Biochemie: Eine Einführung [5 ed.] 978-3-540-61089-2, 978-3-642-85255-8

Dieses didaktisch sorgfältig gestaltete Lehrbuch ist primär eine Einführung in die Biochemie für Chemiker und Biologen.

165 45 15MB

German Pages 261 [271] Year 1996

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Table of contents :
Front Matter....Pages I-XIV
Gesetzmäßigkeit biochemischer Systeme und Determination ihrer Evolution....Pages 1-13
Topologie der Zelle....Pages 15-27
Eigenschaften der Aminosäuren und Peptide....Pages 29-46
Struktur und Eigenschaften der Proteine....Pages 47-65
Enzyme und Biokatalyse....Pages 67-76
Coenzyme und Vitamine....Pages 77-100
Kohlenhydrate und ihr Stoffwechsel....Pages 101-127
Oxidativer Endabbau und ATP-Synthese....Pages 129-146
Lipide und ihr Stoffwechsel....Pages 147-161
Abbau der Proteine und Stoffwechsel der Aminosäuren....Pages 163-180
Nucleinsäuren und Proteinbiosynthese....Pages 181-213
Regulation und Integration des Stoffwechsels....Pages 215-234
Anhang....Pages 235-244
Back Matter....Pages 245-265
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Biochemie: Eine Einführung [5 ed.]
 978-3-540-61089-2, 978-3-642-85255-8

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Springer-Lehrbuch

Springer Berlin Heidelberg New York Barcelona Budapest Hongkong London Mailand Paris Santa Clara Singapur Tokio

Klaus Dose

Biochemie Eine Einfiihrung 5. korrigierte Auflage

Unter Mitarbeit von Angelika Bieger-Dose

Mit 271 Abbildungen und 22 Tabellen

"

Springer

Prof. Dr. Klaus Dose Institut fiir Biochemie Fachbereich Chemie Universitiit Mainz 55099 Mainz

ISBN-13:978-3-S40-61089-2 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Dose, Klaus: Biochemie : eine Einfiihrung ; mit 22 Tabellen / Klaus Dose. Unter Mitarb. von Angelika Bieger-Dose. - 5., korrigierte Aufl. - Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo; Hong Kong ; Barcelona; Budapest: Springer, 1996 (Springer-Lelubuch) ISBN·13:978·3-540-61089-2 e-ISBN-13:978-3-642-85255-8 DOl: 10.1007/978-3-642-85255-8

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, de. Nachdrucks, des VortIags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfiiltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung. vorbehalten. EiDe Vervielfiltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werke. ist ouch im EimJolfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen dea Urheberrechtsgesetze. der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zuliissig. Sie ist grundsiitzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. II)

Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1996

Softcnver reprint of the hardcover 5th edition 1996

Die Wiedergabe von Gebraucbsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nieht zu der Annahme, daB solehe Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedennann benutzt werden diirften. Fiir die Richtigkeit und Unbedenklichkeit der A.gaben iiber den Umgang mit Che-

mikalien in Versuchsbeschreibungen und Synthesevorschriften iibemimmt der Verlag keine Haftung. Derartige Informationen sind den Laboratoriumsvorschriften und den Hinweisen der Chemikalien- und Laborgeratehersteller und -Vertreiber zu entneh.m.en. Satz: Fotosatz-Service Kohler OHG, Wiirzburg SPIN: 10528490

53-3020-5432 I 0 - Gedrnckt auf siiurefreiern Papier

Vorwort zur 5. unveranderten Auflage Auch die vierte, vollstiindig iiberarbeitete Auflage fand so grolles Interesse, daB wir nunmehr die fiinfte, unveriinderte Auflage herausbringen konnen. Mainz, im Miirz 1996

A. Bieger-Dose und K. Dose

Vorwort zur 4. Auflage Auch die 3. unveriinderte Auflage fand eine erfreuliche Resonanz. Aus weiten Kreisen kamen vie1fach konstruktive Anregungen, die wir sehr weitgehend in der nun vorliegenden 4. Auflage beriicksichtigen konnten. Trotz mancher Erweiterung halten wir jedoch an dem bewiihrten Grundkonzept eines einfiihrenden Lehrbuches der Biochemie fest. Dies bedeutet jedoch auch, daIl wir in vie1en Fillen die Darstellung begrenzen muBten. Zahlreichen Kollegen, Mitarbeitem und Studenten sind wir fiir ihre Anregungen zu besonderem Dank verpflichtet. Mainz, im Januar 1994

A. Bieger-Dose und K. Dose

Vorwort zur 3. unveranderten Auflage Erfreulicherweise hat die zweite, in wesentlichen Punkten iiberarbeitete Auflage einen so groBen Anklang gefunden, daB wir bereits nach 1 Jahr die dritte, diesmal unveranderte Auflage herausbringen konnen. Mainz, im Mai 1992

A. Bieger-Dose und K. Dose

Vorwort zur 2. Auflage Dieses Lehrbuch soli eine kurze Einfiihrung in die Grundlagen der Biochemie bleiben. Wie bei der ersten Auflage steht daher trotz der stiirmischen Entwicklung im Bereich der Molekularbiologie hier der intermediare Stoffwechsel im Mittelpunkt. Wir gehen davon aus, daB diejenigen, die im Bereich der molekularen Zellbiologie kritisches und selbstandiges Denken erreichen mochten, dies nur dauerhaft vollziehen konnen, wenn sie auch an eine chemische Betrachtungsweise gewohnt sind. Das Grundkonzept dieses Lehrbuchs wurde nach den Studienplanen fUr das Fach Biochemie an der Johannes Gutenberg-Universitat in Mainz ausgerichtet. Diese Studienplane schreiben eine (nur) zweistiindige Grundvorlesung in Biochemie vor. Als Begleitbuch zu dieser Vorlesung wurde dieses Lehrbuch entwickelt. Weiterfdhrende Vorlesungen sollen hierauf aufbauen. Hieraus ergeben sich, starker noch als bei der ersten Auflage, bestimmte Einschrankungen bei der Auswahl des Stoffes fiir die Grundvorlesung. Wir danken insbesondere den Mitarbeitem des Instituts fUr Biochemie, aber auch manchem aufmerksamen Studenten, fUr zahlreiche Hinweise auf Fehler und Verbesserungsvorschlage. Unser besonderer Dank gilt auch der Institutssekretiirin, Frau K-M. Rickwardt, fiir ihre aufmerksame Mitarbeit bei der Reinschrift der Korrekturen sowie Frau Dr. M. Hertel yom Springer-Verlag fUr ihre kritische und fachkundige Mitwirkung bei der Korrektur und der Gestaltung dieser Auflage. Mainz, im Juli 1991

A. Bieger-Dose und K. Dose

Vorwort zur 1. Auflage

Dieses Lehrbueh ist aus der Vorlesung "EinfUhrung in die Bioehemie" hervorgegangen, die der Verfasser seit Jahren im Rahmen der Bioehemie-Ausbildung von Chemikern, Biologen und anderen Naturwissensehaftlern an der Universitiit Mainz hiilt. Die Vorlesung soli Chemikern und Biologen das grundsiitzliehe Verstiindnis bioehemiseher Vorgiinge ermogliehen. Dieses Verstiindnis ist nieht nur die Voraussetzung fUr jedes tiefere Eindringen in die vielen Spezialgebiete der Bioehemie, es ist aueh die Voraussetzung fUr die sinn volle Weitergabe des Gelernten; dies gilt in gleiehem MaBe fUr die Lehrenden im Bereich der Sekundarstufe, der Faehsehulen wie der Hoehsehulen. Unser Wissen auf allen Gebieten der Bioehemie hat sich in den letzten Jahrzehnten explosionsartig vergroBert. Es ist daher einerseits gewiB nieht problemlos, in einem kurzen Lehrbueh die wiehtigsten Ergebnisse iibersiehtlieh und zusammenhiingend darstellen zu wollen. Andererseits kann es sieh kein verantwortungsbewuBter Wissensehaftler leisten - sei er Chemiker, Biologe, Mediziner, Pharmazeut oder Landwirt -, die Erkenntnisse der Bioehemie zu ignorieren, wenn es ihm urn die Beurteilung und Beseitignng wiehtiger Probleme (vom Umweltsehutz bis zum ArzneimittelmiBbraueh) unserer Industrie- und Wohlstandsgesellsehaft ernst ist. Dieses Lehrbueh setzt nur jene ehemisehen Grundkenntnisse voraus, die jeder Naturwissensehaftler und Mediziner (an sieh sogar jeder Abiturient) besitzen sollte. Aufgrund der Studienpliine fiir das Diplom in Biologie und das Studium der Medizin soli ten die Studierenden sieh so1che Kenntnisse spiitestens in den ersten Studiensemestern angeeignet haben. Selbst wenn diese Kenntnisse aber liiekenhaft sein sollten, kann das Bueh mit Verstiindnis durehgearbeitet werden, wenn dane ben ein einfiihrendes Lehrbueh der allgemeinen bzw. organischen Chemie benutzt wird. Dieses Lehrbueh ist keine Stoffsammlung zum Auswendiglernen! Die Kenntnis bestimmter ehemiseher Strukturformeln und Reaktionen ist aber das Mittel zum Verstiindnis biochemiseher Prozesse und ihrer Zusammenhiinge. Bei der Auswahl und Darstellung des Stoffes wurde an vielen Stellen bewuBt der Boden der als "gesichert" angesehenen Grundlagen verlassen, urn den Leser aueh ein wenig an aktuellen Fragen teilhaben zu lassen. Dies gilt besonders fUr die Einbeziehung der Fragen naeh dem Ursprung des Lebens, der Selbstorganisation biologiseher Systeme, der Wirkungsweise bestimmter Gifte und Arzneimittel, der Hormonwirkungen, der Zellentwicklung und Differenzierung und nieht zuletzt der Krebsentstehung. September 1979

K. Dose

Inhalt

1. GesetzmiJligkeit biocbemiscber Systeme unci Determination Ibrer Evolution 1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.4.7 1.4.8 1.4.9 1.5 1.6

Allgemeine Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was sind lebende Systeme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gibt es "exotische" Biochemien? ... . . . . . . . . . . . . . . . . U rsprung des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Darstellung der chemischen und priibiotischen Evolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikrofossilien in Sedimentgesteinen des Priicambriums .. . . . . Umweltbedingungen vor mehr aIs drei Milliarden Jahren . . . . . Ausgangsmaterial fUr die chemische Evolution . . . . . . . . . . . Laboratoriumsversuche zur Bildung von kleinen Molekiilen ... Ursprung der optischen Aktivitiit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priibiotische Polymere und der Ursprung der biologischen Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstorganisation zu Priizellen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Weitere Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Grundsiitze biochemischer Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . .. Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

2. Topologle der ZeUe 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8

1 1 2 4 4 4 5 6 7 9 9 10 10 11 13 15

Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Zellmembranen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Prokaryotische Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Eukaryotische Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fraktionierung der ZellbestandteiIe . . . . . . . . . . . . . . . . .. Stofftransport durch Membranen . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Viren und Phagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

15 15 17 18 22 23 26 27

3. Eigenscbaften der AmInosiureo und Peptide . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

29

3.1 3.1.1 3.1.2

3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.3 3.1.3.1 3.1.3.2 3.1.3.3 3.1.3.4 3.1.3.5

Aminosiiuren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . Chiralitiit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwitterionenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . pK-Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isoelektrische Punkte und Titrationskurven . . . . . . . . . . . . . Weitere allgemeine Eigenschaften der Aminosiiuren . . . . . .. . Ninhydrin-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen der Zwitterionenstruktur . . . . . . . . . . . . . .. Reaktionen der Carboxylgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Reaktionen der Aminogruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionen der Seitengruppe R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 30 30 31 33 33

33 34 34 34

x

Inhalt 3.1.3.6 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3

UV-Absorption der Aminosiiuren Einteilung der Aminosiiuren .. Die einzelnen Aminosiiuren . Analytische Trennung und Bestimmung der Aminosiiuren . Peptide. . . . ....... . Bildung der Peptidbindung .. . Siiure-Basen-Eigenschaften der Peptide Natiirlich vorkommende Peptide ... Bestimmung der Aminosiiuresequenz in Peptidketten Chemische Synthesen von Peptiden Aufgaben

4. Struktur und Eigenschaften der Proteine 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.4.1 4.1.4.2 4.1.4.3 4.1.4.4 4.1.5

4.2 4.2.1 4.2.1.1 4.2.1.2 4.2.1.3 4.2.1.4 4.2.1.5 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.3 4.4

Struktur der Proteine . Aminosiiuresequenzen in Proteinen Helix· und Faltblattstrukturen (Sekundiirstruktur) Weitere Faltungen der Polypeptidkette (Tertiiirstruktur) Bindungen zur Stabilisierung der Kettenkonformation . Disulfidbriicke .. Wasserstoffbriicke . . . . . Hydrophobe Wechselwirkungen (Bindungen) Elektrostatische Bindungen . . . . . . . Quartiir- oder Untereinheitenstruktur . Weitere Eigenschaften der Proteine .. Molekiilmassen und ihre Bestimmung Ermittlung der Molekiilmasse aus analytischen Daten Osmotischer Druck und Molekiilmasse .... Sedimentationskonstanten und Molekiilmasse GelfiItration und Molekiilmasse . . . . . . . SDS-gelelektrophorese und weitere Methoden zur Molekiilmassenbestimmung Elektrochemische Eigenschaften Kolloidchemische Eigenschaften Optische Eigenschaften . . . . . Immunologische Charakterisierung Biologische Aktivitiit der Proteine Reindarstellung der Proteine Aufgaben ...

5. Enzyme und Biokatalyse 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4

Allgemeines. . Katalyse, Kopplung von Reaktionen und Fliellgleichgewichte Einfache Enzymkinetik . . . . . . . . . . . . . pH-Abhiingigkeit der Enzymaktivitat .... . Temperaturabhangigkeit der Enzymaktivitiit . Enzymhemmungen . . . . . . . Abhiingigkeit der Enzymaktivitiit von der Substrat- oder Produktkonzentration . . . . . . . . . . . . Kompetitive Hemmung . . . . . . . . . . . Allosterische Hemmung oder Aktivierung Weitere Hemmtypen . . . . . . . . . . . . .

34 34 35 37

39 39 39 40 42 46 46 47 47 48 49

51 52 53 53 54 55 55 58 58 58 58 59 59 60 60

61 62 62 63 63 65

67 67 67 69 71 72

72 72 72 73 73

Inhalt 5.7 5.8 5.9

XI

Mechanismus der Enzymkatalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nomenklatur und Einteilung der Enzyme . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6. Coenzyme und Vitamine 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.3.1 6.2.3.2 6.2.3.3 6.2.3.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.5 6.5.1 6.5.2 6.6 6.7 6.8 6.9 6.9.1 6.9.2 6.10

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coenzyme der Oxidoreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicotinamidnucleotide . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . F1avinnucleotide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Coenzyme von Oxidoreductasen . . . . .' . . . . . . . . . Liponsiiure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eisen·Schwefel·Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chinone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiereiche Phosphate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nucleosidphosphate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere energiereiche Phosphate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coenzyme der Obertragung von CI"Fragmenten . . . . . . . . . S·Adenosylmethionin als Methyl·Donator . . . . . . . . . . . . . Tetrahydrofolsiiure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biotin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coenzyme der Ubertragung von C2 ·Fragmenten . . . . . . . . . Thiamindiphosphat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coenzym A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pyridoxalphosphat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vitamin BI2 und DA·Cobaiamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Coenzyme bzw. Cofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fettliisliche Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wasserliisliche Vitamine . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . .

77 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7. Koblenhydrate und ihr Stoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.4 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.6 7.7 7.7.1

74 75 76

Bemerkungen zur Chemie der Koblenhydrate . . . . . . . . Anaerober Glucosestoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines................................ Glycolyse und Gluconeogenese . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Formen des anaeroben Monosaccharidstoffwechsels Anaerober Abbau weiterer Hexosen . . . . . . . . . . . . . Anaerobe Umwandlung von Monosacchariden ineinander Weitere Giirungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dehydrierender Glucoseabbau . . . . . . . . . . . . . . . . Oligo· und Polysaccharide und ihr Stoffwechsel . . . . . . . . . .. Allgemeines................................ Spaltung der Oligo· und Polysaccharide . . . . . . . . . . . . . . . Biosynthese der Oligo· und Polysaccharide . . . . . . Regulation des Koblenhydratstoffwechsels und seine Integration in den Gesamtstoffwechsel . . . Photosynthetische Bildung der Zucker . . . . . . . . . . . . . . . . Licht· und Dunkelreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

77 77 77 80 82 82 82 84 84 84 84 87 88 88 88 90 91 92 92 94 95 95 96 97 99 100

101 101 103 103 104 110 110 111 113 114 114 114 118 120 122 122 122

[nhalt

XII

7.7.2 7.7.3 7.7.4 7.8

Photosynthetische Bildung der Glucose (Calvin-Cyclus) Photoatmung.. . . . . . . . . .. . Hatch-Slack-Weg . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . .

. . . . .. . . . .. . . . ..

8. Oxidativer Endabbau und ATP-Synthese

8.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.4 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.6

129

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 129 Abbau der Ot-Oxosiiuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau des Acetats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Citrat-Cyclus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Glyoxylat-Cyclus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Atmungskettenphosphorylierung . . . . . . . . . . . . . . . 137 Lichtreaktionen der Photosynthese (Photophosphorylierung, NADPH-Bildung, Photoatmung) ... 141 Chloroplasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 142 Photosynthetische Pigmente . . . 142 Photochemischer PrimiirprozeB . 146 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . .

9. Lipide und ihr Stoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . .

9.1 9.2 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.2.1 9.4.2.2 9.5

Zur Chemie der Lipide . . . . . . . . . . . . Allgemeines zur Biochemie der Lipide . . . Oxidation der Fettsiiuren . . . . . . . . . . Transport der Fettsiiuren in die Mitochondrien .... . Abbau geradkettiger gesiittigter Fettsiiuren . . . . . . . . . . . . Abbau verzweigter Fettsiiuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau ungesiittigter Fettsiiuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese der Lipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese der Fettsiiuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese der Glyceride und Phosphatide . . . . . . . . . . . . . Synthese der Glyceride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese der Phosphatide (Phosphoglyceride) . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147

. . . . . . . .

10. Abbau der Proteine und Stoffwechsel der Aminosiuren . . . . . . . . . . 10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.4.1 10.2.4.2 10.2.4.3 10.2.4.4 10.2.4.5 10.3 10.4 10.5 10.6

122 124 125 126

Spaltung der Proteine und Resorption der Aminosiiuren . . . Abbau der Aminosiiuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transaminierungen....................... Oxidative Desaminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . Terminale Ausscheidung des Aminostickstoffs . . . . . Abbauwege fiir Aminosiiuren . . . . . . . . . . . . . . . Abbau zu Acetyl-CoA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau zu Succinat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau zu Ot-Oxoglutarat . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau zu Oxalacetat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Decarboxylierung von Aminosiiuren . . . . . . . . Pathologische St6rungen des Aminosiiureabbaus . . . . . . . . . Biosynthese der Aminosiiuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Aminosiiuren als Vorstufe fiir weitere Synthesen . . . . . . . . .. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

147 149 150 150 151 152 154 154 154 158 158 159 161 163 163 165 165 166 167 169 169 171 173 174 174 175 176 178 180

Inhalt

XIII

11. Nucleinsiureu UDd Proteiubiosyuthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 181 11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.2.1 11.1.2.2 11.1.3 11.1.3.1 11.1.3.2 11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.3 11.3.1 11.3.2 11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.2.1 11.4.2.2 11.4.2.3 11.4.2.4 11.4.2.5 11.4.3 11.4.4 11.4.4.1 11.4.4.2 11.5 11.5.1 11.5.2 11.6 11.7

Bausteine der Nucleinsiiuren und ihr StotTwechsel . . . . . . . .. Bausteine der Nucleinsiiuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . StotTwechsel der Purinnucleotide . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . StotTwechsel der Pyrimidinnucleoside . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur der Nucleinsiiuren und Chromosomen . . . . . . . . .. Struktur der Deoxyribonucleinsiiuren (DNA) . . . . . . . . . . . Die Chromosomenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur der Ribonucleinsiiuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion, Biosynthese und Abbau der Nucleinsiiuren . . . . . . Funktion, Biosynthese, Rekombination und Abbau der DNA . Biosynthese und Abbau der RNA . . . . . . . . . . . . . . . . .. Proteinbiosynthese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Aktivierung der Aminosiiuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilschritte der ribosomalen Proteinsynthese . . . . . . . . . . .. Ribosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Startreaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Kettenverliingerung (Elongation) . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Kettenabbruch (Termination) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Polysomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Proteinprozessieren und Transport . . . . . . . . . . . . . . . . .. Inhibition und Regulation der Proteinbiosynthese . . . . . . . .. Inhibitoren der Proteinbiosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . .. Regulation von Proteinbiosynthese und Genexpression . . . . .. Genetischer Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. EntzitTerung des genetischen Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . Mutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht-ribosomale Peptidsynthesen und biologischer Informationsflull . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

181 181 182 182 184 185 185 187 187 187 190 191 193 193 196 199 199 199 199 200 201 201 204 204 206 206 207 209 209 211 212 213

12. Regulatiou UDd Integratiou des StotTwecbsels . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 12.1 12.1.1 12.1.2 12.1.3 12.1.4 12.1.5 12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.2.1 12.2.2.2 12.3 12.3.1

Prinzipien der gegenseitigen Kontrolle enzymatischer Prozesse . Kompartimentierung.......................... Einfache Kontrolle durch das Substratangebot . . . . . . . . . . Allosterische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Kontrolle durch EnzymmodifIZierung . . . . . . . . . . . . . . .. Kontrolle durch Enzymsynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der nervosen und hormonalen Regulation . . . . . .. Kontrolle der Ausscheidung wichtiger Hormone. . . . . . . . .. Prinzipien der Wirkung von Hormonen auf den ZellstotTwechsel Membrangebundene Hormonrezeptoren . . . . . . . . . . . . . . Hormonrezeptoren des Cytoplasmas . . . . . . . . . . . . . . . .. Integration einzelner StotTwechselprozesse . . . . . . . . . . . . . Integration von Citrat-Cyclus, Atmungskettenphosphorylierung und Glycolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

215 215 215 216 216 217 217 217 218 219 222 222 222

XIV

Inhalt

12.3.2 12.3.3 12.3.4 12.3.5 12.4 12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.5

Integration von Fettsiiuresynthese, Gluconeogenese und Mitochondrienfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integration des Stoffwechsels der Proteine und Aminosiiuren sowie der Nucleinsiiuren und ihrer Bausteine . . . . . . . . Regulation des NAD(P)H/NAD(P)+ -Verhiiltnisses ... . Regulation des ATP/ADP-Verhiiltnisses . . . . . . . . . . . Zusammenwirken von Geweben und Organen . . . . . . . Wechselbeziehungen zwischen Verdauungstrakt, Leber, Muskelgewebe, Fettgewebe und Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . Ausscheidung von Endprodukten des Stoffwechsels . . . . . . . . Mechanische Funktionen der Muskulatur . . . . . . . . . . . . . Biochemische Aspekte der Funktion des Nervensystems . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

223 226 226 229 229 230 232 232 233 234 235

13. Anbaog

Verzeichnis wichtiger Abkiirzungen und Code-Buchstaben . . . . Zeittafel wichtiger biochemischer Entdeckungen der Neuzeit .. Naturkonstanten, Einheiten und ihre Umrechnung . . . . . . . . Losungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 237 239 241 243

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

245

13.1 13.2. 13.3 13.4 13.5

1. GesetzmaOigkeit biochemischer Systeme und Determination ihrer Evolution

1.1 Allgemeine Fragen Beim Studium der Struktur und Funktion lebender Systeme und ihrer Bausteine drangen sich immer wieder grundsatzliche Fragen auf, fiir die wir bislang keine befriedigende Antworten kennen: Lebende Systeme bestehen aus leblosen Molekillen. Es gelten fiir sie dieselben Naturgesetze wie fiir ihre leblose Umwelt; was also ist ein lebendes System? Die Bausteine der lebenden Systeme unserer Erde sind neben dem Wasser ganz iiberwiegend Kohlenwasserstoff-Verbindungen. Gibt es auf anderen Himmelskorpern eine Alternative im Sinne von anderen, "exotischen" Biochemien? Die Grundsatze der Funktion und der Bewahrung von genetischen Informationen sowie ihrer Mutation sind fiir aile lebenden Systeme gleich. Es laBt sich sogar postulieren, daB aile bekannten lebenden Organismen entwicklungsgeschichtlich von derselben "Urzelle" abstammen. Woher kam diese "Urzelle"? Biochemische Funktionen, zum Beispiel die verschiedenen Formen des Stoffumsatzes, Stofftransports oder Bewegungsvorgange, beeindrucken gerade den Anfanger immer wieder durch ihre anscheinend verwirrende Vielfalt. LaBt sich diese Vielfait systematisieren und auf Grundtypen zuriickfiihren? Dieses Kapitel soli zu den heute moglichen Antworten auf diese Fragen fiihren.

1.2 Was sind lebende Systeme? Die Definition eines lebenden Systems oder Organismus konnen wir als Naturwissenschaftler noch immer nicht geben. Wir sind lediglich in der Lage, lebenden Systemen bestimmte Eigenschaften zuzuordnen. Viele Eigenschaften der lebenden Organismen sind aber noch nicht geniigend erforscht und konnen nicht genau angegeben werden. Daher bleibt eine Aufzahlung charakteristischer Eigenschaften lebender Systeme unvollstandig. Einige wesentliche Merkmale lebender Systeme sind: a) Abgrenzung des Systems (als Zelle) gegeniiber der Umgebung durch eine Hiille. b) Die Befahigung zu einem Stoffwechsel, welcher dem System - das Wachstum und - eine spezifische Wechselwirkung (einschlieBlich Stoff- und Energieaustausch) mit der Umgebung sowie - die Bereitstellung von "chemischer" Energie fiir weitere Funktionen ermoglicht. c) Die Befahigung zur Fortpflanzung unter gleichzeitiger Replikation und Weitergabe der genetischen Information an die Tochterzellen. d) Die Befahigung zur Darwinschen Evolution infolge Mutierbarkeit der genetischen Information. e) Die Steuerbarkeit aller wesentlichen Zellfunktionen einschlieBlich Zellentwicklung und Morphogenese.

2

I. GesetzmiiBigkeit biochemischer Systeme und Determination ihrer Evolution

Man kann Systeme in der Natur tinden, welche nur die unter a), b) und teilweise auch e) aufgefiihrten Eigenschaften besitzen. Es wird stets Detinitions- oder Ansichtssache bleiben, ob man derartige Systeme als "lebend" ansieht. Betrachten wir z. B. die roten Blutkorperchen (Erythrozyten) des Menschen. Diese Zellen besitzen im ausgereiften Zustand keinen Zellkem (Hauptsitz der genetischen Information). Sie sind sornit nicht mehr replikationsflihig. Man kann auch im Experiment aus normalen Zellen den Zellkem herauspriiparieren oder die nutzbare genetische Information von Zellen zerstoren, ohne ihre StofTwechselfunktionen wesentlieh zu veriindem. Weiterhin lassen sich im Labor aus Lipiden und Proteinen vesikuliire Gebilde, z.B. Proteoliposomen (Abb. 2.12), herstellen, die - je nach der Art der eingebauten Proteine - bestimmte StofTwechselreaktionen durchIuhren konnen. Sie erfiillen sornit nur die Bedingungen a) und bedingt b). Andererseits kennt man ruhende Oberlebensformen von Organismen, insbesondere von Mikroorganismen (Sporen, Konidien), die im hochgetrockneten oder tiefgefrorenen Zustand keinen nachweisbaren StofTwechsel haben. Diese Organismen erfiillen in diesem Stadium keine der Bedingungen a)-e), bringt man sie jedoch wieder in eine feuchte Umgebung, so zeigen sie nach einiger Zeit wieder aile Eigenschaften a)-e). Man sieht an diesen Beispielen, wie schwierig es unter Umstiinden werden kann, eine scharfe Grenze zwischen "lebend" und "leblos" (d.h. ohne "Leben") zu ziehen.

1.3 Gibt es "exotische" Biochemien? Wenn wir die Hiiufigkeit der Elemente im Universum betraehten (Tab. 1.1), so erkennen wir, daB neben Helium, Neon und Silicium die Bioelemente (Organoelemente) KohlenstofT, WasserstofT, SauerstofT und StickstofT die hiiutigsten Elemente sind. Weiterhin wissen wir heute, daB sieh aus diesen Elementen nieht erst auf hinreiehend kiihlen Planeten, sondem bereits im interstellaren Raum des Universums eiufaehe Molekiile wie Wasser, Ammoniak, Methan, aber aueh Formaldehyd, Blausiiure, Methanol, Ameisensiiure, KohienstofTsuitid, Ethan, AeetonitriI, Acetaldehyd, Formamid und viele weitere spontan bilden. Die meisten dieser Verbindungen sind KohlenstofJ-Verbindungen. Als Silieium-Verbindung wurde bisher nur Silieiumoxid identitiziert. Bioehernische Systeme auf der Basis von KohlenstofT-Verbindungen haben gegeniiber anderen Systemen den Vorteil, daB KohlenstofT-Verbindungen, bezogen auf das gesamte Universum, in relativ groBerer Menge und Vielfalt zur Verfiigung stehen. Natiirlieh kann man nieht ausschlieBen, daB sich irgendwo im Universum zum Beispiel biochernische Systeme auf der Tab. 1.1. Hiiufigkeit einiger Elemente (Si = I) Ordnungszahl

I

2 6 7 8 14 15 16

Element

H He C N

0 Si P S

Hiiufigkeit [Gramm-Atom/Gramm-Atom Si] Universum

SonnenOberf13cbe

ErdOberf13che

4 ·10' 3,1.10 3 3,5 6,6 2,2 1 I .10- 2 3,8.10- 1

5,1 ·10' 1 ·10'

1,4.10- 1 7,5.10- 8 2,7.10- 3 3,3·10-' 2,9 1 3,8.10- 3 1,6.10- 3

I

2,1 2,8.102 I

4,3.10- 1

1.3 Gibt es "exotische

H

Biochemien?

Grundlage von Silicium- und Bor-Verbindungen, deren Vielfalt gleichfalls besticht, entwickeln konnten. Es gibt aber bisher keine konkreten Hinweise fUr das Vorkommen irgendwe1cher Lebensformen auBerhalb der Erde. Ein wei teres wichtiges Charakteristikum unserer Biochemie ist die Abhangigkeit aller Lebensvorgange von der Gegenwart des Wassers. Theoretisch k6nnte man sich auch eine Biochemie nicht-waBriger Systeme vorstellen. Insbesondere Ammoniak kame hier anstelle des Wassers in Betrach!. Ammoniak besitzt jedoch bei weitem nicht die chemische Stabilitat des Wassers. Er zerfallt bei h6heren Temperaturen oder bei Belichtung recht leieht in Stickstoff und Wasserstoff. Weiterhin liegt Ammoniak nieht in einem so weiten Temperaturbereich wie Wasser in fliissigem Zustand vor (Siedepunkt: - 33°C bei 10' Pa Druck; Schmelzpunkt: - 78 "C). Deshalb haben biochemische Systeme mit Wasser als L6sungsmittel nicht nur wegen dessen Verbreitung, sondern aueh wegen der besonderen Eigenschaften des Wassers selektive Vorteile gegeniiber Systemen mit anderen L6sungsmitte1n. Nach dem Wasser (etwa 80%) sind die Proteine die vorherrschenden Bestandteile (etwa 15%) aller lebenden Zellen. Man kann sich wiederum fragen, warum fast alle biochemischen Funktionen von der Gegenwart bestimmter Proteine abhiingig sind. Ki:innten nicht auch andere Makromolekiile in biochemischen Systemen anderer Welten die Aufgaben der Proteine iibernommen haben? In diesem Zusammenhang kiinnte man daran ankniipfen, daB z. B. bestimmte Vorstufen der tRNA (Absehn. 11.2.3) wie Enzyme (Kap.5) wirken (sog. Ribozyme), indem sie Reaktionsschritte bei ihrer eigenen Umwandlung katalysieren (Selbst-Prozessieren). Iedoch sind Proteine (Kap. 4) hinsiehtlich des Vermiigens geeignete Raumstrukturen zur Wahrnehmung vieWiltiger Funktionen auszubilden, allen anderen bekannten Polymeren weit iiberlegen, so daB eine Biochemie ohne Proteine als Funktionstriiger nur sehr schwer vorstellbar is!. Es ist weiterhin miiglich aufzuzeigen, daB die Aminosiiuren, die Bausteine der Proteine, gegeniiber anderen Monomeren wegen ihrer besonderen Stabilitiit evolutionsmiiBige Vorteile besitzen: Biologische Systeme bestehen vor allem aus den Elementen H, C, N und O. Diese sind neben He und Ne die hiiufigsten Elemente des Universums. Man nimmt an, daB diese Elemente im Verlauf der Bildung erdiihnlicher Planeten eine Atmosphiire bildeten, die iiberwiegend aus CO, und N2 , neben CH" CO, H20, H2 , HCN und NH3 bestand. Setzt man derartige Atmospiiren im Laboratoriumsversuch elektrischen Entladungen, UV-Strahlung, ionisierenden Strahlungen oder kurzfristig hohen Temperaturen (- 800°C) aus, so lassen sich als Reaktionsprodukte vor allem Aminosiiuren und nicht etwa Nucleinsiiurebausteine abfangen. Die Ausbeuten an hydrophilen Verbindungen sind besonders hoch, wenn sieh der in der "Atmosphiire" befindliehe Wasserdampf fortlaufend kondensieren kann, wodurch zugleieh alle wasserliislichen Reaktionsprodukte aus der Gasphase entfernt werden. Abbildung 1.1 stellt die Schemazeichnung einer Apparatur dar, mit deren Hilfe S. Miller in den 50er Iahren naehgewiesen hat, daB sich bei Einwirkung von elektrischen Entladungen auf eine CH 4 -, NH 3 -, H 2 0- und Hz-Atmosphiire insbesondere Aminosauren bilden.· Aminosauren aber besitzen aufgrund ihrer ehemischen Eigenschaften (Stabilitat und relativ begrenzte Reaktionsfahigkeit, niedriger Dampfdruek und gute L6slichkeit in Wasser) nicht nur eine hohe Tauglichkeit fiir den Aufbau biologischer Systeme, sondern sind in einer priibiotisehen Umwelt anderen potentiellen Monomeren biologiseher Makromolekiile, z. B. Nucleotiden, in ihrer Bestiindigkeit aueh weit iiberlegen. Die von S. Miller und H. Urey damals fUr die Erde postulierte Uratmosphiire hat es wahrscheinlieh nie gegeben. Andererseits liefern iiberwiegend aus CO 2 und N2 bestehende Atmosphiiren (Mars, Venus, vulkanisehe Ausgasungen) bei entspreehenden Simulationsexperimenten nur in

2

lOr

Vakuumpumpe

--3

6 5 Ahh.1.1. Apparatur zur Synthese organischer Verbindungen in einer simulierten, primitiven Atmosphiire (hier CH 4 , H 2 0, NH, und Hz) durch Funkentladung (nach S. Miller 1954)

1 Elektroden, 2 Funkenentladung, 3 Kuhler, 4 Wasser mit gelosten organischen Verbindungen, 5 Faile. 6 kochendes Wasser

*

Ahnliche Versuche hat schon Lob vor 1913 in Berlin durchgefiihrt, ohne jedoch die Bedeutung seiner Ergebnisse fUr die priibiotische Bildung von organischen Molekiilen zu erkennen. Dagegen haben Groth und SuB bereits 1937 eine simulierte "Uratmosphiire" mit UV -Licht bestrahlt, einfache organische Verbindungen nachgewiesen, und ihre Bildung im Zusammenhang mit dem Ursprung des Lebens diskutiert.

4

1. Gesetzmii1Jigkeit biochemischer Systeme und Determination ihrer Evolution

maBigen Ausbeuten Aminosauren und andere organisehe Verbindungen, s. daher Absehn.1.4.4. Zweifellos ist die Ausbildung der uns bekannten biologisehen Systeme entwicklungsgesehiehtlieh eng mit der Gesehiehte des U niversums verknupft. Nieht ein Zufall hat diese Entwicklung bestimmt, sondern die Eigensehaften der Materie und ihrer Bausteine haben sie determiniert.

1.4 Ursprung des Lebens 1.4.1 Allgemeine Darstellung der chemischen und priibiotischen Evolution Terrestrische Biosphare Chemische Evolution

1und Ursprung des Lebens Organische Molekiile der Planeten, Kometen und Meteoriten

1

Planetenbildung

Organische Molekiile des priisolaren Nebels Evolution interstellaren Raum 1imChemische

Universum vor Bildung des Sonnensystems

tI

Nuclearchemische Evolution der Elemente in Stemen

Erste leichte Elemente

1

"Big Bang"

Ursprung des Universums Abb.1.2. Wesentliche Phasen der kosmochemischen Evolution

Wie einige Wissenschaftler (z. B. E. Haeckel und C. Darwin) in der zweiten Halfle des 19. Jahrhunderts postulierten, ist die Entstehung des Lebens sehr wahrseheinlieh ein evolutioniirer ProzeB. Folgende Befunde unterstutzen nach heutiger Ansieht einen Ursprung des Lebens durch Evolution und Selbst-Organisation: - Haufigkeit der Bioelemente im Universum - Haufigkeit organiseher Molekiile in interstellaren Wolken, Kometen, Meteoriten und bestimmten Atmosphiiren (z. B. auch auf Titan, ein Saturn-Satellit) - Therrnodynamische Plausibilitat von Evolution und Selbstorganisation. Wiihrend man unter den Begriffen chemische Evolution und molekularer Evolution die schrittweise Umwandlung der Bestandteile der kosmischen Materie in biologisch wichtige Bausteine versteht, ist der Begriff biotische Evolution oder biologische Evolution definiert als Darwinsche Evolution. Die neuzeitliche Ara der experimentellen Forschung auf dem Gebiet der chemisehen Evolution wurde in den zwanziger Jahren besonders durch die Arbeiten von Oparin und Haldane eingeieitet. Das Konzept der Evolutionsphasen vom Ursprung des Universums (vor etwa 15-20 Milliarden Jahren) bis zur Evolution der Biosphiire ist in Abb. 1.2 global dargestellt. Abbildung 1.3 zeigt dagegen (postulierte) Evolutionsschritte von priibiotischen Molekiilen zu heutigen Zellen. Man beachte, daB der Begriff Evolution in der Kosmologie nur etwa die Bedeutung von "Bildung und Umwandlung der Materie" hat. Dagegen setzt das biologische Evolutionsprinzip voraus, daB das Individuum selbst vergeht, aber Nachkommen mit veriinderten Erbeigenschaften hinterliiBt. Die in Abb. 1.3 erwiihnte "protodarwinsehe Evolution" mull als trbergangsforrn angesehen werden. 1.4.2 Mikrofossilien in Sedimentgesteinen des Priicambriums Unser Sonnensystem hat sich vor etwa fiinf Milliarden Jahren gebildet; die Erde durfle nur wenig junger sein. Die iiltesten, bisher bekannten Sedimentgesteine wurden in Gronland entdeckt. Sie sind etwa 3,8 Milliarden Jahre alt und enthalten bereits organische Verbindungen und Strukturelemente, die biogenen Ursprungs sein konnten. Definierbare Uberreste von Kleinstlebewesen findet man erst in den mehr als 0,5 Milliarden Jahre jiingeren Sedimentgesteinen Siidafrikas (z. B. in den 3,1 Milliarden Jahre alten Sedimenten des Fig-Tree-Systems). Es handelt sich dabei wahrscheinlich urn versteinerte Abdrucke (Fossilien) von Bakterien oder Algen. Mikrofossilien aus dem Soudan-Eisen-Schiefer (vor etwa 2,7 Milliarden Jahren), dem Gunflint-Schiefer (vor 1,9 Milliarden Jahren) und dem Nonesuch-Schiefer (vor 1 Milliarde Jahren) lassen den SchluB zu, daB bereits vor 2-3 Milliarden Jahren hochentwickelte Kleinstlebewesen auf der Erde gelebt haben. Aus den sorgfiiltig priiparierten Gesteinen wurden auch Isoprenoide, Alkane und verzweigte Kohlen-

1.4 Ursprung des Lebens wasserstoffe isoliert, die an sich nicht spontan unter geoehemisehen Bedingungen entstehen. Man vermutet daher, daB diese molekularen Fossilien biotisehen Ursprungs sind. Wenn diese Kohlenwasserstoffe aber vor fast drei Milliarden Jahren aus einfaeheren Stoffen entstanden sind, so miissen die Mikroorganismen jener Zeit bereits eine verhaItnismaBig hochentwieke1te Ausstattung an Enzymen, d. h. an Biokatalysatoren, besessen haben. Wir wissen nieht genau, wann die ehemische bzw. molekulare Evolution in die Darwinsche Evolution fibergegangen ist. Nimmt man das Alter der festen (abgekiihlten) Erdkruste mit 4,3 Milliarden Jahren an und geht man davon aus, daB die 3,8 Milliarden Jahre alten Sedimentgesteine aus Gronland bereits fossile Reste von Lebewesen enthalten, so verbleiben noch etwa 0,5 Milliarden Jahre fiir die molekulare (ehemisehe) Evolution und die Entstehung des Lebens (Biogenese). Wichtige Ergebnisse fiber das Auffinden molekularer und organismischer Fossilien in Sedimenten sind in Tab. 1.2 zusammengefaBt. Tab.1.2. Geologische Zeitskala der chernischen und biotischen Evolution Sedimentgestein

I Zeitskala

I Alteste

bisher ge-

I

Geologisches I Chernisch-Biotische

I (in Jahren, I fundene chemische I Zeitalter : zuriickgerech-: Fossilien : I net von der I I I Gegenwart) I :

Mud-Lake Florida

:

0

:Nucleinsauren Carotinoide

I

I

Evolution

: I :

Eukaryolen

Eubakterien

セQ@

/

セャwゥョGcィ・@ eセャオエゥッョ@

Progenolen (postulierte erslc Formen heutigen Lebens) Protodmwinschc

1 Evolution

Prolobionten oder Prolozellcn (postulierte ersle Formen fruhen Lebens)

I

Neuzeit

Archaebakterien

Mensch Molekulare Evolution

1

Makromoleklile (z.B. Polymere von Aminosiiuren), selbslorganisicrtc supramolckulare Strukturen (z.B. Membranvesikel)

1

Molekulare Evolution

Kleine priibiolische Molekfile (z.B. Aminosauren, Fettsauren,

Zucker, Nuc1einsiiure-Basen)

1

Chemischc Evolution

Ausgangsmaterialien (z.B. Bestanctleile der primiliven Almosphiire, Hydrosphiire und Lilhosphiire; Kohlensloffverbindungen aus Komelen, Meleorilen oder kosmischem Staub)

1.4.3 Umweltbedingungen vor mehr als drei Milliarden Jahren Etwa zu der Zeit, als die Erde ihre heutige Gestalt annahm, war die Starke der Sonnenstrahlung in den obersten Sehichten der Atmosphiire urn ea. ein Drittel geringer als heute (s. Tab. 1.3). Die Atmosphiire der primitiven Erde war praktisch . frei von Sauerstoff - eine grundlegende Voraussetzung fiir die chemische Evo-

Abb.1.3. Postulierte Evolutionsschritte von priibiotischen Molekiilen zu den heutigen Zellen

1. GesetzmiiBigkeit biochemischer Systeme und Determination ihrer Evolution Tab. 1.3. Verfligbare Energien fiir die chemische Evolution auf der Erde Energieform

heutige Erde [J'cm-"a- I ]

primitive Erde [J 'em-"a- I ] vor etwa 4· 10· Jahren

Gesamte optische Sonneneinstrahlung UV ·Strahlung unter 200 nm Radioaktiver Zerfall bis 35 km Tiefe Wanne von vulkanischen Emissionen Elektrische Entladungen

1.097.000

711.800 126 197 ;;; 0,6 17

314 66 ",0,6 17

lution, da organische Stoffe in Gegenwart von Sauerstoff iiber geologische Zeitraume nicht bestandig sind -, aber so konnte sich auch kein nennenswerter OzonSchirm bilden. Das bedeutet, daB (im Gegensatz zu heute) auch ultraviolettes Licht mit Wellenlangen kleiner als 300 nm die ErdoberfHiche erreichen konnte. Hatte allein die Warmestrahiung der Sonne die Oberflachentemperatur der Erde bestimmt, so ware die Temperatur vor 3-4 Milliarden Jahren etwa 30 DC niedriger gewesen als heute. Aber die aus dem Erdinnern abgegebene Warme (Vulkanismus, Wiirmestrahlung) diirfte dafiir gesorgt haben, daB die durchschnittliche Oberfliichentemperatur damals nicht niedriger lag als heute. Diese Warme stammte aus radioaktiven Zerfallsprozessen - etwa dreimal so viel wie heute - und aus der Gravitationsenergie, welche durch die Aggregation eines Teils der kosmischen Staubwolke zum Protoplaneten und die spiitere Kontraktion des Protoplaneten freigesetzt wurde. Ein Teil dieser Energien wird noch heute bei vulkanischer Tiitigkeit umgesetzt. Weitere Energiequellen sind die elektrischen Entladungen in der Atmosphare; der Ursprung dieser Energieform ist gleichfalls die Sonnenstrahlung (Tab. 1.3) .

1.4.4 Ausgangsmaterial fUr die chemische Evolution Wie aus Abb. 1.2 hervorgeht, folgte auf die Entstehung des Kosmos, der Urmaterie (insbesondere Wasserstoff und weitere, leichte Elemente), die Evolution der ersten Sterne. Die Sternenbildung ist untrennbar mit der weiteren Evolution der Elemente verkniipft, die sich auch heute noch iiber kernchemische Reaktionen im Innern der Sterne vollzieht. Von den entstehenden Elementen sind, wie erwahnt, die Bioelemente von besonderem Interesse, denn sie lieferten in der Atmosphiire und Hydrosphiire des primitiven Planeten Erde oder der Protoerde die Grundstoffe fiir die chemische Evolution. Wenngleich iiber die Zusammensetzung der friihen Atmosphiire der Protoerde nur einige qualitative Angaben gemacht werden kiinnen, so sei doch nochmals daran erinnert, daB sie hauptsiichlich aus den Bioelementen Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff (und den Edelgasen Helium und Neon) bestanden haben muB (Tab. 1.1). Die Gase des Materiewirbels, aus dem sich die Protoerde bildete, waren neben He und Ne vor aHem Wasserstoff (H,), Wasser (H,O), Anunoniak (NH,) und Methan (CH4). Jedoch hat die Protoerde eine Phase hiiherer Temperatur durchlaufen und dabei weitgehend ihren Bestand an Edelgasen, molekularem Wasserstoff und anderen fliichtigen Komponenten veri oren. Eine zweite Atmosphiire diirfte sich anschlieBend aus vulkanischen Ausgasungen aufgebaut haben. Auch diese Atmosphiire enthielt noch keinen freien Sauerstoff, sondern vor aHem Kohlendioxid (CO,) und Stickstoff (N,). Sehr wahrscheinlich haben vor etwa 4 Milliarden Jahren zusiitzlich zahlreiche Einschliige von Kometen (= riesige KJumpen

1.4 Ursprung des Lebens "schmutzigen" Eises mit bis zu 50% Kohlenstoffverbindungen) und Meteoriten zum Aufbau dieser zweiten (CO,-reiehen) Atmosphare und der Hydrosphare beigetragen. Man kann davon ausgehen, daB die Kohlenstoffverbindungen der Kometen aus den organisehen Molekiilen des prasolaren Nebels' hervorgegangen sind. Von diesen Verbindungen erseheinen im Zusammenhang mit der priibiotisehen Chemie HCN, H 2CO, CH 3CN, C 2H 2 und CH 3C",CH als besonders bedeutend. 1m Gegensatz zu friiheren Annahmen kann man daher heute davon ausgehen, daB ein groBer Teil der einfaeheren prabiotisehen Molekiile nieht erst durch die Einwirkung der in Tab. 1.3 aufgefUhrten Energieformen auf die friihe Atrnosphare gebildet werden muBte, sondem mit den Kometen direkt auf die Erde kam. Erst ihre weitere Umwandlung auf der Erde vollzog sieh dann unter der Wirkung dieser Energieformen.

1.4.5 Laboratoriumsversuche zur Bildung von kleinen Molekiilen Die Meehanismen der ehemisehen Prozesse bei der Bildung von Aminosauren und anderen Bausteinen aus simulierten Uratrnosphiiren, wie etwa beim Miller-Versueh, werden noeh nieht im Detail verstanden. Dasselbe gilt aueh fUr die Bildung von organisehen Molekiilen im interstellaren Raum, die wohl vor allem dureh photoehemisehe Prozesse eingeleitet wird. Einfaeher sind dagegen in vielen Fiillen die mogliehen Umsetzungen der genannten interstellaren Molekiile im wiiBrigen Medium zu verstehen. Zum Beispiel kann sieh die Bildung des Glyeins, der einfaehsten Aminosiiure, iiber folgende Sehritte vollziehen: H 2CO

+ HCN + NH3

CH 2(NH 2)-C",N

+ 2H 20

Strecker·Synthese, Hydrolyse

CH 2(NH 2)-C",N

+ H 20 + NH3

CH 2(NH 2)-COOH

Bei Laborversuehen mit elektrisehen Entladungen entstehen als Endprodukte neben Aminosiiuren aueh hoehmolekulare Kohlenwasserstoffe und organisehe Siiuren (wie Ameisensiiure, Essigsiiure, Propionsiiure, Milehsiiure) und vermutlieh aueh Polyglyein (dureh eine thermisehe Naehreaktion von Polyaminomalonitril in Gegenwart von Wasser). Bei den ersten Versuehen iiber die Einwirkung ionisierender Strahlung (Rontgenstrahlen) auf simulierte, priibiotisehe Atmosphiiren kam man zu iihnliehen Ergebnissen (Dose, 1956). An der Bildung der biotisehen Bausteine, insbesondere der Aminosiiuren, sind hier vor allem Radikalreaktionen beteiligt; die Prozesse konnten inzwisehen weitgehend aufgekliirt werden. Aueh ultraviolette Strahlung und hohe Temperaturen (800°C) liefem kleine organisehe Molekiile, Wiederum vor allem Aminosiiuren. Die ersten Arbeiten mit UV-Lieht stammen von Groth und SiiB (1938), diejenigen mit thermiseher Energie von Harada und Fox (1964). Viele Versuehe zur Simulation der priibiotischen Evolution wurden mit HCN, einem wiehtigen Molekiil des interstellaren Raumes und der Kometen, untemommen. HCN liefert bei der Reaktion mit sieh selbst oder mit anderen Partnem eine groBe Vielfalt von Produkten. Analog zu der oben gesehilderten Strecker-Synthese des Glyeins lassen sieh z. B. alle o.-Aminoearbonsiiuren, also aueh siimtliehe Proteinbausteine, relativ einfaeh synthetisieren. Ein anderes wiehtiges Beispiel ist die Synthese der Nucleinsiiurebase Adenin aus 5 HCN-Molekiilen (s. Abb.1.4). Der Reaktionsmechanismus wurde 1961 von Oro aufgekliirt. Syntheseversuehe mit versehieden simulierten Uratmosphiiren lieferten aueh Formaldehyd (H2CO). Formaldehyd ist im interstellaren Raum naehgewiesen wor-

• Interstellare Staub- und Gaswolken sind, wie der prasolare Nebel, hochverdiinnte kosmische Materiewolken, die aus Novae- und Supernovae-Explosionen stammen. Auch die Sonne wird in einigen Milliarden lahren eine solehe Explosionsphase durchlaufen.

1. GesetzmaBigkeit biochemischer Systeme und Determination ihrer Evolution N=C-C=N-B

I

H

NI-I

YI-1 2

II

+ N=C-C

N=C-C-C=N

I

I

I-I

I-I

2 H-C=N

+ 2 NH,

-

yH2 N=C-C-C=N

I

I-I

I

B2N

NH, NI-I

I-IN

H

NI-I2

yI-I2 HN \'c-H

+

1-I 2N/C""NH

H

\ I !j C-C-C II I \

+ 2 NH,

NI-1 2 I I_I J_IN:"C'C/NI-I,

21-IN=?-NH,

HN:"CXN)

I

H2N

1-I2N

+ 2 NH,

Y H

yI-I2 fE2 H-C セ@ N!-I

+

yI-I2 N:"CXN,)

!-IN:"CXN,) !-I2N

Y

IN

I-I

Abb. 1.4. Synthese von Adenin aus Cyanid

5 HCN

+ 2 N!-I,

N

I

I-I

____

Adcnin

den. Alkalische, wiiBrige F ormaldehydl6sungen kondensieren zu Zuckem, so daB sich hieraus ein abiotischer Bildungsweg fiir Saccharide konstruieren liiBt. Wir diirfen annehmen, daB auf der primitiven Erde aile fiir die Entstehung des Lebens wichtige Bausteine wie Aminosiiuren, Zucker, Fettsiiuren und ihre Abk6mmlinge, Purin- und Pyrimidinbasen, selbst die yom Blutfarbstoff (Hiimoglobin) und yom Blattgriin (Chlorophyll) her bekannten Porphyrine in groBer Vielzahl und Vielfalt vorhanden waren und als Ausgangsmaterial zur Bildung von h6hermolekularen Verbindungen oder als Nahrung fiir erste Organismen bereit standen. Auf weitere priibiotische Bildungsweisen kann hier nicht eingegangen werden. Es hat sich heute die Ansicht durchgesetzt, daB viele wesentliche Merkmale biochemischer Reaktionen vorbestimmt wurden durch den Verlauf der priibiotischen Evolution und dieser wiederum wurde vorbestimmt durch das Ineinandergreifen kosmologischer, insbesondere kosmochemischer Prozesse.

1.4 Ursprung des Lebens

9

1.4.6 Ursprung der optischen Aktivitiit Eine wichtige Frage blieb bisher unbeantwortet: Durch welchen Evolutionsschritt entstand die Priiferenz biologischer Systeme fiir bestimmte optisch-aktive Reihen? Bei den erwahnten abiotischen Synthesen entstehen ausnahmslos racemische Gemische, welche z. B. die D- und L-Form der a-Aminosauren, der Zucker usw. im Verhaltnis 1: 1 enthalten. Von Lebewesen stammende (biogene) Verbindungen enthalten dagegen in der Regel nur die eine oder die andere enantiomorphe Form. So findet man in EiweiBkorpern nur L-a-Aminosauren (Abschn . 3.1.1). Diese Verbindungen sind optisch aktiv, d. h. sie drehen die Ebene des linear polarisierten Lichtes.· Bisher muB die Moglichkeit offenbleiben, daB die Fiihigkeit, in spezifischer Weise optisch aktive Verbindungen aufzunehmen, zusammenzusetzen und umzuwandeln, eine Eigenschaft ist, die gleichzeitig mit oder erst nach der Entwicklung von prabiotischen Systemen zu lebenden Zellen stattfand.

1.4.7 Priibiotische Polymere und der Ursprung der biologischen Information Aus thermodynamischen Grunden ist die Wahrscheinlichkeit einer thermischen Kondensation von Biomonomeren (Aminosauren, Monosaccharide, Nucleotide) zu Biomakromolekiilen (Peptide, Proteine, Polysaccharide, Polynucleotide oder Nucleinsiiuren) in verdiinnten waBrigen Lasungen sehr gering. Wir wissen aber, daB geologische Prozesse zum Austrocknen von Seen und Meeresteilen fiihren kannen, so daB an solchen Orten zunachst konzentrierte Lasungen und schlieBlich feste Ablagerungen aus organischen Stoffen entstehen konnten. Bei einem maglichen Auftreten vulkanischer Prozesse im Bereich dieser Ablagerungen haben dort verhaltnismaBig ideale Bedingungen fiir thermische Kondensationsprozesse bestanden. Laboratoriumsexperimente, vor allem die aus dem Arbeitskreis von S. W. Fox, haben gezeigt, daB Gemisehe der in Proteinen vorkommenden Aminosauren dureh Erhitzen auf mehr als 100 ' C zu proteinahnliehen Makromolekiilen (Proteinoide) kondensiert werden kannen. Diese Proteinoide kannten einen bestimmten Informationsgehalt besitzen, da ihre Aminosaure-Bausteine nieht zufallig aneinandergereiht sind. Zur Verdeutliehung einer Sequenzselektion dient das " Spielkartenmodell" : Nehmen wir anstatt von drei beliebig ausgewahlten Aminosauren je einen Spielkartentyp, dann erhalten wir fUr die als Beispiel in Abb. 1.5 gewahlten Dreierkombinationen (Tripeptide) 3 3 = 27 versehiedene Kombinationsmaglichkeiten, von denen jede bei statistiseher Kombination der Karten die gleiche Wahrscheinliehkeit besitzt. Die versehiedenen Aminosaure-Typen haben aber (im Gegensatz zu den versehiedenen Spielkartentypen) eine unterschiedUche Raumstruktur und chemische Reaktivitiit! Daher gibt es hier beglinstigte und weniger begiinstigte Kombinationen. Idealisierend zeigt Abb. 1.6 die Ausbildung einer beglinstigten Kombination. Die Sequenzselektion bei der thermischen Kondensation ist jedoch um mehrere GraBenordnungen fehlerhafter als bei der biologischen Proteinsynthese. Die Information fiir die Sequenz der Aminosiiuren in Proteinoiden entstammt jedoch nieht nur den chemischen EigenschaJten der einzelnen Aminosiiuren, sondern auch Umgebungsfaktoren (pH-Wert, Temperatur und Konzentration, Gegenwart von Mineralien, Reaktivitat der zu verliingernden Kette etc.). An dieses Ergebnis kniipfen sieh drei entscheidende Fragen:

• Es gibt auch in der unbelebten Natur Krafte, die theoretisch die gezielle Bildung oder Zerstorung einer bestimmten enantiomorphen Form bewirken konnten. Man hat z. B. vermutet, daB das zirkularpolarisierte Himmelslicht oder die bei radioaktiven p-Zerfallsprozessen auftretenden polarisierten Elektronen selektiv die Existenz dec eineo oder anderen optisch

aktiven Molekiilform haben begiinstigen konnen. Aber def wirksame Polarisie-

rungsgrad soleher Strahlungen ist so gering, daB bedeutsame Selektionen durch natiirliche Strahlung bisher nicht beobachtet worden sind. Wenn jedoch einmal, vielleicht auch nur vereinzelt und "zu-

rallig", eine Anhaufung einer bestimmten optisch aktiven Molekiilform eingetreten war, so konnten diese Molekiile spezifisch mit den 0- und L-Bestandteilen eines racemischen Gemisches reagieren und so

eine Selektion einleiten. Bekannt ist die stereospezifische Ausrallung von 0- beziehungsweise L-Arninosauren aus einer iiber-

siittigten Lasung eines Racemats durch winzige Mengen optisch aktiver Kristallisationskeime.

A

c

++ ++ +.. + H... JH-COO>< 88B AAA CCC ABC AAB B8A CCA ABA BAB CAC AC8 ABB ACC BCA BAA OAC AAC BBC CCO BCB CSC CAB ACA CAA CBB Bec CBA Abb.l.S. Willkiirliche Anordnung von drei Spielkartentypen (oben) zu Dreierkombinationen (un ten)

Abb.l.6. Modell der bevorzugten Bildung eines bestimmten Trimeren (Sequenz ABC) unter dem EinfluB spezieller Wechselwirkungen und Reaktivitiiten

10

* Der Begriff Information wird hier in Bezug auf molekulare Wcchselwirkungen angewand!. Informieren heWt im Bereich der Molekularbiologie, cine Nachricht

von

einem System A auf ein System B ubermitteln und dadurch System B veranlassen,

sich in bestimmter Weise zu verhalten. -

Aufgrund ihrer Struktur enthalten die Molekiile eine bestimmte Information (die Summe ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften) . Ein wesentlicher Teil der " rnolekularen " Inrormation def heutc lebenden Organismen ist in ihren Geneo

1. Gesetzmafiigkeit biochemischer Systemc uDd Determination ihrer Evolution

a) Enthalten die heute im Labor synthetisierbaren Proteinoide die " richtige" Information *, welche fUr die Evolution prabiotischer Systeme zu Protozellen (Urzellen) erforderlich war? b} Wenn man in der Zusammensetzung und im Bau der Proteinoide eine " priigenetische" Information sehen darf, wie konnte diese Information auf die durch Proteinoide zu codierenden Nucleinsiiuren oder deren Vorlaufer iibertragen werden? c} Wie konnten iiberhaupt erste Nucleinsauren entstehen? Simulationsversuche zur prabiotischen Evolution geben bislang keine sicheren Anhaltspunkte fUr die abiotische Bildung von Nucleinsiiuren.

verankert (genetische Information) . Der Ursprung dieser genetischen Information ist noch unbekannt. Sic konnte, wie hier

dargestellt wird, der Information der Proteinoide (Protoproteine) entstammen.

1.4_8 Selbstorganisation zu Priizellen? Labor-Proteinoide haben verschiedene Eigenschaften mit heutigen EiweiBkorpern gemeinsam (S. W. Fox). Eine interessante Eigenschaft besteht darin, daB sich einige Typen unter bestimmten Bedingungen selbst zu hoheren Strukturen (Mikrospharen) organisieren konnen. Die so gebildeten Proteinoid-Mikrosphiiren sind von selektiv-durehliissigen Wiinden umhiillt. Sie besitzen eine differenzierte Innenstruktur und sie haben aueh die Fiihigkeit, sieh mit Sehwester-Mikrospharen zusammenzulagern und hierbei Makromolekiile auszutauschen. Da ein Teil der Proteinoide, aus denen die Mikrosphiiren bestehen, enzymahnliehe Eigenschaften besitzt (d. h. sie konnen bestimmte chemische Reaktionen beschleunigen), erfUllen diese Mikrosphiiren die Kriterien a} und b} fUr ein lebendes System (Absehn. 1.2). Mikrospharen verfUgen sogar iiber eine Art primitiver Fortpflanzungsfahigkeit, da sich an ihrer Oberfliiche spontan Knospen (und damit neue "Aggregationskeime") bilden konnen, welche durch Aufnahme von Proteinoiden aus der umgebenden Losung zu voll ausgebildeten Mikrospharen heranwaehsen. Abbildung 1.7 demonstriert die morphologische Ahnlichkeit von Proteinoid-Mikrosphiiren mit prokaryotischen Zellen. Es ist jedoch auch eingewandt worden, daB diese Eigenschaften nur zufallige Arteffekte seien und in keiner Beziehung zur Evolution erster Zellen stiinden.

1.4.9 Weitere Fragen

Abb.1.7. Die morphologische Zelliihnlichkeit von Proteinoid-Mikrosphiiren (Quelle: S. W. Fox)

Es ist zur Zeit unmoglieh zu entscheiden, ob die Foxsehen Proteinoid-Mikrospharen die "riehtigen " Modelle fiir Priizellen oder gar Protozellen sind. Man kame einer Antwort entseheidend naher, wenn gezeigt werden konnte, daB sieh aus Proteinoid-Mikrospharen Zellen entwickeln konnen, in denen (wie bei heutigen Ein plauZellen) Nucleinsauren als Trager der genetischen Information 。オヲエイセ・ョN@ sibler Weg dafUr ist jedoeh noeh nieht bekannt. Seine Existenz wird sogar von vielen Molekularbiologen zumindest fUr kontemporare Zellen bezweifelt (zentrales Dogma der Molekularbiologie) . Auch M. Eigen geht in seiner Evolutionstheorie davon aus, daB die spontane Bildung von eiweiBiihnlichen Substanzen, die eine fUr ihre Funktion in ersten Zellen brauehbare Information enthalten, auBerst unwahrscheinlich ist. Nach Eigen ist die prabiotische Evolution der Informationsgehalte von Makromolekiilen ein komplexer Vorgang, bei dem durch Selektion und Riiekkopplung zwischen Funktionstragern (EiweiBkorper) und Informationstragern (Nucleinsauren) nach Durchlaufen vieler Stufen schlieBlich ein System entstanden ist, das iiber die richtige Information zur Ausbildung der Minimalzelle verfiigt. 1m Sinne des Darwinismus fordert daher auch Eigen, daB durch Wechsel-

1.5 Grundsiitze biochemischer Reaktionen

11

wirkung mit der Umgebung (survival of the fittest) stets die MakromolekiiIe mit der sinnvolleren Information ausgewiihlt wurden. Diese Theorie ist zwar thermodynamiseh plausibel, aber bislang ohne iiberzeugende experimentelle Grundlage: Wir kennen keinen priibiotisehen Weg zu replizierbaren Informationstriigern. Der hohe Entwieklungsstand der auf der Erde bereits vor mehr als 3 Milliarden Jahren lebenden Zellen (vgl. Tab. 1.2) mag sogar den Gedanken nahelegen, daB die "Urzellen" iiberhaupt nieht auf der Erde entstanden sind. Es laBt sieh nieht ausschlieBen, daB sie vor etwa 3,8 Milliarden Jahren mit Kometen, Meteoriten, kosmischem Staub oder iihnlieh auf die Erde gelangt sind und sieh hier dank einer fiir sie sehr giinstigen Umwelt weiterentwickeln konnten (Panspermia-These). Es ist jedoch fraglich, ob derartige Lebenskeime in der lebensfeindliehen Umgebung des freien Kosmos iiberleben konnten. Insbesondere die kosmische Strahlung und das Weltraumvakuum wiirden ihr Uberleben wiihrend einer wahrscheinlich hundert Tausende bis mehrere Millionen Jahre dauernden Irrfahrt durch den Weltraum entscheidend begrenzen (Dose, 1991). Angesichts solcher, schon friiher vermuteten Einschriinkungen ist sogar spekuliert worden, daB Astronauten VOn anderen Sonnensystemen vor etwa 4 Milliarden Jahren Lebenskeime zur Erde gebraeht haben konnten (Crick und Orgel, 1973). Diese Moglichkeiten verlagern indessen nur die Frage naeh dem Ort der Entstehung lebender Systeme; sie fiihren nieht zu einer Antwort auf die grundsiitzliehe Fragestellung. Neuere geologische Befunde sprechen dafiir, daB der CO 2-Partialdruek auf der Erde vor 3,8 Milliarden Jahren bei einer durchschnittlichen Oberfliichentemperatur VOn 100 'C etwa 15· 10 5 Pa betrug. Diese Verhiiltnisse iihneln damit denen der heutigen Venus (Treibhauseffekt). Von den UnS bekannten Organismen wiiren nur thermoacidophile Archaebakterien imstande, bei diesen hohen Temperaturen zu leben. Erst mit dem Abbau der COrAtmosJJhiire durch Umwandlung in Biomasse (z. B. durch thermoacidophile Archaebakterien) und geochemische Carbonatbildung sank der CO 2-Gehalt der Atrnosphiire und damit (wegen des schwiicher werdenden Treibhauseffektes) auch die durehschnittliche Oberfliichentemperatur. Unsere Kenntnisse iiber Anpassungsstrategien VOn Organismen bei 100 'C und Driieken VOn 15· 10 5 Pa, sowie iiber mogliche vorangegangene chemisehe Evolutionsprozesse unter diesen Bedingungen sind jedoch noch sehr gering. Die heutige 02-Atrnosphiire hat sich erst vor 1 bis 2 Milliarden Jahren mit der Verbreitung des Photosystems II entwickelt (s. a. Abschn. 8.5.2).

1.5 Gmndsiitze biochemischer Reaktionen Eine weitere allgemeine Frage betrifft die zuniichst verwirrende Vielfalt biochemischer Prozesse, die man selbst in "primitiven" Bakterien vorfindet. Diese Vielfalt ist, wie das Leben selbst, aus priibiotischen Prozessen hervorgegangen. LiiBt sieh diese Vielfalt nach bestimmten Grundsiitzen ordnen? Hier soli nicht auf den Inhalt der folgenden Kapitel vorgegriffen werden; der Leser soli aber darauf aufmerksam gemacht werden, daB bioehemische Systeme trotz all ihrer funktionellen Vielfalt stets okonomische Systeme sind. Neue Stoffwechselwege entstehen nicht plotzlich, sondern sie entwickeln sich schrittweise VOn Generation zu Generation durch Abwandlung der vorhandenen und bereits bewiihrten Systeme. Daher ist es nicht verwunderlich, daB sieh die Reaktionen des Grundstoffwechsels der Zellen trotz ihrer Vielfalt auf wenige Grundtypen zuriickfiihren lassen. Diese Tatsache hat man teilweise z. B. bei der systematischen Unterteilung der Enzyme (Abschn. 5.8) beriieksiehtigt. Die Unterteilung in Enzymklassen erfolgt jedoch im allgemeinen

12

1. GesetzmiiBigkeit biochemischer Systeme und Determination ihrer Evolution

nicht aufgrund von besonderen Merkmalen der Chernie der katalysierten Prozesse, sondern iiberwiegend nach spezifischen enzymologischen Kriterien (etwa nach der Beteiligung eines bestimmten Coenzyms an der Reaktion). Die Obersicht (Tab. 1.4) soli auf chernische Gemeinsamkeiten verschiedener StofTwechselreaktionen hinweisen und dem Leser helfen, vom Speziellen immer wieder den Weg zum Allgemeinen und Grundsiitzlichen zu finden.

Tab.IA. Einige wichtige Grundtypen biochemischer Reaktionen (weitere Hinweise s. Text) 1. Dehydrierungen und Hydrierungen

5. Phosphorolysen

Substrat

Substrate

セhcMo@

Produkt

:>C=O

Umkehrbarim Stoffwechsel ja

-HC=O

-COOH

-H,C-CH,-

-HC=CH- ja

bedingt

:>HC-NH,

:>CO

+ NH3 ja

Polysaccharide (Glycogen) Polynucleotide 6. Aminolysen Substrate Peptidyl-tRNA l-Diphosphoribose-5-Phosphat UDP-Zucker

2. Einflihrung von Sauerstoff (aus 0,)

7. Alkoholysen

Substrat

Substrate

Produkt

セcMh@

セcMoh@

>C=C(

::;::CO

Umkehrbarim Stoffwechsel

nein

+ OC< nein

3. Spaltung oder Bildung von C-C-Bindungen Reaktionstypen Esterkondensationen Aldolreaktionen Acyloinreaktionen Thiolyse von fl-Ketoacylthioestern Decarboxylierungen Isomerisierungen Carboxylierungen

Phosphorsiiureanhydride (ATP)

UDP-Zucker CDP-Alkohole 8. AnIagerung und Eliminierung von Wasser (meist umkehrbar) Substrat

[Produktj

-CH=CH-

[-CH,-CH(OH)- ]

9. Eliminierung von H,S Substrat

[Produktj

4. Hydrolysen (meist irreversibel)

10. Transfer-Reaktionen

Substrate

Reaktionstypen

Ester Saureamide Imine (Schiffsche Basen, reversibel) Peptide Saureanhydride Glycoside

Phosphat-Transfer Acyl-Transfer Aminoacyl-Transfer A1kYl-Transfer Amino-Transfer

1.6 Aufgaben

13

1.6 Aufgaben a) Welche Elemente sind neben Helium, Neon und Silicium die haufigsten Elemente im Universum? b) Welche Eigenschaften priidestinieren Wasser als biologisches Losungsmittel? c) Wie alt ist das Leben auf der Erde mindestens? d) Welche Biomolekiile sind unter geologischen Bedingungen langlebiger: Aminosauren und Peptide oder Nuc1einsiiuren? e) Enthielt die Atmosphiire vor 4 Milliarden Jahren bereits nennenswerte Mengen an Sauerstoff? Was waren die Hauptbestandteile dieser Atmosphiire? f) Welche biologischen Makromolekiile konnen enzymatische Aktivitiit besitzen? g) Durch welche optische Eigenschaft zeichnen sich viele Biomolekiile aus? h) Welche Grundtypen biochemischer Reaktionen konnen Sie schon jetzt nennen?

2. Topologie der Zelle

2.1 Allgemeines Die einzelnen Reaktionen des Zellstoffwechsels vollziehen sich in der Regel in entsprechend spezialisierten Bereichen (Kompartimenten) der Zelle. Die Kompartimente sind bei hiiheren Zellen hiiufig durch Proteolipidmembranen (weniger als 10 nm stark) voneinander getrennt. Die durch Membranen innerhalb der Zelle abgegrenzten Strukturen nennt man auch Zellorganellen. Die Spezialisierung einzelner Kompartimente auf bestimmte Stoffwechselfunktionen und der dadurch erforderliche Stofftransport von Kompartiment zu Kompartiment bringt der Zelle u. a. den Vorteil, Stoffwechselreaktionen nicht nur iiber die katalytische Aktivitiit der einzelnen Enzyme, sondem auch iiber den Sto//transport durch Membranen zu steuem. Den Vorteilen der griiBeren Effizienz und subtileren Regulierbarkeit der Stoffwechselfunktionen in hochorganisierten und spezialisierten Zellen steht aber meist der Nachteil der wesentlich stiirkeren Abhiingigkeit von der Umgebung gegeniiber. Entwicklungsgeschichtlich sind einfache, kemlose Zellen, sog. Prokaryoten, vor mehr als 3 Milliarden Jahren auf der Erde in Erscheinung getreten, wiihrend sich die wesentlich hiiher organisierten, kemhaltigen Zellen, die Eukaryoten, erst vor etwa 1,5 Milliarden Jahren auf der Erde gezeigt haben. Die Prokaryoten werden heute in die zwei sehr vieWiltigen Bereiche der Eubakterien und Archaea (Archaebakterien) unterteilt. Die Zellen der Tiere, Pflanzen und Pilze sind eukaryotisch, wiihrend Bakterien und B1aualgen (Cyanobakterien) neben anderen primitiven Zellen Prokaryoten sind. (Topologie der Viren und Phagen S. Abschn. 2.7, diese Organismen sind fUr sich genommen keine Lebewesen.)

2.2 Zellmembranen Alle Zellen und Zellorganellen werden von Zellmembranen umhiillt. Diese Membranen bestehen in der Regel aus einer Phospholipid-Doppelschicht, in welche in unterschiedlichem Umfang Proteine eingelagert sind. In der Regel ist das Lipid-ProteinVerhiiltnis etwa 1: 1. In der Lipid-Doppelschicht sind zwei Lagen von Lipidmolekiilen jeweils so angeordnet, daB ihre hydrophilen Gruppen nach auBen ragen, wiihrend ihre hydrophoben Kohlenwasserstoffketten im Innem durch hydrophobe Bindungen (Abschn. 4.1.4.3) zusammengehalten werden. Die Lipid-Doppelschicht wirkt als Barriere fiir fast alle Metabolite und Bausteine. Biologische Membranen sind nicht nur in Bezug auf ihre Proteinverteilung asymmetrisch. Vielfach enthalten sie, wie Z. B. die Plasmamembranen an ihrer AuBenseite, noch Oligosaccharide als Bestandteile von Glycolipiden oder Glycoproteinen. Die membrangebundenen Proteine nehmen meist entweder Enzym- oder Transportfunktionen wahr. Durch die spezifische Bindung mehrerer zusammenwirkender Enzyme in bestimmten Membranbereichen kann eine bessere EfTlZienz dieser Enzyme erreicht werden. Die Proteine mit Transportfunktion, die im allgemeinen

16

2. Topologie der Zelle

die Membran ganz durchdringen, haben die Aufgabe, selektiv bestimmte Stoffe durch die Membran "hindurchzuschleusen" oder sogar "hindurchzupumpen". Unter einem Pumpvorgang versteht man den Stofftransport gegen ein elektrochemisches Potential (s. auch Abschn.2.6). Fiir diesen Vorgang wird Stoffwechselenergie verbraucht. Die Abb. 2.1 zeigt das Modell einer lipidreichen, die Abb. 2.2, das Modell einer proteinreichen Membran. Das Modell der lipidreichen Membran wird wegen der fluiden (fliissigkeitsartigen) Eigenschafl der mosaikartig mit Proteinen besetzten Lipid-Doppelschicht gem als "Fluid-Mosaik-Modell" bezeichnet. Das in Abb. 2.2 gezeigte Modell einer proteinreichen Membran diirfle beim Aufbau der inneren Mitochondrienmembran (s. Abb. 2.8) realisiert sein. Proteinreiche Membranstrukturen sind so stabil, daD mit Lipidliisungsmitteln der Lipid-Anteil entfernt werden kann, ohne daD die Gesamtstruktur der Membran wesentlich verandert wird. Die Funktionsrahigkeit wird allerdings erst wiedergewonnen, nachdem die Membran die entsprechenden Lipide wieder gebunden hat. Die Zusammensetzung biologischer Membranen aus Lipiden, Proteinen und weiteren Stoffen ist weitgehend genetisch determiniert. Insbesondere fiir die Lipidzusammensetzung kiinnen aber auch Umgebungsfaktoren (Nahrung, Temperaturanpassung) maDgebend sein.

Abb.2.1. Das ..Fluid-Mosaik-Modell" einer lipidreichen Plasmamembran. Die Membran

besteht aus einer fluiden Phospholipid-Dop· pelschicht. in welche von beiden Seiten mehr oder weniger tief ProteiDe eingelagert sind.

Die Proteine sind beweglich. Jedoch konnen einige Proteinkomplexe cine feste Orientierung zueinander haben. An der AuBenseite

befindlicbe Proteine und Lipide tragen teilweise Kohlenhydratketten. Hicrdurch werden spezifische Erkennungsreaktionen ermoghcht.

[Modifiziert nach S.1. Singer und G. L. Nicolson. Science, 175, 720-731 (1972]

Abb. 2.2. Modell der inneren MitochondrienMembran als Beispiel fur cine proteinreiche

Membran. Die Nagel-iiJmlichen Strukturen sind Phospholipid-Molekale (20%), die anderen Strukturen Proteine (80%). Eine durchgehende Phospholipid-Doppelschicht besteht nicht mehr. [Modifiziert nach F. S. Sjostrand, L. Barajas, 1. Ultrastructure Res. 32, 298 (1970)]

2.3 Prokaryolische Zelle

17

2.3 Prokaryotische Zelle Ein elektronenmikroskopisch gewonnener Querschnitt durch eine Bakterienzelle is! schematisch in Abb. 2.3 dargestellt. Zellen des Bakteriums Escherichia coli werden gem fiir biochemische Untersuchungen benutzt. Eine reife E. coli-Zelle ist etwa 2 11m lang und 1 11m dick. E . coli ist ein typischer Bewohner des menschlichen Verdauungstraktes. Unter giinstigen Bedingungen (mit Glucose als Kohlenstoff-Quelle und Ammoniak als Stickstoff-Quelle; 37°C) kann sich eine Population von E. coli in 20 min verdoppeln. Vereinfachend laBt sich diese Zelle als ein von einer Zellhlille umschlossener, abgerundeter Zylinder auffassen. Prokaryoten enthalten in der Regel keine Organellen, doch enthalten sie bestimmte strukturierte Zellbestandteile. Hierzu gehoren die Ribosomen (etwa 18 nm im Durchmesser ; s. auch Abschn. l1.4.2.1 u. Abb.2.4) und granulierte Vorrat-Depots an Polysacchariden, seltener an Poly-P-hydroxybuttersaure. Der nicht-strukturierte Teil des Cytoplasmas, das Cytosol, ist hochviskos und enthalt vor allem Enzyme (oft liber 20% der Gesamtmasse), neben Metaboliten, Bausteinen der Makromolekiile (Proteine, Nucleinsauren, Polysaccharide) und anorganischen Salzen. Abgegrenzt im Cytoplasma ist die nucleare Zone, in der sich das genetische Material befindet. Es ist bei E. coli fast ausschlieBlich in einem einzigen Chromosom aus ringforrniger, aber sehr stark geknauelter DNA (s. Abschn. 11.2.1) in Doppelhelix-Struktur (s. Abschn. l1.2.1) enthalten. Das Fadenmoleklil dieser DNA ist etwa 2 nm im Durchmesser und wiirde ausgestreckt etwa 1,2 rum lang sein. Wahrend der Zellteilung wird zu je einem Teilstrang der DNA ein komplementarer Tochterstrang neu synthetisiert (s. Abschn. 11.3.1). Von einem (codogenen) Strang der DNA wird im Rahmen der Proteinbiosynthese die Information (= Folge von Basentripletts) der einzelnen Gene umgeschrieben (transkribiert) in eine komplementare Basentriplett-Folge der mRNA (Messenger- oder Boten-RNA) . Die Basentriplettfolge bestimmt die Aminosaure-Folge des zu synthetisierenden Proteins (s. Abschn. 11.2 und 11.4). Die Proteinbiosynthese findet an den Ribosomen statl. Dies sind aus etwa 65% rRNA (r steht fiir ribosomal) und verschiedenen Proteinen (etwa 35%) aufgebauten Teilchen (vgl. Abb.2.4). Die komplizierteste Struktur weist bei einer prokaryotischen Zelle in der Regel die Zellhiille auf. Sie besteht an der Innenseite aus einer etwa 9 nm starken Zellmembran (aufgebaut aus etwa 45 % Lipiden und etwa 55 % Proteinen) sowie einer etwa 20 nm starken auBeren Zellwand. Die Zellmembran kann durch Faltung in das Zellinnere hineinragende Strukturen bilden, die man Mesosomen nennl. Bei aeroben Prokaryoten sind in der Zellmembran u. a. auch die Enzyme der Atmungskette und der an sie gekoppelten ATP-Synthese (Abschn. 8.4) verankert. AuBerdem findet man hier die meisten Enzyme des oxidativen Endabbaus. Die Zellwand besteht aus einem stabilen, dreidimensionalen Fachwerk von Polysaccharidketten, die liber kurze Polypeptidketten untereinander vernetzt sind: dem Murein-Mantel. Der Murein-Mantel stellt ein einziges Makromolekiil dar. An der AuBenseite ist der Abb. 2.4. Schematische Darstellung eines prokaryotischen Ribosoms. Die tatsachliche Raurnstruktur der Ribosornen ist wesentlich komplexer (s. Abb. 11.27) . Die beiden Hauptuntereinheiten haben die Sedirnentationskonstanten 50 S und 30 S. Die des gesamten Ribosoms ist 70 S. Die eukaryotischen Ribosomen sind etwa urn 15% groBer. Sic besitzen jedoch im Prinzip den gleichen Aulbau. Eine E. coli-Zelle enthall etwa 15000 Ribosomen

!2 -

- -- f

!1

10

3 9

vMNB





T@

8

5 6

Zetlw.nd Gram-nllilatill

Zeltwand Gram-positiv

Abb. 2.3. Schernatische Darstellung eines Schnittes durch cine Bakterienzelle. Das einzige Chromosom (neben dem wesentlich kleineren Plasmid) ist hier der zur Doppelhelix aufgewendelte und stark geknaulte Faden der DNA (2 nm im Durchmesser und 1,2 mm lang). Chromosomen sind Trager der genetischen Information (Erbanlagen). Verteill im Cytoplasma und teilweise adsorbiert an die Zellmembran befinden sich etwa 15000 Ribosomen (Nucleoproteinpartikel) , jedes etwa 18 nm groB, an denen sich die Proteinsynthese vollziehl. AuBerdem findet man in E. coli und anderen Bakterien vielfach kleine Granulen mit Vorratsstoffen wie Kohlenhydrate oder Poly-P-hydroxybuttersaure und Vakuolen. Manchc Bakterien-Spezies enthalten auch Chromatophoren und Mesosomen. Die GroBe der Bakterien kann sehr variieren. E. coli hat einen Durchmesser von 0,51,0 lUll. 1 Chromatophoren, 2 Cytoplasmamembran, 3 Vakuole (pinocytotisch), 4 DNA, 5 Plasmid, 6 Kapsel, 7 Pili, 8 Mesosomen, 9 Granula, 10 Gasvakuole, 11 Ribosomen (schematische Punktierung) , 12 Flagelle

50S

:lOS

18 Z.IImembran

Protein Molol C, gilt: Passiver Transport: Transport von I nach II Aktiver Transport: Transport von II nach I

24 Fiir die Anderung der freien Energie AG' flir den Transport von einem Mol einer ョ・オセ@

tralen Snbstanz der Konzentration C, aus dem Kompartiment I in das Kompartiment II, das die Substanz in der Konzentration C, enthiilt (Abb. 2.11), gilt allgemein: AG'=

rtャョセ@

= 2,3·

rtiッァセ@

C = 560010gt 1

Wird zum Beispiel 1 Mol Glucose vom Kompartiment I (C , = 0,1 M) in das Kompartiment II (passiv) transportiert (C, = 0,01 M), so gilt: fiir T = 293 K und R = 8,31 J pro Grad und Mol: AG' = 2,3 . 8,31 . 293 . log 00,01 ,1 = - 5600J· mol- 1 Fiir einen Transport in umgekehrter Richtung (aktiver Transport) mUBte derselbe Energiebetrag auf Kosten von Stoffwechselenergie dem System zugeflihrt werden. Soli analog ein geladener Stoff transportiert werden, so muB zusiitzlich die elektrische Potentialdifferenz zwischen den beiden Kompartimenten beriicksichtigt werden. Elektrische Potentialdifferenz und Konzentrationsgradient zusammen ergeben den elektrochemischen Gradienten (elektrochemisches Potential). Fiir die Anderung der freien Energie AG' des Systems gilt in diesem Fall:

agG]rtャョセKzfiOA@

1

z ist die Zahl der Ladungen pro Ion, Fist ein Faraday (96493 Coulomb pro Grammaquivalent) und AI/! ist die Spannungsdifferenz (gemessen in Volt) zwischen beiden Kompartimenten (auch Membranpotential genannt). Die Messung der Membranpotentiale ist meist sehr schwierig. An den meisten Zellmembranen sind sie recht klein (ca. 100 mV), so daB man sie bei Berechnungen vemachlassigen kann. Die Membranpotentiale sind jedoch von groBer Bedeutung fiir die Funktion der Nerven und Muskeln und wahrscheinlich auch fiir die ATP-Synthese in Mitochondrien und Chloroplasten (Abschn. 8.4 und 8.5). Die angefiihrten Rechnungen sind nur naherungsweise anwendbar, weil Zellen offene Systeme darstellen und sich nicht im thermodynamischen Gleichgewicht befinden.

2. Topologie der Zelle

- Den Symport (zwei verschiedene Substanzen werden in eine Richtung transportiert: Cotransport), dabei wird in der Regel der Konzentrationsgradient der einen Substanz, z. B. Na +-lonen, ausgenutzt, urn eine zweite Substanz zum Beispiel Glucose oder Aminosiiuren, gegen ihren Konzentrationsgradienten aufzunehmen. Der Na +-Gradient wird in diesem Fall durch die Funktion der als Antiport arbeitenden Na +, K +-ATPase aufrechterhalten (s. auch weiter unten!) Die Anderung der freien Energie AG (Synonym: freie Enthalpie; s. auch Abschn. 5.2) des Systems ist beim passiven Transport stets negativ, beim aktiven Transport stets positiv; das heiBt, beim passiven Transport gibt das Transportsystem freie Energie an die Umgebung ab, wiihrend es beim aktiven Transport freie Energie aufnehmen muB. Die fiir den aktiven Transport erforderliche freie Energie entstammt dabei letztlich dem Stoffwechsel. 1m Gegensatz zum allgemeinen Ausdruck AG bzw. Standardwert GO wird fiir biochemische "Standardbedingungen" (wiiBrige Losung, pH 7.0, P = 1 atm, Raumtemperatur, keine Korrekturfaktoren fiir Konzentrationen) meist der Ausdruck AG' bzw. der Standardwert GO' benutzt. Zellmembranen vollbringen oft sehr bedeutsame aktive Transportleistungen. Zucker und Aminosiiuren konnen beispielsweise in bakterielle Zellen gegen einen Konzentrationsgradienten von 100: 1 (meist iiber einen HEll-abhiingigen Cotransport) transportiert werden. Hierbei muB der HEll-Gradient durch energieverbrauchende Protonenpumpen (oft ATP-spaltend, d.h. H+ -ATPasen) kontinuierlich aufrechterhalten werden. Sehr eindrucksvoll ist auch die Leistung der H +, K +-ATPase (Antiport) der Magenschleimhaut der Siiugetiere in Bezug auf den Protonentransport. Da der pH-Wert des Magensaftes oft pH = 1 erreicht, in den Zellen aber etwa pH = 7 herrscht, gilt (unter Vernachliissigung der Membranpotentiale): 10- 1 AG' = RTln 10- 7 = 34 kJ· mol- 1 Zellmembranen sind mit Transportsystemen sehr reich ausgestattet. Vielfach sind derartige Systeme auch rein dargestellt worden. Natiirlich verlieren sie beim Solubilisieren ihre Transporteigenschaften. Sie konnen aber unter geeigneten Bedingungen in kiinstliche Phospholipidvesikel eingebaut werden. Abbildung 2.12 zeigt ein aus ATP-Synthase und Bacteriorhodopsin rekonstruiertes Vesikelsystem (Proteolipid-Vesikel). In diesem Fall wird durch die lichtgetriebene Protonenpumpe Bacteriorhodopsin ein Protonengradient aufgebaut, der zur Phosphorylierung von ADP zu ATP benutzt wird (s. auch Abschn. 8.4). Bacteriorhodopsin ist iihnlich wie das Rhodopsin aus dem Sehpurpur des Auges ein Chromoprotein, das einen an einen Lysinrest gebundenen Retinalrest (Vitamin A) enthiilt. Bacteriorhodopsin entstammt jedoch den Membranen eines photosynthetisierenden Archiibacteriums (Halobacterium halobium). Da aktive Transportvorgange oft unmittelbar an eine Hydrolyse von ATP zu ADP und anorganischem Phosphat (Abschn. 6.3) gekoppelt sind, zeigen die entsprechenden Transportsysteme nach dem Solubilisieren meist noch ATP-spaltende Enzymaktivitiit (ATPase-Aktivitiit). So enthalten die meisten Plasmamembranen von Siiugetierzellen ein ATP-abhiingiges, aktives Transportsystem, das Na +-lonen nach auBen und zugieich K +-lonen nach innen pumpt (Antiport). Dieses System bezeichnet man als Na+, K+ -ATPase, weil es im solubilisierten Zustand eine von Na +- und K +-lonen abhiingige ATPaseAktivitiit zeigt. Entsprechendes gilt zum Beispiel auch fiir die Ca2+ -Pumpe (Ca2+ -ATPase) des sarkoplasmatischen Retikulums. Transportsysteme konnen auch das Membranpotential fiir Transportprozesse ausnutzen (elektrogene Pumpen, elektrophoretischer Transport). Natiirlich muB in

25

2.6 Stofftransport durch Membranen

Abb. 2.12. Eine kiinstliche Proteolipidvesikel (d - 90 nm) mit eingebauter ATP-Synthase und Bacteriorhodopsin. Bei Belichtung pumpt Bacteriorhodopsin Protonen nach innen (umgekehrt als in den Purpurmembranen der Halobakterien). Dieser (energielieferode) Protonengradient kann zur ATPSynthese verwendet werden (Abschn. 8.4). ATP-Synthase: pilzrormige Strukturen; Bacteriorhodopsin: trimere Membranproteine. (Nach T. Nawroth)

200

Wichtige Ionen-pumpende ATPasen der Saugetiere: I. Die ATPasen des P-Typs (intermediiir wird ein Aminosaure-Rest des Enzyms, meist ein Aspartat-Rest, phosphoryliert): Na +, K +-ATPasen Ca2+ ·ATPasen H +, K +-ATPase des Magens II. Die ATPasen des V-Typs: H+-ATPasen derendocytotischen Vesikel und Vakuolen III. Die ATPasen des F-Typs: H+-ATPasen der Mitochondrien (FoF,-ATPasen, eigentlich ATP-Synthasen, Abschn. 8.4).

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0 f1WfIschl.

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Blutplosma

Fliisslgl4)-fJ-D-glucopyranose oder kiirzer, aber weniger korrekt, 4-a-Glucosyl-glucose. Maltose ist der eigentliche Baustein der ptlanzlichen und tierischen Starke. Ein wichtiges Isomeres der Maltose ist die Isomaltose. Sie besteht aus zwei GlucoseEinheiten, die a-glycosidisch in 1->6-Stellung miteinander verknupft sind: O-a-DGlucopyranosyl-(1->6)-fJ-D-glucopyranose oder 6-a-Glucosyl-glucose (Abb.7.17). Bei der Besprechung der Verzweigungsstellen der Polyglucose-Ketten in Amylopektin und tierischer Starke (Glycogen) wird die Bedeutung dieses Disaccharids nochmals hervorgehoben werden. Verkniipft man zwei Glucose-Reste durch Ausbildung einer 1->4-Bindung nicht a-glycosidisch, sondern fJ-glycosidisch, so komrnt man zur Cellobiose (s. auch Abb. 7.20): O-fJ-D-Glucopyranosyl-(t ->4)-D-glucopyranose oder kurz 4-fJ-Glucosylglucose. Cellobiose ist Baustein der Cellulose. Weitere wichtige Disaccharide mit fJ-glycosidischer Verkniipfung sind die - Lactose (Milchzucker, 4-fJ-Galactosyl-glucose) - sie besteht aus einem Galactoseund einem Glucoserest - sowie - Sucrose (Rohrzucker, Saccharose) - sie besteht aus einem Fructose- und einem Glucose-Rest.

Abb.7.16. Darstellungsmoglichkeiten fUr die Beschreibung der Struktur eines Disaccharids, aufgezeigt am Beispiel der Mallose

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" Lセo|jB@ hセ@

OH

O- Q- D-Glucopyranosyl( 1-----6)-j3-o-glucopyranose

Abb.7_17_ Isomaltose, dargestellt nach Haworth

116 Lactose HセMfッイュI@

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OH

Sucrose (O-{3-D-Fructofuranosyl(2--1 )-a-D-glucopyranose)

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H

OH

OH

H

Abb. 7.18. Darstellung der Struktur von Lactose und Sucrose nach Haworth

D-Glucuronsaure

N-AcetylD-glucosamin

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n

7H

rO

CH,

n

'-----v------J '-----v------J N-Acetyl-D- D-Glucuronsaure gaiactosamin -

6-sulfat (in Chondroitin C)

Abb.7.19. Grundeinheiten der Hyaluronsaure (oben) und der Chondroitinschwefelsaure (unten). Der Sulfat-Rest am N-Acetylo-galactosamin befindet sich bei einem anderen Haupttyp der Chondroitinschwefelsaure (Chondroitin A) in 4-Stellung des NAcetyl-o-galactosamins

7. Kohlenhydrate und ihr Stoffwechsel

Abbildung7.18 zeigt die Haworth-Projektionen und die chemischen Bezeichnungen dieser beiden Disaccharide. Zucker konnen meist recht gut durch chromatographische Methoden fraktioniert werden. Durch Komplexbildung mit Borat kann man sie in negativ geladene Ionen iiberfiihren und diese durch lonenaustauschchromatographie und Elektrophorese trennen. Zucker besitzen aufgrund ihrer Carbonylgruppen, auch wenn diese als cyc1ische Halbacetale voriiegen, reduzierende Eigenschaften. Erst bei der Beteiligung der freien OH-Gruppe der Halbacetale an einer glycosidischen Bindung geht die reduzierende Eigenschaft verioren. Da im Faile der Sucrose (Rohrzucker, Saccharose) die OH-Gruppen der Halbacetal-Gruppierungen von Fructose und Glucose glycosidisch miteinander verkniipft sind (Abb. 7.18), hat Sucrose keine reduzierenden Eigenschaften mehr. Aus dem gleichen Grunde reagiert dieser Zucker nicht mit Carbonyl-Reagentien und zeigt keine Mutarotation. Dagegen besitzen beispielsweise Maltose und Cellobiose reduzierende Eigenschaften und zeigen Mutarotation. Ahnlich wie bei Peptiden und Polynuc1eotiden unterscheidet man auch bei Oligomeren und Polymeren von Zuckern zwischen beiden Kettenenden. Man bezeichnet das Kettenende mit der freien OH-Gruppe des Halbacetals (das zur Mutarotation beflihigt ist) als "reduzierendes" Ende, das andere Kettenende als das "nichtreduzierende" Ende. Wichtige Polysaccharide sind Cellulose und verschiedene Formen pflanzlicher und tierischer Stiirken. Diese Polysaccharide enthalten als monomeren Baustein nur das Monosaccharid Glucose. Allgemein nennt man derartige Polysaccharide auch Homoglycane (Gegensatz: Heteroglycane, die verschiedene Monosaccharidbausteine enthalten). AIs Polysaccharide (Glycane) bezeichnet man Kohlenhydrate mit mehr als zehn Monosaccharid-Bausteinen. Polysaccharide haben in der Natur oft Stiitzfunktion (z. B. die Cellulose der Pflanzen und Tunicaten (Manteltiere) oder das aus N-Acetylglucosamin-Einheiten bestehende Chitin der Insekten und Krebse). Andere Polysaccharide stellen ReservestotTe dar (z. B. die Starke der Samen und Knollen, das Glycogen der tierischen Organe). Heteroglycane, die zusatzlich mit Oligopeptiden vernetzt sind, bilden die Geriistsubstanz der Zellwande von Bakterien. Das Heteroglycan Hyaluronsiiure (Bausteine: N-Acetyl-glucosarnin- und Glucuronsiiure-Reste) ist wie die Chondroitinschwefelsiiure (Bausteine: alternierende Glucuronsiiure- und N-Acetyl-galactosaminsulfat-Reste) am Aufbau des Bindegewebes beteiligt. Beide Heteroglycane gehOren zur Gruppe der Mucopolysaccharide. Ihre Grundstrukturen sind in Abb. 7.19 wiedergegeben. Auch die Zellwiinde der Bakterien enthalten Ketten von glycosidisch miteinander verkniipften Zuckerderivaten. Zusiitzlich sind diese Ketten vielfach iiber kurze Peptidketten miteinander vernetzt. Einen wichtigen Grundtyp stellen die Mureine dar. Deren Grundeinheit ist das Disaccharid N-Acetyl-glucosarnin-(p-1-+4)-Nacetyl-murarninsiiure. Die Murarninsaure ist der 3-0-Ether des Glucosarnins mit Lactat. Die Vernetzung der Polysaccharidketten des Mureins durch kurze Peptidketten wird durch Penicillin gehemmt. Durch Lysozym werden die Polysaccharidketten zwischen Murarninsiiure und Acetylglucosamin gespalten. Auch Lysozym hat hierdurch eine "antibiotische" Wirkung. Dem Chondroitinsulfat verwandt ist das antikoagulierend wirkende (die Blutgerinnung hemmende) Heparin, das sich besonders im Extrazellularraum der Lunge, Leber und Arterienwiinde findet. Zucker (meist Oligosaccharide) konnen auch Beslandteil von Proteinen (Glycoproteine) oder Lipiden (Glycolipide) sein. Die Verkniipfung (Konjugation) mit dem Protein erfolgt hiiufig Jl-glycosidisch mit der Amidgruppe von Asparagin- oder bei der OH-Gruppe von Serin- oder Threonin-Resten. Spezifische Glycoproteine kommen

117

7.5 Oligo- und Polysaccharide und ihr StofTwechsel

u. a. in den Plasmamembranen der Zellen vor und bestimmen deren gegenseitige Erkennung bei der Morphogenese von Organen. Bestimmte Glycoproteine der Erythrocytenmembranen spezifizieren auBerdem iiber ihre Oligosaccharid-Endgruppen die jeweiligen Blutgruppeneigenschajien. Glycolipide sind auch verbreitete Membranbestandteile (Abschn. 2.2). Diese Angaben sollen nur andeuten, wie groB und komplex das Spezialgebiet der " Struktur und Funktion der Oligo- und Polysaccharide" ist. Hier kiinnen nur die aus Glucose-Einheiten aufgebauten Homoglycane - die " Glucane" (Polyglucose) - naher behandelt werden. Wichtige Glucane sind Cellulose, Amylose, Amylopektin und Glycogen. Cellulose ist aus 4000 - 6000 Cellobiose-Einheiten aufgebaut und hat damit eine relative Molekiilmasse von 1,0-2,0 Millionen. Ihre Untereinheiten sind miteinander fi-glycosidisch verkniipft. Den relativ einfachen Aufbau der Cellulose veranschaulicht Abb.7.20. Cellulose ist wesentlicher Bestandteil der pflanzlichen Zellwande. Ihr kommt damit vor allem eine Stiitzfunktion zu. Die Starken der Pflanzen (Reservekohlenhydrate) bestehen dagegen aus den ct-glycosidisch aufgebauten Glucanen Amylose und Amylopektin. Amylose ist ein lineares Glucan, das nur aus (1--+4)-verkniipften Glucose-Einheiten (bzw. Maltose-Einheiten) besteht. Eine Amylosekette enthalt meist 250-300 Glucose-Resle. Die Kette bildet leicht die in Abb. 7.21 angegebene Helixform (Schraubenform) aus.

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HO

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Cellulose (Ausschnitt)

H,COH

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0

HO H,COH

Cellobiose

セ@ OH Abb. 7.20. Cellulose besteht aus langen Ketten (1--+4)-/i-glycosidisch verkniipfter Cellobiose-Einheiten

Abb.7.21. Helicale Struktur der Amylose

118

7. Kohlenhydrate und ihr StofTwechsel

Amylose zeigt mit Iod eine intensive Blaufiirbung, weil sich die Iodatome in den Hohlraum der Spirale einlagern und so eine "EinschluBverbindung" bilden. Durch Wechselwirkungen zwischen den Elektronenhullen des Iods und der Glucose-Reste werden die Energieniveaus der Iodatome im Grundzustand und im angeregten Zustand so veriindert, daB es zu einem Farbumschlag von braun nach blau kommt. Das Grundskelett des Amylopektins enthiilt wie die Amylose et-glycosidisch (1->4)-verknupfte Glucose-Einheiten, aber etwa jede 25. Glucose-Einheit triigt an ihrem C-Atom 6 eine weitere Polyglucosekette. An diesen Verzweigungsstellen besteht eine et-glycosidische 1->6-Verkniipfung, deren Grundtyp bereits mit der Isomaltose vorgestellt wurde. Neben Stiirken und Cellulose kennt man noch viele weitere pflanzliche Glycane mit Reservestoff- oder Stutzfunktion. Das aus Fructose-Einheiten bestehende Inulin , das aus D-Galactose und 3,6-Anhydro-L-Galactose bestehende Agar-Agar der Meeresalgen sowie Gummi arabicum (enthiilt vor allem D-Galactose und Glucuronsiiure) und Pektin (Polymer des Methyl-D-galacturonats) seien erwiihn t. Die Reservekohlenhydrate des Tierreichs sind die Glycogene. Insbesondere Leber und Muskel sind relativ reich an diesem Glucan. Es ist iihnlich wie das verzweigte Amylopektin aufgebaut. Bei Glycogen ist jedoch fast jeder 3. - 5. Glucose-Rest uber eine et-glycosidische 1->6-Bindung mit einer weiteren Polyglucose-Kette verkniipft. Die einzelnen Ketten bestehen im Durchschnitt aus nur 10- 14 GlucoseEinheiten. Glycogen enthiilt aber viele tausend solcher Teilketten. Muskelglycogen hat eine relative Molekiilmasse von 1000000, Leberglycogen von etwa 16000000. Glycogene sind meist in Wasser loslich. Ihre Raumstruktur entspricht der eines flachen Ellipsoids. Der chemische Aufbau eines Glycogen-Molekiils ist in Abb. 7.22 wiedergegeben.

7.5.2 Spaltung der Oligo- und Polysaccharide Abb.7.22. Aufbau eines Glycogen·Molekiils. a) Schematische Grundstruktur (Teilaus· schnitt) ; b) Chemische Struktur der Verzwei· gungsstelle

Da enzymatische Spaltung und Biosynthese der Oligo- und Polysaccharide verschieden und jeweils irreversibel ablaufen, wird ihre Biosynthese erst im niichsten Abschnitt behandelt. Die enzymatische Spaltung der Oligo- und Polysaccharide geschieht nach der Nahrungsaufnahme vor allem im Magen- und Darmtrakt durch hydrolytische Spaltung ihrer glycosidischen Bindung mittels deT Glycosidasen. Die 1->4-Verkniipfungen des zelleigenen Glycogens konnen innerhalb der Zellen auch phosphorolytisch gespalten werden. Dabei verdriingt ein anorganischer Phosphat-Rest am C-Atom 1 den zweiten Glucose-Rest (Bildung von Glucose-I-phosphat). Auch Disaccharide mussen vor der Resorption im Darmtrakt gewohnlich zu MonosacchaTiden gespalten werden. Hierbei wird z. B. Saccharose (Sucrose) durch eine p-Fructofuranosidase (Saccharase) , Maltose durch eine et-Glucosidase (Maltase) und Lactose (bei Kindern, aber beschriinkt bei Erwachsenen) durch eine p-Galactosidase gespalten. Die Spezifitiit dieser Enzyme ist jedoch oft nicht stark ausgepriigt. So spaltet die Maltase des Darms auch Saccharose. Die mit der Nahrung aufgenommenen Stiirken werden zuniichst durch Amylasen in Bruchstucke zerlegt. Man unterscheidet hier VOT allem die IX-Amylasen von den p-Amylasen. et-Amylasen kommen im Speichel, im Pankreassekret, aber auch in Pflanzen vor. Sie sind sog. Endoglycosidasen, die (analog zu den Endopeptidasen) die Kelte in der Mille und nicht von einem Ende her (= Exoglycosidasen) zerlegen. Beim Abbau von Amylose entstehen zuniichst Oligosaccharide von 6- 7 Glucose-Resten.

119

7.5 Oligo- und Polysaccharide und ihr Stoffwechsel

Durch langere Einwirkung der a-Amylase werden diese Oligosaccharide schlieBlich weitgehend zu Maltose abgebaut. Die verzweigten Amylopektine werden analog abgebaut, jedoch werden die Verzweigungsstellen nicht angegriffen. Daher wird beim Abbau des Amylopektins durch ",-Amylasen neben Maltose auch Isomaltose freigesetzt. Weitere Glycosidasen des Darms spalten diese Disaccharide zu den Monomeren. Die Aufnahme der Monosaccharide in die Darmzellen erfolgt iiber spezielle Carriersysteme (s. Abschn. 2.6). fJ-Amylasen (Exoglycosidasen) sind im Pflanzenbereich weit verbreitet. Sie greifen die Polyglucose-Ketten der Starken yom nicht-reduzierenden Ende her so an, daB jeweils eine Maltose-Einheit abgespalten wird. An Verzweigungsstellen wird der weitere Abbau der Ketten unterbrochen. Bei Amylopektincn blciben so die relativ hochmo1ekularen Grenzdextrine zuriick (Abb. 7.23). Der weitere Abbau der Grenzdextrine durch fJ-Amylasen ist erst miiglich, nachdem durch spezilische Glycosidasen die 1-+6-Bindungen der Verzweigungsstellen gespalten worden sind. Cellulose-spaltende Enzyme (Cellulasen) sind bei Tieren sehr selten zu linden. Wiederkauer sind bei der Verdauung der Cellulose auf die Mitwirkung von Mikroorganismen angewiesen. Bei der Kuh z. B. geschieht dieser Abbau der Cellulose durch bakterielle Cellula sen in einem speziellen Magen, dem Pansen. In den Zellen der Tiere und Pflanzen werden die Reservekohlenhydrate zumeist durch sukzessive Phosphorolyse yom nicht-reduzierenden Ende her abgebaut. Abbildung7.24 veranschaulicht diesen Abbau durch Phosphorylasen. Schwierigkeiten bereiten auch hier die Verzweigungsstellen. Wie Abb. 7.24 (rechts) andeutet, kommt der phosphorolytische Abbau etwa 4 Glucose-Einheiten vor der Verzweigungsstelle zum Stillstand. Eine spezielle Transglycosidase spaltet dann die a-(1-+4)-Bindung zu dem direkt an der Verzweigung beteiligten Glucose-Rest und iibertragt das Oligosaccharid auf ein langeres Kettenende unter Ausbildung einer neuen (1-+4)-Bindung. Die so verliingerte Kette kann, wie oben beschrieben, durch die Phosphorylase bis zur entsprechenden Verzweigungsstelle abgebaut werden. Die (1-+6)-glycosidisch gebundenen Glucose-Reste der Verzweigungsstellen werden schlieBlich durch die Amylo-l,6-Glycosidase hydrolytisch abgespalten. Zum vollstandigen (intrazellularen) Abbau des Glycogens (und des Amylopektins) sind also drei verschiedene Enzyme notwendig. Wegen der hydrolytischen Spaltung der Verzweigungsstellen besteht das Endprodukt des intrazelluliiren Glycogen-Abbaus zu etwa 90% aus Glucose-I-phosphat und zu etwa 10% aus Glucose. Glucose-1-phosphat wird mit Hilfe der Phosphoglucomutase in Glucose-6-phosphat umgewandelt, das durch das Glycolyse-System schlieBlich zu Lactat abgebaut werden kann. An der genannten Mutasereaktion ist Glucose-l,6-bisphosphat als Cofaktor bzw. Zwischenprodukt beteiligt: Glucose-l,6-(P)2 P-Donator

+ Glucose-l-P Substrat

Mutase

Glucose-6-P

+ Glucose-l ,6- (P) 2

Produkt (der PDonator nach

Abgabe eines P-Restes)

neuer P- Donator (phosphoryliertes Substrat)

Durch die Phosphorolyse des Glycogens kann im Prinzip der ATP-verbrauchende Schritt der Hexokinase-Reaktion der Glycolyse eingespart werden. Fiir die Synthese einer glycosidischen Bindung ist aber bei [reien Zuckern zweimal die Spaltung einer energiereichen Phosphatbildung erforderlich (s. nachster Abschn.).

Spaltung durch セMaュケャ。ウ・@

ergibt Maltose

Abb.7.23. Abbau von Amylopektin durch die als Exoglycosidase wirkende /i-Amylase. Das Enzym spaltet vom nicht-reduzierenden Ende her bis zu der VerzweigungssteUe MaltoseEinheiten abo Der verbleibende Rumpf des Molekiils (etwa 40 % des urspriingliehen Amylopektins) wird als "Grenzdextrin" bezeichnet

Glykogen-Phosphorylase besitzt als prosthetische Gruppe ein an einen spezieUen Lysinrest

gebundenes (lmin-Bindung) Pyridoxalphospha!. Funktionelle Gruppe ist hier allerdings nieht die Aldehydgruppe, sondern der Phosphatrest des Pyridoxalphosphats (SaureBasen-Katalysator).

7. Kohlenhydrate und ihr Stoffwechsel

120

hoセvG|イZサ@

HC\ !\ Hr.\ セfN|@ OH

OH

/

OH

Transferase

OH

tpHPO!-

/ / Phosphorylase

hセo@ OH HO

0-0 OH

+

hセo@

k/.' OH k/.' OHO OH

OH

HO

OH

0 OI-l

/

d

0 OH

OH

Glucose-I-phosphat

Abb.7.24. Abbau verzweigter Polyglucosen (Amylopektin, Glycogen) durch Phosphory· lasen. Einige Glucose-Einheiten vor der Verzweigungsstelle ist die Phosphorylase-Reaktion sterisch behindert. Eine Transferase iibertragt, wie die rechte Darstellung zeigt, den Rest der Kette auf eine langere Seitenkelte. Die Verzweigungsstelle selbst wird dann durch eine 1,6-spezifische Glycosidase gespalten

7.5.3 BiosYDthese der Oligo- ODd Polysaccharide Fiir die glycosidische Verkniipfung von Zuckerresten gilt ganz allgernein der folgende Reaktionsablauf (dargestellt am Beispiel der Biosynthese der Saccharose in Pflanzen): ATP

+ Glucose

Glucose-6-P

Hexokinase

Phosphoglucomutase

ADP

+ Glucose-6-P

Glucose-l-P

Glucose-l-phosphat-

UTP

+ Glucose-l-P

UDP-Glucose • Die Bezeichnung Glucose-l-phosphat-uridyl-Transferase ist auch zulassig

(PI) 2

urldylyl-Transferase '"

I

+ Fructose-6-P

Pyrophosphatase

UDP-Glucose

Saccharosephosphal-Synthase

2 PI; Saccharose-6-P

---->

+ (P;)2 Saccharose-6-P + UDP

Saccharose + P;

7.5 Oligo- und Polysaccharide und ihr Stoffwechsel

121

Das Diphosphat (P.J 2 wird aus VTP freigesetzt. Bei der Bildung von VDPGlucose aus VTP und Glucose-I-phosphat muB man iiberlegen, daB der Phosphat-Rest des Glucose-I-phosphats den terminalen Diphosphat-Rest des VTP phosphorolytisch abspaltet. Dabei wird im Prinzip nur eine Anhydridbindung durch eine neue Anhydridbindung ersetzt. Der LlGo'-Wert der Transferase-Reaktion ist daher sehr klein. Das Gleichgewicht wird erst durch die nachfolgende Hydrolyse des Diphosphats zugunsten der Bildung des VDP-Zuckers verlagert. VDP-Glucose stellt die aktivierte Form, dar (Struktur Abb. 7.25). Zur Glycogensynthese siehe weiter unten. Nucleosiddiphosphat-Zucker (NDP-Zucker, bei Wirbeltieren in der Regel VDPZucker) sind nicht nur Zwischenprodukte der Oligo- und Polysaccharid-Synthese. Haufig sind sie auch Substrate fiir Oxidoreductasen. Ein wichtiges Beispiel ist die Bildung der VDP-o-Glucuronsaure und ihre Vmsetzung mit Phenolen (oder Aminen) zu entsprechenden Glucuroniden. Die Synthese dieser Konjugate mit Glucuronsaure dient u. a. der erleichterten Ausscheidung von fremden Phenolen (und Aminen), z. B. im Zusamrnenhang mit der "Entgiftung" von Arzneimilteln und Drogen: VDP-o-Glucose

a-D-Glucose-l-P

UMP

セ@

hセMᆴorゥ「ッウ・オイ。」ャ@

hカfセGQ@ H

OH

a-D-Glucose

Abb.7.25. Struktur der UDP-Glucose

UDP·Glucose-Dehydrogenase

+ 2 NAD+ + H 2 0

VDP-o-Glucuronsaure + 2 NADH + 2 H+ UDP

VDP-o-Glucuronsaure

+ ROH (R-NH2)

)

R-O-Glucuronid (R - NH-Glucuronid)

Abbildung7.26 zeigt die Struktur von ji-Phenolglucuronid (R-OH = Phenol). Freie Glucuronsaure ist auch Vorstufe bei der Synthese von Vitamin C (bei fast allen Pflanzen und Wirbeltieren, aber u. a. nicht beim Menschen). Die Synthese des Glycogens beginnt gleichfalls mit der Bildung der VDP-Glucose. Bei der Synthese der Starke in Pflanzen und einigen Bakterien ist jedoch die vollig analog gebildete und aufgebaute ADP-Glucose die aktivierte Form der Glucose. Im Verlauf der Glycogen-Synthese wird der Glucose-Rest vom Nuc1eosiddiphosphat (VDP bzw. ADP, allgemein NDP) durch die Glycogen-Synthase bzw. die Starke-Synthase auf das C-Atom 4 des terminalen Glucose-Restes am nicht-reduzierenden Ende einer bereits vorhandenen Glucan-Kelte ("Primer") iibertragen und die a-(1-+4)-glycosidische Bindung hergestellt: NDP-o-Glucose + (Glucose). n;;;4

Glycogen-Synthase Starke-Synthase

NDP

+ (Glucose).+l

Fiir die Glycogen-Synthasereaktion allein ist der LlGo'-Wert etwa - 13 kJ/mo!. Ausgehend von Glucose-I-phosphat und unter der Annahme, daB das Diphosphat der Vridyl-Transferasereaktion anschlieBend hydrolysiert wird, ergibt sich insgesamt fiir die Ankniipfung eines Glucose-Restes an die Glucan-Kelte ein LlGo'-Wert von etwa - 42 kllmo!. Eine als "Primer" wirkende Glucan-Kelte muB bereits vorhanden sein. Die Mindestzahl von n ist vier. Bei einer volligen Neusynthese von Glycogen wird ein Tyr-haltiges Protein (Glycogenin) als Initiator benutzt. Dieses katalysiert zunachst die Verkniipfung einer ersten Glucose-Einheit mit der OH-Gruppe des funktionellen Tyr-Restes. Danach bildet Glycogenin mit Glycogen-Synthase im Bereich des Glucose-Restes eine Tasche. Hier transferiert zunachst das aktive Zentrum des Glycogenins nacheinander sieben weitere GlucoseReste auf die erste Glucose-Einheit. Erst danach iibernimmt die Glycogen-Synthase

hセBri@

カエMPセ@

=.9 OH

Abb.7.26. Struktur von fl-Phenolglucuronid

LlGo,

= -

13 kllmol

122

7. Kohlenhydrate und ihr StofTwechsel

die weitere Kettenverliingerung (unter Erhalt der Glycogenin-Glycogen-Bindung). Ausgangsform der Glucose ist bei allen Reaktionen UDP-Glucose. Die Glycogen-Synthase kann keine tx-(I ..... 6)-Bindungen (Verzweigungsstellen) ausbilden. Ein spezielles 1,6-tx-Glucan-Verzweigungsenzym, das in vielen tierischen Geweben vorkommt, bewirkt eine Obertragung eines Fragments (aus sechs oder sieben Glucose-Resten bestehend) vom nicht-reduzierenden Ende eines liingeren Kettenstiicks auf die 6-Hydroxyl-Gruppe des drittletzten Glucose-Restes der verbliebenen oder einer anderen Kette. Die Bildung einer Verzweigungsstelle ist in Abb. 7.27 dargestellt. Auch die Synthese der iibrigen Polysaccharide (z. B. der Glycane in den Zellwiinden von Bakterien und Pflanzen oder in den Exoskeletten von Insekten) und der Mucopolysaccharide verliiuft analog zur Synthese der Saccharose und von Polyglucosen. Glycogen-

Rumpf

1 ,6-

C 6 H 120 6

+ 6 O2

Die Photosynthese der Zucker in den Chloroplasten der griinen Pflanzen besteht im wesentlichen aus zwei getrennten Reaktionsfolgen, den lichtabhiingigen Teilprozessen - kurz Lichtreaktion genannt, - und den Iichtunabhiingigen Teilprozessen kurz Dunkelreaktion genannt. Die Lichtreaktion dient der Bereitstellung der fiir die Dunkelreaktion benotigten Reduktionsiiquivalente (NADPH) und des energiereichen Phosphats. Die Dunkelreaktion besteht in der Reduktion des Kohlendioxids (Assimilation der Kohlensiiure) und der Synthese von Glucose. Beide Prozesse lassen sich formal wie nebenstehend zusammenfassen. Ein wichtiger TeilprozeLl der Lichtreaktion ist die lichtgetriebene Phosphorylierung von ADP zu ATP - die sog. Photophosphorylierung. Dieser ProzeLl ist der oxidativen Phosphorylierung nahe verwandt. Daher soli die gesamte Lichtreaktion im niichsten Kapitel im AnschluLl an die oxidative Phosphorylierung besprochen werden.

7.7.2 Photosynthetische Bildung der Glucose (Calvin-Cyclus) Die photosynthetische Bildung der Glucose wurde von M. Calvin und Mitarbeitem aufgekliirt. Bei diesem ProzeLl spielt das Ribulose-l,5-bisphosphat als Akzeptor

!23

7.7 Photosynthetische Bildung der Zucker

des CO 2 eine zentrale Rolle. Da es in einem cyciischen ProzeB wieder regeneriert werden muB, werden zuweilen die Dunkelreaktionen der Photosynthese als CalvinCyelus bezeichnet (zutrefTender ist die englische Bezeichnung Calvin-Pathway fiir den gesamten ProzeB). Die Reaktionsfolge bei der Glucose-Synthese beginnt mit der Anlagerung von CO2 an Ribulose-! ,5-bisphosphat unter gleichzeitiger Spa!tung des Intermediiirprodukts zu 2 Mol 3-Phosphoglycerat (C,-Pflanzen). Dieser ProzeB wird durch den Enzyrnkomplex Ribulose-! ,5-bisphosphat-Carboxylase katalysiert. Die Reaktion vollzieht sich wahrscheinlich nach dem in Abb. 7.28 dargestellten Mechanismus.

o

セ@

H,t;:o®

hMセq@

u_-I.5-tPh

Qセ@ rr,.,...AldoWc FruGo, = -33,5 kJ/moi

8. Oxidativer Endabbau und ATP-Synthese

134

coo-

coo-

coo-

?H,

?H,

?H,

CH, I COO-

C=O

coo-

COO-

Succinat

Oxalacetat

I

I

I

I

Malonat

werden kann, nennt man dieses Enzym auch Succinyl-CoA-Synthetase. An den in Abb. 8.8 gezeigten folgenden Reaktionsschritten ist dieses Enzym beteiligt. Succinat wird durch das membrangebundene Enzymsystem Succinat-Dehydrogenase in Fumarat (trans-Doppelbindung) umgewandeit: Succinat-Dehydrogenase ist ein Schwefel-Eisen-Protein mit kovalent gebundenem FAD. Das Enzym hat mehrere regulatorische Zentren (Bindungsorte fiir allosterische Effektoren) und ist daher auch ein wichtiges Schrittmacherenzym im Citrat-Cyc1us (s. auch Abb. 8.11). Kompetitive Inhibitoren (Abschn. 5.6.2) sind auJ3erdem die zum Succinat analog gebauten Dicarbonsauren Oxalacetat und Malonat.

Succinyl eoA + E

Succinyl·-CoA· E

セpゥ@ CoA

=1i

E· Succinyl-phosphat

E-Phosphat 11

セgdp@

a Binciung des Phosphats am N 3 des Imidazol-Rings cines enzyrngebundenen I-listidin - Restes:

セgtp@ E

Abb.8.8. Reaktion der Succinyl-CoA-Synthetase (Succinylthiokinase) セ@ E

L1G" = -2,9 kllmal (Gcsamtrcaktion)

Die Bruttoreaktionsgleichung der Fumarat-Bildung lautet: FAD-E

Succinat

セO@

FADHz-E

HC-COO-

i

-OOC-CH Fumarat

In den Mitochondrien ist diese Reaktion praktisch irreversibel, da das gebildete FADH2 (enzymgebunden) durch die Atmungskette standig re-oxidiert wird (Abschn.8.4). Das Enzym Fumarase addiert sodann in stereospezifischer Reaktion Wasser COH + H+) an die Doppelbindung von Fumarat. Bei dieser Reaktion werden -OH und H+ jeweils von der entgegengesetzten Seite der Ethylen-Gruppe des Fumarats angelagert. Dabei entsteht L-Malat (Abb. 8.9).

135

8.3 Abbau des Acetats

cooI

rt

COH + W) H,O

1H,

H-C-OH

L-Malat wird schlieBlich durch die NAD+ -abhiingige Malat-Dehydrogenase in Oxalacetat umgewandelt, das danach wieder als Akzeptor fUr eine Acetyl-Gruppe zur Citrat-Synthese zur Verfiigung steht (Abb. 8.10). Die Reaktion verliiuft unter physiologischen Bedingungen im Sinne der Gleichung von links nach rechts, da Oxalacetat und NADH stiindig aus dem Gleichgewicht entfernt werden. Die Gesamtreaktion des Citrat-Cyclus liiBt sich formal durch zwei Bruttoreaktionen beschreiben: Dehydrierungen:

3NADH + 3H' 1 FADH,

3 NAD' 1 FAD

セj@

3H,o + Acetyl-CoA

°

セoM

L-Malat

Fumarat

AGO. '"

Abb.8.9. Fumarase-Reaktion

NAD'

coo-

coo-

I

I

1H2

CH,

':J In- セ@ H H-·(-O-

c=o

I -

(00- AGO'

I

= + 29,7 kJ/mol

L-Malat

2CO,+CoA

L'.GO' = - 105 kJ/mol

GTP+ H,o

L'.GO, '" 28 kJ/mol

Die "Energieausbeute" fUr die Bildung von GTP wiihrend der Oxidation des Acetats betriigt somit 27 %. Bei der Oxidation des Acetats gebildetes NADH und FADH2 wird anschlieBend iiber die Atmungskette (Abschn. 8.4) re-oxidiert. Dabei wird ein wesentlicher Teil der umgesetzten freien Energie zur ATP-Synthese verwandt. Maximal werden durch das Enzymsystem der Atmungskettenphosphorylierung fiir jedes oxidierte Mol NADH drei Mol ATP und fiir jedes oxidierte Mol FADH2 zwei Mol ATP aus ADP und Phosphat gebildet. So liefern CitratCyclus und Atmungskettenphosphorylierung pro Mol oxidiertes Acetat zusammen maximal 11 Mol ATP (3 . 3 + 1 ·2) und ein Mol GTP. Der terminale Phosphat-Rest des GTP kann durch eine spezielle Phospho-Transferase gleichfalls auf ADP iibertragen werden: GTP

+ ADP

GOP

+ ATP

Die interne Regulation des Citrat-Cyclus und der Pyruvat-Dehydrogenase wird in ihren wesentlichen Teilen durch Abb. 8.11 veranschaulicht. Zugleich sind hier die einzelnen Reaktionsschritte zusammenfassend dargestellt. Viele Zwischenprodukte des Citrat-Cyclus sind zugleich Ausgangsmaterial fUr die Biosynthese weiterer Stoffe. In Tab. 8.1 sind einige wichtige Beispiele aufgefUhrt. So wird eine stiindige Nachlieferung von Oxalacetat bzw. Malat erforderlich. Dies geschieht vor allem durch sog. anaplerotische Reaktionen (AuffUllreaktionen); z.B. gemiiB folgenden Gleichungen: AlP

CO 2

+ Pyruvat

ADP

セI@ Biotin-Enzym

+

Pi

Oxalacetat

COoOxalacetat

Abb.8.l0. Dehydrierung von L-Malal durch Malal-Dehydrogenase

Substratkettenphosphorylierung:

P,+GDP

NADH + H'

L'.GO'

=

2,1 kJ/mol

8. Oxidativer Endabbau und ATP-Synthese

136 Abb. 8.11. Citrat·Cycius. Gesamtiibersicht und Regulation durch einige wichtige Effektoren

Pyruvat

Acetyl-CoA

セBGatpLndh@

Tab. 8_1_ Einige Stoffe, die aus Metaboliten des Citrat-Cyclus synthelisiert werden

Hinweise

Metabolit desCitratCyclus

Synthetisierter Stoff

Citrat

Acetyl-CoA Abschn.9.4.1, + Oxalacetat Abb.9.15 Abschn.l0.2.1 Glutamin-

セMoクッᆳ

glutarat SuccinylCoA Oxalacetat

!

Oxalacetat

.. \ 4 \,.

Hiim

Aspartat

\

AGO'

= -

1,5 kJ/mol

""'"

Aktivierung:

=

Hemmung:

--fIl-セ@

:Succinyl-CoA

sオ」ゥョ。セ@

CO 2

Oxoglutarat

ca'j/ 4···· NADH 7'-C02

Effektor

NADPH

(fUr die Bildung von L-Malat)

... _ATP

Effektor 0/ -

Fumarat ,

Abschn.IO.5, Abb.l0.22 Abschn.l0.2.1

ャウッ」ゥセ。NA@

」。RZadpセcP@

Malat

saure

Citrat

+

H+

+ Pyruvat

L-Malat "Malatenzym ..

Beide Reaktionen sind in Abschn. 6.4.3 besprochen worden. Oxalacetat (bzw. Malat) kann durch diese Reaktionen bei Tieren nur gebildet werden, solange aus der Glycolyse Pyruvat zur Verfiigung steht. 1st das nicht mehr der Fall, bricht der oxidative Abbau des aktiven Acetats zusammen und es kommt zu einem Hungerstoffwechsel unter vermehrter Synthese toxischer Ketoverbindungen infolge gestorten Fettsiiureabbaus (Abschn. 9.3).

8.3.2 Glyoxylat-Cyclus Die meisten Pflanzen und Mikroorganismen sind nicht auf die Bereitstellung von Pyruvat fiir die anaplerotische Bildung von Oxalacetat (bzw. Malat) aus Pyruvat angewiesen. Sie verfiigen zusiitzlich zu den Enzymen des Citrat-Cyclus iiber eine weitere Enzymausstattung, die es ihnen ermoglicht, durch Spaltung von Isocitrat praktisch in beliebigem Umfang Oxalacetat aus Acetyl-CoA zu bilden. Da aus Oxalacetat Kohlenhydrate synthetisiert werden konnen (Abschn.7.2.2), sind die genannten Organismen im Gegensatz zu den Tieren damit befiihigt aus Fettsiiuren bzw. Acetyl-CoA Glucose aufzubauen. Diese bemerkenswerten Fiihigkeiten ermoglicht der Glyoxylat-Cyc1us. Abbildung 8.12 faBt die einzelnen Schritte zusammen. Wie man erkennt, kann im Prinzip ein Organismus einen GlyoxylatCyc1us zusiitzlich zum Citrat-Cyc1us ausbilden, wenn er die Fiihigkeit zur Biosynthese von Isocitrat-Lyase und Malat-Synthase besitzt. Die Isocitrat-Lyase zerlegt Isocitrat im Sinne einer Aldol-Spaltung (Abb. 8.13). Analog zum Oxalacetat kann Glyoxylat an seiner Carbonylgruppe den AcetylRest von Acetyl-CoA iiber die Methylgruppe addieren. Diese Reaktion fiihrt zum L-Malat. Deshalb nennt man das Enzym, das diese Additionsreaktion ermoglicht, Malat-Syntbase (Abb. 8.14).

8.4 Atmunskettenphosphorylierung

137

Citrat Aconitase

セ@

150citrat

Citrat-Synthase

Isocitrat-Lyase

t---

Glyoxylat

f...lalat-Synthase

Acetyl-eoA

r1"...----

L-Malat Malat-Dehyctrogenase

セ@

セ@

Oxalacetat

Succinat

Citrat -Cyclus (Mitochondrien)

Acetyl-eoA

L-Malat セ@

Zucker

(Cytosol)

Oxalacetat

Abb. 8.12. Glyoxylat-Cyc1us

coo·

In Pflanzen verliiuft der Glyoxylat-Cycius in speziellen eytoplasmatisehen Organellen - den Glyoxysomen. Diese Organellen stehen den Peroxisomen nahe. Bei Prokaryoten treten die Enzyme des Glyoxylat-Cycius frei im Cytosol auf.

.

iセᆴ@ HC-QH h."

OOC-CH

セh@ I

2

COO·

8.4 Atmungskettenphosphorylierung

Isocitrat

セ@

COO· I

7H2 + H-C=O I coo·

1Hz

coo· Succinat

Glyoxylat

Abb.8.13. Reaktion der Isocitrat-Lyase Das membrangebundene Enzymsystem der Atmungskette bewirkt die Oxidation von NADH zu NAD + unter Verwendung von O 2 als terminales Oxidationsmittel. Bei Kopplung dieser energieliefernden Redoxprozesse an die Phosphorylierung von ADP zu ATP bezeiehnet man den gesamten ProzeB als Atmungskettenphosphorylierung. Die beteiligten Reaktionen sind sehr komplex. Ihre Grundziige sind zwar bekannt, aber in vielen Details noeh nieht aufgekliirt. Das Enzymsystem der Atmungskette kann getrennt von den Phosphorylierungsreaktionen untersueht werden. Aueh in vivo lassen sieh Atmungskette und Phosphorylierungen dureh Zusatz bestimmter Stoffe (Entkoppler) "entkoppeln". Es wurde naehgewiesen, daB zur ATP-Synthese mit Hilfe der Kopplungsfaktor-ATPase (FJ-ATPase) bei der oxidativen Phosphorylierung Hセ@ Atmungskettenphosphorylierung) und der Photophosphorylierung (Absehn. 8.5) eine vesikuliire Membranstruktur erforderlieh ist. Die eigentliehe Energiequelle fiir die ATP-Synthese sind ein Protonengradient an dieser Membran und das hiermit zusammenhiingende Membranpotential. Abbildung 8.15 faBt die wesentlichen Teilschritte der Atmungskettenphosphorylierung und die Wechselbeziehungen zu einigen wichtigen NAD- bzw. Coenzym Q-reduzierenden Reaktionen zusammen.

coo· I

1Hz H-C-OH

I coo-

Acetyl---CoA + GlyoxyJat

l-I\..falat

Abb.8.14. Reaktion der Malat-Synthase

138

8. Oxidativer Endabbau und ATP-Synthese

a-Oxoglutarat

Abb. 8.15. Wichtige Teilschritte der Atmungskettenphosphorylierung. Daneben sind einige bedeutende Stoffwecbselreaktionen angegeben, die eine fortgesetzte Reduktion von NAD bzw. Coenzym Q HセqI@ gewiihrleisten. Soweit Flavoproteine an diesen Prozessen beteiligt sind, wurden sie znsiitzlich durch die Symbole FP" FP2 etc. bezeichnet. I, II und III geben die Kopplungsstellen der Redoxreaktionen an eine ATP-Synthese an. Diese romischen ZifIern weisen somit auf die drei protonenpumpenden Enzymkomplexe hin, welche die Membran flir die ATPSynthese "energetisieren". Man beachte, daB diese "Kopplungsstellen" (historischer Begriff) teilweise eine andere N umerierung haben als die entsprechenden Enzymkomplexe (Abb.8.17). Weiterhin sind verschiedene Inhibitoren der Redoxreaktionen eingetragen

Eo -0,4 -0,2 0 0,2

120

0,4

80

0,6

40

0,8L---L---------.:!:-1--Abb. 8.16. Stufenweise Freisetznng der freien Energie beim Transfer eines Elektronenpaares von NADH auf O 2 , Die Phosphorylierung von ADP (ADP + Pi セ@ ATP, GO' = + 30,1 kJImol) ist jeweils an die Elektronentransferschritte NADH -+ Q, b -+ c und a -+ O 2 gekoppelt. Die Anderungen der freien Standardenergie bei diesen Redoxschritten sind besonders hervorgehoben. Die auf der Ordinatenachse angegebenen Redoxpotentiale, AEo, (gemessen in Volt) stellen unter Standardbedingungen (S. 68) ein MaB fiir Reduktions- bzw. Oxidationsvermogen von Redoxsystemen dar. Allgemein gilt: AGO' = -nF AEo, n F R T K'

oder

AE o, = RT InK" nF '

= Zahl der transferierten Elektronen, = 1 Faraday (niichste Seite), = allgemeine Gaskonstante (S. 24), =

absolute Temperatur,

= Gleichgewichtskonstante

Pyruvat

\

Succinat

\

FP,

\

FP,

GBZLセ|@

セ@

FP,

\

セ@

T

NADH_FP I (4Fe' S)_Q_(2FelS)_cyt b(FeIS)cyt cl-cyt c-cyt

GI t

u ama

t //

3-Hydroxyacyl-CoA セ@

Rotenon/

Amy tal

Antimycin A

aI,-o,

Cyanid

FP,

acyャMセfpT@ Glycerophosphat

Das Flavoprotein FP, ist die NADH-Dehydrogenase. Dieses Enzym enthalt an Schwefel gebundenes Eisen (Abschn. 6.2.3.3) als Cofaktor. Vom Coenzym Q (Abschn. 6.2.3.4) werden die Elektronen mit Hilfe weiterer Eisen-Schwefel-Proteine auf Cytochrom b und Cytochrom c, iibertragen (Abschn. 6.2.3.2). Der folgende Elektronentransfer verlauft schlieBlich iiber Cytochrom c und Cytochrom a + a 3 auf SauerstofT. Wiihrend bis zum Coenzym Q die Elektronen paarweise transferiert werden k6nnen, geschieht der E1ektronentransfer iiber die Cytochrome einzeln aufgrund eines Valenzwechsels von Fe2+ zu Fe 3 +. Cytochrome sind elektroneniibertragende Proteine, deren prosthetische Gruppen Eisenporphyrin-Systeme (Ham-Gruppen) sind. Cytochrome geh6ren daher zur Gruppe der Oxidoreductasen. In eukaryotischen Zellen kommen sie nicht nur in den Mitochondrien als Teil der Atmungskette vor, sondern z. B. auch im endoplasmatischen Retikulum. Dort sind sie unter anderem an Hydroxylierungsreaktionen (s. auch Abschn.l0.2.4.1 und Abb. 10.8) beteiligt. Cytochrome werden auch nach der Oxidationsreaktion benannt, die sie katalysieren. So ist der Komplex Cytochrom a + a 3 identisch mit Cytochrom c-Oxidase. Cytochrome besitzen relative Molekiilmassen zwischen 12500 (Cytochrom c, Coenzym der Cytochrom c-Oxidase) und 200000 (Cytochrom a). Abhiingig von der Art der Bindung des Eisenporphyrin-Systems haben Cytochrome unterschiedliche Redoxpotentiale. An drei Stellen der Atrnungskette besteht eine Kopplung der ATP-Synthese an Redoxreaktionen der Atmungskette (Abb.8.15). Einige F1avin-abhangige Dehydrogenasen iibertragen jedoch den Wasserstoff vom Substrat direkt auf das Coenzym Q. In diesen Fallen werden nur zwei ATP-Molekiile pro iibertragenes Elektronenpaar gebildet. Von groBer Bedeutung fUr die Aufkliirung der Einzelschritte der Atrnungskette ist die M6g1ichkeit, mit Hilfe spezifischer Inhibitoren bestimmte Reaktionen selektiv zu hemmen, z. B. durch Rotenon, Amytal oder Antimycin A. Cyanid bildet besonders leicht einen inaktiven Komplex mit den EisenporphyrinSystemen der Cytochrom c-Oxidase (Cyt aa3) und kann daher iiber die Blockierung der Atrnungskette t6dlich wirken. (Dagegen wird Kohlenmonoxid vor allem an die Ham-Gruppe des Hamoglobins gebunden und verhindert so die Bindung von Sauerstoff.)

139

8.4 Atmunskettenphosphorylierung

Mg'ADP+P;

Durch das Elektronentransfersystem der Atmungskette wird die freie Energie der Gesamtreaktion H+

+ NADH + 1/2 O2

---->

NAD+

+ H 20

f

AGO, = - 220,5 kJ/mol

stufenweise freigesetzt (Abb, 8.16). Abbildung 8.16 zeigt zugleich wieder die Schritte, an die eine ATP-Synthese gekoppelt is!. Hierfiir gilt folgende Gesamtreaktion: 3 ADP

+ 3 Pi

---->

3 ATP

AGo, =

+ 92 kJ/mol

Die drei in Abb.8.17 dargestellten Enzymkomplexe pumpen Protonen in den Cristae-Raum (C-Raum) der Mitochondrien. Hierdurch wird gemliB Gleichung AG' = RT In [H+] Innenseite + F. A'P [H+] AuBenseite die Membran "energetisiert". (F: 1 Faraday = 96524Coulomb pro Mol; A'P: Membranpotential in Volt, bei Mitochondrien die zwischen positivem Cristae-Raum und negativem Matrix-Raum auftretende Spannungsdifferenz; GroBenordnung ca. 0,1 Volt). Die ATP-Synthase (auch Komplex V genannt; reI. Molekiilmasse ca. 450000; komplizierte Quartiirstruktur) kann diese Energie, AG', zur Phosphorylierung von ADP zu ATP verwenden. Hierbei spielen Konformationslinderungen des in den Matrix-Raum ragenden F,-Teils eine wesentliche Rolle. Bewirkt werden diese Konformationslinderungen zum Teil durch Protonen, die durch den membran-integrierten Fo-Teil in den Matrix-Raum (M-Raum) zuriickstromen. Man nimmt an, daB ADP und Phosphat zunlichst locker an den F,-Teil gebunden werden. Durch eine folgende Konformationslinderung werden beide Komponenten in einer hydrophoben Tasche des Enzyms eingeschlossen, wo sie spontan miteinander zu ATP reagieren. Der eigentliche energieverbrauchende Vorgang ist die folgende Freisetzung des zunlichst sehr fest gebundenen ATP. An der hierzu erforderlichen Konformationsiinderung des F,-Teils sind die in den M-Raum durch den Fo-Teil III

IV

V

セ@

セ@

Angenommener Cyelus der ATP-Synthese am ATP-Synthase-Komplex. Es ist nicht sicher, dan aile drei katalytischen Zentren des F,-Komplexes alternierend mit gieicher Geschwindigkeit arbeiten. Man beachte jedoch vor allem, daB der eigentJiche energieverbrauchende Schritt die Freisetzung des ATP durch Konformationsiinderung des entsprechenden katalytischen Zentrums ist. Der hier aufgezeigte Weg der Wasserabspaltung aus ADP + P, ist nur noch entfemt verwandt mit der urspriinglich von Mitchell aufgestellten "chemiosmotischen Theorie"; jedoch ist die treibende Kraft dieses Prozesses die von Mitchell postuiierte "proton-motive force" ' eIektroAG' es 1St . elgen . tJ·lehem A All ( LloP = F; chemisches potential) Abb.S.17. Angenommene Anordoung funktioneller Proteine def inneren MitochondrienMembran zur Erkliirung der Wechselbeziehung zwischen den drei Protonenpumpen

(Komplex I, III aund IV) der Atmungskette uod der W-ATP-Synthase (Komplex V). Komplex I: NADH-Ubichinon-Oxidoreductase (NADH-Dehydrogenase); Komplex II: Succinat-Ubichinon-Oxidoreductase (SuccinatDehydrogenase); Komplex III: UbichinonCytochrom c-Oxidoreductase (Der Protonentransport erlolgt hier wahrscheinlich aus-

schlie1llich iiber den "Q-Cyclus"; s. hierzu auchAbb. 8.23 uodAbscbn. 6.2.3.4); Komplex IV: Cytochrom c-O,-Oxidoreductase (Cytochrom c-Oxidase); Komplex V: ATP-Synthase. n-2bis3

140 • pH 7 bedeutet eine Konzentration von etwa 6· 10 16 Protonen pro Liter. In einem Mitochondrion befinden sich bei einem Volumen von etwa 10 -15 Liter daher jeweils nur 60 Protonen. Ein Mitochondrion enthiilt aber andererseits bei einer relativ groBen Membranflache von etwa 400 m' pro Gramm Protein beispielsweise 20 ()()() bis 70000 Molekiile Cytochrom a, so daB die Zuordnung von Protonen zu einem bestimmten Protonentransportsystem nur moglich ist, wenn man fUr einen engen raumlichen Bereich einen augenblicklichen Zustand betrachtet. Die Angabe 60 Protonen pro Mitochondrion ist namlich ein Mittelwert und gestattet keine Aussage iiber die stiindige Fluktuation der Protonen durch die Mitochondrienmembran.

In den Mitochondrien des braunen Fettgewebes der Siiuglinge (u. z. B. auch der Winterschlafer) bewirkt ein protonen-durchlassiges Membranprotein (Thermogenin, durch Nucleotide steuerbar) die vollstiindige Umwandlung der freien Energie der Atrnung in Warme und kontrolliert so die Kiirpertemperalur.

8. Oxidativer Endabbau und ATP-Synthese

zuriickstriimenden Protonen entscheidend beteiligt. Nach Freisetzung von ATP konnen emeut ADP und Phosphat gebunden werden (Boyer-Cyc\us). Man schatzt, daB in normal arbeitenden Mitochondrien ca. drei Protonen die Synthese von einem ATP antreiben konnen. Bei der Bestimmung der Gesamtausbeute muB man jedoch noch beriicksichtigen, daB fiir den Transport von je einem ADP und einem Phosphat aus dem Cytosol im Austausch gegen ein ATP noch ein Proton benotigt wird. Ungefahr ergibt sich als Energieausbeute der Atrnungskette in bezug auf die ATP-Synthese ein Wert von 40-50%. Die Uberiegungen zur Kopplung des Protonentransports an eine ATP-Synthese bereiten gewisse Schwierigkeiten, wei! sich im Durchschnitt zu einem bestimmten Zeitpunkt nur relativ wenige freie Protonen auf beiden Seiten der inneren Mitochondrienmembran befinden konnen. * Aber auch wenn dieses Problem nicht bestiinde und man in Abhangigkeit von der Zeit die genaue Protonenverteilung auf beiden Seiten der Membran beschreiben konnte, bleibt die Ermittlung der freien Energie der "energetisierten" Membran gemaB obiger Gleichung immer noch sehr problematisch, da die Bestimmung des Membranpotentials Il 'P zwischen den beiden Membranseiten sehr schwierig is!. Wie bereits erwahnt, kann die oxidative Phosphorylierung durch bestimmte Substanzen, z. B. 2,4-Dinitrophenol, entkoppelt werden. Bei einer Entkopplung liiuft der Elektronentransfer von NADH auf Sauerstoff weiter, aber es folgt keine Phosphorylierung von ADP, da die Entkoppler den Protonengradienten bzw. das Membranpotential abbauen, indem sie die Membran fiir Protonen durchlassig machen. Auch durch lonophore, z. B. durch das Antibioticum Valinomycin (s. Abschn.3.2.3), kann die innere Membran der Mitochondrien fiir bestimmte Kationen (z. B. K +) permeabel werden. Das durch die Atrnungskette aufgebaute Membranpotential treibt dann z. B. K +-Ionen in den Matrix-Raum und steht somit nicht fiir die ATP-Synthese zur Verfiigung. Die gesamte oxidative Phosphorylierung kann durch spezielle Inhibitoren (z. B. durch das Antibioticum Oligomycin, das die Funktion der ATP-Synthase blockiert), gehemmt werden. Auch Mangel an ADP (Akzeptorkontrolle) oder eine hohe ATP-Konzentration (produkthemmung) kann die gesamte Atmungskette inhibieren. Bei ATP-UberschuB kann sie sogar (unter geeigneten Bedingungen) umgekehrt veriaufen, da die ATP-Synthase unter ATPSpaltung auch als Protonenpumpe (H+ -ATPase) wirken kann. Der hierdurch geschaffene Protonengradient kann dann den umgekehrten FluB der Elektronen antreiben. Der Atmungskette verwandte Elektronentransportsysteme kommen auBer in den Mitochondrien auch in anderen Organellen der tierischen Zellen vor (z. B. im endoplasmatischen Reticulum und in den Peroxisomen). An die Funktion dieser Systeme ist jedoch keine ATP-Synthese gekoppel!. Hiiufig dienen sie der direkten Einfiihrung des Sauerstoffs in organische Verbindungen. Speziell seien hier die hydroxylierenden Enzymsysteme des endoplasmatischen Reticulums genannt. Diese Enzymsysteme gehoren zur Gruppe der Monooxygenasen gemischter Fuuktion (s. auch Abschn.l0.2.4.1, Abb. 10.8). Sie lagem ein Atom des molekularen Sauerstoffs in Form der Hydroxylgruppe an ein Substrat an, wahrend das zweite Sauerstoffatom mit Hilfe eines reduzierenden Coenzyms (NADH) zu Wasser reduziert wird. Bei den Hydroxylasen des endoplasmatischen Reticulums und weiterer Membransysteme werden die Elektronen von NADH iiber FAD und Cytochrome (z.B. Cytochrom P 450) auf das zweite Atom des molekularen Sauerstoffs iibertragen. Von diesen Monooxygenasen miissen die Dioxygenasen unterschieden werden, die beide Atome des molekularen Sauerstoffs - ohne Beteiligung eines Elektronen-Transport-Systems - in das Substrat einbauen (oft durch Uberfiihrung einer olefinischen Doppelbindung in zwei Aldehydgruppen, z. B. wie bei dem in Abb.l0.10 gezeigten Tryptophan-Abbau) .

141

8.5 Lichtreaktionen der Photosynthese

Von den Oxygenasen streng zu unterscheiden sind die (Flavin-abhangigen) Oxidasen. Diese iibertragen lediglich Elektronen yom Substrat auf molekularen Sauerstoff, wobei dieser gewohnlich nur zum H 2 0 2 , einem (unerwiinschten) Nebenprodukt (Abschn. 6.2.2) reduziert wird. Dagegen iibertragen die Flavin-abhangigen Oxidoreductasen die Elektronen vom Substrat meist auf das Coenzyrn Q der Atmungskette.

8.5 Lichtreaktionen der Photosynthese (Photophosphorylierung, NADPH-Bildung, Photoatmung) Photosynthesen sind Synthesen unter Verwendung von Lichtenergie. Zur Photosynthese sind sehr viele prokaryotische und eukaryotische Organismen beflihigt. Zu den photosynthetisierenden Prokaryoten zahlen z. B. die Cyanobakterien, die griinen Schwefelbakterien und die Purpurbakterien. Photosynthetisierende Eukaryoten sind nicht nur die hoheren griinen Pflanzen, sondern auch ein- und vielzellige Organismen wie die Griin-, Braun- und Rotalgen, die Euglenoiden, Dinoflagellaten und Diatomeen des Phytoplanktons. Photosynthetische Reaktionen treten in groller Vielfalt auf. Das Photosynthese-System der hOheren Pflanzen ist durchaus nicht am verbreitetsten in der Natur, doch zahlt es zu den am besten untersuchten Photosynthese-Systemen.

Jl.ul!efe Membran

8.5.1 Chloroplasten Die Photosynthese der hoheren Pflanzen findet in den Chloroplasten statt. Sie kommen, zusatzlich zu den fiir Eukaryoten typischen Organellen (Kern, Mitochondrien, endoplasmatisches Reticulum) , vor allem in den Parenchymzellen des Mesophylls der griinen Blatter vor. Chloroplasten sind wie Mitochondrien selbstreplizierende Zellorganellen. Sie sind meistens wesentlich groller als Mitochondrien, variieren aber stark in der Grolle (ca. 1-10 11m im Durchmesser). Auch ihre Gestalt kann sehr unterschiedlich sein. Ihre Anzahl pro Zelle liegt zwischen 1 (bei eukaryotischen Algen) und etwa 40 bei hoheren Pflanzen. Chloroplasten enthalten ein inneres Membransystem, das von einer aulleren und von einer inneren Membran umhiillt ist. Bei Mitochondrien hangt dagegen die innere Membran kontinuierlich mit den Cristaemembranen zusammen. Das innere Membransystem der Chloroplasten

Integrale Larnellen

ThVlakoid-Vesikel

Abb.8.18a. Schematische DarsleJlung eines Chloroplastenquerschnitts. Die Membranen der Thylakoid-Vesikeln leilen sich von der inneren Membran ab Abb.8.18b. Verleilung der wesentlichen Enzymkomplexe der Thylakoidstapel. Die ATP-Synthase befindel sich nur in den dem Stromaraum zugewandten Membran-

bereichen. Die tcilweise raumliche Trennung von Photosystemen und ATP-Synthase weist hier dem Prolonengradienten tim Gegensatz zurn Membranpotential) eine vorherrschende Rolle bei der Energetisierung der ATPSynlhese zu. Protonen werden in Kopplung an den photosynthetischen Elektronentrans-

StrorM

port hierzu vorn Stromaraum in das Lumen

der Thylakoidvesikel gepumpl. Der Cytochrom bf·Komplex vermittelt den Elektronentransport von Photosystem II zu Photosystem I

Granum-Lamelle

StrorM-Lameile

o

Photosystem II

o

Photosystem 1

セ@

セ@

Cytochrom bf ATP-Synthase

142

x

H,C=CH

CI-13

H3C

I '

1'1-1, o=c I o I

(1: 1-1, CII

II

3

l'H,

1:1-1,

'rH ,

1-1 1'-CH 3

TH, PhytolSeitenkette

'r TIl, T-T,

J-lC-CH,

セQM@

schlieBt zwei innere Kompartimente ein: den proteinreichen Stroma-Raum und die hierin sehr kompakt gestapelten Thylakoid-Vesikel (Abb. 8.18a, b). Sie bilden die in der Abbildung gezeigten Granum-Strukturen. Man kann sie verhiiltnismiiBig leicht isolieren. Es sind relativ gut definierbare Vesike1strukturen. Sie eignen sich gut zur Untersuchung der Photophosphorylierung in vitro. Bei den meisten Experimenten zur Photosynthese wurden bisher Chloroplasten aus Spinatbliittern verwende!.

8.5.2 Photosynthetische Pigmente

CI-I

j'- CI-1

8. Oxidativer Endabbau und ATP-Synthese

I '

'r H,

TH , T TH,

I1 -Cli 3

'rH, TIl, 1-1?-CI-l 3 CJ-l 3

Abb. 8.19. Struktur von Chlorophyll a und b. Chlorophyll a: X セ@ -CH3: Chlorophyll b: X セ@ -CHO. 1m Gegensatz zum HamSystem ist an den Pyrrol-Ring III der Cyclopentanon-Ring V angegliedert. In Bacteriochlorophyll ist der Ring II reduziert. Durch Hydrolyse der Esterbindung zur Phytolseitenkette entsteht ein Chlorophyllid

Die Grana enthalten in Bindung an ihre Membranen viele Photorezeptorsysteme, die aus stapelfiirmig gepackten Pigmenten - z. B. Chlorophyll-Molekiilen - bestehen, sowie ATP-Synthase-Molekiile, die mit ihrem F.-Kopf in den Stromaraum hineinragen. Die Strukturformel der beiden wichtigeren Chlorophylle a und b zeigt Abb. 8.19. Am Primiirvorgang der Lichtreaktion sind die Photosysteme 1 und II beteilig!. Das Photosystem I der griinen Pflanzen enthiilt mehrere hundert ChlorophyllMo1ekiile (iiberwiegend Chlorophyll a), verschiedene Carotinoide (z. B. /i-Carotin; s. Abb. 6.37) und eine noch nicht niiher identifizierte Chromoprotein-Einheit P 700, die unter anderem ein reaktives Chlorophyll (Chlorophyll RC I) enthiil!. Die eingestrahlten Photonen werden zuniichst von einem beliebigen Chlorophyll-Molekiil des Photosystems (auch Antennenkomplex genannt) absorbier!. Durch Excitonentransfer von Chromophor zu Chromophor (intermolekulare Vbertragung der Anregungsenergie) wird anschlieBend ihre Energie P 700 zugeleite!. Photosystem II ist qualitativ iihnlich wie System 1 gebau!. Es absorbiert jedoch bei etwas kiirzeren Wellenliingen und spaltet Wasser. Die zentrale Einheit ist gleichfalls ein Chlorophyll-Protein-Komplex. Aufgrund seiner auffalligen Lichtabsorption bei 680 nm wird dieses Pigment als P 680 bezeichne!. 1m Gegensatz zu den hiiheren Pflanzen enthalten niedere Organismen auBer Chlorophyll oft weitere Photorezeptorpigmente, z. B. Phycobiline (Rot- und Griinalgen). Phycobiline sind wie Biline, die sich yom Hiimin herleiten lassen (Abschn. 6.2.3.2), lineare Pyrrol-Farbstoffe (s. Abb. 8.20). Halobakterien dagegen enthalten Bacteriorhodopsin als photonengetriebene lonenpumpe (s. a. Abb. 2.12). Chromophor ist hier ein an die B-Aminogruppe eines Lysinrestes des Opsins (Apoprotein) gebundener Vitamin A-Aldehyd (s. a. Abb. 6.37).

8.5.3 Photochemischer Primiirproze8 Die meisten photosynthetischen Organismen (wichtige Ausnahme = Bakterien, auBer Cyanobakterien) benutzen HzO als Wasserstoff- (bzw. Elektronen-)Donator fiir die Reduktion von COz zu Glucose. Stark vereinfachend gilt die bereits erwiihnte Grundreaktion (s. Abschn.7.7.2): 6H zO

+ 6CO z

Licht

------+

Photosynthetisierende Bakterien erzeugen und verbrauchen dagegen gew6hnlich keinen Sauerstoff. 1m Gegenteil, viele dieser Organismen sind strikte Anaerobier. Elektronendonatoren fiir photosynthetische Bakterien k6nnen sehr unterschiedliche Stoffe (z. B. HzS oder organische Verbindungen) sein. Die skizzierte Grundreaktion der Photosynthese besteht formal in der Abspaltung von Wasserstoff aus Wasser und der Vbertragung des Wasserstoffs auf Kohlendioxid. Der t.Go, -Wert dieses Prozesses liegt, bezogen auf die Reduktion von

143

8.5 Lichtreaktionen der Photosynthese

einem Mol CO 2 , bei etwa 251 kJ/mol. Theoretisch k6nnte dieser Energiebetrag noch von einem Mol Photonen der Wellenliingen unterhalb 500 nm aufgebracht werden.· Wie bei anderen Energieurnwandlungsreaktionen wird auch bei der Photosynthese nur eine Energieausbeute von h6chstens 50 % erreicht. Dies bedeutet, daB formal fUr die Abspaltung von einem Wasserstoffatom aus Wasser und dessen Dbertragung auf Kohlendioxid wenigstens zwei Lichtquanten erforderlich sind. An diesem Zwei-Quanten-ProzeB sind die Photosysteme I und II in unterschiedlicher Funktion beteilig!. Das Schema in Abb. 8.21 verdeutlicht die von der Photoabsorption abhiingigen

• Ein Mol Photonen oder ein Einstein entsprechen 6,023.10 23 Photonen; einem Mol Photonen roten Lichtes (Wellenliinge 700 run) sind etwa 171 kJ aquivalent; der entsprechende Wert fiir violettes Licht (Wellenllinge 400 nm) ist 299 kJ.

ElektronentransJerprozesse.

Struktur und Funktion der beteiligten Redox- und Pigmentsysteme sind weitgehend bekannt. P 680 ist im angeregten Zustand ein Elektronendonator gegeniiber seinem primaren Elektronenakzeptor. Dber ihn wird das Elektron in ein der Atmungskette verwandtes Elektronentransfersystem eingeschleust und gelangt schlieBlich zurn Pigment P 700. Mit der Abgabe des Elektrons ist das Photosystem II wieder in den Grundzustand zuriickgefallen und kann darauf ein Elektron, das letztlich aus dem Wasser stammt, aufnehrnen. Zwischen dem Elektronenakzeptor des Photosystems II und dem Pigment P 700 des Photosystems I sind die Redoxschritte, iihnlich wie bei der oxidativen Phosphorylierung, an eine Synthese von ATP gekoppel!. Photosystem I geht bei Absorption eines Photons in einen angeregten Zustand iiber und wirkt nunmehr als Elektronendonator gegeniiber Ferredoxin (Fd), seinem primiiren Elektronenakzeptor. Das Elektron kann von hier aus auf ein Flavoprotein iibertragen werden. Dessen Isoalloxazin-System ist nach Aufnahrne eines weiteren Elektrons aus einem nachfolgenden zweiten ElektronentransferprozeB und von zwei Protonen (s. auch Abb. 6.7) schlieBlich Wasserstoffdonator fUr die Reduktion von NADP+ zu NADPH. Die Bilanz der Dunkelreaktion (s. Abschn. 7.7) zeigt, daB fUr einen Synthesecyclus 12 Mol NADPH und 18 Mol ATP ben6tigt werden. Damit bei Bedarf zusiitzlich ATP synthetisiert werden kann, besteht die M6glichkeit, ein Elektron vom -0,6 -0,4

Primarer ElektronenAkzeptor

,, e-

0

° 0,2

hv

0,6

Abb. S.20. Struktur des Phyco-erythrobilins, ein rotes photosynthetisches Pigment. 1m Phyco-cyanobilin, einem blauen Pigment, entMlt der Ring IV statt der H,C=CHGruppe eine H,C-CH,-Gruppe

---.... 1/2INADP+1

,,

,,

", ,,

Primarer Elektronen-

, "" "-

Akzeptor

cyclische Phosphorylierung

r:;1l'01

PC ---------

セ@

W

hv

Sauerstoffentwicklung 1/4

O2

.....\f;H+

0,8 Mn2+

1,0

HOOCH,CH,C

FP

,,

UJ

0,4

H HOOCH,CH,C

Fd

-0,2

>

H,C

1/2 H20

Abb. S.21. Vereinfachte Darstellung des photosynthetischen Elektronentransports in hoheren Pflanzen. Die Photosysteme sind im Text erkliirt. QA und Q. an Photosystem II gebundene Plastochinon-Molekiile; Fe, Mn: an Photosystem II gebundenes Eisen bzw. Mangan; Fd = Ferredoxin (ein Schwefel-Eisen-Protein) (s. Abschn.6.2.3.3); FP = Flavoprotein; PQ = Plastochinon (ein Benzochinon); PC = Plastocyanin (ein Kupferprotein); cyt bf = Cytochrom-ProteinKomplex

144

8. Oxidativer Endabbau und ATP-Synthese

primaren Elektronen-Akzeptor (Fd) des Photosystems I iiber den Plastochinonpool in die ATP-liefernde Elektronentransportkette zuriickzuschleusen (cyciische Photophosphorylierung). Jeder Umlauf in diesem eycius, der vom Photosystem II unabhangig ist, fiihrt zur Synthese von etwa einem ATP-Molekiil fiir jedes absorbierte Lichtquant. Die genaue Stochiometrie dieses Prozesses ist noch nicht gesichert. Fiir die Bildung von einem Sauerstoff-Molekiil aus Wasser muB der gesamte ProzeB (Abb. 8.21; ohne cyclische Photophosphorylierung) viermal durchlaufen werden. Dabei konnen maximal zwei Molekiile NADPH und bis vier Molekiile ATP gebildet werden: 2 H 20

8 hv

+ 2 NADP+ nADP

+ nP,

O2 + 2 NADPH nATP

+ 2H+

n = 2-3

Fiir diesen ProzeB werden also mindestens 8 Quanten benotigt (Mindestquantenbedarf) . In der Photochemie charakterisiert man den Wirkungsgrad einer Umsetzung auch durch die Quantenausbeute 0. Sie ist wie folgt definiert:

o= Zahl der gebildeten (umgesetzten) Molekiile Zahl der absorbierten Quanten

.

Die maximale Quantenausbeute der Lichtreaktion, bezogen auf die 02-Bildung, ist daher 1

0= 8" = 0,125. Tatsachlich liegt der Quantenbedarf der Photosynthese bei etwa 10 Quanten = 0,1). Rotes Licht mit Wellenlangen oberhalb 700 nm wird vom Photosystem II praktisch nicht absorbiert. SOInit kann der obige ProzeB nicht ablaufen. Dies bedeutet, daB die Quantenausbeute fiir monochromatisches Licht entsprechend der Abnah-

(0

イWセMNョLQP@

Nセ@

"o o

g 60

Abb. 8.22. Das Aktionsspektrum der Photosynthese der griinen Pflanzenzellen bei monochromatischer Belichtung (oben) und die Absorptionsspektren der Chlorophylle a und b, sowie der Carotinoide (unten). 1m Spektralbereich urn 550 nm bis 680 nm entspricht das Aktionsspektrum dem Absorptionsspektrum der Chlorophylle

1t

700 Wellenliinge (nm)

145

8.5 Lichtreaktionen der Photosynthese

me der Lichtabsorption von II im Bereich von 680 nm bis 700 nm trotz ausreichender Lichtabsorption durch Photosystem I (P 700) fast auf Null sinkt. Dieser als "Red Drop" bekannte ElIekt wies schon friih darauf hin, daB die Kooperation zweier unterschiedlicher Photoakzeptorsysteme Voraussetzung fiir die optimale Funktion der Photosynthese ist. Betrachtet man andererseits die EffIzienz der Photosynthese fiir Wellenliingen unterhalb von 680 nm, so findet man, daB das Aktionsspektrum der Photosynthese (die EffIzienz der Photosynthese in Abhiingigkeit von der Weilenliinge) etwa dem additiven Absorptionsspektrum der Chlorophylle und Carotinoide gleicht (Abb. 8.22). In Abb. 8.23 ist die topologische Organisation der Enzymkomplexe der photosynthetischen Primarreaktion und der hieran gekoppelten ATP-Synthese schematisch dargestellt. Uber Messungen des L\pH wurde nachgewiesen, daB bei Bildung von 1/2 O2 mindestens zweimal 2 Protonen in die Lumenseite gepumpt werden. Etwa 3 Protonen werden fiir die Synthese von einem ATP benotigt. Wie die Atmungskette (s. Abb. 8.15) kann auch die Photosynthese durch verschiedene WirkstolIe spezifisch gehemmt werden (Herbizide). Diese Wirkungen beruhen hiiufig auf spezifischen Hemmungen der am photosynthetischen Elektronentransport beteiligten Enzyme. Bekannte Herbizide sind Diuron (N'-Dichlorphenyl-N 2 -dimethyl-harnstoff), S-Triazine und Chinonderivate.

Die Thylakoidmembranen sind etwas permeabel fiir Mg2 + und CI-. Hierdurch wird das Membranpotential Ill/! relativ klein gehalten, so daB die ATP-Synthese hier ganz iiberwiegend durch den (entsprechend groBeren) Protonengradienten angetrieben wird (s. dagegen die mitochondriale ATP-Synthese in Abschn. 8.4).

Stroma ADP

hv

Psi

PsI!

Lumen

Abb. 8.23. Topologische Organiation der Enzymsysteme der photochemischen Primiirreaktionen in der Thylakoidmembran. Die Lichtquanten werden primiir von den Pigmenten (verschiedenen Chlorophylle, Carotinoide und weitere Pigmente) der Antennenkomplexe absorbiert (LHC = Light harvesting complex; nur gezeigt fiir Ps II). Sodano wird die Lichtenergie durch ExcitonenTransfer zu den photochemischen Reaktionszentren der Photosynthese-Komplexe II (ps II mit P 680) und I (Ps I mit P 700) geleitet. Elektronenflull wie angegeben. Der protonen-transportierende "Q-Cyclus" (hier nur vereinfacht dargestellt) vermittelt den Elektronen-Transfer zwischen Ps II und Cyt bf. (Zu den Redoxreaktionen der Chinone siehe Abschn. 6.2.3.4.) Ph,. セ@ Pheophytin a; QA und QB セ@ Plastochinon A und B (protein-gebunden); Q セ@ freies Plastochinon; Fd セ@ Ferredoxin; F x, FB und FA = Elektronentransportproteine; PC = Plastocyanin (Cu-Protein); OR セ@ Ferredoxin-NADP-Oxidoreductase; CFo/CF I = protonengetriebener ATP-Synthase-Komplex der Chloroplasten. Pheophytin a hat die Struktur des Chlorophyll a,jedoch fehlt das Mg2+-Ion

+ PI

ATP

146

8. Oxidativer Endabbau und ATP-Synthese

8.6 Aufgaben a) Beschreiben Sie mit Hilfe einer Gleichung die Herkunft der freien Energie, i\G', welche eine membrangebundene ATP-Synthese ermiiglicht. b) Formulieren Sie die Dehydrierung des "aktiven" Acetaldehyds (Co-Enzym abkiirzen) und die anschlieBende Bildung von Acetyl-CoA. c) Formulieren Sie die Reaktion der Citrat-Synthase. d) Beschreiben Sie den Reaktionsweg einer Substratkettenphosphorylierung, ausgehend vom Succinyl-CoA. f) Nennen Sie drei wichtige Modulatoren, der Isocitrat-Dehydrogenase. g) Formulieren Sie die beiden Reaktionen, welche fiir den Glyoxylat-Cyc1us charakteristisch sind. h) Welche Redoxschritte der Atmungskette kiinnen an eine ATP-Synthese gekoppelt werden? i) Durch welchen Effekt wurde schon friih erkannt, daB an der Photosynthese der griinen Pflanzen mehr als ein Photosystem beteiligt ist?

9. Lipide uDd ihr Stoffwechsel

9.1 Zur Chemie der Lipide Die Lipide unterteilt man meist in die eigentlichen Fette (Neutralfette, Wachse) und die Lipoide (Phospholipide, Glycolipide, Steroide und Carotinoide). Die Neutralfette oder Triglyceride (Triester des Glycerins) haben den in Abb. 9.1 dargestellten Bau. Die Mono- bzw. Diester des Glycerins bezeichnet man analog als Mono- bzw. Diglyceride. Die Carbonsiiuren R 1 - COOH und R 3- COOH sind in der Regel Palmitinsiiure: CH3-(CH2)'4-COOH oder Stearinsiiure: CH3-(CH2)'6-COOH; die Carbonsiiure R2-COOH ist dagegen hiiufig eine ungesiittigte Fettsiiure (s. Tab. 9.1). Siiugetiere haben keine L'l'2_ und L'l15-Fettsiiuredesaturasen. Sie konnen nur in den Positionen L'l4, L'l5, L'l6 und L'l9 cis-Doppelbindungen einfiigen. 1m Siiugetierorganismus kann daher u. a. auch Olsiiure nicht zu Linolsiiure dehydriert werden (essentielle Fettsiiure, Vorkommen in pflanzlichen Olen). Durch Einfiihren weiterer Doppelbindungen (zum Teil unter Kettenverliingerung) kann der Siiugetierorganismus hieraus jedoch hoher ungesiittigte Fettsiiuren aufbauen. (Zur Bildung der Arachidonsiiure und der Prostaglandine s. S. 157.) Auf die Besonderheiten des Fettstoffwechsels in anderen Organismen kann hier nur am Rande hingewiesen werden.

oセ@ R1/C-O-CIH,

oセ@

*

I

R 2/ C'- O- CH

oセ@

C-O CH,

R3/

Abb. 9,1. Struktur eines Triglycerids.

Die Reste R I , R2 und R3 sind Fettsaure-Ketten. Einige natiirlich vorkommende Fettsauren sind in Tab. 9.1 zusammengefaBt

Tab.9.1. Einige natiirlich vorkommende Fettsauren

Zahl der C-Atome 12 14 16 18 20 24 16 18 18 18 20 a

Doppel-

Struktur

Trivialname

CH,(CH,),oCOOH CH, (CH,) 12COOH CH, (CH,) 14COOH CH, (CH ,) "COOH CH,(CH')'8COOH CH,(CH,)"COOH CH,(CH,)sCH=CH(CH,),COOH CH,(CH,),CH=CH(CH,),COOH CH,(CH')4CH =CHCH,CH=CH(CH,),COOH CH,(CH 2)CH=CHCH 2CH=CHCH 2CH=CH(CH,),COOH CH,(CH2)4CH=CHCH,CH=CHCH2CH=CHCH2CH=CH(CH2),COOH

Laurinsaure Myristinsaure Palmitinsaurc Stearinsaure Arachinsaure Lignocerinsaure Palmitoleinsaure Olsaure Linolsaure x-Linolensaure a Arachidonsaure

bindungen

/1,,9 /1,,9 ,19,12 1\9,12,15 ,15,8,11.14

Kann von Saugetieren im Gegensatz zur y-Linolensaure (,16.9,12) nicht aus Linolsaure gebildet werden.

In den meisten natiirlich vorkommenden Fettsiiuren liegen die Doppelbindungen isoliert in der cis-Form vor. Sind in einem Triglycerid die Carbonsiiuren R ,_ COOH und R 3 - COOH verschieden, so ist das P-C-Atom (C-Atom 2) des Glycerins asymmetrisch substituiert (optische Aktivitiit), Wachse sind Ester einwertiger langkettiger Alkohole mit hoheren Fettsauren, Wichtige Vertreter der Lipoide sind die Phospho lipide und unter diesen wiederurn die Phosphatide. Bei ihnen ist das mittlere C-Atom des Glycerins immer asymmet-

44,2 53,9 63,1 69,6 76,5 86,0 - 0,5 13,4

-

5

-11 - 49,5

148

a

9. Lipide und ihr StofTwechsel

I '

b oセ@

COO ᄋセHchLI@

·NH

9



9 Hl 9 o

r

9Hl ?

I

(Ethanolamin)

R'/C - O- CI H,

NH'- 9 H

Hl

H2

I

(Cholin)

oセ@

= Fettsaurereste, } R" (rneist ungesattigt)

Ru/c-o-rl *

(Serin)

R = alkoholische Komponente

H,C-O-® - R Ein Phosphatidyl - alkohol

OH H OH

I

9H,-?-?H ? H?

OH 0

I

(Inositol)

セ@

(Glycerin) (in Cardiolipin 1,3- Bisphosphatidylglycerin)

Abb. 9.2 •. Wichtige .Ikoholische Komponenten der Phosphatide. Saurereste in Tab. 9.1 ; b zur Struktur der Phosphatide. R" is! haufig ungcsiittigt

risch substituiert (Abb. 9.2). Wichtige alkoholische Komponenten der Phosphatide sind in Abb. 9.2 zusammengefal3t. Weitere Phospholipide sind die Plasmalogene. 1m Gegensatz zu den Phosphatiden tragt bei ihnen die Hydroxylgruppe am C-Atom 1 des Glycerins nicht einen Saurerest, sondern einen langkettigen Aldehyd, der als Enol iiber eine Ether-Briicke mit Glycerin verkniipft ist. Eine weitere Hauptgruppe der Lipide leitet sich nicht yom Glycerin, sondern Yom ungesattigten Aminoalkohol Sphingosin ab (Abb. 9.3a) . Wird Sphingosin an der Aminogruppe durch eine hohere Fettsaure acyliert, so erhalt man ein Ceramid (Abb. 9.3). Tragt die der Amidogruppe benachbarte primare Hydroxylgruppe des Ceramids (Sphingosyl-Rests) iiber eine PhosphatBriicke analog zu den Phosphatiden einen Aminoalkohol (z. B. Cholin), so bezeichnet man dieses Derivat als Sphingomyelin (Abb. 9.3a); es ist gleichfalls ein Phospholipid oder Phospholipoid. Die primare Hydroxylgruppe des Sphingosins im Ceramid kann aber auch glycosidisch mit einem Zucker verkniipft sein. 1st AcyJres t (Slc.roylresl)

Sphingos,n

a R = H : N-Stearoyl-sphingosin , Ceramid R =®-O- CH,- CH,-N"'( -CH,),: ein Sphingomyelin (phospholipid) b

Abb, 9,3. Struktur der Sphingolipide und ihrer Grundkorper; a Sphingosin, ein Ceramid und ein Sphingomyelin; b p-Galactosyl-ceramid, ein Cerebrosid

R=

hセ@ セ@

セ M g。ャ」ッウケ

OH



cemmid, ein Cerebrosid (Glycolipid)

149

9.2 AIIgemeines zur Biochemie der Lipide

dieser Zucker ein Monosaccharid, so nennt man das erhaltene Glycolipid ein Cerebrosid (Abb. 9.3b). Statt mit einem Monosaccharid kann die genannte Hydroxylgruppe jedoch auch mit einem Oligosaccharid verkniipft sein. Diese Oligosaccharid-Derivate stellen eine weitere Gruppe von Glycolipiden dar, zu denen die Ganglioside ziihlen. Sie kommen im Gehirn in hoherer Konzentration vor. Zusammenfassend kann man die Lipide, die statt Glycerin Sphingosin als alkoholische Komponente enthalten, auch als Sphingolipide bezeichnen. Ais weitere Lipide miissen noch zwei Gruppen von Isoprenoidlipiden hier erwiihnt werden: die Steroide und die Carotinoide. Entsprechende Vertreter wurden im Cholesterin (s. Abb. 6.39) und p-Carotin (s. Abb. 6.37) bereits vorgestellt.

Hingewiesen werden soil bier auch anf die in den Membranen der Archaebakterien vorkommenden isoprenoiden Di- und Tetraether. Bei den Diethern handelt es sich um Diphytanylglycerindiether, bei den Tetraethern urn die ganze Membran durchspannende (doppeJkopfige) Dibiphytanylglycerintetraether (Erhohung der Membranstabilitat). Diese Lipide iibernehmen in den Membranen der Archaebakterien die Funktion der Phospholipide der iibrigen zwei Reiche (Eukaryoten nnd Eubakterien, s. S. 5).

9.2 Allgemeines zur Biochemie der Lipide Lipide spielen eine wesentliche Rolle aIs Membranbestandteile (s. Abschn.2.2). Insbesondere die Neutralfette sind auBerdem wichtige Reservestoffe (besonders als Langzeitdepots) und Nahrungsmittel. Verseift werden die Nahrungsfette vor aHem im Diinndarm durch die Pankreaslipase (Neutralfette) und die Phospholipasen (Phosphatide) nach Emulgation mit Hilfe der Gallensiiure (gebildet in der Leber aus Cholesterin durch partielle Oxidation der Seitenkette zur Carbonsiiure und Hydroxylierung des Steroidskeletts). Die Pankreaslipase spaltet iiberwiegend die Esterbindungen am C-Atom 1 und 3 eines Neutralfettes (Abb. 9.4). 2-Monoacylglycerin wird entweder wie freie Fettsiiuren von der Darmschleimhaut direkt resorbiert, oder es wird durch eine spezifische 2-MonoacylglycerinLipase in Glycerin und Fettsiiure gespalten, die anschliel3end resorbiert werden. Freie Fettsiiuren sind, wie auch Monoglyceride, in hoheren Konzentrationen toxisch flir die Zelle. Daher erfolgt bereits in der Darmschleimhaut die Resynthese der Triglyceride aus ihren Spaltprodukten (Abschn. 9.4.2). Anschliel3end werden die Neutralfette zusammen mit Phosphatiden und sehr wenig Protein als tropfchenfiirmige Chylomikronen oder lipidreiche Lipoproteine zuniichst in das Iymphatische System, dann iiber den Ductus thoracicus in die Blutbahn gebracht. Hauptorgan des Lipidstoffwechsels ist die Leber. Der weitere Lipidtransport von Organ zu Organ erfolgt weiterhin iiber den Blutkreislauf nach Bindung an spezielle Proteine. Der Lipidtransport in Gestalt von Lipoproteinen ist teilweise sehr gut

Fettsauren

Synthese (im Cytosol)

セ@

II II セ@

0'.'- (NAO'I

A .. ·T A .. ·T

G.. ·c

G.. ·

C.. ·G

C· .. G

T .. ·A

3'

T .. ·A 5'

(el

3'

5' (dl

Abb. 11.24. Reparatur eines Strahlenschadens in der DNA (stark vereinfacht). a: Durch UVBestrahlung, Z. B., ist es zur Bildung von Thyrnindimeren (T = T) auf einen Teilstrang gekommen (willkiirliche Sequenzen). a .... b: Eine Endonuclease spaItet im Bereich der Thymin-Dimeren den hetreffenden Teilstrang so, daB die Schadenstelle am 5'-Ende des Ketteneinschnitts liegt. b _ c :Eine ReparaturDNA-Polymerase ersetzt vom neuen 3'-Ende her die Nucleotide im Bereich der Schadenstelle. Zugleich schneidet die DNA-Polymerase (die auch Exonuclease-Aktivitat besitzt) die Nucleotide im Bereich der Schadenstelle vom neuen 5'-Ende her heraus. c .... d: Eine Ligase verkniipft die noch freien Enden des Ketteneinschnitts

11. Nucleinsiiuren und Proteinbiosynthese

196

5' ...

5' 3'

セ@

3'

......セ@

5' 3' 5' 3'

+

Abb,l1,25, Darstellung der Beteiligung der einzelnen Enzyme an der DNA-Replikation (schematische Replikationsgabel) bei E, coli, Einzelheiten sind im Text beschrieben

3' 5'

3' 5'

3' 5' 3' 5'

Elterndoppelstrang

Replikationsgabel

Zwei identische Tochterdoppelstrange

\l

Helicase

セ@

tetrameres Einzelstrangbindendes Protein

0--

Primase mit Primer

cvv

Polymerase III



Ligase

Polymerase I

bei der Verdauung. In der Regel zerlegen Endonucleasen analog zu den Endopeptidasen die Nucleotidkette zunaehst in kleinere Fragrnente, die dann dureh spezifisehe Exonucleasen vom 3'- oder 5'-Ende her abgebaut werden. Je naeh der Spezifitat der Nuclease erfolgt die Spaltung der Phosphodiester-Bindung dabei entweder so, daB der Phosphat-Rest an der 3'-OH-Gruppe der einen oder an der 5' -OH-Gruppe des benaehbarten Nucleotids verbleibt (Freisetzung von Nucleosid-3' - oder Nucleosid-5' -phosphat). Der laboratoriumsmaBige Einsatz von Nucleasen ist von groBer Bedeutung fUr die Ermittlung von Nucleotid-Sequenzen in Polynucleotidketten. Die Bestimmung von Nucleotid-Sequenzen verlauf! im Prinzip analog zur Bestimmung von Aminosaure-Sequenzen in Polypeptiden (s. Abschn. 3.2.4).

11.3,2 Biosynthese und Abbau der RNA Ribonucleinsauren sind vielfiiltig an der Proteinbiosynthese beteiligt. Da diese Funktionen gesondert besprochen werden (Absehn.ll.4), soli hier nur auf den Stoffweehsel der RNA eingegangen werden. Die Biosynthese der RNA erfolgt nach den gleiehen Grundsatzen wie die Biosynthese der DNA. DNA stellt somit die Informationsquelle fUr die Nucleotid-Sequenzen der RNA dar. Es wird jedoch meist nur die Nucleotid-Sequenz eines Absehnitts der DNA (des sog. eodogenen Stranges) in die komplementare Sequenz des neusynthetisierten RNA-Stranges umgeschrieben (transkribiert). Das fUr die Katalyse dieses Prozesses maBgebende Enzymsystem wird deshalb auch Transcriptase genannt. Besser ist jedoeh wegen der Analogie zur DNA-Polymerase ("Replicase") die Bezeichnung RNA-Polymerase. 1m Zellkem der Eukaryoten findet man 3 RNA-Polymerasen. Polymerase I (in den Nucleoli) transkribiert die Gene der 18-S-, 5,8-S- und 28-S-rRNA, Polymerase II (Nucleoplasma) die der mRNA-Vorlaufer sowie hnRNA und Poly-

11.3 Funktion, Biosynthese und Abbau def Nucleinsauren

197

merase III (Nucleoplasma) die der tRNA und 5-S-rRNA. In Prokaryoten werden aile Ribonucleinsauren von einer RNA-Polymerase synthetisiert. Diese DNA-abhangigen RNA-Polymerasen haben einen komplizierten Aufbau. Eine gut untersuchte RNA-Polymerase aus Escherichia coli hat beispielsweise eine reI. Molekiilmasse von etwa 490000 und setzt sich aus vier Vntereinheiten (11.2' p, p', u) zusammen. Die u-V ntereinheit erkennt Initiationsstellen (promotoren) fiir die Transkription auf der DNA und dissoziiert, nachdem sie die RNA-Synthese gestartet hat, vom Core-Enzym (rx2,P,P') abo Wie die DNA-abhangigen RNAPolymerasen den codogenen DNA-Strang erkennen, ist noch nicht geklart. Wahrend der Transkription des Gens bleibt die Doppelhelix-Struktur des betreffenden Abschnitts insgesamt erhalten. Man muB sich vorstellen, daB die RNAPolymerase wiihrend der Synthese eines RNA-Stranges in einer sog. Transkriptionsblase an der DNA entlang wandert und dabei die Doppelhelix-Struktur voriibergehend auflockert. Die RNA-Polymerase entwindet ein kurzes DNA-Stiick (ungefahr 17 Basenpaare) und verwendet den codogenen Einzelstrang als Matrize. Der molekulare Mechanismus der Bildung der 5',3' -Phosphodiester der Polynucleotidkette ist analog zur Biosynthese der DNA. Die Bruttogleichung der RNA-Synthese durch die RNA-Polymerase lautet daher wie folgt: n,ATP n,GTP

DNA-Matrize Mg2+

n3 CTP

RNA-Polymerase

,

n.UTP Wie bei der DNA-Replikation beginnt die Synthese der RNA-Kette mit der Anlagerung des Nucleosidtriphosphats des spateren 5'-Endes an das komplementare Nucleotid am 3'-Ende im Gen-Abschnitt des codogenen Stranges. RNAKetten konnen ohne Primer aufgebaut werden. Die Kette wird durch Bildung eines Phosphodiesters mit der freien 3'-OH-Gruppe des jeweils terminalen Nucleotids verlangert (s. auch Abb.l1.22). Das 5'-Ende beginnt entweder mit pppG oder pppA. Am Stopsignal des transkribierten Genes dissoziiert die neusynthetisierte RNA, die mit dem Matrizenstrang eine Hybridhelix (etwa 12 Basenpaare) gebildet hat, von der DNA und dem Enzym ab, die DNA-Doppelhelix findet wieder zusammen, die Transkriptionsblase wird geschlossen. Die Termination erfolgt meist nach Ausbildung spezieller Strukturen (Haarnadelschleifenbildung) oder durch die Beteiligung spezieller Proteine, die die RNA-DNA-Hybridhelix zerstoren. Die mRNA wird in Prokaryoten unverandert translatiert, wogegen die tRNA und rRNA erst durch Modifizierung und selektive Spaltung in ihre aktive Form iiberfiihrt werden. In Zellen von Eukaryoten werden meist mRNA-Vorlaufer gebildet, die an ihrem 5'-Ende eine Cap-Struktur (5'-Ester mit einem Guanosin-5'triphosphat-Rest, dessen N' Stickstoffmethyliert ist) und bis aufwenige Ausnahmen an ihrem 3'-Ende einen Poly (A)-Schwanz tragen. Die im Transkript noch enthaltenen Introns (nicht kodierender Gen-Bereiche) werden dUfch SpleiBosomen (aus kleinen Kern-Ribonucleoproteinen) oder zum Teil durch sich selbst spleiBende RNA (z. B. 26-S-rRNA aus Tetrahymena) herausgeschnitten. SpleiBstellen werden durch bestimmte Sequenzen am Intronende bzw. durch Verzweigungen am 3'-Ende erkannt (Abb. 11.26). Viele RNA-Viren und RNA-Phagen bewirken in den Wirtszellen meist die BiIdung von RNA-Replicasen (RNA-abhangige RNA-Polymerasen), mit denen sie unmittelbar, d. h. ohne intermediare Synthese von DNA, die fiir die Biosynthese bestimmter Proteine (z.B. Hiillenproteine) benotigte mRNA bilden. Diese RNA-

11. Nucleinsiluren und Proteinbiosynthese

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Transkription

Abb.l1.16. Prozessieren von mRNA im Zellkern von Eukaryoten. a Das mRNA-Gen des Genoms (schematische Darstellung des codogenen Stranges mit Exon- und Intronabschnitten, die a1s BlOcke bzw. Linien gezeichnet sind; Exon- und Intronabschnitte unterscheiden sich tatsiichlieh nieht hinsichtlich der Durchmesser der Strange); b Transkriptionsblase wiihrend der RNA-Polymerase-Reaktion; c primiires Transkript, das anschIieBend am 5'-Ende die Cap-Gruppierung (7-MethylGuanylsiiure, die anhydridisch iiber eine Triphosphatbriicke mit dem S'-Ende der RNA verkniipft ist; teilweise auch Methylierung der folgenden ein bis zwei Ribosereste in 2') und am 3'-Ende den Polyadenylsiiure-Schwanz erbait; d durch SpleiBen werden die Introns (nicht-codierende Sequenzen) herausgeschnitten, wobei intermediiir Strukturen analog zur " Kleeblattstruktur" der tRNA entstehen; e prozessierte mRNA, die anschliellend in das Cytosol transportiert wird

mRNA-Gen

s

n_

セ@

ュWgpーセa@

セ@ Exon

Intron

(n+ I)

HセR@

+ Pi ) Gppp + セ。ォエゥカ・ウ@

セ@

S

ーセ@ primares Transkript Methyl"

!

JSPleiBen

Introns------

m' Gppp

IL-_____----'i'>Hv

Replicasen sind spezifisch fiir die Virus-eigene RNA. Dagegen mussen andere RNA-Viren (z. B. die Erreger verschiedener Tumorformen) zur Replikation ihrer chromosomalen RNA zuniichst eine komplementiire DNA mit Hilfe von "reversen" Transcriptasen (RNA-abhiingige DNA-Polymerasen, s. auch Abb.l1.1) aufbauen. Diese DNA dient dann auch als Matrize fiir die Synthese der mRNA durch eine DNA-abhiingige RNA-Polymerase. Den Abbau von RNA besorgen analog zum Abbau von DNA spezifische Ribonucleasen. Daneben gibt es in Bakterien noch Polynucleotid-Phosphorylasen, die RNA auch phosphorolytisch zu Nucleosid-5'-diphosphaten spalten konnen. Diese Spaltungsreaktion ist reversibel und gestattet in vitro bei hohen Nucleosid-diphosphat-Konzentrationen auch den enzymatischen Aufbau von Polynucleotiden. Da diese Synthese ohne Informationsquelle verliiuft, entspricht die Nucleotid-Sequenz der statistischen Zusammensetzung der Ausgangsnucleotid-diphosphate. Der Einsatz von Polynucleotid-Phosphorylase erlaubte in den 50iger Jahren erstmals die Laboratoriumssynthese von langkettiger RNA zur Verwendung als mRNA. Diese RNA-Synthese war in den Anfangen der Aufkliirung der Proteinbiosynthese von groBer Bedeutung. Die Bruttogleichung der Polynucleotid-Phosphorylase-Reaktion fUr einen (reversiblen) Spaltungsschritt lautet: (Nucleosidphosphat)n

+ Pi =