Bestimmungsgründe für die Verbreitung von neuen Technologien [1 ed.] 9783428440344, 9783428040346


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Bestimmungsgründe für die Verbreitung von neuen Technologien [1 ed.]
 9783428440344, 9783428040346

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Beiträge zur Verhaltensforschung Heft 21

Bestimmungsgründe für die Verbreitung von neuen Technologien Von

Hans-Walter Mohr

Duncker & Humblot · Berlin

HANS-WALTER

MOHR

Bestimmungsgründe für die Verbreitung von neuen Technologien

Beiträge zur

Verhaltensforschung

Herausgegeben von Professor Dr. Dres. h. c. G. Schmölders

Heft 21

Bestimmungsgründe für die V e r b r e i t u n g von neuen Technologien

Von

Dr. Hans-Walter Mohr

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1977 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04031 1

Für Vila

Geleitwort Der technische Fortschritt, die wirtschaftliche Nutzung neuer Produktionsverfahren, ist der große Motor für Wachstum und Entwicklung. Entscheidend ist dabei, neben und nach der Erfindung (Entdeckung) einer Neuerung, ihre Einführung i n den wirtschaftlichen Alltag, d. h. die Ausbreitung der Innovation über die Pionierleistung des ersten Anwenders hinaus auf mehrere und schließlich viele Benutzer, die sich des neuen Verfahrens bedienen. Dieser zweite Abschnitt des Innovationsprozesses, die verbreitete Durchsetzung eines technischen Fortschritts, ist in der Fachliteratur bisher sehr stiefmütterlich behandelt worden; vor allem fehlt es an Untersuchungen über die Bestimmungsgründe jenes Verhaltens, das den Siegeszug einer technischen Neuerung letztlich überhaupt erst ermöglicht. I n der vorliegenden Untersuchung w i r d dieser Abschnitt des I n vestitionsverhaltens der Unternehmen, die Übernahme und Anwendung technischer Innovationen auf breiter Front, an Hand der Bestimmungsgründe analysiert, die zu diesem Verhalten beitragen. Dabei versteht es sich bei der Aufgabenstellung unserer Schriftenreihe von selbst, daß das Untersuchungsfeld nicht auf die sogenannten „ökonomischen Faktoren" des Innovationsprozesses eingeengt bleibt, sondern daß auch gesellschaftliche, psychologische und sozialpsychologische Einflußfaktoren berücksichtigt werden, die das unternehmerische Verhalten ebenfalls mitbestimmen. Bei aller Unterschiedlichkeit, die den Verbreitungsprozeß technischer Neuerungen von Fall zu Fall und von Branche zu Branche kennzeichnet, bietet die vorliegende Systematisierung der Einflußfaktoren doch einen Ansatz, der für die konkrete empirische Uberprüfung des Investitionsverhaltens i m Innovationsprozeß von Nutzen sein kann; weitere Untersuchungen zu diesem Fragenkreis sind inzwischen bereits angelaufen. Prof. Dr. Dres. h. c. Günter Schmölders

Inhaltsverzeichnis

Problemstellung, und Aufbau

Zielsetzung

der Untersuchung

Abschnitt

13

I

Der Innovationsprozeß

22

1. Der Begriff der Innovation

22

2. Innovationsarten

24

3. Phasen des Innovationsprozesses

25

3.1 Die

Inventionsphase

27

3.2 Die Innovationsphase

28

3.3 Die Diffusionsphase

29 Abschnitt

Traditionen

II

der Diffusionsforschung

32

1. Die anthropologische T r a d i t i o n

33

2. Die frühere soziologische T r a d i t i o n

34

3. Die agrarsoziologische Tradition

35

4. Die erziehungswissenschaftliche T r a d i t i o n

37

5. Die medizinsoziologische T r a d i t i o n

37

6. Die kommunikationswissenschaftliche T r a d i t i o n

38

7. Die Konsumgüter-Diffusions-Tradition

39

Abschnitt Ein Modell wichtiger Faktoren, zur Übernahme von Innovationen 1. Begründung des Modells

III die auf die Bereitschaft von Einfluß sein können

41 41

10

Inhaltsverzeichnis

2. Die Übernahme einer Innovation als abhängige Variable

42

3. Unabhängige Variablen

44

3.1 Spezifische Eigenschaften der Innovation

44

3.2 Unternehmensexterne Variablen

45

3.3 Unternehmensinterne Variablen

46

3.3.1 Spezifische Merkmale der Anwender

46

3.3.2 Einfluß organisationsstruktureller Variablen

47

Abschnitt Einfluß

IV

innovationsspezifischer Eigenschaften auf den Diffusionsprozeß

48

1. Relative Vorteilhaftigkeit der Innovation

51

2. Vereinbarkeit der Innovation m i t den vorhandenen Produktionsbedingungen

53

3. Komplexität der Innovation

55

4. Erprobbarkeit der Innovation

56

5. Beobachtbarkeit der Innovation

57

6. Ausreifungsgrad der Innovation

58

7. Zusammenfassung

59

Abschnitt Einfluß

V

unternehmensexterner Variablen auf den Diffusionsprozeß

63

1. Notwendigkeit der Einbeziehung der U m w e l t i n die Betrachtung

63

2. Die Marktfaktoren

64

2.1 Die Marktgröße

66

2.2 Die M a r k t s t r u k t u r

66

2.3 Die Nachfrage

70

2.4 Die Anbieter (Lieferanten)

71

2.5 Kooperationsmöglichkeiten

73

3. Der Einfluß externer Informationen 3.1 Fachzeitschriften, Hersteller 3.2 Informationsringe

Patentschriften,

75 schriftliche

Mitteilungen

der

79 82

Inhaltsverzeichnis 3.3 Personengebundene Kontakte

85

3.4 Fachmessen, Fachtagungen

87

3.5 Zusammenfassung

87

4. Einfluß der Fremdfinanzierung

89

4.1 Konventionelle Finanzierung

90

4.2 Risikokapital

91

5. Einfluß des Faktors A r b e i t

96

5.1 Quantitatives Arbeitsangebot

96

5.2 Qualitatives Arbeitsangebot

97

6. Einfluß des Staates

99

6.1 Steuerrecht

99

6.2 Patentrecht

103

6.3 Lizenzrecht

105

Abschnitt VI Einfluß unternehmensinterner Variablen auf den Diffusionsprozeß

108

1. Einfluß der Unternehmensgröße

108

2. Einfluß des Investitionsanlasses

112

2.1 Ersatzinvestitionen

113

2.2 Erweiterungsinvestitionen

115

3. Einfluß der Eigenfinanzierungsmöglichkeit

116

4. Einfluß der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens

119

5. Spezifische Merkmale der Anwender

121

5.1 Das I n d i v i d u u m als Anwender

122

5.1.1 Motive u n d Verhalten

122

5.1.2 Einstellungen u n d Verhalten

125

5.1.3 Klassifizierung der Anwender

126

5.1.4 Charakterisierung der Anwenderkategorien 5.1.4.1 Sozio-ökonomische Charakteristika 5.1.4.2 Persönlichkeitsfaktoren 5.1.4.3 Kommunikationsverhalten

130 130 132 135

5.2 Die Gruppe als Anwender

136

5.2.1 Bedingungen der Leistungsfähigkeit der Gruppe

137

5.2.2 Einfluß der Gruppe auf das Innovationsverhalten

140

Inhaltsverzeichnis

12

6. Der Einfluß der Organisationsstruktur

143

6.1 A r t des Aufbaues der Organisation

145

6.2 Leitungssysteme

148

6.3 Determiniertheit der Organisationsstruktur

151

6.4 Organisatorische Sicherstellung der Innovationsbereitschaft

156

Abschnitt Zusammenfassung

VII

und Schlußfolgerungen

Literaturverzeichnis

161

168

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung* Der technische Fortschritt, der sich durch Innovationen aller A r t vollzieht, ist der wichtigste Beitrag zur Steigerung der Produktivität und demnach zur Erhöhung des Sozialproduktes einer Volkswirtschaft. Berechnungen für die U S A 1 und die Bundesrepublik Deutschland 2 haben ergeben, daß das Wachstum der Produktivität bis Ende der 50er Jahre zu 90 o/o durch technischen Fortschritt erklärt werden kann. Berechnungen für andere Länder, so ζ. B. für Norwegen 3 , Finnland 4 und Großbritannien 5 , kommen zu ähnlichen Schlußfolgerungen, die auch durch eine Untersuchung der OECD bestätigt werden 6 . Lediglich die Studie von A. L. Gaathon führt — allerdings als einzige publizierte Studie dieser A r t — das Wachstum des Sozialproduktes unter Verwendung der konventionellen Technologie als Maßeinheit i n erster Linie auf den Zuwachs des Kapitals pro Kopf der Bevölkerung zurück 7 . Der anteilige Beitrag des technischen Fortschritts zum Wachstum der Arbeitsproduktivität w i r d neueren Studien zufolge auf ungefähr 75 °/o * F ü r die Anregung zu der hier vorgelegten Untersuchung u n d die U n t e r stützung, die m i r bei ihrer Anfertigung i n mehrjähriger Zusammenarbeit zuteil geworden ist, möchte ich an dieser Stelle H e r r n Prof. Dr. Dres. h. c. Günter Schmölders herzlich danken. 1 Solow, R. M.: The Technical Change and the Aggregate Production Function, i n : The Review of Economics and Statistics, Vol. 39, 1957, S. 312 - 320 u n d Hogan, W. P.: Technical Progress and Production Function, i n : The Review of Economics and Statistics, Vol. 40, 1958, S. 407 - 411; Abramowitz, M.: Resource and Output Trends i n the United States Since 1870, i n : The American Economic Review, Vol.66, 1956, S . 5 - 2 3 . 2 Bombach, G.: Quantitative u n d monetäre Aspekte des Wirtschaftswachstums, i n : Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F. Bd. 15, 1959, S.154 - 230. 3 Aukrust, O. and Bjerke, J.: Real Capital and Economic G r o w t h i n N o r w a y 1900- 1956, i n : Goldsmith, R. and Saunders, Ch. (Eds.). The Measurement of National Wealth, London 1959, S. 80 - 118. 4 Niitamo, Ο.: The Development of Productivity i n Finnish Industry 1925 - 1952, i n : Productivity Measurement Review, No. 15, 1958, S. 30 - 41. 5 Reddaway, W. B. and Smith, A . D.: Progress i n B r i t i s h Manufacturing Industries i n the Period 1948 - 1954, The Economic Journal, Vol. 70, 1960, S. 17 - 37. 6 OECD: Science, Economic G r o w t h and Government Policy, Paris 1963, S. 17. 7 Kennedy, C. and T h i r l wall, A . P.: Surveys i n Applied Economics: Technical Progress, i n : The Economic Journal. Vol. 82, 1972, S. 18.

14

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

geschätzt8. Die herkömmlichen Produktionsfaktoren Boden und Arbeit scheinen vor allem i n Europa ihre Grenzen erreicht zu haben. Insbesondere bedingt durch die ungünstige Bevölkerungsstruktur w i r d das Arbeitskräftepotential i n der Bundesrepublik bis weit i n die 70er Jahre hinein nur noch geringfügig wachsen 9 , so daß die sich dadurch möglicherweise ergebenden Wachstumseinbußen nur durch eine Steigerung der Produktivität, d. h. durch technischen Fortschritt kompensiert werden können. Gelingt dies nicht, so ist die Realisierung des w i r t schaftspolitischen Zieles, wie es auch i m Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft ausdrücklich artikuliert ist, nämlich „die Erreichung eines angemessenen Wirtschaftswachstums", i n Frage gestellt. Die Bedeutimg, die dem technischen Fortschritt für die gesamtwirtschaftliche Produktivität und damit für das gesamtwirtschaftliche Wachstum zukommt, w i r d vom Staat auch durchaus anerkannt; sie kommt i m Jahresbericht 1970 der Bundesregierung 10 deutlich zum Ausdruck, wenn zu den Bedingungen für das mittel- und langfristige Wirtschaftswachstum folgendes ausgeführt w i r d : „Bei annähernd konstantem Erwerbskräftepotential hängt das gesamtwirtschaftliche Wachstum mehr noch als bisher von zusätzlichem Kapitaleinsatz, technischem Fortschritt, besserer beruflicher Bildung und Nutzung von Wachstumsreserven durch strukturelle Umstellungen ab." Allerdings w i r d das Wirtschaftswachstum heute differenzierter betrachtet als noch vor Jahren, was vor nicht allzulanger Zeit auch i n einer Studie der OECD deutlich zum Ausdruck gekommen ist 1 1 . Z u der Erkenntnis nämlich, daß ein traditionell verstandenes W i r t schaftswachstum nicht mehr das einzige Beurteilungskriterium der gesellschaftlichen Entwicklung sein kann, haben gerade die den technischen Fortschritt begleitenden Erscheinungen geführt. Z u einer Zeit, als noch einfache ökonomische Ziele nicht befriedigt werden konnten, stand die Deckung des notwendigen Bedarfs i m Vordergrund der Betrachtung. Inzwischen hat der durch das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre erreichte Versorgungsstand nicht-ökonomische Bedürfnisse stärker i n den Vordergrund treten lassen 12 . So w i r d ζ. B. gefordert, 8 Görzig, B. u n d Kirner, W.: Der Wachstumsspielraum der deutschen Wirtschaft, i n : Deutsches I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung, Wochenbericht Nr. 20, 1971 v o m 13. 5.1971. 9 Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), W i r t schaftliche u n d soziale Aspekte des technischen Wandels i n der Bundesrepublik Deutschland, Erster Band: Sieben Berichte, F r a n k f u r t / M a i n 1970, S. 22 ff. 10 Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, Drucksache VI/281 v o m 27.1.1970. Jahreswirtschaftsbericht 1970 der Bundesregierung, Ziffer 66. n OECD: Science, G r o w t h and Society. A New Perspective, Paris 1971, S. 89.

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung neuartige Produktionsverfahren, Güter und Dienstleistungen nur noch dann als erfolgreich anzusehen, wenn sie die Umwelt gar nicht oder allenfalls i n geringstmöglicher Weise belasten oder schädigen. Z u den Anreizen Wettbewerb und Gewinn müßte ein vorgegebener gesellschaftlicher Orientierungsrahmen treten, der neben wirtschafts- und sozialpolitischen Daten auch ökologische Eckwerte enthält 1 3 . Da heute die meisten Innovationen noch weitgehend ungeplant sind, können sie auch keiner übergreifenden Zielsetzung unterworfen werden; daher kann es nicht verwundern, daß ein großer Teil der Innovationen sich auf die Korrektur der Folgen früherer Innovationen erstreckt 14 . Wenn inzwischen auch ohne weiteres zugestanden wird, daß die einzelnen Innovationen weitgehend unplanbar sind, heißt das nicht, daß nicht wenigstens die Bedingungen, die neue Ideen wahrscheinlicher machen und Ziele die m i t ihnen angestrebt werden, doch planbar wären 1 5 . Darüber hinaus beschränkt sich die Betrachtung des technischen Fortschritts nicht nur auf gesellschaftliche Faktoren innerhalb einer Volkswirtschaft, sondern geht über deren Grenzen hinaus 16 . Die Zielrichtung des wissenschaftlichen Interesses an der Erforschung des technischen Fortschritts, der i n Innovationen aller A r t zum Ausdruck kommt, als der Hauptursache wirtschaftlichen Wachstums, hat sich i n den letzten Jahren deutlich verlagert. Bis vor nicht allzulanger Zeit galt allein der Messung des technischen Fortschritts 17 das Hauptaugen12 K r u p p , H. J.: Soziale Indikatoren und Qualität des Lebens — Eine Deutung des Wirtschaftswachstums, i n : I F O - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Technischer Fortschritt. Ursache u n d A u s w i r k u n g wirtschaftlichen Handelns, München 1974, S. 370 f. !3 Menke-Glückert, P.: Technischer Fortschritt und Umweltschutz, i n : I F O - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Technischer Fortschritt. U r sache u n d A u s w i r k u n g wirtschaftlichen Handelns, München 1974, S. 197 ff. 14 Heinrichs, J.: Z u r Beurteilung der Rolle von Innovationen f ü r die L e bensbedingungen der technisch-wissenschaftlichen Welt, i n : I F O - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Innovation i n der Wirtschaft, München 1970, S. 352 ff. 15 Seetzen, J. u n d Ferrari, Α.: Ergebnisse der Innovationsforschung i n den USA u n d Europa, i n : Meissner, H. G.; K r o l l , Η . A. (Hrsg.), Management technologischer Innovationen, Pullach 1974, S. 43 ff. 16 Heinrichs, J.: Z u r Beurteilung der Rolle von Innovationen für die L e bensbedingungen der technisch-wissenschaftlichen Welt, i n : I F O - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Innovation i n der Wirtschaft, München 1970, S. 352 ff. 17 A r r o w , K . J. et al: Capital Labour Substitution and Economic Efficiency, i n : The Review of Economic and Statistics, Vol.43, 1961, S. 225 - 250, Brown, M.: On the Theory and Measurement of Technological Change, Cambridge 1966; Lave, L. B.: Technological Change: Its Conception and Measurement, Englewood Cliffs, New Jersey 1966; Mansfield, E.: The Economics of Technological Change, New Y o r k 1968; Beckmann, M. J. and Sato, R.: Neutral Inventions and Production Functions, i n : The Review of Economic Studies, Vol.35, 1968, S. 57 - 66; Vaal, J.: Technischer Fortschritt u n d Faktorsub-

16

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

merk aller wissenschaftlichen Bemühungen; dieser wurde dann als Residualgröße makroökonomischer Produktionsfunktionen betrachtet. Der Mangel dieser Untersuchungen ist es, daß sie den Beitrag des technischen Fortschritts lediglich als Restgröße ermitteln und so alle Unwägbarkeiten, m i t denen Restgrößen naturgemäß behaftet sind, i n die Rechnung m i t einbeziehen. Hinzu kommt, daß das Bruttosozialprodukt bedeutsame Erklärungsfaktoren des technischen Fortschrittes überhaupt nicht enthält und daß bei dieser A r t der Ermittlung der einzelne Beitrag von technischer Veränderung, Bildung und Kapitalstock gar nicht ermittelt werden kann 1 8 . Inzwischen hat jedoch eine Interessenverlagerung dergestalt stattgefunden, daß man nunmehr die Bestimmungsgründe des technischen Fortschritts zu ergründen versucht 19 . Hierbei konzentriert sich das Interesse i n letzter Zeit vor allem auf die Bestimmungsgründe, die die Verbreitung des technischen Fortschrittes i n Form von Innovationen beeinflussen. Denn zwischen der Höhe der Ausgaben für Forschung und Entwicklung und dem Wachstum besteht, anders als vielleicht vermutet werden könnte, nur ein geringer Zusammenhang 20 . Vielmehr kommt es auf die effiziente Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse i n technologische Neuerungen und deren weitgehende Verbreitung i n der Volkswirtschaft an; denn ein potentieller technischer Fortschritt ist in ökonomischem Sinne erst dann verwirklicht, wenn die neue Technologie i n allen möglichen Anwendungsbereichen eingesetzt und genutzt wird. I n der Tat liegen zwischen der Entstehung einer Idee und ihrer erstmaligen Nutzung als technische Neuerung meist 8 bis 15 Jahre 2 1 . Bei der anschließenden Phase ihrer Verbreitung, also vom Zeitpunkt ihrer ersten kommerziellen Nutzung, vergehen oft 20 Jahre und mehr, bis alle i n Frage kommenden Unternehmen die neue Technologie nutzen; stitution i n der westdeutschen Textilindustrie (1950- 1965), Tübingen 1969; Ihlau, T. u n d Rail, L.: Die Messung des technischen Fortschritts, Tübingen 1970; Frohn, J. et al: Der technische Fortschritt i n der Industrie, i n : Broermann, J. (Hrsg.), Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 207, B e r l i n 1973. is Mansfield, E.: Technological Change: Measurement, Determinants and Diffusion, i n : Anhangband I I zum Bericht der National Commission on Technology and the American Economy, Washington (D.C.) 1966, zitiert bei Grefermann, Κ . et al, Patentwesen u n d technischer Fortschritt, T e i l l , Die Wirkungen des Patentwesens i m Innovationsprozeß, i n : Kommission für wirtschaftlichen u n d sozialen Wandel, Bd. 10/1, Göttingen 1974, S. 4. 19 Oppenländer, Κ . H.: Technischer Fortschritt — Ursache u n d A u s w i r k u n g wirtschaftlichen Handelns, i n : I F O - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung, Schnelldienst, 27. Jahrgang, Heft 13, 1974, S. 8. 20 OECD, Gaps i n Technology. A n a l y t i c a l Report, Paris 1969; Röpke, J.: Innovation, Organisationsstruktur u n d wirtschaftliche Entwicklung: Z u den Ursachen des wirtschaftlichen Aufstiegs von Japan, i n : Jahrbuch f ü r Sozialwissenschaften, Bd. 21, 1970, S. 205. 21 Enos, J. L . : The Rate and Direction of Inventive A c t i v i t y , i n : Nelson, R. R. (Hrsg.), Economic and Social Factors, Princeton, N.J. 1962, S. 278 - 298.

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung nur selten werden dafür weniger als 10 Jahre benötigt 2 2 . Damit konzentriert sich die Frage des technischen Fortschrittes auf die Untersuchung des Investitionsverhaltens der die Innovation aufnehmenden und zur Anwendung bringenden Unternehmer. A u f die Notwendigkeit von Untersuchungen darüber, wie schnell sich eine neue Technologie innerhalb einer Volkswirtschaft ausbreitet und welche Determinanten diesen Umsetzungsprozeß beeinflussen, wurde bereits sehr früh hingewiesen 23 . 18 Jahre später mußte E. Mansfield 2 4 jedoch feststellen, daß der Mangel an solchen Untersuchungen noch weit mehr offenbar war als damals. Doch selbst heute sind, obwohl eine umfangreiche Literatur über Fragen des technischen Fortschrittes besteht, der durch Innovationen aller A r t bewirkt wird, die Grundlagen dieses Investitionsverhaltens, also die Bestimmungsgründe der Verbreitung von neuen Technologien noch zu wenig bekannt 2 5 . Vor allem erscheint eine Beschränkung der Analyse auf ökonomische Einflußfaktoren wenig sinnvoll, da nicht davon ausgegangen werden kann, daß die die Neuerung übernehmenden Einheiten Verhaltensweisen an den Tag legen, wie sie dem homo oeconomicus zugeschrieben werden, daß also eine Neuerung sofort nach ihrer Einführung in den Markt erkannt und ungeachtet des Verhaltens aller übrigen Systemeinheiten eingeführt wird, um dadurch z. B. den Gewinn zu maximieren. Da eine Unternehmung ohne Gewinnerzielung nicht existenzfähig bleibt, ist das Gewinnstreben i n einem Wirtschaftssystem westlicher Prägung eine conditio sine qua non, wenn auch keineswegs die einzige oder gar die eigentliche und letzte Triebfeder unternehmerischen Verhaltens. Vielmehr „ist die finanzielle Rentabilität nur ein — je besser die Gewinnlage des Unternehmens ist, u m so weiterer — Rahmen, innerhalb dessen sich z.B. auch Strebungen wie Geltungsdrang und Aggression, Nachahmung und Ubertrumpfung auswirken können" 2 6 . Neben den A n trieb zur Selbsterhaltung, also der Gewinnerzielungsabsicht, treten dam i t mancherlei Vitalbedürfnisse, die ihre Bedeutung erst aus dem sozialen Kontakt heraus erhalten, wie z. B. Selbständigkeit, Macht, 22 Mansfield, E.: Industrial Research and Technological Innovation. A n Econometric Analysis, New Y o r k 1968, S. 204. 23 Committee on Price Determination: Cost Behavior and Price Policy, National Bureau of Economic Research, 1943, S. 169, zitiert bei Mansfield, E., Technical Change and the Rate of Imitation, i n : Econometrica, Vol. 29, 1961, S. 741. 24 Mansfield, E., ebenda S. 741. 25 Ray, G. F.: Ergebnisse von Diffusionsuntersuchungen i n Europa, i n : I F O - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Innovation i n der Wirtschaft, München 1970, S. 82. 26 Schmölders, G.: Die Unternehmer i n Wirtschaft u n d Gesellschaft, Essen 1973, S. 27. 2

Mohr

18

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

Prestige usw. 2 7 . Anderenfalls wäre die Beobachtung nicht erklärbar, daß ein Teil der Unternehmer bzw. Unternehmen einer Volkswirtschaft technischen Neuerungen aufgeschlossen gegenübersteht, ja sie sogar in ihrer Eigenschaft als Nachfrager nach Kräften stimuliert, während andere hingegen an traditionellen Produktionsverfahren festhalten. A u f die Tatsache, daß die Problematik der gesamten praktischen Nationalökonomie aufs stärkste von nicht-ökonomischen Momenten durchdrungen ist, die demzufolge i n die Überlegungen m i t einzubeziehen sind, wurde bereits sehr früh hingewiesen. G. Myrdal ζ. B. lenkte das Augenmerk darauf, daß sozialpsychologische Momente nicht nur die Kausalabläufe bestimmen, sondern daß sie auch primäre Bedeutung für die Problemstellung und Systematisierung haben 28 . I m Zusammenhang m i t einer Untersuchung über die Investitionsentscheidungen industrieller Unternehmen hat E. Gutenberg daran erinnert, daß ökonomische Überlegungen unter Umständen von solchen psychologischer Natur überlagert werden 2 9 . Der Einfluß soziologischer, psychologischer und sozialpsychologischer Faktoren auf die Investitionsentscheidungen, insbesondere wenn es u m die Bereitschaft zur Investition i n neue Technologien geht, w i r d heute allerdings auch wohl kaum noch ernsthaft bestritten 3 0 . I n einem Sachverständigengutachten der OECD w i r d vor allem auch auf die Notwendigkeit einer Kombination der Methoden der ökonomischen Analyse m i t denen der Psychologie, der Organisationswissenschaft und der politischen Wissenschaft aufmerksam gemacht 31 . Bisher gibt es jedoch kaum Versuche, die Vielzahl aller möglichen Einflußfaktoren i n einem integrierten Ansatz systematisch darzustellen 32 ; der Ansatzpunkt der neuen sozialökonomischen Verhaltensforschung 33 , der sich die vorliegende Arbeit zurechnet, ist es 27 Hederer, G.: Die M o t i v a t i o n von Investitionsentscheidungen der U n t e r nehmung. Eine verhaltenswissenschaftliche Studie, i n : Schriften zur w i r t schaftswissenschaftlichen Forschung, Bd. 36, Meisenheim am Glan 1971, S. 102. 28 Myrdal, G.: Das Zweck-Mittel-Denken i n der Nationalökonomie, i n : Zeitschrift f ü r Nationalökonomie, Bd. I V , 1932, S. 325. 29 Gutenberg, E.: Untersuchungen über die Investitionsentscheidungen industrieller Unternehmen, Köln—Opladen 1959, S. 15. 30 Siehe aber Griliches, der glaubt, weitgehend ökonomische Variablen seien für den Übernahmeprozeß für Neuerungen verantwortlich und sogenannte „soziologische" Faktoren ließen sich zu 90 °/o auf ökonomische reduzieren. Griliches, Z.: H y b r i d Corn: A n Exploration i n the Economics of Technological Change, i n : Econometrica, Vol.25, 1957, S. 522. 31 OECD: Science, Economic G r o w t h and Government Policy, Paris 1963, S. 16. 32 Scholz, L.: Technologie u n d Innovation i n der industriellen Produktion, i n : Kommission für wirtschaftlichen u n d sozialen Wandel, Bd. 21, Göttingen 1974, S.8. 33 Schmölders, G.: ökonomische Verhaltensforschung i n : ORDO, Bd. 5, 1953, S. 203 -244; derselbe: 10 Jahre ökonomische Verhaltensforschung i n

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

19

gerade, diese Lücke zu füllen. Da der technische Fortschritt nicht nur das Wachstum einer Volkswirtschaft wesentlich beeinflußt, sondern gleichzeitig auch immer von strukturellen Wandlungen begleitet wird, welche wirtschaftlicher, technischer und sozialer A r t sein können, ist es für wirtschafts- als auch gesellschaftspolitische Fragestellungen äußerst bedeutsam, die Bestimmungsgründe zu kennen, die auf die Bereitschaft zur Investition i n neue Technologien von Einfluß sind. Dadurch w i r d es einem Staat, dem an einer aktiven Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik gelegen ist, eher möglich sein, die Verbreitung solcher Technologien, die vom gesellschaftlichen Standpunkt unerwünscht sind, zu verhindern oder deren Ausbreitung wenigstens zu erschweren, hingegen Technologien, die sowohl vom einzelwirtschaftlichen wie auch vom gesamtwirtschaftlichen Standpunkt aus wünschenswert erscheinen, m i t investitionsfördernden Maßnahmen zu unterstützen. Ziel der Arbeit ist es, deutlich zu machen, daß bei aller Unterschiedlichkeit der verschiedenen Innovationen ihre Verbreitung, also der Prozeß der Durchsetzung neuer Technologien i n einer Volkswirtschaft, viele gemeinsame Merkmale aufweist, so daß allgemeingültige Bestimmungsgründe gezeigt werden können, die die Verbreitung neuer Technologien begünstigen oder hemmen. Bei der Herausarbeitung der wichtigsten Einflußfaktoren w i r d davon ausgegangen, daß diese Bestimmungsgründe wesentlich aus vier Gruppen von Variablen stammen. Die erste Gruppe der Faktoren, die auf die Bereitschaft zur Investition i n neue Technologien von Einfluß sind, ist i n den spezifischen Eigenschaften (relative Vorteilhaftigkeit, Vereinbarkeit, Komplexität, Erprobbarkeit, Beobachtbarkeit und Ausreifungsgrad) der jeweiligen Innovation selbst zu sehen. Ε. M. Rogers und F. F. Shoemaker weisen darauf hin, daß i m Gegensatz zu dem i n der Literatur zu findenden Bemühen, den Einfluß unterschiedlicher Eigenschaften der eine Neuerung übernehmenden Einheiten herauszuarbeiten, nur wenig Anstrengungen unternommen worden sind, den Einfluß spezifischer Eigenschaften der Innovation auf den Ubernahmeprozeß zu untersuchen 34 . Alle möglichen Innovationen als gleichwertig anzusehen, wäre jedoch eine gefährliche Vereinfachung. Denn gerade i n der Tatsache, daß vermittels des Kriteriums „spezifische Eigenschaften" die verschiedenen Innovationen durch gleichartige Typen von Innovationsein-

Köln, i n : ORDO, Bd. 14, 1963, S. 259 - 273; derselbe: Sozialökonomische V e r haltensforschung, B e r l i n 1973. 34 Rogers, Ε. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 135 f.; Fliegel, F. C. and K i v l i n , J. E. : F a r m Practice Attributes and Adoption Rates, i n : Social Forces, Vol.40, 1962, S. 365.



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Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

heiten unterscheidbar werden, ist die Möglichkeit zu sehen, zumindest i n gewissen Grenzen generalisierende Aussagen zu treffen 3 5 . Eine Analyse der Einflußfaktoren, die die Bereitschaft zur Investition i n neue Technologien zum Gegenstand ihrer Betrachtung erhebt, kann nicht losgelöst vom sozio-ökonomischen Umfeld des oder der eine Neuerung Ubernehmenden erfolgen, da deren Verhaltensweisen von diesen übergeordneten strukturellen Bedingungen überlagert werden, so daß ihnen ein erheblicher Einfluß auf die Bereitschaft zur Investition zugestanden werden muß. Ein weiterer zu analysierender Variablenkomplex setzt sich daher aus diesen Umweltvariablen zusammen. Der dritte Komplex setzt sich aus Größen zusammen, die i m Bereich der Person oder Personen angesiedelt sind, die eine Innovationsidee aufgreifen, über Einführung oder Nichteinführung einer Innovation befinden und, sofern ihre Einführung beschlossen wird, die Realisierung durchsetzen. Neben dem Einfluß demographischer Daten (Alter, Geschlecht, Ausbildung usw.) auf die Bereitschaft zur Investition i n neue Technologien sind vor allem die durch Enkulturation gewachsenen Einstellungen und Erwartungen der am Innovationsprozeß Beteiligten von großer Bedeutung. Da jedoch durch das Vordringen der Kapitalgesellschaften und die dadurch bedingte Trennimg von Kapital und Leitung auf der einen und die fortschreitende Delegation von Entscheidungsbefugnissen, die durch die zunehmende Komplexität des betrieblichen Planungs- und Entscheidungsprozesses begründet ist, auf der anderen Seite Innovationsentscheidungen überwiegend i n Gruppen getroffen werden, interessiert besonders, ob — und wenn ja wie — sich die Einstellungen der Individuen durch den Einfluß der Gruppe ändern und m i t welchen Konsequenzen für den Innovationsprozeß. Nur i n den Fällen, i n denen der eine neue Technologie Ubernehmende m i t dem Unternehmensinhaber identisch ist, ist er — zumindest i n gewissen Grenzen — frei von Zwängen einer formalen Organisationsstruktur. I n allen mittleren und größeren Produktionseinheiten ist der „Innovator" dagegen i n formale Organisationsstrukturen eingebettet. Der Einfluß der Formalstruktur der Organisation auf die Bereitschaft, i n neue Technologien zu investieren, führt schließlich zu dem zu untersuchenden vierten und letzten Block von Variablen. Die vorliegende Arbeit stellt den Versuch dar, die für die Übernahme neuer Technologien wesentlichen Variablen, deren Gesamtheit sich aus den oben beschriebenen Variablenblöcken ergibt, zusammenzutragen, 35 Rogers, Ε. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 350 ff . ; Mansfield, E.: Technical Change and the Rate of Imitation, i n : Econometrica, Vol. 29, 1961, S. 763; Fliegel, F. C. and K i v l i n , J. E.: F a r m Practice Attributes and Adoption Rates, i n : Social Forces, Vol.40, 1962, S. 364-370.

Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung um so eine Voraussetzung für eine empirische Überprüfung des Innovationsverhaltens der Unternehmer zu schaffen. Da statistisch-repräsentative Unterlagen über das Unternehmerverhalten i n bezug auf die Übernahmebereitschaft neuer Technologien weitgehend fehlen, können in den Fällen, i n denen Einflußgrößen innovativen Verhaltens durch empirische Teiluntersuchungen nicht schon bestätigt oder widerlegt werden konnten, nur sorgfältig formulierte Hypothesen gebildet werden. „Doch zwingt diese Einsicht nicht zur Resignation. Denn die empirische Prüfung von Hypothesen ist zwar der augenfälligste Schritt einer Untersuchung, da sie über das Zurechtbestehen oder die Verwerfung einer Hypothese entscheidet, sie bedarf aber sehr wohl eines theoretischen Bezugsrahmens, d. h. klar umrissener Thesen über das Erkenntnisobjekt, dessen bisher verborgene Teilstrukturen oder bislang fehlende Glieder aufzudecken und i n das Untersuchungsobjekt einzubeziehen und zu integrieren sind 3 6 ." Die Arbeit gliedert sich i n insgesamt sieben Abschnitte. I m ersten Abschnitt w i r d neben den notwendigen definitorischen Klarstellungen vor allem auf die unterschiedliche Bedeutung der den Innovationsprozeß ausmachenden zeitlichen Phasen eingegangen. I m zweiten Abschnitt werden die Beiträge der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen zur Diffusionsforschung und die Brauchbarkeit ihrer Erkenntnisse zur Erklärung der Bestimmungsgründe für die Verbreitung von neuen Technologien i n Unternehmen einer kritischen Würdigung unterzogen. Nachdem dann i m dritten Abschnitt ein Modell zur Erklärung der Bestimmungsgründe der Verbreitung neuer Technologien aus einer Auswahl relevanter Einflußvariablen formuliert worden ist, werden die vier Gruppen von Variablen, aus denen sich das Gesamtmodell zusammensetzt, i n den darauf folgenden drei Abschnitten m i t dem Ziel analysiert, ihren Einfluß auf die Übernahmebereitschaft abzuschätzen. Demzufolge w i r d i m vierten Abschnitt der Einfluß der spezifischen Eigenschaften der I n novationen diskutiert, i m fünften Abschnitt das Umfeld der Unternehmung, i m sechsten Abschnitt schließlich die unternehmensinternen Variablen, die sich neben der Unternehmensgröße, des Investitionsanlasses, der Eigenfinanzierungsmöglichkeit und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens aus den spezifischen Merkmalen der Anwender und den organisationsspezifischen Einflußgrößen zusammensetzen. I m letzten Abschnitt erfolgt dann eine abschließende Beurteilung des Einflusses der diskutierten Variablen sowie der sich sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen für zukünftige Forschungsanstrengungen.

36 Kreikebaum, H. u n d Rinsche, G,: Das Prestigemotiv i n Konsum u n d Investition. Demonstrative Investitionen u n d aufwendiger Verbrauch, i n : Schmölders, G. (Hrsg.), Beiträge zur Verhaltensforschung, K ö l n 1961, S. 14.

Abschnitt I

Der Innovationsprozeß

Der Innovationsprozeß w i r d als Spezialfall der Kulturdiffusion gesehen; er steht i m Zentrum der Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung 1 . Er umfaßt die Gesamtheit aller Teilprozesse von der Entstehimg einer Idee bis zu ihrer letztlich 100 °/oigen Übernahme durch die sie anwendenden Einheiten. 1. Der Begriff der Innovation Eine Innovation stellt immer eine Neuerung dar, wobei es sich entweder — u m es einmal ganz allgemein auszudrücken — u m eine völlig neue Idee oder eine originäre Neukombination bzw. Modifikation bestehender Ideen handeln kann. J. Schumpeter hat i n den 30er Jahren den Begriff der „Innovation" i n die Wirtschaftswissenschaften eingeführt 2 . Doch w i r d der Terminus Innovation bis heute keineswegs einheitlich definiert. Vielmehr werden darunter sehr unterschiedliche Begriffsinhalte subsumiert 3 ' 4 . I m wesentlichen haben sich i n der Literatur drei verschiedene Definitionen herauskristallisiert. Unbrauchbar ist wohl die, die den Begriff „Innovation" m i t dem des Begriffsinhaltes des Innovationsprozesses selbst gleichsetzt. Innovation ist demzufolge eine komplexe A k t i v i t ä t , die sich von der Konzipierung einer neuen Idee über die Lösung des Problems bis zu der aktuellen Nutzanwendung 1 Röpke, J.: Innovation, Organisationsstruktur u n d wirtschaftliche E n t wicklung: Z u den Ursachen des wirtschaftlichen Aufstiegs von Japan, i n : Jahrbuch für Sozialwissenschaft, Bd. 21, 1970, S. 207. 2 Werner, J. : Das Verhältnis von Theorie u n d Geschichte bei J. Schumpeter, i n : Montaner, A . (Hrsg.), Geschichte der Volkswirtschaftslehre, K ö l n — B e r l i n 1967, S. 282. 3 Die Einheitlichkeit des verwendeten Begriffsapparates ist wegen der zunehmenden interdisziplinären Forschungsansätze u n d der Vergleichbarkeit der untersuchten Untersuchungsgegenstände unbedingt erforderlich. 4 Becker u n d Whisler z. B. haben sieben verschiedene Begriffsdefinitionen i n der L i t e r a t u r recherchiert u n d fügen selbst eine weitere achte hinzu. Becker, S. W. and Whisler, T. L.: The Innovative Organization: A Selective V i e w of Current Theory and Research, i n : The Journal of Business, Vol.40, 1967, S. 462 ff.

1. Der Begriff der Innovation

23

einer Neuerung erstreckt, die von ökonomischem oder gesellschaftlichem Wert sein kann 5 . Eine weitere Version, die wohl von Ε. M. Rogers und F. F. Shoemaker am umfassendsten definiert wird, besagt, daß eine Idee, ein Verfahren oder ein Gegenstand dann eine Innovation darstellen, wenn sie von einem Individuum als neu wahrgenommen werden. Dabei ist es ziemlich einerlei, ob eine Idee, gemessen an der Zeitspanne deren erster Anwendung oder Entdeckung, „objektiv" neu ist oder nicht. Es ist die von einem Individuum wahrgenommene oder subjektive Neuheit, die seine Reaktion bestimmt. Erscheint eine Idee einem Individuum als neu, so ist es eine Innovation 0 . Diese Definition umfaßt sowohl den Tatbestand der erstmaligen Anwendung einer neuen Idee i n einer Volkswirtschaft überhaupt (gesamtwirtschaftliche Erstinnovation) als auch den der erstmaligen Anwendung dieser Idee durch eine Systemeinheit ungeachtet dessen, ob andere Systemeinheiten diese neue Idee bereits verwenden (einzelwirtschaftliche Erstinnovation). Eine dritte Definition besagt, daß eine Innovation den erstmaligen Gebrauch einer Erfindung darstellt 7 . Innovation ist demnach die erste kommerzielle Nutzung einer Erfindung i n einer Volkswirtschaft überhaupt. Gesamtwirtschaftlich betrachtet ist dies die einzig zweckmäßige Definition, denn die Innovation ist m i t der Tat des einen Pioniers als abgeschlossen zu betrachten 8 . Aus einzelwirtschaftlicher Sicht betrachtet ist hingegen die Definition nach Ε. M. Rogers und F. F. Shoemaker sinnvoller, denn für eine Unternehmung stellt die Einführung einer Neuerung auch dann eine Innovation dar, wenn andere Unternehmen diese bereits verwenden. Obwohl nicht verkannt wird, daß die Probleme verschieden sind, je nachdem ob eine Systemeinheit als Pionier oder als Letzter einer Volkswirtschaft eine Innovation realisiert, so sind diese wichtigen Gradunterschiede dennoch „lediglich Unterfälle der betriebswirtschaftlich klar abgegrenzten Erscheinung ,Innovation' " 9 . I n dieser Arbeit w i r d die Innovation unter dem Gesichtswinkel betrachtet, wie es Ε. M. Rogers und F. F. Shoemaker tun.

5 Myers, S., Marquis, D. G.: Successful Industrial Innovations. A Study of Factors Underlying Innovation i n Selected Firms. Washington D. C., Massachusetts 1969, S. 1; ebenso auch Kieser, Α.: Innovationen, i n : Grochla, E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1969, Sp. 742; Coenen, R., Wingert, B.: Konzepte und Ziele der Innovationsforschung, i n : Studiengruppe f ü r Systemforschung Heidelberg, Mitteilungen Nov. 1973, S. 9. 6 Rogers, E. M . w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 19. 7 OECD: The Conditions for Success i n Technological Innovation, Paris 1971, S. 19. 8 Witte, E.: Organisation f ü r Innovationsentscheidungen, i n : Kommission f ü r wirtschaftlichen u n d sozialen Wandel, Bd. 2, Göttingen 1973, S. 2. 9 Ebenda S. 3.

24

I. Der Innovationsprozeß

Da neben technischen und ökonomischen Fragestellungen i n letzter Zeit vor allem auch solche sozialer A r t 1 0 hinzugetreten sind, müssen Innovationen auch nach anderen Gesichtspunkten beurteilt werden als noch vor Jahren. Ob es durch eine Innovation generell zu einem technischen Fortschritt kommt, könnte nämlich nur dann konstatiert werden, wenn alle Kosten (social costs, opportunity costs) und Erträge (social benefits, Opportunitätserträge) aller Anwender dieser Innovation über den gesamten Anwendungszeitraum quantifizierbar wären und einander gegenübergestellt werden könnten 1 1 . Da dies aber i n aller Regel nicht möglich ist, „muß man sich mit der Erfassung relativer, d. h. bereichsspezifischer technischer Fortschritte zufriedengeben" 12 . 2. Innovationsarten Innovation i m weitesten Sinne ist jede Neuerung i m gesamten sozioökonomischen Bereich 13 . I m einzelnen werden jedoch folgende Innovationsarten unterschieden, die grundsätzlich sowohl positiven wie negativen Einfluß auf die Ziele einer Organisation haben können 1 4 . Als „Produkt- oder Dienstleistungsinnovation" w i r d die Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen bezeichnet, die eine Organisation produziert, verkauft oder i n einer anderen Weise an ihre Systemumwelt abgibt. Als „Verfahrensinnovationen" bezeichnet man den Einsatz neuer Verfahren, die eine technologisch fortschrittlichere Gestaltung der Produktion ermöglichen, d. h. den Ubergang zu Verfahren, die es gestatten, eine gegebene Menge von Produkten m i t geringeren Kosten bzw. mit den gleichen Kosten eine größere Produktmenge herzustellen, mit denen definitionsgemäß also immer eine positive Veränderung der Realkostenlage einhergehen muß 1 5 . „Organisations-strukturelle Innovatio10 Standke, Κ . H.: Hintergründe des Innovationsdilemmas i n Europa u n d den USA, i n : Meissner, H. G.; K r o l l , H. A . (Hrsg.): Management technologischer Innovationen, Pullach 1974, S. 17. 11 Allerdings werden Fragen nach den sozialen Kosten n u r sehr verschämt u n d am Rande gestellt; Heinrichs, J.: Z u r Beurteilung der Rolle von I n n o vationen für die Lebensbedingungen der technisch-wissenschaftlichen Welt, i n : I F O - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Innovation i n der W i r t schaft, München 1970, S. 357; siehe auch Dierkes, M.: Qualität des Lebens u n d unternehmerische Entscheidung, i n : Biervert, B. et al (Hrsg.), Konsum u n d Qualität des Lebens, Opladen 1974, S. 465 ff. 12 Grefermann, K . et al: Patentwesen u n d technischer Fortschritt, T e i l l , Die W i r k u n g des Patentwesens i m Innovationsprozeß, i n : Kommission f ü r wirtschaftlichen u n d sozialen Wandel, Bd. 10/1, Göttingen 1974, S. 7. 13 Finke, W.: Voraussetzungen erfolgreicher Innovationsförderung, i n : Wirtschaft u n d Wissenschaft, Bd. 19, Heft 6, 1971, S. 17. 14 K n i g h t , Κ . E.: A Descriptive Model of the I n t r a - F i r m Innovation Process, i n : The Journal of Business, Vol.40, 1967, S. 482. 15 Ott, A. E.: Makroökonomische Quantifizierung des technischen F o r t schritts, i n : I F O - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Innovation i n dei Wirtschaft, München 1970, S. 117 ff.

3. Phasen des Innovationsprozesses

25

nen" kennzeichnen eine Neugestaltung der formalen Entscheidungs-, Informations- und Kommunikationsstrukturen sowie eine Änderung der Interaktions- und Autoritätsbeziehungen i n einer Organisation. Schließlich bezeichnet man m i t „Personalinnovationen" sowohl die Einstellung und/oder Entlassung von Arbeitskräften als auch deren gezielte Verhaltensänderungen durch Ausbildung oder sonstiger erzieherischer Maßnahmen. Diese Differenzierung ist w o h l die gebräuchlichste; doch können Innovationen sehr wohl auch nach anderen Gesichtspunkten unterschieden werden. So ζ. B. durch generelle Kriterien, wie Risikograd oder nach dem Ausmaß der verwendeten bekannten Techniken 16 oder danach, ob Innovationen Ziele ändern oder unveränderte Ziele auf neuen Wegen verfolgt werden 1 7 . C. W. Taylor und F. Borron 1 8 sprechen noch von „Umweltinnovationen", doch bemerkt R. Z i n t l 1 9 dazu: „Jede Innovation hat die Aufgabe, die Lage der Organisation zu verbessern, also ihre Autonomie zu erhöhen. Ob dies über eine Veränderung der Umwelt oder über eine veränderte Darstellung bzw. Verarbeitung der Umwelt geschieht, ist zweitrangig: erfolgreiche Innovationen sind insofern immer Umweltinnovationen." Welche Unterscheidung auch immer gewählt wird, die Innovationsarten sind i n hohem Maße interdependent, d. h. wenn eine Innovationsart realisiert wird, w i r d m i t an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dadurch auch eine Innovation anderer A r t ausgelöst 20 . 3. Phasen des Innovationsprozesses Der Innovationsprozeß, bezogen auf die Durchsetzung neuer Technologien, läßt sich gedanklich durch eine zeitliche Phasenabfolge beschreiben, die aus der Inventionsphase, der Innovationsphase und der Diffusionsphase besteht (Abb. 1). Dieser Phaseneinteilung liegt die auf J. Schumpeter zurückgehende Differenzierung i n Invention (Erfindung), Innovation (erste Anwendung) und Diffusion bzw. Imitation (Verbreitung bzw. Nachahmung) zugrunde 21 , die auch von der OECD 2 2 verwen16 Kieser, Α.: Innovationen, i n : Grochla, E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1969, Sp. 743. 17 Zintl, R.: Organisation u n d Innovation, i n : Politische Vierteljahresschrift, Bd. 11, 1970, S. 235. 18 Taylor, C. W. and Barron, F.: Scientific Creativity: Its Recognition and Development, New Y o r k 1963, S. 373 ff. 19 Zintl, R.: Organisation u n d Innovation, i n : Politische Vierteljahresschrift, Bd. 11, 1970, S. 235. 20 Kieser, Α.: Innovationen, i n : Grochla, E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1969, Sp. 743. 21 Standke, Κ . H.: Hintergründe des Innovationsdilemmas i n Europa u n d den USA, i n : Meissner, H. G.; K r o l l , Η . A . (Hrsg.): Management technologischer Innovationen, Pullach 1974, S. 17.

ι I

ι I

Anwendungsreifer Prototyp

technologischer Fortschritt

Technischer Prototyp

Technische Entwicklung

I

Anwendungsentwicklung

Entwicklung

——ι

1

Verbrauch

technischer Fortschritt

Technische Umstellung

1

Herstellung

Anwendung

ι—'

I. Der Innovationsprozeß

In Anlehnung an Grefermann, K. et al, Patentwesen und technischer Fortschritt. Teil I: Die Wirkung des Patentwesens im Innovationsprozeß, in: Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Bd. 10/1, Göttingen 1974, S. 5.

Definitionen: Die Inventionsphase umfaßt den Zeitraum der Forschung und Entwicklung. Die Innovationsphase umfaßt den Zeitraum zwischen abgeschlossener Anwendungsentwicklung und erster wirtschaftlicher Nutzung. Die Diffusionsphas e umfaßt den Zeitraum der Verbreitung der Neuerung.

wissenschaftlicher Fortschritt

Fortschritt

Neue entwicklungsreife Erkenntnisse

Angewandte Forschung

'1

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse

I

Grundlagenforschung

Forschung

Primärergebnis

Subprozeß

Stadium

Abb. 1: Der Innovationsprozeß

26

3. Phasen des Innovationsprozesses

27

det w i r d 2 3 . I n der Regel breitet sich die technologische Entwicklung dabei zunächst i n vertikaler Richtung aus, und zwar von der Forschung und Entwicklung eines Bereiches über die Invention zur Innovation. Die Ausbreitung i n horizontaler Richtung bezeichnet den Tatbestand der Ausbreitung einer neuen Technologie durch die sie übernehmenden Einheiten innerhalb der Unternehmen, Branchen sowie über verschiedene Länder eines Bereiches 24 . 3.1 Die Inventionsphase Die Inventionsphase umfaßt sowohl das Stadium der Forschung als auch das der Entwicklung von Neuerungen. Die Forschung ist einmal auf die Grundlagenforschung und zum anderen auf die angewandte Forschung gerichtet. Die Grundlagenforschung, die primär noch nicht auf die praktische Anwendung der Ergebnisse ausgerichtet ist, liefert, sofern sie erfolgreich ist, neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Es handelt sich hierbei zunächst also u m eine zweckfreie Forschung. Die A u f fassungen über den Einfluß der Grundlagenforschung auf die Entstehung von Innovationen sind kontrovers. J. Schmookler 25 führt aus, daß ein unmittelbarer Einfluß der Grundlagenforschung auf viele technische Innovationen praktisch nicht nachweisbar ist. Das IllinoisInstitute of Technology Research 26 hat demgegenüber anhand von fünf Innovationen den maßgeblichen Einfluß der Grundlagenforschung nachgewiesen, doch mußte es dazu die „Spuren" der Ideen bis zu 80 Jahre zurückverfolgen. Dazu bemerken J. Seetzen und A. Ferrari 2 7 : „Das Problem gleicht demjenigen, daß w i r schließlich alle miteinander eng verwandt sind, wenn man die Stammbäume nur weit genug zurück22 OECD: The Conditions for Success i n Technological Innovation, Paris 1971, S. 19. 23 Die von G. v. Kortzfleisch vorgenommene Unterscheidung i n Invention, Innovation (anlaufender technischer Fortschritt), Rezeption (durchgesetzter technischer Fortschritt) u n d Diffusion (verbreiteter technischer Fortschritt) unterscheidet sich davon nur i n den Bezeichnungen nicht hingegen i n den Tatbeständen; v. Kortzfleisch, G.: Mikroökonomische Quantifizierung technischer Fortschritte, i n : I F O - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), I n novation i n der Wirtschaft, München 1970, S. 176 ff. 24 K r u p p , H.: Z u m Beitrag staatlich geförderter Vertrags- u n d Gemeinschaftsforschung i m Innovationssystem der Bundesrepublik Deutschland, i n : Meissner, H. G.; K r o l l , H. A . (Hrsg.), Management technologischer I n n o vationen, Pullach 1974, S. 53. 25 Schmookler, J.: Invention and Economic Growth, Cambridge/Massachusetts 1966, S. 199. 26 Illinois-Institute of Technology Research, Technology i n Retrospect and Critical Events i n Science, Report to the National Science Foundation, Washington D. C. 1968. 27 Seetzen, J. u n d Ferrari, Α.: Ergebnisse der Innovationsforschung i n den U S A u n d Europa, i n : Meissner, H. G.; K r o l l , Η . A . (Hrsg.): Management technologischer Innovationen, Pullach 1974, S. 47.

28

I. Der Innovationsprozeß

verfolgt. Man kann sicher behaupten, daß nahezu keine heutige Innovation ohne grundwissenschaftliche U r - U r - U r . . .Großeltern-Ideen vorkommen wird. Aber die Gegenfrage, wieviel der insgesamt gewonnenen grundwissenschaftlichen Erkenntnisse i n Innovationen geflossen sind, bleibt damit unbeantwortet." Von der Grundlagenforschung unterscheidet sich die angewandte Forschung dadurch, daß letztere unter dem Gesichtspunkt der Verwendbarkeit der Ergebnisse betrieben w i r d und zu neuen entwicklungsreifen Erkenntnissen führen soll. Grundlagenforschung und angewandte Forschung machen zusammen den wissenschaftlichen Fortschritt aus. Innerhalb der Inventionsphase ist dann i m Stadium der Entwicklung das Bemühen zunächst auf die technische Entwicklung gerichtet, die i m Falle des Erfolges m i t der Entwicklung eines „technischen Prototyps" abschließt. Darauf folgt die Anwendungsentwicklung, die die Entwicklung eines „anwendungsreifen Prototyps" zum Ziel hat. Die Fortschritte, die i m Stadium der Entwicklung durch die technische Entwicklung und Anwendungsentwicklung erzielt werden, bezeichnet man als technologischen Fortschritt 2 8 . 3.2 Die Innovationsphase Der Innovationsphase kommt große Bedeutung zu, w e i l i n dieser Phase sämtliche Aktivitäten angesiedelt sind, die letztlich ausschlaggebend dafür sind, ob die Erfindung kommerziell genutzt w i r d und zur Anwendung kommt. Sie bildet also die eigentliche Nahtstelle zwischen den streng zu trennenden Ereignissen „Invention" und „Innovation" 2 9 . Die Erfindung selbst hat für den technischen Fortschritt nur relativ geringfügige Bedeutung; entscheidend ist vielmehr die Innovation, d. h. die ökonomische Anwendung der Erfindung 3 0 . Die Innovation kann 28 Eine enge Korrelation zwischen P r o d u k t i v i t ä t u n d Ausgaben für Forschung u n d Entwicklung hat Minasian, J. R. : The Economics of Research and Development, i n : National Bureau of Economic Research (NBER), The Rate and Direction of Inventive A c t i v i t y : Economic and Social Factors. N B E R Special Conference Series 13, Princeton 1962, S. 92 ff. festgestellt. Weniger gute Ergebnisse hat dagegen N. Terleckyi erhalten; vgl. dessen nicht v e r öffentlichte Dissertation: Sources of Productivity Change. A Pilot Study Based on the Experience of American Manufacturing Industries 1899 - 1953^ Columbia University 1959, zitiert bei Kendrick, J. W., Productivity Trends i n the United States, Princeton 1961 (NBER), S. 177 ff. Einen guten Überblick v e r m i t t e l n zudem Kennedy, C. and T h i r w a l l , A. P.: Surveys i n Applied Economics: Technical Progress, i n : The Economic Journal, Vol. 82, 1972, S. 44 ff. 29 Ruttan, V. W.: Usher and Schumpeter on Invention, Innovation, and Technological Change, i n : The Quarterly Journal of Economics, Vol. 73, 1959, S. 596 ff. 30 Breitenacher, M.: Innovation u n d I m i t a t i o n fördern den technischen Fortschritt, i n : Wirtschaftskonjunktur, 21. Jahrgang, Heft 3, 1969, S. 32; Mans-

3. Phasen des Innovationsprozesses

29

sowohl auf eigener als auch auf der Grundlage fremder Forschungsund Entwicklungsarbeit beruhen. Die Koinzidenz von Invention und Innovation ist keineswegs zwangsläufig. I n beiden Fällen stellt sie für den Innovator jedoch ein erhebliches Risiko dar. Das m i t einer Innovation einhergehende Risiko w i r d durch das Verhältnis von technisch möglichen zu den wirtschaftlich erfolgreichen Innovationen deutlich. So haben ζ. Β. E. Mansfield und S. Wagner 3 1 i n einer empirischen Untersuchung, i n der sie 220 Projekte hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten recherchierten, festgestellt, daß von 100 °/o technisch möglichen Innovationen 60 °/o ökonomisch uninteressant waren. Von den verbleibenden 40 o/o war letztlich aber auch nur die Hälfte wirtschaftlich erfolgreich. Darüber hinaus ist der Kostenanteil in der Innovationsphase, der durch die Produktionsvorbereitung und Produktionsaufnahme entsteht, i m Verhältnis zu den Gesamtkosten am größten. I n einer empirischen Untersuchung von J. Rapoport 3 2 i n drei Industrien wurden diese Kosten i m Durchschnitt m i t 46 °/o ermittelt. I n diesem Zusammenhang ist die Feststellung von S. Myers und D. G. Marquis interessant, daß die Kosten der Einführung einer übernommenen Neuerung ebenso hoch seien, wie die der Originalinnovation 3 3 . Die Innovationsphase ist m i t der Innovation abgeschlossen. 3.3 Die Diffusionsphase Der Abschluß der Innovationsphase, i n der potentieller technischer Fortschritt zum erstenmal, wenn auch zunächst nur i m Umfange der volkswirtschaftlichen Erstinnovation, i n technischen Fortschritt transformiert wird, bildet zugleich den Beginn der Diffusionsphase. Der technische Fortschritt ist vollendet, wenn diese Innovation in allen möglichen Verwendungsbereichen voll genutzt wird. Ist die Verwendbarkeit einer Innovation durch die erfolgreiche kommerzielle Nutzung seitens des Innovators (Pioniers) bewiesen, so sind für die Diffusion dieser Innovation Nachfolger, Imitatoren notwendig. Vereinfacht dargestellt verläuft die Diffusion — zunächst ausgehend von dem jeweils field, E.: Industrial Research and Technological Innovation, New Y o r k 1968, S. 83. 31 Mansfield, E. and Wagner, S.: Project Selection, Commercial Risks, and the Allocation to Small Business of Federal Research and Development Contracts, i n : Mansfield, E. et al (Eds.), Research and Innovation i n the Modern Corporation, New Y o r k 1971, S. 56. 32 Rapoport, J.: The Anatomy of the Product-Innovation-Process: Cost and Time, i n : Mansfield, E. et al (Eds.), Research and Innovation i n the Modern Corporation, New Y o r k 1971, S. 110 ff. 33 Myers, S.; Marquis, D. G.; Successful Industrial Innovation. A Study of Factors Underlying Innovation i n Selected Firms, Washington-Massachusetts 1969, S. 22.

30

I. Der Innovationsprozeß

nächstfolgenden Anwender — i n mehreren Stufen folgendermaßen ab 3 4 : — zunächst erhält der potentielle Anwender eine Information über die Anwendungsmöglichkeiten dieser Innovation, anschließend — betrachtet oder sucht er nach Einsatzmöglichkeiten u n d — entscheidet sich schließlich, die Innovation einzuführen oder nicht einzuführen.

I m Falle der Entscheidung für die Innovation w i r d i n der Regel davon auszugehen sein, daß zunächst nur ein Teil der Produktion von dieser Innovation betroffen wird. Hat sich ihr Einsatz bewährt, so erfolgt eine weitere Übernahme dieser Innovation durch den Anwender, bis letztlich i m Idealfall eine 100 °/oige Übernahme erfolgt ist (Intra-firm diffusion). Der individuelle Übernahmeprozeß läßt sich demnach gedanklich i n die Phasen Kenntnisnahme, Interesse, Evaluation, Versuch und Übernahme zerlegen. Der weitere Prozeß ist nun dadurch gekennzeichnet, daß andere potentielle Anwender diese Innovation ebenfalls einführen, so daß schließlich i m günstigen Falle von einer Diffusion auf nationaler Ebene oder innerhalb einer anderen geographischen Kategorie gesprochen werden kann (Inter-firm diffusion). Beobachtungen des gesamten Ausbreitungsprozesses von der erstmaligen Anwendung bis zur letztlich 100 °/oigen Anwendung einer Innovation i n allen möglichen Verwendungsbereichen lassen vermuten, daß sich die übernehmenden Einheiten, die durch bestimmte Charakteristika gekennzeichnet sind, gedanklich als Innovatoren, frühe Übernehmer, frühe Mehrheit, späte Mehrheit und Nachzügler identifizieren lassen 35 . Die Verbreitung neuer Technologien kann gemessen werden: — an der Anzahl der Verwender einer Innovation — an der Ausrüstung, ζ. B. an der Zahl der verwendeten Innovationen — an dem Output, also dem A n t e i l der m i t einer Innovation produzierten Produkte an der Gesamtproduktion.

Je schneller die Verbreitung neuer, effizienterer Technologien erfolgt und je rascher ältere, weniger effiziente Technologien durch diese ersetzt werden, desto schneller w i r d die Produktivität steigen und damit der technische Fortschritt. I m Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses steht i n den letzten Jahren daher die Verbreitung von neuen Technologien, zumal nachdem eine Untersuchung der OECD 3 6 das interessante Ergebnis erbracht hat, daß zwischen den Ausgaben für 34 Ray, G. F.: On Defining "Diffusion" of New Technology, i n : The Business Economist, Vol. 4, 1972, S. 82 ff. 35 Rogers, Ε. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 176 ff. se OECD: Gaps i n Technology, A n a l y t i c a l Report, Paris 1969.

3. Phasen des Innovationsprozesses

31

Forschung und Entwicklung auf der einen Seite und dem Produktivitätsfortschritt auf der anderen Seite nur ein schwacher Zusammenhang besteht. So auch C. Freeman 37 , der ausführt, daß es theoretisch durchaus möglich sei, ein höchst produktives Forschungs- und Entwicklungssystem zu haben, jedoch eine verhältnismäßig geringe Anzahl kommerziell lebensfähiger Innovationen und eine geringe Anwendungshäufigkeit. Die Federation of British Industries habe auch nur eine schwache Korrelation zwischen Forschungsintensität und Wachstum der Unternehmen i n der chemischen und elektrotechnischen Industrie feststellen können. Ebenso C. Kennedy und Α. P. T h i r l w a l l 3 8 , die zu dem unterschiedlichen Stand des technischen Fortschritts zwischen verschiedenen Ländern feststellen, daß die sogenannte „technologische Lücke" zwischen den Ländern nicht einfach eine Frage der unterschiedlichen Höhe der Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen und der erfinderischen Tätigkeiten sei, sondern ebenso eine Frage der Höhe und Geschwindigkeit der Akzeptierung neuer Techniken, die von einer Vielzahl soziologischer und ökonomischer Faktoren abhängig seien. Neben der Geschwindigkeit und Häufigkeit von Erfindungen kommt es also für das Wachstum einer Volkswirtschaft i n erster Linie auf eine schnelle Verbreitung neuer Technologien an. Vor allem gilt es, die Zeit von der erstmaligen Anwendung einer Innovation bis zu ihrer letztlich 100 °/oigen Übernahme durch die i n Frage kommenden A n wender zu verkürzen. E. Mansfield 39 , der 11 Innovationen i n vier I n dustriezweigen hinsichtlich ihrer Diffusionsgeschwindigkeit untersuchte, stellte fest, daß i m Durchschnitt, gerechnet von der ersten wirtschaftlichen Nutzung einer Innovation, elf Jahre vergingen, bis 5 0 % der möglichen Benutzer diese Innovation verwendeten, und daß es weiterer zehn Jahre bedurfte, bis 90 °/o übernommen waren. Darüber hinaus stellte er eine starke interindustrielle Streuung der Diffusionszeiten fest. So variierte die Diffusionszeit von der ersten kommerziellen Nutzung bis zu einer 50 °/oigen Übernahme der Innovation i n den untersuchten Industrien zwischen 9 und 15 Jahren. Andere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen 40 . Dabei gilt es, die Bestimmungsgründe zu erforschen, die diesen Ausbreitungsprozeß determinieren, d. h. wenn einmal eine Innovation von dem Innovator eingeführt worden ist, wann und wie schnell und unter welchen Bedingungen dann die anderen potentiellen Ubernehmer folgen. 37 Freeman, C.: Review: The Management of Innovations b y T. Burns and G. M. Stalker, i n : The Economic Journal, Vol. 79, 1969, S. 403. 38 Kennedy, C. and T h i r w a l l , A . P.: Surveys i n Applied Economics: Technical Progress, i n : The Economic Journal, Vol. 82, 1972, S. 56. 38 Mansfield, E.: Technical Change and the Rate of Imitation, i n : Econometrica, Vol. 29, 1961, S. 744. 40 Nelson, R. R. et al: Technology, Economic G r o w t h and Public Policy, Washington 1968, S. 99.

Abschnitt

II

Traditionen der Diffusionsforschung Nach den i n den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen angestellten Diffusionsuntersuchungen und modifiziert nach der Natur der untersuchten Innovationen, läßt sich die Diffusionsforschung i m wesentlichen neben der industriellen Tradition, auf die i n diesem Abschnitt nicht mehr eingegangen wird, durch sieben weitere Traditionen kennzeichnen 1 . Allerdings sei vorausgeschickt, daß sich diese Traditionen weitgehend eigenständig entwickelt haben; eine gegenseitige Befruchtung durch den Austausch der Ergebnisse hat überwiegend nicht stattgefunden. Dies ist u m so erstaunlicher, als ja gerade auf dem Gebiet der Diffusionsforschung der Mangel an adäquater Kommunikation über Ergebnisse und Methoden von Untersuchungen beklagt wird. So waren ζ. B. die Erkenntnisse der umfangreichen erziehungswissenschaftlichen Forschungstradition der agrarsoziologischen bis 1955 unbekannt, obwohl beide 17 Jahre vorher begonnen hatten. Und die Kenntnisnahme der agrarsoziologischen und medizinsoziologischen Forschungstradition durch die industrielle Forschungstradition erfolgte erst 1960, als E. Mansfield diese zum erstenmal zitierte 2 . Diese Beispiele, die sich beliebig fortsetzen ließen, erfahren durch die Bemerkung von E. Katz et al ihre Bestätigung, die ausführen: „Ironischer Weise scheint es beinahe so, als ob die Diffusionsforschung i n den verschiedenen Forschungstraditionen unabhängig voneinander erfunden worden wäre. I n der Tat, die Diffusionsforscher der verschiedenen Traditionen, die w i r befragt haben, wußten kaum von der Existenz der anderen 3 ." Die Erkenntnis jedoch, daß der Innovationsprozeß und speziell seine letzte Phase, die Verbreitung von Neuerungen, i n toto nur durch interdisziplinäre Forschung erklärt werden kann, deutet eine Wende an und w i r d in Zukunft einen stärkeren Austausch der Ergebnisse und Methoden von Untersuchungen durch die verschiedenen Forschungstraditionen zur ι Rogers, E. M . : Diffusion of Innovations, N e w York—London 1962, S. 21 ff.; Rogers, E. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A CrossC u l t u r a l Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 44 ff. 2 Ebenda S. 45. 3 Katz, E. et al: Traditions of Research on the Diffusion of Innovations, i n : American Sociological Review, Vol. 28, 1963, S. 240.

1. Die anthropologische Tradition

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Folge haben, der dann zu einer Vertiefung der Kenntnisse des Diffusionsprozesses führen wird. 1. Die anthropologische Tradition Die anthropologische Tradition ist wohl die älteste; sie hat insbesondere großen Einfluß auf die frühere soziologische, agrarsoziologische und medizinsoziologische Diffusionsforschung, aber nur einen geringen Einfluß auf die anderen Traditionen genommen 4 . I n den Anfängen beschäftigten sich die Anthropologen vor allem m i t der Frage, ob die parallele Entwicklung von neuen Ideen i n verschiedenen Ländern oder die Diffusion zwischen diesen den entscheidenderen Einfluß auf den sozialen Wandel hatte, wie sie überhaupt mehr als alle anderen Traditionen insbesondere an den sozialen Konsequenzen von Innovationen interessiert waren. Später konzentrierten sie sich auf Untersuchungen über die Voraussetzungen der Einführung neuer Ideen der westlichen Welt i n unterentwickelten Ländern. Die Anthropologen waren i m Vergleich zu Diffusionsforschern anderer Traditionen mehr an den Bestimmungsgründen für den Austausch von neuen Ideen zwischen verschiedenen Ländern als an der Verbreitimg neuer Ideen innerhalb eines Landes interessiert. Sie zeigten, daß die Innovationen zwar die K u l t u r eines Landes beeinflußten, andererseits aber auch, daß Innovationen u m so eher übernommen wurden, je besser sie m i t den kulturellen Werten der betreffenden potentiellen Anwender übereinstimmten 5 . So vor allem H. G. Barnett 6 , der den Ubernahmeprozeß auf psychologischer Ebene untersuchte und wohl der erste war 7 , der darauf hinwies, daß der Charakter neuer Ideen selbst einen entscheidenden Einfluß auf die Annahme einer neuen Idee habe, und daß neben der Vereinbarkeit der Innovation m i t kulturellen Werten insbesondere auch die Kosten der Einführung und die Kosten des Gebrauchs einer Innovation — neben anderen spezifischen Eigenschaften einer Neuerung — den Ubernahmeprozeß wesentlich beeinflussen. Wegen der relativ kleinen Untersuchungseinheiten der Diffusionsstudien lassen sich generelle Aussagen allerdings nicht treffen. Z u diesem Zweck sammelten und 4 Rogers, Ε. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York —London 1971, S. 48. 5 z.B. Mead, M.: C u l t u r a l Patterns and Technical Change, New Y o r k 1955, S. 357 ff. 6 Barnett, H. G.: Innovation. The Basis of C u l t u r a l Change, New Y o r k 1953. 7 M i t Ausnahme von W. F. Ogburn, F. St. Chapin u n d anderen, die zwischen materiellen und immateriellen Innovationen unterschieden u n d die Position einnahmen, materielle Innovationen w ü r d e n schneller adoptiert als i m materielle (Fliegel, F. C. and K i v l i n , J. E.: F a r m Practice Attributes and Adoption Rates, i n : Social Forces, Vol. 40, 1962, S. 364.

3 Mohr

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II. Traditionen der Diffusionsforschung

analysierten Α. H. Niehoff et al 8 daher die hauptsächlichsten Variablen einer großen Anzahl von Fallstudien, u m Aufschluß über den Erfolg oder Mißerfolg der Verbreitung von Innovationen zu bekommen. Die Ergebnisse deuten an, daß der Weg, auf dem die Neuerungen den potentiellen Anwendern mitgeteilt wird, besonders wichtig dafür ist, ob die Neuerung übernommen w i r d oder nicht. Wegen der spezifischen Zielgruppen (Dorfbewohner) und Innovationen (z. B. Wasserboiler) lassen sich die Ergebnisse für die Erklärung der Verbreitung von neuen Technologien i n Industrieunternehmen kaum verwerten.

2. Die frühere soziologische Tradition Die Bedeutung der früheren soziologischen Diffusionsforschung, die auf den französischen Soziologen G. Tarde 9 zurückgeht, liegt weder in dem Umfang der publizierten Untersuchungen noch i n der Wissenschaftlichkeit der verwendeten Untersuchungsmethoden, sondern vor allem i n ihrem Einfluß auf spätere Diffusionsuntersuchungen 10 . I h r Interesse galt hauptsächlich solchen Innovationen, die gleichzeitig mit einem sozialen Wandel einhergingen. G. Tarde war einer der ersten, der andeutete, daß die Verbreitung von neuen Ideen einen s-förmigen Verlauf i m Sinne einer kumulierten Normalverteilung entspricht. Wenn auch dieser Verlauf i n den seltensten Fällen verifiziert werden kann, so dauert die Diskussion über die Richtigkeit der Annahme eines solchen Verlaufs von Diffusionskurven auch i n anderen Traditionen bis i n die Gegenwart an 11 » 12 . G. Tarde fand heraus, daß Innovatoren „kosmopolitischer" waren als spätere Ubernehmer, und daß das Verhalten von Meinungsführern von anderen Individuen imitiert wurde, wodurch er einen ersten Einblick i n den Imitationsprozeß vermittelte, der auch i n der aktuellen Diskussion u m die Bestimmungsgründe der Verbreitung 8 Niehoff, A. H. and Anderson, J.: A Selected Bibliography of CrossCul t u r a i Change Projects, Alexandria 1964; Niehoff, Α. Η . : The PrimaryVariables i n Directed Cross-Cul turai Change, Alexandria 1964; Arensberg, C. M. and Niehoff, A . H.: Introducing Social Change, Chicago 1964. 9 Tarde, G.: The Laws of Imitation, New Y o r k 1903. 10 Rogers, E. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York —London 1971, S. 52. u Perry, A . et al: The Adoption Process: S Curve or J Curve?. I n Rural Sociology, Vol.32, 1967, S. 220 f f.; Hayward, G.: Diffusion of Innovation i n the Flour M i l l i n g Industry, i n : European Journal of Marketing, Vol.6, 1972, S. 200 f. ι 2 Rogers u n d Shoemaker geben ohne weiteres zu, daß verschiedene A n nahmen, die diesem hypothetischen Verlauf der Diffusionskurve zugrundeliegen, i n der Realität selten anzutreffen sind; Rogers, E. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd, Ed., New York—London 1971, S. 179.

3. Die agrarsoziologische T r a d i t i o n

35

neuer Technologien immer wieder genannt wird. R. V. Bowers 13 , der wohl der erste innerhalb der früheren soziologischen Tradition war, der für seine Untersuchungen Primärdaten verwendete, untersuchte insbesondere den Verlauf des Innovationsentscheidungsprozesses und den Einfluß der Meinungsführer auf die anderen Mitglieder von Systemeinheiten i n bezug auf die Annahme oder Ablehnung einer Innovation. Er erkannte die große Bedeutung interpersoneller Kontakte, die auch i n neueren empirischen Untersuchungen über die Verbreitung neuer Technologien hervorgehoben wird. S. Myers und D. G. Marquis 1 4 ζ. B. stellen i n ihrer Untersuchung fest, daß die Übernahme von Neuerungen häufiger auf Informationen basiere, die durch persönliche Kontakte erlangt worden waren. 3. Die agrarsoziologische Tradition Die agrarsoziologische Diffusionsforschung ist die umfangreichste überhaupt; sie geht auf die Initiative des US Department of Agriculture zurück, das i m Jahre 1920 eine Serie von Untersuchungen über die Verbreitung landwirtschaftlicher Produkte und Techniken anstellen ließ. I n ihren Anfängen läßt sie sich bis 1887 zurückverfolgen 15 . Es stand zunächst die Frage nach der Effektivität unterschiedlicher Ausbreitungsmethoden zur Sicherstellung der Verwendung empfohlener Innovationen i m Vordergrund der Betrachtung 16 ; dabei wurden Untersuchungen über das Verhältnis von übernommenen Innovationen und die relativen Kosten ihrer Verbreitung durchgeführt. Nach einer relativ langsamen Entwicklung entfaltete sich die agrarsoziologische Diffusionsforschung, gemessen an der Zahl der Veröffentlichungen, seit Beginn der 40er Jahre sehr rasch. Die Analyse des Verbreitungsprozesses i n verschiedene Anwenderkategorien (Innovatoren, frühe Ubernehmer, frühe Mehrheit, späte Mehrheit, Nachzügler) 17 und die sie kenn13

Bowers, R. V.: The Direction of Intra-Societal Diffusion, i n : American Sociological Review, Vol. 2, 1937, S. 826-836; ders.: Differential Intensity of Intra-Societal Diffusion, i n : American Sociological Review, Vol. 3, 1938, S. 21 - 31. 14 Myers, S. and Marquis, D. G. : Successful Industrial Innovations. A Study of Factors Underlying Innovation i n Selected Firms, Washington D. C.— Massachusetts 1969, S. 51. 15 Kiefer, Κ . : Die Diffusion von Neuerungen. Kultursoziologische u n d kommunikationswissenschaftliche Aspekte der agrarsoziologischen D i f f u sionsforschung, Diss. Heidelberg 1965, S. 2. 16 Wilson, M. C.: Influence of Bulletins, News Stories, and Circular Letters upon F a r m Practice Adoption w i t h Particular Reference to Methods of B u l l e t i n Distribution, Washington D. C. 1927. 17 Katz, E.: The Diffusion of New Ideas and Practices, i n : Schramm, W. (Ed.), The Science of H u m a n Communication, New York —London 1963, S. 77 - 93.

8*

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II. Traditionen der Diffusionsforschung

zeichnenden Charakteristika sowie die Zerlegung des individuellen Übernahmeprozesses i n die Phasen Kenntnisnahme, Interesse, Evaluation, Versuch und Anwendung 1 8 geht auf die agrarsoziologische Diffusionsforschung zurück. B. Ryan und N. C. Gross 19 untersuchten die Korrelation zwischen Neuerungsfreundlichkeit und der Rolle verschiedener Kommunikationskanäle i n bezug auf die Verbreitung der Maispflanzenkreuzung „ H y b r i d Corn". Die „ H y b r i d Corn"-Studie von B. Ryan und N. C. Gross ist zweifellos die bekannteste Studie der agrarsoziologischen Diffusionsforschung; sie hat den Anstoß zu mehreren hundert agrarsoziologischen Studien gegeben 20 . Als wichtigste Ergebnisse können die folgenden festgehalten werden: — Die Diffusionskurve hat einen s-förmigen Verlauf i m Sinne einer k u m u lativen Normalverteilung. — Soziale K r i t e r i e n wie Alter, sozialer Status u n d Kosmopolitismus kennzeichnen das Verhalten der frühen u n d späten Übernehmer einer Neuerung. — Der Innovationsentscheidungsprozeß, von der ersten Kenntnisnahme bis zur Entscheidung, die Innovation zu übernehmen, dauerte i n der Regel 9 Jahre. Diese Tatsache v e r m i t t e l t eine klare Vorstellung darüber, daß der I n novationsentscheidungsprozeß eine abwägende Überlegung bei den meisten Übernehmern i n sich schließt, insbesondere bei spektakulären Innovationen w i e H y b r i d Corn. — Der typische Übernehmer erhielt die erste Information i n der Regel von einem Verkäufer, aber den Ausschlag dafür, H y b r i d Corn einzuführen, gaben i n den häufigsten Fällen die Nachbarn.

H. F. Lionberger 2 1 , aber vor allem F. C. Fliegel und J. E. K i v l i n 2 2 , griffen die Ausführungen von H. G. Barnett auf, der darauf aufmerksam gemacht hatte, daß die spezifischen Eigenschaften der Innovation selbst einen bedeutenden Einfluß auf die Übernahme von Innovationen habe. Letztere versuchten erstmalig systematisch den Einfluß der spezifischen Eigenschaften auf der Grundlage empirischer Untersuchungen nachzuweisen. Eine differenzierte Betrachtung der Verbreitung technologischer Neuerungen i n der Industrie unter Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften der Innovation würde die Analyse des 18 Lionberger, H. F.: Adoption of New Ideas and Practices, Ames/Iowa 1968, S. 34. 19 Ryan, Β . and Gross, Ν . C.: The Diffusion of H y b r i d Seed Corn i n Two I o w a Communities, i n : R u r a l Sociological Review, Vol. 8, 1943, S. 15 - 24. 20 Kiefer, Κ . : Die Diffusion von Neuerungen. Kultursoziologische und kommunikationswissenschaftliche Aspekte der agrarsoziologischen D i f f u sionsforschung, Diss. Heidelberg 1965, S. 7. 21 Lionberger, H. F.: Adoption of New Ideas and Practices, I o w a 1960, S.260 - 302. 22 Fliegel, F. C. and K i v l i n , J. E.: F a r m Practice Attributes and Adoption Rates, i n : Social Forces, Vol. 40, 1962, S. 364 - 370.

4. Die erziehungswissenschaftliche Tradition

37

Diffusionsprozesses i n diesem Bereich sicherlich wesentlich erhellen; doch wurde diesem Einfluß bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt 23 . 4. Die erziehungswissenschaftliche Tradition Die erziehungswissenschaftliche Diffusionsforschung betrachtet die Übernahme von Erziehungs- und Ausbildungsmethoden. Doch obwohl sie, gemessen an der Zahl der Veröffentlichungen, eine der größten Traditionen ist, hat sie i n bezug auf die Erforschung der Verbreitung von Neuerungen nur geringe Bedeutung 24 . Der Nachteil der meisten erziehungswissenschaftlichen Diffusionsuntersuchungen besteht darin, daß sie, obwohl die potentiellen übernehmenden Einheiten zumeist bürokratisch strukturierte Organisationen sind, alle organisationsstrukturellen Fragestellungen außer Acht lassen, da sie i n aller Regel eine individuelle Entscheidung unterstellen 25 . Zudem vernachlässigen sie den Einfluß der verschiedenen Kommunikationskanäle auf den Übernahmeprozeß und schenken der Fragestellung, inwiefern die Sozialstruktur die Diffusion von Neuerungen erleichtert oder verhindert keine A u f merksamkeit, so daß R. O. Carlson 26 zu dem Schluß kommt, daß dadurch, daß die Datensammlung über die Annahme von Innovationen nicht nach einer genauen Charakterisierung erfolgte, die daraus resultierende schwache empirische Basis es ziemlich schwer mache, sich darauf zu verlassen, was über die Verbreitung von Innovationen i m Erziehungs- und Ausbildungsbereich bekannt sei. Die i m Vergleich zur Verbreitung von Innovationen i n anderen Bereichen verhältnismäßig langen Diffusionszeiten von neuen Erziehungs- und Ausbildungsmethoden werden i m wesentlichen auf — den Mangel an wissenschaftlichen Quellen i m Erziehungsbereich u n d — den Mangel eines ökonomischen Anreizes, Innovationen zu übernehmen,

zurückgeführt 27 . 5. Die medizinsoziologische Tradition Die medizinsoziologische Diffusionsforschung untersucht sowohl die Verbreitung neuer Arzneien und medizinischer Techniken durch Ärzte 23 Scholz, L.: Technologie u n d Innovation i n der industriellen Produktion, i n : Kommission f ü r wirtschaftlichen u n d sozialen Wandel, Bd. 21, Göttingen 1974, S. 7 f. 24 Rogers, Ε. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 57 f. 2 5 Carlson, R. O.: Summary and Critique of Educational Diffusion Research, Papers Presented at the National Conference on the Diffusion of Education, East Lansing, Michigan 1968; zitiert bei Rogers, Ε. M. Shoemaker, F. F., Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 61. 26 Ebenda S. 58. 27 Rogers, Ε. M.: Diffusion of Innovations, New York —London 1962, S. 41.

38

II. Traditionen der Diffusionsforschung

als auch die Verbreitung ζ. B. von Schutzimpfungsmaßnahmen, Familienplanungsmethoden oder anderen medizinischen Innovationen durch einzelne Mitglieder einer Gemeinschaft. Die bekannteste und bedeutendste Studie dieser Tradition haben J. S. Coleman et a l 2 8 durchgeführt. Als wichtigste Ergebnisse, die auch für die Verbreitung von Innovationen i n anderen Bereichen von allgemeinem Interesse sind, können die folgenden festgehalten werden: — Die Analyse der von den Ärzten erhaltenen ausführlichen soziometrischen Daten erbrachte einen signifikanten Zusammenhang zwischen Neuerungsfreundlichkeit u n d dem Ausmaß der Integration; Ärzte, die gut integriert waren, übernahmen Neuerungen i m Durchschnitt früher als relativ isoliert arbeitende Ärzte. — Die Studie ergab, daß viele m i t der Neuerungsfreundlichkeit verknüpften Variablen, w i e z.B. Kosmopolitismus, sozialer Status, Meinungsführerschaft, Informations- u n d Kommunikationsverhalten u. a. für die Übernahmebereitschaft von Ärzten einen ähnlich hohen Erklärungswert hatten wie i n anderen Traditionen, z. B. der agrarsoziologischen. — Diejenigen Ärzte, die ihre lokalen Kollegen als unmittelbare Beziehungsgruppe ansahen, verwendeten Neuerungen i m Durchschnitt früher als Ärzte, die sich an der Meinungsbildung ihrer Patienten orientierten.

Der klassischen Studie von J. S. Coleman et al folgte eine Reihe weiterer Untersuchungen, welche neben der Verbreitung neuer Medikamente insbesondere auch die Verbreitung von Schutzimpfungsmaßnahmen, Familienplanungsmethoden etc. zu erklären versuchten. Sie w u r den größtenteils i n unterentwickelten Ländern durchgeführt. 6. Die kommunikationswissenschaftliche Tradition Die kommunikationswissenschaftliche Tradition ist eine der jüngsten Forschungstraditionen; sie geht auf die Errichtung von mehreren I n stituten an amerikanischen Universitäten Anfang der 60er Jahre zurück 2 9 . Sie betrachtet den Einfluß der Massenmedien und der interpersonellen Kommunikationskanäle auf die Diffusion von neuen Ereignissen und Neuerungen. Neben Untersuchungen über die Massenmedien galt ihr Interesse von Anfang an auch der Verbreitung von Neuerungen auf den Gebieten der Landwirtschaft, Medizin usw. in unterentwickelten Ländern. Der Vorteil der kommunikationswissenschaftlichen Tradition gegenüber allen anderen besteht darin, daß sie nicht an spezifische Innovationen wie z. B. landwirtschaftliche Innovationen gebunden ist, sondern die Verbreitung irgendwelcher Innovationen untersuchen und sich auf den Diffusionsprozeß als solchem kon28 Coleman, J. S. et al: Medical Innovations. A Diffusion Study, Indianapolis—New York —Kansas City 1966. 29 Rogers, E. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 66.

7. Die Konsumgüter-Diffusions-Tradition

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zentrieren kann. Dieser Vorteil wurde bei den bisherigen Untersuchungen jedoch nicht genutzt, da die kommunikationswissenschaftliche Diffusionsforschung die Verbreitung von Neuerungen ausschließlich unter dem Gesichtspunkt von Informations- und Kommunikationsproblemen betrachtet 30 , wodurch die Ergebnisse i n ihren Aussagen stark eingeschränkt werden; i n Zukunft sollten auch sozialpsychologische, soziologische und ökonomische Fragestellungen stärkere Beachtung finden. Der multidisziplinäre und interdisziplinäre Hintergrund der kommunikationswissenschaftlichen Diffusionsforschung läßt aber für die Zukunft eine hervorragende Rolle dieser Tradition bei der Integration verschiedener Traditionen vermuten. 7. Die Konsumgüter-Diffusions-Tradition Die große Zahl an fehlschlagenden Produktinnovationen und die Tatsache, daß die überwiegende Anzahl von neuen Produkten nur eine relativ geringe Produktlebensdauer haben 31 , ist wohl der Grund für das starke Interesse, die Bestimmungsgründe für die Übernahme von neuen Produkten durch individuelle Konsumenten näher zu erforschen, wobei es zunächst die auf Wettbewerbsvorteile hoffenden Unternehmen waren, die Untersuchungen solcher A r t durchführen ließen 32 . I n den frühen 60er Jahren war die Entwicklung aber auch durch das zunehmende Interesse der Wissenschaft an dieser Problemstellung gekennzeichnet. Hier war es vor allem Ch. W. King, durch den die Entwicklung vorangetrieben wurde 3 3 . Durch Profilanalysen wurde der Einfluß verschiedener Informationsquellen und das Informations- und Kommunikationsverhalten der die Produkte übernehmenden I n d i v i duen auf der Grundlage demographischer und sozialpsychologischer Daten abzuschätzen versucht. Eine andere A r t von Untersuchungen konzentrierte sich auf den Einfluß der die Produktinnovationen hervorbringenden und auf den M a r k t bringenden Unternehmen. Daneben stehen außer ökonomischen Fragestellungen wie z.B. den unter30 Coenen, R.; Wingert, B.: Konzepte u n d Ziele der Innovationsforschung, i n : Studiengruppe f ü r Systemforschung Heidelberg, Mitteilungen, November 1973, S. 8. 31 Waak, K . D.: Gegenstand, Aufgaben u n d Methoden der Diffusionsforschung, i n : Jahrbuch der Absatz- u n d Verbraucherforschung, 18. Jahrgang, 1972, S. 301. 32 Roos, C. F.; v. Szeliski, V.: Factors Governing Changes i n Domestic Automobile Demand, i n : General Motors Corporation (Eds.), N e w Y o r k 1939; zitiert bei Baumberger, J. et al, Ausbreitung u n d Übernahme von Neuerungen. E i n Beitrag zur Diffusionsforschung, Bd. I, Bern—Stuttgart 1973, S. 43. 33 King, Ch. W.: Adoption and Diffusion Research i n Marketing: A n Overview, i n : Haas, R. M. (Ed.), Science, Technology & Marketing, F a l l Conference Proceedings A M A , Chicago 1966, S. 665 - 684.

40

II. Traditionen der Diffusionsforschung

schiedlichen Wettbewerbssituationen und Marktgrößen neuerdings vor allem auch Fragen der Organisationsstruktur i m Vordergrund der Betrachtung 34 , denen man lange Zeit keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte 3 5 .

34 Grochla, E. et al: Produktinnovation als Instrument des Unternehmenswachstums, i n : Arbeitsgemeinschaft f ü r Rationalisierung des Landes NRW, Heft 146, 1972; Kieser, Α.: Unternehmenswachstum u n d Produktinnovation, B e r l i n 1970. 55 Sapolsky, Η . M . : Organizational Structure and Innovation, i n : Journal of Business, Vol. 40, 1967, S. 497.

Abschnitt

III

Ein Modell wichtiger Faktoren, die auf die Bereitschaft zur Übernahme von Innovationen von EinfluÊ sein können 1. Begründung des Modells Der Nachteil der meisten Studien über die Verbreitung von Innovationen oder über andere Phasen des Innovationsprozesses, so ζ. B. über die m i t der volkswirtschaftlichen Erstinnovation abschließenden Innovationsphase, besteht darin, daß es sich hierbei u m relativ eng begrenzte Fallstudien handelt, die den Einfluß der verschiedenen Faktoren fast ausschließlich i n monokausalem Zusammenhang deuten. So werden ζ. B. generalisierende Aussagen dergestalt getroffen, daß behauptet w i r d : Je größer die Unternehmung, desto größer sei die Bereitschaft zur Übernahme einer Innovation, oder: Bürokratisch strukturierte Organisationen seien weniger neuerungsfreundlich als weniger bürokratisch strukturierte. Wer sich die Vielzahl komplexer interdepenter Einflußfaktoren i m Prozeß der Übernahme neuer Technologien vergegenwärtigt, w i r d solche Aussagen kritisch zu bewerten wissen. Bei der Herausarbeitung der Strukturelemente des Diffusionsprozesses kommt es aber vielmehr darauf an, der Komplexität des Verbreitungsprozesses und der Interdependenz der ihn erklärenden Einflußgrößen entsprechend die monokausalen Interpretationsversuche zugunsten multikausaler zu überwinden 1 . Wissenschaftlich unbefriedigend ist zudem, daß die Ergebnisse m i t wenigen Ausnahmen 2 nicht auf Grund 1 Siehe z.B. die Feststellung der Autoren des Projektes Sappho, wonach die beobachteten Unterschiede zwischen den v o n ihnen untersuchten erfolgreichen u n d erfolglosen Neuerungen nicht durch die Überlegenheit irgendeiner Einflußgröße allein erklärt werden können; Report on Project Sappho by the Science Policy Research U n i t , University of Sussex, Centre of the Study of Industrial Innovation, London 1972, S. 5. 2 Siehe z.B. Report on Project Sappho b y the Science Policy Research U n i t , University of Sussex, Centre of the Study of Industrial Innovation, London 1972; Coleman, J. S. et al: Medical Innovation. A Diffusion Study, Indianapolis—New York —Kansas City 1966; Myers, S. and Marquis, D. G.: Successful Industrial Innovations. A Study of Factors Underlying Innovation i n Selected Firms, Washington D. C., Massachusetts 1969; Etienne, U. u n d

42

III. Ein Modell zur Erklärung der Übernahme von Innovationen

vergleichender Analysen verschiedener Innovationen oder Innovationsträger zustandegekommen sind, so daß eine Verallgemeinerung der Ergebnisse nicht möglich ist. Demgegenüber müssen die unidisziplinären Erklärungsversuche des Innovationsprozesses durch einen multidisziplinären Ansatz ersetzt werden, wodurch m i t einem erweiterten Erklärungshorizont zu rechnen ist. Bisher allerdings verläuft die Entwicklung i n den einzelnen Disziplinen noch weitgehend getrennt und ohne wechselseitige Befruchtung (s. S. 32 ff.). Stehen i n der ökonomischen Forschungstradition überwiegend ökonomische Einflußgrößen (wie ζ. B. Marktstruktur, Unternehmensgröße) i m Vordergrund der Betrachtung, wobei die soziopsychischen Eigenschaften der Organisationsteilnehmer und deren Einfluß auf den Innovationsprozeß weitgehend außer Acht bleiben, so sind es bei den medizinsoziologischen und agrarsoziologischen Untersuchungen gerade die soziopsychischen Eigenschaften, denen das Hauptaugenmerk gilt. I n der informations- und kommunikationswissenschaftlichen Forschung schließlich w i r d der Innovationsprozeß lediglich unter dem Gesichtspunkt der Information betrachtet 3 . Der Innovationsproblematik w i r d aber wegen der Komplexität und der Interdependenz der den Verbreitungsprozeß beeinflussenden Größen nur ein ressortübergreifender multidisziplinärer Forschungsansatz gerecht. Das hier zu erarbeitende Modell stellt daher eine Kombination der i n Betracht kommenden Einflußfaktoren dar, die auf die Bereitschaft zur Übernahme von Innovationen von Einfluß sind, wobei die unidisziplinären Erkenntnisse für einen multidisziplinären ressortübergreifenden Ansatz genutzt werden. Die wesentlichen Einflußfaktoren können zunächst auf dem Hintergrund der verschiedenen Forschungstraditionen i n vier Variablenblöcke gebündelt werden (Abb. 2).

2. Die Übernahme einer Innovation als abhängige Variable Abhängige Variable ist der Tatbestand der Übernahme einer Verfahrensinnovation durch eine Systemeinheit, die aus einer oder mehreren Personen bestehen kann. Die Verbreitung von neuen Technologien kann gemessen werden, — an der Anzahl der Verwender einer Innovation, — an der Ausrüstung, ζ. B. an der Z a h l der verwendeten Technologien oder — an dem Output, also dem A n t e i l der m i t einer Innovation produzierten Produkte an der Gesamtproduktion. Kaupen, W.: Die Verbreitung von Neuerungen. I n s t i t u t für Mittelstandsforschung — Soziologische Abteilung —, K ö l n 1971. s Coenen, R., Wingert, B.: Konzepte u n d Ziele der Innovationsforschung, i n : Studiengruppe für Systemforschung Heidelberg, Mitteilungen, November 1973, S. 8.

-Relative Vorteilhaftigkeit -Vereinbarkeit -Komplexität -Erprobbarkeit -Beobachtbarkeit -Ausreifungsgrad

Spezifische Eigenschaften der Innovation

Interne Variablen

l • : • : • :

: · ·

·

Spezifische Merkmale Organisationsstruk- · der Anwender turelle Variablen : -Das Individuum als -Art des Aufbaues · Anwender der Organisation : -Die Gruppe als An-Leitungssysteme · wender -Determiniertheit : der Organisation l

• Unternehmensgröße, Investitionsan: laß, Eigenfinanzierungsmöglichkeit, • wirtschaftliche Lage des Unternehmens



* Übernahme einer * Innovation

-Marktfaktor en -Externe Informationen -Fremdfinanzierung -Faktor Arbeit -Staat

Externe Variablen

Abb. 2: Innovationsmodell

2. Die Übernahme einer Innovation als abhängige Variable 43

44

III. Ein Modell zur Erklärung der Übernahme von Innovationen

Bei der Verwendung der ersten und zweiten Definition als Begriffsinhalt für die abhängige Variable w i r d die absolute Verbreitung einer Innovation, bei der Verwendung der dritten Definition die relative Verbreitung einer Innovation zum Gegenstand der Betrachtung. Wenngleich es wünschenswert wäre, die relative Verbreitung einer Innovation zu betrachten — denn nur sie spiegelt ja das Ausmaß der tatsächlichen Nutzung einer neuen Technologie wider — so liegt den vorliegenden empirischen Untersuchungen überwiegend der Tatbestand der Übernahme einer oder mehrerer Innovationen als abhängige Variable zu Grunde, so daß nur die absolute Diffusion untersucht wird. Die relative Verbreitung w i r d als Untersuchungsobjekt deshalb nur selten zu Grunde gelegt, weil sie nur sehr schwer oder gar nicht einer Messung zugänglich ist, zumal der Anteil eines Verfahrens an den zumeist herzustellenden komplexen Produkten, die m i t mehreren unterschiedlichen Verfahren gefertigt werden, nicht i n jedem Falle zurechenbar ist. Daher liegt dieser Untersuchung, wenn nicht ausdrücklich auf die relative Verbreitung bezug genommen wird, als abhängige Variable ebenfalls die absolute Verbreitung von Neuerungen zu Grunde. 3. Unabhängige Variablen 3.1 Spezifische Eigenschaften der Innovation Die Variablen, die der erste Block zusammenfaßt und die Bereitschaft zur Investition in neue Technologien erklären sollen, bestehen aus den spezifischen Eigenschaften der Innovation selbst. Der Ansatz, die Verbreitung von technologischen Neuerungen mit Hilfe der spezifischen Eigenschaften der Innovation selbst zu betrachten, stellt einen Kompromiß zwischen der Auffassung dar, jede Innovation sei i m wesentlichen einzig i n ihrer Art, und der entgegengesetzten Auffassung, die verschiedenen neuen Technologien seien jeweils gleichwertig 4 . Lange Zeit sind alle möglichen Innovationen als gleichwertige Einheiten angesehen worden 5 . Man kann zwar persönliche und situative Faktoren, 4

Fliegel, F. C. et al: A Cross-National Comparison of Farmers' Perceptions of Innovations as related to Adoption Behavior, i n : R u r a l Sociology, Vol.33, 1968, S. 438. 5 Eine Ausnahme bieten die agrarsoziologischen Untersuchungen von Fliegel, F. C. u n d K i v l i n , J. E.: F a r m Practice Attributes and Adoption Rates, i n : Social Forces, Vol.40, 1962, S. 364-370; dieselben: Farmers' Perceptions of F a r m Practice Attributes, i n : Rural Sociology, Vol.31, 1966, S. 197-206; dieselben: Attributes of Innovations as Factors i n Diffusion, i n : The American Journal of Sociology, Vol.72, 1966, S. 235 -248; dieselben: Differential Perceptions of Innovations and Rate of Adoption, i n : R u r a l Sociology, Vol. 32, 1967, S. 7 8 - 9 1 ; dieselben: Orientations to Agriculture: A Factor Analysis of Farmers' Perceptions of New Practices, i n : R u r a l Sociology, Vol.33, 1968, S.127 - 140.

3. Unabhängige Variable

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welche i n leidlich konsistenter Beziehung zur Übernahme neuer Verfahren stehen, identifizieren und als allgemeine Maßeinheit verwenden, jedoch deshalb, weil die Verfahren i n der Tat keine gleichwertigen Einheiten darstellen, verbleiben beträchtliche Zweifel an der Gültigkeit solcher allgemeiner Maßeinheiten zur Messung der Annahme neuer Technologien 6 . Auch Ε. M. Rogers und F. F. Shoemaker weisen i n bezug auf die Erklärung der Verbreitung neuer Technologien auf die gefährliche Vereinfachung hin, alle Innovationen als gleichwertige Einheiten anzusehen7. Es bestehen kaum Zweifel, daß eine differenzierte Betrachtung der Verbreitung technologischer Neuerungen i n der Industrie m i t Hilfe spezifischer Eigenschaften der Innovation — als unabhängige Variablen — nicht auch einen ähnlich hohen Erklärungswert besitzen könnte wie i n der agrarsoziologischen Diffusionsforschung. J. E. K i v l i n und F. C. Fliegel haben ihren Untersuchungen teilweise bis zu 15 spezifische Eigenschaften 8 zugrundegelegt, die sich letztlich jedoch auf fünf zurückführen lassen; sie sollten u m eine weitere Eigenschaft, nämlich den Ausreifungsgrad der Innovation ergänzt werden, so daß insgesamt die folgenden sechs spezifischen Eigenschaften untersucht werden sollen: — Relative Vorteilhaftigkeit der Innovation — Vereinbarkeit der Innovation m i t den vorhandenen Produktionsbedingungen — K o m p l e x i t ä t der Innovation — Erprobbarkeit der Innovation — Beobachtbarkeit der Innovation — Ausreifungsgrad der Innovation

3.2 Unternehmensexterne

Variablen

Die Existenz eines Unternehmens hängt heute i n zunehmendem Maße von seiner Fähigkeit zur ständigen Anpassung an die Umwelt ab, die sich laufend weit schneller verändert als je zuvor 9 . Für den Erfolg einer Unternehmung kommt es darüber hinaus i n steigendem Maße auch auf seine Fähigkeit an, symbiotische Beziehungen m i t anderen Unternehmen zu entwickeln und zu unterhalten, zumal die abnehmende Autonomie und zunehmende Interdependenz der einzelnen Subsysteme 6 Fliegel, F. C. et al: A Cross-National Comparison of Farmers' Perceptions of Innovations as related to Adoption Behavior, i n : R u r a l Sociology, Vol. 33, 1968, S. 438. 7 Rogers, E. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 135 f. 8 Fliegel, F. C. and K i v l i n , J. E.: Attributes of Innovations as Factors i n Diffusion, i n : The American Journal of Sociology, Vol.72, 1966, S.235-248. 9 Terreberry, S.: The Evolution of Organizational Environments, i n : A d ministrative Science Quarterly, Vol. 12. 1968, S. 590.

46

III. Ein Modell zur Erklärung der Übernahme von Innovationen

i n eine zunehmend komplexer werdende Umwelt eingebettet ist 1 0 . Die Entscheidung darüber, ob eine Innovation übernommen w i r d oder nicht, w i r d daher nicht nur von den spezifischen Eigenschaften der Innovationen abhängen, sondern sie w i r d darüber hinaus von einer Reihe übergeordneter struktureller Größen beeinflußt, die den zweiten Variablenbereich ausmachen. Von diesen übergeordneten strukturellen Variablen sollen folgende untersucht und ihr Einfluß auf die Bereitschaft zur Übernahme von Innovationen analysiert werden: — — — — —

Marktfaktoren Externe Informationsquellen Fremdfinanzierungsmöglichkeiten Faktor A r b e i t Einflußnahme des Staates

3.3 Unternehmensinterne

Variablen

Die Gruppe von Variablen, die die spezifischen Eigenschaften umfassen, und diejenige, die die externen Einfluß variablen ausmachen, bilden sozusagen den Rahmen für das mögliche oder tatsächliche Verhalten der die Innovation übernehmenden oder ablehnenden Einheiten. Inwieweit diese Einflußgrößen tatsächlich die Bereitschaft zur Übernahme von Neuerungen beeinflussen, w i r d neben den zuvor zu untersuchenden verhaltensbeeinflussenden Faktoren — der Unternehmensgröße — des Investitionsanlasses — der Eigenfinanzierungsmöglichkeit u n d der — wirtschaftlichen Lage des Unternehmens

von den spezifischen Merkmalen der die Innovation aufnehmenden oder ablehnenden Individuen oder Gruppen, falls mehrere an der Entscheidung beteiligt sind, abhängen, die zusätzlich i n den weitaus meisten Fällen auch noch von organisationsstrukturellen Einflußgrößen überlagert sind. 3.3.1 Spezifische Merkmale der Anwender Ein weiterer dritter Variablenkomplex setzt sich daher aus den Einflußgrößen zusammen, die i m Bereich der Person oder Personen w i r k sam sind, die eine Innovationsidee aufgreifen, über ihre Einführung oder Nichteinführung befinden und, sofern die Einführung beschlossen wird, ihre Realisierung durchsetzen. Eine brauchbare Theorie kann sich nämlich nicht nur auf die Sammlung und Verarbeitung statistischer Makrogrößen beschränken, sondern betrachtet Höhe und Veränderung dieser Größen i n erster Linie als Ergebnis menschlichen Handelns; ihr Emery, F. F., Trist, F. L . : The Causal Texture of Organizational Environment, i n : H u m a n Relations, Vol. 18, 1965, S. 21 - 31.

3. Unabhängige Variable

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kommt es gerade darauf an, das Verhalten der Wirtschaftssubjekte zu messen und zu erklären, dessen Folge diese Größen sind 1 1 . Die i n der Vergangenheit entwickelten Einstellungen und Erwartungen, die das Verhalten i n der Gegenwart m i t steuern, sind daher i n die Betrachtung einzubeziehen. Da Entscheidungen über die Einführung neuer Technologien i n zunehmendem Maße, bedingt durch das Auseinanderfallen von Kapital und Leitung, i n Gruppen getroffen werden, ist fernerhin zu untersuchen, ob sich das Verhalten der einzelnen am Entscheidungsprozeß Beteiligten durch den Gruppeneinfluß verändert und wenn ja, m i t welchen Konsequenzen für den Innovationsprozeß. I m einzelnen sollen i n bezug auf die Bereitschaft zur Investition i n neue Technologien untersucht werden: Das I n d i v i d u u m als Anwender — Sozioökonomische Charakteristika — Persönlichkeitsfaktoren — Kommunikationsverhalten Die Gruppe als Anwender — Bedingungen der Leistungsfähigkeit der Gruppe — Einfluß der Gruppe auf das Innovationsverhalten

3.3.2. Einfluß organisationsstruktureller Variablen Nur i n den Fällen, i n denen der eine neue Technologie Übernehmende m i t dem Inhaber einer Unternehmung identisch ist, ist er zumindest i n gewissen Grenzen frei von Zwängen formaler Organisationsstrukturen. I n mittleren und größeren Produktionseinheiten ist der Innovator dagegen i n formale Organisationsstrukturen eingebettet. Die den Einfluß der Organisation — i m Zusammenhang m i t der Bereitschaft i n neue Technologien zu investieren — ausmachenden Größen stellen den zu untersuchenden vierten Variablenkomplex dar. I m einzelnen sollen folgende organisationsstrukturelle Einflußgrößen untersucht werden: — A r t des Aufbaus der Organisation — Leitungssysteme — Grad der Determiniertheit der Organisationsstruktur.

11 Schmölders, 1953, S. 203-244; Köln, i n : ORDO, haltensforschung,

G.: ökonomische Verhaltensforschung, i n : ORDO, Bd. 5, derselbe: 10 Jahre ökonomische Verhaltensforschung i n Bd. 14, 1963, S. 259-273; derselbe: Sozialökonomische V e r B e r l i n 1973.

Abschnitt IV

Einfluß innovationsspezifischer Eigenschaften auf den Diffusionsprozeß

Lange Zeit ist es ein Versäumnis der Diffusionsuntersuchungen gewesen, alle Innovationen als i n ihrer A r t i m Grunde gleichwertig zu betrachten. Die dieser Auffassung entgegengesetzte Betrachtungsweise, alle Innovationen als i m wesentlichen einzigartig anzusehen, verhindert dagegen von vornherein die Möglichkeit, generalisierende Aussagen über die Verbreitung von Innovationen i n bezug auf unterschiedliche Charakteristika zu treffen und geht zudem an der Realität vorbei. Denn i n der Tat sprechen die Ergebnisse einiger i n diesem Kapitel behandelter Diffusionsuntersuchungen dafür, daß die Verbreitung von Innovationen i n starkem Maße durch die spezifischen Eigenschaften der Innovationen selbst beeinflußt werden. So stellt der Ansatz, Neuerungen nach den sie charakterisierenden spezifischen Eigenschaften zu unterscheiden und deren Einfluß auf den Verbreitungsprozeß zu untersuchen, einen sinnvollen Kompromiß zwischen beiden Betrachtungsweisen dar. Der Hinweis darauf, daß die Diffusion von Neuerungen wesentlich durch die spezifischen Eigenschaften der Neuerung selbst beeinflußt w i r d und daß diese demzufolge i n die Analyse der Bestimmungsgründe zur Erklärung des Diffusionsprozesses einzubeziehen sind, läßt sich letztlich bis i n die 20er und frühen 30er Jahre zurückverfolgen 1 . W. F. Ogburn, F. St. Chapin, H. E. Barnes und andere nämlich schienen i n ihrem Urteil sicher, daß materielle Innovationen schneller akzeptiert werden als immaterielle. Allerdings wurde die Richtigkeit dieser A n nahme durchaus auch bestritten, so z.B. von Max Weber, Mac Iver, P. A. Sorokin, R. B. Dixon und A. L. Kroeber, die die entgegengesetzte Auffassung vertraten. Die Feststellung von P. A. Sorokin, daß jede Innovation sowohl materielle als auch immaterielle Aspekte besitzt, die zwar theoretisch, nicht aber praktisch getrennt werden können, ver1

Siehe zum folgenden: Boskoff, Α.: Social Change: M a j o r Problems i n the Emergence of Theoretical and Research Foci, i n : Becker, H., Boskoff, A . (Eds.), Modern Sociological Theory. I n Continuity and Change, New Y o r k 1957, S. 296.

IV. Der Einfluß innovationsspezifischer Eigenschaften

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anlaßte A. Boskoff zu der Äußerung: „Es scheint beinahe so, daß w i r einen theoretischen ,cul de sac' erreicht haben, von dem eine baldige Abkehr mehr als wünschenswert ist 2 ." Erst spätere Untersuchungen über die Diffusion von Neuerungen, die ihr Hauptaugenmerk auf die Individuen als Entscheider richteten und den Einfluß personeller und situativer Faktoren bei der Übernahme oder Ablehnung von Innovationen untersuchten, haben das I n teresse am Einfluß spezifischer Eigenschaften der Innovationen wieder aufleben lassen3, allerdings auf der Grundlage einer wesentlich differenzierteren Betrachtung als der bloßen Unterscheidung der Innovationen i n materielle und immaterielle. H. G. Barnett ζ. B. wies sowohl auf den Einfluß der Einführungskosten und der Kosten der Unterhaltung als auch auf die Voraussetzung der Vereinbarkeit einer Innovation hin 4 . Neben H. F. Lionberger 5 , der i n einer Übersicht über die Verbreitung von Innovationen i n der Agrarwirtschaft die spezifischen Eigenschaften (wie z.B. der Anschaffungspreis, Vereinbarkeit der anzuschaffenden Neuerung m i t vorhandenen Einrichtungen, Ausmaß, i n dem die Neuerungen i n kleineren Einheiten zunächst getestet werden können, und Beobachtbarkeit) einer Innovation als einem Beeinflussungsfaktor Beachtung schenkte, haben verschiedene andere Untersuchungen über die Einflußgrößen der Übernahme von Neuerungen diese Fragestellung berührt, und zwar teils als Folgerungen aus für andere Untersuchungsziele gesammelten Daten, teils als Vorsichtsmaßregeln gegen die Übertragung von Ergebnissen einzelner Diffusionsuntersuchungen über spezielle Neuerungen auf andere Neuerungen 6 . Einen ersten Schritt i n Richtung einer systematischen Abschätzung des Einflusses der verschiedenen spezifischen Eigenschaften einer Innovation auf den Verbreitungsprozeß unternahmen F. C. Fliegel und J. E. K i v l i n 7 . Nachdem sie zunächst 11 verschiedene spezifische Eigenschaften hinsichtlich ihres Einflusses analysierten, untersuchten sie i n einer späteren Studie bis zu 15 Eigenschaften 8 . Diese, ergänzt durch eine weitere Eigenschaft, den Ausreifungsgrad der Innovation, der, wie wei2 Ebenda S. 296. 3 Fliegel, F. C., K i v l i n , J. E. : F a r m Practice Attributes and Adoption Rates, i n : Social Forces, Vol. 40, 1962, S. 364 f. 4 Barnett, H. H.: Innovation. The Basis of C u l t u r a l Change, New Y o r k 1953, S. 357 - 378. 5 Lionberger, H. F.: Adoption of New Ideas and Practices, Ames, I o w a 1960, S. 104 - 105. β Fliegel, F. C., K i v l i n , J. E.: F a r m Practice Attributes and Adoption Rates, i n : Social Forces, Vol. 40, 1962, S. 364. 7 Ebenda S. 365. 8 Fliegel, F. C., K i v l i n , J. E.: Attributes of Innovations as Factors i n Diffusion, i n : The American Journal of Sociology, Vol. 72, 1966, S. 235 - 248. Insgesamt wurden bisher bis zu 39 spezifische Eigenschaften identifiziert; Rogers, Ε. M.: Diffusion of Innovations, New York—London 1962, S. 134. 4 Mohr

IV. Der Einfluß innovationsspezifischer Eigenschaften ter unten gezeigt wird, von nicht zu unterschätzendem Einfluß ist, lassen sich auf die folgenden spezifischen Eigenschaften reduzieren: 1. Relative Vorteilhaftigkeit der Innovation 2. Vereinbarkeit der Innovation m i t den vorhandenen Produktionsbedingungen 3. K o m p l e x i t ä t der Innovation 4. Erprobbarkeit der Innovation 5. Beobachtbarkeit des Erfolges der Innovation 6. Ausreifungsgrad der Innovation

Wenn auch die Ergebnisse — dies sei vorweggenommen — über den Einfluß der spezifischen Eigenschaften von Neuerungen, die weitgehend auf die Agrarwirtschaft bezogen sind und i n einem Falle bis zu 91 °/o der Varianz der Anwendungshäufigkeit zu erklären vermochten 9 , nicht ohne weiteres auf die Analyse der Bestimmungsgründe der Verbreitung neuer Technologien anwendbar sind, obwohl sich verblüffende Gemeinsamkeiten ergeben 10 , so bieten diese Überlegungen dennoch methodisch einen wertvollen Ansatzpunkt und erste Hinweise. So sind denn auch i m Bereich der industriellen Diffusionsforschung insbesondere die relative Vorteilhaftigkeit, aber auch die Vereinbarkeit, die Komplexität und die Erprobbarkeit i n letzter Zeit immer wieder als mögliche Beeinflussungsfaktoren genannt worden 1 1 . Eine neuere Untersuchung beschäftigt sich sogar fast ausschließlich m i t dem Einfluß der spezifischen Eigenschaften auf den Verbreitungsprozeß 12 . Die Schwierigkeit empirischer Forschung besteht allerdings darin, daß es sich bei diesen Eigenschaften nicht um solche handelt, die immer und überall von verschiedenen potentiellen Anwendern gleichermaßen wahrgenommen werden, also objektiv meßbar sind, sondern um subjektive Eigenschaften, die äußerst schwierig zu erheben und auch i n bezug auf die Zeit nicht invariant sind 1 3 . Darüber hinaus ändern sich die wahro K i v l i n , J. E. and Fliegel, F. C.: Orientations to Agriculture: A Factor Analysis of Farmers' Perceptions of New Practices, i n : Rural Sociology, Vol. 33, 1968, S. 132. 10 z. B. ergab die Untersuchung von E. Mansfield, der die Verbreitung von 12 Innovationen untersuchte, daß 50 °/o der Varianz der Anwendungshäufigkeit durch den Einfluß der spezifischen Eigenschaften erklärt werden konnte; Mansfield, E.: Technical Change and the Rate of Imitation, i n : Econometrica, Vol.29, 1961, S. 741 ff. 11 Siehe z.B. Nabseth, L. and Ray, G. F.: The Diffusion of New Industrial Processes. A n International Study, Cambridge 1974. 12 Hayward, G.: Diffusion of Innovation i n the Flour M i l l i n g Industry, i n : European Journal of Marketing, Vol. 6, 1972, S. 195 - 202. 13 Havelock, R. G.: Planning for Innovation through Dissemination and Utilization of Knowledge, A n n A r b o r 1971, S. 8, glaubt zwar, daß die spezifischen Eigenschaften i n objektive u n d solche subjektiver A r t unterscheidbar sind, doch läßt sich leicht das Gegenteil beweisen. So kann z. B. eine Innovation, die „ o b j e k t i v " nicht komplex ist, von dem potentiellen Anwender als komplex perzipiert werden.

1. Relative Vorteilhaftigkeit der Innovation

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genommenen Eigenschaften nach der Übernahme, so daß die Anwender einer Neuerung, wenn sie später befragt werden, den Einfluß der zum Zeitpunkt der Übernahme empfundenen Eigenschaften gar nicht anzugeben vermögen; denn nur selten w i r d eine sorgfältige Dokumentation vorhanden sein, die die Wahrnehmung zum Zeitpunkt der Übernahme widerspiegelt (Dokumentenanalyse), wie sie E. Witte für seine Untersuchung vorgefunden hat 1 4 . Nicht auszuschließen ist auch die Möglichkeit, daß die i n vielen Fällen festgestellte positive Relation zwischen Wahrnehmung und der Anwendungshäufigkeit durch die Tendenz der Individuen, die Innovationsentscheidung i n Form positiver Wahrnehmung zu rationalisieren, nicht das Gewicht hat wie zunächst suggeriert w i r d 1 5 . Der Tatsache, daß nicht alle i n Frage kommenden potentiellen Anwender gleichermaßen die verschiedenen spezifischen Eigenschaften wahrnehmen, daß also interpersonelle Differenzen bestehen, muß eine empirische Untersuchung durch entsprechende Aufteilung der die Neuerung übernehmenden Einheiten Rechnung tragen. Es werden zunächst die spezifischen Eigenschaften einzeln auf ihren möglichen Einfluß h i n untersucht; i n einer anschließenden Zusammenfassung w i r d ihr gesamter Einfluß auf den Verbreitungsprozeß behandelt. 1. Relative Vorteilhaftigkeit der Innovation Die relative Vorteilhaftigkeit einer Innovation ist der Grad, i n dem eine Technologie besser ist als alternative Möglichkeiten, dessen Ausmaß zumeist an dem ökonomischen Vorteil 1 6 gemessen wird, der wiederum aus mehreren Komponenten besteht. Relative Vorteilhaftigkeit i n diesem Sinne kann i n einem relativ geringen Anschaffungspreis, i n geringen Unterhaltungskosten, i n der Ersparnis an Zeit und Arbeit, i n der Regelmäßigkeit des Kapitalrückflusses etc. bestehen. Je nach der spezifischen Situation der Investoren zum Zeitpunkt der Entscheidung für oder gegen die Innovation kommt diesen Größen unterschiedliches Gewicht zu. So ist ζ. B. ein relativ geringer Anschaffungspreis und eine relativ kurze Pay-off-Periode für kleine und mittlere Unternehmen wegen ihrer geringen finanziellen M i t t e l 1 7 und dem Ziel, das eingesetzte 14 Witte, E.: Organisation für Innovationsentscheidungen, i n : Kommission für wirtschaftlichen u n d sozialen Wandel, Bd. 2, Göttingen 1973, S. 59 f. 15 Rogers, Ε. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 169. 16 Nichtökonomische Vorteile wären z.B. die soziale B i l l i g u n g der E i n führung einer Neuerung durch die U m w e l t oder eine Arbeitserleichterung f ü r die Arbeitnehmer, die i n spezifischen internen u n d externen U m w e l t situationen die ökonomische Vorteilhaftigkeit überkompensieren können. 17 Globerman, St.: Technological Diffusion i n the Canadian Tool and Die Industry, Manuskript, Toronto 1974, S. 14.

4#

IV. Der Einfluß innovationsspezifischer Eigenschaften Kapital möglichst rasch zurückzugewinnen, von größerer Bedeutung als für Großunternehmen. I n diesem Falle sind es also spezifische Struktureigenschaften des Anwenderunternehmens selbst, die für den Einfluß der relativen Vorteilhaftigkeit maßgebend sind. Ebenso beeinflussen aber auch situative und personelle Faktoren die Bedeutung der relativen Vorteilhaftigkeit, und zwar sowohl insgesamt als auch die Gewichtung der einzelnen sie ausmachenden Größen. So hat ζ. B. die Knappheit des Arbeitsangebotes während des Zweiten Weltkrieges zu einer schnelleren Verbreitung arbeitssparender Neuerungen i n den Spinnereien geführt, als jemals i n Friedenszeiten 18 . Die hier aufgeführten Beispiele verfolgen nicht zuletzt auch den Zweck, deutlich zu machen, daß Untersuchungen, die die Verbreitung von Innovationen nur i m Hinblick auf die Höhe der Anschaffungspreise untersuchen, nicht sorgfältig genug vorgehen, sondern daß i n jedem einzelnen Falle sehr genau zu prüfen ist, ob nicht andere Vorteile mehr Gewicht haben, so daß deren Nichtberücksichtigimg die Ergebnisse der Studien verzerrt. Schließlich ist der relative Vorteil oftmals sowohl ex post, aber vor allem ex ante äußerst schwierig zu kalkulieren 1 9 . Je größer die Unsicherheit ist, u m so mehr werden dann subjektive Einflußgrößen die Wahrnehmung der Vor- und Nachteile beeinflussen 20 . Die große Bedeutung, die der relativen Vorteilhaftigkeit für die Verbreitung einer Neuerung zukommt, kommt i n einer Studie eines Autorenteams unter dem Vorsitz von G. F. Ray, das m i t großer Akribie die Verbreitung von zehn Innovationen auf nationaler und internationaler Ebene untersuchte, zum Ausdruck. Die Autoren gelangen zu der Feststellung, daß die generelle Schlußfolgerung die zu sein scheine, daß die relative Vorteilhaftigkeit ein bedeutsamer Faktor für die Erklärung der Verbreitung neuer Prozesse sei, und zwar nicht nur bei der Unterscheidung zwischen Anwendern und Nichtanwendern, sondern ebenso für die Erklärung der Verbreitung neuer Technologien unter und in den Unternehmen 21 . Diese Feststellung w i r d von verschiedenen anderen Fallstudien bestätigt 22 , deren Autoren ebenso i n einigen Fällen einen 18 Sutherland, Α.: The Diffusion of an Innovation i n Cotton Spinning, i n : The Journal of Industrial Economics, Vol. 7, 1959, S. 118 - 135. 19 ζ. Β . w e n n die auf einer neuen Maschine zu fertigenden Werkstücke sowohl i n der Anzahl als auch i m Ausmaß ihrer Bearbeitung unterschiedlich sind u n d der Beitrag einer Maschine am gesamten Produktionsprozeß der einzelnen Werkstücke n u r ungefähr bestimmbar ist. 20 Nabseth, L.: Summary and Conclusions, i n : Nabseth, L. and Ray, G. F. (Eds.), The Diffusion of New Industrial Processes. A n International Study, Cambridge 1974, S. 302. 2 * Ebenda S. 303. 22 Mansfield, E.: Technical Change and the Rate of Imitation, i n : Econometrica, Vol.29, 1961, S. 741 ff.; derselbe: Industrial Research and Technological Innovation. A n Econometric Analysis, New Y o r k 1968, S. 155 ff . ;

2. Vereinbarkeit der Innovation

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signifikanten Zusammenhang zwischen der relativen Vorteilhaftigkeit und der Anwendungshäufigkeit bei den von ihnen untersuchten Innovationen feststellen konnten. Wie sehr die — sicherlich als eine der wichtigsten Einflußgrößen zu bezeichnende — relative Vorteilhaftigkeit mitunter von anderen Einflußgrößen überlagert werden kann, zeigt eine Untersuchung über die Bestimmungsgründe für die Verbreitung von EDV-Anlagen. E. Witte, der 233 Innovationsentscheidungen zur Erstbeschaffung einer EDV-Anlage untersuchte, stellte fest, daß lediglich 2,4 °/o der aufgezeichneten Entscheidungsgesichtspunkte die W i r t schaftlichkeit betrafen, und vermutet, daß für die elektronische A n lage, die als wirkliche Neuheit empfunden wurde, die technische Faszination ausschlaggebend war 2 3 . 2. Vereinbarkeit der Innovation mit den vorhandenen Produktionsbedingungen Eine notwendige, wenn auch noch nicht allein hinreichende Bedingung für die Verbreitung einer Neuerung ist i n der Vereinbarkeit der Innovation mit den vorhandenen Produktionsbedingungen der Anwender zu sehen. I n der Regel, so ist zu vermuten, w i r d niemand eine Innovation übernehmen, nur weil sie relativ vorteilhafter ist als alternative Möglichkeiten. Der Einfluß der Vereinbarkeit einer technischen Neuerung auf den Durchsetzungsprozeß ist von F. C. Fliegel und J. E. K i v l i n 2 4 für Innovationen i m Agrarsektor signifikant nachgewiesen worden. Einige Hinweise aus dem Bereich der industriellen Diffusionsforschung legen die Vermutung nahe, daß dieser Einflußfaktor hier einen ähnlich hohen Erklärungswert besitzt. Die Vereinbarkeit kann sich — auf die vorhandenen Produktionsmittel, — auf die zu verarbeitenden Stoffe u n d — auf die zu produzierenden Güter

beziehen 25 . Die Vereinbarkeit einer Innovation m i t den vorhandenen Produktionsmitteln ist gewährleistet, wenn sie sich ohne große U m stellungsschwierigkeiten unmittelbar verwenden läßt. So ist z.B. die Nabseth, L.: The Diffusion of Innovations i n Swedish Industry, i n : Williams, Β . R. (Ed.), Science and Technology i n Economic Growth, Edinburgh 1973, S. 279 ; Hayward, G. : Diffusion of Innovation i n the Flour M i l l i n g Industry, i n European Journal of Marketing, Vol. 6, 1972, S. 195 ff. 23 Witte, E.: Organisation f ü r Innovationsentscheidungen, i n : Kommission für wirtschaftlichen u n d sozialen Wandel, Bd. 2, Göttingen 1973, S. 52. 24 Fliegel, F. C. and K i v l i n , J. E.: F a r m Practice Attributes and Adoption Rates, i n : Social Forces, Vol. 40, 1962, S. 366. 25 Neben dieser technischen Vereinbarkeit w i r d die Übernahme einer Innovation i n zunehmendem Maße allerdings auch durch die Vereinbarkeit der Innovation m i t dem Grad der gesellschaftlich gewünschten U m w e l t verträglichkeit beeinflußt werden.

IV. Der Einfluß innovationsspezifischer Eigenschaften Anwendung von numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen (NC-Maschinen) zum Teil dadurch behindert bzw. verhindert worden, daß ihr wirtschaftlicher Einsatz u. a. eine grundlegende Änderung des betrieblichen Fertigungsablaufes bedingte, der darüber hinaus den Einsatz von Computern notwendig und demzufolge eine umfassende organisatorische Anpassung erforderlich machte 26 . Ein weiteres Beispiel bietet der Einsatz arbeitssparender schützenloser Webstühle i n der Textilindustrie, der solange keine wesentliche organisatorische Umstellung erforderte, als nur moderne automatische Webstühle zu ersetzen waren; wenn jedoch die durch schützenlose Webstühle zu ersetzenden Anlagen älterer Bauart waren oder die vorhandenen Websäle nicht dem neuesten technischen Stand entsprachen, mußten zusätzliche Veränderungen durchgeführt werden, die dann die Investitionskosten wesentlich erhöhten und somit die Einführung schützenloser Webstühle verzögerten oder ganz verhinderten 2 7 . St. Globerman, der die Verbreitung von Spezialpressen i n der kanadischen Papierindustrie untersuchte, fand heraus, daß der bedeutendste Faktor für die langsame Verbreitung von Spezialpressen i n den Bereichen der kanadischen Papierindustrie, die kein Zeitungspapier herstellen, die technisch überalterten Produktionsprozesse waren 2 8 . Neben der Vereinbarkeit einer Innovation m i t den vorhandenen Produktionsmitteln muß die Innovation auch mit den zu verarbeitenden Stoffen vereinbar sein. Die Verzögerung der Verbreitung des gegenüber anderen Stahlerzeugungsverfahren wesentlich wirtschaftlicheren Oxygenblasverfahrens 29 w i r d zumindest teilweise auf die unterschiedlichen Schrottanteile am Materialeinsatz zurückgeführt, wie er i n den einzelnen Ländern üblich ist. Das Oxygenblasverfahren begnügt sich zur Stahlerzeugung m i t einem erheblich geringeren Schrottanteil als ζ. B. das Siemens-Martin-Verfahren. M i t dem i m Verhältnis zu anderen Ländern hohen Schrottanteil von 48 % und damit verbunden dem Wunsch, aus volkswirtschaftlichen Gründen den anfallenden Schrott v o l l zu verwerten, w i r d die vergleichsweise geringe Verbreitung des Oxygenblasverfahrens i n der UdSSR begründet 30 . 26 I F O - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung, Die Verbreitung neuer Technologien. Eine Studie über zehn Verfahren i n neun Industriezweigen, München 1970, S. 56 f. 2 ? Ebenda S. 65 ff. 28 Globerman, St.: New Technology Adoption i n the Canadian Paper Industry, Manuskript, Toronto 1974, S. 16. 29 Bei einer Jahresproduktion von z.B. einer M i o t liegen die K a p i t a l kosten u m 25 °/o, die Verarbeitungskosten bis zu ca. 44 % unter denen anderer Verfahren; österreichisches I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung, Monatsberichte, Die Ausbreitung neuer Technologien, Beilage 87, Wien September 1969, S. 8. 30 Slama, J., Vogel, H.: Z u r Verbreitung neuer Technologien i n der UdSSR eine Fallstudie: das Oxygenblasstahlverfahren, i n : Jahrbücher für Nationalökonomie u n d Statistik, Bd. 187, 1973, S. 253.

3. Komplexität der Innovation

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Schließlich ist die Vereinbarkeit einer Innovation nur dann gegeben, wenn diese den Erfordernissen der zu produzierenden Güter entspricht, bezogen sowohl auf die Anzahl der zu fertigenden Produkte als auch auf deren Qualität. Der sinnvolle Einsatz von NC-Maschinen hängt z. B. — neben anderen Faktoren — wesentlich von der Seriengröße und der Anzahl der Wiederholungen des FertigungsVorganges ab 3 1 . I m Falle des Floatglasverfahrens ist es ζ. B. i n einigen Ländern die geringe Qualität der zu fertigenden Produkte, die seine Verbreitung verzögert bzw. verhindert; m i t dem Floatglas verfahren kann nämlich nur qualitativ hochwertiges Tafelglas und zudem nur in einer bestimmten Stärke hergestellt werden. Diese Nachfrage ist aber begrenzt, so daß eine Floatglasanlage oft nicht lohnend erscheint 32 . 3. Komplexität der Innovation Unter Komplexität einer Innovation versteht man das Ausmaß, i n dem sich die Anwendung einer neuen Technologie den potentiellen Anwendern als relativ schwierig zu verstehen und als schwer zu handhaben darstellt. Neben einer Reihe von soziologischen Untersuchungen 33 , die einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen Komplexität und Anwendungshäufigkeit erbrachten, konnte auch i n einer Untersuchung über den internationalen Transfer neuer Technologien festgestellt werden, daß Technologien, die von geringer Komplexität waren und ohne Umschulung des Personals hergestellt und angewendet werden konnten, relativ schnell übernommen wurden 3 4 . Diese Annahme erscheint plausibel; einmal verhindert die Wahrnehmung „zu kompliziert" möglicherweise schon den Versuch, eine neue Technologie auf ihre Anwendungsmöglichkeiten h i n zu überprüfen, zumindest bedingt sie jedoch eine vorübergehende Zurückhaltung. Zum anderen muß, sofern das für die Anwendung der neuen Technologie erforderliche „ K n o w how" nicht vorhanden ist, dieses durch gezielte Umschulungsaktionen 31 Gebhardt, A . and Hatzold, O.: Numerically Controlled Machine Tools, i n : Nabseth, L . and Ray, G. F. (Eds.), The Diffusion of New Industrial Processes. A n International Study, Cambridge 1974, S. 43. 32 I F O - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung, Die Verbreitung neuer Technologien. Eine Studie über zehn Verfahren i n neun Industriezweigen, München 1970, S. 74. 33 Vgl. ζ. B. die Untersuchung von Havelock, R. G. : Planning for Innovation through Dissemination and Utilization of Knowledge, A n n A r b o r 1971, S. 8 und 41; Graham, S.: Class and Conservatism i n the Adoption of Innovations, i n : H u m a n Relations, Vol. 9, 1956, S. 91 - 100; Fliegel, F. C. and K i v l i n , J. E.: F a r m Practice Attributes and Adoption Rates, i n : Social Forces, Vol. 40, 1962, S. 366. 34 Kern, W.: Z u r Analyse des internationalen Transfers v o n Technologien — ein Forschungsbericht, i n : Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 25. Jahrgang, 1973, S. 93.

IV. Der Einfluß innovationsspezifischer Eigenschaften entsprechend dem Komplexitätsgrad der Technologie gewonnen oder es müssen qualifizierte Arbeitskräfte eingestellt werden, um eine angemessene Bedienung der Anlage zu sichern. Durch einen den Faktor Arbeit zunächst überfordernden Komplexitätsgrad entstehen dann aber zusätzliche Kosten, die die Verbreitung von neuen Technologien hemmen und möglicherweise sogar ganz verhindern können. 4. Erprobbarkeit der Innovation Ein weiterer Faktor, der auf die Verbreitung von neuen Technologien einen erheblichen Einfluß zu haben scheint, liegt i n dem Ausmaß, i n dem eine Innovation sich zunächst i n Teileinheiten einsetzen läßt und damit erprobt werden kann, ohne daß der Ganzheitscharakter der Innovation verloren geht. Die i m angelsächsischen Sprachbereich hierfür verbreitete Bezeichnung „Trialability" oder „Divisibility" könnte man m i t „Erprobbarkeit" übersetzen. Durch die Möglichkeit des Einsatzes von Teileinheiten können die Unternehmen die neuen Verfahren auf ihre Brauchbarkeit hin untersuchen und damit das Risiko einschränken, das ein Kapitaleinsatz i n größerem Umfange m i t sich bringt. Dies w i r d von der Beobachtung gestützt, daß Innovationen sich u m so eher ausbreiten, je geringer der damit verbundene Kapitaleinsatz ist 3 5 . Für den Bereich der Agrarwirtschaft liegen eine Reihe von Untersuchungen vor, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Erprobbarkeit einer Innovation und dem Grad ihrer Anwendung festgestellt haben3®. Die Annahme, daß die Erprobbarkeit auch i m Bereich der Industrie für die Verbreitung neuer Technologien von großer Bedeutung ist, w i r d durch eine Untersuchung von G. Hayward 3 7 bestätigt. G. Hayward, der die Verbreitung von fünf Innovationen i n der Mühlenindustrie untersuchte, fand heraus, daß der Grund dafür, daß es bei vier von fünf untersuchten Innovationen bis zu 19 Jahren dauerte, bis 50 °/o der Befragten die Innovation eingeführt hatten, hauptsächlich an der mangelnden Erprobbarkeit der Neuerung lag 3 8 . I n England hat man diesem Gesichtspunkt ζ. B. bei der Förderung zur Verbreitung von NC-Maschinen durch ein „ T r i a l Period Scheme" Rechnung getragen, wonach die Unternehmen zwar den vollen Preis einer solchen Maschine zu 35 Mansfield, E.: Industrial Research and Technological Innovation. A n Econometric Analysis, New Y o r k 1968, S. 153. 36 Fliegel, F. C., K i v l i n , J. E.: Farmers' Perceptions of F a r m Practice Attributes, i n : Rural Sociology, Vol.31, 1966, S. 200 ff.; dieselben: Attributes of Innovations as Factors i n Diffusion, i n : The American Journal of Sociology, Vol. 72, 1966, S. 241 ff.; dieselben: Differential Perceptions of Innovations and Rate of Adoption, i n : Rural Sociology, Vol. 32, 1967, S. 85 ff. 37 Hayward, G.: Diffusion of Innovation i n the Flour M i l l i n g Industry, i n : European Journal of Marketing, Vol. 6, 1972, S. 199. 38 Ebenda S. 199.

5. Beobachtbarkeit der Innovation

57

zahlen hatten, jedoch berechtigt waren, die Maschinen innerhalb einer bestimmten Zeit zurückzugeben, sofern sich herausstellte, daß sie für die Unternehmen nicht vorteilhaft waren 3 9 . Die Möglichkeit der Rückgabe ist hier also ein Ersatz für die probeweise Verwendung des Aggregats ohne Risiko. Allerdings darf der Erfolg der Maßnahme i n diesem Falle nicht überschätzt werden; nur 2/5 der befragten Unternehmen gaben an, daß ihre Entscheidung durch diesen Plan beeinflußt wurde 4 0 . Eine ebensolche Funktion ist dem sogenannten Leasing beizumessen. Eine von J. Baumberger et al durchgeführte Untersuchung über die Verbreitung eines neuartigen elektrostatischen Kopier- und Vervielfältigungsautomaten ergab z. B., daß 89 °/o der 98 befragten Anwender dieses Mietsystem als eine Möglichkeit betrachteten, technischen Fortschritt ohne starken Kapitaleinsatz rasch zu verwirklichen 4 1 . 5. Beobachtbarkeit der Innovation I n dem Ausmaß der Beobachtbarkeit einer Innovation und des m i t ihr erzielten Erfolges ist insofern ein weiterer Einflußfaktor für den Verbreitungsprozeß von Neuerungen zu sehen, als die Beobachtbarkeit m i t der Anwendungshäufigkeit positiv korreliert 4 2 . Abgesehen von mobilen Technologien, wie sie z. B. i m Baugewerbe oftmals Verwendung finden, werden i n der Industrie verwendete Technologien überwiegend innerhalb umbauter Räume eingesetzt; somit ist sowohl das physische Vorhandensein als auch der m i t der Innovation erzielte Erfolg für Dritte nicht beobachtbar. Der Mangel an Beobachtbarkeit muß i m Bereich der Industrie daher als Einflußfaktor für eine langsamere Verbreitung neuer Technologien angesehen werden 4 3 , dessen Bedeutung allerdings z.B. durch Messebesuche eingeschränkt werden kann. Dies deckt sich m i t Ergebnissen agrarsoziologischer Diffusionsstudien, wonach z. B. von einer neuen Fütterungsanlage, die in abgeschlossenen Stallungen installiert war, nur 22 °/o der Befragten Kenntnis hatten, wohingegen landwirtschaftliche Geräte, die von Dritten beobachtet werden konnten, zu 76 % bekannt waren 4 4 . A u f die gute 39 Gebhardt, A and Hatzold, O.: Numerically Controlled Machine Tools, i n : Nabseth, L. and Ray, G. F. (Eds.), The Diffusion of New Industrial Processes. A n International Study, Cambridge 1974, S. 42. 40 Ebenda S. 42. 41 Baumberger, J. et al: Ausbreitung u n d Übernahme v o n Neuerungen. E i n Beitrag zur Diffusionsforschung, Bd. I I , Bern u n d Stuttgart 1973, S. 844 f. 42 Rogers, E. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovations. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York —London 1971, S. 156. 43 Hayward, G.: Diffusion of Innovation i n the Flour M i l l i n g Industry, i n : European Journal of Marketing, Vol. 6, 1972, S. 198 ff. 44 Hruschka, E. and Rheinwald, H.: The Effectiveness of German Pilot Farms, i n : Sociologia Ruralis, Vol.5, 1965, S. 101-111; siehe z u m Problem

IV. Der Einfluß innovationsspezifischer Eigenschaften Beobachtbarkeit des Erfolges einer neuen Maissorte führt ζ. Β. E. Katz die schnelle Verbreitung dieses Saatgutes zurück 45 . 6. Ausreifungsgrad der Innovation Ein letzter hier zu erwähnender Einflußfaktor ist der Ausreifungsgrad einer Innovation. Hinweise aus anderen Untersuchungen stützen die Hypothese, daß ein relativ geringer Ausreifungsgrad einer Innovation den Diffusionsprozeß wesentlich zumal dann beeinträchtigt, wenn die Erfahrungen m i t der neuen Technologie noch gering sind und möglicherweise zu widersprechenden Ergebnissen geführt haben. R. J. Smith, der die Verbreitung schützenloser Webstühle untersuchte, die bereits seit 1950 produziert, aber erst Mitte der 60er Jahre i n zunehmendem Maße eingeführt wurden, meint, daß die anfängliche Verzögerung des Übernahmeprozesses zweifellos durch den mangelnden Ausreifungsgrad der schützenlosen Webstühle erklärt werden könne4®. Die A n nahme, daß der Ausreifungsgrad i m Diffusionsprozeß eine entscheidende Rolle spielt, w i r d auch durch die Beobachtung untermauert, wonach sich i n Ländern, die als erste eine technologische Neuerung einführten, ihre Verbreitung relativ langsamer vor sich ging. Der Grund scheint auch hier i n den durch einen geringen Ausreifungsgrad bedingten Erfahrungen zu liegen, die sich i n der Anlaufphase i n oftmals vorher nicht erkennbaren Schwierigkeiten bei der Nutzung neuer Technologien äußern. Die Nachfolger bleiben davon verschont, weil die ersten Anwender zumeist schon Lösungen gesucht und gefunden haben 47 . Darüber hinaus ist auch beobachtet worden, daß die ersten Versionen einer neuen Technologie meist wesentlich höhere Aufwendungen bedingen als spätere. Wenn einmal die Anlaufphase überwunden ist, sind die m i t einem geringen Ausreifungsgrad einhergehenden Nachteile erkannt und ausgemerzt, was zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit und entsprechenden Verminderung der Kosten führt. J. L. Enos fand heraus, daß die Kapitalkosten jeder der vier von ihm betrachteten der Beobachtbarkeit auch Ellinger, Th.: Latenz u n d Evidenz als Bestimmungsfaktor der Produktinformation, i n : Die Ware i n Wirtschaft u n d Technik, Festschrift zum 65. Geburtstag von A . Kutzelnigg, Herne—Berlin 1969, S.147 - 154. 45 Katz, E.: The Social I t i n e r a r y of Technical Change: T w o Studies on the Diffusion of Innovation, i n : H u m a n Organisation, Vol. 20, S. 70 ff. 46 Smith, R. J.: Shuttleless Looms, i n : Nabseth, L. and Ray, G. F. (Eds.), The Diffusion of New Industrial Processes. A n International Study, Cambridge 1974, S. 2901; siehe auch Mansfield, E.: Industrial Research and Technological Innovation. A n Econometric Analysis, New Y o r k 1968, S. 204. 47 Ray, G. F.: Ergebnisse von Diffusionsuntersuchungen i n Europa, i n : Innovation i n der Wirtschaft, München 1970, S. 92.

7. Zusammenfassung

59

Innovationen i n der Petroleumindustrie innerhalb der ersten fünf Jahre u m die Hälfte sanken 48 . 7. Zusammenfassung Die vorstehende Schilderung des Einflusses von sechs spezifischen Eigenschaften von Innovationen auf ihre Verbreitung hat deutlich gemacht, daß es richtig und notwendig ist, die Innovationen jeweils nach den sie charakterisierenden Eigenschaften zu kategorisieren. Der Einfluß spezifischer Eigenschaften ist für den nicht-industriellen Bereich durch mehrere Untersuchungen signifikant nachgewiesen worden, und zwar sowohl durch einfache Korrelationsrechnungen als auch durch Faktorenanalysen. Durch eine von J. E. K i v l i n und F. C. Fliegel durchgeführte Faktorenanalyse ließen sich 15 analysierte spezifische Eigenschaften auf fünf für größere und sechs für kleinere landwirtschaftliche Betriebe reduzieren, die zusammengenommen i m ersten Falle bis zu 88 °/o und i m zweiten Falle sogar bis zu 91 °/o der Unterschiede der Anwendungshäufigkeit zu erklären vermochten 49 . Die genannten Faktoren lassen sich etwa als relative Vorteilhaftigkeit, Vereinbarkeit m i t den Produktionsbedingungen, Komplexität und Beobachtbarkeit bezeichnen. Der Einfluß der Erprobbarkeit konnte i n dieser Analyse allerdings nicht nachgewiesen werden, ist aber i n anderen Untersuchungen hinreichend nachgewiesen worden. Aus einer von Ε. M. Rogers und F. F. Shoemaker zusammengestellten Übersicht von Diffusionsuntersuchungen, die die Übernahme von Neuerungen m i t Hilfe spezifischer Eigenschaften zu erklären versuchen, geht hervor, daß der kleinste die Unterschiede der Anwendungshäufigkeit erklärende Wert nicht geringer als 49 «/ο war 5 0 . Die Anzahl der berücksichtigten spezifischen Eigenschaften, die die jeweilige Varianz erklären, liegt bei diesen Studien jeweils zwischen 2 und 15. Unter den erfaßten Untersuchungen ist auch die von E. Mansfield, der 12 neue Technologien i n vier verschiedenen I n dustrien untersuchte. Die relative Vorteilhaftigkeit und die Beobacht48 Enos, J. L.: A Measure of the Rate of Technological Progress i n the Petroleum Refining Industry, i n : The Journal of Industrial Economics, Vol. 6, 1958, S. 180 ff. 49 K i v l i n , J. E. and Fliegel, F. C.: Orientations to Agriculture: A Factor Analysis of Farmers' Perceptions of New Practices, i n : R u r a l Sociology, Vol.33, 1958, S. 132; die Autoren gestehen jedoch ein, daß die Werte u n d Schlußfolgerungen aus den beiden untersuchten Stichproben die Notwendigkeit einer Überprüfung eines möglicherweise übermäßig individualistischen u n d speziellen Ansatzes zur E r k l ä r u n g des Entscheidungsverhaltens notwendig machen; ebenda S. 139 f. 50 Rogers, Ε. M. w i t h Shoemaker, F. F.: Communication of Innovation. A Cross-Cultural Approach, 2nd Ed., New York—London 1971, S. 141 f.

IV. Der Einfluß innovationsspezifischer Eigenschaften barkeit konnten i n dieser Studie zusammen 50 % der Unterschiede i n der Anwendungshäufigkeit erklären. Bedauerlicherweise gibt es für den Bereich der Industrie außer dieser Studie und einer Reihe von Untersuchungen, i n denen der Einfluß der relativen Vorteilhaftigkeit teilweise signifikant nachgewiesen werden konnte, sowie einer neueren Untersuchung von G. Hayward 5 1 , der erstmalig für den industriellen Bereich fünf der i n diesem Abschnitt erwähnten spezifischen Eigenschaften untersucht hat, nur hypothetische Aussagen, deren empirische Uberprüfung noch aussteht. Dies gilt insbesondere für die Einflußgröße „Ausreifungsgrad", die bisher nur am Rande Berücksichtigung gefunden hat. Es bestehen jedoch kaum Zweifel darüber, daß auch die zunächst noch weitgehend aus Ergebnissen der für andere Untersuchungsziele gesammelten Daten stammenden Hypothesen über den Einfluß spezifischer Eigenschaften von Innovationen auf ihre Verbreitung i n der Industrie einen beachtlichen Erklärungswert besitzen. Erste empirisch abgesicherte Hinweise darauf bietet die zitierte Studie von G. Hayward. I n dieser Untersuchung wurden die Anwender von fünf bedeutenden Innovationen nach dem Einfluß der relativen Vorteilhaftigkeit, der Vereinbarkeit m i t den Produktionsbedingungen, der Komplexität, der Erprobbarkeit und der Beobachtbarkeit befragt. Der Einfluß der spezifischen Eigenschaften sollte i n einer w i l l k ü r l i c h gewählten Skaleneinteilung m i t den Werten 1 bis 5 eingetragen werden, wobei 1 den besten und 5 den schlechtesten Grund für die Einführung der Innovation repräsentieren sollte. Tabelle 1 zeigt, daß, je geringer die den Innovationen zugeordnete Gesamtpunktzahl war, die Innovation u m so eher übernommen wurde, je relativ vorteilhafter, je mehr vereinbar m i t den vorhandenen Produktionsbedingungen, je weniger komplex, je besser erprobbar und beobachtbar die Innovation dem Anwender erschien, u m so eher wurde sie eingeführt (im günstigsten Falle m i t einer Gesamtpunktzahl von 5 innerhalb von acht Jahren durch 50 °/o der i n Frage kommenden Anwender). Mangelnde Erprobbarkeit war i n den meisten Fällen die Hauptursache für eine langsame Diffusion. Darüber hinaus vermittelt das i n Tabelle 1 festgehaltene Ergebnis auch einen ersten groben Uberblick über das relative Gewicht der einzelnen spezifischen Eigenschaften. Dies w i r d besonders durch einen Vergleich zwischen der Verbreitung großer Mehlausladebehälter und großer Mehlsilos deutlich. Obwohl die letztgenannte Innovation nur ein knapp über dem Mittelwert liegendes Ausmaß an Erprobbarkeit besitzt, dauerte ihre Verbreitung dennoch wegen ihrer vergleichsweise geringen Vereinbarkeit mit den vorhandenen Produktionsbedingungen und einem verhältnismäßig hohen Komplexi51 Hayward, G.: Diffusion of Innovation i n the Flour M ü l i n g Industry, i n : European Journal of Marketing, Vol. 6, 1972, S. 195 - 202.

7. Zusammenfassung

61

Tabelle 1 Anwendungshäufigkeit in Relation zu den spezifischen Eigenschaften der untersuchten Innovationen Spezifische ^^Eigenschaften*)

a

b

c

d

e

Gesamtpunktzahl

Jahreb)

Pneumatische Förderbänder (pneumatic conveying)

2

3

3

4

3

15

19

Große Mehlausladebehälter (bulk outloading bins for flour)

1

2

2

5

2

12

15

Große Mehlsilos (bulk flour silos)

2

3

3

3

2

13

16

Kurzes OberflächenMahlsystem (short surface m i l l i n g system)

3

2

2

5

3

15

lie)

Rückflußfllter (reverse j e t filter)

1

1

1

1

1

5

8

Innovation

a) (a) relative Vorteilhaftigkeit; (b) Vereinbarkeit; (c) Komplexität; (d) Erprobbarkeit; (e) Beobachtbarkeit. b) Zeitspanne, bis 50 e/o der untersuchten Anwender die Innovation übernommen hatten. c) Zeitspanne, bis 25% der untersuchten Anwender die Innovation übernommen hatten. Quelle : Hayward, G.: Diffusion of Innovation i n the Flour Milling Industry, in: European Journal of Marketing, Vol. 6, 1972, S. 199.

tätsgrad länger (16 Jahre), als die Verbreitung der großen Mehlausladebehälter (15 Jahre), einer Innovation, der für das Charakteristikum „Erprobbarkeit" der schlechteste Wert zugeordnet worden war, während alle ihre übrigen spezifischen Eigenschaften besser bewertet w u r den. Ein Nachteil dieser und anderer Studien über den Einfluß der spezifischen Eigenschaften liegt darin, daß dadurch, daß die subjektiven Beurteilungscharakteristika von Innovationen i n einer individuellen Referenzskala verankert werden, die per Interview erhobenen Daten gewissermaßen eine kognitive Schlagseite bekommen; doch

IV. Der Einfluß innovationsspezifischer Eigenschaften sind andere Methoden (ζ. B. Dokumentenanalyse), wenn überhaupt möglich, sehr aufwendig 5 2 .

52

Siehe hierzu: Coenen, R., Wingert, B.: Konzepte u n d Ziele der Innovationsforschung, i n : Studiengruppe f ü r Systemforschung Heidelberg, M i t teilungen, November 1973, S. 9.

Abschnitt V

Einfluß unternehmensexterner Variablen auf den Diffusionsprozeß 1. Notwendigkeit der Einbeziehung der Umwelt in die Betrachtung Lange Zeit haben, worauf S. Terreberry hingewiesen hat, die meisten Theoretiker immer noch an der Vorstellung der internen Interdependenz biologischer, psychologischer oder sozialer Systeme festgehalten, obwohl sich die Umwelt dieser Systeme weit schneller verändert als jemals zuvor 1 . I n jüngster Zeit zeichnet sich jedoch hierzu eine Wandlung ab 2 . L. v. Bertalanffy zeigte als erster die volle Bedeutung eines i n bezug auf die Umwelt offenen — und somit lebenden — Systems i m Unterschied zu einem geschlossenen — und somit toten — System 3 . Die Existenzfähigkeit einer Organisation heute wegen der Dynamik der Umwelt, d. h.

(Unternehmung)

hängt

— der Häufigkeit von Änderungen i n den sie betreffenden Umweltsegmenten, — der Stärke dieser Änderungen u n d — der Regelmäßigkeit bzw. Unregelmäßigkeit, m i t der die Änderungen anfallen 4 ,

sowie wegen der Komplexität, die sich ergibt — aus der Zahl der externen Faktoren, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müssen, — aus der Verschiedenartigkeit dieser Faktoren u n d — aus der Verteilung i n den verschiedenen Umweltsegmenten 5 ,

i n zunehmendem Maße von der Fähigkeit zur ständigen Anpassung an die Umweltveränderungen ab 6 . Der Erfolg einer Unternehmung 1 Terreberry, S.: The Evolution of Organizational Environments, i n : A d ministrative Science Quarterly, Vol. 12, 1968, S. 564. 2 ζ. B. Röpke, J.: Innovation, Organisationsstruktur u n d wirtschaftliche Entwicklung: Z u den Ursachen des wirtschaftlichen Aufstiegs von Japan, i n : Jahrbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 21, 1970, S. 207. 3 Bertalanffy, L . v.: General System Theory, i n : General Systems, Vol. 1, 1965, S. 1 - 10. 4 Child, J.: Organizational Structure, Environment and Performance: The Role of Strategie Choice, i n : Sociology, Vol. 6, 1972, S. 3. 5 Kieser, Α.: Der Einfluß der U m w e l t auf die Organisationsstruktur der Unternehmung, i n : Zeitschrift für Organisation, 43. Jahrgang, 1974, S. 302. β Ohlin, L. E.: Conformity i n American Society Today, i n : Social Work, Vol. 3, 1958, S. 3.

64

V. Der Einfluß unternehmenserner Variablen

hängt darüber hinaus i n steigendem Maße auch von dem Vermögen ab, symbiotische Beziehungen m i t anderen Organisationseinheiten zu entwickeln (ζ. B. Kooperationsgemeinschaften), i n denen vorteilhafte Veränderungen stattfinden 7 . Dies ist u m so erforderlicher, als die zunehmende Dynamik und Komplexität der Umwelt bei wachsender Interdependenz der gesellschaftlichen Subsysteme (Organisationen) von einer Abnahme der Autonomie begleitet sind 8 . Das Ziel, Organisationen als dynamisch-komplexe Strukturen i n symbiotischer Beziehung zu ihrer Umwelt zu betrachten, w i r d daher heute allgemein anerkannt 9 . Speziell für das Innovationsverhalten w i r d die Bedeutung des sozioökonomischen Umfeldes der Unternehmung auch durch neuere empirische Untersuchungen bestätigt. Solche Untersuchungen haben ζ. B. i n fünf Industrien ergeben, daß von 567 Innovationen, die von den befragten Unternehmen als ihre bedeutendsten genannt wurden, die meisten auf Grund von externen Einflüssen zustande gekommen waren 1 0 . 2. Die Marktfaktoren Bei der Beurteilung der äußeren Faktoren, die die Bereitschaft zur Investition i n neue Technologien hemmen bzw. fördern, spielt der Einfluß des Marktes eine primäre Rolle 1 1 . Dies w i r d von neueren empirischen Untersuchungen nachhaltig unterstrichen. Sie haben nämlich ergeben, daß ca. 75 °/o aller Innovationen auf bestehende Bedürfnisse zurückzuführen sind, und nur ca. 25 °/o auf die Erkenntnis neuer technischer Möglichkeiten 12 . Die wirtschaftliche Bedeutung der vom Markte 7 Blau, P. M., Scott, W. R. : Formal Organizations. A Comparative Approach, London—Southampton 1970, S. 217. 8 Terreberry, S.: The Evolution of Organizational Environments, i n : A d ministrative Science Quarterly, Vol. 12, 1968, S. 590; Emery, F. E., Trist, F. L.: The Causal Texture of Organizational Environment, i n : H u m a n Relations, Vol. 18, 1965, S. 21 ff.; Hood, R. C.: Business Organization as a Cross Product of its Purposes and of its Environment, i n : Haire, M . (Ed.), Organization Theory i n Industrial Practice, New York —London 1962, S. 68 ff. » Cooper, R., Foster, M.: Sozio-technische Systeme, i n : Gruppendynamik, 2. Jahrgang, 1971, S. 383. io Myers, S., Marquis, D. G.: Successful Industrial Innovations. A Study of Factors Underlying Innovation i n Selected Firms, Washington D. C., Massachusetts 1969, S. 30 ff. u Utterback, J. M.: Innovation i n Industry and the Diffusion of Technology, i n : Science, Vol. 183, 1974, S. 621. 12 Myers, S., Marquis, D. G.: Successful Industrial Innovations. A Study of Factors Underlying Innovation i n Selected Firms, Washington D. C., Massachusetts 1969, S. 24; Report on Project Sappho by the Science Policy Research U n i t , University of Sussex, Centre of the Study i n Industrial Innovation, London 1972, S. 19.

2. Die Marktfaktoren

65

angeregten Innovationen w i r d weiter dadurch verdeutlicht, daß diese Innovationen erfahrungsgemäß eine größere kommerzielle Erfolgswahrscheinlichkeit haben als diejenigen, die i m Hinblick auf technologische Möglichkeiten konzipiert werden 1 3 , so daß unzureichende Kenntnis des Marktes oder ungenügende Kenntnis der Wünsche der potentiellen Anwender das Scheitern einer Innovation zur Folge haben kann. 2.1 Die Marktgröße Die Größe des Marktes w i r d als wichtiger Bestimmungsgrund für die Verbreitung neuer Technologien gesehen, und zwar besonders i n den Fällen, i n denen die wirtschaftliche Nutzung einer Innovation eine ganz bestimmte Outputmenge voraussetzt, der M a r k t diese Menge aber nicht absorbieren kann 1 4 . I n einer OECD-Studie ζ. B. w i r d zur Erklärung der technologischen Lücke zwischen den USA und Europa die Marktgröße als eine der Haupteinflußgrößen genannt 15 . Nicht geringere Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen oder ein geringeres A r beitskräftepotential zur Ausschöpfung und Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse sind die Ursachen für die auf einer höheren Produktivität beruhenden Wettbewerbsvorteile der USA i n vielen Bereichen, sondern die Größe und Homogenität des amerikanischen Binnenmarktes 16 . Die Aufnahmefähigkeit des Absatzmarktes gestattet den Einsatz neuer Technologien, die zu ihrer wirtschaftlichen Nutzung eine ganz bestimmte Produktionsmenge erfordern; dadurch sind amerikanische Unternehmen i n bestimmten Bereichen auch auf europäischen Märkten konkurrenzfähiger, da hier die einen bestimmten Output voraussetzende kostengünstigere Innovation wegen der verhältnismäßig geringeren Marktgröße nicht wirtschaftlich eingesetzt werden kann. Die Produktion von Glühlampen ζ. B. ist wirtschaftlich nur i n großen Stückzahlen möglich. Zur Herstellung des Wolframfadens, des Sockels und der Einschmelzung sind Spezialmaschinen und Vorrichtungen erforderlich, die nur dann wirtschaftlich genutzt werden können, wenn i n Großserien gearbeitet wird. Die Schwachstelle bei der Herstellung der Glühlampen liegt bei der Fertigung des Glaskolbens. W i r d Mansfield, E. and Wagner, S.: Project Selection, Commercial Risks, and the Allocation to Small Business of Federal Research and Development Contracts, i n : Mansfield, E. et al (Eds.), Research and Innovation i n the Modern Corporation, New Y o r k 1971, S. 56. ι 4 Cairncross, Sir Α.: Reflections on Technological Change, i n : Scottish Journal of Political Economy, Vol. 19, 1972, S. 113. is OECD: Gaps i n Technology. General Report, Paris 1968, S. 34. 16 So der Leiter des Gesamtprojektes einer OECD-Studie A. King, i n : Unternehmensgröße u n d technischer Fortschritt, i n : Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, Protokoll der 8. Sitzung der Arbeitsgruppe Wettbewerbspolitik des Bundesministeriums für Wirtschaft, Bonn 1970, S. 201 ff. 5 Mohr

66

V. Der Einfluß unternehmenserner Variablen

er i m Mundblasverfahren hergestellt, so können 100 Kolben/Stunde produziert werden. Der Preis würde 100 Verrechnungseinheiten betragen, was dem derzeitigen Ladenpreis einer Allgebrauchslampe entspricht. Daher w i r d seit Jahrzehnten zur Glaskolbenherstellung die Ivanhoe-Maschine verwendet, die 4 000 Kolben/Stunde bei einem Verrechnungspreis von nur 9 °/o des Preises beim Mundblasverfahren fertigt. I n den USA w i r d dagegen die Ribbon-Maschine verwendet, die bei einem Ausstoß von 60 000 Kolben/Stunde nur noch einen Verrechnungspreis von 4 % der Mundblaskosten erfordert. Diese Outputhöhe kann aber auf dem deutschen Markte nicht abgesetzt werden, so daß der Einsatz einer Ribbon-Anlage nicht möglich ist 1 7 . Ein weiteres Beispiel bietet die Herstellung von Tafelglas unter Verwendung des Floatglasverfahrens, das sowohl hinsichtlich der Kapitalkosten als auch hinsichtlich der Herstellungskosten (Arbeit, Energieaufwand, Instandhaltung usw.) den traditionellen Tafelglasherstellungsverfahren überlegen ist. Die wirtschaftliche Nutzung des Floatglasverfahrens ist aber nur bei einer Produktion i n großen Mengen gegeben; sind es bei den großen Herstellern hauptsächlich die verhältnismäßig neuwertigen vorhandenen traditionellen Verfahren die einer Verbreitung des Floatglasverfahrens teilweise i m Wege stehen, so sind es bei den kleineren Herstellern die verhältnismäßig kleinen Absatzmärkte 18 . I n der Ende der 60er Jahre errichteten schwedisch-dänischen Glasfabrik w i r d zur Herstellung von Tafelglas nicht das neue Floatglasverfahren, sondern das traditionelle Pittsburgher-Verfahren angewendet. Die Entscheidung gegen das Floatglasverfahren wurde damit begründet, daß die Nachfrage nach Tafelglas i n Skandinavien geringer sei als die Kapazität einer einzigen Floatglasanlage 19 . 2.2 Die Marktstruktur Bei einer wissenschaftlichen Analyse des Einflusses der Marktstruktur (relative Unternehmensgröße) auf die Bereitschaft zur Innovation ist streng auf die Vermeidung der häufig bei wirtschaftspolitischen Diskussionen zu beobachtenden Verwechselung der Begriffe Marktstruktur (relative Unternehmensgröße) und Unternehmensgröße (absolute Unternehmensgröße) zu achten. Wenn auch i n der Regel Großunternehmen auf relativ stark konzentrierten Märkten anbieten, so läßt sich 17 v. Freyend, E. J.: Kooperations- u n d Fusionsplanung zur Durchsetzung von Innovationen i n der Industrie, i n : Meissner, H. G., K r o l l , H. A. (Hrsg.), Management technologischer Innovationen, Pullach 1974, S. 127 ff. is Ray, G. F.: Float Glass, i n : Nabseth, L. and Ray, G. F. (Eds.), The Diffusion of New Industrial Processes. A n International Study, Cambridge 1974, S. 200 ff. 10 Ebenda S. 212.

2. Die Marktfaktoren

67

auch leicht das Gegenteil beweisen 20 . Die i n den letzten Jahren unternommenen Versuche, die deduktiv abgeleiteten Argumente über den Einfluß der Marktstruktur auf die Innovationstätigkeit durch empirische Untersuchungen abzusichern, konzentrierten sich hauptsächlich auf m i t eigenen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen hervorgebrachten Innovationen und deren Einführung 2 1 . Zwei Auffassungen stehen sich hier gegenüber. Diejenigen, die i n einem hohen Konzentrationsgrad die beste Voraussetzung für innovatives Verhalten sehen, machen geltend, daß nur die große Unternehmung m i t ihrem finanziellen Spielraum und der Breite ihres Marktes die m i t der Anwendung von Neuerungen verbundenen Risiken zu tragen vermögen. Dagegen w i r d eingewendet, daß i n Anbetracht der hohen Monopolrenten der Fortfall von Innovationen kaum ins Gewicht falle; stattdessen sei der entscheidende Stimulus für die Bereitschaft zur Innovation i m Wettbewerbsdruck zu sehen. Ohne Wettbewerb und ohne die Drohung, daß ein anderer Wettbewerber als erster innoviert (und sich dadurch seinen Konkurrenten gegenüber als erster Vorteile verschafft), seien die Unternehmen geneigt, zur Vermeidung des Risikos und des Mißbehagens, das m i t einer Innovation einhergeht, auf die Innovation zu verzichten 22 . Diese Auffassung, wonach die Innovationsneigung auf Märkten mit stärkerem Wettbewerb größer ist als auf Märkten mit geringerem Wettbewerb, w i r d durch Ergebnisse empirischer Untersuchungen von D. Hamberg, J. W. Markham und F. M. Scherer gestützt, die auch die Hypothese untermauern, nach der eine Zunahme der Innovationstätigkeit zu beobachten ist, solange eine gewisse Mindestgröße der Unternehmung nicht unterschritten 23 und eine gewisse relative Unternehmensgröße nicht überschritten w i r d 2 4 , welche als „kritischer Monopolisierungsgrad" bezeichnet w i r d 2 5 . 20 Kantzenbach, E.: Innovation u n d Unternehmensgröße, i n : I F O - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Innovation i n der Wirtschaft, München 1970, S. 221. 21 Siehe u. a. Scherer, F. M. : Industrial Market-Structure and Economic Performance, Chicago 1970 u n d die dort angegebene L i t e r a t u r sowie H a m berg, D.: Size of F i r m , Oligopoly, and Research: The Evidence, i n : Canadian Journal o f Economics and Political Science, Vol. 30, 1964, S. 62 - 65; Markham, J. W.: Market Structure, Business Conduct, and Innovation, i n : The American Economic Review, Vol. 55, 1965, S. 323 - 332; Scherer, F. M.: Market Structure and the Employment of Scientists and Engineers, i n : The American Economic Review, Vol. 57, 1967, S. 524 - 531. 22 So auch die OECD, The Conditions for Success i n Technological I n n o vation, Paris 1971, S. 132. 23 Hamberg, D.: Size of Firm, Oligopoly, and Research: The Evidence, i n : Canadian Journal of Economics and Political Science, Vol. 30, 1964, S. 62 - 75. 24 Siehe insbesondere Scherer, F. M.: Market Structure and the Employment of Scientists and Engineers, i n : The American Economic Review, Vol. 57, 1967, S. 530. 25 Kieser, Α.: Innovationen, i n : Grochla, E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1969, Sp. 745.

5*

68

V. Der Einfluß unternehmenserner Variablen

Ähnlich lautet die Hypothese über die Bereitschaft zur Anwendung von außerhalb einer Unternehmung hervorgebrachten Innovationen. J. Bain, Y. Brozen, J. Robinson und G. Stocking, die die beste Voraussetzung zur schnellen Übernahme von Innovationen i m reinen Wettbewerb erblicken, behaupten, daß ihre weitere Verbreitung durch die unvollkommene Beurteilung weniger Interessenten abgeblockt würde und daß nur die Existenz vieler Wettbewerber eine Unternehmung zwinge, nach neuen Technologien Ausschau zu halten und diese anzuwenden, wohingegen „a live-and-let-live policy" eine andere Entwicklung nehme 26 . Andere hingegen, so ζ. Β. H. Villard, führen an, daß bei hoher Konzentration die wenigen großen Unternehmen neben der Fähigkeit, m i t den vorhandenen finanziellen M i t t e l n das m i t der Einführung von Innovationen einhergehende Risiko zu tragen, auch über ein besseres Management verfügen, welches eher geneigt sein wird, zu innovieren, als bei hohem Wettbewerb und entsprechend kleineren Unternehmen 27 . Aber ebenso wie die m i t eigenen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen hervorgebrachten Innovationen von den Unternehmen am ehesten unter Wettbewerbsdruck genutzt werden, so verraten auch die Ergebnisse empirischer Untersuchungen von E. Mansfield, der die Diffusion von technologischen Neuerungen betrachtet, daß die Verbreitungsgeschwindigkeit neuer Technologien i n Industrien m i t starkem Wettbewerb größer ist 2 8 ; allerdings sind die Beziehungen statistisch nicht signifikant. Diese Ergebnisse, wonach ein gewisser Wettbewerbsdruck sich positiv auf die Verbreitung von neuen Technologien auswirkt, werden durch eine Reihe von Studien bestätigt. G. Hayward 2 9 führt aus, daß die Fähigkeit der Unternehmen, i n einer wettbewerbsintensiven Industrie zu überleben, i n hohem Maße von ihrer Bereitwilligkeit abhinge, aus dem technologischen Wandel Vorteile zu ziehen; die OECD-Studie 3 0 stellt fest, daß der Wettbewerbsdruck die Unternehmen zwinge, die effizienteste Technik zu übernehmen; und G. S. Maddala und P. T. K n i g h t 3 1 schließlich folgern auf Grund ihrer Studie, daß die Verbreitung 2 β Z i t i e r t bei Mansfield, E.: Size of F i r m , M a r k e t Structure, and Innovation, i n : Journal of Political Economy, Vol.61, 1963, S. 569. 27 Ebenda S. 570. 28 Mansfield, E.: Technical Change and the Rate of Imitation, i n : Econometrica, Vol.29, 1961, S. 763; derselbe: I n t r a f i r m Rates of Diffusion of an Innovation, i n : The Review of Economics and Statistics, Vol.45, 1963, S. 358; derselbe: Size of F i r m , Market Structure, and Innovation, i n : Journal of Political Economy, Vol. 61, 1963, S. 569. 20 Hayward, G.: Diffusion of Innovation i n the Flour M i l l i n g Industry, i n : European Journal of Marketing, Vol. 6, 1972, S. 200. so OECD: Gaps i n Technology. General Report, Paris 1968, S. 28. »! Maddala, G. S. and K n i g h t , P. T.: International Diffusion of Technical Change — A Case Study of the Oxygen Steel M a k i n g Process, i n : The Economic Journal, Vol. 77, 1967, S. 558.

2. Die Marktfaktoren

69

von neuen Technologien i n einem wettbewerbsintensiven System mutmaßlich schneller stattfinde. Wie sehr wettbewerbseinschränkende w i r t schaftspolitische Maßnahmen hingegen die Diffusion verzögern können, w i r d durch die empirischen Untersuchungen von St. Globerman angedeutet. Die i m Vergleich zu den USA geringere Verbreitung von Spezialpressen 32 i n der papierverarbeitenden- und von NC-Maschinen 33 i n der Werkzeugmaschinenindustrie i n Kanada w i r d nämlich teilweise auch durch die zollpolitische Abschirmung der kanadischen Industrie erklärt. Daß über den Einfluß der Marktstruktur so wenig bekannt ist, beruht auf der Schwierigkeit der Messung dieses Einflusses; denn um den Einfluß der Marktstruktur als unabhängige Variable eliminieren zu können, müssen Unternehmen zweier unterschiedlich strukturierter Märkte gefunden und miteinander verglichen werden, die sich sonst i n allen übrigen Merkmalsausprägungen möglichst gleichen 34 . I n diesem Zusammenhang weist H. Majer darauf hin, daß der zentrale Mangel der bisherigen Untersuchungen darin besteht, daß technischer Fortschritt i n Abhängigkeit vom Ausmaß der Konzentration von verschiedenen Industriezweigen untersucht wurde, während doch davon auszugehen ist, daß sowohl der technische Fortschritt wie auch die Konzentration industriespezifisch sind 3 5 . Darüber hinaus sollte i n Zukunft mehr auf den von den Unternehmen empfundenen Wettbewerbsdruck eingegangen werden; denn das Verhalten der Marktteilnehmer w i r d nicht schon durch die Marktstruktur an sich, sondern letztlich erst durch die innerhalb dieser Marktstruktur praktizierten Verhaltensweisen geprägt 36 . Schließlich sollte auch das Ausmaß der Auslandsbeziehungen i n die Betrachtung mit einbezogen werden; sind es doch gerade die wie auch i m mer begründeten technologischen Disparitäten (Forschungs-, Innovations32 Globerman, St.: N e w Technology Adoption i n the Canadian Paper Industry, Manuskript, Toronto 1974, S. 16. 33 Derselbe, Technological Diffusion i n the Canadian Tool and Die Industry, Manuskript, Toronto 1974, S. 27. 34 Kantzenbach, E.: Innovation u n d Unternehmensgröße, i n : I F O - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Innovation i n der Wirtschaft, München 1970, S. 221 f. 35 Majer, H.: Die „Technologische Lücke" zwischen der Bundesrepublik Deutschland u n d den Vereinigten Staaten von Amerika, i n : Schriftenreihe des Instituts f ü r angewandte Wirtschaftsforschung, Bd. 22, Tübingen 1973, S. 90. 3β Z u m Problem der Verhaltensweisen siehe u. a. Schneider, E. : Einführung i n die Wirtschaftstheorie, Bd. I I , Tübingen 1965, S. 59 ff.; Ott, Ε. Α.: M a r k t form u n d Verhaltensweise, Stuttgart 1959, S. 113 ff.; Hoppmann, E.: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität. Rivalität oder Freiheit des Wettbewerbs: Z u m Problem eines wettbewerbspolitisch adäquaten Ansatzes der Wettbewerb s theorie, i n : Jahrbücher für Nationalökonomie u n d Statistik, Bd. 179, 1976, S. 315; Schmölders, G.: Sozialökonomische Verhaltensforschung, B e r l i n 1973.

70

V. Der Einfluß unternehmenserner Variablen

und Managementlücken) 37 zwischen verschiedenen Ländern, die das unternehmerische Verhalten i n bezug auf die Bereitschaft zur Übernahme neuer Technologien zusätzlich neben allen anderen Einflußgrößen beeinflussen 38 . 2.3 Die Nachfrage Der technische Fortschritt w i r d einmal durch die auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden neuen Technologien vorangetrieben, die nach technischen und wirtschaftlichen Anwendungsmöglichkeiten suchen (Angebotsdruck), zum anderen durch die vorhandenen latenten Bedürfnisse der Gesellschaft i m weitesten Sinne, die sich i n der Nachfrage nach neuen Produkten und Leistungen niederschlagen (Nachfragesog). Dieser zweite Aspekt soll hier untersucht werden. Bezogen auf die Unternehmung sind es einmal Bedürfnisse innerhalb der Unternehmung, zum anderen die an die Unternehmung herangetragenen Bedürfnisse. Außer durch unternehmensspezifische Zielsetzungen, ζ. B. durch den Wunsch, den Produktionsprozeß kostengünstiger zu gestalten, w i r d die Bereitschaft zur Übernahme neuer Technologien vor allem durch die Nachfrage beeinflußt, also durch an die Unternehmung herangetragenen Bedürfnisse, die i m speziellen Falle verhaltensbestimmend wirken kann. I n diesem Falle induziert die Nachfrage nach Produkten oder Produktteilen eine Änderung des bestehenden Produktionsprozesses i n Richtung auf den Einsatz technologischer Neuerungen. So führte ζ. B. die Nachfrage nach präzise bearbeiteten Werkstücken i n der Luftfahrtindustrie zum Einsatz von NC-Maschinen i n der Zulieferindustrie. Ein weiteres Beispiel für die nachfrageinduzierte Verbreitung technologischer Neuerungen ist i m Werkzeugmaschinenbau der Einsatz von Maschinen m i t hoher Drehzahl für die von der Nachfrage gewünschte Bearbeitung spezieller Materialien 3 9 . Besonders bei Marktorientierung werden sich die Unternehmen an solche Nachfrageänderungen anpassen. I n den Fällen, i n denen die potentiellen Anwender von neuen Technologien selbst auf einem hohen Niveau stehen („sophisticated customer"), geben sie oft entscheidende Anregungen zu neuen Technologien. Hierzu bemerken I. A r n d t et al 4 0 : „Diese Beziehun37 Hatzold, O.: Probleme technologischer Disparitäten, i n : I F O - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Innovation i n der Wirtschaft, München 1970, S. 18 ff. 38 Siehe z.B. Schott, B. and Müller, W.: Process Innovations and Improvements as a Determinant of the Competitive Position i n the International Plastic Market, i n : Research Policy, Vol.4, 1975, S. 88ff. 30 I F O - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung, Die Verbreitung neuer Technologien. Eine Studie über zehn Verfahren i n neun Industrien, München 1970, S. 40 ff. 40 A r n d t , I. et al: Bestimmungsgründe f ü r die Bereitschaft zur Investition i n neue Technologien, Manuskript, B e r l i n 1973, S. 43.

2. Die Marktfaktoren

71

gen können auf besonderen Märkten hochentwickelter Technologie so eng sein, daß hinsichtlich des innovativen Verhaltens die Entscheidungsträger der beteiligten Unternehmen kaum noch voneinander getrennt werden können, obwohl sie sonst unabhängig voneinander operieren mögen. Derartige Beziehungen werden besonders deutlich bei Komplexinnovationen, wo sie notwendiger Bestandteil der Kooperation sind, so etwa bei Beginn der Einführung von NC-Maschinen." Andererseits kann die Verbreitung bzw. Anwendung von neuen Technologien von der Nachfrageseite auch verhindert bzw. verzögert werden 4 1 . Dies t r i f f t vor allem für das Baugewerbe zu. Die Auftraggeber widersetzen sich hier häufig dem Einsatz fortschrittlicher Technologien und ziehen das „Bewährte" vor. Auch das Streben nach individueller Bauausführung verhindert den Einsatz rationeller Verfahren (ζ. B. Bau mit Fertigteilen). Darüber hinaus erfolgt die Auftragsvergabe i m Baugewerbe zumeist durch Ausschreibungen, die sehr detailliert sind und einen möglichst großen Kreis von Unternehmen erreichen sollen, so daß fortschrittliche Verfahren, die häufig einem gewerblichen Rechtsschutz unterliegen und zwangsläufig nur von einer geringen Zahl von Unternehmen angeboten werden, von vornherein ausscheiden. Hier ergeben sich vor allem für den Staat, von dem ein besonders großer Einfluß auf das Baugewerbe ausgeht, erhebliche Beeinflussungsmöglichkeiten i m Hinblick auf den Einsatz technologischer Neuerungen. 2 A Die Anbieter (Lieferanten) Das Ausmaß, i n dem die Anbieter neuer Technologien sich an den Erfordernissen und Bedarfsstrukturen ihrer Abnehmer orientieren, ist für den Erfolg von Innovationen und deren Verbreitung von ausschlaggebender Bedeutung; der Nachfragesog nach neuen Technologien hat sich als wichtiger herausgestellt als der Angebotsdruck, der von neuen Technologien ausgeht 42 , obwohl durch den Nachfragesog weniger umwälzende Neuerungen als vielmehr Modifikationen bestehender Produkte und Prozesse Zustandekommen. Wie sehr sich i n den letzten Jahren eine Verlagerung des Ursprungs erfolgreicher Innovationen von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zu den absatzorientierten Abteilungen vollzogen hat, ist der Tabelle 2 zu entnehmen; die hier festgehaltene Schwerpunktverlagerung w i r d von einer Reihe anderer empirischer Erhebungen bestätigt 43 . Da bei Produktivgütern, komplexen 41 Battelle-Institut e.V.: Effiziente Umsetzung wissenschaftlicher E r k e n n t nisse i n industrielle Nutzung, F r a n k f u r t / M a i n 1973, S. 181 ff. 42 Geschka, H.: Innovationsideen: Ihre H e r k u n f t u n d die Technik ihrer gezielten Hervorbringung, i n : Meissner, H. G., K r o l l , H. A. (Hrsg.), Management technologischer Innovationen, Pullach 1974, S. 70. 43 Myers, S. and Marquis, D. G.: Successful Industrial Innovations. A Study of Factors Underlying Innovation i n Selected Firms, Washington D. C.,

V. Der Einfluß u n t e r n e h m e n s e r n e r Variablen

72

T e c h n i k e n u n d auch b e i K o n s u m g ü t e r n w e s e n t l i c h e A n r e g u n g e n d u r c h Kundengespräche (Händler, Anwender, Konsumenten) Zustandekomm e n 4 4 , e m p f i e h l t sich f ü r die n e u e T e c h n o l o g i e n a n b i e t e n d e n U n t e r n e h m e n eine s t a r k e M a r k t o r i e n t i e r u n g , die sich z w e i f e l l o s a u f die V e r b r e i t u n g v o n neuen Technologien positiv auswirkt. V o m Angebotsdruck gehen i m Gegensatz z u m Nachfragesog eher g r u n d s ä t z l i c h e N e u e r u n g e n aus, da sich F o r s c h u n g u n d E n t w i c k l u n g d e r A n b i e t e r h ä u f i g a u f d i e E n t w i c k l u n g n e u e r P r i n z i p i e n u n d n e u e r S y s t e m e r i c h t e n 4 5 » 4 6 . D i e sich h i e r a u s ergebenden I n n o v a t i o n e n setzen sich a l l e r d i n g s w e g e n der N o t w e n d i g k e i t , i h r e A n w e n d u n g s b e r e i c h e n o c h z u erforschen u n d z u erschließen, sehr v i e l l a n g s a m e r d u r c h als die d u r c h die Nachfrage

Tabelle 2 Ursprung erfolgreicher Innovationsideen (Erhebungen in den USA) Ideenquellen innerhalb des Unternehmens (in °/o)

1946

1959

1967

— Marketing bzw. Verkaufsabteilung

15,8

32,4

31

— Forschungs- u n d Entwicklungsabteilung

44,7

26,5

29

— Unternehmensleitung (Top-Management)

11,4

13,1

13

— Sonstige (Produktion, M a r k t forschung, Personalwesen etc.)

23,8

10,4

15

1946

1959

1967

— Kunden

0

10,6

9

— Sonstige

4,4

7,0

3

Ideenquellen außerhalb des Unternehmens (in °/o)

Quelle: Geschka, H.: Innovationsideen: Ihre Herkunft und die Technik ihrer gezielten Hervorbringung, in: Meissner, H. G.; Kroll, H. A. (Hrsg.): Management technologischer Innovationen, Pullach 1974, S. 69.

Massachusetts 1969, S. 31 ff.; Mansfield, E.: Industrial Research and Technological Innovation. A n Econometric Analysis, New Y o r k 1968, S. 21 f f.; Gerstenfeld, Α.: Effective Management of Research and Development, Reading—Menlo—Park—London—Don M i l l s 1970, S. 26. 44 Battelle-Institut e.V.: Effiziente Umsetzung wissenschaftlicher E r k e n n t nisse i n industrielle Nutzung, F r a n k f u r t / M a i n 1973, S. 61. 45 Mensch, G.: Z u r D y n a m i k des technischen Fortschritts, i n : Zeitschrift f ü r Betriebswirtschaft, 41. Jahrgang, 1971, S. 295 ff. 46 Es muß jedoch beachtet werden, daß relativ wenige Innovationen revolutionäre Neuerungen darstellen, sondern daß vielmehr die Mehrzahl Modifikationen bestehender Produkte u n d Verfahren repräsentieren; B a t telle-Institut e.V.: Effiziente Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse i n industrielle Nutzung, F r a n k f u r t / M a i n 1973, S. 55.

2. Die Marktfaktoren

73

induzierten Innovationen. Die Durchsetzung technologischer Neuerungen seitens der Anbieter kann durch eine aggressive Entwicklungspolitik (wobei ζ. B. traditionelle Verfahren nicht mehr angeboten werden) i n Verbindung m i t geschickter Verkaufspolitik zur Induzierung einer entsprechenden Nachfrage erfolgen. Ein Angebotsdruck spezieller A r t geht von den sogenannten Komplexinnovationen aus. Ist der Innovationsprozeß i m allgemeinen zunächst durch einen vertikalen und erst i n der Endphase (Diffusionsphase) durch einen horizontalen Technologietransfer gekennzeichnet, so ist er bei Komplexinnovationen bereits i n der Anfangsphase i n starkem Maße schon von einem horizontalen Technologietransfer begleitet. Es bedarf also zur Durchsetzung von Komplexinnovationen eines frühzeitigen „Mitziehens" anderer Industrien, bei denen dadurch zwangsläufig Verfahrensänderungen notwendig werden; so haben ζ. B. die Anbieter von Containern Verfahrensänderungen bei einer großen Anzahl von Komplementärindustrien bewirkt 4 7 . Schließlich können die Anbieter neuer Technologien den Verbreitungsprozeß dadurch positiv beeinflussen, daß sie die spezifischen Eigenschaften der Innovation den i n Frage kommenden Anwendern i n einer dieser Zielgruppe angemessenen Sprache und Darstellungsform offerieren. Denn nicht die von Experten, sondern von den potentiellen Ubernehmern wahrgenommene Beschaffenheit einer Neuerung ist das, was tatsächlich von Bedeutung ist 4 8 . G. Hayward erläutert, daß es nicht ausschlaggebend sei, ob eine Innovation ein größeres Ausmaß an Vorteilhaftigkeit besitze als die zu ersetzende Idee, sondern daß dem potentiellen Übernehmer dieser Vorteil auch bewußt sei 49 . 2.5 Kooperationsmöglichkeiten Die vielfältigen Möglichkeiten 5 0 überbetrieblicher Zusammenarbeit lassen sich durch die großen Bereiche Kooperation und Konzentration unterscheiden 51 . I n der engen Fassung der Betriebswirtschaftslehre versteht man unter Kooperation „eine Zusammenarbeit wirtschaftlich selbständiger Betriebe, bei welcher durch Ausgliederung und kollektive Ausübung bestimmter Funktionen die Wirtschaftssituation der beteilig47 Schmidt, G. W.: Europa i m Containersturm, i n : Die Bundesbahn, 41. J a h r gang, 1967, S. 875 ff. 4 ® Hogers, Ε. M.: Diffusion of Innovations, N e w York—London 1962, S. 123. « Hayward, G.: Diffusion of Innovation i n the Flour M i l l i n g Industry, i n : European Journal of Marketing, Vol. 6, 1972, S. 198. 50 Blohm, H.: Kooperation, i n : Grochla, E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1969, Sp. 892 u n d die dort angegebene Literatur. 51 v. Freyend, E. J. : Kooperations- u n d Fusionsplanung zur Durchsetzung von Innovationen i n der Industrie, i n : Meissner, H. G., K r o l l , H. A. (Hrsg.), Management technologischer Innovationen, Pullach 1974, S. 127.

74

V. Der Einfluß unternehmenserner Variablen

ten Betriebe verbessert werden soll" 5 2 . Behalten bei der Kooperation die beteiligten Unternehmen ihre rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit, so stellt die Konzentration eine dauerhafte wirtschaftliche Verbindung dar, die die Partner zu einer Unternehmenseinheit verknüpft 5 3 . Problematischer ist die Abgrenzung der Kooperation gegenüber dem Kartell. Hier ist unter unternehmenspolitischen Gesichtspunkten jedoch entscheidend, welches Ziel m i t der Koordination verfolgt wird. Zielt das Kartell primär auf eine Einschränkung des Wettbewerbs (Ausnahme ζ. B. Rationalisierungskartell), so ist die Kooperation gerade auf die Verbesserung der Wettbewerbssituation durch Kostenersparnis und Leistungssteigerung ausgerichtet 54 . I n bezug auf die Verbreitung von technologischen Neuerungen ist die Kooperation unter produktionswirtschaftlichen Zielsetzungen immer dann von Bedeutung, wenn die unternehmensspezifische Marktgröße oder die Größe des nationalen Marktes nicht ausreicht, u m den wirtschaftlichen Einsatz einer ganz bestimmte Outputmengen voraussetzenden Innovation zu gewährleisten. So haben ζ. B. drei Glühlampenhersteller in Europa i m Rahmen ihrer Kooperation eine Ribbon-Glaskolbenfabrik zur Herstellung der Glaskolben errichtet, um die wirtschaftlichen Vorteile der Ribbon-Maschine zu nutzen, die für die Marktgröße jeder der drei Glühlampenhersteller allein nicht hätte genutzt werden können (s. S. 65 f.). Die Kooperation beschränkt sich hier allein auf die Herstellung des Glaskolbens; an der Konkurrenz zwischen den drei Herstellern hat sich i m übrigen dadurch nichts verändert, wohl aber haben sie durch diese Gemeinschaftsgründung insgesamt i m Verhältnis zur außereuropäischen Konkurrenz gewonnen 55 . Die Kooperation w i r d insbesondere auch für mittelständische Unternehmen als Maßnahme zur Erhaltung der Konkurrenz- und Lebensfähigkeit betrachtet. I n einer empirischen Untersuchung der Industrieund Handelskammer Koblenz, mit der jedes dritte Industrieunternehmen der mittelständischen Industrie (insgesamt 390 Unternehmen) dieses Bezirkes erfaßt wurde, w i r d diese Annahme, wenn auch für eine relativ kleine Zahl mittelständischer Unternehmen, insbesondere unter 52

Blohm, H.: Kooperation, i n : Grochla, E. (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1969, Sp. 890. 53 Benisch, W.: Kooperative Formen der Unternehmenszusammenfassung, i n : Sölter, Α., Zimmerer, C. (Hrsg.), Handbuch der Unternehmenszusammenschlüsse, München 1972, S. 149 ff. 54 Benisch, W. : Kooperations-Fibel, Bundesrepublik u n d EWG, 4. Auflage, Bergisch-Gladbach 1973, S. 67 ff.; die i m übrigen einen guten Überblick darüber vermittelt, auf welchen Gebieten eine Kooperation m i t dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung zu vereinbaren ist. 55 Freyend, E. J. v.: Kooperations- u n d Fusionsplanung zur Durchsetzung von Innovationen i n der Wirtschaft, i n : Meissner, H. G., K r o l l , Η . A . (Hrsg.), Management technologischer Innovationen, Pullach 1974, S. 131.

3. Der Einfluß externer Informationen

75

produktionswirtschaftlichen Aspekten unterstrichen. Denn bei den bereits kooperierenden Unternehmen steht m i t 28,8 °/o die überbetriebliche Zusammenarbeit i m Bereich der Produktion eindeutig i m Vordergrund 5 6 . Ganz allgemein w i r d die beste Gewähr, um den technologischen Erfordernissen der zunehmend homogenen Massenproduktion Rechnung zu tragen, i n einem weiteren Ausbau der Kooperationstätigkeit gesehen 57 . Hinzu kommt, daß die Kooperation m i t anderen Unternehmen geeignet ist, die Starrheit der Organisationen zu lösen 58 . 3. Der Einfluß externer Informationen Die Verbreitung von technischen Neuerungen hängt selbstverständlich m i t davon ab, ob die neuen Technologien und ihre spezifischen A n wendungsmöglichkeiten den potentiellen Anwendern auch bekannt (notwendige Bedingung) und vor allem, bezogen auf die Diffusionszeit, wie rechtzeitig sie ihnen bekannt werden. Durch eine empirische Untersuchung von U. Etienne und W. Kaupen, die die Verbreitung von sechs technologischen Neuerungen i n der mittelständischen Industrie (Installations- und Kfz-Branche) untersuchten, konnte für fünf der untersuchten Innovationen eine signifikante Beziehung zwischen der Frühzeitigkeit der Wahrnehmung einer Neuerung und der Frühzeitigkeit ihrer Übernahme festgestellt werden 5 9 . Die Bereitwilligkeit und Fähigkeit, verfügbare Informationen zu ermitteln und zu benutzen, variiert dabei sowohl zwischen verschiedenen Ländern, Industrien und Regionen als auch innerhalb eines Landes zwischen Unternehmen innerhalb einer Industrie und hier wiederum innerhalb eines Unternehmens 60 . Die Erwartung hingegen, daß Informationen über neue Technologien in hochindustrialisierten Ländern sich rasch verbreiten, konnte bisher nicht bestätigt werden 6 1 . Wie der Abb. 3 zu entnehmen ist, liegt die Zeitspanne 56 Industrie- u n d Handelskammer zu Koblenz, Kooperation nicht gefragt? Die überbetriebliche Zusammenarbeit i n der mittelständischen Industrie. Eine Untersuchung der Industrie- u n d Handelskammer zu Koblenz, Koblenz 1974, S. 10. 57 Rasche, H. O.: Kooperation-Chance u n d Gewinn, Heidelberg 1970, S. 17 ff.; 154 f. 58 Fleischmann, G.: Wettbewerb u n d Innovation, i n : Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- u n d Gesellschaftspolitik, 17. Jahrgang, 1972, S. 40. 5» Etienne, U. u n d Kaupen, W.: Die Verbreitung von Neuerungen. I n s t i t u t für Mittelstandsforschung — Soziologische Abteilung — K ö l n 1971, S. 58 ff.; siehe hierzu auch Nabseth, L . : The Diffusion of Innovations i n Swedish Industry, i n : Williams, Β . R. (Ed.), Science and Technology i n Economic Growth, Edinburgh 1973, S. 280. 60 Gruber, W. H. and Marquis, D. G. : Factors i n the Transfer od Technology, Cambridge/Massachusetts, London/England 1969, S. 260. 61 Hakanson, S.: Special Presses i n Paper-Making, i n : Nabseth, L. and Ray, G. F. (Eds.), The Diffusion of New Industrial Processes. A n I n t e r national Study, Cambridge 1974, S. 70.

76

V. Der Einfluß unternehmenserner Variablen

zwischen der ersten Information bis zu dem Zeitpunkt, an dem 100 °/o der befragten Anwender i n den verschiedenen Ländern Informationen über die technologische Innovation einer Spezialpresse i n der papierverarbeitenden Industrie erhalten hatten, bei bis zu 12 Jahren. Und selbst bei spektakulären Innovationen, wie sie die NC-Maschine darstellt, streut der Bekanntheitsgrad erheblich. So ergab ζ. B. eine Untersuchung von E. Mansfield über die Verbreitung von NC-Maschinen i n der Werkzeugmaschinenindustrie, daß 30 °/o der Nicht-Anwender wenig über NC-Maschinen wußten 6 2 . Auch die Annahme E. M. Rogers 63 , daß die Informationen über neue Technologien sich schneller ausbreiten als die Innovationen selbst, konnte durch die Untersuchung von S. Hakanson, wie Abb. 4 zu entnehmen ist, nur zum Teil bestätigt werden. Während nämlich die K u r v e n der Informationsausbreitung und der Diffusion i n Italien, Deutschland und Schweden über die Zeit konvergieren, was bedeutet, daß die Information sich schneller ausbreitet Abb. 3: Die Verbreitung der Erstinformation über Spezialpressen in papierverarbeitenden Industrien in Österreich, Italien Schweden, England, Deutschland und den USA ^-Anteil Unternehmen

Quelle: Hakanson, S., Special Presses in Paper-Maklng, in: Nabseth, L and Ray, G. F. (Eds.), The Diffusion of New Industrial Processes. A n International Study, Cambridge 1974, S. 70. 62 Mansfield, E.: The Diffusion of a M a j o r Manufacturing Innovation, i n : Mansfield, E. et al (Eds.), Research and Innovation i n the Modern Corporation, New Y o r k 1971, S. 205. 63 Rogers, E. M.: Diffusion of Innovations, New York—London 1962, S. 108.

77

3. Der Einfluß externer Informationen Abb. 4: Die Verbreitung der Information, verglichen mit der Einführung von Spezialpressen Österreich (n=12)

_

1956

c

g 100

-

Λ (L· ß 8.0 u



S 60

-

Η 40

-

100 Γ E n g l a n d _ (n=22)

1956 Italien (n=29)

_

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-

ω £ 20