Bühnenbildnerinnen: Eine Geschlechterperspektive auf Geschichte und Praxis der Bühnenbildkunst [1. Aufl.] 9783839423141

Bühnenbildnerinnen stehen in dieser Studie erstmals im Mittelpunkt einer Analyse. Bettina Behr würdigt ihre Geschichte i

208 30 1MB

German Pages 330 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
VORWORT UND DANK
1 EINLEITUNG
1.1 Ausgangssituation
1.2 Eigene Positionierung, Thema, Fokus
1.3 Erkenntnisinteresse, Ziele der Studie
1.4 Forschungsdesign, Methoden
1.5 Aufbau der Arbeit, Überblick
2 VOM BÜHNENMALE ZUR BÜHNENRAUMGESTALTUNG
2.1 Entwicklung der Bühnenraumgestaltung in Europa
2.2 Frauen in den Kulturwissenschaften und im Theater
2.3 Bühnen- und Kostümbildnerinnen Bühnenraumgestalterinnen
3 BÜHNENBILDNERINNEN BÜHNENRAUMGESTALTERINNEN
3.1 Exkurs: Die Pionierinnen in Russland
3.1.1 Natalia Gonarova (1881–1962)
3.1.2 Alexandra Exter (1882–1949)
3.1.3 Ljubov Popova (1889–1924)
3.1.4 Varvara Stepanova (1894–1958)
3.2 Bauhaus-Künstlerinnen als Bühnenbildnerinnen
3.2.1 Ilse Fehling (1896–1982)
3.2.2 Friedl Dicker (1898–1944)
3.3 Bühnenbildnerinnen nach 1945
3.3.1 Ita Maximowna (1914–1988)
3.3.2 Hanna Jordan (*1921)
3.4 Bühnenbildnerinnen ab den 1980er Jahren
3.4.1 Xenia Hausner (*1951)
3.4.2 rosalie (*1953)
3.5 Bühnenbildnerinnen der Gegenwart
3.5.1 Anna Viebrock (*1951)
3.5.2 Penelope Wehrli (*1957)
3.5.3 Katrin Brack (*1958)
3.5.4 Muriel Gerstner (*1962)
4 DAS STUDIUM BÜHNENGESTALTUNG
4.1 Überblick: Studienorte und Professuren
4.2 Frauen an den Kunsthochschulen in Österreich
4.3 Studierende und AbsolventInnen
4.4 Das Studium Bühnengestaltun an der Kunstuniversität Graz
4.5 Die quantitative Erhebung
4.5.1 Fragestellungen, Hypothesen und Zielsetzung
4.5.2 Datenquellen und Untersuchungsmethoden
4.5.3 Auswertung und Ergebnisse der quantitativen Untersuchung
4.5.4 Die Trendwende und mögliche Gründe
4.5.5 Fazit zur quantitativen Untersuchung
5 BERUF BÜHNENBILDNERIN
5.1 Das Theater und die Kuns als Erwerbsmöglichkeiten für Frauen
5.2 Die qualitative Erhebung
5.2.1 Fragestellungen und Zielsetzung
5.2.2 Theoretische Grundlagen, Methode und Durchführung
5.2.3 Auswertung und Ergebnisse der qualitativen Untersuchung
5.2.4 Fazit zur qualitativen Untersuchung
6 RESÜMEE
LITERATUR UND QUELLEN
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ANHANG
I Interview-Leitfaden
II Index: Bühnen- und Kostümbildnerinnen Bühnenraumgestalterinnen
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Bühnenbildnerinnen: Eine Geschlechterperspektive auf Geschichte und Praxis der Bühnenbildkunst [1. Aufl.]
 9783839423141

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Bettina Behr Bühnenbildnerinnen

Gender Studies

Bettina Behr (Mag. art, Dr. phil.) entwickelt und leitet seit mehr als zwanzig Jahren kulturelle und soziale Projekte mit den Schwerpunkten feministische Geschichte, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit sowie arbeitsmarktpolitische Innovationen.

Bettina Behr

Bühnenbildnerinnen Eine Geschlechterperspektive auf Geschichte und Praxis der Bühnenbildkunst

Gedruckt mit Unterstützung durch die Österreichische Forschungsgemeinschaft. Gefördert von

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Szenenbild von »Büchner / Leipzig / Revolte«, Bühne: Katrin Brack. Centraltheater Leipzig, 2009. Foto: Emanuel Schulze Satz: Bettina Behr Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2314-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt V ORWORT UND DANK | 9 1

E INLEITUNG | 13 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

2

V OM B ÜHNENMALER ZUR B ÜHNENRAUMGESTALTUNG | 33 2.1 2.2 2.3

3

Ausgangssituation | 13 Eigene Positionierung, Thema, Fokus | 17 Erkenntnisinteresse, Ziele der Studie | 19 Forschungsdesign, Methoden | 23 Aufbau der Arbeit, Überblick | 25

Entwicklung der Bühnenraumgestaltung in Europa | 33 Frauen in den Kulturwissenschaften und im Theater | 59 Bühnen- und Kostümbildnerinnen, Bühnenraumgestalterinnen | 72

BÜHNENBILDNERINNEN, BÜHNENRAUMGESTALTERINNEN | 87 3.1

3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2

3.2.1 3.2.2

Exkurs: Die Pionierinnen in Russland | 89 Natalia Gonþarova (1881–1962) | 92 Alexandra Exter (1882–1949) | 94 Ljubov Popova (1889–1924) | 97 Varvara Stepanova (1894–1958) | 99 Bauhaus-Künstlerinnen als Bühnenbildnerinnen | 101 Ilse Fehling (1896–1982) | 104 Friedl Dicker (1898–1944) | 108

3.3

3.3.1 3.3.2 3.4

3.4.1 3.4.2 3.5

3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4

4

DAS STUDIUM BÜHNENGESTALTUNG | 147 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5

5

Überblick: Studienorte und Professuren | 148 Frauen an den Kunsthochschulen in Österreich | 157 Studierende und AbsolventInnen | 160 Das Studium Bühnengestaltung an der Kunstuniversität Graz | 162 Die quantitative Erhebung | 171 Fragestellungen, Hypothesen und Zielsetzung | 171 Datenquellen und Untersuchungsmethoden | 172 Auswertung und Ergebnisse der quantitativen Untersuchung | 176 Die Trendwende und mögliche Gründe | 192 Fazit zur quantitativen Untersuchung | 198

BERUF BÜHNENBILDNER I N | 201 5.1 5.2

5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4

6

Bühnenbildnerinnen nach 1945 | 110 Ita Maximowna (1914–1988) | 111 Hanna Jordan (*1921) | 114 Bühnenbildnerinnen ab den 1980er Jahren | 119 Xenia Hausner (*1951) | 121 rosalie (*1953) | 123 Bühnenbildnerinnen der Gegenwart | 129 Anna Viebrock (*1951) | 129 Penelope Wehrli (*1957) | 135 Katrin Brack (*1958) | 138 Muriel Gerstner (*1962) | 143

Das Theater und die Kunst als Erwerbsmöglichkeiten für Frauen | 202 Die qualitative Erhebung | 213 Fragestellungen und Zielsetzung | 213

Theoretische Grundlagen, Methode und Durchführung | 213 Auswertung und Ergebnisse der qualitativen Untersuchung | 222 Fazit zur qualitativen Untersuchung | 258

RESÜMEE | 263

LITERATUR UND Q UELLEN | 283

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS | 315 TABELLENVERZEICHNIS | 317 ANHANG | 319 I II

Interview-Leitfaden | 319 Index: Bühnen- und Kostümbildnerinnen, Bühnenraumgestalterinnen | 321

Vorwort und Dank

Eine (junge) Frau, sie blickt nachdenklich, skeptisch? Ihr Bild im Mittelpunkt dominiert, erscheint in grau, in schwarz und weiß; Bäume, ein Auto, ein schwarzer Rand. Goldfarbene Glitzergirlanden im Hintergrund, Menschen sind zu erkennen. Die visionäre Präsenz der Frau – sie scheint ernst, doch entschlossen in die Vergangenheit, in die Gegenwart, in die Zukunft zu blicken – kann irritierend wirken. Dennoch und deswegen soll dieses Bild zu näherer Auseinandersetzung mit dem Thema Bühnenbildnerinnen, ihrer Geschichte, ihrer Verortung in der Theaterwissenschaft und zu der Frage, was es heißt, sich als Frau in einem bisher männerdominierten Beruf durchsetzen zu wollen, einladen. Das Coverbild zeigt ein Szenenbild der Bühnengestaltung von Katrin Brack zur Inszenierung „Büchner / Leipzig / Revolte“ (2009). Katrin Brack ist eine der in dieser Arbeit vorgestellten Bühnenbildnerinnen, deren Ausstattungen ich wegen ihrer Qualität, Haltungen, Zustände und Visionen auf den Punkt zu bringen, schätze. Das Coverbild illustriert Themen, die ich in meiner Dissertation erforsche; wie die Genderperspektive, die gegenwärtig noch eine vor allem weibliche Perspektive zu sein scheint. Das Bild der Frau – zu sehen ist die Schauspielerin Henriette von Kuick – ist eine Videoeinspielung; auf dem ersten Blick ist nicht erkennbar, ob sie in die Szene eingefügt oder Teil des Bühnenbildes ist. Ähnlich ist es mit der Geschlechterperspektive: ist sie eingefügt/montiert oder ist sie Bestandteil der Inszenierung, die wir Wissenschaft, Arbeit, Leben, ... nennen? Anlässlich der Veröffentlichung der Studie „Berufsfeld Architektur 1.0“1 im Jahr 2008 stellte ich eine Analogie zur Situation von Bühnenbildnerinnen fest: Trotz steigender Zahl von akademisch ausgebildeten Frauen in diesen Studienfächern hatte auch ich die Wahrnehmung, dass die Berufe BühnenbildnerIn und

1

Vgl. Helene Schiffbänker/Florian Holzinger (2008): Architektur als Teil der Kreativwirtschaft; Beschäftigung und Lebenssituation. In: Oliver Schürer/Helmut Gollner (Hg.): Berufsfeld Architektur 1.0, Wien, S. 8-17, hier: S. 14-15.

10 | B ÜHNENBILDNERINNEN

ArchitektIn nach wie vor männlich dominiert sind. Als Absolventin der Studienrichtung Bühnenbild an der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Graz im Jahr 1987 und nach weiteren Ausbildungen und langjähriger Berufserfahrung als Projektinitiatorin und -leiterin im kulturellen und sozialen Feld bin ich fast täglich damit konfrontiert, dass auch gut ausgebildete, hoch motivierte Frauen in Österreich noch immer auf große Schwierigkeiten stoßen, ihre Berufswünsche zu realisieren. Mein Interesse war zu untersuchen, ob meine oben genannte Wahrnehmung belegbar ist, und falls ja, welche Gründe für diese Diskrepanz, für den GenderGap, diesen in Bezug auf Frauen und Männer deutlich sichtbaren Unterschied zwischen Ausbildung und Berufsausübung nachgewiesen werden können. Das Ziel war, mit dieser Arbeit die Erkenntnisse aus dem Studium mit den Erfahrungen meiner Berufstätigkeit, aktuell als Projektleiterin im arbeitsmarktpolitischen Bereich, mit meinem Interesse an feministischer Forschung und Praxis in der Theater-, Kultur- und Bildungswissenschaft zu verbinden. Um diese Studie, meine Dissertation, verwirklichen zu können, war die Begleitung und Förderung vieler Menschen wesentlich. Wie jede umfassendere Arbeit brauchte es auch hier UnterstützerInnen, die die Realisierung einer Idee ermöglichen. Ich danke der Kunstuniversität Graz und Doris Carstensen, Vizerektorin von 2007 bis 2011, für die Verleihung des Genderpreises 2009 für meine Studie; Ursula Kubes-Hofmann, Direktorin des Rosa-Mayreder-College Wien und Pionierin der feministischen Bildung in Österreich, für die Schärfung meines feministischen Bewusstseins; meinen Eltern Anna Liese und Georg Ruckli für die kontinuierliche Bestärkung meiner Integrität und besonders meiner Mutter für ihr Vorbild, Gerechtigkeit leben zu wollen; Beatrix Ruckli, meiner Schwester, für ihr DabeiSein und für ihre Anregungen zum Entstehen, Werden und Fertigstellen der Dissertation; Sabina Pinsker, Stellvertretende Institutsleiterin der Bühnengestaltung, Helga Kaudel, Leiterin des Archivs, sowie den MitarbeiterInnen der Studienabteilung – alle: Kunstuniversität Graz – für ihre hilfreichen Beiträge zu meinen Recherchen; Emanuel Schulze für die zur Verfügung-Stellung des Coverbildes; für die zum Zeitpunkt der Erstellung meiner Dissertation nahezu kostenfreie Möglichkeit, die (Instituts-)Bibliotheken der Universität Wien und der Universität für angewandte Kunst benützen zu können und deren MitarbeiterInnen für die unkomplizierte Erledigung meiner Anfragen; meinen FreundInnen, meinen Dissertationskolleginnen, besonders Maria Ogris-Bürger, und den Kolleginnen im zb zentrum für beratung, für ihre anregenden Hinweise und ihr Verständnis vor

V ORWORT

UND

D ANK

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allem in den schwierigen Forschungsphasen; Gertraud Pantucek für ihre Freundschaft, ihr Interesse, ihre herzliche und konstruktive Kritik und ihre liebevolle kontinuierliche Unterstützung; besonders meinen Interview-Partnerinnen und -Partnern und weiteren befragten ExpertInnen für ihre Bereitschaft zum MitTeilen ihrer Erfahrungen; Monika Kastner für ihre wertvollen und klärenden Hinweise zur Konkretisierung und Strukturierung, vor allem zum sozial- und bildungswissenschaftlichen Teil der Arbeit; Evelyn Deutsch-Schreiner für ihr Interesse an dieser Studie, ihr Vertrauen, ihre inspirierenden Anregungen zur Präzisierung der Forschungsergebnisse und die ermöglichten Freiräume; dem transcript Verlag und den FördergeberInnen, der Stadt Graz – Wissenschaft und der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, für ihre Beiträge zur Realisierung der Publikation. Bettina Behr Sankt Pölten, April 2013

1 Einleitung Zu bemessen ist gesellschaftliche Disparität vielmehr ebenso an den heutigen Möglichkeiten, sie durch eine Umverteilung des vorhandenen gesellschaftlichen Reichtums zu minimieren. Auch an die soziale Stellung und Behandlung der Geschlechter sind zeitgemäße Ansprüche zu stellen: Sie ergeben sich aus dem Gleichheitsgebot in der geltenden Verfassung, das noch nicht vollständig eingelöst ist, und aus der Forderung nach einer Integration der Frauen in die gegenwärtige Gesellschaft, die keiner Beschränkung unterliegt.1 REGINA BECKER-SCHMIDT/HELGA KRÜGER

1.1 AUSGANGSSITUATION Frauen an den Universitäten und in der Kunst In Österreich gibt es seit 1993 das Bundesgleichbehandlungsgesetz2, das die Gleichbehandlung und Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft, also die gleichwertige Teilhabe an Bildung, Erwerbstätigkeit, Kunst

1

Regina Becker-Schmidt/Helga Krüger (2009): Krisenherde in Sozialgefügen: Asymmetrische Arbeits- und Geschlechterverhältnisse – vernachlässigte Sphären gesellschaftlicher Reproduktion. In: Brigitte Aulenbacher/Angelika Wetterer (Hg.): Arbeit. Perspektiven und Diagnosen der Geschlechterforschung, Münster, S. 12-41, hier: S. 13.

2

BGBl. Nr. 100/1993. Bundes-Gleichbehandlungsgesetz vom 12. Februar 1993.

14 | B ÜHNENBILDNERINNEN

und Kultur, beruflichen und politischen Funktionen, gewährleisten soll. Seit 2002 ist die rechtliche Grundlage für die Gleichstellung von Frauen und Männern an den Universitäten im Universitätsgesetz3 verankert. Dieses Gleichheitsgebot ist, wie auch Regina Becker-Schmidt und Helga Krüger im oben angeführten Zitat feststellen, noch nicht vollständig eingelöst. Seit dem Studienjahr 2004/2005 absolvieren in Österreich mehr Frauen als Männer ein Universitätsstudium.4 Diese hohen Absolventinnenzahlen erfahren jedoch keine adäquate Fortsetzung in der weiteren Forschungslaufbahn oder Berufsausübung. So wird im österreichischen Frauenbericht 2010 festgehalten, dass Doktorandinnen nach wie vor unterrepräsentiert sind (2006/2007: 42,3%), der Frauenanteil an Habilitationen nach Universitäten nur 27,4 Prozent5 und der Anteil von Professorinnen nur 15,8 Prozent beträgt (beruhend auf Daten aus dem Studienjahr 2007/2008).6 3

Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (2009): Universitätsgesetz 2002 vom 1. Januar 2009, Österreichisches Hochschulrecht, Stand: BGBl. I Nr.134/2008, Wien.

4

Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen Dienst im Bundeskanzleramt (Hg.) (2010): Frauenbericht 2010. Bericht betreffend die Situation von Frauen in Österreich im Zeitraum von 1998 bis 2008, Wien, S. 108.

5

BMWF / Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (2008a): Statistisches Taschenbuch 2008, Wien, S. 120.

6

Bundesministerin für Frauen (2010), S. 113. Vgl. auch: BMWF / Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (2008b): Universitätsbericht 2008, 2. Auflage, Wien, S. 263-264. Vgl. zur Situation von Frauen in den Wissenschaften in Österreich u.a.: Birgit Buchinger/Doris Gödl/Ulrike Gschwandtner (2002): Berufskarrieren von Frauen und Männern an Österreichs Universitäten. Eine sozialwissenschaftliche Studie über die Vereinbarkeit von Beruf und Privatem, Wien (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 14, hrsg. vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur); Ingvild Birkhan/Elisabeth Mixa/Susanne Rieser/Sabine Strasser (Hg.) (1999): Innovationen 1. Standpunkte feministischer Forschung und Lehre, Wien (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 9/1, hrsg. vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr); Monika Kastner (2004): Wissenschaft als Beruf? Situation, Aus- und Weiterbildung von Wissenschafterinnen. Frauenförderung und Gender Mainstreaming an den Universitäten, Frankfurt am Main. Zugl. Diss. (2003), Graz; für Deutschland zum Beispiel: Trude Maurer (Hg.) (2010): Der Weg an die Universität. Höhere Frauenstudien vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Göttingen; Ulrike Auga/Claudia Bruns/Levke Harders/Gabriele Jähnert (Hg.) (2010): Das Geschlecht der Wissenschaften. Zur Geschichte von Akademikerinnen im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt, New York.

1 E INLEITUNG

| 15

Bis ins Jahr 2009 stieg der Anteil an Professorinnen leicht auf 18,7 Prozent.7 Künstlerische Universitätsstudien werden bereits seit Mitte der 1990er Jahre in Österreich zu mehr als 50% von Frauen studiert (1995: 50,4 Prozent; 1999: 54,1 Prozent) und abgeschlossen (1995: 54,1 Prozent; 1999: 53,7 Prozent), wobei schon zwischen 1970 und 1990 der Absolventinnen-Anteil an den Kunsthochschulen (ab 1998: Universitäten der Künste) nicht unter 44,4 Prozent (1975) fiel und auf bis zu 48,8 Prozent (1985) anstieg.8 Die Forschungskarrieren von Frauen an den sechs künstlerischen Universitäten verlaufen etwas erfreulicher als im gesamten universitären Bereich. Der Anteil der Professorinnen umfasste 2009 durchschnittlich 33,7 Prozent, im selben Jahr gab es an der Akademie der bildenden Künste Wien mit 51,5 Prozent erstmals knapp etwas mehr Professorinnen als Professoren.9 An der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz umfasste dieser Anteil 41,7 Prozent und an der Universität für angewandte Kunst Wien 32,4 Prozent. An den weiteren drei künstlerischen Universitäten in Österreich (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien,10 Universität Mozarteum Salzburg, Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz11) erreichten die Professorinnen maximal 27,6 Prozent. Schlusslicht in dieser Statistik ist die Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz mit einem Anteil von nur 24 Prozent Professorinnen.12 Damit waren an Österreichs Kunstuniversitäten im Jahr 2009 noch immer zwei Drittel der Professuren von Männern besetzt – trotz des gesetzlichen Auftrags zur Gleichbehandlung bzw. Gleichstellung von Frauen und Männern.13 Aus den oben genannten Zahlen folgt, dass „mit jedem beruflichen Karriereschritt an der Universität der Frauenanteil abnimmt“.14 Dieses Phänomen wird 7

BMWF / Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung / unidata – Datawarehouse Hochschulbereich: Gender Monitoring. Karriereverläufe von Frauen – Universitätsübersicht, Internet-Quelle.

8

BMWV / Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (1999): Hochschulbericht 1999, Band 1, Wien, S. 92.

9

BMWF, unidata, Gender Monitoring, Internet-Quelle.

10 Auch: mdw Wien. 11 Auch: Kunstuniversität Graz, abgekürzt: KUG. 12 BMWF, unidata, Gender Monitoring, Internet-Quelle. Vgl. auch: Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz (Hg.) (2009): Frauen an der KUG 2008, Graz sowie Kunstuniversität Graz/Doris Carstensen (Hg.) (2011): Chancengleichheit an der KUG, Bericht über das Jahr 2009, Graz. 13 BMWF (2009), Universitätsgesetz 2002. 14 BMWF (2008b), S. 263.

16 | B ÜHNENBILDNERINNEN

als leaky pipeline bezeichnet, „durch die viele erfolgversprechende Talente verloren gehen“.15 Anders gesagt bedeutet das, dass nach wie vor mit jedem beruflichen Karriereschritt der Männeranteil an den Universitäten zunimmt. Das gilt auch für die künstlerischen Universitäten, an denen es seit rund 40 Jahren mindestens 40 Prozent Absolventinnen gibt und seit etwa 20 Jahren mehr als die Hälfte der akademisch ausgebildeten AbsolventInnen Frauen sind. Wie ist die Situation bei der Berufsausübung als Künstlerin? Nachdem die Absolventinnen-Zahlen (Erst-Abschlüsse) der Kunstuniversitäten in Österreich, wie oben ausgeführt, seit den 1970er Jahren zumindest 44 Prozent betragen, seit Mitte der 1990er Jahre über 50 Prozent liegen und 2009 durchschnittlich fast 60 Prozent erreichen (zwischen 68,8 Prozent an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und 49,5 Prozent an der KUG – Kunstuniversität Graz),16 wäre anzunehmen, dass sich diese hohen Anteile auch in den Zahlen zur Erwerbstätigkeit als Künstlerin wiederfinden ließen. Doch laut Endbericht der Studie „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“ (2008) beträgt der Anteil von Frauen, die zur Berufsgruppe „KünstlerInnen“ gezählt werden, nur 39 Prozent.17 Susanne Schelepa et al. gehen in ihrer Studie von 16.800 Personen aus, stellen aber fest, dass „keinerlei verlässliche Informationen zur Grundgesamtheit der KünstlerInnen in Österreich bestehen“.18 In der „Kulturnation“19 Österreich werden detaillierte Daten über KünstlerInnen bisher kaum erhoben. Die Ergebnisse der Studie von Schelepa et al. „sind 15 Susanne Baer/Sabine Grenz/Martin Lücke (2007): Editorial. In: Susanne Baer/Sabine Grenz (Hg.): Frauen in den Geisteswissenschaften: Nüchterne Zahlen und inspirierende Vorbilder, Berlin, S. 8-15, hier: S. 13. Baer et al. schildern eine ähnliche Situation für Deutschland mit Fokus auf die Geisteswissenschaften. 16 BMWV (1999), S. 92 sowie BMWF, unidata, Gender Monitoring, Internet-Quelle. An der Kunstuniversität Graz wird die Zahl der Absolventinnen des Studienjahres 2008/09 geringfügig höher (50,67 Prozent) angegeben, vgl. Kunstuniversität Graz/ Carstensen (2011), S. 41. 17 Susanne Schelepa/Petra Wetzel/Gerhard Wohlfahrt, Mitarbeit: Anna Mostetschnig (2008): Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich. Im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. Endbericht, Wien, S. 11. 18 Schelepa et al. (2008), S. 12. 19 Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten: Österreich, Internet-Quelle. Vgl. zum Begriff der Kulturnation: Marion Knapp (2005): Österreichische Kulturpolitik und das Bild der Kulturnation. Kontinuität und Diskontinuität in der Kulturpolitik des Bundes seit 1945, Frankfurt am Main. Zur Bedeutung von Theater für die Bildung einer österreichischen Identität nach 1945 sowie zur Entwicklung des Theaterlandes Österreich vgl. Evelyn Deutsch-Schreiner (2001): Thea-

1 E INLEITUNG

| 17

damit zwar nicht im statistischen Sinn repräsentativ, […] die Ergebnisse aus 1.850 Fragebögen liefern aber im Sinne einer Grundlagenforschung wesentliche Informationen zur sozialen Lage der Kunstschaffenden in Österreich“.20 In der Studie wird festgestellt, dass die Lebens- und Berufschancen von Künstlerinnen im Vergleich zu Künstlern ungleich verteilt sind, dies gelte nach wie vor „gesamtgesellschaftlich und im Kunstbereich ebenso“.21

1.2 E IGENE P OSITIONIERUNG , T HEMA, F OKUS Seit mehr als zwanzig Jahren gestalte ich in meiner Berufspraxis, gemeinsam mit anderen, kulturelle und soziale feministische Räume, sehr oft in Form von Projektarbeit.22 In meinem aktuellen Beruf als Leiterin eines Projektes für „Wiedereinsteigerinnen“ – Frauen nach einer Berufspause, meist der sogenannten Babykarenz, mit denen anhand von Kompetenz-Portfolio-Erstellungen zur Wiederaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit gearbeitet wird – bin ich mit den Konsequenzen der oben genannten gesamtgesellschaftlichen Situation, also den zwischen Frauen und Männern ungleich verteilten Lebens- und Berufschancen, täglich konfrontiert. Die Tatsache, dass auch Projekt-Teilnehmerinnen, die trotz guter Ausbildung und Berufserfahrungen auf große Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche oder dem Erreichen besser bezahlter Stellen stoßen, war unter anderem ein Anlass, mich genauer mit den Gründen dieses Gender-Gap, des deutlich wahrnehmbaren Unterschiedes von Frauen und Männern, hier zwischen Ausbildung und Berufsausübung, zu befassen. Dabei ist mir bewusst, dass die „Beschäftigung mit Unterschieden problematisch ist, weil jede Benennung einer Differenz diese bereits größer erscheinen lässt, als sie ist“.23 Somit geht es auch in dieser Arbeit darum, zu zeigen, dass

ter im „Wiederaufbau“. Zur Kulturpolitik im österreichischen Parteien- und Verbändestaat, Wien. 20 Schelepa et al. (2008), S. 12. 21 Schelepa et al. (2008), S. 164. Siehe auch Kap. 5: Beruf Bühnenbildnerin. 22 Die Projektarbeit ist eine strukturelle Parallele zur Arbeit am Theater, die in den letzten Jahren verstärkt auch eine kollektive Arbeit geworden ist. Vgl. Franziska Schößler/Christine Bähr (2009a): Die Entdeckung der ‚Wirklichkeit‘. Ökonomie, Politik und Soziales im zeitgenössischen Theater. In: Franziska Schößler/Christine Bähr (Hg.) (2009b): Ökonomie im Theater der Gegenwart. Ästhetik, Produktion, Institution, Bielefeld, S. 9-20, hier: S. 11. 23 Eva Novotny (2009): Ermächtigen. Ein Bildungsbuch, Frankfurt am Main, S. 53.

18 | B ÜHNENBILDNERINNEN

einzelne Aspekte für Frauen und Männer unterschiedlich relevant sind und jeweils andere Herausforderungen enthalten.24 Als Absolventin der Studienrichtung Bühnenbild an der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz interessierten mich exemplarisch die Entwicklungen im künstlerischen Bereich und die Situation im Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung, wobei ich grundsätzlich davon ausgehe, dass die wesentlichen Erkenntnisse der feministischen Forschung und der Genderforschung auf alle Bereiche des Lebens anwendbar sind. Zu Beginn meiner Studie stand die Annahme, dass seit rund 25 Jahren mehr Frauen als Männer in diesem Fach ihr Diplom abschließen. Doch wurde nach den ersten Erhebungen im Jahr 2008 deutlich, dass im Beruf selbst Bühnenbildner nach wie vor zahlreicher sind: zum Beispiel von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen, wie es in der Fachliteratur über BühnenbildnerInnen25 dokumentiert ist, und in besser bezahlten und sicheren Stellen wie Professuren an den Universitäten.26 Die Sichtung relevanter Literatur speziell im Hinblick auf Bühnenbildnerinnen zeigte zum einen, dass der Beruf BühnenbildnerIn bisher kaum und die Bühnenbildkunst vorwiegend punktuell in der Theaterwissenschaft beforscht worden sind. Zum anderen widmen sich nur wenige Publikationen dem Werk einzelner Bühnenbildnerinnen und es findet sich bisher keine wissenschaftliche Aufarbeitung, die sich explizit mit Bühnenbildnerinnen, ihrer Geschichte, ihren Arbeiten und ihrer Berufspraxis befasst.

24 Vgl. Novotny (2009), S. 53. 25 Ich verwende im Folgenden das „Binnen-I“, wenn beide Geschlechter gemeint sind, d.h., wenn von einem annähernd gleichen Verhältnis von Frauen und Männern auszugehen ist. In manchen Fällen wähle ich jedoch die „Klammern-Variante“ – zum Beispiel Regisseur(in) –, wenn ich eine Unausgewogenheit im Geschlechterverhältnis verdeutlichen möchte. 26 Die Anzahl (und Gestaltung) von Rezensionen der Werke von Bühnenbildnerinnen auf den Kulturseiten von Print- und Onlinemedien bzw. theaterspezifischer Zeitungen wäre ebenfalls Thema einer eigenen Untersuchung.

1 E INLEITUNG

1.3 E RKENNTNISINTERESSE , Z IELE

DER

| 19

S TUDIE

Bühnenbildnerinnen waren bisher kaum im Mittelpunkt (theater-)wissenschaftlicher Forschung. Daher befasst sich die vorliegende Arbeit erstmals mit Frauen, die diesen Beruf ausgeübt haben oder ausüben, und mit der Entwicklung sowie den Veränderungen des Berufes seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute. Ebenso wird den Gründen nachgegangen, warum Bühnenbildnerinnen bisher kaum für die Theaterwissenschaft interessant waren und warum in einem – im deutschsprachigen Mitteleuropa – einstigen Männerberuf27 seit rund 25 Jahren überwiegend Frauen das Studium Bühnenbild bzw. Bühnengestaltung an den Kunstuniversitäten in Österreich und Deutschland absolvieren. Es wird erforscht, ob diese Veränderung in den AbsolventInnenzahlen des Studiums mittlerweile Auswirkungen hinsichtlich der Geschlechterverteilung im beruflichen Tätigkeitsfeld sowie in der öffentlichen Wahrnehmung des relevanten Theater-Umfeldes zeigt. Im Zentrum der Studie stehen folgende Forschungsfragen: • Wie verlief die historische Entwicklung und Wahrnehmung des Berufes Büh-

nenbildnerIn? Wie ist die gegenwärtige Situation? • Wer waren die ersten Bühnenbildnerinnen? Über welche Bühnenraumgestalte-

rinnen wurde bisher publiziert? Gibt es Veränderungen in der Berufsrolle Bühnenbildnerin? Welche Bühnenbildnerinnen sind gegenwärtig erfolgreich? • Eine Vorannahme zur Arbeit war, dass seit den 1980er Jahren mehrheitlich Frauen Bühnenbild/Bühnengestaltung studieren, im Beruf jedoch überwiegend Männer erfolgreich sind. Die Kriterien für erfolgreich in dieser Arbeit sind und werden untersucht: das Erreichen gut bezahlter und (noch) gesicherter Funktionen wie Professuren an Kunsthochschulen und -universitäten; die öffentliche Anerkennung von Leistungen in Form von Publikationen (über welche BühnenbildnerInnen wurde seit der Entwicklung des Berufes wie, wie oft, in welcher Form, von wem, in der Fachliteratur berichtet bzw. geschrieben?). • Falls die Annahme zutrifft, dass es einen Gender-Gap zwischen Studium und Berufsübung, im künstlerischen Feld/am Theater/bei BühnenbildnerInnen im deutschsprachigen Raum, speziell in Österreich, gibt, welche Gründe können dafür benannt werden?

27 Von einem Männer- bzw. Frauenberuf kann ausgegangen werden, wenn über 80 Prozent der im Beruf Tätigen aus der jeweiligen Geschlechtsgruppe stammen. Vgl. Karl Lenz/Marina Adler (2010): Geschlechterverhältnisse. Einführung in die sozialwissenschaftliche Geschlechterforschung 1, Weinheim und München, S. 205.

20 | B ÜHNENBILDNERINNEN

• Wie verlief die Entwicklung der Studierenden- und AbsolventInnenzahlen im

Studienfach Bühnengestaltung am Beispiel der Kunstuniversität Graz? • Welche Motive und Schlüsselsituationen der Studien- und anschließend Be-

rufswahl von Frauen und Männern im künstlerischen Bereich im Theater – am Beispiel von AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität in Graz – können beschrieben werden? Wurde der Beruf BühnenbildnerIn ergriffen oder nicht? Für beide Fälle: Was waren die Gründe? Für die Herangehensweise an die vorliegende Arbeit war meine feministische Haltung eine wesentliche Grundlage, die bedeutet, Macht- und Herrschaftsverhältnisse hinsichtlich der Unterschiede von Menschen, vor allem von Frauen und Männern,28 kritisch zu hinterfragen. Neueren Positionierungen zu Ungleichheit, Marginalisierung und Privilegierung, die nicht nur Gender,29 sondern auch Klasse, Ethnizität oder Sexualität als „interdependente Kategorien“ verstehen, kann hier nur ansatzweise gefolgt werden.30 Für das in dieser Arbeit bearbeitete 28 Zur Infragestellung der Kategorie Geschlecht bzw. des Konzepts von zwei Geschlechtern vgl. v.a. Judith Butler (1991): Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt am Main sowie Judith Butler (2009): Die Macht der Geschlechternormen, Frankfurt am Main. Vgl. auch die Begriffsklärung und den Hinweis auf die Historizität der Forschungen in Fn. 34, S. 22. 29 Gabriele Dietze/Antje Hornscheidt/Kerstin Palm/Katharina Walgenbach (2007): Einleitung. In: Katharina Walgenbach/Gabriele Dietze/Antje Hornscheidt/Kerstin Palm: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen & Farmington Hills, S. 7-22, hier: S. 16: „Die im Englischen gemachte Unterscheidung zwischen sex (biologischem Geschlecht) und gender (sozialem Geschlecht) ist auch in den deutschsprachigen Gender Studies adaptiert worden und wird bis heute häufig in diesen Begriffsbedeutungen benutzt. Sie wurde aber spätestens seit den 1990er Jahren vom dekonstruktivistischen Feminismus kritisiert, da eine solche Verwendung von ‚sex‘ die Gefahr in sich berge, ein biologisches Geschlecht zu essentialisieren und seine diskursive Verfasstheit zu übersehen“ [Herv. i. Orig.]. Dietze et al. folgend wird der Begriff Gender in Großschreibung (auch hier) verwendet, um die Kritik an einer vergegenständlichten sex-genderDichotomie zu verdeutlichen. 30 Vgl. Dietze et al. (2007), S. 9. Mit diesem Konzept zielen die Autorinnen darauf ab, die Beziehungen von Ungleichheit und Marginalisierung in den Vordergrund zu stellen. Dies geschieht in Abgrenzung zu Konzepten der Intersektionalität, die „sich auf bestimmte Sektionen oder Schnittmengen konzentrier[en] und tendenziell von isolierten Strängen ausgeh[en]“.

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Feld liegen bisher nur wenige Forschungen vor, die überhaupt die Kategorie Geschlecht oder Gender in den Blick nehmen. Weitere Reflexionen über die Bedeutung von Klasse, Ethnizität oder Sexualität am Theater stehen gegenwärtig noch aus. Diese Arbeit zeigt somit den Wissensstand einer Weißen,31 eurozentristischen, privilegierten Sicht auf die Verhältnisse am Theater, wobei gleichzeitig versucht wird, diese Situiertheit des Wissens im Forschungsprozess gegenwärtig zu halten. Das bedeutet: „Eine Perspektive, welche die Situiertheit von Wissen herausstellt, distanziert sich zum einen von der Universalisierung des eigenen Standpunkts und zieht zum anderen die Möglichkeit in Betracht, aufgrund eigener Privilegierung wichtige Analyseaspekte ausgeblendet zu haben […].“32 Mit anderen Worten: Durch meine Fokussierung auf die Geschichte und das Wirken von Bühnenbildnerinnen im deutschsprachigen Raum bzw. in Europa und die Konzentration auf Studien- und Berufswahlmöglichkeiten akademisch ausgebildeter Menschen in Deutschland und Österreich aus Geschlechter-Perspektive können die Kategorien Herkunft und Klasse, Ethnizität, Sexualität, Nation und besondere Bedürfnisse in diesem Rahmen nur punktuell verfolgt werden,33 um einen ersten Einstieg in die Thematik zu ermöglichen. 31 Die Schreibweise, Weiß oder Schwarz mit Großbuchstaben zu beginnen, soll verdeutlichen, dass diese Begriffe nicht als Beschreibung einer Hautfarbe zu lesen sind, sondern als rassistische Konstrukte und politische Kategorien verstanden werden. Vgl. u.a. Maria Katharina Moser (2005): Under Construction. Arbeiten am Theoriegebäude „Feministische Theologie“. In: Marlen Bidwell-Steiner/Karin S. Wozonig (Hg.): Die Kategorie Geschlecht im Streit der Disziplinen, Innsbruck, Wien, Bozen, S. 127-144, hier: S. 143, Fn. 1. 32 Dietze et al. (2007), S. 13. 33 Daher wird auch die Schreibweise mit Unterstrich (zum Beispiel: Künstler_innen), die seit Mitte der 2000er Jahre nach Steffen Kitty Herrmann „all diejenigen [repräsentiert], die entweder von einer zweigeschlechtlichen Ordnung ausgeschlossen werden oder aber nicht Teil von ihr sein wollen […]“, in dieser Arbeit nicht verwendet. Steffen Kitty Herrmann (2005): Queer(e) Gestalten. Praktiken der Derealisierung von Geschlecht. In: Elahe Haschemi Yekani/Beatrice Michaelis (Hg.): Quer durch die Geisteswissenschaften. Perspektiven der Queer Theory, Berlin, S. 53-72, hier: S. 64, Fn. 19. Zit. nach: Gabriele Dietze/Elahe Haschemi Yekani/Beatrice Michaelis (2007): „Checks and Balances.“ Zum Verhältnis von Intersektionalität und Queer Theory. In: Katharina Walgenbach/Gabriele Dietze/Antja Hornscheidt/Kerstin Palm: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen & Farmington Hills, S. 107-139, hier: S. 108, Fn. 5.

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Die Ziele der Arbeit sind, den bisher wenig untersuchten künstlerischen Beruf BühnenbildnerIn und die Situation von Frauen in diesem Beruf zu dokumentieren und zu analysieren. Im Zentrum stehen demnach vor allem Frauen, die als Bühnenraumgestalterinnen wirkten und wirken. Zur Tätigkeit einer/eines Bühnenbildnerin/-bildners gehört oftmals auch die Kostümgestaltung. Dennoch fokussiert die vorliegende Arbeit die Bühnenbildund Bühnenraumgestaltung. Im Mittelpunkt stehen Frauen, die überwiegend Bühnenausstattungen entwarfen und gestalten, ihre Geschichte, Situation und die strukturellen sowie individuellen Rahmenbedingungen von Ausbildung und Erwerbstätigkeit. KostümbildnerInnen und ihr Wirken und Werk können in diesem Zusammenhang daher nur bruchstückhaft bearbeitet werden, sie wären Thema einer eigenen Untersuchung. Die Studie dokumentiert einen wesentlichen Teil der Theatergeschichte, der Geschichte der Kunstuniversität Graz und die Produktionsbedingungen bildender/darstellender Kunst. Sie ist ein Beitrag zur Frauen-, Geschlechter- und Genderforschung34 im gesellschaftlichen, besonders im künstlerischen Bereich und ist als Grundlagenforschung zu verstehen. Die Arbeit ist interdisziplinär an der Schnittstelle von Kultur-, Theater-, Kunst-, Bildungs- und Sozialwissenschaften verortet und ein Beitrag zur Geschichte von Frauen, zu feministischer Forschung und den Gender-Studien.

34 Diese Begriffe zeigen die Historizität der Forschungen: Frauenforschung befasste sich vor allem mit der bis dahin verschwiegenen Geschichte und den Leistungen von Frauen und stand im Mittelpunkt der Zweiten Frauenbewegung ab Ende der 1960er Jahre; die Geschlechterforschung, also das Aufzeigen geschlechtsspezifischer Zuschreibungen und Symbolsysteme, war ab den 1970er Jahren in den USA und ab den späten 1980er Jahren in Europa im Vordergrund. Daraus gingen die Gender Studien oder Gender Studies hervor, denen die Einsicht zugrunde liegt, „daß Weiblichkeit und Männlichkeit nicht aus biologischen Konstanten abgeleitet werden können, sondern auf historisch-zeitgebundenen, soziokulturellen Konstruktionen von sexueller Identität basieren“, wie es beispielsweise Renate Hof und Hadumod Bußmann beschreiben: Hadumod Bußmann/Renate Hof (2005): Genus. Geschlechterforschung / Gender Studies in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Stuttgart, Vorwort, S. VII.

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1.4 F ORSCHUNGSDESIGN , M ETHODEN Die Beantwortung der Forschungsfragen erforderte eine Vorgehensweise auf mehreren Ebenen: einer historischen Ebene, einer gesamtgesellschaftlichen und einer individuellen Ebene, die Fokussierung aus gender-, theater-, kunst- und sozialwissenschaftlicher Sicht, geleitet von einer feministischen Haltung. Daher wurden verschiedene Methoden angewendet: (A) Für die Beschreibung der Entwicklung der Bühnenraumgestaltung in Europa war, wie für die Suche nach Bühnenbildnerinnen, eine umfassende Literaturanalyse in den Bereichen Theaterwissenschaft, Frauen- und Kunstgeschichte erforderlich; Beiträge in Fachzeitschriften, der Grauen Literatur – das sind unveröffentlichte (Hochschul-)Schriften – und im Internet wurden gesichtet, analysiert, nach Themengruppen zusammengefasst und ausgewertet (Kap. 2). Zur Geschichte des Studienfachs und zu den Professuren im deutschsprachigen Raum wurde ebenfalls eine umfassende Literaturanalyse durchgeführt (Kap. 4, Pkt. 4.1 und 4.2). (B) Da nach aktuellem Wissensstand über Bühnenbildnerinnen in Europa, speziell im deutschsprachigen Raum, bisher auch historisch kaum geforscht worden ist, wird methodisch überwiegend der Frauengeschichtsforschung, wie sie die US-amerikanische Historikerin Gerda Lerner definiert hat,35 gefolgt (Kap. 2 und 3). Lerner erarbeitete dafür folgende wesentliche Haltungen und Schritte: (1) Frauen haben eine Geschichte, die bisher aufgrund der in der Gesellschaft vorherrschenden patriarchalen Werte verschwiegen oder missverstanden wurde. (2) Frauen sind in keiner Sicht eine Minderheit, sondern haben zu gleichen Teilen zur Geschichte beigetragen. (2a) Frauen haben zwar ihre Genusgruppe gemeinsam, gehören aber allen Schichten und Gruppen der Gesellschaft an. Nach Lerner fühlen sich Frauen mehr mit Männern ihrer sozialen Schicht verbunden als mit Frauen anderer Schichten oder Ethnizitäten. (2b) Eine der Hauptaufgaben der Frauengeschichte ist, die Verschiebungen und Veränderungen im Geschlechterverhältnis während verschiedener historischer Perioden zu verstehen und zu interpretieren. (3) Das soziale Geschlecht (Gender) muss der Geschichte [und den Wissenschaften, Erg. B. B.] als analytische Kategorie hinzugefügt werden. (4) Die bisher genutzten Quellen müssen hinsichtlich der Beiträge von Frauen in

35 Gerda Lerner (1995/1979): Die Herausforderung der Frauengeschichte. In: Gerda Lerner: Frauen finden ihre Vergangenheit. Grundlagen der Frauengeschichte, Frankfurt/Main [Originalausgabe 1979: The Majority Finds Its Past, Oxford University Press], S. 163-175.

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Frage gestellt werden, d.h., Quellen sind kritisch nach androzentrischen Vorurteilen zu befragen. (5) Die Frauengeschichte stellt die traditionelle Periodisierung der Geschichte in Frage, da sich die bisherigen Kategorien nach den Aktivitäten von Männern richten. (6) Neudefinitionen von Kategorien und Wertvorstellungen sind erforderlich. Beispielhaft stellt Gerda Lerner dazu die Frage: „Was würde als Geschichte gelten, wenn die Vergangenheit durch die Augen von Frauen betrachtet und das Material nach Werten geordnet würde, die Frauen definiert haben?“36 (7) Die Frauengeschichte verlangt insofern einen Paradigmenwechsel, als sie die Idee hinterfragt, dass Kultur und Zivilisation scheinbar ausschließlich von Männern geschaffen wurden. Nach Gerda Lerner ist eine neue Universalgeschichte erforderlich, in der „die historischen Erfahrungen der Männer mit denen der Frauen verglichen werden, wobei die Wechselbeziehungen ebenso zu untersuchen sind wie die Unterschiede und Gegensätze“.37 Dieser Teil der Arbeit, der die Recherche nach Bühnenbildnerinnen zum Ziel hat (Kap. 2, v.a. Pkt. 2.3), ist geografisch überwiegend auf das Wirken von Frauen in Österreich, Deutschland und der Schweiz an institutionalisierten Theatern – ohne Freie Szene/Freies Theater – begrenzt. Die Bewegung der Freien Szene/des Freien Theaters ab den 1960er Jahren umfasst Theatergruppen und EinzelkünstlerInnen außerhalb der – staatlich – institutionalisierten Theaterarbeit.38 Die Geschichte und Situation von Bühnenraumgestalterinnen in der Freien Szene wäre Gegenstand einer eigenen Untersuchung. Zeitlich steht die Entwicklung des Berufes vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart im Vordergrund. (C) Für die Analyse des Geschlechterverhältnisses im Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität in Graz wurde zuerst die Entwicklung und Geschichte des Studienfachs anhand vorliegender Quellen und Aussagen von ExpertInnen (vgl. D) nachgezeichnet. Zusätzlich wurde eine exemplarische quantitative Erhebung und Auswertung zu den Zahlen von Studierenden und AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität Graz durchgeführt (Kap. 4, Pkt. 4.4 und 4.5). Die Daten aus dreißig Studienjahrgängen (1973 bis 2003) wurden, da es bis dahin keine Statistiken dazu gab, selbst in einer aufwändigen Recherche erhoben, systematisiert, zusammengefasst und ausgewertet. Soweit sekundärstatistische Datenerhebungen aus diesem Bereich sowie der Frauen-, Geschlechter- und Genderforschung und den Sozialwissenschaften, auch zum Gender-Gap zwischen 36 Lerner (1995/1979), S. 172. 37 Lerner (1995/1979), S. 174-175. 38 Vgl. Georg Stenzaly/Annette Waldmann/Wolfgang Beck (2001): Freies Theater. In: Manfred Brauneck/Gérard Schneilin (Hg.): Theaterlexikon 1. Begriffe und Epochen, Bühne und Ensembles, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 397-401, hier: S. 397.

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Studium und Berufsübung vorlagen, wurden diese einbezogen. Die für die Situation von Bühnenbildnerinnen relevanten Ergebnisse wurden herausgefiltert und resümiert. (D) Um begründete Einschätzungen zur Situation des Studienfachs an der Kunstuniversität Graz einbeziehen zu können, wurden vier leitfadengestützte ExpertInnen-Interviews geführt. Folgende AkteurInnen stellten sich zur Verfügung: László Varvasovszky, ehemaliger Lektor und Assistent der Studienrichtung; der aktuelle Leiter der Studienrichtung Hans Schavernoch; Evelyn-Deutsch-Schreiner, Leiterin des Institutes Schauspiel, und Sabina Pinsker, stellvertretende Leiterin und Lektorin der Studienrichtung (Pkt. 4.4). (E) Zur Situation in kreativen und künstlerischen Berufen hinsichtlich der Geschlechterverteilung war ebenfalls eine Literaturanalyse (Pkt. 5.1) erforderlich. Zur Frage nach den Motiven und Schlüsselsituationen im Studium und in der weiteren beruflichen Karriere, ob nun als BühnenbildnerIn oder auch nicht, wurde eine qualitative Erhebung in Form von sechs Interviews mit AbsolventInnen der Kunstuniversität Graz realisiert (Pkt. 5.2 und 5.3). Die Gespräche wurden mit Methoden der qualitativen Sozial- und Bildungsforschung ausgewertet und analysiert und mit den Ergebnissen der bisherigen Recherchen und Analysen verbunden und interpretiert.

1.5 AUFBAU

DER

ARBEIT , Ü BERBLICK

Vom Bühnenmaler zur Bühnenraumgestaltung Die Analyse beginnt mit dem Forschungsstand im Kapitel 2 zur historischen Entwicklung des Bühnenbildes, der modernen Bühnenraumgestaltung, zum Thema Frauen im Theater, zur Geschichte von Bühnenbildnerinnen aus der Gender-Perspektive, zur Wahrnehmung der Bühnenbildkunst in der Theater- und Kunstwissenschaft sowie zum Stand einer feministischen Theater- und Kunstwissenschaft. Die neueren Entwicklungen vom Bühnenbild hin zur Bühnenraumgestaltung werden vorgestellt. Die leitenden Fragestellungen waren: „Wer waren die ersten Bühnenbildnerinnen?“, „Über welche Bühnenbildnerinnen wurde bisher publiziert?“, „Gibt es Veränderungen in der Berufsrolle Bühnenbildnerin?“ „Wie ist die aktuelle Situation?“ Zur Beantwortung dieser Fragen wurden theatergeschichtliche Standardwerke, im Speziellen über das Bühnenbild, und kunstgeschichtliche Literatur mit dem Fokus auf Frauen in diesem Tätigkeitsfeld analysiert.

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Hier zeigt sich, dass Forschungen über das Bühnenbild meist Untersuchungen über Bühnenbildner oder Maler, die für die Bühne arbeiteten, waren.39 Zur Entwicklung des Bühnenbildes gibt es wenige Standardwerke, die die Entstehung der Bühnengestaltung von der Antike bis hin zur Bühnenraumgestaltung/Szenografie als einem wesentlichen Teil der Inszenierung schildern. Öfter wurde die Geschichte des Bühnenbildes anlassbezogen in Ausstellungskatalogen beschrieben. Gemeinsam ist diesen Darstellungen, dass einzelne Bühnenbildnerinnen selten und unkommentiert als Ausnahmen in eine Männerberufsgeschichte eingereiht werden. Während über die Pionierinnen der Bühnenbildkunst aus Russland, Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, Ljubov Popova und Varvara Stepanova, mittlerweile zahlreiche Literatur vor allem in der Kunstgeschichte vorliegt, ist das Wirken von Bühnenbildnerinnen im deutschsprachigen Raum wenig dokumentiert. Erst in den 1990er Jahren konnten die Bühnenbildnerinnen rosalie und vor allem Anna Viebrock sich in die deutschsprachige und europäische Geschichte des Bühnenbildes einschreiben. In den 2000er Jahren beginnt sich die zahlenmäßige Überlegenheit von ausgebildeten Bühnenbildnerinnen in der Fachliteratur und in Internet-Quellen erstmals abzuzeichnen.40 Bühnen- und Kostümbildnerinnen standen bisher kaum im Zentrum von theaterwissenschaftlichen Publikationen. Sowohl die Theaterwissenschaft wie auch die Kunstgeschichte befassten sich vorwiegend punktuell mit Bühnengestaltung und dabei vor allem mit dem Werk von Bühnenbildnern. Somit liegt kaum Wissen über mögliche Vorbilder für Frauen in diesem Tätigkeitsfeld vor und bedeutet, dass für Frauen in diesem Berufsfeld bisher die Möglichkeit einer kollektiven Identität und eines historischen Selbstbewusstseins nicht zugänglich war.41 Diese Fehlstelle soll hier so weit als möglich geschlossen werden. Für die Theater- wie auch die Kunstwissenschaft ist festzustellen, dass die Erkenntnisse der Frauen- und Genderforschung nur langsam in den Malestream des Wissenschaftsfeldes Einzug finden, wobei Kunst- und auch Literaturwissenschafterinnen eine größere Beweglichkeit und Innovationsbereitschaft zeigen.42 39 Vgl. Pkt. 2.1. 40 Vgl. Goethe Institut: 30 Bühnenbildner im deutschsprachigen Theater, InternetQuelle. Laut Website werden 30 zeitgenössische Bühnenbildner vorgestellt − tatsächlich sind es jedoch 16 Bühnenbildnerinnen und 14 Bühnenbildner. Vgl. Abschnitt über Bühnenbildnerinnen, Pkt. 2.3. 41 Vgl. Bettina Behr (2004): Zur Würdigung von Frauen: 20+03 WOMENT!-ORTE. In: Bettina Behr/Ilse Wieser (Hg.): WOMENT! Eine Würdigung der Grazer FrauenStadtGeschichte. Innsbruck, Wien, Bozen, S. 54-57. 42 Vgl. zum Beispiel: Beate Söntgen (Hg.) (1996): Rahmenwechsel. Kunstgeschichte als feministische Kulturwissenschaft, Berlin; Anja Zimmermann (Hg.) (2006b):

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Bühnenbildnerinnen und Bühnenraumgestalterinnen Das dritte Kapitel widmet sich der bisherigen Forschungslücke hinsichtlich des Wirkens von Bühnenbildnerinnen.43 In einem Exkurs werden die Pionierinnen, die ersten Bühnenbildnerinnen aus Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vorgestellt: Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, Ljubov Popova und Varvara Stepanova (Pkt. 3.1). Ihre Beiträge zur Bühnenraum- und Kostümgestaltung sind gekennzeichnet durch zahlreiche Innovationen: Erstmals gestalteten Frauen Bühnenräume, entwickelten neue künstlerische Konzepte und wurden sowohl als bildende Künstlerinnen wie auch als Bühnenbildnerinnen bekannt. Natalia Gonþarova verband in ihren Bühnenarbeiten die damals aktuellen Kunstrichtungen Fauvismus, Kubismus und Konstruktivismus mit russischen folkloristischen Elementen. Alexandra Exter war die Erste, die Ausstattungen im kubo-futuristischen-kubistischen Stil gestaltete und damit den bis dahin vorwiegend zweidimensionalen Bühnenraum als dreidimensionale abstrakte Skulpturen erfahrbar machte. Die erste Bühne der Theatergeschichte, die mit kinetischen, mechanisch bewegten Elementen arbeitete, wurde von Ljubov Popova konstruiert. Popova verwendete erstmals realistische Requisiten und Projektionen von Fotografien zur Bühnenraumgestaltung. Varvara Stepanova steigerte den Einsatz kinetischer Bühnenelemente, ihr gelang mit der Bespielung der horizontalen und vertikalen Bühnenebenen der deutliche Bruch mit der konventionellen Bühnendekoration. Für Frauen in Russland waren bereits ab dem späten 19. Jahrhundert künstlerische Ausbildungen möglich, während in Deutschland und Österreich Kunsthochschulen und Akademien erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Studentinnen geöffnet wurden. Mit Ilse Fehling und Friedl Dicker werden ehemalige Schülerinnen des Bauhauses vorgestellt, die ab den 1920er Jahren auch Bühnenausstattungen entwarfen (Pkt. 3.2). Aus dieser Zeit sind die Beiträge von Frauen zur Bühnenbildkunst bisher kaum dokumentiert: ein weiterer blinder Fleck männlich fokussierter Geschichtsschreibung. Zu übermächtig war damals das Bild, dass für Frauen heKunstgeschichte und Gender. Eine Einführung, Berlin. Mit dem Schwerpunkt Literaturwissenschaft und Gender: Franziska Schößler (2008): Einführung in die Gender Studies, Berlin. 43 Mit Bühnenbildnerinnen sind Frauen gemeint, die vorwiegend durch Bühnenraumgestaltungen in Erscheinung traten oder treten. Ausgenommen sind Kostümbildnerinnen, deren Wirken bisher ebenso kaum dokumentiert worden ist; diese werden in der vorliegenden Arbeit nicht näher präsentiert, das wäre Inhalt einer eigenen Forschungsarbeit.

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rausragende künstlerische Leistungen nicht möglich sind, ein Bild, das bis in die Gegenwart Wirkungsmacht zeigt. Es ist Kunsthistorikerinnen und einzelnen Theaterwissenschafterinnen zu verdanken, dass die Beiträge von Ilse Fehling und Friedl Dicker zur Bühnenraumgestaltung nicht in Vergessenheit geraten sind. Von Ilse Fehling bleibt unter anderem die von ihr in den 1920er Jahren entwickelte Rundbühne in Erinnerung. Sie und Friedl Dicker können als Pionierinnen der Bühnenraumgestaltung im deutschsprachigen Raum bezeichnet werden. Stellvertretend für Bühnenbildnerinnen der Nachkriegszeit werden Hanna Jordan und Ita Maximowna (Pkt. 3.3) näher präsentiert. Hanna Jordan begann an den Wuppertaler Bühnen und arbeitete bis in die 1970er Jahre vor allem an deutschsprachigen Theatern. Ita Maximowna war in den 1950er und 1960er Jahren eine Star-Bühnenbildnerin und international tätig. Ein Kriterium für die Auswahl der in dieser Arbeit vorgestellten Bühnenbildnerinnen war die Literaturlage zu ihrem Wirken. Jordan und Maximowna waren die ersten Bühnenbildnerinnen im deutschsprachigen Raum, deren Werk mit Monographien dokumentiert wurde. Von den mittlerweile an Kunstakademien und -universitäten ausgebildeten Bühnenbildnerinnen ab den 1970er Jahren bis in die Gegenwart werden Xenia Hausner und rosalie (Pkt. 3.4) sowie Anna Viebrock, Penelope Wehrli, Katrin Brack und, als Jüngste, Muriel Gerstner, hier in Szene gesetzt (Pkt. 3.5). Auch ihre Beiträge zur Bühnenraumgestaltung sind in Monographien dokumentiert. Xenia Hausner war vorwiegend in den 1980er Jahren als Bühnenbildnerin erfolgreich, sie reüssierte bei ihren Ausstattungen durch ungewöhnliche Materialcollagen und labyrinthische Raumgestaltungen. Seit 1992 arbeitet Hausner ausschließlich als bildende Künstlerin. rosalie gestaltete vor allem in den 1990er Jahren aufsehenerregende Bühnenräume. Sie ist bis in die Gegenwart als Bühnenbildnerin und Künstlerin tätig, führt auch Regie und ist die erste Frau im deutschsprachigen Raum, die – im Jahr 1995 an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach – eine Professur für Bühnenbild und Kostümbild erhielt. Ihre Bühnenräume zeichnen sich durch die Verwendung von bis dahin am Theater kaum verwendeten Materialien, durch eine opulente Farbigkeit und einen herausragenden Einsatz von Lichtinstallationen aus. Anna Viebrock kann als die aktuell erfolgreichste Bühnenbildnerin der hier vorgestellten bezeichnet werden. Ihre Bühnenräume faszinieren durch eine für den deutschsprachigen Raum ungewöhnliche politische Vergangenheitsbewältigung. Viebrock thematisiert mit der Verwendung einer an die Nachkriegszeit angelehnten Bildersprache die Traumata und auch Schönheit der Vergangenheit

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und die krisenhaften Entwicklungen der Gegenwart in befremdlich und gleichzeitig vertraut wirkenden Bildern. Ihr Werk ist gut dokumentiert, sie wird auch in der Theaterwelt mit Hochachtung rezipiert. Anna Viebrock ist es gelungen, sich in die Theatergeschichte einzuschreiben. Penelope Wehrli, zu deren Arbeit ebenfalls eine Monographie vorliegt, arbeitet genreübergreifend: als Bühnenraumgestalterin, Performerin, Aktions- und Installationskünstlerin und sie experimentiert mit Räumen und Raumgestaltungen im öffentlichen Raum. Als puristische Minimalistin kann Katrin Brack bezeichnet werden. Ihre Bühnenräume fallen durch radikale Reduktion auf, die als Bruch mit den illustrativen Bilderwelten der Inszenierungen der 1990er Jahre interpretiert werden. Sie definierte auch das Verhältnis zur Regie neu und nimmt mit ihren Bühnenraumgestaltungen inszenatorische Setzungen vor, die zum Teil stärker als das RegieKonzept die Geschichte auf der Bühne steuern. Katrin Brack hat seit 2010 eine Professur für Bühnenbild und Bühnenkostüm an der Akademie für bildende Künste in München inne. Auch Muriel Gerstner reflektiert in ihren Arbeiten die Rahmenbedingungen der Theaterarbeit. Wie Brack arbeitet sie im Team, bevorzugt überwiegend die Kooperation mit einem Regisseur und ist oft die Erste, die mit ihren Rauminterpretationen die Inszenierungspraxis gestaltet. Mit dieser Präsentation von Bühnenbildnerinnen liegt erstmals eine historische Darstellung über Bühnenbildnerinnen und ihr Wirken vor allem im deutschsprachigen Europa seit der Entstehung des Berufes zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor. Das Studium Bühnengestaltung Im vierten Kapitel wird zuerst die Frage beantwortet, an welchen Orten im deutschsprachigen Raum das Studium Bühnenbild/Bühnengestaltung angeboten wurde und wird und wie die Professuren besetzt waren und sind. Dieser Überblick zeigt, dass im deutschsprachigen Raum bis in die 1990er Jahre für Professuren ausschließlich Männer berufen wurden. In Österreich ist diese Männerdomäne bis in die Gegenwart (noch) ungebrochen.44 Danach zeigt ein Einblick in die Situation von Frauen an Kunsthochschulen in Österreich, welche Rahmenbedingungen und Auswirkungen seit den 1920er Jahren in einem künstlerischen Studium für sie gelten. Der Anteil von Kunststudentinnen erreichte in den 1970er Jahren zwischen 40 und 50 Prozent, seit 1995 44 Stand: März 2013.

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studieren mehr Frauen als Männer an den Kunstuniversitäten, ihr Anteil steigt weiterhin. Dennoch entspricht ihre geringe Präsenz bei den weiteren Karriereverläufen nicht den hohen Absolventinnenzahlen. Ähnlich ist die Situation im Studienfach Bühnengestaltung in Deutschland und Österreich, das gegenwärtig bis zu vier Fünftel Frauen und nur zu einem Fünftel Männer absolvieren. Da detaillierte Statistiken zu diesem Bereich nach bisherigem Wissensstand nicht vorliegen, wurde das Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität in Graz genauer untersucht. Im Abschnitt 4.4 werden die Entwicklung, die Geschichte und die aktuelle Situation der Studienrichtung Bühnengestaltung an der Kunstuniversität Graz unter Einbeziehung der Ergebnisse von vier ExpertInnen-Interviews nachgezeichnet. Zum Geschlechterverhältnis von Studierenden und AbsolventInnen wurde eine quantitative Erhebung und Auswertung von dreißig Studienjahrgängen (1973–2007) durchgeführt. Die Analyse zeigt eine deutlich erkennbare Trendwende des einstigen Männerstudiums Bühnenbild hin zum Studium Bühnengestaltung, das seit Mitte der 1980er Jahre vorwiegend von Frauen absolviert wird. Nach Möglichkeit werden die Ergebnisse mit anderen Kunstuniversitäten, an denen ebenfalls Bühnengestaltung studiert werden kann, verglichen. Demnach gibt es in Österreich seit den 1980er Jahren dreimal so viele ausgebildete Bühnenbildnerinnen wie Bühnenbildner, wenngleich sich diese zahlenmäßige Überlegenheit unter anderem (noch) nicht an den Professuren des Studienfachs abbildet. Beruf BühnenbildnerIn Im fünften Kapitel werden zuerst die aktuellen Befunde zum Profil und den Rahmenbedingungen des Berufes BühnenbildnerIn dargestellt. Anhand von Interviews mit AbsolventInnen der Studienrichtung werden die hohen persönlichen und beruflichen Anforderungen sowie die zunehmend schwieriger werdenden Verhältnisse, die auch für künstlerische und kreative Erwerbstätigkeiten gegenwärtig gelten, beschrieben und analysiert. Zur Beantwortung der Fragen „Welche Gründe gibt es für den Gender-Gap zwischen Studium und Berufsausübung speziell im künstlerischen Feld?“ und „Was sind die Gründe dafür, dass seit den 1980er Jahren mehrheitlich Frauen Bühnenbild/Bühnengestaltung studieren, im Beruf trotzdem überwiegend Männer erfolgreich sind?“ liegt bisher keine Literatur vor. Daher werden Veröffentlichungen, die sich mit dem gleichen Phänomen in anderen Studien- und Berufsfeldern befassen, zusammengefasst und interpretiert.

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Um individuelle und gesellschaftliche Gründe benennen zu können, warum der Beruf BühnenbildnerIn gewählt wird oder nicht, wurden, wie oben erwähnt, qualitative Interviews geführt. Exemplarisch wurden sechs AbsolventInnen der Studienrichtung an der Kunstuniversität Graz zur Motivation für dieses Studium, zu Schlüsselsituationen der Entscheidung für oder gegen den Beruf BühnenbildnerIn und zu ihren Erfahrungen, auch in Hinsicht auf von ihnen wahrgenommene oder erlebte Geschlechterdifferenz, interviewt. Die Ergebnisse aus den Interviews wurden mit bisherigen Erkenntnissen zusammengeführt und interpretiert. Sie zeigen, dass die Interview-PartnerInnen eine hohe intrinsische, also aus inneren Bedürfnissen geleitete, und kaum gewinnorientierte Motivation aufwiesen, Bühnenbild/Bühnengestaltung zu studieren. Zum Zeitpunkt der Interviews war nur eine Befragte im Beruf tätig, eine Interview-Partnerin hat den Beruf nie ausgeübt, drei Befragte waren in verwandten Berufen tätig. Ein Interview-Partner hat nach langjähriger erfolgreicher Karriere als Bühnenbildner den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit verändert und arbeitet nur mehr fallweise in diesem Berufsfeld. Thematisiert wurden: die Schwierigkeiten beim Berufseinstieg; die Tatsache, dass ohne gute Kontakte zu Regie- und Theaterverantwortlichen eine Karriere als BühnenbildnerIn nicht möglich ist; die hohen Anforderungen hinsichtlich zeitlicher Verfügbarkeit und Mobilität; die vor allem für Frauen nahezu unmögliche Vereinbarung der Tätigkeit mit Kindern und Familie; die Veränderung eines einstigen Männerberufes hin zu einem Arbeitsgebiet, das grundsätzlich auch Frauen offensteht. Die Befragten definierten Erfolg überwiegend als Spaß an der Arbeit zu haben und Anerkennung von anderen zu erhalten. Aus feministischer Perspektive wurde versucht, die aktuell vorherrschenden Wirkungsmächte aufzuzeigen, die einer rascheren Entwicklung hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit am Theater im Wege stehen. Im sechsten Kapitel, dem Resümee, werden die Ergebnisse der Untersuchungen hinsichtlich der Forschungsfragen zusammengefasst und mögliche zukünftige Forschungsdesiderate präzisiert. Zudem werden Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Studienrichtung, zu einer möglichen deutlicheren Präsenz von Bühnenbildnerinnen in der Öffentlichkeit und zu einer größeren Geschlechtergerechtigkeit in diesem kulturellen Feld gegeben. Im Literaturverzeichnis sind die verwendeten und zugleich weiterführenden Arbeiten dokumentiert; Quellen aus dem Internet sind als solche gekennzeichnet, sie liegen als Ausdrucke und/oder elektronisch gespeichert vor, der letzte Online-Zugriff ist mit Angabe des Datums vermerkt. Nach den Abkürzungs- und Tabellenverzeichnissen folgt der Anhang. Hier finden sich einige der entwickel-

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ten und verwendeten Interview-Materialien zur qualitativen Erhebung und Auswertung. Abschließend folgt der Index zu den in dieser Arbeit genannten 128 Bühnenund Kostümbildnerinnen und Bühnenraumgestalterinnen.

2 Vom Bühnenmaler zur Bühnenraumgestaltung Wie, fragt Mia, sollen denn Regeln, Maßnahmen, Verfahren unfehlbar sein, wenn das alles doch immer nur von Menschen ersonnen wurde? Von Menschen, die alle paar Jahrzehnte ihre Überzeugungen, ihre wissenschaftlichen Ansichten, ihre gesamte Wahrheit austauschen.1 JULI ZEH

2.1 E NTWICKLUNG IN E UROPA

DER

B ÜHNENRAUMGESTALTUNG

In diesem Kapitel werden die Entwicklung des Bühnenbildes und der Bühnenraumgestaltung in Europa seit etwa 1900, die Theaterreform der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit deren Auswirkungen bis die Gegenwart und die Veränderungen in der Bühnenraumgestaltung im 20. und 21. Jahrhundert nachgezeichnet. Definitionen zu den Begriffen Bühnenbild und Szenografie sowie die Wahrnehmung von Bühnen- und Kostümbildnerinnen, Szenografinnen und Bühnenraumgestalterinnen in der Fachliteratur werden vorgestellt. Weitere Themen des Kapitels sind die Verortung der Bühnenbildkunst als bildende oder angewandte Kunst in der Theater- und Kunstwissenschaft sowie im Urheberrecht; die Situation einer feministischen Theaterwissenschaft und relevante Fragen zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften und am Theater. Die Recherche nach Bühnenbildnerinnen in der Fachliteratur, in Publikationen über bedeutende Ausstellungen, in Lexika und in Internet-Quellen wird ausführlich dokumentiert. 1

Juli Zeh (2010): Corpus Delicti. Ein Prozess, München, S. 38 [Herv. i. Orig.].

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Das Bühnenbild bis rund um 1900 Bereits in den Amphitheatern der griechischen Antike wurden Aufführungen mit Bühnenmalerei illustriert; die malerischen Gestaltungsmittel blieben wie auch später in den Simultanbühnen des Mittelalters dem Bühnengeschehen untergeordnet.2 Ab der Renaissance wurden sogenannte Guckkasten- oder Proszeniumsbühnen gebaut, deren Trennung von Zuschauerraum und Bühne durch das Proszenium als Rahmen die Illusion des Theaterspiels betonte: Illusionistischperspektivische gemalte Bühnenbilder dienten der Vortäuschung nahezu unendlicher Raumtiefe. Weitere Entwicklungen führten zur Verwendung von Kulissen und der Kulissenbühne, die einen schnellen Schauplatzwechsel ermöglichte. Im Barock erreichten die perspektivischen Effekte mit gemalten Phantasiearchitekturen ihren Höhepunkt. Die Übersteigerung der Illusion führte im 19. Jahrhundert zu einem detailgetreuen Historismus. Reduktionen in der bildnerischen Darstellung – wie zuvor im Elisabethanischen Theater – und die fast lee-

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Wesentliche Quellen für diesen Abschnitt: Erika Fischer-Lichte/Doris Kolesch/Matthias Warstat (Hg.) (2005): Metzler Lexikon Theatertheorie, Stuttgart: S. 146-153 (Erika Fischer-Lichte: Inszenierung), S. 260-267 (Jens Roselt: Raum) und S. 322-325 (Christopher Balme: Szenographie); Manfred Brauneck/Gérard Schneilin (Hg.) (2001): Theaterlexikon 1. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg: S. 184-189 (Patrice Pavis/Gérard Schneilin: Bühnenbild) und S. 963-965 (Patrice Pavis: Szenographie); C. Bernd Sucher/Theo Girshausen (Hg.) (1996): Theaterlexikon, Bd. 2. Epochen, Ensembles, Figuren, Spielformen, Begriffe, Theorien, München (Eintrag Bühnenbild, S. 78-86). Weitere Überblicke: Ottmar Schuberth (2005): Das Bühnenbild. Geschichte, Gestalt, Technik, 2. Auflage, Wilhelmshaven; Robin Thurlow Lacy (1990): A Biographical Dictionary of Scenographers. 500 B.C. to 1900 A.D, New York. Für Deutschland und Österreich kann ein Eintrag einer Frau zugeordnet werden: „Ziegler, Clara (fl. 1867), Munich“ (S. 728); Heinz Bruno Gallée (1977): Das Szenenbild in der Geschichte des europäischen Theaters. In: Rudolf Hartmann (Hg.): Oper. Regie und Bühnenbild heute, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, S. 11-24; Rolf Badenhausen/Harald Zieske (Hg.) (1974): Bühnenformen, Bühnenräume, Bühnendekorationen. Beiträge zur Entwicklung des Spielorts, Berlin; Harald G. Heker (1990): Der urheberrechtliche Schutz von Bühnenbild und Filmkulisse, Baden-Baden (Schriftenreihe des Archivs für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht/UFITA 90); Bibliographien: Véronique Lemaire (2006): Theatre and Architecture, Stage Design, Costume. A Bibliographic Guide in Five Languages (1970–2000), Brüssel; Manfred Brauneck (2007b): Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters, Bd. 6, Stuttgart, Weimar, S. 257-259.

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ren, später auch naturalistischen Bühnenräume hatten eine Abbildung der Wirklichkeit auf der Bühne zum Ziel.3 Der Terminus Bühnenbild Unter Bühnenbild wird verstanden, was auf der Bühne den Handlungsrahmen durch Ausdrucksmittel der bildenden Künste und der Beleuchtung gestaltet […]. Im naiven Bewusstsein ist das Bühnenbild Hintergrundgemälde, meist perspektivisch und illusioniert, das den szenischen Raum auf ein bestimmtes Milieu fixiert.4

„Der Begriff ‚Bühnenbild‘ ist noch nicht alt. Er entstand erst mit den Reformbestrebungen zu Anfang des 20. Jahrhunderts […] im Augenblick, da ihm eben durch diese Reformbestrebungen der Kampf angesagt wurde“, stellte Ottmar Schuberth5 fest. Die irreführende Bezeichnung, die auf eine Fläche verweist, bei der aber die räumliche und atmosphärische Gestaltung der Bühne im Mittelpunkt steht, wird auch an anderen Stellen kritisiert.6 Dennoch hat sich der Begriff Bühnenbild bis in die Gegenwart durchgesetzt7 und wird synonym für Bühnenraumgestaltungen im Sprech-, Musik- und Tanztheater verwendet. Die akademische Ausbildung in Deutschland wird gegenwärtig überwiegend als „BühnenbildStudium“ bezeichnet und oft in Kombination mit Kostümbild- oder als Bühnenund Filmgestaltung angeboten.8 In Österreich werden aktuell für das Studium die Begriffe Bühnengestaltung oder Szenografie verwendet. 3

Vgl. Patrice Pavis/Gérard Schneilin (2001): Bühnenbild. In: Manfred Brauneck/Gérard Schneilin (Hg.): Theaterlexikon 1. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 184-189: hier: S. 186.

4

Pavis/Schneilin (2001), S. 184.

5

Schuberth (2005), S. 133. Die erste Auflage erschien im Jahr 1955. Für die zweite Auflage im Jahr 2005 konnte der Text nur geringfügig überarbeitet werden (der Autor starb 2001) und zeigt somit den Wissensstand und die Haltungen der 1950er Jahre, wie zum Beispiel die dienende Haltung des Bühnenbildners gegenüber dem Regisseur oder die Ausgrenzung von Frauen aus der Bühnengestaltung.

6

Vgl. zum Beispiel: Elisabeth Christine Kuhn (2005): Die Bühneninszenierung als komplexes Werk, Baden-Baden. Zugl. Diss. (2003), Tübingen (Schriftenreihe des Archivs für Urheber- und Medienrecht/UFITA 235), S. 93.

7

Schuberth konstatiert, dass es zu den verwirrenden Eigenarten der Bühne gehöre, an Begriffen, die ihre ursprüngliche Bedeutung bereits verloren haben, festzuhalten. Vgl. Schuberth (2005), S. 133, Fn. 255.

8

Der Begriff Szenenbild wird entweder für Ausstattungen von Film- und Fernsehproduktionen verwendet oder für Fotos von (Bühnen-)Ausstattungen.

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Die Berufsbezeichnung BühnenbildnerIn9 gibt es nach wie vor und wird in dieser Arbeit vorwiegend verwendet. Entwicklungen seit den 1990er Jahren, die die Lehre von der Raumgestaltung sowie Gestaltungen von (Museums-, Eventoder Themen-)Ausstellungen miteinbeziehen, favorisieren den Begriff Szenografie10, der im kontinentalen Europa vor allem im sogenannten ehemaligen Osten verwendet wurde. So gab es in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine Sektion Szenografie im Rahmen des Verbandes der bildenden Künstler der DDR, aus dem der 1990 gegründete Bund der Szenografen hervorging.11 Die weltweit einzige Ausstellung zum Thema Bühnenbild/Bühnengestaltung, die Quadriennale, wurde 1967 in Prag erstmals gezeigt, im Jahr 2011 fand die Quadriennale zum zwölften Mal statt. Der bisherige Titel der Schau Prague Quadrennial International Exhibition of Scenography and Theatre Architecture (Prager Quadriennale für Szenografie und Theaterarchitektur) wurde 2011 von der neuen künstlerischen Direktorin Sodja Zupanc Lotker in Prague Quadrennial of Performance Design and Space (Prager Quadriennale für Bühnen- und Raumgestaltung) geändert.12 Lotker greift damit die Auflösung bisheriger Genregrenzen auf, in der sich „Installation, Performance Design und […] künstlerische Raumsetzung längst nicht mehr klar trennen lassen“.13 Die Theaterreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts Im Zeitraum der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde die Bühne „zum Raum bildnerischen Experimentierens“, die illusionistische Nachahmung der Natur wurde durch Raumschöpfungen, die mit bisherigen Traditionen brachen, 9

Vgl. AMS-Berufslexikon, Lexikon mit Berufsbeschreibungen des Arbeitsmarktservice Österreich, Internet-Quelle; Berufenet der Bundesagentur für Arbeit Deutschland, Internet-Quelle; Berufslexikon Schweiz, Internet-Quelle.

10 Vgl. Thea Brejzak/Gesa Mueller von der Haegen/Lawrence Wallen (2009): Szenografie. In: Stephan Günzel (Hg.): Raumwissenschaften, Frankfurt am Main, S. 370385. 11 Vgl. N.N. (2009): Die Wahrnehmung für das Bühnenbild schärfen. Gespräch mit dem Vorstand des Bundes der Szenografen. In: Bühnentechnische Rundschau 1, S. 44-47, hier: S. 45. 12 Sophie Diesselhorst: Das wird harte Arbeit. Interview mit Sodja Lotker. In: Theater heute 05/2011, Internet-Quelle. 13 Thomas Irmer (2011): Auf dem Performance-Sprungbrett. Die Prager Quadriennale ersetzt ihr Thema Szenografie durch ‚Performance Design and Space‘ und zieht in neue Räume. In: Theater heute 8/9, S. 15-18, hier: S. 15.

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abgelöst.14 Einer der ersten, der die illustrierende und mimetische Funktion des Bühnenbildes ablehnte, war der Schweizer Adolphe Appia (1862–1928), der Bühnenentwürfe mit Bauelementen wie Treppen, Podeste, Vorhängen und Pfeilern gestaltete.15 Appia gilt als der „eigentliche Theoretiker der symbolistischen Inszenierung, als unmittelbarer Vorläufer des Konstruktivismus und Expressionismus auf der Bühne. […] [Er] begründete die stilisierte dreidimensionale Raumbühne mit der beweglichen Beleuchtung“, er forderte auch, dass in einem Theater nur der Zuschauerraum ständig vorhanden sein darf, davor „soll sich ein leerer Raum ausdehnen, in den das Drama seinen Einzug hält“.16 Zusätzlich zum 14 Manfred Brauneck (2003b): Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters, Bd. 4, Stuttgart, Weimar, Vorwort, S. XVI. 15 Literaturquellen zum Bühnenbild im 20. Jahrhundert: Nora Eckert (1998): Das Bühnenbild im 20. Jahrhundert, Berlin; Manfred Brauneck (2009): Theater im 20. Jahrhundert. Programmschriften, Stilperioden, Kommentare, Reinbek bei Hamburg; Eleonora Louis (Hg.) (2006b): Kunst auf der Bühne. Les Grands Spectacles II. Ausstellungskatalog. Museum der Moderne, Salzburg. 22. Juli bis 8. Oktober 2006, Weitra; Volker Pfüller/Hans-Joachim Ruckerle (Hg.) (1998): Das Bild der Bühne, Berlin; Heinz Bruno Gallée (1992): Vom Raumbild zum Bildraum. Gedanken und Skizzen aus der Praxis der Bühnenbildgestaltung, Wien, Köln, Weimar; Heinrich Klotz/Ludger Hünnekes (Hg.) (1993): Bühnenbild heute. Bühnenbild der Zukunft. Ausstellungskatalog. Achim Freyer, Dieter Hacker, Johannes Schütz, Erich Wonder. Zentrum für Kunst und Medientechnologie. 9. Oktober bis 7. November 1993, Karlsruhe; Ingeborg Pietzsch/Gunter Kaiser/Detlev Schneider (Hg.) (1988): Bild und Szene. Bühnenbildner der DDR 1978 bis 1986, Berlin; Corinna Boskovsky (1987): Die Entwicklung und Funktion des Bühnenbildes in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, Diss., Wien; Albert Richard Mohr (Hg.) (1986): Zauberwelt. Bühnenbildentwürfe der Frankfurter Oper aus zwei Jahrhunderten, Nördlingen; Eckehart Nölle (1976): Bühnenbilder des 20. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog. 7. Juli bis 31. Oktober 1976, Deutsches Theatermuseum, München; Henning Rischbieter (Hg.) (1968): Bühne und bildende Kunst im XX. Jahrhundert. Maler und Bildhauer arbeiten für das Theater. Dokumentiert von Wolfgang Storch, Velber bei Hannover; Wolfgang Greisenegger (1968): Österreichische Bühnenbildner der Gegenwart. Ausstellungskatalog. Tiroler Kunstpavillon Innsbruck, Hofgarten, 12. bis 28. Jänner 1968, Innsbruck; Erika Billeter (Red.) (1964): Das Bühnenbild nach 1945: eine Dokumentation. Ausstellungskatalog. Kunstgewerbemuseum Zürich, 4. Juni bis 15. August 1964, Zürich; Paul Pörtner (1960): Experiment Theater, Zürich. 16 Edmund Stadler (1974): Bühne und Abstraktion von der Urzeit bis heute. In: Rolf Badenhausen/Harald Zieske (Hg.): Bühnenformen, Bühnenräume, Bühnendekorationen. Beiträge zur Entwicklung des Spielorts, Berlin, S. 199-212, hier: S. 209-210.

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Licht wurden Musik – Appia hatte eine musikalische Grundausbildung –, Bewegung und Farbe wesentliche Bestandteile des abstrakten Bühnenbildes. Auch Edward Gordon Craig (1872–1966), ursprünglich ein Schauspieler, und Georg Fuchs (1868–1949), ein Journalist, verfassten Konzepte unter anderem für „die Erweiterung der theatralen Gestaltungsmittel und […] die Erprobung neuer Sehweisen“17 sowie gegen den konventionellen Charakter des bisherigen Kulissen-Bühnenbildes. Sie entwarfen Reliefbühnen (Fuchs) und Raum- und Lichtbühnen (Craig), in denen Bewegung und screens wesentliche Gestaltungsmittel waren.18 Appia und Craig als Vertreter der historischen Avantgarde zwischen 1900 und 1930 erklärten das Theater zu einer eigenständigen, von der Literatur unabhängigen Kunstform, die Aufführung zu einem autonomen Kunstwerk.19 Sie forderten, das bisherige „Gegenüber von Kunst und Leben tendenziell aufzuheben“, sowie die Re-Theatralisierung des Theaters.20 Mit Re-Theatralisierung waren gemeint: die Veränderung der Bedeutung des Bühnen-Bildes hin zur Gestaltung des Bühnen-Raumes; die Erhöhung der Bedeutung des Regisseurs als zentraler künstlerischer Leiter einer Aufführung; die Ablehnung des bisherigen bürgerlichen textorientierten Theaters; die Einbindung des Publikums als Teil der Inszenierung.21 Ob und wie Frauen an diesen Konzepten beteiligt waren, ist aus der vorliegenden Literatur schwer abzulesen. Craig war mit der amerikanischen Tänzerin Isadora Duncan (1877–1927) „in tiefer Leidenschaft und kongenialer künstlerischer Partnerschaft verbunden“.22 Duncan hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wie auch die Tänzerin Mary Wigman (1886–1973), den Tanz zu „einer weltanschaulich fundierten neuen künstlerischen Bewegungskultur weiterentwickelt“.23 Es ist davon auszugehen, dass Frauen wie Duncan, Wigman oder – in Österreich

17 Brauneck (2003b), S. 348. 18 Vgl. Jens Roselt (2005): Raum. In: Erika Fischer-Lichte/Doris Kolesch/Matthias Warstat (Hg.): Metzler Lexikon Theatertheorie, Stuttgart, S. 260-267, hier: S. 263. Screens sind bewegliche quadratische Wandschirme, die eine besondere Wandlungsmöglichkeit der Bühne ermöglichen sollten. 19 Vgl. Erika Fischer-Lichte (2005): Inszenierung. In: Erika Fischer-Lichte/Doris Kolesch/Matthias Warstat (Hg.): Metzler Lexikon Theatertheorie, Stuttgart, S. 146-153, hier: S. 147. 20 Brauneck (2003b), S. 348. 21 Vgl. Christopher Balme (1988): Das Theater von morgen. Texte zur Deutschen Theaterreform, Würzburg, S. 12-13. 22 Vgl. Brauneck (2009), S. 214. 23 Brauneck (2009), S. 218.

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– Gertrud Bodenwieser, Gertrud Kraus, Hilde Holger und Rosalia Chladek24 u.a. an diesen neuen Entwicklungen maßgeblich beteiligt waren. Ihre Anteile an der Entwicklung der neuen Bühnengestaltung wurden oft nicht erwähnt und ihre Beiträge blieben damit weitgehend unsichtbar. Auswirkungen der Theaterreform Aus der szenischen Abstraktion zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden unter dem Einfluss der bildenden Kunst zahlreiche Experimente und Stile: unter anderem die Stilbühne des Symbolismus, die Bühnenabstraktionen des Futurismus, des Konstruktivismus und des Expressionismus.25 Zwei Orientierungen, die damals entwickelt wurden, sind bis heute in der Bühnengestaltung zu verfolgen: (1) Das „Maler-Theater“, in dem aus bildenden Künstlern Bühnenbildner werden. Die vorliegende Literatur zeichnet das Bild, dass im 20. Jahrhundert bis auf wenige Ausnahmen malende Männer tätig waren.26 (2) Die „Erneuerung des realistischen Bühnenbildes“, in der das Zweckhafte der verwendeten Ausstattungsmittel, die im Dienst eines kritischen Realismus stehen, betont wird.27 Für Österreich stellte Evelyn Deutsch-Schreiner fest, dass die Jahre von 1924 bis 1934 am Theater von einer Aufbruchsstimmung gekennzeichnet waren: Theaterräume wurden als visionäre Lebenskonzepte mit gesellschaftlichen Auswirkungen gedacht, programmatisch wurden die Grenzen zwischen Spielern und Zuschauern aufgebrochen sowie der bisherige Kunstbegriff verändert. Alternativen zum von der Literatur dominierten Theater boten dem Publikum die Möglichkeit, in die Handlung einzugreifen.28

Die Zeit der bildnerischen Experimente ging in Österreich und Deutschland zu Beginn der 1930er Jahre vorerst zu Ende: Es scheint, als habe sich die Avantgarde der zwanziger Jahre schon vor 1933 erschöpft. […] Routine kehrte ein, und mit ihr trat man sozusagen den geordneten Rückzug an, be24 Vgl. Evelyn Deutsch-Schreiner (2009): „Es war, als würde Utopia Realität werden.“ Wien 1924: Schnittstelle von Entwicklungen in den Darstellenden Künsten. In: Karl Müller/Hans Wagener (Hg.): Österreich 1918 und die Folgen. Geschichte, Literatur, Theater und Film, Wien, Köln, Weimar, S. 103-122, hier: S. 115-119. 25 Vgl. Pavis/Schneilin (2001), S. 187. 26 Vgl. Pkt. 2.3. 27 Pavis/Schneilin (2001), S. 187. 28 Deutsch-Schreiner (2009), S. 122.

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sann sich auf den zuvor verpönten Realismus oder aktivierte gar den Klassizismus. Ende der zwanziger Jahre zeichnete sich unter Künstlern zudem eine Wendung zum Unpolitischen ab, während die politischen Straßenkämpfe eskalierten.29

Veränderungen der Bühnenraumgestaltung und gesellschaftliche Entwicklungen ab den 1930er Jahren In ihrem umfassenden Überblick zur Entwicklung des Bühnenbildes im 20. Jahrhundert spart Nora Eckert als eine der wenigen, die Überblicksdarstellungen zum Thema Bühnenbild bearbeitet haben, die Zeit zwischen 1930 und 1945 nicht aus. Das erscheint sinnvoll, da davon auszugehen ist, dass nicht nur gesellschaftliche und politische, sondern auch ästhetische Werte und Haltungen des Dritten Reiches bis in die Gegenwart Spuren hinterlassen haben. Der Zusammenbruch des Dritten Reiches und die Niederlage im Zweiten Weltkrieg wirken sich in Österreich und Deutschland bis heute aus.30 In beiden Staaten sind zudem hartnäckige Widerstände gegen die Gleichstellung von Frauen und nach wie vor anhaltende Versuche, Frauen auf die Rolle als Frau und Mutter zu reduzieren, festzustellen. Es scheint, so meine These, dass Frauen in Deutschland und mehr noch in Österreich, noch immer vordergründig als Trösterinnen für Männer (Großväter, Väter, Söhne, Enkel), die einen entsetzlichen und entsetzlich großen Krieg verloren haben und an diesen Auswirkungen leiden, gebraucht werden. Nicht nur machtvolle Ideen und Visionen einer vor allem von Männern geprägten Vernichtungsmaschinerie scheiterten, einige Generationen stellten sich insbesondere in Österreich lange Zeit nicht den Kränkungen und schmerzvollen persönlichen und gesellschaftlichen Verlusten, die durch das Führen des Zweiten Weltkriegs zu verantworten sind. Auf der beruflichen Ebene zeigte sich das, wie an einzelnen Beispielen gezeigt wird, weniger.31 Nora Eckert beschreibt die Kehrtwendung der deutschen Bühnen zurück zur „Werktreue“,32 zur „Renaissance der Kulisse“33 und zur freiwilligen Verabschie29 Eckert (1998), S. 113. 30 Vgl. vor allem Siglinde Bolbecher (Hg.) (2007b): Frauen im Exil, Klagenfurt/Celovec (Zwischenwelt 9, hrsg. von der Theodor-Kramer-Gesellschaft); Stephan Stompor (1994): Künstler im Exil in Oper, Konzert, Operette, Tanztheater, Schauspiel, Kabarett, Rundfunk, Film, Musik- und Theaterwissenschaft sowie Ausbildung in 62 Ländern. Teil 1 und Teil 2, Frankfurt am Main. 31 Siehe auch Fn. 34, S. 41. 32 Eckert (1998), S. 113. 33 Eckert (1998), S. 114. Proklamiert wurde die Renaissance der Kulisse vom österreichischen Architekten und Bühnenbildner Emil Pirchan (1884–1957) bei der Theater-

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dung vom Experiment bereits vor 1933, dem Jahr der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland. In den Bühnenbildern der Zeit spiegelte sich die Vorliebe der Nationalsozialisten für alles Monumentale wider.34 Ab 1933 erhielten KünstlerInnen jüdischer Herkunft oder RegimekritikerInnen Berufsverbot, mussten emigrieren, wurden verfolgt und ermordet.35 Errungenschaften der Ersten Frauenbewegung, wie der Zugang zu (künstlerischen) Studien und Berufen, wurden aufgrund des von den Nationalsozialisten geforderten Frauenbildes wieder zurückgedrängt. Auch an den Theatern blieben Leitungspositionen nahezu ausschließlich Männern vorbehalten. Die statistische Übersicht zu den Jahren 1938/39 sowie 1943/44 zeigt für Deutschland und Österreich 213 bzw. 236 männliche und jeweils 4 weibliche Bühnenleiter. Für die Jahre 1944/45 ist die „angeordnete Schließung aller Bühnen“ vermerkt. In der Nachkriegsspielzeit 1945–1949 wurden bis zu 373 männliche und 28 weibliche ausstellung 1927 in Magdeburg, obwohl der Bühnenbildner Friedrich Kiesler bereits 1924 in seinem Manifest festgestellt hatte, dass „die Kulisse explodiert“. Vgl. Barbara Lesák (1988): Die Kulisse explodiert. Friedrich Kieslers Theaterexperimente und Architekturprojekte 1923–1925, Wien. 34 Eckert (1998), S. 116. Traugott Müller (1895–1944) wurde von Eckert als „wichtigster Bühnenbildner im Dritten Reich“ bezeichnet. Mit seinen monumentalen und realistischen, erst später stilisierenden Bühnenentwürfen ebenfalls sehr erfolgreich war und blieb bis in die 1960er Jahre Emil Preetorius (1883–1973), seit 1928 Professor an der Akademie für angewandte Kunst in München. Er war von Hitler zu den drei wichtigsten Bühnenbildnern erklärt worden (vgl. Ernst Klee [2009]: Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main, S. 421 sowie Wolfgang Beck (2007e): Preetorius, Emil. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner. Reinbek bei Hamburg, S. 573-574.) Die Karriere von Preetorius nach 1945 verlief bruchlos, er wurde 1948 zuerst Vizepräsident der Akademie der Schönen Künste in München, 1953 dann Präsident (bis 1968). Preetorius blieb im deutschsprachigen Raum auch für die Bühnengestaltung einflussreich, nicht zuletzt durch einen seiner zahlreichen Schüler, Ottmar Schuberth, der mit seiner 1955 veröffentlichten (2. Auflage: 2005) Publikation „Das Bühnenbild“ die Ideen und Haltungen seines Lehrers festhielt und einige Generationen von BühnenbildnerInnen beeinflusste. Zur Situation in Österreich wird beispielhaft die Karriere von Heinz Kindermann, erster Professor des Institutes für Theaterwissenschaft in Wien beschrieben, vgl. Evelyn Deutsch-Schreiner (2001): Theater im „Wiederaufbau“. Zur Kulturpolitik im österreichischen Parteien- und Verbändestaat, Wien, S. 284-314. 35 Vgl. u.a. Ulrike Müller (2009d): Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design, 2. Auflage, München, S. 13.

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Bühnenleiter gezählt; ab 1949/50 bis 1955/56 gab es 115 bis 119 männliche und jeweils 4 weibliche Bühnenleiter. Erst in der Spielzeit 1971/72 steigt die Zahl der weiblichen Bühnenleiter erstmals auf über Zwanzig: 21 Bühnenleiterinnen stehen zu dieser Zeit 185 Bühnenleiter gegenüber.36 Dass Diktaturen der beste Nährboden für Männerwahn und die Reduktion von Frauen auf ihre natürlichen Fähigkeiten sind, zeigt sich unter anderem in der Tatsache, dass auch im Dritten Reich37 und weit danach nahezu nur Männern künstlerische Leistungen zuerkannt wurden. Dieses frauenfeindliche Klima, das bis in die 1970er Jahre massiv wirkte, verhinderte auch in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg den Zugang von Frauen zu Bildung, Erwerbstätigkeit und Kunst. Zusätzlich galt: „Die Kunstproduktion, vor allem die Figur des Künstlers – Künstlerinnen waren lange auf sogenannte reproduzierende Kunstsparten verwiesen – war in der Tradition der Aufklärung assoziiert mit dem Genie(kult) und das Genie war männlich konnotiert.“38

Anfang der 2000er Jahre publizierte die französische Psychoanalytikerin Julia Kristeva über die Genies Hannah Arendt und Melanie Klein, brach das Tabu des génie féminin und setzte damit ein Gegenprogramm fest, das eine bis dahin dominante Definitionsmacht unterwanderte und herausforderte.39

36 Deutsches Bühnenjahrbuch (1956), Spielzeit 1955/56, Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (Hg.), Hamburg, S. 543 mit einer Statistik von 1932/33 bis 1955/56 sowie Deutsches Bühnenjahrbuch (1972), Spielzeit 1971/72 (nur Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin) mit einer Statistik von 1950/51 bis 1971/72, Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (Hg.), Hamburg, S. 811. 37 Im Ausstellungskatalog (1937) „Das deutsche Bühnenbild“ werden 60 Bühnenbildner, darunter Benno von Arent, Rochus Gliese, Traugott Müller, Caspar Neher oder Emil Preetorius, genannt. Zusätzlich sind Figurinen von drei Kostümbildnerinnen, Elisabeth von Aumüller, Lotte Brill und Manon Hahn-Luckwald, erwähnt sowie Entwürfe von zwei Bühnenbildnerinnen: Helene (Blum-)Gliewe (1907–1992), deren Arbeiten von 1933–1936 in Gladbach-Rheydt (heute: Mönchengladbach) dokumentiert sind, und Nina Tokumbet (1901–1993), deren Entwürfe 1934 und 1936 in Berlin am Schiller-Theater, in Lausanne und im Landestheater Braunschweig gezeigt wurden. Vgl. Das deutsche Bühnenbild 1933–1936 (1937). Ausstellungskatalog. 13. Februar bis 14. März 1937, Haus der Kunst, Berlin, S. 28 und S. 47. 38 Andrea Ellmeier/Doris Ingrisch/Claudia Walkensteiner-Preschl (Hg.) (2010): Screenings. Wissen und Geschlecht in Musik, Theater, Film. Zur Einführung, Wien, S. 9. 39 Ellmeier/Ingrisch/Walkensteiner-Preschl (2010), S. 9.

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Vom Bühnen-Bild zum dienenden Raum der 1950er Jahre Wie Ottmar Schuberth in den 1950er Jahren feststellte, sei ein Bühnenbild kein Bild im eigentlichen Sinn, sondern müsse den verschiedenen Blickpunkten des Zuschauerraumes standhalten und sei von daher nicht nur dreidimensional zu verstehen, sondern habe auch die vierte Dimension, die Zeit, mit einzubeziehen.40 Vor allem aber „darf nie vergessen werden, dass es [das Bühnenbild, Erg. B. B.] stets nur Diener am Kunstwerk bleiben und keinesfalls selbständig hervortreten darf“.41 Mittelpunkt soll stets der Schauspieler sein, die szenische Ausstattung soll mit sparsamsten Mitteln das Wesentliche möglichst nur andeuten und zeigen, was für das Drama sinnbildhaften Wert hat.42 Besonders wichtig für den Bühnenbildner sei, wie etwa bei Craig, der Regisseur: „Er ist ihm [dem Bühnenbildner, Erg. B. B.] auch maßgebend für Idee, Stil und Form der Inszenierung.“43 Die dienende Haltung des Bühnenbildes und des Bühnenbildners war vermutlich ein Spezifikum im europäischen Raum.44 In Bezug auf das Bühnenbild schrieb Schuberth über Amerika [die USA, Anm. B. B.], es sei gekennzeichnet als das Land der besten Beleuchtungsmaschinen. Hier stehe „im Vordergrund der Architekt, der nicht nur das Theater baut, sondern auch die Szene ausstattet. […] Es gibt dort keine hauptberuflichen Bühnenbildner in unserem Sinne, sondern Architekten oder Maler, die als Stage-Designer für die Welt des Theaters arbeiten und nebenbei ihren Beruf in der realen Welt ausüben.“45 Vom dienenden Raum zur Kooperation und Gesamtkonzeption der Inszenierung ab den 1970er Jahren Zu Beginn der 1960er Jahre schienen die Errungenschaften der historischen Avantgarde in Vergessenheit geraten zu sein. Paul Pörtner mahnte aufgrund des von ihm festgestellten Verharrens der Theaterpraxis in einer ungeklärten Stellung zwischen „Konvention und Wagnis, zwischen Stagnation und Wandlung“ zur „Besinnung auf die Prinzipien des Theaters als selbständige Kunstgattung 40 Schuberth (2005), S. 134. 41 Schuberth (2005), S. 135. 42 Schuberth (2005), S. 135. 43 Schuberth (2005), S. 139. 44 Vgl. Pkt. 3.3 zu den in dieser Arbeit porträtierten Bühnenbildnerinnen Hanna Jordan und Ita Maximowna, die ebenfalls, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, ihre dienende Haltung als Bühnenbildnerinnen hervorhoben. 45 Schuberth (2005), S. 125.

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[… und zur] Wiederentdeckung des ursprünglichen reinen Theaters“.46 Damit meinte er den „Horizont eines ‚Totaltheaters‘, an dem sich Dichter, Musiker, Maler, Plastiker, Architekten, Schauspieler, Tänzer und Regisseure beteiligen, als Gemeinschaftswerk, als künstlerische Synthese der Künste, als lebendige Kunst der Künste“.47 Die ab den 1960er Jahren hervorgebrachten ästhetischen Praktiken wie Performance Art, Fluxus oder Happening stellten die konventionelle Unterscheidung von Theater und bildenden Künsten in Frage. Wesentliche Impulse erhielt das europäische Theater durch die Auseinandersetzung mit außereuropäischen Theaterformen.48 Theaterinszenierungen wurden zu Gemeinschaftswerken: Regisseur(in), Bühnenbildner(in), Dramaturg(in) und Kostümbildnerin (Kostümbildner) bildeten das leitende Team einer Inszenierung. Neue Medien technischer Reproduktion wie Filmeinspielungen, Bildprojektionen und Videoübertragungen erweiterten zusätzlich die Raumordnungen des Theaters.49 Enge Zusammenarbeiten eines Bühnenbildners mit einem Regisseur oder umgekehrt wurden ab den 1970er Jahren für die Bühnenraumgestaltung stilbildend.50 Große Gesamtkonzeptionen oder Einzelreformen wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden nicht mehr, aber Kooperationen innerhalb einer Gesamtkonzeption „zwischen Abstraktion und Realismus, Ausstellungsfülle und Armut [Herv. B. B.]“, die unter anderem die Entwicklung hin zur Szenografie und Bühnenraumgestaltung beförderten.51 Gemeinsam ist diesen Entwicklungen, dass Regisseurinnen oder Bühnenbildnerinnen weiterhin Ausnahmen blieben. Vom Bühnenmaler über den Regisseur zum Bühnenbildner Der „Moment, wo aus dem Bühnenmaler der Bühnenbildner wurde“,52 geschah im Zuge der Theaterreform Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts.53 Durch die neuen Zusammenarbeiten von Theater und bildender Kunst wurde „die 46 Pörtner (1960), S. 7. 47 Pörtner (1960), S. 7-8. 48 Vgl. Brauneck (2009), S. 17. 49 Vgl. Roselt (2005), S. 266. 50 U.a. prägten die Zusammenarbeiten von Karl-Ernst Herrmann und Peter Stein, Wilfried Minks und Peter Zadek oder Josef Svoboda und Otomar Krejca über Jahrzehnte die europäischen Bühnengestaltungen. Vgl. Pavis/Schneilin (2001), S. 187. 51 Vgl. Pavis/Schneilin (2001), S. 187. 52 Schuberth (2005), S. 134. 53 Peter Simhandl (2007a): Die Theaterreform um 1900. In: Peter Simhandl (2007b): Theatergeschichte in einem Band, Berlin, S. 362-375.

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Kunst des szenischen Bühnenbaus zum Theaterberuf, hatte sich die Wandlung vom Theaterarchitekten des Barock über den Theatermaler und ‚Dekorateur‘ des 19. Jahrhunderts zum gleichberechtigten Partner des Regisseurs und Darstellers vollzogen [Herv. B. B.]“.54 Die Bühne wurde, wie im obigen Abschnitt beschrieben, „zum Raum bildnerischen Experimentierens“, die illusionistische Nachahmung der Natur wurde durch Raumgestaltungen, die mit bisherigen Traditionen brachen, abgelöst.55 Erste Bühnenbilder der europäischen Theateravantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden entweder von bildenden Künstlern (wie Edvard Munch, Wassily Kandinsky, Pablo Picasso, Oskar Schlemmer) gestaltet. Oder von Männern, die eine Ausbildung als bildende Künstler, Architekten u.a.m. erfahren durften – Frauen war bis in die 1920er Jahre ein Universitätsstudium kaum möglich – und sich auf Bühnenausstattungen spezialisiert hatten (wie Ernst Stern, Emil Pirchan, Caspar Neher). Die drei wesentlichen Entwicklungen, die die grundlegenden Veränderungen für das Theater einleiteten, waren: [D]as neue Verständnis von Regie, insbesondere von der Stellung des Regisseurs im Prozeß der Inszenierungsarbeit; ein verändertes Verhältnis des Theaters gegenüber der Sphäre des Politischen; […] die dem Theater aufgezwungene Auseinandersetzung mit dem Film und den in diesem Zusammenhang stattfindenden Veränderungen des tradierten kulturellen Gefüges europäischer Prägung, in dem das Theater stets eine exponierte Rolle eingenommen hatte.56

Die technischen Neuerungen der Jahrhundertwende wie die Verwendung von Stahlkonstruktionen, der Drehbühne, des Rundhorizontes und die Entwicklung der elektrischen Bühnenbeleuchtung waren eine Basis dieser Veränderungen, „wesentlich war aber v.a. die Erkenntnis von der Einheit und Ganzheitlichkeit der Inszenierung als eigenem Kunstwerk“.57 Die Realisation dieser Inszenierung verantwortete und koordinierte der Regisseur.58 Parallel dazu entstand auch die Funktion des Bühnenbildners, zu dessen Aufgaben „der Entwurf der Bühnenbilder für die einzelnen Szenen einer Neuinszenierung in Übereinstimmung mit

54 Nölle (1976), o.S. 55 Brauneck (2003b), Vorwort, S. XVI. 56 Brauneck (2003b), Vorwort, S. XVII. 57 Vgl. Pavis/Schneilin (2001), S. 186. 58 Regisseur (frz. Verwalter). Vgl. Monika Sandhack (2001): Regisseur. In: Manfred Brauneck/Gérard Schneilin (Hg.): Theaterlexikon 1. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 832-833.

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dem Konzept des Regisseurs“59 gehört. Edward Gordon Craig, selbst Regisseur und Bühnenbildner, dessen Entwürfe selten zur Aufführung kamen und oft Theorie blieben, sah im „Regisseur die zentrale künstlerische Persönlichkeit“, von dessen Genialität das Gelingen auf der Bühne abhänge; eine wesentliche Bedingung dafür sei die „Verfügungsgewalt“ [!] des Regisseurs über alle Ausdrucksmittel.60 Patrice Pavis verweist auf die veränderte Rolle des Szenografen in der Gegenwart: Früher war er eine untergeordnete Person, die nur den Hintergrund der Bühne zu malen hatte, und zwar zur größeren Ausstrahlung des Schauspielers und Regisseurs. Heute hat er die Aufgabe, die Raumdimension total zu gestalten: szenisch, szenographisch und theatralisch. Der Raum für seine Tätigkeit wird immer größer: Die Bühne und ihre Einteilung, die Beziehung zwischen Bühne und Zuschauerraum, die Einbindung des Zuschauerraums in das Theatergebäude und das soziale Umfeld, die unmittelbare Umgebung des Bühnenraums und des Theaters.61

Erst in den späten 1970er Jahren, mehr noch in den 1980er und ab den 1990er Jahren konnten die Tätigkeiten Regie und Bühnenraumgestaltung von Frauen erobert werden.62 Wie die neueren Entwicklungen zeigen, wird als Teil der Tätigkeit von SzenografInnen auch die Gestaltung von Museums-, Themen- und Eventausstellungen verstanden.63 Parallel wird eine Inszenierungspraxis entwickelt, bei der die herausragende Stellung des Regisseurs durch ein Leitungsteam oder Leading Team,64 bestehend aus Bühnen- und Kostümbild, Dramaturgie, Lichtdesign, Regie, Theaterleitung und deren Assistenzen, abgelöst wird. Der Szenograf oder Bühnenraumgestalter wird, auch durch die Verwendung der männlichen Sprachform, in der Fachliteratur bis in die Gegenwart überwie59 Ingeborg Janich (2001): Bühnenbildner (auch Szenograph oder Ausstatter). In: Manfred Brauneck/Gérard Schneilin (Hg.): Theaterlexikon 1. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 190-192. 60 Simhandl (2007a), S. 372. 61 Patrice Pavis (2001): Szenographie. In: Manfred Brauneck/Gérard Schneilin (Hg.): Theaterlexikon 1. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 963-965, hier: S. 964. 62 Vgl. Pkt. 2.3. 63 Vgl. den Abschnitt Der Terminus Bühnenbild, S. 35. 64 Vgl. zum Begriff des Leading Team zum Beispiel für das Musiktheater: Martina Elisabeth Gruber (2010): Die Vereinigten Bühnen Wien und ihre Musicalproduktionen, Diss., Wien, S. 100. Gruber nennt zusätzlich: Choreograph, musikalischen Direktor, Supervisor, Video- und Sounddesigner, Produktionsleitung.

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gend männlich imaginiert. Während in den Sozialwissenschaften und auch in der Kunstwissenschaft die Verwendung einer geschlechtssensiblen Sprache selbstverständlich scheint, zeigen sich die Theaterwissenschaft (und auch weite Teile der Architekturforschung) als deutlich konservativer. Die Tätigkeit der Bühnenraumgestaltung und die Rezeption von Ausstattungen, die als wesentlich für die Theatergeschichte gewürdigt werden, bleiben aus dieser Sicht eine Geschichte über Männer. Bühnenbildnerinnen, Bühnenraumgestalterinnen, Szenografinnen Für Frauen waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Österreich sowohl die akademische künstlerische Ausbildung wie auch die Berufsausübung bis auf wenige Ausnahmen nicht zugänglich.65 Die oben beschriebenen Veränderungen und die dahinterstehenden Konzepte der Theaterreformer waren an den Bedürfnissen und Möglichkeiten von Männern orientiert; sie prägen bis heute die Theaterarbeit. Frauen konnten in Deutschland und Österreich bis in die 1970er Jahre als Gestalterinnen des Bühnenraumes kaum in Erscheinung treten. Nur in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts war eine Ausnahme möglich: Die ersten Frauen, die als Bühnenbildnerinnen bekannt wurden, die russischen bildenden Künstlerinnen Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, Ljubov Popova und Varvara Stepanova konnten auch von der männlich orientierten Geschichtsschreibung nicht immer ignoriert werden.66 Beispielhaft für die Ausblendung von Frauen in der (Fach-)Literatur bis in die 2000er Jahre aus diesem Teil der Theatergeschichte ist Nora Eckerts oben erwähnter Überblick.67 Ziel der Autorin war, eine bis dahin fehlende „zusammenfassende Darstellung der Entwicklung des Bühnenbildes im zwanzigsten Jahrhundert“ zu präsentieren.68 Sie schildert ebenfalls die Veränderung der Funktion des Bühnenbildes als Illustration, bestehend aus Kulissen und Versatzstücken wie noch im Historismus und zum Teil im Naturalismus Ende des 19. Jahrhunderts, hin zu einem dramaturgischen, symbolischen Element der Reformbühnen69 und Inszenierungen ab Beginn des 20. Jahrhunderts, dabei verstärkt beeinflusst von aktuellen Kunstströmungen. Wichtig war der Autorin eine Würdigung der „Praktiker der Szenografie“, die ihrer Ansicht nach „allzu oft in 65 Vgl. Pkt. 3.2. 66 Vgl. Pkt. 3.1. 67 Vgl. Eckert (1998). 68 Eckert (1998), S. 11. 69 Eckert (1998), S. 25.

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die zweite Reihe gestellt w[u]rden zugunsten spektakulärer Auftritte bildender Künstler“.70 Eckert beschrieb auch die Entwicklung des Berufes vom im 19. Jahrhundert für das Ausstattungswesen verantwortlichen, meist nicht genannten „‚Vorstand[es] für Maschinenwesen‘, einer Art technischem Direktor“71 bis hin zu den akademisch ausgebildeten Bühnenbildner(inne)n der 1990er Jahre. Der Blick aus Geschlechterperspektive war Eckert fremd, ihre Geschichte des Bühnenbildes blieb überwiegend männlich. Die Autorin behauptete zwar, diejenigen sichtbar machen zu wollen, die „den Theateralltag prägen und prägten“,72 doch dann hätten mehr als nur sechs Bühnenbildnerinnen – Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, Ljubov Popova, Varvara Stepanova, rosalie und Anna Viebrock – in ihrer Darstellung genannt werden müssen. Im Vergleich dazu schilderte Eckert die Geschichte des Bühnenbildes im Wesentlichen anhand von Berufsbiografien von mehr als achtzig überwiegend männlichen Bühnenbildnern. Die Autorin war offensichtlich daran interessiert, im Stil klassischer kunstgeschichtlicher Überblickswerke Bühnenbildner als eigenständige Künstler zu präsentieren. Auch Eckert fasste damit einen großen Teil der Entwicklung des Berufes als Männerberuf zusammen.73 In den 1970er Jahren wurden durch feministische Kunstwissenschafterinnen, zuerst außerhalb der Institutionen wie Universitäten oder Museen, die Beiträge von Künstlerinnen in den Mittelpunkt der Forschungen gestellt.74 Im Zuge dieses Prozesses wurde begonnen, auch die Werke der vier russischen Pionierinnen der Bühnenbildkunst, Natalia Gonþarova75 (1881–1962), Alexandra Exter (1882– 1949), Ljubov Popova (1889–1924) und Varvara Stepanova (1894–1958) durch

70 Eckert (1998), S. 11. 71 Eckert (1998), S. 24. 72 Eckert (1998), S. 11. 73 Monographien sind hauptsächlich Bühnenbildnern gewidmet, die meiste Literatur im deutschsprachigen Raum ist bis heute zu Karl Friedrich Schinkel, Adolphe Appia, Edward Gordon Craig, Alfred Roller, Caspar Neher, Traugott Müller und später Achim Freyer, Jürgen Rose oder Einar Schleef erschienen. Auch das Schaffen von bildenden Künstlern oder Architekten, die Bühnenbilder gestalteten, wie zum Beispiel Clemens Holzmeister, Hermann Nitsch, Christian Ludwig Attersee, ist ausführlich dokumentiert. 74 Vgl. Sigrid Schade (2006): Körper und Körpertheorien in der Kunstgeschichte. In: Anja Zimmermann (Hg.) (2006b): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung, Berlin, S. 61-72, hier: S. 64. 75 Andere Schreibweisen: Natalia oder Nataliya Goncharova, Nathalie Gontcharova.

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Publikationen76 und Ausstellungen zu würdigen.77 Monographien über diese Künstlerinnen wurden ab den 1970er Jahren verstärkt publiziert, waren jedoch hauptsächlich deren malerischem und grafischem Werk gewidmet. Erst ab Anfang der 2000er Jahre erschienen Publikationen, die sich auch mit den bühnenbildnerischen Arbeiten befassten: 2003 über Alexandra Exter78, 2009 und 2010 über Natalia Gonþarova.79 Bis in das Jahr 2006 sind, soweit bisher festgestellt werden konnte, nur fünf deutschsprachige Monographien über Bühnenbildnerinnen bzw. vorwiegend über das bühnenbildnerische Werk der Künstlerinnen erschienen: im Jahr 1982 über Ita Maximowna80, 1990 über Xenia Hausner81, im Jahr 2000 über Anna Viebrock82 sowie rosalie83 und 2006 über Hanna Jordan84. 2007 folgte ein Ausstellungskatalog über Muriel Gerstner85, 2010 erschienen eine Monographie über Katrin Brack86, eine weitere über rosalie87 sowie eine Publikation zu Penelope 76 Vgl. zusammenfassend: Manfred Brauneck (1993ff.): Die Welt als Bühne, Bd. 1-6, Stuttgart, Weimar; Eckert (1998), S. 88-91 und Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, Reinbek bei Hamburg. 77 Ein Hinweis wurde auf die russische Kostüm- und Bühnenbildnerin Tatjana Georgijevna Bruni (1902–1979) gefunden. Da hier Künstlerinnen mit dem Schwerpunkt Bühnenbild vorgestellt werden, wird Tatjana Bruni nicht ausführlich beschrieben. Vgl. Fembio – Frauen-Biographieforschung, Internet-Quelle. 78 Jean Chauvelin/Nadia Filatoff (2003): Alexandra Exter. Monographie, ChevillyLarue. 79 Beate Kemfert (Hg.) (2009b): Natalja Gontscharowa. Zwischen russischer Tradition und europäischer Moderne. Ausstellungskatalog. 7. Oktober 2009 bis 24. Januar 2010, Opelvillen/Rüsselsheim, Ostfildern-Ruit bzw. Anthony Parton (2010): Goncharova. The art and design of Natalia Goncharova, Woodbridge. 80 Ita Maximowna (1982): Bühnenbilderbuch, Tübingen. 81 Xenia Hausner (1990b): Rätselraum Fremde Frau, Heidelberg, Offenbach. 82 Anna Viebrock (2000): Bühnen, Räume. Damit die Zeit nicht stehenbleibt. Bettina Masuch (Hg.), Berlin. 83 rosalie (2000b): Bilder und Räume: Theater, Malerei, Objekte, Installationen, Stuttgart. 84 Anne Linsel (2006): Weltentwürfe. Die Bühnenbildnerin Hanna Jordan, Essen. 85 Muriel Gerstner (2007b): Zu bösen Häusern gehen, Number Nine Barnsbury Road, Soho. Ausstellungskatalog. Schweizer Beitrag zur XI. Quadriennale für Bühnenbild und Theaterarchitektur 14. bis 24 Juni 2007 in Prag. Hg. vom Bundesamt für Kultur, Basel. 86 Anja Nioduschewski (Hg.) (2010c): Katrin Brack, Bühnenbild/Stages, Berlin.

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Wehrli88. 2011 folgte ein Ausstellungskatalog89 sowie eine zweite Monographie über die Arbeiten der erfolgreichsten Bühnenbildnerin der Gegenwart im deutschsprachigen Raum, Anna Viebrock90. Während im Jahr 2010 das Deutsche Theatermuseum in München erstmals eine Ausstellung den „Regie-Frauen“ mit dem Untertitel „Ein Männerberuf in Frauenhand“91 widmete, fehlt, nach aktuellem Wissensstand, eine Ausstellung über die Geschichte und das Wirken von Bühnenbildnerinnen und auch Kostümbildnerinnen. Ob die Veränderungen in der Szenografie und Bühnenraumgestaltung tatsächlich einen Wandel im Geschlechterverhältnis und in der Anerkennung des Anteils von Frauen in diesem Beruf bewirken werden, bleibt noch offen. Entwicklungen der Szenografie und Bühnenraumgestaltung ab den 1990er Jahren Der Begriff Szenografie wurde vor allem in Osteuropa verwendet92 und wird auch synonym für Bühnenraumgestaltung gebraucht. Christopher Balme zitiert die ursprüngliche Bedeutung „Malen der skênê“ und definiert Szenografie als „die visuelle Gestaltung der Bühne, einschließlich Beleuchtung und Bühnenmaschinerie […], die Bühnenbild, Licht und Kostümgestaltung [einschließt]“.93 Balme verweist darauf, dass die Anwendung bildwissenschaftlicher Theorien auf das Theater neue Diskurse der Kategorien Bild und Raum erfordert.94 Auch Pat87 rosalie (2010): Lichtkunst/light art. the universal theatre of light. Hg. von Peter Weibel, Zürich. 88 Penelope Wehrli (2010b): raum partituren. Ich wohne in der Möglichkeit, Bern. 89 Anna Viebrock (2011a): Im Raum und aus der Zeit – Bühnenbild als Architektur. Ausstellungskatalog. 4. Dezember 2010 bis 6. März 2011, S AM Schweizerisches Architekturmuseum, Basel. 90 Anna Viebrock (2011b): Das Vorgefundene erfinden. Ute Müller-Tischler/Malte Ubenauf (Hg.), Berlin. 91 Vgl. Christina Haberlik (2010): Regie-Frauen. Ein Männerberuf in Frauenhand. Mit Portraits von 55 Regisseurinnen. Vom 15. April bis 29. August 2010, Deutsches Theatermuseum München (Hg.), München, Leipzig. 92 Vgl. den Abschnitt Der Terminus Bühnenbild, S. 35. 93 Christopher Balme (2005): Szenographie (gr. skênographia: Kulissenmalerei; engl. scenography, stage design; frz. scénographie). In: Erika Fischer-Lichte/Doris Kolesch/Matthias Warstat (Hg.): Metzler Lexikon Theatertheorie, Stuttgart, S. 322-325, hier: S. 322. 94 Balme (2005), S. 325.

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rice Pavis ruft zuerst die historische Bedeutung des Wortes in Erinnerung und erklärt die Szenografie als „Wissenschaft und Organisation der Bühne und Bühnenraums. S.[Szenographie] entsteht auch durch Bedeutungsübertragung des Bühnenbilds selbst, das sich aus der Arbeit des Szenographen ergibt.“95 Obwohl die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Szenografie auf der Zweidimensionalität eines (Bühnen-)Bildes beruht, wird die Szenografie gegenwärtig als eine „Kunst im dreidimensionalen Raum“ verstanden, „als Einrichtung, den Text und das menschliche Handeln zu erhellen (und nicht mehr zu illustrieren), eine Aussage-Situation darzustellen (und nicht mehr einen festen Ort) […]“.96

Thea Brejzek, Gesa Mueller von der Haegen und Lawrence Wallen rufen die Bedeutung der Szenografie als Raumpraxis und Raumtheorie vom Beginn des 20. Jahrhunderts in Erinnerung und stellen für die Gegenwart zahlreiche parallele Definitionen und Bedeutungen fest:97 Mit dem performative turn der Kultur- und in der Folge auch der Theater-, Medien- und Raumwissenschaften gerät die Szenografie seit Anfang der 1990er Jahre in einen vom unmittelbaren Theaterkontext losgelösten Fokus künstlerischer Lehre einerseits (Gründung der Fachbereiche Szenografie an der HfG Karlsruhe 1992 und der ZHdK Zürich 2001) und der Festivalisierung und Kommerzialisierung (Expos, Eventkultur, Themenausstellungen) andererseits.98

Der performative turn, also der Paradigmenwechsel von text- zu handlungsorientierten Betrachtungen99, belebte auch die Theaterwissenschaften. Erika FischerLichte bezeichnete diesen Wandel von der „Kultur als Text“, wie noch in der bürgerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts, zur „Kultur als Performance“, der sich in den 1990er Jahren endgültig durchgesetzt hatte, als wesentlich für die Analyse kultureller Prozesse.100 95 Pavis (2001), S. 963. 96 Pavis (2001), S. 964. 97 Vgl. Brejzak/Mueller von der Haegen/Wallen (2009), S. 370. 98 Brejzak/Mueller von der Haegen/Wallen (2009), S. 371 [Herv. i. Orig.]. 99 Vgl. Jürgen Martschukat/Steffen Patzold (2003a): Vorwort. In: Jürgen Martschukat/Steffen Patzold (Hg.) (2003b): Geschichtswissenschaft und „performative turn“. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln, S. 1-31, hier: S. 2. 100 Vgl. Erika Fischer-Lichte (2003): Performance, Inszenierung, Ritual. Zur Klärung kulturwissenschaftlicher Schlüsselbegriffe. In: Martschukat/ Patzold (Hg.) (2003b):

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Im Kontext der Ausstellungs- und im weiteren Sinn Raumgestaltung wird Szenografie als „‚Universaldisziplin‘, […] die sich explizit dem Raum und seiner Inszenierung widmet“,101 bezeichnet. Im Gegensatz zum Kunstwerk, das der Vieldeutigkeit verhaftet bleibe, sorge die Szenografie für Klarheit und Lösung, Orientierung und Einsicht, dies als Handwerk und Theorie, Technik und Technologie zugleich.102 Dazu wird aber festgehalten: „Szenografie ist originärkünstlerisches Konzipieren und Entwerfen. Der Szenograf ist ein gestaltender Autor.“103 Damit bleibt auch in dieser Darstellung die Möglichkeit, Szenografie könne von Autorinnen gestaltet werden, durch die Verwendung der männlichen Sprachform ausgeblendet und unerwähnt. Die Performance ist jüngst auch in der Bühnenraumgestaltung angekommen. Der Titel und Fokus der zwölften Prager Quadriennale, der weltweit einzigen Ausstellung zum Thema Bühnenbild/Bühnengestaltung, wurde 2011 von der neuen künstlerischen Direktorin Sodja Zupanc Lotker in Prague Quadrennial of Performance Design and Space (Prager Quadriennale für Bühnen- und Raumgestaltung) geändert.104 Lotker greift damit die Auflösung bisheriger Genregrenzen auf, auch die Geschlechtergrenzen werden in einzelnen Beiträgen thematisiert,105 dennoch: Mehrheitlich waren auch bei dieser Quadriennale Bühnenraumgestalter vertreten.106

Geschichtswissenschaft und „performative turn“. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln, S. 33-54, hier: S. 36. 101 Christian Barthelmes (2011): Prolog. In: Atelier Brückner GmbH (Hg.): Scenography/Szenografie. Making spaces talk/Narrative Räume. Projects/Projekte 2002–2010. Autoren: Christian Barthelmes, Michaela Ganter, Claudia Luxbacher, Frank den Oudsten, Ludwigsburg, Stuttgart, S. 11-23, hier: S. 18. 102 Vgl. Barthelmes (2011), S. 18. 103 Barthelmes (2011), S. 18. 104 Vgl. Diesselhorst, Internet-Quelle. 105 Vgl. Irmer (2011), S. 17. 106 Vgl. Prague Quadrennial 2011, Internet-Quelle.

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Bühnenbild, Bühnenraumgestaltung und Szenografie in der Theaterwissenschaft Zusätzlich zur Marginalisierung von Frauen im Bereich Bühnenraumgestaltung ist auch eine Marginalisierung der Bühnenbildkunst in den Theater- und Kunstwissenschaften festzustellen. Zur Frage, ob BühnenbildnerInnen bzw. die Bühnenraumgestaltung im Zentrum einer theaterwissenschaftlichen Forschung stehen sollten, gibt es geteilte Auffassungen. Christopher Balme hält fest, dass „die Theaterwissenschaft [sich] in erster Linie mit dem Bereich des Schauraums, vor allem dem Bühnenbild“,107 beschäftigt, und er verweist dabei auch auf die Kooperation mit der Kunstwissenschaft. Balme geht darauf ein, dass der Begriff Bühnenbild vermehrt durch die Bezeichnung Szenografie abgelöst wird und damit der gegenwärtigen Inszenierungspraxis, die das Zusammenwirken von Bild, Licht, Raum und technischen Fragen umfasst, gerechter wird.108 Das kann auch als Entwicklung, die an die Konzepte der Theaterreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts anknüpft, gelesen werden. Eine exakte Aufteilung der Forschung über das Bühnenbild oder die Szenografie (Bühnenbild, Licht- und Kostümgestaltung) lässt sich nach Balme nicht definieren, er meint dazu: Allerdings gehören Fragen des Bühnenbildes und des Theaterkostüms sicherlich nicht zu den bevorzugten Forschungsfeldern der Kunstwissenschaft. Der Arbeit der Szenographie haftete aus der Sicht der älteren Kunstwissenschaft der „Makel“ der angewandten Kunst an. Die wesentlichen Forschungsergebnisse zur Szenographie sind (mit einigen nennenswerten Ausnahmen) von der Theaterwissenschaft erbracht worden.109

Balme erwähnt, dass sich bereits „die erste Generation der Theaterwissenschaftler in Deutschland und anderswo“ mit szenografischen Fragestellungen befasste und sich auch die bisherige historische Forschung zur Szenografie an kunsthistorischen (Epoche-)Grenzen orientierte, nur wenn „namhafte Künstler“ für das Theater arbeiteten, befasste sich auch die Kunstwissenschaft mit der Theatergeschichte.110 Bei Balme wird außerdem festgehalten, dass die feministische und gendertheoretische Theaterwissenschaft bzw. -geschichtsschreibung sich in „ei-

107 Christopher Balme (2008): Einführung in die Theaterwissenschaft, 4. Auflage, Berlin, S. 147. 108 Vgl. Balme (2008), S. 147. 109 Balme (2008), S. 165-166. 110 Balme (2008), S. 166.

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ner Reihe interessanter Studien“ bisher nahezu ausschließlich mit der Schauspielerin befasste.111 Erika Fischer-Lichte definiert im Gegensatz dazu die Theaterwissenschaft als „eine Aufführungswissenschaft im Unterschied zu den Textwissenschaften[, die] aufführungsbezogene Theorien […] sowie vielfältige methodische Ansätze zur Aufführungsanalyse [entwickelt]“.112 Demnach wäre die Bühnenbildkunst in interdisziplinären Kooperationen zu bearbeiten. Die Frauen- und Genderforschung wird von Fischer-Lichte als „Konzentration auf Mikrogeschichte, d.h. auf partielle Fragen, Themen und Ansätze – anstelle der Makrogeschichte der ‚großen Erzählungen‘ – und auf individuelle Sinnbildungsprozesse“113 dargestellt. Es wird hier der Eindruck vermittelt, dass Themen wie Bühnengestaltung oder Gender als Strukturkategorie nicht zu den Arbeitsfeldern der reinen Theaterwissenschaft zählen. Andreas Kotte sieht die Theaterwissenschaft als historische Wissenschaft, die sich „als Lehre von den Erscheinungsformen von Theater in ihrer Beschaffenheit, ihrer synchronen Aufeinanderbezogenheit sowie diachronen Abläufe [entfaltet]“.114 Der Raum als örtliche Hervorhebung des Theaterspiels muss nach Kotte die Zuschauer und Agierenden aufnehmen und Beziehungen ermöglichen.115 Dabei sei der Raum nicht starr, sondern er verändere sich durch Handlungen, indem das Soziale Raum bildend wirke: „Im Wechsel von Agierenden und Zuschauenden wandeln sich die räumlichen Beziehungen unaufhörlich, gefragt werden muss, wie dies geschieht [Herv. B. B.].“116 Damit wird zumindest nicht ausgeschlossen, auch in der Theaterwissenschaft die Rollen und Bedeutungswahrnehmungen von AkteurInnen wie RegisseurIn oder BühnenbildnerIn sowie die Bedeutung der Institution Theater mit ihrer Geschichte und ihren Hierarchien zu hinterfragen oder Fragen nach dem Einfluss der Geschlechterverhältnisse zu stellen. 111 Balme (2008), S. 131. Vgl. auch: Renate Möhrmann (Hg.) (1989): Die Schauspielerin, Frankfurt am Main; Anna Helleis (2006): Faszination Schauspielerin. Von der Antike bis Hollywood: eine Sozialgeschichte. Zugleich Diss. (2005), Wien. Zum Frauenbild einzelner Autoren vgl. zum Beispiel: Evelyn Deutsch-Schreiner (1995): Ein Beitrag zum Frauenbild in Jura Soyfers weiblichen Bühnenfiguren. In: Donald G. Daviau (Hg.): Jura Soyfer and his time, Riverside, S. 78-93. 112 Erika Fischer-Lichte (2010): Theaterwissenschaft. Eine Einführung in die Grundlagen des Faches, Tübingen, S. 248. 113 Fischer-Lichte (2010), S. 103. 114 Andreas Kotte (2005): Theaterwissenschaft. Eine Einführung, Köln, S. 11. 115 Vgl. Kotte (2005), S. 66-80, hier: S. 66. 116 Kotte (2005), S. 69-70.

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Barbara Kaesbohrer nennt zur bisher fehlenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Bühnenbildkunst zwei Gründe: Das Bühnenbild wird traditionell als Bestandteil der Regiekonzeption gesehen und somit als Anhängsel der Inszenierung eingeordnet. Dies hat teilweise bis heute zur Folge, dass das Bühnenbild als eigenständige Kunstform in theaterwissenschaftlichen Schriften kaum wahrgenommen wird. […] Teilweise liegt die Begründung darin, dass den Theaterwissenschaften die Diskussionsinstrumente fehlen, um den Werkstoff des Bühnenbildners, die Sprache des Bildes zu bearbeiten.117

Die mangelnde Auseinandersetzung bezeichnet Kaesbohrer daher als den scheinbar „blinden Fleck der theaterwissenschaftlichen Forschung“ und stellt fest, dass auch die „Kunstwissenschaftler sich für diese uneigenständige Theaterkunst nicht zuständig [fühlen …], außer wenn der Bühnenbildner in der bildenden Kunst verwurzelt ist“.118 Betrachtungen über die Bühnenbildkunst müssten jedoch beide Perspektiven, die der Theater- und der Kunstwissenschaften vereinen. Die These der Kunsthistorikerin Anna Paterok bestätigt diese Analyse: Als Kunsthistorikerin frage ich mich natürlich, warum die Arbeit des Bühnenbildners auch wissenschaftlich so wenig wahrgenommen wird. Meines Erachtens liegt das auch daran, dass der Szenograf mit seinem Schaffen genau zwischen den Gegenständen der Kunstund Theaterwissenschaft arbeitet. Außerdem ist das Bühnenbild flüchtig; was bleibt, sind nur Verweise, Bruchstücke, Momentaufnahmen, […] denn die meisten Bühnenbilder sind extrem schlecht dokumentiert.119

Hier ist festzustellen, dass bisher fehlende inter- bzw. transdisziplinäre Forschung der Felder Theater-, Kunst- und auch Sozialwissenschaften, idealerweise auch mit dem Fokus der Genderperspektive, dazu beitragen kann, die Arbeit von Bühnenbildnerinnen und Bühnenbildnern sichtbarer zu machen. Die Flüchtigkeit ist der Theaterarbeit immanent, das gilt auch für Regie und Schauspiel. Dennoch wird über die Arbeit von Regisseuren, mittlerweile auch Regisseurinnen, mehr geschrieben. Es ist anzunehmen, dass unter anderem der Habitus von Regisseu-

117 Barbara Kaesbohrer (2010): Die sprechenden Räume. Ästhetisches Begreifen von Bühnenbildern der Postmoderne. Eine kunstpädagogische Betrachtung. Zugleich Diss. (2009), München, S. 10-11. 118 Kaesbohrer (2010), S. 11. 119 Zit. in: N.N. (2009), S. 44-47.

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ren, der das „Geschrei, mit dem sich jemand brüstet“,120 also Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache, Vermarktung der „Marke Ich“121 etc. beinhaltet, mehr akzeptiert ist und somit deutlich mehr darüber berichtet wird. Bemerkenswert ist die Ausblendung der wichtigen sozialen Kategorie Geschlecht wie auch weiterer wesentlicher Kategorien wie Ethnizität oder Herkunft bzw. das Verschweigen von Frauen im Theaterbereich und in den meisten Publikationen der Theaterwissenschaft durch die hartnäckige Verweigerung der Verwendung einer geschlechtergerechten122 oder diversitätssensiblen Sprache. Die Bühnenraumgestaltung als bildende, darstellende oder angewandte Kunst? Ob es sich um eine bildnerische oder angewandte Kunst handelt,123 scheint bis heute nicht entschieden. Nora Eckert legte dar, dass in den bisherigen Standard120 Siehe dazu den Abschnitt „Dann baust du?“ Berufsrealität – Der Bühnenbildner, S. 245. Vgl. zu den Grundlagen des Habitus-Konzepts: Pierre Bourdieu (2005): Die männliche Herrschaft, Frankfurt am Main. Zur Nutzbarmachung des HabitusKonzepts von Bourdieu in der Frauen- und Geschlechterforschung: Steffani Engler (2010): Habitus und sozialer Raum: Zur Nutzung der Konzepte Pierre Bourdieus in der Frauen- und Geschlechterforschung. In: Ruth Becker/Beate Kortendiek (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, 3. Auflage, Wiesbaden, S. 257-268. 121 Vgl. zum Beispiel: Conrad Seidl/Werner Beutelmeyer (2001): Die Marke Ich, Wien. 122 Das ist in vielen Fällen nicht nur sinngemäß falsch, sondern, nach mehr als vierzig Jahren Frauen- und Geschlechterforschung im deutschsprachigen Raum, als ignorant zu werten. Weibliche Berufsbezeichnungen wie Schauspielerin oder Künstlerin haben sich durchgesetzt und werden auch überwiegend in diesen Texten verwendet. Zum Thema feministische Linguistik vgl. u.a.: Luise F. Pusch (1991): Das Deutsche als Männersprache, Frankfurt am Main oder Senta Trömel-Plötz (2007): Frauensprache: Sprache der Veränderung, München. Trömel-Plötz zitiert hier die Bühnenbildnerin (Annelies, Erg. B.B.) Corrodi aus Basel, die sich gegen die Anrede als Fräulein wehrt: „Sehr geehrte Herrlein, falls Sie diese Anrede nicht besonders mögen – sie eventuell gar als unhöflich empfinden –, kann ich das durchaus verstehen. […]“ Zit. in: Trömel-Plötz (2007), S. 117. 123 Nach Emil Preetorius war „[d]ie Kunst szenischer Gestaltung keine freie, sondern in hohem Maße eine angewandte Kunst, die sich als Teil eines übergeordneten Ganzen dienstbar zu machen hat […].“ Emil Preetorius (2005): Zum Geleit. In: Ottmar Schuberth: Das Bühnenbild. Geschichte, Gestalt, Technik. 2. Auflage, Wilhelmshaven, S. 7.

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werken zum Thema bildende Kunst und Theater ausnahmslos Maler und Bildhauer zu Wort kamen: „Die Arbeit des ‚Nur‘-Bühnenbildners wird, von Ausnahmen abgesehen, als nicht genuin künstlerische bewertet, sondern unter dem häufig abwertenden Begriff des Kunstgewerbes eingeordnet.“124 Friedrich Dieckmann stellte die Frage, ob Bühnenbildentwürfe eine angewandte Kunst seien, und beantwortete sie folgendermaßen: „Insofern, als sie als Handhabende für Mitwirkende – Werkstattvorstände, Regisseure, Schauspieler – geschaffen wurden, als Mittel zu bestimmten theatralischen Zwecken, scheint diese Bezeichnung sinnvoll.“125 Trotzdem, so Dieckmann, wenn ein „souveräner graphischer Künstler am Werke ist, so wird dabei immer etwas entstehen, […] das die Funktion zur Form erhebt und darum auch außerhalb seiner praktischen Bestimmung ‚besteht‘“.126 Damit entstehe eine bildkünstlerische Gattung, die „Bühnenbildner-Graphik“ genannt werden kann, und insofern sei die Unterscheidung zwischen freier und angewandter Kunst sinnlos, denn „nur als angewandte, auf Anwendung berechnete kann diese Kunst eine freie werden“.127 Urheberrecht Mit dem urheberrechtlichen Schutz von Bühnenbild und Filmkulisse in Deutschland befasste sich Harald G. Heker im Jahr 1990. Er kam zu dem Schluss: Das Bühnenbild kann als flächige Bühnenmalerei und als dreidimensionale Raumgestaltung die für ein Werk i.S. des Urheberrechts erforderliche Ästhetik, Formgestaltung und Individualität erreichen. Daneben genießen bei Erfüllung derselben Voraussetzungen jeweils selbständigen Schutz die zum Bühnenbild angefertigten Entwürfe und einzelne Teile des Bühnenbildes. […] Ein Werk der angewandten Kunst bzw. Entwurf desselben ist das Bühnenbild nicht.128

Heker begründet seine Schlussaussage damit, dass wesentliche Voraussetzungen für angewandte Kunst ein praktischer Zweck sowie die Verwertung in Handwerk und Industrie seien, ein Bühnenbild jedoch dem Zuschauer die Illusion einer Ört124 Eckert (1998), S. 11. 125 Friedrich Dieckmann (Hg.) (1978): Bühnenbildner der Deutschen Demokratischen Republik. Arbeiten aus den Jahren 1971–1977. Im Auftrag der Sektion DDR der Internationalen Organisation der Bühnenbildner und Theatertechniker (OISTT), Berlin, S. 8. 126 Dieckmann (1978), S. 8 [Herv. i. Orig.]. 127 Dieckmann (1978), S. 8. 128 Heker (1990), S. 48-49.

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lichkeit, die es in Wirklichkeit nicht gibt, vermittelt; auch die industrielle Verwendung von Bühnenbildern ist bisher nicht üblich.129 Im Rahmen der Untersuchung „Die Bühneninszenierung als komplexes Werk“ befasste sich Elisabeth Christine Kuhn fünfzehn Jahre später mit den urheberrechtlichen Rahmenbedingungen einer Aufführung und stellte unter anderem fest: Das Bühnenbild ist im Regelfall als Werk der bildenden Künste urheberrechtlich geschützt. Dabei ist unerheblich, ob man es eher den Werken der bildenden Künste im engeren Sinn oder der Baukunst zurechnet.130

Aus urheberrechtlicher Sicht wird damit zum einen bestätigt, dass das Werk von BühnenbildnerInnen nicht der angewandten Kunst zugerechnet werden kann, zum anderen kann festgestellt werden, dass auch JuristInnen nicht die Dichotomie von bildender und angewandter Kunst auflösen können. Feministische Theaterwissenschaft? Dass der feministischen Theaterwissenschaft auch gegenwärtig noch ein Fragezeichen folgt, zeigt Katharina Pewny in ihrem Beitrag zum Sammelband „Gender Performances“.131 Sie hält unter anderem fest, dass zwar frauenspezifische Lehre in diesem Bereich durchgeführt wird und auch einzelne Forschungsarbeiten vorliegen,132 doch: „[D]ie Theaterwissenschaft des deutschsprachigen Raums 129 Vgl. Heker (1990), S. 48. 130 Kuhn (2005), S. 224. 131 Katharina Pewny (2011a): Männlichkeiten im Blick der feministischen Performance Studies. In: Andrea Ellmeier/Doris Ingrisch/Claudia Walkensteiner-Preschl (Hg.): Gender Performances. Wissen und Geschlecht in Musik, Theater, Film, Wien. S. 125-138; hier: S. 126.f. 132 Vgl. Katharina Pewny (2005): Performative Gesten – Theaterwissenschaft und Gender Studies verschränken. In: Marlen Bidwell-Steiner/Karin S. Wozonig (Hg.): Die Kategorie Geschlecht im Streit der Disziplinen, Innsbruck, Wien, Bozen, S. 253-269; Hilde Haider-Pregler/Monika Meister/Katharina Pewny (1999a): Feministische Forschung und Theaterwissenschaft. In: Ingvild Birkhan/Elisabeth Mixa/Susanne Rieser/Sabine Strasser (Hg.) (1999): Innovationen 1. Standpunkte feministischer Forschung und Lehre, Wien (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 9/1, hrsg. vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr), S. 349-358; Hilde Haider-Pregler/Monika Meister/Katharina Pewny (1999b): Zur Theaterwissenschaft Wien: Geschlechterdifferenz – Ästhetik – Filmtheorie – Bildungspolitik. In: Ingvild

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[hat] bislang keine nachhaltigen öffentlichen Organisationsstrukturen oder kontinuierlichen Diskurse zu feministischer, geschlechtsspezifischer oder queerer Theaterwissenschaft hervorgebracht.“133 Aufgrund der Forschungsarbeiten im US-amerikanischen oder britischen Raum vor allem von Sue Ellen Case134 u.a. seit Beginn der 1990er Jahre und durch den performative turn der Kulturwissenschaften zu Prozessen des „Genderings auf künstlerischen Bühnen“ sei die Theaterwissenschaft inzwischen dort angelangt, wo sich die Film- und Medienwissenschaften, die Sozial-, Literatur- und Bildwissenschaften schon seit längerer Zeit befinden.135 Wie die Geschichte von Frauen im Theater im deutschsprachigen Raum begann, welche Frauen damit gemeint waren, ob und in welcher Form feministische Theaterwissenschaft oder Theaterwissenschaft, die sich mit Genderfragen auseinandersetzt, existiert und wie sich die Situation speziell für Bühnenbildnerinnen gegenwärtig darstellt, zeigen die folgenden Abschnitte.

2.2 F RAUEN IN DEN K ULTURWISSENSCHAFTEN IM T HEATER

UND

In Punkt 2.1 wurde ausgeführt, dass die Tätigkeit der Bühnenraumgestaltung in der Theatergeschichte als überwiegend der Regie untergeordnet wahrgenommen wird. Die Geschichte des Bühnenbildes wurde in zahlreichen Fällen als Männergeschichte erzählt und die Beiträge und Leistungen von Bühnenbildnerinnen wurden bis weit in die 2000er Jahre als Ausnahmeerscheinungen dargestellt. Um dieses Bild nachvollziehen zu können, wird im folgenden Abschnitt die Situation von Frauen in den Kulturwissenschaften, der Kunstgeschichte und speziell im Theater analysiert.

Birkhan/Elisabeth Mixa/Susanne Rieser/Sabine Strasser (Hg.) (1999): Innovationen 1. Standpunkte feministischer Forschung und Lehre, Wien (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 9/1, hrsg. vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr), S. 359-366. Jüngst: Helga Gartner (2010): Die Darstellung der ersten Akademikerinnen im Film bis 1930, Diss., Wien. Vgl. auch Punkt 2.2. 133 Pewny (2011a), S. 126. 134 Vgl. u.a. Sue Ellen Case (1991): The performance of power: theatrical discourse and politics, Iowa City. 135 Pewny (2011a), S. 127.

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Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften Richtungweisende Publikationen aus den Kulturwissenschaften liegen unter anderem mit den zwei Genus-Sammelbänden von Hadumod Bußmann und Renate Hof vor. Bereits im ersten Band aus dem Jahr 1995 wird ein ausgezeichneter Überblick zur Entstehung der Geschlechterverhältnisse sowie zu Inhalten der Gender Studies136 unter anderem in der Philosophie, der Literatur- und Geschichtsschreibung, der Kunst- und Musikwissenschaft gegeben. Besonders im Beitrag von Cornelia Klinger zum Verhältnis von Philosophie und Genus als sozialem Geschlecht finden sich entsprechende Analogien zur Theaterwissenschaft.137 Klinger deckt darin auf, was in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Gültigkeit hat: Das unsere Kultur und Gesellschaft zutiefst prägende Ungleichgewicht zwischen den beiden Geschlechtern entsteht nicht in erster Linie deswegen, weil der Mann sich als das bessere Geschlecht und die Frau als das schlechtere, nachrangige deklariert, sondern weil der Mann für sich zwei Positionen beansprucht, die des (überlegenen) Geschlechts und die des geschlechtsneutralen Menschen zugleich.138

Der Forschungsgegenstand Mensch wurde auch in der Philosophie nicht geschlechtsneutral gedacht, sondern hatte ein Geschlecht. Mensch = Mann bedeutet die dahinterstehende Haltung, die jedoch tabuisiert wurde. Das beredte Schweigen und verschwiegene Sprechen, wie Klinger diese Strategie nennt, kann noch gegenwärtig in der nicht-feministischen (Theater-)Wissenschaft beobachtet werden. Der Beitrag von Klinger erhellt, warum es gelungen ist, historische Überblickswerke zum Beispiel zur Geschichte des Theaters, der Kunst, des Bühnenbildes etc. aus dieser männlichen Perspektive (die auch von Frauen eingenommen werden kann) als wertfrei und vollständig wahrzunehmen. Zum einen wird Geschlechterdifferenz konsequent ausgeblendet, unter anderem verfolgbar in der weitgehend praktizierten Verweigerung, eine geschlechts-

136 Vgl. zu diesem Thema auch: Christina von Braun/Inge Stephan (Hg.) (2006): Gender-Studien. Eine Einführung, 2. Auflage, Stuttgart, Weimar sowie Christina von Braun/Inge Stephan (Hg.) (2009): Gender@Wissen. Ein Handbuch der Gender-Theorien, 2. Auflage, Köln, Weimar, Wien. 137 Cornelia Klinger (1995): Beredtes Schweigen und verschwiegenes Sprechen: Genus im Diskurs der Philosophie. In: Hadumod Bußmann/Renate Hof (Hg.). Genus. Zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften, Stuttgart, S. 34-59. 138 Klinger (1995), S. 36.

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spezifische Sprache zu verwenden.139 Zum anderen wird die Geschlechterdifferenz durch symbolistische Zuschreibungen, wofür Frauen oder Männer zuständig seien, permanent zur Sprache gebracht. Als weitere Strategie beschreibt Klinger das Konzept der „Frau als Metapher“,140 die zwar zur Abgrenzung und Konstituierung des „Mannes“ erforderlich, aber weit entfernt von den wirklichen Frauen in ihren Gegebenheiten und Identitäten ist. Das Konzept Frau wird in diesem Sinn gebraucht, um die Grenze der männlichen Ordnung zu markieren, um dem Mann eine Identität zu geben, die aus der Abgrenzung zur Frau entsteht: „Als weder Mann noch in eigener Bestimmtheit und Begrenztheit Frau ist sie aus den Ordnungen und Spielen des Mannes ausgeschlossen […].“141

Damit kommen Frauen wesentliche Funktionen für die Konstruktion und Aufrechterhaltung dieser Ordnungen zu, „[n]icht obwohl, sondern weil die Frauen an den männlich-patriarchal geprägten materiellen und intellektuellen, gesellschaftlichen und symbolischen Ordnungen keinen Anteil haben“.142 Für die Aufrechterhaltung des Ausschlusses von Frauen wird auch im Kultur- und Kunstbereich viel Aufwand betrieben.143 Wie diese Strategien im Arbeitsfeld Theater gegenwärtig noch wirken, wird noch dargestellt.144 Genusforschung, performative und pictoral turn in der Theaterwissenschaft Zehn Jahre später, im Jahr 2005, erschien der zweite Genus-Band, in dem sich Kati Röttger mit dem Verhältnis von Genusforschung und Theaterwissenschaft befasste.145 Röttger schilderte die Fachgeschichte der Theaterwissenschaft, die 139 Vgl. die zahlreichen Beispiele im Abschnitt 2.3. 140 Klinger (1995), S. 51. 141 Klinger (1995), S. 52. 142 Klinger (1995), S. 52. 143 Ein Beispiel aus dem österreichischen Kulturleben: Bei den Wiener Philharmonikern sind zwar seit 1997 Frauen zugelassen, doch liegt der Anteil von Musikerinnen im Orchester im Jahr 2010 noch immer unter einem Prozent. Vgl. u.a. Andrea Schurian: Kunstvolle Old-Boys-Netzwerke, 28. Mai 2010, Internet-Quelle. 144 Vgl. zum Beispiel die März-Ausgabe 2011 der Zeitschrift Theater heute sowie den Abschnitt Frauenproblem und (Post-)Feminismus, S. 71. 145 Kati Röttger (2005): Zwischen Repräsentation und Performanz: Gender in Theater und Theaterwissenschaft. In: Hadumod Bußmann/Renate Hof (Hg.): Genus. Ge-

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als relativ junge Wissenschaft gilt146 und bis in die 1970er Jahre als textorientierte Wissenschaft Schwierigkeiten hatte, sich zur Literaturwissenschaft abzugrenzen – nach der Autorin eine Analogie zur Frau als Subjekt, die ebenso schwer fassbar erscheint.147 Röttger arbeitet unter anderem heraus, dass die Dichotomie, also das hierarchische Verhältnis in Begriffspaaren wie Mann – Frau, Verstand – Körper, Text – Bild, Regie – Bühnenraum, wobei dem jeweils erstgenannten Begriff mehr Bedeutung und Macht zugeschrieben wird, durch den performative turn der 1990er Jahre nun auch die Begriffspaare Performativität – performance oder Aufführung – Ausführung in diese Liste von der deutschsprachigen Theaterwissenschaft aufgenommen wurde. In den US-amerikanischen Performance Studies wurde der Theaterbegriff um alle Formen menschlicher Handlungen, die eine theatralische Situation herstellen, erweitert, während „sich in Deutschland der englische Begriff [performance, Erg. B. B.] ausschließlich zur Definition von Darbietungen durchgesetzt [hat], die auf eine (aktionistische) Erweiterung der bildenden Künste abzielen […]“.148 Zusätzlich werde nach wie vor die politische Strategie von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit von Frauen in einer verstärkt visuellen Kultur – seit Ende der 1990er Jahre wurde außerdem ein pictoral turn149 eingeleitet – fortgeführt.150 Die Theaterwissenschaft weist nach Röttger inzwischen eine große interdisziplinäre Bandbreite auf,151 jedoch gibt es kaum Untersuchungen, die die Geschlechterverhältnisse und die Wertigkeit der Tätigkeiten, besonders die Beiträge von Bühnenbildnerinnen zu Inszenierungen, innerhalb der Institution Theater differenziert in den Blick nehmen. Erkenntnisse zu den Wechselwirkungen von Kunstwissenschaften, Institutionen wie Universität (oder Theater) und Geschlechterverhältnissen konnten bei

schlechterforschung / Gender Studies in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Ein Handbuch, Stuttgart, S. 520-556. 146 In Österreich wurde in Wien im Jahr 1943 ein Institut für Theaterwissenschaft gegründet, der erste Professor war der den Nationalsozialisten nahestehende Heinz Kindermann. Im Zuge des Verbotsgesetzes 1945 wurde er von seiner Stelle abberufen, 1954 gelang ihm trotzdem die Rückkehr. Kindermann prägte bis weit in die 1960er Jahre die österreichische Theaterwissenschaft durch Verschweigen der Beiträge der Theater-AvantgardistInnen der 1920er Jahre, ihre Vertreibung und Ermordungen durch die Nationalsozialisten. Vgl. Deutsch-Schreiner (2001), S. 290-291. 147 Vgl. Röttger (2005), S. 522. 148 Röttger (2005), S. 550. 149 Vgl. Röttger (2005), S. 550. 150 Vgl. Röttger (2005), S. 550-551. 151 Vgl. Röttger (2005), S. 523.

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feministischen Kunsthistorikerinnen gefunden werden, wie der folgende Abschnitt zeigt. Feministische Kunstwissenschaft Zur Frage „Welche Gründe gibt es für den Gender-Gap zwischen Studium und Berufsausübung speziell im künstlerischen Feld?“ finden sich vor allem im Sammelband über „Kunstgeschichte und Gender“152 zahlreiche Antworten und für die Situation von Bühnenbildnerinnen vergleichbare Erkenntnisse. Anja Zimmermann ruft zu Beginn die Forschungen der Neuen Frauenbewegung in Erinnerung, die in den 1970er Jahren feststellten, dass der Ausschluss von Frauen aus dem Kanon und den Orten kultureller Produktion konstitutiv für das Fach Kunstgeschichte ist. Zentrale Kategorien künstlerischer Produktivität wie „Genie“, „Künstler“ und „Kreativität“ sind geschlechtsspezifisch konnotiert und konzipiert. Bereits die Lebensbeschreibung bildender Künstler, die Giorgio Vasari im 16. Jahrhundert veröffentlichte, enthält diese Koppelung von Männlichkeit und Künstlerschaft.153

Zimmermann fasst zusammen, dass es für den Ausschluss von Künstlerinnen aus der Kunstgeschichte nicht nur einen Grund gab, sondern ein „Diskursverbund analysiert werden“154 muss(te). Die Verknüpfung von Psychoanalyse, Geschlecht und Visualität brachte als ein wesentliches Ergebnis „[d]ie Möglichkeit, Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit als ‚kulturelle‘ Verhandlungsorte des Unbewussten zu lesen“.155 Zusätzlich zur männlichen Konnotation der künstlerischen Tätigkeit waren für Künstlerinnen im Gegensatz zu Künstlern die Traditionslinien weiblicher künstlerischer Tätigkeit nicht sichtbar,156 das bedeutet bis in die Gegenwart durch das Verschweigen und Verschleiern der Leistungen von Frauen das Fehlen von weiblichen Vorbildern für Frauen. Kunsthistorikerinnen wie 152 Zimmermann (2006b). Vgl. auch: Maike Christadler (2000): Kreativität und Geschlecht. Giorgio Vasaris „Vite“ und Sofinisba Anguissolas Selbst-Bilder. Zugl. Diss. (1999), Berlin. 153 Anja Zimmermann (2006a): Einführung: Gender als Kategorie kunsthistorischer Forschung. In: Anja Zimmermann (Hg.) (2006b): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung, Berlin, S. 9-35, hier: S. 9. 154 Zimmermann (2006a), S. 11. 155 Zimmermann (2006a), S. 25. 156 Vgl. Dietmar Fuhrmann/Carola Muysers (1992): Profession ohne Tradition. 125 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen. Ausstellungskatalog. 11. September bis 1. November 1992, Berlin.

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Sigrid Schade und Silke Wenk dechiffrierten die Basis der Kunstgeschichte als Disziplin als „Erzählungen von Vätern und Söhnen“.157 Nanette Salomon zeigt in ihrem Beitrag auf, dass aus der bisher scheinbar objektiven Darstellung der Kunstgeschichte „die Geschichte der Privilegierung von Kreativität und Patronage eines weißen Mannes der Oberschicht auftaucht“.158 Sie empfiehlt Feministinnen, darauf zu beharren, die Ausschlussmechanismen aufzudecken, die zu einer ungleichgewichtigen Darstellung der Leistungen von Menschen führen, damit die Kunstwerke des Kanons nicht länger als paradigmatische Beispiele für ästhetische Werte oder für bedeutungsschwangere Expressivität oder repräsentativ für historische Strömungen [erscheinen], sondern sie sind die Bausteine eines Zusammenspiels von Machtverhältnissen.159

Salomon verweist auch auf die Gefahr, Künstlerinnen unkritisch in die bereits existierenden Strukturen der Wissenschaft einzufügen, weil dadurch bereits vorhandene Ausgrenzungen eher verstärkt als angezweifelt würden.160 Abschließend weist Salomon auch auf die Bedeutung des Prinzips der Heterosexualität hin, das spätestens seit dem 16. Jahrhundert in der modernen Gesellschaft vorherrscht. Die künstlerische Gestaltung des weiblichen und männlichen Aktes definiere einen „kosmopolitischen und internationalen Club von kulturell gebildeten heterosexuellen Männern, die untereinander fest verbündet“ sind, und weiter: „Die Liebe und Bewunderung von Männern untereinander wird durch den gemeinsamen Ausdruck ihrer offenen und ununterdrückbaren heterosexuellen Triebe akzeptabel gemacht.“161

157 Sigrid Schade/Silke Wenk (1995): Inszenierungen des Sehens: Kunst, Geschichte und Geschlechterdifferenz. In: Hadumod Bußmann/Renate Hof (Hg.): Genus. Zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften, Stuttgart, S. 340-407, hier: S. 341. Daher wird in der vorliegenden Arbeit die Geschichte von Bühnenbildnerinnen (s. Kap. 3) nicht in Generationen erzählt. Aufgrund der bisherigen Daten ist nicht davon auszugehen, dass die verschiedenen Altersgenerationen von Bühnenbildnerinnen Wissen über ihre Vorgängerinnen erfahren durften und konnten. 158 Nanette Salomon (2006): Der kunsthistorische Kanon – Unterlassungssünden. In: Anja Zimmermann (Hg.) (2006b): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung, Berlin, S. 37-52, hier: S. 43. 159 Salomon (2006), S. 43. 160 Vgl. Salomon (2006), S. 44-45. 161 Salomon (2006), S. 49.

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Frauen, Theatergeschichte und die Institution Theater Ist auch die Theatergeschichte eine Geschichte von Männern, die sich untereinander ihrer Liebe und Bewunderung durch Publikationen, Professuren, Preise etc. versichern? 1980 hatte die Schauspielerin und Regisseurin Lore Stefanek das deutsche Stadttheater als „eine[n] der letzten Ausläufer eines feudalistisch-patriarchalen Systems“ bezeichnet.162 In den 1980er Jahren befassten sich die Arbeitsgruppen „Frauen im Theater (FiT)“163 in zwei Publikationen mit dem Thema. Ulrike Haß schrieb: Frauen mit kritischer Intelligenz, Phantasie und Sensibilität leiden darunter, immer nur Zuarbeiterinnen zu sein. Sie wissen um ihre Qualitäten und wollen mit dem Assistentinnendasein brechen. Raum, Zeit und Geld sind die Dinge, die erobert werden wollen, um die eigenen Phantasien zu Wirklichkeit werden zu lassen.164

Die Gesprächs- und Diskussionsprotokolle der Arbeitsgruppen „Frauen im Theater“ zeichnen auch die Differenzdiskurse der 1980er Jahre nach. Fragen wie „Inszenieren Frauen anders?“ oder „Schreiben Kritikerinnen anders als Kritiker?“ standen im Mittelpunkt der ersten Dokumentation aus dem Jahr 1985, während ein Jahr später Sprache und Dramaturgie zeitgenössischer Autorinnen untersucht wurden und weniger die Rahmenbedingungen und Strukturen vom Theater als

162 Lore Stefanek in einem Gespräch zum Thema „Frau und weibliche Ästhetik im deutschen Stadttheater“. In: Friederike Hassauer/Peter Roos (Hg.) (1980): VerRückte Rede – Gibt es eine weibliche Ästhetik? Notizbuch 2, Berlin, S. 19. Vgl. auch: Ursula Schregel/Michael Erdmann (1985): Das Theater als letzte Bastion des Feudalismus? In: Theater heute 8, S. 28-33. Zum „Theater als bürgerliche Bastion“ vgl. DeutschSchreiner (2001), besonders S. 264-265. Deutsch-Schreiner zeigt darin unter anderem die frauenfeindlichen, von Standesdünkel und Elitedenken geprägten Haltungen der konservativen Politiker der österreichischen Nachkriegszeit auf, die vor allem hinsichtlich der Begrenzung des Zugangs zu akademischen Ausbildungen erschreckende Parallelitäten zur Gegenwart erkennen lassen. 163 Frauen im Theater (FiT) (1985): Dokumentation 1985. Ursula Ahrens, Karin Uecker et al. (Red.), Dramaturgische Gesellschaft (Hg.), Berlin. 164 Ulrike Haß (1985): Vorwort. In: Frauen im Theater (FiT): Dokumentation 1985. Ursula Ahrens, Karin Uecker et al. (Red.), Dramaturgische Gesellschaft (Hg.), Berlin, S. 3-5, hier: S. 5.

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Arbeitsplatz für Frauen im Mittelpunkt standen.165 1990 befasste sich die Arbeitsgruppe Frauen im Theater dann mit Tanztheater und Dramaturgie.166 Ein „gravierendes Hindernis auf dem Weg zur weiblichen Bühnenkunst […] ist zweifellos die katholische Kirche gewesen“, stellte Renate Möhrmann fest, denn deren Prinzip war „die kirchliche Auffassung vom Weiblichen – ausgehend von seiner zweitrangigen Stellung in der Schöpfungsgeschichte, – als etwas ‚Minderwertigem‘ und ‚von Natur aus Lasterhaftem‘ (wovon der Marienkult nur die Kehrseite ist), vor dem die Öffentlichkeit zu bewahren sei“.167 Für Schauspielerinnen brachte die in der Renaissance begonnene Enttheologisierung eine Lockerung des Verbots für Frauen, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Andere Erwerbsmöglichkeiten für „Töchter der gehobenen Stände“ waren bis ins 19. Jahrhundert nur die „Lehrtätigkeit – in Form des Gouvernantentums – und die Kunst – als Schauspielerin, Sängerin oder Schriftstellerin“.168 1998 veröffentlichte Ursula May ihr Buch „Theaterfrauen“ mit dem Ziel, „zu den vielen von Männern geschriebenen Theaterbüchern ein rein weibliches“ hinzuzufügen.169 Auch aufgrund der Tatsache, dass Frauen die Arbeit als Schauspielerin bis ins 17. Jahrhundert verboten war und Regisseurinnen, Bühnenbildnerinnen oder Dramaturginnen sich erst im 20. Jahrhundert gegen gesellschaftliche Widerstände170 durchsetzen konnten, gab es weniger Beiträge über Frauen, die

165 Frauen im Theater (FiT) (1988): Dokumentation 1986/1987. Ursula Ahrens/Barbara Scheel und Anne Schöfer (Red.), Dramaturgische Gesellschaft (Hg.), Berlin. 166 Frauen im Theater (FiT) (1990): MordsWeiber. Tanztheater und Dramaturgie. Dramaturgischer und szenischer Umgang mit Texten von Bernard-Marie Koltès. Dramaturgische Gesellschaft (Hg.), Berlin. 167 Möhrmann (2000), S. 11 [Herv. i. Orig.]. 168 Möhrmann (2000), S. 159. 169 Ursula May (1998): Theaterfrauen. Fünfzehn Porträts, Frankfurt am Main, Vorwort, S. 8. Im selben Jahr erschien, herausgegeben von Karin Uecker, die Publikation Frauen im europäischen Theater heute, jedoch „ausschließlich über Autorinnen, Regisseurinnen, Dramaturginnen, Schauspielerinnen, Theaterpädagoginnen, Kritikerinnen und Theaterleiterinnen […] ohne Berücksichtigung der visuellen Künste, der Oper und des Tanzes“. Karin Uecker (Hg.) (1998): Frauen im europäischen Theater heute, Hamburg, Vorwort, S. 9. 170 Zum Beispiel: Ausschluss vom Wahl- und Versammlungsrecht, von akademischer Bildung bis Anfang des 20. Jahrhunderts, Ausschluss von politischen und wirtschaftlichen Leitungspositionen bis in die 1970er Jahre – in einigen Teilen der Welt auch heute noch Realität.

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an Theatern und Opernhäusern wirkten.171 Brigitte Landes konstatierte 2001 in der Publikation „TheaterFrauenTheater“: Man muß so tun, als sei „das mit der Frau“ kein Problem, denn sonst könnte es eins werden, wie man an den Berichten der Frauen im „Theater heute“ [=Theaterzeitschrift, Herv. B. B.] sehen kann.172

Die Arbeit der Theaterfrauen wird unterschiedlich gewichtet dokumentiert. Da es erste Berufsschauspielerinnen bereits seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gibt,173 sie aufgrund ihres Berufes im Rampenlicht stehen und als Repräsentantinnen des jeweiligen zeitgenössischen Frauenbildes gesehen wurden,174 sind sie unter anderem deswegen die zahlenmäßig größte Gruppe von Bühnenfrauen, die mit Monographien, in Fachzeitschriften und im Internet porträtiert werden. Viel Aufmerksamkeit in der Literaturwissenschaft erfahren Autorinnen/Schriftstellerinnen175, in der Musikwissenschaft Musikerinnen und Dirigentinnen176; über Tänzerinnen177 und Choreografinnen178 oder Theaterleiterinnen, sogenannte

171 Eine Abfrage zum Beispiel im Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) brachte folgende Ergebnisse: zum Stichwort Schauspielerin: 125 Treffer; Schauspieler: 328 Treffer; Regisseurin: 7 Treffer; Regisseur: 148 Treffer; Bühnenbildnerin: 2 Treffer; Bühnenbildner: 15 Treffer. Siehe Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB), Internet-Quelle. 172 Brigitte Landes (2001): Gibt es einen Fortschritt? Ein Statement. In: Barbara Engelhardt/Therese Hörnigk/Bettina Masuch (Hg.): TheaterFrauenTheater, Berlin, S. 4754, hier: S. 47. 173 Vgl. Möhrmann (2000) und Helleis (2006). 174 Vgl. Matthias Müller (2000): Sarah Bernhardt – Eleonora Duse. Die Virtuosinnen der Jahrhundertwende. In: Renate Möhrmann (Hg.): Die Schauspielerin, Frankfurt am Main, S. 228-260, hier: S. 260. 175 Zum Beispiel: Sigrid Schmid-Bortenschlager (2009): Österreichische Schriftstellerinnen, 1800–2000. Eine Literaturgeschichte, Darmstadt. 176 Elke Mascha Blankenburg (2003): Dirigentinnen im 20. Jahrhundert. Portraits von Marin Alsop bis Simone Young, Hamburg. Vgl. u.a. zur geringen Anzahl von Dirigentinnen: Wolfgang Hattinger (2012): Der Dirigent. Aspekte eines merkwürdigen Berufs. Diss., Graz, S. 221-232. 177 Zum Beispiel: Amelie Soyka (2004): Tanzen und tanzen und nichts als tanzen. Tänzerinnen der Moderne von Josephine Baker bis Mary Wigmann, Berlin. 178 Vgl. Gerda Ehrlenbruch/Martina Peter-Bolaender (2004): Tanz: Vision und Wirklichkeit. Choreographinnen im zeitgenössischen Tanz, Kassel.

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Prinzipalinnen, die noch immer als erste Frau, die das Theater/die Oper … leitet, und Regisseurinnen liegen Publikationen vor.179 Theaterfrauen in Spitzenpositionen? Nach den Veröffentlichungen zum Thema Frauen im Theater in den 1980er und 1990er Jahren befasste sich 2005 ein Hearing im Düsseldorfer Schauspielhaus speziell mit „Theaterfrauen in Spitzenpositionen“.180 Ausgenommen wurden Bereiche, in denen Frauen vergleichsweise überdurchschnittlich vertreten waren, wie Schauspiel, Tanz-, Kinder- und Jugendtheater. Vertreten waren etwa Regisseurinnen, Intendantinnen und auch Bühnenbildnerinnen. Ziel war, „ein aktuelles, wenn auch subjektiv geprägtes Meinungs- und Stimmungsbild zu ermitteln“, die Möglichkeit des Austausches zu bieten, die Problematik des Themas bewusst zu machen und einen Vorschlagskatalog für Fördermaßnahmen zu erarbeiten.181 Die Theaterwissenschafterin Ulrike Haß stellte zusammenfassend zur im Jahr 2005 noch immer geringen Anzahl von Frauen in Leitungspositionen am Theater fest, dass „in der Kultur immer noch die konkurrierenden Brüderhorden [herrschen]. Das sind sich intellektuell bekämpfende und durchsetzende Männer.“182 Beim Theater handle es sich nach wie vor um eine Institution mit feudalen Erbschaften und einem extrem hierarchischen Aufbau. Frauen würden hier wie auch in den Bereichen Wissenschaft und Politik nur dann zugelassen, wenn diese Bereiche gesamtgesellschaftlich weniger wichtig werden.183 Ihrer Ansicht

179 Vgl. Uecker (1998). 180 Frauenkulturbüro NRW e.V. (Hg.) (2006): Standortbestimmung: Theaterfrauen in Spitzenpositionen. Im Auftrag des Arbeitskreises der Länderreferentinnen im Bereich „Frauen in Kunst und Kultur“. Redaktion: Waltraud Murauer, Krefeld. 181 So die Projektleiterin Waltraud Murauer in ihrer Vorbemerkung „Standortbestimmung oder Theater – die letzte feudalistische Bastion?“ In: Frauenkulturbüro NRW e.V. (2006), S. 9. 182 Ulrike Haß, Theaterwissenschaftliches Institut der Ruhr-Universität Bochum, im Gespräch mit Waltraud Murauer. In: Frauenkulturbüro NRW e.V. (2006), S. 30. 183 Der Inhalt dieser Aussage wurde sozialpsychologisch bestätigt. Vgl. Susanne Bruckmüller/Nyla Branscombe (2010): The glass cliff: When and why women are selected as leaders in crisis contexts. In: British Journal of Social Psychology 49/3, S. 433451. Zit. nach: Marion Sonnenmoser (2011): Notfallmanagerinnen. Wenn es Unternehmen schlecht geht, sollen weibliche Führungskräfte es richten. In: Psychologie heute 4, S. 12.

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nach seien Frauen besser geeignet, mit den Schwierigkeiten „zerfallender Institutionen“ zurechtzukommen.184 In den Handlungsempfehlungen und Forderungen zur Förderung von Frauen am Theater, die im Rahmen dieser Tagung erarbeitet wurden, wird unter anderem die Entwicklung einer Netzwerkstruktur für Theaterfrauen, die stärkere Berücksichtigung von Frauen in Leitungspositionen in Verbänden, öffentlichen Theatern, bei Festivals, in der akademischen Ausbildung und kulturellen Gremien gefordert.185 Eine Empfehlung von Ulrike Haß, „Frauen sollten sich nicht auf das Thema Frauen festlegen, sondern Frauen beanspruchen alle Themen“,186 wird offensichtlich auch aufgenommen, denn in den darauffolgenden Jahren erscheinen kaum mehr Publikationen zum Thema. Regisseurinnen Im Jahr 2010 widmete das Deutsche Theatermuseum in München erstmals eine Ausstellung den „Regie-Frauen“, die manchmal auch ein Theater leit(et)en. Dazu erschien die gleichnamige Publikation von Christina Haberlik mit dem Untertitel: „Ein Männerberuf in Frauenhand“.187 Sie beschreibt „den langen Weg, den Frauen zurücklegen mussten, bis sie so unbeschwert inszenieren konnten wie heute“.188 Haberlik stellt die Regisseurinnen in vier Generationen vor, hält aber fest, dass „der Begriff ‚Generation‘ nicht im streng biologischen Sinn zu begreifen [ist]; vielmehr ist damit die Einteilung durch eine von außen bedingte Veränderung der Stellung der Frau in diesem Beruf gemeint, die sich über gesellschaftliche Veränderung, sprich: die Akzeptanz weiblicher Regisseure definiert.“189 Was Haberlik mit der von außen bedingten Veränderung meint, bleibt offen. Auch wenn die Autorin ihren Ansatz als emanzipatorisch bezeichnet, so ist es ihr doch wichtig „streng zwischen Feminismus (stets auf der Suche nach einem Schuldigen und Unterdrücker) [sic] und Frauenbewegung (an Durchsetzung von Gleichberechtigung interessiert)“ zu unterscheiden.190 Haberlik präsen-

184 Vgl. Ulrike Haß im Gespräch mit Waltraud Murauer. In: Frauenkulturbüro NRW e.V. (2006), S. 31. 185 Vgl. Frauenkulturbüro NRW e.V. (2006), S. 40-41. 186 Ulrike Haß im Gespräch mit Waltraud Murauer. In: Frauenkulturbüro NRW e.V. (2006), S. 31. 187 Haberlik (2010). 188 Haberlik (2010), S. 7. 189 Haberlik (2010), S. 7. 190 Haberlik (2010), S. 8.

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tiert mit Barbara Bilabel, Anna Viebrock und Elke Lang drei Bühnenbildnerinnen, die auch als Regisseurinnen arbeiteten und arbeiten. Autorinnen Theaterautorinnen ist 2010 die Publikation „Radikal weiblich?“191 gewidmet. Christine Künzel stellt fest, dass es bis dato kaum eine Auseinandersetzung mit der jüngeren Generation von Autorinnen gibt, und will wissen, ob Autorinnen noch immer eine „Herausforderung“ für das Theater darstellen.192 Der Autorin und Herausgeberin Künzel geht es dabei weder um geschlechtsspezifische ästhetisch-thematische Zuschreibung noch um eine Sonderkategorie weiblicher Autorschaft. Um die Situation von Theaterautorinnen, deren Arbeitsbedingungen, Einkommen, Anerkennung und Rezeption im deutschsprachigen Raum darstellen zu können, „musste das Risiko eingegangen werden, dass das Projekt unter Umständen als Bestätigung bzw. Perpetuierung der Sonderkategorie ‚Frauenliteratur‘ missverstanden werden würde“.193 Die Anzahl und die Haltungen der vorgestellten Autorinnen stimmen zuversichtlich, ihre Befunde zur Institution Theater weniger. Die Autorin Theresia Walser bezeichnet Theater als „eine Anstalt, in der sich Strukturen und Hierarchien wie in einer Art Torfmull bewahrt haben, die man anderenorts längst überwunden hat. Mich wundert es nicht, dass im Theater Etliches mit gewisser Verspätung eintrifft.“194 Die erfolgreiche Schriftstellerin und Theaterautorin Kathrin Röggla konstatiert gegenwärtig (wieder) einen Begriff von Autorschaft, der mit dem männlichen Geniegedanken verknüpft ist und den sie als One-ManShow oder Glamour-Ding bezeichnet. Außerdem spricht Röggla die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern am Theater an: „Ich weiß es witzigerweise auch eher von Regisseurinnen oder Bühnenbildnerinnen, dass sie we-

191 Christine Künzel (Hg.) (2010c): Radikal weiblich? Theaterautorinnen heute. Theater der Zeit/Recherchen 72, Berlin. 192 Christine Künzel (2010a): Radikal weiblich? Theaterautorinnen heute. Eine Einleitung. In: Christine Künzel (Hg.) (2010c): Radikal weiblich? Theaterautorinnen heute. Theater der Zeit/Recherchen 72, Berlin, S. 6-15, hier: S. 6. 193 Künzel (2010a), S. 8. 194 Christine Künzel (2010b): Es gibt immer wieder Sätze, die an mir hängen bleiben. Ein Gespräch mit Theresia Walser. In: Christine Künzel (Hg.) (2010c): Radikal weiblich? Theaterautorinnen heute. Theater der Zeit/Recherchen 72, Berlin, S. 47-55, hier: S. 51.

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niger Geld bekommen als ihre männlichen Kollegen. Und das finde ich ziemlich schockierend.“195 Frauenproblem und (Post-)Feminismus? Bereits 2001 hatte Brigitte Landes festgestellt, dass „[d]ie Autorinnen selbst […] keinerlei Frauenproblem kennen, wie es alle zehn Jahre in Theater heute nachzulesen ist“.196 Im März 2011 war es wieder so weit: Die Zeitschrift Theater heute befasste sich auf auch optisch befremdliche Weise197 unter dem Titel „Mehr Frauen ins Theater“ wieder mit dem Thema. Die Beiträge im Heft bieten einen journalistischen Überblick „zur theoretischen Vielfalt des Feminismus“198, eine sehr kurze Erinnerung an Bühnenfrauen der letzten 25 Jahre und ein ausführlicheres Gespräch „unter Frauen und Müttern“ mit dem martialischen Titel „Einzelkämpferinnen an zwei Fronten“.199 Obwohl behauptet wird, dass „Frauen am Theater in den alten Männerdomänen Regie und Leitungen keine Ausnahmeerscheinungen“ mehr wären, zeigen die zahlenmäßigen Befunde, dass die Anzahl von Frauen als Intendantinnen, Regisseurinnen oder als Eingeladene beim Berliner Theatertreffen nach wie vor gering sind.200 Während die Autorin Kathrin Röggla auf die Frage nach Einführung einer Quote im Theaterbereich in diesem Beitrag daher mit „Ja“ antwortet, wird das Schlusswort des Gespräches Amélie Niermeyer, der Intendantin in Düsseldorf, überlassen, die eine Quote – also bei gleicher Leistung die zahlenmäßige Bevorzugung von Frauen, bis zumindest ein Frauen-Anteil von meist 30 Prozent [selten 40 Prozent, kaum 50 Prozent; Herv. und Erg. B. B.] erreicht ist – im Theater 195 Stephanie Müller (2010): In dieses Medium hinein. Ein Gespräch mit Kathrin Röggla. In: Christine Künzel (Hg.) (2010c): Radikal weiblich? Theaterautorinnen heute. Theater der Zeit/Recherchen 72, Berlin, S. 93-103, hier: S. 95. 196 Landes (2001), S. 47. Siehe auch den Abschnitt Frauen, Theatergeschichte und die Institution Theater, S. 55. 197 Theater heute 3/März 2011. Auf dem Titelblatt ist die gemalte Abbildung einer Frau in weißer Bluse mit blauer Schürze und Frisur im Stil der 1950er Jahre zu sehen. Eine gepflegte Trümmerfrau der Nachkriegszeit, die die zerfallende Institution Theater (Ulrike Haß, vgl. S. 69) retten soll? 198 Hilal Sezgin (2011): Post-Feminismus? Vielleicht später mal. Zur theoretischen Vielfalt des Feminismus und zur neuen Politik des Privaten. [Schwerpunkt: Frauen im Theater]. In: Theater heute 3, S. 16-21. 199 Einzelkämpferinnen an zwei Fronten (2011). [Schwerpunkt: Frauen im Theater]. In: Theater heute 3, S. 4-15. 200 Einzelkämpferinnen an zwei Fronten (2011), S. 4 und S. 6.

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zum jetzigen Zeitpunkt „absolut unangemessen“ findet, denn das „würde hier einen Prozess bremsen, der gerade selbstverständlich zu werden beginnt“.201 Ist damit gemeint, dass Leitungspositionen in deutschen Theatern (Intendanzen und Regie) noch immer nur zwischen 16 bis 29 Prozent Frauen-Anteil zeigen, während der sogenannte Mittel- und Unterbau (Dramaturgie und Regie-Assistenz) inzwischen zu fast 50 Prozent weiblich ist? In den bisherigen Abschnitten wurde gezeigt, dass Bühnenbildnerinnen sowohl in der Geschichte der Bühnengestaltung wie auch in der Geschichte von Frauen am Theater nur punktuell auftauchen. Daher widmet sich der folgende Abschnitt der Recherche nach Bühnenbildnerinnen seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Publikationen und Ausstellungen.

2.3 B ÜHNEN - UND K OSTÜMBILDNERINNEN , B ÜHNENRAUMGESTALTERINNEN Wie im Abschnitt 2.1 beschrieben, wird die Geschichte des Bühnenbildes überwiegend als Männergeschichte dargestellt. Obwohl seit den 1980er Jahren Inszenierungen als gemeinsame Arbeit von Regie und Bühnenbild verstanden werden und seit über dreißig Jahren vermehrt Frauen in diesen Bereichen ausgebildet werden202 und tätig sind, gibt es bisher wenig Literatur im deutschsprachigen Raum über Bühnenbildnerinnen, die, wie Regisseurinnen, Frauen in einem Männerberuf sind. Bis auf die Amazonen der Avantgarde203 wurde über Bühnen- und auch Kostümbildnerinnen bis Ende des 20. Jahrhunderts kaum wissenschaftlich gearbeitet und nur punktuell in Fachzeitschriften publiziert. Noch seltener wird das Wirken von Kostümbildnerinnen dokumentiert. Wie Bühnenbildnerinnen wurden auch sie bisher kaum als Theaterfrauen wahrgenommen, auch bei Ursula May204 oder in der Publikation „TheaterFrauenTheater“205 findet sich weder ein Porträt einer Szenografin noch das einer Kostümbildnerin. Nach dem jetzigen Wissensstand hat es bisher in Europa weder eine Ausstellung über Bühnen- und Kostümbildnerinnen gegeben noch einen historischen Überblick über Frauen, die Bühnenräume und/oder Kostüme gestalteten. Für die

201 Einzelkämpferinnen an zwei Fronten (2011), S. 14. 202 Siehe Kap. 4. 203 Vgl. Bowlt/Drutt/Tregulowa (1999). 204 Vgl. May (1998). 205 Vgl. Engelhardt/Hörnigk/Masuch (2001).

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Suche nach Bühnen- und Kostümbildnerinnen waren daher eine feministische Lupe und ein Erkenntnisinteresse an den Leistungen von Frauen speziell im Berufsfeld Bühnenraumgestaltung erforderlich. Eine kurze Recherche der englischsprachigen und US-amerikanischen Literatur zeigte ein ähnliches Ergebnis. So finden sich zwar vereinzelt Artikel über zeitgenössische Bühnenbildnerinnen und Licht-Designerinnen,206 eine umfassende historische Aufarbeitung der Thematik ist auch hier noch ausständig. Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der Suche nach Bühnenbildnerinnen, also Frauen, deren Tätigkeit schwerpunktmäßig die Bühnenraumgestaltung ist, dargestellt. Das Wirken von Kostümbildnerinnen dabei genauer zu dokumentieren, war nicht Ziel der Analyse, insofern kann die Thematik Frauen im Beruf Kostümbild hier nur ansatzweise verfolgt werden. Zuerst wurde in Theater-Lexika und Überblickswerken zum Thema Bühnenbild recherchiert.207 Fachliteratur über (bildende) Künstlerinnen, Frauen im Theater sowie Literatur der Frauen-, Geschlechter- und Genderforschung wurden gesichtet. Zusätzlich wurden Monographie-Verzeichnisse, (unveröffentlichte) Hochschulschriften und Texte – auch in Online-Datenbanken – über Bühnenbildnerinnen analysiert und in Ausgaben der Zeitschriften Theater heute, Theater der Zeit, Opernwelt sowie der Bühnentechnischen Rundschau recherchiert.208 206 Zum Beispiel: Linda Essig (2005): On Their Shoulders. Women in Lighting Design. In: TD & T, Theatre Design & Technology [United States Institute for Theatre Technology] 41, Summer, S. 31-35, über Licht-Designerinnen; Marian Sandberg/Ellen Lampert-Greaux (2008): Designing Women. Five Professionals Who Are Shaping The Industry in Lighting, Projection, Sound, Scenic, And Costume Design. In: LiveDesign, October, 42 (10), S. 36-42, mit Porträts einer Licht-, Licht- und Video-, einer Sound-, einer Kostüm- und einer Set-Designerin (=Bühnenbildnerin, B.B.), oder Tish Dace (2008): Designing Women. In: Bud Coleman/Judith Sebesta (Ed.): Women in American Musical Theatre. Essays on Composers, Lyricists, Librettists, Arrangers, Choreographers, Designers, Directors, Producers and Performance Artists, Jefferson/North Carolina, S. 130-154, über u.a. Bühnenbildnerinnen von Musicalproduktionen und weibliche „Broadway Pioniers“ ab den 1920er Jahren in den USA. 207 Vgl. vor allem: Manfred Brauneck (1993ff.): Die Welt als Bühne, Bd. 1-6, Stuttgart et al.; Eckert (1998), bes. S. 88-91; Brauneck/Schneilin (2001); Brauneck/Beck (2007); Brauneck (2009). 208 Da Standardwerke wie Eckerts „Das Bühnenbild im 20. Jahrhundert“ bereits im Jahr 1998 und davor erschienen sind, wurde ab dem Jahr 1995 in den Print-Ausgaben von Fachzeitschriften wie Theater heute, Theater der Zeit, Opernwelt und Bühnentechnische Rundschau (BTR) recherchiert. Diese Zeitschriften (außer Theater der Zeit, online nicht einsehbar) wurden auch mittels Online-Recherche auf kultiversum. Die

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Um nicht ausschließlich auf Literatur, die den patriarchalen Blick widerspiegelt, zurückzugreifen, wurde auch in feministischen Nachschlagewerken und Datenbanken geforscht.209 Die Recherche erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll eine Basis für weitere Forschungen schaffen. Chroniken und Überblickswerke Erste Bühnenbilder der Theateravantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden vor allem von bildenden KünstlerInnen gestaltet. In einer Chronologie des Theaters des 20. Jahrhunderts, aus Sicht des Autors „der wohl umfassendste Überblick über das Theater im 20. Jahrhundert“,210 werden auch „herausragende bühnenbildnerische Arbeiten“211 aufgelistet. Als erste ist ein Bühnenbild des Malers Edvard Munch (1906, Eröffnung der von Max Reinhardt geleiteten Kammerspiele in Berlin mit Henrik Ibsens Gespenster), als zweite die Bühnenausstattung des russischen Malers Léon Bakst (1910, Bühnenausstattung für RimskijKorsakovs Shéhérazade in Paris) genannt.212 Bereits die dritte Nennung geht an eine Malerin und Bühnenbildnerin: Natalia Gonþarova (1914, Bühnenausstattung zu Rimskij-Korsakovs Le Coq d’Or, Paris).213 Auch ein Eintrag zu Ljubov Popova wurde gefunden (1922, Inszenierung von Vsevolod Meyerhold in Moskau zu Der großmütige Hahnrei): „L. Popova entwirft dazu das Bühnenmodell“ [sic].214 Sie bleiben die zwei einzigen genannten Bühnenbildnerinnen in dieser Chronologie, die bis in das Jahr 2000 Kulturplattform (Internet-Quelle) durchsucht (Jahrgänge Theater heute sowie auch Literaturen ab 2004, Opernwelt und tanz ab 2005), die Bühnentechnische Rundschau ist online ab 2007 einsehbar. 209 Vgl. Fembio – Frauen-Biographieforschung, Internet-Quelle: Diese Datenbank, gegründet 1982 von der Sprachwissenschafterin Luise F. Pusch, widmet sich „der Aufklärung der Gesellschaft über ihre bessere Hälfte“. Es sind über 30.000 bedeutende Frauen aller Epochen und Länder verzeichnet, deren Daten nach zahlreichen Kriterien (ca. 250 Attribute) durchsucht und verknüpft werden können. Seit 1982 werden Daten gesammelt und „täglich kommen neue hinzu“: Über Fembio, 28.08.2010; vgl. auch: Susanne Gretter/Luise F. Pusch (2002): Berühmte Frauen 1. Dreihundert Porträts, Frankfurt am Main, Leipzig; Susanne Gretter/Luise F. Pusch (2003): Berühmte Frauen 2. Dreihundert Porträts, Frankfurt am Main, Leipzig. 210 Brauneck (2009), Vorwort, S. 19. 211 Brauneck (2009), S. 624-664. 212 Vgl. Brauneck (2009), S. 626-627. 213 Vgl. Brauneck (2009), S. 628. 214 Vgl. Brauneck (2009), S. 632.

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reicht. Herausragende bühnenbildnerische Arbeiten werden in dieser Publikation vor allem dann genannt, wenn diese von bildenden Künstlern gestaltet wurden. Nachdem eine Ausbildung zur/zum BühnenbildnerIn vor allem ab der Nachkriegszeit angeboten wurde und deren Absolventen, später auch Absolventinnen, vermehrt Ausstattungen ab den 1970er Jahren gestalteten, kommen sie konsequenterweise ab Ende der 1960er Jahre in diesem Überblick kaum mehr vor. In Manfred Braunecks umfangreicher Geschichte des europäischen Theaters „Die Welt als Bühne“215 sind weitere Nennungen von Bühnenbildnerinnen zu finden. Obwohl in den Bänden 4 und 5 stellvertretend für die jeweilige Theaterepoche jeweils ein Bild einer Theaterfrau gezeigt wird – in Band 4 leitet die Abbildung eines Bühnenentwurfes von Alexandra Exter in das Thema ein216 und in Band 5 ist ein Ausschnitt aus einer Inszenierung von Ariane Mnouchkine (W. Shakespeares Richard II., Théâtre du Soleil, Avignon 1982) zu sehen – wird auch hier die Theatergeschichte konzentriert auf Männer erzählt. Außer von Natalia Gonþarova und Ljubov Popova werden die Beiträge von Alexandra Exter (1882–1949) und Varvara Stepanova (1894–1958) für die moderne Bühnenraumgestaltung kurz beschrieben.217 Genannt wird zudem die Wegbereiterin der abstrakten Malerei Sonia Delaunay-Terk (1885–1979). Sie gestaltete einige Bühnen- und vor allem Kostümentwürfe in den 1920er Jahren für die Ballets Russes von Serge Diaghilev, Kostüme für Dada-Soiréen in Paris sowie Entwürfe und Figurinen für das Marionettentheater.218 Erwähnt ist die französische Malerin Irène Lagut (1893–1994). Sie entwarf 1921 das Bühnenbild für Jean Cocteaus „Les Mariés de la Tour Eiffel“ für das Théâtre des Champs-Élysées in Paris.219 Andere Einträge zu Bühnen- und Kostümbildnerinnen bleiben ebenfalls kurz, auf biografische Daten oder einzelne Abbildungen begrenzt. Einige der Genannten sind: Ita Maximowna (1914–1988); Bele Bachem (1916–2005); Hanna Jordan (*1921); Gunilla Palmstierna-Weiss (*1928), die international arbeitete und zahlreiche Ausstattungen für Theater und Film, auch in Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Peter Weiss, gestaltete; Ilona 215 Manfred Brauneck (1993ff.): Die Welt als Bühne, Bd. 1-6, Stuttgart, Weimar, vor allem Bd. 4 (2003) und Bd. 5: Manfred Brauneck (2007a): Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters. Bd. 5, Stuttgart, Weimar. 216 Brauneck (2003b), S. 1 (Bd. 4) sowie Brauneck (2007a), S. 1 (Bd. 5). 217 Vgl. Brauneck (2003b), S. 818-859. 218 Vgl. Brauneck (2003b), S. 58, S. 80-81; sowie Eva Afuhs/Christina Reble (Hg.) (2007): Sophie Taeuber-Arp. Gestalterin, Architektin, Tänzerin. Ausstellungskatalog. 23. Feber bis 20. Mai 2007, Museum Bellerive, Zürich. 219 Brauneck (2003b), S. 75.

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Freyer (1943–1984), deren Arbeiten meist im Zusammenhang mit ihrem viel berühmteren Ehemann Achim Freyer dokumentiert wurden; die überwiegend in Frankreich tätige Chloe Obolensky (*1942); die Malerin Xenia Hausner (*1951), die zwischen 1977 und 1992 als Bühnenbildnerin tätig war; Katrin Brack (*1958); Annette Murschetz (*1967), die seit 2000 Ausstattungen vor allem für Inszenierungen der Regisseurin Andrea Breth entwirft; die vor allem als Kostümbildnerinnen tätigen Marianne Glittenberg (*1943), Erika Thomasberger (*1921), Maxi Tschunko (*1924) und Andrea Schmidt-Futterer. Nur Anna Viebrock (*1951) gelingt es, mit ihren Arbeiten für die Bühne mehr Raum in diesem Überblickswerk zu erhalten. In erster Linie ist dieser Textabschnitt jedoch dem Regisseur Christoph Marthaler, mit dem Viebrock seit Anfang der 1990er Jahre erfolgreich zusammenarbeitet, gewidmet.220 Ottmar Schuberth vermied in seinen Ausführungen zur Geschichte des Bühnenbildes, das Werk Einzelner zu präsentieren. Er nannte in seinem Werk nur kurz rund dreißig Männer und eine Frau, Herta Böhm (1911–2002), die seiner Ansicht nach hervorragende Leistungen in diesem Feld vollbracht hatten.221 Im Jahr 1998 erschien Volker Pfüllers Arbeitsbuch „Das Bild der Bühne“.222 Von elf vorgestellten BühnenbildnerInnen sind immerhin ein Drittel Frauen: Katja Haß (*1968); Kattrin Michel (*1967), die gegenwärtig die Professur für Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden innehat; rosalie223 (*1953) und Anna Viebrock. Einige Bühnenbildnerinnen der ehemaligen DDR konnten ebenfalls gefunden werden.224 Auch hier wird das Bühnenbild überwiegend als Männerdomäne dargestellt, doch stellte Friedrich Dieckmann im Jahr 1978 fest: Bemerkenswert ist der Anteil der Frauen unter den Bühnenbildstudenten der DDR; sie beschränken sich nicht mehr auf den hergebrachten Beruf der Kostümbildnerin, sondern ha-

220 Brauneck (2007a), S. 383-385. 221 Vgl. Schuberth (2005), S. 127. Auch in der internationalen Zusammenstellung Stage Design werden Arbeiten von zehn Bühnenbildnern und zwei Bühnenbildnerinnen, Maria Björnson (1949–2002) und Adrianne Lobel, als Beispiele für „die eindrucksvolle Leistung von 12 der berühmtesten Bühnenbildner aus fünf Kontinenten zusammengetragen“. Tony Davis (2001): Stage Design, Ludwigsburg, S. 7. 222 Volker Pfüller/Hans-Joachim Ruckerle (1998): Das Bild der Bühne. Theater der Zeit, Sonderheft/Arbeitsbuch, Berlin. 223 rosalie ist die bisher einzige Bühnenbildnerin, die ein Pseudonym verwendet. 224 Vgl. Dieckmann (1978); Pietzsch/Kaiser/Schneider (1988).

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ben sich in den letzten Jahren auch den des Bühnenbildners erobert, der die kostümbildnerische Arbeit nunmehr einschließt.225

In dieser Publikation werden 41 Bühnenbildner und Ausstattungsleiter sowie 11 Bühnen- und/oder Kostümbildnerinnen genannt: Heidi Brambach (*1944), Marion Eckert (*1945), Hannelore Gutt (*1950), Renee Hendrix-Finke (*1949), Elke Hersmann (*1940), Gabriele Jansen (*1951), Johanna Kieling226 (*1934), Eleonore Kleiber (*1925), Gabriele Koerbl (*1948), Edda Naumitz-Colditz (*1940), Annemarie Rost (*1924), Ursula Scheib (*1944) und Christine Stromberg (*1928). In einer weiteren Publikation aus dem Jahr 1988 zum gleichen Thema227 sind bei insgesamt 38 Nennungen acht Bühnen- und Kostümbildnerinnen zu finden: die schon bekannten Eleonore Kleiber, Gabriele Koerbl und Christine Stromberg. Dazu kamen Jutta Harnisch (*1935), Konstanza Kavrakova-Lorenz (*1941), Helga Leue (*1940), Marie-Luise Strandt (1940) und Barbara Weitold (*1947). Die Anzahl der Nennungen von Frauen verringerte sich demnach im Vergleich zur Publikation von 1978 von 28 auf 21 Prozent. Lexika und Internet-Quellen Ein weitere Recherche wurde im „Theaterlexikon 2“228, erschienen im Jahr 2007, durchgeführt. Wie der Untertitel „Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner“ verdeutlicht, wird auch hier eine Theatergeschichte von Männern über Männer präsentiert, an deren letzter Stelle die Bühnenbildner genannt werden. Die Herausgeber Manfred Brauneck und Wolfgang Beck nennen im Untertitel zwar nur Bühnenbildner, dennoch konnten Einträge zu sieben Bühnenbildnerinnen gefunden werden: Barbara Bilabel (*1939), die Bühnenbild studiert hatte, sie wurde vor allem als Regisseurin bekannt;229 Xenia Hausner; Elke Lang (1952–1998), die vor allem Schauspielerin und Regisseurin war;230 Ita Maximowna; rosalie (auch Kostümbildnerin und Regisseurin); Anna Viebrock; Kazuko Watanabe (*1940), die Mitte der 1970er Jahre mit Kostümausstattungen begann, dann Bühnenbilder gestaltete und auch als Regisseurin arbeitete. Im Ver-

225 Dieckmann (1978), S. 14-15. 226 Johanna Kiling, Internet-Quelle. 227 Pietzsch/Kaiser/Schneider (1988). 228 Brauneck/Beck (2007). 229 Vgl. Christina Haberlik über Barbara Bilabel. In: Haberlik (2010), S. 36-36. 230 Vgl. Christina Haberlik über Elke Lang. In: Haberlik (2010), S. 85-90.

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gleich dazu sind 80 Bühnenbildner231 genannt. Es werden auch drei Kostümbildnerinnen erwähnt: Moidele Bickel (*1937), Marianne Glittenberg und Frida Parmeggiani (*1946). Kostümbildner werden nicht erwähnt. Insgesamt sind in diesem Lexikon 900 Einträge verzeichnet. Rund 9 Prozent davon sind Bühnenbildnern und nicht einmal 1 Prozent der Einträge sind Bühnenbildnerinnen gewidmet. Dieses Theaterlexikon, immerhin im Jahr 2007 erschienen, war daher für die Einschätzung klärend, welche Wertigkeit die Herausgeber – Manfred Brauneck ist ein hoch angesehener Theaterwissenschafter232 – den Bühnenbildnern und besonders den Bühnenbildnerinnen innerhalb der Theatergeschichte zuweisen. Auch das „Henschel Theaterlexikon“, erschienen 2010, ignoriert im Klappentext die sprachliche Möglichkeit, Frauen sichtbar zu machen, und kündigt „rund 2000 Einträge [über] die für das Theater im deutschsprachigen Raum maßgeblichen Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner und Kritiker im 20. und 21. Jahrhundert“ an.233 Der Schwerpunkt dieses Lexikons liegt, wie bei der Originalausgabe aus dem Jahr 1995 bzw. 1999,234 beim deutschsprachigen Schauspiel nach 1945. Rund 90 Einträge stellen Bühnenbildner vor. Damit bleibt die Anzahl der genannten Bühnenbildner im Vergleich zur Ausgabe von 1999 nahezu gleich. 28 Einträge sind Bühnen- und Kostümbildnerinnen gewidmet. Die gegenüber der Ausgabe von 1999 zahlenmäßige Verdoppelung der genannten Szenografinnen ist bemerkenswert, sie beträgt aber immer noch nur rund ein Drittel der männlichen Nennungen. Außer den bereits genannten Bühnenbildnerinnen235 Barbara Bilabel, Katrin Brack, Ilona Freyer, Xenia Hausner, rosalie, Anna Viebrock und Kazuko Watanabe sind erwähnt: Elisabeth Urbancic (*1928) und Susanne Thaler, die seit Mitte der 1970er Jahre tätig war, 231 Auch hier mit Zusätzen wie Maler, Kostümbildner, Regisseur, Autor etc. 232 2010 erhielt der damals 76-jährige Manfred Brauneck den mit 770.000 Euro dotierten Preis der Balzan-Stiftung (Zürich). Der Preis wird jährlich „an Forscher, Wissenschaftler bzw. Künstler vergeben, die in ihrem Tätigkeitsbereich international anerkannte Leistungen erbracht haben“: Internationale Stiftung Preis Balzan, InternetQuelle. 233 C. Bernd Sucher (Hg.) (2010): Henschel Theaterlexikon. Mit Stückeregister. Bearbeitet von Michael Brommer mit Simon Elson, Leipzig. 234 C. Bernd Sucher (Hg.) (1999): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage, München. 235 Die genannten – vorwiegend – Kostümbildnerinnen sind: Alberte Barsacq, Moidele Bickel, Marianne Glittenberg, Margit Koppendorfer.

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sowie Marietta Eggmann (*1941), Susanne Raschig (*1941) und Penelope Wehrli (*1957), die sich von 2004 bis 2009 an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe eine Professur für Szenografie mit Beatrix von Pilgrim (*1959)236 teilte. Aus den Geburtsjahrgängen der 1960er Jahre fanden sich Einträge zu: Uta Kala (*1960), Muriel Gerstner (*1962), Barbara Ehnes (*1963), Marlene Poley (*1964), Anja Rabes (*1966), Annette Kurz (*1967), Katja Haß, Natascha von Steiger (*1968) und Bettina Meyer (*1968).237 Die jüngsten der in diesem Lexikon aufgenommenen Bühnenbildnerinnen sind Johanna Pfau (*1971) und Janina Audick (*1973). Noch nicht aufgenommen war Heike Scheele (*1958), Bühnenbildnerin des Jahres 2009 der Zeitschrift Opernwelt.238 Eine Internet-Recherche ergab ein ähnliches Bild: So bietet die Website des Münchner Goethe Institutes nicht nur Kurzporträts von 50 Regisseuren an deutschsprachigen Theatern – es sind auch Regisseurinnen zu finden –, sondern auch von 30 Bühnenbildnern.239 Bereits die knappe Mehrheit sind Bühnenbildnerinnen, sechzehn werden vorgestellt. Zusätzlich zu den bisher zwölf Genannten sind das: Kattrin Michel, Susanne Schuboth (*1961), Kattrin Hoffmann (*1967) und Katrin Nottrodt (*1969). Ausstellungen und Publikationen über Bühnengestaltung in Österreich, Deutschland und der Schweiz Auch in Ausstellungen und Publikationen, die das Thema Bühnengestaltung, die Entwicklung des modernen Bühnenbildes verschiedener Zeiträume, an einzelnen 236 Vgl. Beatrix von Pilgrim, Internet-Quelle. 237 Anja Rabes, Annette Kurz, Katja Haß und Bettina Meyer waren Assistentinnen von Anna Viebrock. Vgl. Goethe Institut, Internet-Quelle. 238 Vgl. Hanno Depner: Heike Scheele. Überwältigungstheater, Internet-Quelle; Karin Winkelsesser/Albrecht Thiemann (2009): Aufführung des Jahres. Im Gespräch mit der Bühnenbildnerin Heike Scheele. In: Opernwelt, Jahrbuch 2009, S. 28-32. 239 Goethe Institut, 30 Bühnenbildner im deutschsprachigen Theater, Internet-Quelle. Hier wird offensichtlich der gestiegenen Bedeutung der bühnenbildnerischen Arbeit entsprochen, wie am Zahlenverhältnis „Regisseure – Bühnenbildner“ abzulesen ist. Von den 30 genannten BühnenbildnerInnen haben ein Fünftel in Österreich studiert: Raimund Bauer, Muriel Gerstner, Katja Haß, Paul Lerchbaumer, Natascha von Steiger und Martin Zehetgruber, Absolvent der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. Er ist seit 2001 auch Professor für Bühnenbild an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgarts, war Bühnenbildner des Jahres der Zeitschrift Theater heute 1998 und 2000 und wurde seit 2000 fünfmal mit dem Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet, zuletzt 2009.

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Theatern und Opernhäusern, thematisierten, blieben Bühnenbildnerinnen oft Ausnahmeerscheinungen.240 1954 in Wien: Im Rahmen der Wiener Festwochen zeigte die Ausstellung „Das Wiener Bühnenbild“ einen Überblick.241 Von zwei Frauen sind im Katalog Arbeiten abgebildet: Kostümentwürfe von Erni(e) Kniepert242 (1911–1990) und von Elli Rolf243. Ohne Abbildung kurz erwähnt wird die Bühnen- und Kostümbildnerin Edith Almoslino.244 In einer 1959 erschienenen Mappe werden „Dreihundert Jahre österreichisches Bühnenbild“ dokumentiert.245 Hier werden ausschließlich Arbeiten von Bühnenbildnern vorgestellt; nur zwei weibliche Bühnenbildner werden namentlich kurz erwähnt: die schon genannte Kostüm- und Bühnenbildnerin Ernie Kniepert und die vor allem als Szenenbildnerin für den Film arbeitende Herta Hareiter (*1923). 1964 in Zürich: Die Ausstellung „Das Bühnenbild nach 1945“246 versammelt die Arbeiten von rund 120 Bühnen- und KostümbildnerInnen, davon 105 Männer und 9 Frauen: Anne Abegglen, Annelies Corrodi (Schweiz), Leni BauerEcsy (1909–1995)247, Herta Boehm, Ita Maximowna, Elisabeth Waltz-Urbancic 240 Vgl. u.a.: Rudolf Hartmann (1977): Oper. Regie und Bühnenbild heute. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz. Eine Bühnenbildnerin, Leni Bauer Ecsy, und 26 Bühnenbildner werden vorgestellt; Mohr (1986). 241 Günther Baszel (Hg.) (1954): Das Wiener Bühnenbild. Ausstellungskatalog. 29. Mai bis 15. Juli 1954, Künstlerhaus, Wien. Die vorgestellten Männer waren: Clemens Holzmeister, Erich Boltenstern, Michel Engelhart, Fritz Judtmann, Stefan Hlawa, Walter von Hoesslin, Sepp Nordegg, Emil Pirchan, Teo Otto, Willi Bahner, Gottfried Neumann-Spallart, Heinrich Sussmann, Felix Smetana. 242 Auch: Ernie Kniepert-Fellerer. 243 Vgl. auch: Elli Rolf (1983): Entwürfe für Bühne, Film und Mode 1930–1980, Wien. 244 Raum 13 der Ausstellung war „Bühnenbildnern aus der Schule Professor Pirchan“ gewidmet: Neben Arbeiten etwa von Wolfram Skalicky (eigtl. Skalicki, B.B.) sind vor allem Kostümentwürfe von Elisabeth Kleinheim und Herta Broneder (Dozentin für Kostümkunde an der Meisterschule für Bühnenbildnerei) sowie Bühnenentwürfe von Klara Kiss und Erika Schepelmann-Rieder (Assistentin der Meisterschule für Bühnenbildnerei) erwähnt. Als „diesjährige Diplomträger der Meisterschule für Bühnenbildnerei“ sind zehn Männer und eine Frau, Hill Reihs-Gromes – mit Kostümentwürfen –, genannt. Vgl. Baszel (1954), o.S. 245 Margret Dietrich/Institut für Theaterwissenschaft Wien (Hg.) (1959): Dreihundert Jahre österreichisches Bühnenbild, S. 20. 246 Vgl. Billetter (1964). 247 Vgl. Janich (2001), S. 192.

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(Deutschland), Léonor Fini (Frankreich/Argentinien), Suzanne Lalique (Frankreich), Hill Reihs-Gromes (Österreich); Kostümbildnerinnen: Ebe Colciaghi (Italien), Liselotte Erler (Deutschland). 1968 in Innsbruck: Eine Ausstellung über „Österreichische Bühnenbildner der Gegenwart“248, entstanden für die „Erste Prager Quadriennale“ (1967), der weltweit einzigen Wettbewerbsausstellung für Bühnenbild und Theaterarchitektur,249 sollte als „Leistungsschau […] über das Niveau der österreichischen Bühnen- und Kostümbildnerei informieren“. Im Ausstellungskatalog sind Entwürfe von sechzehn Bühnen- und KostümbildnerInnen gezeigt.250 Mit neun Nennungen waren zwar die Frauen knapp in der Mehrzahl, dennoch wurden von ihnen hauptsächlich Kostümentwürfe – traditionell weiblich zugeordnet – gezeigt. Die Genannten waren: Ingeborg Fiedler (*1921), Filmarchitektin und Kostümbildnerin am Theater in der Josefstadt, die Kostümbildnerinnen Birgit Hutter (*1941), Ernie Kniepert, Hill Reihs-Gromes (*1910), Ronny Reiter (*1939) sowie die Grafikerin Epi Schlüsselberger (*1928). Von den Malerinnen Juliane Stoklaska (*1933), Inge Steinhoff-Rinaldo (*1939) und der Kostüm- und auch Bühnenbildnerin Maxi Tschunko wurden auch Bühnenbildentwürfe gezeigt.251 Entwürfe für Bühnenbilder blieben auch in dieser Ausstellung überwiegend Männern vorbehalten.252 Bei Henning Rischbieters Publikation über Bühne und bildende Kunst im XX. Jahrhundert sind unter 77 Malern und Bildhauern sieben Frauen genannt: Natalia Gonþarova, Sonja Delaunay-Terk (1885–1979), Marie Laurencin (1883– 1956), Ljubov Popova, Alexandra Exter, Sophie Taeuber-Arp (1889–1943), Barbara Hepworth (1903–1975) und Niki des Saint-Phalle (1930–2002).

248 Greisenegger (1968). Generalkommissar des österreichischen Beitrags zur Quadriennale war die Theaterwissenschafterin Margret Dietrich. 249 Vgl. S. 31 und S. 45 zur Prager Quadriennale für Bühnen- und Raumgestaltung. 250 Von den in der Ausstellung vertretenen Männern, Lois Egg, Heinz Bruno Gallée, Wolfgang Hutter, Gottfried Neumann-Spallart, Georg Schmid, Wolfram Skalicki, Felix Smetana, waren hauptsächlich szenische Entwürfe oder Szenenfotos ihrer Bühnenbilder zu sehen. 251 Vgl. Prager Quadriennale Archiv Website/Prague Quadriennal Archive: pq 1967, Internet-Quelle: Kurzbiografien zu den Genannten u.a. 252 Wie auch 1969 in Wien: Eine Ausstellung des Theater-Museums der Mailänder Scala im Wiener Künstlerhaus zeigte Bühnenbild- und Kostümentwürfe aus fünf Jahrhunderten. Vgl. Anton Stiepka (1969): Bühnenbild- und Kostümentwürfe aus fünf Jahrhunderten. Ausstellungskatalog. Gesellschaft für Musiktheater (Hg.). 17. Mai bis 15. Juni 1969, Künstlerhaus, Wien.

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1976 in München: „Bühnenbilder des 20. Jahrhunderts“253 werden mit Entwürfen und Bühnenbildmodellen ausgestellt. Die Arbeiten von vier Bühnenbildnerinnen waren vertreten: von Bele Bachem, Leni Bauer-Ecsy, Herta Böhm und Alexandra Exter. Überblicke zu Malern als Bühnenbildner hielten meist, was die Titel versprachen: Vor allem Männer und manchmal ein paar Ausnahme-Frauen werden vorgestellt.254 1985 in Wien: Arbeiten von mehr als fünfzig bildenden Künstlern und einer Malerin, Hilda Polsterer (1903–1969), die für das Theater der Jugend in Wien arbeitete, wurden in der Ausstellung „Bildende Künstler als Bühnenbildner“ gezeigt.255 1993 in Karlsruhe: Zum Thema „Bühnenbild heute. Bühnenbild der Zukunft“ werden ausschließlich Arbeiten von vier Bühnenbildnern vorgestellt.256 Im gleichen Jahr befasst sich Peter Simhandl mit „Bildenden Künstlern als Theaterreformer“: 19 Theaterreformer und eine Theaterreformerin, die PerformanceKünstlerin Marina Abramoviü (*1946), werden präsentiert.257 2006 in Salzburg: In der Ausstellung „Kunst auf der Bühne“258 soll der „Beitrag von Malern und Plastikern zur performativen Kunst, zur Umsetzung ihrer Ästhetik in Raum und Zeit, mit Hilfe von Licht und Bewegung, […] sowohl an prominenten wie auch weniger bekannten Entwürfen“ aus den Beständen des Österreichischen Theatermuseums gezeigt werden. Die Kuratorin und KatalogHerausgeberin Eleonora Louis geht bereits differenzierter auf die Beiträge von Tänzerinnen wie Loȧe Fuller, Ruth St. Denis und Isadora Duncan zum Zusammenspiel von bildender und darstellender Kunst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein.259 Auch die Arbeiten von Alexandra Exter, Natalia Gonþarova, Sophie

253 Vgl. Nölle (1976). 254 Vgl. Rischbieter (1968). 255 Vgl. Manfred Wagner (Hg.) (1985): Bildende Künstler als Bühnenbildner. Die letzten 40 Jahre. Ausstellungskatalog. 20. Juli bis 23. August 1985, Gobelinsaal der Wiener Staatsoper, Wien, Vorwort, S. 9. 256 Vgl. Klotz/Hünnekens (1993). 257 Peter Simhandl (1993): Bildertheater. Bildende Künstler des 20. Jahrhunderts als Theaterreformer, Berlin. 258 Vgl. Louis (2006b), Vorwort, S. 7. 259 Eleonora Louis (2006a): Kunst auf der Bühne. In: Louis (Hg.) (2006b): Kunst auf der Bühne/Art on Stage. Les Grands Spectacles II. Ausstellungskatalog. Museum der Moderne Salzburg, 22. Juli bis 8. Oktober 2006, Weitra, S. 8-18, hier: S. 8-10.

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Taeuber-Arp und Sonja Delaunay-Terk für das Theater werden erwähnt, doch überwiegt die schon bekannte Sichtweise der Männergeschichte. 2011 in Wien: Unter dem Titel „Ungezähmte Natur. Bühnenbilder aus drei Jahrhunderten“ zeigt das Österreichische Theatermuseum Werke von zahlreichen Männern, die sich mit dem Thema „Landschaft“ in ihren Bühnenentwürfen und -modellen befassten.260 Trotzdem ist festzustellen, dass spätestens ab Mitte der 2000er Jahre die Männerbastionen Bühnenbild, Szenografie und Bühnenraumgestaltung auch in der Wahrnehmung von außen Sprünge zeigen.261 Die Verdoppelung der Nennung von Bühnenbildnerinnen im Henschel-Theaterlexikon aus dem Jahr 2010 im Vergleich zur Ausgabe von 1999 kann als erste Auswirkung der Tatsache, dass das Studium seit einigen Jahrzehnten überwiegend von Frauen gewählt und absolviert wird, gelesen werden. Die Anzahl der genannten Bühnenbildner in diesem Lexikon bleibt dagegen nahezu gleich. Auch wenn in einzelnen Beiträgen die Arbeiten von Bühnenbildnerinnen/Szenografinnen als beispielhaft für Raumgestaltungen hervorgehoben werden,262 wird der Szenograf überwiegend männlich imaginiert, wie nicht nur an der nach wie vor festgestellten Weigerung besonders der Theater- und auch Architekturwissenschaft, eine geschlechtssensible Sprache zu verwenden, festgestellt werden kann. Die Bilder, die zum Szenografen entworfen werden, nehmen Anleihen bei „Odysseus, dem Insel- und Szenenspringer“ oder dem „urbanen Flaneur“: „Der Szenograf ist Wanderer oder ‚Scout‘, besessen von dem Ziel, nicht anzukommen.“263 Mit diesen Allegorien werden männliche Mythen fortgeschrieben, die meiner Ansicht nach weder mit den Berufs- und Lebensrealitäten der meisten Frauen noch mit denen vieler Männer im Berufsfeld zu tun haben. 260 Vgl. Österreichisches Theatermuseum, Internet-Quelle. Arbeiten von Lodovico Ottavio Burnacini, Joseph Platzer, Josef Hoffmann, Adolphe Appia, Edward Gordon Craig, Alfred Roller, Remigius Geyling, Oskar Laske, Ewald Dülberg, Caspar Neher u.a. wurden präsentiert. Die Ausstellung wurde vom 26. Mai bis 26. September 2011 gezeigt. 261 Vgl. u.a. Joachim Lux (2006): Im Bauch des Jumbos. Katrin Nottrodt und Thomas Dreißigacker: ein Doppelportrait mit Exkursen und Gedanken über die Bühne als Bild, Kunst, Schnee und Sichtlinie. In: Theater heute 8/9, S. 40-51. Vgl. auch Kapitel 3, Pkt. 3.3. 262 Vgl. Brejzak/Mueller von der Haegen/Wallen (2009) und Kaesbohrer (2010). 263 Heiner Wilharm/Ralf Bohn (2009): Einführung. In: Ralf Bohn/Heiner Wilharm (Hg.): Inszenierung und Ereignis. Beiträge zur Theorie und Praxis der Szenografie, Bielefeld, S. 9-44, hier: S. 27.

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Für diese Arbeit wurde auch in der sogenannten Grauen Literatur, das sind unveröffentlichte (Hochschul-)Schriften wie Diplomarbeiten und Dissertationen, recherchiert. In Hochschulschriften ist an einzelnen Beispielen bereits ab den 1990er Jahren eine leichte Trendwende hinsichtlich der Beiträge von Frauen erkennbar, wie der folgende Abschnitt zeigt. Bühnenbildnerinnen in Hochschulschriften Auch in der sogenannten Grauen Literatur werden die Beiträge von Bühnenbildnerinnen bis in die 1960er Jahre nur selten besprochen.264 In den folgenden zwei Jahrzehnten widmen sich die VerfasserInnen nur wenig dem Thema Bühnenbild und dabei vorwiegend dem Werk einzelner Bühnenbildner.265 Ab den 1990er Jahren finden sich wieder mehr Arbeiten, die sich mit Bühnenraumgestaltung befassen. Eva Maria Lauber zeigt in ihrer Dissertation266 ein in Teilen von den bisherigen Ergebnissen der Recherche abweichendes Bild und nennt mehrere Bühnenund Kostümbildnerinnen, die am Theater in der Josefstadt zwischen 1945 und 1980 arbeiteten: in den 1950er Jahren Herta Hareiter, zwischen 1956 und 1980 Inge Fiedler, ab 1970 Monika Zallinger (*1940), Gaby Niedermoser und Eva Sturminger. Besonders in der Rubrik Gäste listet Lauber ab 1977 zahlreiche Frauen auf, die auch mehrmals Ausstattungen und/oder Kostüme entwerfen: u.a. Roswitha Meisel, Susanne Thaler, Birgit Hutter, Erni Kniepert, Edith Kresta, 264 Bereits 1949 verfasste Edith Dutzer ihre Dissertation Die Wagner-Oper und ihre Bühnenbildner an der Wiener Hof- bzw. Staatsoper. 1950 erschien Charlotte Bauers Dissertation 100 Jahre Wiener Bühnenbild. Entwicklung von der Dekorationsmalerei zur künstlerischen Raumgestaltung. Auch in Walter Zettls Arbeit über Das Bühnenbild in Rom von der Jahrhundertwende bis heute im Jahr 1963 und in Margarete Hazods Dissertation über Die Bühnenbildner Max Reinhardts im Theater in der Josefstadt aus dem Jahr 1969 werden ausschließlich Männer erwähnt. Weitere Beispiele: Franzjoseph Janssen (1957): Bühnenbild und bildende Künstler. Ein Beitrag zur Geschichte des modernen Bühnenbildes in Deutschland, Diss., München; Angelika Herbert-Muthesius (1985): Bühne und bildende Kunst im Futurismus. Bühnengestaltungen von Balla, Depero und Prampolini (1914–1929), Diss., Heidelberg, oder Bettina Wilts (2004): Zeit, Raum und Licht. Vom Bauhaus-Theater zur Gegenwart. Zugl. Diss. (2004), Weimar. 265 Ein Beispiel: Barbara Pral (1986): Der Bühnenbildner Alfred Roller in der k. u. k. Hofoper unter Gustav Mahler, Dipl.-Arb., Salzburg. 266 Eva Maria Lauber (1992): Die Bühnenbildgestaltung am Theater in der Josefstadt von 1945 bis 1980, Diss., Wien.

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Nina Ritter, Eva Sturminger, Monika Zallinger, Jutta Brandau, Hill ReihsGromes, Alice-Maria Schlesinger, Eva Ulmer-Janes.267 Lauber bescheinigt in ihrem Resümee nur wenigen Frauen wie etwa Hill Reihs-Gromes, die „traditionellen Gestaltungen“ zu bereichern, oder wie Inge Fiedler und Monika Zallinger, die „Bühnenbildtradition des Theaters in der Josefstadt wohl am reinsten“ zu repräsentieren.268 Damit befindet sie sich mit ihrer Einschätzung im Sinne der bisherigen Bühnenbildgeschichte, die Beiträge von Frauen überwiegend als weniger bedeutend einzustufen. Durch das genaue Auflisten der in diesem Zeitraum für das Theater in der Josefstadt arbeitenden Bühnen- und KostümbildnerInnen kommt sie aber nicht umhin, auch die Praktikerinnen der Bühnengestaltung zu nennen. Nur wenige Hochschulschriften, die sich speziell Bühnenbildnerinnen widmeten, konnten gefunden werden: Über die konstruktivistischen Bühnenarbeiten von Ljubov Popova und Varvara Stepanova schrieb Julia Kordina 1998 ihre Diplomarbeit.269 Über das bühnenbildnerische Werk der Bauhaus-Absolventin Ilse Fehling verfasste Anke Vetter im Jahr 2004 ihre Magisterarbeit.270 Grit Biermann stellte in ihrer Arbeit manieristische Kunst des 16. Jahrhunderts einigen Arbeiten von Anna Viebrock gegenüber.271 In diesem Kapitel wurden die Entwicklung der Bühnenraumgestaltung in Europa seit etwa 1900 und die Veränderungen im 20. und 21. Jahrhundert nachgezeichnet. Definitionen zu den Begriffen Bühnenbild und Szenografie sowie die Wahrnehmung von Bühnenbildnerinnen, Szenografinnen und Bühnenraumgestalterinnen in der Fachliteratur wurden vorgestellt. Die Marginalisierung der Bühnenbildkunst in der Theater- und der Kunstwissenschaft sowie die Marginalisierung der Beiträge von Frauen in diesem Tätigkeitsfeld wurden aufgezeigt. Zusätzlich wurde festgestellt, dass sich die Theaterwissenschaft hinsichtlich feministischer Fragen, Fragen nach dem Einfluss der sozialen Kategorie Geschlecht/Gender 267 Vgl. Lauber (1992), S. 120-146. 268 Vgl. Lauber (1992), S. 104-105. 269 Julia Kordina (1998): Die Amazonen des Konstruktivismus: zu den konstruktivistischen Bühnenarbeiten von Ljubow Popowa und Warwara Stepanowa, Dipl.-Arb., Wien. 270 Anke Vetter (2004): Zwischen Experiment und Konvention. Ilse Fehling. Arbeiten für die Bühne von 1922 bis 1944, Magisterarbeit, Berlin. 271 Grit Biermann (2006): Der Manierismus und seine Wiederentdeckung im Theater der Gegenwart. Eine Gegenüberstellung manieristischer Kunst des 16. Jahrhunderts mit dem heutigen modernen Theater anhand ausgewählter Beispiele in Bezug auf die Bühnenbildnerin Anna Viebrock, Dipl.-Arb., Norderstedt.

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und der Verwendung einer geschlechts- und diversitätssensiblen Sprache bemerkenswert widerständig zeigt. Die Recherche nach Bühnenbildnerinnen in der Fachliteratur, in Publikationen über relevante Ausstellungen, in Lexika und Internet-Quellen führte zum durchaus überraschenden Ergebnis, dass seit der Entstehung des Berufes um 1900 immer auch Frauen als Bühnenraumgestalterinnen aktiv waren. Wie die Suche zeigt, lassen sich mit gezieltem Blick zahlreiche Bühnenbildnerinnen finden. Dennoch wurde ihr Werk weniger als die Arbeiten von Männern in den (theater-)wissenschaftlichen Kanon aufgenommen. Erst mit dem Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert wird ein Paradigmenwechsel merkbar, der sich sowohl in der Anzahl der Monographien über Bühnenbildnerinnen, in der Wahrnehmung von außen als auch in der Veränderung des Berufsbildes von der/dem BühnenbildnerIn hin zur Szenografin/zum Szenografen zeigt. Auch Anke Vetter weist in ihrer Arbeit auf die Notwendigkeit hin, bei der Bearbeitung der Thematik Bühnenbildnerin „das interdisziplinäre Zusammenwirken und gegenseitige Erhellen der Theatergeschichte, der Sozialgeschichte, der Kunst- und Literaturgeschichte“ zu beachten.272 Im folgenden Abschnitt, in dem Bühnenbildnerinnen ab der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert vorgestellt werden, wird versucht, diesen Anspruch einzulösen.

272 Vetter (2004), S. 6.

3 Bühnenbildnerinnen, Bühnenraumgestalterinnen Die Vergangenheit wird Teil unserer Gegenwart und damit Teil unserer Zukunft.1 GERDA LERNER

Aufgrund der bisher fehlenden Darstellung der Geschichte von Frauen als Bühnenraumgestalterinnen werden in diesem Kapitel Bühnenbildnerinnen, also Frauen, die schwerpunktmäßig Bühnenraumausstattungen gestalt(et)en, ab Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart vorgestellt: die Pionierinnen, bildende Künstlerinnen aus Russland; Künstlerinnen aus Deutschland und Österreich in den 1920er und 1930er Jahren, die auch Bühnenbilder schufen; Bühnenbildnerinnen der Nachkriegszeit sowie sechs bereits an Kunstakademien und -universitäten ausgebildete Bühnenbildnerinnen/Szenografinnen/Bühnenraumgestalterinnen ab den 1970er Jahren, die auch gegenwärtig erfolgreich sind.2 Es werden, nach dem Exkurs zu den Pionierinnen in Russland, Bühnenbildnerinnen aus dem deutschsprachigen Raum am Theater (vorwiegend Schauspiel, Oper, Ballett) näher porträtiert,3

1

Gerda Lerner (2002): Zukunft braucht Vergangenheit. Warum Geschichte uns an-

2

Dieser Abschnitt basiert auf meiner Seminararbeit über Bühnenbildnerinnen (Prof.

geht, Königstein/Taunus, S. 298. Dr. Evelyn Deutsch-Schreiner: Seminar Dramaturgie 2, Sommersemester 2011). Vgl. Bettina Behr (2011): Bedeutende Bühnenbildnerinnen, unveröff. Seminararbeit, Sankt Pölten/Graz. 3

Nicht näher porträtiert werden ausschließlich Kostümbildnerinnen und Künstlerinnen, die vor allem als Regisseurinnen, weniger als Bühnenbildnerinnen in Erscheinung traten.

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• zu denen Monographien vorliegen, • die mit Preisen ausgezeichnet wurden, • über die in der (Fach-)Literatur berichtet wurde.

Die vierzehn porträtierten Bühnenbildnerinnen4 werden in zeitlicher Reihenfolge vorgestellt: Pionierinnen waren die russischen bildenden Künstlerinnen Natalia Gonþarova (1881–1962), Alexandra Exter (1882–1949), Ljubov Popova (1889– 1924) und Varvara Stepanova (1894–1958). Da sie die Ersten sind, die in der Literatur als Bühnenbildnerinnen genannt werden, ist ihnen der Exkurs Pionierinnen der Bühnenraumgestaltung in Russland gewidmet. Zu dieser (Alters-) Generation gehören auch Ilse Fehling (1896–1982) und Friedl Dicker (1898– 1944), Absolventinnen des Staatlichen Bauhauses in Weimar, die auch Bühnenbilder und Kostüme entwarfen. Bühnenbildnerinnen, die rund um die 1920er Jahre geboren wurden und vorwiegend nach 1945 tätig waren, sind Ita Maximowna (1914–1988) und Hanna Jordan (*1921).5 Zu Ita Maximowna und Hanna Jordan sowie zu Anna Viebrock (*1951), rosalie (*1953) und Katrin Brack (*1958) – die zuletzt Genannten als erfolgreiche Bühnenbildnerinnen der Gegenwart – liegen ausführlichere Monographien und Texte vor. Deren Porträts in dieser Arbeit sind wie folgt gegliedert: Biografische Daten; Über die Arbeit als Bühnenbildnerin; Als Frau in einem Männerberuf;6 Auszeichnungen und Preise. 4

Abbildungen zu den genannten Bühnenbildnerinnen und ihrer Werke sind mittlerweile via Internet abrufbar. Aufgrund der zunehmend schwieriger werdenden Bedingungen, Bildrechte für Abbildungen in Publikationen zu erhalten, wurde aus Ressourcengründen auf Bilder und Fotos verzichtet.

5

Aus dieser Generation stammen auch Gudrun Wassermann-Buschan (1914–2001) und Charlotte Posenenske (1930–1985). Gudrun Wassermann-Buschan war ab Mitte der 1930er bis Mitte der 1950er Jahre als Kostüm- und Bühnenbildnerin, danach vor allem als bildende Künstlerin in Deutschland tätig. Sie stiftete den GudrunWassermann-Buschan-Preis für Nachwuchs-Bühnen- und KostümbildnerInnen, der seit 1998 alle zwei Jahre von der Stadt Mannheim vergeben wird. Vgl. ReissEngelhorn-Museen/rem, Internet-Quelle. Charlotte Posenenske studierte bei Willi Baumeister an der Stuttgarter Kunstakademie und arbeitete nach 1945 bis Mitte der 1950er Jahre als Bühnen- und Kostümbildnerin. Später widmete sie sich minimalistischer Malerei und Bildhauerei. Vgl. Silvia Eiblmayr (Hg.) (2005): Charlotte Posenenske. Eva Schmidt (Red.) Ausstellungskatalog. 19. März bis 15. Mai 2005, Galerie im Taxispalais Innsbruck, Frankfurt/Main.

6

Dieses Thema folgt auch der Tradition der Geschlechterforschung/Gender Studies, in deren Mittelpunkt die Bedeutung von Geschlecht für Kultur, Gesellschaft und Wissenschaften stehen. Vgl. u.a. von Braun/Stephan (2006).

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Ebenfalls porträtiert werden Xenia Hausner (*1951), Penelope Wehrli, (*1957) und Muriel Gerstner (*1962), zu denen ebenfalls Monographien erschienen sind. Xenia Hausner arbeitete ab den späten 1970er Jahren bis 1992 als Bühnen- und Kostümbildnerin und ist seither ausschließlich als Malerin tätig. Zu Xenia Hausner, Penelope Wehrli und Muriel Gerstner liegt bisher wenig ausführliche Literatur vor, sodass diese drei Porträts kürzer gestaltet sind. Im folgenden Abschnitt werden zuerst die Pionierinnen im Bereich der Bühnengestaltung vorgestellt, vier Künstlerinnen der Russischen Theateravantgarde, die innovative Beiträge zur Entwicklung der modernen Bühnenbildkunst leisteten: Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, Ljubov Popova und Varvara Stepanova. Ihre Arbeiten werden vor allem seit den 2000er Jahren in zahlreichen Ausstellungen und Publikationen gewürdigt.

3.1 E XKURS : D IE P IONIERINNEN

IN

R USSLAND

Die ersten Frauen, die die Möglichkeit bekamen, Bühnenausstattungen zu gestalten, sind die sogenannten Amazonen der Avantgarde, die russischen bildenden Künstlerinnen Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, Ljubov Popova und Varvara Stepanova.7 Sie verewigten sich in der Kunst und Theatergeschichte,8 denn „nie zuvor spielten Frauen in der Kunst eine derart aktive, gestaltende Rolle bei der Entwicklung eines Kunstprojekts“.9 Bis in die Gegenwart wird die große Beteiligung von Künstlerinnen an der Russischen Avantgarde als Ausnahmefall gese-

7

Vgl. zu diesem Abschnitt: Bowlt (1999), S. 20-38. Die Ausstellung wurde 2000 in London, Venedig und New York gezeigt; Florence Hervé/Ingeborg Nödinger (1999): Lexikon der Rebellinnen, München, S. 108; Kemfert (2009b); Manfred Brauneck, Theater in Rußland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Manfred Brauneck (2003b): Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters. Bd. 4, Stuttgart, Weimar, S. 766-863. Keine dieser Pionierinnen der Bühnengestaltung ist im Theaterlexikon 2 von Brauneck/Beck (2007) erwähnt.

8

Vgl. zum Beispiel: Barbara Lesàk/Sabine Haase-Zugmann (Hg.) (1993): Russische Theaterkunst 1910–1936. Ausstellungskatalog. Österreichisches Theatermuseum, 15. Januar bis 31. März 1993, Wien.

9

Breuer, Rolf E. (1999): Vorwort. In: John E. Bowlt/Matthew Drutt und Selfira Tregulowa (Hg.): Amazonen der Avantgarde. Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeshda Udalzowa. Ausstellungskatalog. 10. Juli bis 17. Oktober 1999, Deutsche Guggenheim Berlin, Ostfildern-Ruit, S. 7.

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hen, da Frauen auch in Russland bis ins 19. Jahrhundert vom öffentlichen und politischen Leben ausgeschlossen waren. Die Kaiserliche Akademie der Künste in St. Petersburg ließ zwar bereits 1871 Frauen erstmals zum Studium zu, doch erfuhren die ersten Berufsmalerinnen vor allem Anerkennung für Werke, die dem damals traditionellen Frauenbild entsprachen10 und „der traditionelle Glaube, daß der weibliche Charakter durch bestimmte Eigenschaften wie Naivität, Kindlichkeit und Unschuld gekennzeichnet sei, war in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts durchaus noch lebendig“.11 Für die Künstlerinnen der Russischen Avantgarde war aber eine Ausbildung und die Ausübung künstlerischer Tätigkeit möglich, sie hatten weibliche Vorbilder, die diesen Weg beschritten hatten. Darüber hinaus verband sie eine großbürgerliche, oft wohlhabende Herkunft und sie waren zum Teil miteinander befreundet. Sie verfügten über wichtige Kontakte hinsichtlich der Rezeption ihrer Ausstellungen und der Wahrnehmung ihrer Arbeiten in der Öffentlichkeit. Durch ihre innovativen Herangehensweisen an künstlerische Strömungen, ihr großes Spektrum künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten und ihre Reisen nach Frankreich, Italien und in die Schweiz fanden sie Zugang zu europäischen Kunstkreisen und waren bei den wichtigen russischen Ausstellungen der Zeit wie „Karo-Bube“ (1910/11; 1912), „Der Eselsschwanz“ (1912), „Zielscheibe“ (1913), „Tramway V“ (1915), „0.10“ (1915/16) oder „5 x 5 = 25“ (1921) vertreten. Sie galten als „vital und direkt, tüchtig und ehrgeizig in ihrer Arbeit, hart und kompromißlos in ihrer Selbstbewertung“12 und vertraten dabei unterschiedliche künstlerische Positionen, philosophische Überzeugungen oder soziale Ziele. Diese Künstlerinnen engagierten sich für die Idee kultureller Erneuerung und lehnten ästhetische Regelwerke ab, die sie als veraltet betrachteten, doch abgesehen von Gontscharowas „Offenem Brief“ enthalten ihre privaten Äußerungen wenig konkrete Hinweise auf die Rolle der Frauen gegenüber jener der Männer in der russischen Gesellschaft. […] Zugleich können die scheinbaren ethischen und sozialen Freiheiten dieser Frauen nicht als typisch für die Bedingungen in Rußland kurz vor der Oktoberrevolution gelten.13 10 Vgl. Bowlt (1999), S. 27-28. 11 Bowlt (1999), S. 23. 12 Charlotte Douglas (1999): Sechs (und einige weitere) Frauen der Russischen Avantgarde. In: John E. Bowlt/Matthew Drutt und Selfira Tregulowa (Hg.): Amazonen der Avantgarde. Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeshda Udalzowa. Ausstellungskatalog. 10. Juli bis 17. Oktober 1999, Deutsche Guggenheim Berlin, Ostfildern-Ruit, S. 39-56, hier: S. 39. 13 Douglas (1999), S. 39.

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In dem erwähnten offenen Brief, den Natalia Gonþarova ca. 1913 schrieb, stellte sie fest, dass es „unendlich langweilig und nutzlos [sei], all die guten und idiotischen Dinge zu wiederholen, die schon tausendmal über meine Schwestern gesagt worden sind“. Stattdessen bestärkte sie ihre Geschlechtsgenossinnen darin, „mehr an dich selbst, an deine Stärken und Rechte zu glauben, […] [und] daß es keine Schranken für des Menschen Willen und Verstand gibt, […]“.14 Obwohl die Künstlerinnen sich selbst kaum mit ihrer Situation als Frau in der Gesellschaft befassten, löste ihre Präsenz und künstlerische Arbeit heftige Reaktionen aus: „Das Abstoßendste daran ist die Tatsache, daß die Künstlerin eine Frau ist“, schrieb ein Journalist 1913 über die Retrospektive von Natalia Gonþarova15 und legte damit nicht nur seinen „sexistischen Schock“, sondern auch die „Verzweiflung angesichts der Notwendigkeit, Unglauben und Verblüffung zu überwinden und eine neue kritische Sprache zu finden, die der implizierten Verschiebung gewohnter Kriterien gerecht werden konnte“, dar.16 Die Lebenspartner von Gonþarova, Exter, Stepanova und Popova waren Unterstützer, selbst oft Künstler und arbeiteten mit ihnen zusammen. So galten Gonþarova und Michail Larionov als prominentes Künstlerpaar der Moskauer Gesellschaft, in der ungewöhnlich viele Frauen als gleichwertige Künstlerinnen anerkannt waren: „Goncharova and Larionow were prominent figures in the pre-Revolutionary Moscow Avantgarde, a circle in which women commanded an unusual degree of freedom and respect.“17 Die Künstlerinnen ließen sich vom Wandel einer „traditionellen Haltung gegenüber Frauen und Künstlerinnen als Verkörperung von Anmut, Schönheit und Adel […] zur neueren Metapher des kreativen Mannweibs und der militanten Amazone“18 nicht beirren. Sie waren an den wichtigen Ausstellungen ihrer Zeit beteiligt oder hatten Einzelausstellungen, mit denen sie sehr erfolgreich waren. Während der Kriegsjahre waren aber Alexandra Exter und Ljubov Popova, die nicht emigriert waren, in Russland isoliert. Zur der Zeit der „verheerenden militärischen Feldzüge von 1915 und 1916 sorgten Frauen für bedeutende Innovationen im Stil und Charakter der Kunst“.19 Trotz der wirtschaftlichen und 14 Dokumente von Natalja Gontscharowa. In: John E. Bowlt/Matthew Drutt und Selfira Tregulowa (Hg.): Amazonen der Avantgarde. Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeshda Udalzowa. Ausstellungskatalog. 10. Juli bis 17. Oktober 1999, Deutsche Guggenheim Berlin, Ostfildern-Ruit, S. 315. 15 Zit. in: Bowlt (1999), S. 23-24. 16 Bowlt (1999), S. 24. 17 Natalia Goncharova Website: Video „Natalia Goncharova“, Internet-Quelle. 18 Bowlt (1999), S. 24. 19 Douglas (1999), S. 48.

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ökonomischen Mängel begannen Exter, Gonþarova und Popova mit ihren Arbeiten für das Theater als wichtigen Ort künstlerischer Neuerungen und gestalteten zahlreiche Bühnen- und Kostümentwürfe. Nach 1921 begannen Exter, Popova und Stepanova in Zusammenarbeit mit den Regisseuren Alexander Tairov und Vsevolod Meyerhold konstruktivistische Prinzipien auf die Bühne zu übertragen.20 Vor allem Popova und Stepanova arbeiteten hier eng zusammen. Inszenierungen, die sie als „Konstrukteure“21 ausstatteten, wurden abwechselnd aufgeführt. Ab den späten 1920er Jahren nahm der politische Fundamentalismus zu, die nachrevolutionäre Avantgarde fiel den wirtschaftlichen Zwängen und der politischen Machtausübung zum Opfer. Gonþarova hatte Russland bereits 1914 verlassen, Exter wanderte 1924 aus, ihre Karrieren endeten später wenig erfolgreich. Stepanova lebte unauffällig in Russland, Popova verstarb früh im Jahr 1924. Diese vier und weitere russische Künstlerinnen wurden vor allem ab den 1970er Jahren wiederentdeckt, in Ausstellungen wie „Women Artists 1550– 1950“ in den USA oder „Künstlerinnen der Russischen Avantgarde 1910–30“ 1979/80 in Köln.22 Ihre Werke erzielen bei Auktionen hohe Preise und werden bis in die Gegenwart gezeigt. Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, Ljubov Popova und Varvara Stepanowa gelten bis heute als Pionierinnen von „bemerkenswerten Theaterinnovationen“.23 3.1.1 Natalia Gonþarova (1881–1962) Natalia Sergejevna Gonþarova war die älteste der vier Künstlerinnen. Sie stammte aus einer alten Adelsfamilie, ihr Vater war Architekt.24 Ihre Kindheit verbrachte sie auf den ländlichen Familiengütern, später studierte sie Bildhauerei, Malerei und Architektur an der Moskauer Kunstakademie. Sie wird als „charmant-respektlose Frau“ beschrieben und war für ihre „leidenschaftliche Offen20 Douglas (1999), S. 53. 21 Douglas (1999), S. 53. 22 Bowlt (1999), S. 22. 23 Douglas (1999), S. 54. 24 Vgl. Douglas (1999) und Jane A. Sharp (1999): Natalja Gontscharowa. In: John E. Bowlt/Matthew Drutt und Selfira Tregulowa (Hg.): Amazonen der Avantgarde. Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeshda Udalzowa. Ausstellungskatalog. 10. Juli bis 17. Oktober 1999, Deutsche Guggenheim Berlin, Ostfildern-Ruit, S. 39-56 und 154-167; Kemfert (2009b); Hervé/Nödinger (1999), S. 108; Brauneck (2003b), S. 775-776 und Natalia Goncharova Website, Internet-Quelle.

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heit über künstlerische Dinge, […] Überschwenglichkeit und Direktheit“ bekannt.25 Mit ihren Ausstellungsbeteiligungen in den 1910er Jahren in Moskau mit Werken, in denen sie bäuerliche, naive neo-primitivistische Kunst thematisierte, bei der zweiten Ausstellung des „Blauen Reiters“ 1912 in München mit postimpressionistischen Arbeiten und später mit ihren umfangreichen Einzelausstellungen wurde sie zu einer der erfolgreichsten Malerinnen ihrer Zeit. Außerdem erfand sie die Gesichtsmalerei und performte als Flaneurin mit Gesichtsbemalungen und in Begleitung ihres Lebensgefährten Larionov durch Moskau.26 Als Folge ihrer Retrospektive 1913 wurde sie eingeladen, für Serge Diaghilevs Ballettoper „Le Coq d’Or“ in Paris Bühnenbilder und Kostüme zu entwerfen.27 Sie reiste nach Paris, ihre ersten Theaterarbeiten, orientalistisch wirkende Kompositionen aus Farben und Formen, wurden zu einem großen Erfolg. Als am 29. April 1914 Larionow und sie im Zug zweiter Klasse nach Paris reisen, um die letzten Proben von Le Coq d’Or zu sehen, die Bühnenbilder zu installieren und schließlich an der am 21. Mai stattfindenden Premiere teilnehmen zu können, ahnen sie nicht, dass Gontscharowa fünf Jahrzehnte für das Theater arbeiten und als erste Frau eine derartige Karriere im Bühnendesign machen wird.28

Ihre Einzelausstellungen von 1910 und 1913, die erste dem Oeuvre einer Frau gewidmete Retrospektive, in der sie 760 [!] Kunstwerke zeigte, sowie 1914 in Moskau und St. Petersburg waren „Meilensteine in der Geschichte avantgardistischer Ausstellungen und öffentlicher Eklats […]“.29 Natalia Gonþarova verließ Russland noch vor der Revolution, reiste mit Diaghilevs Ensemble nach Spanien und Italien und lebte ab 1919 in Paris. Mit ihrem Lebensgefährten Michail Larionov hatte sie bereits ab 1912/13 den „Rayonismus“ entwickelt, eine Kunstrichtung, in der die Darstellung des Lichts besondere Bedeutung hat. Der Primitivismus der Arbeiten von Gonþarova und die von Larionov provokant vorgetragene Verweigerung gegenüber allen bildnerischen Regeln der Tradition waren Impulse,

25 Douglas (1999), S. 40. 26 Kemfert, Beate (2009a): Das Leben von Natalja Gontscharowa. In: Beate Kemfert (Hg.) (2009b): Natalja Gontscharowa. Zwischen russischer Tradition und europäischer Moderne. Ausstellungskatalog. 7. Oktober 2009 bis 24. Januar 2010, Opelvillen/Rüsselsheim, Ostfildern-Ruit, S. 9-27, hier: S. 14. 27 Douglas (1999), S. 47. 28 Kemfert (2009a), S. 16. 29 Sharp (1999), S. 161.

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die auch in jene Künstlergruppen hineinwirkten, die den Futurismus als die große Revolte gegen alle Traditionen und Konventionen feierten.30

Auch Gonþarovas Ausstattung für Igor Strawinskys Ballett „Der Feuervogel“ im Jahr 1926 wurde ein großer Erfolg.31 In den 1920er und 1930er Jahren war sie, gemeinsam mit Larionov, bei Ausstellungen in Paris, Genf und New York vertreten, malte, unterrichtete und arbeitete für das Theater. Danach gerät ihr umfangreiches Werk für einige Jahre in Vergessenheit. Kennzeichnend für Gonþarovas Malerei und für ihre Bühnenarbeiten bleibt die Verbindung der damals aktuellen (westlichen) Kunstrichtungen Fauvismus, Kubismus und Konstruktivismus mit (östlicher) russischer folkloristischer Kunst32, sie wurden als „bahnbrechend für den Kubo-Futurismus und den Rayonismus“ bezeichnet.33 1954 organisierte der Art Council of Great Britain eine große Retrospektive von Gonþarovas und Larionovs Werken34, weitere Werke von Gonþarova wurden ab den 1970er Jahren wiederentdeckt. Natalia Gonþarova starb 1962 in Paris. 2008 wird ihr Stillleben „The Flowers“ bei einer Auktion um 10,8 Mio. Dollar verkauft.35 2010 waren Arbeiten von Gonþarova in Deutschland (Rüsselsheim, Lübeck und Erfurt) zu sehen. 3.1.2 Alexandra Exter (1882–1949) Alexandra Alexandrovna Exter wuchs in einer wohlhabenden Familie auf. Sie studierte Kunst in Kiew; auch sie war zwischen 1907 und 1914 häufig auf Reisen, nach St. Petersburg, Moskau, Venedig, Paris.36 Sie lebte zeitweise in der Schweiz, Frankreich und Italien und brachte die neuesten europäischen Kunstströmungen wie Neo-Primitivismus, Futurismus und Kubismus nach Kiew, wo sie Mitglied der künstlerischen und intellektuellen Gesellschaft war. Exter inte30 Brauneck (2003a), S. 776. 31 Bowlt (1999), S. 24. 32 Vgl. Brauneck (2003a), S. 776. 33 Sharp (1999), S. 159. 34 Sharp (1999), S. 167. 35 Vgl. Natalia Goncharova Website, Video „Natalia Goncharova“, Internet-Quelle. 36 Vgl. zu diesem Abschnitt: Georgi Kowalenko (1999): Alexandra Exter. In: John E. Bowlt/Matthew Drutt und Selfira Tregulowa (Hg.): Amazonen der Avantgarde. Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeshda Udalzowa. Ausstellungskatalog. 10. Juli bis 17. Oktober 1999, Deutsche Guggenheim Berlin, Ostfildern-Ruit, S. 130-153; Hervé/Nödinger (1999), S. 90-91; Chauvelin/Filatoff (2003); Louis (2006b).

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ressierte sich stark für ukrainische Kultur, förderte und stellte sie aus und verwendete Elemente daraus in ihren eigenen Werken. In ihrer Malerei löste sie das Figürliche auf und bewahrt gleichzeitig eine klare Ordnung. Das Resultat ist die Konstruktion eines Kubismus der Objekte und Formen, der aber durch eine bemerkenswerte Lebendigkeit der Farben gekennzeichnet ist, […].37

Sie beteiligte sich an wichtigen Ausstellungen und begann 1916 „durch ihr Interesse an Bildkonstruktion und dreidimensionaler räumlicher Auflösung“38 ihre Zusammenarbeit mit einem der wichtigsten Regisseure des sogenannten Theateroktobers39, Alexander Tairov am Moskauer Kammertheater, der mit seiner „Theatralisierung des Theaters“40 bedeutend wurde. Exter gestaltete ihre Bühnenausstattungen für diese Inszenierungen nicht mehr mit Ornamenten, sondern als Erste im kubo-futuristischen-kubistischen Stil, unter anderem für „Salome“ von Oscar Wilde (1917)41, später „Romeo und Julia“ von William Shakespeare (1921): Exters kubistische Bühnenentwürfe leiteten eine neue Ära ein, die das Bühnenbild und Kostüme nicht mehr als dekorative Beigabe behandelte, sondern als aktives, kinetisches Element zur Ergänzung und Erweiterung der Handlung ins Spiel brachte.42

Kennzeichnend wurden ihre starke, auch vom Futurismus beeinflusste Farbgestaltung, ihr Umgang mit Licht und die Verwandlung des bisherigen zweidimensionalen Bühnenraumes in dreidimensionale abstrakte Skulpturen mit mehreren Spielflächen auf unterschiedlichen Ebenen.43 Charakteristisch für ihre Arbeiten 37 Kowalenko (1999), S. 133. 38 Bowlt (1999), S. 29. 39 Vgl. Annelore Engel-Braunschmidt (2007): Theateroktober. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 10631064. 40 Brauneck (2003b), S. 801. 41 Das Bühnenmodell zu „Salome“ von Alexandra Exter befindet sich in der Modellsammlung des Österreichischen Theatermuseums. Vgl. Oskar Pausch (Hg.) (1993): Vom Bild zum Raum. Bühnenmodelle des Österreichischen Theatermuseums. Konzept: Ulrike Dembski. Assistenz: Silvia Kargl, 2. Auflage, Wien, S. 15. 42 Kowalenko (1999), S. 136. 43 Vgl. Adriane von Hoop (2007): Alexandra Exter. Fembio – Frauen-Biographieforschung, Internet-Quelle.

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waren auch ein kompliziertes System von Vorhängen zur horizontalen, vertikalen und diagonalen Unterteilung des Bühnenraumes sowie die Farbgestaltung nach Szenen und – radikal unisex in Farb- und Formgebung – die Kostümentwürfe.44 Das waren „‚Gestaltmasken‘, die den Körper total verwandelten, der Rollenfigur keinerlei soziale, historische oder charakterliche Merkmale mehr ließen. Mit diesen Masken ließ Tairov [Tairov war der Regisseur, B. B.] eine höchst artifizielle Bühnenwelt entstehen.“45 Exter begeisterte sich zuerst für die Russische Revolution und gründete 1918 ein Atelier für Agitationskunst. Aufgrund des politischen Chaos konnte sie Kiew nicht verlassen, sie arbeitete viel und gestaltete unter anderem Agitationszüge und suprematistische Kunstwerke wie zum Beispiel die Ausstattungen von Propagandaschiffen. Sie experimentierte mit den Elementen des Kubo-Futurismus und schuf gegenstandslose Bilder, in denen sie die ukrainische Ornamentik mit physikalischen Begriffen wie Geschwindigkeit oder Beschleunigung verband. Ihre Werke wurden, wie jene von Natalia Gonþarova, bei zahlreichen Ausstellungen gezeigt und waren international stark präsent. Exter etablierte sich als Bühnen- und Kostümbildnerin, ihre Arbeiten für das Theater wurden in Berlin, London, Paris und Prag im Jahr 1920 ausgestellt. Sie entwarf auch Marionetten, Mode und Filmausstattungen, designte Ausstellungen, Bücher und Inneneinrichtungen, die als „architektonische Übungen in der Kombination von Volumen, Farbe und taktilen Eigenschaften verstanden werden“ können.46 1924 emigrierte Exter nach Paris, nahm im selben Jahr an der Biennale in Venedig teil, arbeitete für die Ballets Russes als Bühnendesignerin und unterrichtete Bühnendesign an der Académie d’Art Moderne von Fernand Léger. 1925 war sie an der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris beteiligt.47 In den 1930er Jahren illustrierte sie vor allem Kinderbücher, arbeitete nach wie vor für das Theater und als Innenarchitektin. Alexandra Exter starb 1949 in Paris. Ihre Werke werden seit den 1970er Jahren in zahlreichen Ausstellungen präsentiert,48 zuletzt in einer umfangreichen Personale 2010 in Moskau.49

44 Kowalenko (1999), S. 137. 45 Brauneck (2003b), S. 838. 46 Bowlt (1999), S. 30. 47 Der Österreich-Pavillon der Ausstellung wurde von dem bedeutenden Bühnenbildner Friedrich Kiesler gestaltet. Vgl. Deutsch-Schreiner (2009), S. 111. 48 Vgl. Chauvelin/Filatoff (2003), S. 426. 49 Vgl. Julia Schatte: Das weibliche Kolorit der Avantgarde, Internet-Quelle.

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3.1.3 Ljubov Popova (1889–1924) Ljubov Sergejevna Popova stammte aus einer großbürgerlichen, reichen Familie.50 Sie besuchte in den 1910er Jahren eine der Moskauer Atelierschulen, die „besonders für junge Frauen die Entwicklung ihrer künstlerischen Identität ermöglichten“.51 Auch sie unternahm zahlreiche Studienreisen in Russland, 1910 und 1914 nach Italien und Frankreich, wo sie den Futurismus und Kubismus kennenlernte. Als einzige der hier vorgestellten russischen Künstlerinnen war sie besonders an der klassischen italienischen Kunst interessiert. 1912 teilte sie in Moskau ein Atelier mit dem Maler Vladimir Tatlin, der wie der Maler Kasimir Malewitsch oder der Maler und Grafikdesigner El Lissitzky ein wichtiger Vertreter der russischen futuristischen Theateravantgarde war.52 Popova studierte anschließend in Paris an der Acadèmie de la Palette bis 1913. Ab 1914 lebte sie wieder in Moskau und beteiligte sich an den wichtigen Ausstellungen der Russischen Avantgarde in Moskau und St. Petersburg. Sie reflektierte in ihren Werken die Textur russischer Ikonenkunst, malte ab 1915/16 gegenstandslose, architektonische Gemälde im Stil des Suprematismus und arbeitete später im Stil des Konstruktivismus. Ab 1920 entwarf Popova für das Theater, unter anderem Bühnendesigns für „Romeo und Julia“ für die Inszenierung von Alexander Tairov oder für „Der Schlosser und der Kanzler“ von Anatoli Lunarchansky. Sie unterrichtete an der Staatlichen Kunsthochschule Wchutemas in Moskau, verfasste Beiträge über Komposition oder Konstruktion, befasste sich mit grafischphonetischer Dichtung, entwarf Buchumschläge, Plakate, Porzellan, Textilien und Kleider. Popova gestaltete mit ihren „theoretischen und praktischen Beiträgen [die] frühe Sowjetkultur“53 maßgeblich mit und gilt als eine „der bedingungslosesten und aggressivsten Vorkämpferinnen des sowjetischen Konstrukti50 Vgl. zu diesem Abschnitt: Natalja Adaskina/Dimitri Sarabianow (1999): Ljubow Popowa sowie Dimitri Sarabianow (1999): Ljubow Popowa und die künstlerische Synthese. In: John E. Bowlt/Matthew Drutt und Selfira Tregulowa (Hg.): Amazonen der Avantgarde. Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeshda Udalzowa. Ausstellungskatalog. 10. Juli bis 17. Oktober 1999, Deutsche Guggenheim Berlin, Ostfildern-Ruit, S. 185-190 und S. 191-197; Guggenheim Collection online [Solomon R. Guggenheim Foundation]: Liubov Popova, Internet-Quelle; Brauneck (2003a), S. 853-855. 51 Douglas (1999), S. 45. 52 Vgl. Peter Simhandl (2001): Konstruktivismus und Theater. In: Manfred Brauneck/Gérard Schneilin (Hg.): Theaterlexikon 1. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 557-558. 53 Bowlt (1999), S. 32.

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vismus“.54 1922 gestaltete sie für das Stück „Der herrliche Hahnrei“55 nach Fernand Crommelyncks „Le Cocu magnifique“56 eine aufsehenerregende, konstruktivistische Bühnenkonstruktion, die als erste der Theatergeschichte [!] mit kinetischen, mechanisch bewegten Elementen arbeitete.57 Vsevolod Meyerhold, der Regisseur, Theaterpädagoge und Erfinder der „Biomechanik“58, führte Regie, die Inszenierung wurde zu einer zentralen Theateraufführung des Theateroktobers. Die Bühne war ein technizistisch wirkendes Spielgerüst, an dem alle Elemente in permanenter Bewegung zu sein schienen. […] Im Grunde aber wurden alle Konstruktionselemente (Türen, Fenster, Treppen) lediglich als Spielelemente genutzt. […] Prinzip des Konstruktivismus war es, jedwede Bildhaftigkeit in den Versatzstücken zu tilgen, den Schauspieler total freizusetzen von deren „natürlichem“ Gebrauch.59

Popovas Ausstattung mit Rutschen, Leitern, Drehtüren und rotierenden Holzrädern erregte auch Aufsehen durch ihre ungewöhnlichen Farb- und Wortverbindungen. Sie kleidete die SchauspielerInnen nicht in klassische Kostüme, sondern in eine „Art Arbeitskleidung für Schauspieler“.60 In einer weiteren MeyerholdInszenierung, der Textcollage und politischen Revue „Die Erde bäumt sich“, in der Bearbeitung von Sergej Tretjakow und nach dem „Prinzip der Montage“61 gearbeitet, setzte Popova für die Bühne erstmals realistische Requisiten wie Maschinengewehre, Motorräder, einen Traktor, Lastwagen, echte Feldtelefone und Frontscheinwerfer ein. Sie verwendete auch Projektionen von Fotografien von Protagonisten der Revolution, „ein Verfahren, das dann Erwin Piscator übernommen und zu höchster Perfektion entwickelt hat“.62 Die Aufführung wurde 54 Bowlt (1999), S. 32. 55 Auch: Der große Hahnrei, Der großmütige Hahnrei. 56 Premiere am 25. April 1922. 57 Vgl. Kordina (1998), S. 101. 58 Biomechanik: ein „Trainingsprogramm für Schauspieler, […] eine Folge von Körperübungen, bei denen es darum ging, elementare Bewegungskonstellationen in Übereinstimmung mit physikalischen Gegebenheiten […] zu bringen“: Brauneck (2003a), S. 852. 59 Brauneck (2003a), S. 853-854. 60 Brauneck (2003a), S. 854. 61 Brauneck (2003a), S. 856. An den Inszenierungen von „Der große Hahnrei“, „Tarelkins Tod“ und „Die Erde bäumt sich“ arbeitete Sergej Eisenstein als Regieassistent mit. Vgl. Brauneck (2003a), S. 852-853. 62 Simhandl (2007b), S. 393.

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auch, unter anderem vor Soldaten der Roten Armee, im Freien gezeigt.63 Popovas „radikale Bühnen-, Mode- und Buchdesigns der frühen 20er Jahre [waren] organische Erweiterungen ihrer abstrakten Ateliermalerei. Ohne die rigorosen Formenuntersuchungen, die Popowa in ihren architektonischen und Raum-KraftKompositionen anstellte, wären die spektakulären […] Szenerien […] kaum möglich gewesen.“64 Bei ihren Entwürfen für Kleidung und Textilien entwarf sie die Muster oft in Hinblick auf die spätere Form der Kleidung und „verwendete die Prinzipien optischer Illusion […]. Dominierend blieb […] der Wunsch, den Körper der neuen sowjetischen Frau zu standardisieren.“65 Ljubov Popova verstarb 1924 mit 35 Jahren an Scharlach in Moskau. Im Dezember desselben Jahres wurde eine große Ausstellung über sie posthum eröffnet. Popovas Werke wurden in den letzten Jahrzehnten in großen Ausstellungen gezeigt, 2009 gemeinsam mit Arbeiten von Alexander Rodtschenko in der Tate Modern in London.66 3.1.4 Varvara Stepanova (1894–1958) Varvara Fedorovna Stepanova war eine der jüngsten Vertreterinnen der weiblichen Russischen Avantgarde.67 Sie kam aus Litauen, als Einzige stammte sie aus einer Arbeiterfamilie und konnte, vermutlich aufgrund ihrer Heirat mit einem Architekten, an den Kunsthochschulen in Kasan und später in Moskau studieren. Stepanova stellte bereits mit neunzehn Jahren in Moskau aus, experimentierte mit abstrakter bildender Kunst, Sprachspiel und Dichtung. Ab 1916 bildete sie 63 Vgl. Brauneck (2003a), S. 856. 64 Sarabianow (1999), S. 195. 65 Nicoletta Misler (1999): Der Körper der Avantgarde. In: John E. Bowlt/Matthew Drutt und Selfira Tregulowa (Hg.): Amazonen der Avantgarde. Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeshda Udalzowa. Ausstellungskatalog. 10. Juli bis 17. Oktober 1999, Deutsche Guggenheim Berlin, Ostfildern-Ruit, S. 104. 66 Vgl. Margarita Tupitsyn (Hg.) (2009): Rodchenko & Popova: Defining Constructivism. Ausstellungskatalog. 12. February bis 17. May 2009, Tate Modern, London. 67 Vgl.: Alexander Lawrentjew (1999): Warwara Stepanowa. In: John E. Bowlt/Matthew Drutt und Selfira Tregulowa (Hg.): Amazonen der Avantgarde. Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Ljubow Popowa, Olga Rosanowa, Warwara Stepanowa und Nadeshda Udalzowa. Ausstellungskatalog. 10. Juli bis 17. Oktober 1999, Deutsche Guggenheim Berlin, Ostfildern-Ruit, S. 240-249; Renate Rochner (2003): Warwara Stepanowa. In: Susanne Gretter/Luise F. Pusch (Hg.): Berühmte Frauen 2. Dreihundert Porträts, Frankfurt am Main, Leipzig, S. 277; Kordina (1998).

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mit ihrem Lebensgefährten, dem Maler und Grafiker Alexander Rodtschenko, ebenfalls ein wichtiger Vertreter der Russischen Avantgarde, bis zu dessen Tod 1956 ein kreatives Team. Sie beteiligte sich ab 1919 an konstruktivistischen Ausstellungen, war 1920 Gründungsmitglied des Inchuk, einer konstruktivistischen Arbeitsgruppe, und unterrichtete an der Krupskaja-Akademie für Soziale/Kommunistische Pädagogik. Anfang der 1920er Jahre begann sie ihre Arbeit für das Theater, ebenfalls für Inszenierungen von Vsevolod Meyerhold. Stepanova gestaltete 1922 für „Tarelkins Tod“68 von Alexander Suchowo-Kobylin die Bühne und die Kostüme, eine Ausstattung, die im Sinne der „Produktionskunst“ aus Standardelementen aufgebaut war: Möbel, Sportanzüge, Uniformen und eine Art „Fleischwolf-Käfigkonstruktion“, die die Verhörmethoden auf einer Polizeistation veranschaulichte. […] Die „Möbel“ freilich waren […] reine „Trickmaschinen“, mit Fallen versehen, an denen die Schauspieler ihre virtuose Körperbeherrschung demonstrieren konnten.69

Diese Möbel hatten Klapp- und Drehmechanismen, waren gitterähnliche Stühle oder ein Paravent, der sich scheinbar selbst entfaltete. Die Konstruktionen, aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Situation aus einfachen Materialien, dienten auch zur Charakterisierung des Geschehens auf der Bühne, die geometrischen Muster der Kostüme ergaben bei jedem Haltungswechsel neue Muster und betonten die Mechanik der körperlichen Bewegung. Wie Popova versucht Stepanova auf der Bühne die „drei Grundprinzipien des Konstruktivismus – Tektonik, Konstruktion und Faktor – umzusetzen. Das Ergebnis ist der totale Bruch mit dem Illusionismus der traditionellen Bühnendekoration.“ 70 Damit gelang Stepanova erstmals die Bespielung der horizontalen und vertikalen Ebenen und eine Steigerung in der Verwendung kinetischer Bühnenelemente. Sie arbeitete auch als Designerin für die Erste Staatliche Textilfabrik in Moskau, gestaltete Stoffmuster und Kleidung und unterrichtete an der Staatlichen Kunsthochschule Wchutemas Textilgestaltung. 1925 war sie, wie Alexandra Exter, an der Exposition Internationale des Arts Dècoratifs et Industriels Modernes in Paris vertreten. Zwischen 1926 und 1932 illustrierte sie im Auftrag der Regierung Bücher und Zeitschriften und arbeitete später wieder als Malerin. „Mit dem Diktat des sozialistischen Realismus 1934 ging die Zeit der formalen Experimente zu Ende. […] Die früheren Arbeiten […] galten jetzt als dekadenter

68 Premiere am 24. November 1922. 69 Brauneck (2003a), S. 855. 70 Kordina (1998), S. 180-181.

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Irrweg.“71 Varvara Stepanova starb 1958 in Moskau. Auch ihre Arbeiten wurden ab den 1950er Jahren wiederentdeckt.72 In Russland folgte den Amazonen der Avantgarde eine neue Generation von Sowjetkünstlerinnen in einem anderen Umfeld: Das „Matriarchat der Amazonen war inzwischen durch ein neues hierarchisches Patriarchat ersetzt worden, in dem der männliche Künstler […] wieder die Vormachtstellung einnahm.“73

3.2 B AUHAUS -K ÜNSTLERINNEN ALS B ÜHNENBILDNERINNEN In Deutschland und Österreich waren Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Besuch der Kunstakademien ausgeschlossen, nur Privatunterricht, der für sie noch dazu teurer war als für Männer, oder der Besuch von Kunstgewerbeschulen war für sie möglich.74 Ab 1919 war das Staatliche Bauhaus in Weimar für weibliche und männliche BewerberInnen geöffnet und das ermöglichte „zahlreiche weibliche Aufbrüche in der Kunst“.75 Aus dieser Zeit werden die künstlerischen Mehrfachbegabungen76 Ilse Fehling (1896–1982) und Friedl Dicker (1898–1944), die auch Bühnenausstattungen gestalteten, vorgestellt. Die Bauhaus-Künstlerinnen in Deutschland Im deutschsprachigen Raum waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Beruf BühnenbildnerIn wie auch der Beruf RegisseurIn fest in männlicher Hand. In Deutschland bekamen durch die demokratische Verfassung der Weimarer Republik erstmals Frauen das Recht zu studieren und zu wählen, die Berufstätigkeit wurde für viele Frauen ökonomisch notwendig, aber die geschlechtsspezifischen Rollenmuster blieben stabil und das Leitbild der Hausfrau und Mutter galt nach

71 Rochner (2003), S. 277. 72 Zuletzt wurden im Jahr 2010 Werke von Varvara Stepanova im Kunstmuseum St. Gallen gezeigt. Vgl. Kunstmuseum St. Gallen: Archiv, Internet-Quelle. 73 Bowlt (1999), S. 34. 74 Ulrike Müller (2009d), S. 8. 75 Vgl. Ulrike Müller (2009d). 76 Vgl. Ulrike Müller (2009c): Zwischen Hammer und Meißel, Reißbrett und Pinsel, Kostüm und Reichspatent. Mehrfachbegabungen in Malerei, Grafik, Bildhauerei und Bühnenarbeit. In: Ulrike Müller (2009d): Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design, 2. Auflage, München, S. 84-85.

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wie vor.77 Als ab dem Jahr 1919 erstmals Frauen in das Staatliche Bauhaus in Weimar78 aufgenommen wurden, entstanden nunmehr Möglichkeiten für Künstlerinnen, auch Bühnenausstattungen zu entwerfen. Und es galt auch am Bauhaus: Die Geschlechterkonzeptionen, die in der modernen Bauhauslehre von der Mehrzahl der Meister [Herv. B. B.] weitergegeben wurden, entsprachen jedoch weitgehend den Vorstellungen, wie sie schon in der Spätaufklärung, unter anderem von Rousseau, vertreten und von Nietzsche an der Schwelle zur Moderne noch einmal zugespitzt worden waren: Der Mann war der vernunftbegabte Kulturträger, die Frau ein vom Gefühl bestimmtes Naturwesen.79

Von dieser Auffassung waren auch die Bauhaus-Männer überzeugt und trotz der proklamierten „absoluten Gleichberechtigung“ gab Walter Gropius bereits 1920 vor, dass „das Zahlenverhältnis der Studierenden männlichen und weiblichen Geschlechts ein derartiges [ist], das ohne Zweifel mit der Aufnahme von Damen zurückgehalten werden muss […]“.80 Eine Lösung war, Frauen nur bei ganz außerordentlicher Begabung aufzunehmen,81 sowie die Gründung einer eigenen Frauenklasse im Jahr 1920, die bald mit der Weberei verschmolz; eine eigene Tätigkeitsbeschreibung dieser Klasse unterblieb.82 „Der Meisterrat, das oberste Selbstverwaltungsgremium der Schule [diskutierte] diese Fragen nicht öffentlich und [verbarg] auch tunlichst seine Geschlechterpolitik.“83 Für die Studentinnen bedeutete das, ihr Scheitern mit fehlender künstlerischer Qualifikation erklärt zu bekommen; sie waren „mit männlichem Abwehrverhalten konfrontiert“84 und so ist es nicht verwunderlich, dass es nur wenigen gelang, sich als Künstlerinnen durchzusetzen. Ihre Beiträge, auch zu den Entwicklungen der Bauhausbühne, wurden bis in die Gegenwart nicht angemessen

77 Vgl. Anja Baumhoff (2006): Frauen am Bauhaus – ein Mythos der Emanzipation. In: Jeannine Fiedler (Hg.): Bauhaus, Köln, S. 96-107, hier: S. 97. 78 Vgl. Ulrike Müller (2009d). 79 Ulrike Müller (2009d), S. 9-10. 80 Zit. in: Ulrike Müller (2009c), S. 84. 81 Vgl. Ulrike Müller (2009c), S. 84. 82 Vgl. Baumhoff (2006), S. 103. 83 Baumhoff (2006), S. 103. Vgl. die Ergebnisse der Forschungen von Cornelia Klinger zum beredten Schweigen im Abschnitt Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften, S. 60. 84 Baumhoff (2006), S. 107.

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gewürdigt und bleiben im Schatten von Oskar Schlemmers Triadischem Ballett, das die Rezeption zur Bauhausbühne beherrscht.85 Zu weiteren Bühnenbildnerinnen aus dieser Zeit in Österreich und Deutschland liegt bisher kaum Literatur vor.86 Anke Vetter, die sich mit dem bühnenbildnerischen Werk der Bauhaus-Schülerin Ilse Fehling befasste87, stellte fest, dass „abgesehen von dem ungetrübten Interesse an russischen Avantgardekünstlerinnen eine Auseinandersetzung mit Bühnenbildnerinnen [aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts] so gut wie gar nicht statt[findet]“.88 Auch sie fragte, ob „Bühnenbild Männersache [war und ist]“89, und nennt als ein Ergebnis ihrer Recherchen die Namen von Kostüm- und Bühnenbildnerinnen wie Lotte Reininger (1899–1981), Alice Lex-Nerlinger (1893–1975), Loe Dahl, Nina Tokumbet (1901–1993)90, Thea Sternheim (1883–1971), Marie Mautner (1886–1972), Mathilde Rosenthal, Else Kündiger und Ilse Fehling.91 Die „zahlenmäßige Dissonanz zwischen Bühnenbildnerinnen und Bühnenbildnern“92 dieser Zeit ist augenscheinlich. Vetter sieht unter anderem einen Grund darin, dass Bühnenbildnerinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Weitem nicht so viele Ausstattungen schufen wie Bühnenbildner. Als Beispiele nennt sie Traugott Müller, der in den Jahren 1923 bis 1944 ca. 135 Ausstattungen schuf; Teo Otto, der im gleichen Zeitraum ca. 300 Bühnenbilder produzierte, und Caspar Neher, der über Jahre im Schnitt ein Bühnenbild pro Monat [!] lieferte.93 Zum einen ist davon auszugehen, dass diese Bühnenbildner auf zahlreiche (weibliche?) Unterstützung und Assis85 Vgl. u.a. Arnd Wesemann (2006): Die Bauhausbühne. In: Jeannine Fiedler (Hg.): Bauhaus, Köln, S. 532-547. 86 Vgl. Vetter (2004), S. 10. Anke Vetter hat mir eine leicht überarbeitete Fassung ihrer Magisterarbeit zur Verfügung gestellt, insofern können die zitierten Seitenangaben von der ursprünglichen Arbeit abweichen. Vielen Dank an Anke Vetter für ihre Unterstützung. 87 Vgl. zu diesem Abschnitt: Vetter (2004); Ilse Fehling (1990): bauhaus, bühne, akt, skulptur, 1922–1967. Ausstellungskatalog. Galerie Bernd Dürr, 2. bis 24. Februar 1990, München; Ulrike Müller (2009b). 88 Vetter (2004), S. 3. 89 Vetter (2004), S. 9. 90 Siehe auch: Stompor (1994), Teil 1, S. 177. 91 Vgl. Vetter (2004), S. 10. Die Daten der genannten Künstlerinnen wurden hier, soweit sie festgestellt werden konnten, ergänzt. Vetter stellte zudem fest, dass die Namen von Kostümbildnerinnen noch seltener als die Namen von Bühnenbildnerinnen vermerkt wurden. 92 Vetter (2004), S. 10. 93 Vgl. Vetter (2004), S. 10.

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tenz zählen konnten, zum anderen half ihnen sicher auch, dass das Bild des Künstlers und Genies, der unermüdlich an seiner Kunst arbeitet, männlich konnotiert war und Frauen aus dieser Möglichkeit so gut wie ausgeschlossen waren, wie die feministische Kunstgeschichte ab den 1970er Jahren herausarbeitete.94 Zudem wurden durch die faschistischen Regimes ab den 1930er Jahren zahlreiche, vor allem jüdische KünstlerInnen vertrieben, in ihrer Berufsausübung behindert oder ermordet. Siglinde Bolbecher, die zur Exilforschung aus frauenspezifischer Sicht arbeitet, kritisiert, dass die Geschichte der Verfolgung und Flucht in der NS-Zeit bisher zu oft als Leerstelle behandelt worden ist:95 „Im Kanon der Literatur wie der Kunst hat ein radikales Verschwinden von Frauen und ihrer Werke aus politisch motivierten Gründen stattgefunden.“96 Im folgenden Abschnitt werden mit Ilse Fehling und Friedl Dicker zwei von den wenigen Künstlerinnen dieser Zeit porträtiert, die auch als Bühnenbildnerinnen arbeiten konnten und deren Werke dokumentiert und dadurch dem Vergessen entrissen wurden. 3.2.1 Ilse Fehling (1896–1982) … weil jede Frau mit Phantasie (Und welche Frau hätte keine?) schon immer gewohnt war, aus Vorhandenem Neues zu zaubern und dieses Spiel der Erfindung nicht nur als praktische Gabe betrachtete, sondern auch die Lust einer Zauberin dabei empfand.97 ILSE FEHLING

Ilse Fehling besuchte die Kunstgewerbeschule in Berlin, studierte anschließend Bildhauerei und wechselte 1920 ans Bauhaus in Weimar.98 „Nach der Grundleh94 Vgl. u.a. Söntgen (1996). 95 Vgl. Siglinde Bolbecher (2007a): Vorbemerkung. In: Siglinde Bolbecher (Hg.) (2007b): Frauen im Exil, Klagenfurt/Celovec (Zwischenwelt 9, hrsg. von der Theodor-Kramer-Gesellschaft), S. 9-14, hier: S. 9. 96 Bolbecher (2007a), S. 12. 97 Ilse Fehling, undatierter Zeitungsartikel mit dem Titel Wunder des Fundus. Zit. nach: Ulrike Müller (2009b): Ilse Fehling. In: Ulrike Müller (2009d): Bauhaus-Frauen, 2. Auflage, München, S. 86-91, hier: S. 90. 98 Vgl. zu diesem Abschnitt: Vetter (2004); Fehling (1990); Ulrike Müller (2009b); Kirsten Baumann (2007): Bauhaus Dessau. Architektur, Gestaltung, Idee, Berlin;

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re ließ sie sich nicht in die Frauenklasse drängen, sondern besuchte die Bühnenklasse von Lothar Schreyer und den Bildhauerkurs von Oskar Schlemmer.“99 Fehling befasste sich mit der Verbindung der Arbeitsbereiche Bühne und Bildhauerei, mit Materialkompositionen im Marionettentheater und entwickelte eine Rundbühnenkonstruktion, die sie sich auch patentieren ließ: Die Entwicklung der Rundbühne von 1922, als Ergebnis der Suche nach neuen Bühnenund Bühnenbildformen, muß als ein genuiner Beitrag Fehlings bewertet werden, in der sich wesentliche Elemente der Theatermoderne vereinen.100

Fehlings Beitrag kann auch als Beispiel für eine „neue, eine aperspektivische Raumwahrnehmung […] zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse und [als] Beitrag zur Demokratisierung“ gesehen werden, wie dies Evelyn Deutsch-Schreiner für die Situation der Theateravantgarde in Österreich anhand der Raumüberlegungen des Architekten und Bühnenbildners Friedrich Kiesler (1890–1965) beschrieb.101 Ilse Fehling verließ 1923 das Bauhaus ohne Abschluss,102 im selben Jahr heiratete sie103 und ging nach Berlin. Von 1923 bis 1925 arbeitete sie für sieben Inszenierungen als Bühnen- und/oder Kostümbildnerin, vorwiegend bei Produktionen freier Theatergruppen.104 Zur Zeit der Weimarer Republik (1919–1933), die von bürgerkriegsähnlichen Unruhen gekennzeichnet war, herrschten zum einen ein Drang nach Zerstreuung und Unterhaltung, zum anderen eine extreme Politisierung des öffentlichen Lebens, beides bildete sich auch im zeitgenössischen Theater ab.105 Fehling stattete Stücke wie „Olympia“ von Ernst Weiß, „Eduard II“ von Calderón de la Barca (Regie: jeweils Karl Heinz Martin) oder Frank Whitford (Hg.) (1993): Das Bauhaus. Selbstzeugnisse von Meistern und Studenten, Stuttgart. In der Publikation Bauhaus von Jeannine Fiedler ist Ilse Fehling nur in einem auf den Kopf gestellten Doppelporträt mit Nicol Wassilieff abgebildet bzw. erwähnt. Vgl. Ute Ackermann (2006): Bauhaus intim. In: Jeannine Fiedler (Hg.): Bauhaus, Köln, S. 108-109. 99 Ulrike Müller (2009b), S. 86-91. 100 Vetter (2004), S. 47. 101 Deutsch-Schreiner (2009), S. 106. 102 Vgl. Vetter (2004), S. 32. 103 Fehling heiratete den Wirtschaftprüfer Klaus Henry S. Witting. 1928 wurde ihre Tochter Gaby geboren. Die Ehe wurde ein Jahr später geschieden. Vgl. Vetter (2004), S. 53 und S. 70. 104 Vetter (2004), S. 53. 105 Vgl. Vetter (2004), S. 50.

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„Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas fils (Regie: Bernhard Reich)106 aus. Ihre Arbeiten für die Bühne folgten der abstrakt-geometrischen Formensprache aus der Bauhaus-Zeit107 und wurden neutral bis positiv rezipiert. 1923 war Fehling „‚Chef des Ausstattungswesens‘ [!] im ‚Schauspielertheater‘ Berlin-Chausseestraße, das Theater musste aber im Frühjahr 1924 schließen“.108 Zwischen 1925 und 1933 arbeitete Fehling „nicht mehr für die Bühne und wird im Deutschen Bühnenjahrbuch als Malerin und Bildhauerin geführt“.109 Ab 1927 arbeitete sie auch für den Film und immer wieder als Bildhauerin. Zwischen 1933 und 1937 sind Bühnen- bzw. Kostümarbeiten von Fehling in Berlin für sieben Inszenierungen nachgewiesen.110 Während Ulrike Müller festhielt, dass Fehlings Arbeiten 1933 von der Preußischen Akademie der Künste als entartet abgelehnt wurden,111 konnte Vetter dafür keinen Beleg finden.112 Fehling entwarf Kostüme für Filme,113 1940 wurde sie Chefausstatterin für Tobis-Europa Film AG Berlin und gestaltete gelegentlich noch Kostüme und Bühnenbilder. In München arbeitete sie von 1941 bis 1943 unter anderem für die Münchner Kammerspiele. Sie gestaltete für vier Stücke das Bühnenbild: in der Spielzeit 1941/42 für „Wie führe ich eine Ehe“ von Axel von Ambesser (Regie jeweils: Hermann Schultze Griesheim) und „Sophienlund“ von Helmut Weiß und Fritz von Woedtke (Regie jeweils: Hermann Schultze Griesheim); 1942/43 für „Die lustigen Weiber von Windsor“ von William Shakespeare (Regie: Heinz Dietrich Kentner) und „Emilia Galotti“ von Gotthold Ephraim Lessing (Regie: Otto Falckenberg).114 „Leider scheiterte jedoch die hochbegabte Nichte des großen Regisseurs [Jürgen Fehling, Erg. B. B.] am Widerstand des technischen Betriebes“, obwohl ihr bescheinigt wurde, dass „ihre Bühnenbilder […] von einer reizvollen szenischen Phantasie [waren], die am liebsten immer weiter experimentierte“.115

106 Vgl. Vetter (2004), S. 110-111. 107 Vgl. Vetter (2004), S. 101. 108 Vetter (2004), S. 58-59. 109 Vetter (2004), S. 69. 110 Vetter (2004), S. 111-112. Ein einziges Mal (für Lady Fanny, Deutsches Künstlertheater Berlin, 1934) arbeitete Fehling mit ihrem Onkel, dem Regisseur Jürgen Fehling, zusammen. Vgl. Vetter (2004), S. 82. 111 Vgl. Ulrike Müller (2009b), S. 90. 112 Vgl. Vetter (2004), S. 72. 113 Vgl. Vetter (2004), S. 72-73. 114 Vgl. Wolfgang Petzet (1973): Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972, S. 600-601. 115 Petzet (1973), S. 393.

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Von 1943 bis 1944 arbeitete Fehling für das Hamburger Thalia Theater.116 Von Vetter werden die Theaterproduktionen Fehlings aus diesen Jahren als „Welle der ‚Leichten Muse‘“ bezeichnet.117 Nach der Säuberung der Spielpläne durch die Nationalsozialisten wurden laut Vetter vor allem Komödien, Operetten und zeitgenössische Klassiker gespielt.118 Evelyn Deutsch-Schreiner zeigte jedoch auf, dass es bis 1945 sowohl tendenziöses NS-Theater wie auch Widerstandstheater gegeben hatte.119 Auch in Fehlings Arbeiten zeigten sich Änderungen in der Formensprache mit Rückgriffen auf traditionelle Bühnenformen des 19. Jahrhunderts, naturalistischen Bühnen- und Kostümgestaltungen oder sehr reduzierten Ausstattungen.120 1943 wurde ihre Berliner Wohnung von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, ihre Plastiken und Werke durch einen Bombenangriff zerstört. Sie zog 1947 nach Genf und arbeitete als „Pressezeichnerin und Korrespondentin für die ‚Neue Welt‘ München“.121 Ab 1949 lebte sie in München, wirkte wieder an Filmproduktionen mit, arbeitete zwischen 1956 und 1962 erneut an Theatern in München und Köln122 und wirkte an Ausstellungen mit. Anke Vetter bezeichnete Fehling als keine zweite Natalja Gontscharowa oder Alexandra Exter, [als] keine Visionärin des Theaters […]. Ilse Fehling ist eine von vielen unbekannten Künstlerinnen, die sich – nicht nur an der Bauhaus-Bühne – mehr oder weniger erfolgreich in einem von Männern bestimmten Berufsfeld bewegte.123

Ilse Fehling starb 1982 in München. 1990 wurden ihre Zeichnungen, Entwürfe und Skulpturen in einer Einzelausstellung ebendort präsentiert.124

116 Vetter (2004), S. 112-114. 117 Vetter (2004), S. 74. [Herv. i. Orig.]. 118 Vgl. Vetter (2004), S. 101. 119 Vgl. Deutsch-Schreiner (2001), S. 287-288. 120 Vgl. Vetter (2004), S. 102. 121 Vetter (2004), S. 104. 122 Vgl. Vetter (2004), S. 104. 123 Vetter (2004), S. 3. 124 Vgl. Fehling (1990).

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3.2.2 Friedl Dicker (1898–1944) Uns ist bestimmt, nicht reich zu werden, und es ist gut so, wir brauchen es nicht. Und überlege, so oft uns die Geduld riß und es schien, als wäre es des Geldes wegen, war es immer eine innere Ursache. Ich glaube, die Sorgen, die sich die Menschen machen, sind da nur zu überdecken die eigentliche Ursache ihrer inneren Unruhe. Geben wir acht und sehen wir, daß diese getilgt ist und alles ist gut.125 FRIEDL DICKER

Die in Wien geborene Friedl Dicker126 absolvierte 1912–1914 eine Lehre für Fotografie und Reproduktionstechnik,127 „damals für ein junges Mädchen ein noch recht ungewöhnlicher Weg“,128 danach besuchte sie die Textilklasse der k.u.k. Kunstgewerbeschule. „Ihr Schulgeld verdiente sie am Theater. Sie […] entwarf Kostüme, schrieb sogar selbst Theaterstücke […].“129 Später studierte Dicker an der privaten Kunstschule von Johannes Itten, ging mit ihm 1919 nach Weimar und arbeitete in der Werkstatt für Druckgrafik, in der Bildhauerei und Tischlerei. Im Frühjahr 1921 erhielt sie als einzige Studentin ein Stipendium, der Meisterrat des Bauhauses bestätigte ihre „außergewöhnlichen künstlerischen Leistungen“.130 Von 1920 bis 1924 war sie mit Singer künstlerische Leiterin von Ber125 Friedl Dicker an ihre Freundin und Kommilitonin Anny Wottitz um 1921. Zit. nach: Ulrike Müller (2009a): Friedl Dicker. In: Ulrike Müller (2009d): Bauhaus-Frauen, München, S. 92-97, hier: S. 92. 126 Verh. Dicker-Brandeis. 127 Vgl. zu diesem Abschnitt: Elena Makarova (1999): Friedl Dicker-Brandeis. Ein Leben für Kunst und Lehre; Wien, Weimar, Prag, Hronov, Theresienstadt, Auschwitz. Ausstellungskatalog. Palais Harrach, 26. Oktober bis 28. November 1999, Wien; Georg Schrom/Stefanie Trauttmannsdorff (1988): Franz Singer, Friedl Dicker. Ausstellungskatalog. Hochschule für angewandte Kunst in Wien (Hg.). 9. Dezember 1988 bis 27. Jänner 1989, Heiligenkreuzerhof, Wien; Ulrike Müller (2009a); Sabine Blakolm-Forsthuber (2007): Zur Emigration bildender Künstlerinnen aus Österreich. In: Siglinde Bolbecher (Hg.) (2007b): Frauen im Exil, Klagenfurt/Celovec (Zwischenwelt 9, hrsg. von der Theodor-Kramer-Gesellschaft), S. 51-75, hier: S. 57-60. 128 Ulrike Müller (2009a), S. 93. 129 Makarova (1999), S. 12. 130 Ulrike Müller (2009a), S. 95.

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thold Viertels Theater „Die Truppe“ und gestaltete Bühnenbilder und Kostüme in Dresden und Berlin. Die Skizzen dafür entwickelten sie im Bauhaus, in Oskar Schlemmers Werkstatt. „[An allen] Inszenierungen […] habe ich mit Franz Singer gemeinsam gearbeitet, möchte sie also nicht unter meinem Namen allein reproduzieren“, so Friedl Dicker.131 Die Entwürfe für Stücke wie Henrik Ibsens „John Gabriel Borkman“ (1923) oder August Stramms „Die Heidebraut“ (1921) zeigen malerische Bühnenräume, in der Farbigkeit wahrscheinlich von Paul Klee, „Dickers Lieblingsmaler“,132 inspiriert. Später arbeiteten Dicker und Singer mit Bert Brecht zusammen. 1923 schloss Dicker ihr Studium ab und eröffnete mit Singer ein Atelier in Berlin. Beiden wird bescheinigt, mit ihren Arbeiten in der Architektur und Raumgestaltung Herausragendes geschaffen zu haben.133 Sie kehrte nach Wien zurück und arbeitete von 1926 bis 1931 mit Singer zusammen; sie entwarfen Häuser, Inneneinrichtungen, Stoffe oder Bucheinbände. Friedl Dicker gehört in die Künstlerinnengeneration des 20. Jahrhunderts, deren Existenz durch die […] Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten auf dreifache Weise bedroht war: als Jüdin, als Kommunistin und als Künstlerin einer bald als entartet abgestempelten Kunstrichtung.134

1934 musste Friedl Dicker aufgrund ihrer kommunistischen Aktivitäten nach Prag emigrieren. Sie löste sich vom konstruktivistischen Stil des Bauhauses und malte mehr figurativ, sie arbeitete als Innenarchitektin und unterrichtete Kinder von EmigrantInnen. 1936 heiratete sie ihren Cousin Pavel Brandeis. Drei Jahre später verloren beide ihre Arbeit. In London wurden 1942 Werke von Friedl Dicker ausgestellt, im selben Jahr wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Dort unterrichtete sie Kinder in Malerei, organisierte eine Ausstellung von Kinderzeichnungen und entwarf Ausstattungen für Kindertheater. Im Oktober 1944 wurde Friedl Dicker nach Auschwitz deportiert und in Birkenau ermordet. Die erste umfangreichere Ausstellung von Friedl Dickers Werken fand lange nach ihrem Tod 1970 in Darmstadt statt, es folgten Ausstellungen in Prag, Basel, Russland, Jerusalem und Frankfurt, eine große Werkschau wurde 1999 in Wien gezeigt. Zu ihren Lebzeiten „verkaufte sie ihre Arbeiten unter ihrem Wert. […] nicht das fertige Produkt, der Arbeitsprozeß war ihr wichtig.“135 131 Makarova (1999), S. 69. 132 Makarova (1999), S. 17. 133 Vgl. Eva Badura-Trsika (2006): Freie Malerei am Bauhaus. In: Jeannine Fiedler (Hg.): Bauhaus, Köln, S. 160-171, hier: S. 170. 134 Ulrike Müller (2009a), S. 96. 135 Makarova (1999), S. 41.

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Wie in diesem Abschnitt gezeigt wurde, konnten die Ausbildungs- und Berufsverbote für Frauen ab den 1910er und 1920er Jahren in Österreich und Deutschland langsam gebrochen werden. Ab den 1930er Jahren wurde im Sinne des Nationalsozialismus auf ein rückständiges Frauenbild zurückgegriffen, künstlerische Leistungen wurden überwiegend Männern zugeschrieben. Die Vertreibung und Ermordung jüdischer Menschen, aller, die nicht arisch, gesund und dem Führer untertan waren, führte zu entsetzlichen Verlusten von Menschen, Werten und zu Entwicklungen in unvorstellbarem Ausmaß. In der Nachkriegszeit wurden auch „Theaterleute […] Träger der rasch einsetzenden Kultur des Verschleierns, Vergessens und Verdrängens“,136 und das betraf nicht nur das Verschweigen der Gräuel der Nazi-Zeit, sondern auch das Verdrängen der Errungenschaften der Ersten Frauenbewegung, durch die akademische Ausbildungen und Berufstätigkeit für Frauen möglich geworden war. So waren auch Bühnenbildnerinnen der Nachkriegszeit mit dem Vorurteil konfrontiert, dass Frauen für diese Tätigkeit nur in Ausnahmefällen geeignet seien.

3.3 B ÜHNENBILDNERINNEN NACH 1945 Bühnenbildnerinnen in den 1950er bis 1970er Jahren Trotz der Zerstörungen und Beschädigungen durch den Zeiten Weltkrieg wurde mit enormer Unterstützung durch die Bevölkerung das Theaterleben rasch wiederbelebt und hatte große gesellschaftliche Bedeutung.137 Die Theaterentwicklung in Deutschland und Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg verlief in einigen Bereichen ähnlich. Obwohl ehemalige Mitglieder der NSDAP zuerst auch von Leitungspositionen an den Bühnen ausgeschlossen waren, hatten „65% der 1945/46 wieder eingestellten Bühnenkünstler vor 1945 mehr oder weniger führende Positionen im NS-Theaterwesen [inne]“.138 Das bedeutete, dass sich „mit der Kontinuität der personellen Besetzung auch eingespielte schauspiel- und bühnenästhetische Stilkonventionen fortsetzten […]“.139 Und das besagte auch,

136 Deutsch-Schreiner (2001), S. 10. 137 Vgl. für Österreich: Deutsch-Schreiner (2001); Brauneck (2007a), S. 191-458, besonders S. 202-207 (Deutschland) sowie S. 459-513 (Österreich); Exemplarisch: Fischer-Lichte (2000a), S. 243-295. 138 Brauneck (2007a), S. 207. 139 Brauneck (2007a), S. 207.

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dass Beiträge von Frauen weiterhin marginalisiert wurden.140 Es dauerte bis in die 1980er und 1990er Jahre, bis das Wirken von einigen Bühnenbildnerinnen der Nachkriegszeit – noch immer als Ausnahmen – auch in der Literatur wahrgenommen wurde. Zu diesen Ausnahmen gehören Ita Maximowna und Hanna Jordan, deren Arbeiten für die Bühne in Monographien (1982 und 2006) dokumentiert wurden, dennoch: In den theater- und bühnengeschichtlichen Standardwerken werden sie nur selten erwähnt. 3.3.1 Ita Maximowna (1914–1988) Ich bin aus den Trümmern Berlins entstanden.141 ITA MAXIMOWNA

Ita Maximowna war in den 1950er und 1960er Jahren eine Star-Bühnenbildnerin. Sie war Expertin für deutsche Erstaufführungen der damals beliebten amerikanischen Stücke, später stattete sie vor allem Opern aus. 1982 erschien die Monographie „Bühnenbilderbuch“142 mit ihren wichtigsten Entwürfen aus den Jahren 1945–1978.143 Es ist, soweit bisher festgestellt werden konnte, die erste Monographie über eine Bühnenbildnerin im deutschen Sprachraum. Biografische Daten Ita Maximowna wurde am 31. Oktober 1914 als Ita Schnakenburg144 in Pskow/ Russland in der Nähe von St. Petersburg (später Leningrad) geboren. Sie floh vor Beginn der Revolution nach Paris, wo sie bei Marie Laurencin, danach in der Zwischenkriegszeit an der Berliner Kunstakademie bei Erwin Freytag und Jo140 Auch als Täterinnen, wie die Aufarbeitungen ab den 1980ern zeigten. Vgl. u.a. Christine Thürmer-Rohr (Hg.) (1990): Mittäterschaft und Entdeckungslust: Berichte und Ergebnisse der gleichnamigen Tagung vom 6. – 10. April 1988, Inst. für Sozialpädagogik/Schwerpunkt Frauenforschung, Berlin. 141 Zit. in: N.N. (1988): Register, Gestorben. Ita Maximowna. In: Der Spiegel, Nr. 16, S. 266. 142 Maximowna (1982). 143 Der folgende Abschnitt basiert auf: Maximowna (1982); Sabine Steinhage (2007a): Ita Maximowna. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 476-477. 144 Später verh. Martin bzw. Baumann. Vgl. Berlin ehrt Persönlichkeiten: Maximowna, Ita, Internet-Quelle sowie Digitales Kunst- und Kulturarchiv Düsseldorf, InternetQuelle.

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hannes Boehland in europäischer Kunst ausgebildet wurde. Sie kam wahrscheinlich aus einer wohlhabenden Familie, denn „sie war eine große Kennerin der Kultur des 18. Jahrhunderts […] und im Großbürgertum des 19. Jahrhunderts zu Hause“.145 Zuerst arbeitete Maximowna als Buchillustratorin. Während der Kriegsjahre lebte sie in Genf und Paris.146 Nach dem Zweiten Weltkrieg führte sie der spätere Intendant des Hebbel-Theaters, Karl Heinz Martin, in die Theaterarbeit ein. Im Jahr 1949, während der Berlin-Blockade, wurde Ita Maximowna von amerikanischen Kulturoffizieren in die USA eingeladen. Dort lernte sie die Theaterarbeit am Broadway kennen und wurde, zurück in Deutschland, Spezialistin für die Ausstattung vieler deutscher Erstaufführungen der amerikanischen und französischen Gegenwartsliteratur. Später gestaltete sie mit großem Erfolg Ausstattungen an fast allen großen Opernhäusern der Welt. Ab den 1970er Jahren widmete sie sich wieder der Malerei, im Jänner 1976 wurden ihre Bilder im Neuen Berliner Kunstverein ausgestellt. Ita Maximowna starb am 8. April 1988 in Berlin. Über die Arbeit als Bühnenbildnerin Ita Maximownas erstes Bühnenbild war für die Doppelpremiere von Arthur Schnitzlers „Grüner Kakadu“ und Frank Wedekinds „Kammersänger“ im Juli 1945 in Berlin. Dazu wurde sie von Karl Heinz Martin, damals Regisseur am Renaissancetheater, eingeladen. Er wurde später Intendant am Hebbel-Theater und nahm Ita Maximowna mit, ein Ausgangspunkt ihrer späteren internationalen Karriere. Zuerst war sie Spezialistin des neuen Musiktheaters der 1950er Jahre und gestaltete Ausstattungen unter anderem für „Die Glasmenagerie“ und „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams in Berlin. Sie arbeitete außerdem an Theatern in München, Bonn und Wien. In Hamburg entwickelte sie 1952 zusammen mit dem Regisseur Heinrich Koch und dem Bühnenbildner Franz Mertz die von Bühnenarbeitern so genannte Kochplatte, eine fast dekorationslose Scheibenbühne. Weitere Zusammenarbeiten gab es mit Regisseuren wie Berthold Viertel, Leo Mittler, Erwin Piscator oder Albert Lippert. Ab den 1950er Jahren begann die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Günther Rennert, vor allem für Opern in Edinburgh, Frankfurt, Salzburg, Wien, Brüssel, Vancouver, Hamburg und Mailand,147 sowie mit Herbert von Karajan, ebenfalls in Mailand, Wien und Brüssel. Ihre Bühnenausstattungen waren für ihre Eleganz, die gleich-

145 Martin Rupprecht (1982): Einführung. In: Ita Maximowna: Bühnenbilderbuch, Tübingen, S. 7. 146 Vgl. Mohr (1986), S. 33. 147 Vgl. Maximowna (1982), S. 149-160.

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zeitige „Schwere und Leichtigkeit, Trauer und Freude“148 bekannt. Viele ihrer Entwürfe sind vor allem in den frühen Jahren deutlich malerisch, ohne einer einzelnen Kunstrichtung verhaftet zu bleiben. „Als Bühnengestalterin war es ihr Ziel, die Konzeption ihrer Regisseure optimal umzusetzen.“149 Der Regisseur Hans Hartleb, der Dramaturg und spätere Intendant des Opernhauses Kiel Claus H. Henneberg sowie der Theaterkritiker Friedrich Luft150 beschreiben Ita Maximownas brillante Fantasie, ihr Erfühlen des Werkstiles, ihre technische Akkuratesse, ihr räumliches Denken und ihr spielerisches Schaffen. Sie wird als kalkulierende Handwerkerin und große Praktikerin gelobt, als verlässliche Meisterin ihres Handwerks, als „auf spielerische Manier eine strenge Perfektionistin. […] Sie ist auf ihrem raren Gebiet wahrlich ein Star.“151 Ita Maximowna selbst kommt in ihrer Monographie einmal zu Wort. Im Gespräch mit der Dramaturgin Lynn Snook wird sie zitiert, wie sie den Bühnenbildner Oskar Strnad zitiert [!]: Unsereiner soll seine Arbeit machen und hinter der Arbeit stehen, denn was er zu sagen hat, zeigt er ja. Eine seiner wichtigsten Fähigkeiten muß, ähnlich wie die Fähigkeit des Schauspielers, die Wandlungsfähigkeit sein. […] Er hat das zu erfüllen, was der Autor sagt […]. Was er zu erfüllen hat, ist Glaubhaftigkeit, „Wirklichkeit“.152

Als Frau in einem Männerberuf Der Regisseur Ludwig Berger freute sich, „in ihr, als einer Frau mit oft gerühmter Weiblichkeit, die in einem Beruf arbeitet, der damals den Männern vorbehalten schien, alle angeblich männlichen Eigenschaften, die Voraussetzung für die Bühnenbildnerei sein sollten, zu finden“.153 Friedrich Luft stellte fest, dass ihre Phantasie überaus weiblich sei, ihre Arbeit sei Passion und Maximowna vereine männliche Qualitäten der phantasievollen Planung, des „großen“ Denkens mit den weiblichen Vorzügen. Die „groß“ kalkulierte Spielwelt füllt sie dann erst aus mit jener spielerischen Freude am Detail, an der reinen Verkleidung, an der stimmigen Nebensache, wie sie eben nur einer Frau gelingen kann.154

148 Rupprecht (1982), S. 6. 149 Steinhage (2007a), S. 476-477. 150 Vgl. Maximowna (1982), S. 137-142. 151 Friedrich Luft (1982). In: Ita Maximowna: Bühnenbilderbuch, Tübingen, S. 142. 152 Rupprecht (1982), S. 5. 153 Rupprecht (1982), S. 6-7. 154 Luft (1982), S. 142-143.

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Zu Ita Maximownas persönlicher Entwicklung liegen kaum Daten vor. Eine für Frauen in Deutschland zur damaligen Zeit untypische künstlerische Karriere war für sie, vermutlich aufgrund ihrer großbürgerlichen Herkunft und Ausbildung in Frankreich,155 möglich. Wichtig für ihren Erfolg scheinen ihre zahlreichen Unterstützer wie Karl Heinz Martin156, Günther Rennert oder Hans Hartleb zu sein. Maximowna fühlte sich am internationalen Theaterparkett offensichtlich wohl, das vermitteln die wenigen Fotografien von ihr,157 die sie oft mit prominenten Theatermännern wie Hans Werner Henze oder Herbert von Karajan zeigen. So leicht und malerisch wie ihre Entwürfe scheint auch ihr Leben gewesen zu sein, zumindest wird dieser Eindruck vermittelt. Auszeichnungen und Preise Aus den vorliegenden Daten konnten zwei Preise festgestellt werden: der Kunstpreis Berlin, Jubiläumsstiftung 1848/1948 für Darstellende Kunst 1953158 und das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse 1987.159 3.3.2 Hanna Jordan (*1921) Es war wahnsinnig schwer, da hineinzukommen. Es gab da damals eigentlich nur Männer.160 HANNA JORDAN

Hanna Jordan war eine Bühnenbildnerin der Nachkriegszeit und gestaltete Ausstattungen vor allem in Deutschland für Schauspiel, Oper und Film von 1946 bis 1994. Ihr wurde 2006, zu diesem Zeitpunkt war Jordan 85 Jahre alt, von Anne Linsel eine umfassende Monographie gewidmet.161

155 Zur Ausbildungssituation in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1945 vgl. Claudia Huerkamp (1996): Geschlechtsspezifischer Numerus Clausus – Verordnung und Realität. In: Elke Kleinau/Claudia Opitz (Hg.): Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2, Vom Vormärz bis zur Gegenwart, Frankfurt (Main), New York, S. 325341. 156 Karl Heinz Martin ist auch die Monographie gewidmet. 157 Vgl. Maximowna: Fotografien am Buchspiegel. 158 Vgl. Berlin ehrt Persönlichkeiten: Maximowna, Ita, Internet-Quelle. 159 Vgl. Opernwelt 7/Juli (1987), S. 3. 160 Klaus Kirchberg (1987): Theaterporträt: Aus einem alten Haus. Hanna Jordan: „Ich kann mir keine Masche zurechtlegen …“ In: Opernwelt 7/Juli, S. 55. 161 Zu diesem Abschnitt vgl. Linsel (2006); Kirchberg (1987).

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Biografische Daten Hanna Jordan wurde am 3. April 1921 in Elberfeld/Wuppertal geboren. Ihren Eltern, Henriette und Franz Jordan, waren Kreativität und ein liberales, kosmopolitisches Leben wichtig. Hanna Jordan besuchte 1935–1939 wegen der jüdischen Herkunft ihrer Mutter das Quäker-Internat in Eerde/Holland. Bereits als Kind zeichnete, malte und modellierte sie mit Begeisterung, gestaltete kleine Szenenbilder. Seit ihrem 14. Lebensjahr wollte sie Bühnenbildnerin werden und wurde von ihrer Familie offensichtlich darin unterstützt, diesen Wunsch zu realisieren. Sie besuchte nach dem Internat die Wuppertaler Kunstgewerbeschule, danach die Düsseldorfer Kunstakademie. „Ihr Studium war ziemlich rudimentär gewesen. An der Düsseldorfer Kunstakademie konnte sie anfangen, aber dann kam das Kultusministerium dahinter, daß sie Halbjüdin war.“162 Erlaubt war ihr damit der Besuch einer Berufsfachschule, Jordan besuchte daher anschließend die Bühnenbildklasse der Folkwangschule in Essen bis zu deren Schließung im Jahr 1942. Jordan arbeite anschließend als technische Zeichnerin in einer Wuppertaler Rüstungsfabrik. 1944 mussten sie und ihre Familie wegen der Verfolgung durch die Gestapo untertauchen. Nach dem Krieg arbeitete Hanna Jordan zuerst als Bühnenbildnerin im Düsseldorfer literarisch-politischen Kabarett „Die Wäscheleine“ und ehrenamtlich als Dolmetscherin bei der Heilsarmee.163 Mit dem Bühnenbild für Büchners „Dantons Tod“ begann 1946 ihr Einstieg in die Theaterwelt. 1947 erhielt sie einen festen Vertrag am Wuppertaler Theater. Sie heiratete den Juristen Walter Kraft, 1948 gebar sie ihre Tochter Tilla, die Ehe scheiterte wenig später. Sie arbeitete zwölf Jahre bis 1958 als Bühnenbildnerin vor allem an den Wuppertaler Bühnen. 1957 starb ihre Tochter Tilla an der asiatischen Grippe, Hanna Jordan arbeitete noch intensiver als bisher. Ab 1958 gestaltete sie vor allem Ausstattungen für Opern und Musicals sowie Szenenbilder für das Fernsehen. Bis 1994 gastierte sie an Theatern und Opernhäusern vor allem in Deutschland. Hanna Jordan engagiert(e) sich auch sozial und gesellschaftlich: als Mitbegründerin der karitativen Quäker-Einrichtung Nachbarschaftsheim in Wuppertal, als Aktive von Amnesty International und als Zeitzeugin.164 Über die Arbeit als Bühnenbildnerin Nach Kriegsende erarbeitete sie ein Jahr lang in Düsseldorf Ausstattungen für das Kabarett Die Wäscheleine, ab 1946/47 für das Wuppertaler Theater. „Und wie ich die kompliziertesten technischen Dinge angeschafft habe, ist mir heute 162 Kirchberg (1987), S. 55. 163 Vgl. Linsel (2006), S. 10-29. 164 Linsel (2006), S. 4, Geleitwort von Johannes Rau, Vorwort von Anne Linsel.

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noch schleierhaft, ich war doch gar nicht richtig ausgebildet.“165 Offensichtlich arbeitete sie überzeugend, immer mehr Regisseure wollten mit ihr arbeiten. Von 1946 bis 1970 gestaltete Hanna Jordan hauptsächlich Ausstattungen für Schauspiel, ab 1958 auch Szenenausstattungen für Film und Fernsehen, nach 1970 hauptsächlich Bühnen- und Kostümbilder für Opern. Ihr missfiel die damals geforderte Mitbestimmung als Folge der 1968er-Bewegung an den Schauspielhäusern, die für sie falsch verstandene Demokratie war. In der Opernwelt fühlte sie sich wohler, diese beschrieb sie als konservativer.166 Als angestellte Bühnenbildnerin entwarf sie für die Wuppertaler Bühnen bis 1958 rund 130 Bühnenbilder, davon zwanzig Opern. Bei der Gestaltung von Szenenbildern für das Fernsehen arbeitete sie vor allem mit dem Regisseur Imo Moszkowicz zusammen. Hanna Jordan gastierte zwischen 1958 und 1994 an Theatern und Opernhäusern in Deutschland und Österreich. Sie arbeitete auch mit den Regisseuren Rudolf Noelte, Willi Rohde, Arno Wüstenhofer, Franz Reichert, Christoph von Dohnanyi, Imo Moszkowicz, Peter Palitzsch und Friedrich Meyer-Oertel. Ihre frühen Ausstattungen bezeichnete sie selbst als „‚konventionell‘. […] Im europäischen Ausland hat man damals schon ‚fortgeschrittenes‘ Theater gemacht, aber in Deutschland ist das Dritte Reich mit seiner verordneten Ästhetik dazwischen gewesen.“167 Ihre Bühnenbilder zeigten zuerst einen „fast übersteigerten Realismus“, später arbeitete sie „ganz anders, […] viel abstrakter“, so Friedrich Meyer-Oertel; er bewunderte auch ihre Begabung für Konstruktion: „Sie wäre auch eine grandiose Architektin gewesen.“168 Hellmut Karasek, Laudator anlässlich der Verleihung des Von-der-Heydt-Preises 1965, beschrieb ihre Arbeit als das „Aufspüren des einen umfassenden Raumes, den ein Stück für seinen Atem, seine Aktionen benötigt. […] Visuelle Begründungen menschlichen Zusammenspiels, […] das ist es, was die Bühnenbilder von Frau Jordan leisten.“169 Zeitgenössische Pressestimmen bescheinigten Hanna Jordan uneitle Ausstattungen, ohne Kitsch und Pomp, die der Sache dienen, ein „Bühnenbild von schlichter Großartigkeit, was sich zugleich als höchst praktikabel erwies“170 oder:

165 Vgl. Linsel (2006), S. 19-29 und S. 47. 166 Vgl. Linsel (2006), S. 57-66, hier: S. 59. 167 Zit. in: Linsel (2006), S. 58. 168 Zu diesem Abschnitt siehe das Gespräch von Anne Linsel mit dem Opernregisseur Friedrich Meyer-Oertel. In: Linsel (2006), S. 85-101. 169 Aus der Laudatio von Hellmut Karasek, Wuppertal 1965. In: Linsel (2006), S. 142. 170 Pressestimme zu Hans Pfitzners „Palestrina“ in Hamburg (Süddeutsche Zeitung vom 22.11.1979, Werner Burkhardt). In: Linsel (2006), S. 143.

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Eine klare und Raum schaffende Architektur ist das Besondere, sozusagen der Stil ihrer Entwürfe. […] Denn der Künstlerin genügt nicht die Vortäuschung der Kulissen; sie schätzt, wenn es geht, auch die handfeste Überprüfbarkeit des Materials.171

Als Frau in einem Männerberuf Wie es Hanna Jordan als Frau in ihrem Beruf ergangen ist, darüber wird selten berichtet. Nach 1945 arbeitete sie „eine Zeitlang im Malersaal – ‚Es war wahnsinnig schwer, da hineinzukommen. Es gab da damals eigentlich nur Männer‘.“172 Wie selbstverständlich erscheint es, dass in der Nachkriegszeit in Deutschland eine Bühnenbildnerin zahlreiche Ausstattungen gestaltet. Wie selbstverständlich wirkt auch, dass zu dieser Zeit ausschließlich Regisseure Stücke inszenieren. Ein Gespräch mit der berühmten Tänzerin und Choreografin Pina Bausch – angeregt vom Generalintendanten in Wuppertal, Arno Wüstenhöfer – verlief offensichtlich nicht zufriedenstellend, sodass keine Zusammenarbeit entstand.173 Sehr gefördert wurde sie in den 1950er und 1960er Jahren vom Regisseur Imo Moszkowicz. Er unterstützte sie auch menschlich nach dem Tod ihrer Tochter. Und beruflich: So vermittelte er Hanna Jordan, bei einigen Produktionen in Hamburg (damaliger Leiter: Gustav Gründgens) mitzuwirken, und engagierte sie für Szenenbild-Ausstattungen für das damals neue Medium Fernsehen. Weitere Unterstützer waren Helmut Henrichs, Generalintendant in Wuppertal 1953–1958, Franz Reichert, Günther Lüders, Hans Bauer, Ernst Seiltgen, Arno Assmann, Wolfgang Liebeneiner, Rudolf Noelte, Kurt Horres und Friedrich Meyer-Oertel.174 Letzterer, Regisseur und ab 1979 Operndirektor in Wuppertal, beschrieb Hanna Jordan so: Ein absoluter Profi, eine starke Persönlichkeit, die niemals ängstlich war in ihrem Widerstand, wenn sie es für nötig hielt […], penibel und auf Perfektion bedacht bis ins Letzte, von großer Variabilität, nie einer Mode, einem Trend angepasst, mit bestem Kontakt zu den Werkstattleitern, den Handwerkern und Bühnenarbeitern, keiner hat ihr auf der Nase herumgetanzt, beinhart, wenn es um die Belange der Kunst ging – immer aber mit Spaß und Humor bei der Sache, mit „leuchtender Freiheit“.175

171 Pressestimmen zu Lessings „Nathan“ (Westdeutsche Rundschau, 26.09.1966, Uwe Gerke) sowie zu ihrer Arbeit als Bühnenbildnerin (Neues Rheinland, Juli 1973, Heinrich Hahne). In: Linsel (2006), S. 140-143. 172 Kirchberg (1987), S. 55. 173 Vgl. Linsel (2006), S. 84. 174 Vgl. Linsel (2006), S. 66. 175 Linsel (2006), S. 97 [Herv. i. Orig.].

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Hanna Jordan stellte fest, dass „ein Bühnenbild zu machen, nicht heißen [dürfe], sich selbst interessant zu machen“.176 Sie wusste schon früh, dass sie das konnte. Sie empfand „die ganze Kunstausübung Bühnenbild als dienend“,177 dem damaligen Zeitgeist entsprechend, wie bereits erläutert wurde.178 Hanna Jordan war glücklich, wenn die Zusammenarbeit mit einem Regisseur so intensiv wurde, „wo der eine nicht vom anderen zu trennen ist […], der Bühnenbildner heimlicher Regisseur wird – und umgekehrt“.179 1995 verließ Hanna Jordan endgültig die Theaterwelt, das Berufsbild veränderte sich massiv: Festanstellungen gab es kaum mehr, nur Gastverträge. Große Mobilität wurde erforderlich und sie stellte fest: „Bühnenbildner haben es nie leicht gehabt, aber heute ist es ein total ungeschützter Beruf geworden.“180 In den 1980er Jahren wurde Hanna Jordan besonders mit den wichtigen Ereignissen im Wuppertaler Musik- und Schauspieltheater verbunden.181 Hanna Jordan prägte keinen unverwechselbaren Stil, sie begründete das so: „Ich beanspruche nicht, einen Stil zu haben, […] und ich kann mir keine Masche zurechtlegen. Dazu nehme ich die Leute, die ins Theater kommen, viel zu ernst …“182 Auszeichnungen und Preise Zwei Tschechow-Inszenierungen, ausgestattet von Hanna Jordan, „Drei Schwestern“ (Stuttgart, 1965) und „Der Kirschgarten“ (München, 1970), wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen (Regie: Rudolf Noelte). 1965 wurde Hanna Jordan der Eduard-von-der-Heydt-Kulturpreis der Stadt Wuppertal (Laudator: Hellmut Karasek) verliehen und 1994 erhielt sie den Ehrenring der Stadt Wuppertal. In diesem Abschnitt wurden mit Ita Maximowna und Hanna Jordan zwei Bühnenbildnerinnen vorgestellt, die ab den Nachkriegsjahren bis in die 1970er Jahre aktiv waren. Zu weiteren Bühnenbildnerinnen dieser Zeit liegen, wie gezeigt

176 Linsel (2006), S. 125. 177 Vgl. den Abschnitt Vom dienenden Raum zur Kooperation und Gesamtkonzeption der Inszenierung ab den 1970er Jahren, S. 43 sowie Preetorius (2005), S. 7. 178 Vgl. den Abschnitt Vom Bühnen-Bild zum dienenden Raum der 1950er Jahre, S. 43. 179 Linsel (2006), S. 125. 180 Zit. in: Linsel (2006), S. 125. 181 Vgl. Kirchberg (1987), S. 55. 182 Kirchberg (1987), S. 55.

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wurde,183 bisher keine Monographien und nur wenige Erwähnungen in Ausstellungskatalogen oder Publikationen vor.184 Ab Beginn der 1970er Jahre erobern sich Frauen auch die (Kunst-)Universitäten. Das Studium Bühnenbild und der Beruf Bühnenbildnerin werden zu einer Option, die zunehmend von Frauen ergriffen wird.185 Im folgenden Abschnitt werden mit Xenia Hausner und rosalie zwei Bühnenbildnerinnen vorgestellt, die diesen Weg erfolgreich beschritten haben.

3.4 B ÜHNENBILDNERINNEN

AB DEN

1980 ER J AHREN

Ab den 1970er Jahren wurde der Zugang von Mädchen zur Bildung und von Frauen zum Studium und zur Erwerbstätigkeit etwas einfacher: Frauen gelten als die Gewinnerinnen der Bildungsreformen der 1960er Jahre, denn sie haben ihr Bildungsdefizit, mit dem sie dieses Jahrhundert betraten, seit den 70er Jahren mehr und mehr aufgeholt.186

Auch die kulturrevolutionären Forderungen der späten 1960er Jahre zeigten ihre Wirkung, die Formierung der Zweiten Frauenbewegung erreichte eine deutliche Öffnung der Universitäten und von Berufen für Frauen. In der Kunst erlebte „der Bereich der nichtinstitutionalisierten Kultur einen Boom sondergleichen“,187

183 Vgl. dazu Pkt. 2.3 Bühnenbildnerinnen, Bühnenraumgestalterinnen. 184 Mit der vor allem im Wien der Nachkriegszeit tätigen Kostüm- und Bühnenbildnerin Maxi Tschunko führte Eva-Maria Hanappi ein Gespräch zu Tschunkos Berufstätigkeit und ihrer Mitarbeit an der 1954 gestarteten Initiative „Volkstheater in den Außenbezirken“. Auch Tschunko beschrieb: „Damals waren Frauen als Bühnenbildner noch was, das hat man ihnen nicht zugetraut. Lieber der schlechteste Mann als eine Frau.“ Maxi Tschunko (2005): Es erfordert halt ein bissl mehr Fantasie. Ein Gespräch mit der Kostüm- und Bühnenbildnerin. Das Gespräch führte Eva-Maria Hanappi. In: Elisabeth Brugger/Frank Michael Weber (Hg.): Lessing siegt am Stadtrand. 50 Jahre Volkstheater in den Außenbezirken, Wien, S. 117-122, hier: S. 118. 185 Vgl. dazu Pkt. 4.5 Die quantitative Erhebung. 186 Sigrid Metz-Göckel (1996): Die „deutsche Bildungskatastrophe“ und Frauen als Bildungsreserve. In: Elke Kleinau/Claudia Opitz (Hg.): Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2, Vom Vormärz bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main, New York, S. 373-385, hier: S. 373. 187 Brauneck (2007a), S. 294.

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Kulturzentren und zahlreiche freie Theatergruppen entstanden, der Künstler Joseph Beuys formulierte: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“188 Beim Wort genommen wurde damit auch für Frauen möglich, Künstler zu werden, später auch Künstlerin. Evelyn Deutsch-Schreiner fasst zusammen: „In dem Maße, in dem in den sechziger Jahren die fixe Klassenzugehörigkeit durchlässiger wurde und sich das Kulturverhalten änderte, hatten die patriarchalen, autokratischen Erziehungstheatermodelle ausgespielt.“189 Das „Regietheater“ wurde kennzeichnend für die siebziger Jahre,190 und die achtziger Jahre wurden überhaupt zum Jahrzehnt der Regisseure.191 Die Theaterleiter waren überwiegend männlich, die „an ihren neuen Bühnen die in den Jahren zuvor begonnenen Kooperationen mit den einstigen Mitstreitern fort[setzten]“.192 Sie machten aber auch Platz für den Nachwuchs, und die Position der Dramaturgen – später der Dramaturginnen – wurde bedeutender. Die Werktreue wurde auch in der Arbeit der BühnenbildnerInnen weniger wichtig, neue Gestaltungsmöglichkeiten entstanden, ein Generationenwechsel fand statt.193 Das Theater als einstige „Bühne der bürgerlichen Öffentlichkeit, als Zentrum seiner Kultur und als Repräsentanz seiner ökonomischen Stärke und seines gesellschaftlichen Einflusses“194 verlor zunehmend an Bedeutung. Die strukturellen und künstlerischen Veränderungen spiegelten sich auch im Publikum wider: Das ältere Theaterpublikum wurde weniger, jüngere ZuschauerInnen mussten gewonnen werden. Ab Mitte der 1980er Jahre „war der bemerkenswerteste Trend auf der personellen Ebene des westdeutschen Theaters der, daß nun auch Frauen als Regisseurinnen in den Blickpunkt der Theateröffentlichkeit traten“,195 wie Andrea Breth, Hannelore Hoger, Lore Stefanek, die Bühnenbildnerin und Regisseurin Elke Lang u.a. Mit diesen Regisseurinnen wurde deutlich, dass Theater ein Arbeitsplatz für Frauen sein kann. Es ist anzunehmen, dass durch diese Entwicklungen auch für Bühnenbildnerinnen der Weg für Gestaltungs- und Erwerbsmöglichkeiten an den Theatern geebnet wurde. Stellvertretend für Bühnenbildnerinnen, die ab den späten 1970er und vor allem in den 1980er sowie 1990er Jahren erfolgreich waren bzw. sind, werden Xenia Hausner und rosalie vorgestellt. Nach der Monographie über Ita Maximowna (1982) erschien 1990 eine nächste Werkschau über die Malerin – und Bühnen188 Zitiert nach: Brauneck (2007a), S. 295. 189 Deutsch-Schreiner (2001), S. 386. 190 Vgl. Brauneck (2007a), S. 297. 191 Vgl. Brauneck (2007a), S. 302. 192 Brauneck (2007a), S. 303. 193 Vgl. Brauneck (2007a), S. 304. 194 Deutsch-Schreiner (2009), S. 103-122, hier: S. 105. 195 Brauneck (2007a), S. 353.

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bildnerin auf Zeit – Xenia Hausner.196 2000 und 2010 folgten umfangreiche Monographien über die Arbeiten von rosalie. 3.4.1 Xenia Hausner (*1951) Nach der Erfindung kommt die Umsetzung des Einfalls in die Praxis – ein kräfteverzehrendes Unterfangen. Widerstände müssen überwunden, Menschen müssen motiviert werden.197 XENIA HAUSNER

Xenia Hausner war vor allem in den 1980er Jahren als Bühnenbildnerin tätig und erfolgreich. Seit 1992 widmet sie sich ausschließlich der Malerei. Die Publikation „Rätselraum Fremde Frau“ (1990) ist ihrem Schaffen als Bühnenbildnerin gewidmet.198 Hausner stammt aus einer künstlerischen Wiener Familie, ihr Vater Rudolf war ein berühmter Maler des Wiener Phantastischen Realismus. Ihre Mutter wird zwar in der Literatur kaum erwähnt, es kann aber davon ausgegangen werden, dass sie ihre Töchter unterstützte: Hausners Schwester Jessica ist eine erfolgreiche Filmregisseurin. Xenia Hausner studierte in Wien und London Bühnenbild und erhielt ihr erstes Engagement am Wiener Burgtheater für Inszenierungen der Regisseure Achim Benning und Otto Schenk.199 Zwischen 1977 und 1992 gestaltete Hausner Bühnenbilder für über 100 Theater-, Opern- und Filmproduktionen. Für ihre Ausstattung zu „Groß und Klein“ von Botho Strauß am Schauspielhaus Wien erhielt sie 1981 die Kainz-Medaille. Kennzeichnend für ihre Arbeiten waren Materialcollagen, später fielen ihre „optische[n] Verwirrspiele, Spiegelkabinette, Schneckengänge, Labyrinthe, Bilder aus der Logik der Träume […]“200 auf. Hausner arbeitete unter anderem mit den RegisseurInnen Elke Lang, Anna Blau, Rosemarie Fendel, Dietmar Pflegerl, Heribert Sasse, Johannes Schaaf (et196 Vgl. Hausner (1990b). 197 Xenia Hausner (1990a): Von der Liebe zum Theater. In: Xenia Hausner (1990b): Rätselraum Fremde Frau, Heidelberg, Offenbach, o.S. 198 Vgl. Hausner, Xenia. In: Sucher (2010), S. 323; Karin Schönewolf (2007): Xenia Hausner. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 289; Hausner (1990b). 199 Vgl. Hausner, Xenia. In: Sucher (2010), S. 323. 200 Knut Boeser (1990): Auf der Suche nach möglichen Orten. In: Xenia Hausner (1990b): Rätselraum Fremde Frau, Heidelberg, Offenbach, o.S.

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wa für „Nathan der Weise“, 1984, Salzburger Festspiele) und Günter Krämer (etwa für „Die Gezeichneten“, 1987, Deutsche Oper am Rhein) zusammen. In einem kurzen Text beschreibt sie ihre Liebe zum Theater: „Mich interessiert am Theater die Erfindung. […] Mein Blick richtet sich auf das Inwändige. Mit dem Regisseur eine Sicht auf einen Stoff zu entwickeln, sie lustvoll weiterzuverfolgen, bis sie dann in einem intimen Umsetzungsprozeß zu Bild wird, ist das Herzstück der Arbeit.201 Diese Phase war für Hausner „trotz aller kollektiver Euphorien“ gekennzeichnet von absoluter Einsamkeit. Sie beschreibt, wie mit häufiger Zusammenarbeit im glücklichen Fall ein Team entsteht, das über assoziative Reizworte in einem dialektischen Prozess zu einer Bildsprache findet.202 Hausner hält – im Gegensatz zu Katrin Brack203 – fest, dass reduzierte finanzielle Mittel bei ihr nur bedingt zu einer Steigerung der Phantasie führen: „Aber wenig Geld […] zwingt den Einfall bloß in die Simplizität der Mittel. Soundso viele Gedanken dürfen einem erst gar nicht kommen.“204 Hausner beschreibt ihre ambivalente Liebe zum Theater so: Wie schon bei der Erfindung des Bühnenbildes, gibt es analog auch dazu am Abend in der Vorstellung diese seltsame Alchimie, die den Verstand und die Sinne wach macht und durch die die ganze Mühsal der Theaterarbeit wieder sinnvoll wird – wenn wir mit dem Blick auf die Bühne neue Einblicke in uns erlangen.205

Zwei Jahre nach Erscheinen des Bildbandes „Rätselraum Fremde Frau“ wandte sich Hausner ausschließlich der Malerei zu. Gründe dafür sind vermutlich auch in der Mühsal der Theaterarbeit zu finden, die sie als „politisch wirr[e], unanalytisch[e] und exhibitionistisch[e] Gruppendynamik“ beschreibt: Oberste Verhaltensregel ist das aufwühlende Gemeinschaftserlebnis der Liebe zum Theater, der erhaben verinnerlichte Kunstanspruch. Wer sich dazu laut genug bekennt, darf auch einmal schlecht sein. Die meisten arbeiten auf Streicheleinheiten in einem hierarchischem Gefüge hin – Wohlverhalten wird zur treibenden Kraft eines künstlerischen Prozesses: ein Widerspruch in sich. Das schulische Betriebsklima in den Theatern hat die infanti-

201 Hausner (1990a), o.S. [Herv. i. Orig.]. 202 Hausner (1990a), o.S. 203 Vgl. Pkt. 3.5.3 Katrin Brack, S. 138-142, hier: S. 139. 204 Hausner (1990a), o.S. 205 Hausner (1990a), o.S.

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len Reste meiner Natur immer sofort mobilisiert. Opposition in der Gruppe ist mir immer ein Vergnügen gewesen.206

Hausner beschreibt damit ihr Unbehagen gegenüber den Regeln einer Institution, die sie bald danach verlassen hat. Der Titel ihrer Monographie „Rätselraum Fremde Frau“ kann auch dahingehend gelesen werden, dass sie sich als Frau im Rätselraum Theater als Fremde Frau sah. Xenia Hausner ist die erste der hier vorgestellten Bühnenbildnerinnen, die die akademische Ausbildung absolvieren konnte. Förderlich für ihre Karriere war unter anderem vermutlich ihre Herkunft aus einer künstlerischen Familie, ihr großer Arbeitseinsatz, ihre internationale Mobilität und auch ihr Selbstverständnis als Künstlerin, das sich in dem Bildband „Rätselraum Fremde Frau“ zeigt: Ihre Monographie war erst die zweite im deutschsprachigen Raum, die dem Schaffen einer Bühnenbildnerin gewidmet wurde. Erst acht Jahre später, im Jahr 2000, erschienen die nächsten Publikationen über Anna Viebrock und rosalie. 3.4.2 rosalie (*1953) Die Bühne gehört der Kunst.207 ROSALIE

rosalie gestaltete vor allem in den 1990er Jahren aufsehenerregende Ausstattungen für Schauspiel und Oper und Ballett. Ein im Jahr 2000 erschienener Bildband zeigt ihre Arbeiten für das Theater, Malerei, Plastiken und experimentelle Installationen.208 Seit Anfang der 2000er Jahre widmet sich rosalie überwiegend künstlerischen Projekten und Installationen, seit 2005 führt sie auch Regie. Im Jahr 2010 erschien eine weitere umfangreiche Monographie mit dem Fokus auf rosalies Lichtkunstwerke.209

206 Hausner (1990a), o.S. 207 rosalie (2000a): Marginalien – von mir aus. In: rosalie (2000b): Bilder und Räume: Theater, Malerei, Objekte, Installationen, Stuttgart, S. 12-19, hier: S. 17. 208 rosalie (2000b). 209 rosalie (2010).

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Biografische Daten rosalie (eigentlich: Gudrun Müller) wurde am 24. Februar 1953 in der Nähe von Stuttgart geboren.210 Sie studierte zuerst Germanistik und Kunstgeschichte,211 dann Malerei, Grafik und Plastisches Arbeiten an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und 1977–1982 Bühnenbild bei Jürgen Rose, nach dem sie sich – in einer blumenartigen („wie Magnolie“)212 Verkleinerungsform – benennt. Seit 1979 ist sie freischaffende Künstlerin und arbeitet, nahezu von Beginn an erfolgreich, als Bühnen- und Kostümbildnerin vor allem für die Oper, für Ballett, Schauspiel und Film, als Installationskünstlerin, Malerin und Bildhauerin. Ihre Werke und Bühnenausstattungen haben einen unverwechselbaren Stil, sie arbeitet mit „ungewohnten Materialien und opulenter Farbigkeit“213. 1986 wird ihre Tochter Mai Rose Müller geboren.214 Ihr internationaler Durchbruch gelingt in Bayreuth: rosalie wird 1994 von Wieland Wagner – als erste Frau – zur Ausstattung für Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ eingeladen. Seit 1995 ist sie – ebenfalls als erste Frau im deutschsprachigen Raum – Professorin für Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach/Main.215 Sie leitet Workshops unter anderem für Bühnenraumgestaltung, zum Beispiel 2002 und 2003 auch die Meisterklasse „Bild. Raum. Szene“ an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg. rosalie arbeitete mit Regisseuren wie Hans Hollmann, Didier von Orlowsky, Alfred Kirchner, Ernst Poettgen und Dieter Dorn. Ab Beginn der 2000er Jahre konzentrierte sie sich wieder mehr auf Objektkunst. Seit 2005 führt sie auch Regie,216 ihre erste Inszenierung ist Richard Wagners „Tristan und Isolde“ am Theater Basel. 210 Vgl. zu diesem Beitrag: Mirko Weber (1998): Zeichen setzen. Die Bilder von Rosalie. In: Volker Pfüller/Hans-Joachim Ruckerle (Hg.): Das Bild der Bühne, Theater der Zeit, Sonderheft/Arbeitsbuch, Berlin, 1998, S. 78-87; Wolfgang Beck (2007g): Rosalie. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 614-615; rosalie (2000b); Rosalie. In: Sucher (2010), S. 731-732. 211 Wie Anna Viebrock, vgl. Pkt. 3.5.1 Anna Viebrock, S. 129-135, hier: S. 130. 212 Weber (1998), S. 78. 213 Beck (2007g), S. 615. 214 Hochschule für Gestaltung Offenbach: Prof. Rosalie Biografie, Internet-Quelle. 215 Siehe Hochschule für Gestaltung Offenbach: Prof. Rosalie, Diplomanden seit 1995, Internet-Quelle: Seit 1995 haben bei ihr 21 Frauen und 3 Männer das Studium abgeschlossen. 216 Co-Regie: Brigitta Bidlingmaier.

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Über die Arbeit als Bühnenbildnerin „Die Kunst war Liebe auf den zweiten Blick“,217 denn rosalie wollte als Mädchen zuerst Ärztin werden. Sie besuchte dann doch lieber Ausstellungen, ging viel ins Theater und lernte bei ihrem Professor Jürgen Rose im Studium das Handwerk der Bühnengestaltung. Von Anfang an ist sie eine eigenständige Künstlerin, die mit ihren Entwürfen auch aneckt. „Ihre […] Kunsträume bereiten dem Betrachter ein artistisches Vergnügen. Nicht immer spielen ihre Erfindungen wirklich mit, nicht jeder Regisseur vermag dem übermächtigen Dekor spielerisch etwas entgegenzusetzen, nicht immer genügt der witzige Einfall“, konstatiert Nora Eckert.218 Bereits ihre erste Ausstattung für die deutsche Erstaufführung von „Pollicino“ von Hans Werner Henze im Jahr 1981 für die Württembergischen Staatstheater bei den Schwetzinger Festspielen erregte Aufsehen. Der Kritiker Reinhard Beuth erinnert sich: „rosalies malerische Phantasie schlägt alles andere aus dem Feld – fast sogar Henzes Musik.“219 Die Arbeiten der Malerin und Bühnenbildnerin, so bunt und kindlich sie auch erschienen, „stehen in einer direkten Wechselbeziehung zur Gegenwartskunst“,220 erinnern zum Beispiel in einigen Momenten an die Schüttbilder des österreichischen Aktionskünstlers Hermann Nitsch. rosalie malte die Bühnenbilder selbst, verwendete für die spektakulären Kostüme Alltagsmaterialien wie Schaumgummi, Schwimmpolster und Plastikfolien. Herausragend und polarisierend waren auch rosalies Ausstattungen für Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ 1994–1998. Während Reinhard Beuth der Künstlerin hier „eine poetische Aneignung der Mythologie aus dem Geiste und mit den Mitteln der zeitgenössischen Kunst, […] Objektkunst, die temporär in den Dienst einer Theateraufführung genommen wird“,221 bescheinigte, bezeichnete Nora Eckert diese Ausstattungen als „eklatanten Fehlgriff“222 und empfand das extravagante Bühnen-Design als zu dominant. rosalie wollte den Ring poetisch und mit Leichtigkeit erzählen,223 sie beschreibt ihr gestalterisches Ziel: „Etwas Schlankes, etwas Klares, glasklar und durchsichtig und befreit von allem Wust, eine Abstraktion voller Schönheit und Heiterkeit; das Heitere brau-

217 Weber (1998), S. 78. 218 Eckert (1998), S. 179. 219 Reinhard Beuth (2000): Eine aufregende, irritierende Bilderwelt. In: rosalie (2000b): Bilder und Räume: Theater, Malerei, Objekte, Installationen, Stuttgart, S. 29. 220 Beuth (2000), S. 32. 221 Beuth (2000), S. 72. 222 Eckert (1998), S. 179. 223 Vgl. rosalie (2000c): Bilder zum Ring. Bayreuther Festspiele 1994–1998. Oswald Georg Bauer (Hg.), Ostfildern-Ruit.

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che ich als Kontrapunkt.“224 Mirko Weber erinnert sich, dass „dieser ‚Ring‘ damals auch zum Lachen war, was selten passiert“.225 Ein Beispiel: rosalies Lösung für das Finale der „Walküre“, der Feuerzauber als Bild eines die Bühne ausfüllenden Feuerkreises: Sie umgab den Ort, an dem Brünhilde in ihren Dornröschenschlaf versetzt wird, mit einem Kreis weiß und orangefarben blinkender Alarmleuchten, die vielfach jenes zuckende Licht verbreiten, das wir mit nächtlichen Katastropheneinsätzen verbinden. […] eine in aller Härte ausgeformte künstlerische Installation, die das Theater und die Bühne nicht mehr als notwendige Voraussetzung braucht.226

Andere Bilder faszinieren und bleiben in Erinnerung, wie 150 grüne Regenschirme, die rosalie zu einem Dach für das „Waldweben“ in „Siegfried“ im Jahr 1994 gestaltete.227 rosalies Bühnenräume, Kostüme, Szenenbilder für den Film und Installationen sind nicht nur für ihre „opulente Farbigkeit“228 bekannt; sie verwendet auch Materialien wie Plüsch, Plastik, Granulat oder Federboas, die bis dahin kaum im Theater verwendet worden sind und beeinflusst damit wohl auch ihre KollegInnen. „Sie setzt ein Zeichen und findet ein sprechendes Bild.“229 Herausragend ist ihr Umgang mit Licht als Gestaltungsmittel; mit ihren „spektakulären Lichtkunstinstallationen, ihren Lichtinszenierungen für Musik- und Tanztheater sowie mit Lichtkunstkonzerten“230 wurde sie international bekannt. Sie wird auch als Retterin der Kunst durch Entblendung bezeichnet: Mit ihrer Kunst der Lichtzeit agiert sie in der Realzeit und im realen Raum. Mit dieser Kunst des realen Lichts realisiert sie buchstäblich den Bruch der radikalen Moderne mit der Repräsentation. Im Reich der Repräsentation kann Kunst blenden, in der Realität kann Licht blenden. rosalie rettet die Kunst, indem sie diese entblendet.231

224 Eckert (1998), S. 179. 225 Weber (1998), S. 79. 226 Beuth (2000), S. 82. 227 rosalie (2000b), S. 103. 228 Beck (2007g), S. 615. 229 Weber (1998), S. 80. 230 rosalie (2010), Klappentext. 231 Peter Weibel (2010): rosalie – Das universale Theater des Lichts. In: rosalie: Lichtkunst/light art. the universal theatre of light. Hg. von Peter Weibel, Zürich, S. 8-11, hier: S. 11.

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Auch rosalie lehnt Begriffe wie „Ausstattung“ oder „Bühne“ ab: „Das klingt nach Guckkasten oder Puppenstube. Lieber spricht rosalie ganz neutral von ‚Raum‘“.232 Die Künstlerin erschafft in ihren beeindruckend spartenübergreifenden, meist farbig starken Arbeiten „neue Formen des Zusammenspiels von Rhythmus, Farbe und Licht unter dem Blickwinkel des experimentellen Gesamtkunstwerks“.233 Insgesamt ist rosalies künstlerisches Werk geprägt von „Malerei, der Umdeutung von Material sowie von architektonischen, skulpturalen Elementen“234 und von den „Aspekten innovativer Grenzüberschreitung“.235 Als Frau in einem Männerberuf In den Berichten über rosalie oder in ihren Aussagen finden sich nur wenige Hinweise zu diesem Thema. So ungewöhnlich wie ihre Herangehensweise erscheinen ihre Arbeiten, die ihre „Lust, ja kindliche Freude“236 bezeugen. Die Viel-Beschäftigte organisiert mittlerweile „mit der Logistik eines Architekturbüros ihre Projekte, dabei weiß sie geschickt zu delegieren und kann sich auf ihre Helfer verlassen, ist aber bei allen entscheidenden Schritten selbst vor Ort“.237 Für ihre Ausstattungen kauft rosalie auch gerne ein, „bei ‚Obi‘, und Rosalie liebt diese Großmärkte. […] Irgendwie denkt die Frau auf eine Weise quer wie keine andere in diesem Gewerbe.“238 Anders als bei den meisten BühnenbildnerInnen ist bei rosalie eine intensive Zusammenarbeit mit nur ein oder zwei RegisseurInnen nicht zu erkennen. Hans Werner Henze gehört zu ihren Förderern, mit dem Regisseur und Choreografen Uwe Scholz, dem Dirigenten Eberhard Kloke oder dem Regisseur Alfred Kirchner arbeitet sie mehrmals zusammen. rosalie „scheint starke Regisseure zu meiden. […] Ihre Bilder sind so stark, daß sie die Regie schwächen, wenn nicht lähmen. Das Publikum hat vor allem Augen für sie, […] ihre Visionen [brauchen] keine inszenierenden Hintermänner mehr.“239 Insofern ist es eine logische Folge, dass rosalie ab 2005 selbst inszeniert. Ihr Regiedebüt zu Richard Wagners „Tristan und Isolde“, bei dem sie auch die Ausstattung gestaltet, wird widersprüchlich rezipiert. Zwar fehle die Personenregie, 232 Georg Leisten: rosalie bekommt den Europäischen Kulturpreis. In: Stuttgarter Zeitung, 21.10.2008, Internet-Quelle. Vgl. dazu auch: rosalie (2000a), S. 17. 233 rosalie, Biografie, Internet-Quelle. 234 Beuth (2000), S. 40. 235 rosalie, Biografie, Internet-Quelle. 236 Eckert (1998), S. 179. 237 Leisten (2008), Internet-Quelle. 238 Weber (1998), S. 78. 239 Klaus Umbach (1995): Hades und Hustelinchen. In: Der Spiegel 51, S. 201.

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„wohl aber [gab es] ein überaus bunt und fantasietrunken ersonnenes Ambiente in einem Riesenglashaus, aus dem kein Entkommen ist“.240 rosalie selbst hält in ihrer 480 Seiten umfassenden Werkschau aus dem Jahr 2000 in ihrem Beitrag Marginalien – von mir aus fest: „Ich möchte nicht bei Null anfangen; lieber bei minus unter Null, denn nur dann kann es für mich losgehen.“241 Poetisch, fantasievoll und konkret gleichzeitig beschreibt sie ihre Arbeitsweise, schildert, dass sie den Begriff Ausstattung hasst, möchte ihn zum Unwort erklären und begründet das so: Im Kaufhaus gibt es den Herrenausstatter. Die Bühne gehört der Kunst. Damit meine ich, Kunst nicht auf dem Sockel – sondern als Freiheit einen Millimeter über dem Material.242

rosalies Bühnenräume und ihre Kostüme sind für SchauspielerInnen und SängerInnen eine Herausforderung, da für die Künstlerin der Gesamteindruck und die verfremdet eingesetzten Materialien oft im Vordergrund stehen und eine dienende Haltung zu einer Inszenierung nicht ihr Ziel zu sein scheint. Für das Theaterpublikum und die BetrachterInnen ihrer Kunst, die ihrer Forderung, dass die Bühne der Kunst zu gehören habe, folgen, entfalten sich rosalies Arbeiten als widerständige und eindrucksvolle Bilder- und Lichtwelten. Auszeichnungen und Preise 1988 erhält rosalie bei der 1. Münchner Biennale (internationales Festival für neues Musiktheater) den 1. Preis für das beste Bühnenbild sowie einen Preis für das beste Kulturplakat der Stadt München. 2008 wird ihr für ihr künstlerisches Gesamtwerk der Europäische Kulturpreis der Europäischen Kulturstiftung „Pro Europa“ verliehen. In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts veränderte sich die Theaterlandschaft erneut. Die aus heutiger Sicht als luxuriös zu bezeichnenden Bedingungen an den Theatern in den Jahren davor gingen vor allem in Deutschland zu Ende: „Eine kulturelle Marginalisierung des Theaters, wie sie sich am Ende des 20. Jahrhunderts in einigen Ländern abzuzeichnen scheint, ist in Österreich 240 Heinz W. Koch (2005): Wagner: Tristan und Isolde. In: Opernwelt 6/Juni, S. 48. 241 rosalie (2000a), S. 12-19. 242 rosalie (2000a), S. 17.

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kaum vorstellbar“,243 meinte Manfred Brauneck im Jahr 2007. Sparmaßnahmen und der Rückzug des Staates aus Wissenschaft und Kunst, das Desinteresse von Politikern an Kultur, das Verschwinden des Bildungsbürgertums, der zunehmende gesellschaftliche Bedeutungsverlust verschärften die Arbeitsbedingungen an den Bühnen.244 Damit verloren aber auch die alten Werte des Bürgertums hinsichtlich der Wahrnehmung der Geschlechter ihre Bedeutung und die im Vergleich dazu als revolutionär gesehenen Erkenntnisse der feministischen Frauenbewegungen – Frauen und Männer seien gleichwertig – kamen nach und nach im Mainstream an. Dass Frauen in allen Berufen arbeiten können, war nur wenige Jahrzehnte zuvor nicht denkbar gewesen. An den Theatern gab es nun Dramaturginnen, Regisseurinnen, Intendantinnen und vermehrt auch Bühnenbildnerinnen. Nicht mehr die Persönlichkeit der Regisseure oder Intendanten allein standen im Vordergrund, die Leading Teams245 wurden wichtiger, in denen sich auch Frauen ihren Platz erarbeiteten, wie der folgende Abschnitt zeigt.

3.5 B ÜHNENBILDNERINNEN

DER

G EGENWART

3.5.1 Anna Viebrock (*1951) Die Vergangenheit ist eigentlich immer vorhanden.246 ANNA VIEBROCK

Anna Viebrock ist gegenwärtig die erfolgreichste Bühnenbildnerin im deutschsprachigen Raum. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, über sie ist zahlreiche Literatur erschienen. Viebrock hat ihren Platz auch in den bühnenund theatergeschichtlichen Standardwerken erobert. Ihr ist die Monographie

243 Brauneck (2007b), S. 459. 244 Vgl. Brauneck (2007b), S. 358-360. 245 Vgl. in dieser Arbeit Fn. 64, S. 46 in Pkt. 2.1 zur Definition des Leading Team. In den Programmankündigungen der Salzburger Festspiele 2011 wird durchgängig der Begriff Leading Team verwendet. Bei neun von zwölf Opern- bzw. Schauspielproduktionen wird die Bühne von einem Mann gestaltet. Bühnenbildnerinnen: Katrin Brack, Marlene Poley und Anna Viebrock. Vgl. Salzburger Festspiele, InternetQuelle. 246 Anna Viebrock (2011a).

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„Bühnen/Räume. Damit die Zeit nicht stehenbleibt“247 von Bettina Masuch gewidmet. 2011 erschien eine zweite Werkschau „Anna Viebrock: Das Vorgefundene erfinden“ von Ute Müller-Tischler und Malte Ubenauf.248 Seit Anfang der 2000er Jahre arbeitet Viebrock auch als Regisseurin und Autorin. Biografische Daten Anna Viebrock wurde am 3. August 1951 in Köln geboren.249 Sie wusste schon früh, dass sie Bühnenbildnerin werden wollte,250 ging viel ins Theater, las gerne und hatte Interesse an künstlerischen Bereichen. 1970–1971 studierte sie Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in Frankfurt am Main und 1971– 1977 Bühnenbild bei Karl Kneidl an der Düsseldorfer Kunstakademie, angezogen von Joseph Beuys’ Ideen und der von ihm initiierten Öffnung. 1976 gebar sie ihre Tochter Lisa. Sie begann 1979 als Bühnenbild- und Kostümassistentin an den Städtischen Bühnen in Frankfurt, entwarf Kostüme für vier Inszenierungen von Hans Neuenfels in Frankfurt und Berlin, wobei sie auch an der Bühnenausstattung mitarbeitete. Ab 1982 stattete sie zahlreiche Inszenierungen vor allem im deutschsprachigen Raum aus. 1987 und 1988 hatte sie Lehraufträge für Bühnenbild und Kostümentwurf an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität in Gießen. 1988–1993 war sie angestellte Bühnenbildnerin am Theater Basel und 1993–2000 Ausstattungsleiterin am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. 1997 übernahm sie eine Gastprofessur für Bühnenbild an der Hochschule der Künste in Berlin. Von 2000 bis 2004 war sie Mitglied des Leitungsteams und Ausstattungsleiterin des Zürcher Schauspielhauses. Seit 2002 führt sie auch Regie, vor allem bei Musiktheaterproduktionen, beispielsweise in Zürich, Berlin, Basel, Paris und Hannover. Anna Viebrock arbeitete mit der Regisseurin Renate Ackermann zwischen 1983 und 1989, seit 1983 vor allem mit den Regisseuren Jossi Wieler sowie mit Christoph Marthaler und der Dramaturgin Stephanie Carp 247 Anna Viebrock (2000). 248 Anna Viebrock (2011b). 249 Dieser Abschnitt basiert im Wesentlichen auf Viebrock (2000); Susanne Eigenmann: Viebrock, Anna. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 746-747; Viebrock, Anna. In: Sucher (2010), S. 891-892. 250 Klaus Dermutz im Gespräch mit Anna Viebrock (2001a). In: Klaus Dermutz (Hg.) (2001b): Christoph Marthaler. Die einsamen Menschen sind die besonderen Menschen, Salzburg, Wien, S. 54-66.

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(seit 1991) zusammen. Wesentlich für ihre Karriere sind die intensiven und langjährigen Zusammenarbeiten mit den Regisseuren Jossi Wieler und Christoph Marthaler. Hier konnte sie ihren unverwechselbaren Stil entwickeln und über die Jahre perfektionieren. 2011 gestaltete sie Bühnenbild und Kostüme für die Oper „Veþ Makropulos“ (Die Sache Makropulos) von Leoš Janáþek (Regie: Christoph Marthaler) im Großen Festspielhaus in Salzburg.251 Über die Arbeit als Bühnenbildnerin Anna Viebrocks Arbeiten werden mittlerweile mit Hochachtung rezipiert. Sie erhielt Titel wie „Bühnenmagierin“ oder „Bühnenträumerin“ und wird als bedeutendste und einflussreichste Bühnen- und Kostümbildnerin der Gegenwart im deutschsprachigen Raum bezeichnet, die mit Raumkunstwerken voller surrealer Einfälle die Gattung Bühnenbild revolutioniert hat. 252 Aus den Interviews mit ihr geht hervor, dass ihre Recherchen für Stücke oft mit Reisen zu Schauplätzen beginnen. Sie fotografiert und dokumentiert vor allem Stillgelegtes, Verfallenes, Details, die sie persönlich interessieren: Mich interessieren Orte, an denen Geschichte stattgefunden hat, und die jetzt verlassen sind. […] Ich bin dafür, dass auch kaputte Sachen […] eine Berechtigung haben. […] Es geht mir nicht darum, etwas für immer und ewig zu erhalten, dafür ist Theater sowieso nicht der richtige Ort. Aber es ist sicher auch ein Protest gegen eine Welt, die das Alte ausradiert und säubert und verdrängt und über alles eine schöne Fassade setzt. 253

Viebrock nennt keine Vorbilder für ihre Arbeit; sie beschreibt Themen, die sie interessieren, wie geschlossene Innenräume oder das Zusammenführen einander fremder Elemente. Diese gemeinsamen Anliegen begründeten auch ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Christoph Marthaler und der Dramaturgin Stefanie Carp,254 eine Zusammenarbeit, die „das Theater der neunziger Jahre revolutioniert […] hat. Sie kreierten etwas völlig Neues.“255 Ihre Herangehensweise an Ausstattungen beinhaltet das „Ringen um Grundideen und Bilder: ‚Wenn man die gefunden hat, ergeben sich viele Details wie von selbst‘“, und 251 Vgl. Malte Ubenauf (2011): Veþ Makropulos (Die Sache Makropulos). In: Festspielmagazin Salzburg, S. 14. 252 Vgl. zu diesem Abschnitt u.a.: Till Brigleb (2005): Geträumte Räume. Die Bühnenmagierin Anna Viebrock. Bühnentechnische Rundschau, Sonderband, S. 72 und Karolina Wrobel: Kulturköpfe. Anna Viebrock, Bühnenträumerin, Internet-Quelle. 253 Bettina Masuch im Gespräch mit Anna Viebrock. In: Viebrock (2000), o.S. 254 Klaus Dermutz im Gespräch mit Anna Viebrock (2001a), S. 54-55. 255 Haberlik (2010), S. 71.

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Viebrock beschreibt, dass sie „[d]ie Elemente eines Bühnenbildes erst im nachhinein erklären [kann]“.256 Anna Viebrock interessiert sich für den Moment, „wo sich Menschen gehen lassen und ungeschützt sind“, begründet aus ihren Erfahrungen mit der Nachkriegszeit, der sogenannten Wohlstandsgesellschaft und deren Fassade von Anständigkeit. Ihre Räume sind „Einheitsräume, klaustrophobische Innenräume, in denen die Zeit still steht. Sie sind angefüllt mit Erinnerungsrudimenten. Gestaltet wird das Abwesende.“257 Damit leitete Viebrock einen radikalen Bruch mit der bisherigen Bühnenraumgestaltung ein. Sie thematisiert mit der Verwendung einer an die Nachkriegszeit angelehnten Bildersprache sowohl die Traumata wie auch die Schönheit der Vergangenheit und die krisenhaften Entwicklungen der Gegenwart. In ihren befremdlichen und gleichzeitig vertraut wirkenden Bildern ermöglicht Viebrock visionäre Vorstellungen einer nahenden Zukunft. Ein weiterer Regisseur, mit dem Anna Viebrock bevorzugt zusammenarbeitet, ist Jossi Wieler. Mit ihm ist sie durch den fast gleichen Geburtstag, durch ähnliche Erinnerungen an die Kindheit, an die Bürgerlichkeit des Elternhauses verbunden; während der fünf Jahre dauernden Arbeit am Basler Theater wohnten sie im selben Haus. Als das Besondere an der Zusammenarbeit schildert Wieler, dass Anna Viebrock sehr unkompliziert, sogar noch nach einer Generalprobe, Veränderungen oder Weglassungen ermöglichte, und beschreibt sie als „wunderbare Dramaturgin, der es selten nur um ihren Raum, sondern immer auch um das Ganze [geht]“.258 Sie selbst beabsichtigt, dass der Zuschauer das Gefühl haben soll, im Bühnenraum zu sitzen, so, als ginge er nicht zu einem Raum, sondern der Raum käme auf ihn zu: „Das Abbilden von Realität interessiert mich nicht, mich interessieren leichte Veränderungen des Gegebenen, die plötzlich ganz viel bedeuten können und einen Hinweis darauf geben, daß die Bühne nicht echt, sondern eine andere Welt ist.“259 An Anna Viebrocks Ausstattungen sind die Proportionen ihrer Bühnenräume auffallend, deren Maße oft verzerrt sind, sodass Menschen darin „klein und unbehaust wirken“.260

256 Michael Merschmeier/Franz Wille/Bernd Feuchtner (1997): Im Gespräch mit Christoph Marthaler und Anna Viebrock. Die Gesprächsprobe. Die Inszenatoren des Jahres. In: Theater heute, Jahrbuch, S. 10-14. 257 Brauneck (2007a), S. 383. 258 Sergio Morabito im Gespräch mit Jossi Wieler. Über Grenzen im Neuland. In: Viebrock (2000), o.S. 259 Bettina Masuch im Gespräch mit Anna Viebrock. In: Viebrock (2000), o.S. 260 Bettina Masuch im Gespräch mit Anna Viebrock. In: Viebrock (2000), o.S.

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Ihre „geträumten Realräume“ sind mehrdeutig und darin immer konkret, stellt Stefanie Carp fest. „Anna Viebrock hat die Mythologie des Profanen erfunden“, sie „erfindet eine Jetztzeit für unser zu Ende gegangenes Jahrhundert.“ Stefanie Carp beschreibt diese nahezu visionären Bühnengestaltungen: Von der Kritik wurde Anna Viebrock häufig das Etikett: 50er Jahre angeheftet. Ihre Zeiträume sind aber mehr als die Abbildung eines Jahrzehnts. […] [Die Räume] konstruieren eine Nachkriegszeit von ’45 bis heute und die Vorkriegszeit des morgen und übermorgen. Die bürgerlichen Interieurs waren Täuschungen wie die Treppen und vermeintlichen Ausgänge. Man kann in Anna Viebrocks Räumen nicht wohnen. Sie sind öffentliche Stationen oder Asyle, nachdem ganz andere psychische und materielle Häuser zusammenbrachen.261

Als Frau in einem Männerberuf Dieses Thema kommt auch in der Literatur über Anna Viebrock kaum vor. Erst als Christina Haberlik sich mit Viebrock als Regie-Frau befasste, wurde die Künstlerin gefragt, ob sie Angst davor gehabt hatte, es als Frau in diesem Männerberuf schwer zu haben. Anna Viebrock dazu: Ja. […] Ich habe da immer so eine gewisse Naivität gehabt. Ich habe es auch gerne ein bisschen verdrängt; wenn Techniker schlecht über einen geredet haben, habe ich einfach nicht hingehört. Ich weiß, dass der Technische Direktor mir überhaupt nichts zugetraut hat. Natürlich gab es das!262

Sie stellt fest, dass sie sich das Wissen aus dem technischen Bereich über Jahre hinweg angeeignet hat, und hält es mit Virginia Woolf, „die sagt, man soll keinen Blick zurück tun oder sich auch nichts darauf einbilden“.263 Sie selbst würde möglichst gar keinen Unterschied zwischen der Arbeit von Frauen und Männern machen und sagt, dass es keinen Grund gebe, „warum man als Frau immer einen Bonus haben sollte, auch wenn wir immer ungerechter behandelt wurden“.264 Verständlich ist ihr dennoch nicht, wieso ihre Bühnenräume in den Inszenierungen von Christoph Marthaler dann als „marthalerisch“ beschrieben werden: „[…] aber die Bühnenbilder mache ja ich, und das ist dann nicht Marthaler, sondern das bin ich eigentlich – nicht eigentlich, sondern tatsächlich.“265 Carp schil261 Stefanie Carp (2000): Geträumte Realträume. In: Anna Viebrock, Bühnen, Räume. Damit die Zeit nicht stehenbleibt. Bettina Masuch (Hg.), Berlin, o.S. 262 Haberlik (2010), S. 73. 263 Zit. in: Haberlik (2010), S. 73. 264 Haberlik (2010), S. 73. 265 Haberlik (2010), S. 71.

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dert, dass Anna Viebrock die Bezeichnung Ausstatterin nicht schätzt, denn sie erfindet und konstruiert und ist immer auch Konzeptionistin der jeweiligen Inszenierung: „Es ist ihr wie wenigen Bühnenbildnern gelungen, eine unverwechselbare Welt zu erfinden.“266 Jossi Wieler schildert Atmosphärisches aus der Zusammenarbeit mit Viebrock: Die Art und Weise, wie Anna zum Beispiel ihre Assistentinnen [! B. B.] an diesem ungeschützten künstlerischen Arbeitsprozeß beteiligt, schafft eine besondere, sehr entspannte Arbeitsatmosphäre. Im Verhältnis zu den Mitarbeitern geht es ihr nie um Macht oder hierarchisches Denken. Und auch in Drucksituationen verliert Anna ihr Zentrum nicht. Man kennt das bei so vielen Leuten im Theater, der Druck, unter dem sie stehen: Als Bühnenbildner oder Regisseur „muß man es jetzt wissen“. Dieser Druck produziert bei vielen ein Theater der Behauptungen. Bei Anna gibt es das so nicht.267

Ein ganz wichtiger Punkt sei auch ihre „Durchlässigkeit, die Anteilnahme an allem, […] daß es nicht per se um Ästhetik geht, sondern um das Ergebnis eines Gesamtdenkens über Theater und über die Welt“.268 Hans-Thies Lehmann beschreibt ihre „Haß-Liebe“ zum realen Theaterhaus, ihr unbeirrbares, gleichzeitig sanftes Nachfragen, den leisen unerbittlichen Nachdruck, Strenge, Genauigkeit, Selbstkritik – und heilsame Abscheu gegen das Prätentiöse, gegen die Denkfaulheit im Theater, gegen das schnell Ausgerechnete, das in der Theaterroutine so nahe liegt. „Theatermachen heißt für sie: Zeit verlieren.“269 Anna Viebrock hat mit ihren Räumen und Ausstattungen […] Theatergeschichte geschrieben, ihre Kostüme werden bis heute kopiert. Mit heruntergekommenen Hotelhallen, abgeschraddelten Wartezimmern und trostlosen Durchgangsstationen hat Anna Viebrock Epoche gemacht. Niemand hat schönere Unräume geschaffen – Bühnen, auf denen alles ein wenig fehl am Platz wirkt, das Mobiliar ebenso wie die liebenswert lächerlichen Menschen.270

Anna Viebrocks Bühnenräume faszinieren durch eine für den deutschsprachigen Raum ungewöhnliche, ungewöhnlich politische und nach wie vor erforderliche Vergangenheitsbewältigung: Sie thematisiert sowohl die Trennung der ehemali266 Carp (2000), o.S. 267 Sergio Morabito im Gespräch mit Jossi Wieler. In: Viebrock (2000), o.S. 268 Sergio Morabito im Gespräch mit Jossi Wieler. In: Viebrock (2000), o.S. 269 Hans-Thies Lehmann, Spiel mit Rahmungen. In: Viebrock (2000), o.S. 270 Irene Grüter: Aus dem Schrank gesprungen. Doubleface oder Die Innenseite des Mantels – eine Kostümschlacht von Anna Viebrock, Internet-Quelle.

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gen Bundesrepublik Deutschland von der Deutschen Demokratischen Republik und die problematische Wiedervereinigung beider Staaten als auch die Traumata der Kriegs- und Nachkriegszeit mit ihren für die gegenwärtige Bildersprache zum Teil verstörenden und gleichzeitig befremdlich-vertraut wirkenden Bühnenraumgestaltungen. Auszeichnungen und Preise Anna Viebrock wurde dreimal, 1994, 1996 und 1997, von der Zeitschrift Theater heute zur Bühnenbildnerin des Jahres sowie viermal, 1994, 1996, 1997 und 1998, zur Kostümbildnerin des Jahres gewählt. 1997 erhielt sie den Hessischen Kulturpreis sowie, gemeinsam mit Christoph Marthaler, den Kortner-Preis und 2004 den Theaterpreis Berlin.271 2002 wurde ihr von der Zeitschrift Opernwelt ebenfalls die Auszeichnung „Bühnenbildnerin des Jahres“ verliehen. Außerdem erhielt sie zahlreiche Einladungen zum Berliner Theatertreffen (etwa 2002, 2003, 2005).272 3.5.2 Penelope Wehrli (*1957) Gibt es die Möglichkeit, den Zwang zum Bewerten zu umgehen? Und: Wie funktioniert unterschwelliges Verstehen?273 PENELOPE WEHRLI

Penelope Wehrli wurde in Zürich geboren,274 sie lebt seit Mitte der 1990er Jahre in Berlin. Zwischen 1980 und 1994 arbeitete sie als Performerin, Aktions- und Videokünstlerin sowie als Filmemacherin vor allem in New York. Für den Cho271 Vgl. Wrobel, Kulturköpfe, Internet-Quelle. 272 Vgl. Eigenmann (2007), S. 747. 273 Penelope Wehrli (2010a): Notizen. In: Penelope Wehrli (2010b): raum partituren. Ich wohne in der Möglichkeit, Bern, S. 196-206, hier: S. 196. 274 Vgl. Penelope Wehrli, Internet-Quelle; Arnd Wesemann (2010): raum partituren: penelope wehrli. In: Tanz, August, S. 84; Birgit Wiens: Telematisch, distribuiert, vernetzt: Theater als „interaktive Landschaft?“ – ein Essay. Vortrag zum internationalen Kolloquium „Szenographie in Ausstellungen und Museen – Raumkriterien und Innenraumgestaltung“, Deutsche Arbeitsschutzausstellung (DASA), Dortmund Januar 2002, Internet-Quelle; Christopher Langer (2008): Zum Greifen fern. Die Regisseurin und Bühnenbildnerin Penelope Wehrli im Porträt. In: Theater der Zeit 11/November, S. 8-10; Barbara Seiler: Porträt Penelope Wehrli, Goethe Institut, Internet-Quelle; Wehrli, Penelope. In: Sucher (2010), S. 920.

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reografen Johann Kresnik entwarf sie in den 1990er Jahren Ausstattungen für achtzehn Produktionen wie „Ulrike Meinhof“ (1990, Theater Bremen), „Frida Kahlo“ (1992, Theater Bremen), „Rosa Luxemburg“ (1993, Volksbühne Berlin) oder „Hotel Lux“ (1998, Volksbühne Berlin). Die Zusammenarbeit mit Kresnik beschreibt Wehrli unter anderem mit den Worten: „[Es] ging immer darum, Widerstand zu provozieren.“275 Wehrli arbeitete auch mit den RegisseurInnen Dimiter Gotscheff (etwa für „King Lear“, 1999, Schauspielhaus Hamburg), Barbara Frey (etwa für „Was ihr wollt“, 2010, Schauspielhaus Zürich), Reinhild Hoffmann und Jossi Wieler zusammen. Von 2004 bis 2009 teilte sich Wehrli die Professur für Szenografie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe mit Beatrix von Pilgrim. Das Zitat „Ich wohne in der Möglichkeit“ ist gleichzeitig der Untertitel von Wehrlis Monographie und stammt von der amerikanischen Lyrikerin Emily Dickinson (1830–1886).276 In der Produktion „Emily on the rocks“ (2003, Podewil, Berlin) gestaltete Wehrli den Bühnenraum ohne Sitzgelegenheiten für das Publikum, als überwiegend schwarzen Projektionsraum mit dichten sirrenden Alltagsgeräuschen als Musik. Zu ihrer Herangehensweise an die Raumgestaltung notierte Wehrli: Emily Dickinsons Werk ist ein Substrat von Sprache. Wenn man ihre Texte laut liest, fällt auf, dass diese […] rhythmisch geschrieben sind. Oft beginnen sie ganz traditionell, […] und dann kommen seltsame rhythmische Brüche, durch die der Sinngehalt sich ändert.277

Die Faszination an rhythmischen Brüchen, die Wehrli hier in „ein raumszenisches Substrat“ umsetzte, ist als roter Faden in zahlreichen ihrer Raumgestaltungen erkennbar; darüber hinaus wird ihr bescheinigt: „Was alle Arbeiten miteinander verbindet, ist Wehrlis Idee vom ‚Raum als Versuchsanordnung‘, ein experimenteller Ansatz, der sich mit Wahrnehmung auseinandersetzt und die Zuschauer als aktiv Suchende voraussetzt.“278 Penelope Wehrli möchte nicht Bühnenbildnerin genannt werden, sie interessiert sich für Räume, für das, was in Räumen passiert; sie bleibt während der Probezeiten anwesend und wird zur CoRegisseurin.279 Ihre Arbeiten, die sie als „sprach räume“, „dialog räume“ oder „vorstellungsräume“ benennt und die in der 2010 erschienenen Monographie

275 Vgl. Seiler, Porträt Penelope Wehrli, Internet-Quelle. 276 Vgl. Tilman Raabke (2010): Wehrlis Welt. In: Penelope Wehrli (2010b): raum partituren. Ich wohne in der Möglichkeit, Bern; Wehrli (2010), S. 192-195, hier: S. 192. 277 Wehrli (2010a), S. 204. 278 Seiler, Porträt Penelope Wehrli, Internet-Quelle. 279 Seiler, Porträt Penelope Wehrli, Internet-Quelle.

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ausführlich vorgestellt werden,280 bezeichnet Detlev Schneider als „Theater der kalkulierten Unübersichtlichkeit“.281 Aufsehen erregte Wehrli besonders mit ihren eigenen künstlerischen Projekten. Es sind monumentale Rauminstallationen, Aktionen im öffentlichen Raum oder interaktive medienüberschreitende Kunstprojekte, die sie als „genreübergreifende Künstlerin“282 ausweisen. Wehrli versuche damit, kommunikative Strukturen zu bauen, die „nicht ästhetischer Selbstzweck sind, sondern Hilfen zur Findung neuer Formen des Miteinander-Redens“.283 Obwohl Wehrlis Räume als kompliziert gebaute Gebilde für ZuschauerInnen oft überfordernd und teilweise schwer zu begreifen sind, „ist [vielleicht] in dem Fall auch die Auseinandersetzung spannender als die Erkenntnis“.284 Nach den neunziger Jahren brachten die 2000er Jahre für die Theater in Deutschland und Österreich einen weiteren Bedeutungsverlust in den relevanten gesellschaftlichen Diskursen. Einzelne Arbeiten konnten aber immer wieder Aufmerksamkeit erregen. „So bleibt offenbar der Widerspruch, in der Gesellschaft nicht mehr wahrgenommen zu werden – oder aber, ‚Kult‘ zu werden, wie es der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in den neunziger Jahren gelungen war. Vielleicht liegt darin die Zukunft des Theaters“,285 so Manfred Brauneck in seiner Vorschau. Eine, die nach wie vor mit ihren Bühnenraumgestaltungen durch radikalen Minimalismus Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist Katrin Brack. Ihr ist das folgende Porträt gewidmet.

280 Vgl. Wehrli (2010b). 281 Detlev Schneider (2010): Theatron (> altgriech.: Ort des Schauens). Penelope Wehrlis Theater der kalkulierten Unübersichtlichkeit. In: Penelope Wehrli (2010b): raum partituren. Ich wohne in der Möglichkeit, Bern, S. 12-15. 282 Langer (2008), S. 10. 283 Wiens, Telematisch, distribuiert, vernetzt, Internet-Quelle. 284 Seiler, Porträt Penelope Wehrli, Internet-Quelle. 285 Brauneck (2007a), S. 390.

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3.5.3 Katrin Brack (*1958) Künstlich oder inszeniert ist eigentlich alles, was auf der Bühne passiert.286 KATRIN BRACK

Auch für Katrin Brack werden Superlative verwendet: Sie wird als „maximale Minimalistin“,287 als „radikalste und mit ihrer am jeweiligen Werk reibenden Reduktion erfindungsreichste Bühnenbildnerin“288 oder als „Spezialistin für atmosphärische Präzisionsarbeit“289 bezeichnet. 2010 erschien ihre Monographie „Bühnenbild/Stages“, herausgegeben von Anja Nioduschewski.290 Biografische Daten Katrin Brack wurde 1958 in Hamburg geboren.291 Ihre Mutter war kunstinteressiert und hatte an der renommierten Folkwangschule in Essen studiert. Sie selbst studierte Bühnenbild bei Karl Kneidl an der Düsseldorfer Kunstakademie, eine Zeit lang war sie in derselben Klasse wie Anna Viebrock. Sie kam „zufällig durch einen Freund“ an die Bühnenbildklasse, der Künstler Nam June Paik bot ihr einen Platz in seiner Klasse an, aber „ich hab mich einfach nicht getraut“, so Katrin Brack.292 Nach dem Studium wurde sie Assistentin von Karl-Ernst Herrmann am Schauspielhaus Bochum, Intendant war damals Claus Peymann. Ihre ersten Ausstattungen gestaltete sie unter anderem für Inszenierungen von Alfred Kirchner und Matthias Langhof. Mit dem Regisseur Luk Perceval arbeitet sie seit 1989 zusammen, zuerst in Belgien, dann in Deutschland. Weitere RegisseurInnen, für deren Inszenierungen sie Bühnenräume gestaltet, sind Dimiter 286 Zit. in: Anja Nioduschewski (2010a): Ein Gespräch mit Katrin Brack. In: Anja Nioduschewski (Hg.) (2010c): Katrin Brack, Bühnenbild/Stages, Berlin, S. 166-173, hier: S. 168. 287 Barbara Burckhardt (2004): Die Bühnenbildnerin des Jahres. If too perfect, lieber Gott böse. Die Ein-Ding-Frau: Katrin Brack. In: Theater heute, Jahrbuch, S. 105. 288 Thomas Irmer: Porträt Katrin Brack, Goethe Institut, Internet-Quelle. 289 Gunnar Decker (2009): Die Wettermacherin. Die Bühnenbildnerin Katrin Brack im Porträt. In: Theater der Zeit, November, S. 8-10; hier: S. 8. 290 Nioduschewski (2010c). 291 Zu diesem Abschnitt vgl.: Nioduschewski (Hg.) (2010c); Burckhardt (2004); Decker (2009), S. 8-10; Brack, Katrin. In: Sucher (2010), S. 100; Petra Rathmanner (2002): „Es ist, was es ist, die Bühne“, Katrin Brack im Gespräch. In: Theater der Zeit, März, S. 18-22. 292 Burckhardt (2004), S. 107.

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Gotscheff, auch Joachim Schloemer und Angela Richter. 1994 gebar sie ihren Sohn Konrad. 2009/10 konnte die Akademie der Bildenden Künste München Katrin Brack – als erste Frau – für die alleinige Professur für Bühnenbild und Kostüm gewinnen.293 Katrin Brack lebt in Wien. 2011 gestaltete sie das Bühnenbild für „Immer noch Sturm“ von Peter Handke (Regie: Dimiter Gotscheff) im Rahmen der Salzburger Festspiele.294 Über die Arbeit als Bühnenbildnerin Katrin Bracks erste eigene Arbeit war 1985 ein puristisches Bühnenbild für ein Programm der Schauspielerin Ortrud Beginnen, „Minna auf Mallorca“. „Ich finde, man muss ein Bühnenbild in einem Satz beschreiben können.“295 1986 nahm sie Claus Peymann mit nach Wien, in das Theaterland Österreich. Aber für Katrin Brack war Wien zu langweilig, nach zwei Jahren kündigte sie. Sie blieb jedoch aus privaten Gründen in Wien und stattete hin und wieder Stücke, auch in Deutschland, aus. 1989 begegnete sie dem Regisseur Luk Perceval, mit dessen Theatertruppe sie einige Jahre durch Flandern zog und, aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel, lernte zu improvisieren.296 Mit der Inszenierung „Schlachten“ von Tom Lanoye und Luk Perceval, nach den Rosenkriegen von William Shakespeare, und der Bühnenraumgestaltung von Katrin Brack in Hamburg im Jahr 1998 begann ihr großer Erfolg. Ihr Umgang mit dem Bühnenraum, den Podesten, der sichtbaren Mechanik, den verwendeten Materialien wie Kies und der Lichtgestaltung fielen auf. Für die SchauspielerInnen bedeuten ihre leeren Bühnenräume oft eine große Herausforderung, da sie kaum Requisiten zur Verfügung haben, die ihnen Anhaltspunkte geben können. 2002 stellt Katrin Brack für „L. King of Pain“, Luk Percevals „King-Lear“Bearbeitung für Antwerpen und das Schauspielhaus Hannover, nur eine mächtige Eiche auf die leere Bühne, eine Eiche aus Polyester, ausgerissen und mit Wurzeln, und wirft damit auch die Frage auf, inwieweit Natur überhaupt noch echt sein kann. Auch bei ihren nächsten Bühnenräumen reduziert Katrin Brack auf nahezu ein Ding297: Sie verwendet zum Beispiel nur Kunstnebel (für die Inszenierung von „Iwanow“, 2005, Regie: Dimiter Gotscheff). 2007 bei der Inszenierung von Gotscheff des „Tartuffe“ von Molière am Hamburger Thalia Thea-

293 Vgl. Akademie der Bildenden Künste München, Internet-Quelle. 294 Vgl. Salzburger Festspiele: Das Programm, Internet-Quelle. 295 Burckhardt (2004), S. 105-113, hier: S. 109. 296 Vgl. Thomas Irmer im Gespräch mit Katrin Brack (2005): Kunst aus der Beschränkung. In: Luc Perceval: Theater und Ritual, Berlin, S. 167-175. 297 Vgl. Burckhardt (2004), S. 105-113.

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ter wird das Publikum zu Beginn der Aufführung von einem intensiven Konfettiregen fasziniert: [Wir] erkannten, dass in diesem Bild das gesamte höfische Leben zu Molières Zeiten gebündelt war. Diese verschwenderischen Feste, wie sie Molière im Tartuffe karikiert, wurden in diesen wirbelnden Sturm von billigem Faschingskonfetti ironisch übersetzt. […] Es war ein überraschendes, großes Bild, das den Zuschauer staunend überwältigte. Diese fünf Minuten waren ein Fest des flirrenden Bildes, das alles erzählte und nichts direkt illustrierte. […] Mit diesen imaginierten Bildern im Gepäck war es ein großes Vergnügen, die Schauspieler für den Rest des Abends in dieser gigantischen Konfettimüllhalde spielen zu sehen.298

Katrin Brack geht so vor, dass sie alltägliche Dinge aus ihrem Kontext löst und in einen neuen Zusammenhang setzt, dabei versucht sie, Wände und Begrenzungen zu vermeiden. Für „Der Fall Esra“ (Regie: Angela Richter, Hamburg, 2009) lässt Brack 612 Glühbirnen an Kabeln hängen. Ihre Bühnenräume werden als „Zeitskulpturen“299 bezeichnet. „[D]ie Leere ist immer anwesend, […] durch die stets spürbare Anwesenheit der abwesenden Dinge.“300 Anja Nioduschewski bezeichnet Katrin Brack als Bühnenbildnerin, die den Zeitraum dehnt, die klar macht, dass ein Bühnenbild keinen Ort darstellt, und die uns zeigt, dass „Theater ‚Vorstellung‘ von etwas ist und was vorstellbar ist“.301 Die Bühnenbilder von Brack sind „aufreizend schlicht, so schlicht, dass man sie schließlich für die natürlich gewachsene Umgebung eines Stückes hält“.302 Auch bei Katrin Brack ist die intensive Zusammenarbeit mit drei Regisseuren eine Basis für ihren Erfolg: Die Begegnung mit Luk Perceval war ein Grundstein ihrer Karriere; mit Dimiter Gotscheff wie auch Thomas Thieme arbeitet sie vor allem in den letzten Jahren vermehrt zusammen, wie zum Beispiel 2009 bei der Inszenierung von "Büchner / Leipzig / Revolte" am Centraltheater Leipzig (vgl. Coverbild). Ihren Bühnenräumen wird Bahnbrechendes bescheinigt: Die Arbeiten Bracks markieren einen Bruch mit den häufig illustrativen Bilderwelten, die sich von den siebziger bis zu den neunziger Jahren auf viele Inszenierungen in deutschen Theatern gelegt hatten. […] Es war auch ein neues Verhältnis zum Regisseur und der Wil298 Kaesbohrer (2010), S. 158. 299 Anja Nioduschewski (2010b): Raumzeit. In: Anja Nioduschewski (Hg.) (2010c): Katrin Brack, Bühnenbild/Stages, Berlin, S. 5-10, hier: S. 5. 300 Nioduschewski (2010b), S. 6. 301 Nioduschewski (2010b), S. 9 [Herv. i. Orig.]. 302 Decker (2009), S. 8.

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le, Bühnenbild anders zu entwickeln und Extreme zu schaffen. Die Freiheit des vorherigen, bildverliebten, bildmächtigen Pseudo-Surrealismus musste allein zum Arbeitsort der Schauspieler werden, an dem der Bühnenbildner nicht mehr als Maler des Theaters, sondern als kreativer Bildraum-Bereiter einer Performance wirkte. Katrin Brack entwickelte dafür eine eigene Auseinandersetzung mit echten und unechten Materialien im Theater als Präsenz von Spiel und Realem.303

Als Frau in einem Männerberuf Auch bei Katrin Brack finden sich nur wenige Antworten zu dieser Fragestellung. Auf die Frage, ob sie sich als Künstler verstehe, antwortete Brack: „Die Räume, die ich erzeuge, denken nicht darüber nach, ob sie Kunst sind oder nicht. Mit gehts genauso.“304 Der Schauspieler und Regisseur Thomas Thieme schildert sie als eine strenge Frau. Sie ist […] Bühnenarchitektin. […] Ich war sprachlos über so viel nonverbale Professionalität. Alle reden, Brack arbeitet. […] Katrin Brack ist keine Partnerin der distanzlosen Theaterwärme, kein Kumpel, Katrin Brack ist streng, womöglich auch zu sich selbst.305

Sie selbst spricht kaum über sich als Frau, eher noch über sich als Mutter und stellt fest, dass ihre Karriere erst richtig „mit Konrad [ihrem Sohn, Erg. B.B.] los[ging], als ich dachte, dass alles vorbei ist. Und als es mir auch egal war: Bin ich halt Mutter. Fand ich gut.“306 Der Autor Robin Detje bezeichnet Katrin Brack als die „Philosophin im Bühnenbildgewerbe. Sie sei kein Profi […]. Sie ist eine Handwerkerin, die das Handwerkerische verachtet und zu einem Gedanken schockfrostet, an dem dann nicht mehr gerüttelt werden darf.“307 Und er nennt sie „eine kleinere Gottheit, so viel ist klar“. Aber: „Götter haben immer schon genervt.“308

303 Irmer, Porträt Katrin Brack, Internet-Quelle. 304 Katrin Brack (2009): Räume ohne Begriffe. In: Theater heute 6/Juni, S. 16. 305 Thomas Thieme (2010): Brack arbeitet. In: Anja Nioduschewski (Hg.) (2010c): Katrin Brack, Bühnenbild/Stages, Berlin, S. 231. 306 Burckhardt (2004), S. 107. 307 Robin Detje (2010): Das Universum ist ein Atom im Daumennagel eines Riesen. Und in den Bühnenbildern der Katrin Brack ist alles immer auch nichts. In: Anja Nioduschewski (Hg.) (2010c): Katrin Brack, Bühnenbild/Stages, Berlin, S. 234-236, hier: S. 234-235. 308 Detje (2010), S. 235.

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Ungewöhnlich an Katrin Bracks Werkschau aus dem Jahr 2010 ist auch die Nennung der Bühnenbild-Assistenzen, Frauen und Männer, durch deren inhaltliche und organisatorische Mit-Arbeit ihre Bühnenräume umgesetzt wurden. Wie würde eine Geschichte des Bühnenbildes hinsichtlich der Beteiligung von Frauen aussehen, wenn diese Form der Dokumentation seit Beginn des 20. Jahrhunderts angewendet worden wäre? Durch die in ihrem Minimalismus einzigartigen Bühnenräume kann Katrin Brack als Pionierin in der Erschaffung von Bühnenräumen, die sowohl den performative turn wie auch den pictoral turn der 1990er und 2000er Jahre309 berücksichtigen, bezeichnet werden. Wohltuend, irritierend und auch meditativ wirkt die kluge und sinnlich erfahrbare Einfachheit ihrer Bühnenräume in der lärm-, bild-, und informationsüberfluteten Welt der Gegenwart. Auszeichnungen und Preise Katrin Brack erhielt bisher dreimal, 2004, 2005, und 2006, den Titel „Bühnenbildnerin des Jahres“ der Zeitschrift Theater heute. 2006 erhielt sie für ihren Bühnenraum zu „Iwanow“ auch den „Faust-Theaterpreis“. 2006 und 2007 wurde sie für den Nestroy-Preis für die Beste Ausstattung nominiert; diesen Preis erhielt sie 2007.

309 Vgl. dazu den Abschnitt Entwicklungen der Szenografie und Bühnenraumgestaltung ab den 1990er Jahren, S. 50-51.

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3.5.4 Muriel Gerstner (*1962) Wir sind gefasst in diesem Ordnungssystem, diesem niemals zu Ende zu bringenden Bauwerk, das die Sprache ist; und als solches kann man sie verstehen: als permanente Baustelle mit archäologischen Feldern, morschen Böden, verwinkelten Gängen und verborgenen Eingängen, stets im Prozess, sich weiterzuentwickeln, sich zu verändern.310 MURIEL GERSTNER

Muriel Gerstner absolvierte eine Lehre als Theatermalerin in Bern und studierte anschließend Bühnenbild in Wien bei Axel Manthey, dem Dramaturgen Klaus Zehelein und der Kostümbildnerin Frida Parmeggiani. Sie war Assistentin von Manthey an der Staatsoper Stuttgart. Seit 1990 ist sie freischaffende Bühnenund Kostümbildnerin und lebt heute in Berlin. Ab 2000 arbeitete Muriel Gerstner vor allem mit dem Regisseur Sebastian Nübling, dem Musiker Lars Wittershagen und dem Autor Händl Klaus zusammen. „Sie ist oft die erste im Team, die durch ihre Raumentwürfe entscheidende Interpretationen vornimmt.“311 Ihre Bühnenräume zeichnen sich durch eine eindrückliche optische Klarheit aus. […] In Wechselwirkung mit den Figuren, die [sie] in den allermeisten Fällen auch ausstattet und zwar in einer deutlich zeichenhaften Sprache, erhalten die Bühnenbilder etwas Trügerisches, Abgründiges, etwas Un-Heimliches, das die psychische Realität der Protagonisten widerzuspiegeln scheint.312

Mit Sammel- und Fundstücken versucht Gerstner, die Atmosphäre ihrer Ausstattungen den SchauspielerInnen zu vermitteln und gestaltet Räume abseits üblicher Steh- und Sitzarrangements.313 Die „leidenschaftliche Leserin“,314 die auch 310 Muriel Gerstner (2007a): Zu bösen Häusern gehen – eine Einladung. In: Muriel Gerstner (2007b): Zu bösen Häusern gehen, Number Nine Barnsbury Road, Soho. Ausstellungskatalog. Schweizer Beitrag zur XI. Quadriennale für Bühnenbild und Theaterarchitektur 14. bis 24 Juni 2007 in Prag. Hg. vom Bundesamt für Kultur, Basel, S. 4-22, hier: S. 12. 311 Marion Hirte: Porträt Muriel Gerstner, Goethe Institut, Internet-Quelle. 312 Judith Gerstenberg (2006): Gastgeberin, Fallenstellerin über Muriel Gerstner, Die Bühnenbildnerin des Jahres. In: Theater heute, Jahrbuch, S. 88-94, hier: S. 89. 313 Vgl. Hirte, Porträt Muriel Gerstner, Internet-Quelle.

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schreibt,315 baute als Vertreterin der Schweiz316 für die Prager Quadriennale 2007 einen begehbaren schwarzen Kubus, benannt nach einem Hegel-Zitat mit dem Titel Zu bösen Häusern gehen. Ihr Beitrag zur Quadriennale ist zusammen mit eigenen sowie mit Texten von Elisabeth Bronfen und Händl Klaus, Skizzen und Aufführungsfotos und einem Werkverzeichnis in der Publikation „Zu bösen Häusern gehen – Number Nine Barnsbury Road, Soho“ dokumentiert. 317 Die ineinander verschachtelten Räume und gezeigten Objekte werden als „geheimnisvoller Unraum“ beschrieben, „der vielleicht auch davon träumt, dass Bühnenbilder einmal nicht auf die räumliche Trennung vom Zuschauer setzen müssen“.318 Gerstners Beitrag für Prag wird außerdem bescheinigt, die Entwicklung szenografischer Praxis von der einstmals dienenden Funktion gegenüber Werk und Regie hin zu einer autonomen, künstlerischen Interpretation umgesetzt zu haben: Geradezu modellhaft inszeniert Gerstner in Prag einen performativen Raum über Szenografie, der zugleich als Szenografie begehbar und erlebbar ist. Narrativität, Vermittlung (Medialität) und Transformation (von Sprache zu Raum) bilden seine konstitutiven, künstlerischen Kompositionselemente.319

Die zu ihrem Beitrag erschienene Publikation, „[verweigert] sich mit schönster Konsequenz dem typischen Werk-Bild-Katalog einer Bühnenbildnerin und zeigt doch, warum Muriel Gerstner im Theater macht, was sie macht“.320 Gefragt, wie Muriel Gerstner selbst ihre Arbeit sieht, zitiert die leidenschaftliche Leserin den Architekten Charles Eames, „sie möchte nur eine gute Gastgeberin sein“, und sie ergänzt: „Genau: Gastgeberin und Fallenstellerin. Das gefällt mir.“321 Muriel Gerstner wurde 2002 (mit vierzig Jahren) zur „Nachwuchsbühnenbildnerin“ und 2006 von der Zeitschrift „Theater heute“ zur „Bühnenbildnerin

314 Gerstenberg (2006), S. 89. 315 Vgl. Muriel Gerstner (2004): Angewandte Theorie. In: Elisabeth Bronfen: Nur über ihre Leiche: Tod, Weiblichkeit und Ästhetik, Würzburg, S. XXIII-XXVII. 316 Vgl. Schweizer Bundesamt für Kultur, Internet-Quelle; Muriel Gerstner (2007b). 317 Vgl. Gerstner (2007b). 318 Thomas Irmer (2007): Die schöne Unübersichtlichkeit. Die 11. Prager Quadriennale der Szenografie bietet 55 Ländern Gelegenheit, im freien Spiel Tendenzen des Bühnenbilds zu präsentieren. In: Theater heute 8/9/August/September, S. 29. 319 Vgl. Brejzek/Mueller von der Haegen/Wallen (2009), S. 382. 320 Irmer (2007), S. 29. 321 Gerstenberg (2006), S. 94.

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des Jahres“ gewählt, 2008 war sie in diesem Ranking Drittplatzierte.322 Bereits 1997 und 2000 erhielt sie den Eidgenössischen Preis für Gestaltung, im Jahr 2000 zusätzlich den Preis Fabric Frontline 2000. Vier von ihr gestaltete Produktionen wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen: „Wilde – Mann mit den traurigen Augen“ (2003, Steirischer Herbst Graz in Koproduktion mit dem Niedersächsischen Staatstheater), „Dunkel lockende Welt“ (2006, Münchner Kammerspiele), „John Gabriel Borkmann“ (2001, Theater Basel), „Dido und Aeneas“ (2006, Schauspielhaus Basel). Für „Dido und Aeneas“ erhielt sie 2007 gemeinsam mit Sebastian Nübling und Lars Wittershagen in Berlin den 3satInnovationspreis. Gerstner ist Lehrbeauftragte an der Ludwig-MaximiliansUniversität München der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften/Theaterwissenschaft. Muriel Gerstner wurde, wie Katrin Brack, ebenfalls befragt, ob sie sich Künstler verstehe. Ihre Antwort fiel länger aus und endete mit dem Fazit: Wir sind Sprachwesen, definiert durch die sprachlichen Symbole, die uns repräsentieren oder durch welche wir uns repräsentieren lassen. Wenn ich also zulasse oder fortfahre, mich als Künstler, Bühnenbildner etc. zu bezeichnen oder anrufen zu lassen, wird das allgemeine Selbstverständnis diese Positionen weiterhin als genuin männliche verstehen. Zu Recht, es kann gar nicht anders. Und deshalb lautet meine lange Antwort auf Ihre kurze Frage: nein. Ich verstehe mich nicht als Künstler. Ich bin aber gerne Bühnenbildnerin.323

Muriel Gerstner ist damit eine der wenigen Bühnenbildnerinnen, die die Bedeutung von Sprache für ihre Arbeit reflektiert und die am Theater und seinem Umfeld bestehenden Rahmenbedingungen zurückweist. Gerstner gehört vermutlich zu den ersten Generationen von Bühnenbildnerinnen, die bereits im Studium damit konfrontiert waren, dass weniger Männer als Frauen dieses Fach studieren und dennoch Bühnenbildnerinnen im Beruf weniger Entfaltungsmöglichkeiten vorfinden. Möglicherweise war das ein Anlass für Gerstner, sich mit den strukturellen Bedingungen der Arbeit am Theater, die sich auch in der Sprache abbilden, auseinanderzusetzen. Im dritten Kapitel wurden Bühnenbildnerinnen ab etwa 1900 bis in die Gegenwart vorgestellt, denen es überwiegend gelungen ist, sich in eine Theatergeschichte der Bühnenraumgestaltung einzuschreiben. Die Pionierinnen kamen aus Russland; in einem Exkurs wurden mit Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, 322 Zu diesem Beitrag vgl. Gerstenberg (2006), S. 88-94; N.N. (2008): Übungen in Demut. Die Bühnenbildner des Jahres. In: Theater heute, Jahrbuch, Berlin, S. 151; Hirte, Porträt Muriel Gerstner, Internet-Quelle; Gerstner, Muriel. In: Sucher (2010), S. 255. 323 Muriel Gerstner (2009): Wir Sprachwesen. In: Theater heute 6, S. 13-14.

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Ljubov Popova und Varvara Stepanova Frauen vorgestellt, die wesentliche Beiträge zur Entwicklung der modernen Bühnenraumgestaltung in Europa leisteten. Im deutschsprachigen Europa hatten Bauhaus-Schülerinnen als erste Frauen die Möglichkeit, künstlerische Studien zu absolvieren. Ilse Fehling und Friedl Dicker können als Pionierinnen der Bühnenraumgestaltung in Erinnerung behalten werden. Die ersten Bühnenbildnerinnen im deutschsprachigen Raum, deren Werk mit Monographien gewürdigt wurde, waren Ita Maximowna und Hanna Jordan. Ihre Berufsbiografien zeigen auch die Schwierigkeiten auf, die Frauen in diesem Beruf in der Nachkriegszeit ab 1945 trafen. Mit Xenia Hausner, rosalie, Penelope Wehrli, Anna Viebrock, Katrin Brack und Muriel Gerstner wurden Bühnenraumgestalterinnen vorgestellt, die das Studium und die akademische Ausbildung zur Bühnenbildnerin absolviert haben und denen es gelungen ist, als Künstlerinnen und Fachfrauen in der Literatur wie auch in Form der Würdigung durch Preise wahrgenommen zu werden. Ihre Wege dahin sind sehr unterschiedlich, bemerkenswert ist, dass sie noch immer als Ausnahmen in einem Beruf erscheinen, der nach wie vor männlich konnotiert ist. Die Ausbildung zum Beruf BühnenbildnerIn, die auch Frauen offensteht, gibt es im deutschsprachigen Raum überwiegend seit den 1970er Jahren. Wie das Studium Bühnenbild sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz entwickelte, welche Studienorte es gab und gibt, wer die Professuren innehat(te) und welches Geschlechterverhältnis es im Studium im deutschsprachigen Raum gibt, wird im folgenden Kapitel dokumentiert und analysiert.

4 Das Studium Bühnengestaltung Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen durchzieht und bestimmt auch hier eine geschlechterdifferente Arbeitsteilung jene Verhältnisse, in denen Kunst gemacht, „gelehrt“ und verbreitet wird, ebenso wie die damit befaßten Institutionen. Gerade die stillschweigende Verbindung von Männlichkeit, Kunst und Originalität bürgt dafür, daß andere Entwürfe, kulturelle Geschehnisse oder andere Unterrichtspraxen unbeachtet bzw. marginalisiert blieben.1 LISBETH N. TRALLORI

In diesem Kapitel werden zuerst historische und aktuelle Studienorte des Fachs Bühnenbild aufgelistet. Die Fragen „Wer besetzte und besetzt die meist gut bezahlten Professuren des Studienfachs?“ und „Wie ist das Geschlechterverhältnis in diesem Bereich?“ werden beantwortet. Anschließend wird die Situation von Frauen an Österreichs Kunsthochschulen analysiert und das Geschlechterverhältnis von Studierenden und AbsolventInnen der Bühnengestaltung in Österreich und Deutschland ins Blickfeld gerückt. Die Entstehung und Geschichte des Studienfachs an der Kunstuniversität wird nachgezeichnet und das künstlerische Profil dokumentiert. Ein großer Teil dieses Kapitels ist der quantitativen Erhe-

1

Lisbeth N. Trallori (1997): Frauen des Nichts – Frauen des Ganzen: Frauen an den Kunsthochschulen. In: BMWV / Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (Hg.): 100 Jahre Frauenstudium. Zur Situation von Frauen an Österreichs Hochschulen, Wien (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 6, hrsg. vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr), S. 331-364, hier: S. 331 [Herv. i. Orig.].

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bung und Auswertung, in der dreißig Jahrgänge von 1973 bis 2003 der Ausbildung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität Graz hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses untersucht wurden, gewidmet.

4.1 Ü BERBLICK : S TUDIENORTE

UND

P ROFESSUREN

Historische und aktuelle Studienorte und Professuren im deutschsprachigen Raum Wie in der Einleitung (Pkt. 1.3) beschrieben, wird in dieser Arbeit versucht, den Erfolg im Beruf als BühnenbildnerIn anhand von zwei Kriterien festzustellen: (1) anhand der Anerkennung von Werk und Wirken der/des jeweiligen Bühnenraumgestalterin/-gestalters durch Publikationen in der (Fach-)Literatur sowie in Form von Preisen und Auszeichnungen (vgl. Kap. 2); (2) anhand der Feststellung, wer die überwiegend gut bezahlten und (noch) gesicherten Professuren an Kunsthochschulen und -universitäten seit der Gründung des Studienfachs innehat(te) und wie hier das Geschlechterverhältnis bilanziert werden kann. Eine Definition von Erfolg, demnach dieser daran gemessen werden könnte, ob der Beruf nach absolvierter Ausbildung ergriffen wurde, ob mit der Berufstätigkeit als BühnenbildnerIn ein existenzsicherndes Einkommen erzielt werden kann oder ob die Tätigkeit ein Berufsleben lang oder zumindest mehrere Jahre lang ausgeübt worden ist, stand nicht im Mittelpunkt der Analyse.2 Im folgenden Abschnitt werden zuerst historische und aktuelle Studienorte in Deutschland, Österreich und der Schweiz für die Fächer Bühnen- (und Kostüm-) bild, Bühnen- (und Film-)gestaltung, Bühnenraum, Szenischer Raum/Szenografie vorgestellt. Eine Geschichte der Ausbildung zur/zum BühnenbildnerIn in diesen Ländern ist nach bisherigem Wissensstand noch nicht dokumentiert worden. Daher wurden historische und aktuelle Daten zur Geschichte des Studienfachs, zu den Ausbildungen und Professuren aus Biografien von BühnenbildnerInnen, aus den Veröffentlichungen3 und Websites der Universitäten – wenn

2

Dazu wären Erhebungen der Kunstuniversitäten selbst bzw. deren AlumniEinrichtungen erforderlich, denen personenbezogene Daten der AbsolventInnen der Studienrichtung zugänglich sind, vgl. Fn. 137, S. 173 in Pkt. 4.5.2 (zu den Datenschutzbestimmungen an der KUG).

3

Vgl. u.a.: Heinz B. Gallée (1973b): 10 Jahre Bühnenbild und Kostüm, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mozarteum, [Kat.] 4. – 20. Juni 1973, Schloß

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historische Überblicke, in denen das Studienfach erwähnt wird, veröffentlicht wurden –, aus Fachliteratur über Kunsthochschulen4 und kunsthistorischer Literatur sowie Internet-Quellen durch eine umfangreiche Recherche soweit möglich rekonstruiert.5 Die Studienorte werden nach Ländern in folgender Reihenfolge genannt: erster zeitlich festgestellter Studienort, danach alphabetisch. Deutschland6 In München leitete ab 1926/27 Emil Preetorius die Klassen für Illustration und Bühnenbild an der Hochschule der Bildenden Künste, ab 1928 hatte er die Professur ebendort inne. An der späteren Akademie der Bildenden Künste in München hielt Preetorius die Professur für Bühnenbild und Grafik von 1942 bis 1951 (dann: Ruhestandsversetzung), einen Lehrauftrag hatte Preetorius bis 1953.7 Weitere Professuren für Bühnenbild und -kostüm in München hatten von 1946 bis 1952 Ludwig Sievert (1887–1966) und Richard Seewald (1889–1976) von 1954 bis 1958. Bis 1963 folgte Helmut Jürgens (1902–1963) nach, anschließend lehrte bis 1975 Rudolf Heinrich (1926–1975). Eine weitere Professur hatte bis 1993 Ekkehard Grübler (*1928) inne. Von 1995 bis 2002 teilten sich das Künstlerpaar Ursel Herrmann (*1943) und Karl-Ernst Herrmann (*1936) die ProfesArenberg, Max-Reinhard-Forschungsstätte, Salzburg; Lisa Witasek (1995): Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien, Wien. 4

Für Deutschland: Christian Bode/Werner Becker/Claudius Habbich (Hg.) (2001): Kunst- und Musikhochschulen in Deutschland, München, London, New York. Zur Ausbildung: N.N. (2005): Ausbildung Bühnenbild. Eine kritische Bestandsaufnahme. In: Theater der Zeit 5, S. 12-23.

5

An den meisten Kunstuniversitäten ist die Geschichte einzelner Studienrichtungen, wie auch das Beispiel Bühnenbild zeigt, kaum dokumentiert.

6

Aktuelle Studiengänge in Deutschland, die weitere Schwerpunkte wie FilmSzenenbild, Kostüm und Szenografie, Szenografie und Kommunikation anbieten, sind: Filmakademie Baden-Württemberg: Studium „Szenenbild“ (Schwerpunkt Film), Internet-Quelle; Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) „Konrad Wolf“, Berlin-Potsdam: Studiengang „Film- und Fernsehszenografie“, Internet-Quelle; Fachhochschule Dortmund: Studiengang „Szenografie & Kommunikation“, InternetQuelle; Fachhochschule Hannover: Studium „Szenografie und Kostüm“, InternetQuelle. Im Überblick (auch mit Studienmöglichkeiten in der Schweiz, in Dänemark und den Niederlanden): vgl. Plot Magazin: Studium, Internet-Quelle.

7

Quelle für die Professuren in München: Akademie der Bildenden Künste München: Rektoren, Professoren, Ehrensenatoren und Ehrenmitglieder 1808–2008, bearbeitet von Birgit Jooss und Sabine Brantl, hier: Professuren S. 559-564.

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sur, bis 2009/10 folgte Ezio Toffolutti (*1944). Seit 2010 hat als erste Frau Katrin Brack (*1958) die Professur allein inne. In Berlin, an der Universität der Künste (UdK) Berlin, damals Akademie, später Hochschule für bildende Künste (HfbK), wurde eine Bühnenbildklasse ab 1945 angeboten: Der erste Professor war Willy Schmidt (1911–2003). Ab 1974 wurde sie von Achim Freyer (*1934), seit 2002 von Hartmut Meyer (*1953) und Horst Birr geleitet.8 Ab 1946/47 war das Studium an der Kunsthochschule Berlin(-Ost) Weißensee möglich. Die erste Professur leitete Heinrich Kilger (1907– 1970). Seit 1998 lehren Peter Schubert (*1959)9 sowie Hans-Joachim Ruckhäberle und Roland Schimmelpfennig.10 Die Technische Universität Berlin bietet seit 2000 ein weiterbildendes Zusatzstudium Bühnenbild/Szenischer Raum an: Aufbau und Leitung übernahm Andrea Kleber (*1944). Seit 2006 ist Kerstin Laube (*1966) Studiengangsleiterin des Masterstudiengangs Bühnenbild_Szenischer Raum.11 Karl von Appen (1900–1981) gründete und leitete ab 1947 die Bühnenbildklasse in Dresden an der Kunsthochschule bis 1954.12 Der Diplomstudiengang Bühnen- und Kostümbild wurde 1950 installiert.13 Weitere Professoren waren: Hans Reichard und H. Wagner14, Henning Schaller, Marc Deggeller und Johannes Leiacker.15 Seit 2009 ist Kattrin Michel (*1967) Professorin für Bühnen- und Kostümbild.16

8

Universität der Künste (UdK) Berlin: Bühnenbild, Chronik, Internet-Quelle; N.N.

9

Kunsthochschule Berlin Weißensee, Bühnen- und Kostümbild: Personen, Internet-

(2005), S. 17. Quelle. 10 Vgl. N.N. (2005), S. 17. 11 Technische Universität Berlin, Bühnenbild: Prof. Kerstin Laube, Internet-Quelle. 12 Wolfgang Beck (2007a): Appen, Karl von. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 21-22, hier: S. 21. 13 Sven Crefeld (2005): An der Wiege der Avantgarde. Die traditionsreiche Dresdner Bühnenbildklasse bewegt sich zwischen Praxisnähe und postdramatischer Theorie. In: Theater der Zeit 5, S. 18-21, hier: S. 18. 14 Vgl. Dieckmann (1978), S. 16-18. 15 N.N. (2005), S. 19. 16 Hochschule für bildende Künste (HfbK) Dresden: Prof. Kattrin Michel, InternetQuelle. Weitere Professuren konnten bisher nicht ermittelt werden.

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In Düsseldorf war Teo Otto (1904–1968) von 1958 bis 1968 Professor für Bühnenbild an der Kunstakademie.17 Eine weitere Professur in Düsseldorf hatte Karl Kneidl (*1940) ab 1974 inne,18 seit 2008 ist es Johannes Schütz (*1950).19 An der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg gibt es den Studienschwerpunkt Bühnenraum seit 1967. Wilfried Minks (*1931) hatte die erste Professur für Bühnenbild inne,20 aktuell leitet Raimund Bauer (*1955) das Studienfach.21 An der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe gibt es seit 1992 Professuren für Szenografie und Ausstellungsdesign. 1992–1998 lehrte Johannes Schütz, eine Professur hatte Louis-Philippe Demers22 inne. Seit 2004 ist Beatrix von Pilgrim (*1959) Professorin. Sie teilte sich die Professur von 2004 bis 2009 mit Penelope Wehrli (*1957), was als ungewöhnlich bezeichnet werden kann. An der Staatlichen Werkakademie in Kassel leitete Teo Otto (1904–1968) die Bühnenbildklasse von 1952 bis 1957.23 Das Studium Bühnenbild wird derzeit an der Kunsthochschule Kassel nicht angeboten.24 Seit 1980 gibt es in Offenbach am Main an der dortigen Hochschule den Fachbereich Visuelle Kommunikation mit den Studienschwerpunkten Film/Audiovisuelle Medien, Bühnenbild/Szenenbild und dem Lehrgebiet „Sprache und Ästhetik“.25 Die erste Professur für Bühnenbild hatte Klaus Gelhaar (*1938). Seit 1995 leitet rosalie (*1953) den Studienschwerpunkt. Sie ist damit die erste 17 Wolfgang Beck (2007d): Otto, Teo. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 541-542, hier: S. 542. 18 Wolfgang Beck (2007b): Kneidl, Karl. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 394-385, hier: S. 385. 19 Kunstakademie Düsseldorf, Internet-Quelle. 20 Werner Schulze-Reimpell: Minks, Wilfried. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 492-493, hier: S. 492. 21 Hochschule für bildende Künste (HFBK) Hamburg: Studienschwerpunkt Bühnenraum, Internet-Quelle; Goethe Institut, Raimund Bauer, Internet-Quelle. 22 Theater der Zeit, 5/2005, S. 19. 23 Beck (2007d), S. 541-542, hier: S. 542. 24 Kunsthochschule Kassel, Internet-Quelle. 25 Vgl. Martina Heßler/Adam Jankowski: Archäologien einer Institution. Von der langen und der kurzen Geschichte der HfG, Hochschule für Gestaltung Offenbach, Internet-Quelle.

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Frau im deutschsprachigen Raum, die auf eine Professur in diesem Studienfach berufen wurde. An der Staatlichen Akademie für Bildende Künste in Stuttgart hatte Jürgen Rose (*1937) von 1973 bis 2000/01 eine Professur26 inne, seit 2001 leitet Martin Zehetgruber (*1961), der an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz diplomiert hat, die Studienrichtung.27 In Weimar wurde 1920 die Bauhausbühne und 1921 eine Bühnenwerkstatt installiert. Als Meister leitete sie der Maler und Bühnenkünstler Lothar Schreyer (1886–1966) bis 1923, anschließend – und ab 1926 in Dessau28 – der Maler und Bildhauer Oskar Schlemmer (1888–1943) bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1929.29 Jedoch ging es „weder am Bauhaus in Weimar noch in Dessau […] darum, die Studierenden auf eine Karriere an einer professionellen Bühne vorzubereiten“.30 Im Mittelpunkt stand demnach nicht eine Ausbildung zum/zur BühnenbildnerIn (oder SchauspielerIn), sondern realisiert wurden konzeptuelle und experimentelle Theorie- und Praxisprojekte für Raum- und Kostümgestaltungen und Inszenierungen. Vor allem durch das Wirken von Oskar Schlemmer wurden stilbildende Bühnenraum- und Kostümexperimente abseits der bisherigen literarischen Einflüsse entwickelt, die naturalistische Imitation von nachhaltig wirkenden Auseinandersetzungen der Thematik Mensch und Kunstfigur im Bühnen-Raum abge26 Wolfgang Beck (2007h): Rose, Jürgen. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 616-617, hier: S. 617. 27 Staatliche Akademie für Bildende Künste Stuttgart, Internet-Quelle. Vgl. auch Fn. 93, S. 165, und Fn. 239, S. 79, über den Bühnenbildner Martin Zehetgruber sowie den Regisseur Martin Kušej. 28 Vgl. Torsten Blume (2008): Die historische Bauhausbühne – ein Raumtheater. In: Torsten Blume/Burghard Duhm (Hg.): Bauhaus. Bühne. Dessau. Szenenwechsel, Berlin, S. 22-63, hier: S. 32. 29 Vgl. Hans M. Wingler (1985): Vorwort. In: Oskar Schlemmer/Laszlo MoholyNagy/Farkas Molnar: Die Bühne im Bauhaus, 3. Auflage, Mainz, S. 5-6; Torsten Blume/Burghard Duhm (Hg.) (2008): Bauhaus. Bühne. Dessau. Szenenwechsel, Berlin; Astrid Fülbier (2002): Handpuppen- und Marionettentheater in SchleswigHolstein 1920–1960, Kiel, S. 74-78. Von 1929 bis zur Schließung 1932 war Schlemmer Leiter der Bühnenklasse an der Akademie in Breslau (heute in Polen). Wolfgang Beck (2007i): Schlemmer, Oskar. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 641-642, hier: S. 641. 30 Blume (2008), S. 22.

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löst.31 Das Theater war jedoch am Bauhaus, anders als die bildenden Künste, Design oder Architektur, kein gleichwertiger Unterrichts- und Forschungsgegenstand.32 Zusätzlich verfügte die Bühnenabteilung über die geringsten finanziellen Mittel im Rahmen der Bauhaus-Klassen, die Mitarbeit an der Bauhausbühne war fakultativ und dafür wurde kein Bauhaus-Diplom, sondern nur ein Teilnahmezertifikat ausgestellt.33 Schweiz34 An der Hochschule für Gestaltung in Zürich wurde 1937 das Bühnenstudio mit Schauspielschwerpunkt gegründet.35 Seit 2007 wird an der heutigen Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ein Bachelor of Arts in Theater mit der Vertiefungsmöglichkeit Szenografie angeboten; aktueller Leiter ist Thomas Dreissigacker (*1955). Seit 2006 wird in Kooperation mit der Universität Wien, Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaft ein praxisbasiertes Doktoratsprogramm für Szenografie angeboten. Die LeiterInnen sind Thea Brejzek (*1962), Wolfgang Greisenegger (*1938) und Lawrence Wallen (*1961).36

31 Vgl. Carl Wege (2001): Bauhausbühne. In: Manfred Brauneck/Gérard Schneilin (Hg.): Theaterlexikon 1. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 139-141, hier: S. 139-140. 32 Vgl. Blume (2008), S. 22. 33 Vgl. Blume (2008), S. 26. 34 An der Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Gestaltung und Kunst, wird vom Institut Innenarchitektur und Szenografie aktuell ein Studium mit dem genannten thematischen Schwerpunkt angeboten. Vgl. Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Gestaltung und Kunst: Institut Innenarchitektur und Szenografie, Internet-Quelle. 35 Vgl. Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK): Über die ZHdK, Internet-Quelle. Detailliertere Angaben zu einer Geschichte der Ausbildung für Bühnengestaltung konnten nicht erhoben werden. 36 Vgl. Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft Wien: Informationen zum Doktoratsstudium, Internet-Quelle; Zürcher Hochschule der Künste/Szenografie: Studium, Internet-Quelle.

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Österreich37 In Wien leitete Alfred Roller ab 1923 die Bühnenbildklasse der MusikAkademie38 (heute: Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien [Kurzform: mdw]) und ab 1928/29 als Teil des Max Reinhardt Schauspiel- und Regieseminars (heute: Max Reinhardt Seminar, Teil der mdw).39 Roller arbeitete als Bühnenbildner und Szeneraumgestalter unter anderem mit Gustav Mahler, Hugo von Hofmannsthal, Richard Strauss oder Max Reinhardt zusammen,40 seine Bühnengestaltung zeichnete sich durch Purismus, Licht, Farbigkeit und variable Nutzung des Bühnenraumes aus.41 Er unterrichtete Ausstattung, Kostüm und Maske. Als Lehrer (seit 1900) und Leiter der Wiener Kunstgewerbeschule (seit 1909) hielt er zahlreiche öffentliche Vorträge, mit denen es ihm gelang, breite Bevölkerungskreise am Kunstgeschehen teilhaben zu lassen.42 1934/35 wurde am Max Reinhardt Seminar eine Abteilung für Bühnengestaltung installiert, geleitet von Alfred Roller und Oskar Strnad.43 Strnad war Architekt und Bühnenbildner, wie Roller entwarf er unter anderem für Max Reinhardt. Seine Bühnenräume wurden dafür bekannt, die Inszenierungen zu unterstützen, nicht zu kommentieren.44 Strnad erfand unter anderem die Ringbühne, ein revolutionäres Konzept, bei dem „sich eine ringförmige Bühne um die Zuschauer dreht; ähnlich

37 An der Fachhochschule Joanneum in Graz wird aktuell ein Master-Studium Ausstellungsdesign mit dem Teil-Schwerpunkt Mediatisierung von Objekten in Räumen (Szenografie) angeboten, vgl. Fachhochschule Joanneum: Ausstellungsdesign, Internet-Quelle. 38 Wolfgang Beck (2007f): Roller, Alfred. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 612-613, hier: S. 612. 39 Vgl. Lynne Heller: Geschichte [der mdw, Erg. B.B.], Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Internet-Quelle. 40 Vgl. Evanthia Greisenegger/Wolfgang Greisenegger/Oskar Pausch (1991): Alfred Roller und seine Zeit. Ausstellungskatalog, Wien, Köln, Weimar. Materialien aus dem Österreichischen Theatermuseum, Cortina 10, S. 5. 41 Vgl. Beck (2007f), S. 612. 42 Vgl. Greisenegger/Greisenegger/Pausch (1991), S. 517. 43 Vgl. aus der Biografie von Gustav Manker. In: Paulus Manker (2010): Spurensuche Vater: Bühnenbildner, Regisseur, Prinzipal: Gustav Manker, Wien, S. 42. 44 Vgl. Wolfgang Beck (2007j): Strnad, Oskar. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 709-710.

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wie Jahre später Walter Gropius’ Totaltheater45-Entwurf“, und für die Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik in Wien 1924 die Raumbühne, mit der er mit dem traditionellen Bühnen-„Bild“ brach.46 Ab 1935 unterrichtete auch Otto Niedermoser, der Unterricht fand in der Akademie (heute: Universität) für angewandte Kunst am Stubenring statt.47 1938 wurde das Max Reinhardt Seminar von den Nationalsozialisten verstaatlicht.48 1952 wurde an der mdw ein Sonderlehrgang Filmgestaltung eingeführt, der 1965 zur Abteilung Film und Fernsehen ausgebaut wurde. Eine Bühnenbildklasse wird am Max Reinhardt Seminar aktuell nicht angeboten. Seit 1936 gibt es an der Akademie der bildenden Künste Wien eine Meisterschule für szenische Kunst; Professuren hatten Emil Pirchan (1884–1957)49 und Caspar Neher (1897–1962)50 inne. Seit 1985 leitet Erich Wonder das Ordinariat für Szenographie.51 An der Hochschule (ab 1998: Universität) für angewandte Kunst in Wien kann seit 1970 Bühnen- und Filmgestaltung studiert werden:52 Leiter der Meisterklassen bzw. deren Professoren waren von 1970 bis 1973 Otto Niedermoser (1903–1976), anschließend Franz Szivatz bis 1978. Ihm folgten Erich Wonder

45 Deutsch-Schreiner (2009), S. 106-111 [Herv. i. Orig.]. 46 Deutsch-Schreiner (2009), S. 103 und S. 107. 47 Manker (2010), S. 32. 48 Vgl. Heller: Geschichte [der mdw], Internet-Quelle. 49 Sabine Steinhage (2007b): Pirchan, Emil. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 561. 50 Wolfgang Beck (2007c): Neher, Caspar. In: Manfred Brauneck/Wolfgang Beck (Hg.) (2007): Theaterlexikon 2. Schauspieler und Regisseure, Bühnenleiter, Dramaturgen und Bühnenbildner, 4. Auflage, Reinbek bei Hamburg, S. 518-519, hier: S. 519. 51 Vgl. Akademie der bildenden Künste Wien, Internet-Quelle und Beck (2007c), S. 519. Ob das Ordinariat für Szenographie an der Akademie der bildenden Künste bestehen bleiben soll, wird gegenwärtig in „Strukturdebatten [diskutiert]: Gehören die Bühnenbildner nicht eher an die ‚angewandte‘ […]?“: BP [AutorIn-Kürzel]: Porträt des Tages: Neue Chefin für ein schwer im Umbruch befindliches Institut [Interview mit Eva Blimlinger, der neuen Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien]. In: Die Presse, 22.04.2011, S. 30. 52 Ab 1909 leitete Alfred Roller (1864–1935) die Wiener Kunstgewerbeschule und „bildete eine Jugend heran, aus der viele Bühnenbildner der Gegenwart hervorgingen“: Bauer (1950), S. 66.

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(*1944) bis 1985 und Axel Manthey (*1945) bis 1997. Seither ist Bernhard Kleber (*1962) dort Professor für Bühnen- und Filmgestaltung.53 Seit 1973 wird an der Kunstuniversität Graz (damals: Hochschule für Musik und darstellende Kunst) die Studienrichtung angeboten. Die erste Professur für Bühnenbild hatte von 1973 bis 1995 Wolfram Skalicki (1925–2007) inne. Seit 1995 leitet Hans Schavernoch (*1945) das Studienfach Bühnengestaltung.54 1963 wurde an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Salzburg (ab 1998: Universität Mozarteum Salzburg) die Studienrichtung Bühnengestaltung eingerichtet. Erster Professor war Heinz Bruno Gallée (1920–1996), ihm folgte ab 1990 Herbert Kapplmüller (*1941). Seit 2010 leitet Henrik Ahr (*1968) das Diplomstudium Bühnengestaltung.55 Der Überblick zeigt, dass die akademische Ausbildung zur/zum BühnenbildnerIn in Deutschland seit mehr als sechzig Jahren, in Österreich seit rund fünfzig Jahren und in der Schweiz als Bachelor-Programm seit ca. fünf Jahren angeboten wird. Die Professuren für Bühnenbild/Bühnengestaltung sind in Österreich und der Schweiz bisher ausschließlich Männern vorbehalten. In Deutschland hat seit 1995 mit rosalie erstmals eine Professorin an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach den Lehrstuhl für Bühnen- und Kostümbild im Fachbereich Visuelle Kommunikation inne. Im Bereich eine der Jüngsten ist Kattrin Michel (*1967), die seit 2009 Professorin für Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für bildende Kunst in Dresden ist. Das Prinzip der Meister, der männlichen Hochschullehrer und Professoren, wirkte auch in diesem Studienfach ungebrochen bis in die 1990er Jahre bzw. bis in die Gegenwart und das hat(te) Auswirkungen auf die StudentInnen an den Kunsthochschulen und Universitäten, wie der folgende Abschnitt exemplarisch zur Situation in Österreich/Wien zeigt.

53 Vgl. Al Chihade (1999): Die Hochschule für angewandte Kunst in Wien und ihre Absolventen von 1970 bis 1995, Wien; Universität für angewandte Kunst Wien, Internet-Quelle. 54 Quelle: Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz (seit 1998/99 Universität für Musik und darstellende Kunst Graz) (1973/74ff.): Allgemeine Studienbestimmungen. Verzeichnis der Lehrveranstaltungen 1973/74ff., Graz. 55 Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Bühnen- und Kostümgestaltung, Film und Ausstellungsarchitektur: Chronik, Internet-Quelle.

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4.2 F RAUEN AN DEN K UNSTHOCHSCHULEN IN Ö STERREICH Ab den 1920er Jahren war für Frauen auch in Österreich ein künstlerisches Studium möglich; an der Akademie der bildenden Künste in Wien wurden im Wintersemester 1920/21 erstmals 14 Frauen aufgenommen (männliche Studierende zu diesem Zeitpunkt: 250).56 Zu den Frauenanteilen an der Akademie der bildenden Künste in Wien in den Jahren danach resümiert Almut Krapf: Die Zahl der Studentinnen stieg von 5% im Wintersemester 1920/1921 bis 1939/1940 auf ca. 25%. Nach dem Anschluß Österreichs an Nazi-Deutschland sank die Zahl der Studierenden. Der Anteil der Studentinnen stieg nach 1940 naturgemäß an, erreichte in den Kriegsjahren bis zu 70% und betrug 1945/1946 65%. Ab 1946/1947 sank die Zahl der Studentinnen wieder stark, sodaß 1952/1953 nur mehr 20% der Studierenden an der Akademie Frauen waren. 1963/1964 waren es allerdings schon wieder 41% (278).57

Die Anzahl der Kunststudentinnen in Österreich stieg nach dem Zweiten Weltkrieg weiter an, ihr Anteil an den Studierenden beträgt seit den 1970er Jahren zwischen 40 und 50 Prozent, seit 1995 mehr als 50 Prozent.58 Zur Motivation und Situation von Frauen, die künstlerische Studien ergreifen, liegt in Relation zu ihrer dortigen Mehrheit vergleichsweise wenig Literatur vor.59 Häufiger sind

56 Zum Beispiel an der Akademie der bildenden Künste, Wien: Akademie der bildenden Künste, Zeittafel Geschichte der Akademie der bildenden Künste, Internet-Quelle sowie Eva Egermann (o.J.): Kunst Studieren in Wien. Feministische Interventionen trotz struktureller Ausgrenzungsmechanismen, Wien; Almut Krapf: Zur Geschichte des Frauenstudiums an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Internet-Quelle. 57 Krapf, Zur Geschichte des Frauenstudiums an der Akademie der bildenden Künste in Wien, InternetQuelle. 58 BMWV (1999), S. 92. In Deutschland studieren seit 1990 mehr Frauen als Männer an den Kunstakademien. Vgl. Marianne Kriszio (2001): Frauen im Studium. In: Wiltrud Gieseke (Hg.): Handbuch zur Frauenbildung, Opladen & Farmington Hills, S. 293302, hier: S. 296. 59 In der Studie „Die Hälfte des Himmels“ wird vor allem die Situation kunstschaffender Frauen in Österreich analysiert, aber auch die Studienbedingungen werden thematisiert. Edith Almhofer/Gabriele Lang/Gabriele Schmid/Gabriela Tucek (2000): Die Hälfte des Himmels. Chancen und Bedürfnisse kunstschaffender Frauen in Österreich, Gumpoldskirchen. Eine polemische Betrachtung zum Thema bietet Wolfgang Ullrich (2004a): Geschlechtsumwandlung. Wird die Kunst weiblich? In: Wolfgang

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die Untersuchungen, die sich mit der Situation von Frauen befassen, die ein technisches Studium gewählt haben, in dem sie zahlenmäßig nach wie vor unterrepräsentiert sind.60 Wenige Publikationen widmen sich Frauen, die ein Studium an einer (Kunst-)Universität absolviert haben, in dem sie zwar als Studentinnen die Mehrheit waren, in der Berufsausübung trotzdem unterrepräsentiert sind.61 In ihrem 1997 erschienenen Beitrag „Frauen des Nichts – Frauen des Ganzen“ zeichnet Lisbeth N. Trallori am Beispiel einer Kunsthochschule in Österreich ein überwiegend düsteres Bild zur Situation der späten 1990er Jahre.62 Die Situation einer Gastprofessorin, die das bisherige Meisterklassensystem empfindlich stört, wird anhand von Interview-Auszügen mit der Gastprofessorin, AbsolventInnen, weiteren Interview-PartnerInnen, Lehrenden, dem Rektor und Studierenden beschrieben:63 Gastprofessorin: Ab letztem Jahr wurde die Stimmung wirklich schlecht, als ich die Aufnahmeprüfungen dergestalt organisierte, daß ich die StudentInnen daran beteiligt hatte. […] Nach diesem Schlagabtausch mit den Professoren war klar, daß die Aufnahmeprüfung eigentlich der Moment ist, der die Autorität der Professoren befestigt und sanktioniert, der die Unterwerfung der StudentInnen klarstellt, wo im Grunde genommen das, was da auf einen zukommt, schon eingeübt wird. Wenn ich das durcheinanderbringe, dann ist hier die Hölle los, das ist evident.64

Ullrich (2004b): Tiefer hängen. Über den Umgang mit der Kunst, 3. Auflage, Berlin, S. 152-172. 60 Einen Überblick dazu bieten: Bente Knoll/Brigitte Ratzer (2010): Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften, Wien. 61 Für die Architektur zum Beispiel: Tanja Kullack (Hg.) (2011): Architektur. Eine weibliche Profession, Berlin. 62 Trallori (1997), S. 331-364. Zur Situation von Frauen an Kunstakademien in Deutschland u.a.: Anne-Kathrin Herber (2009): Frauen an den deutschen Kunstakademien im 20. Jahrhundert. Ausbildungsmöglichkeiten für Künstlerinnen ab 1919 unter besonderer Berücksichtigung der süddeutschen Kunstakademien, Diss., Heidelberg; zur Situation in der Schweiz exemplarisch: Kathrin Borer/Brigitte Dätwyler/Silvia Henke/Susanne Niehaus (2009): Frauen und Männer auf der Kunstlaufbahn. Ein Forschungsbericht zur Situation von Abgängerinnen und Abgängern der Kunsthochschule Luzern 1990–2005, Luzern. 63 Gastprofessorin war damals Isabelle Graw. Rektor der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, deren Situation beschrieben wird, war von 1995 bis 1999 Rudolf Burger. 64 Trallori (1997), S. 331-364, hier: S. 351-352 [Herv. i. Orig.].

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Dieses Bild kann hinsichtlich der demokratischen Veränderungen, die der Einsatz und das Wirken der Gastprofessorin im Verbund mit Studierenden brachten, auch positiv gesehen werden. Es kam zur Gründung einer Freien Klasse an der Hochschule, die das bisherige Meisterklassenprinzip ablehnte. So berichten im Beitrag von Lisbeth N. Trallori AbsolventInnen, die sogenannte Connaisseuse [Kennerin, Anm. B. B.], ein „progressiver Lehrbeauftragter“, die Gastprofessorin und StudentInnen von den Entwicklungen hin zu mehr Geschlechter-Egalität, von der Reflexion der Rollen von Frauen und Männern in der Gesellschaft und in der Kunst und von gewonnener Stärke; beispielhaft dafür steht folgende Aussage: Studentin der Freien Klasse: Für mich war das eine Zeit der Heilung. Erst jetzt habe ich das Gefühl, daß ich wieder mündig und wieder ein ganzer Mensch bin.65

Die Gastprofessorin stellte abschließend fest, dass „ich Feminismus gut mache, das hat man sogar anerkannt“, doch neben dieser Förderung liefe alles wie immer, die Werte, die für gute Kunst gelten, blieben absolut männlich konnotiert:66 Weibliche Originalität kommt nicht in den Blick. […] Deswegen gibt es die große Notwendigkeit, eine Art Institut für „women studies“ in Kunstakademien zu integrieren. Oder noch weiter zu gehen und statt einer Kunstakademie zu sagen: Institut für „women studies“ […] [S]tatt hier an dem Abbau der Meisterklasse zu arbeiten, der dann im Endeffekt dazu führt, daß man postfordistisch agiert.67

Die weitere Geschichte der Freien Klasse Wien blieb Oral history, also Geschichte, die mündlich weitergegeben wird. Zurzeit ist wieder eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Freien Klasse Wien festzustellen.68 Mit der Umwandlung der österreichischen Kunsthochschulen in Universitäten im Jahr 1998 sowie mit dem Universitätsgesetz 2002 wurden die bisherigen Meisterklassen formal aufgelöst. Weitere Daten zu Studentinnen an Österreichs Kunstuniversitäten liegen in den Hochschul- bzw. Universitätsberichten (zuletzt 2008) vor. Die Anzahl der Studentinnen steigt nach wie vor, der weitere Verlauf ihrer Karrieren an den Kunstuniversitäten entspricht nach wie vor nicht den hohen Absolventinnenzahlen.69 65 Trallori (1997), S. 362 [Herv. i. Orig.]. 66 Trallori (1997), S. 363. 67 Trallori (1997), S. 363 [Herv. i. Orig.]. 68 Vgl. Universität für angewandte Kunst: PilotIn, Internet-Quelle. 69 Vgl. BMWF (2008b), S. 263-266.

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4.3 S TUDIERENDE

UND

ABSOLVENT I NNEN

Studierende und AbsolventInnen des Studienfachs Bühnenbild/Bühnengestaltung in Österreich und Deutschland Zur Situation und den Zahlen der Studierenden und AbsolventInnen des Studienfachs Bühnenbild/Bühnengestaltung an den Kunstuniversitäten gibt es bisher wenige (historische) Überblicke. Elisabeth Al Chihade befasste sich im Jahr 1999 in einer umfassenden Analyse70 mit den Absolventen der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Aus ihrer Publikation im Folgenden einige Zahlen: Al Chihade weist für die Studienjahre 1970/71 bis 1994/95 (25 Studienjahrgänge) gesamt 107 Absolventen der Studienrichtung Bühnen- und Filmgestaltung aus, das sind 6,2 Prozent der Gesamtzahl der AbsolventInnen der Hochschule in diesem Zeitraum. Davon waren 77 Frauen (72 Prozent) und 30 Männer (28 Prozent). Von den 77 Frauen hatten 31 Frauen Bühnenkostüm studiert. Dieses Studium wurde zwischen 1970 und 1983 angeboten, die Professur hatte die Kostümbildnerin Elli Rolf inne.71 Das bedeutet, dass 76 AbsolventInnen, davon 46 Frauen (61 Prozent) und 30 Männer (29 Prozent), im Zeitraum 1970/71–1995 das Studienfach Bühnen- und Filmgestaltung abgeschlossen haben, das sind deutlich mehr Frauen. Eine detaillierte Statistik zu den Studierenden- und AbsolventInnen-Zahlen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, liegt bei Al Chihade nicht vor. In dem Katalog „10 Jahre Bühnenbild und Kostüm“ der Hochschule Mozarteum Salzburg aus dem Jahr 1973 wird erwähnt, dass „[i]n diesen zehn Jahren über 80 Bühnen- und Kostümbildner ausgebildet [wurden]. 48 verließen mit dem Diplom das ‚Mozarteum‘.“72 Wie viele Frauen und Männer studierten, wird nicht genannt. In der Dokumentation „20 Jahre Bühnenbild an der Hochschule ‚Mozarteum‘ in Salzburg“ werden für die Jahre 1964/64 bis 1980/81 alle 122 AbsolventInnen

70 Al Chihade (1999). 71 Vgl. Al Chihade (1999), S. 25 (Statistik zum Absolventenstand), S. 135-145 (Auswertung von Fragebögen), Beilage „Besetzung der Meisterklassen“ sowie „Lehrkanzeln und Institute“. 72 Heinz Bruno Gallèe (1973a): 10 Jahre Bühnenbildklassen in Salzburg. In: Heinz B. Gallée (1973b): 10 Jahre Bühnenbild und Kostüm, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mozarteum, [Kat.] 4. – 20. Juni 1973, Schloß Arenberg, MaxReinhard-Forschungsstätte, Salzburg, o.S.

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namentlich genannt: 73 Frauen (60 Prozent) und 49 Männer (40 Prozent).73 Wie viele das Studium begonnen und nicht abgeschlossen haben, ist nicht vermerkt. Eine Recherche zu den Abschlüssen des Studiums „Bühnengestaltung“ zwischen 2000 und 2009 in Österreich zeigt folgendes Ergebnis:74 In diesen Studienjahren haben 172 AbsolventInnen das Diplom-Studium abgeschlossen, davon 127 Frauen (74 Prozent) und 45 Männer (26 Prozent). Zwei Frauen (0 Männer) haben ein Doktorat in dieser Studienfamilie abgeschlossen.75 Damit geht aus dieser Statistik hervor, dass bis zu drei Viertel Frauen in diesem Studienfach im genannten Zeitraum diplomierten. Eine Statistik für Deutschland liegt nicht vor, hier wurden daher Daten stichprobenartig abgefragt, von den Websites der • Universität der Künste (UdK) Berlin: 22 AbsolventInnen von 2005 bis 2009,

davon 18 Frauen, 4 Männer;76 • Hochschule für bildende Künste Hamburg: Angaben nur zu Studierenden – 23 Studierende, davon 18 Frauen, 5 Männer;77 • Staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart: Angaben nur zu Studierenden – 14 Studierende, davon 12 Frauen, 2 Männer.78 Der kurze Überblick zeigt zum einen, dass die Anzahl der Studierenden und AbsolventInnen, wie in künstlerischen Studien üblich, nicht sehr groß ist.79 Zum anderen studieren bzw. absolvieren gegenwärtig in Österreich und Deutschland bis zu 86 Prozent Frauen das Studium Bühnenbild bzw. -gestaltung.

73 Lisa Witasek (Red.) (1982): 20 Jahre Bühnenbild an der Hochschule „Mozarteum“ in Salzburg, Salzburg, S. 46-47. 74 BMWF / Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung / unidata – Datawarehouse Hochschulbereich: Statistisches Taschenbuch, Studienabschlüsse nach Studienart, Abfrageversion, Internet-Quelle. Die Abfrage war zum Zeitpunkt der Recherche für den Zeitraum 2000–2009 möglich. 75 An der Universität Salzburg. Vgl. BMWF, unidata, Statistisches Taschenbuch, Internet-Quelle. 76 Universität der Künste Berlin, Fakultät Darstellende Kunst: Bühnenbild, InternetQuelle. 77 Hochschule für bildende Künste Hamburg: Bühnenraum, Internet-Quelle. 78 Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Studiengang Bühnen-/ Kostümbild: Studenten, Internet-Quelle. 79 Für künstlerische Studien gelten Zugangsbeschränkungen: Das Bestehen einer Aufnahmeprüfung ist die Voraussetzung zur Zulassung.

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Aufgrund der in weiten Teilen fehlenden Zahlen zum Geschlechterverhältnis in diesem Studienfach seit der Installierung an der jeweiligen Akademie/Hochschule/Universität wurde eine quantitative Erhebung über Studierende und AbsolventInnen der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz/Kunstuniversität Graz (abgekürzt: KUG) seit der Gründung des Studienfachs im Jahr 1973 durchgeführt, um einen exemplarischen Überblick zu den Zahlen seit den 1970er Jahren zu erhalten. Im folgenden Abschnitt wird die Geschichte der Studienrichtung an der Kunstuniversität Graz dargestellt, anschließend werden die Methoden und Ergebnisse der Erhebung dokumentiert, ausgewertet und interpretiert.

4.4 D AS S TUDIUM B ÜHNENGESTALTUNG K UNSTUNIVERSITÄT G RAZ

AN DER

Geschichte des Institutes Bühnenbild an der Kunstuniversität in Graz Im folgenden Abschnitt wird die Entwicklung, Geschichte und das aktuelle künstlerische Profil der Studienrichtung an der Kunstuniversität Graz nachgezeichnet. Zusätzlich zu den genannten Quellen wurden vier leitfadengestützte ExpertInnen-Interviews durchgeführt: mit László Varvasovszky, ehemaliger Lektor 1973–1977 und 1988–1995 sowie Assistent der Studienrichtung 1978– 1988; mit dem aktuellen Leiter (seit 1995) Hans Schavernoch; mit Evelyn Deutsch-Schreiner, Leiterin des Institutes Schauspiel und Lehrende im Pflichtfach Theater- und Literaturgeschichte für Bühnenbild-Studierende; mit Sabina Pinsker, Assistentin seit 1994 und seit 2000 stellvertretende Leiterin sowie Lektorin der Studienrichtung (hier handelt es sich um ein schriftliches, per eMail übermitteltes Interview). Ab 1973 wurde an der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz die Studienrichtung Bühnenbild bzw. Bühnengestaltung (ab 1987) angeboten,80 die erste Professur übernahm Wolfram Skalicki.

80 Zitate aus den ExpertInnen-Interviews werden wie folgt zitiert: Interview mit László Varvasovszky vom 15.04.2010: Exp. Int. 1/LV; Interview mit Hans Schavernoch vom 23.04.2010: Exp. Int. 2/HS; Interview mit Evelyn Deutsch-Schreiner vom 20.05.2010: Exp. Int. 3/EDS; schriftliches Interview mit Sabina Pinsker vom 09.08.2010: Exp. Int. 4/SP. Die verwendeten Aussagen und Zitate wurden von den befragten ExpertInnen autorisiert.

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Der Initiator und erste Professor: Wolfram Skalicki Wolfram Skalicki (1925–2007)81 war der Initiator des für diese Hochschule neuen Studienfachs. Er hatte bei Emil Pirchan an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert. Nach zwei Jahren bei der Deutschen Wehrmacht geriet er kurz in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Anschließend studierte er in Wien Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft, das Studium schloss er mit der Promotion ab. Er arbeitete als Bühnenbildner zuerst in Österreich (Wien, Klagenfurt, Graz), dann international, vor allem für die Oper San Francisco.82 Seit 1963 war Skalicki an der damaligen Akademie für Musik und darstellende Kunst in Graz Lehrbeauftragter der Fachabteilung Darstellende Kunst (Opernseminar, Schauspiel und Regieseminar), an der er Bühnenbild und Bühnentechnik unterrichtete.83 Die Einführung des neuen Studienfachs Bühnenbild und -technik wurde unter anderem so begründet: Der gegenseitigen Erziehung und schöpferischen Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Bühnenbildner wird […] das größte Augenmerk zu schenken sein. In diesem Fall stellen die Studienrichtungen „Darstellende Kunst“ der Hochschule eine ideale Kombination dar und sollen die Möglichkeit geben, eine Generation von Bühnenkünstlern heranzubilden, denen das Handwerkliche selbstverständlich ist und formale Probleme zugleich der Lösung künstlerischer und gesellschaftlicher Aussagen dienen.84

Das erste Studienjahr (im Rahmen der Studienrichtung Darstellende Kunst als Teil der Abteilung VII) wurde als sogenannter Vorbereitungslehrgang (VB) geführt, ab 1975/76 wurde es als reguläres Studienfach Bühnenbild angeboten.85 81 Quelle: KUG-Archiv: Kopie von Zeitungsausschnitten: no (AutorIn-Kürzel, B.B.): Jetzt auch für Bühnenbildner. In: Südost-Tagespost, 19. März 1973; Christian Fleck: Fach „Bühnenbild“ wird Studium In: Neue Zeit, 19. Mai 1973. 82 Vgl. Peter Domes (2004): Prof. Dr. Wolfram Skalicki. Ein bedeutender Bühnenbildner. In: Da schau her 4, S. 17-19 und Arbeitskreis „Stadtmuseum“: Liezen im Zeitwandel, Folge 15, September 2004: Prof. Dr. Wolfram Skalicki, ein bedeutender Bühnenbildner. 83 Quelle: Akademie für darstellende Kunst in Graz (1963): Studienführer 1963/64, S. 46 sowie Helga Kaudel (2004): Dr. phil. Wolfram Skalicki, unveröff. Quelle, Archiv der Kunstuniversität Graz. 84 Quelle: KUG-Archiv: Kopie aus Rektoratsablage, Abteilungsakten, 07d-1970/71, o.S. 85 Quelle: Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz (1975): Allgemeine Studienbedingungen. Verzeichnis der Lehrveranstaltungen 1975/76, S. 38.

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Unter der Leitung von Skalicki, der die Fächer „Bühnenbild, praktische Entwurfsarbeit“ und „Geschichte des Bühnenbildes“ unterrichtete, waren verschiedene Lehrbeauftragte für weitere Fächer wie Dramaturgie, Theater- und Literaturgeschichte, Kostümkunde, Theater- und Vertragsrecht tätig. Eine davon war seine Ehefrau, die in Graz ausgebildete Architektin und spätere Kostümbildnerin Amrei Skalicki (1935–1998),86 die Grundlagen für technisches Zeichnen und Entwurfsausführung unterrichtete. Von 1973 bis 1995 war László Varvasovszky Lektor unter anderem für Heraldik, Schrift und Stilkunde, später auch für Filmund Fernsehtechnik sowie von 1977/78 bis 1988/89 Assistent der Studienrichtung.87 Er wirkte auch an der Weiterentwicklung der Studienpläne als Mittelbauvertreter im Zuge der verschiedenen Änderungen der Universitätsgesetzgebung mit.88 Für die Aufnahmeprüfung gab es ab 1973 ein Verfahren, das in den Studienplänen im Wesentlichen wie folgt beschrieben wurde: 1. Reifeprüfung (Aufnahmeprüfung): Durch diese soll die Begabung, Eignung und künstlerische Substanz des Bewerbers ermittelt werden. Je nach Ergebnis wird dem Kandidaten das Studium empfohlen oder seine Aufnahme abgelehnt. Die Anmeldung zur Prüfung erfolgt mittels eines Formulars, das auf Anforderung durch die Evidenzstelle der Hochschule zugesandt wird. Die Reifeprüfung besteht aus einer 6-stündigen (Vor- und Nachmittag) Klausurarbeit: a) freie perspektivische Darstellung eines Innenraums (Thema wird gestellt). b) Zeichnen und Malen nach der Natur (Kostüme).89

Mit der Aufnahme wurde die Immatrikulation bzw. Inskription für das vier Jahre dauernde Studium möglich, das erste Jahr galt als „Probejahr“.90 Im Jahr 1987 wurde die Studienrichtung in Bühnengestaltung umbenannt, diese Bezeichnung wird auch derzeit verwendet. Gründe für diese Umbenennung sind im Studienplan 1987/88 nicht verzeichnet.91 Die Reifeprüfung wurde in Aufnahmsprüfung umbenannt; zusätzlich zum oben beschriebenen Verfahren werden als Aufnahmevoraussetzungen gefordert: 86 Vgl. Domes (2004). 87 Aus Exp. Int. 1/LV, S. 1, Z. 12-20. Weitere AssistentInnen waren Peter Kabosch, Frieder Klein, Sabina Pinsker und Ursula Tomaschek. 88 Exp. Int. 1/LV, S. 8, Z. 25-29. 89 Quelle: Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz (1982): Allgemeine Studienbedingungen. Verzeichnis der Lehrveranstaltungen 1982/83, S. 120. 90 Exp. Int. 1/LV, S. 9, Z. 14-15. 91 Quelle: Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz (1987): Allgemeine Studienbedingungen. Verzeichnis der Lehrveranstaltungen 1987/88, S. 121.

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Begabung für das zentrale künstlerische Fach und Grundkenntnisse in künstlerischen Malund Zeichentechniken; Vorlage einer Mappe mit eigenständigen künstlerischen Arbeiten einschließlich von Bühnenbild- und Kostümentwürfen zu einem selbstgewählten Stück; schriftliche Ausarbeitung des dazugehörigen Inszenierungskonzepts; Abgabe bis spätestens eine Woche vor Termin der Klausurarbeit.92

Bis zum Studienjahr 1992/93 wurde die Zusammenarbeit von Studierenden der Fächer Bühnenbild/Bühnengestaltung und Regie durch hochschuleigene Produktionen gemäß dem Konzept aus den Jahren 1970/71 gefördert,93 mit dem Ziel, das Kennenlernen und gemeinsame künstlerische Arbeiten der Studierenden „in einem sehr frühen Stadium“94 zu ermöglichen. Jedoch wurden im Studienfach „Regie“ (seit 1970/71) pro Jahr durchschnittlich nur 2–3 Studierende zugelassen, denen zwischen 8 und maximal 18 Bühnenbild-Studierende gegenüberstanden. Die Studienrichtung Regie wurde ab 1993 nicht mehr angeboten.95 Das Wissen, als „alleinstehende/r Bühnenbildner oder Bühnenbildnerin überhaupt nichts machen [zu können]“, die Tatsache, dass RegisseurInnen für das Engagement von BühnenbildnerInnen zuständig sind, erfordere „gerade jetzt wieder das Teamstudium“.96 Die fehlende Möglichkeit der Zusammenarbeit von Bühnenbild- mit Regie-Studierenden an der Kunstuniversität Graz wird auch gegenwärtig als gravierender Mangel bezeichnet.97 Skalicki emeritierte im Jahr 1995, ihm folgte als Professor Hans Schavernoch. Der zweite Professor: Hans Schavernoch Hans Schavernoch (*1945) studierte 1963–1967 bei Otto Niedermoser an der damaligen Akademie für angewandte Kunst in Wien, das Studium beendete er 92 Quelle: Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz (1987), S. 121. 93 Die erfolgreichste Zusammenarbeit, auch für Jahre nach Abschluss ihrer Studien an der Kunsthochschule in Graz, verzeichneten die mittlerweile international bekannten Theatermacher Regisseur Martin Kušej und Bühnenbildner Martin Zehetgruber. Vgl. Wilhelm Triebold (1998): Theater soll wie ein Unfall sein. Die Bühnen- und Aktionsräume des Kopfarbeiters Martin Zehetgruber. In: Theater der Zeit 9/September/ Oktober, S. 25-27. 94 Exp. Int. 1/LV, S. 14, Z. 29-31. 95 Quelle: Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz (1992): Allgemeine Studienbedingungen. Verzeichnis der Lehrveranstaltungen 1992/93, S. 4. Grund: Emeritierung von Walter Czaschke, der bis dahin die Professur für Regie innehatte. 96 Exp. Int. 1/LV, S. 15, Z. 26 [Herv. i. Orig.]. 97 Vgl. Exp. Int. 3/EDS, S. 9, Z. 10.

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ohne Diplom. Er begann zunächst als Bühnenbildner in Bregenz, später in Deutschland und international zu arbeiten. Seit 1983 ist Schavernoch freischaffender Künstler und gestaltet Ausstattungen vor allem für Opern und auch Musicals.98 Vor allem seine Zusammenarbeiten mit dem Regisseur Harry Kupfer seit Mitte der 1980er Jahre erregten Aufsehen, unter anderem für den „Ring des Nibelungen“ (1988, Bayreuther Festspiele). Mit Kupfer und dem Intendanten der Berliner Staatsoper Daniel Barenboim realisierte Schavernoch zwischen 1992 und 2001 die zehn großen Opern von Richard Wagner in Berlin.99 2007 wurde Schavernoch für sein Bühnenbild zu „Das Gehege/Salome“ (2006, Bayrische Staatsoper, Regie: R. William Friedkin, Dirigent: Kent Nagano) mit dem Opus, dem Deutschen Bühnenpreis, ausgezeichnet. Zusätzlich erhielt er den französischen (2002) und spanischen (2003) Kritikerpreis. 1995 wurde er von Otto Kolleritsch, dem damaligen Rektor der KUG, für die Professur in Graz angefragt.100 Seit 1999/2000 ist das Studienfach durch ein eigenes Institut (Nr. 11) im Rahmen der KUG vertreten. Sabina Pinsker ist seit 1994 Assistentin und seit 2000 stellvertretende Leiterin des Institutes.101 Pinsker (*1966) studierte in Graz bei Wolfram Skalicki und ist zusätzlich zu ihrer Tätigkeit an der Kunstuniversität Graz als Bühnen- und Kostümbildnerin sowie als Szenenbildnerin und Art Director bei Filmproduktionen beschäftigt.102 Mit dem Wechsel der Professur wurden die Aufnahmeverfahren deutlich verändert. So wird im Vorfeld durch drei schriftlich zu beantwortende Fragen die Motivation zum Studium abgefragt, ein Lebenslauf und eine Mappe bisheriger Arbeiten verlangt: „Die Kandidaten der positiv ausgewerteten Mappen werden daraufhin zur Zulassungsprüfung eingeladen.“103 Die Anzahl der Aufgenommen wurde signifikant reduziert.104 Schavernoch meint dazu: „Das war wirklich eine Überzeugungsfrage. Uns allen ist klar, dass die Nachfrage sehr

98 Vgl. Schavernoch, Hans. In: Sucher (2010), S. 758. 99 Vgl. Schavernoch, Hans. In: Sucher (2010), S. 758. 100 Vgl. Exp. Int. 2/HS, S. 10, Z. 28-32. 101 Aus Exp. Int. 4/SP, S. 1, Z. 12-13. 102 Vgl. crew united: Sabina Pinsker, Internet-Quelle. 103 Kunstuniversität Graz/Institut Bühnengestaltung (o.J.): Bühnengestaltung Zulassungsprüfung, Graz. „Die Zulassungsprüfungskommission besteht aus vier Personen, wobei Professor Schavernoch den Vorsitz hat. Sämtliche Entscheidungen fallen einstimmig.“ Quelle: Exp. Int. 4/SP, S. 1, Z. 18-19. 104 Vgl. Pkt. 4.5.3 Auswertung und Ergebnisse der quantitativen Untersuchung, S. 190191.

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klein ist […].“105 Wichtig war und ist ihm, weniger Studierende aufzunehmen, um eine intensive Betreuung zu ermöglichen. Zusätzlich war ihm ein Anliegen, den Praxisanteil deutlich zu steigern.106 Künstlerisches Profil der Studienrichtung Ziel der Ausbildung ist es, die Studierenden mit den maßgeblichen Theorien und Zugangsweisen geschichtlicher und im Besonderen lebendiger Bühnengestaltung und praktischer Umsetzung vertraut zu machen. Der Vielfalt und dem stetigen Wandel jeglicher künstlerischer Arbeit am Theater, die auf dem Grundgedanken der Erneuerung beruht und nach Individualisierung sucht, wird höchste Bedeutung beigemessen.107

Als zusätzliche Schwerpunkte werden die Analyse und die eigenständige Interpretation von literarischen und musikalischen Theatervorlagen im Dialog mit dem Regisseur, die kreative Entwurfsarbeit an konkreten Projekten, die Vermittlung von fachlichen, sozialen und interkulturellen Kompetenzen sowie die Förderung internationaler Mobilität genannt.108 Damit soll den Studierenden ermöglicht werden, ihre im Studium erworbenen Kenntnisse im „berufsadäquaten Umfeld anzuwenden, als auch in anderen Berufsfeldern sich zurechtzufinden und zu etablieren“.109 Das Diplomstudium Bühnengestaltung umfasst regulär acht Semester, beginnt mit einer sogenannten Studieneingangsphase von zwei Semestern und schließt mit einer künstlerischen oder wissenschaftlichen Diplomarbeit sowie mit dem akademischen Grad „Magistra bzw. Magister der Künste“ (Mag. artium) ab. Im zentralen künstlerischen Fach Bühnengestaltung werden Bühnenund Kostümgestaltung unterrichtet, weitere Lehrveranstaltungen umfassen unter anderem die Fächer: Kunstgeschichte, Stilkunde, Theater- und Literaturgeschichte sowie Geschichte und Materialkunde des Kostüms, Maske, Entwick105 Exp. Int. 2/HS, S. 15, Z. 8-9. Seit 1995 bewarben sich mindestens 17 und maximal 33 Personen. Zu den Aufnahmeprüfungen wurden im genannten Zeitraum mindestens eine und höchstens 15 Personen eingeladen. Quelle: Exp. Int. 4/SP, S. 1, Z. 2331. 106 Vgl. Exp. Int. 2/HS, S. 7, Z. 20. 107 Kunstuniversität Graz/Institut Bühnengestaltung (2007): Studienplan für das Diplomstudium Bühnengestaltung (geänderte Fassung gültig ab 1. Oktober 2007), Graz, S. 1. 108 Vgl. Kunstuniversität Graz/Institut Bühnengestaltung (2007), S. 1. 109 Vgl. Kunstuniversität Graz/Institut Bühnengestaltung (2007), S. 1.

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lung der Bühnengestaltung, Produktionsdramaturgie, musikdramatische Analyse, Zusammenarbeit zwischen Regie und Bühnengestaltung, Dimension und Raum, Interdisziplinäre Ausdrucksformen, Modellbau, Bühnentechnisches Zeichnen, Werkstättenpraxis, Beleuchtungstechnik, Light Design, CAD/virtuelle Bühnengestaltung/computerunterstützte Entwurfsarbeit, Aktzeichnen, Film/Fernsehen/ Video und Exkursionen.110 Freie Wahlfächer können an anderen „in- und ausländischen postsekundären Bildungseinrichtungen“ absolviert werden.111 Die Ausbildung umfasst demnach eine profunde Ausbildung auf dem Gebiet der Bühnen- und Kostümgestaltung mit allen dazugehörenden künstlerischen und wissenschaftlichen Fächern. Die Forschung nach künstlerisch-innovativen Raumlösungen sowie deren Entwicklung und Umsetzung stehen im Zentrum der Ausbildung.112

Für den Leiter der Studienrichtung, Hans Schavernoch, ist eine wichtige Voraussetzung zum Ergreifen des Studiums, „es unbedingt zu wollen“, im Sinne von, „ich brenne dafür, das interessiert mich wahnsinnig, das erfüllt mich, macht mich glücklich, regt mich auf.“113 Er begründet das damit, dass dieses Metier viel von den Menschen verlange und es enorm wichtig sei, sich durch eigenständige Raumerfindungen so von anderen zu unterscheiden, dass potenzielle Auftraggeber auf eine oder einen aufmerksam werden.114 Die von meist einem Drittel der Studierenden „überdurchschnittliche“ Aufgewecktheit wird von Evelyn Deutsch-Schreiner hervorgehoben und als Bereicherung erlebt.115 Jedoch weist Deutsch-Schreiner auch darauf hin, dass die „alte Regisseur-Generation, die nicht im Team denkt“, bei den Studierenden Demut vermisst:116 „Sie [die Studierenden, B. B.] sind sehr selbstbewusst und sie wissen nicht, dass am Theater der Regisseur das Konzept bestimmt.“117 Bei jüngeren Regie-Kollegen erlebt sie mehr Teamgeist und das ermögliche, Inszenierungskonzepte, die von den Entwürfen der/des Bühnenbildnerin/-bildners ausgehen, zu entwickeln, wobei als wesentliche Voraussetzung genannt wird, dass „die

110 Vgl. Kunstuniversität Graz/Institut Bühnengestaltung (2007), S. 2-3. 111 Kunstuniversität Graz/Institut Bühnengestaltung (2007), S. 3. 112 Vgl. Kunstuniversität Graz/Institut 11 Bühnengestaltung, Internet-Quelle. 113 Exp. Int. 2/HS, S. 2, Z. 18-23. 114 Vgl. Exp. Int. 2/HS, S. 2, Z. 34 und S. 3, Z. 10-13. 115 Exp. Int. 3/EDS, S. 1, Z. 11 und 24. 116 Exp. Int. 3/EDS, S. 2, Z. 20 und 30. 117 Exp. Int. 3/EDS, S. 2, Z. 22-23.

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Chemie“ stimmen muss.118 Deutsch-Schreiner stellt als ein Ergebnis der Ausbildung zur/zum BühnengestalterIn fest, „dass sie modern erzogen werden. Für das moderne, partnerschaftliche Theater, und nicht für das Theater als patriarchalische Anstalt.“119 Zusätzlich werde die Bedeutung von Bühnen- und Kostümbild als gleichwertig und nichthierarchisch vermittelt, für Praxisprojekte werden Ausstattungen, die Bühnen- und Kostümgestaltung umfassen, vergeben.120 Schavernoch betont die Wichtigkeit von Individualisierung und gleichzeitig herausragenden Leistungen121 und die gelingenden Kontakte mit Regie-PartnerInnen,122 die für eine erfolgreiche Berufsausübung unerlässlich sind. Im Studium sind ihm die Praxisprojekte der Studierenden ein großes Anliegen,123 in denen es gelingt, an der KUG institutsübergreifend zusammenzuarbeiten, und die er auch als Highlights seiner Professur beschreibt.124 Geschlechterverhältnis in der Studienrichtung Zum Geschlechterverhältnis in der Studienrichtung und zur Tatsache, dass mehr Frauen als Männer Bühnengestaltung studieren, stellt Schavernoch fest, dass „[sich] deutlich mehr Frauen [bewerben], […] aber auch einige Männer“.125 Ihm ist nicht verständlich, warum „etwas eine Domäne von nur Frauen oder nur Männern sein soll“,126 er resümiert seine Erfahrungen so: „Frauen sind immer wieder viel zielstrebiger […]. Da ist mehr […] Hartnäckigkeit und Beständigkeit dabei.“127 Er stellt jedoch auch fest, dass der Beruf BühnenbildnerIn sich nicht gut mit Privatleben und Kindern vereinbaren lässt, dies zu Konflikten führt, dass „ein Mann sich leichter aus dem Staub machen [kann]“128 und für Frauen dazu größere Belastungen bestehen.129 Die stellvertretende Institutsleiterin Sabina 118 Exp. Int. 3/EDS, S. 3, Z. 15. Vgl. Pkt. 5.2.3, Abschnitt „Wir waren uns ganz sympathisch“: UnterstützerInnen, förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen, S. 239243. 119 Exp. Int. 3/EDS, S. 3, Z. 22-23. 120 Exp. Int. 3/EDS, S. 3, Z. 18-20. 121 Vgl. Exp. Int. 2/HS, S. 3, Z. 16. 122 Vgl. Exp. Int. 2/HS, S. 5, Z. 33-34 und S. 6, Z. 1-2. 123 Exp. Int. 2/HS, S. 7, Z. 20. 124 Exp. Int. 2/HS, S. 13, Z. 1-3. 125 Exp. Int. 2/HS, S. 16, Z. 29-30. 126 Exp. Int. 2/HS, S. 19, Z. 1-2. 127 Exp. Int. 2/HS, S. 19, Z. 30-32. 128 Exp. Int. 2/HS, S. 20, Z. 32-33. 129 Vgl. Kap. 5, vor allem Pkt. 5.2.4, Fazit zur qualitativen Untersuchung, S. 258.

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Pinsker merkte an, dass sich seit Mitte der 1990er Jahre auffallend mehr Frauen als Männer für das Studienfach bewerben, die Gründe dafür sind für sie nicht nachvollziehbar.130 Pinsker räumt ein, dass die für den Beruf erforderliche Mobilität, die unregelmäßigen Arbeitszeiten und die Tatsache, dass „Frauen nach wie vor Familienträgerinnen“ sind, eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonders für Absolventinnen kaum möglich macht.131 Dass hingegen Bühnengestaltungs-Absolventen zielgerichteter als Absolventinnen in den Beruf, in Assistenzen am Theater einsteigen, wird von Evelyn Deutsch-Schreiner als eine Beobachtung geschildert. Sie stellt auch die berechtigte Gegenfrage, warum das Studium für Männer nicht attraktiv sei.132 Während Deutsch-Schreiner an den Theatern eine Zunahme von Regisseurinnen, Intendantinnen, Dramaturginnen oder Theatermusikerinnen wahrnimmt, kann sie eine ähnliche Entwicklung bei Bühnenbildnerinnen noch nicht bestätigen. Weiterentwicklung der Studienrichtung Für die Weiterentwicklung der Studienrichtung wünscht sich Schavernoch, dass „die Studierenden mehr reisen könnten, mehr Städte sehen und sehen, was in den Städten und was am Theater passiert“.133 Pinsker hält zusätzlich die ständige Aktualisierung der Studienrichtung, internationale Studienaustauschprogramme und die Kooperationen mit Theatern und Ausbildungsstätten für erforderlich.134 Evelyn Deutsch-Schreiner bedauert den seit 1993 fehlenden Lehrstuhl für Regie. Es sei jedoch gelungen, ein Postgraduate-Studium für Musiktheaterregie neu zu installieren, doch werden voraussichtlich nicht mehr als zwei bis drei Personen pro Jahrgang studieren können.135 Mit der Emeritierung von Schavernoch, voraussichtlich 2013, sind weitere Veränderungen der Studienrichtung zu erwarten. Er selbst sagt dazu: „[…] [I]ch hoffe eigentlich, dass dann was ganz anderes hier passiert, was völlig Neues aus einer anderen Perspektive […].“136 Wie verlief die Beteiligung von Frauen und Männern in diesem Studienfach? Haben mehr Frauen als Männer das Studium absolviert? Der folgende Abschnitt zeigt die Fragestellungen, Ziele, Methoden und Ergebnisse der für diese Studie 130 Exp. Int. 4/SP, S. 1, Z. 12-13. 131 Exp. Int. 4/SP, S. 1, Z. 49-55. 132 Exp. Int. 1/EDS, S. 3, Z. 31-32. 133 Exp. Int. 2/HS, S. 14, Z. 61 und 68. 134 Vgl. Exp. Int. 4/SP, S. 1, Z. 12-13. 135 Exp. Int. 1/EDS, S. 22, Z. 23-30. 136 Exp. Int. 2/HS, S. 13, Z. 29-30.

4 D AS S TUDIUM B ÜHNENGESTALTUNG

| 171

durchgeführten Erhebung und Auswertung sowie die Entwicklung der Studienrichtung hinsichtlich der Zahlen und des Geschlechterverhältnisses von Studierenden und AbsolventInnen.

4.5 D IE

QUANTITATIVE

E RHEBUNG

4.5.1 Fragestellungen, Hypothesen und Zielsetzung Wie in der Einleitung sowie in Pkt. 4.2 dieser Arbeit festgestellt wurde, beträgt der Anteil von Frauen, die ein künstlerisches Studium ergreifen, seit den 1970er Jahren nahezu 50 Prozent. Seit 1995 schließen mehr Frauen als Männer ein Studium an einer Kunsthochschule ab. Analog zu dieser Entwicklung war eine Vorannahme zur vorliegenden Arbeit, dass seit den 1980er Jahren, also seit über 25 Jahren, mehr Frauen als Männer die Ausbildung zur Bühnenbildnerin abgeschlossen haben. Zu ihrer in Relation dazu nach wie vor überwiegend marginalisierten Wahrnehmung in der Literatur oder bei Professuren an den Kunsthochschulen geben die bisherigen Kapitel Auskunft (vgl. Pkt. 2.3 und 4.1). StudienanfängerInnen und AbsolventInnen im Fach Bühnenbild/ Bühnengestaltung an der KUG 1973–2007 Zur Überprüfung, ob auch im Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung der Anteil von Frauen – im Gegensatz zu den Jahren davor – seit den 1980er Jahren überwiegt, wurde eine exemplarische quantitative Erhebung an der Kunstuniversität in Graz durchgeführt. Eine Vorannahme dazu war, dass das Studium Bühnenbild an der Kunstuniversität Graz seit der Einführung der Studienrichtung im Jahr 1973 bis in die 1980er Jahre überwiegend von Männern und seither überwiegend von Frauen studiert und abgeschlossen wurde. Um diese Vorüberlegung zu bestätigen und zur Beantwortung weiterer Fragestellungen wurde eine quantitative Untersuchung konzipiert und durchgeführt. Um signifikante Aussagen zu erhalten, wurden dreißig Studienjahrgänge seit dem Wintersemester 1973/74, das Studienjahr, in dem das Fach erstmals angeboten wurde, untersucht. Die Abschlüsse der StudienanfängerInnen vom Studienjahr 2002/03 sollten dafür ebenfalls erfasst werden, daher erstreckt sich die Erhebung und Auswertung hinsichtlich dieser Frage bis zum Sommersemester 2007. Folgende Fragen sollten hinsichtlich der Beteiligung von Frauen und Männern am Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung in Graz beantwortet werden:

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• Wie viele Personen gesamt und wie viele Frauen und Männer haben im Zeit-

raum 1973 bis zum Studienjahr 2002/2003 das Studium begonnen? • Wie viele Personen gesamt und wie viele Frauen und Männer haben im Zeit-

• • • • •





• • •

raum vom Studienjahr 1976/77 – hier gab es die ersten AbsolventInnen – bis Sommersemester 2007 das Studium abgeschlossen? Haben seit Einführung des Studiums mehr Frauen als Männer oder umgekehrt das Studienfach begonnen bzw. abgeschlossen? Wie waren die Anteile von Frauen und Männern bei den StudienanfängerInnen in den einzelnen Studienjahrgängen? Wie waren die Anteile von Frauen und Männern bei den AbsolventInnen in den einzelnen Studienjahrgängen? Wie viele Frauen und Männer haben das Studium vor dem Diplom beendet? Wie verliefen die Studienkarrieren der StudienanfängerInnen von 1973/74 bis 2003/2007 in den einzelnen Jahrgängen? Das heißt, wie viele der StudienanfängerInnen schlossen ihr Studium ab bzw. beendeten das Studium vor dem Diplom? Wie hoch ist der Anteil der AbsolventInnen im Vergleich zu den StudienanfängerInnen in den einzelnen Jahrgängen und gesamt? Das heißt, wie hoch ist der prozentuelle Anteil der DiplomandInnen im Vergleich zu den StudienanfängerInnen? Kann die oben genannte Vorüberlegung hinsichtlich der Beteiligung von Frauen und Männern – die nach einer Trendwende im Geschlechterverhältnis ab den 1980er Jahren fragt – bestätigt werden? Seit wann (wenn es so wäre) studieren mehr Frauen als Männer dieses Studienfach? – Wann ließe sich eine Trendwende feststellen? Falls ja, welche Gründe können dafür festgestellt werden? Ist ein Vergleich mit den weiteren Studienorten in Österreich (Universität Mozarteum Salzburg, Akademie der bildenden Künste Wien sowie Universität für angewandte Kunst Wien) möglich? Falls ja, lassen sich ähnliche Trends feststellen?

4.5.2 Datenquellen und Untersuchungsmethoden An der Kunstuniversität Graz ist erst seit Einführung der elektronischen Datenverarbeitung im Jahr 1994 eine ausführliche Bilanzierung der Studierendenzahlen möglich. Für den Zeitraum 1973 bis 1993/94 lagen bis dato keine gesammelten Bilanzen der StudienanfängerInnen des Faches Bühnenbild, erhoben nach Studienrichtung und Geschlecht, vor. Die Daten mussten daher im Archiv der Kunstuniversität Graz aus zahlreichen Dokumenten recherchiert und erschlossen

4 D AS S TUDIUM B ÜHNENGESTALTUNG

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werden. Besonders die Recherche zur Frage „Wie viele Frauen und Männer haben das Studium Bühnenbild/Bühnengestaltung begonnen und wie viele davon haben diplomiert?“ erwies sich als aufwendig. Für die Akten- und Dokumenteneinsicht sowie die zu anonymisierende137 Datenanalyse und -auswertung war ein Antrag an die Direktion der Universitätsverwaltung zur Verkürzung der Sperrfrist (dreißig Jahre) zur Akteneinsicht im KUG-Archiv erforderlich. Für den Antrag zur Genehmigung der Akteneinsicht konnten die Zustimmungen der Betreuerin dieser Dissertation, Evelyn Deutsch-Schreiner, Leiterin des Institutes 9 (Schauspiel), und Hans Schavernoch, Leiter des Institutes 11 (Bühnengestaltung), eingeholt werden. Die Verkürzung der Sperrfrist zur Akteneinsicht wurde von Universitätsdirektorin Astrid Wedenig genehmigt.138 Quellen der Erhebung waren: (1) die internen Matrikelbücher, das sind handschriftliche Aufzeichnungen aller Studierenden, die an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst im Zeitraum 1973 bis 2003 das Studienfach inskribierten; (2) die externen Matrikelbücher, ebenfalls handschriftliche Aufzeichnungen aller Studierenden von 1986 bis 1992, die an einer anderen Universität inskribiert hatten und dann zur Hochschule für Musik und darstellende Kunst wechselten;139 (3) die sogenannten Lehrer- beziehungsweise Klassifikationslisten, die von 1973 bis 1995 zur Studienrichtung Bühnenbild handschriftlich geführt wurden und der Meldung von Studierenden sowie zur Verrechnung von Lehrveranstaltungen dienten;140 (4) zusätzlich wurden die Akten von einzelnen Studierenden, deren Daten aufgrund der bisherigen Quellen nicht vollständig vorlagen, anhand der Matrikelnummern nach für die Erhebung und Auswertung relevanten Informationen durchsucht. Die Überprüfung der Diplomabschlüsse war etwas einfacher: Dazu wird im Archiv der Kunstuniversität Graz eine Diplomliste (=Liste der AbsolventInnen) geführt, die zur Gegenkontrolle der bisher gesammelten Daten diente.141 Zum Zeitraum 1994/95 bis 2007 wurde außerdem eine Datenerfassung von der Studienabteilung142 und eine Zusammenstellung

137 Aufgrund der Datenschutzbestimmungen an der Kunstuniversität Graz war die Verwendung personenbezogener Daten von Studierenden nur anonymisiert möglich. 138 Quelle: KUG: Genehmigung der KUG, AV/HK/09.02.2009, Unterlagen B.B. 139 Quelle: KUG-Archiv: Interne und externe Matrikelbücher 1986–1992. 140 Quelle: KUG-Archiv: Lehrer- bzw. Klassifikationslisten 1973–1995. 141 Quelle: KUG-Archiv: Diplom(-prüfungs-)liste 1974/75–2003. Zusammenstellung: Helga Kaudel, 17.03.2009. 142 Quelle: KUG-Studienabteilung: Auswertung zu Studierenden und AbsolventInnen Bühnengestaltung 1994–2008 (Einführung der elektronischen Datenbilanzierung). Zusammenstellung: Michaela Reitter, 17.03.2009.

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über AbsolventInnen vom Institut Bühnengestaltung143 zur Verfügung gestellt. Damit wurden die recherchierten Daten verglichen und in einigen wenigen Fällen berichtigt. Jede Studienanfängerin/Absolventin und jeder Studienanfänger/Absolvent wurde in (Excel-)Tabellen eingetragen. Die in diesen Tabellen verzeichneten Informationen sind: (1) Name, Vorname; (2) 1. Studienjahr; (3) Quelle 1 (Matrikelbuch intern und extern); (4) Quelle 2 (zum Beispiel: Lehrerliste); (5) StudienIdentifikationsnummer; (6) VB (für Vorbereitungs-Lehrgang); (7) o.H. für ordentliche HörerIn und/oder a.o.H. für außerordentliche HörerIn; (8) MNr. für Matrikelnummer; (9) Diplomjahr oder Jahr des Studien-Ausstiegs; (10) ob eine Person das Studium im sogenannten Fächertausch144, als Austausch-StudentIn oder GasthörerIn belegte. Zusätzlich (11) wurden Namensänderungen, Herkunftsland, Stammuniversität (wenn nicht an KUG immatrikuliert), Auszeichnungen und Preise – soweit dazu Informationen vorlagen – angemerkt (diese Daten wurden ausschließlich hinsichtlich der Relevanz für die genannten Fragestellungen verwendet). Die gesammelten Daten wurden zusammengeführt, anonymisiert und quantitativ nach den formulierten Fragestellungen ausgewertet. Bei den in Pkt. 4.3.3 angeführten Auswertungen zu den AbsolventInnenzahlen ist Folgendes zu beachten: Üblicherweise werden AbsolventInnenzahlen nach den Jahren, in denen das Diplom abgeschlossen wurde, erfasst.145 Da hier aber auch Fragen nach den erfolgreichen oder erfolglosen Abschlüssen der Studienkarrieren von Interesse waren, wurde eine eigene Erhebungsmethode entwickelt, mit der die Ergebnisse der Studien nachgezeichnet werden konnten, um Fragen wie „Wie viele der StudienanfängerInnen haben ihr Studium abgeschlos143 Quelle: KUG-Institut 11 – Bühnengestaltung: AbsolventInnen der Bühnengestaltung 1996–2008. Zusammenstellung: Sabina Pinsker, 17.11.2008. 144 Fächertausch: Für Studierende der TU Graz, Architektur, gab es ab den späten 1980ern bis in die 1990er Jahre die Möglichkeit, Fächer der Studienrichtung Architektur mit Fächern der Studienrichtung Bühnenbild zu tauschen. 145 Vgl. zum Beispiel: BMWF, unidata, Statistisches Taschenbuch, Internet-Quelle. Auch Rosemarie Abdalla, die 1987 in ihrer Diplomarbeit die Abschlüsse von Studierenden der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz aus den Jahren 1963/64 bis 1985/86 nach Geschlecht auswertete, zog dabei ausschließlich die Anzahl der AbsolventInnen heran. Vgl. Rosemarie Abdalla (1987): Über die Rolle der Frau in der Musik mit besonderer Berücksichtigung der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz, Dipl.-Arb., Graz, S. 54-62. Abdalla resümierte für den von ihr untersuchten Zeitraum, dass der Frauenanteil in den Fächern Chorleitung, Regie, Gitarre, Schauspiel, Bühnenbild, Trompete, Klarinette, Orgel, Violoncello, Kontrabass und Fagott ziemlich niedrig sei. Vgl. Abdalla (1987), S. 62.

4 D AS S TUDIUM B ÜHNENGESTALTUNG

| 175

sen?“ oder „Haben Frauen öfter als Männer oder umgekehrt ihr begonnenes Studium auch abgeschlossen?“ beantworten zu können.146 Daher wurden die Zahlen der AbsolventInnen mit Bezug auf die Jahre, in denen sie das Studium aufgenommen hatten, erfasst und ausgewertet. Insgesamt wurden die Daten von 312 Studierenden erfasst, 311 Datensätze wurden in die erste Auswertung aufgenommen.147 Die Kriterien für die Aufnahme in die Auswertung waren: • das bestandene Aufnahmeverfahren für das Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung • die Immatrikulation an der KUG bzw. einer anderen Universität • die Inskription an der KUG, Hauptfach Bühnenbild/Bühnengestaltung In die Auswertung wurden somit aufgenommen: • ordentliche HörerInnen • außerordentliche HörerInnen, sofern sie in den Status „ordentliche HörerIn“

wechselten und ein Diplom ablegten Nicht in die Auswertung aufgenommen wurden: • GasthörerInnen • außerordentliche HörerInnen ohne bestandenes Aufnahmeverfahren oder Dip-

lom • Austausch-Studierende • sogenannte Fächertausch-Studierende

Demnach wurden 31 Datensätze nicht weiter berücksichtigt. Schlussendlich lagen 280 Datensätze, die die beschriebenen Kriterien erfüllten, für die Auswertung vor. Hinsichtlich der erhobenen Zahlen ist zu beachten, dass ausgehend von einer Grundgesamtheit von 280 Personen aus dreißig Studienjahrgängen exemplarisch maximal Trends abgelesen werden können. Eine für den deutschsprachigen Raum vollständige repräsentative Erhebung war nicht das Ziel der Untersuchung.

146 Vgl. zu grundlegenden Fragen einer gendersensiblen Statistik: Entwicklungspartnerschaft POP UP GeM (Hg.) (o.J.): Gendersensible Statistik. Fakten über Frauen und Männer ins Bild rücken – Veränderungen ins Rollen bringen. Ein Handbuch mit dem Schwerpunkt Beschäftigung. Autorin: Gerlinde Pölsler, Projektleiterin: Doris Kapeller, Graz. 147 Eine handschriftliche Eintragung konnte bei einer zweiten Überprüfung als Inskription für „Bühnentanz“ entziffert werden und wurde daher nicht weiter berücksichtigt.

176 | B ÜHNENBILDNERINNEN

4.5.3 Auswertung und Ergebnisse der quantitativen Untersuchung Zur Frage „Wie viele Personen gesamt und wie viele Frauen und Männer haben im Zeitraum 1973 bis zum Studienjahr 2002/2003 an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst bzw. Kunstuniversität Graz das Studium begonnen?“ zeigt die Tabelle 1 folgendes Ergebnis: Tabelle 1: StudienanfängerInnen Bühnenbild/Bühnengestaltung 1973/74– 2002/03 nach Geschlecht und Gesamt =HLWUDXP6WXGLHQMDKUH

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Quelle: Eigene Auswertung

Im Zeitraum Wintersemester 1973 bis Sommersemester 2003 haben 280 Frauen und Männer das Studium Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst bzw. Kunstuniversität Graz begonnen. Davon waren 58 Prozent weiblich (161) und 42 Prozent männlich (119). Tabelle 2 zeigt das Ergebnis zur Frage „Wie viele Personen gesamt und wie viele Frauen und Männer haben im Zeitraum vom Studienjahr 1976/77 – hier gab es die ersten AbsolventInnen – bis Sommersemester 2007 das Studium abgeschlossen?“ Die Abschlüsse der AnfängerInnen der Studienjahre 1973/74 bis 2002/03 wurden dafür erhoben. Tabelle 2: AbsolventInnen Bühnenbild/Bühnengestaltung 1976/77–2006/07 nach Geschlecht und Gesamt =HLWUDXP'LSORPMDKUH

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Quelle: Eigene Auswertung

Mit den Ergebnissen der Tabellen 1 und 2 kann auch die Frage „Haben seit Einführung des Studiums mehr Frauen als Männer das Studienfach begonnen bzw. abgeschlossen?“ beantwortet werden: Das Diplom wurde im Zeitraum 1976/77 bis Sommersemester 2007 von 188 Personen abgelegt, davon waren mit

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61 Prozent Frauen (114) deutlich in der Mehrheit. 39 Prozent Männer (74) schlossen das Studium ab. Um Trends hinsichtlich der Anzahl von Studentinnen und Studenten festzustellen, wurden die Daten der einzelnen Studienjahrgänge erfasst und ausgewertet. StudienanfängerInnen 1973/4–2003/04 Die folgende Tabelle 3 (dunkelgrau: Jahrgänge mit 51% bis 100% Anteil von Studienanfängerinnen; mittelgrau: Jahrgänge mit 50% Anteil von Studienanfängerinnen) zeigt die Anteile von Frauen und Männern bei den StudienanfängerInnen in den einzelnen Studienjahrgängen von 1973/74 bis 2002/03.148 Tabelle 3: StudienanfängerInnen nach Jahrgängen, Geschlecht und Gesamt -DKUJDQJ

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148 Der 1. Jahrgang 1973/74 wurde als Vorbereitungs-Jahrgang (kurz: VB) geführt. Die Studierenden wurden im darauffolgenden Jahrgang in den Lehrer- und Klassifikationslisten nicht einem 1., sondern dem 2. Jahrgang zugeordnet. Damit waren im zweiten bzw. dritten Jahrgang 1975/76 insgesamt 28 Studierende, die sich aus Aufgenommenen des Vorbereitungs-Lehrganges, des „2.“ Jahrganges 1974/75 sowie aus den Neu-Aufgenommenen 1975/76 zusammensetzten. Nachdem die Untersuchung Trends der 30 Jahrgänge abbilden soll, wurde diese Sonderregelung der ersten Jahrgänge nicht in allen Details dargestellt. In dieser Arbeit wird die Zählung der Jahrgänge mit dem Studienjahr 1973/74 begonnen.

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Quelle: Eigene Auswertung

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Aus Tabelle 3 geht hervor, dass im ersten Jahr 1973/74 (Vorbereitungslehrgang) des neu eingeführten Studienfachs 12 Personen (7 Frauen und 5 Männer) die Aufnahmeprüfung bestanden hatten. In diesem Vorbereitungs-Lehrgang149 haben damit (mit 58 Prozent) mehr Studentinnen als Studenten begonnen. Die folgenden acht Jahrgänge (2. Jahrgang: 1974/75 bis 9. Jahrgang: 1981/82) wurden mit Anteilen von 50 bis 89 Prozent entweder überwiegend (sechs Jahrgänge: 1974/75 bis 1976/77 sowie 1978/79 bis 1980/81) oder zweimal zu gleichen Teilen (1977/87 und 1981/82) von Männern begonnen (Anzahl: 5–13.) Ab dem 10. Jahrgang (1982/83) überwiegen bei den StudienanfängerInnen – bis auf zwei Ausnahmen – die Frauen (12. Jahrgang, 1984/85: 4 Frauen, 7 Männer und 13. Jahrgang, 1985/86: 4 Frauen, 10 Männer). Der 25. Jahrgang (1997/98) bilanziert hinsichtlich dieser Frage mit je 2 Frauen/Männern ausgeglichen. Ab dem 14. Jahrgang (1986/87) lag erstmals der Anteil von Studienanfängerinnen mit 12 : 3 deutlich über dem der Männer. Diese Trendwende bleibt bis zum 30. Jahrgang (2002/03) nahezu ungebrochen. So gab es mit dem 18. (1990/91), 23. (1995/96), 28. (2000/01) und 29. Jahrgang (2001/02) vier Jahrgänge mit ausschließlich Studienanfängerinnen (Anzahl: 4–8). Vom 14. bis zum 30. Jahrgang (1986/97 bis 2002/03), das sind siebzehn Jahrgänge, wurde mit Anteilen zwischen 67 und 100 Prozent das Studium deutlich überwiegend von Frauen begonnen (Anzahl: 2–12). Damit haben von den ersten neun Jahrgängen (1973/74 bis 1981/82) in acht Jahrgängen überwiegend Männer das Studium begonnen. Ab dem 10. Jahrgang (1982/83) zeichnet sich die Trendwende ab, die nächsten zwanzig Jahrgänge werden überwiegend von Frauen begonnen. Seit dem 14. Jahrgang (1986/87) bleibt dieser Trend nahezu ungebrochen. Insgesamt haben seit 1973/74 mehr Frauen (161) als Männer (119) das Studium begonnen, wobei der Frauen-Anteil seit dem 10. Jahrgang 1982/83 wahrnehmbar und ab dem 14. Jahrgang (1986/87) deutlich – bis auf eine Ausnahme (25. Jahrgang, je 50 Prozent; Anzahl: je 2) – ansteigt bzw. überwiegt. AbsolventInnen Welche Zahlen hinsichtlich der Studienabschlüsse konnten generiert werden? Die Tabelle 4 (dunkelgrau: Jahrgänge mit 51% bis 100% Anteil von Studienanfängern; mittelgrau: Jahrgänge mit 50% Anteil von Studienanfängern) zeigt die Anteile von Frauen und Männern und die Anzahl der AbsolventInnen der untersuchten dreißig Jahrgänge vom Wintersemester 1973/74 bis zum Studienjahr-

149 Vgl. Fn. 148, S. 177 (Vorbereitungs-Lehrgang).

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gang 2002/03 – deren AbsolventInnen 2007 diplomierten – sowie die prozentuelle Verteilung der AbsolventInnen in den einzelnen Jahrgängen. Tabelle 4: AbsolventInnen nach Jahrgängen, Geschlecht, Gesamt -DKU JDQJ

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Quelle: Eigene Auswertung

Aus dem ersten Jahrgang bzw. Vorbereitungslehrgang von 1973/74 diplomierten 5 der 7 Studentinnen und 2 der 5 Studienanfänger. Im 2. Jahrgang 1974/75 schlossen gleich viele Frauen wie Männer (je 2) das Studium ab, während vom 3. Jahrgang (1975/76) bis zum 8. Jahrgang (1980/81) mehrheitlich Männer mit Anteilen von 60 bis 100 Prozent (Anzahl: zwischen 4–9) das Diplom erreichten. Dies entspricht auch ihrem in diesem Zeitraum höheren Anteil an den StudienanfängerInnen. Den Jahrgang der StudienanfängerInnen von 1976/77 schloss keine der 5 Studentinnen ab, aus diesem Jahrgang diplomierten ausschließlich Männer (6). Doch die drei folgenden Jahrgänge (9.–11. Jahrgang: 1977/78, 1978/79, 1979/80) wurden mit Anteilen zwischen 57 bis 60 Prozent mehrheitlich von Frauen abgeschlossen (Anzahl: 4–8). Der 12. Jahrgang (1984/85) bilanzierte ausgeglichen mit je 4 Frauen und Männern. Im 13. Jahrgang (1985/86) überwogen noch einmal – analog zu den Studienanfängern – mit 71 Prozent die Absolventen (Anzahl: 5 Männer, 2 Frauen). Ab dem 14. Jahrgang zeigte sich auch hier die oben beschriebene Trendwende deutlich: Die siebzehn Jahrgänge von 1986/87 bis 2002/2003 wurden in fünfzehn Jahrgängen mehrheitlich von Frauen mit Diplom abgeschlossen, die Anteile betragen zwischen 67 bis 100 Prozent (Anzahl: 1–7). Hier sind es sechs Jahr-

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gänge (14., 18., 23. Jahrgang: 1986/87, 1990/91, 1995/96 und 27.–29. Jahrgang: 1999/00 bis 2001/02), in denen ausschließlich Frauen das Studium abschlossen (Anzahl: 2–7).150 Nur im 25. Jahrgang (1997/98) war der Anteil der 2 Absolventen mit 67 Prozent gegenüber einer Absolventin höher. Auch in diesem Zeitraum bilanzierte ein Jahrgang ausgeglichen: Je eine Studienanfängerin und ein Studienanfänger des 26. Jahrganges 1998/99 diplomierten erfolgreich. Aus Tabelle 4 ist erkennbar, dass das Ergebnis hinsichtlich der Anteile von Frauen und Männern, trotz der Entsprechungen zu den Zahlen der StudienanfängerInnen, noch deutlicher ausfällt: Demnach stellen ab 1981/82 Absolventinnen in achtzehn von zweiundzwanzig Jahrgängen die Mehrheit, in zwei Jahrgängen umfasst ihr Anteil die Hälfte und nur in zwei Jahrgängen lag ihr Anteil unter 50 Prozent. Vorzeitiges Studienende Im folgenden Abschnitt wird die Frage „Wie viele Frauen und Männer haben das Studium vor dem Diplom beendet?“ beantwortet. Die Tabelle 5 zeigt zuerst den Frauen-Anteil. Tabelle 5: Relation der Anzahl der Absolventinnen zur Anzahl der Studienanfängerinnen, Zeitraum: 1973–2007 6WXGLHQDQIlQJH ULQQHQ

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Quelle: Eigene Auswertung

Aus Tabelle 5 geht hervor, dass 71 Prozent (114) der Absolventinnen gegenüber der Anzahl der Studienanfängerinnen (161) ihr Diplom erreichten. 29 Prozent der Frauen (47) schlossen das Studium nicht ab. In der Tabelle 6 wird der Männer-Anteil ausgewiesen.

150 Davon wurden vier Jahrgänge (18. Jahrgang: 1990/91; 23. Jahrgang: 1995/96; 28. Jahrgang: 2000/02; 29. Jahrgang: 2001/02) auch ausschließlich von Frauen begonnen.

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Tabelle 6: Vergleich der Anzahl der Studienanfänger mit der Anzahl der Absolventen, Zeitraum: 1973–2007 6WXGLHQDQIlQJHU

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Quelle: Eigene Auswertung

Von den Studienanfängern (119) diplomierten 62 Prozent (74); 38 Prozent der Männer (45) schlossen demnach ihr Studium nicht ab. Die Tabellen 5 und 6 zeigen, dass im Vergleich zur Anzahl derjenigen, die das Studium begonnen hatten, rund ein Viertel mehr Männer (38 Prozent) als Frauen (29 Prozent) ihr Studium abgebrochen haben. Ergebnisse der Studienkarrieren und Studienabschlüsse Zu den Fragen „Wie verliefen die ‚Studienkarrieren‘ der StudienanfängerInnen von 1973/74 bis 2003/2007?“ und „Wie hoch ist der Anteil der DiplomandInnen im Vergleich zu den StudienanfängerInnen in den einzelnen Jahrgängen – und das Geschlechterverhältnis hinsichtlich dieser Frage?“ geben die nächsten Tabellen 7 und 8 Auskunft. In der Tabelle 7 (dunkelgrau: Jahrgänge, in denen alle Studienanfängerinnen (100%) diplomierten; mittelgrau: Jahrgänge, in denen zwischen 50% und 99% Studienanfängerinnen diplomierten) werden zuerst die Studienkarrieren der Frauen nachgezeichnet. Tabelle 7: Studienanfängerinnen und Absolventinnen nach Jahrgängen und in prozentuellen Anteilen -DKU JDQJ

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Quelle: Eigene Auswertung

Bemerkenswert an dieser Auswertung ist, dass (1) die Anzahl der Jahrgänge, in denen Frauen das begonnene Studium zu 50 bis 100 Prozent abgeschlossen haben, mit dreiundzwanzig von dreißig Jahrgängen hoch ist, und (2), dass diese Jahrgänge, besonders die neun Jahrgänge, die zu 100 Prozent abgeschlossen wurden, im untersuchten Zeitraum weitgehend gleichmäßig verteilt sind – trotz der geringeren Anteile von Studienanfängerinnen in den ersten Jahrgängen. In nur einem Jahrgang, dem 4. (1976/77), gab es, obwohl 5 Frauen das Studium begonnen hatten, keine Absolventin. In der Tabelle 8 (dunkelgrau: Jahrgänge, in denen alle Studienanfänger (100%) diplomierten; mittelgrau: Jahrgänge, in denen zwischen 50% und 99% Studienanfänger diplomierten) werden die Studienkarrieren der Männer dargestellt: Tabelle 8: Studienanfänger und Absolventen nach Jahrgängen und in prozentuellen Anteilen -DKU JDQJ

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Quelle: Eigene Auswertung

Aus Tabelle 8 geht hervor, dass von den Männern (1) die Anzahl der Jahrgänge, in denen Studienanfänger das Studium zu 50 bis 100 Prozent abgeschlossen haben, mit zweiundzwanzig nahezu gleich hoch ist wie bei den Frauen (dreiundzwanzig Jahrgänge). Diese Jahrgänge sind, wie bei den Kolleginnen, ebenfalls gleichmäßig verteilt. (2) Wie bei den Kolleginnen wurden neun Jahrgänge zu 100 Prozent von den Studienanfängern auch abgeschlossen. Jedoch gibt es seit dem 17. Jahrgang (1989/90) nahezu nur Jahrgänge, in denen von den Studienanfängern das Studium auch abgeschlossen wurde (mit einer Ausnahme, dem 22. Jahrgang). Daraus kann geschlossen werden, dass die weniger gewordenen, maximal 1–3 Studienanfänger, die sich ab Mitte der 1980er Jahre für das Studium Bühnenbild/Bühnengestaltung entschieden, in diesem Fach auch diplomierten, während bei den Studienanfängerinnen im selben Zeitraum das Ergebnis nicht so signifikant ausfällt. Anteil der AbsolventInnen in Relation zur Anzahl der StudienanfängerInnen Zur Frage „Wie hoch ist der Anteil der AbsolventInnen im Vergleich zu den StudienanfängerInnen?“151 zeigt die Tabelle 9 zuerst einen Gesamtüberblick.

151 Das Geschlechterverhältnis hinsichtlich dieser Frage zeigen bereits die Tabellen 4 und 5.

188 | B ÜHNENBILDNERINNEN

Tabelle 9: Anteil der Absolventinnen im Vergleich zu den StudienanfängerInnen Gesamt. Zeitraum: 1973–2007 6WXGLHQDQIlQ JHU,QQHQ *HVDPW

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Quelle: Eigene Auswertung

Von 280 StudienanfängerInnen in dreißig Studienjahrgängen haben demnach 33 Prozent (92 Personen) das Studium abgebrochen. 67 Prozent (188 Personen) haben ihr Studium mit Diplom abgeschlossen. Dieser Faktor wird als Erfolgsquote bezeichnet.152 Ein Vergleich zur Erfolgsquote mit den in Österreich möglichen Studienabschlüssen ist für den gleichen Zeitraum nach bisherigem Wissensstand kaum möglich. Es können jedoch aus dem Universitätsbericht 2008 in Hinsicht auf den Beobachtungszeitraum der Studienjahre 2000/01 bis 2006/07 die Erfolgsquoten aller in Österreich an Universitäten Studierenden zu einem Vergleich herangezogen werden: So wird für den genannten Zeitraum eine Erfolgsquote der in- und ausländischen Studierenden von 63,4 Prozent (Frauen: 63,9 Prozent; Männer: 62,6 Prozent) genannt. Dieser Faktor liegt damit etwas unter der Quote der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung für den Zeitraum 1976–2007. Doch gelten an den künstlerischen Universitäten Zulassungsbegrenzungen in Form von Aufnahmeverfahren, während andere Universitäten, deren Erfolgsquoten hier miterfasst sind, bisher frei zugänglich waren.153 Die Tabelle 10 (dunkelgrau: Jahrgänge, in denen der Anteil der DiplomandInnen 100% beträgt; mittelgrau: Jahrgänge, in denen der Anteil der DiplomandInnen zwischen 50% und 99% beträgt; kursiv: Jahrgänge Professur Skalicki

152 Vgl. BMWF (2008b), S. 159 und 213. Im Detail siehe auch: Österreichischer Wissenschaftsrat (2009): Empfehlung zur Entwicklung der Kunstuniversitäten in Österreich, Wien, S. 109, Tabelle 15: Erfolgsquote ordentlicher Studierender in Bachelorund Diplomstudien. 153 Im Dezember 2011 gab es bei folgenden Studien in Österreich Zugangsbeschränkungen: an den Kunstuniversitäten, an der Veterinärmedizinischen Universität sowie bei Humanmedizin, Zahnmedizin, Psychologie, Publizistik bzw. Kommunikationswissenschaften. Quelle: eMail der ÖH-Bundesvertretung vom 20.08.2011. Das sind bemerkenswerterweise ausschließlich Studienrichtungen, bei denen der Frauenanteil in den vergangenen Jahrzehnten deutlich überwiegt.

4 D AS S TUDIUM B ÜHNENGESTALTUNG

| 189

[1973–1995]) zeigt abschließend die prozentuellen Anteile der AbsolventInnen im Vergleich zu den StudienanfängerInnen der dreißig untersuchten Jahrgänge. Tabelle 10: StudienanfängerInnen und prozentuelle Anteile der AbsolventInnen nach Jahrgängen -J

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Quelle: Eigene Auswertung

Aus Tabelle 10 geht hervor, dass von einundzwanzig der dreißig Jahrgänge das Studium mit Anteilen zwischen 51 und 100 Prozent abgeschlossen wurde. In vier Jahrgängen (13. Jahrgang: 1985/86 und 26. bis 28. Jahrgang: 1998/99 bis 2000/01) schloss jeweils die Hälfte der Studierenden ihr Studium auch ab (Anzahl: 2–7). Nur in fünf von dreißig Jahrgängen (2., 4., 6., 14. und 29. Jahrgang) mit Anteilen zwischen 33 und 47 Prozent erhielten weniger als die Hälfte der StudienanfängerInnen ihr Diplom (Anzahl: 2–7). In vier Jahrgängen (17. Jahrgang: 1989/90, 20. Jahrgang: 1992/93, 23. Jahrgang: 1995/96 und 30. Jahrgang: 2002/03) beendeten 100 Prozent der StudienanfängerInnen ihr Studium (Anzahl: 2–10). Aus Tabelle 10 lässt sich außerdem ablesen, dass die Anzahl der Studienanfängerinnen und -absolventinnen im Verlauf der dreißig Jahrgänge im 14. Jahrgang 1986/87 mit 12 aufgenommenen Frauen den Höchstwert enthält. Maximal 13 Männer wurden im 3. Jahrgang (1975/76) aufgenommen. Außerdem sind die deutlich geringeren Aufnahmen in das Studium seit der Professur Schavernoch erkennbar: Ab dem Jahrgang 1995/96 (Beginn der Professur) wurde die Anzahl der Studierenden deutlich geringer. So wurden in den Jahren der Professur Skalicki (1973/74–1994/95), das sind zweiundzwan-

4 D AS S TUDIUM B ÜHNENGESTALTUNG

| 191

zig Jahrgänge, durchschnittlich 11,1 Personen aufgenommen (Gesamt: 245 Aufnahmen). Ab dem Jahrgang 1995/96 bis 2002/2003, das sind acht Jahrgänge, wurden durchschnittlich 4,4 Personen, also weniger als die Hälfte der Jahre zuvor, in das Studium aufgenommen (Gesamt in diesem Zeitraum: 35 Aufnahmen). Trotz der Unterschiede der zwei Professuren Skalicki bzw. Schavernoch gibt es keinen Jahrgang, in dem nicht zumindest eine Frau in das Studium aufgenommen wurde, während in vier Jahrgängen (1990/91, 1995/96, 2000/01, 2001/02) kein Mann das Studium begann. Zwischenergebnis der quantitativen Untersuchung Ziel der quantitativen Erhebung und Auswertung war, exemplarisch Daten zu den Fragen „Studieren und absolvieren seit den 1980er Jahren mehr Frauen als Männer das Fach ‚Bühnengestaltung‘ in Graz?“ und „Bedeutet das für ein Fach, das nach dem bisherigen Informationsstand als ‚Männerstudium‘154 galt, eine Trendwende?“ Nach Auswertung der erhobenen Daten kann festgestellt werden, dass bei dem Beispiel der Studierenden und AbsolventInnen der Kunstuniversität Graz im Fach Bühnenbild/Bühnengestaltung (1) mehr Frauen als Männer das Studium im untersuchten Zeitraum 1973–2007 begonnen und absolviert haben. (2) Eine Trendwende vom Männer- hin zum Frauenstudium ist seit Beginn der 1980er Jahre merkbar, deutlich feststellbar seit 1986/87. Zusätzlich wurde anhand der erhobenen Daten festgestellt, dass im Vergleich zur Anzahl der StudienanfängerInnen mehr Frauen (71 Prozent) als Männer (62 Prozent) ihr Studium abgeschlossen haben. Anders formuliert: Weniger Frauen (29 Prozent) als Männer (38 Prozent) haben ihr Studium abgebrochen. Die Anzahl der Jahrgänge, in denen Frauen und Männer ihr begonnenes Studium auch abgeschlossen haben, ist mit dreiundzwanzig bzw. zweiundzwanzig von dreißig Jahrgängen nahezu gleich hoch. Hier ist anzumerken, dass die jeweils neun Jahrgänge, die zu 100 Prozent von den StudienanfängerInnen abgeschlossen wurden, bei den Frauen über die dreißig untersuchten Jahrgänge weitgehend gleichmäßig verteilt sind, während bei den Männern ab dem 17. Jahrgang (1989/90) nahezu alle Jahrgänge von den Studienanfängern auch zu 100 Prozent abgeschlossen wurden. Das bedeutet: Die wenigen Männer, die sich ab den 1990er Jahren für dieses Studium entschieden, haben es überwiegend

154 Analog zur Definition eines Männer- bzw. Frauenberufs (vgl. Fn. 27, S. 19) wird hier der Begriff Männer- bzw. Frauenstudium verwendet, wenn über 80 Prozent der Studierenden aus der jeweiligen Geschlechtsgruppe stammen.

192 | B ÜHNENBILDNERINNEN

auch abgeschlossen. Bei den Frauen, die ab 1990 das Studium aufgenommen haben, fällt das Ergebnis in diesem Zeitraum nicht so signifikant aus. Außerdem brachte der Wechsel der Professuren eine deutliche Reduktion der Anzahl derer, die in das Studium aufgenommen wurden (von durchschnittlich 11,1 auf 4,4 Personen pro Studienjahr, also auf weniger als die Hälfte der Jahre zuvor). Die bereits in der Professur Skalicki in den 1980er Jahren festgestellte Trendwende vom Männer- zum Frauenstudium setzte sich in der Professur Schavernoch deutlich fort. 4.5.4 Die Trendwende und mögliche Gründe Aus den bisherigen quantitativen Daten konnte eine Trendwende vom Männerhin zum Frauenstudium im Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität Graz ab Mitte der 1980er Jahre festgestellt werden. Hier sind noch qualitative Fragen offen: (1) „Falls eine Trendwende feststellbar ist, welche Gründe können dafür gefunden werden?“ (2) „Ist ein Vergleich mit den weiteren Studienorten in Österreich (Universität Mozarteum Salzburg, Akademie der bildenden Künste Wien und Universität für angewandte Kunst Wien) möglich?“ sowie „Falls ja, lassen sich ähnliche Trends feststellen?“ Ad (1) Gründe für die Trendwende Aus den vorliegenden Daten konnte zunächst ein formaler Grund für die deutliche Trendwende ab 1986/87 festgestellt werden: Studierende, die nach den bisher geltenden Regeln studiert hatten, mussten ab dem Wintersemester 1986/87 eine Erklärung abgeben,155 nach der sie sich dem geänderten Studienplan (vgl. Pkt. 4.3) unterwarfen, um ihr Studium fortsetzen zu können. So haben im Studienjahr 1985/86 10 Männer und 4 Frauen das Studium begonnen und zu jeweils 50 Prozent auch abgeschlossen. Ein Jahr später, 1986/87, erreichte mit 12 Studienanfängerinnen diese Zahl ihren Höchstwert, 3 Männer nahmen das Studium

155 Quelle: KUG-Archiv: Formular zur Erklärung gem. § 56 Abs. 1 KHStG (Wortlaut): „Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz Erklärung gem. § 56 Abs. 1 KHStG Mit Beginn des Wintersemesters 1986/87 ist nach den Bestimmungen des Kunsthochschulstudiengesetzes 1983 (BGBl. 187/1983) der Studienplan für die Studienrichtung Bühnenbild in Kraft getreten. Als ordentlicher Hörer, der ich mein Studium in dieser Studienrichtung vor dem Inkrafttreten dieses Studienplans begonnen habe, gebe ich hiermit die schriftliche Erklärung ab, mich den neuen Studienvorschriften zu unterwerfen.“ [Unterstreichung i. Orig.].

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auf. Während von den 12 Studienanfängerinnen 7 diplomierten, schloss keiner der 3 Studienanfänger das Studium ab. Die Umbenennung des Studienfachs von Bühnenbild zu Bühnengestaltung sowie die erweiterten Bedingungen der Zulassungsprüfung156 wurden erstmals mit Beginn des Wintersemesters 1986/87 veröffentlicht.157 Im Studienjahr 1987/88 wurden 8 Frauen und wiederum 3 Männer aufgenommen (Diplomabschlüsse: 6 Frauen, 2 Männer). Danach betrug die Zahl der aufgenommenen Frauen zwischen 2 und maximal 8, während es ab 1990/91 nicht mehr als null bis 2 Männer pro Jahrgang schafften, ins Studium aufgenommen zu werden. Zum Vergleich, ob eine ähnliche Trendwende bei Studierenden und AbsolventInnen ab den 19070er Jahren in der österreichischen Gesamtsituation feststellbar ist, wurde die zahlenmäßige Entwicklung der zu einem Studium erstzugelassenen Personen, der Studierenden und der AbsolventInnen herangezogen. Die Frauenanteile von Erstzugelassenen an Universitäten im Zeitraum 1970 bis 1999 erreichten tatsächlich erstmals im Jahr 1985 über 50 Prozent, im Jahr 1999 war dieser Anteil bereits auf 58,3 Prozent gestiegen.158 Im Wintersemester 2000/01 betrug der Anteil von Frauen an den ordentlichen Erstzugelassenen 51,2 Prozent und stieg bis zum Wintersemester 2007/08 auf 58,3 Prozent.159 Die Zahl der studierenden Frauen und Männer in Österreich stieg seit Beginn der 1960er und verstärkt in den 1970er Jahren kontinuierlich in ähnlicher Form an.160 Im Frauenbericht 2010 wird zusätzlich angemerkt, dass vor allem jüngere Frauen vom damals politisch geförderten Zugang zu mittlerer und höherer Bildung, der sogenannten Bildungsexpansion, profitierten: „In der Altersgruppe von 25 bis 34 Jahre erfolgte die Umkehrung der Geschlechterverhältnisse Mitte der 1980er Jahre.“161 Studentinnen haben zahlenmäßig die Studenten jedoch erst im Studienjahr 1999/2000 ein- und seither überholt, „[i]m Wintersemester 2007/2008 studierten in Österreich 117.019 Frauen, aber nur 100.568 Männer an

156 Vgl. Pkt. 4.3. 157 Quelle: Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz (1986): Allgemeine Studienbedingungen. Verzeichnis der Lehrveranstaltungen 1986/87, S. 121. 158 BMWV (1999), S. 92. 159 BMWF (2008), S. 264. 160 Bundesministerin für Frauen (2010), S. 104-105, im Besonderen Abb. 2.20. 161 Bundesministerin für Frauen (2010), S. 81 und S. 103. Hier wird die Umkehrung der Geschlechterverhältnisse in der Altersgruppe von 25 bis 34 Jahren in der Mitte der 1980er Jahre für die Gesamtzahl der Abschlüsse an Hochschulen sowie Akademien und Kollegs angegeben [Erg. und Herv. B.B.].

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einer öffentlichen Universität.“162 Bei den AbsolventInnen (Erstabschlüsse) betrug der Frauenanteil im Jahr 1985 erst knapp 40 Prozent und erreichte 47,5 Prozent im Jahr 1999.163 Ab 2000 bis 2008 schlossen dann mehr Frauen als Männer in Österreich ein Studium ab, ihre Anteile umfassten zwischen 52,2 bis 57,7 Prozent.164 Das bedeutet, dass sich zwar hinsichtlich der Anzahl der an einer Universität erstzugelassenen Frauen und Männer ein ähnlicher Trend ab Mitte der 1980er Jahre feststellen lässt, hinsichtlich der Anzahl der Studierenden und (Erst-)Abschlüsse von Frauen und Männern ist keine so deutliche Trendwende ab Mitte der 1980er Jahre in der gesamtösterreichischen Situation feststellbar. Ähnliches konnte für die Universitäten der Künste festgestellt werden: Hier erreichten Frauen erst im Jahr 1995 über 50 Prozent: sowohl bei den Erstzugelassenen (53 Prozent) als auch bei den Studierenden (50,4 Prozent) und Absolventinnen (54,1 Prozent).165 Als weiterer Grund für die Trendwende im Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität in Graz wurde beschrieben, dass sich – jedenfalls seit 1995166 – deutlich mehr Frauen als Männer für die Aufnahmeprüfung bewerben und dabei oftmals bessere Bewerbungen abgeben.167 Zusätzlich wird ihnen bescheinigt, zielstrebiger zu sein und mehr Hartnäckigkeit und Beständigkeit zu zeigen.168 Als eine Begründung für den hohen Frauenanteil im Studium wurde in einem der ExpertInnen-Interviews eine Äußerung des Bühnenbildners Herbert Kapplmüller zitiert: „Der Bühnenbildner ist die Ehefrau in der Beziehung Regisseur – Bühnenbild“, das Bühnenbild sei „eher der weibliche Part“169 einer Inszenierung. Frauen seien demnach qua Sozialisation/Geschlecht für die Ausbildung und den Beruf besser geeignet. Auch die berechtigte Gegenfrage wurde gestellt, warum das Studium für Männer nicht (mehr) attraktiv sei.170 Aus der wissenschaftlichen Literatur liegen zu dieser Frage kaum Befunde vor. Wie eingangs beschrieben, gibt es zwar zahlreiche Untersuchungen, warum Frauen trotz aller vermutlich gut gemeinten För162 Bundesministerin für Frauen (2010), S. 104. 163 BMWV (1999), S. 92. 164 BMWF (2008), S. 265. 165 BMWV (1999), S. 92. 166 Exp. Int. 4/SP, S. 1, Z. 46-47. 167 Vgl. Exp. Int. 2/HS, S. 16, Z. 30-31. Zur Anzahl der Personen, die sich für das Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung von 1973 bis 1995 an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst/KUG beworben haben, liegt bisher keine Statistik vor. 168 Vgl. Exp. Int. 2/HS, S. 19, Z. 30-32. 169 Exp. Int. 3/LV, S. 21, Z. 9-30. 170 Exp. Int. 1/EDS, S. 3, Z. 31-32.

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derungen nach wie vor nur in geringer Anzahl technische Studien ergreifen wollen. Doch weder die Frage, warum zunehmend Frauen künstlerische Studien aufnehmen, noch jene, worauf die „zunehmende Absenz der Jungen vom Fach Kunst“171 basiert, sind bisher kaum untersucht worden. Dorle Klika und Thomas Kleynen stellten dazu fest, dass zehnjährige Mädchen und Jungen den Kunstunterricht noch zu gleichen Teilen zu ihren Lieblingsfächern zählen, während die Leistungskurse für Kunst in den gymnasialen Oberstufen kaum und/oder künstlerische Universitäten immer weniger von männlichen Jugendlichen besucht werden. Die Forscherin und der Forscher gehen davon aus, dass die Konnotation des Faches Kunst als weiblich auf biografische Lernprozesse inner- und außerhalb von Familie und Schule zurückzuführen sei, sodass „auch der überwiegende Teil der nächsten Schülergeneration in Physik von Lehrern, in Kunst von Lehrerinnen unterrichtet wird“172 Dass bei der Motivation der Studienwahl das Geschlecht eine Rolle spielt, wird als Ergebnis von Studien so beschrieben, dass für Männer die extrinsischen [d.s. von außen bestimmte, Anm. B. B.] Motive wichtiger sind als für Frauen. Berufs- und Verdienstmöglichkeiten, eine gesicherte Berufsposition und die Arbeitsmarktlage sind vor allem für Männer entscheidend.173

Dem Befund von Ulrike Haß folgend, dass „Frauen besser geeignet sind, mit den Schwierigkeiten zerfallender Institutionen zurechtzukommen“174 – und dazu zählen nach Ulrike Haß die Universitäten, die Politik und das Theater –, werden meiner Ansicht nach, wenn nicht weitreichende Struktur- und Werte-Veränderungen gelingen, weiterhin mehr Frauen – trotz der geringeren Macht, die ihnen zur Verfügung steht – als Männer versuchen, gestaltend tätig zu werden.175 Män171 Dorle Klika/Thomas Kleynen (2007): Adoleszente Selbstinszenierung in Text und Bild. In: Barbara Friebertshäuser (Hg.): Bild und Text. Methoden und Methodologien visueller Sozialforschung in der Erziehungswissenschaft, Opladen & Farmington Hills, S. 121-140, hier: S. 122. 172 Klika/Kleynen (2007), S. 122. 173 Vgl. AMS/BMWF – Arbeitsmarktservice Österreich/Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.) (2009): Jobchancen Studium Kunst. Bildende und angewandte Kunst, Musik und darstellende Kunst, Ausgabe 2010/2011, 7. Auflage, Wien, S. 80. 174 Ulrike Haß im Gespräch mit Waltraud Murauer. In: Frauenkulturbüro NRW e.V. (2006), S. 30. 175 Zu ähnlichen Befunden kommen Studien, die sich mit der geringen Anzahl von Frauen in Männerberufen befassen und deutlich machen, dass die beruflichen Bedingun-

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ner hingegen genießen qua Sozialisation/Geschlecht das Vertrauen, in der Bildung, der Kunst und in der Politik gestalten zu können. Wieso sie zunehmend Ausbildungen dazu meiden, ist eine Frage, die hier zwar nicht beantwortet werden kann, aber zukünftig verstärkt zu erforschen ist. Zusätzlich sind die Motive und Erfahrungen von Männern, die trotz der extrinsischen Zwänge in schlechter bezahlten und unsichereren Berufen wie zum Beispiel in der Kunst oder in Sozial- und Gesundheitsberufen arbeiten, verstärkt zu untersuchen.176 Ad (2) Vergleich mit den weiteren Studienorten in Österreich Das Fach Bühnenbild/Bühnengestaltung kann in Österreich außer an der Kunstuniversität in Graz, wie in Pkt. 4.1 beschrieben, noch an der Universität Mozarteum Salzburg, an der Akademie der bildenden Künste Wien und an der Universität für angewandte Kunst Wien studiert werden. Aufgrund der für diese Arbeit entwickelten Methode, die Studienkarrieren der StudentInnen ausgehend von deren erstem Studienjahr seit Gründung der Studienrichtung an der Universität nach zu verfolgen, und wegen des hohen Aufwandes, den diese Recherche mit sich brachte, waren weitere Erhebungen in der gleichen Form an den drei genannten Universitäten aus Ressourcengründen nicht möglich. Ein Vergleich der AbsolventInnen-Zahlen der Studienrichtung ist dennoch für die Jahre 2000–2010 möglich, wie die folgende Tabelle 11 zeigt:

gen geändert werden müssten, um Frauen dauerhaft für diesen Sektor zu gewinnen. Vgl. u.a. Franziska Schreyer (2008): Akademikerinnen im technischen Feld. Der Arbeitsmarkt von Frauen aus Männerfächern, Frankfurt, New York. Zugl. Diss. (2006), Darmstadt. 176 Vgl. zum Thema Geschlecht und Studienwahl an Beispielen von JournalistInnen und MathematikerInnen: Kristin Gisbert (2001): Geschlecht und Studienwahl. Biographische Analysen geschlechtstypischer und -untypischer Bildungswege, Münster, New York, München, Berlin.

4 D AS S TUDIUM B ÜHNENGESTALTUNG

| 197

Tabelle 11: AbsolventInnen der Studienfamilie Bühnengestaltung 2000–2010 (Erst- und Zweitabschlüsse) in Österreich nach Geschlecht und Gesamt 8QLYHUVLWlW

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Quelle: Eigene Zusammenstellung auf Basis von Daten des BMWF; BMWF/Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung / unidata – Datawarehouse Hochschulbereich: Absolvent/inn/en. Datenmeldungen der Universitäten auf Basis UniStEV; Datenprüfung und -aufbereitung: bm.wf, Abt. I/9, Internet-Quelle

In der Tabelle 11 werden die Zahlen der AbsolventInnen der Studienfamilie Bühnengestaltung im Zeitraum 2000/01 bis 2009/10, das sind zehn Studienjahrgänge, dargestellt. Die Anteile der Absolventinnen an den vier Kunstuniversitäten betragen zwischen 71,9 Prozent (Universität für angewandte Kunst Wien: 41 Frauen, 16 Männer) und 78,8 Prozent (Kunstuniversität Graz: 26 Frauen und 7 Männer), die Anteile der Absolventen zwischen 28,1 und 21,2 Prozent. Demnach ist der Frauenanteil an der Kunstuniversität Graz in diesem Studienfach im genannten Zeitraum am höchsten und der Männeranteil mit 21,2 Prozent am niedrigsten. Wie in der Einleitung177 beschrieben, hat die Kunstuniversität Graz im Vergleich zu den anderen österreichischen Kunstuniversitäten mit 24 Prozent den niedrigsten Anteil an Professorinnen. Auch im Vergleich der AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnengestaltung ist an der Kunstuniversität Graz die deutlichste Ausprägung der jeweiligen Geschlechteranteile festzustellen.

177 Vgl. Einleitung, S. 15.

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4.5.5 Fazit zur quantitativen Untersuchung In der exemplarischen quantitativen Erhebung und Auswertung zu den Zahlen und Anteilen von Frauen und Männern, die an der Kunstuniversität Graz das Studienfach Bühnenbild/Bühnengestaltung seit der Einführung des Studiums im Jahr 1973 bis in das Jahre 2003 (dreißig Studienjahrgänge) studiert und bis 2007 absolviert haben, wurde ein Wandel vom Männer- hin zum Frauenstudium dokumentiert. Die Trendwende ist für die 1980er Jahre festzustellen, wobei zwei Eckpunkte herausragen: (1) die Änderung des Studienplans 1986/87 und die Umbenennung der Studienrichtung von Bühnenbild zu Bühnengestaltung, die eine deutliche Zunahme an Studienanfängerinnen und Absolventinnen zur Folge hatte; (2) die merkliche Reduktion der zum Studium Zugelassenen seit Beginn der Professur Schavernoch 1995. Die Ergebnisse zeigen auch, dass seit den 1980er Jahren rund drei Viertel Frauen und nur ein Viertel Männer das Studium in Österreich und Deutschland absolvieren. Demnach gibt es seit 25 Jahren mehr ausgebildete Bühnenbildnerinnen als Bühnenbildner. Diese zahlenmäßige Überlegenheit von Bühnenbildnerinnen zeigt sich (noch) nicht in den Professuren im deutschsprachigen Raum (vgl. Pkt. 4.1). In der Literatur (vgl. Kap. 3) sind erste Anzeichen dieser Trendwende zu vermerken. In diesem Kapitel wurden zuerst historische und aktuelle Studienorte des Fachs Bühnenbild aufgelistet. Sie zeigen, dass bis in die Gegenwart die gut bezahlten und (noch) sicheren Professuren überwiegend von Männern besetzt sind. Die Analyse der Situation von Frauen an Österreichs Kunstuniversitäten zeigt, dass auch gegenwärtig der Anteil von Frauen, die ein künstlerisches Studium abschließen, steigt. Dennoch korrelieren die steigenden Absolventinnenzahlen nicht mit den Möglichkeiten der Berufsübung. Ein Schwerpunkt des Kapitels war zudem die quantitative Erhebung und Auswertung der Zahlen von Studierenden und AbsolventInnen von dreißig Studienjahrgängen (1973–2003) der Ausbildung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität Graz, speziell hinsichtlich der Geschlechterverhältnisse. In der bisherigen Arbeit wurde der noch vorhandenen Unsichtbarkeit von Bühnenbildnerinnen aus verschiedenen Blickwinkeln nachgeforscht. Zuletzt wurden Geschichte und Entwicklung der Studienrichtung Bühnengestaltung im deutschsprachigen Raum nachgezeichnet, die Trendwende vom einstigen Männer- hin zum Frauenstudium dokumentiert und einige Gründe für diese Veränderung be-

4 D AS S TUDIUM B ÜHNENGESTALTUNG

| 199

nannt. Im folgenden Kapitel wird der Gender-Gap zwischen Studium und Berufsausübung als BühnenbildnerIn auch anhand einer qualitativen Erhebung ergründet und abschließend untersucht, welche Fragen zum Thema Beruf BühnenbildnerIn noch offen sind.

5 Beruf BühnenbildnerIn Ob etwas besser oder schlechter geworden ist, ergibt sich aus dem Verhältnis des historisch erreichten Standes an gesellschaftlichen Potenzialitäten und der Anstrengung, sie für anstehende soziale Kurskorrekturen einzusetzen.1 REGINA BECKER-SCHMIDT/HELGA KRÜGER

Im ersten Teil dieses Kapitels werden die aktuellen Anforderungen und Rahmenbedingungen des Berufsbildes BühnenbildnerIn geschildert und die Situation von Frauen und Männern in diesem Berufsfeld anhand der vorliegenden Literatur soweit möglich analysiert. Dabei wird versucht, die folgende Frage zu beantworten: • Welche Gründe gibt es für den Gender-Gap, den deutlich wahrnehmbaren zah-

lenmäßigen Unterschied von Frauen und Männern, im Studium und in der Berufsausübung, speziell bei BühnenbildnerInnen in Österreich? Im zweiten Teil dieses Kapitels wird den Fragen nachgegangen: • Welche Motive und Schlüsselsituationen der Studien- und anschließend Be-

rufswahl von Frauen und Männern im künstlerischen Bereich im Theater, am Beispiel von AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität in Graz können beschrieben werden? Wurde der Beruf BühnenbildnerIn ergriffen oder nicht? Für beide Fälle: Was waren die Gründe?

1

Becker-Schmidt/Krüger (2009), S. 13.

202 | B ÜHNENBILDNERINNEN

• Welche zusätzlichen, bisher noch nicht behandelten Themen lassen sich aus

den geführten Befragungen generieren? Die Frage, ob Frauen in diesem Beruf künstlerisch anders arbeiten als Männer, ist nicht Bestandteil der Analyse. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Unterschiede der Rahmenbedingungen für Frauen und Männer Auswirkungen haben, ihr Vorgehen im Gestaltungsprozess jedoch keine signifikanten Unterschiede aufweist.2

5.1 D AS T HEATER UND DIE K UNST ALS E RWERBSMÖGLICHKEITEN FÜR F RAUEN In den wenigen Beiträgen über das Theater als Arbeitsplatz für Frauen stehen meist die Rahmenbedingungen von Schauspielerinnen, Regisseurinnen, Intendantinnen oder Autorinnen im Mittelpunkt,3 Bühnenbildnerinnen werden zu diesem Thema selten befragt.4

2

Vgl. Kathrin Walder (2005): Subjektive Theorien zum Gestaltungsprozess der Bühnenbildnerin und des Bühnenbildners. Vom Auftrag hin zum vollendeten Werk. Unveröff. Dipl.-Arb., Innsbruck. Die Diplomarbeit wird als Teil eines Forschungsprojektes der Universität Innsbruck voraussichtlich 2012 veröffentlicht. Auf meine Anfrage hin teilte mir Kathrin Walder mit, dass laut ihrer Befragung aus motivationspsychologischer Perspektive von BühnenbildnerInnen (jeweils 7 Frauen und Männer) im Hinblick auf den Entwurf subjektiver Theorien und allgemeiner kognitiver Verarbeitungsvorgänge „keine wirklich nennenswerten (signifikanten) Unterschiede zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht ermittelt [werden] können“: Quelle: Kathrin Walder: eMail vom 18.03.2011. Zum Forschungsprojekt vgl. Annemarie Rettenwander/Carina Kerle/Nadja Krug/Kathrin Walder/Katharina Zeilinger (2010): Idee – Experiment – Strukturierung – Realisierung. Der schöpferische Gestaltungsprozess. Theoretische Überlegungen und Analysen anhand von Interviews mit Kunstschaffenden. In: Psychologie in Österreich 5, S. 364-369. Danke an Kathrin Walder für ihre Informationen.

3

Vgl. u.a.: Franziska Schößler/Axel Haunschild (2011): Genderspezifische Arbeitsbedingungen am deutschen Repertoiretheater. Eine empirische Studie. In: Gaby Pailer/Franziska Schößler: GeschlechterSpielRäume. Dramatik, Theater, Performance und Gender, Amsterdam, New York (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik 78), S. 255-269; Axel Haunschild (2009): Ist Theaterspielen Arbeit? In: Franziska Schößler/Christine Bähr (Hg.) (2009b): Ökonomie im Theater der Gegenwart. Ästhe-

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Der Beruf BühnenbildnerIn befindet sich, wie in den bisherigen Kapiteln festgestellt, an der Schnittstelle von angewandter und/oder bildender Kunst, die Ausbildung wird an den Universitäten in Österreich der darstellenden Kunst zugeordnet. Nach dem Qualifikationsbarometer des österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS) ist der Beruf BühnenbildnerIn dem Berufsbereich Medien, Kunst und Kultur sowie der Untergruppe Bildende Kunst und Design zugeordnet, während die Berufe SängerIn, SchauspielerIn oder RegisseurIn in der Untergruppe Darstellende Kunst und Musik erfasst sind.5 Für die im Berufsfeld Bildende Kunst und Design zusammengefassten Berufe6 gelten laut AMS aktuell folgende Rahmenbedingungen: Es handelt sich um einen sehr kleinen Arbeitsmarkt mit einer steigenden Anzahl qualifizierter Kräfte; die Berufe werden nur von relativ wenigen Personen ausgeübt, zusätzlich ist der kleine Arbeitsmarkt von hoher Konkurrenz gekennzeichnet, die sich in den nächsten Jahren tendenziell noch verstärken wird.7 Der für die Ausübung des Berufes erforderliche Zugang zu RegisseurInnen und ProduktionsleiterInnen, die für das Engagement von Bühnen- und KostümbildnerInnen verantwortlich sind, wird als schwierig beschrieben.8 Das Berufsbild wird kurz so umrissen: BühnenbildnerIn: Synonyme: Stage-DesignerIn; BühnengestalterIn; Stage-Designer (m/w); BühnenausstatterIn; Bühnenstylistin. Haupttätigkeit: BühnenbildnerInnen entwerfen und gestalten in Absprache mit DramaturgInnen die Kulissen für Theaterstücke, Tanzaufführungen, Opern, Operetten und Musicals. Sie kalkulieren die Kosten, organisieren und überwachen die Herstellung des Bühnenbildes. Beschäftigungsmöglichkeiten: BühnenbildnerInnen finden Beschäftigung an Theaterhäusern, beim Fernsehen und bei Filmproduktionsfirmen, wobei die meisten für die Dauer der Produktion engagiert werden. tik, Produktion, Institution, Bielefeld, S. 141-156; Doris Eikhof, Axel Haunschild (2004): Arbeitskraft-Unternehmer. Ein Forschungsbericht über die Arbeitswelt Theater. In: Theater heute 3, S. 4-17; Frauen im Theater (2011). [Schwerpunktthema]. In: Theater heute 3/März, S. 4-21. 4

Als Ausnahme: Frauenkulturbüro NRW e.V. (2006).

5

Vgl. AMS Österreich, Qualifikations-Barometer: Trends im Berufsfeld, Bildende Kunst und Design, Internet-Quelle.

6

Das sind: Industrial DesignerIn, BildhauerIn, BühnenbildnerIn, IllustratorIn, KostümbildnerIn, KunstmalerIn, ModedesignerIn sowie RestauratorIn und KonservatorIn. Vgl. AMS Österreich, Qualifikations-Barometer, Trends im Berufsfeld, InternetQuelle.

7

Vgl. AMS Österreich, Qualifikations-Barometer, Trends im Berufsfeld, Internet-

8

Vgl. AMS/BMWF (2009), S. 70.

Quelle.

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Einkommen: Durchschnittliches Einstiegsgehalt ab Euro 1820 bis 2030 brutto pro Monat. Arbeitsumfeld: Auslandsaufenthalte, Außendienst, Hohe Eigenverantwortung, MitarbeiterInnenführung, Sehr unregelmäßige Arbeitszeiten.9

Als berufliche Anforderungen werden genannt: Kreativität, künstlerisches Talent, künstlerische Fachkenntnisse, ästhetisches Gefühl, räumliches Vorstellungsvermögen, gute Allgemeinbildung, breit gestreutes Interessenspektrum, Problemlösungsfähigkeit, sprachliches Ausdrucksvermögen, gutes Auftreten, Kontaktfähigkeit, Durchsetzungs- und Verhandlungskompetenz, Organisationstalent, grundlegendes naturwissenschaftlich-technisches Verständnis, grundlegende IT- und CAD-Kenntnisse, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Bereitschaft zur Mobilität, Belastbarkeit.10 Zur Anzahl der in Österreich als BühnenbildnerInnen tätigen Frauen und Männer weist das AMS keine eigene Statistik aus. Eine Statistik liegt nur zur Berufsgruppe Bühnen-, fernseh-, film-, tontechnische Sonderberufe vor. Demnach zeigt diese Berufsgruppe den niedrigsten Frauenanteil. Die Anzahl der in dieser Gruppe tätigen Frauen beträgt, auf Basis der Daten der Volkszählung 2001, 13,4 Prozent (195 Frauen), während hier 86,4 Prozent Männer (1.238) gezählt wurden.11 Als Berufsgruppen mit den höchsten Frauenanteilen werden SchauspielerInnen und SprecherInnen mit 43,7 Prozent, TänzerInnen mit 72,0 Prozent und SchaufenstergestalterInnen mit 73,2 Prozent vermerkt.12 In den österreichischen Statistiken über Erwerbstätige werden BühnenbildnerInnen nicht extra erfasst. Das Personal an österreichischen Bühnen wird zwar registriert, jedoch werden Bühnen- und KostümbildnerInnen sowie RegisseurInnen gemeinsam in der Rubrik „Gäste“13 verzeichnet. In der Saison 2008/2009 wurden hier 366 Personen, davon fast 40 Prozent weiblich, gezählt.14 9

Vgl. AMS Österreich, Qualifikations-Barometer, Trends im Berufsfeld, InternetQuelle.

10 AMS-Berufslexikon: BühnenbildnerIn, Berufliche Anforderungen, Internet-Quelle. 11 AMS/BMWF (2009), S. 85. 12 AMS Österreich, Qualifikations-Barometer: Frauen und Männer am Arbeitsmarkt, Medien, Kunst und Kultur, Internet-Quelle. 13 Gäste: bedeutet nicht angestellt, sondern mit Stückverträgen ausgestattet. 14 Statistik Austria: T 9. Personal an Bundestheatern, Wiener Privattheatern, Vereinigten Bühnen Wien, Länderbühnen, Stadttheatern 2008/09, Internet-Quelle. Bundestheater sind: Staatsoper, Volksoper, Burgtheater, Akademietheater, Theater in der Josefstadt, Volkstheater, Theater der Jugend, Vereinigte Bühnen Wien, Burgenländische Kulturzentren, Stadttheater Klagenfurt, Stadttheater Baden, Landestheater Niederösterreich, Landestheater Linz, Salzburger Landestheater, Vereinigte Bühnen

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Zum künstlerischen Personal liegen zumindest für Deutschland genauere Zahlen vor: Im jährlich erscheinenden „Deutschen Bühnenjahrbuch“ wird die vergangene Spielzeit auch statistisch dokumentiert. Zahlenmäßig überwiegen aktuell an den deutschen Theatern15 die Bühnen- und KostümbildnerInnen im Vergleich zu den RegisseurInnen. Im Deutschen Bühnenjahrbuch, Spielzeit 2009/2010, zeigt die statistische Übersicht der künstlerischen Mitglieder Folgendes16: • Ausstattung (Bühnenbildner, Kostümbildner17): 1.016 (davon 47 Prozent

Frauen, 53 Prozent Männer) • Regisseure/Spielleiter (Oper, Operette, Schauspiel): 681 (davon 29 Prozent

Frauen, 71 Prozent Männer) • Schauspieler: 6.309 (davon 45 Prozent Frauen, 55 Prozent Männer)

Demnach sind im Bereich Ausstattung (Bühnen- und Kostümbild) um ein Drittel mehr Menschen als im Bereich Regie tätig. Der Anteil gegenüber SchauspielerInnen beträgt ca. ein Sechstel. 481 Bühnen- und Kostümbildnerinnen, 199 Regisseurinnen bzw. Spielleiterinnen und 2.808 Schauspielerinnen wurden gezählt. In der Spielzeit 2009/2010 waren demnach fast zweieinhalbmal so viele Bühnenund Kostümbildnerinnen als Regisseurinnen an deutschen Bühnen tätig, dennoch wird viel weniger über Szenografinnen geschrieben.18 Die Öffentlichkeitswirksamkeit des Berufes RegisseurIn erscheint überproportional größer. Der Beruf BühnenbildnerIn wird üblicherweise nicht dem bühnen- und veranstaltungstechnischen Bereich zugeordnet, der jedoch ebenfalls wenig untersucht wird. Anfang der 2000er Jahre konstatierte Elke Gruber, die sich mit BilGraz, Tiroler Landestheater Innsbruck, Vorarlberger Landestheater Bregenz. Anzahl der Sitzplätze: rd. 29.000. Vgl. Statistik Austria: T3. Spieltätigkeit 2008/09 an den Bundestheatern, Wiener Privattheatern und Vereinigten Bühnen Wien, InternetQuelle; Statistik Austria: T4. Spieltätigkeit 2008/09 an den österreichischen Länderbühnen und Stadttheatern, Internet-Quelle. 15 544 Rechtsträger (das sind 946 Bühnen mit 307.660 Plätzen) wurden erfasst. In: Deutsches Bühnenjahrbuch (2010), Spielzeit 2009/2010, Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (Hg.), Hamburg, S. 13. 16 Deutsches Bühnenjahrbuch (2010), S. 11. 17 Im Deutschen Bühnenjahrbuch wird auch 2010 überwiegend nur die männliche Sprachform verwendet. Begründung: „Zur besseren Lesbarkeit gelten alle geschlechtsbezogenen Bezeichnungen für Frauen und Männer in gleicher Weise“, S. 11. 18 Vgl. dazu die Ausführungen in Pkt. 2.3.

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dung und Modernisierungsprozessen am Beispiel des bühnentechnischen Bereiches befasste, dass eine Berufs- und Qualifikationsforschung über dieses Feld in Österreich und auch in Deutschland kaum vorhanden sei.19 Für Österreich sieht sie als einen Grund: „Eine der Ursachen dürfte in der am Gesamtarbeitsmarkt gemessenen kleinen und spezialisierten Berufsgruppe liegen.“20 BühnenbildnerInnen sind im Vergleich zur Gesamtarbeitsmarktsituation ebenso eine zahlenmäßig kleine Gruppe. Wie in Kap. 421 festgestellt, haben zwischen 2000 und 2010 in Österreich nur 174 Personen (129 Frauen: 73,8 Prozent; 45 Männer: 26,2 Prozent) das Studienfach Bühnengestaltung abgeschlossen. Über ihren Verbleib im Beruf, auch aus Gender-Perspektive, liegt keine gesamtösterreichische Statistik vor.22 Daher wurden für die Frage nach dem GenderGap zwischen Studium und Berufsübung Studien, die sich mit Bildungswegentscheidungen in Österreich23 sowie speziell mit Frauen in künstlerischen Berufen

19 Elke Gruber (2001): Beruf und Bildung – (k)ein Widerspruch. Bildung und Weiterbildung in Modernisierungsprozessen, Innsbruck, Wien, München, 2001, S. 250. 20 Elke Gruber (2001), S. 257. Noch dazu gehörten die älteren Generationen der Bühnenbeschäftigten dem übergeordneten öffentlichen Dienst an, der bis dahin kaum hinsichtlich dieser Fragestellung untersucht wurde. 21 Vgl. Kap. 4, Pkt. 4.5.4, Tabelle 11. 22 Zu den AbsolventInnen des Studienfachs wird am Institut 11 Bühnengestaltung der Kunstuniversität Graz seit Dezember 2003 eine institutsinterne Auflistung geführt. Demnach sind ca. drei Viertel im Berufsbild tätig. Quelle: KUG-Institut Bühnengestaltung: Institut 11 – Bühnengestaltung, Absolventinnen und Absolventen Bühnengestaltung 1996–2008. Zusammenstellung: Sabina Pinsker, 17.11.2008 sowie Exp. Int. 4/SP, S. 1, Z. 36-38. Der Frauenkulturbericht 2010 der Stadt Wien weist für die Wiener Festwochen für den Bereich Bühnenbild/Ausstattung 16 Männer (74 Prozent) und 9 Frauen (36 Prozent) aus: Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft des Magistrats der Stadt Wien (2010). Kunst- und Kulturbericht, Frauenkulturbericht der Stadt Wien 2010, Wien, S. 132. Sowohl die Statistik Austria wie auch die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten/Kulturgewerkschaft (Kunst Medien, Sport, freie Berufe) (GdG-KMfSB) teilten dazu auf Anfrage mit, dass keine Statistik über BühnenbildnerInnen geführt wird (eMail vom 07.09.2010 sowie vom 29.08.2011). 23 Vgl. u.a. Peter Schlögl/Norbert Lachmayr (2004): Motive und Hintergründe von Bildungswegentscheidungen in Österreich. Eine repräsentative Querschnittserhebung im Herbst 2003, Wien; Nadja Bergmann/Maria Gutknecht-Gmeiner/Regine Wieser/Barbara Willsberger: Berufsorientierung und Berufseinstieg von Mädchen in einen geteilten Arbeitsmarkt. AMS Österreich (Hg.), Wien (AMS info 62).

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befassen, zu einer Analyse herangezogen.24 Folgende Ergebnisse können zusammengefasst werden: Obwohl seit Mitte der 1990er Jahre mehr Frauen als Männer künstlerische Studien abschließen und trotz formal-rechtlicher Gleichstellung in Österreich sind Frauen in der Berufsausübung und dort vor allem in Leitungspositionen unterrepräsentiert. Andrea Mayer-Edoloeyi beschreibt: „Je mehr Ehre, desto weniger Frauen – je mehr Geld, desto weniger Frauen.“25 Die Gründe dafür sind vielfältig, als wesentlich werden die von patriarchalen Denkund Deutungsmustern etablierte Geschlechterdifferenz und das soziale Konstrukt geschlechtsspezifischer Rollenzuweisung und Arbeitszuteilung genannt, das „weibliche Natur“ und „männliche Schöpfungskraft“ als Gegensatzpaare definiert.26 Schon bei Mädchen wird festgestellt, dass sie ein sozialisationsbedingtes eingeschränktes Berufswahlverhalten zeigen, weniger Berufsinformationen über Elternhaus, Schule und Öffentlichkeit erhalten, ihnen weibliche Vorbilder fehlen und sie erschwerte Bedingungen in einem männlich geprägten Arbeitsmarkt vorfinden.27 Menschen in künstlerischen Berufen sind in Österreich eine zahlenmäßig kleine Gruppe; Frauen, die als Künstlerinnen arbeiten (wollen), sind somit doppelt Außenseiterinnen. Zusätzlich sind künstlerische Berufe und das verwandte Berufsfeld der sogenannten Creative Industries gekennzeichnet von einer Preka-

24 Vgl. u.a.: Almhofer et al. (2000); Frauenkulturbüro NRW e.V. (2006); Sabine Benzer (2006): Creating the Change. Beiträge zu Theorie und Praxis von Frauenförder- und Gleichbehandlungsmaßnahmen im Kulturbereich, Wien; Schelepa et al. (2008); AMS/BMWF (2009), S. 84-88; zum Thema Weibliche Karrieren im Film- und Verlagswesen: Carina Sulzer (2006): Karrieren trotz Barrieren? Forschungsprojekt im Rahmen des EU-Projekts Culture Biz, Wien; zum Thema Architektur: Schiffbänker/Holzinger (2008), S. 14-15. 25 Andrea Mayer-Edoloeyi (2006): Arbeit, soziale Absicherung und Professionalisierung für Frauen im Kunst- und Kulturbereich. In: Sabine Benzer: Creating the Change. Beiträge zu Theorie und Praxis von Frauenförder- und Gleichbehandlungsmaßnahmen im Kulturbereich, Wien, S. 168-173, hier: S. 168. 26 Almhofer et. al (2000), S. 263. 27 Schlögl/Lachmayr (2004), S. 40-41. Vier Jahre später stellten Johann Bacher et. al fest, dass „[g]eschlechtsspezifische Unterschiede vorhanden [sind], sie sind aber wesentlich schwächer als jene der sozialen Herkunft oder des schulischen Angebots in der Nähe und vermutlich auch des Migrationshintergrundes“. Johann Bacher/Martina Beham/Norbert Lachmayr/Peter Schlögl (2008): Zusammenfassung und Resümee. In: Johann Bacher/Martina Beham/Norbert Lachmayr (Hg.): Geschlechterunterschiede in der Bildungswahl, Wiesbaden, S. 149-155, hier: S. 153.

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risierung der Arbeitsverhältnisse und sozialer Unsicherheiten.28 Während die Befunde für Frauen im Filmschaffen hinsichtlich öffentlicher Anerkennung in Form von Preisen, Jurytätigkeit oder Führungspositionen bei Filmfestivals zuletzt etwas positiver ausfielen,29 bilanzieren Frauen in Spitzenpositionen an Theatern (hier: in Deutschland) deutlich pessimistischer. Zum einen gelten Theater als krisenhafte Institutionen mit Verfalls-Datum, zum anderen als extrem hierarchische Institutionen, die überwiegend, so Ulrike Haß, von „konkurrierenden Brüderhorden“ geleitet werden und in denen „die ganz große Thematik der Eitelkeit verankert ist, des sich Zeigens, der Attraktivität“.30 In Österreich können die Theater (noch) nicht als zerfallende Institutionen bezeichnet werden, so bildet zum Beispiel „[d]ie Bundestheater-Holding GmbH mit ihren Tochtergesellschaften den größten Theaterkonzern der Welt“, vermerkt der Kulturbericht 2010.31 Der größte Theaterkonzern der Welt ist fest in Männerhand. Im Geschäftsbericht 2009/2010 wurden zudem keine geschlechterbezogenen Statistiken zur Anzahl der MitarbeiterInnen veröffentlicht.32 Die Situation für Frauen an den österreichischen Theatern kann als ähnlich schwierig wie in Deutschland eingeschätzt werden. Beispielsweise stellte die Kultursprecherin der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), Sonja Albinger, unter anderem eine „hundertprozentige Männerquote“ bei Autoren und Regisseuren am Wiener Burgtheater in der Saison 2010/2011 fest33 und dem Tiroler Landestheater wurde 2010 von der Gleichbehandlungs-Kommission in Wien nachgewiesen, 28 Vgl. zum Beispiel für Österreich: Schelepa et al. (2008), S. 55-57; Hubert Eichmann/Sybille Reidl/Helene Schiffbänker/Markus Zingerle (2005): Branchenanalysen zu Arbeit und Beschäftigung in den Wiener Creative Industries. Architektur, Design, Film/Rundfunk, Software/Multimedia und Werbung, Wien, S. 107-108. Für Deutschland, im Speziellen zur Situation von MusikerInnen, darstellenden und bildenden KünstlerInnen vgl. Carroll Haak (2008): Wirtschaftliche und soziale Risiken auf den Arbeitsmärkten von Künstlern, Wiesbaden; zur Situation von SchauspielerInnen am deutschen Theater: Schößler/Haunschild (2011), S. 266-268. 29 Sulzer (2006), S. 23. 30 Ulrike Haß in: Frauenkulturbüro NRW e.V. (2006), S. 30. 31 Zur Bundestheater-Holding GmbH gehören das Burgtheater, die Wiener Staatsoper, die Volksoper, das Wiener Staatsballett und die Art for Art Theaterservice GmbH. BMUKK / Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (Hg.) (2011): Kulturbericht 2010, Wien, S. 125-157, hier: S. 127. 32 Vgl. Bundestheater-Holding GmbH: Geschäftsbericht 2009/2010, Wien. Zusätzlich ist dieser Bericht mit Fotografien von ausschließlich Mitarbeitern illustriert. 33 N.N.: SPÖ kritisiert Frauenquote in Theaterszene. In: Salzburger Nachrichten online, 02.06.2011, Internet-Quelle.

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Frauen, vor allem schwangere Frauen, zu diskriminieren.34 Für Frauen, die als Bühnenbildnerinnen arbeiten, kommt dazu, dass sie in einem bisherigen Männerberuf arbeiten und somit bisherige Geschlechterrollen durchbrechen. Ihr Beitrag zu einer Inszenierung steht im Schatten von Regie, Schauspiel und teilweise auch der Dramaturgie, ein Auftritt in der Öffentlichkeit ist für sie meist nur zum Abschluss einer Premiere vorgesehen: Die erste Begegnung mit einer Bühnenbildnerin ist ja meistens ein Blind Date mit jemand aus dem unbekannteren Drittel, das die Applausordnung am Ende einer Premiere nach Schauspielern und Regisseur auf die Bühne schickt, ganz ohne Who’s who. Sie sorgen für die Optik eines Theaterabends und sind selber fast unsichtbar.35

Für Bühnenbildnerinnen, die berühmt werden wollen, gibt es, wie in den bisherigen Kapiteln dokumentiert, nur wenige weibliche Vorbilder, die im Kanon der Theater- und Kunstwissenschaft als bedeutend oder berühmt verzeichnet sind. Folgend der Erkenntnis von Regina Becker-Schmidt und Gudrun-Axeli Knapp – die Gleichbehandlung von Ungleichem schreibe Ungleichheit fort36 – unterschieden sich die soziokulturellen Bedingungen und Möglichkeiten von (hier) Bühnenbildnerinnen hinsichtlich des Zuganges zu Ausbildung, Beruf und öffentlicher Anerkennung gravierend von denen der Männer, sodass es berühmte Bühnenbildnerinnen kaum gab – weil es sie aufgrund der Rahmenbedingungen nicht geben konnte.37

34 N.N.: Prüfbericht: Landestheater Tirol diskriminiert Frauen. In: Die Presse online, 19.02.2010, Internet-Quelle. 35 Burckhardt (2004), S. 105-113. 36 Vgl. Regina Becker-Schmidt, Gudrun-Axeli Knapp (2007): Feministische Theorien zur Einführung, Hamburg. 37 Vgl. Krista Warnke (2003): Gender Studies verändern den Blick: Gedanken zu einer neuen Forschungsperspektive. In: Kathrin Beyer/Annette Kreutziger-Herr (Hg.): Musik, Frau, Sprache, Herbolzheim, S. 13-26, hier: S. 23. In diesem Band wird die Problematik anhand von Komponistinnen beschrieben. Die Frauen-Musik-Forschung hat, besonders zu Beginn der 2000er Jahre, zahlreich zur Geschichte von Musikerinnen publiziert. Vgl. u.a. Elke Mascha Blankenburg (2003): Dirigentinnen im 20. Jahrhundert. Portraits von Marin Alsop bis Simone Young, Hamburg; Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz/Ingeborg Harer/Karin Marsoner (Hg.) (2002): Künstlerinnen auf ihren Wegen. Texte und Dokumentation einer Ausstellung an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Graz. Vgl. auch Kap. 3.

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Auch die Herkunft des Wortes berühmt weist in diese Richtung: abgeleitet vom Wort Ruhm, das im heutigen Sprachgebrauch im Sinn von „hohes Ansehen“ oder „prominent“ verwendet wird. „Prominent ist, wer reich an Beachtung und für diesen Reichtum allgemein bekannt ist. Prominenz ist eine soziologisch objektive [! B. B.], an empirischen Kriterien festzumachende Kategorie. Die Elite ist kein so leicht festzumachender Begriff: Zur Elite darf sich zählen, wer in einem anspruchsvollen Metier Herausragendes leistet.“38 Letzteres sei allerdings nicht so leicht zu definieren, so Georg Franck. Demnach trifft der Begriff prominent, im Sinne von reich an Beachtung, auch kaum für Bühnenbildnerinnen und auch Bühnenbildner zu. Die ursprüngliche Bedeutung von berühmt bzw. Ruhm war: „Geschrei (mit dem sich jemand brüstet), Prahlerei; Lobpreisung.“39 Geschrei, (Eigen-)Lob und Prahlerei wurden und werden bei den meisten Frauen viel stärker sanktioniert als bei Männern und sind das Gegenteil von Bescheidenheit und Sittsamkeit, die bis ins vergangene Jahrhundert von Mädchen und Frauen verlangt wurden.40 Um mehr oder weniger sittsam berühmt zu werden oder gesellschaftlichen Einfluss zu nehmen, ist es erforderlich, zumindest „in Erscheinung zu treten“, wie Hannah Arendt es beschrieb, denn „was immer sein mag, ohne sich in solchem Erscheinen für alle zur Geltung zu bringen, kommt und geht wie ein Traum, bleibt realitätslos […].“41 Realität für erwerbstätige Frauen, in künstlerischen Berufen und am Theater ist gegenwärtig nicht nur, dass ihre Leistungen in der Öffentlichkeit weniger anerkannt werden, zusätzlich verdienen sie auch weniger als ihre männlichen Kollegen, ihre Möglichkeiten, ein zufriedenstellendes Einkommen zu erlangen, sind speziell in Österreich geringer.42 Analog zur Architektur beinhaltet das idea38 Georg Franck (2005): Prominenz und Populismus. In: Ingried Brugger/Gerald Matt: Superstars. Das Prinzip Prominenz. Von Warhol bis Madonna, Ausstellungskatalog. 4. November 2005 bis 22. Februar 2006, Wien, S. 26-39, hier: S. 27. 39 Duden – Band 7 (2007): Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache, 4. Auflage, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich, S. 687. 40 Oder ist Sittsamkeit für Frauen doch bis in die jüngere Gegenwart gültig? Ein Beispiel: „Popsängerin Christina Aguilera hat die Nase voll von ihrem Luder-Image. Sie werde sich in Zukunft sittsam und klassisch geben – wie es sich für eine verheiratete Frau gezieme, so die 25-Jährige.“ N.N.: Aguilera will ein braves Mädchen werden. In: Spiegel Online Panorama, 23.12.2005, Internet-Quelle. 41 Hannah Arendt (1999): Vita activa oder Vom tätigen Leben, München, S. 251. 42 „Österreich zählt im Vergleich zu den anderen EU-Mitgliedstaaten zu jenen Ländern mit sehr großen geschlechtsspezifischen Verdienstunterschieden. Gemäß dem EUStrukturindikator für geschlechtsspezifisches Verdienstgefälle lagen die durchschnittlichen Bruttostundenverdienste der Frauen in Österreich 2006 um 25,5% unter jenen

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lisierte Bild der Theaterarbeit als „künstlerische Tätigkeit und Beruf(ung) die (totale) Hingabe an den Beruf bzw. das jeweilige Werk. Teilzeitbeschäftigung und private Verpflichtungen kommen in diesem Bild nicht vor, sondern werden als Behinderung gesehen.“43 Dieses Bild impliziert auch die weitgehend fehlende Verantwortung der berufenen Männer für Familienarbeit wie Haushaltsführung (Einkaufen, Kochen, Reinigung, Vorratshaltung, Wäsche, Bekleidung), Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen und ist an männlichen Lebensrealitäten orientiert.44 „Da Haus- und Familienarbeit sowie Kindererziehung nach wie vor hauptsächlich von Frauen erledigt werden, erweisen sich familiäre Bindungen (sofern sie sich nicht als nützliche Ressourcen erweisen) für karrierebewusste Frauen häufig als Stolperstein.“45 Die Auffassung, ein künstlerischer Beruf, speziell am Theater, ließe sich kaum mit Mutterschaft verbinden, gilt nach wie vor.46 Carina Sulzer hält zudem fest, dass die geltende Rechtspraxis in Österreich, die es Frauen ohne Ehemann oder Lebenspartner verbietet, Kinder zu adoptieren, eine für die oft beklagte Kinderlosigkeit von sogenannten Karrierefrauen bedenkliche Regelung darstellt.47 Und nach wie vor werde politisch kaum „de[r] männliche Beitrag an Haus-, Erziehungs- und Beziehungsarbeit [eingefordert]“; neben mehr Betreuungsmöglichkeiten und verbesserten Arbeitszeitmodellen, die die Koordinierung von Lohn- und Familienarbeit ermöglichen, kann auf den entsprechenden Beitrag der (potenziellen) Väter nicht mehr verzichtet werden, so Sulzer.48 Während die Frauen in den letzten Jahrzehnten im Bildungswesen wie im Berufsleben beachtliche emanzipatorische Leistungen vollbracht haben, wurden die Männer, was eine

der Männer, größere Unterschiede waren nur in Estland und Slowenien zu verzeichnen“: Bundesministerin für Frauen (2010), S. 193 sowie Schelepa et. al. (2008), S. 97. 43 Schiffbänker/Holzinger (2008), S. 14. 44 Vgl. zur Abwesenheit von Männern in Teilzeitbeschäftigung: Johanna Hofbauer (2008): Demonstrative Anwesenheit und sinnlose Überstunden. Inkorporiertes Geschlechterwissen im Spiel um Differenzen. In: Angelika Wetterer (Hg.): Geschlechterwissen und soziale Praxis. Theoretische Zugänge – empirische Erträge, Königstein/Taunus, S. 247-263. 45 Sulzer (2006), S. 24. 46 Vgl. Schößler/Haunschild (2011), S. 264. 47 Vgl. Sulzer (2006), S. 24. 48 Sulzer (2006), S. 24.

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tatsächliche Gleichstellung und Gleichbehandlung der Geschlechter im Alltag betrifft, nur peripher tangiert.49

Die Analyse gesellschaftlicher Realitäten für Frauen ist gegenwärtig wenig erfreulich, speziell auch für Frauen, die in einem künstlerischen Beruf am Theater arbeiten. Wie Carina Sulzer berechtigterweise feststellt, zeigen vor allem Männer Aufholbedarf bei emanzipatorischen Leistungen. Auch wenn es aus der Sicht von Männern, die qua Geschlecht und Sozialisation mehr Aufmerksamkeit, Anerkennung und Unterstützung erfahren, verständlich erscheint, diese Privilegien nicht aufgeben zu wollen, erscheint doch das in weiten Teilen bei Männern vorherrschende Fehlen von Empathie für alle, die aus ihrer Sicht anders, fremd und dichotomisch betrachtet, weniger wert sind, für eine längst fällige gesellschaftliche Verbesserung von Gleichstellung und Gleichwertigkeit aller Menschen bedrohlich. Weitere Forschungen zu den krisenhaften Auswirkungen des Konzepts Männlichkeit erscheinen vor diesem Hintergrund als notwendiger Auftrag.50 Während in diesem Teil der Arbeit die gesellschaftlichen und strukturellen Bedingungen für Frauen in der Kunst- und Theaterarbeit im Vordergrund standen, wird im folgenden Abschnitt mittels einer qualitativen Erhebung untersucht, welche Motive und Schlüsselsituationen der Studien- und anschließend Berufswahl von Frauen und Männern im künstlerischen Bereich im Theater – am Beispiel von AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität in Graz – beschrieben werden können. Wesentliche Fragestellungen dabei waren, ob der Beruf BühnenbildnerIn ergriffen wurde oder nicht und welche Rolle die soziale Kategorie Geschlecht dabei einnimmt.

49 Sulzer (2006), S. 24. 50 Vgl. für die Soziologie u.a.: Sylka Scholz (2009): Männer und Männlichkeiten im Spannungsfeld zwischen Erwerbs- und Familienarbeit. In: Brigitte Aulenbacher/Angelika Wetterer (Hg.): Arbeit. Perspektiven und Diagnosen der Geschlechterforschung, Münster, S. 82-99. Für die Performancekunst: Katharina Pewny (2011b): Der Penis als Dildo oder: Das letzte Spektakel der Männlichkeit (in der Performancekunst). In: Gaby Pailer/Franziska Schößler: GeschlechterSpielRäume. Dramatik, Theater, Performance und Gender, Amsterdam, New York (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik 78), S. 329-339.

5 B ERUF B ÜHNENBILDNER I N

5.2 D IE

QUALITATIVE

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E RHEBUNG

5.2.1 Fragestellungen und Zielsetzung Im folgenden Abschnitt wird die durchgeführte qualitative Erhebung und Auswertung vorgestellt. Wesentliche Fragen in den Interviews mit AbsolventInnen des Studienfachs Bühnenbild/Bühnengestaltung waren: Was waren die Motive zur Studien- und später Berufswahl? Wie gelang der Berufseinstieg? Was war förderlich, um als Bühnenbildnerin/Bühnenbildner erfolgreich zu arbeiten? Was war hinderlich beziehungsweise hat zum Ergreifen anderer Berufe geführt? Welche Schlüsselsituationen im Studium sowie in der Berufspraxis führten zur Fortsetzung bzw. zur Veränderung der Tätigkeit? Was bedeutet in diesem Zusammenhang Erfolg? Konnten Veränderungen des Berufes BühnenbildnerIn festgestellt werden? Wurden Unterschiede in den Rahmenbedingungen und den Berufsverläufen von Frauen und Männern wahrgenommen? Zielsetzung der qualitativ orientierten Forschungsphase war, die individuellbiografischen Gründe und die gesellschaftlich wirkenden Strukturen für oder gegen die Berufsausübung als BühnenbildnerIn zu erfassen. Erfahrungen von Einund Ausschluss-Faktoren für den Gender-Gap zwischen Studium und Berufsausübung sowie allfällige Veränderungen in den Wahrnehmungen der Geschlechterrollen sollten exemplarisch nachvollziehbar werden. Es wurde versucht, Rahmenbedingungen und Schlüsselsituationen erkennbar zu machen, die dazu führten, dass nach wie vor Frauen als Bühnenbildnerinnen selten sind beziehungsweise überwiegend Männer den Beruf Bühnenbildner – besonders in besser bezahlten Positionen – ausüben. Zusätzlich sollten von den InterviewPartnerInnen eingebrachte weitere Themenstellungen berücksichtigt werden. 5.2.2 Theoretische Grundlagen, Methode und Durchführung Um diesen Untersuchungsbereich adäquat zu erfassen, wurde eine qualitative Erhebung in Form von Interviews mit AbsolventInnen der Studienrichtung konzipiert. Nach Ulrike Froschauer und Manfred Lueger widmet sich die qualitative Forschung der Untersuchung der sinnhaften Strukturierung von Ausdrucksformen sozialer Prozesse:

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Es geht also darum, zu verstehen, was Menschen in einem sozialen Kontext dazu bringt, in einer bestimmten Weise zu handeln, welche Dynamik dieses Handeln im sozialen Umfeld auslöst und wie diese auf die Handlungsweisen zurückwirkt.51

Im Zentrum von qualitativen Interviews steht demnach, was „die befragten Personen für relevant erachten, wie sie ihre Welt beobachten und was ihre Lebensweise charakterisiert“.52 Zur Gestaltung des Forschungsdesigns und zur Wahl der Auswertungsmethode wurde grundlegende Literatur aus der qualitativen Forschung53 zur Vorbereitung der Interviews herangezogen. Mit ausgewählten AbsolventInnen des Studienfachs wurden sechs qualitative, leitfadenunterstützte Interviews geführt. Diese Methode wurde gewählt, weil damit die Befragten nicht nur als ExpertInnen ihres sozialen Systems verstanden werden, „sondern [sie] repräsentieren in ihren Aussagen das System und ihre Beziehungen zu diesem“.54 Kriterien und Auswahl der Interview-Partnerinnen In der Vorbereitungsphase der qualitativen Erhebung wurden vier Absolventinnen und drei Absolventen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst/Kunstuniversität Graz per eMail oder telefonisch für ein Interview angefragt, zum Teil nach Vorabinformationen für die Befragten durch Sabina Pinsker, stellvertretende Leiterin des Institutes Bühnengestaltung, oder Helga Kaudel, Leiterin des KUG-Archives. Für die Auswahl der Interview-PartnerInnen war die Repräsentativität der Berufskonzepte, der Berufserfahrungen und des Lebensalters im Vordergrund, nicht die statistische Repräsentativität. Folgende Kriterien für die Auswahl der Interview-PartnerInnen wurden erstellt bzw. nach den ersten Befragungen ver51 Ulrike Froschauer/Manfred Lueger (2003): Das qualitative Interview. Zur Praxis interpretativer Analyse sozialer Systeme, Wien, S. 17. 52 Froschauer/Lueger (2003), S. 16 [Herv. i. Orig.]. 53 Philipp Mayring (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zum qualitativen Denken, 5. Auflage, Weinheim, Basel; Siegfried Lamnek (2010): Qualitative Sozialforschung. Lehrbuch, 5. Auflage, Weinheim, Basel; Udo Kelle/Susann Kluge (2010): Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung, 2. Auflage, Wiesbaden; Jürgen Bortz/Nicola Döring (2006): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler, 4. Auflage, Heidelberg; Peter Atteslander (2006): Methoden der empirischen Sozialforschung, 11. Auflage, Berlin. 54 Froschauer/Lueger (2003), S. 20.

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vollständigt:55 Die Interview-PartnerInnen sollten (1) RepräsentantInnen verschiedener Formen der Berufsausübung sein: im Beruf beziehungsweise nicht im Beruf oder in einem verwandten Berufsfeld tätig; (2) mehrjährige Erfahrung im jeweiligen Berufsfeld gesammelt haben; (3) eine heterogene Altersstruktur aufweisen; (4) das Geschlechterverhältnis sollte ausgewogen sein; (5) der Anteil von AbsolventInnen, die Erfahrungen im Studium aus der Zeit der zwei Professuren mitbringen, sollte ausgewogen sein (es sollten Interview-PartnerInnen vertreten sein, die das Studium seit den 1970er Jahren absolviert haben und somit Erfahrungen mit den bisherigen zwei Professuren aufweisen); (6) die Bereitschaft für ein ausführliches Interview sollte vorliegen. Mit dieser „bewussten kriteriengesteuerten Fallauswahl und Fallkontrastierung“ wurde versucht sicherzustellen, dass (7) die für die Fragestellungen relevanten Fälle berücksichtigt sind.56 Für die Erstkontakte zu den Interview-PartnerInnen wurden ein Leitfaden für die telefonische Anfrage und eine Vorlage für die Anfrage per eMail entwickelt. Wesentliche Bestandteile57 dabei waren Informationen zu (1) der Forscherin, dem Forschungsthema und dessen Zielsetzung; (2) zur Begründung der Auswahl der angefragten Person; (3) zum Zeitbedarf, Ort und möglichen Termin des Interviews. Zusätzlich wurde gefragt, ob eine Tonaufnahme des Interviews möglich sei, und es wurde Anonymität zugesichert. Sechs der Angefragten sagten ihre Bereitschaft für ein Interview sofort zu. Nach den Zusagen war das Geschlechterverhältnis ausgewogen. Eine der Angefragten meldete sich trotz Nachfragen nicht. Zusätzlich erfolgten die Auswertungen der ersten Befragungen parallel zu den Interviews, im Sinne einer gegenstandsbezogenen Forschung, nach der die Forschenden während der Datenerhebungsphase theoretische Überlegungen und Hypothesen (weiter-)entwickeln, verfeinern und verknüpfen, sodass Erhebung und Auswertung sich überschneiden.58 Da die bis dahin durchgeführten und ausgewerteten Interviews hinsichtlich der Indizien für das Außen- und Binnenverhältnis des beforschten sozialen

55 Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 54-55. 56 Kelle/Kluge (2010), S. 43 [Herv. i. Orig.]. Für die Auswahl der InterviewPartnerInnen standen nicht im Vordergrund: soziale Herkunft, Ethnizität, geschlechtliche Orientierung. Diese Auswahlkriterien könnten die Grundlage einer eigenen Untersuchung sein. Die Berufe der Eltern wurden von den ersten zwei InterviewPartnerInnen selbst genannt, daher wurde die Frage nach den Berufen der Eltern für die Interviews 3 bis 6 in das Datenblatt aufgenommen. 57 Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 66-67. 58 Mayring (2002), S. 105.

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Systems sehr ergiebig waren,59 wurde keine weitere Befragung durchgeführt. Die Fallauswahl wird in der folgenden Tabelle 12 dargestellt:60 Tabelle 12: Übersicht zu den Interview-PartnerInnen hinsichtlich Geschlecht, Professur, Beruf

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Quelle: Eigene Zusammenstellung

Beschreibung der Interview-PartnerInnen Vier der Befragten verfügten über berufliche Praxis als BühnenbildnerIn, eine Interview-Partnerin und ein Interview-Partner waren nie in diesem Beruf erwerbstätig. Die Zeiträume der Berufspraxis in der Bühnenraumgestaltung reichten von nur ein paar Produktionen bis hin zu mehr als zehn Jahren Erwerbstätigkeit. Die Befragten, drei Frauen und drei Männer, waren zum Zeitpunkt des Interviews zwischen 31 und 62 Jahre alt, das Durchschnittsalter lag bei 46 Jahren (Frauen: 38; Männer: 54). Die Diplom-Abschlüsse an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst/Kunstuniversität Graz wurden zwischen 1979 und 2003 abgelegt. Zum Interview-Termin lebten die drei befragten Männer in Partnerschaft, alle haben Kinder. Eine Befragte hat Kinder und lebt nicht in Partnerschaft. Zwei der Interview-Partnerinnen haben keine Kinder (eine in Partnerschaft und eine lebt als Single). Die Tabelle 13 zeigt einige Informationen zu den Interview-PartnerInnen und den durchgeführten Interviews im Überblick:

59 Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 67. 60 Abkürzungen: I: Interview-PartnerIn; F/M: Frau/Mann; i. B.: im Beruf tätig; verw. B.: in einem verwandten Beruf tätig.

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Tabelle 13: Übersicht zu den Interview-PartnerInnen, weitere Details ,

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Quelle: Eigene Zusammenstellung

Den Interview-PartnerInnen wurde Anonymität zugesagt. Da die Grundgesamtheit der AbsolventInnen der Professur Schavernoch in den Jahren 1995–2003 nur 23 Personen umfasst, könnten anhand von Angaben zum Alter, des Diplomjahres und weiterer Daten auf die Person der/des Befragten geschlossen werden. Daher ist hier eine genauere Beschreibung des Samples nicht möglich. Interview-Leitfaden und weitere Erhebungsinstrumente Anhand der eingangs formulierten Fragestellungen wurde ein InterviewLeitfaden mit folgenden Themen entwickelt: • • • •

Motivation für das Studium Berufliche Entwicklung, spezifische Erfahrungen Geschlechtsspezifische Erfahrungen und Wahrnehmungen Ergänzungen, Resümee, Ausblick

Die Einstiegsfragen wurden anknüpfend an die aktuelle Situation der Befragten formuliert, um einen individuell abgestimmten Beginn für ein weiterführendes

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Gespräch zu bieten.61 Die Frage zur Motivation und Wahl des Studiums löste bei allen Befragten einen umfassenden Rückblick auf die eigene (Berufs-)Biografie aus. Da die Interviewten in weiterer Folge in ihren Erzählungen zahlreiche forschungsrelevante Antworten gaben, mussten einige Fragen nicht explizit gestellt werden. Zum Abschluss jedes Interviews gab es sowohl für die Befragten wie auch für die Interviewerin die Möglichkeit, allfällige bisher noch nicht behandelte Aspekte anzusprechen. Der Interview-Leitfaden Der Interview-Leitfaden62 umfasste folgende Punkte: • • • • • • • • •

Einstiegsfrage Motivation für das Studium; Schlüsselerlebnisse Positive und negative Erfahrungen im Studium Berufliche Entwicklung, Erfolg Örtliche Veränderungen Beruf aktuell, Pläne Familiäre Situation, Vereinbarkeit des Berufes mit Partnerschaft und Kindern Geschlechtsspezifische Erfahrungen, Wahrnehmungen Ergänzungen, Empfehlungen, Resümee

Weitere Erhebungsinstrumente Die sozioökonomischen Daten wie Alter, Familienstand, Kinder sowie zusätzliche Aus- und Fortbildungen und weitere Daten wurden mittels des dafür entwickelten Interview-Datenblattes abgefragt, zu jedem Interview wurde ein Situationsprotokoll erstellt.63 Aufgrund der Erfahrungen aus den ersten beiden Interviews wurde der Aufbau des Interview-Leitfadens dichter strukturiert und das Interview-Datenblatt ergänzt; beides blieb bis zum abschließenden Interview in dieser Form.

61 Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 62. 62 Siehe Anhang I, Interview-Materialien. 63 Zur Verwendung von Interview-Datenblatt und Situationsprotokoll vgl. u.a.: BMAGS / Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Abteilung für grundsätzliche Angelegenheiten der Frauen (Hg.) (1999): Hemmnisse der Frauenerwerbstätigkeit. Autorinnen: Doris Kapeller, Margarete Kreimer, Andrea Leitner, Wien, S. 52.

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Durchführung und Ablauf der Interviews Von März bis Oktober 2009 wurden sechs Interviews mit AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung der Hochschule für Musik und darstellende Kunst/Kunstuniversität Graz in Wien, Graz und Niederösterreich durchgeführt. Fünf Gespräche wurden in den Wohnungen der Befragten durchgeführt, eines in einem Büro. Die Interviews wurden mit einem Digital Voice Recorder aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Die Gespräche dauerten zwischen 57 Minuten und 117 Minuten (Gesamtaufnahmedauer: 7,85 Stunden). Bei vier Interviews gab es zu Beginn eine kurze Kennenlern-Phase, bei zwei Interviews eine kurze Wiederbegegnungsphase, da sich die Interviewerin und die Befragten kannten. Damit Verzerrungen der Erkenntnisse durch die Befragung von bekannten Menschen möglichst gering bleiben,64 wurden die Abläufe der Einstiegsphasen wie bei den anderen Interviews gestaltet und weiterführende Gespräche auf die Zeit nach der Befragung verlegt. Allen Befragten wurde zu Beginn nochmals kurz das Forschungsthema und das Erkenntnisinteresse vorgestellt, Rahmen und Ablauf des Interviews erklärt sowie die Anonymisierung der Daten zugesichert. Im Anschluss an die Interviews wurde darauf hingewiesen, dass die Transkripte der Befragung auf Wunsch per eMail zugesendet würden, Änderungen und Ergänzungen möglich seien, und gefragt, ob die Möglichkeit für Nachfragen bestünde. Alle Interview-PartnerInnen entschieden sich für die Zusendung der Transkripte und standen in weiterer Folge auch für Nachfragen zur Verfügung. Die Transkripte wurden per eMail zugesandt, Änderungen und Ergänzungen wurden übernommen und blieben als solche gekennzeichnet. Die Transkripte umfassen 203 A4-Seiten und sind mit Seitenzahlen und Zeilennummern versehen, um die Auffindung zitierter Textstellen zu ermöglichen.65 Die autorisierten Transkripte wurden zur Analyse verwendet.66 Die Gesprächssituationen mit allen Befragten waren offen und freundlich. Gern wurde die Möglichkeit ergriffen, von beruflichen und persönlichen Entwicklungen und Entscheidungen erzählen zu können. Auch nach dem Ende des 64 Siegfried Lamnek (2010): Qualitative Sozialforschung. Lehrbuch, 5. Auflage, Weinheim, Basel, S. 352-353. 65 Die Interview-Aussagen werden wie folgt zitiert: I für Interview, Zahl für Interview 1, 2 etc., Seitenzahl, Zeilenzahl(en) des Zitats (Beispiel: I 1, 14, 21-25). Wörtliche Zitate der Interviewten sind in diesem Abschnitt kursiv gekennzeichnet. 66 In einem Fall mit der dezidierten Bedingung, auf jeden Fall nur jene Zitate zu verwenden, die keinerlei Rückschlüsse auf die Identität der interviewten Person zulassen.

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Interviews ergaben sich interessante Gespräche; die für die Forschungsfragen relevanten Teile wurden zusätzlich in den Situationsprotokollen vermerkt. Methode und Auswertung der Interviews Zur Interpretation der erhobenen Daten wurde die qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring gewählt, deren Vorteil es ist, dass damit „streng methodisch kontrolliert das Material schrittweise analysiert [wird]“.67 Bei der Auswertung der Interviews standen die inhaltlich-thematische Ebene und die bessere Lesbarkeit im Vordergrund,68 daher wurde bei den Transkriptionen Folgendes eingehalten: • vollständige, wörtliche Transkription ohne „äh“, „ähm“ etc. • Betonung einzelner Worte wurden durch Großbuchstaben oder Unterstrei-

chung sichtbar gemacht • Pausen sind mit … gekennzeichnet, Auslassungen mit (…) • Übertragung in Schriftdeutsch; Bereinigung von Dialektausdrücken; überwiegend Behebung von Satzbaufehlern und Glättung des Sprachstiles Zuerst wurde das Textmaterial paraphrasiert; nicht inhaltsrelevante Textteile wurden gestrichen und die Aussagen in eine Kurzform reduziert. Diese Form der analysierenden Zusammenfassung hat zum Ziel, „das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion ein überschaubares Korpus zu schaffen, das immer noch ein Abbild des Grundmateriales ist […]“.69 Danach wurden die Paraphrasen gebündelt, also gleiche oder ähnliche Aussagen zu einer Aussage zusammengefasst; mehrere Aussagen zu einem Thema beziehungsweise mehrere Themen mit der gleichen Aussage ebenfalls gebündelt. Auf Basis dieser Bündelungen wurden 23 Auswertungs-Kategorien, ausgehend vom Interview-Leitfaden, erstellt. Sie sind in der Tabelle 14 (kursiv und grau unterlegt: Diese Kategorien wurden zwar erfasst, werden aber aufgrund der zugesagten Anonymität nicht beschrieben) dargestellt:

67 Mayring (2002), S. 114. 68 Vgl. Mayring (2002), S. 91. 69 Mayring (2002), S. 115.

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Tabelle 14: Kategorien zur Auswertung der Interviews

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Quelle: Eigene Zusammenstellung

Die Zusammenfassung der Auswertung und Ergebnisse im nächsten Abschnitt folgt weitgehend der Struktur der Auswertungskategorien, einzelne Kategorien wurden gebündelt und um die von den Befragten eingebrachten Themen erweitert. Bei fraglichen Textteilen wird mit Hilfe der Explikation zusätzliches Material miteinbezogen, das die Textstelle erklärt.70 5.2.3 Auswertung und Ergebnisse der qualitativen Untersuchung Im folgenden Abschnitt werden die Aussagen der Interview-PartnerInnen zu den eingangs erwähnten Fragestellungen sowie zu den von den Befragten selbst eingebrachten Themen dokumentiert und interpretiert. „Das hat sich schon sehr früh entwickelt“: Motivation und Entscheidung für das Studium Die Frage nach den Motiven und Entscheidungsprozessen, Bühnenbild/Bühnengestaltung zu studieren, bewirkte, dass fünf der sechs Interview-PartnerInnen von ihrer Kindheit bzw. Jugend erzählten. In diesen Fällen wird ein frühes Interesse am Zeichnen, Malen und Gestalten geschildert: Das hat sich schon sehr sehr früh entwickelt …, dass man sich zeichnend in den Wald setzt (…) und die Modeschule kam eigentlich unweigerlich. Das Theater kam durch die Schule dazu, weil wir Literaturunterricht gehabt haben, Stücke von Jelinek …, wo ich dann gesagt habe, „Das möchte ich machen“. Ich möchte der Kleidung ein bisschen mehr Sinn geben, nicht nur oberflächliche Schönheit.71

Die Interview-Partnerin schildert, dass sie zuerst Kostümbildnerin werden wollte: Ich war eigentlich eher der Kostümbildner. Und, naja, man muss Bühnenbild

70 Vgl. Mayring (2002), S. 115. 71 I 1, 2, 21-25.

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studieren, um Kostümbildner zu sein. Es hat sich dann aber herausgestellt, dass mich Bühnenbild mehr interessiert als Kostüm.72 Nach der Matura geht sie mit ihrem damaligen Partner ins Ausland. Aus finanziellen Gründen arbeitet sie zwei Jahre in einer anderen Branche und beschließt: Jetzt höre ich wieder auf damit und jetzt kümmere ich mich darum, dass ich das studiere, was ich eigentlich wollte.73 Sie absolviert die Aufnahmeprüfung und studiert Theatergestaltung. Nach zwei Jahren beendet sowohl ihr Partner seinen Auslandsaufenthalt wie auch ihr Professor seine Tätigkeit an der Universität – für sie beides Gründe, nach Österreich zurückzukehren. Wenn ich mich dort hätte spezialisieren können, ich hätte mich trotzdem auf Bühnenbild spezialisiert und in Graz war das Studium sowieso auf Bühnenbild fokussiert, was sehr gut für mich war.74 Eine Interview-Partnerin beschreibt, dass sie schon während der Schulzeit überlegt hat, ob das Studium Bühnenbild etwas für sie wäre, weil: Ich war gern kreativ, habe gern gebastelt oder gebaut mit kleinen Modellchen (…). Nach der Matura habe ich angefangen, Architektur zu studieren, ich war auf der Suche nach einem kreativen Beruf, in dem man gestalterisch tätig sein kann.75 Das Architektur-Studium ist ihr zu trocken, sie beschreibt hingegen auch: Mein Traumberuf war eigentlich nie Bühnenbildner. Ich bin da irgendwie so reingerutscht (…).76 Ihr damaliger Freund, der Erfahrung in der Freien Theaterszene hatte, unterstützt sie bei der Bewerbung zur Aufnahmeprüfung für das Bühnenbild-Studium: Für die Aufnahmeprüfung hab ich mir gedacht, ich probier es einmal. Jetzt gar nicht so, weil ich unbedingt zum Theater wollte, sondern wirklich einen gestalterischen Beruf, der ein bisschen breit gefächert ist, gesucht hab. Also, es hätte auch ganz was anderes werden können … also in Richtung Grafik oder Design oder… es ist Bühnenbild geworden, weil ich überraschenderweise aufgenommen worden bin und eine von sechs Aufgenommenen war.77

72 I 1, 2, 26-29. 73 I 1, 5, 1-2. 74 I 1, 3, 9-11. 75 I 5, 2, 13-18. 76 I 2, 2, 6-7. 77 I 5, 2, 27-32. Laut Interview-Partnerin waren zur Aufnahmeprüfung rund 50 Bewerber angetreten.

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Sie erzählt, dass sie sich im Fall einer Ablehnung ein anderes Berufsziel gesteckt hätte, das von Graz aus möglich gewesen wäre.78 Aufgrund ihrer Partnerschaft wollte sie in der Stadt bleiben. Ähnliches schildert eine Interview-Partnerin, dass sie schon als Kind sehr sehr gerne las von Anfang an, aber [ich] versuchte mich bildlich auszudrücken. Also, in dem ich gezeichnet habe, gemalt habe.79 Auch sie entscheidet sich wegen ihres damaligen Partners für Graz als Studienort. Für sie sind auch andere Studienrichtungen vorstellbar und sie ist ebenfalls erstaunt, dass sie die Aufnahmeprüfung besteht: Ich hab mir ein Studienverzeichnis schicken lassen, wo sämtliche Kunstrichtungen und Universitätsstudienrichtungen aufgelistet waren, und hab einmal geschaut, was man in Graz studieren kann, weil Graz war mir damals durch freundschaftliche Verstrickungen vorstellbar. (…) Und so landete ich dann in Graz und hab Bühnenbild gemacht. Ich hätte wahrscheinlich auch Malerei dort inskribiert, wenn es das Angebot gegeben hätte, oder Bildnerische Erziehung, wenn es das gegeben hätte. Aber Bühnenbild hat mir dann eigentlich ganz gut gefallen, dafür die Aufnahmeprüfung zu machen, und ich war dann erstaunt, sie überhaupt bestanden zu haben.80

Zwei Interview-Partner kamen erst im zweiten Bildungsweg zum Studium. Der eine Interview-Partner schildert ebenfalls, dass er als Kind, unterstützt von seinem Cousin, gerne gezeichnet und ihn die bildende Kunst schon als Jugendlicher interessiert habe. Er arbeitet zuerst in anderen Berufen, in einem davon kam er mit dem Theater in Berührung: Ich bin ja damals (…) den ganzen Tag, wenn nichts zu tun war auf der Bühne, auf dem Schnürboden gestanden, unerlaubterweise, und habe zugeschaut, wie die unten arbeiten, was die Künstler machen. Das hat mich schon fasziniert.81 Ein Ausstattungsleiter sieht seine Zeichnungen und empfiehlt ihm, nach Wien zu gehen und Bühnenbild zu studieren. Aber: Habe ich gesagt, „nein, was tue ich in Wien?“ … Das war einfach vergessen, vorbei, ich habe überhaupt nicht mehr daran gedacht.82 Ungefähr zehn Jahre später:

78 I 5, 13, 17-25. 79 I 4, 1, 20-23. 80 I 4, 2, 3-13. Hier wurden keine Angaben zur Zahl der BewerberInnen bzw. Aufgenommenen genannt. 81 I 2, 3, 20-23. 82 I 2, 4, 16-17.

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Dann stand in der Zeitung, dass es (…) eine Studienrichtung Bühnengestaltung in Graz gibt. Und dann werfe ich die Zeitung weg, fahre zum nächsten Termin. … Hab gar nicht reden können mit den Leuten. … Fahre zurück, hole die Zeitung aus dem Papierkorb, lese das noch einmal (…) und gehe zur Aufnahmeprüfung.83

Ein Interview-Partner hat eine kunstgewerbliche Grundausbildung. Er ist der einzige der Befragten, der nicht von seinem frühen Interesse am Zeichnen erzählt, sondern von seiner Familie, die ihn als Nachfolger des väterlichen kunstgewerblichen Betriebes sieht. Er wählte trotzdem einen anderen Weg und arbeitete fast zwanzig Jahre freiberuflich als angewandter Künstler auch finanziell sehr erfolgreich. Nachdem für ihn absehbar wird, dass aufgrund der Veränderungen der sogenannten Kunst-am-Bau-Prozent-Regelung84 seine Aufträge weniger werden, bilanziert er seine Ressourcen und fällt nach einer Auslandsreise eine Entscheidung: Danach habe ich gewusst, was ich mache, ich gehe nach Graz und mache das Bühnenbild-Studium, (…).85 Vom Studium wusste er durch Bekannte, die nach dieser Ausbildung an Schulen unterrichteten. Für ihn war wichtig, eine Ausbildung zu haben, mit der er unterrichten kann, als Sicherheit.86 Ein weiterer Interview-Partner beantwortet die Frage nach den Motiven, Bühnenbild zu studieren, so: Das war nicht ich, das war der [Name eines damaligen Freundes], mit dem ich an der [Name der Schule] war,87 und bekräftigt: Der [Name des Freundes] war schuld daran.88 Er erwähnt ebenfalls: Von der Kindheit her, also schon ganz am Anfang, hat meine Großmutter gesagt, dass ich in Richtung Zeichnen gehen soll.89 Nur eine der Befragten beschreibt zusätzlich, dass ihr die Person des Professors der Studienrichtung wichtig war: Ich habe mit ihm geredet, hab gewusst, da will ich hin, das ist ein Professor, bei dem ich gern sein möchte. Das ist schon sehr wichtig, dass man da wirklich an der richtigen Adresse ist.90

83 I 2, 3, 13-18. Vgl. auch Pkt. 4.4, Fn. 81, S. 163 (KUG-Archiv Zeitungsausschnitte). 84 Gesetzliche Regelung, in Österreich von den 1930er bis in die 1990er Jahre, dass 1–2 Prozent der Baukosten öffentlicher Bauwerke für Kunstwerke zu verwenden sind. Vgl. Irene Nierhaus (1993): Kunst-am-Bau im Wiener kommunalen Wohnbau der fünfziger Jahre, Wien, Köln, Weimar. 85 I 6, 5, 3-4. 86 I 6, 5, 16. 87 I 3, 3, 16. 88 I 3, 4, 21. 89 I 3, 4, 27-30. 90 I 1, 5, 30-32.

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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass fünf der sechs Interview-PartnerInnen von ihrem Interesse für Zeichnen und Gestalten schon seit (früher) Kindheit berichten. Das kann als Hinweis auf die Berufung, eine künstlerische Tätigkeit und weniger einen Beruf anzustreben, interpretiert werden. Ein Interview-Partner wählte das Studium auch aus dem Grund, damit eine Lehrberechtigung für Bildnerische Erziehung und damit eine berufliche Sicherheit zu erwerben. Zwei der Interview-Partnerinnen hätten auch ein anderes künstlerisches Studium gewählt; sie wurden von der Tatsache, die Aufnahmeprüfungen bestanden zu haben, überrascht. Von den drei Interview-Partnern und einer InterviewPartnerin wurde die Tatsache, die Aufnahmeprüfungen zu bestehen, als nahezu erwartetes Ergebnis geschildert. Auffallend ist, dass bei allen drei Interview-Partnerinnen die Entscheidung für das Studium, besonders für den Studienort, im Zusammenhang mit den damals bestehenden Partner-Beziehungen getroffen wurde. Das war im Gegensatz dazu bei den Interview-Partnern kein Thema, bei einem von ihnen führte die Entscheidung für das Studium schlussendlich zur Zerrüttung seiner damaligen Partnerschaft. Nur einer befragten Person war bei ihrer Entscheidung für das Studium in Graz der Professor der Studienrichtung wichtig. In Untersuchungen, die sich mit der Bildungswahl von Jugendlichen bis hin zu erfolgreichen Lehr-LernProzessen von Erwachsenen befassen, wird jeweils die Wichtigkeit der Lehrenden für die Lernenden hervorgehoben. So zeigt Johann Bacher auf, dass neuere Untersuchungen zum Ergebnis führen, dass die „Erwartungshaltung der LehrerInnen einen deutlichen Einfluss auf Erfolge und Misserfolge in Abhängigkeit vom Geschlecht hat […]“.91 Monika Kastner wies für Lehr-Lern-Erfolge von Erwachsenen in der Basisbildung nach, dass erfolgreiche „Kursleitende die Teilnehmenden durch Zuwendung [stärken], sie nehmen Glaubenssätze wahr und ermöglichen deren Entkräftung, sie leben eine Kultur der Anerkennung, […] halten die Lehr-Lern-Prozesse transparent, wodurch sie die individuellen Lernprozesse fördern“.92 Wie im Abschnitt Erfahrungen im Studium noch gezeigt wird, haben vor allem jene Interview-PartnerInnen, die eine deutliche Stärkung und Anerkennung des Professors/der Lehrenden erhielten, den Beruf auch ergriffen bzw. längere Zeit darin gearbeitet.

91 Johann Bacher (2008): Einleitung. In: Johann Bacher/Martina Beham/Norbert Lachmayr (Hg.): Geschlechterunterschiede in der Bildungswahl, Wiesbaden, S. 10-14, hier: S. 11. 92 Monika Kastner (2011): Vitale Teilhabe. Bildungsbenachteiligte Erwachsene und das Potenzial von Basisbildung, Wien, S. 340.

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„Die Begeisterung hat sich in Grenzen gehalten“: Entscheidung für das Studium trotz Widerstand Eine Interview-Partnerin schildert, dass sie vom Elternhaus als nicht begabt eingestuft wurde. Sie entschließt sich trotzdem für das Studium und wird dann von den Eltern auch finanziell unterstützt. Vielleicht war das dann auch der Widerstandsgeist, der in den Adoleszenz-Jahren erwacht ist, dass ich mir gedacht habe, nein, zu Fleiß, ich will das machen, ich will zeichnen und malen.93 Ähnliches erlebt eine Interview-Partnerin mit ihren Eltern: Die Begeisterung hat sich in Grenzen gehalten. (…) So ganz klischeehaft, wie „Willst nicht etwas Gescheites studieren, doch keinen künstlerischen Beruf, und wovon willst du einmal leben?94 Die Entscheidung wurde aber akzeptiert, auch hier wurde die Interview-Partnerin finanziell unterstützt. Sie schildert, dass sie schon nach der Matura zuerst Bühnenbild studieren wollte: Meine Zeichenlehrerin hat mir das ausgeredet. (…) Warum auch immer, sie hat gemeint, „das passt nicht für dich.95 Eine Interview-Partnerin erzählt, dass ihre Mutter selbst Modedesignerin werden wollte und der Vater malerisch aktiv ist, dass aber ihre Eltern nicht die Möglichkeit hatten, sie zu fördern, aber: Sie haben mich nie behindert. Sie haben immer gesagt, „du machst, was du machen willst, das wissen wir.96 Ein Interview-Partner schildert die unterschiedliche Unterstützung seiner Eltern: Und meine Mutter hat das dann gegen den Willen des Vaters unterstützt.97 Ein anderer Interview-Partner, der das Studium im zweiten Bildungsweg absolvierte, von daher schon älter war und hier nicht die Eltern, sondern seine Partnerin zur familiären Unterstützung gezählt wird, beschreibt, dass seine Entscheidung für das Studium zur Zerrüttung seiner damaligen Partnerschaft geführt habe.98 Der Interview-Partner, der das Studium ebenfalls im zweiten Bildungs- und Berufsweg absolvierte, erwähnte in Bezug auf seine Entscheidung weder familiäre Unterstützung noch Ablehnung. Bei der Frage nach der familiären Unterstützung schildern die drei InterviewPartnerinnen fehlenden Zuspruch von ihren Eltern, zusätzlich noch die ablehnende Haltung einer Lehrerin. Von den drei Interview-Partnern werden drei ver93 I 4, 1, 25-27. 94 I 5, 13, 30-33. 95 I 5, 2, 14-16. 96 I 1, 19, 18-19. 97 I 3, 4, 27-30. 98 I 2, 6, 5.

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schiedene Reaktionen geschildert: die Unterstützung von Mutter und Großmutter, jedoch fehlende Unterstützung des Vaters; die Ablehnung der Partnerin zur Entscheidung für das Studium; keine Aussage zur familiären Unterstützung. Daraus kann geschlossen werden, dass die interviewten Frauen mit ihren Familien zumindest über ihre Entscheidung sprachen, während die befragten Männer, die sich für das Studium entschieden hatten, nach ihrer Schilderung es jedenfalls aufnahmen, ob sie nun familiäre Unterstützung erhielten oder nicht.99 „Ich leiste mir das einfach“: Luxusstudium und Exklusivität Eine Interview-Partnerin und ein Interview-Partner nennen im Zusammenhang mit der Wahl des Studiums zwei interessante Aspekte: das Studium als etwas, das sich eine(r) leistet, und der Wunsch nach Exklusivität. Der Interview-Partner, der das Studium im zweiten Bildungsweg absolvierte, geht zuerst davon aus, dass er ein Berufstätigen-Stipendium erhält und mit dem Studium auch unterrichten kann. Beides ist hingegen, wie sich herausstellt, nicht möglich, er entscheidet aber: Ich hatte genug Geld auf der Kante und leiste mir das einfach. (…) es war spannend und ich mach das jetzt zu meinem Privatvergnügen.100 Und später: Es gibt ein paar so Luxusstudien, die macht man, weil sie einen interessieren (…).101 Wobei hier noch auffällt, dass er diesen Luxusgedanken vor allem bei seinen Studienkolleginnen wahrnimmt: Die das studieren, sind meistens aus begüterten Familien, das bin ich ja nicht, und dann heiraten sie und bekommen Kinder.102 Er ergänzt: Es ist offensichtlich so, dass die Frauen, die teilweise dort [im Studium, Anm. B. B.] waren – nicht alle, absolut nicht – zum großen Teil aus dieser „Luxusecke“ kommen, „ich studiere irgend etwas, weil es nichts macht, ob ich damit Geld verdiene“.103 Das Vorurteil, dass überwiegend Frauen aus sogenannten begüterten Familien Bühnengestaltung studieren, kennt auch der Professor für Bühnenbild in Stuttgart, Martin Zehetgruber. Er betont: „Das ist kein Freizeitstudium. Wer eine Art Höhere-Töchter-Studium sucht, wird hier unglücklich.“104 99 Vgl. zum Studien- und Berufswahlprozess aus subjektiver Sicht: Melanie Oram (2007): Der Studien- und Berufswahlprozess. Zur subjektiven Rekonstruktion einer biografischen Entscheidung, Marburg. Zugl. Diss. (2007), Bielefeld. 100 I 6, 6, 7-8. 101 I 6, 35, 14. 102 I 6, 35, 6-8. 103 I 6, 36, 1-6. 104 Deike Uhtenwoldt: Beruf Bühnenbildner. In: Jugendzeitung yaez, 20.09.2010, Internet-Quelle.

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Da kaum Daten zur sozialen Herkunft von Bühnenbild-Studentinnen vorliegen, kann nur beispielhaft auf die Ergebnisse von Elisabeth Al Chihade in ihrer Studie zu den AbsolventInnen der Hochschule für Musik und darstellende Kunst verwiesen werden.105 Von den 107 AbsolventInnen der Studienrichtungen Bühnen- und Filmgestaltung sowie Bühnenkostüm im untersuchten Zeitraum beteiligten sich 28 Personen (18 Frauen, 10 Männer) an der Befragung von Al Chihade. Sie betont daher die „geringe Population“, stellt jedoch fest, dass der Anteil der „Arbeiterväter“ mit 22% im Vergleich zu anderen Studienrichtungen relativ hoch [ist]. […] Angestellte Väter liegen mit 30% an der Spitze, es folgen die Selbstständigen mit 22% und schließlich die Beamten mit 11%. Die Mütter […] sind zu 54% Hausfrauen, gefolgt von Angestellten (18%) und Selbständigen (7%). Der aus der Arbeiterschaft kommende Anteil [der Mütter, Erg. B. B.] ist mit 7% […] gering.106

Aus diesen Daten kann daher nicht abgeleitet werden, dass das Fach Bühnengestaltung vorwiegend von höheren Töchtern studiert wird. Weitere Zahlen bei Al Chihade zur sozialen Herkunft von AbsolventInnen der Hochschule für angewandte Kunst in Wien dokumentieren eher die Ausweitung der Möglichkeit für Angehörige der sogenannten Mittelschicht seit den 1970er Jahren, eine akademische künstlerische Ausbildung zu erhalten.107 Die Interview-Partnerin, die zuerst Architektur studierte, beschreibt: Architektur war es überhaupt nicht, (…) Am Anfang ist das ein Studium, da sitzt man mit 500 anderen im Hörsaal. … Das war mir, ich weiß nicht, nicht exklusiv genug.108 Axel Haunschild, der mit Doris Ruth Eikhof eine Studie zur Situation von Schauspielerinnen durchführte, stellte dazu fest, dass der Wunsch, Künstler[in] oder Schauspieler[in] zu sein höher bewertet wird als ein sicherer und gut bezahlter Arbeitsplatz, und weist diesen Wunsch als intrinsisch, also von innen her, motiviert aus.109 Analog zur Aussage der oben zitierten Interview-Partnerin, sei, 105 Al Chihade (1999), S. 28 und 35. Aus den Angaben von 592 Personen, das sind 34,3 Prozent der AbsolventInnen aus den Jahren 1970 bis 1995, die an der Studie teilgenommen haben, filterte Al Chihade heraus, dass „nur ein geringer Teil aus Arbeiterfamilien (7% der Väter und 4% der Mütter) kommen. Der Großteil stammt aus Familien der Mittelschicht: 66% der Väter sind selbständig bzw. angestellt; die Mütter sind fast zur Hälfte Hausfrauen.“ Vgl. auch: Schelepa et al. (2008), S. 33-38. 106 Al Chihade (1999), S. 136, [Herv. i. Orig.]. 107 Vgl. Al Chihade (1999), S. 35. 108 I 5, 2, 19-22. 109 Vgl. Haunschild (2009), S. 149.

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so Haunschild, diese intrinsische Motivation verknüpft mit der Selbstwahrnehmung, Künstler(in) zu sein und damit anders als der Rest der Gesellschaft, „weil nicht so spießig, eingefahren und langweilig [und] bestimmte Freiheiten bezüglich Kleidung, Sprache, Interaktionsverhalten [besitzend] beziehungsweise [nehmend]“.110 Al Chihade weist zudem darauf hin, dass das Hauptmotiv für die Studienwahl an einer Kunstuniversität nicht vordergründig eine Berufsausbildung ist.111 „Eine goldene Zeit“ versus „Ich hab dort nichts gelernt“: Erfahrungen im Studium Das Studium wurde von den Befragten sehr unterschiedlich erlebt. Ein Interview-Partner schildert: Im Nachhinein ist mir sehr viel klar geworden, dass wir eine goldene Zeit gehabt haben. (…) Aufgrund der Statik [-Vorlesung] und (...) der Literaturgeschichte, der ganze Umfang, … hatten wir eine recht gute Basis. Die Zusammenarbeit mit Regie und Schauspiel war hervorragend.112 Ähnliches hat ein anderer Interview-Partner in Erinnerung: Ich war immer ein Kunstgeschichte-Freak, da hatte ich bereits eine gute Lehrerin in [Name der besuchten Schule], (…) Und ich habe die Vorlesungen von [Name des Professors] sehr genossen.113 Er vergleicht das Studium mit einem weiteren Studium, das er absolviert hat, und stellt fest, dass er das Bühnenbild-Studium als zu 95 Prozent sinnvoller114 erlebt hat. Eine Interview-Partnerin beschreibt: Ich war sehr traurig, dass ich schon nach zwei Jahren mit dem Studium [die ersten zwei Studienjahre wurden im Ausland absolviert, Anm. B. B] fertig war, weil ich sehr gern länger dort geblieben wäre. (…) Das war wirklich schön, ganz tolle Leute, ganz tolle Erfahrungen gemacht.115 Eine Interview-Partnerin schätzte vor allem die Möglichkeit, Praktika zu machen: Wir haben mit der Schauspielklasse oder der Opernklasse eng zusammengearbeitet und da sind zwei Bühnenbilder entstanden und das war irrsinnig aufregend und hat mir viel Spaß gemacht.116 Sie vermisste im Studium

110 Haunschild (2009), S. 149. 111 Vgl. Al Chihade (1999), S. 35. 112 I 3, 5, 4-11. 113 I 6, 6, 11-15. 114 I 6, 16, 18-19. 115 I 1, 9, 23-26. 116 I 5, 3, 18-20.

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dennoch die Vorbereitung auf das beinharte Leben da draußen.117 Eine Interview-Partnerin erinnert sich, dass für sie die Unterschiede zu ihren StudienkollegInnen deutlich waren: [Sie] kamen alle von einer HTL, die sich speziell mit Grafik, mit Kunst auseinandergesetzt haben (…), die haben eine schon künstlerische Vorausbildung genossen. Davon war ja bei mir keine Rede.118 Sie schildert, dass sie im Studium kaum Unterstützung, außer von zwei Lehrenden, erhalten habe. Sie bekam im dritten Studienjahr Zweifel an der Berufsübung: Mir war das zu anstrengend, das Werken, das wirkliche Tischlern, die handwerklichen Fertigkeiten. (…) Man muss Leute akquirieren, man muss Helfer finden, man muss motivieren und selber zupacken können und da haben mir die Kräfte gefehlt.119 Diese Interview-Partnerin beendet das Studium, weil ich ungern Studien nicht abschließe.120 Nach dem erfolgreichen Diplom strebt sie zuerst die Möglichkeit an, mittels Akademikertraining121 an einem Theater als Bühnen- oder Kostümbildnerin zu arbeiten. Sie entschließt sich für ein zweites Studium und arbeitet in der Folge weder als Bühnen- noch als Kostümbildnerin. Sie nennt die Überlegung, ob es sinnvoller wäre, das Studium als Postgraduate-Studium zu absolvieren.122 Die Interview-Partnerin hat die Studienzeit nicht positiv in Erinnerung. Ich finde, dass wir zu wenig gefordert wurden. (…) Ich hab dort nichts gelernt, außer durch die Auseinandersetzung mit den Studenten, auf Privatinitiative. Sie ergänzt: Das ist vielleicht auch eine Qualität wiederum, weil man das dann lernt?123 Diese ergänzende Ansicht bestätigt ein Interview-Partner: Es braucht eine große Bereitschaft, eine große Flexibilität der Studenten und eine Eigeninitiative, es geht sonst nicht. Es ist kein Jus-Studium, wo du auswendig lernen kannst, die Positionen vorgegeben bekommst und dann nur mehr abgeprüft wirst. Ich glaube, gerade 117 „Dem Ausbildungsfach Bühnenbild hängt, wie anderen Studiengängen der Darstellenden Kunst, traditionell der Ruf der praxisfernen Lehre an.“ N.N. (2005): Ausbildung Bühnenbild. Eine kritische Bestandsaufnahme. In: Theater der Zeit 5, S. 12. 118 I 4, 3, 4-7. 119 I 4, 3, 13-21. 120 I 4, 3, 9-10. 121 Das sogenannte Jungakademikertraining, eine Maßnahme des Arbeitsmarktservice Österreich, war von den 1980er bis zu den 1990er Jahren als Einstiegshilfe für StudienabsolventInnen entwickelt worden, die aufgrund ihrer Fachrichtung nur schwer vermittelbar erschienen. Es sollte berufliche Praxis in Hinblick auf (neue) Beschäftigungsfelder ermöglichen. Vgl. Andreas Riesenfelder (1999): Evaluierung von Trainingsmaßnahmen des AMS. In: AMS-Info 26, o.S. 122 I 4, 7, 33. 123 I 4, 27-32.

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diese improvisierte Situation hat uns allen sehr geholfen, (…). Ich fand das gut, überall Vorlesungen, improvisieren müssen, das war letztendlich das, was man sowieso immer machen muss.124

Er empfiehlt zusätzlich für künstlerische Ausbildungen: Künstler ohne wirtschaftliche Ausbildung, …, das gehört verboten. Das ist eine überfettete Ansicht, eine romantische Ansicht, die heute keinen Platz mehr hat. (…) Meisterklassen, die verschärfen das Ganze noch mehr, dieses Guruhafte.125 Das Studium überwiegend positiv in Erinnerung haben somit die drei InterviewPartner und eine Interview-Partnerin, während eine Interview-Partnerin sowohl Vorteile wie auch den Nachteil fehlender Vorbereitung auf die Praxis schildert. Eine Interview-Partnerin verneint vehement, im Studium fachliches Wissen und Unterstützung erhalten zu haben. Sie wurde dann auch in diesem Beruf nicht tätig und bringt den Vorschlag ein, das Studium als Postgraduate-Ausbildung anzubieten. Ein Interview-Partner fordert für künstlerische Studien die Vermittlung wirtschaftlicher und unternehmerischer Kompetenzen ein.126 „Nirgendwo kann man so schwer Geld verdienen wie in der Bühnenbild-Branche“: Berufswahl BühnenbildnerIn oder nicht Alle Interview-PartnerInnen weisen wechselvolle Berufsbiografien auf; in keinem Fall ist nach dem Studium der Beruf BühnenbildnerIn ergriffen und seitdem – ohne Unterbrechungen – ausgeübt worden.127 Eine Interview-Partnerin arbeitete zwar nach dem Studienabschluss als Bühnen- und Kostümbildnerin, nach einem Jahr stellte sie aber fest: Dann habe ich gemerkt, jetzt kommt eine Lücke.128 Sie bewirbt sich als Kostümleiterin an ein Theater und erhält die Stelle: Das war sehr interessant, weil ich eigentlich für 124 I 3, 6, 20-29. 125 I 3, 24, 21-23; 25, 1-2. 126 Diese Forderung wird auch von Carroll Haak in ihrer Studie bestätigt. Sie nennt Netzwerke als eine wesentliche Strategie zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von KünstlerInnen; um diese optimal zu nutzen, seien unternehmerische Fähigkeiten erforderlich. Vgl. Haak (2008), S. 238. 127 Eine imaginierte berufliche Normbiografie, also die ununterbrochene Tätigkeit im selben Beruf nach Abschluss der Ausbildung bis hin zur Pension, ist auch in künstlerischen Berufen selten. Hier überwiegen freiberufliche Tätigkeiten, neue Selbständigkeit und Mehrfachbeschäftigungen. Vgl. Schelepa et al. (2008), S. 71-72. 128 I 1, 9, 31-32.

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den Job zu jung war. Das ist eher ein Job für Frauen … oder Frauen und Herren, die schon viel Erfahrung haben.129 Ihre Bewerbung gefällt dem dortigen Chef sehr gut und er sagt, „wenn Sie sich das zutrauen, dann kommen Sie“.130 Aufgrund der zahlreichen Verwaltungs- und Management-Aufgaben der Position vermisst sie die Arbeit am Kreativen und beschließt nach drei Jahren, diese Tätigkeit zu beenden und wieder frei zu arbeiten, dann muss ich mich mit so etwas nicht mehr beschäftigen.131 Sie schildert auch: Es hat der Spaßfaktor nachgelassen. Ich bin jemand, der aus Spaß arbeitet und nicht wegen Geld.132 Eine Interview-Partnerin beginnt nach dem Studium mit BühnenbildAssistenzen an einem Theater. Ihr wurde schon während des Studiums bewusst, dass für sie nur die Arbeit im Bereich Bühnenbild in Frage kommt: Ich weigere mich standhaft, Kostüm zu machen. … Ich mag Räume und ich mag Räume gestalten, wenn es dazu kommt, aber ich weiß ganz genau, Kostüm ist nicht das, was ich kann und was mir liegt.133 Sie arbeitet einige Jahre freiberuflich als Assistentin, unter anderem auch als persönliche Assistentin eines Bühnenbildners. Die Zusammenarbeit mit einem Theater verläuft sehr gut, sie erhält das Angebot, dort als Assistentin zu arbeiten und sagt, auch aus finanziellen Gründen, zu: Die Häuser zahlen auch besser als ein Bühnenbildner, der seinen Assistenten für das Modellbauen bezahlt.134 Mit zunehmendem Alter wird die ökonomische Absicherung wichtiger, mittlerweile ist sie angestellt worden. Es war ja auch der Punkt, lieber fest an einem Haus zu sein, als mich zu bemühen, selber was zu machen. (…) Als Assistentin fühle ich mich künstlerisch relativ ausgelastet, weil ich mich doch in die Arbeit einbringen kann. (…) Das selber Gestalten war dann gar nicht mehr so wichtig.135 Sie beschreibt, dass das Entwerfen von Bühnenbildern für sie ein schwieriger Prozess war: Unsicherheit, dass man glaubt, man kann das gar nicht. (…) Den Anfang zu finden …, ich hab mir dann auch gedacht, warum muss ich es mir so schwer machen. Das war auch mit ausschlaggebend.136 Sie schildert auch, dass sie sich nie konkrete Ziele gesteckt hat. Sie ist auch zufrieden damit, weil es dann immer genau gepasst hat: (…) und es sind dann immer Impulse von außen gekommen, ohne dass ich sehr zielstrebig einen Weg verfolgt habe. Ich hab mich da immer ein bisschen mehr treiben lassen. Es 129 I 1, 10, 1-4. 130 I 1, 10, 4-5. 131 I 1, 10, 7-14. 132 I 1, 16, 21-24. 133 I 5, 12, 15-18. 134 I 5, 4, 10-11. 135 I 5, 4, 27-33. 136 I 5, 5, 5-10.

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war nicht so wichtig, zu sagen, in fünf Jahren möchte ich dort sein.137 Mit dieser Vorgangsweise ist sie zufrieden, denn in dem Bereich, in dem sie jetzt arbeitet, ist wenig Zeit zum Leben, viel Zeit zum Arbeiten. Und die Arbeit hat immer Spaß gemacht, ich mache das gerne, was ich mache.138 Ein Interview-Partner gewinnt zum Studienabschluss einen internen Wettbewerb und setzt damit seine Diplomarbeit um: Ich hab damals schon gesagt, das wird mein erstes und mein letztes Bühnenbild sein.139 Er erklärt diese Aussage im Nachhinein so: (…), dass ich pragmatisch genug war, dass mir klar war, das führt zu nichts. Selbst wenn man vier Bühnenbilder pro Jahr hat, (…), dann geht es einem gut, wenn man aber nur zwei hat, geht es einem nicht mehr so gut. (…) Also, mir war das immer klar, … in den Bereich misch ich mich nie ganz ernsthaft ein, weil nirgendwo kann man so schwer Geld verdienen wie in der Bühnenbild-Branche.140

Er kann sich für sich auch keine Arbeit in der Freien Theaterszene vorstellen, ich bin da auch zu alt141 und zu realistisch142, und arbeitet nach dem Studium im pädagogischen Bereich, absolviert berufsbegleitend ein zweites Studium und ist nicht als Bühnenbildner tätig. Ein Interview-Partner, der das Studium erst mit fast dreißig Jahren begonnen hat, schildert, dass er nach drei Jahren feststellte, (…) jetzt weiß ich erst, was ich nicht kann143, und gegen den Willen des Professors noch ein Jahr blieb. Das war mir ganz klar, dass, wenn ich da rausgehe und sage „ich bin Bühnenbildner“, dann muss ich irgendwas können (…).144 Er nennt als hinderlich für den erfolgreichen Berufseinstieg auch: Mir ist dann klar geworden, (…), mir fehlt einfach der Kontakt zu gleichaltrigen Kollegen.145 Nach dem Diplom ging er zuerst ins Ausland und hätte auch die Möglichkeit gehabt, dort als Bühnenbildner zu arbeiten. Er kehrt aber aus familiären Gründen nach Österreich zurück, gestaltet einige Ausstattungen und arbeitet dann mehrere Jahre als technischer Leiter an ei137 I 5, 11, 11-17. 138 I 5, 16, 29-34 bis 17, 1. 139 I 6, 8, 14-15. 140 I 6, 8, 16-23. 141 Vgl. den Abschnitt „Die Regisseure sind meist älter und trauen diesen jungen Menschen nichts zu“: Jugend und Alter, S. 237-239. 142 I 6, 9, 11-12. 143 I 2, 8, 33-34. 144 I 2, 9, 8-9. 145 I 2, 20, 1-2.

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nem Theater. Diese Tätigkeit beendet er aus gesundheitlichen Gründen: Dann ist mir das passiert, dass mir in der Sonne schlecht geworden ist, [ich] sehe mich selbst als Zombie (…).146 Auch aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes beendet er diese Tätigkeit. Er arbeitet noch einige Jahre als freiberuflicher Bühnenbildner an einem Theater, nach einem Wechsel der Intendanz beendet er auch diese Tätigkeit und arbeitet seither nicht mehr als Bühnenbildner. Ein Interview-Partner beschreibt, wie seine wirtschaftlichen und unternehmerischen Fähigkeiten dazu führten, dass er seine Diplomarbeit auf Druck des Professors als praktische Arbeit für eine Veranstaltung machen musste: Er hat gesagt, es gibt niemanden, dem man es zutrauen kann, das [Veranstaltungs-] Budget zu verwalten. (…) Da ich das aber nicht machen wollte, sondern [Name eines Theaterstückes] machen wollte, habe ich mein Diplom zwei Jahre lang nicht abgegeben.147 Er schildert auch, dass ihm klar gewesen sei, dass er nicht wusste, wohin er nach Studienabschluss gehen sollte. Nach seiner Beschreibung blieb ihm dennoch keine Alternative und er begann als Bühnenbildner zu arbeiten. Die Frage nach dem Gelingen des Berufseinstieges beantwortet er so: Dann bin ich nicht eingestiegen, sondern … also, es ging eigentlich … Mundpropaganda. Man hat mich gekannt, aber nicht über meine Arbeit, sondern als Persönlichkeit, und dann war da ein Regisseur (…).148 Seine Beschreibung der erfolgreichen Persönlichkeit lautet: Das größte Plus ist jung. Jung sein ist in der heutigen Szene immer noch wichtig. Das zweite ist die unglaubliche Arroganz, die nur attraktiv ist, wenn man jung ist, und die damit einhergehende Unreflektiertheit aufgrund der Arroganz und Jugendlichkeit, die man hat, ja? Diese drei Punkte sind unschlagbar (…). Das war gedopt von sich selbst, aber hoch zehn. Da wollen die Leute partizipieren, da wollen sie sich anhängen und dann sind sie zumindest auch ein bisschen so. Auch wenn du dann natürlich im Freundeskreis nicht ertragen wirst (…) aber in gesellschaftlichen Situationen ist es gut.149

Der Interview-Partner schildert Wutausbrüche, Eitelkeit, es verlangt viel Dummheit und das alles macht es aus, das macht die Personen aus, die heute ebenfalls als Maler in der Kunst ihren Durchbruch haben. Er schildert, wie er und seine Karriere das Wichtigste waren, er hatte viele Assistenten und Mitarbeiter und das Auftreten im Clan. Aber es haben alle ihren Spaß gehabt (…) und es war so

146 I 2, 12, 1-2. 147 I 3, 5, 27-33. 148 I 3, 14, 21-23. 149 I 3, 15, 28-31; 16, 4-7.

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ein Meisterklassencharakter (…).150 Er arbeitete fast zehn Jahre als erfolgreicher Bühnenbildner, es war eine arbeitsintensive Zeit (…) Gefahr von Burn-out: täglich zweimal.151 Er meint trotzdem: Für einen Künstler oder Unternehmer stellt sich das [Burn-out, Anm. B. B.] nicht, weil sonst ist er weg, und relativiert: (…) die Frage ist für mich eher mit dem … wie uneffektiv hab ich gearbeitet, dass ich jetzt erschöpft bin? Dann lernt er seine jetzige Lebenspartnerin kennen, die, wie er es beschreibt, großen Einfluss auf seine Lebensgestaltung hat, sie hat mich gebrochen.152 Er erweitert seine Interessen- und Tätigkeitsbereiche und arbeitet mittlerweile nur mehr selten als Bühnenbildner. Dieser Interview-Partner ist der einzige der Befragten, der über zehn Jahre als Bühnenbildner gearbeitet hat. Er entspricht während seiner Tätigkeit am besten dem Bild des männlichen Künstler-Genies,153 das aufgrund seiner Persönlichkeit und nicht seiner Arbeit oder Leistung den Regie- und Theaterverantwortlichen, die für die Auswahl der/des Bühnenbildnerin/-bildners zuständig sind, auffällt und dem so der Einstieg wie später eine jahrelange Erwerbstätigkeit im Beruf gelingen. Die Frage nach den Schlüsselerfahrungen für oder gegen den Beruf BühnenbildnerIn wurde unterschiedlich beantwortet. Übereinstimmungen zeigten sich in jenen Fällen, in denen bereits im Studium Zweifel an der Berufsausübung auftraten. Hier wurde der Beruf überwiegend nicht oder nur für kurze Zeit ergriffen, andere Berufswege wurden gewählt. Von vier Befragten wurde der Spaß an der Arbeit als wichtiges Motiv genannt, zeigten sich hier Defizite, gerieten körperliche Anstrengungen, künstlerische Unsicherheit, gesundheitliche Gründe oder ökonomischer Druck in den Vordergrund und berufliche Möglichkeiten, in anderen Bereichen leichter ein existenzsicherndes Einkommen zu erlangen, wurden diese angestrebt und ergriffen. Überwiegend wurde von allen Befragten genannt, dass vor allem die Kontakte zu Regie- und Theaterverantwortlichen in jüngeren Jahren oder idealerweise schon während des Studiums unerlässlich für die Berufsausübung als BühnenbildnerIn sind. Wie in Abschnitt 4.4 gezeigt wurde, profitierten einzelne Studierende von den Zusammenarbeiten mit Regie-Studierenden, trotz deren geringer Anzahl. Aus dieser Zeit, als Bühnenbild und Regie an der Hochschule Musik und darstellende Kunst gemeinsam angeboten wurden, stammen die zwei erfolg-

150 I 3, 17, 4-12. 151 I 3, 17, 13-19. 152 I 3, 16, 22. 153 Vgl. zum männlich imaginierten Genie Pkt. 2.1, S. 42.

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reichsten Absolventen dieser Fächer.154 Mit der Auflösung des Lehrstuhls für Regie entstand eine Fehlstelle hinsichtlich des Kontakts zu RegisseurInnen, die bis in die Gegenwart nicht geschlossen werden konnte.155 Da Regie- und Theaterverantwortliche BühnenbildnerInnen engagieren und für erste Zusammenarbeiten eher Sympathie als Können als erforderlich genannt wurden,156 kann daraus die Sinnhaftigkeit abgeleitet werden, schon während des Studiums intensiv den Kontakt von Bühnenbild-Studierenden mit Regie- und Theaterverantwortlichen zu fördern. Ebenso zeigt sich die Bedeutung von früh geknüpften Netzwerken und einer kontinuierlichen Netzwerkpflege, die jedoch, so Carroll Haak, durch den hohen Individualisierungsgrad vieler KünstlerInnen erschwert sei: „Hier verbirgt sich möglicherweise ein Dilemma, das für berufliches Scheitern auf diesen Arbeitsmärkten verantwortlich sein könnte.“157 Von einem Interview-Partner wurde Jugend als eine von den wesentlichen Eigenschaften für den Erfolg im Beruf genannt, doch dazu gab es auch die konträre Ansicht von zwei Interview-Partnerinnen, wie der folgende Abschnitt zeigt. „Die Regisseure sind meist älter und trauen diesen jungen Menschen nichts zu“: Jugend und Alter Jugendlichkeit als Vorteil und auch als Nachteil nennt eine Interview-Partnerin. Den Vorteil schildert sie so: Es ist, wenn man jung ist, einfacher, weil dann die Regisseure auch noch jung sind, man beginnt zusammen und macht dann zusammen diesen Sprung. Und wenn man dann schon älter ist und die Regisseure diesen Sprung nicht gemacht haben, macht man ihn auch nicht, außer man trifft zufällig jemanden, mit dem es passt.158

Dieselbe Interview-Partnerin antwortet auf die Frage nach Hinderlichem jedoch, dass junges Alter hinderlich sei; sie wurde jahrelang gefragt, ob sie die Assistentin sei, das habe sich erst vor Kurzem gelegt.159 Als Gründe vermutet sie ihre damals schrägen Frisuren und sie hat sich daher auch für ein seriöseres Outfit 154 Vgl. Fn. 93, S. 165. (Martin Kušej und Martin Zehetgruber). 155 Vgl. unter anderem die Aussagen von den befragten ExpertInnen, Pkt. 4.4, Fn. 97, S. 165 und Fn. 135, S. 170. 156 Vgl. dazu den Abschnitt „Wir waren uns ganz sympathisch“: UnterstützerInnen, förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen, S. 239-243. 157 Haak (2008), S. 238. 158 I 1, 26, 20-26. 159 Vgl. I 1, 27, 32-34.

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entschlossen.160 Aufgrund des jugendlichen Aussehens und Alters unterschätzt zu werden, bezeichnet sie deswegen als hinderlich, weil die Regisseure meist älter sind und diesen jungen Menschen auch nicht viel zutrauen.161 Sie erzählt, dass auch Ausstattungsleiter an Theatern aus Konkurrenzangst wollen, dass Studenten und Absolventen unbedingt nur assistieren, und dass ihrer Erfahrung nach in anderen Ländern ein junger Mensch mehr gilt, mehr Chancen bekommt und sich mehr unter Beweis stellen kann als in Österreich.162 Diese Schilderung kann so interpretiert werden, dass von der Problematik, als Assistentin wahrgenommen zu werden, junge Bühnenbildnerinnen noch mehr betroffen sind als junge Bühnenbildner. Diese Interview-Partnerin erzählt auch von ihrem damaligen Vorsatz, den Berufseinstieg bis zum Alter von dreißig Jahren zu probieren, wenn es bis dahin nicht klappen würde, würde sie sich etwas anderes überlegen. Der Aussage ihres Professors, solche Grenzen dürfe man sich nicht setzen, stimmt sie mittlerweile zu.163 Sie stellt trotzdem fest: überhaupt, finde ich, muss man alles relativ früh schaffen, weil, wenn man dann (…) vierzig ist und man hat nicht viel gemacht, (…), dann fragen die anderen, „warum hat der noch nicht viel gemacht“.164 Eine Interview-Partnerin beschreibt Ähnliches: Das ist natürlich ein Unterschied, ob ich mit einer gleichaltrigen Regisseurin arbeite (…) oder ob ich mit einem doch schon arrivierten Regisseur arbeite, der um 30 Jahre älter ist und für den ich nicht mehr als ein Handlanger oder eine Assistentin bin, die zu tun hat, was er gern hätte.165 Eine große Rolle spiele der Altersunterschied und wo man gerade im Beruf steht.166 Dies kann als Hinweis auf die Hierarchien im Theater, die Bedeutungen vom Bekanntheitsgrad wahrgenommener und von relevanten Verantwortlichen geschätzter persönlicher Eigenschaften gesehen werden. Einem Interview-Partner war klar, dass für ihn aufgrund seines höheren Alters nach dem Diplom ein Einstieg als Assistent nicht in Frage kam. Hilfstätigkeiten wurden zu dieser Zeit einem fast Dreißigjährigen nicht zugemutet.167 Ihm halfen beim Berufseinstieg seine Vorerfahrungen aus den anderen Berufen, die er vor dem Studium ausgeübt hatte, im Speziellen seine Fähigkeit zu managen 160 I 1, 28, 1-4. 161 I 1, 28, 6-8. 162 I 1, 28, 17-26. 163 I 1, 29, 31-34. 164 I 1, 26, 27-30. 165 I 5, 9, 29-33. 166 I 5, 9, 34 und 10, 1. 167 I 2, 9, 5-6.

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und sich zu organisieren.168 Eine Interview-Partnerin nennt auch höheres Alter, das heißt Reife und schon im Vorfeld Berufserfahrung gemacht zu haben,169 als wichtige Stärke und eine Basis, zusätzlich zu einer künstlerischen Grundausbildung, um entscheiden zu können, ob dieser Beruf wirklich eine realistische Möglichkeit sei, sein Leben zu gestalten, weil: Es ist eine Lebensweise, am Theater zu arbeiten, und generell, Kunst zu machen.170 Die Frage nach Schlüsselerfahrungen auf dem Weg zur Berufsausübung oder nicht führte auch dazu, dass vier der sechs Interview-PartnerInnen Jugend und Alter konträr als förderlich und/oder hinderlich thematisierten. Für die Interview-Partnerinnen erschien ein höheres Alter für den Berufseinstieg vorteilhaft, um als Bühnenbildnerin und nicht Assistentin wahrgenommen zu werden, während die Interview-Partner Jugend als vorteilhaft für diese Situation sahen. „Wir waren uns ganz sympathisch“: UnterstützerInnen, förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen Eine Interview-Partnerin beantwortet die Frage nach UnterstützerInnen bzw. FörderInnen so: Gefördert in dem Sinn eigentlich nicht. Ich hab mir immer die Leute gesucht, die mich interessieren, und bin ihnen so lange auf den Wecker gegangen, bis die gesagt haben, „ja, probieren wir es halt“.171 Interessanterweise nennt diese Befragte trotzdem konkret, wer diese Unterstützer waren und wie sie unterstützt wurde. Dann habe ich sehr lang Angst vor dem Professor gehabt. (…) Er hat das gemerkt (…) und sich näher mit mir beschäftigt. (…) Er hat mir gezeigt, wie ich mein Potenzial aufrufen und nützen kann. Er hat gewusst, dass es da ist, weil ich sonst nicht aufgenommen worden wäre. Er hat, glaube ich, mehr gewusst, was das ist, als ich selber. Und er hat mir geholfen, auf mich zu hören und nicht immer im vorgegebenen Rahmen zu denken, sondern es einmal frei zu lassen und zu schauen, was da ist, wenn man alles weglässt, was man bisher weiß.172

Auch ein weiterer Professor wird von ihr als unterstützend erlebt, der bei Schwierigkeiten zu ihr sagt: „Wissen Sie, ich habe immer schon gesehen, dass 168 I 2, 9, 15-17. 169 I 4, 19, 33-34. 170 I 4, 18, 1-4. Vgl. auch: Haunschild (2009), S. 149. 171 I 1, 19, 4-6. 172 I 1, 6, 19-33.

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Sie irrsinnig viel können, aber setzen Sie sich hin und konzentrieren Sie sich!“173 Sie verneint die Frage nach einer/einem MentorIn und ergänzt: Ich kann sagen, der Herr [Name des Professors] hat auf jeden Fall mein kreatives Schaffen und mein Selbstbewusstsein gefördert, weil er immer an mich geglaubt hat und mir immer gesagt hat, dass er weiß, dass ich es schaffen werde. Das war irgendwie sehr schön. Ja, aber sonst gibt es das eigentlich nicht.174

Eine Interview-Partnerin erzählt: Jetzt fühl ich mich ein bisschen zu alt, um so richtig von vorne anzufangen, weil ich mir das nie aufgebaut habe. Andere Kollegen haben gleich nach dem Studium angefangen, sich Regisseure zu suchen.175 Sie hatte zwar Kontakt zu einer Regisseurin, die aber aus persönlichen Gründen aufhört. Damit war auch ihr Kontakt wieder beendet. Man braucht als Bühnenbildner … man braucht einen Partner, der Regie führt. (…) Und wenn man den nicht hat, (…) dann kommt man auch nirgends gut rein.176 Künstlerische Unterstützung und Stärkung erhielt sie von ihrem damaligen Partner, der Künstler war und auch am Theater gearbeitet hat. Einen funktionierenden Fall der Zusammenarbeit mit einer Regisseurin beschreibt sie so: Ich hab den Zuschlag gekriegt. Ich weiß nicht mehr wieso, ich glaube, wir waren uns ganz sympathisch. Und das war eine schöne Zusammenarbeit.177 Ein Interview-Partner gibt auf die Frage, warum er den Beruf Bühnenbildner nicht ergriffen hat, folgende Antwort: Normalerweise ist es so, es gibt einen Auftraggeber, in der Architektur genauso, und so etwas [Ausschreibung, Wettbewerb; Anm. B. B.] kann man gewinnen oder nicht. Aber das ist viel leichter einschätzbar als dieses diffuse Theaterspiel, diese Seilschaften, wo man nie genau weiß, wie es ausgeht (…).178 Er beschreibt das als Kampf gegen Windmühlen, dass vieles am Theater für ihn zu wenig linear sei und zu viel Widerstand biete. Auf die Nachfrage, was mit „diffus“ gemeint ist, sagt er:

173 I 1, 9, 21-23. 174 I 1, 19, 29-32. 175 I 5, 5, 26-29. 176 I 5, 7, 14-20. 177 I 5, 9, 17-20. 178 I 6, 8, 25-28.

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Diffus ist es insofern (…), wenn man keinen Regisseur kennt, der sagt, ok, du gehörst zu meinen drei Bühnenbildnern, die ich halte [! B. B.], da nehm ich mal den und einmal den. Dann hat man keine Seilschaft.179

Ein anderer Interview-Partner sieht die schwer durchdringbaren Strukturen und Hierarchien am Theater als Hindernis: Ich wollte in kein Stadttheater (…) Es beginnt bei der Struktur der Theater, dass es Hierarchien sind, die sinnlos sind und deppert. Vom Intendanten hinunter, das ist einfach absurd. Das habe ich schon (…) kennengelernt, dass das undurchdringbare Strukturen sind. Das sind Hierarchien, wo Leute auf ihrer Macht sitzen, die wirklich nur (…). (…) Da beginnt alles bei mir zu rotieren, weil es geht um die Sache und nicht um die Macht, mir zumindest.180

Er geht an ein Theater, von dem er annimmt, dass es dort keine hierarchische Struktur gibt, weil der Theaterleiter und er beinahe [Herv. B. B.] gleichwertig sind und sich jeweils notwendig brauchen: Wenn es ihn nicht gibt, gibt es das Theater nicht, und wenn ich es [das Bühnenbild, Erg. B. B.] ihm nicht mache, kann er nicht Theaterspielen. Ende.181 Er erzählt auch, dass der Professor der Studienrichtung ihn schon nach drei Jahren loshaben wollte. (…) Er hat gemeint, ich kann schon alles.182 Trotzdem absolviert er auch das vierte Studienjahr und beginnt anschließend im Beruf zu arbeiten. Einen weiteren Unterstützer beschreibt er später: Nach einer erfolglosen Bewerbung trifft er auf einen Mitarbeiter dieses Theaters, der nach Ansicht des Befragten ein grandioser, doch in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommener Bühnenbildner ist. Seine Erklärung dafür ist, dass er kein lauter Bühnenbildner war. (…) Der Bühnenbildner, der zurücksteht, hinter dem Text, der ihn bedient, der hilft der Szene. Und da gehört (…) unheimlich viel dramaturgisches Verständnis dazu und das haben ganz wenige.183 Dieser Bühnenbildner vermittelt ihm Kontakte zu einem anderen Theater, an dem der Befragte auch so lange arbeitet, bis der Intendant wechselt, und dann noch zu einem anderen Regisseur, mit dem der Interview-Partner dann etwas mehr als zehn Jahre zusammenarbeitet:

179 I 6, 9, 20-23. 180 I 2, 10, 33-34; 11, 1-6. 181 I 2, 11, 11-14. 182 I 2, 8, 32-34. 183 I 2, 17, 9-12.

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Ich habe ja nicht gewusst, was der [Unterstützer] in meinen Dingen sieht, nicht? (…) Heute weiß ich es. Wo ich über den [Name] mehr weiß, weiß ich, was er damals gesehen hat. Und mich deshalb weiterempfohlen hat (…).184

Ein Interview-Partner beschreibt seinen enormen Arbeitseinsatz nach dem gelungenen Berufseinstieg, und da ist der [Name eines Theaterdirektors und Regisseurs] aufmerksam geworden. Ein weiterer Regisseur meldet sich, anschließend erhält er Angebote für drei weitere Produktionen und dann ging es schon nach Deutschland an große Häuser. (…) Es ging dann ziemlich schnell.185 Aber auch er schildert Hierarchien und Strukturen innerhalb der Theatersparten: Da war der Status „Operette – das Letzte“, deswegen ist die Operette von den Intellektuellen in Ruhe gelassen worden und da durften sie noch mehr „kitschen“ als sonst. (…) Das waren noch die gewachsenen Strukturen am Theater, wie ich eingestiegen bin.186 Er arbeitet inzwischen kaum mehr als Bühnenbildner, verwirklicht mit seiner Lebens- und Berufspartnerin wirtschaftliche und künstlerische Projekte und absolviert persönlichkeitsbildende Fortbildungen, um andere Vorhaben zu realisieren, damit er nicht jedes Theater mitmachen muss.187 Eine Interview-Partnerin beschreibt anhand ihres aktuellen Berufsfeldes, was sie als Unterstützung erlebt: Und in [nennt das Berufsfeld] war das etwas total anderes. Da gab es die Unterstützung, die Unterstützer. Da gab es einfach das Erkennen. Das ERKANNT-WERDEN war eigentlich das Ausschlaggebende.188

Wie bereits im Abschnitt „Nirgendwo kann man so schwer Geld verdienen wie in der Bühnenbild-Branche“: Berufswahl BühnenbildnerIn oder nicht (S. 232237) dokumentiert, beschreiben alle Befragten die Kontakte mit RegieVerantwortlichen als unerlässlich für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Die Empfehlung eines Kollegen erwähnte ein Befragter als wesentlich, eine Befragte erlebte ihre Professoren im Studium sowohl im Ausland als auch in Graz als förderlich und bestärkend, während sie darüber hinaus kaum UnterstützerInnen schildert. Die Kontakte und die ersten Zusammenarbeiten mit RegieVerantwortlichen basieren nach diesen Befunden vordergründig weniger auf

184 I 2, 18, 33-34 bis 19, 1-2. 185 I 3, 14, 34-15, 1-3. 186 I 3, 1, 18-23. 187 I 3, 13, 4. 188 I 4, 13, 21-23.

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fachlichem Können denn auf Sympathie.189 Die Möglichkeit, durch solche Kontakte als kompetent in der künstlerischen Arbeit erkannt und in der Folge von anderen anerkannt zu werden, der Zugang zu Netzwerken und deren Pflege können als wesentliche Grundlage der Berufsausübung bezeichnet werden. Das Theater als Arbeitsplatz wird von den männlichen Befragten als problemhaft geschildert: Ein Interview-Partner schildert die Seilschaften am Theater als diffus und für ihn nicht durchschaubar, ein anderer Befragter weist auf Hierarchien innerhalb der Theatersparten hin, nach denen Musical und Operette weniger anerkannt seien, und ein weiterer Interview-Partner schildert die Strukturen und Hierarchien im Theater als sinnlos und undurchdringbar. „Das ist dann wichtiger als das Leben“: Assistenz-Tätigkeit, EinzelkämpferIn oder Teamarbeit Eine Möglichkeit des Berufseinstiegs bzw. der Erwerbs-Tätigkeit sind Assistenzen im Bereich Bühnen-/Ausstattungsgestaltung. Darüber gibt es bei einer Interview-Partnerin zuerst wenig Wissen: Ich habe mir kein Bild davon gemacht, was das eigentlich für ein Job ist. Für die Bühnenund Kostümbildner muss man Tag und Nacht erreichbar sein – die regen sich auf, wenn man um sieben Uhr in der Früh noch schläft oder um drei in der Nacht schon schläft – da bin ich mir vorgekommen wie der Idiot vom Dienst. (…) Ich behandle meine Assistenten nicht so.190

Diese Interview-Partnerin macht nur einmal eine Assistenz, denn das war so ein Horror, dass ich mir gesagt habe, das mach ich nie mehr für dieses Geld, weil man da sehr schlecht verdient.191

189 Vgl. dazu Ergebnisse aus der Karriereforschung. Michael Schiffinger, Mitarbeiter des Vienna Career Panel Project (ViCaPP), stellte eine „Tendenz der Führungseliten zur Reproduktion der immergleichen ‚Erfolgstypen‘ fest“: Ähnlichkeit mit der obersten Führungsebene fördere die Sympathie, die mehr als Qualifikation, Kompetenz und Leistungswille zähle. Michael Schiffinger (2008): Geschlossene Gesellschaft. Um erfolgreich zu sein: Wie die Erfolgreichen sein. In: Der Standard/KarrierenStandard, 24./25. Mai 2008, K2; vgl. auch die Längsschnittstudie zu den Karrieren von AbsolventInnen der Wirtschaftsuniversität Wien: Vienna Career Panel Project (ViCaPP), Stand: 16.03.2010, Internet-Quelle. 190 I 1, 17, 13-23. 191 I 1, 16, 30-33.

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Ein Interview-Partner, der sein Studium in einem etwas höheren Lebensalter abgeschlossen hat, schildert, dass ihn niemand als Assistenten akzeptiert hätte, denn (…) damals hätten sie einen 32-Jährigen nicht um einen Kaffee schicken können.192 Eine Interview-Partnerin verweist auf die schlechte Bezahlung der AssistenzTätigkeit: Wenn man davon leben muss, ist es nur vom Assistieren her schon schwierig.193 Sie zieht die Arbeit im Team vor, denn die Arbeit als Bühnenbildner ist für sie das Einzelkämpfer-Schicksal. Am Assistieren schätzt sie den Kontakt mit ganz ganz vielen unterschiedlichen Menschen.194 Sie nimmt einen deutlichen Geschlechtsunterschied wahr: Assistieren tun meistens die Frauen.195 Sie arbeitet gern am Theater, das hat so einen Sog. Man ist da auch viel familiärer oder aufgehoben im Kreis von Kollegen als in einem anderen Beruf.196 Obwohl die Arbeit unglaublich zeitintensiv ist, man ist nicht von 9 bis 16 Uhr, sondern von 8 oder 9 Uhr in der Früh bis 23 Uhr beschäftigt, oft ohne Pause dazwischen197, schätzt sie ihre Arbeit. Doch: Man (…) schrammt oft am Burn-out vorbei.198 Nach den Gründen dafür befragt, erläutert die Interview-Partnerin: Die Arbeit am Theater wird doch als Kunst gesehen. Das ist dann wichtiger als das Leben. Man hat immer das Gefühl, das ist jetzt das Wichtigste und wir arbeiten an etwas enorm Wichtigem. Als Assistenz sieht man das nicht immer so, aber zumindest wird es so vom Leading Team vermittelt.199

Wenn das Leading Team aufhört zu arbeiten, geht es für alle anderen weiter. Wenn der Regisseur oder der Bühnenbildner nach Hause gehen, dann müssen seine Assistenten noch weiterarbeiten (…).200 Sie betont: Es wird am Theater (…) eine enorme Wichtigkeit vermittelt, die es vielleicht realistisch betrachtet gar nicht hat. (…) da merk ich an mir, es geht an die Substanz. Das könnte auch ein Grund sein, mit dem Job aufzuhören, weil es dann einfach nicht mehr geht.201 192 I 2, 9, 5-6. 193 I 5, 4, 18-19. 194 I 5, 6, 3. 195 I 5, 10, 21. 196 I 5 17, 11-13. 197 I 5, 21, 26-27. 198 I 5, 23, 8-9. 199 I 5, 23, 17-21. 200 I 5, 23, 25. 201 I 5, 23, 26-34; 24, 1-9.

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Allerdings ist auch die Berufstätigkeit als Assistentin oder Assistent keine, die man bis 65 machen sollte, denn (…) die lassen dann nach in dem Biss.202 Bei der Frage nach Assistenzen zeigen sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede. Für die befragten Frauen ist diese Tätigkeit als Berufseinstieg bzw. als Erwerbstätigkeit trotz der überwiegend geringen Bezahlung vorstellbar und wird erprobt. Von der Interview-Partnerin, die die Teamarbeit bevorzugt, wird die Assistenz-Tätigkeit gern ausgeübt, obwohl die Vereinnahmung durch das Leading Team auch als große Belastung wahrgenommen wird. Wenn trotzdem der Einstieg gelingt und damit die Teilhabe an der Theaterarbeit, die als Kunst gilt und damit vorgeblich wichtiger als das Leben ist, scheint das für vieles zu entschädigen. Für die drei männlichen Befragten war der Einstieg als Assistent entweder aufgrund des zu diesem Zeitpunkt schon höheren Lebensalters nicht vorstellbar oder wird als Option gar nicht erwähnt. „Dann baust du?“: Berufsrealität – Der Bühnenbildner Der Interview-Partner erzählt: Wenn mich Leute fragen, was ich mache, ist es immer noch so, dass die wenigsten wissen, was Bühnenbild ist. Die meisten glauben, „ah, dann baust du?203 Auch er beschreibt Künstler als Einzelkämpfer: Das sind Inseln für sich und das ist eine große Konkurrenz. (…) Designer arbeiten zusammen, Architekten arbeiten zusammen, die Künstler können es nicht. Ich hab es versucht, war mir selbst im Weg, habe viele einfach auch als Assistenten behandelt (…).204 Nachdem er sich aus der Theaterarbeit zurückgezogen hat, meint er: Es ist sogar leichter, wenn man nicht an der Front steht, (…) weil du musst einfach harte Strukturen durchziehen, damit du entweder viel Geld verdienst oder sonst irgend etwas hast.205 Die Jahre seiner Berufstätigkeit als Bühnenbildner beschreibt er etwa so: Ich bin neun Jahre … in [Name einer Stadt] habe ich eine ganz kleine Wohnung gehabt, ich habe keine andere gebraucht, weil ich in allen Hotels unterwegs war. Hab viel mehr Geld ausgegeben als verdient. (…) Es ging um mich, es ging um meine Karriere und es gab viele Assistenten und Mitarbeiter (…).206

202 I 5, 18, 6-9. 203 I 3, 2, 6-7. 204 I 3, 20, 5-8. 205 I 3, 26, 21-24. 206 I 3, 16, 32-34; 17, 2-5.

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Dieser Interview-Partner beschreibt zum einen, dass es wenig Wissen über die Tätigkeit von BühnenbildnerInnen gibt. Zum anderen waren aus seiner Sicht, um als Künstler wahrgenommen zu werden, folgende Bedingungen erforderlich: (1) Einzelkämpfer zu sein (2) andere als Assistenten zu benutzen (3) hohe Mobilität (4) Egomanie, wie auch folgende Aussage zeigt: Man muss schon ziemlich Testosteron-überschüttet sein und affig durch die Gegend laufen und sagen „Ich bin der Starke, ich bin der Große“, um [sich] in der Kunstszene zu behaupten. Und da geht es nicht um Kommunikation, sondern da geht es nur um: ICH. ICH. ICH.207

„Wer Angst hat, hat schon vorher verloren“: Berufsrealität – die Bühnenbildnerin Eine Interview-Partnerin stellt fest: Wie ich das damals gewählt habe, habe ich keine Vorstellung gehabt, wie schwierig alles sein könnte. Es ist einem zwar schon gesagt worden, man muss ein Kämpfer sein und man muss ein Auftreten haben, um das zu schaffen, (…). Es ist eine sehr schwierige Geschichte, weil man immer eine Aufnahmeprüfung machen muss. Immer mit der Mappe unter dem Arm überall hinrennen (…). Man wird ständig neu geprüft und neu beurteilt und immer wieder sagen andere, „ja, du bist gut genug.“ Das ist total arg.208

Sie vergleicht diese Situation mit der von SchauspielerInnen, das ist bei uns [am Theater, Anm. B. B.] einfach so.209 Sie beschreibt sich als sehr selbstbewusst, übernimmt gerne Verantwortung und hat keine Angst zu scheitern. Ich denke mir, wozu Angst haben vor der Welt und vor dem Leben. Wer Angst hat, hat schon vorher verloren.210 Durch ihre Erfahrungen im Ausland akzeptiert sie sich mehr als im pubertären Alter (…), man möchte etwas darstellen, und später muss man das nicht mehr, wenn man selbstbewusst ist.211 Sie beschreibt auch ihre Anpassungsleistungen hinsichtlich seriöserem Outfit und Auftreten.212

207 I 3, 23, 1-4. 208 I 1, 30, 15-25. 209 I 1, 30, 23. 210 I 1, 13, 18-20; 14, 1-5. 211 I 1, 14, 16-18. 212 Vgl. den Abschnitt „Die Regisseure sind meist älter und trauen diesen jungen Menschen nichts zu“: Jugend und Alter, S. 237-239.

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Sie schildert ihre Erfahrungen: Wenn ich an ein Theater komme, ist es einfach so, dass ich schaue, dass ich mit den Schneidereien gut auskomme, da habe ich eigentlich nie Probleme. Das sind Persönlichkeiten, mit denen ich gut kann. Das ist ein eigener Schlag Leute. Auch den Menschen, die in den Bühnenwerkstätten arbeiten, vermittelt sie, dass man das gemeinsam macht, dann funktioniert das immer hervorragend. Man wird fast hofiert und das ist sehr schön (…).213 Nach der Premiere kommt das große Loch oder ein paar Tage Erholungspause. Aber wenn man länger nichts hat, ist das blöd, weil man es gewohnt ist, dass man Tag und Nacht schuftet (…). Ich sage immer, wir Bühnenbildner sind Auftragskünstler, ohne Auftrag tun wir nichts. Sie geht davon aus, dass Maler immer malen, weil sie müssen, und wir können nur, wenn wir gesagt bekommen, „da, mach das Stück“.214 Sie nennt Ziel-Definitionen und Nicht-ZielDefinitionen: Das war eines meiner letzten Ziele, zu sagen, ich möchte so weit sein, dass mich die Leute anrufen und sagen, „ich will mit dir arbeiten“. Und nicht, [dass] ich immer hinterherrennen muss und sagen muss, „ich möchte bitte“.215 Die Interview-Partnerin schildert, anders als ihr Kollege, vor allem die für sie bisher geltenden Bedingungen, (1) laufend selbst Akquise machen zu müssen, um beauftragt zu werden. Sie beschreibt sich als (2) sehr selbstbewusst und (3) ihre Anpassungsleistungen, um als Bühnenbildnerin und nicht als Assistentin erkannt zu werden. Sie nimmt sich auch weniger als Künstler wahr, die ihrer Vorstellung nach aus innerem Antrieb kreativ werden und nicht auf Auftrag hin arbeiten. In der Auffassung, (4) nahezu rund um die Uhr für ihre Tätigkeit verfügbar zu sein, entspricht sie den offensichtlich geforderten Rahmenbedingungen. „Diese ständigen räumlichen Distanzen“: Mobilität und örtliche Flexibilität Ein Befragter nennt vor allem die Anforderung der hohen Mobilität als Grund, die Tätigkeit zu beenden: Handwerklich war ich wirklich allen überlegen. Das ist ja auch, warum ich mich dafür [für eine verwandte Berufstätigkeit, Erg. B. B.] entschieden habe. Ich habe gesagt, „was

213 I 1, 10, 16-23. 214 I 1, 15, 27-33. 215 I 1, 30, 29-31.

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willst du lange Karriere machen [als Bühnenbildner, Erg. B. B.]? Vergiss es (…), die ganze Zeit durch die Gegend rennen oder diese ständigen räumlichen Distanzen“.216

Alle Befragten haben Erfahrungen mit mehrmaligem Wohnortwechsel, zum Teil bereits in der Jugend, für die Ausbildung, das Studium und/oder aus beruflichen Gründen. In den überwiegenden Fällen handelt es sich um Ortswechsel innerhalb von Österreich. Eine wesentliche Voraussetzung für die Arbeit als BühnenbildnerIn ist örtliche Flexibilität und Mobilität. Ein Interview-Partner geht nach dem Diplom ins Ausland, er erhält Angebote, entschließt sich aber aus familiären Gründen nach Österreich zurückzukehren. Eine Interview-Partnerin hat zum Zeitpunkt des Berufseinstieges Auslandserfahrungen und ein Interview-Partner ist bereit, nach dem Studienabschluss ins Ausland zu gehen. Es sind die drei Befragten, die im Beruf arbeiten bzw. längere Zeit gearbeitet haben. „Männer haben es leichter, denn sie finden viele Frauen, die ihnen helfen“: Wahrnehmungen zu Unterschieden von Frauen und Männern Eine Interview-Partnerin hatte an den beiden Universitäten, an denen sie Theater- bzw. Bühnengestaltung studierte, jeweils nur einen Kollegen. Sehr interessant fand sie, dass beide extreme Comic-Fans waren, sie geht zwar dabei von einem Zufall aus und stellt trotzdem fest, dass dies eine Ebene ist, die Frauen eher weniger begeistert. Sie schildert, ihr falle bei Männern auf, dass sie viel mehr Spielereien, Verwandlungen und technischen Schnickschnack in ihren Bühnenbildern haben. Während sie die Arbeiten von Frauen so beschreibt: Sie arbeiten viel mehr mit Atmosphäre und was der Raum gefühlsmäßig vermittelt. Viel feiner, viel weniger auf Effekt, mehr auf, ja, …, ich glaube Atmosphäre ist das richtige Wort, dass sie die richtige Welt transportiert.217 Ihr ist auch wichtig, festzuhalten, dass das ihre subjektive Meinung sei und dies mit jeder Person wieder anders sein könne, dass sie es aber in der Mehrzahl so beobachtet hätte. Eine Interview-Partnerin stellt ebenfalls bereits im Studium deutliche Unterschiede zu ihren Kollegen fest und beschreibt zwei von ihnen so: (…) beide im fortgeschrittenen Alter (…), beide mit einem sehr realistischen Blick ausgerüstet und mit sehr konkreten Vorstellungen, dass sie das auch wirklich machen wollen.218 Zusätzlich hätten diese Kollegen sofort erkannt, dass sie als Team stärker

216 I 2, 36, 15-18. 217 I 1, 22, 16-26. 218 I 4, 17, 24-27.

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sind, denn als Einzelkämpfer. Außerdem konnten sie gut miteinander (…).219 Sie nahm wahr, dass die Männer grundsätzlich bündnisfähiger seien, mit mehr Realitätssinn ausgestattet, mit mehr Bewusstheit über das, was sie brauchen und wie sie es bekommen. Und tendenziell: Männer haben es leichter, denn sie finden viele Frauen, die ihnen helfen.220 Auch ihr ist dabei wichtig festzuhalten, dass sie nicht wisse, ob sich das strukturell feststellen lässt. Eine Interview-Partnerin, die vor allem Erfahrungen im Bereich des Assistierens hat, sagt, dass wir [Frauen, Erg. B. B.] schon diplomatischer sind. Sie erlebt bei männlichen Kollegen, dass diese zielstrebiger sind und deutlich formulieren, „ich mach das jetzt zwei Jahre, aber ich will woandershin“. Dabei sind ihres Wissens die männlichen Kollegen auch geblieben, während die Frauen eher beim Assistieren kleben bleiben.221 Sie stellte auch einen anderen Umgangston fest, die Kollegen sind härter … greifen härter durch. Sie geht davon aus, dass ihre persönliche Art, zu Ergebnissen zu kommen, anders und für das Assistieren von Vorteil ist, aber natürlich im Umkehrschluss [einer Frau, Erg. B. B.] die nötige Härte fehlt, sich als Bühnenbildner durchzusetzen und zielstrebig den Weg zu gehen.222 Die Zielstrebigkeit der Männer wird von einem Interview-Partner, der das Studium aufnahm, um damit die Lehrberechtigung für Bildnerische Erziehung zu erwerben, bestätigt: Männer interessieren sich hauptsächlich einmal dafür, einen Job zu suchen, mit dem man wirklich Geld verdienen kann. Er bekräftigt, dass Männer ihre Berufswahl ökonomisch ernsthaft überlegen müssen, denn Männer verdienen Geld oder Männer sind orientierter daran, (…) weil die Option zu heiraten und Hausmann zu werden, für sie unrealistisch sei.223 Der Absicht, viel Geld zu verdienen, widerspricht ein Interview-Partner: Wir sind nicht ins Bühnenbild-Studium gegangen, um ganz viel Geld zu verdienen. Schon auch um Geld zu verdienen, es hat nie jemand gesagt, dass Künstler ausschließlich arm sein müssen.224 Zu den Unterschieden von Frauen und Männern meint er: Ich könnte nicht sagen, dass Frauen bessere oder schlechtere Räume machen, aber wir haben in der Kunst eher eine strengere Struktur sogar noch als in der Wirtschaft, wo Frauen immer noch nichts zu sagen haben.225 Er beschreibt, dass seiner Wahrnehmung nach künstlerisch tätige Frauen sozialer und 219 I 4, 18, 16-17. 220 I 4, 20, 1-4. 221 I 5, 10, 26-31. 222 I 5, 11, 1-8. 223 I 6, 35, 31-34. 224 I 3, 26, 26-28. 225 I 3, 18, 33-34; 19, 1.

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organisierter sind und das ist aber gerade bei diesen ganzen Eitelkeiten ein Problem.226 Er arbeitet gerne mit Frauen, weil sie viel strukturierter und besser in der Kommunikation sind, das sagt die Hirnforschung ja auch. Er kommt dann auf seinen bisher einzigen Assistenten zu sprechen, das war der [Name] und der war genial. (…) so belesen, dass wir unheimlich viel Spaß hatten, was uns in der Arbeit aber nicht so viel gebracht hat. (…) das war ein Lebensabschnittspartner, definitiv.227 Als wahrgenommene Unterschiede von Frauen und Männern wurde von den Befragten Unterschiedliches beschrieben. In Bezug auf Bühnenraumgestaltungen wird Frauen bescheinigt, mehr mit Atmosphäre zu arbeiten. Frauen werden als diplomatisch, strukturiert und organisiert charakterisiert, das wird jedoch als Hindernis für die öffentliche Anerkennung gesehen. An Bühnenraumgestaltungen von Männern werden mehr Effekte und Spielereien bemerkt. Männer werden als bündnisfähig, zielstrebig und an der Realität orientiert wahrgenommen, ihnen hilft, dass sie, mehr als Frauen, auf die Hilfe von Frauen zählen können. An den vorsichtig und differenziert formulierten Wahrnehmungen kann erkannt werden, dass Wissen über die Brüchigkeit von Identitäten und Geschlechterrollen vorliegt. „Und der Rest sind Frauen“: Hetero- und Homosexualität Diese Thematik wird von zwei der Befragten angesprochen: hinsichtlich männlicher Homosexualität und Kostümbild, einem klassisch weiblichen Berufsfeld, das überwiegend von Frauen ausgeübt wird.228 Ein Interview-Partner fasst zusammen: Was mir im Nachhinein aufgefallen ist, (…) dass ich keinen Hetero kennengelernt habe, der derartig viel Spitzen-Fingerfertigkeit für Kostüme hat wie die ganzen Kostümbildner, wenn sie schwul sind.229 Eine Interview-Partnerin stellt fest: Ich kenne ganz wenige Kostümbildner, die sind alle homosexuell. (…) Und der Rest sind Frauen.230

226 I 3, 22, 33-34. 227 I 3, 21, 31-34; 22, 1-4. 228 Wie bereits im Kap. 3 festgestellt, ist eine genauere Untersuchung zum Beruf KostümbildnerIn noch ausständig. Der im Abschnitt 2.3 besprochenen Literatur ist zu entnehmen, dass Kostüme bei Theateraufführungen mehrheitlich von Frauen gestaltet wurden und werden. 229 I 3, 19, 3-5. 230 I 5, 12, 9-11.

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Obwohl davon auszugehen ist, dass überwiegend Frauen als Kostümbildnerinnen arbeiten, wird explizit die Spitzen-Fingerfertigkeit der schwulen Kostümbildner lobend erwähnt, während eine Spitzen-Fingerfertigkeit von Kostümbildnerinnen offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Die Mehrheit der Kostümbildnerinnen wird als Rest bezeichnet. Pierre Bourdieu hielt dazu fest, dass „dieselben Aufgaben rühmlich und schwierig sein können, wenn sie von Männern, oder leicht, belanglos und unwichtig, wenn sie von Frauen erfüllt werden“.231 Zum Themenfeld Hetero- und Homosexualität im Theater wurde festgestellt, dass die Institution Theater, wie aus Gender-Perspektive, auch mit diesem Fokus bisher kaum beforscht wurde.232 Es kann davon ausgegangen werden, dass, noch mehr als die Auseinandersetzung mit Gender oder Ethnizität, die Inhalte Heteronormativität oder Homosexualität in Verbindung mit der Institution Theater ein Tabu-Gegenstand sind. In der Kunst- und Literaturwissenschaft gibt es bereits einzelne Beiträge, exemplarisch wird hier Whitney Davies genannt, der dazu feststellte: „Daher kann der Beweis für gleichgeschlechtliches Begehren oder sogar gleichgeschlechtliche Praktiken und Institutionen in der Kunst gerade in der Abwesenheit eines Beweises liegen.“233 „Das goldene Seil“: Männerstudium – Frauenberuf oder umgekehrt? Ein Interview-Partner schildert auf die Frage, ob es in den 1970er Jahren Bühnenbildnerinnen gegeben hat:

231 Bourdieu (2005), S. 106-108. 232 Es konnten kaum Interviews mit Theaterschaffenden mit Fragen zum Thema Homosexualität gefunden werden. Eine Ausnahme: vgl. Irene Bazinger (2009): „Man fühlt sich wie der liebe Gott persönlich“. Interview mit der Regisseurin Andrea Breth. In: Theater heute 3, S. 30-33, hier: S. 33. 233 Whitney Davies (2006): Auszug aus: Schwulen- und Lesbenforschung und Queer Theory in der Kunstgeschichte. In: Anja Zimmermann (Hg.) (2006b): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung, Berlin, S. 53-60, hier: S. 54 [Herv. i. Orig.]. In der Literaturwissenschaft zuletzt: Miriam Dreysse (2011): Heterosexualität und Repräsentation. Markierungen der Geschlechterverhältnisse bei René Pollesch. In: Gaby Pailer/Franziska Schößler (Hg.): GeschlechterSpielRäume. Dramatik, Theater, Performance und Gender, Amsterdam, New York (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik 78), S. 357-370.

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Da waren die Frauen noch nicht so weit, dass sie sich in sogenannte Männerberufe hineingewagt hätten. Ich muss ja … trotzdem ich dafür bin, muss ich sagen, es ist nicht immer glücklich. Aber es sind die Männer auch nicht immer glücklich.234

Er stellt fest: Es ist kein Männerberuf, aber es war Jahrzehnte ein Männerberuf. Es gab bestenfalls Kostümbildnerinnen, aber keine Bühnenbildnerin.235 Hie und da hat eine Bühnenbildnerin vielleicht die Chance bekommen, ein Kindertheater auszustatten (…).236 Seine Erklärung dafür lautet: Männerseilschaft. Regisseure. Es gab ja auch keine Regisseurinnen. Das goldene Seil.237 Er sagt, dass es keine Ausgebildeten gegeben hätte.238 Es hat auch keiner den Gedanken verloren, da jemand heranzuziehen, solange der Regisseur den Bühnenbildner gekannt hat, oder jemanden, dem er es zugetraut hat.239 Er erinnert sich auch an berufliche Rahmenbedingungen; so gab es bis in die 1990er Jahre sogenannte Hausbühnenbildner,240 also angestellte Ausstattungsleiter, hingegen keine Ausstattungsleiterinnen. Dass mittlerweile aus seiner Sicht mehr Frauen an den Theatern arbeiten, beobachtet er seit fünfzehn bis zwanzig Jahren: Da haben sich schon ein paar Mann-Frauen als Regisseure durchgesetzt,241 die auch Bühnenbildnerinnen einsetzen. In Graz, am Schauspielhaus, nimmt er es so wahr: Es sind Frauen und Frauen, Regisseurinnen und Bühnenbildnerinnen. Bei Männern, weiß ich nicht, die [Name der Intendantin] holt jetzt sehr viele Frauen in allen Bereichen.242 Dass mehr Frauen Bühnengestaltung studieren und dennoch mehr Männer im Beruf arbeiten und auch die meisten Regisseure seiner Wahrnehmung nach Männer sind, ist für einen weiteren Befragten seltsam. Eine Erklärung aus seiner Sicht ist: Das waren immer nur Männergesellschaften. (…) Die Gleichstellung wird immer noch verschleppt und das zieht sich genauso in den wirtschaftlichen wie in künstlerischen Bereichen durch.243

234 I 2, 21, 2-6. 235 Diese Aussage widerspricht den erarbeiteten Erkenntnissen, vgl. Kapitel 3. 236 I 2, 29, 25-28. 237 I 2, 29, 31-33; 30, 1. 238 Diese Einschätzung stimmt mit den erhobenen Daten nicht überein. Vgl. Punkt 4.5. 239 I 2, 30, 9-11. 240 Vgl. Schelepa et al. (2008), S. 55-72, hier: S. 55-57. 241 I 2, 30, 14. 242 I 2, 30, 25-27. 243 I 6, 36, 21-26.

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Eine Interview-Partnerin stellt fest, dass in der Berufswelt vor ein paar Jahren noch viel mehr Männer waren, mittlerweile hält es sich jetzt die Waage.244 Sie befindet, das ist weder ein typischer Frauen- noch Männerberuf. Sie geht nicht davon aus, dass Frauen prinzipiell weniger von Technik verstehen, denn das ist nur eine Frage des Interesses,245 und bemerkt, der Nachschub ist einfach besser verteilt.246 Die genannten Interview-Partner bestätigen überwiegend die Wahrnehmung, dass der Beruf BühnenbildnerIn ein Männerberuf war, es aber mittlerweile nicht mehr ist. Konkret benennen sie als Gründe, warum Frauen den Beruf seltener ergreifen (können): Männer-Seilschaften und Männer-Gesellschaften. Ein Interview-Partner stellt bereits Frauen-Seilschaften fest, während eine InterviewPartnerin eine Gleichstellung im beruflichen Zahlenverhältnis erkennt. „In der Arbeit ist das sowieso kein Thema“: Sprachform – geschlechtssensibel? Auffällig ist, dass eine geschlechtssensible Sprache, in der Frauen und Männer benannt werden, auch bei den Interview-PartnerInnen die Ausnahme ist. Eine Interview-Partnerin begründet das so: Ich finde die Betonung der weiblichen Form bei jeder Gelegenheit übertrieben – für mich sind Männer und Frauen gleich und gleichgestellt (obwohl ich weiß, dass Österreich eigentlich noch nicht so weit ist, möchte ich trotzdem dran glauben) und daher ist das für mich eine Verallgemeinerungsform. Ich hasse beispielsweise auch Stellenausschreibungen der Universitäten: Frauen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt: Das ist für mich Unsinn – der bessere Kandidat sollte den Job bekommen und es gibt immer einen, der besser ist – und dieser Satz hört sich dann für mich schon wieder diskriminierend an – daher verzichte ich einfach auf diese Dinge.247

Eine Interview-Partnerin, der eine geschlechtssensible Sprache aus ihrem freundschaftlichen Umfeld vertraut ist, beschreibt es als Gewohnheit, die männliche Sprachform zu verwenden, in der Arbeit ist das sowieso kein Thema, ihr ist es wichtiger, durch Taten in Männerdomänen einzudringen.248 244 I 1, 21, 22-25. 245 I 1, 21, 22-29. 246 I 1, 22, 11. 247 Aus einer schriftlichen Mitteilung auf Nachfrage per eMail vom Oktober 2009. 248 I 5, Situationsprotokoll, Notiz zu Ergänzungen nach der Aufnahme.

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Die Interview-Partner zeigten sich in der Verwendung einer geschlechtssensiblen Sprache etwas flexibler und verwenden unter anderem weibliche und männliche Berufsbezeichnungen. Nachdem alle Befragten über den Fokus der Interviews hinsichtlich der Geschlechterverhältnisse im Beruf informiert waren, kann die deutliche Ablehnung der Interview-Partnerinnen einer weiblichen Sprache als Abgrenzung verstanden werden. Denn nach wie vor scheint es erforderlich, das eigene Geschlecht nicht zu nennen, um Stellen zu erreichen, die, laut Pierre Bourdieu, „maßgeschneidert sind für Männer, deren Männlichkeit durch Entgegensetzung zu den heutigen Frauen konstruiert wurde“.249 „Es ist ein Störverhältnis“: Vereinbarkeit von Beruf mit Partnerschaft und Kindern Eine Interview-Partnerin beschreibt, dass ihr vorheriger Partner eine normale Anstellung hatte, da hätte sie sich Kinder gut vorstellen können. Ihr jetziger Partner ist ebenfalls freischaffender Künstler, und jetzt ist das ein sehr schwieriges Thema. Auch sieht sie an ihrer Schwester, die eben ein Baby bekommen hat, was das bedeutet: Das geht sich eigentlich nicht aus. Ich weiß gar nicht, ob sich das irgendwann ausgeht. Da muss man wirklich viel Geld haben, dass das geht. Weil wir beide immer unterwegs sind, oft nicht gemeinsam. Und weil wir nie wissen, wie viel Geld wann reinkommt.250

Sie geht davon aus, dass man eine private Kinderfrau [bräuchte], weil man will es ja nicht da lassen und monatelang nicht da sein. (…) Meinen Job möchte ich auf keinen Fall aufgeben. Sie möchte auch nicht zu lange pausieren, denn sie hat an Kolleginnen festgestellt, dass diese weniger engagiert werden, wenn sie Kinder haben, weil die Produktionsbeteiligten merken, dass sie nicht so greifbar sind und das stört die meisten doch.251 Die Männer im Theater nimmt sie als sehr emanzipiert wahr, auch als brave Familienväter, die sagen, „ich gehe jetzt heim, weil ich Kinder habe“. Dass Kollegen deswegen weniger engagiert werden, verneint sie. Als Grund dafür nennt sie: Bei den Frauen merkt man es noch mehr, dass sie Mütter sind, weil diese schon trotzdem zu Hause mehr Verantwortung tragen, vor allem wenn ihre Männer nicht beim Theater sind. Sie kommt noch einmal auf die Geldfrage zurück: Wenn man ein Kind hat, muss halt Geld rein-

249 Bourdieu (2005), S. 111-112. 250 I 1, 20, 1-9. 251 I 1, 20, 15-24.

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kommen. So können wir sagen, „gut, leben wir halt bescheidener“. Aber mit einem Kind so zu leben, das möchte ich nicht.252 Eine Interview-Partnerin, die aktuell allein lebt und keine Kinder hat, erzählt ebenfalls, dass sie große Ängste hatte, ein oder zwei Jahre zu pausieren, denn: Komm ich dann überhaupt wieder rein oder verlier ich ganz die Kontakte? (…) Man kann einmal ablehnen, ein zweites Mal wird es schon eng, aber wenn man ein drittes Mal sagt, ich hab keine Zeit oder bin grad in Babypause, dann kommen halt jüngere neue … nach und dann ist man weg.253

Schwierig war auch, dass sie lange Zeit zwei beruflich bedingte örtlich verschiedene Lebensmittelpunkte hatte, und auch daran sei es gescheitert, Kinder zu bekommen. Sie kennt jedoch Bühnenbildnerinnen aus Deutschland, die ihren Beruf mit Mutterschaft vereinbaren. Sie findet es immer ein bisschen schwierig und eine Gratwanderung. Bei den Bühnenbildnern stellt sie fest, dass diese auch nicht von Montag bis Freitag anwesend sind. Aus welchen Gründen der wieder wegfliegt, ist dann nebensächlich. Sie beschreibt, wenn man weiß, dass jemand Kinder hat, stehe das bei den Männern nicht so im Vordergrund. Und bei Frauen fragt man automatisch: „Wie machst du das?“ Väter haben das Problem nie so sehr. Sie sieht das am Theater auch bei Regisseurinnen und Schauspielerinnen, nur wenn der Name groß genug ist, dann ist es kein Problem, da hat man wahrscheinlich die Kinderfrau dabei und dann lässt sich das alles regeln. 254 Eine Interview-Partnerin, die Kinder hat, beschreibt ihre Tätigkeit als sehr belastend, denn jede freie Minute geht für [die künstlerische Arbeit] auf, das ist auch für die Heranwachsenden sehr belastend. Es ist ein Störverhältnis. Es ist so, das brauchen wir gar nicht wegleugnen. Künstlerschaft mit Mutterschaft zu vereinen, das ist eine Kunst.255 Ein Interview-Partner schildert die Reaktion seines Professors nach der Aufnahmeprüfung: Sie sind talentiert“, (…) „aber was wollen Sie hier, Sie können Ihre Familie nicht ernähren. Ich habe gesagt, das soll er meinen Kaffee sein lassen.256 Die Entscheidung für das Studium und den Beruf führte zur Zerrüttung seiner damaligen Partnerschaft. Er schlug auch berufliche Angebote wegen seiner Kinder aus. In den Sommerferien übernahm er die Betreuung seiner Kinder,

252 I 1, 21, 6-9. 253 I 5, 21, 1-12. 254 I 5, 22. 255 I 4, 12, 1-5. 256 I 2, 6, 27-29.

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die ihn bei seiner Arbeit begleiteten. Er bedauert, dass seine mittlerweile erwachsenen Kinder keine künstlerischen Berufe ergriffen haben.257 Ein Interview-Partner beschreibt, dass er vor allem in der Zeit, in der er freiberuflich als Künstler tätig war, zeitlich sehr flexibel war: Ich habe es mir so eingeteilt, wenn sie [meine Partnerin] Dienst hatte, hab ich auf [Name seines Kindes) aufgepasst, die Windeln gewechselt und Blödsinn gemacht und so. Für das Kind war das schon ideal, glaube ich. … Ich habe dann am Abend gearbeitet. Seine Partnerin, die bei dem Interview anwesend ist, stellt fest: Der [Name] ist der einzige Mann, der … überhaupt keinen Unterschied macht zwischen Männern und Frauen.258 Ein Interview-Partner stellt fest, dass in der Hochphase seiner Arbeit als Bühnenbildner Partnerschaft und Kinder nicht möglich gewesen wären. Er hatte zu dieser Zeit zwar Partnerinnen, teilweise haben sie auch gewusst voneinander. (…) ich hab diese Zeit im Nachhinein als Single-Beziehung bezeichnet.259 Zur aktuellen Vereinbarkeit von Beruf und Familie äußert er sich nicht, dafür aber seine Partnerin, die hier auch beim Interview anwesend ist: Du bist ein untypischer Mann. Die meisten Männer hätten nicht zugelassen, dass ich nebenbei studiere. [Du hast] viel auf die Kinder auch geschaut.260 Dieser Interview-Partner kennt auch viele Paare, vor allem im Schauspiel, wo die Frauen zugunsten des Mannes den Job aufgegeben haben.261 Bei diesem Thema zeigen sich die deutlichsten wahrnehmbaren Unterschiede der Interview-Partnerinnen und -Partner. Zum Interview-Termin lebten die befragten Männer in Partnerschaft, alle haben Kinder. Eine Befragte hat Kinder und lebt ohne Partner. Zwei der Interview-Partnerinnen haben keine Kinder (eine in Partnerschaft und eine lebt als Single).262 In den meisten Interviews beziehen sich die Aussagen zur Vereinbarkeit des Berufes auf Elternschaft und Kinder. Die Vereinbarkeit des Berufes BühnenbildnerIn mit Partnerschaft wird von einer Interview-Partnerin und von zwei Interview-Partnern als kaum möglich thematisiert. Mutterschaft wird von allen drei Interview-Partnerinnen und von einem Befragten als nicht oder schwer mit dem Beruf vereinbar geschildert. Zwei Interview257 I 2, 36, 32-34; 37, 4-9. 258 I 6, 34, 13-33. 259 I 3, 17, 3-4. 260 I 3, 23, 33-34. 261 I 3, 25, 9-10. 262 In Österreich sind Sozialwissenschafterinnen, Künstlerinnen, Theologinnen und Journalistinnen besonders oft kinderlos. Vgl. Regina Pöll: Kinderarme Akademikerinnen: Jede Dritte bleibt ohne Familie. In: Die Presse, 09.03.2010, S. 2.

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Partner konnten ihr Vater-Sein mit dem Beruf verbinden und für einen Interview-Partner werden Kinder erst mit der jetzigen Partnerin und der Reduktion seiner Tätigkeit als Bühnenbildner möglich. „Erfolg ist individuell“: Spaß, Zufriedenheit, Anerkennung, Erfolg Die jüngste Interview-Partnerin beschreibt: Das Wichtigste am Erfolg ist, dass man Spaß hat, an dem, was man tut, und selber findet, dass es gut ist und die Leute, mit denen man arbeitet.263 So beschreibt das auch der älteste InterviewPartner: Mir war das Wichtigste, dass mir die Arbeit Spaß macht, egal welche ich mache, und dass ich zur Arbeit einen Zugang finde, den ich auch verstehen kann (…).264 Einer Interview-Partnerin ist ebenfalls wichtig, das zu arbeiten, was sie gerne macht und was mir Spaß macht, was ich sinnvoll finde und was für mich sicher richtig ist.265 Erfolg ist für sie, wenn ich Bestätigung bekomme, von meinen direkten Vorgesetzten, dass ich gute Arbeit leiste und … ich werde auch wieder angefragt … Erfolg heißt für mich auch, in einem funktionierenden Team zu arbeiten, wo das Klima passt.266 Ein Interview-Partner beschreibt ebenfalls, dass er Erfolg an den Rückmeldungen anderer misst: Zum einen nennt er Erfahrungen aus seiner Zeit als freiberuflicher Künstler, zum anderen positive Rückmeldungen aus seiner aktuellen Berufstätigkeit.267 Für eine Interview-Partnerin besteht Erfolg aus zwei Teilen: Als erstes einmal, dass man mit dem Erarbeiteten, dem Ergebnis zufrieden ist. Das ist die eine Säule. Dann: Anerkennung, Wertschätzung, Lohn, entweder durch Verkauf oder durch Preise, Stipendien, die einem zuerkannt werden, oder wenn man ein zweites Mal wohin eingeladen wird.268

Ein Interview-Partner fasst zusammen: Es gab eine Zeit, da war ich zynisch und habe gesagt „Überleben ist 50 Prozent von Erfolg und Karriere“, langen Atem haben. (…) Bei mir ist es [jetzt] die Umgebung wahr263 I 1, 27, 12-14. 264 I 2, 37, 22-24. 265 I 5, 17, 1-8. 266 I 5, 24, 17-21. 267 I 6, 31, 24-26; 32, 2-3. 268 I 4, 20, 8-20.

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nehmen, sich wahrnehmen, schauen, dass man so viel wie möglich wahrnimmt und geht, wenn man sich nicht mehr wohl fühlt, und das macht, was man denkt, was Sinn macht. Erfolg liegt letztendlich in einem, dass man die Zufriedenheit findet und die Ausgewogenheit. (…) Erfolg ist individuell.269

Fünf Interview-PartnerInnen betonen, wie wichtig es ihnen ist, eine Arbeit zu haben, die ihnen Freude und Spaß und sie selbst zufrieden macht.270 Als wesentlich wird von den Interview-PartnerInnen auch die Anerkennung anderer für ihre Arbeit genannt. Nur eine Befragte nennt deutlich monetäre Gründe wie Verkauf, Preise oder Stipendien als Indikatoren für Erfolg. Das kann so interpretiert werden, dass für die anderen Befragten die Tatsache, von ihrer Arbeit leben zu können, als selbstverständliche Voraussetzung gesehen wird und der Erfolg erst darüber hinaus mit Spaß und Anerkennung gleichgesetzt wird. Für einen InterviewPartner bedeutet Überleben die eine Hälfte von Erfolg und Karriere, mittlerweile sind für ihn der Sinn einer Tätigkeit und seine Zufriedenheit in den Vordergrund gerückt. Die Aussagen der Interview-PartnerInnen zum Thema Erfolg zeigen, wie bei Kreativ-Tätigen festgestellt wurde, dass intrinsische Berufsziele wie inhaltliches Interesse oder Spaß an der Arbeit höher bewertet werden als Karriereentwicklung oder Einkommensmaximierung.271 Zusätzlich ist für die Befragten die Anerkennung anderer wesentlich, um sich als erfolgreich zu bezeichnen. 5.2.4 Fazit zur qualitativen Untersuchung Die Interviews mit sechs AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität in Graz hatten zum einen das Ziel, individuell-biografische Gründe sowie gesellschaftlich wirkende Strukturen für oder gegen die Berufsausübung als BühnenbildnerIn zu erfassen. Exemplarisch wurden die Gründe für den Gender-Gap zwischen Studium und Berufsausübung, also die Tatsache, dass nach wie vor Frauen als Bühnenbildnerinnen selten sind beziehungsweise überwiegend Männer den Beruf Bühnenbildner, besonders in besser bezahlten Positionen, ausüben, aufgezeigt.

269 I 3, 25, 30-32; 26, 2-4; 26, 19-20 und 32. 270 Vgl. auch den Abschnitt „Nirgendwo kann man so schwer Geld verdienen wie in der Bühnenbild-Branche“: Berufswahl BühnenbildnerIn oder nicht, S. 232-237. 271 Vgl. zum Beispiel: Hubert Eichmann/Jörg Flecker/Sybille Reidl (2007): „Es ist ja ein freies Gewerbe…“ Arbeiten in der Wiener Kreativwirtschaft, Endbericht, Wien, S. 33.

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Zum anderen sollten Schlüsselerfahrungen in diesem Prozess und allfällige Veränderungen in den Rahmenbedingungen seit den 1970er Jahren (Installierung der Studienrichtung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz im Jahr 1973) sichtbar gemacht werden. Zusätzlich sollten von den InterviewPartnerInnen eingebrachte weitere Themenstellungen aufgegriffen und interpretiert werden. Hinsichtlich der biografischen Motive, das Studium zu ergreifen, konnte festgestellt werden, dass bei fünf Befragten bereits früh das eigene Interesse und bei einem Befragten das familiäre Umfeld den Weg zu einer gestaltenden Tätigkeit eröffneten. Das Studium wurde trotz des geschilderten familiären Widerstandes gewählt und ist den Interview-Partnerinnen mehrheitlich in positiver Erinnerung. Nur eine Befragte zeigte Enttäuschung über das Studium. Empfehlungen zu Veränderungen wurden in Hinsicht auf die Aufnahme von wirtschaftlichen/unternehmerischen Inhalten in den Studienplan, mehr Vorbereitung auf die Berufspraxis sowie mit der Anregung, das Studium als postgraduelle Ausbildung anzubieten, genannt. Für den Berufseinstieg wurden die Kontakte zu Regie- und Theaterverantwortlichen, zu UnterstützerInnen im weiteren Sinn als besonders wesentlich hervorgehoben. Die Bedeutung von Sympathie statt Leistung für den gelungenen Berufseinstieg und die Wichtigkeit, eine Persönlichkeit zu sein, die den Maßstäben der Theaterszene entspricht, wurden vor allem von jenem Interview-Partner betont, der auf eine langjährige und erfolgreiche Zeit als Bühnenbildner zurückblicken kann. Bei dieser Frage wurde besonders deutlich, dass nach Ansicht der Interviewten ein/e BühnenbildnerIn eine/n RegisseurIn braucht, um erfolgreich zu sein. Diejenigen der Interview-PartnerInnen, denen es nicht gelang, bereits im Studium oder knapp nach Studienabschluss eine solche Zusammenarbeit aufzubauen, ergriffen den Beruf entweder gar nicht oder verließen ihn bald wieder. Zusätzlich wurde auf die Bedingungen von hoher Mobilität, nahezu rund um die Uhr geltender Verfügbarkeit für das Theater und den Willen, eine künstlerische, exklusive Tätigkeit anzustreben, bei der nicht ein hohes Einkommen, sondern die Freude an der Arbeit das Wichtigste ist, hingewiesen. Wie fordernd die Tätigkeit einer/eines Bühnenbildnerin/-bildners sein kann, zeigte sich an der Thematisierung gesundheitlicher Auswirkungen, die bis zum Burn-out gehen können und in einem Fall dezidiert zum Ausstieg aus dem Beruf führten. Der Beruf veränderte sich seit den 1970er Jahren von einem Männerberuf zu einem Beruf, der mittlerweile grundsätzlich auch Frauen offensteht. Dem gegenüber stehen die Strukturen in der Kunst und an den Theatern; sie wurden vor allem von den Interview-Partnern als diffus, hierarchisch und undurchdringbar be-

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schrieben. Während die Interview-Partnerinnen nicht männliche Machtstrukturen, sondern überwiegend die Schwierigkeiten, den Beruf mit einem Familienleben, besonders Mutterschaft, verbinden zu können, als Hindernis benannten, äußerten die Interview-Partner die Tatsache von auch gegenwärtig noch bestehenden Männer-Seilschaften als Grund für den Gender-Gap zwischen Studium und Berufsausübung. Ob Jugend oder im Gegenteil ein höheres Lebensalter für einen erfolgreichen Berufseinstieg förderlich ist, wurde von den Befragten kontrovers geschildert. Für die Interview-Partnerinnen erschien ein höheres Lebensalter vorteilhaft, während die Interview-Partner eher Jugend als förderlich erlebten. Deutlich benannt wurden die Unterschiede von Frauen und Männern im Hinblick auf die Zuständigkeiten von Frauen für Kinder, Partnerschaft und reproduktive Arbeit und von Männern für das Familieneinkommen. Für die befragten Frauen ist die Vereinbarkeit des Berufes mit Kindern entweder nicht vorstellbar, (noch) nicht realisierbar oder schwierig. Es scheint ihnen bewusst zu sein, dass es nicht allein darum geht, den Beruf mit Mutterschaft zu verbinden, sondern dass die Mutterrolle auch bedeutet, für die reproduktive Arbeit (emotionale Versorgung von Partner(in), Kindern, Organisation des Familienlebens, Ernährung, Kleidung etc.) in einer Familie zuständig zu sein. Die befragten Männer haben alle Kinder und beschreiben überwiegend, wie es ihnen gelang, Beruf und Kinder zu vereinbaren. Doch: Der Interview-Partner, der längere Zeit als Bühnenbildner tätig war, realisierte seinen Wunsch nach einem Familienleben erst in der Zeit, als er nicht mehr hauptberuflich als Bühnenbildner tätig war. Homosexualität in der Institution Theater wurde von zwei Befragten als eigener Inhalt thematisiert. Zu dieser Thematik, die als Tabuthema bezeichnet werden kann, liegen bisher kaum theaterwissenschaftliche Reflexionen vor. Die im Theaterbereich übliche Verwendung der männlichen Sprachform erfährt erst dann eine Veränderung, wenn (Berufs-)Erfahrungen aus anderen Wissensbereichen vorliegen. Erfolg wurde von den Interview-PartnerInnen überwiegend so definiert: Spaß an der Arbeit zu haben und von anderen anerkannt zu werden, und weniger damit, durch die Tätigkeit ihr Einkommen zu erhöhen. Damit unterscheidet sich die Erfolgsdefinition der Befragten von der in dieser Arbeit gewählten Definition von Erfolg, in der zum einen die Anerkennung in der Gesellschaft, nachvollziehbar in der Fachliteratur oder an Auszeichnungen und Preisen, und zum anderen die Erreichung gut bezahlter Stellen wie Professuren im Mittelpunkt steht. Von den Interview-PartnerInnen wurde weder das Erreichen einer Professur als Berufsziel noch der Wunsch genannt, in der Fachliteratur präsent zu sein. Es kann vermutet werden, dass den Befragten bewusst ist, dass zum Erreichen dieser Zie-

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le und Wünsche noch weiterer Einsatz und zusätzliche Förderung erforderlich ist. Die Vermutung zu untersuchen, wäre Gegenstand einer eigenen Studie. Ein weiteres Fazit der qualitativen Befragung, wie ein Berufseinstieg und der Verbleib im Beruf gewährleistet werden, ergibt das Bild, dass der Einstieg in den Beruf und die Tätigkeit als BühnenbildnerIn hohe Anforderungen umfassen: (1) die Begeisterung für das Fach und das Theaterleben nahezu rund um die Uhr; (2) das Leben im Theater und in der Kunst erleben zu wollen; (3) zu akzeptieren, dass Männer-Seilschaften und sich konkurrierende Brüderhorden (Ulrike Haß) den Ton angegeben; (4) früh Kontakte zu Regie- und Theaterverantwortlichen aufzubauen, diese Kontakte kontinuierlich zu pflegen und zumindest eine teilweise Unterordnung zu akzeptieren; die Bereitschaft anzuerkennen, dass (5) Sympathie mehr zählen kann als Leistung; (6) hohe, internationale Mobilität; der überwiegende Verzicht (7) von Frauen im Beruf auf Partnerschaft und Kinder; die (8) Ambivalenz der Bedeutung von Jugend und Alter für Frauen und Männer zu erkennen; die Anpassung an eine (Berufs-)Welt, in der (9) Genie männlich konnotiert ist und großen Egoismus erfordert und in der (10) Geschlecht nicht benannt werden darf. Für Männer, die Bühnenräume gestalten und davon leben wollen, heißt das, dass für sie sechs (3., 4., 6., 7., 9. und 10. Punkt) der zehn genannten Punkte eher ihrer Sozialisation und ihrer Performance als Mann in dieser Gesellschaft entsprechen. Das kann so interpretiert werden, dass die mittlerweile weniger gewordenen Männer, die als Bühnenbildner diplomieren, nach wie vor mehr als ihre Studienkolleginnen davon ausgehen können, in diesem Beruf erfolgreich zu werden. Für Frauen, die Bühnenräume gestalten und davon leben wollen, bedeutet das, dass trotz ihrer seit über zwanzig Jahren zahlenmäßigen Überlegenheit als akademisch Ausgebildete, sie für den Berufseinstieg und für eine erfolgreiche Berufsausübung auch gegenwärtig Bedingungen vorfinden, die weniger an ihren Lebensrealitäten orientiert sind. Zusätzlich zu den oben formulierten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Berufseinstieg und Karriereverlauf sind für sie weiterhin hohe Anpassungsleistungen an einen von Männern definierten Tätigkeitsbereich erforderlich.

6 Resümee Kunst kommt von künstlich.1 KIKI KOGELNIK

Im Mittelpunkt der Studie stehen Bühnenbildnerinnen, Bühnenraumgestalterinnen und Szenografinnen: Ihre Geschichte und ihr Wirken seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart mit dem Fokus auf den deutschsprachigen Raum werden hier erstmals dokumentiert. Die Entwicklung der Tätigkeit, der Ausbildung und des Berufes BühnenbildnerIn wird nachgezeichnet und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und ihre Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse im Studium und im Beruf werden analysiert. Ein Ausgangspunkt der Studie war die Wahrnehmung, dass in Studienrichtungen wie Architektur oder Bühnengestaltung seit mehr als zwanzig Jahren vorwiegend Frauen diplomieren, sie jedoch in der Berufsausübung gegenüber Männern deutlich unterrepräsentiert sind. Ziel der Arbeit war, zum einen diese Beobachtung speziell für den Bereich Bühnengestaltung zu untersuchen und zum anderen Gründe für diesen Gender-Gap, die ungerechte Verteilung von Möglichkeiten, Erwerbstätigkeit und öffentlicher Anerkennung, die nach wie vor Männer bevorzugt und Frauen benachteiligt, benennen zu können. Geschlecht wird hier als wichtige soziale Kategorie berücksichtigt und diskutiert. Aus einer feministischen Perspektive wird versucht, die Wirkungsmächte aufzuzeigen, die einer rascheren Entwicklung hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit im Wege stehen. Die Arbeit ist interdisziplinär an der Schnittstelle von Theater-, Kultur-, Kunst-, Bildungs- und Sozialwissenschaften verortet und ein Beitrag zur Geschichte von Frauen, zu feministischer Forschung und den Gender-Studien.

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Titel einer Aktion im öffentlichen Raum von Kiki Kogelnik (1935–1997), Wien, 1967. Vgl. Angela Stief (Hg.). (2010): POWER UP. Female Pop Art. Ausstellungskatalog. 5. November 2010 bis 23. Januar 2011, Kunsthalle Wien, S. 37.

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In der Untersuchung zur gegenwärtigen Lage (Kap. 1) wird die Situation von Frauen an den Universitäten, speziell an den Kunstuniversitäten, und von Künstlerinnen in Österreich exemplarisch für die Entwicklungen im deutschsprachigen Europa zusammengefasst. Seit den 1970er Jahren absolvieren in Österreich zunehmend mehr Frauen universitäre künstlerische Ausbildungen, ihr Anteil umfasst seit den 1990er Jahren mehr als die Hälfte. Dennoch nimmt auch derzeit mit jedem beruflichen Karriereschritt als Künstlerin oder Forscherin an den (Kunst-)Universitäten der Frauenanteil ab, während der Anstieg des Männeranteils in höheren und besser bezahlten Positionen wie zum Beispiel Professuren oder Institutsleitungen bis auf einzelne Ausnahmen noch ungebrochen scheint. Bühnenbildnerinnen standen bisher kaum im Mittelpunkt der theaterwissenschaftlichen Forschung. Ein zentrales Anliegen der Studie war daher, ihre Geschichte und ihr Werk zu dokumentieren und zu würdigen. Im Vordergrund stand nicht der Anspruch auf Vollständigkeit, sondern das Bestreben, Frauen wie auch Männern, die in diesem Berufsfeld tätig sind, Wissen über weibliche Vorbilder zur Verfügung zu stellen und weitere Forschungen zum Thema anzuregen. Ein weiteres Ziel der Arbeit war, die Geschlechterverhältnisse in der Ausbildung und im Beruf BühnenbildnerIn zu analysieren und einige Gründe für die Veränderungen von einem einstigen Männerberuf hin zu einem Tätigkeitsfeld, das nunmehr grundsätzlich auch Frauen offenzustehen scheint, zu benennen und daraus Empfehlungen für zukünftige Entwicklungen ableiten zu können. Der Begriff Bühnenbild kann als irreführend bezeichnet werden, da er auf eine flächige Gestaltung theatraler Räume verweist. Neuere Prozesse favorisieren daher die Begriffe Bühnen(raum)gestaltung oder Szenografie, bei denen die räumliche und atmosphärische Gestaltung im Mittelpunkt steht. Dennoch haben sich die Begriffe Bühnenbild und die Berufsbezeichnung BühnenbildnerIn durchgesetzt und werden in dieser Arbeit vorwiegend verwendet. Vom Bühnenmaler zur/zum BühnenbildnerIn Die Reise durch das Forschungsfeld beginnt mit dem Überblick zur Entwicklung der Bühnenraumgestaltung in Europa (Kap. 2). Im Zuge der Theaterreform an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde das bisherige Bühnenbild durch die szenische Abstraktion des Bühnenraumes abgelöst. Ende der 1880er Jahre veränderte sich die Bedeutung der Regie im Rahmen einer Inszenierung und führte gleichzeitig zu ihrer herausragenden Bedeutung, die bis in die Gegenwart als leitend für eine Theateraufführung verstanden wird. Der Regisseur, ab den 1990er Jahren – also rund einhundert Jahre später – auch die Regisseurin, wurde zur bestimmenden Figur der Inszenierung. Gleichzeitig mit der Theaterreform

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um 1900 entstand der Tätigkeitsbereich der/des Bühnenbildnerin/-bildners. Neue Bühnenformen wurden entwickelt, die das bisherige bürgerliche Theater und eine ausschließliche Textorientierung in der Erarbeitung von Theaterwerken ablehnten und die versuchten, das Publikum als der Teil der Inszenierung einzubinden. Die Veränderungen der Berufsrolle und -anforderungen erzählen von der Entwicklung vom Bühnenmaler hin zur/zum BühnenbildnerIn, BühnenraumgestalterIn und SzenografIn, die abstrakte, atmosphärische und architektonische Räume schaffen, auf denen eine Inszenierung, eine Raumgestaltung im Theater oder eine Ausstellung basieren können. Da Frauen eine selbstbestimmte Erwerbstätigkeit, auch in künstlerischen Bereichen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis auf wenige Ausnahmen nicht zugebilligt wurde, hatten sie nur selten die Möglichkeit, als Bühnenbildnerin oder Regisseurin zu arbeiten. Analog zur Geschichte von Frauen in der Kunst, in der Wissenschaft, in der Gesellschaft allgemein blieben die Beiträge und Leistungen von Bühnenbildnerinnen bis weit in die 1970er Jahre – ab diesem Zeitraum konnten die Beiträge feministischer Aktivistinnen und Wissenschafterinnen im Rahmen der Zweiten Frauenbewegung nicht mehr ignoriert werden – ausgeblendet und verschwiegen. Die Gründe für das Ausblenden und Verschweigen der Leistungen von Frauen, hier speziell von Bühnenbildnerinnen, können wie folgt zusammengefasst werden: (1) Die Beiträge von BühnenbildnerInnen werden im Kanon sowohl der Theater- wie auch der Kunstwissenschaft marginalisiert. (2) Der patriarchale Blick, patriarchale Werte und Handlungen führten zudem dazu, dass die Beiträge und die Geschichte von Bühnenbildnerinnen bisher wenig beachtet und beforscht worden sind. (3) Eine vor allem in der Theaterwissenschaft nahezu ungebrochene Verwendung des generischen Maskulinums, also einer nicht geschlechtssensiblen Sprache, lässt die Beiträge von Frauen überwiegend unsichtbar bleiben. Obwohl im deutschen Sprachraum zahlreiche Möglichkeiten existieren, Frauen als Akteurinnen zu nennen und somit ihr Wirken sichtbar zu machen, scheint die hegemoniale Wertigkeit von Männlichkeit in der Theater- wie auch der Literaturwissenschaft nach wie vor zu bestehen. (4) In der Theaterwissenschaft, in der Fachliteratur und in der Rezeption von Inszenierungen stehen nach wie vor der Regisseur/die Regisseurin, die Schauspieler und auch die Schauspielerinnen, die AutorInnen im Mittelpunkt einer Inszenierung. (4a) Die Forschungsfelder der Theaterwissenschaft befassen sich überwiegend mit Theater- und Dramentheorie sowie vorzugsweise mit dem, was auf der Bühne geschieht, der Fokus liegt zudem auf dem Sprechtheater. (4b) Schwerpunkt der deutschsprachigen Theatergeschichte sind Beiträge von und über Männer, aus der Perspektive männlich konnotierter Werte und Hierarchien. (4c) Zu den bevorzugten Feldern der Theater-

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wissenschaft gehören bisher nicht: Reflexion/Kritik der Institution Theater und ihrer Spielpläne aus Geschlechterperspektive; differenzierte Betrachtungen des Theaterpublikums unter anderem nach Geschlecht, Ethnizität, Alter und sozialer Herkunft. (5) In der Kunstgeschichte und Kulturwissenschaft sind innovative Gender-Erkenntnisse zwar angekommen, dennoch ist (5a) der Nachholbedarf, (bildende) Künstlerinnen angemessen zu würdigen, bei Weitem nicht gedeckt. (5b) Da die Bühnenraumgestaltung im deutschsprachigen Raum eher als angewandte Kunst verstanden wird und diese hierarchisch als unter der bildenden Kunst stehend eingeordnet wird, steht deren Bearbeitung auch in der Kunstwissenschaft nicht auf der Prioritätenliste. (6) Gesamtgesellschaftlich gesehen haben Theater, Politik und Universitäten im öffentlichen Ansehen an Bedeutung verloren, wie beispielsweise Ulrike Haß2 feststellte. Die Einflüsse der bildenden Kunst auf Bühnenraumgestaltungen zeigen sich bis in die Gegenwart: Zum einen sind im Maler-Theater bildende Künstler(innen) als Bühnenbildner(innen) tätig. Zum anderen stand in der Nachkriegszeit ab 1945 zwar noch die dienende Haltung des Bühnenbildes gegenüber dem Text, der Inszenierung, dem Regisseur, im Vordergrund, diese Haltung wurde aber spätestens in den 1990er Jahren von einer Zweckhaftigkeit der verwendeten Mittel, die als kritischer Realismus interpretiert werden kann, abgelöst. Die Errungenschaften der Ersten Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts führten auch dazu, dass Berufstätigkeit und akademische, auch künstlerische Ausbildungen für Frauen möglich wurden. Diese Entwicklungen wurden durch Ermordungen und Vertreibungen auch unzähliger Künstlerinnen und Künstler in der Zwischenkriegszeit und im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Werte des Dritten Reiches und die erlittenen schmerzvollen Erlebnisse und Verluste im Zweiten Weltkrieg zeigen bis heute Auswirkungen. Besonders in Österreich und Deutschland und ihrer männlichen Bevölkerung bzw. deren Nachkommen als VerliererInnen des Krieges sind große Widerstände hinsichtlich der gleichwertigen Teilhabe von Frauen an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu verzeichnen. Eine tiefer gehende Reflexion der Verluste und der durch den Zweiten Weltkrieg erfahrenen Traumata in Hinblick auf Geschlechterrollen und -zuschreibungen in Österreich und Deutschland steht meiner Ansicht nach noch aus. Ab den 1970er Jahren erfolgten durch gesellschaftliche Demokratisierungsprozesse ähnliche Entwicklungen an den Theatern und bewirkten die Mitsprache bisher marginalisierter AkteurInnen. Die Zweite Frauenbewegung ab den 1970er Jahren ermöglichte durch ihr Kämpfen um Gleichberechtigung den Zugang von

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Vgl. Ulrike Haß in Pkt. 4.5.4, S. 195.

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Mädchen und Frauen zu nahezu allen Bereichen der Gesellschaft; auch künstlerische Studien und der Beruf Künstlerin wurden zu vorstellbaren Optionen. Mehrheitlich Männern stand und steht trotzdem eine erfolgreiche Karriere als Bühnenbildner auch ohne einschlägige akademische Ausbildung offen und ihnen wird, seit der Renaissance, also seit über fünf Jahrhunderten, die Gabe des künstlerischen Genies, der künstlerischen genialen Gestaltung qua Geschlecht zugeschrieben. Das ist ein Privileg, von dem angenommen werden kann, dass Wissen und Reflexion über die Bevorzugung des männlichen Geschlechts noch nicht ausreichend vorliegen. Ob die Bühnenraumgestaltung oder Szenografie eine bildende oder angewandte Kunst darstellt, ist bis heute nicht entschieden; wie auch die Frage, ob die Tätigkeit der Bühnenraumgestaltung eine künstlerische oder vorwiegend bühnentechnische Funktion erfüllt, ambivalent rezipiert wird. In der öffentlichen Wahrnehmung, wie zum Beispiel in der Rezeption von Theaterproduktionen in der Tagespresse oder Fachzeitschriften, spielt das Bühnenbild nach wie vor eine Nebenrolle. Eine feministische Theaterwissenschaft konnte nur anhand einzelner Beiträge von Wissenschafterinnen wie u.a. Hilde Haider-Pregler, Renate Möhrmann, Katharina Pewny, Kati Röttger oder Ulrike Haß für den deutschsprachigen Raum nachgewiesen werden, sie blieben in der Theaterwissenschaft Ausnahmen. In der Kunst-, Literaturwissenschaft oder der Philosophie sind u.a. durch Anja Zimmermann, Sigrid Schade, Silke Wenk, Beate Söntgen oder Cornelia Klinger wesentliche Aufarbeitungen der Bedeutung von Geschlechterverhältnissen und Gender-Themen durch Publikationen, Tagungen und Vernetzungen vorgenommen worden und fließen in den Main- bzw. Malestream dieser Wissenschaftsbereiche nachhaltig ein. Der auf die Kulturwissenschaften ausgeweitete Blick fasst die generellen Befunde zur Geschichte und aktuellen Situation von Frauen in der Kunst und am Theater im deutschsprachigen Raum zusammen und dokumentiert die noch herrschende ungleiche Verteilung von Wissen, Gestaltungsmacht und Einfluss, speziell im Bereich der Bühnenraumgestaltung. Während Regisseurinnen oder Theaterautorinnen aktuell als beinahe selbstverständlich erscheinen, sind – bedeutende oder berühmte – Bühnenraumgestalterinnen noch immer Ausnahmen. Vielfältige Marginalisierungen von Bühnenbildnerinnen wurden aufgezeigt: Ihre Beiträge werden in der Theater- wie auch Kunstwissenschaft nachrangig behandelt, die akademisch-künstlerische Ausbildung ist für sie erst seit rund vierzig Jahren ohne Einschränkungen, die mit fehlender Eignung aufgrund des weiblichen Geschlechts begründet wurden, möglich und zusätzlich steht ihnen

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nur wenig Wissen über Vorgängerinnen und somit weibliche Vorbilder zur Verfügung. Ein Beginn, diese Forschungslücke zu schließen, wurde in dieser Studie in Angriff genommen. Bühnenbildnerinnen sind in einem seit der Entstehung der Bühnenraumgestaltung Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts in einem von Männern definierten und dominierten Berufsfeld tätig. Im Kulturbereich herrschen, laut Ulrike Haß, noch immer die konkurrierenden Brüderhorden. Zurzeit werden Theater, Politik und die Universitäten zudem als krisenhafte Institutionen der Gesellschaft wahrgenommen. Das jedoch könnte für Frauen förderlich sein, um anerkannte und besser bezahlte Positionen zu erreichen, denn ihnen werden weiblich konnotierte Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Kommunikation und Kooperation, die besonders in krisenhaften Zeiten als Vorteil gelten, qua Geschlecht zugeschrieben. Dass in Krisen das Scheitern leichter ist als in erfolgreichen Phasen und Frauen damit auch mehr Möglichkeiten vorfinden, tatsächlich zu scheitern, ist die Kehrseite dieser Situation. Bühnenbildnerinnen und Bühnenraumgestalterinnen Zentral für den Forschungsprozess war die Aufarbeitung der Geschichte und des Wirkens von Bühnenbildnerinnen im europäischen, vorwiegend deutschsprachigen Raum, seit Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Im Mittelpunkt stehen Frauen, die überwiegend Bühnenausstattungen am Theater (vor allem Schauspiel, Oper, Ballett) gestalten, ihre Geschichte, Situation und die strukturellen sowie individuellen Rahmenbedingungen von Ausbildung und Erwerbstätigkeit. Die Tätigkeit der Bühnengestaltung beinhaltet, je nach eigener Schwerpunktsetzung oder nach den Anforderungen der Ausbildungsstätten und Theater, oftmals auch die Gestaltung von Kostümen. Im Fokus der Arbeit standen vor allem Bühnenraumgestalterinnen und nicht Kostümbildnerinnen, wobei auf eine genaue Trennung der Tätigkeitsbereiche verzichtet werden musste. Wirken und Werk von Bühnenbildnerinnen der Freien Theater, von Kostümbildnerinnen oder Szenenbildnerinnen beim Film konnten demnach in diesem Zusammenhang nur bruchstückhaft bearbeitet werden, eigene Untersuchungen wären hier erforderlich. Nach aktuellem Wissensstand gibt es in Europa, speziell im deutschsprachigen Raum, bisher weder eine Ausstellung noch eine zusammenfassende Publikation über Bühnen- (und Kostüm-)bildnerinnen, während die Geschichte und das Wirken etwa von Schauspielerinnen, Autorinnen und Regisseurinnen bereits erforscht wurden und das Wissen darüber durch Publikationen und Ausstellungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich ist.

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Am Beginn der Studie stand die Frage nach dem Gender-Gap zwischen dem Studium Bühnengestaltung und dem Beruf BühnenbildnerIn im Mittelpunkt. Die historische Aufarbeitung der Berufsgeschichte führt zu dem Ergebnis, dass es sich bis heute um einen Männerberuf handelt, zumindest in der Wahrnehmung und Anerkennung einer breiteren Öffentlichkeit, wie die Sichtung der Fachliteratur und die Vergabe von Professuren und Institutsleitungen im deutschsprachigen Raum zeigt. Spuren von Veränderungen sind in der neuesten Literatur, an der Besetzung von Professuren durch Bühnenbildnerinnen (in Deutschland) und in Internet-Dokumentationen zu bedeutenden BühnenraumgestalterInnen nachweisbar. Zu Beginn der Arbeit stand auch die Annahme, dass es bisher nur wenige Bühnenbildnerinnen gab. Ein durchaus überraschende Ergebnis der Recherchen ist, dass es seit der Entstehung des Berufes – trotz aller Hindernisse – immer auch Frauen gegeben hat, die diese Tätigkeit ausgeübt haben, wie der Index zu den in dieser Studie 128 genannten Bühnen- (und Kostüm-)bildnerinnen zeigt. Pionierinnen in Russland Vierzehn Bühnenbildnerinnen – Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, Ljubov Popova, Varvara Stepanova, Ilse Fehling, Friedl Dicker, Ita Maximowna, Hanna Jordan, Xenia Hausner, rosalie, Anna Viebrock, Penelope Wehrli, Katrin Brack und Muriel Gerstner – werden in der vorliegenden Arbeit porträtiert (Kap. 3). Erstmals wird die Geschichte von Bühnenbildnerinnen in Europa von etwa 1900 bis in die Gegenwart dokumentiert. In einem Exkurs – der Schwerpunkt liegt im deutschsprachigen Raum – werden die Pionierinnen in Europa, die Ersten, die sich in diesem Bereich etablieren konnten, die russischen bildenden Künstlerinnen Natalia Gonþarova, Alexandra Exter, Ljubov Popova und Varvara Stepanova vorgestellt. Gonþarova war die erste Künstlerin, der eine Einzelausstellung ihrer Werke gewidmet war und die in ihren Bühnenbildern kubistische mit russisch folkloristischer Kunst verband. Exter gestaltete als Erste Bühnenausstattungen im kubo-futuristischen-kubistischen Stil. Popova verwendete als Erste in der Theatergeschichte kinetische, mechanisch bewegte Elemente. Stepanova ermöglichte die Bespielung horizontaler und vertikaler Ebenen und damit den Bruch mit dem bis dahin dominierenden Bühnen-Illusionismus. Trotz des damals bestimmenden Frauenbildes – das bis heute Wirkung zeigt –, demnach Frauen für die Natur und Männer für den Geist zuständig und besser geeignet seien, hatten Gonþarova, Exter, Popova und Stepanova als Pionierinnen in Russland und Europa die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, die auch heute noch wesentlich für die gerechte Beteiligung von Künstlerinnen und Bühnenbildnerinnen

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an Wissen, Erwerbstätigkeit und öffentlicher Anerkennung sind. Diese Voraussetzungen und Rahmenbedingungen können wie folgt zusammengefasst werden: (1) die Motivation und der Wille – trotz vielfältiger Widerstände – zu gestalten; (2) der familiär (durch Herkunft) sowie gesellschaftlich und staatlich ermöglichte Zugang zu Bildung und Ausbildung; (3) weibliche Vorbilder und Unterstützerinnen; (4) männliche Unterstützer und Förderer; (5) der Mut, sich als Frau in der Öffentlichkeit zu zeigen; (5a) ihr Wissen und ihre Werke in der Öffentlichkeit zu präsentieren; (6) sich herrschenden Frauenbildern zu widersetzen; (7) Sympathie für und von relevanten Menschen in ihrem Berufsfeld; (8) internationale Mobilität; (9) Durchhaltevermögen; (10) keine Scheu davor, sondern vielmehr der Wille, einer zahlenmäßigen Minderheit anzugehören; (11) der überwiegende Verzicht auf ein bürgerlich gedachtes und realisiertes Leben als Ehefrau und Mutter; (12) der Wille, die Kunst dem Leben überzuordnen. Pionierinnen im deutschsprachigen Raum Für Frauen in Deutschland und Österreich war erst ab dem frühen 20. Jahrhundert ein akademisches, künstlerisches Studium möglich. Aus dieser Altersgeneration wurden mit Ilse Fehling und Friedl Dicker zwei Künstlerinnen, die auch Bühnenräume gestalteten, vorgestellt. Sowohl Fehling wie auch Dicker wurden nicht in den Kanon der wichtigen BühnenbildnerInnen aufgenommen. In der Geschichte von Bühnenbildnerinnen im deutschsprachigen Raum können sie jedenfalls als Pionierinnen erkannt werden. Von Ilse Fehling und Friedl Dicker sind zumindest, dank Kunsthistorikerinnen wie zum Beispiel Elena Makarova und Anke Vetter, ihre Bühnenarbeiten dokumentiert. Eine deutliche Forschungslücke wurde zur Altersgeneration der Bühnenbildnerinnen, die ab den 1930er Jahren bis in die Nachkriegszeit tätig waren, festgestellt. Obwohl auch in der Zeit der faschistischen Regierungen in Deutschland und Österreich Frauen wie Herta Böhm oder Nina Tokumbet Bühnenbilder und räume gestalteten und davon auszugehen ist, dass dies dem damaligen Frauenbild noch weniger entsprach als in den Jahren davor, ist ihr Wirken und das von Bühnenbildnerinnen der Kriegs- und Nachkriegsjahre bisher kaum beforscht worden. Zu vorherrschend bleibt das Bild vom männlichen Künstler-Genie, verstärkt durch die vernichtenden Menschenbilder des Dritten Reiches. Dennoch konnten sich zwei von der Nachkriegszeit bis in die 1970er/1980er Jahre tätigen Bühnenbildnerinnen Ita Maximowna und Hanna Jordan in die Geschichte der weiblichen Ausnahmen einschreiben, nicht zuletzt dadurch, dass sie zu den wenigen Frauen gehören, denen eine Monographie gewidmet worden ist: Die erste

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Monographie zu einer Bühnenbildnerin im deutschsprachigen Raum erschien über Ita Maximowna im Jahr 1982. Das Bild des männlichen Künstler-Genies sowie der männlichen Geschichtsschreibung wurde mit den Forschungen vor allem amerikanischer (Kunst-) Historikerinnen wie beispielsweise Linda Nochlin, Griselda Pollock oder Gerda Lerner angegriffen und dekonstruiert. Ab den 1980er Jahren benannten europäische Kunst- und Geisteswissenschafterinnen das, was ihre Kollegen bisher verabsäumt hatten, und widmeten den Schwerpunkt ihrer Studien den Beiträgen von Frauen. Ungeheuerlich sind ihre Entdeckungen: Sie weisen gezieltes Verschweigen der Geschichte und Leistungen von Frauen und allen, die anders als Weiße, reiche, gut ausgebildete Männer sind, nach; sie beschreiben deformierende Mythenbildungen zur Weiblichkeit, die unangemessene Verherrlichung von Männlichkeit und immer wieder die auch gegenwärtig überwiegend existierende fehlende Anerkennung für alle Tätigkeiten, die von Frauen geleistet werden. Zu all dem werden die als privat zugeordneten Tätigkeiten und Leistungen von Frauen, ohne die keine Gesellschaft bestehen könnte, nach wie vor ignoriert, verschwiegen und nicht anerkannt. Das sind vor allem: kreative und organisatorische Fähigkeiten und Kompetenzen; emotionale Zuwendung, Empathie; Unterstützung und Pflege von Angehörigen; Versorgung hinsichtlich Nahrung, Kleidung, Wohnmöglichkeiten, Haustieren, Gärten, lokaler und regionaler Transportsysteme; die Initiierung und Pflege von Nachbarschaft sowie von Infrastruktur- und Unterstützungssystemen. Zu diesen Tätigkeiten, die überdies keine finanzielle Anerkennung erfahren, also unbezahlt geleistet werden, die jedenfalls nicht im Bruttosozialprodukt einer Nation erfasst sind, wird stillschweigend von Männern erwartet, dass Frauen sie übernehmen, und sie werden, mehr und mittlerweile etwas weniger stillschweigend, von Frauen übernommen. Die gesellschaftlichen Veränderungen, die in den 1960er und 1970er Jahren von Menschen, die sich dafür einsetzten, erreicht wurden, ermöglichten, dass Frauen zunehmend Zugang zu Bildung erhielten; mehr Mädchen und Frauen als bis dahin erhielten eine Schulbildung, konnten maturieren und auch akademische, künstlerische Studien absolvieren. Mit Xenia Hausner und rosalie werden stellvertretend für diese Altersgeneration zwei Bühnengestalterinnen vorgestellt, die als Erste in diesem Überblick auch das Studium Bühnenbild absolviert haben. Xenia Hausner beendete dennoch 1992 nach rund fünfzehn Jahren in diesem Beruf ihre Tätigkeit als Bühnenund Kostümbildnerin und ist seither ausschließlich als bildende Künstlerin tätig. rosalie gehört zu den BühnenbildnerInnen, die seit einiger Zeit auch selbst inszeniert, vielleicht auch deswegen, weil sie erkannt hat, dass nur so eine adäqua-

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te öffentliche Anerkennung ihrer Tätigkeit und Leistung realistischer ist. Xenia Hausner wird, als bildende Künstlerin und wohl auch aufgrund ihrer Herkunft – ihr Vater war ein bedeutender Maler –, auch heute noch als Bühnenbildnerin rezipiert, obwohl sie diesen Beruf seit rund zwanzig Jahren nicht mehr ausübt. rosalie ist nicht so leicht einzuordnen. Sie hat seit 1992 – als erste Frau im deutschsprachigen Raum – eine Professur für Bühnenbild und Kostüm an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach inne, war zudem die erste Frau, die in Bayreuth Bühne und Kostüme gestaltete und ist eine international anerkannte multimedial tätige Künstlerin. Sowohl Hausner wie auch rosalie wurden jedoch bei den im Theaterbereich möglichen Auszeichnungen, zum Beispiel als BühnenbildnerIn des Jahres oder bei Einladungen zum renommierten jährlichen Berliner Theatertreffen, kaum oder nicht berücksichtigt. Bühnenbildnerinnen der Gegenwart Das hat sich bei den hier vorgestellten Bühnenbildnerinnen der Gegenwart, zumindest bei Anna Viebrock und Kathrin Brack und zum Teil bei Penelope Wehrli und Muriel Gerstner, geändert. Die erfolgreichste der Genannten ist Anna Viebrock. Es ist ihr gelungen, sich in den Kanon der Theatergeschichte einzuschreiben. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie, obwohl sie keine bildende Künstlerin, sondern ausgebildete Bühnenbildnerin ist, vielfältig und international tätig ist: als Bühnen- und Kostümbildnerin, als Bühnenraumgestalterin, als Szenografin, als Bühnenarchitektin, als Dramaturgin, als Regisseurin, als Autorin, als Teil einer Theaterleitung, als Lehrende – somit auf vielen Ebenen und anscheinend rund um die Uhr. Viebrock leitete durch ihre Bühnenraumgestaltungen einen radikalen Bruch ein: Sie thematisiert die gerade im deutschsprachigen Raum offensichtlich nicht ausreichend reflektierte Vergangenheit der Kriegs- und Nachkriegszeit; sie holt das schwierige Abwesende, das schmerzlich Gegenwärtige wie auch das bedrohlich Zukünftige auf die Bühne. Anna Viebrock, die mit ihrem Auftreten auch dem Bild des Künstler(in)-Genies entspricht, ist es zusätzlich gelungen, in ihren zahlreichen und unterschiedlichen Tätigkeiten und Funktionen öffentlich als Künstlerin wahrgenommen zu werden. Viebrock hat offensichtlich keine Scheu und Angst vor Interviews, ihr sind auch die Dokumentationen ihrer Arbeit wichtig. Die über Viebrock bisher erschienenen Publikationen, die – auch, aber nicht nur – in der Tradition von Künstlermonographien ihre Werke dokumentieren, sind im Vergleich zu ihren Kolleginnen und auch einigen ihrer Kollegen zahlreich. Das ist eine Frau, die das Sich-Zeigen als wesentlichen Teil des Berufes erkannt hat. Obwohl Viebrock jegliche Bevorzugung aufgrund weiblichen Geschlechts ab-

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lehnt, ist doch bemerkenswert, dass einige ihrer einstigen Assistentinnen wie Anja Rabes, Annette Kurz, Katja Haß und Bettina Meyer mittlerweile selbst erfolgreiche Bühnenbildnerinnen sind. Das kann so interpretiert werden, dass Viebrock ihr Wissen teilt und auch an potenzielle Nachfolgerinnen weitergibt. Doch auch Anna Viebrock muss feststellen, dass ihre Bühnenraumgestaltungen eher den Regisseuren einer Theaterinszenierung als ihr zugeschrieben werden und schreibt und inszeniert wohl auch deswegen in jüngster Vergangenheit zunehmend selbst. Penelope Wehrli ist, wie Xenia Hausner oder auch rosalie, mittlerweile mehr als bildende und multimedial wirkende Künstlerin tätig. Aufgrund ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit einem bekannten Regisseur ist sie als Bühnenbildnerin anerkannt. In dieser Arbeit wurde sie vor allem deswegen ausführlicher vorgestellt, weil Penelope Wehrli mit ihrer Publikation als eine von wenigen Bühnenbildnerinnen überhaupt Zugang zu ihrem Werk durch eine Monographie gewährt. Katrin Brack, die mit ihren reduzierten, minimalistischen Bühnenraumgestaltungen ebenfalls Theatergeschichte schreibt, lehrt seit 2010 Bühnenbild und -kostüm am Studienort München und ist damit die erste Frau, die diese Position an dieser Institution allein inne hat. Bracks Bühnenräume zeichnen sich durch disziplinierte und wohltuende Einfachheit aus, bevorzugt verwendet sie in ihren Bühnenraumgestaltungen nur ein Ding, wie Barbara Burckhardt3 dies bezeichnete. Bracks Arbeiten kennzeichnen einen weiteren Bruch mit den bis dahin überwiegend illustrativen Bühnenbildgestaltungen, sie thematisiert das Theater als einen Ort der mehrfachen und mehrdeutigen Illusion, ihre Bühnenräume verlangen sowohl von den SchauspielerInnen wie auch dem Publikum innovative Herangehensweisen. Katrin Brack betont die Reduktion auf das Wesentliche in dieser lärm-, bild- und informationsüberfluteten Welt. Auch ihr Werk wird in Publikationen der Fachliteratur anerkannt, ihre Bedeutung scheint noch nicht in einer breiteren Öffentlichkeit angekommen. Muriel Gerstner, als jüngste der hier ausführlicher präsentierten Bühnenbildnerinnen, tritt zusätzlich auch als Szenografin und Ausstellungsraumgestalterin in Erscheinung und findet als solche Anerkennung. Sie wurde unter anderem – mit vierzig Jahren – zur Nachwuchsbühnenbildnerin der Zeitschrift Theater heute gewählt. An ihrem Beispiel wird deutlich, wie langsam Berufskarrieren im Feld Bühnenbild verlaufen. Gerstner arbeitet vor allem mit einem Regisseur zusammen, das kann als eine wesentliche Zutat zum Erfolg als BühnenbildnerIn bezeichnet werden. In Gerstners Raumgestaltungen und Ausstattungen werden Reflexionen der Zeit und der Gesellschaft bearbeitet. In ihren Bühnenräumen ge3

Vgl. in Pkt. 3.5.3 zu Katrin Brack, S. 139.

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staltet sie Raumwahrnehmungen und Atmosphären abseits üblicher Arrangements, die Brüchigkeit von Identitäten und auch Geschlechterrollen, die sie zusätzlich über Worte in Statements und Veröffentlichungen deutlich macht. Gerstner zeigt damit eindrucksvoll ihre Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Zuständen und bietet auch Vorschläge für konstruktive Weiterentwicklungen an. Diese nach bisherigem Wissensstand erste Aufarbeitung der Geschichte und des Wirkens von Bühnenbildnerinnen im deutschsprachigen Raum spiegelt exemplarisch die unglaublichen Errungenschaften von Frauen wider, die sich geltenden Geschlechterordnungen widersetz(t)en, die das Theater als Arbeitsplatz und Möglichkeit der künstlerischen Gestaltung und Erwerbstätigkeit für Frauen erobert haben und dabei unzählige Widerstände überwunden haben und überwinden. Studienorte und Professuren In der Arbeit wird dokumentiert, dass Professuren wie auch Institutsleitungen des Studienfachs Bühnenbild im deutschsprachigen Raum seit der Nachkriegszeit etabliert worden sind (Kap. 4). Die historische Aufarbeitung von Studienorten und Bühnenbild-Professuren zeigt ein von der Analyse der Fachliteratur her schon gewohntes Bild: Männer wurden und werden qua Geschlecht gegenwärtig mehr geschätzt und anerkannt als Frauen wie auch die Beiträge von Männern nach wie vor höher geschätzt und öffentlich mehr anerkannt werden als die Beiträge von Frauen – unabhängig von ihren Leistungen. Professuren und Institutsleitungen, also (noch) sichere und gut bezahlte Positionen, werden seit der Gründung der Lehrstühle überwiegend von und mit Männern besetzt. Männer können demnach in diesem Feld auch gegenwärtig als erfolgreicher bezeichnet werden. Erste Anzeichen einer Veränderung sind seit den 1990er Jahren feststellbar. Während rosalie seit 1992 als erste Frau im deutschsprachigen Raum die Professur für Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule in Offenbach innehat und in Deutschland neu entwickelte Studiengangsleitungen in diesem Fach von Expertinnen geleitet werden, steht die Besetzung einer Professur des Studienfachs in Österreich mit einer Bühnenbildnerin noch aus. In Österreich sind die vier Professuren bzw. Institutsleitungen seit der Gründung des Studienfachs ausschließlich an Männer vergeben worden. Aktuell wird an der Akademie der bildenden Künste in Wien eher über die Auflösung des Ordinariates für Szenographie als über die Vergabe der Professur an eine Bühnenraumgestalterin nachgedacht. Zusätzlich wurde aufgezeigt, dass in Österreich die Anzahl von Kunststudentinnen seit den 1970er Jahren zwischen 40 und 50 Prozent beträgt und seit Mitte

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der 1990er Jahre mehr Frauen als Männer ein künstlerisches Studium in Österreich studieren und absolvieren. Im Studienfach Bühnenbild schließen in Österreich seit mehr als zwanzig Jahren mehr Frauen als Männer ein Studium an einer Universität ab. Weder an den Universitäten noch in der Berufstätigkeit spiegelt sich diese Mehrheit wider, im Gegenteil: Nach wie vor gilt – je höher die Position, je besser bezahlt und je anerkannter eine Tätigkeit ist, desto mehr Männer und desto weniger Frauen kommen zum Einsatz. Das Studium am Beispiel der Kunstuniversität Graz Am Beispiel der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Kunstuniversität Graz werden in dieser Arbeit die Veränderungen der Geschlechteranteile von dreißig Studienjahrgängen, von 1973 bis 2003, von einem einstigen Männerstudium hin zu einer Studienrichtung, die aktuell mehrheitlich von Frauen studiert und absolviert wird, zusammengefasst und ausgewertet. Für die Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung wurde exemplarisch am Beispiel der Kunstuniversität Graz die Geschichte des Institutes mit den bisherigen Professoren Wolfram Skalicki und Hans Schavernoch nachgezeichnet. Das Studium wurde 1973 installiert und hatte bei der Installierung zum Ziel, Bühnenkünstler auszubilden, die sowohl handwerkliche Fertigkeiten wie auch Fähigkeiten zur Lösung formaler Probleme in künstlerischen und gesellschaftlichen Bereichen erwerben. In der Professur Skalicki waren bis 1993 Zusammenarbeiten mit Regie-Studierenden möglich, das Ende der Regie-Professur und das damit fehlende Erproben und die Zusammenarbeit mit Regie-Verantwortlichen wird bis in die Gegenwart als Mangel bezeichnet. Zudem wurden von Skalicki bis zu maximal 18 Studierende pro Jahrgang aufgenommen. Mit der Professur von Schavernoch wurde die Anzahl der Studierenden signifikant reduziert. Die bereits seit Mitte der 1980er Jahre dokumentierte Trendwende von einem einstigen Männer- hin zu einem Frauenstudium setzte sich ungebrochen fort. Insgesamt hatten seit dem Studienjahr 1973/74 mehr Frauen (161) als Männer (119) das Studium begonnen, der Frauen-Anteil stieg seit dem 10. Jahrgang (1982/83) wahrnehmbar sowie ab dem 14. Jahrgang (1986/87) deutlich an und überwiegt seither. Im untersuchten Zeitraum der dreißig Studienjahrgänge von 1973 bis 2003 haben somit 280 Personen, davon 58 Prozent Frauen und 42 Prozent Männer das Studium Bühnenbild/Bühnengestaltung begonnen. 114 Studienanfängerinnen und 74 Studienanfänger, gesamt 188 Personen, schlossen das Studium ab. Mehr Männer (38 Prozent) als Frauen (29 Prozent) brachen das Studium vorzeitig ab. Doch: Die weniger gewordenen Männer, die sich ab den

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1990er Jahren für das Studium an der Kunstuniversität Graz entschieden haben, haben es überwiegend auch abgeschlossen, während bei den Frauen das Ergebnis in diesem Zeitraum nicht so signifikant ausfällt. Die Gründe dafür wären zukünftig verstärkt ins Blickfeld zu rücken, um auch die Erfolgsquoten der Studentinnen zu erhöhen. Als Gründe für die Trendwende von einem einstigen Männer- hin zu einem Frauenstudium konnten folgende Punkte benannt werden: die Umbenennung des Studienfachs von Bühnenbild zu Bühnengestaltung im Studienjahr 1986/87, verknüpft mit einer Veränderung des Studienplans; die merkliche Reduktion der zum Studium Zugelassenen seit Beginn der Professur Schavernoch im Jahr 1995 sowie die Tatsache, dass sich, nachweisbar ab diesem Zeitpunkt, mehr Frauen als Männer für die Aufnahme in das Studium bewarben und deren Bewerbungsunterlagen nach Aussagen der Institutsleitungen eine größere Qualität aufweisen als die der sich bewerbenden Männer. Männerstudium – Frauenstudium Ein Vergleich mit den weiteren Studienorten in Österreich (Salzburg, Wien), soweit möglich, zeigt ähnliche Entwicklungen: Auch hier absolvieren derzeit mehrheitlich Frauen das Studienfach. Für das Studienfach sowie die Kunstuniversität Graz wurden österreichweit die deutlichsten Ausprägungen der jeweiligen Geschlechteranteile festgestellt. Zudem ist an der Kunstuniversität Graz der niedrigste Anteil von Professorinnen an österreichischen Kunstuniversitäten zu verzeichnen. Zusätzlich wurde, besonders von Dorle Klika und Thomas Kleynen4, herausgearbeitet, dass der Kunstunterricht bereits an Schulen weiblich konnotiert ist und damit eine Abwertung erfährt, die für die als weiblich bezeichneten und erlebten Bereiche des Lebens und der Kunst gesellschaftlich üblich sind. Buben haben an diesem Unterrichtsfach bis zum Alter von zehn Jahren gleich viel Interesse wie Mädchen, erst für männliche Jugendliche und Studierende in diesem Feld wird dieses Interesse zur besonderen Herausforderung. Es wird für sie erforderlich, gesellschaftliche Widerstände und den Entzug von Anerkennung bei Wahl dieses Schul- und später Studienfachs auszuhalten und zu überwinden. Es wurde festgestellt, dass sich zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen der Frage widmen, warum Frauen trotz aller Förderungen nach wie vor nur in geringer Anzahl technische Studien ergreifen. Forschungen, warum mehrheitlich Frauen künstlerische Studien aufnehmen, und vor allem, worauf die weiterhin sinkenden Zahlen von Männern in künstlerischen Studienfächern basieren, sind 4

Vgl. in Pkt. 4.5.4, S. 195.

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noch offen. Zusätzlich sind die Motive und Erfahrungen von Männern, die in schlechter bezahlten und unsicheren Berufen, wie zum Beispiel in Kreativ- oder in Sozial- und Gesundheitsberufen, trotz weitgehend geringerer finanzieller und gesellschaftlicher Anerkennung arbeiten, zukünftig verstärkt zu untersuchen. Beruf BühnenbildnerIn Abschließend wurde der Beruf BühnenbildnerIn in den Blick genommen und die aktuelle Verortung des Berufes nachgezeichnet (Kap. 5). Die Untersuchung des Berufsbildes BühnenbildnerIn zeigt, dass es sich um einen anspruchsvollen Beruf handelt, der große Anforderungen birgt: Als künstlerischer Beruf ist eine hohe intrinsische Motivation erforderlich, einen Beruf ausüben zu wollen, für den es auch in Österreich zunehmend weniger Arbeitsmöglichkeiten gibt. Menschen in künstlerischen Berufen sind in Österreich eine zahlenmäßig kleine Gruppe, Frauen, die als Künstlerinnen arbeiten (wollen), sind somit doppelt Außenseiterinnen. Zusätzlich sind künstlerische Berufe und das verwandte Berufsfeld der Creative Industries gekennzeichnet von einer Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und von sozialen Unsicherheiten. Aussagekräftige Statistiken zur Anzahl von BühnenbildnerInnen liegen in der Kulturnation und dem Theaterland Österreich bisher nicht vor, und auch hierzulande steht der Beitrag von BühnenbildnerInnen zur Inszenierung im Schatten von Regie, Schauspiel, Musik oder Dramaturgie. In einer qualitativen Erhebung und Auswertung sind anhand von Interviews mit sechs AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung exemplarisch folgende Kriterien herausgearbeitet worden, die für einen erfolgreichen Einstieg und Verbleib im Beruf wichtig sein können: • Das frühe Interesse, die Begeisterung für und die Freude am Tätigkeitsfeld

selbstbestimmter künstlerischer Gestaltung am Theater • Die unerlässliche Unterstützung von MentorInnen und Entscheidungsverant-

wortlichen wie RegisseurInnen und TheaterleiterInnen, die die BühnenbildnerInnen engagieren. Dies gilt sowohl für den Berufseinstieg wie auch den weiteren Karriereverlauf, wobei Sympathie und stimmende Chemie als wesentliches Kriterium der Zusammenarbeit bezeichnet werden • Die intrinsische Motivation, die Tätigkeit aufgrund eigener Interessen anzustreben und weniger, um finanziell gewinnorientiert zu arbeiten • Die höhere Wertigkeit der individuellen Zufriedenheit, von Spaß an der Arbeit zu haben gegenüber der Bedeutung von breiter öffentlicher Anerkennung

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• eine ausgewogene Balance zwischen EinzelkämpferIn und Arbeit im Team

sowie zwischen Arbeit und Leben, wobei am Theater zu arbeiten und Kunst zu machen, weniger als Beruf, sondern als Berufung und Lebensweise verstanden wird. Künstlerische Fähigkeiten, theaterspezifische Begeisterung und dementsprechendes Wissen gelten als unabdingbare Voraussetzungen. Zusätzlich scheint Unterordnung, zuerst im Studium, dann im Beruf als Teil des Leading Teams, ein wichtiges Kriterium zu sein. Als wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Einstieg und Verbleib im Beruf kann die Sympathie von Entscheidungsverantwortlichen am Theater bezeichnet werden. Denn ohne gegenseitige Sympathie – und zumindest beim Berufseinstieg noch nicht nachgewiesener Kompetenz – scheinen weder der Berufseinstieg noch der Verbleib im Beruf möglich. Die Bedeutung von früh geknüpften Netzwerken und einer kontinuierlichen Netzwerkpflege wird, laut Carroll Haak5, durch den hohen Individualisierungsgrad vieler KünstlerInnen erschwert. Als Motive und Schlüsselsituationen, den Beruf/die Tätigkeit BühnenbildnerIn nicht zu ergreifen oder wieder zu beenden, wurden unter anderem genannt: die fehlenden Kontakte zu RegisseurInnen und Entscheidungsverantwortlichen im Studium und beim Berufseinstieg bzw. im weiteren Karriereverlauf; die als undurchdringbar und sinnlos erlebten Hierarchien am Theater; die schwierigen Verdienstmöglichkeiten; fehlende Unterstützung von (Herkunfts-)Familie, Lehrpersonen, Entscheidungsträger(innen); eine geringe Bereitschaft zu internationaler Mobilität; die fehlenden Möglichkeiten, die Tätigkeit mit Familie und Kindern zu verbinden; die auch als gesundheitsschädlich erlebten Bedingungen der Theaterarbeit; die schwindende Bereitschaft, Eigenschaften wie Eitelkeit, Egoismus und Arroganz, die als erforderlich für den Erfolg genannt wurden, weiterhin aufzubringen. Das Studium den Frauen – der Beruf den Männern Die Auswertung der Interviews mit AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung zeigt auch deutliche Geschlechterunterschiede auf und führt zu weiteren Ergebnissen, welche Gründe wirkungsmächtig sind, die einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in dem Beruf BühnenbildnerIn noch im Wege stehen: Bühnenbildnerinnen arbeiten in einem Tätigkeitsfeld, das nach wie vor als Männerberuf gilt und an männlichen Lebensrealitäten orientiert 5

Vgl. Carroll Haak im Abschnitt Nirgendwo kann man so schwer Geld verdienen wie in der Bühnenbild-Branche“: Berufswahl BühnenbildnerIn oder nicht, S. 237.

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ist. Somit sind für sie weiterhin hohe Anpassungsleistungen erforderlich, sie müssen Vorstellungen von Geschlechterrollen und -erwartungen durchbrechen und neue Rollenbilder entwickeln. Leitungspositionen an den Theatern sind mehrheitlich von Männern besetzt, Männer-Seilschaften geben den Ton an. Bühnenbildnerinnen werden am Theater eher als Assistentinnen und als familienverantwortliche Personen wahrgenommen; sie müssen durch großen Einsatz nachweisen, dass sie trotz Geschlecht und qua demnach zugeschriebener privater Verpflichtungen für den Beruf brennen. Für die Berufsausübung ist internationale Mobilität erforderlich – eine Anforderung, die für Frauen immer noch mit sich bringt, familiäre Wünsche und Verpflichtungen, ob selbst gewählt oder nicht, zu negieren. Die Vereinbarkeit des Berufes mit Familienleben und Kindern ist für Bühnenbildnerinnen schwierig; Diskriminierungen von Frauen am Theater in Österreich sind auch heute noch Realität. Zudem werden ihre Leistungen, auch in der Öffentlichkeit, weniger sichtbar gemacht und weniger anerkannt und sie werden, wie zahlreiche erwerbstätige Frauen, schlechter bezahlt als ihre Kollegen. Die wenig gewordenen Männer, die das Studienfach belegen und absolvieren, können auch gegenwärtig noch davon ausgehen, dass ihre Chancen, den Beruf ausüben zu können, höher sind als die ihrer Kolleginnen, da sie die immer noch existierenden Bilder zum Habitus des männlichen Künstler-Genies qua Geschlecht erfüllen und als Männer auf die Unterstützung von Männern und Frauen zählen können. Dennoch ist auch für Bühnenbildner die Vereinbarkeit des Berufes mit einem Familienleben und Kindern aufgrund der geforderten Mobilität und der familienunfreundlichen Arbeitszeiten schwierig, doch aufgrund gesellschaftlicher und weiblicher Unterstützung eher realisierbar. Jugend und Alter wurden von den Interviewten konträr als förderlich und/oder hinderlich thematisiert. Für die Interview-Partnerinnen erschien ein höheres Alter für den Berufseinstieg vorteilhaft, um als Bühnenbildnerin und nicht als Assistentin wahrgenommen zu werden, während die Interview-Partner Jugend als vorteilhaft für diese Situation sahen. Ein bemerkenswertes Ergebnis der Interviews war die augenscheinlich unterschätzte Bedeutung der Wirksamkeit förderlicher Lehrpersonen im Studium, ein Thema, das vor allem im universitären Feld zukünftig noch genauer zu untersuchen wäre. Zusätzlich scheint es erforderlich, besonders für Studentinnen, aber auch für Studenten, Wissen über weibliche Vorbilder in diesem Beruf verstärkt zur Verfügung zu stellen, um zum Aufbrechen von Geschlechterrollen beizutragen. Von den Interview-PartnerInnen wurden als Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Studienrichtung die Aufnahme von praxisrelevanten, wirtschaft-

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lich-unternehmerischen Inhalten in den Studienplan und somit eine bessere Vorbereitung auf die tatsächliche Berufstätigkeit6 sowie der Vorschlag, das Studium als Postgraduate-Ausbildung anzubieten, genannt. Schlussfolgerungen und Ausblick Die Analyse gesellschaftlicher Realitäten für Frauen ist gegenwärtig noch immer wenig erfreulich, speziell für Frauen, die in einem künstlerischen Beruf am Theater arbeiten. Die Institutionen Theater und Universität und hier vor allem die vorwiegend männlichen Entscheidungsverantwortlichen zeigen Aufholbedarf bei emanzipatorischen Leistungen. Da Männer qua Geschlecht und Sozialisation mehr Aufmerksamkeit, Anerkennung und Unterstützung erfahren, erscheint aus ihrer Sicht verständlich, diese Privilegien nicht aufgeben zu wollen. Doch das in weiten Teilen vorherrschende Fehlen von Empathie für alle, die aus ihrer Sicht anders, fremd und, dichotomisch betrachtet, weniger wert sind, wirkt für eine längst fällige gesellschaftliche Verbesserung von Gleichstellung und Gleichwertigkeit aller Menschen bedrohlich. Reflexionen über die Bedeutung von sozialer Herkunft, Ethnizität, Alter und Sexualität am Theater, nicht nur hinsichtlich der bearbeiteten Inszenierungen, sondern auch in Bezug auf die Organisation und Institution Theater und in Bezug auf das Theaterpublikum stehen ebenfalls noch aus. Offen ist zudem die Bearbeitung der Fragen: Warum nimmt der Anteil von Männern, gestalterische/künstlerische Ausbildungen zu studieren, kontinuierlich ab? Welche Erkenntnisse können aus den Motiven und Erfahrungen von Männern, die in gesellschaftlich weniger anerkannten, schlechter bezahlten Berufen wie im Sozial-, Gesundheits- oder Kulturbereich arbeiten, abgeleitet werden? Wie ist der Stand der Forschung zu den krisenhaften Auswirkungen des Konzepts Männlichkeit und welche Empfehlungen können daraus abgeleitet werden, um mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen? Im Hinblick auf die Geschichte und das Wirken von Kostümbildnerinnen, von Bühnenbildnerinnen der Altersgeneration, die zwischen 1920 und 1980 tätig waren, von Bühnenraumgestalterinnen der Freien Theater und von Szenenbildnerinnen beim Film konnten deutliche Forschungslücken festgestellt werden. Wünschenswert wäre eine Ausstellung über Bühnenbildnerinnen, um ihre Werke und ihr Wirken einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Kriterien für einen erfolgreichen Berufseinstieg und -verlauf können Emp6

Vgl. dazu die Angebote des seit Anfang 2009 bestehenden CSC/career service center an der Kunstuniversität Graz, Internet-Quelle.

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fehlungen für Bühnenbildnerinnen, die auch öffentlich wahrgenommen und anerkannt werden wollen, so zusammengefasst werden: 7

• Kenntnisse einer universellen (Theater-)Geschichte, die weibliche Vorbilder

und ihre Beiträge miteinbezieht • Wissen über und Akzeptanz der Wirkung von – informellen – Hierarchien und • •





Netzwerken Reflexion der unterschiedlichen Wahrnehmung und Anerkennung von Frauen und Männern und deren Leistungen Bereitschaft für die Zusammenarbeit und Vernetzung nicht nur mit Theater-, sondern auch mit Medienverantwortlichen, mit Fachleuten und -publikum in Kunst und Kultur wie auch die Teilnahme an Wettbewerben8 Auftritte in Medien aller Art: durch eine eigene Website und Veröffentlichungen; Bereitschaft für Interviews – auch über die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit Eigene Werke auch mittels Fotografien zu dokumentieren, Texte darüber zu schreiben oder von FachkollegInnen schreiben zu lassen, in Programmheften, Ausstellungen, Katalogen und im Internet9 zu publizieren.

Um die Erfolgsquote von Studentinnen, speziell an der Kunstuniversität Graz zu verbessern, kann die Inanspruchnahme der Angebote des CSC/career service center der KUG (Kompetenzportfolio-Arbeit, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Werbung, Online-Public Relations etc.), mehr Information und Unterstützung hinsichtlich von Vernetzungen, verstärkt während der Studienabschluss-Phase sowie Mentoring für die Berufseinstiegsphase angeregt werden. Für die akademische Ausbildung der Bühnengestaltung kann empfohlen werden, intensiv Kontakte zu RegisseurInnen und Theaterverantwortlichen (weiterhin) zu fördern. Ideal wären die Integration von Women-/Gender Studies (in Anlehnung an Isabelle Graw10) wie auch das gleichzeitige Studienangebot von Bühnengestaltung, Regie, Schauspiel, Dramaturgie, Musik an den Kunstuniversitäten. Zudem wären verstärkt wirtschaftliche und unternehmerische Studieninhalte sowie persönlichkeitsbildende Inhalte im Hinblick auf Selbstbewusstsein, 7

Vgl. Lerner (1995/1979), S. 163-175 sowie Pkt. 1.4 Forschungsdesign und methoden, S. 24.

8

Vgl. Ring Award: Internationaler Wettbewerb für Regie & Bühnengestaltung in Graz/Styria, Internet-Quelle.

9

Zum Beispiel über das Internet-Videoportal YouTube, Internet-Quelle.

10 Vgl. Trallori (1997), S. 363 sowie Pkt. 4.2 Frauen an den Kunsthochschulen in Österreich, S. 161.

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Selbstwirksamkeit oder Konfliktlösungsmöglichkeiten anzubieten, in denen nicht nur die formalen, sondern auch die informellen Kompetenzen und Fähigkeiten bewusst gemacht werden. Die Verwendung einer geschlechts- und diversitätssensiblen Sprache, die Abkehr von dem Phantasma, dass der Standardmensch wie auch das Genie männlich seien, können als notwendige Mittel zum Sichtbarmachen innovativer Leistungen und verschiedener Lebendigkeiten benannt werden. Die Vermittlung des Wissens über weibliche Vorbilder in der Bühnenraumgestaltung, Studieninhalte zu Women und Gender Studies, Informationen über Geschlechter- und Machthierarchien in der Gesellschaft und am Theater können zur Stärkung von Studierenden und Lehrenden, zur Thematisierung sowie zur Reflexion der Bedeutung der Kategorie des sozialen Geschlechts beitragen, um gleichzeitig an der Auflösung bisheriger Geschlechterrollen und Hierarchien mitzuwirken.

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denzen des Bühnenbilds zu präsentieren. In: Theater heute 8/9/August/September, S. 29 Irmer, Thomas (2011): Auf dem Performance-Sprungbrett. Die Prager Quadriennale ersetzt ihr Thema Szenografie durch ‚Performance Design and Space‘ und zieht in neue Räume. In: Theater heute 8/9, S. 15-18 Janich, Ingeborg (2001): Bühnenbildner (auch Szenograph oder Ausstatter). In: Brauneck/Schneilin, S. 190-192 Janssen, Franzjoseph (1957): Bühnenbild und bildende Künstler. Ein Beitrag zur Geschichte des modernen Bühnenbildes in Deutschland, Diss., München Kaesbohrer, Barbara (2010): Die sprechenden Räume. Ästhetisches Begreifen von Bühnenbildern der Postmoderne. Eine kunstpädagogische Betrachtung. Zugleich Diss. (2009), München Kastner, Monika (2004): Wissenschaft als Beruf? Situation, Aus- und Weiterbildung von Wissenschafterinnen. Frauenförderung und Gender Mainstreaming an den Universitäten, Frankfurt am Main. Zugl. Diss. (2003), Graz Kastner, Monika (2011): Vitale Teilhabe. Bildungsbenachteiligte Erwachsene und das Potenzial von Basisbildung, Wien Kelle, Udo/Kluge, Susann (2010): Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung, 2. Auflage, Wiesbaden Kemfert, Beate (2009a): Das Leben von Natalja Gontscharowa. In: Kemfert (2009b), S. 9-27 Kemfert, Beate (Hg.) (2009b): Natalja Gontscharowa. Zwischen russischer Tradition und europäischer Moderne. Ausstellungskatalog. 7. Oktober 2009 bis 24. Januar 2010, Opelvillen/Rüsselsheim, Ostfildern-Ruit Kirchberg, Klaus (1987): Theaterporträt: Aus einem alten Haus. Hanna Jordan: „Ich kann mir keine Masche zurechtlegen …“ In: Opernwelt 7/Juli, S. 55 Klee, Ernst (2009): Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main Kleinau, Elke/Opitz, Claudia (Hg.) (1996): Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 2, Vom Vormärz bis zur Gegenwart, Frankfurt am Main, New York Klika, Dorle/Kleynen, Thomas (2007): Adoleszente Selbstinszenierung in Text und Bild. In: Friebertshäuser, S. 121-140 Klinger, Cornelia (1995): Beredtes Schweigen und verschwiegenes Sprechen: Genus im Diskurs der Philosophie. In: Bußmann/Hof, S. 34-59 Klotz, Heinrich/Hünnekes, Ludger (Hg.) (1993): Bühnenbild heute, Bühnenbild der Zukunft. Ausstellungskatalog. Achim Freyer, Dieter Hacker, Johannes

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312 | B ÜHNENBILDNERINNEN

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L ITERATUR UND Q UELLEN

| 313

YouTube [Videoportal], http://www.youtube.com, 25.10.2011 Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK): Über die ZHdK, http://www.zhdk.ch/index.php?id=ueber_die_zhdk, 25.05.2011 Zürcher Hochschule der Künste/Szenografie: Studium, http://sceno.zhdk.ch/in dex.php?s=courses, 25.05.2011 Zeitschriften (mit Online-Zugang) Bühnentechnische Rundschau / BTR, 2007–2011 online: http://www.btr-frie drich.de, 20.10.2011 Literaturen, 2005–2011 online: http://www.kultiversum.de/Literatur-Literaturen, 20.10.2011 Opernwelt, 2005–2011 online: http://www.kultiversum.de/Oper-Opernwelt, 20.10.2011 tanz, 2005–2011 online: http://www.kultiversum.de/Tanz-tanz/, 20.10.2011 Theater der Zeit, http://www.theaterderzeit.de/zeitschrift/, 20.10.2011 Theater heute: 1995–2011, 2004–2011 online: http://www.kultiversum.de/ Schauspiel-Theaterheute, 20.10.2011 ExpertInnen-Interviews Exp. Int. 1/LV: mit László Varvasovszky, 15.04.2010 Exp. Int. 2/HS: mit Hans Schavernoch, 23.04.2010 Exp. Int. 3/EDS: mit Evelyn-Deutsch-Schreiner, 20.05.2010 Exp. Int. 4/SP: mit Sabina Pinsker, 09.08.2010 (schriftlich, per eMail) Informationen per eMail Gewerkschaft der Gemeindebediensteten/Kulturgewerkschaft (Kunst Medien, Sport, freie Berufe) (GdG-KMfSB): eMail vom 29.08.2011 ÖH-Bundesvertretung: eMail vom 20.08.2011 Statistik Austria: eMail vom 07.09.2011 Walder, Kathrin: eMail vom 18.03.2011 Archiv-Quellen Akademie für darstellende Kunst in Graz (1963): Studienführer 1963/64 Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz (seit 1998/99 Universität für Musik und darstellende Kunst Graz) (1973/74ff.): Allgemeine Studienbestimmungen. Verzeichnis der Lehrveranstaltungen 1973/74 bis 2003, Graz Kaudel, Helga (2004): Dr. phil. Wolfram Skalicki, unveröff. Quelle, Archiv der Kunstuniversität Graz Genehmigung der KUG, AV/HK/09.02.2009, Unterlagen B. B.

314 | B ÜHNENBILDNERINNEN

KUG-Archiv: Diplom(-prüfungs-)liste 1974/75–2003. Zusammenstellung: Helga Kaudel, 17.03.2009 KUG-Archiv: Interne und externe Matrikelbücher 1986–1992 KUG-Archiv: Lehrer- bzw. Klassifikationslisten 1973–1995 KUG-Archiv: Kopie aus Rektoratsablage, Abteilungsakten, 07d-1970/71, o.S. KUG-Archiv: Kopie von Zeitungsausschnitten: no (AutorIn-Kürzel, Anm. B. B.): Jetzt auch für Bühnenbildner. In: Südost-Tagespost, 19. März 1973; Christian Fleck: Fach „Bühnenbild“ wird Studium. In: Neue Zeit, 19. Mai 1973 KUG-Institut Bühnengestaltung: Institut 11 – Bühnengestaltung: Absolventinnen und Absolventen Bühnengestaltung 1996–2008. Zusammenstellung: Sabina Pinsker, 17.11.2008 KUG-Studienabteilung: Auswertung zu Studierenden und AbsolventInnen Bühnengestaltung 1994–2008 (Einführung der elektronischen Datenbilanzierung). Zusammenstellung: Michaela Reitter, 17.03.2009 Tabellen zu StudienanfängerInnen und AbsolventInnen der Studienrichtung Bühnenbild/Bühnengestaltung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst/Kunstuniversität Graz 1973–2007, Unterlagen B. B.

Abkürzungsverzeichnis

AMS Exp. Int. F I i. B. KUG M RIS VB verw. B.

Arbeitsmarktservice Österreich ExpertIn-Interview Frauen Interview-PartnerIn im Beruf tätig Kunstuniversität Graz Männer Rechtsinformationssystem Vorbereitungsjahrgang in einem verwandten Beruf tätig

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11:

Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15:

StudienanfängerInnen Bühnenbild/Bühnengestaltung 1973/74–2002/03 nach Geschlecht und Gesamt AbsolventInnen Bühnenbild/Bühnengestaltung 1976/77– 2006/07 nach Geschlecht und Gesamt StudienanfängerInnen nach Jahrgängen, Geschlecht und Gesamt AbsolventInnen nach Jahrgängen, Geschlecht, Gesamt Relation der Anzahl der Absolventinnen zur Anzahl der Studienanfängerinnen, Zeitraum: 1973–2007 Vergleich der Anzahl der Studienanfänger mit der Anzahl der Absolventen, Zeitraum: 1973–2007 Studienanfängerinnen und Absolventinnen nach Jahrgängen und in prozentuellen Anteilen Studienanfänger und Absolventen nach Jahrgängen und in prozentuellen Anteilen Anteil der Absolventinnen im Vergleich zu den StudienanfängerInnen Gesamt. Zeitraum: 1973–2007 StudienanfängerInnen und prozentuelle Anteile der AbsolventInnen nach Jahrgängen AbsolventInnen der Studienfamilie Bühnengestaltung 2000–2010 (Erst- und Zweitabschlüsse) in Österreich nach Geschlecht und Gesamt Übersicht zu den Interview-PartnerInnen hinsichtlich Geschlecht, Professur, Beruf Übersicht zu den Interview-PartnerInnen, weitere Details Kategorien zur Auswertung der Interviews Übersicht der in der Arbeit genannten Bühnen-und Kostümbildnerinnen, Bühnenraumgestalterinnen nach Geburtsjahr

176 176 177 180 182 183 183 185 188 189 197 216 217 221

321

Anhang

I

I NTERVIEW -L EITFADEN

Einstiegsfrage • anknüpfend an die aktuelle Situation der Befragten Motivation • Wie ist es dazu gekommen, dass Sie Bühnenbild/Bühnengestaltung studiert haben? • Schlüsselerlebnisse während und nach dem Studium für Verbleib im Feld oder dagegen • Unterstützende Personen/familiäres Umfeld • Was war problematisch? • Was hat Ihnen gefallen? Berufliche Entwicklung/Erfolg • Wie gelang der Berufseinstieg? • Wie verlief die Entwicklung, dass Sie heute in diesem Beruf tätig/nicht tätig • • • • •

sind? Schlüsselerlebnisse, Förderliches, Hinderliches? Wesentliche Erkenntnisse für die (künstlerische) Arbeit Wie geht es Ihnen aktuell im Beruf? Wünsche für Ihre berufliche Zukunft? Wie definieren Sie Erfolg? Was war/ist für Sie wichtig für Erfolg?

Geschlechtsspezifische Unterschiede • Haben Sie Unterschiede von Frauen/Männern im Studium/im Berufsfeld

wahrgenommen? • Falls ja: Welche? Haben Sie Vermutungen/Erklärungen warum?

320 | B ÜHNENBILDNERINNEN

Familiäre Situation • Vereinbarkeit Beruf mit Partnerschaft und Kindern Ergänzungen/Resümee • Würden Sie heute etwas anders entscheiden, wenn Sie könnten? • Möchten Sie Empfehlungen nennen für die Studienwahl, den Berufseinstieg,

die Ausbildung an der Uni? • Welche Unterstützungen würden Sie hilfreich finden? • Welche Aspekte möchten Sie noch nennen, die bisher nicht besprochen wurden?

A NHANG

II

I NDEX : B ÜHNEN - UND K OSTÜMBILDNERINNEN , B ÜHNENRAUMGESTALTERINNEN

Tabelle 15: Übersicht der in der Arbeit genannten Bühnen-und Kostümbildnerinnen, Bühnenraumgestalterinnen nach Geburtsjahr 

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| 321

322 | B ÜHNENBILDNERINNEN



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| 323

324 | B ÜHNENBILDNERINNEN



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| 325

326 | B ÜHNENBILDNERINNEN



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Quelle: Eigene Zusammenstellung

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2011, 288 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1494-7

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