zu den Stadttoren Roms zusammen. Folglich teilen erst die Verwaltungsreformen Kaisers Diokletians (284–†305) das Land ist die in zwei unterschiedliche Steuerregionen: Die südliche Tuscia urbicaria und die nördliche Tuscia annonaria. Ihre genaue geographische Ausdehnung ist schwer zu bestimmen und die Grenzlinie zwischen ihnen ist ungefähr um das Hügelgebiet südlich des Flusses Arno zu ermitteln.3 Die darauffolgende Verwaltungsentwicklung ist nicht genau faßbar und von der langobardischen Landesorganisation und -nutzung sind uns nur wenige Namen von Herzögen und Gastalden bekannt. Allgemein gesprochen, soll der nördliche Landesteil weniger als der südlichen unter den Schrecken der Völkerwanderungs- und der späteren Ungaren- und Sarazeneneinfälle gelitten haben. D.h., daß etwa die Hälfte der damaligen toskanischen Diözesen (Luni, Lucca, Pisa, Pistoia, Fiesole und Florenz) bis ins Hochmittelalter relativ verschont blieb.4 Dieses Gebiet verdankt es wahrscheinlich seiner geographischen Isolierung, wenn die oben genannten Städte nach der Jahrtausendswende einen so raschen sozio-ökonismischen Aufstieg erlebt haben. Im Gegensatz dazu bietet der südöstliche Teil (Bistümer von Fiesole, Florenz, Arezzo, Chiusi, Cortona, Sovana und Roselle) einen optimalen Korridor zwischen Rom und den Exarchats-Pentapolis-Raum.5 Das soll zweifellos den Gründen seiner allgemeinen Verarmung seit dem Frühmittelalter zugezählt werden.6 Im Rahmen der italienischen Kirchenorganisation nimmt die Toskana eine Zwischenposition zwischen dem Norden und dem Süden ein.7 Im letzten Fall bemerkt man eine dichte Diözesenkonzentration, die im mittleren Raum um Rom besonders stark ist: Das widerspiegelt eine noch in der Spätantike wenig bedeutende Entwicklung eines Netzes von Pfarreien mit Tauf- und Bestattungsrechten (plebs oder ecclesia baptizimalis) wie in der Toskana und in Norditalien.8 Derartige territoriale Kirchenorganisationen gründen sich während der antiken und spätantiken Eingliederung der institutionell noch nicht starken kirchlichen Hierarchie in das jahrhundertealte urbane Umfeld Mittelund Süditaliens. Das bedeutet, daß die toskanischen Bischöfe und ihre Kurien mittel- oder starkurbanisierte Gebiete verwalten, während die norditalienischen Bischofssitze viel ländlichere Räume kontrollieren. Diese letzten unterstehen den Erzbischöfen von Mailand und Ravenna und dem Patriarch von Aquileia, die sehr ausgedehnte Diözesanbezirke leiten. In der Toskana folgen die Diözesan3 4 5 6 7 8
Für die Entwicklung der Region in der Römerzeit und in der Spätantike, vgl. Pasquinucci 1992; Giusteschi Conti 1998. Ebenda. Ebenda. Für den letzteren Forschungstand und ein – Diözese für Diözese erarbeitetes – Quellenund Literaturbild vgl. Francesconi 2001. Jedin 1970, 23. Rauty 2000, 3–25.
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bezirke häufig den einstigen Grenzziehungen der vorigen römischen municipia, aber es handelt sich dabei um keine kirchenpolitische Strategie; die Anpassung an bereits seit der Antike existierende Landesschranken brachte den Bistumsgründungen allerdings verwaltungsgeschichtliche Vorteile. Auf der Basis dieses kirchenpolitischen Diözesenumfelds entstehen in nachkarolingischer Zeit sehr wichtige Sozialstrukturen, welche die kommunale Welt Nord- und Mittelitaliens sehr stark prägen werden: Es ist zum einen die Herausbildung der Domkanoniker und deren Aufstieg zu Konkurrenten der Bischöfe, und zum anderen der Aufschwung der Konsulatsaristokratie. Diese beiden neuen institutionellen Integrationsfaktoren der Stadtgefüge werden erst am Ende des 11. Jhs. „reifen“ und die Sozialstruktur des Bürgertums nachhaltig verändern. 1.3 Quellen- und Forschungslage Die älteren historischen Quellen bestehen aus literarischen Stücken aus den Werken spätantiker und frühmittelalterlicher Autoren und stellen dem modernen Leser den toskanischen hohen Klerus als sehr eng mit dem Papsttum verbunden vor.9 Insgesamt handelt es sich aber um wenige heuristische Zitate, in denen diese Prälaten nur als Synoden- und Konzilienbesucher und als diplomatisch Beauftragte auftauchen. Trotzdem beweisen kürzlich durchgeführte archäologische Ausgrabungen Einflüsse der Primats- und Missionstätigkeit der Mailänder Erzbischöfe in der Nordtoskana (z.B. in der Gesamtdisposition vieler Kirchen). Seine grenzenübergreifende Pastorale führt dazu, daß der hl. Atanasius behauptet, den hl. Ambrosius, Erzbischof von Mailand, könne man für den Metropolit Italiens halten.10 Die Toskana allerdings liegt jenseits der Bistumsgrenze und somit außerhalb der direkten Macht, wenn auch nicht gänzlich außerhalb des Einflußbereiches. Die Bischofsfigur der früh- und hochmittelalterlichen Toskana ist letztlich meistens verfassungsgeschichtlich untersucht worden.11 Der Hauptgrund liegt darin, daß die Mehrheit der erhaltenen historischen Materialen aus Privaturkunden besteht, während es sich bei den übrigen Quellen um wenige Diplomata und andersartige Erlasse der öffentlichen Gewalt handelt. Im Vergleich zu anderen italienischen und nordeuropäischen Regionen verfügt man ja in diesem Fall über eine relativ reiche schriftliche Überlieferung, aber calendarii sanctorum, ordines officiorum und sonstige Quellentypen – wie z.B. die Stadtchroniken – sind nicht vor dem späten 11. Jh. abgefaßt worden.12
9 10 11 12
Giusteschi Conti 1998. Piétri 1974; Martin 1996, 815. Das jüngste Standardwerk dazu ist zweifellos Francesconi 2001. Isolierte Ausnahme stellt das Calendarium Florentinorum ex libro missali saeculo X praefixum dar, s. Zaccaria 1754, 290–295.
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2. Zentralität des Bischofs Die Bischöfe der Karolinger-, Ottonen- und Salierzeit bewegen sich im Rahmen eines sogenannten ‚Frühstaates‘ (aus dem englischen early state), der nicht mit einer zentralen oder zentralisierten Gewalt verwechselt werden darf. Das Wort bezeichnet in neutralster Weise jene früh- und hochmittelalterlichen Versuche einer Machtsterritorialisierung, die im Laufe von circa drei Jahrhunderten zur Regionalisierung der verschiedenen europäischen Völkerkulturen geführt hat. Schematisch kann man die Aktion des Frühstaates in drei Tätigkeitsbereichen zusammenfassen:13 das juristisch-administrative, das ideologisch-religiöse und das ökonomische. Generell gesagt sind die Bischöfe der Zeit je nach Land mehr oder weniger, direkt oder indirekt, überall sehr einflußreich und dasselbe gilt für die Diözesanordinarien der toskanischen Bischofssitze.14 2.1 Die Bischofskirche in der Stadt Beide, die materielle und die religiös-ideologische Zentralität der Bischofsfigur, sollen nicht unhinterfragt übernommen werden. Vor der Domkapitelentstehung sitzt der wahrscheinlich konkurrenzlose Bischof in seinem sowohl religiösen als auch politischen Amt allein und bedankt sich dafür nur bei der Stadt. Hier widerspiegelt die Baulage seiner Kirche seine anzunehmende Rolle in der lokalen Bürgerschaft. Lucca ist sicherlich der älteste historisch nachgewiesene Bischofssitz der Toskana und eine der anderen älteren Diözesen des Landes ist Pistoia. In beiden Städte liegt der Dom in der inneren Stadt: Ein relativ sicheres Zeichen für eine postkonstantinischen Datierung der Bauphase der Hauptkirche. Im Fall von Lucca stellt sich die Baulage des antiken Doms innerhalb der Stadt vom zivilen forum entfernt dar, etwas südlicher auf der anderen Seite des cardo maximus: So – nach der lokalen urbanen Symbolik – muß der Vertreter der römischen Gewalt den Bischof mit seinem konkurrierenden Machtzentrum anerkennt gehabt haben.15 Der Dom zu Pistoia (ecclesia canonicaque sancti Zenonis) – vielleicht etwas jünger – liegt an der zentralsten innerstädtischen Kreuzung aller Landesverkehrwege, welche die Stadtmauer erreichen. Sein Zusammenhang mit dem antiken Zentrum ist nicht bestimmbar, auch wenn zu beobachten ist, daß das langobardische geometrisch irreguläre Mauerwerk mit dem Umfang der damaligen römischen Stadt ungefähr übereinstimmen.16 Die urbane Zentralität der Bischofskirche in Siena ist in einer anderen Richtung auszulegen. Auch wenn die ersten Belege beweisen, daß Dom- und 13 14 15 16
Harrison 1993, 17–22. Ebenda, 171ff. Piancastelli 1992, 17, 19. Rauty 1981, 74.
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Bistumsgründung nicht vor dem Ende des 8. Jhs. zu datieren sind, berichten spätere erzählende Quellen anderes. Die Chronica de origine et civitatis Florentiae (11. Jh.),17 Quelle der berühmten Nuova Cronica des Giovanni Villani,18 setzt das Gründungsdatum auf 670. In jedem Fall entwickelt sich diese Diözese in einer späteren Zeit als alle anderen toskanischen Bischofhöfe. Ihre querorientierte Bezirkslage stimmt mit den zwei Hauptabzweigungen der Via Francigena überein und wächst auf Kosten der Nachbardiözesen. Unter den besser untersuchten Städten zeigen die Beispiele Arezzo, Florenz und Pisa klar und deutlich, daß in manchen Fällen die ersten Bischofskirchen außerhalb der antiken und frühmittelalterlichen Mauer gegründet wurden und erst in kommunaler Zeit in einem weiteren Mauerring einbezogen wurden. Diese Domgründungen bieten viele unterschiedliche Erklärungsmöglichkeiten: Abzug des Bischofs aus dem ummauerten Stadt wegen Konflikten mit dem langobardisch-arianischen Klerus oder Erinnerung an dort stattgefundene Kriegsereignisse, andersartige mostra, miracula sanctorum, usw. Sehr wahrscheinlich entspricht so eine Lagewahl in der Stadtnähe nur Sichtbarkeitsansprüchen entweder durch den Kirchenbau auf nahegelegenen Anhöhen (Arezzo) oder an einem kritischen Verkehrspunkt, wie in der pisanischen Ebene (Hauptanlegestelle und damaliger römischen Stadthafen in Pisa), die zudem von den einzelnen dortigen Hügeln (die Pisanischen Bergen) gut zu überblicken war und dadurch freie Sicht auf dem imponierenden Domkomplex bot. In Florenz blickt der Dom auf den vom Arnotal im Westen hereinkommenden Verkehr und ist wahrscheinlich von allen übrigen höheren Strassen sichtbar gewesen. Bei Lucca, Pistoia, Siena, Arezzo, Pisa und Florenz handelt es sich ja um die besser untersuchten Fälle. Ein Dombau im Stadtzentrum ist auch für Luni, Fiesole, Chiusi, Volterra, Populonia, Sovana und Roselle anzunehmen, trotz der Verfalls-, Räumungs- und Verwüstungsbelege schriftlicher und andersartiger Quellen. 2.2 Juristisch-administrative Zentralität Dieser de facto Primat der Bischöfe prägte sehr stark das lokale juristischadministrative hochmittelalterliche Leben. In der Tat ist der Bischof ein Anhaltspunkt des städtischen und lokalen Rechts- und Verwaltungslebens. Hier sollen nun nicht die Ursprünge der Pisanischen Rechtsrenaissance erforscht, sondern nur einige Privaturkundendaten bewertet und gedeutet werden. Auch wenn es sich um Teilmaterial handelt, reichen diese chartae, um einige Tendenzen zu erkennen. Fast alle dieser Aufzeichnungen entstehen aus dem lokalen kirchlichen Bereich: Entweder aus der Bischofs- oder aus der Kanonikerkurie. Auch in diesem Fall bieten natürlich nicht alle Bistümer dieselbe Überlieferung. Aus den nicht mehr bestehenden Bischofssitzen – wie Sova17 18
Kritisch hg. von Cesari 1993, 185–253 (zur Bistumsgründung, 252–253). Villani Nuova Cronica, 81–82.
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na und Roselle – sind keine Urkunden erhalten, während aus den jüngeren Diözesen nur spätere chartae belegt sind. Die häufigsten Geschäftsarten sind: Landankauf, -verkauf und -pacht, Immobilienschenkungen oder -tauschgeschäfte, inventarartige brebi, Testamentsschenkungen oder -diktate. Die meisten ausschließlich Privatpersonen betreffenden Urkunden stammen gewöhnlich entweder aus den vorstädtischen oder aus den ländlichen Diözesangebieten. Bis zum 10. Jh. bieten nur Lucca, Pisa, Pistoia und Volterra eine statistisch auswertbare Quellenmenge von insgesamt 450 Stück. Der Ruf der toskanischen Städte als Orte urkundlicher Produktion – d.h. die Zahl städtischer Ortsangaben in den Datierungsformeln – ist im Durchschnitt stark (82% der Urkunden, d.h. 366 unter 450). Die Stadt mit der stärksten Anziehungskraft ist zweifellos Lucca, Marksitz und damaliger Herzogssitz unter den Langobarden. Hier stammen 90% der Aufzeichnungen aus der Stadt, während 3,6% Urkunden toskanischer Entstehung sind. Nur bei 0,4% handelt es sich um nicht datierte oder nicht datierbare Dokumente. In den übrigen belegten Städte verfügt man – im Vergleich zu Lucca – über eine geringere Urkundenmenge: immer unter 100 Stück. Aufgrund dieser Daten ist es möglich zu behaupten, daß die Bischofsstadt eine Anziehungskraft auf ihr Land ausübt: Mehr als die Hälfe der Urkundenproduktion konzentriert sich in der Stadt, wo zur damaligen Zeit die Kanoniker noch keine politische Gefahr für die Bischöfe darstellen und die häufigsten Beziehungen unter den beiden sich auf Landesschenkungen oder -pachten beschränken. Bis zu dieser Zeit ist die Stadt das Zentrum par excellence und ihr Bischof – mit seinem Domklerus – die Hauptfigur des öffentlichen Lebens. Die inhaltliche Armut der Quellen macht es schwierig zu deuten, welche Stelle innerhalb der Pastoral- und Verwaltungsstrategien die belegten Jurisdiktionsinseln und Einflußansprüche einiger toskanischer Bischöfen gehabt haben könnten. Aufgrund der sehr guten Quellenlage scheint der Fall von Lucca paradigmatisch. Der lucchesische Bischof übt seine – nur weltliche? – Macht auch in den Nachbardiözesen aus: Dies ist der Fall in der Nachbarstadt Pistoia in den letzten Jahrzehnten des 8. Jhs. und Populonia im Süden.19 Hier handelt es sich um Beziehungen mit Großadelsfamilien fränkisch-salischen Ursprungs,20 die ihre eigenen Machtsstrategien verfolgten und nicht um Hilfestellung für den Papst, wie es in der Spätantike häufig passiert ist.21 In der ersten Hälfte des 11. Jhs. ändert sich das Bild. Nun verfügt man über beträchtlichere Archivbestände, die für diese Zeit auch die Verhältnisse in Arezzo und Florenz erhellen. Abgesehen von Arezzo, verkleinert sich der Abstand zwischen den Urkunden städtischen Ursprungs und den – allgemein – toskanischen Ursprungs. Diese Abstandsverminderung bedeutet zu jener Zeit keine Deklassierung der Stadtrolle. Die absolute Mehrheit der chartae 19 20 21
Für Pistoia vgl. Schneider 1975, 23 und Rauty 1981, 23f. Für Populonia vgl. Garzella 2001. Den besser untersuchten Fall bietet zweifellos das junge Werk von Collavini 1998. Garzella 2001, 302.
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ländlicher Provenienz enthält fast nur Immobiliengeschäfte zwischen einer Privatperson und dem Bischof, der normalerweise von seinen Notaren vertreten wird. Nur wenige andere juristische Personen sind noch dem Bischof gewachsen. Statt einer Reduktion der Aktionssphäre der Stadt verraten diese Daten eine geschäftigere Aktion oder Zunahme der Bischofstätigkeit auf dem Lande. 3. Die Bischöfe und der sozioökonomische Rahmen in der Toskana Bischof und Stadt sind bisher als ein symbiotisches Paar angesehen worden, aber der Diözesanordinarius ist nicht die alleinige Führungsfigur seines Bischofssitzes. Im folgenden soll nicht die Zentralität des Bischofs in Zweifel gezogen werden, es geht lediglich darum, Mißverständnissen vorzubeugen. Er ist kein ‚Signore‘: Diese Bezeichnung ist ungeeignet zur Umschreibung einer völlig andersartigen Machtausübung, die sich in der hochmittelalterlichen Zeit auf einer anderen Basis begründet. Er ist gar kein ‚Graf‘: So haben die früheren Bischöfe nicht automatisch den Rang des Grafen inne. Es bleibt festzuhalten, daß nur einige toskanischen Bischöfe eine comitalis dignitas bekommen und daß es sich um kaiserliche ad-personam-Maßnahmen handelt.22 Sind die damaligen karolingischen Würdenträger fränkischen Ursprungs auch nicht mehr an ihrer eigenen Stelle, haben sie doch im Laufe der Zeit nach der Auflösung des Karolingerkaisertums aus den damaligen lehnsrechtlichen beneficia einen umfangreichen Grundbesitz zusammengetragen.23 Auch wenn der Bischof die hervorragende Figur der Stadtgefüge und seiner Diözese ist, haben die Würdenträger der fränkischen Zeit (marchiones, duces, comites und vicecomites) an Macht noch nicht verloren. Viele von ihnen konzentrieren ihre Aktivitäten auf dem Lande, ohne daß man von ‚Incastellamento‘ sprechen kann.24 Sei diese Aristokratie adligen oder rein grundherrschaftlichen Ursprungs, viele ihrer Vertreter sind als Bischofspächter belegt und das legt zwei folgenrichtige Beobachtungen nahe. Der toskanische Bischof kontrolliert alle oder die Mehrheit der Ländereien, die keiner öffentlichen Gewalt (dem Kaiser bzw. seinen „Vertretern“) unterstehen. Die hier angedeutete Einteilung der Ländereien in „Domänen“ und in „Nicht-Domänen“ ergibt sich unmittelbar aus den überlieferten Quellen. Das stellt – nach meiner Meinung – eine interessante historiographische Anregung dar. Die Bischöfe fördern – oder verhindern nicht – die Entwicklung solcher Großadelsfamilienherrschaft auf dem Lande. Die spätere regionale Entwicklung hilft etwas, dieses aus den Daten entworfene Bild zu deuten. Ab der 22 23 24
Francesconi 2001, passim. Francesconi 2001, passim. Referenzwerke: Toubert 1984; Wickham 1985 und ferner die laufende Kongreßaktenserie Castrum (ab 1983).
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zweiten Hälfte des 11. Jhs. entwickelt sich in allen toskanischen Städten ein sehr dichtes Kirchennetz, das unter der fast absoluten Kontrolle der Domkanoniker und der privaten Patrone liegt.25 Unter diesen letzten ist es keine Seltenheit, Angehörige der oben genannten Landesgeschlechter zu entdecken. Die verfügbaren Quellen sind mehr oder weniger stumm in diesem Zusammenhang, so bleibt es schwer zu bestimmen, welche Dynamik zum Entfernen der mit der Kurie verbundenen Großfamilien vom Diözesanordinarius führt und in welchem Maße und Sinne die Gesamtheit jener damaligen viri devoti mit der neuen pisanischen – aber aus dem Lande stammenden – Aristokratie des späten 11. Jhs. übereinstimmt. Zuletzt bleibt auch zu untersuchen, welche geschichtlichen Ereignisse dazu führen, daß der Bischof kirchenpolitisch zu Gunsten der Kanoniker allmählich schwächer wird. Dem Schein nach zu urteilen, stellt der toskanische Bischof der Zeitspanne ab der zweiten Hälfte des 9. bis zur ersten des 11. Jhs. lediglich einen Landesverwalter dar, um den und gegen den die verschiedenen lokalen Kräfte sich versammeln. Die Diözesanordinarien sind also als Hauptdarsteller relativ allein auf dem lokalen Schauplatz. Das damalige regnum Italiae liegt in Unordnung wegen der sogenannten italienischen Könige und das Papsttum – ohne kraftvollen Kaiserschutz – wird Beute einzelner Despoten Mittelitaliens und römischer Adelsgroßfamilien. Diese Situation scheint sich, auch nach der Wiederherstellung der kaiserlichen Macht durch Otto den Großen (962), nicht grundlegend zu wandeln. In zahlreichen Städten des regnum Italiae werden in unterschiedlicher Weise und Zeit fideles imperatoris als Bischöfe eingesetzt. So auch in der Toskana. Im folgenden Jahrhundert gewinnen wechselweise Kaisertum und Papsttum – und mit letzterem die Bischofsfigur – erneutes Prestige, das von allen Seiten zu einer fordernden Amts- und Machtausübung und zuletzt zum Investiturstreit führt. Kaiser und Papst, Vertreter der öffentlichen Gewalt und vorkommunale Aristokratie, Bischöfe und Domkanoniker treten in den 50er Jahren des 11. Jhs. in die Suche nach einer neuen eigenen Stellung innerhalb eines wechselnden Sozialgefüges ein. 4. Schlußbemerkungen und Anregungen Das Bild eines sehr auf dem Lande verwurzelten Bistums taucht nach einer jahrhundertelangen Quellenstille wieder auf. Die wenigen erzählenden Quellen der Zeit tradieren mythisierte pseudo historische Heiligengeschichten, die in krassem Gegensatz zu den oben verarbeiteten archivalischen Daten zu stehen scheinen, die ein Bild vom 25
Diese Schwächung der bischöflichen Stellung in der kirchlichen Stadtkultusverwaltung ist überall beobachten, auch wenn noch nicht systematisch untersucht. Die jüngsten Forschungen konzentrieren sich meistens auf die Situation in Pisa. Vgl. Ronzani 1983 und Ronzani 1986.
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Bischof als bloßen Diözesanverwalter zeichnen. Hinter den Prosa- und Deutungsschemata der mittelalterlichen Autoren entdeckt man, daß die minimalen fabulae dieser Heiligenviten oder Stadtchroniken nicht so drastisch den chartae widersprechen. Wenn Pisa – und auch sein Diözesanordinarius – seine Handelsmachtsphäre außerhalb der Toskana auf die unterschiedlichen Mittelmeerküsten und -inseln ausdehnt, beschäftigen sich die übrigen Bischöfe meistens mit ihrer eigenen Innenmachtausübung sowie mit der Vergrößerung ihrer Einflußsphäre unmittelbar außerhalb ihrer Diözesen. Ein sehr interessantes Beispiel der nicht rein trockenen Natur dieses Bischofsverwaltungseifers stellt der Streit um den Besitz der an der Grenze liegenden Reichsabtei Dofana in der Nähe von Montaperti zwischen Siena und Arezzo dar. In jener Abtei an der Grenze zwischen den beiden Diözesen, ist – der Überlieferung nach – der älteste Stadtpatron Sienas begraben worden: Ansanus. Doch gehört der Ort damals zur Diözese Arezzo. Kurz zusammengefaßt, die spätere Kollation der Schutzheiligen (Crescentius, Viktor und Savinus) für die Stadt Siena löst den Streit nicht auf. Die städtischen, kirchlichen, geistlichen und zivilen Kräfte streben danach, die Reichsabtei von Dofana für das Vermögen des Bistums Siena zu gewinnen.26 Dies ist für diesen früheren Zeitraum das einzige historisch greifbare Beispiel einer Untersuchung über die toskanischen Bischöfe, die nicht nur rein Verfassungsgeschichtliches beleuchtet. Vergleichbare Beispiele finden sich erst in späteren Quellen ab dem 13. Jh. wieder. Mittelalterliche religiöse Überzeugungen äußern sich häufig in ganz anderer Weise als heute. Deutlich wird ein enger Zusammenhang zwischen Struktur und Administration der Bistümer sowie deren Reformen mit dem geistig-religiösen Leben, das durch die „Verwaltung“ erst ermöglicht und gefördert wird. Zusammenfassend. Die Verwaltungstätigkeit der toskanischen Bischöfe begründet ihre Primatsrolle in der Stadt bis zum Investiturstreit, anders gesagt fast bis zur kommunalen Zeit. Das macht die Diözesanordinarien zu einem der wichtigsten Bestandteile frühstaatlicher Regionalentwicklung. Die fortschreitende kirchliche und weltliche Konkurrenz anderer städtischer Integrationskräfte (die oft genannten Domkanoniker und die vorkommunale Aristokratie) führt wahrscheinlich zu einer verbreiteten Bevorzugung der Klöster zur Erneuerung des religiösen Lebens, die die Diözesanordinarien mit der Hilfe von Großadelsfamilien verfolgt haben.
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Consolino 1991.
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Archa Verbi. Subsidia 8
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Stephen Langton und sein Bischofssitz Canterbury von Daniel Baumann I. Einleitung Stephen Langton, Erzbischof von Canterbury zwischen 1207 und 1228, hat im heutigen Stadtbild Canterburys kaum sichtbare Spuren hinterlassen. Sogar das Grabmal des Erzbischofs, der durch seine prominente Rolle bei der Entstehung der Magna Carta und ihrer Bestätigung während der Herrschaft Heinrichs III. der Verfassungsgeschichte Englands ein bedeutendes Erbe hinterlassen hat, ist in der Kathedrale von Canterbury heute nur sehr schwer zu finden.1 Dagegen sind nach seinem jüngeren Bruder Simon Langton, den er 1227 zum Archidiakon von Canterbury ernannte, zumindest zwei grammar schools in Canterbury benannt.2 Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht daher das Verhältnis Stephen Langtons zu seinem Bischofssitz Canterbury. Zunächst wird die Frage nach der Bedeutung Canterburys für Langton als Erzbischof erörtert. Es soll gezeigt werden, dass sein Amt und die damit verbundenen vielfältigen Verpflichtungen, insbesondere sein politisches Engagement, ein hohes Maß an Mobilität von ihm erforderten, Canterbury für ihn als Residenz daher nur einen geringen Stellenwert besaß. Vor diesem Hintergrund soll im zweiten Schritt die Bedeutung Langtons für Canterbury untersucht werden, also der Frage nachgegangen werden, wie und in welchem Ausmaß er als Erzbischof die Kathedralstadt prägte. Dazu soll auch kurz das Verhältnis Langtons zu den wichtigsten geistlichen Institutionen seines Bischofssitzes dargestellt werden, insbesondere seine Beziehungen zum Konvent der Kathedrale Christ Church sowie zu der benachbarten Benediktinerabtei St. Augustine. Beide Häuser gehörten zu den bedeutendsten englischen Klöstern im Mittelalter, nicht zuletzt ihretwegen zählte Canterbury zu einem der wichtigsten geistlichen Zentren Englands.3 1 2
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Wilson 1995, 458; Morris 1890, 22–23. Vincent 2010, 114. Dagegen ist nach Stephen Langton, wie Nicholas Vincent zuletzt leicht spöttisch feststellte, nur ein „gastro-pub“ in der Nähe des Ortes Dorking benannt, dort, wo der viktorianische Autor Martin Farquhar Tupper „his absurdly fictious tale“ über Langton beginnen läßt, Vincent 2010, 55–56, 114–115. Die Christ Church besaß ein Domkapitel mit monastischer Kommunität. Einige weitere Kathedralkirchen in England verfügten um 1200 über ein monastisches Kapitel, nämlich Bath, Coventry, Durham, Ely, Norwich, Rochester, Winchester und Worcester. Die Benediktinermönche beanspruchten ähnliche Rechte wie ein säkulares Domkapitel, etwa das Recht, den Bischof zu wählen, der gleichzeitig als ihr Titularabt fungierte, Crosby 2002, 36–37.
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Zunächst aber möchte ich im Rahmen einer kurzen Darstellung der Wahl Langtons zum Erzbischof von Canterbury skizzieren, welches Ansehen und welche Erwartungen mit dem Amt verbunden waren und welche Voraussetzungen für deren Erfüllung der neue Erzbischof mitbrachte. Dies bildet die Grundlage, um das Verhältnis Langtons zu seinem Bischofssitz angemessen einordnen zu können. II. Wahl Stephen Langtons zum Erzbischof von Canterbury Die Wahl Stephen Langtons zum Erzbischof von Canterbury durch eine Gesandtschaft der Christ Church in Rom im Herbst 1206 verlief nicht ohne Widerstände.4 Insbesondere der englische König Johann Ohneland (1199– 1216) lehnte die Wahl Langtons entschieden ab. In seinen Augen war ihm sein tradiertes Recht auf Mitsprache bei der Besetzung des Erzbistums verweigert worden.5 Er hatte einen langjährigen Vertrauten, den Bischof von Norwich, auf dem Erzstuhl in Canterbury installieren wollen.6 Schließlich gehörten die Erzbischöfe traditionell zu den mächtigsten Männern im englischen Königreich. Canterbury war die Mutterkirche Englands, die von dem italienischen Mönch und Missionar Augustinus im Auftrag Roms gegründet worden war.7 Der Metropolit der Provinz Canterbury galt daher als Haupt der gesamten englischen Kirche, der gegenüber seinem Rivalen aus dem Norden, dem Erzbischof von York, auch den Anspruch auf den Primat über England erhob.8 Besondere Autorität wurde dem Erzbischof zusätzlich durch die Aufgabe verliehen, die Könige von England zu krönen.9 Und schließlich zählte der Erzbischof auch zu den reichsten Baronen Englands.10 Der Erzbischof von Canterbury trat daher im königlichen Rat als Wortführer des Episkopats auf und war einer der wichtigsten Berater des Herrschers. Einige Vorgänger 4 5 6 7
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Für eine Darstellung der Konflikte um die Wahl Stephen Langtons zum Erzbischof vgl. Knowles 1938, 216–220 und Cheney 1976, 147–150. Peltzer 2005, 175; Turner 1994, 150–151. Gervasius Cantuariensis Historical works II, liv–lv. Die wichtigsten Quellen zur Mission von Augustinus in England sind die Briefe von Papst Gregor dem Großen, sowie der Bericht des englischen Chronisten Bede in seiner Geschichte der englischen Kirche aus dem 8. Jahrhundert, vgl. Gregorius Magnus Registrum epistularum libri VI, XI; Beda Venerabilis Historia Ecclesiastica I, II. Cowdrey 2003, 87–103; Gibson 1978, 116–131; Carpenter 1997, 106–112; Cheney 1967, 53–54, 64; Baumann 2009, 14–16. Dieses Vorrecht verdankten sie ihrem zu Beginn des 9. Jahrhunderts eingegangenen Bündnis mit den Königen von Wessex, denen es am Ende des 9. Jahrhunderts gelang, das angelsächsische England unter ihrer Führung zu vereinigen, Brooks 2000, 122–123; Carpenter 1997, 31–32. Insbesondere die angelsächsischen Könige von Kent, in deren Reich Augustinus mit der Missionierung Englands begonnen hatte, erwiesen sich bei der Ausstattung des Bistums mit Land und Temporalienrechten als wahre Wohltäter, Brooks 2000, 105–106. Zu den temporalia der Kirche von Canterbury vgl. Du Boulay 1966.
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Langtons in Canterbury, etwa die Erzbischöfe Lanfranc (1070–1089) und Hubert Walter (1193–1205), etablierten ein solch enges Vertrauensverhältnis zu ihrem König, dass sie als eine Art primeminister auftraten und in Abwesenheit des Herrschers die Leitung der Regierungsgeschäfte übernahmen.11 Zwar hatten die Erzbischöfe im 12. Jahrhundert Konkurrenz um den Einfluss am Königshof bekommen. So buhlten insbesondere die sogenannten curiales, gut ausgebildete soziale Aufsteiger aus dem niederen Adel, die in der zunehmend komplexer werdenden königlichen Verwaltung mehr und mehr Aufgaben übernahmen, mit ihnen um das Ohr des Königs.12 Doch der Erzbischof von Canterbury besaß dank seines Amtes weiterhin soviel Autorität und Macht, dass der König den Erzstuhl mit einem Vertrauten besetzt wissen wollte. Denn die Vergangenheit hatte auch gelehrt, dass dem König in Canterbury ein gefährlicher Gegner erwachsen konnte. Hier sei nur an das bekannteste Beispiel eines solchen königlichen Widersachers in Canterbury erinnert, an Thomas Becket (1162–1170).13 Entsprechend hartnäckig hielt König Johann an seinem Widerstand gegen die Wahl Stephen Langtons fest. Gerade mit Blick auf seine Pläne, einen weiteren, teuren Feldzug zur Rückeroberung der an seinen Erzrivalen, den französischen König, verlorenen Festlandsbesitzungen zu führen, brauchte er einen loyalen und unter den Magnaten gut vernetzten Erzbischof, der die zu erwartenden Widerstände unter den englischen Baronen gegen diesen Heerzug überwinden konnte. Aber mit Stephen Langton nahm kein Höfling des Königs auf dem Erzstuhl in Canterbury Platz, sondern ein Magister der Theologie an der Pariser Universität und einer der bekanntesten und angesehensten Gelehrten der damaligen Zeit.14 Dieser hatte, anstatt an geistlichen und weltlichen Höfen politische Erfahrungen zu sammeln, administrative Fähigkeiten zu erwerben und politische Netzwerke zu knüpfen, den Großteil seines Lebens in Pariser Schulräumen verbracht und sich zum Teil mit sehr abstrakten theologischen Fragen auseinandergesetzt.15 Wieweit konnte König Johann von einem solchen Gelehrten erwarten, die notwendige politische Unterstützung für einen ungeliebten Feldzug zu organisieren? Zumal Langton in Paris einem Kreis von Magistern angehörte, der das Ideal der vita apostolica lehrte und die Geistlichen ermahnte, als Pastoren zu dienen und den weltlichen Verlockungen, 11 12 13 14
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Cheney 1967, 87–89; Cowdrey 2003, 194; Carpenter 1997, 58. Brett 1975, 71, 90. Zu Thomas Becket sind zahlreiche Biographien und Aufsätze erschienen. Für ein Verzeichnis der Quellen und Literatur zu Becket vgl. Vollrath 2004. Eine Chronik bezeichnet ihn als „doctor nominatissimus“, Albericus Chronica, 886. Eine weitere Quelle schrieb anlässlich seines Todes, „in scientia theologica suo tempore nulli secundus“, Annales de Waverleia, 304. Für einen Überblick zu Langtons Studien- und Lehrjahre in Paris, zu seinen theologischen Schriften und zu den Forschungsarbeiten über Langton als Theologe vgl. Vincent 2010, 57–63; Baumann 2009, 33–43.
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wie Macht und Geld, zu widerstehen16, und der in einem seiner Kommentare das Bild eines idealen Prälaten beschwor, der sich durch die Predigt um seine Schafe kümmere und in seiner Lebensführung ein Vorbild sei.17 Auf der anderen Seite hatte sich Langton als Pariser Theologe auch mit weltlichen, zum Teil auch dezidiert politischen Fragen auseinandergesetzt. In seinen Kommentaren etwa hatte er Gedanken zur gerechten Königsherrschaft formuliert. Seine Vorstellung einer beschränkten, an Gesetze gebundenen Herrschaft, von einem König, der per consilium herrscht und nur eingeschränkt Abgaben erhebt, korrespondierte mit den Forderungen der mit der Herrschaft Johanns, insbesondere mit dessen exzessiver Abgabepolitik zunehmend unzufriedenen Barone nach mehr Mitsprache.18 König Johann hatte also allen Grund, der Wahl Langtons zum Erzbischof seinen assens zu verweigern. Dennoch weihte Papst Innozenz III. am 17. Juni 1207 den gewählten Erzbischof. In den darauf folgenden Monaten eskalierte der Konflikt, so dass Innozenz III. am 24. März 1208 das Interdikt über England verhängte und nach weiteren gescheiterten Friedensverhandlungen am 8. November 1209 König Johann exkommunizierte.19 Canterbury war von dem Konflikt zwischen Papst und König in besonderer Weise betroffen. Zum einen verweigerte König Johann dem Erzbischof die Einreise nach England. Langton musste ins Exil nach Frankreich, ohne zuvor seinen Bischofssitz betreten zu haben. Neben dem Erzbischof trieb König Johann auch die Mönche des Kathedralkonvents ins französische Exil.20 Das religiöse Leben in Canterbury war daher schon vor dem päpstlichen Bannspruch 1208 erheblich eingeschränkt. So berichten zwei Quellen, dass König Johann einige Mönche des benachbarten Benediktinerklosters St. Augustine in die Kathedrale von Canterbury beorderte, um dort einen reibungslosen Fortgang des religiösen Lebens zu gewährleisten.21 Die Abtei, eine Gründung des Missionars Augustinus und Grablege der Erzbischöfe von Canterbury in den ersten Jahrhunderten nach der Gründung des Bistums, hatte sich in dem Konflikt um die Wahl Langtons von Anfang an auf die Seite des Königs gestellt. Der Abt Alexander, so berichtet es der englische Chronist Thomas Sprot, war ein Jugendfreund König Johanns.22 St. Augustine erlitt daher während des In16 17 18
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John Baldwin hat in einer beeindruckenden Studie die Lehrinhalte und moralischen Zielsetzungen dieses Kreises vorgestellt, Baldwin 1970. Langton Commentary on the Book of Chronicles, 216; Lacombe/Smalley 1930, 91; Quinto 1998, 53–54. Zu dem politischen Ideenhorizont in Langtons theologischen Schriften, vor allem in seinen Kommentaren, vgl. insbesondere die Arbeiten von Baldwin 1970; Buc 1994; D’Avray 1997. Für eine Darstellung des bis ins Frühjahr 1213 währenden Konflikts zwischen König Johann und Papst Innozenz III. und seine Beilegung vgl. Cheney 1976, 147–154, 298–343. Radulphus de Coggeshall Chronicon, 163; Annales de Waverleia, 259; Annales de Dunstaplia, 30; Walter of Coventry Historical collections, 199; Gervasius Cantuariensis Historical works II, 100. Annales de S. Edmundi, 145; Rogerus de Wendover Liber II, 39. Historiae Anglicanae Scriptores, col. 1865.
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terdikts auch keine materiellen Schäden und Verluste, ganz im Gegensatz zum Erzbischof und dem Kathedralkonvent Christ Church. Die Temporalien der Kirche von Canterbury wurden von Männern des Königs eingezogen, um diese in den Jahren des Interdikts rücksichtslos auszubeuten.23 III. Stephen Langton und die Magna Carta Zu Beginn des Jahres 1213 musste König Johann in dem Konflikt mit Innozenz III. schließlich einlenken und Langton als Erzbischof von Canterbury akzeptieren. Durch sein Zugeständnis, den Papst als Lehnsherrn seiner Königreiche England und Irland anzuerkennen, gewann er mit Innozenz III. einen mächtigen Verbündeten für zukünftige Konflikte.24 Im Juli 1213 landete Stephen Langton nach über fünf langen Jahren im Exil in Dover. Erstaunlicherweise ist in den Monaten darauf aber kein Aufenthalt des Erzbischofs in Canterbury überliefert. Die Quellen vermitteln den Eindruck, als sei Langton nach seiner Ankunft in England zugleich an den Hof des Königs gereist, um sich dem aus seiner Sicht dringlichsten Problem zu widmen, der konkreten Umsetzung der zwischen Johann und dem Papst getroffenen Friedensvereinbarung.25 Dabei stand insbesondere die Frage nach der Höhe der vom König für die während des Interdikts erlittenen Verluste an die Kirche zu zahlenden Reparationsleistungen im Mittelpunkt, schließlich war die Aufhebung des Interdikts an eine solche Wiedergutmachungsleistung gebunden worden.26 Daneben war die Besetzung der zahlreichen vakanten Bistümer die zweite große Herausforderung für den Metropoliten. Als Teil der Pariser Reformbewegung, bestärkt durch sein eigenes Schicksal, trat Langton für freie kanonische Wahlen ein und unterstützte dabei an Schulen und Universitäten ausgebildete Kandidaten gegen die Höflinge Johanns.27 Entsprechend zahlreich sind im ersten halben Jahr nach seiner Rückkehr die in den Quellen überlieferten Treffen Langtons mit dem König beziehungsweise mit dessen Gesandten zu Verhandlungen über die Umsetzung des Friedensvertrages sowie Zusammenkünfte mit seinen Suffraganen, um die Positionen der Kirche gegenüber Johann in den Fragen der Bistumsbesetzung 23
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Baumann 2009, 425–426. Speziell zu den Schäden, welche der Konvent der Christ Church während des Interdikts an seinen Besitzungen in Canterbury erlitten hat, vgl. Urry 1967, 37–38. Cheney 1976, 335. So datieren zwei Chronisten die Ankunft Langtons in Dover auf den 9. beziehungsweise 16. Juli, Gervasius Cantuariensis Historical works II, 108; Rogerus de Wendover Liber II, 80. Aber schon für den 18. Juli ist seine Anwesenheit am Hof des Königs überliefert, Rotuli Chartarum, 193. Cheney 1976, 348. Für eine Darstellung der Konflikte um die Höhe der Reparationsleistungen und die Kirchenwahlen 1213 und 1214 vgl. Cheney 1976, 159–167, 343–355; Baumann 2009, 115–129.
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und der Reparationsleistungen abzustimmen.28 Auf Grund der fehlenden Unterstützung des Papstes hatten der Erzbischof und die mit ihm verbündeten Bischöfe nur mäßigen Erfolg. Sie mussten sich am Ende mit einer erheblich geringeren Reparationssumme als erhofft zufrieden geben.29 Zudem gelang es König Johann mit Unterstützung des päpstlichen Legaten Nicholas von Tusculum, die meisten seiner Kandidaten bei den Bischofswahlen in den Jahren 1213 und 1214 durchzusetzen.30 Überlagert wurden diese Konflikte von der sich verschärfenden Auseinandersetzung zwischen König Johann und den oppositionellen Baronen. Viel ist in der historischen Forschung zuletzt über die Rolle Stephen Langtons in diesem Konflikt, der in der Ausstellung der Magna Carta mündete, diskutiert worden. Während David Carpenter jüngst in der Tradition von James C. Holt die Rolle Langtons im Wesentlichen auf die eines Mediators reduziert, der auf den Inhalt der Großen Urkunde nur geringen Einfluss nahm, billigen dagegen John Baldwin, Martin Kaufhold und Nicholas Vincent dem Erzbischof einen größeren Anteil am Entstehungsprozess der Magna Carta zu.31 Unbestritten bleibt, dass Langton schon bald nach seiner Rückkehr die Autorität und Macht seines Amtes nutzte, um für den Frieden in England einzutreten. So intervenierte der Erzbischof schon im September 1213 beim König, um eine königliche Strafexpedition gegen einige Barone aus dem Norden zu verhindern, die eine Beteiligung am geplanten Heereszug nach Poitou verweigerten.32 Nach der Niederlage der Verbündeten Johanns bei Bouvines 1214 spitzte sich der Konflikt mit den Baronen Anfang des Jahres 1215 erneut zu. In den folgenden Monaten war Langton nun fast ausschließlich mit der Vermittlung eines Friedens zwischen den verfeindeten Lagern beschäftigt, nachdem
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Rogerus de Wendover Liber II, 94–97, Annales de Dunstaplia, 38–39, Annales de Waverleia, 278, Chronicle of the election, 22. Die vereinbarte Summe von 10.000 Mark hat König Johann zudem vermutlich nicht vollständig ausgezahlt, Cheney 1976, 351–353. Nur der geplanten Besetzung des Erzbistums York mit dem Justiziar und königlichen Vertrauten Peter des Roches versagte Papst Innozenz III. seine Zustimmung, Vincent 1996a, 97–98; Cheney 1976, 162–165. Carpenter 2011; Holt 1992; Baldwin 2008; Vincent 2010, 93–97. Martin Kaufhold betont insbesondere die Verantwortung Langtons für die schriftliche Fixierung der baronialen Forderungen und für die Überlieferung des Textes der Magna Carta von 1215, Kaufhold 2008, 67–93. In Anlehnung daran habe ich zuletzt versucht, die Sicht auf die Rolle Langtons in dem Konflikt zwischen König Johann und den Baronen um eine Perspektive zu erweitern und habe argumentiert, dass der Erzbischof, bevor er im Frühjahr 1215 als Vermittler zwischen den verfeindeten Parteien auftrat, 1213 und 1214 als Fürsprecher der Barone agierte, um deren Forderungen gegenüber dem König zu vertreten und ihnen dabei behilflich zu sein, ihre bis dato mündlich formulierten, individuellen Ansprüche, Forderungen und Klagen zu einem schriftlichen Programm zu bündeln, das man König Johann vorlegen konnte, Baumann 2009, 129–140, 149–189. Rogerus de Wendover Liber II, 83; Radulphus de Coggeshall Chronicon, 167; Walter of Coventry Historical collections, 212.
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König Johann ihn zu seinem Verhandlungsführer ernannt hatte.33 Doch seine zahlreichen Vermittlungsinitiativen blieben zunächst ohne Erfolg, weil Johann sich jedem echten Kompromiss verweigerte. Dabei konnte er sich auf die Unterstützung von Papst Innozenz III. verlassen, der damit die Vermittlerrolle des Erzbischofs erheblich schwächte.34 Erst der Verlust Londons im Mai 1215 an die Barone zwang König Johann zu echten Zugeständnissen, so dass es Langton im Juni in Runnymede schließlich gelang, beide Seite auf die Magna Carta zu verpflichten.35 Doch der Frieden sollte nur von kurzer Dauer sein. Johann hatte die Verhandlungen nach dem Verlust Londons nur als Atempause betrachtet, die es ihm erlaubte, für den Kampf gegen die Barone neue Kräfte zu sammeln. Die Barone, die eben ein solches taktisches Vorgehen des Königs befürchteten, hatten deshalb die berühmte Sicherheitsklausel in der Magna Carta installiert, die es ihnen erlaubte, ihren König legal zu bekriegen.36 Sie lieferten damit aber auch Johann die besten Argumente, um sich vom Papst vom Eid auf die Urkunde lösen zu lassen. Langtons zunehmend verzweifeltes Bemühen im August 1213, den Frieden aufrecht zu erhalten, scheiterten schon daran, die verfeindeten Parteien an den Verhandlungstisch zurückzuführen. Der Erzbischof hielt bis zuletzt an seiner neutralen Position als Vermittler fest und verweigerte sich Forderungen beider Seiten, die ihn als neutralen Vermittler diskreditiert hätten. Am 5. September schließlich suspendierten ihn vom Papst eingesetzte Kommissare, nachdem er sich geweigert hatte, die Rebellen mit einem Kirchenbann zu belegen. Ende September 1215 machte er sich geschlagen auf den Weg nach Rom.37 Der Konflikt und das Bemühen um den Erhalt des Friedens in England hatten 1215 fast die gesamte Aufmerksamkeit Langtons absorbiert. Als Verhandlungsführer Johanns hatte er regelmäßig zwischen dem Lager des Königs und dem der opponierenden Barone pendeln müssen. Für seine vielfältigen anderen Verpflichtungen als Metropolit und Bischof blieb daher nur wenig Zeit. Er nutzte aber die regelmäßigen Zusammenkünfte weltlicher und kirchlicher Magnaten im Frühjahr 1215, um auch kirchliche Angelegenheiten zu verhandeln. Anfang April etwa versammelte König Johann die Großen des Reiches in Oxford, um über „quibusdam arduis regni“ zu diskutieren.38 Vermutlich veranstaltete der Erzbischof parallel zu dieser königlichen Ratsversammlung ein Provinzkonzil in der Abtei Osney, die vor den Toren der 33
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Zuvor hatte sich König Johann nach den Konflikten um die Aufhebung des Interdikts und die Bischofswahlen um einen Ausgleich mit dem Erzbischof bemüht und diesem einige Zugeständnisse gemacht. So sicherte er in einer Urkunde vom 21. November 1214 allen Domkapiteln und Klöstern das Recht der freien kanonischen Wahl zu, Powicke/ Cheney 1964, 40–41; Cheney 1976, 363; Baumann 2009, 151–158. Baumann 2009, 166–170. Zu dem Verhandlungsmarathon im Mai und Juni 1213 vgl. Holt 1992, 242–260; Cheney 1982, 324–334. Holt 1992, 349–350, Cheney 1976, 376–377. Warren 1997, 245; Holt 1992, 372–373; Baumann 2009, 180–189. Chronicle of the election, 164.
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Stadt Oxford lag.39 Schon Mitte Februar 1215 hatte sich Langton im Auftrag des Königs mit opponierenden Baronen in Oxford getroffen und bei dieser Gelegenheit den Bischofelekt von Rochester, Benedikt von Sawston, in dem erwähnten Kloster Osney geweiht.40 Insbesondere die Konsekration des gewählten Bischofs von Rochester macht deutlich, dass sein friedenspolitisches Engagement es im Frühjahr 1215 nicht zuließ, sich auch nur für kürzere Zeit nach Canterbury zurückzuziehen. Denn die Mönche der Christ Church betrachteten es als eines ihrer Privilegien, dass die Weihe der Suffragane in ihrer Kathedrale stattzufinden habe.41 Doch der Bischofssitz lag im Frühjahr 1215 abseits des politischen Geschehens, eine Reise nach Canterbury hätte zuviel Zeit erfordert, als dass Langton auf den Anspruch seines Kathedralkonvents hätte Rücksicht nehmen können. Auch in der kurzen Ruhepause nach den erfolgreichen Verhandlungen in Runnymede zog sich der Erzbischof nicht bis nach Canterbury zurück, sondern erholte sich auf seinen näher gelegenen Gütern in Südengland. Gänzlich zur Ruhe kam er aber auch dort nicht. Er musste sich seinen vernachlässigten Pflichten als Metropolit und Bischof widmen.42 Es ist daher wahrscheinlich auch kein Zufall, dass die zwei Bischofsweihen, die in Canterbury stattfanden, für das Jahr 1214 überliefert sind, als Langton weitaus seltener politisch in Erscheinung trat.43 Vermutlich hat der Erzbischof auch in diesem Jahr seine Statuten für das Bistum Canterbury veröffentlicht.44 Er könnte die politisch ruhigeren Monate dazu genutzt haben, sich nach den Verheerungen des Interdikts um eine Erneuerung der spiritualia in seinem Erzbistum zu kümmern. Von diesem Bemühen um die Reform des kirchlichen Lebens und die correctio des Klerus profitierte natürlich auch Canterbury mit seinen vielen Pfarrkirchen.45 Der Besuch Canterburys anlässlich der Konsekration der gewählten Bischöfe von Worcester und Exeter bleibt aber der einzige überlieferte Aufenthalt Langtons in seiner Kathedralstadt in den zwei Jahren zwischen seiner Rückkehr aus dem Exil 1213 und seiner Suspendierung 1215. Natürlich ist anzunehmen, dass sich der Erzbischof noch weitaus häufiger in Canterbury aufhielt, vermutlich auch schon bald nach seiner Rückkehr 1213, auch wenn es dazu in den Quellen keine Belege gibt. Dennoch, seine weltlichen wie kirchlichen Verpflichtungen, zunächst sein Kampf als Haupt der englischen Kirche um angemessene Reparationsleistungen und für freie Kirchenwahlen, ab 1215 39 40 41 42 43 44
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Walter of Coventry Historical collections, 220; Baumann 2009, 161–163. Rotuli litterarum patentium, 129; Acta Stephani, Nr. 12, 21–22; Gervasius Cantuariensis Historical works II, 109; Baumann 2009, 160–161. Churchill 1933, 273–274; Cazel 1964, 680–681. Acta Stephani, Nr. 18–20, 25–28. Stubbs 1897, 54–56. Cheney datiert deren Veröffentlichung auf einen Zeitraum zwischen Langtons Rückkehr aus dem Exil im Juli 1213 und der Aufhebung des Interdikts im Juni 1214, Powicke/ Cheney 1964, 23–24. Baumann 2009, 141–143. Für eine Auflistung der Pfarrkirchen, die um 1200 in Canterbury existierten, vgl. Urry 1967, 37–38.
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dann in erster Linie sein Engagement für den Frieden und die Magna Carta zwangen ihn zu einer ausgedehnten Reisetätigkeit durch England. Canterbury bekam seinen Erzbischof daher auch nach dessen Rückkehr aus dem fünf Jahre währenden Exil nur selten zu Gesicht. IV. Die translatio Beckets Im Mai 1218 kehrte Langton als Erzbischof von Canterbury zurück nach England. Vermutlich hatte Papst Innozenz III. schon Ende des Jahres 1215 die Suspendierung Langtons aufgehoben, aber erst 1218 hatten sich die politischen Rahmenbedingungen in England soweit geändert, dass ihm eine Rückkehr sinnvoll erschien.46 König Johann, mit dem er nach dem Scheitern der Magna Carta im Sommer 1215 in Unfrieden auseinandergegangen war, war im Oktober 1216 gestorben.47 Für den noch minderjährigen Sohn Johanns, Heinrich III. (1216–1272), hatten die moderaten Kräfte aus dem Lager des Königs unter der Leitung von William Marshall die Regentschaft übernommen und 1216 sowie 1217, nach Beendigung des Bürgerkriegs, die Ausstellung einer revidierten, weniger radikalen Fassung der Magna Carta von 1215 veranlasst.48 Mit eben diesen Kräften, insbesondere mit William Marschall, hatte Langton schon 1215 gut zusammengearbeitet.49 Doch Langton übernahm nach seiner Rückkehr 1218 nicht sogleich wieder eine Hauptrolle in der englischen Politik. Seine Autorität, insbesondere innerhalb des englischen Episkopats, hatte durch seine Suspendierung und die lange Abwesenheit erheblich gelitten. Papst Innozenz III. hatte 1216 nach dem Tod König Johanns einen Legaten nach England mit dem Auftrag gesandt, den Frieden wiederherzustellen und die Autorität des neuen, noch minderjährigen Königs zu stärken. Der Legat hatte entsprechend die Führung und Neuordnung der englischen Kirche übernommen.50 Langtons Autorität als Erzbischof aber litt nicht nur durch die Unterordnung unter den Legaten, er sah sich zudem innerhalb des Episkopats mächtigen Bischöfen gegenüber, die König Johann und seinem Sohn in den vergangenen Jahren treu gedient hatten, allen voran Peter des Roches, der Bischof von Winchester (1205–1238), der zum Tutor des minderjährigen Königs ernannt worden war und über beste Beziehungen zum Legaten verfügte.51 46 47 48 49 50 51
Cheney 1976, 389–390; Baumann 2009, 197–198. Warren 1997, 254–255. Die maßgebliche Studie zur Minderjährigkeit Heinrichs III. stammt von David Carpenter, Carpenter 1990. Mit William Marshall zusammen führte Langton als Gesandter des Königs die Verhandlungen mit den rebellierenden Baronen im Frühjahr 1215, Baumann 2009, 159–171. Eine kurze Biographie des Kardinals und Legaten Guala Bicchieri hat Nicolas Vincent in seiner Edition der Briefe Gualas verfasst, Vincent 1996b, xli. Vincent 1996a, 165–171.
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Langton musste daher seine Autorität innerhalb der englischen Kirche erst zurückgewinnen. Ein erster Schritt war die Krönung Heinrichs III. durch den Erzbischof am 17. Mai 1220 in Westminster.52 Der junge König war bereits während des Bürgerkriegs durch den Legaten in Glastonbury gekrönt worden. Angesichts der Bedrohung seiner Herrschaft durch den französischen Kronprinzen Ludwig, der im Bündnis mit den rebellierenden Baronen in England um die englische Krone kämpfte, hatte das königliche Lager auf die tradierten Rechte der Kirche von Canterbury und Westminster keine Rücksicht nehmen können.53 Im Mai 1220 aber erhielt Langton durch die Krönung des Königs die Gelegenheit, seine traditionelle Vorrangstellung innerhalb der englischen Kirche zu demonstrieren. Noch bedeutender auf dem Weg zurück zu altem Ansehen war die translatio Beckets am 7. Juli 1220. Immer wieder hatte die feierliche Überführung der Gebeine des Heiligen in seine Grabstätte nach seiner Kanonisierung 1173 auf Grund einer Reihe von Unglücksfällen verschoben werden müssen.54 Seit wann Langton nach seinem Amtsantritt die translatio plante, ist nicht bekannt. Möglicherweise aber hatte er in Rom den Entschluss gefasst, sah den richtigen Zeitpunkt für die Feier gekommen, nachdem England nach den Verwerfungen unter König Johann nach Frieden und Stabilität suchte.55 Entsprechend plante Langton die translatio Beckets 50 Jahre nach dessen Martyrium als ein christliches Jubeljahr zu begehen, als ein Fest der Vergebung und Versöhnung.56 Langton inszenierte die translatio seines berühmten Vorgängers mit großem Pomp. Schon im Vorfeld der Feier hatte er keine Ausgaben gescheut. So muss die Gestaltung des neuen, mit Gold und Edelsteinen verzierten Schreins immense Kosten verursacht haben.57 Auch die Vollendung des neuen großen Saales im erzbischöflichen Palast, in dem die Pilger verköstigt wurden, wird die Finanzen des Erzbischofs erheblich belastet haben.58 Beeindruckend sind auch die Schilderungen von Henry von Avranches, der als Mitglied der königlichen Entourage an den Festivitäten teilnahm, über das Festbankett der hohen Herren am Tag der translatio.59 Aber auch der einfache Pilger kam in den Genuss der Großzügigkeit Langtons. So hatte der Erzbischof für die Versorgung der vielen Pilger und ihrer Tiere auf all seinen Ländereien von 52 53 54 55 56 57 58 59
Carpenter 1990, 162, 187–188. Vincent 1996b, Nr. 36, 28–29. Bolton 2001, 158–159; Slocum 2004, 240–242; Duggan 1982, 38. Foreville 1958, 7; Eales 1993, 130. Duggan 1982, 39. Die theologischen Hintergründe bei der Konzeption des Jubeljahres erläutert Kay Slocum, Slocum 2004, 244–245. Matthaeus Parisiensis Historia Anglorum, 242; Annales de Waverleia, 293; Vincent 2002, 142–143, 152–153 Tatton-Brown 1982, 112, 117. Henricus Abrincensis Poems, 68–69, 76–78. Die Identifizierung Henrys von Avranches als Autor des Gedichts über die translatio wurde in den letzten Jahren in Zweifel gezogen, unbestritten aber bleibt, dass es sich bei dem Gedicht um eine zeitgenössische Quelle handelt, Townsend/Rigg 1987, 360
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London bis nach Canterbury gesorgt und in den Straßen der Stadt freien Wein für alle zur Verfügung gestellt.60 Den nötigen Glanz verliehen der Feier die zahlreichen Magnaten, die aus ganz England, aber auch vom Kontinent nach Canterbury gereist waren. An erster Stelle zu nennen ist natürlich der junge König, Heinrich III., der vom Justiziar Hubert de Burgh begleitet wurde. Aber auch der Legat und fast der gesamte englische Episkopat waren nach Canterbury gekommen, um der translatio beizuwohnen. 61 Es war eine würdige Feier für den vermutlich populärsten Heiligen Englands. Die Aufwendungen und Anstrengungen Langtons finden dementsprechend Würdigung in den Erzählungen der zeitgenössischen Chronisten.62 Die immensen Kosten, welche das wahrscheinlich größte Kirchenfest im England des 13. Jahrhunderts verursachte, waren in den Augen des Erzbischofs vermutlich gut investiert.63 Er hatte der Welt die herausgehobene Stellung, die Würde und Größe der Kirche Canterburys und ihres Oberhauptes demonstriert. Durch die prunkvolle Feier der translatio sollten seine zwischenzeitliche Suspendierung und der daraus resultierende Autoritätsverlust in Vergessenheit geraten. Die englische Kirche, so lautete die Botschaft, bedurfte nicht mehr der unmittelbaren Kontrolle des Papstes, sie stand geordnet und geeint hinter dem Erzbischof von Canterbury. Der Papst konnte seinen Legaten aus England wieder abziehen.64 Das eigentliche Vermächtnis Langtons für seinen Bischofssitz Canterbury bestand aber nicht aus der Feier der translatio im Jahr 1220, ebenso wenig in dem prunkvollen Schrein oder dem neuen Saal des erzbischöflichen Palastes. Sein wichtigstes Erbe war die Verankerung des 7. Juli als Tag der Translation in den Festtagskalender, der nun neben dem 29. Dezember als zweiter Heiligenfesttag Beckets jedes Jahr in weiten Teilen Englands und Europas gefeiert wurde. Und auch das christliche Jubeljahr für den Märtyrer hatte Bestand und wurde bis 1470 alle fünfzig Jahre begangen.65 Die Verehrung Beckets hatte sich schon bald nach seinem Martyrium und der schon drei Jahre später erfolgten Heiligsprechung in der gesamten Christenheit ausgebreitet. Sein Grab in der Krypta der Kathedrale hatte daher schon vor 1220 Heerscharen von Pilgern aus ganz Europa nach Canterbury gelockt.66 Die Erinnerung an diese in England einzigartige Feier der translatio zusammen mit der Etablierung eines
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Ranulphus Hidgen Polychronicon, 200; Annales de Waverleia, 293; Henricus Knighton Chronicon, 210. Reames 2000a, 585–586. Walter of Coventry Historical collections, 246. Welche finanziellen Belastungen die translatio verursachte, verdeutlichen die Aussagen einiger Chronisten, wonach noch der vierte Nachfolger von Langton in Canterbury, Erzbischof Bonifaz von Savoyen, die Schulden tilgen musste, die sein Vorgänger für das verschwenderische Fest aufgenommen hatte, Henricus Knighton Chronicon, 210; Ranulphus Hidgen Polychronicon, 200; Thomas de Burton Chronica, 406. Baumann 2009, 263. Slocum 2004, 242. Slocum 2004, 98–126; Duggan 1982, 22–30.
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zweiten Heiligenfesttages hat zur dauernden Anziehungskraft Canterburys als Pilgerstätte beigetragen.67 Daneben verband Langton die translatio Beckets mit einer spezifischen Botschaft, welcher der Verehrung des Märtyrers im folgenden Jahrhundert eine neue Dimension verlieh. Der Feier des neuen Heiligenfesttages verdanken wir zwei Textfragmente, die uns einen Eindruck davon vermitteln, welches Bild Langton anlässlich der translatio von Becket entwarf.68 An dieser Stelle sei nur die zentrale Botschaft Langtons wiederholt, welche in beiden Texten zum Ausdruck kommt. So verknüpfte der Erzbischof das Thema des christlichen Jubeljahres, also den Gedanken der Reue und Vergebung, mit der Person Beckets. Aber nicht den Kämpfer für die Kirche, nicht die Auseinandersetzung zwischen weltlicher und kirchlicher Macht thematisierte er, sondern er konzentrierte sich auf den Heiligen Becket, den Märtyrer des gesamten englischen Volkes, durch dessen translatio jeder die Vergebung der Sünden und ewige Erlösung erfahren könne.69 In dem erwähnten liturgischen Text ergeht entsprechend programmatisch an das ganze, wie es heißt, auserwählte englische Volk der Aufruf zur Freude angesichts des Martyriums Beckets. In der Übersetzung von Sherry Reames heißt es: „Therefore let everyone rejoice together who has been found worthy to take part in such a translation. Let all the English people exult in the Lord, since the heavenly King particularly distinguished this people above others when He forechose from it a man without a spot, in order to make one of the English, set among the angels, an intercessor for the people’s salvation.”70. Eben dieser neue, inklusive Charakter der Becket-Verehrung, der die Patronage des Heiligen auf das ganze Reich ausdehnte, trug wesentlich zur fortwährenden Popularität des Heiligen im 13. Jahrhundert bei.71 Im Juli 1220 aber verhalf die translatio Langton zu neuem Ansehen als überparteilicher Vermittler. Und so wandte sich der Erzbischof, nachdem er nach dem Abzug des Legaten aus England 1221 die Führung der ecclesia Anglicana wieder übernommen hatte, bald wieder der nationalen politischen Bühne zu. Zunächst war er darum bemüht, einen Ausgleich zwischen den verfeindeten Lagern zu vermitteln, die seit dem Ende des Bürgerkriegs zunehmend schärfer um Einfluss und Patronage am Königshof kämpften. Auf der einen Seite 67
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Welche Massen insbesondere zu den Festtagen in den folgenden Jahrhunderten nach Canterbury pilgerten, verdeutlicht die Einschätzung von Ben Nilson, dem zufolge zeitgenössische Berichte, wonach etwa zum christlichen Jubeljahr für den Heiligen Becket 1420 über 100.000 Pilger nach Canterbury reisten, vermutlich keine maßlosen Übertreibungen sind, Nilson 1998, 113–115. Eine ausführliche und kenntnisreiche Analyse des Predigtfragments hat Phyllis Roberts vorgelegt, Roberts 1989. Für das zweite Textfragment, ein liturgischer Text für das officium, welches ab 1221 anlässlich der translatio jährlich gefeiert wurde, haben dies unter anderem Sherry Reames, Kay Slocum und Anne Duggan übernommen, Reames 2005; Slocum 2004; Duggan 1982. Roberts 1989, 80–82; Reames 2005, 146–146; Reames 2000b, 27–33. Reames 2000a, 586 Eales 1993, 138; Reames 2005, 145–146.
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hatten sich um den Bischof von Winchester, Peter des Roches, die ehemals treuesten Anhänger König Johanns gruppiert, darunter viele sogenannte aliens, also ursprünglich aus Frankreich stammende Barone. Auf der anderen Seite hatte der Justiziar Hubert de Burgh sich mit den Earls von Salisbury und Pembroke verbündet, denen sich weitere ehemalige oppositionelle Barone anschlossen. Ende 1223 spitzte sich der Konflikt zu und England drohte eine erneute bewaffnete Auseinandersetzung. Im Gegensatz zu 1215 entschied sich Langton seine neutrale Haltung aufzugeben, die ihm 1215 vorübergehend sein Amt gekostet hatte, und schloss sich dem Lager Hubert de Burghs an. Gemeinsam gelang es dem Erzbischof und Justiziar, den Konflikt zu befrieden. Allein die Rebellion Fawkes de Breautes, eines ehemaligen Günstlings König Johanns, wurde 1224 mit Waffengewalt niedergeschlagen. Damit hatten sie die letzte große Herausforderung für die Herrschaft des jungen Königs Heinrich III. erfolgreich gemeistert.72 Ein weiterer Erfolg Langtons auf der politischen Bühne war die erneute königliche Bestätigung der Magna Carta 1225. Während der minderjährige König Heinrich III. die Urkunde 1217 noch auf Grund des Rates der Großen des Reiches ausgestellt hatte, betonte die Magna Carta von 1225, dass der König die Urkunde spontanea et bona voluntate gewährt habe.73 Die neue Präambel war die wesentliche Neuerung gegenüber der Version von 1217. Die Magna Carta hatte damit ihre endgültige Form erhalten. Alle späteren Neuveröffentlichungen waren Bestätigungen der Urkunde in der Fassung von 1225. Die Magna Carta hatte damit aber auch endgültig ihren revolutionären Charakter von 1215 verloren. Die radikalen Elemente, wie der berühmte Artikel 61, der die Kontrolle des Königs durch einen Ausschuss von 25 Baronen institutionalisiert hatte, wurden 1225 nicht wieder in die Urkunde aufgenommen. Dennoch blieb die Magna Carta als Ganzes eine Einschränkung der Königsmacht. Die Ausübung der Königsherrschaft war seit 1215 unwiderruflich an schriftliches Recht gebunden.74 Die Magna Carta entsprach in ihrer moderateren Version von 1225 auch eher den Vorstellungen Langtons, der in Runnymede vermutlich nur mit Widerwillen Artikel 61 in die Urkunde aufgenommen hatte.75 Entsprechend verliehen der Erzbischof und seine Suffragane ihr zusätzlich Autorität, indem sie jeden feierlich mit der Exkommunikation belegten, der sich gegen sie wendete.76 Die Nachfolger Langtons in Canterbury sollten seinem Beispiel folgen und einen kritischen Umgang mit der Krone pflegen. Sie setzten sich mit ihrer Autorität für die Bewahrung und Achtung der Magna Carta ein und 72
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Für eine Darstellung der Rivalität der beiden Lager um Peter des Roches und Hubert de Burgh sowie der Rebellion Fawkes de Breautes vgl. Carpenter 1990, 319–375 und Vincent 1996a, 184–228. Für eine stärkere Fokussierung auf die Rolle Langtons in diesen Konflikten vgl. Baumann 2009, 281–360. Holt 1992, 501–502. Holt 1992, 501–502; Turner 2003, 86–87; Stacey 1987, 5. Baumann 2009, 182–183. Powicke/Cheney 1964, 205–207.
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trugen somit dazu bei, dass der Gedanke der beschränkten Königsherrschaft fortlebte.77 Die Bestätigung der Magna Carta 1225 durch Heinrich III. könnte Langton als Abschluss seines Lebenswerks betrachtet haben. Danach zog er sich allmählich von der politischen Bühne Englands zurück. Sein letzter Auftritt am Hof des Königs ist für die Jahreswende 1226/1227 überliefert. Ein Grund war vermutlich sein hohes Alter und die damit verbundenen Gebrechen, die eine ausgedehnte Reisetätigkeit nicht mehr uneingeschränkt zuließen.78 Doch auch in den Jahren zwischen 1225 und seinem Tod 1228 ist Langtons Anwesenheit in Canterbury nur zu einer Gelegenheit überliefert.79 Die Quellen vermitteln den Eindruck, als habe der Erzbischof seinen Lebensabend vornehmlich auf seinen Gütern in Südengland verbracht, um dort noch gelegentlich als Bischof Hof zu halten.80 Wie schon in den zwei Jahren vor seiner Suspendierung 1215 hat Langton Canterbury auch in den Jahren nach seiner Rückkehr 1218 auf Grund seiner vielfältigen Verpflichtungen nur äußerst selten besucht. Vermutlich hielt er sich in seiner Bischofsstadt noch am häufigsten in den Jahren vor seiner Rückkehr auf die große politische Bühne Englands auf, etwa 1220 zur Vorbereitung der translatio Beckets, auch wenn ein solcher Aufenthalt in den Quellen nicht überliefert ist. Denkbar ist auch, dass Langton in Canterbury an den Statuten für seine Provinz arbeitete, die er 1222 auf dem Konzil in Oxford veröffentlichte. Die Konstitutionen gehören sicherlich zu den bedeutendsten Statuten der englischen Kirche im Mittelalter und wurden in den folgenden Jahrhunderten häufig rezipiert.81 Langton und die Gelehrten seines Hofes könnten für ihre Ausarbeitung die bedeutende Bibliothek des Kathedralkonvents in Canterbury genutzt haben.82 Selbst zur Christ Church, wie zu den anderen geistlichen Institutionen seiner Bischofsstadt, deren Beziehungen zum Erzbischof nun im abschließenden Kapitel in aller Kürze behandelt werden soll, aber trat Langton zumeist nicht in Canterbury in Kontakt, sondern empfing deren Abgesandte auf seinen Reisen durch England. Seine Auseinandersetzung mit der Abtei St. Augustine führte er sogar größtenteils in Rom vor dem Papst.
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D’Avray 1997, 433–434; Holt 1992, 396; Powicke/Cheney 1964, 205–207; Turner 2003, 93; Kaufhold 2004, 50–51. Cazel 1964, 685, 694; Baumann 2009, 386. Cazel vermutet, Heinrich III. habe 1227 und 1228 seinen Hof mehrmals nach Canterbury verlegt, um in wichtigen politischen Fragen den Rat des Erzbischofs zu suchen. Die Anwesenheit Langtons am Hof des Königs in Canterbury ist aber in den Quellen nicht belegt, Cazel 1964, 683–685. Acta Stephani, Nr. 84, p. 103, Nr. 100, 117–119, Nr. 135, p. 150. Vincent 2010, 104–105; Cheney 1935, 389–390. Für einen Überblick über die Geschichte der Bibliothek und des Archivs des Kathedralkonvents vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert vgl. Ramsay 1995, 341–407.
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IV. Stephen Langton und die geistlichen Häuser in Canterbury Der Erzbischof von Canterbury stand dem Kathedralkloster zu Beginn des 13. Jahrhunderts nur mehr nominell als Abt vor. Während noch Ende des 11. Jahrhunderts die Erzbischöfe de iure und de facto als Äbte auftraten, übernahm im Laufe des 12. Jahrhunderts sukzessive der Prior die Aufgaben und Pflichten eines Abtes gegenüber dem Konvent. Der Prior blieb jedoch dem Erzbischof gegenüber verantwortlich und auch die Mönche waren weiterhin direkt seiner Autorität unterworfen.83 Doch die Mönche strebten nach mehr Unabhängigkeit von der direkten Aufsicht und Kontrolle ihres Titularabtes. Eine Folge, zugleich auch eine der wichtigstes Ursachen dieses Emanzipationsstrebens eines der reichsten Klöster in England war die Etablierung einer eigenen mensa, der mensa capitularis, die getrennt von der mensa episcopalis, ab der Mitte des 12. Jahrhunderts von den Mönchen eigenständig verwaltet wurde.84 Dieses Streben nach mehr Unabhängigkeit traf natürlich auf den Widerstand des Erzbischofs, der um seine traditionellen Rechte als Abt fürchtete. Die Folge waren zum Teil schwere Auseinandersetzungen im 12. und 13. Jahrhundert zwischen Titularabt und Kathedralkonvent.85 Langton dagegen gelang es, während seiner Amtszeit ein zumindest stabiles, zumeist sogar friedvolles Verhältnis zu den Mönchen seiner Kathedrale zu etablieren.86 Der wichtigste Grund dafür war vermutlich der Verzicht Langtons, das Vorhaben seiner beiden direkten Vorgänger in Canterbury, nämlich die Errichtung eines Kollegiatsstifts, weiter zu verfolgen. Hinter den Plänen der Erzbischöfe Baldwin (1184–1190) und Hubert Walter stand die Überlegung, verdiente Kleriker am erzbischöflichen Hof mit Pfründen versorgen zu können. Die Mönche der Christ Church aber verstanden diese Pläne als direkten Angriff auf den Status ihrer Kirche als Kathedralkirche und fürchteten 83 84 85 86
Smith 1969, 4; Bennett 1958, 76; Crosby 2002, 91–93. Crosby 2002, 3, 67–73. Crosby 2002, 78–85. Vincent dagegen glaubt, Langtons Verhältnis zu den Mönchen sei von Anfang an belastest gewesen. So sei von Langton bekannt, dass dieser sich kritisch gegenüber Domkapiteln mit monastischer Kommunität geäußert habe. Diese Vorbehalte seien auch in seine Politik gegenüber dem Kathedralkonvent der Christ Church eingeflossen. Entsprechend hätten die Mönche nur in sehr begrenztem Ausmaß die Patronage Langtons genossen. Der Erzbischof habe zudem während seiner gesamten Amtszeit konsequent den Rechtsanspruch des Kapitels ignoriert, Bischofsweihen und Ordinationen allein in Canterbury durchzuführen, Vincent 2010, 79. Dem ist entgegen zuhalten, dass letzterem, wie erwähnt, zumeist ganz praktische Zwänge zugrunde lagen, darin also nicht unbedingt ein Wille Langtons zu sehen ist, diesen Rechtsanspruch der Mönche generell zu verneinen. Zudem berichten die Quellen nur von einem offen ausgetragenen Konflikt zwischen Langton und dem Konvent, der, wie ich weiter unten darlegen werde, schon nach kurzer Zeit beigelegt wurde. Gerade im Vergleich zu den in den Quellen überlieferten, erbitterten Auseinandersetzungen seiner Vorgänger und Nachfolger mit ihrem Domkapitel erscheint Langtons Verhältnis zu den Mönchen, wenn nicht gerade einträchtig, so doch relativ stabil.
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um ihre Rechte.87 Wie ausgeprägt ihre Furcht nach den zum Teil heftigen Zusammenstößen der Vergangenheit war, zeigt die zwischenzeitliche Eintrübung ihres Verhältnisses zu Langton, als der Erzbischof zu Weihnachten 1226 mehrere Ordinationen in jener Kapelle auf seinem Gut in Lambeth vornehmen wollte, mit deren Bau vermutlich während seiner Amtszeit begonnen worden war.88 Politische Umstände erforderten ein letztes Mal seine Anwesenheit am Königshof in London.89 Wie in vielen Fällen zuvor, war es daher für den Erzbischof praktikabler, die Rechtsansprüche der Mönche zu ignorieren und die Ordinationen nicht in Canterbury, sondern vor Ort durchzuführen. Doch 1226 trafen die Pläne auf den Widerstand der Mönche, die sich an den Papst wandten. Der eigentliche Grund für ihre Appellation war aber vermutlich nicht die Missachtung ihres Rechtsanspruches als solcher, sondern die Furcht, die geplanten Ordinationen könnten der erste Schritt des Erzbischofs zur Neubelebung der Pläne zur Errichtung eines Kollegiatsstifts in Lambeth sein. Langton reagierte ziemlich erbost über den unerwarteten Widerstand und beauftragte schließlich den Bischof von London, die Ordinationen durchzuführen.90 Wie gründlich diese Krise aber beigelegt wurde, zeigen die von ihm im Dezember 1227 gestalteten Verwaltungsreformen innerhalb der Erzdiözese Canterbury. So ernannte er 1227 seinen Bruder Simon Langton zum Archidiakon von Canterbury, um dessen Rückkehr nach England er jahrelang gekämpft hatte, nachdem dieser als Unterstützer und womöglich Kanzler des französischen Kronprinzen Ludwigs während des Bürgerkriegs zur persona non grata in England geworden war.91 Im Zuge dieser Ernennung stattete er das Amt mit neuen Einkünften und Befugnissen aus. Unter anderem wurden alle Kirchen der Jurisdiktion des Archidiakons unterworfen, die der Patronage des Erzbischofs oder des Kathedralkonvents unterstanden.92 Langton benötigte für diese weitreichenden Reformen daher die Zustimmung der Mönche, die er nicht erhalten hätte, wäre ihr Verhältnis durch den Konflikt 1226 weiterhin belastet gewesen. Dennoch musste er dem Konvent einige Zugeständnisse machen. Insbesondere die Aufhebung der Exemtion jener Kirchen, denen seine Vorgänger im Zuge ihrer Pläne zur Errichtung eines Kollegiatsstifts diesen Status verliehen hatten, war für das Einverständnis der Mönche zentral. Der Erzbischof zeigte damit erneut, dass er ihren Status als Kathedralkirche akzeptierte.93 87 88 89
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Bennett 1958, 79–88; Carpenter E. 1997, 85–86; Cheney 1967, 137–149; Crosby 2002, 98–99. Tatton-Brown 2000, 29–32. Am 8. November 1226 war der französische König Ludwig VIII. gestorben. Sein Nachfolger wurde der erst zehn Jahre alte Ludwig IX. Diese Situation nahm man am englischen Königshof zum Anlass, neue Bündnisse zur Rückeroberung der verlorenen Festlandsbesitzungen zu schmieden, Vincent 1996a, 225. London, British Library, Ms. Cotton Julius D v, f. 25; Baumann 2009, 407–408. Vincent Master Simon Langton. Acta Stephani, Nr. 111–113, pp. 126–131. Acta Stephani, Nr. 112, pp. 129–130, Nr. 115, p. 133; London, British Library, Ms. Cotton Julius D v, f. 26–26r.; Cazel 1964, 682.
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Die Ernennung seines Bruders stellte sich aber bald als vergiftetes Erbe des Erzbischofs an sein Kathedralkonvent heraus. Der neue Archidiakon sollte in den nächsten Jahrzehnten wiederholt die Rechte und Privilegien der Mönche bedrohen. Wie erbittert die Auseinandersetzung geführt wurde, verdeutlichen die Beschimpfungen, mit denen Simon Langton bedacht wurde. Er wurde von den Mönchen als archidiabolus verunglimpft und ein Chronist aus Canterbury verglich ihn mit Ahitofel, dem heimtückischen und aufrührerischen Berater von Abschalom, dem Sohn König Davids.94 Die Episode um die Ordinationen in Lambeth blieb aber die einzige ernsthafte Krise im Verhältnis Stephen Langtons zu den Mönchen der Christ Church. Ein Grund für ihr relativ stabiles Verhältnis war, neben der Aufgabe der Pläne zur Errichtung eines Kollegiatsstifts, das im Vergleich zu seinen Amtsvorgängern offenbar insgesamt geringere Interesse Langtons für sein Konvent und dessen Belange. Ein Indiz dafür ist sicherlich die von Nicholas Vincent festgestellte, signifikant geringe Anzahl von überlieferten Urkunden Langtons, welche die Christ Church betreffen. Die Mönche kamen daher auf der einen Seite während seiner Amtszeit seltener in den Genuss erzbischöflicher Patronage.95 Auf der anderen Seite waren sie aber auch einer weniger restriktiven Kontrolle unterworfen als etwa unter seinen beiden direkten Vorgängern.96 Langton war zudem nur selten persönlich in Canterbury anwesend. Mit einem Erzbischof aber, der mit geringem Interesse und meist nur aus der Ferne die Aufsicht über den Konvent führte, war sicherlich ein besseres Auskommen möglich, als mit einem Abt, der zumeist anwesend war und die Mönche direkt seine Autorität spüren ließ. Ganz anders gestaltete sich das Verhältnis Langtons zur Abtei St. Augustine, dem zweiten bedeutenden Benediktinerkloster in Canterbury und ewigen Rivale der Christ Church. Die Abtei kämpfte schon seit Jahrhunderten um Exemtion von der diözesanen Jurisdiktion des Erzbischofs von Canterbury, der diesem Streben mit erbittertem Widerstand begegnete. Der Konflikt manifestierte sich in der Frage, ob der Abt vor der Weihe dem Erzbischof den kanonischen Gehorsamseid leisten müsse.97 Auch Langton hielt an dem Anspruch auf den Eid fest und verweigerte 1214 und 1226 den gewählten Äbten von St. Augustine die Weihe, nachdem diese den geforderten Eid nicht leisten wollten. Langton ging aus dem Konflikt als Verlierer hervor. Zwar konnte er ein letztgültiges Urteil des Papstes in der Frage verhindern, nicht aber die Weihe der Äbte durch den Papst beziehungsweise einen beauftragten Kardinalbischof, ohne vorherige Eidesleistung.98 Der Abtei St. Augustine war während 94 95 96
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Gervasius Cantuariensis Historical works II, 132; Vincent Master Simon Langton. Vincent 2010, 79. So versuchten etwa Baldwin und Hubert Walter, sich eine striktere Kontrolle über das Kathedralkonvent zu erhalten, und betonten den Mönchen gegenüber stets ihre Überordnung. Entsprechend wurden sie von den Mönchen stärker als Bedrohung für ihre Freiheiten wahrgenommen, Bennett 1958, 76; Crosby 2002, 91–93. John 1957, 392–294. Baumann 2009, 205–212, 393–394.
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Langtons Amtszeit damit ein weiterer Schritt in Richtung Exemtion gelungen. Der Nachfolger Langtons, Edmund von Abingdon, musste schließlich 1237 den Anspruch auf den Eid endgültig fallen lassen.99 Die freundschaftlichsten Beziehungen pflegte Langton mit den Kanonikern von St. Gregory. Das Priorat war das drittgrößte Haus in Canterbury. Es war eine Gründung Lanfrancs gegen Ende des 11. Jahrhunderts, was die traditionell enge Bindung der Erzbischöfe an dieses Haus erklärt.100 Hubert Walter hatte, wie viele seiner Vorgänger, in einer Urkunde das Priorat St. Gregory als zu seinem dominium gehörig deklariert.101 Zumindest ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts reklamierten die Erzbischöfe die Aufsicht nicht nur über die spiritualia, sondern auch über die temporalia während der Vakanz des Priorats für sich.102 In seinen Mauern richteten die Erzbischöfe zudem im Verlauf des 13. Jahrhunderts ihr Archiv ein.103 Möglicherweise hatte schon Langton damit begonnen, schließlich wurden in St. Gregory auch die Artikel der Barone aufbewahrt, die der Erzbischof dort deponiert haben könnte, nachdem er sie im Juni 1215 an sich genommen hatte.104 Wie gut die Beziehungen tatsächlich waren, zeigt die Translation der beiden Heiligen Mildred und Eadburg, die Langton im Priorat St. Gregory 1224 leitete.105 Seit über eineinhalb Jahrhunderten stritt das Priorat mit den Mönchen von St. Augustine, welche Kirche im Besitz der echten Reliquien der Heiligen Mildred war.106 Langton stärkte durch die feierliche Translation die Ansprüche der Kanoniker und verlieh ihnen seine Autorität als Metropolit. Die Leitung der translatio mag daher für den Erzbischof eine besondere Genugtuung gewesen sein, schließlich war sie auch eine heftige Ohrfeige für die mächtige Benediktinerabtei St. Augustine, gegen die Langton in der Vergangenheit so manche bittere Niederlage hatte einstecken müssen. Betrachtet man zusammenfassend die Beziehungen Langtons zu den drei wichtigsten geistlichen Häusern Canterburys, bleibt festzuhalten, dass sie in tradierten Bahnen verliefen. Während das Verhältnis zur Abtei St. Augustine 99 100 101 102 103 104 105 106
John 1957, 413; Boggis 1901, 66–67. Woodcock 1956, xi. Für neue Erkenntnisse über das Priorat St. Gregory, basierend auf Ausgrabungen in Canterbury, Tatton-Brown 1995, 41–52. Cheney 1967, 56. Churchill 1933 I, 123. Sayers 1966, 103–106. Tatton-Brown 1995, 50. London, British Library, Ms. Cotton Julius D v, f. 24r. Woodcock 1956, xii. Die Heilige Mildred war Anfang des 8. Jahrhunderts Äbtissin des Klosters Minster in Thanet gewesen. 1035 überführte Aelstan, Abt von St. Augustine, ihre sterblichen Überreste in seine Klosterkirche, wo in den folgenden Jahrhunderten ihre Verehrung einige Bedeutung erlangte. Kurz nach seiner Gründung 1084 oder 1085 durch Erzbischof Lanfranc erhob das Priorat St. Gregory den rivalisierenden Anspruch, über die echten Reliquien der Heiligen Mildred zu verfügen, die ihm das Kloster Lyminge zusammen mit den sterblichen Überresten einer gewissen Heiligen Eadburg geschenkt hatte. Eadburg identifizierten die Kanoniker als die Nachfolgerin Mildreds als Äbtissin, Rollason 1982, 62–68.
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wie unter seinen Vorgängern von Feindseligkeiten geprägt war, profitierte St. Gregory von der großzügigen Patronage des Erzbischofs. Auch sein stabiles, wenn auch nicht sehr inniges Verhältnis zum Konvent der Christ Church ist weit davon entfernt, aus dem tradierten Rahmen zu fallen. Die Empfindungen der Mönche beim Gedenken an Stephen Langton mögen dennoch zwiespältig gewesen sein. Während sie sicherlich mit Dankbarkeit an die translatio Beckets zurückdachten, mögen manche unter ihnen Langton für die Ernennung seines Bruders zum Archidiakon leise verflucht haben. V. Fazit Canterbury besaß als Residenz für den Erzbischof Stephen Langton als umtriebigen und einflussreichen Akteur in der Politik Englands lediglich geringe Bedeutung. Von Canterbury aus ließ sich auf die politischen Prozesse im Königreich nur sehr begrenzt Einfluss ausüben. Das politische Zentrum war der Hof des Königs, dort wurden die Entscheidungen gefällt. Der König, insbesondere nach dem Verlust der wichtigsten Festlandsbesitzungen 1204, aber weilte zu Beginn des 13. Jahrhunderts zunehmend regelmäßig in London und Umgebung. Die Stadt entwickelte sich zur ständigen königlichen Residenz und zur Hauptstadt des Reiches, in der ein Teil der königlichen Verwaltung schon seit dem Ende des 12. Jahrhunderts unabhängig vom königlichen Hof seinen festen Standort hatte. Westminster etwa hatte sich als ständiger Sitz des exchequer, der königlichen Schatzkammer, etabliert.107 Eine ähnliche Entwicklung ist in der Bedeutung Canterburys für den Erzbischof nicht festzustellen. Im Gegenteil, je wichtiger London für den englischen König als Residenz wurde, umso bedeutender wurde für die Erzbischöfe im 13. Jahrhundert nicht Canterbury, sondern Lambeth, ihre Residenz am Ufer der Themse, deren Ausbau während Langtons Amtszeit weiter vorangetrieben worden war.108 Entsprechend selten ist Langtons Anwesenheit in Canterbury nachweisbar. Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass die wenigen überlieferten Aufenthalte in seiner Bischofsstadt überwiegend in jene Phasen seiner Amtszeit fielen, in denen seine politischen Aktivitäten in den Hintergrund traten, wie etwa während des Jahres 1214, als durch die Abwesenheit König Johanns der Konflikt mit den opponierenden Baronen vorübergehend ruhte, oder wie die ersten Jahre nach seiner Rückkehr aus Rom 1218, als er seine politische Autorität erst wieder zurückgewinnen musste sowie auch nach 1225, als er sich altersbedingt allmählich vom Hof des Königs zurückzog. Canterbury blieb aber die Legitimationsquelle seines politischen Handelns, der Ausgangspunkt seiner Autorität und seines Ansehens, welches er in 107 108
Brooke 1975, 363–364. Du Boulay 1966, 238–239. Während Langtons Amtszeit wurde auf dem Gut in Lambeth vermutlich nicht nur die Kapelle, sondern auch eine große Halle mit einer Küche und weiteren Wirtschaftsgebäuden gebaut, Tatton-Brown 2000, 32.
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politische Macht umsetzen konnte. Canterbury als Mutterkirche Englands, gegründet vom Missionar Augustinus im Auftrag von Papst Gregor dem Großen, war weiterhin ein geistliches Zentrum Englands. Zwei der bedeutendsten englischen Klöster waren in Canterbury angesiedelt. Auf dem Erzstuhl saßen die größten Persönlichkeiten der Kirche Englands, darunter auch einige Heilige, wie Dunstan, allen voran aber Thomas Becket. Sein Kult und seine Verehrung machten Canterbury im Mittelalter zu einem Anziehungspunkt für Pilger aus der ganzen Welt, literarisch festgehalten in den berühmten Canterbury Tales. Langton hat durch die glanzvolle Feier der translatio Beckets 1220, der Etablierung eines zweiten Festtages für den Heiligen und der mit ihm verbundenen Botschaft der Versöhnung und Vergebung, zur anhaltenden Popularität Beckets und der Pilgerstätte Canterbury beigetragen. Die translatio Beckets bleibt damit sicherlich Langtons bedeutendstes Erbe an seine Bischofsstadt.
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Archa Verbi. Subsidia 8
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Bischofssitze als geistige Zentren eines katalanischen Kulturraumes im 10. Jahrhundert: Barcelona, Vic und Girona von Ludwig Vones Als Graf Borrell II. von Barcelona im Jahr 967 jene Reise in die Auvergne unternahm, um Ledgarda, die Tochter des Raimund Pons, des Grafen von Rouergue und Markgrafen der Gothia, als seine Gattin heimzuführen, begab er sich gleichfalls für einige Tage in das Kloster Saint-Pierre und Saint-Géraud von Aurillac, um dort zum heiligen Gerald zu beten. Bei dieser Gelegenheit wurde er gemäß dem Bericht der Historiae Richers von Saint-Remi zu Reims als dux citerioris Hispaniae ehrenvoll empfangen und vom Abt anläßlich eines Meinungsaustauschs gefragt, „an in artibus perfecti in Hispaniis habeantur “, ob es in der Hispania herausragende Gelehrte in den Wissenschaften gebe. Als der Graf dies promptissime bestätigte, überredete ihn der Abt, einen seiner Zöglinge mitzunehmen und ihn in den artes unterrichten zu lassen. Es handelte sich um Gerbert aquitanus genere, der dort von Kindheit an erzogen und in Grammatik unterrichtet worden war, aber nun mit Zustimmung des Konvents vom Grafen nach Katalonien gebracht und der Obhut des Bischofs Atto von Vic übergeben wurde, bei dem er nach Auskunft Richers vor allem in Mathematik unterrichtet worden sein soll.1 Dieser Schüler ist natürlich kein Unbekannter geblieben, sondern als Gerbert von Aurillac einer der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit geworden, zudem Abt des Klosters Bobbio, Erzbischof von Reims und Ravenna, schließlich als Sylvester II. gar jener Papst, dessen Schüler Kaiser Otto III. war.2 Indes, als der hoffnungsvolle Jüngling, vielleicht vertrieben durch die Mißgunst seiner Confratres, die ihre Zustimmung gaben,3 obwohl der spätere Abt Raimund von Lavaur hier sein Lehrer in den Künsten des Trivium mit Ausnahme der Dialektik gewesen sein soll,4 in der Bischofskirche von Vic zur 1 2
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Richer Historiae III, 43, 191f. Zu seiner Herkunft, seinem Leben und seiner Laufbahn s. zusammenfassend Riché 1987 und Tarracó 1997–1998 (dessen Studie allerdings auf das Jahr 1947 zu datieren ist), Tarracó i Planas 1999, sowie Lauranson-Rosaz 1999; zu den Nachrichten Richers Sot 1996, der lediglich eine Übersetzung der bekannten Stellen und ihre Kommentierung liefert, aber auch die Beiträge in Sammelbänden und zu den Kongressen, die zu seiner Würdigung abgehalten wurden: Gerberto. Scienza, storia e mito; Gerbert l’Européen; Ollich i Castanyer 1999. Dies deutet Richer Historiae, 192 an, ohne sich klarer darüber auszulassen. So Tarracó 1997–1998, 23f., 25ff., 49 („Tuvo por principal maestro a Ramón de Lavaur“), während er in Vic die Ausbildung im Quadrivium stattfinden läßt, aber feststellt: „El obispo Hatto de Vic … no fue maestro de Gerberto“ (49). Siehe hingegen Ordeig i Mata
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weiteren Ausbildung eintraf, konnte von dieser steilen Karriere noch nicht die Rede sein. Zwar verknüpft Richer in seiner Historia unmittelbar das Zusammentreffen mit Borrell II. mit jener Fahrt nach Rom, die der Graf und der Bischof oraturi unternommen haben sollen und bei der sie Gerbert mit führten, um ihn, nachdem seine Gelehrsamkeit bekanntgeworden war, an den Papst und den Kaiser, bald wiederum an den gelehrten Archidiakon Gerannus von Reims zu verlieren, wodurch er völlig aus dem katalanischen Gesichtskreis verschwand,5 doch lagen dazwischen drei entscheidende Jahre der Unterrichtung in den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen, hauptsächlich nach Aussage Richers in mathesi,6 worunter das Quadrivium zu verstehen ist.7 Die besagte Reise nach Rom war Ende des Jahres 970 unternommen worden, um die Wiedererrichtung der Metropole von Tarragona und die Übertragung der Metropolitanwürde auf den Bischof von Vic zu erreichen, dem zusätzlich die Verwaltung der Diözese Girona anvertraut wurde. Diese Aktion sollte zwar von Erfolg gekrönt sein, da Papst Johannes XIII. die entsprechenden Privilegien im Januar 971 ausstellte,8 doch wurde alles weitgehend wieder hinfällig, als Atto von Vic während seines Aufenthalts in den Straßen Roms ermordet wurde,9 so daß auch für Gerbert das engste Band zerriß, das ihn mit Katalonien verband. Ein weiterer Aufenthalt im katalanischen Umfeld muß trotz vager Andeutungen in seinen Briefen mehrals
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1999, 2010. Dialektik soll Gerbert erst in Rom und schließlich nach der Aussage Richers in Reims bei Magister Gerannus studiert haben (cfr. Richer Historiae, III, 46, 193; Tarracó 1997–1998, 27ff., 49); Richer Historiae, III, 42, 192–193: „Iuvenis igitur apud papam relictus, ab eo regi oblatus est. Qui de arti interrogatus, in mathesi se satis posse, logicę vero scientiam se addiscere velle respondit ”. Zu 984 Jan.-Feb. bezeichnet Gerbert Raimund von Lavaur als „magistrum quondam nostrum Raimundum“ (Gerbert von Aurillac Briefe, 39, Nr. 16), zu 986 Ende – Januar 987 sagt er über den nunmehrigen Abt von Aurillac: „cui omnia debeo“ (Gerbert von Aurillac Briefe, 121f., Nr. 92), zu 996 August: „cui, si quid scientię in me est, post Deum inter omnes mortales gratias rependo“ (Gerbert von Aurillac Briefe, 236, Nr. 194). Vgl. auch Picavet 1897, 28f. Cfr. Richer Historiae III, 45, 193, vgl. aber auch ebd. die Anmerkungen von Hoffmann 1964. Zu Gerberts katalanischer Zeit s. speziell Millàs i Vallicrosa 1931–1932; Riché 1991; Pladevall i Font 1999; Sargatal 2002 und nun Zimmermann 2003, 950ff.; zu seinem Verhältnis zu Katalonien als Papst Pladevall i Font 2002; zur Politik Graf Borrells II. in diesem Umkreis Zimmermann 1991a; Senac 1995; Udina i Abelló 1999. Richer Historiae, 192. Zur Bedeutung des Quadriviums für Gerbert und allg. s. Lindgren 1976; Lindgren 1992; Englisch 1994; Bisson 1999. JL 3746–3750; BZ² 476–480; Martí i Bonet 1979, 391–395, Nr. 16–22; Zimmermann, PUU I, 406–414, Nr. 206–210; CC IV/2, 789–793, Nr. 1086–1090 = Junyent, Diplomatari I, 337–344, Nr. 405–409; Vgl. auch Vones 2007; Vones 2009; Jarrett 2010. Zu Atto, seinem Wirken und seinem Schicksal s. Ordeig i Mata 1989; Ordeig i Mata 1999; Ordeig i Mata 2010; Martí 1994. Die entsprechende Nachricht bei Richer Historiae III, 44, 192, ist nicht nur seltsam verstümmelt, sondern auch widersprüchlich, da Richer unter dem Titel vom discessum Attos behauptet: „ipsi (sc. dux et episcopus) in Hispanias iter retorquerent “.
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fraglich erscheinen.10 Folgen wir allerdings Richers Zeugnis, dann genoß der katalanische Raum bereits zu dieser Zeit, was die Wissensvermittlung und den Wissenstransfer aus dem maurisch dominierten Al-Andalus mit seinen Zentren Córdoba, Toledo und Zaragoza betrifft, einen ausgezeichneten Ruf, denn die Frage des Abtes von Aurillac dürfte nicht ohne Grund gestellt worden sein und die selbstbewußte Antwort des Grafen deutete, selbst durch die spätere Brille Richers gesehen, ebenfalls auf solide Grundlagen hin, so daß auch von einer allerdings nicht ungebrochenen Kontinuität seit der Karolingerzeit ausgegangen werden kann.11 Das Bistum Vic, in das Atto seinen Zögling mitnehmen sollte, war das spätantike Ausona, das infolge der maurischen Invasion 714 zerstört und im Rahmen der Wiederbesiedlung Kataloniens Ende des 9. Jahrhunderts um 878 durch Graf Wifred el Pilos von Barcelona wiedererrichtet worden war, um 887 den ersten Bischof zu erhalten und 888 die Weihe einer neuen Kathedralkirche zu erleben, womit auch in unmittelbarer zeitlicher Nähe eine an der Aachener Regel ausgerichtete Kanonikergemeinschaft nachzuweisen war.12 Schon bald entwickelte sich neben der seelsorgerischen Tätigkeit ein geistiges Leben, das vor allem die Bildung der Geistlichen zum Ziel hatte und deshalb den Ausbau der theologischen sowie pastoralen Fähigkeiten voranbringen sollte. Ein erstes Zeugnis für eine solche Zielsetzung findet man im Testament des Bischofs Idalguer, der 908 seiner Kirche zehn Texte hinterließ – außer Bibeltexten vor allem Missale, Lektionare, Antiphonare, ein Exemplar der Smaragd-Regel und Kanonessammlungen – , also vorwiegend Handschriften theologischen, liturgischen und kirchenrechtlichen Inhalts, die der täglichen Praxis dienlich waren.13 Dieser Grundstock für eine Bi bliothek des Kathedralkapitels vermehrte sich in den folgenden Jahrzehnten, wie zwei Inventare aus den Jahren 957 und 971 verraten, die nun, für die Zeit des Aufenthalts Gerberts, jeweils 55 bzw. 63 Manuskripte verzeichnen und beide bis auf geringe Abweichungen – ein Breviar und vier nicht näher spezifizierte Handschriften – einen 10
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Vgl. Lindgren 1976, 6f.; Gerbert von Aurillac Briefe, 75, Nr. 46 zu 984 Dezember – 985 Januar, legt nahe, Gerbert habe auf Ersuchen Abt Garins von Sant Miquel de Cuixà (adhortatione commoti) eine Reise in die Hispania ins Auge gefaßt, doch sei diese nicht zustande gekommen. Siehe jetzt v.a. das monumentale, zweibändige Werk von Zimmermann 2003, dazu Morelle 2007 und Chastang 2007, aber auch Lindgren 1971; Gibson 1975; Martínez Gázquez 1987–1989; Martínez Gázquez 1989–1990; als Forschungsbericht Alturo i Perucho 1991a. Allgemein Rouche 2003; Steckel 2011, die in ihrem umfassenden Werk den katalanischen Raum und seine wichtigen Traditionen, gerade was den Kulturtransfer betrifft, leider nicht adäquat berücksichtigt. Zur Frühzeit des Bistums Vic s. Ordeig i Mata 1983; Catalunya Romànica II, 38ff.; VonesLiebenstein 1997, 474ff.; zum katalanischen Raum im 10. Jh. allgemein Bonnassie 1990; Salrach 2000. Junyent, Diplomatari I, 38–40, Nr. 41 (zu 908 Februar 15); CC IV/1, 124–125, Nr. 78. Vgl. nun Zimmermann 2003, 490, 547ff., 592ff., 758; zu bereits im 9. Jahrhundert entstandenen Handschriften s. Alturo i Perucho 1991b.
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identischen Bestand wiedergeben, in den das Legat von 908 aufgegangen ist.14 Allerdings ist eine gewisse Vervielfältigung einzelner Texte festzustellen, was auf verschiedene Schenkungen, aber auch auf die Tätigkeit des Skriptoriums zurückzuführen sein kann, wozu die Verteilung einiger dieser Handschriften außerhalb des Scriniums der Kathedrale auf Kirchen innerhalb der Diözese passen würde.15 In seiner umfassenden Untersuchung über ‚Lire et écrire en Catalogne‘ vom 9. bis zum 12. Jahrhundert hat Michel Zimmermann den Handschriftenbestand der Kapitelsbiblio thek minutiös untersucht und ist ebenfalls zu dem naheliegenden Ergebnis gelangt, daß sich in dieser Sammlung, nimmt man die Handschriften in sukzessiver Reihenfolge, praktisch ein vollständiger Bibeltext verbirgt, zu dem in der Hauptsache liturgische Manuskripte hinzutraten16 – vier Missale, drei Lektionare, vier Antiphonare, fünf Psalter, ein Breviar, zwei Passionare und ein Martyrologium, ihrerseits wiederum ergänzt durch patristisches Schriftgut homiletischen Charakters, darunter insgesamt sieben sog., vor allem in Katalonien verbreitete dispositos, aus den Kirchenvätern genommene Kommentare und Lesungen zu den Apostelbriefen und den Evangelien des Lektionars, wie sie schon in der Smaragd-Tradition zu finden waren. Sie stammten aber wahrscheinlich aus Narbonner Überlieferung und trugen vielleicht dazu bei, die ursprüngliche Smaragdhandschrift in den Kapitelsbeständen überflüssig werden zu lassen.17 Die beiden Inventare, verfaßt beim Tod des Bischofs Guadamir, des Vorgängers von Atto, und beim Tod Attos selbst,18 geben auf jeden Fall den Bestand wieder, auf den Gerbert hier zurückgreifen konnte. Dies legt den Schluß nahe, daß sich die Ausbildung unter Bischof Atto weniger auf seine wissenschaftlichen als auf seine geistlichen und seelsorgerischen Fähigkeiten erstrecken sollte, ohne natürlich Eigeninitia tiven des begabten Zöglings auszuschließen. Selbst die emsige Tätigkeit des Skriptoriums, die im 10. Jahrhundert einsetzte und die gemäß Eduard Junyent, dem einstigen besten Kenner der Kathedralüberlieferung, bis zum 13. Jahrhundert mehr als 40 Handschriftenkopien hervorgebracht haben soll,19 konnte keine wissenschaftlichen Grundlagen legen – sieht man von einer duplizierten Isidorhandschrift ab und will man in den Inventarpunkt von 957: „et alios libros IIII“ nicht allzuviel hineininterpretieren20 –, da sie sich zumindest in der Epoche Gerberts entsprechend der Inventarliste vorwiegend auf die Vervielfältigung homiletischen Schriftguts beschränkt zu haben scheint. 14
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CC IV/2, 601–602, Nr. 789 (zu 957 Juni 14) = Junyent, Diplomatari I, 256, Nr. 303; CC IV/2, 8012–803, Nr. 1106 (zu 971 August bis September) = Junyent, Diplomatari I, 346– 347, Nr. 413. Junyent 1963 bringt eine klärende Gegenüberstellung des alten und des neuen Bestandes. Vgl. nun Zimmermann 2003, 592ff., aber auch schon Lindgren 1971, 188ff. Zimmermann 2003, 595ff. Vgl. Anm. 7; hier Zimmermann 2003, 591ff. Zimmermann 2003, 726ff., 749ff. Vgl. Anm. 10. Junyent 1963. CC IV/2, 602 = Junyent, Diplomatari I, 256.
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Nichtsdestoweniger muß die Gestalt des Bischofs Atto von Vic als möglicher Lehrer eher vorsichtig in den Blick genommen werden. Solche Aussagen, er habe selbst eine wissenschaftliche Lehrtätigkeit ausgeübt, indem er die Wissenschaften, die scientiae, des Quadrivium weitergegeben habe und ihr Förderer gewesen sein soll, müssen mit Reserve betrachtet werden, selbst wenn Pierre Riché bis in die jüngste Zeit in allzu euphemistischer Weise po stuliert, er sei gewissermaßen der Leiter einer Domschule, einer „école de Vich“, gewesen, um im gleichen Atemzug zu bekennen, man wisse darüber eigentlich nichts.21 Eine derartige Institution kann allerdings sicher erst zu 996 und 1004 nachgewiesen werden, als die Amtsbezeichnung eines caput scolae in der notwendigen Dichte auftauchte22 und fortan verbürgt ist, wie auch solche Ämter in den Kathedralen von Girona nicht mit Sicherheit vor 975, von Barcelona nicht vor 1005 und von Urgell nicht vor 1017 zu belegen sind.23 Vielleicht verdient auch der Hinweis Beachtung, daß aus Gerberts Briefen hervorgeht, er verdanke einem Mönch und Magister des Klosters Aurillac, dem späteren Abt Raymundus – Raimund von Lavaur – , seine ganze Bil dung: „cui, si quid scientię in me est, post Deum inter omnes mortales gratias impendo“,24 doch hat bereits Uta Lindgren dies völlig richtig nur als Anstoß für sein wissenschaftliches Interesse gedeutet, aber zugleich darauf hingewiesen, daß der Kontakt bis in die 80er Jahre nicht abgerissen ist und vielleicht durch ihn eine Präferenz für die Hispania gelegt wurde25 – eine Präferenz, die er offenbar Ende 984 oder Anfang 985 auf Aufforderung des Abtes Garin von Sant Miquel de Cuixà, familiaris nostri, wiederaufleben lassen und durch ein Schreiben erneuern wollte, was er aber auf Betreiben der Kaiserin Theophanu unterließ: „Nunc Hispanie principes adimus, familiaris nostri abbatis 21
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Riché 1987, 26. Riché 1991, 374, spricht sogar von „des écoles de Catalogne“ für die Mitte des 10. Jahrhunderts. Selbst die Aussage von Riché 1989, 178: „L’ école cathédrale de Vich où Gerbert est venu s’instruire a depuis le milieu du Xe siècle une bonne bibliothèque“, gibt angesichts der ernüchternden Quellenlage eher Wunschdenken als Realität wieder, wie denn der Begriff der Kathedralschule im Sinne einer gewiß gründlichen liturgischen Ausbildung der Geistlichen oft ohne den institutionellen Hintergrund Verwendung findet; s. Gros i Pujol 1992; für das 11. Jahrhundert Masnou 1999. Zimmermann 2003, 873, führt die erstmalige Bezeichnung eines ‚Vvilielmus‘ als caput scolae zu 960 für Vic auf (Junyent, Diplomatari I, 275–276, Nr. 328 zu 960 Mai 29: „Vvilielmus levita et caputscole“; CC IV/2, 650–651, Nr. 862) und vermutet einen Zusammenhang mit dem Pontifikatsantritt Attos von 957, doch bleibt diese Bezeichnung bis zum Ende des Jahrhunderts vereinzelt, ohne daß eine institutionelle Grundlage zu erkennen wäre. Die Urkunde, eine Seelgerätstiftung des Grafen Borrell von Barcelona für die Kathedrale von Vic, ist nur als Kopie von 1176 Nov. 10 überliefert. Sehr zurückhaltend und ernüchternd schon Lindgren 1971, 185ff., aber auch Zimmermann 2003, 872ff. (mit einer Zusammenstellung der spärlichen Belege). Gerbert von Aurillac Briefe, 235–237, Nr. 194 (das Zitat 236); Gerbert d’Aurillac Corre spondance, Tome II, 514–517, Nr. 194. Vgl. auch Gerbert von Aurillac Briefe, 38–39, 74–75, 118–122, Nr. 16, 45, 91, 92; Gerbert d’Aurillac Correspondance, Tome I, 32–33, 110–113, 214–221 Nr. 16, 45, 91, 92. Lindgren 1976, 6f. Vgl. auch Sot 1996; Picavet 1897, 28f.; Uhlirz 1957, 40f.
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Guarini adhortatione commoti. Hinc sacris litteris domine nostre Teuphanu imperatricis semper auguste, semper amande, semper colende prioribus divellimur ceptis“.26 Sucht man auf anderer Ebene einen Anknüpfungspunkt für eine wissenschaftliche Ausbildung Gerberts, die sich über das Theologische hinaus auf seine Lieblingsfelder Mathematik und Astronomie erstreckte und vielleicht auch die Rezeption arabischer Schriften mit einschloß, zumindest wenn man ihn wie Pierre Riché in eine „Renaissance“ des 10. Jahrhunderts im Abendland einbetten möchte,27 wird man unweigerlich auf das nur zwanzig Kilometer von Vic entfernt liegende und als führendes geistiges Zentrum des katalanischen Raums unbestrittene Kloster Ripoll hingelenkt.28 Die benediktinische Abtei Santa Maria de Ripoll war um 879/80 von Graf Wifred I. el Pilós gegründet und ausgestattet worden und sollte demselben Zweck dienen wie die Kirche von Vic, der Förderung der Wiederbesiedlung und Missionierung der alten Diözese Ausona, war aber auch als Ausstattung für einen der jüngeren Grafensöhne gedacht.29 Verschiedene, nicht ganz von Fälschungen freie Kirch weihurkunden von 888 und 935 sowie nochmals 977,30 parallel dazu königliche Schutzurkunden und päpstliche Besitz- sowie Rechtsbestätigungen,31 geben Auskunft über den wachsenden Besitzstand und die steigende Bedeutung der Abtei, die sich auch in einem starken Anwachsen der Zahl der Mönche niederschlug, durch das die Erweiterungen und Neubauten der Abteikirche notwendig geworden waren. Vor allem ragte sie aber durch die Errichtung einer Grablege für die Grafen von Cerdanya-Besalú hervor, einer Seitenlinie des Grafenhauses von Barcelona, womit der zentrumsbildende Charakter der Institution endgültig sichergestellt war.32 Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Barceloneser Grafenfamilie und ihre Zweige von Anfang an bemüht waren, neben der Wiedererrichtung verwüsteter und verlassener Bistümer ebenfalls durch die Grün dung oder Wiederbesiedlung monastischer Kon vente die karolingischen Kloster- und Bildungstraditionen zu beleben, wie es an weiteren Beispielen außer Ripoll gezeigt werden kann – zu denken wäre vornehmlich an das 878 der Barceloneser Mitra unterstellte Benediktiner 26 27
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Gerbert von Aurillac Briefe, 75; Gerbert d’Aurillac Correspondance, Tome I, 112. Cfr. Uhlirz 1957, 41. Vgl. auch Anm. 4. So Riché 1976; vgl. auch Riché/Verger 2006, 59ff., wo für das 10. und 11. Jahrhundert gar eine „troisième Renaissance carolingienne“ angenommen wird! Zur Wertung der wissenschaftlichen Grundlagen im Katalonien des 10. Jahrhunderts s. auch Ginebra i Molins 1993 (die sogar von einer ‚revolució científica‘ spricht), und Gómez i Ruiz 1997–1998. Zaragoza Pascual 1997, 187f. (mit Literatur); Catalunya Romànica X, 206ff.; Samsó 1991. Marca Hispanica 1688, 818–819, Nr. XLVI; Udina Martorell 1951, 107–109, Nr. 5 (zu 888 April 20). Vgl. Vones 2007 (zu weiteren Editionen und zur Echtheitsfrage). Ordeig i Mata, Dotalíes I/1, 38–48, Nr. 11, 127–128, Nr. 52; I/2, 226–229, Nr. 96. Cfr. Ordeig i Mata 1979–1991, I, 132f., Nr. 11–†12;157, Nr. 52; II, 169f., Nr. 95. Vgl. auch Salrach 1984; Peig i Ginebra 1999. Vgl. Engels 1970; Engels 1993. Blasi Solsona 1999, 109ff.
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kloster Sant Cugat del Vallès,33 an das 916 durch Graf Sunyer errichtete, nach der Aachener Regel konzipierte Kanonikerstift Santa Maria de Solsona,34 aber auch an den unweit von Ripoll gelegenen und fast gleichzeitig gegründeten Frauenkonvent von Sant Joan de les Abadesses35 sowie an das im nördlichen Pyrenäenraum gelegene Sant Miquel de Cuixà.36 Die bedeutendste Bibliothek hatte allerdings Ripoll, deren Umfang zwar in seiner Gesamtheit nicht mehr zu rekonstruieren ist, nachdem zahlreiche Bibliothekskataloge in den Wirren späterer Zeiten bis ins 19. Jahrhundert hinein verlorengegangen, zumeist endgültig vernichtet worden sind, über deren ursprüngliche Bestände wir jedoch seit den Forschungen von Rudolf Beer zumindest einen rudimentären Überblick haben.37 So sind für die Amtszeit des Abtes Guidisclo, der 979 gestorben ist, entsprechend einem bei seinem Tod erstellten Inventar 65 Handschriften sicher nachzuweisen,38 deren Zahl sich bis 1008 unter dem Abbatiat Seniofreds auf 121 steigern sollte,39 um sich dann im Laufe des 11. Jahrhunderts unter der Amtszeit Abt Olibas mehr als zu verdoppeln, da ein Bibliothekskatalog für das Jahr 1047 insgesamt 246 Bücher angibt.40 In dieser Klosterbibliothek, die schon bald nicht nur seltene Codices aus dem 8. und 9. Jahrhundert enthielt, sondern auch speziellere Überlieferungen entsprechend den bekannten Interessen des Aurillacenser Mönches wie z.B. das heute im aragonesischen Kron archiv verwahrte Manuskript Ripoll 106 aus dem letzten Drittel des 10. Jahrhunderts mit seiner Sammlung von Traktaten zur Astronomie,41 zum Osterkomputus,42 zur Geometrie und zur Geographie, hätte Gerbert einen reichen Fundus der von ihm gesuchten Handschriften finden können. Indes, eine eigene wissenschaftliche Tätigkeit in der Klosterbibliothek ist nicht mit letztgültiger Sicherheit nachzuweisen, vielleicht sogar wegen fehlender Benutzungshinweise in seinen Schriften eher unwahrscheinlich, und selbst ein 33 34
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Zaragoza Pascual 1997, 237–239 (mit Literatur); Catalunya Romànica XVIII, 159ff.; Bou 1988; Salrach 1992. Zaragoza Pascual 1997, 214f. (mit Literatur); Catalunya Romànica XIII, 278ff.; Riu 1979, der 221 das Gründungsdatum präzisiert. Die Weihe der Kirche fand allerdings erst 977 statt (ed. Baraut 1978, 99–101, Nr. 37; Baraut 1986, 106–107, Nr. 38; Ordeig i Mata 1993–2004 I/2, 224–226, Nr. 95; Catalunya Romànica XIII, 280). Zum territorialen Umfeld s. Bolòs/Hurtado 2006, 74f. Junyent 1976; Zaragoza Pascual 1997, 11–13 (mit Literatur); Catalunya Romànica X, 354ff.; Bolòs/Hurtado 2001, 94f. Abadal 1954–1955; Abadal 1980, 121ff.; Zaragoza Pascual 1997, 88–90 (mit Literatur). Beer 1907–1908. Junyent 1992, 6–8, Nr. 3 (zu 979 Juli 30). Junyent 1992, 43–45, Nr. 37 (zu 1008 Juli 4). Junyent 1992, 398–400, Nr. 9; Zimmermann 2003, 1160–1162; dieses Inventar wurde begleitet von einem Verzeichnis der Kultgegenstände, Junyent 1992, 396–398, Nr. 8. Zu den nachzuweisenden Handschriften, auf die hier nicht eingegangen werden kann, vgl. außer Beer 1907–1908 die Analyse von Lindgren 1971, 192ff. Zum Skriptorium und den Handschriften ebenfalls Catalunya Romànica X, 276ff., sowie Delcor 1974. Puigvert i Planagumà 1996; Lindgren 1971, 193f. Martínez Gázquez/Gómez Pallares 1992.
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Traktat über Astronomie und Zeitrechnung, der dort vorhanden war und im berühmten Codex Ripoll 225 enthalten ist, scheint von Gerbert, wenn überhaupt, nicht während seines katalanischen Aufenthalts als Grundlage für seine eigenen Überlegungen konsultiert worden zu sein.43 Andererseits möchte man gerade von katalanischer Seite nicht ausschließen, daß der spätere Abt von Bobbio, der dann in diesem Kloster, in Reims, in Ravenna und in Rom über reichhaltige Überlieferungen klassischer antiker Werke verfügen konnte, sich vielleicht noch in Katalonien aus anderen Quellen bedient habe oder später ihm nicht zugängliche Handschriften aufgrund seiner Brieffreundschaften konsultiert haben könnte. Nicht zuletzt geht diese zuversichtliche Haltung neben dem spärlichen Zeugnis einiger weniger Briefe auf die allgemeinen Aussagen Richers zurück, der jedoch aus weiter Entfernung schrieb und kaum mit Sicherheit als Zeuge aufgeboten werden kann. Allerdings ist auf jeden Fall eine breite Grauzone innerhalb Kataloniens für die Vermittlung klassischer Bildung anzunehmen, die nicht näher gefaßt werden kann, aber bei manchen Gelegenheiten gewissermaßen an die Oberfläche trat, so als der Abt Caesarius von Santa Caecilia am Montserrat den Versuch unternahm, die alte, durch die arabische Eroberung verschüttete Metropolitanwürde von Tarragona für sich zu fordern. Bei dieser Gelegenheit richtete er 970 ein Bittschreiben an Papst Johannes XIII., bei dessen Diktat sich die Schulung an klassischen Vorbildern nicht verleugnen ließ und das mit Sicherheit den Anstoß für die Reise des Barceloneser Grafen, des Ausonenser Bischofs und Gerberts Ende des Jahres nach Rom gegeben hat.44 Da Caesarius indes zuvor lange Jahre die Iberische Halbinsel zur Wahrnehmung seiner Interessen durchzogen hatte und bis nach Galicien gelangt war, kann die Herkunft dieser Bildungsgrundlagen nicht mit Sicherheit auf den katalanischen Raum bezogen werden. Günstiger sieht es dagegen mit der Überlieferung antiker Autoren aus, von denen eine Reihe im 10. Jahrhundert in Katalonien bekannt gewesen sein dürften.45 Der Codex Ripoll 225, der als die einschlägigste Quelle für frühe Übersetzungen aus dem Arabischen im katalanischen Raum angesprochen werden muß, ist zwar aller Wahrscheinlichkeit nach in seiner heutigen Gestalt erst im 11. Jahrhundert entstanden, doch kann nicht völlig ausgeschlossen werden, daß seine einzelnen Bestandteile, später eben als Sammelhand schrift von Traktaten zusammengefaßt, bereits in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts 43
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Puigvert i Planagumà 2000, 50ff.; Lindgren 1971, 174f.; bereits sehr negativ sowohl für Gerberts Benutzung der Bibliothek von Ripoll, wo auch keine anderen Quellen (Hi storiographie, Nekrolog) über ihn nachzuweisen sind, als auch für seine weitergehende Ausbildung in Vic Lindgren 1976, 7f., in gleicher Weise Gros i Pujol 1999, der allerdings der Einwirkung Attos von Vic auf Gerbert einen größeren Stellenwert verleihen möchte. Zum Nekrolog von Ripoll vgl. Junyent 1962. CC IV/2, 784–786, Nr. 1080. Die ältere Literatur zusammenfassend und im Anhang eine neue Edition der verschiedenen Versionen des Schreibens vorlegend, s. jetzt Deswarte 2005. Zu diesen klassischen Einflüssen und ihrer Herkunft vgl. Díaz y Díaz 1969; Díaz y Díaz 1974. Lindgren 1971, 197.
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vorgelegen haben.46 Sein Inhalt bestand aus einem Traktat über das Astrolabium, der aber wohl nicht als Vorlage für das bekannte Werk Gerberts gedient haben kann,47 aus einigen Kapiteln des Werkes von Beda Venerabilis über die Zeitrechung – De ratione temporum48 – und aus weiteren Texten, die von arabischer Wissenschaft beeinflußt waren und den Einfluß der Lehre des Maslama und seines Schülers Ibn Asafar weitertrugen.49 Es ist davon auszugehen, daß der vorhandene Handschriftenbestand durchaus zahlreiche Werke arabischer oder mozarabischer Provenienz aufwies, da Codices in solch westgotischer Schrift, die eigentlich im Zuge der Bildungsreform schon längst durch die ka rolingische Minuskel abgelöst worden war, oder mit vereinzelten arabischen Elementen nachzuweisen sind und ihr Inhalt als rechtlich, theologisch und mathematisch gekennzeichnet werden kann.50 Mit Sicherheit ist darüber hinaus zu erschließen, daß manche Handschriften und Werke in Pfarreien oder in private Handbibliotheken anderer Geistlicher gelangt sind und dort in geringer Zahl im Rahmen der alltäglichen Seelsorgepraxis zur Verfügung standen,51 darunter wohl auch in der Handbibliothek des Atto von Vic, dessen eigene oder anderweitig entliehenen Buchbestände natürlich nicht durch die Verzeichnisse der Kapitelsbibliothek erfaßt worden sind. Solche Bestände tauchen dann bei Seelgerätsstiftungen oder anderen Schenkungsakten auf, die Zimmermann in größtmöglicher Vollständigkeit zu sammengestellt hat und die einen, wenn auch lückenhaften und von den Zufällen der Überlie ferungslage abhängigen, letztlich jedoch beeindruckenden Einblick in den Kreis der Buchsammler und Leser gewinnen läßt, da die hier erwähnten Kontingente oder Einzelstücke bis in die einzelnen Pfarreien reichen, aufgrund von Büchertausch und Bücherverleihung erreichbar waren und Schlaglichter auf die Verfügungsmöglichkeit für den einfachen Geistlichen werfen.52 Neben möglichen Beziehungen zur klösterlichen Welt von Ripoll sind für Gerbert noch Kontakte ins Bistum Barcelona am wahrscheinlichsten, da sich dort der gräfliche Lehnshof seines Gönners befand und, wenn überhaupt, hier eine Anlaufstelle für Kontakte mit dem Kalifat von Córdoba sowie maurischen Verbindungsleuten vermutet werden darf, denn Gesandtschaften in den Süden konnten, selbst wenn sie von anderen Herrschern geschickt wurden, 46 47
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Vgl. Anm. 59. Bubnov 1899, 114–147 (Tractatus de astrolabio). Eine andere Meinung, die direkte Benutzung der Bibliothek von Ripoll durch Gerbert, vertritt Mundó 1999, 666, und auch Zimmermann 2003, 974, möchte dies nicht ausschließen, während Salrach 1974, 65, sich gar an der Vorstellung von persönlichen Begegnungen zwischen Miro Bonfill und Gerbert bei der Benutzung der Klosterbibliothek begeistert. Lindgren 1976, 9ff., sieht starke arabische Einflüsse und möchte private Lehrer am Ort nicht abstreiten. Vgl. auch Martínez Gázquez/Puigvert Planaguma 1996. Vernet 1982, 51ff.; Vernet 1984; Millàs i Vallicrosa 1931; Millàs i Vallicrosa 1960; Samsó 1999; Martínez Gazquez 2000. Lindgren 1971, 195ff.; zur Schriftentwicklung allgemein Mundó/Alturo i Perucho 1990. Zimmermann 2003, 481ff., vgl. auch die Aufstellung ebd., 1183–1189, Annexe XVII. Zimmermann 2003, 487ff., 500ff.
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ihren Weg nicht ohne die Unterstützung und die fachkundige Unterweisung durch die Ratgeber des Grafen fortsetzen, zumal nicht unbeträchtliche Sprachbarrieren zu überwinden waren.53 Der Bischofssitz von Barcelona unter dem Patrozinium des Heiligen Kreuzes und der Heiligen Eulalia reichte mit seinen Traditionen in die Epoche vor der arabischen Invasion zurück, wurde 802 von den Karolingern definitiv zurückerobert, besaß aber spätestens seit 878 eine Kathedralkanonie nach der Aachener Regel, die 945 nochmals durch den Grafen und seine Gattin im Rahmen einer Seelgerätsstiftung reicher ausgestattet wurde.54 An Überlieferung aus dem 10. Jahrhundert und früher hat die Kathedralbibliothek nur einige homiletische Schriften zu bieten, doch erfahren wir auch von juristischen Werken, und es stellt sich die Frage, ob wirklich nur wenig produziert worden ist, was angesichts der reichen Beziehungen des Barceloneser Grafenhofes nach Frankreich und Italien, ja bis in den Al-Andalus eher unwahrscheinlich ist, oder ob die Plünderung der Stadt durch den arabischen Feldherrn Al-Manşur im Jahr 985, eines der Grenzdaten der katalanischen Geschichte, unschätzbare Verluste nach sich gezogen hat.55 Aus der späteren Korrespondenz Gerberts wissen wir, daß er zumindest schriftlichen Kontakt gesucht hat zu einem Barceloneser Kathedralkanoniker Seniofred Llobet, der über Arabischkenntnisse verfügte, seit 971 als Archidiakon erscheint und als Vertrauensmann, vielleicht sogar als Verwandter des Grafen Borrell II. gelten kann,56 ohne daß man von einer zu engen Bekannt schaft zwischen beiden ausgehen sollte.57 Anhaltspunkte gibt ein Schreiben Gerberts aus der ersten Jahreshälfte 984, als er als gescheiterter Abt von Bob bio58 bei Erzbischof Adalbero von Reims Unterschlupf gefunden hatte und nun den ‚Lupitus Barchinonensis‘ bitten sollte, ihm eine Abhandlung zuzusenden, die dieser über die Astronomie und den Gebrauch des Astrolabiums verfaßt oder wohl eher übersetzt hatte.59 Wie wir bereits erwähnt haben, wäre 53 54
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Lindgren 1971, 152ff.; Zimmermann 2003, 963ff. Zu den Beziehungen zwischen Al-Andalus und Barcelona vgl. auch Sénac 1995. Diplomatari de la Catedral de Barcelona I, 223–224, Nr. 30 (zu 945 Juni 16); Puig y Puig 1929, 360–361, Ap. Nr. XXI (zu 944). Zur Sache: Catalunya Romànica XX, 48ff.; Puig y Puig 1929, 91f.; Vones-Liebenstein 1997, 470ff. Vgl. Abadal 1980, 339ff.; Zimmermann 1980; Sánchez Martínez 1991; Historia de las diócesis españolas 2006, 84f. Lattin 1932; Lindgren 1971, 179; Feliu i Montfort 1972; Udina i Martorell 1985, 45f.; Samsó 1991, 265f., der 265 die Vermutung äußert: „l’hipòtesi de la intervenció de monjos mossàrabs, únics responsables de la traducció o coautors d’aquesta amb Lupitus o algun altre, a la manera de les ̦traduccions a quatre mans‘ del segle XII, sembla la més probable“. Die Aussage von Zimmermann 2003, 953: „Le ton chaleureux de la lettre suggère que les deux hommes se connaissent“, scheint doch überzogen; Lindgren 1971, 178, geht davon aus, daß „dieser ihm persönlich unbekannt war“; vgl. Anm. 53. Zur wenig erbaulichen Abtszeit Gerberts vgl. Tosi 1985. Gerbert von Aurillac Briefe 1966, 46f., Nr. 24, der seinen Adressaten anspricht: „Licet apud te nulla mea sint merita, nobilitas tamen ac affabilitas tua me adducit in te confidere, de te praesumere“, und fast geschäftsmäßig, allerdings im vertrauten ‚Du‘, gegen eine Rekompensation einen „librum de astrologia translatum a te“ anfordert; zu früheren Iden-
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es ein verführerischer Gedanke, dieses Werk mit einem Teil der innerhalb des berühmten, nun im Kronarchiv zu Barcelona aufbewahrten Codex 225 von Ripoll enthaltenen Sammlung zu identifizieren, doch muß dies nach neueren Untersuchungen nicht zuletzt aufgrund des ins 11. Jahrhundert verweisenden paläographischen Befundes weitgehend ausgeschlossen werden,60 wenn auch Pierre Riché bisher daran festgehalten hat.61 Stattdessen sind auch hier überkommene Texte karolingischer Bildungstradition zu vermuten, die zwar weniger genau zu fassen sind als in Ripoll, die andererseits allerdings einen Grundstock für die Einrichtung einer Kathedralschule liefern konnten, deren Blüte ins 11. Jahrhundert fallen sollte.62 Seniofred Llobet gehörte wahrscheinlich zu einem kleinen Kreis von gelehrten Männern, zu denen Gerbert einst Kontakt gesucht hatte, ohne mit diesen in nähere Beziehungen getreten zu sein, wie sein Schreiben an Llobet vermuten läßt,63 und zu denen vielleicht auch ein vermutlich jüdischer Autor Josephus Sapiens bzw. Josephus Hispanus, wahrscheinlich ein Konvertit, gerechnet werden kann. Dessen Werk ‚De multiplicatione et divisione numerorum‘ sollte er im gleichen Jahr für seinen „pater“ Erzbischof Adalbero von Reims anfordern,64 und diese Handschrift war wohl, wie aus einem Schreiben an Abt Gerald von Aurillac hervorgeht, bei diesem eine Zeitlang von Abt Garin von Sant Miquel de Cuixà deponiert wor-
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tifizierungsversuchen bezüglich dieses ‚Lupitus‘ s. ibid., 46 Anm. 1; Gerbert d’Aurillac Correspondance, Tome I, 48f., Nr. 24. Noch Feliu i Montfort 1972 sollte im Adressaten des Schreibens einen bis 997 nachzuweisenden Archidiakon Sunifred Llobet aus Barcelona sehen, den bereits Lattin 1932 und ihr folgend Millàs Vallicrosa 1957, 389, favorisiert hatten, während Zimmermann 2003, 953, die Frage grundsätzlich offenläßt, aber eher ebenso wie schon Nicolau d’Olwer 1910, 336f., Nicolau d’Olwer 1929, Kehr 1926, 10, und Uhlirz 1957, 18, wieder den späteren Abt Lupinus von Santa Maria d’Arles-sur-Tech zu favorisieren scheint. Vgl. zu den unterschiedlichen, häufig sogar schwankenden Zeitansätzen für die Datierung von Ripoll 225 v.a. Beer 1907, 57f., 107 Anm. 207 (dessen Zuweisungen und dessen Bezugnahme auf ein Manuskript Ripoll 207 jedoch nicht haltbar scheinen); Millàs i Vallicrosa 1931, 210–211; Millàs i Vallicrosa 1960, 94–96 (der sich zwar dem paläographischen Befund auf Mitte/Ende 11. Jh. nicht verschließen kann, jedoch eine Frühdatierung auf Ende 10. Jh. zu retten versucht); Beaujohan 1985, bes. 656–657 (der den Inhalt der Sammelhandschrift genau auflistet und versucht, einzelne Teile abzuschichten); Riché 1991; Zimmermann 2003, 969–971 (der sich bei einer Datierungszuweisung zurückhält, aber auf den Abbatiat Olibas im 11. Jh. verweist, 970f. ebenfalls eine minutiöse Auflistung des Codexinhaltes bringt und offensichtlich 974 eine direkte Benutzung des Codex durch Gerbert in Erwägung zieht). Vgl. auch eher skeptisch Puigvert i Planagumà 1996; Puigvert i Planagumà 2000. Bereits Weigle (Gerbert von Aurillac Briefe, 47, Anm. 2) äußerte sich unter Abwägung der bis dahin erschienenen Literatur sehr skeptisch; zur Entstehung der Bibliothek von Ripoll s. Zimmermann 2003, 954ff.; Riché 1991. Zu dieser Entwicklung s. Bauer 1962–1963, bes. 98. Vgl. Anm. 51. Gerbert von Aurillac Briefe, 47f., Nr. 25; Gerbert d’Aurillac Correspondance, Tome I, 50f., Nr. 25. Vgl. Uhlirz 1957, 19; Lindgren 1971, 177f., die alle Thesen sichtet und herausstellt, daß man von ihm eigentlich nichts Sicheres weiß.
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den.65 In die sich zu dieser Zeit ausbreitende katalanische Bildungsszenerie, zu der Gerbert nun in Beziehung zu treten oder gegebenenfalls alte Beziehungen aufzufrischen versuchte und zu der neben Llobet sicherlich auch der Abt von Cuixà gehörte,66 geraten wir zusätzlich über eine Persönlichkeit, bei der Gerbert ebenfalls im Frühjahr 984 um die Zusendung dieser sententiae einkam. Es handelte sich um den „Bonifilius Gerundensis episcopus“, womit der umstrittene Graf Miro Bonfill gemeint ist, der seit 971 als Nachfolger Arnulfs Bischof von Girona geworden war und Schwierigkeiten mit dieser Nachfolge innerhalb der katalanischen Kirche, aber aufgrund seiner unkanonischen Wahl auch beim Papst hatte.67 Zwar war Miro Bonfill als jüngster Sohn des Grafen Miro ursprünglich für die geistliche Laufbahn vorgesehen gewesen, doch hatte er nach dem Tod seiner älte ren Brüder 965 selbst das Grafenamt übernommen und sollte es schließlich auch zuwege bringen, trotz aller Hindernisse eine Grafschaft und ein Bistum in Personalunion zu verwalten.68 Er stattete nicht nur in reichem Maße seine Bischofskirche und zahlreiche Klöster mit Besitz aus,69 sondern kann zudem als hochgebildeter Vertreter seiner Adelsschicht angesprochen werden, der wahrscheinlich außer Latein noch Griechisch und Arabisch beherrschte.70 Er war von Graf Borrell wohl gerade wegen seiner Sprachkenntnisse 971 nach dem Zeugnis des Ibn Hayyan mit der Leitung einer Gesandtschaft nach Córdoba betraut worden,71 was folglich zu einer Zeit geschehen ist, als Gerbert Katalonien schon verlassen hatte – ob ein intensiverer Kontakt zwischen beiden vorher existiert hatte, kann nicht belegt werden, doch scheint ein solcher eher unwahrscheinlich, da Miro Bonfill als Angehöriger der Grafenfamilie Cerdanya-Besalú einer Adelsgruppe angehörte, 65 66
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Gerbert von Aurillac Briefe, 39–40, Nr. 17; Gerbert d’Aurillac Correspondance, Tome I, 34–37, Nr. 17. Zu Garin von Sant Miquel de Cuixà, der zugleich Abt von Lézat war, vgl. Abadal 1954– 1955, 106–109; Amargier 1974, 83–84; Ponsich 1975; Lauranson-Rosaz 1987, 284–300; Ponsich 1987, 12ff. Daß Cuixà zu den kulturellen Zentren des katalanischen Raumes im 10. Jh. gehörte, unterstreicht Ponsich 1954–1955. JL 3750; BZ² 480. Zu Miro Bonfill vgl. Lindgren 1971, 180ff.; Salrach 1974, 66ff.; Salrach 1984; Salrach 1989a; Salrach 1989b; Salrach 1999. Salrach 1974. Salrach 1974, 73ff., 78ff. Siehe auch die Titel in Anm. 66. Lindgren 1971, 182, die mit seinem Wirken auch die erste Einrichtung einer Kathedralschule in Girona 975, der ersten in Katalonien, in Zusammenhang bringt und auf eine Schenkungsurkunde für die Bischofskirche von Girona von 975 Februar 8 im ‚Cartoral dit de Carlemany‘ verweist, in der es heißt: „et uolumus et mandamus ipsa thasca et ipsa solidata capiat eas caput scolis et Argemirus sacrista dum uiuunt teneant et possideant, et post obitum illorum remaneat caput scole et alii sacriste qui fuerint post eos usque in finem in domum Sancte Marie“ (ed. Cartoral dit de Carlemany I, 144–145, Nr. 57), ohne daß eine Institutionalisierung klar nachzuweisen wäre; vgl. auch Lindgren 1971, 185ff.; Zimmermann 2003, 873, verweist noch auf die Handschrift eines Martyrologiums, die „vers 950“ aus der Feder eines ‚Ricarius caput scolae‘ stammen soll, doch ist diese Datierung unsicher. Zur Verbreitung von Griechischkenntnissen in Katalonien zu dieser Zeit vgl. Zimmermann 1990. Lindgren 1971, 165ff., mit genaueren Angaben über Ausstattung und Zweck der Gesandtschaft.
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die in Konkurrenz zum Barceloneser Grafenhaus stand und nur sporadisch zu einem Einvernehmen bereit war.72 Unter seine Bischofsherrschaft fällt wohl in Einklang mit seiner Förderung der artes liberales die Gründung einer Kathedral schule in Girona, was ihm in der neueren Forschung den Ruf eines frühen „mittelalterlichen Mäzenaten“ eingebracht hat, ohne daß die Berechtigung dieser Aussage wirklich hieb- und stichfest wäre.73 Allerdings verfügte Girona mit seinem Kloster Sant Daniel sowie dem Stift Sant Feliu de Girona über Zentren großer Ausstrahlungskraft und mit seiner Kathedrale, deren Bibliothek als Grundlage für die Kathedralschule bemerkenswert reichhaltig war, über beste Voraussetzungen.74 Genauso waren Ripoll oder die Barceloneser Bibliothek mit kanonistischen Manuskripten, vornehmlich der Hispana und der Collectio Hadriana, ausgestattet, und deren Skriptorium konnte bereits auf eine lange Kopistentätigkeit gerade für juristische Handschriften der alltäglichen Rechtspraxis, insbesondere des westgotischen Liber bzw. Forum iudicum bis in die Anfänge des 9. Jahrhunderts verweisen.75 Zu den von Miro dotierten Klöstern zählten neben Ripoll und Sant Joan de les Abadesses, den alten Schwerpunkten Barceloneser gräflicher Einflußnahme, noch Sant Miquel de Cuixà, Sant Pere de Camprodon, Sant Pere de Rodes, Santa Maria d’Arles-surTech, Sant Esteve de Banyoles, Sant Benet de Bages und Sant Llorenç prop Bagà, womit durch die Einbeziehung von Cuixà und Arles die Pyrenäengrenze nach Norden überschritten und die Grafschaften Cerdanya sowie Roussillon voll einbezogen wurden.76 Mit Cuixà in der Diözese Elne, das bereits 950 durch Agapit II. eine Bestätigung des Papstschutzes, die Exemtion und das Recht der freien Abtswahl erhalten hatte und für das 952 der Mönch Sunyer und der Graf von Roussillon in Reims eine königliche Privilegierung erbitten sollten,77 sollte aber der ‚cluniazensische Geist‘ mit seiner Hinwendung zu Rom nach Katalonien gelangen, wie es Ramon d’Abadal als bester Kenner dieser Bezie hungen ausgedrückt hat.78 Dies bahnte sich spätestens an, als Johannes XIII. alle Privilegien des Konvents auf Bitten des bereits erwähnten Abtes Garin 72
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Salrach 1974, 61ff.; Vones 2007. Für eine oft postulierte eigene Reise Gerberts gemeinsam mit dem Grafen von Barcelona findet sich allerdings kein Quellenbeleg. Vgl. Lindgren 1971, 168. Salrach 1974, 57, charakterisiert Züge seiner Persönlichkeit „com són la vocació cultural i l’obra de protecció de monestirs“ und faßt 81 zusammen, Miro sei „un dels primers, entre els principals, protectors dels monestirs catalans“ gewesen. Vgl. Anm. 69. Historia de las diócesis españolas, 486f., 496f.; Catalunya Romànica V, 37ff., 62f., 110ff.; Zaragoza Pascual 1997, 114–116 (mit weiterer Lit.). Zimmermann 2003, 571f.; Zimmermann 1973. Salrach 1974; zu den Herrschaftskernen im Bistum Girona vgl. Bolòs/Hurtado 2000, 52ff., bes. 68ff.; Bolòs/Hurtado 1998, 64ff., für das Roussillon vgl. Catalunya Romànica XIV, 35ff. JL 3651; BZ² 228; Zimmermann, PUU I, 216–218, Nr. 123; CC I/1, 91–93, Nr. II. Abadal 1961; Mundó 1963; García-Guijarro Ramos 1999. Vgl. aber auch Mundó 1963; Zimmermann 2003, 780ff., und wohl zu optimistisch Deswarte 1995; zur noch geringen Autorität der Päpste in diesem Jahrhundert Hehl 2008. Vgl. auch die Aufstellungen bei Zimmermann 2003, 1195–1197, Annexe XIX, 1211–1215, Annexe XXI.
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erneuerte, der zuvor als Cluniazenser Abt von Lézat gewesen war und seit 965, dem Antritt seines neuen Abbatiats, herbeigerufen von Graf Sunifred II., die aquitanischen und katalanischen Priorate neu ausgerichtet hatte, wodurch eine engere Bindung an die mittlerweile wiederhergestellte päpstliche Gewalt vorgegeben war.79 Die Verbreitung cluniazensischen Gedankenguts mit allen seinen Implikationen ging also von Lézat aus, einer Gründung der Vizegrafen von Toulouse, und strahlte über Cuixà und die zahlreichen Gründungen von Konventen mit dem Petruspatrozinium aus in den nordkatalanischen Raum,80 wo jene Adelsgruppe stark war, die zu den Barceloneser Grafen in Konkurrenz stand. Diese Verbindung versuchte im Dezember 968 Graf Oliba Cabreta von Cerdanya-Besalú, der letzte lebende Bruder des Miro Bonfill, für den Ausbau seiner Stellung zu nutzen, als er gemeinsam mit Abt Garin eine Pilgerfahrt nach Rom unternahm und beim Papst sowohl eine weitere Privilegierung für Cuixà als auch für Arles-sur-Tech im Vallespir erreichte.81 Der im Norden Ka taloniens ansässige Zweig des aus den Nachfolgern Wifreds hervorgegangenen Grafenhauses von Cerdanya-Besalú, der machtpolitisch eine auf einer sicheren Herrschaftsbasis beruhende Nebenlinie bildete, war schon längst in offene Konkurrenz mit den Barceloneser Grafen getreten und versuchte, diese nicht nur durch die Schaffung neuer Machtschwerpunkte sondern auch auf kul turellem Gebiet auszutragen, indem man das Schwergewicht geistiger, aber auch geistlicher Ausstrahlung in den Norden verlegte.82 Dabei ging es nicht nur um die Sicherung des kirchenpolitischen Einflusses, der durch immer engere Kontakte zum römischen Papsttum gewonnen werden mußte, sondern auch um die Umgestaltung des kulturtragenden Dreiecks Barcelona – Vic – Girona mit seinen Abteien als zusätzlichen Bildungszentren, wie es bereits von Anscari Mundó beschrieben worden ist.83 Kirchenpolitisch wurde Miro Bonfill erfolgreich tätig, obwohl er den Makel seiner Doppelfunktion als Graf und Bi schof überwinden mußte und Borrell von Barcelona 971 kurzfri stig die Vereinigung des Sitzes von Girona mit dem Bistum Vic bewirken konnte,84 doch sollte der umstrittene Bischof von Girona durch zahlreiche Romreisen nicht nur den päpstlichen Schutz für seine Eigengründung Sant Pere de Besalú erreichen und bei der Neuweihe der Klosterkirche von Ripoll mit seiner Familie eine bestimmende Rolle spielen, sondern auch 981 von Papst Bene 79 80 81
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Zimmermann 2003, 771ff. Zu den Grafen von Cerdanya-Besalú und ihren Beziehungen zum Papsttum s. Blasi Solsona 1999, 137ff., 179ff. Abadal 1954–1955; Zimmermann 2003, 773ff. JL 3734–3735; BZ² 454–455; Zimmermann, PUU I, 379–381, Nr. 193, 381–384, Nr. 194. Cfr. CC V/2, 353, Nr. 393. Cfr. Catalunya Romànica XXV, 68f.; Zaragoza Pascual 1997, 23f. (mit weiterer Literatur). Vones 2003; Vones 2009. Mundó 1963; Mundó 1998, 426ff. Vgl. auch Riu 1991; Riu 1999. JL 3749–3750; BZ² 479–480; Zimmermann, PUU I, 412, Nr. 209, 413–414, Nr. 210; Junyent 1980–1986 341–342, Nr. 407, 343–344, Nr. 409; CC V/2, 360–362, Nr. 406–407; Historia de las diócesis españolas, 676, Ap. Nr. 5. Cfr. CC IV/2, 793, Nr. 1089–1090; Martí i Bonet 1979, Nr. 21–22.
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dikt VII. den Auftrag zur Durchführung der Bekämpfung der Simonie im katalanischen Raum erhalten, womit seine Führungsposition im Episkopat abgesichert war.85 Zugleich konnte Miro also neben Girona die Abteien Ripoll und Sant Joan de les Abadesses seinem Einfluß unterwerfen und zeitweilig sogar daran denken, die beiden Klöster zu Vororten einer zu errichtenden Grafschaft Ripoll zu machen,86 bevor er am 22. Januar 984, also gerade als Gerbert mit ihm Kontakt aufnehmen wollte, starb,87 während natürlich Barcelona und Sant Cugat del Vallès weiterhin dem Machtbereich des Grafen von Barcelona angegliedert blieben. Gerade hier sollte zwischen 987 und 1024 ein Levita mit Namen Bonushomo oder Homobonus, der vielleicht im Skriptorium von Sant Cugat del Vallès ausgebildet worden war und zudem eine Richterfunktion ausübte, eine fruchtbare Tätigkeit als Kopist entfalten, durch den die gesamte Barceloneser Region und weiter bis nach Vic, aber auch die Kathedralschule von Barcelona selbst mit juristi schen Handschriften, darüber hinaus mit mathematischen und homiletischen Texten versorgt wurden.88 Er hatte wohl auch um 1010 und 1011 den Liber iudicum popularis verfaßt, eine vereinfachte Form des westgotischen Liber iudiciorum für die alltägliche volksnahe Rechtspraxis.89 Das Aufleben der Kopistentätigkeit in den katalanischen Kathedralschulen, ja selbst ihre nunmehrige Institutionalisierung, um das Jahr 1000 kann als Anzeichen für eine geistige Auseinandersetzung gewertet werden, die die politische begleitete. Ohne hier weiter auf die sich stetig wandelnden politischen Hintergründe nach dem Tod des Miro Bonfill eingehen zu können, die nach wie vor ein Spannungsfeld zwischen Barcelona und Cerdanya-Besalú bildeten, sei zum Abschluß noch auf jene überragende Gestalt verwiesen, die das Erbe des Grafen-Bischofs in kultureller Hinsicht übernahm, aber schon mehr in das 11. Jahrhundert hineinragte. Es handelt sich um den Grafen, Abt und Bischof Oliba, der als dritter Sohn des Grafen Oliba Cabreta und seiner Gattin Ermengard nach dessen endgültigem Rückzug ins geistliche Leben als Mönch nach Montecassino zusammen mit seiner Mutter und seinen Brüdern 988 die Herr schaft über die Grafschaft Cerdanya-Besalú übernommen hatte, selbst als Graf 85 86
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JL 3804; BZ² 585; Zimmermann, PUU I, 512–514, Nr. 261. Catalunya Romànica X, 42f.; Blasi Solsona 1999, 109ff., 119ff; zur Verteilung des gräflichen Besitzes der Familien von Barcelona und Cerdanya-Besalú in der Grafschaft Ausona (Vic) und zur weltlichen Herrschaft über das Ripollès vgl. Bolòs/Hurtado 2001, 72f., 90–93. Salrach 1974, 73; Fluvià 1988, 50. Folgt man der Datierung der Gerbert-Briefe an Miro Bonfill und Gerald von Aurillac bei Weigle (1966) und Riché-Callu (1993), war die Todesnachricht noch nicht bis Reims gedrungen und deshalb die Bitte obsolet, oder man muß die zeitliche Reihenfolge der Schreiben neu überdenken. Zimmermann 2003, 664f. Alturo/Bellès/Font Rius/García/Mundó 2003; Zimmermann 2003, 664. Zur Rezeption der westgotischen Rechtstradition vgl. Díaz y Díaz 1976, und speziell für den katalanischen Raum Iglesia Ferreirós 1977, sowie Kienast 1968; Zimmermann 1973; Collins 1985.
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von Bergà und Ripoll amtierte.90 Dazu gehörten die Machtbereiche der Grafen Bernhard II. Tallaferro von Besalú und Wifred II. von Cerdanya, die mit Hilfe Papst Sergius IV. durch die Gründung von Saint-Martin du Canigou und von Saint-Pierre de Fenouillet die herrschaftliche Durchdringung des Pyrenäenraums vorantreiben konnten,91 aber auch für Oliba die Fortführung der weitsichtigen Politik seines Onkels Miro Bonfill, dessen Herrschaftsbereich 984 an seinen Vater Oliba Cabreta übergegangen war. Oliba trat zudem in die nordpyrenäischen Wirkungsbereiche des Bischofs Berengar von Elne ein und schuf insbesondere eine Kloster- und Bischofsherrschaft, indem er unter Beibehaltung der Grafengewalt gleichzeitig Abt von Cuixà und Ripoll wurde, deren Privilegien Sergius IV. zeitgleich mit den obengenannten Gründungen bestätigte.92 Über engste Familienbeziehungen hatte er zudem seine Hand auf den Grafschaften Besalú und Cerdanya sowie auf weiteren Klöstern, ebenfalls gestützt durch päpstliche Besitzbestätigungen, Schutzverleihungen und Exemtionen.93 Letztlich wurde er sogar 1018 Bischof von Vic und dehnte den Einflußbereich seines Grafenhauses bis in die unmittelbare Nähe von Barcelona aus.94 Zur Festigung seines eigenen Einflusses bediente er sich nicht nur des häufigen Kontakts mit dem Papsttum, einschließlich wiederholter Romreisen, sondern auch der engen Verbindung zum katalanischen und narbonnensi schen Episkopat, da Narbonne seit langem die katalanische Kirchenprovinz als Metropole verwaltete. Zur weiteren Planung des Grafenhauses gehörte neben einem Bündel flankierender Maßnahmen auch die Gründung eines neuen, dem Papst direkt unterstellten Bistums in Besalú, das über den ebenfalls in Rom vorstellig gewordenen Bruder Olibas, Graf Bernhard II. Tallaferro, reich ausgestattet, dann Eigenbesitz werden sollte95 und als Ersatz für das wieder entglittene Girona zu rechnen ist.96 Darüber hinaus betrieb Oliba als Bischof von Vic die wiederholte Einberufung von Friedensversammlungen im Sinne der Pax-et-Treuga-Bewegung, die ihm die Möglichkeiten direkten politischen Eingreifens an die Hand gaben.97 Mit den Weihen der Kathedralen von Vic 90 91 92 93
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Abadal 1948; Engels 1970, 90ff.; Junyent 1992; Fluvià 1989, 46, 111; aus landesgeschichtlicher Sicht Camprubí Sensada 1999. JL 3975–3976; s. o. Anm. 89. JL 3973–3974; BZ² 1058–1059; Zimmermann, PUU I, 863–868, Nr. 454; 868–872, Nr. 455; Junyent 1992, 57–68, Nr. 44–45. JL 3975–3977; BZ² 1060–1082; Zimmermann, PUU I, 872–874, Nr. 456; 874–876, Nr. 457; 876–879, Nr. 458. Vgl. auch Johrendt 2004, 164, 264ff., bei dem jedoch die politischen Hintergründe fehlen. Abadal 1948. Engels 1970, 129f.; Engels 1988b, 162ff. JL 4016; BZ² 1186; Gros i Pujol 1974, 104, Nr. 17; Pons i Guri/Palou i Miquel 2002, 26–29, Nr. 3; Zimmermann, PUU II, 970–972, Nr. 510. Cfr. Engels 1970, 129ff., 212ff.; Historia de las diócesis españolas, 480f. Hoffmann 1964, 74ff., 259ff.; Gonzalvo i Bou 1986; Gonzalvo i Bou 1994, XXIff., 3–11. Nr. 1–3 (Frieden von 1027, 1030, 1033); Blasi Solsona 1999, 203ff.; Junyent 1992, 144– 147, Nr. 92; 153–155, Nr. 97; 183–187, Nr. 110.
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und Girona stand Oliba 1038 im Zenit seiner Einwirkungsmöglichkeiten,98 die ihn oft in fast gleichberechtigter Weise bei wichtigen kirchenpolitischen Entscheidungen an die Seite des Erzbischofs von Narbonne und auf den Richterstuhl in einem Streit zwischen Graf Raimund Berengar I. und dem Bischof von Barcelona führten,99 ihn aber auch immer wieder zur Verteidigung seiner vielfältigen Interessen gegen weltliche Eingriffe zwangen.100 Es verwun dert keineswegs, daß seine entschiedenste Gegenspielerin Gräfin Ermessinde von Barcelona, die Witwe des Grafen Raimund Borrell, war und es bis zu seinem Tod 1046 bleiben sollte, ohne starre Fronten aufzubauen.101 Sie hatte die Vormundschaft über ihren Sohn Berengar Raimund I. inne und wollte das Barceloneser Erbe sichern, doch war ihre Machtstellung im Sinne einer Herrschaftsteilung zusätzlich untermauert,102 so daß ein Ende des Konflikts auf kirchenpolitischer und kultureller Ebene kaum absehbar war. Träger dieser kulturellen Bewegung waren in dieser Übergangsphase jedoch gleichermaßen noch Klöster und Bistümer, da die Ablösung der monastischen Kultur durch die Kathedralschulen keineswegs vollzogen war, sondern eine lang andauernde Parallelität zu beobachten ist, die nicht zuletzt dadurch bedingt war, daß beide Formen institutioneller Verdichtung mit ihrer Ausstrahlungskraft auch eine politische Funktion zu erfüllen hatten. Oliba ist jedenfalls mit seiner gezielten Förderung der Skriptorien und Bibliotheksbestände aller geistlichen Institutionen,103 auch hier das oft in einer Hand vereinigte Amt des Bischofs und des Abtes als integrative Kraft nutzend,104 der Gipfelpunkt der katalanischen Kulturentwicklung im Sinne einer kaum zu überschätzenden Transferleistung zu verdanken, bevor die durch den besagten cluniazensischen Geist vorbereitete Akzeptanz der Kirchenreformbewegung und die Aufrechterhaltung des päpstlichen Primatialanspruchs die Öffnung über die Pyrenäen hinweg vollkommen werden ließen und die Rezeption der entsprechenden, vornehmlich aus Italien kommenden Schriften die katalanische Kirche mit den Strömungen des Abendlands verband.105 Dennoch ist ein Übermaß an kirchenreformerischen oder später ‚gregorianischen‘ Schriften nicht festzustellen, da die Verhaltensweise der katalanischen Prälaten bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts kaum mit den Zielen dieser Bewegung zu verein
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Junyent 1992, 223–231, Nr. 133–134; Ordeig i Mata 1993–2004, II/1, 76–81, Nr. 159; 81–85, Nr. 160. Junyent 1992, 260–262, Nr. 154 (zu [1044 März]). Cfr. Junyent 1992, 252–254, Nr. 149 (zu 1043 März 17; Exkommunikationssentenz des Konzils von Narbonne gegen Usurpatoren der Güter von Cuixà). Zu Ermessinde vgl. Pladevall i Font 1975; Aurell 1995, 223ff., der besonderes Gewicht auf die Heiratspolitik legt. Vgl. auch Aurell 1991. Engels 1970, 195ff. Vgl. den Überblick von Mundó 1991. Zum Gestaltungsspielraum der katalanischen Bischöfe vgl. neben Freedman 1991; Engels 1998 noch Zimmermann 1989. Vgl. Zimmermann 2003, 785ff.
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baren war.106 Der geistige Anschluß des nordöstlichen Pyrenäenraums an das Abendland unter Weitergabe eines einzigartigen, von einer bemerkenswerten Schriftlichkeit geprägten multikulturellen Bildungsguts, von dessen Einzigar tigkeit und Reichhaltigkeit zumindest an seinen Wurzeln das Wirken des Gerbert von Aurillac getragen wurde, wenn auch die eigentliche Rezeption ungeklärt bleiben muß, sollte sich in der Folge ohne sichtbare Brüche vollziehen.
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Es mutet fast müßig an, nochmals auf die schon thematisierte Verbindung von Grafenund Bischofsamt in diesem Raum hinzuweisen, die keinesfalls so einzigartig gewesen ist, wie es scheinen mag, sich hier nur hartnäckiger halten konnte und natürlich den von der Kirchenreformbewegung propagierten Vorstellungen von der Libertas ecclesiae, der Freiheit der Kirche vom laikalen Einfluß, zuwiderlief. Vgl. bereits Vincke 1931, 254ff.; Tellenbach 1988, 49; Engels 1998.
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Archa Verbi. Subsidia 8
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Der Bischof im Licht seiner Ordinationsliturgie im Mittelalter. Liturgiehistorische und liturgietheologische Anmerkungen zum Ritus der Bischofsweihe im Pontificalis ordinis liber des Wilhelm Durandus d.Ä. (1293/1295) von Jürgen Bärsch „Die Geschichte der Theologie des Ordo ist ein besonders lehrreiches – und unerfreuliches – Beispiel dafür, wohin der Weg führen muß, wenn man dem Hang der spekulativen Vernunft, scheinbar logische Systeme aufzubauen, zu sehr vertraut und dabei neben anderen positiven Quellen die Liturgie als locus theologicus nicht oder ungenügend beachtet.“1 Dieses pointierte Wort des ehemaligen Münsteraner Liturgiewissenschaftlers Emil Joseph Lengeling († 1986) erinnert an die besondere Bedeutung der Liturgie als Quelle für die Überlieferung des Glaubens. Denn gerade in der Weise, wie die Kirche Gottesdienst feiert, zeigt sich die Gestaltwerdung ihres Glaubens, gemäß des hinlänglich bekannten Axioms des Prosper von Aquitanien († um 455), wonach die lex orandi die lex credendi bestimme.2 Insofern die Liturgie in ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrem innewohnenden Reformpotential selbst teil hat am lebendigen Prozeß der kirchlichen Glaubenstradition,3 erweist sie sich als ein hervorragender Ausdruck für die Wandlungen und Neuorientierungen in Theologie und Frömmigkeit. Wer also wissen will, was ein Bischof ist und welche Bedeutung die Kirche selbst seinem Amt für das kirchliche Leben zuweist, der ist gut beraten, auf die Art und Weise zu schauen, wie die Kirche Menschen zu Bischöfen bestellt. Die Bischofsweihe (syn. Bischofsordination) ist deshalb nicht ein äußeres und damit letztlich belangloses Zeremoniell, lediglich für seine Gültigkeit reduzierbar auf Form und Materie, sondern stellt als Ganzes ein authentisches Zeugnis der Ecclesia orans dar, in dessen Ritual das Wesen des Bischofs und seines Amtes verdichtet sichtbar wird.
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Lengeling 1969, 143f. „[...] obsecrationis quoque sacerdotalium sacramenta respiciamus, qua ab Apostolis tradita in toto mundo atque in omni Ecclesia catholica uniformiter celebrantur, ut legem credendi lex statuat supplicandi.“ Prosper von Aquitanien Indiculus Coelestini 8, hier nach Federer, 12. Vgl. dazu auch Schulz 1999. Wie umfassend die Liturgiegeschichte unter dem Blickwinkel der „Reform“ zu verstehen ist, beweisen die in den beiden Sammelbänden vorgelegten Untersuchungen: Klöckener/Kranemann 2002a; vgl. besonders die systematische Auswertung von Klöckener/Kranemann 2002b.
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Wenn also nach der Bedeutung der bischöflich geleiteten Ortskirche und ihrer Funktionen im Mittelalter gefragt wird, darf es keine Beschränkung auf scholastisch-systematische, verfassungsrechtliche oder historiographische Quellen geben. Vielmehr steht zu vermuten, daß auch ein Blick in die Liturgie der Bischofsweihe jener Zeit wichtige Einsichten und Erkenntnisse vermittelt. Was läßt sich aus der Feier der Bischofsordination für die mittelalterliche Sicht des Bischofs erheben? Welche Akzente und Schwerpunkte setzt das Ritual im Hochmittelalter und welche Schlüsse lassen sich daraus für das Verständnis des Bischofsamtes und seiner Funktionen ziehen? Diesen Fragen wird im folgenden nachgegangen, wobei jedem in etwa Kundigen einsichtig ist, daß dies hier nur sehr fragmentarisch und in groben Ausschnitten geschehen kann. Es geht also weder um eine umfassende Darstellung der Weiheliturgie in der abendländischen Kirche und ihrer recht komplexen Geschichte4 noch um eine erschöpfende, aus der Ordinationsliturgie zu eruierende Theologie des Bischofsamtes.5 Auch die bekanntlich besonders problematische Leugnung der Sakramentalität des Episkopats in der Anschauung vieler mittelalterlicher Theologen wird lediglich am Rande thematisiert werden können. Vielmehr sollen Grundzüge und besonders markante Entwicklungen in der Ordinationsliturgie zur Sprache kommen und für die umfassende Frage nach dem Verständnis des Bischofsamtes in der Sicht des Mittelalters fruchtbar gemacht werden. Im Zentrum unserer Überlegungen steht ein Liturgiebuch, das der Bischof von Mende, Wilhelm Durandus der Ältere († 1296), Ende des 13. Jahrhunderts kompiliert hat.6 Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Pontifikale, also ein Buch, in dem die spezifisch bischöflich geleiteten Gottesdienste, zu denen ja vor allem die Ordinationen zählen, kodifiziert sind.7 Weil das Durandus-Pontifikale die mittelalterliche Entwicklung der bischöflichen Riten im großen und ganzen zusammenfaßt und für deren weitere Geschichte in der römischen Kirche bestimmend bleibt, bietet es sich als ein markantes Zeugnis der Bischofsordination jener Zeit für unsere liturgiehistorischen und -theologischen Anmerkungen besonders an. Dabei ist freilich zu bedenken, daß es sich hier um eine normative Quelle handelt, die eine Idealgestalt der Liturgie beschreibt und keinesfalls direkte Rückschlüsse auf die tatsächliche Praxis
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Vgl. dazu die allgemeinen Übersichten zur Entwicklung der Ordinationsriten in Lexika und Handbüchern. Hier sei hingewiesen auf Batiffol 1927; Clerck 1985; Kleinheyer 1984; Kleinheyer 1980–1991; speziell zur Bischofsordination im Abendland vgl. Sant antoni 1976; Richter 1976; zur Presbyterordination ist heranzuziehen die ausführliche Darstellung von Kleinheyer 1962. Auch hier sind – speziell für die Theologie des Episkopats im Mittelalter – nur einige Werke exemplarisch zu nennen: Landgraf 1955, 277–302; Congar/Dupuy 1962; Ott 1969; Neumann 1979; zur Bischofswahl und -weihe jetzt auch Angenendt 2008. Näheres zu Quelle und Verfasser vgl. Kapitel 2. Zur Entwicklung des Buchtyps Pontifikale vgl. Klöckener 1986b, 11–38; Klöckener 1986a; Vogel 1986, 225–256; Palazzo 1993, 204–220; Rasmussen 1998; Klöckener 2004.
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erlaubt.8 Zudem muß auch noch einmal unterschieden werden zwischen der schriftlichen Fixierung liturgischer Texte und ritueller Anweisungen einerseits sowie dem tatsächlichen gottesdienstlichen Vollzug, der Performanz, andererseits, die ja wesentlich von den handelnden Personen, dem Raum, der Zeit und den übrigen sinnlich erfahrbaren Feierdimensionen bestimmt wird.9 Diese Differenzen müssen grundsätzlich bewußt bleiben, auch wenn sie im folgenden nicht weiter eigens betrachtet werden können. Um nun das Bild des Bischofs zu skizzieren, wie es das Bischofsweiheritual im Durandus-Pontifikale zeichnet, ist in einem ersten Schritt zunächst kurz zu resümieren, welche Theologie und Feiergestalt der Bischofsordination die alte Kirche ins frühe Mittelalter vererbt hat und welche neuen Akzente dann hier gesetzt wurden. Auf diesem Hintergrund kann in einem zweiten Schritt die Feiergestalt der Bischofsweihe im Pontifikale des Durandus beschreibend dargestellt werden, um in einem dritten Schritt einige der hier erhobenen charakteristischen Entwicklungen in der Liturgie der Bischofsweihe herauszustellen und mit der grundlegenden Frage nach dem mittelalterlichen Bischofsbild zu konfrontieren. 1. Die Bischofsordination der alten Kirche als Erbe an das frühe Mittelalter 1.1 Das Zeugnis der „Traditio Apostolica“ Mit Ernst Dassmann ist festzustellen, daß spätestens am Beginn des 3. Jahrhunderts an der Spitze jeder christlichen Gemeinde ein einziger Bischof stand, dem Presbyter und Diakone zugeordnet waren, wobei die „Herausbildung, theologische Begründung und institutionelle Stärkung des Bischofsamtes als eines der wichtigsten Ergebnisse der nachapostolischen Entwicklung angesehen werden muß.“10 Dem entspricht das eindrucksvolle Zeugnis der als „Traditio Apostolica“ (TrAp) bekannten und zumeist in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts datierten Kirchenordnung.11 In ihr tritt uns das bislang älteste Dokument entgegen, das 8 9
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Zur Bedeutung normativer Funktionen liturgischer Bücher vgl. Kranemann 2003; avanangh 1993, 72f. K So ist generell für das Verstehen der Liturgiegeschichte in Erinnerung zu rufen, daß nicht das schriftlich Fixierte die Liturgie ist, sondern das Handlungsgeschehen des konkreten gottesdienstlichen Feiervollzugs. Im Blick auf die neuzeitliche, durch den Buchdruck bestimmte Wahrnehmung hat Angelus A. Häußling darauf hingewiesen, daß sich mit dem Buchdruck genau jene Tendenz verstärkt habe, „daß ‚Liturgie‘ identisch ist mit dem liturgischen Buch, mit dem, was im kirchenamtlichen Buch steht und gemäß diesem getan wird.“ Häussling 1997, 216. Dassmann 1993, 354; vgl. auch Dassmann 1994, 225–230. Textedition: Botte 1989; TrAp, 141–313. – Zur weiterhin nicht ruhenden Diskussion um Alter, Verfasserschaft und lokale Zuweisung (stadtrömische oder alexandrinische Kirche) vgl. Hanssens 1965, 434–493; Steimer 1992; Markschies 1999; Markschies 2001; Bradshaw 2002, 1–6,13–15.
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einen Einblick in die frühchristliche Ordinationspraxis gewährt.12 Hier heißt es: „Zum Bischof soll eingesetzt werden, wer vom ganzen Volk gewählt wurde und wer untadelig ist. Sobald er vorgeschlagen ist und alle zugestimmt haben, soll sich das Volk am Sonntag mit dem Presbyterium und den anwesenden Bischöfen versammeln. Unter Zustimmung aller sollen diese dem Kandidaten die Hände auflegen und das Presbyterium soll still dabeistehen. Alle sollen schweigen und in ihrem Herzen um die Herabkunft des Heiligen Geistes beten. Auf die Bitte aller hin soll einer der anwesenden Bischöfe dem Kandidaten für das Bischofsamt die Hand auflegen und dabei folgendermaßen beten: „Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus...“13 – und dann folgt der Wortlaut des zu proklamierenden Ordinationsgebetes. Es erinnert in seinen anamnetischen Aussagen an den das Chaos ordnenden Schöpfergott, der auch der Kirche ihre Ordnung gibt und der von Abraham über die alttestamentlichen Herrscher und Priester bis zum neutestamentlichen Priestertum seinen Geist verleiht. Im epikletischen Teil heißt es dann in Anspielung auf Ps 50,14: „Gieße auch jetzt die Kraft des leitenden Geistes aus. Er kommt von dir, und du hast ihn deinem vielgeliebten Sohn Jesus Christus gegeben; er hat deinen Geist den heiligen Aposteln geschenkt...“14 Der Geistesgabe entsprechen die Funktionen, die der von der Ortskirche Erwählte gewissenhaft erfüllen soll, worin sich Gottes Erwählung manifestiert: „Laß Vater, der du die Herzen kennst, deinen Diener, den du zum Bischofs amt erwählt hast, deine heilige Herde weiden und als Hoherpriester dir ohne Tadel Tag und Nacht dienen. Er möge unablässig dein Angesicht gnädig stimmen und die Gaben deiner heiligen Kirche darbringen. Gib ihm die Vollmacht durch den hohepriesterlichen Geist, gemäß deiner Weisung Sünden nachzulassen, gemäß deiner Anordnung die Ämter zu vergeben und kraft der Vollmacht, die du den Aposteln gegeben hast, von jeder Fessel zu lösen.“15 Die Bischofsordination in der TrAp bildet demnach also ein Gefüge von Rechtsakt, der sich in einer wie auch immer gearteten Volkswahl niederschlägt und Segensakt, der sich vor allem im Gebet unter Handauflegung äußert. Der Segensakt der Ordination findet am Sonntag statt, also innerhalb der eucharistischen Versammlung der Ortskirche, zu deren Leitung der Amtsträger geweiht wird, der als erste Frucht seiner Ordination auch sogleich den Vorsitz der Eucharistie ergreift und damit sichtbar macht, daß aller Hirtendienst in der Leitung der gottesdienstlichen Feiern, besonders der Eucharistie kulminiert.16 Im Zentrum des Segensaktes stehen das stille Gebet der Ortskirche (Presbyterium und Volk) und das vom Bischof verlautbarte Ordinationsgebet sowie die mit dem Gebet korrelierende epikletische Handauflegung. Diese 12
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Zu Gehalt und Gestalt der Bischofsordination der Traditio Apostolica vgl. Lécuyer 1953; Stam 1969; Rordorf 1974; Richter 1975/1976; Kretschmar 1999; Chupungco 1995, 112–120. TrAp 2, 214–217. TrAp 3, 218f. TrAp 3, 218–221. Vgl. Lengeling 1970, 889–891.
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geschieht allein durch die anwesenden Bischöfe, womit der Neugeweihte vor allem als Mitglied im Ordo episcoporum erscheint und seine Einbindung in das Bischofskollegium hervorgehoben wird. Dieser Beobachtung kommt insofern Bedeutung zu, da unsere Kirchenordnung gerade in der Zuweisung der Handauflegung bei Bischofs-, Presbyter- und Diakonenordination sehr genau differenziert.17 Bemerkenswert ist, daß die Bestellung eines Bischofs im Zusammenspiel zwischen dem Volk und dem Presbyterium der Ortskirche sowie den übrigen Bischöfen als den Repräsentanten der von ihnen geleiteten Ortskirchen erfolgt. Damit bleibt erstens klar, die Ordination des Bischofs geschieht für und deshalb auch in einer bestimmten Ortskirche: Er ist Bischof seiner Kirche; erst um 1200 wird sich die Rechtslage ändern, wenn das einstige Verbot absoluter Ordinationen mehr und mehr gelockert und dann faktisch aufgegeben wird.18 Zweitens ist die Ordination des Bischofs auch ein Akt der Communio der Ortskirchen. Denn die anwesenden Bischöfe bestätigen die Wahl und leiten den Segensakt, womit sie die Einheit der kirchlichen Oikumene bezeugen, was später zur Festlegung führt, mindestens drei Bischöfe haben bei der Ordination mitzuwirken. Der von anderen Bischöfen ordinierte Bischof verkörpert damit zeichenhaft die Communio aller Ortskirchen mit der von ihm geleiteten Kirche. Handauflegung und Ordinationsgebet der TrAp lassen schließlich erkennen: Gott selbst verleiht dem Bischof seine Geistesgabe, die über den erhöhten Christus auf die Apostel gekommen ist und die den Neugeweihten in deren Nachfolge zur Leitung seiner Kirche als Hirt und Hohepriester befähigt. Dabei wird als fundamentale Aufgabe des Bischofs die Ausübung des Hirtenamtes genannt; sein hohepriesterlicher Dienst realisiert sich vor allem in der Darbringung der Eucharistie, der Sündenvergebung und der Vollmacht zur Ordination.19 1.2 Das Zeugnis des „Pontificale Romano-Germanicum“ Das recht einfache Ritual der Bischofsordination in der TrAp mit seinen klaren liturgietheologischen Aussagen wandelt sich in den folgenden Jahrhunderten. Die alten römischen Sakramentare20 wie die auf die stadtrömische Praxis zurückgreifenden Ritusbeschreibungen21 reichern die Bischofsweihe 17 18
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Vgl. die resümierende Übersicht bei Bärsch 2006, 215f. Das Verbot absoluter Ordinationen des Konzils von Chalkedon (451, Kanon 6) bezieht sich zwar explizit auf Presbyter und Diakone, umfaßt aber in seiner Intention alle Ämter. Vgl. Wohlmuth 1998–2002, 90. – Zum Aufkommen absoluter Ordinationen vgl. Vogel 1978. Zur Interpretation des Bischofsweihegebets der TrAp vgl. neben der unter Anm. 12 genannten Literatur auch Simonin 1939; Schulz 1973, 214–230; Jilek 1984, 377–391. Es handelt sich hier um die das Gebetsmaterial enthaltenen Sakramentare: das „Veronense“ (2. Hälfte 6. Jh.; vgl. Ve), das Gregorianum (1. Hälfte 7. Jh.; vgl. GrH, n. 21–26) und das Altgelasianum (Mitte 7. Jh.; vgl. GeV, n. 769/71). Es handelt sich hier um die Ordines Romani (OR), in denen sich die liturgischen Verlaufsordnungen finden: OR 34 (Mitte 8. Jh., Rom; vgl. OR III, n. 14–45); OR 35 (vgl. OR
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schon deutlich an: Von der Wahl (einschließlich einer Art Eignungsprüfung) des Kandidaten bleibt ein ritualisiertes „Examen“, das in die Liturgie selbst drängt; mit der Litanei tritt ein die Ordination unmittelbar vorbereitendes Gemeindegebet hinzu; vor allem aber unterscheidet sich das altrömische Ordinationsgebet, von alttestamentlichen Bildern beherrscht, erheblich von dem der TrAp22 und erfährt eine zusätzliche, jetzt neutestamentliche Schriftbezüge herstellende Erweiterung.23 Zudem wird die Weihe eines nichtrömischen Kandidaten nun zwischen Graduale und Halleluja-Vers angesiedelt, während die Weihe des Bischofs von Rom im Eröffnungsteil der Feier stattfindet, damit er bei der weiteren Feier von Wortgottesdienst und Eucharistie den Vorsitz führen kann.24 Mit der Übernahme der römischen Liturgie im Karolingerreich wandert auch dieses Ordinationsritual in den fränkischen Norden, wo im frühen Mittelalter ein neuer kulturell-religiöser Horizont das Klima bestimmt. Zwar bleibt es bei der überlieferten Ämterhierarchie, aber die Institutionalisierung vertieft sich und führt zu einem deutlich abgegrenzten, eigenen Klerikerstand, der – ähnlich dem Herrschertum – stark einem Drang zur Sakralisierung ausgesetzt ist. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Liturgie der Bischofsweihe. Ihr wachsen eine Reihe weiterer Zeichenelemente zu wie vor allem die aus irisch-keltischer oder auch westgotischer Tradition stammenden Salbungen des Hauptes und der Hände. Die einst durchsichtige Gestalt, Handauflegung und Ordinationsgebet, hat sich zu einem mit verschiedenartigen Elementen angereicherten Ritus fortentwickelt. Ein prominenter Zeuge dieser Periode der Liturgiegeschichte ist das römisch-deutsche Pontifikale (Pontificale Romano-Germanicum; PRG), das um 950–961/963 im Kloster St. Alban zu Mainz geschrieben wurde und eine sehr umfangreiche Sammlung von Texten und Riten enthält.25 Es erlebte eine große Verbreitung in ganz Europa und gelangte auch nach Rom. Hier nahm es einen wesentlichen Einfluß auf die weitere Entwicklung der bischöflichen Riten und ihre Kodifizierung in den römischen Pontifikalien des Mittelalters. Was die Festlegung der Ordinationsliturgie betrifft, so läßt bereits die Trennung des nun „Ordo qualiter in romana ecclesia presbiteri, diaconi vel subdiaconi eligendi sunt“ genannten Formulars vom Ritus der „Ordinatio episcopi“ einen tiefgreifenden Wandel erkennen. Die in der TrAp noch klare innere Bezogenheit der Ämtertrias, deren theologischer Bezugspunkt
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IV, n. 38–74); die den Sonderfall der Weihe des römischen Bischofs betreffenden OR 40A und 40B können für unseren Zusammenhang vernachlässigt werden. Vgl. Ve 947; GrH 23a/b. – Zur Sache vgl. Kleinheyer 1987. Die älteste Bezeugung dieser Katene stammt vom Ende des ersten Drittel des 8. Jahrhunderts. Vgl. GeV 770; der Einschub findet sich auch im Missale Francorum (GaF 40) und im Sakramentar von Gellone (GeG 2549/2550); vgl. Kleinheyer 1987, 723f. Vgl. Lengeling 1970, 891f. 896–899. Textedition: PRG. Das PRG enthält allerdings recht disparates Material, so viele nichtbischöfliche Riten, aber auch didaktische und juristische Texte. Vgl. dazu Vogel 1986, 230–239; Klöckener 1986b, 29f.; Palazzo 1993, 210–215.
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das Bischofsamt bildet, ist im PRG buchorganisatorisch gelöst zugunsten einer neuen Sicht, die den Presbyterat als Höhepunkt einer klerikalen „Karriere“ wertet. Bildet doch im Aufbau des PRG der genannte Ordo für die höheren Weihen den Abschluß der aufsteigenden Riten von der Tonsur bis zur Presbyterordination.26 Demgegenüber findet sich die Ordnung für die Bischofsordination an völlig anderer Stelle des Buches und zwar bezeichnenderweise der Herrscherweihe und -krönung vorausgehend.27 Hier handelt es sich also keineswegs um ein Versehen der Mainzer Schreibermönche, vielmehr haben sie die Konsequenzen aus der gewandelten Sicht des Bischofsamtes gezogen: Es bildet offenbar schon nicht mehr das theologische Zentrum des kirchlichen Amtes, sondern wird im Zuge der Idee von den beiden Gewalten Christi als „rex et sacerdos“ jetzt vorrangig wahrgenommen als die priesterliche Ergänzung zur königlichen Vollmacht des sakralisierten Herrschers.28 Der Weg ist nun nicht mehr weit, dem Episkopat die Sakramentalität abzusprechen, da die Bischofsweihe kein „Mehr“ an priesterlicher, d.h. hier konsekratorischer Vollmacht in corpus Christi verum vermittelt,29 wogegen sich seine jurisdiktionelle Vollmacht in corpus mysticum bestens mit der ZweiGewalten-Lehre der Karolingerzeit verbindet.
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Vgl. PRG XVI (PRG, I, 20–36). Das Pontifikale beginnt mit der Ordnung für die rituelle Haarschur und die Tonsur der pueri und der Kleriker (PRG I-III) und bietet später den „Ordo qualiter in romana aecclesia sacri ordines fiunt [i.e. psalmista, ostiarius, lector, exorcista, acolytus]“ (PRG XV). Vgl. PRG LXIII (PRG, I, 200–226). Nach weiterem Material zur Bischofsweihe und dessen Jahrtag (Natale episcopi) folgen die Riten zur Herrscherweihe und Krönung (PRG LXXII [PRG I, 246–259]; PRG LXXVI [PRG I, 265f.]). Es dürfte kaum Zufall sein, daß sich im 9. Jahrhundert die gelasianische Zwei-GewaltenLehre in Bezug auf Episkopat und Herrscher neu durchsetzt. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht die Argumentation auf dem Konzil von Paris 829, wonach die Kirche einen Corpus bildet, an dessen Spitze Christus (etwas später als „rex et sacerdos“ bezeichnet) steht, dessen zwei Gewalten auf Erden von Bischof (priesterliche Gewalt) und Herrscher (königliche Gewalt) wahrgenommen wird (Concilium Parisiense a. 829, c. 2f., 610f.). Zur Sache vgl. Angenendt 2005d, 314–326. Bekanntlich setzt sich seit dem 9. Jahrhundert die Sicht des Hieronymus (In ep. ad Titum 1,5, 562; Hieronymus, Ep. 146, 310; vgl. Lécuyer 1954) durch, wonach die Bezeichnungen episcopus und presbyter ursprünglich als dasselbe zu gelten habe. In der Folgezeit leitend wird aber der Gedanke, daß ein Bischof dem Priester gegenüber keine größere sazerdotale Vollmacht habe, nämlich Brot und Wein zum Leib und Blut Christi zu konsekrieren. Darum zählt Petrus Lombardus (Lombardus Sent IV, 24, 2; IV, 24, 11–14) im Anschluß an Ivo von Chartres (Ivo von Chartres Panormia III, 5) und Hugo von St. Viktor (Hugo von St. Viktor Summa de sacramentis christianae fidei II, 3, 12–13, 428–430) sieben Weihestufen, von denen der Episkopat aber auszuschließen und lediglich als Sakramentale anzusehen sei. Auch wenn andere Theologen diese Sicht bestreiten (etwa Guido von Orchelles, Magister Simon, Wilhelm von Auxerre, Gabriel Biel u.a.), kann sich bekanntlich die Lösung bei Thomas (S.th. Suppl. 40,4; Sent. IV, 17, 3, 3; 5) durchsetzen, die den Episkopat lediglich als Würdegrad anerkennt. Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Landgraf 1955, 289–302; Ott 1969, 50f., 87–96.
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Aber nicht nur formale Änderungen sind zu konstatieren. Auch inhaltlich setzt das PRG bemerkenswerte Akzente, denn es bietet für die Bischofsweihe eine reiche Materialsammlung, in der die altrömische Überlieferung mit Neuerungen aus keltisch-fränkischer Praxis kompiliert wurde. Verbunden mit der Tendenz, die Rubriken genauer und detaillierter zu fassen, entsteht ein recht umfangreiches Gebilde der Bischofsordination. Neu hinzu treten ein breit angelegtes, ritualisiertes „Examen“, dem sich der Erwählte zu unterziehen hat und das aus der altgallischen Tradition zugewachsen ist.30 Die Litanei, die Handauflegung durch alle anwesenden Bischöfe sowie das Gebetsensemble mit dem Weihegebet entstammen im wesentlichen der altrömischen Tradition.31 Ein eklatantes Novum bilden dann aber die schon erwähnten Salbungen, eine Hauptsalbung, die in den Verlauf der Weihepräfation eingefügt ist, sowie eine Salbung der Hände und des rechten Daumens im Anschluß an das Ordinationsgebet.32 Schließlich ist die Segnung und Übergabe von Ring und Stab erwähnenswert,33 die dem Trend der zeitgenössischen Weiheliturgie entsprechen, Überreichungsriten aufzunehmen und auszugestalten.34 Das PRG wirkt formbildend auf die weitere Entwicklung. So nimmt es nicht wunder, den hier genannten Elementen im Durandus-Pontifikale wieder zu begegnen, wo wir sie im Blick auf das Bild vom Bischof und seinem Amt im Mittelalter etwas näher betrachten. 2. Die Bischofsordination im Pontifikale des Wilhelm Durandus von Mende 2.1 Der Pontificalis ordinis liber (1293/1295) Bekanntlich ist Wilhelm Durandus der Ältere (um 1230–1296) neben seiner Tätigkeit als Kanonist an der päpstlichen Kurie vor allem durch seine liturgisch-pastoralen Werke hervorgetreten, mit denen er maßgeblich die Geschichte der „römischen“ Liturgie des späteren Mittelalters bis in das 20. Jahrhundert geprägt hat.35 Wie sein Rationale divinorum officiorum die allegorische Liturgieerklärung der Neuzeit vermittelt hat,36 so nahm sein Pontificalis 30
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Incipit examinatio in ordinatione episcopi secundum Gallos (PRG LXIII, (12)–(16), 12–16 [PRG I, 200–205, 207–212]). In einem Zweig der Handschriften des PRG erfolgt das Examen vor der Messe, im anderen Zweig nach der Collecta. Vgl. PRG LXIII, 29–35 (PRG I, 216–219). Dabei ist zu beachten, daß die schon erwähnte gelasianische Erweiterung des Ordinationsgebetes nicht zur spätantiken römischen Bischofsordination gehört. Vgl. oben Anm. 23. Vgl. PRG LXIII, 36–37 (PRG I, 219f.). Vgl. PRG LXIII, 38–45 (PRG I, 220–223). Vor allem Presbyter- und Diakonenordination werden nun durch die Traditio instrumentorum, ehedem ein Signum für die Bestellung der niederen Dienste, ausgezeichnet. Vgl. Bärsch 2006, 218f. Zu Biographie und Werk des Wilhelm Durandus d. Ä. vgl. Durand ; Maier 2002. Textedition von Durandus Rationale divinorum officiorum; zum Werk vgl. Maier 2002, 350–353.
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ordinis liber, vom Verfasser durchaus unbeabsichtigt, weitreichenden Einfluß auf die Gestalt der bischöflichen Riten der römischen Liturgie. Sie blieb über ihre Kodifizierung im nachtridentinischen Pontificale Romanum 1595/1596, von unbedeutenden Retuschen abgesehen, im wesentlichen bis zum Vorabend des Zweiten Vatikanischen Konzils in Geltung.37 Sein zwischen 1293 und 1295 verfaßtes Pontifikale verdankt seine Entstehung wohl der Tatsache, daß Wilhelm Durandus nach langjähriger kurialer Tätigkeit selbst Bischof der südfranzösischen Diözese Mende wurde und auf ein Buch für seine pontifikalen Funktionen angewiesen war. So besteht die Leistung des Durandus vor allem darin, erstmals ein Pontifikale geschaffen zu haben, das ganz auf die Bedürfnisse der bischöflichen Liturgie zugeschnitten ist und ein einheitliches und vollständiges Werk darstellt. In seinem Aufbau folgt es einer inneren Systematik und ist in der Anordnung der einzelnen Elemente der Ordines wie in der präzisen Darbietung der Riten leicht handhabbar und benutzerfreundlich. Weil er bei der Abfassung seines Werkes nicht nur seinen Sprengel Mende und die Bistümer seines Metropolitanbezirks Bourges im Blick hatte, sondern auch andere Diözesen der römisch-fränkischen Liturgietradition, zeichnet Durandus verschiedene Bräuche nebeneinander auf, die er gelegentlich zu kommentieren und zu beurteilen weiß. 2.2 Einordnung, Aufbau und Feiergestalt der Bischofsordination im Durandus Pontifikale Durandus gliedert sein Pontifikale in drei Teile, wobei er die Ordinationen als Teil der Personensegnungen im weiteren Sinne im ersten Buch verzeichnet. Nach der Ordnung für die Firmsalbung und die Tonsur folgen aufeinander die Ordines minores,38 sodann die Ordines maiores, zu denen Durandus gemäß der weit verbreiteten Lehrmeinung seiner Zeit Subdiakonat, Diakonat und Presbyerat zählt.39 Daran schließt sich der Ritus „de examinatione, ordinatione et consecratione episcopi“ an.40 Die im PRG beobachtete Zuordnung der Bischofsordination zur Herrscherweihe ist hier also rückgängig gemacht. Dahinter dürfen wir aber eben keine sakramentale Wertung des Episkopats 37
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Textedition: PontRom; zum Werk vgl. Vogel 1986, 253–255; Klöckener 1986b, 34–38; Klöckener 1986a, 397f.; Maier 2002, 356–360. – Zur Bedeutung und Wirkung des nachtridentinisch vom Papst herausgegebenen, für die ganze römische Kirche verpflichtend vorgeschriebenen Pontificale Romanum vgl. Haunerland 2002, 452f. (weitere Literatur 452 Anm. 80); Klöckener 2004, 82–84, 92–100, 108–127 (Tabellarischer Vergleich des nachtridentinischen und nachvatikanischen Pontifikale). „De septem ordinibus ecclesiasticis dicturi, premittimus quod non sacri et minores ordines sunt quatuor, videlicet hostiariatus, lectoratus, exorcistatus et acolita.“ PontDur I, 5, 1 (PontRom III, 338). „Sacri et maiores ordines sunt subdiaconatus, diaconatus et presbiteratus. Episcopalis autem ordo sub appellatione sacrorum ordinum simpliciter non intelligitur, quoniam illa summitas sacerdotii culmen et apex atque thronus dicitur dignitatis.” PontDur I, 10, 1 (PontRom III, 348). PontDur I, 14, 1–66 (PontRom III, 374–393).
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sehen, sondern eine dem erklärten Ordnungswillen des Durandus erwachsene Entscheidung.41 Nach der aus alter römischer Tradition übernommenen Vorstellung und Prüfung des Kandidaten am Vorabend des Weihetages42 beschreibt Durandus den Verlauf der Bischofsweihe, die am Sonntag stattfinden soll.43 Im Anschluß an Epistel und Graduale tritt der Erwählte, begleitet von zwei Bischöfen, vor den Metropoliten, der mit der kurzen Belehrung, der Bischof solle richten, auslegen, heiligen, firmen, ordinieren, opfern und taufen, an die bischöflichen Aufgaben erinnert. Es folgt die Litanei, zu der sich alle auf dem Boden niederwerfen.44 Wohl in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts wurde sie um Sonderanrufungen erweitert,45 die Durandus aber nicht mehr den Kantor, sondern den Konsekrator selbst singen läßt, der zudem bei den gesteigerten Bitten um die Segnung, Heiligung und Weihe des Erwählten jeweils ein Segenskreuz über den Kandidaten zu zeichnen hat.46 Sicher bezeugt sich in diesem Detail exemplarisch die Tendenz, speziell die sakralisierenden Elemente liturgischer Riten aufzuwerten und durch Stilisierung und Solemnisierung zu intensivieren, wodurch sich freilich die Gewichtung der zentralen Ordinationsvollzüge verschiebt. Durandus überliefert getreu den im Westen bereits durch die Statuta ecclesiae antiqua bezeugten Ritus,47 bei dem zwei Bischöfe das geöffnete Evangeliar „super caput et scapulas consecrandi“ halten.48 In seinem Rationale deutet Durandus den Ritus zwar zunächst als Hinweis auf Christus, der das Evangelium im Herzen des neuen Bischofs festigt und verankert; nimmt aber dann die zu seiner Zeit gängige und weitverbreitete Begründung auf, so solle das Joch des Evangeliums und die Last und Beschwernis seiner Verkündigung dar41
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Durandus konnte dazu auf die entsprechende Regelung in den ihm bekannten römischen Pontifikalien des 12. und 13. Jahrhunderts zurückgreifen. Vgl. PontRom I, 138–152; PontRom II, 351–368. Vgl. PontDur I, 14, 1–13 (PontRom III, 374–377). Es handelt sich dabei im wesentlichen um das Verfahren bei der Bischofsweihe auswärtiger Kandidaten in Rom gemäß OR 34,14–45; vgl. dazu Kleinheyer 1984, 30f. Durandus weist kurz hin auf die verschiedenen Bräuche in Rom und Gallien, das Examen am Vorabend bzw. am Weihetag selbst vorzunehmen. Vgl. PontDur I, 14, 17–19 (PontRom III, 378f.). Die Prostratio aller zur Litanei bezeugt bereits OR 34, 39 (OR III, 612f.). Vgl. OR 35A, 7 (OR IV, 74). Vgl. PontDur I, 14, 28 (PontRom III, 381f.). Der Ritus begegnet erstmals um 380 in Westsyrien (Funk DCA 1, 462f.) und ist durch die Statuta ecclesiae antiqua mindestens um 480 in Südgallien bekannt, allerdings bereits in der Weise, daß anstelle der Diakone Bischöfe das Evangeliar auf den Nacken [!] des Weihekandidaten legen (StEA 90. 92). In der römischen Liturgie der Bischofsordination finden wir diesen Ritus spätestens seit dem 6. Jahrhundert bezeugt (OR 40A, 5 [OR IV, 297]), wobei hier aber noch Diakone den Kodex über dem Haupt des Elekten halten. „[...] consecrator aperit codicem evangeliorum, ponens illum super caput et scapulas consecrandi, et duo episcopi sustinent illum, littera ex parte inferiori manente.“ PontDur I, 14, 29 (PontRom III, 382).
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gestellt sein.49 Die nun folgende, seit alter Zeit unter „schweigendem Gebet“ vollzogene epikletische Handauflegung hatte sich für die Presbyterordination bereits seit der Mitte des 12. Jahrhundert zu verändern begonnen, indem das Deutewort „Accipe Spiritum Sanctum“ den Gestus begleitet.50 Durandus greift dieses Deutewort nun auch für die Bischofsweihe auf und übermittelt damit ein nicht unproblematisches Element in den römischen Ritus. Der Impuls für solche Spendeformeln liegt zweifelsohne in dem scholastischen Schema von Materie und Form begründet und war sicher von theologischen, besser juristischen Überlegungen veranlaßt, für die ein Gebet als forma sacramenti zu undeutlich galt und die Validität gefährdet erscheinen ließ. Tatsächlich hat dann ja auch das Tridentinum in der Formel „Accipe Spiritum Sanctum“ die Verleihung des character indelebilis gesehen.51 Demgegenüber hält sich Durandus bezüglich des Weihegebetes wieder an die frühmittelalterliche Überlieferung, die wie angedeutet ein recht komplexes Gebilde von Collecta (Propitiare, Domine, supplicationibus nostris; eigentlich das Litaneischlußgebet) und Weihegebet in Form einer Präfation (Deus, honor omnium dignitatum) mit späterem Einschub (Sint speciosi munere) darstellt. Der ältere Kern des anamnetisch-epikletischen Weihegebetes zeichnet den Bischof im Bild des alttestamentlichen hohenpriesterlichen Amtes und beschreibt ihn als Anti-Typus zu Aaron und seinem äußeren kleidvollen Schmuck als den, dessen Glanz sich nicht in äußerem Aufwand, sondern in seinem inneren Leben und Wandeln widerspiegeln soll.52 Der jüngere Einschub verläßt die altbundliche Typologie und ist ganz von neutestamentlichen Schriftbezügen geprägt: Aus dem Erben Mose und Aaron als Haupt einer Ortskirche ist der Bischof hier mehr der Nachfolger der Apostel geworden. Er erscheint als frühmittelalterlicher Missionsbischof, der ständig unterwegs ist, das Evangelium vom Frieden zu verkünden und den Dienst der Versöhnung zu leisten. Bruno Kleinheyer hat wohl nicht zu unrecht vermutet, daß im 8. Jahrhundert, in der die Katene erstmals bezeugt ist, die typologische Deutung nicht mehr recht befriedigte konnte. Man wollte wohl konkreter, unmittelbarer und vor allem mit den Worten Christi und seiner Apostel vom Bischofsamt reden.53 Aber ein anderer, für das Ordinationsritual und sein theologisches Verständnis vom Bischofsamt weitaus folgenreicherer Eingriff hat das Weihegebet durch die Hauptsalbung mit Chrisam ausgestaltet, die bereits Hinkmar von Reims in seinem bekannten Brief an Adventius von Metz (869/870) beschreibt.54 Den 49
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Vgl. Durandus Rationale divinorum officiorum II, 11, 8 (173). – Demgegenüber dürfte der Evangeliarritus aber wohl eher als eine Art „Verlängerung“ der epikletisch zu deutenden Handauflegung verstanden werden. Vgl. Kleinheyer 1984, 29. Vgl. Lengeling 1969, 148. Vgl. Konzil von Trient, 23. Sitzung, Kanon 4 (Wohlmuth 1998–2002, III, 744). Zum Symbol- und Allegorieverständnis des Gebetes vgl. Kleinheyer1987, 714–720. Vgl. GeV n.770; der Einschub ist bereits im Missale Francorum (GaF n. 40) und in den Junggelasiana (etwa GeG 2559/2560) bezeugt. Zur Sache vgl. Kleinheyer 1987, 723f. „Ut autem ventum fuerit ad loca, in quibus sunt cruces signatae accipiat consecrator vas chrismatis in sinistra manu et cum dextro pollice, cantans quae ibidem continentur, per
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auslösenden Impuls für eine solche Salbung gab die Bitte des Gebets, „heilige ihn [den Erwählten] durch das überströmende himmlische Salböl. Herr, dieses Öl, fließe reich über sein Haupt, es überströme sein ganzes Antlitz und rinne herab über alle Glieder seines Leibes; so erfülle die Kraft deines Geistes sein Inneres und umhülle ihn ganz und gar.“55 Die hier eingeschobene Hauptsalbung wollte zunächst wohl nichts anderes sein als eine zeichenhafte Interpretation der Epiklese. Aber in einem Klima, das eine metabolische Sakramentsauffassung stark begünstigte,56 und unter dem Einfluß der schon früher bezeugten Händesalbung bei der Presbyterordination57 erhielt die Salbung eine so isolierte Eigenständigkeit, die sie schon rein phänomenologisch zum hochbedeutsamen Element des ganzen Rituals machen mußte.58 Darum nimmt es nicht wunder, wenn die Salbung bei Durandus zu einem entfalteten Ritus geworden ist.59 Er selbst greift zudem aus den Ortskirchen seiner Umgebung die Neuerung auf, zur Salbung die Pfingstsequenz „Veni sancte Spiritus“ anzustimmen60 und läßt die beteiligten Bischöfe die Salbungsformel gemeinsam rezitieren.61 Aus der Praxis seiner Zeit übernimmt Durandus schließlich die an das Weihegebet angeschlossene Salbung der Hände und des rechten Daumens,62 mit dem der künftige Bischof seinerseits Salbungen vornehmen
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singula loca faciat crucem de chrismate in verticem consecrandi.“ Vgl. Andrieu 1953, 39f. Vermutlich ist das Sakramentar von Gellone vom Ende des 8. Jahrhunderts ein früher Zeuge der Hauptsalbung, weil es im Ordinationsgebet nach Zeile 19 mit „Per“ eine Konklusionsformel andeutet (GeG 2549) und mit „Item“ in Zeile 20 neu einsetzt (GeG 2550). Mutmaßlich wurde hier die Salbung eingeschoben. Vgl. dazu Kleinheyer 1972, 262. „[...] caelestis unguenti flore sanctifica. + Hoc domine copiose in caput eius influat, + hoc in oris subiecta decurrat, + hoc in totius corporis extrema descendat, uit tui spiritus virtus et interiora eius repleat, et exteriora circumtegat.” Hier nach Kleinheyer 1987, 715f. Vgl. Angenendt 2005a, 20f.; Angenendt 2005b, 62–66. Die Frage, ob die Ordinationssalbungen aus irisch-keltischer oder westgotischer Tradition stammen, ist heute wieder offen (vgl. Kottje 1964; Prelog 1979). – Ein zentrales Motiv für die Einführung einer Händesalbung bei der Presbyterordination ist sicher die Forderung, der Priester solle heilige Handlungen „mit reinen Händen“ ausführen. Vgl. Kleinheyer 1962, 114–122; Angenendt 2005c, 257–261. So berichtet etwa Thietmar von Merseburg im Hinblick auf seine Bischofsweihe, er sei „in regis presentia crismate in sacerdotem perunctus“ (Thietmar Chronicon, 324), womit er seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, der Kern der Ordination bestehe in der Salbung. Vgl. dazu Engels 1987, 726f. Vgl. PontDur I, 14, 33–36 (PontRom III, 383–385). Vgl. PontDur I, 14, 33 (PontRom III, 383); vgl. dazu Kleinheyer 1972, 264f. „[...] tam ipse quam alii episcopi dicunt quasi legendo: Ungatur [!] et consecretur caput tuum...“ – PontDur I, 14, 33 (PontRom III, 383); vgl. dazu Kleinheyer 1972, 265–267. – Die Formel selbst erscheint erstmals um 900 in einem Pontifikale von Cahors. Vgl. Andrieu 1953, 49; Kottje 1964. Vgl. PontDur I, 14, 36 (PontRom III, 384f.). Die Daumensalbung taucht zusammen mit der Formel Deus et pater zuerst auf im PRG LXIII, 37 (PRG I, 220). Zur Sache vgl. Kleinheyer 1972, 267f. – Allerdings äußert sich Durandus kritisch zur Daumensalbung, da sie nicht dem Brauch der römischen Kirche entspreche. Vgl. PontDur I, 14, 37 (PontRom III, 385).
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wird,63 verbunden mit dem Begleitgesang von Psalm 133(132), der die brüderliche Eintracht mit dem Salböl Aarons vergleicht.64 Es bleibt aber nicht bei diesen Ergänzungen. Ähnlich den anderen Ordinationen treten auch bei der Bischofsweihe, zunächst im 7. Jahrhundert in der spanischen Kirche,65 dann auch im Frankenreich, Übergaberiten hinzu.66 Dazu gehörten vor allem Ring und Bischofsstab, die beide zunächst außerliturgische Bedeutung besaßen und erst später in den gottesdienstlichen Gebrauch (Abecedarium bei der Kirchweihe, Prozessionen) genommen wurden.67 Dabei haben offenbar liturgische Funktion und Aufnahme in das Ordinationsritual gegenseitig verstärkend gewirkt. Aber zweifellos war der beherrschende Impuls für das gestiegene Interesse an den tradtiones instrumentorum die Vorstellung, mit den Amtsinstrumenten auch das Amt selbst verleihen zu können.68 Dabei ist für die Bischofsweihe zudem zu bedenken, daß im Zuge des Reichskirchensystems auch die Herrscher für sich beanspruchten, durch Ring- und Stabübergabe die Bischofsinvestitur zu vollziehen, weshalb beide Symbole zweimal (beim Erhebungsvorgang und bei der Weihe) übereicht wurden.69 Wie stark die Symbolik etwa des Bischofsstabes sprach, macht ein Detail bei der Errichtung des Bistums Bamberg deutlich: Seine Bereitschaft, auf einen Teil seines Bistumsgebietes zugunsten des neuen Sprengels zu verzichten, realisierte Bischof Heinrich von Würzburg, indem er 1007 seinen Stab an Kaiser Heinrich II. übergab.70 Diese Konzentration auf Ring und Stab sichert den Übergaberiten nicht nur eine besondere Aufmerksamkeit, sondern bereitet auch den Boden für eine entfaltete Gestaltung mit entsprechenden Konsequenzen für die Theologie der Bischofsweihe. In der Tat läßt schon das PRG der Übergabe je eine Segnung von Ring und Stab vorausgehen und gibt der traditio jeweils ein Deutewort bei,71 das in einer Handschrift des Pontifikales sogar die bezeichnende Erweiterung kennt: „Accipe baculum pastoralis officii [id est potestatem ligan63 64
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Vgl. Andrieu 1930. Vgl. PontDur I, 14, 35 (PontRom III, 384). – Mit Ps 133(132), Ecce quam bonum, ist die Antiphon Unguentum in capite, verbunden. Als Begleitgesang zur Händesalbung hat Kleinheyer sie erstmals in einem Pontifikale aus Reims (2. Hälfte 11. Jahrhundert) ausfindig gemacht; vgl. Kleinheyer 1972, 268–270. Isidor von Sevilla sieht im Stab ein Zeichen der geistlichen Jurisdiktion, im Ring hingegen ein bischöfliches Ehrenzeichen. Vgl. Isidor von Sevilla De ecclesiasticis officiis II, 5, 56–64; vgl. auch das 4. Konzil von Toledo 633, Kanon 28 (Vives 1963, 202f.). Zur Geschichte der Übergaberiten vgl. jetzt Lameri 1998. Vgl. Salmon 1960, 17–32; Engels 1987, 756–761; zum Bischofsstab vgl. jetzt auch Töbelmann 2010 und Töbelmann 2011, 79–142. Zum kultur- und rechtsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Lameri 1998, 171–177. Dabei muß man davon ausgehen, daß sich die Übergabe von Ring und Stab wie die Riten der Inthronisation und Ordination über eine längere Zeit hinziehen und zu verschiedenen Orten erfolgte konnte, wie dies etwa für die Erhebung Gundekars II. als Bischof von Eichstätt bezeugt ist. Vgl. Engels 1987, 726 Anm. 66; zur Sache vgl. Engels 1987, 758. Vgl. Thietmar Chronicon VI, c. 30–31; dazu und zu weiteren Beispielen vgl. Engels, 759. PRG LXIII, 38–45 (PRG I, 220–223); vgl. Lameri 1998, 87f.
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di atque solvendi]...“72 Durandus hat die letztgenannte Variante zwar nicht expressis verbis übernommen, aber die bei ihm voll ausgestaltete traditio läßt keinen Zweifel: Zusammen mit den Salbungen liegt hier das Schwergewicht des ganzen Ordinationsritus.73 Mit dem Stab als Stütze in der Schwachheit wird der Bischof als Hirte angesprochen, der streng und mild sein Amt ausübt;74 mit dem Ring als Zeichen heiliger Treue wird der Bischof in Anspielung auf die brautähnliche Verbindung Christi mit seiner Kirche, seiner Ortskirche anvertraut, die er unbefleckt bewahren soll.75 Bemerkenswert ist schließlich auch eine Übergabe des Evangelienbuches, die noch einmal an den zentralen Verkündigungsauftrag des Bischofs erinnert.76 Wie sehr Durandus an den Übergaberiten liegt, beweist er durch die Zufügung eines Ritenkreises nach der Kommunion. Hier wird dem neugeweihten Bischof mit einem Gebet und Begleitwort die Mitra aufgesetzt, wobei die Deutung der beiden Hörner als Zeichen für das Alte und Neue Testament heraussticht, aber auch auf das strahlende Antlitz des Mose und der Kopfschmuck des Aaron angespielt wird.77 Zudem erhält der Bischof auch die Pontifikalhandschuhe, mit deren Benediktion die Hände als Organe rechten Handelns vorgestellt werden. Überdies tritt der Gedanke hervor, in den Händen des Bischofs stellen sich sakramental die Hände Gottes und Christi dar, weshalb im Bild der Handschuhe auch das Reinigungsmotiv präsent ist.78 Abschließend wird der Neugeweihte zur Kathedra geleitet, auf der er Platz nimmt,79 ein 72 73
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PRG LXIII, 41 (PRG I, 222, App. 41,7). Vgl. Lameri 1998, 100–103. – Das zeitgenössische Verständnis der Traditio instrumentorum offenbart sich noch einmal, wenn in einer Handschrift des Durandus-Pontifikale eine Forma degradationis geschildert wird, bei der dem Degradierten in umgekehrter Reihenfolge zu seiner Ordination die Instrumente und liturgischen Gewandstücke rituell abgenommen werden. Vgl. PontRom III, 680–682. Benedictio baculi mit Oration Sustentator imbecillitatis und Übergabeformel Accipe baculum pastoralis officiis. Vgl. PontDur I, 14, 39 (PontRom III, 385); zur allegorischen Deutung des Bischofsstabes vgl. auch Durandus Rationale divinorum officiorum III, 15, 1–7, 214–217. Benedictio anuli mit Oration Creator et conservator humani generis, dator gratiae spiritualis und Übergabeformel Accipe anulum fidei. Vgl. PontDur I, 14, 41–42 (PontRom III, 385f.); zur allegorischen Deutung vgl. Durandus Rationale divinorum officiorum III, 14, 1–4, 213f. Übergabeformel Accipe evangelium et vade. PontDur I, 14, 43 (PontRom III, 386). Eine Übergabe des Evangeliars findet sich bereits als Nachtrag in einer Handschrift des PRG (vgl. PRG I, 222, App. 43,5). Benedictio mitre mit Oration Domine Deus, pater omnipotens, cuius preclara bonitas est und Deutewort Imponimus, domine, capiti huius antistitis. PontDur I, 14, 55–56 (PontRom III, 389); zur allegorischen Deutung vgl. Durandus Rationale divinorum officiorum III, 13, 1–11, 209–213). – Zur Sache vgl. Engels 1987, 744–749. Benedictio mit Oration Omnipotens creator, qui homini ad ymaginem tuam condito manus digitis discretionis insignitas und Deutewort Circumda, domine, manus huius ministri tui. PontDur I, 14, 59–60 (PontRom III, 390); zur allegorischen Deutung vgl. Durandus Rationale divinorum officiorum III, 12, 1–4, 207f. Vgl. PontDur I, 14, 61 (PontRom III, 391). Es schließen sich hier als Elemente der Inthronisation der Hymnus Te Deum laudamus mit der Antiphon Firmetur manus tua, die Oration Deus, omnium fidelium pastor et rector und der Segen des Neugeweihten an.
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itual, das seinen Vollsinn nur entfalten konnte, wenn es sich um die OrdiR nation eines Diözesanbischofs in seiner Kathedrale handelte, der mit seiner Weihe auch Besitz von seinem Bistum ergriff.80 Daß dies ja keineswegs selbstverständlich war, beweist Durandus selbst: Er wurde zwischen dem 1. Juni und dem 25. Oktober 1286 vom Erzbischof von Ravenna zum Bischof geweiht, zog aber erst 1291 in seine Kathedrale ein.81 Das bemerkenswerte Interesse des Mittelalters an den rituell-dinglichen Formelementen der Liturgie findet schließlich ihren Ausdruck in der bildlichen Illustration der Bischofsweihe in Sakramentaren und Pontifikalien.82 Einerseits vermochten die Darstellungen das rituelle Geschehen anschaulich zu machen und zugleich für den konkreten gottesdienstlichen Vollzug ein plastisches Vor-Bild vor Augen zu stellen. Andererseits ist die jeweilige Auswahl der Bildszenen in den Handschriften (und späteren Drucken) signifikant für das leitende Verständnis der Bischofsweihe jener Zeit, wobei zu beachten ist, daß die Miniaturen ihrerseits verstärkend auf die Vorstellungswelt der Nutzer und Betrachter einwirkten und damit nicht unwesentlich zur Verschiebung in den Gewichten des Ordinationsrituals beitrugen.83 3. Bischofsordination als Zeugnis für das Bischofsbild im Hohen Mittelalter Was läßt sich abschließend aus den zugegeben stark gerafften historischen und theologischen Beobachtungen anhand der Ordinationsliturgie für das Bild des Bischofs im Hochmittelalter festhalten? Die Antwort darauf kann nur auf einige Aspekte eingehen und muß – wie schon unser Überblick angedeutet hat – die liturgieimmanenten Wandlungen und Veränderungen in Wort- und Zeichengestalt mit den zeitgenössischen Entwicklungen zusammen sehen. Für das Gesamtbild ist festzuhalten, daß die Ordinationsliturgie ein besonders markantes Beispiel für eine typische Tendenz der mittelalterlichen Liturgiegeschichte bietet, nämlich für die Juxtaposition des Neuen zum Alten.84 So konnten wir am Zeugnis des Durandus-Pontifikale sehen, daß dem Ritus der Bischofsweihe reichlich Neuerungen zuwachsen, ohne alte Elemente einfach abzulösen und verschwinden zu lassen, allerdings mit der fatalen Konsequenz, ehedem Zentrales zu verdecken oder zu einem Randphänomen zu machen.85 Auf diese 80 81 82
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Vgl. Engels 1987, 749–754. Vgl. Maier 2002, 348. Vgl. Frere 1908, 2–43; Reynolds 1983; Biblioteca Apostolica, 40–43; vgl. dort auch 378 die Abbildung der Stabübergabe im Pontifikale des János Vitéz d.J. (Mailand ca. 1489–1490; Ottob. Lat. 501, fol. 38r) und die Studie von Palazzo 1999. Zur Wechselbeziehung zwischen Bild und Text in liturgischen Büchern vgl. Palazzo 1999 und die auch die methodischen Aspekte bedenkende Darstellung von Neuheuser 2006, 509–515. Vgl. Fiala 1971. Die Scheu, alte Elemente der Liturgie zu tilgen, dürfte einerseits auf religionspsychologische Gründe zurückgehen (was sich einst als segensverheißend erwiesen hat, wird
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Weise bleibt zwar die altkirchliche Überlieferung erhalten (Gebetstexte, Handauflegung), kann sich gegenüber den eigentlich ergänzenden, aber inzwischen als dominierend wahrgenommenen rituellen Vollzügen kaum mehr Gehör verschaffen. Diese Verschiebungen der liturgischen Feiergestalt reflektieren die längst eingesetzten Wandlungen religiöser Mentalität, theologischer Positionen und politischer Orientierungen und wirken ihrerseits darauf wiederum verstärkend ein. Was als materiale Anreicherung der Feiergestalt der Liturgie konstatiert werden kann, kann aber zugleich als reduzierender oder zumindest verändernder Eingriff in ihren Feiergehalt gelesen werden. So fällt zunächst ins Auge, daß in den ersten christlichen Jahrhunderten die Wahl und Ordination eines Bischofs sich im Raum und unter Mitwirkung der betreffenden Ortskirche realisierte. Durch die Teilnahme der Bischöfe der weiteren Teilkirchen wurde der Bischof nicht nur als Leiter seiner Ortskirche sichtbar, sondern bildete in Person die Communio der Oikumene ab, weshalb er, wie die von allen Bischöfen vorgenommene Prüfung und Handauflegung sichtbar machte, vor allem als Mitglied im Bischofskollegium in Erscheinung trat. Demgegenüber verschieben sich seit der Spätantike die politischen, kanonistischen und theologischen Koordinaten zunehmend: Der Bischof tritt in seiner Funktion als erster Pastor seiner Kirche zurück und wird als Adeliger vorrangig Teil eines politischen Systems, in dem er als (monastischer) Missionsbischof erscheint, dann als Garant für die geistlichjurisdiktionelle Macht dem Herrscher zugeordnet ist. Die Auswirkungen lassen sich in der Ordinationsliturgie ablesen: Sie findet nicht mehr zwingend unter Teilnahme von Klerus und Laien der Ortskirche statt, von einer Wahl ist nicht mehr die Rede, die Prüfung erstarrt zu einem rituellen Examen, die Mindestzahl der teilnehmenden Bischöfe ist zur Norm geworden und ihr Begleit- und Mitwirkungsmodus bringt kaum mehr den Kollegialcharakter des Bischofsamtes zum Ausdruck. Spätestens seit dem 6. Jahrhundert ist zu beobachten, daß nicht der für seine Ortskirche geweihte Bischof der Messe seiner Ordination vorsteht, sondern der konsekrierende Bischof.86 Vor allem die im Frühmittelalter aufkommenden und sich mehr und mehr entfaltenden Riten der traditio instrumentorum binden sich ein in den mittelalterlichen Kosmos symbolischer Kommunikation: Der Bischof erhält Amt, Befugnis, Jurisdiktion, Regalien mittels der Überreichung von Ring und Stab. Als Rechtsakt begünstigt der vergleichbare Ritus in der Ordinationsliturgie, unabhängig von Gebets- und Formelmaterial, eher eine jurisdiktionelle Wahrnehmung des Bischofsamtes. So konnte etwa die epikletische Bitte, „vollende in deinem
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nicht tangiert; dabei eignet dem Kult ein gewisses quantitatives Denken), andererseits durch die Übernahme der römischen Liturgie als authentischer Ritus (Rechtgläubigkeit, richtiger Vollzug) bedingt sein. Mit diesem konservativen Charakter behält die Liturgie aber auch zentrales, für das Glaubensverständnis bedeutendes Sprach- und Zeichengut, das dann im Zuge von Re-Form repristiniert werden kann. Vgl. Fiala 1971, 33f. Vgl. Lengeling 1970, 896–901.
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Priester die ganze Fülle deines Amtes“,87 nicht durchdringen und korrigierend wirken. Die Konsequenzen für die theologische Sicht sind bekannt.88 Hatte das Ordinationsgebet der TrAp die geistgewirkte Leitungsvollmacht des Bischofs als Hirt und Hoherpriester seiner Kirche betont, nahm das alt römische Gebetsformular wesentlich Maß an der sazerdotalen Funktion des Bischofs, wenn es ihn als Anti-Typos des Aaron ausweist. Die neutestamentlich bestimmten, im Frühmittelalter zugefügten Aussagen, die den Verkündigungsdienst des Bischofs und seine Binde- und Lösegewalt hervorheben, können auch als Spiegel des veränderten Bischofsbildes jener Zeit gelesen werden: der Bischof als Missionar und Verkünder des Evangeliums sowie als Statthalter des Sakralherrschertums. Es ist bemerkenswert, daß seither in die Textgestalt des Ordinationsgebetes nicht mehr eingegriffen wurde. Jedenfalls übermittelt Durandus es treulich in die jüngste Vergangenheit. Diese Tatsache darf wohl kaum nur der Pietät vor dem als sakrosankt verstandenen Gebetsensemble zuzuschreiben sein, denn mit der Aufnahme und Ausgestaltung der zeichenhaften Vollzüge verlagert sich der phänomenologische und theologische Schwerpunkt in den Ordinationen. Vermögen sie im zeitgenössischen Verständnis doch offenbar mehr als Handauflegung und Gebet die gewünschte und geforderte sakrale Dimension des Priestertums und des daran partizipierend gedachten Bischofsamtes auszudrücken. Die Vorlagen hierzu findet man bekanntlich im Alten Testament.89 Dem entspricht es, daß den Salbungsriten so große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das Durandus-Pontifikale stellt auch hier gewissermaßen den Endpunkt der mittelalterlichen Entwicklung dar: Haupt- und Händesalbung und die Salbung des für konsekratorisch-sakramentale Akte bedeutsamen rechten Daumens. Wie Arnold Angenendt dargelegt hat, begründeten vornehmlich die religionsgeschichtlichen Motive der kultischen Reinheit und des Sakralschutzes die Aufnahme der Salbungen in die Ordinationsriten.90 Beide Aspekte mußten auch für das Verständnis des Bischofs bedeutend bleiben. Obwohl es seit der Jahrtausendwende immer selbstverständlicher wird, daß jeder künftige Bischof die Priesterweihe empfangen hat,91 betonen die Hände- und Daumensalbung die hohepriesterliche Funktion des Bischofs,92 wogegen die Hauptsalbung den Bischof als „Gesalbten des Herrn“ auswies, den anzutasten keiner wagen sollte (vgl. 1 Sam 26,23; Ps 105[104],15). Seine konsekratorische Kraft wie jurisdiktionelle Vollmacht hat Gott selbst dem Bischof im Ritus der 87
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Vgl. „Conple in sacerdotibus tuis mysteriis tui summam“ (Ve 947); „Comple in sacerdote tuo mysterii tui summam“ (GrH 23b). Zum Wandel von „mysterium“ zu „ministerium“, der schon in einigen Handschriften des PRG feststellbar ist, vgl. Kleinheyer 1987, 719 Anm. 12. Vgl. Lécuyer 1966, 31–33. Vgl. Kottje 1964. Vgl. Angenendt 2005d; Angenendt 2005c, 257–261. Erstmals wurde in Gregor VII. 1073 ein zum Bischof von Rom gewählter Diakon vor der Bischofsweihe zum Presbyter ordiniert. Vgl. Andrieu 1947, 107. Vgl. Kleinheyer 1984, 41.
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Salbung verliehen und damit seine Hände und seinen Daumen gewissermaßen materialiter in Dienst genommen, wie die Oration der Hände- und Daumensalbung unmißverständlich formuliert: „Was immer du segnest, sei gesegnet. Was immer du heiligst, sei geheiligt. Die Auflegung dieser geweihten Hand oder dieses Daumens diene allen zum Heil.“93 So erscheint das Bischofsamt stärker individualisiert, denn die liturgische Gestalt der mittelalterlichen Bischofsordination konzentriert sich auf den einzelnen Bischof und sieht ihn zu einer höheren Würde erhoben, die die einzelne Persönlichkeit auszeichnet und heiligt. Mit diesem Befund deckt sich auch die Feststellung Heinz Fingers, daß vom 9. Jahrhundert an im Bischof mehr die einzelne Amtsperson, denn der Teilhaber am universalen Episkopat gesehen wurde.94 Entsprechend sind denn die rituellen Aussagen zur ekklesiologischen Bedeutung des Bischofsamtes für das Leben der Kirche zwar in den alten Texten noch erkennbar, finden aber eine nur spärliche Ausgestaltung und vermögen gegen die Übermacht der religionsgeschichtlich geprägten Aussagen kaum durchzudringen. Ähnliches ist zu den Übergaberiten von Ring, Stab, Mitra und Handschuhen zu bemerken. Mußte nicht die Suche nach einer theologischen Systematik der Sakramente und Sakramentalien das Gemeinsame und damit zentral Bestimmende in der traditio instrumentorum sehen, wie es ja unter dem Blickwinkel der Ordnungskriterien von Materie und Form faktisch auch geschehen ist und über Jahrhunderte das theologische Verständnis der Ordinationen (einschließlich der vorwiegenden Bezugnahme auf die Eucharistie, genauer noch auf die Konsekrationsvollmacht95) beherrscht hat?96 Wie unser kurzer Durchblick gezeigt hat, ist sicher in Rechnung zu stellen, daß die Liturgie der Ordinationen seit dem 9./10. Jahrhundert mannigfachen Überlagerungen und Akzentverschiebungen ausgesetzt war, die den Blick trüben konnten. Diese Änderungen vor allem in der rituell-zeichenhaften Gestalt sind, wie man vermuten kann, durch neue theologische Ansichten wie gewandelte religionsgeschichtliche Mentalitäten und politische Neuorientierungen veranlaßt worden. Gleichwohl bleibt es im Sinne des eingangs genannten Zitats von Emil Joseph Lengeling höchst bedauerlich, daß in der theologischen Durchdringung des Bischofsamtes in der Theologie des Mittelalters die Feier der Bischofsordination kaum eine Rolle spielte.
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„[...] quidquid benedixeris, benedicatur: et quidquid sanctificaveris, sanctificetur; et consecratae manus istius vel pollicis imposito cunctis proficiat ad salutem.“ PontDur I, 14, 36 (PontRom III, 385). Vgl. Finger 2005, 146. Vgl. Thomas von Aquin S.th. III Suppl. Q. 40 a. 5 Concl.: „Episcopatus ordo esse dici potest non quatenus sacramentum est ad Eucharistiam ordinatum sed tantum ut est officium quoddam ad sacras hierarchies actiones.“ – Weil diese Bezugnahme, im Gegensatz zu Diakonat und Presbyterat, bei den Insignien und „Instrumenten“ der Bischofsweihe sich nicht zwingend aufdrängt, fördert dieser Umstand zusätzlich den Eindruck, hier könne es sich nicht um ein Sakrament handeln. Vgl. Thomas von Aquin S.th. III Suppl. q. 35, a 5 ad 3; q. 37, a 2. in corp. et ad 1; a. 4; q. 40 a. 5.
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Index der Personennamen Adalbero, Erzbischof von Reims 182–183 Adaldag, Erzbischof von Hamburg-Bremen 4 Adelbold, Bischof von Utrecht 4 Adventius von Metz 215 Agapit II., Papst 185 Albero I., Bischof von Metz 6 Albero, Bischof von Würzburg 7 Albrecht von Wertheim, Bischof von Bamberg 73 Albuin, Bischof von Merseburg 4 Alexander IV., Papst 76 Alexander, Abt von St. Augustine 150 Alkuin 45, 114 Al-Manşur 182 Ambrosius von Mailand 137 Andreas, Bischof von Vincenza 3 Angenendt, Arnold 221 Anno, Erzbischof von Köln 78 Ansanus, Stadtpatron von Siena 143 Anselm von Lüttich 4 Arbeo, Bischof von Freising 3 Arn, Erzbischof von Salzburg 3 Arnulf von Kärnten, Kaiser 95 Arnulf, Bischof von Girona 184 Athanasius 137 Atto, Bischof von Freising 3 Atto, Bischof von Vic 173–177, 181 Augustinus, Missionar und Abt 148, 150, 166 Badurad, Bischof von Paderborn 3 Baldwin, Erzbischof von Canterbury 161 Baldwin, John 152 Beda Venerabilis 107, 109, 114, 181 Beer, Rudolf 179 Benedikt VII., Papst 186–187 Benedikt VIII., Papst 31–32, 66, 76 Benedikt von Sawston, Bischofelekt von Rochester 154 Benno, Bischof von Meißen 4 Berengar, Bischof von Elne 188 Bernhard II. Tallaferro, Graf von Besalú 188 Bernward, Bischof von Hildesheim 4, 40, 101–102, 108 Berthar, Kanoniker von St. Vanne in Verdun 8 Bischoff, Bernhard 34, 117–118, 120
Boeckler, Albert 105, 115 Bonifatius, Missionar 1, 118 Bonushomo/Homobonus 187 Borrell II., Graf von Barcelona 173–174, 182–186 Braun, Joseph 96 Bruno, Erzbischof von Köln 3–4 Burchard, Bischof von Worms 5, 45 Burger, Maria 116 Caesarius, Abt von Santa Caecilia am Mont serrat 180 Carpenter, David 152 Cassiodor 78, 107 Chrodegang, Bischof von Metz 3, 75 Cohen, Adam S. 105–106 D’Abadal, Ramon 185 Dassmann, Ernst 207 de Breautes s. Fawkes de Breautes de Burgh s. Hubert de Burgh Dengler-Schreiber, Karin 33 Dietrich I., Bischof von Metz 3, 67 Diokletian, römischer Kaiser 136 Dressler, Fridolin 33 Drogo, Bischof von Metz 3 Durandus von Lüttich, Leiter der Domschule in Bamberg 40 Durandus, Bischof von Lüttich 4 Durandus, Leiter der Domschule Bamberg 4 Durandus von Mende s. Wilhelm Durandus Eadburg 164 Eberhard, Bischof von Bamberg 35, 40, 68, 71 Edmund von Abingdon, Erzbischof von Canterbury 164 Egfelten s. Konrad Eggenberger, Christoph 99 Egilbert, Magister an St. Stephan in Bamberg 78 Ekkehard II. Palatinus, Leiter der Kathedralschule in Mainz 5 Ekkehard, Bischof von Schleswig 4 Engilmar, Bischof von Regensburg 103 Erhard, Bischof von Regensburg 89–91, 95–121 Erluin, Bischof von Cambrai 4
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Index der Personennamen
Ermessinde, Gräfin von Barcelona 189 Everaclus, Bischof von Lüttich 3–4 Fabiola 109 Fawkes de Breautes 159 Finger, Heinz 222 Flavius Josephus 107 Florus Diaconus 114 Franco, Bischof von Vincenza 3 Fulbert von Chartres 117 Gamans SJ, Johannes 66, 69 Garin, Abt von Sant Miquel de Cuixà 177, 183, 185 Gauzlin, Bischof von Toul 6 Gebhard II., Bischof von Regensburg 119 Gebhard III., Bischof von Regensburg 119–121 Gebhard, hl. 40 Gerald, Abt von Aurillac 183 Gerannus, Achidiakon von Reims 174 Gerbert von Aurillac, Erzbischof vom Reims und Ravenna, später Papst Sylvester II. 41–42, 45, 174–183, 190 Gerhard, Abt von Seeon 37, 42 Gerhard, Bischof von Toul 3 Gerschom ben Jehuda, Rabbiner in Mainz 9 Giovanni Villani 139 Giselher, Bischof von Merseburg 63 Godehard, Bischof von Hildesheim 4 Gozechin/Gozwin, Domscholaster in Mainz 4 Graff, Subkustos des Bamberger Domes 33 Gregor der Große, Papst 99, 166 Gregor III., Papst 2 Gregor XI., Papst 74 Guadamir, Bischof von Vic 176 Guidisclo, Abt von Santa Maria de Ripoll 179 Gunther, Erzbischof von Salzburg 4 Guttmann, Alexander 108 Gy, Pierre-Marie 117 Haarländer, Stephanie 78 Haimo, Bischof von Verdun 4 Hartwic von St. Emmeram 117–118 Hartwig I., Bischof von Regensburg 96 Heinrich I., Herzog von Bayern 120 Heinrich II., der Zänker, Herzog von Bayern 41 Heinrich II., Kaiser 4–5, 31–48, 63–71, 79, 90–91, 95, 120, 217 Heinrich III., Kaiser 90–91, 106, 147 Heinrich IV., König 10 Heinrich III., englischer König 155–160
Heinrich, Bischof von Paderborn/Magdeburg 4 Heinrich, Bischof von Würzburg 217 Heinrich, Erzbischof von Trier 3 Heinrich, Markgraf von Schweinfurt 65 Henry von Avranches 156 Heribert, Bischof von Eichstätt 5 Hermann, Bischof von Toul 4 Hieronymus 108–109 Hilduin 116 Hinkmar, Erzbischof von Reims 215 Hitto, Bischof von Freising 3 Hoffmann, Hartmut 33 Holt, James C. 152 Holtzmann, Oskar 113 Holtzmann, Walther 34 Homobonus s. Bonushomo Hubert de Burgh, englischer Kronjurist 157, 159 Hubert Walter, Erzbischof von Canterbury 149, 161, 164 Hugo von Flavigny, Abt von St. Vanne in Verdun 9 Hugo von Trimberg, Schulmeister an St. Gan golf in Bamberg 78 Ibn Asafar, arabischer Wissenschaftler 181 Ibn Hayyan 184 Idalguer, Bischof von Vic 175 Innocenz III., Papst 150–155 Jakob ben David, Worms 9 Jakob, Erzbischof von Neapel 68 Johann III., Herzog von Brabant 15 Johann Ohneland, englischer König 148– 156, 159, 165 Johannes Chrysostomus 114 Johannes Nassach, Kanoniker an St. Stephan in Bamberg 75 Johannes Philagatos, Bischof von Piacenza 41 Johannes Scotus Eriugena 116–117 Johannes XIII., Papst 174, 180, 185 Johannes XVIII., Papst 65 Johannes Zufraß, Propst an St. Stephan in Bamberg 79 Josephus Hispanus s. Josephus Sapiens Josephus Sapiens/Josephus Hispanus 183 Judith I., Herzogin von Bayern 120 Junyent, Eduard 176 Kalonymos s. Meschullam Karl der Große 2 Karl der Kahle 42, 117 Karl IV., Kaiser 11, 79 Kaufhold, Martin 152
Index der Personennamen Kehr, Paul Fridolin 34 Keller, Hagen 121 Kleinheyer, Bruno 215 Kleinschmidt, Beda 97, 104, 120 Klemens I., Papst 102 Klemm, Elisabeth 33, 106 Knoch, Otto 113 Konrad Egfelten, Kustos an St. Stephan in Bamberg 78 Konrad II., König 5 Körntgen, Ludger 29 Kuder, Ulrich 100, 105 Kunigunde, Kaiserin 66–69, 71, 79 Lambert, Bischof von Bamberg 76 Lambert, Bischof von Konstanz 40 Lanfranc, Erzbischof von Canterbury 114, 149, 164 Ledgarda, Tochter des Raimund Pons 173 Leidrat, Erzbischof von Lyon 3 Lengeling, Emil Joseph 205, 222 Leo IX., Papst 106, 121 Leo, Bischof von Vercelli 41, 45 Leupold I., Bischof von Bamberg 69 Leupold, Diakon an St. Stephan in Bamberg 71 Lindgren, Uta Livius 45 Lorenz von Lüttich, Mönch in St. Vanne in Verdun 9 Ludwig der Fromme 2 Ludwig, französischer Kronprinz 156, 162 Marcella 108 Maria von Geldern, Herzogin 98 Märtl, Claudia 78 Maslama, arabischer Wissenschaftler 181 Mayr-Harting, Henry 89 McGee, J. David 117 Mees, Michael 115 Meinhard, Domscholaster in Bamberg 78 Meinwerk, Bischof von Paderborn 4 Melchisedek 111–112 Meschullam ben Kalonymos, Rabbiner 9 Meßner, Reinhard 117 Mildred 164 Miro Bonfill, Graf von Barcelona 184–188 Mose 112 Mundó, Anscari 186 Mütherich, Florentine 42, 89, 105 Nassach s. Johannes Nassach Nicetius, Bischof von Trier 3 Nicholas von Tusculum, päpstlicher Legat 152
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Nithard, Bischof von Lüttich 4 Notger, Bischof von Lüttich 4 Oexle, Otto Gerhard 118 Oliba Cabreta, Graf von Cerdanya-Besalú 186–188 Oliba, Abt von Santa Maria de Ripoll 179 Oliba, Bischof von Vic 187–189 Otloh von St. Emmeram 120–121 Otrich, Scholaster in Magdeburg 4 Ott, Joachim 48 Otto I., Kaiser 7, 31, 63, 142 Otto II., Kaiser 42, 47, 63 Otto III., Kaiser 31, 40–42, 45, 63–173 Palatinus s. Ekkehard Peter de Roches, Bischof von Winchester 155, 159 Petrus Lombardus 116 Philagatos s. Johannes Poppo I., Bischof von Würzburg 3 Prosper von Aquitanien 205 Pseudo-Alkuin 109 Pseudo-Dionysius Areopagita 116 Rahel ben David, Worms 9 Raimund Berengar I., Graf 189 Raimund Pons, Graf von Rouergue 173 Raimund von Lavaur, Abt von Aurillac 173, 177 Ramwold, Abt von St. Emmeram in Regensburg 91 Raschi s. Salomo ben Isaak Reames, Sherry 158 Remigius von Auxerre 114 Reynolds, Roger 119 Rhabanus Maurus 114 Richard, Abt von St. Vanne in Verdun 7–9 Riché, Pierre 177–178, 183 Richer von Saint-Remi 45, 173–175, 180 Robert II., französischer König 40 Rothard, Bischof von Cambrai 4 Rüdiger, Bischof von Speyer 10 Rupert von Deutz 109 Rütz, Jutta 105, 115 Salomo ben Isaak, Worms 10 Saxo Annalista 4 Schauwecker, Helga 120 Schemmel, Bernhard 33 Schröger, Friedrich 113 Sedulius Scotus 114 Seniofred Llobet, Kanoniker an der Kathedrale von Barcelona 182–184
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Index der Personennamen
Seniofred, Abt von Santa Maria de Ripoll 179 Sergius IV., Papst 188 Sigebert von Gembloux 3 Sigebert, Bischof von Minden 5, 98, 104, 109, 119 Simon Langton, Archidiakon von Canterbury 147, 162 Sprot s. Thomas Sprot Stefan von Novara, Domscholastiker in Würz burg 3 Stegmüller, Friedrich 114 Stephen Langton, Erzbischof von Canterbury 147–165 Suckale-Redlefsen, Gude 33 Sunifred II., Graf von Urgell 186 Sunyer, Graf von Barcelona 179 Sunyer, Mönch 185 Swarzenski, Georg 89 Sylvester II., Papst, s. Gerbert von Aurillac Taegert, Werner 33 Theodor von Mopsuestia 117 Theodor, Herzog von Bayern 106 Theophanu, Kaiserin 47, 177 Thietmar, Bischof von Merseburg 32–38, 47, 52 Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury 118, 149, 155–160, 166 Thomas Sprot, Chronist 150
Trimberg s. Hugo Uta von Kirchberg, Äbtissin von Niedermünster in Regensburg 90–91, 121 Veit, Bischof von Bamberg 76 Viktor II., Papst 121 Vincent, Nicholas 152 Vito, Bischof von Verdun 8 Walafrid Strabo 109 Warmund, Bischof von Ivrea 101 Weber, Heinrich 75 Wifred I. el Pilós, Graf von Barcelona 175, 178 Wifred II., Graf von Cerdanya 188 Wigfried, Bischof von Verdun 3 Wikbert/Wigbert, Bischof 35 Wilhelm Durandus, Bischof von Mende 206–207, 212–219 Wilhelm von Volpiano, Abt von St. Bénigne in Dijon 7 William Marshall, englischer Regent 155 Willigis, Erzbischof von Mainz 4–5, 67 Wolfgang, Bischof von Regensburg 3, 120 Wünsche, Peter 33, 77 Zacharias, Papst 1 Zimmermann, Michel 176, 181 Zufraß s. Johannes
Index der Ortsnamen Abdinghof in Paderborn 8 Admont, Nonnenkloster 101 Afflighem 8 Aquileja 96 Aquileia, Patriarchat 136 Arezzo 135–143 Arles-sur-Tech 186 Arles-sur-Tech, Santa Maria 185 Augsburg 16 Augsburg, St. Ulrich und Afra 8 Augsburg, Synagoge 10 Aurillac 183 Aurillac, Saint-Géraud 173 Aurillac, Saint-Pierre 173 Bagà, Llorenç prop Bagà 185 Bages, Sant Benet 185 Bamberg 2, 29–33, 40, 46–47, 52, 65–71, 74–80, 120 Bamberg, Bibliothek 30, 42–45, 51 Bamberg, Curia Karoli 69 Bamberg, Domschule 5, 45 Bamberg, Michelsberg 7–8 Bamberg, St. Gangolf 63 Bamberg, St. Gangolf, Schule 78 Bamberg, St. Jakob 63, 73 Bamberg, St. Michael 6, 63, 71 Bamberg, St. Stephan 63, 66 Bamberg, St. Stephan, Bibliothek 78–79 Bamberg, St. Stephan, Schule 78 Bamberg, Synagoge 10 Banyoles, Sant Esteve 185 Barcelona 177, 181–187 Basel 1, 13, 16 Basel, Generalstudium der Dominikaner 12 Basel, St. Alban 8 Basel, Synagoge 10 Basel, Universität 14 Bergà 188 Berlin 13 Berlin, Generalstudium der Dominikaner 12 Besalú, Grafschaft und Bistum 188 Besalú, Sant Pere 186 Bobbio 173 Bologna, Universität 14 Bourges 213 Bouvines 152 Brandenburg 13
Bremen 2, 4, 16 Bremen, Domschule 5 Břevnov 7 Brixen 1 Brüssel 12 Brüssel, Generalstudium der Augustiner eremiten 12–13 Brüssel, Stift St. Michael und Gudula 15 Büraburg 1 Cambrai 1, 4 Camprodon, Sant Pere 185 Canterbury 147–166 Canterbury, Christ church 147–148, 161–163 Canterbury, Priorat St. Gregory 164 Cerdanya-Besalú, Grafschaft 185–188 Chiusi 135–139 Chur 1 Cluny 6, 8, 98 Córdoba 175 Córdoba, Kalifat 181 Cortona 136 Corvey, Kloster 42 Cuixà 186, 188 Dofana, Reichsabtei 143 Dover 151 Eichstätt 1, 5, 100, 118 Eichstätt, Dom 74 Eichstätt, Synagoge 10 Elne, Diözese 185 Erfurt 1, 12–16 Erfurt, Generalstudium der Augustiner eremiten 12 Erfurt, Generalstudium der Dominikaner 12 Erfurt, St. Maria 74 Ering 66, 68 Esslingen 11–12 Exeter 154 Fiesole 135–139 Fleury-sur-Loire 6 Florenz 136–140 Forchheim, St. Martin 74 Frankfurt am Main 12 Frankfurt am Main, Synagoge 11 Frankfurt an der Oder 13
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Index der Ortsnamen
Frankfurt an der Oder, Generalstudium der Franziskaner 12 Freiburg 13 Freiburg, Generalstudium der Domini kaner 12 Freising 1, 3 Friedberg, Synagoge 11 Fruttuaria 8
Lucca 136–140 Lucca, Synagoge 9 Luni 136, 139 Lüttich 1, 3–5, 15, 100 Lüttich, Domschule 4 Lüttich, St. Jaques 7 Lüttich, St. Laurent 7 Lyon 3
Geldern, Herzogtum 98 Girona 177, 184–189 Glastonbury 156 Gorze bei Metz 6 Greifswald 13 Greifswald, Generalstudium der Franzis kaner 12
Maastricht 1 Magdeburg 2, 4, 11–15, 47, 63 Magdeburg, Domschule 3 Magdeburg, Generalstudium der Augustiner eremiten 12 Magdeburg, Generalstudium der Dominikaner 12 Magdeburg, Generalstudium der Karmeliter 13 Magdeburg, St. Mauritius 7 Magdeburg, Synagoge 10 Mailand 136–137 Mainz 1–5, 11, 67, 120 Mainz, St. Alban 6, 8, 210 Mainz, St. Jakob 8 Mainz, St. Stefan 6 Mainz, St. Viktor 6 Mainz, Synagoge 9–10 Mainz, Universität 14 Mecklenburg 2 Meißen 2–4, 63 Meißen, Synagoge 10 Mende 213 Merseburg 2–4, 31–33, 52, 63–65 Merseburg, Bibliothek 34–39, 45, 51 Merseburg, Dombibliothek 30 Merseburg, St. Johannes 31 Merseburg, St. Peter 31 Merseburg, Synagoge 10 Metz 1–3, 6, 11, 15–16, 67, 96 Metz, St. Arnulf 6–7 Metz, St. Martin 6 Metz, St. Vinzenz 6–7 Minden 2, 96–98, 109 Minden, Skriptorium 5 Minden, Synagoge 10 Molenbeek bei Brüssel 15 Montecassino 30, 103, 120–121, 187 Montserrat, Kloster St. Caecilia 180 Münster 2 Münster, Synagoge 10 Münsterschwarzach 7
Halberstadt 2, 96 Halberstadt, Synagoge 10 Hamburg 2 Heidelberg, Generalstudium der Franzis kaner 12 Heidelberg, Universität 14 Hildesheim 2, 7, 40, 101, 108 Hildesheim, Domschule 4 Hildesheim, St. Godehard 8 Hildesheim, St. Michael 7 Hildesheim, Synagoge 10 Hirsau 6, 8 Hradisch bei Olmütz 7 Ivrea 101 Kammin 2 Köln 1–4, 11, 15–16, 98 Köln, Dombibliothek 30 Köln, Generalstudium der Augustiner eremiten 12 Köln, Generalstudium der Dominikaner 12 Köln, Generalstudium der Karmeliter 13 Köln, Groß St. Martin 8 Köln, St. Pantaleon 7–8 Köln, Synagoge 10 Köln, Universität 14 Konstanz 1 Konstanz, Domschule 5 Konstanz, Synagoge 10 Lambeth 162–165 Leipzig 14 Lézat, Abtei 186 Ljubljana 2 London 157, 162, 165 Lübeck 2
Narbonne 188–189 Naumburg 2
Index der Ortsnamen Niederaltaich 7 Norwich 148 Nürnberg 11 Oldenburg 2 Olmütz 2, 7 Olmütz, Synagoge 10 Oostbroek bei Utrecht 8 Osnabrück 2 Osney bei Oxford, Abtei 153–154 Oxford 153 Oxford, Konzil von 1222 160 Paderborn 2–4 Paderborn, Domschule 3 Paris, Universität 14 Passau 1 Passau, Synagoge 10 Petershausen bei Konstanz 7–8, 40 Piacenza 41 Pisa 135–143 Pistoia 136–140 Populonia 135, 139–140 Prag 2, 5–7, 11–16 Prag, Generalstudium der Augustiner eremiten 12 Prag, Generalstudium der Dominikaner 12 Prag, Generalstudium der Karmeliter 13 Prag, Karmeliterkloster Maria Schnee 11 Prag, Synagoge 10 Prag, Universität 14 Prüll bei Regensburg 7–8 Prüm 102 Ratzeburg 2 Ravenna 136, 180 Regensburg 1, 12, 16, 43, 91, 96, 103–120 Regensburg, Generalstudium der Franzis kaner 13 Regensburg, Malerschule 95 Regensburg, Niedermünster 41–90, 95, 119 Regensburg, St. Emmeram 6, 7, 34, 46, 89–91, 108, 119–120 Regensburg, St. Emmeram, Bibliothek 34 Regensburg, Synagoge 10 Reichenau 43 Reims 173, 180–183 Ripoll 179–188 Ripoll, Abtei Santa Maria 178 Rochester 154 Rodes, Sant Pere 185 Rom 71, 135–136, 148, 153, 160, 165, 174, 180, 186–188, 210 Rom, S. Stefano Rotondo 67
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Rom, S. Clemente 102 Rom, Santa Sabina 100 Roselle 135–136, 139–140 Rostock 13 Rostock, Generalstudium der Dominikaner 12 Rostock, Generalstudium der Franziskaner 12 Roussilon, Grafschaft 185 Runnymede 153–154, 159 Säben 1 Saint-Martin du Canigou im Roussilon 188 Saint-Pierre de Fenouillet im Roussilon 188 Salzburg 1–4, 7, 43 Salzburg, Synagoge 10 Sant Cugat del Vallès 187 Sant Cugat del Vallès, Benediktinerkloster 178 Sant Joan de les Abadesses, Frauenkonvent 179, 185–187 Sant Miguel de Cuixà, Benediktinerkloster 179, 183–185 Schleswig 4 Schweinfurt 65 Schwerin 2 Seeon, Kloster 42–43 Siegburg 5–6, 8 Siena 138–139, 143 Solsona, Santa Maria, Kanonikerstift 179 Sovana 135–136, 139 Speyer 1, 11 Speyer, Synagoge 10 St. Augustine, Benediktinerabtei bei Canterbury 147, 150, 160, 163–164 St. Blasien 6 St. Gallen 30, 39, 103 St. Gallen, Abtei 30 St. Gallen, Bibliothek 34 St. Maur-des-Fossés bei Paris 103 St. Paul in Kärnten 102 St. Petersburg 107 St. Vaast 100 Stablo 6–7 Straßburg 1, 13, 15–16 Straßburg, Domschule 5 Straßburg, Generalstudium der Dominikaner 12 Straßburg, Synagoge 10 Straubing 12 Tarragona 174, 180 Toledo 175 Tongern 1
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Index der Ortsnamen
Toul 1, 3–6 Toul, St. Evre 6–7 Toul, St. Mansuy 7 Tours 101 Trient 1 Trient, Synagoge 10 Trier 1–3, 6, 11, 120 Trier, Generalstudium der Dominikaner 12 Trier, Generalstudium der Karmeliter 13 Trier, St. Eucharius 7–8 Trier, St. Maria 7 Trier, St. Martin 7 Trier, St. Maximin 6–7 Trier, St. Simeon 6 Trier, Synagoge 10 Trier, Universität 14 Urgell 177 Utrecht 1, 4, 15, 101 Utrecht, St. Paul 8 Verden 1–4, 8 Verdun, St. Airy 7–8 Verdun, St. Paul 7 Verdun, St. Vanne 6–8 Verdun, St. Vito 9 Verdun, Vertrag von 135
Vic 173–177, 186–188 Vincenza 3 Volterra 135, 139–140 Weihenstephan bei Freising 7–8 Wien 2, 13, 16 Wien, Generalstudium der Augustiner eremiten 12 Wien, Generalstudium der Dominikaner 12 Wien, Universität 14 Wiener Neustadt 2 Winchester 155, 159 Worcester 154 Worms 1, 11, 16 Worms, Domschule 5 Worms, Synagoge 9–10 Würzburg 1, 11 Würzburg, Bibliothek 34 Würzburg, Domschule 3 Würzburg, St. Andreas 7 Würzburg, St. Burchard 7 Würzburg, St. Stephan 8 Würzburg, Synagoge 10 Würzburg, Universität 14 Zaragoza 175 Zeitz 2, 63