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German Pages 280 [213] Year 2012
Managementwissen für Studium und Praxis
Herausgegeben von Prof. Dr. Dietmar Dorn und Prof. Dr. Rainer Fischbach Bisher erschienene Titel: Anderegg: Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik Arrenberg, Kiy, Knobloch, Lange: Vorkurs Mathematik Barth, Barth: Controlling Behrens, Kirspel: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre Behrens, Hilligweg, Kirspel: Übungsbuch zur Volkswirtschaftslehre Behrens: Makroökonomie – Wirtschaftspolitik Bontrup: Lohn und Gewinn Bontrup: Volkswirtschaftslehre Bradtke: Mathematische Grundlagen für Ökonomen Bradtke: Statistische Grundlagen für Ökonomen Busse: Betriebliche Finanzwirtschaft Camphausen: Strategisches Management Dinauer: Grundzüge des Finanzdienstleistungsmarktes Dorn, Fischbach, Letzner: Volkswirtschaftslehre Dorsch: Abenteuer Wirtschaft, 40 Fallstudien mit Lösungen Drees-Behrens, Kirspel, Schmidt, Schwanke: Aufgaben und Fälle zur Finanzmathematik, Investition und Finanzierung Drees-Behrens, Schmidt: Aufgaben und Fälle zur Kostenrechnung Fiedler: Einführung in das Controlling Fischbach, Wollenberg: Volkswirtschaftslehre 1 Götze: Grafische und empirische Techniken des Business-Forecasting Gohout: Operations Research Haas: Excel im Betrieb Hans: Grundlagen der Kostenrechnung Heine, Herr: Volkswirtschaftslehre Koch: Marktforschung Koch: Betriebswirtschaftliches Kosten- und
Leistungscontrolling in Krankenhaus und Pflege Laser: Basiswissen Volkswirtschaftslehre Martens: Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows Mensch: Finanz-Controlling Peto: Grundlagen der Makroökonomik Piontek: Controlling Piontek: Beschaffungscontrolling Plümer: Logistik und Produktion Posluschny: Basis Mittelstandscontrolling Posluschny: Kostenrechnung für die Gastronomie Rau: Planung, Statistik und Entscheidung – Betriebswirtschaftliche Instrumente für die Kommunalverwaltung Rudolph: Tourismus-Betriebswirtschaftslehre Rüth: Kostenrechnung, Band I Rüth: Kostenrechnung, Band II Scharnbacher, Kiefer: Kundenzufriedenheit Schuster: Kommunale Kosten- und Leistungsrechnung Schuster: Doppelte Buchführung für Städte, Kreise und Gemeinden Specht, Schweer, Ceyp: Markt- und Ergebnisorientierte Unternehmensführung Stender-Monhemius: Marketing – Grundlagen mit Fallstudien Stibbe: Kostenmanagement Strunz, Dorsch: Management Strunz, Dorsch: Internationale Märkte Weeber: Internationale Wirtschaft Wilde: Plan- und Prozesskostenrechnung Wilhelm: Prozessorganisation Wörner: Handels- und Steuerbilanz nach neuem Recht Zwerenz: Statistik Zwerenz: Statistik verstehen mit Excel – Buch mit Excel-Downloads
Beschaffungscontrolling von
Prof. Dr. Jochem Piontek 4., völlig überarbeitete Auflage
Oldenbourg Verlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Thomas Ammon Herstellung: Constanze Müller Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Grafik & Druck GmbH, München Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-70427-3 eISBN 978-3-486-59286-3
Vorwort Die Bücher und Monografien zum Beschaffungscontrolling sind rar. Dies überrascht wenn man bedenkt, dass gerade die Veröffentlichungen zu den anderen Funktions- oder Querschnittsbereichen der Unternehmen und der Wertschöpfungskette (z.B. dem Logistikcontrolling) stark zunehmen. Die vierte Auflage des vorliegenden Werkes versucht, die Diskussion und Weiterentwicklung zum Beschaffungscontrolling zu forcieren. Dabei wird die ganze Bandbreite und Komplexität des Beschaffungscontrolling dargestellt; oft werden Probleme nur andiskutiert; teils wegen fehlender Lösungsansätze; teils wegen der Begrenzung des Werks. Es steht der Überblick zu den Entwicklungen des Beschaffungscontrolling im Vordergrund. Diesmal wurden die verschiedenen Abschnitte gänzlich überarbeitet und durch verschiedene Kapitel ergänzt und vertieft. Im Mittelpunkt der Konzipierung und Erstellung der vierten Auflage steht stets der Leser, der seine Erkenntnisse theoretisch und praxisorientiert anreichern soll. Somit eignet sich diese vierte Auflage für alle Bachelor- und Masterstudiengänge an Universitäten, Fachhochschulen sowie an weiteren Akademien (VWA, BA, DAV). Aber auch die Praktiker sollen durch dieses Buch ihre Controlling-Konzeption zukunftsorientiert assimilieren. Die vierte Auflage wurde wieder durch vielfältige Diskussionen von Kollegen beeinflusst. Auch Diskussionen mit Studierenden an verschiedenen Seminaren haben sich als fruchtbar erwiesen. Die Schreibarbeiten und die Erstellung der Abbildungen oblagen Herrn André Duwald (B. Eng. Transportwesen/Logistik). Bei der Endkorrektur half Herr Stefan Siuda (B. Eng. Transportwesen/Logistik) Ihnen und den Mitarbeitern des Oldenbourg-Verlags gebührt mein Dank. Bremen, im August 2011
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Abbildungsverzeichnis
IX
1
Controlling
11
1.1
Strategisches Controlling ......................................................................................... 12
1.2
Operatives Controlling ............................................................................................. 14
1.3
Controlling Collaboration ........................................................................................ 16
2
Beschaffung
2.1
Ziele der Beschaffung .............................................................................................. 22
2.2
Lieferantenintegration .............................................................................................. 24
2.3
Supplier Relationship Management (SRM) ............................................................. 25
2.4
Beschaffungsstrategien ............................................................................................ 26
2.5
Beschaffungskooperation ......................................................................................... 30
2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.5
Beschaffungsinformationssystem ............................................................................ 32 Ziele des Beschaffungsinformationssystems ........................................................... 32 Beschaffungsinformationen ..................................................................................... 34 Enterprise Resource Planning (ERP) ....................................................................... 39 Advanced Planning and Scheduling (APS).............................................................. 40 Supplier Relationship Tools (SRM-Tools) ............................................................... 41
3
Beschaffungscontrolling
3.1 3.1.1 3.1.2
Funktionen des Beschaffungscontrolling ................................................................. 49 Strategische Funktionen ........................................................................................... 49 Operative Funktionen .............................................................................................. 50
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3
Aufgabenbereiche des Beschaffungscontrolling ...................................................... 56 Kontrolle der Beschaffungsmarktumwelt ................................................................ 56 Kontrolle des spezifischen Beschaffungsmarktes .................................................... 58 Kontrolle der unternehmensinternen Beschaffungspotentiale.................................. 60
3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4
Instrumente des Beschaffungscontrolling ................................................................ 68 SWOT-Analyse ........................................................................................................ 68 Szenario-Technik ..................................................................................................... 71 Gap-Analyse ............................................................................................................ 73 Beschaffungsmarktsegmentierung ........................................................................... 75
19
45
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.3.5 3.3.6 3.3.7
Make-or-Buy-Analyse ..............................................................................................82 Portfolio-Konzepte ...................................................................................................86 Risikocontrolling ......................................................................................................96
3.4
Einkaufskapazitätsrechnung ...................................................................................105
3.5
Wertanalyse ............................................................................................................108
3.6
Standardisierung ..................................................................................................... 112
3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4 3.7.5 3.7.6 3.7.7 3.7.8 3.7.9 3.7.10 3.7.11 3.7.12 3.7.13 3.7.14 3.7.15 3.7.16 3.7.17 3.7.18 3.7.19
Lieferantencontrolling ............................................................................................ 113 Lieferantenbezogene Indikatorensysteme............................................................... 115 Lieferantenaudit ...................................................................................................... 116 Qualitätspolitik ....................................................................................................... 119 Lieferantenentwicklung ..........................................................................................120 Materialgruppenmanagement (MGM) ....................................................................123 Total Cost of Ownership (TCO) .............................................................................126 ABC-Analyse .........................................................................................................129 XYZ-Analyse .........................................................................................................132 C-Teile-Management ..............................................................................................133 Beschaffungsbudgetierung .....................................................................................136 Bestandscontrolling ................................................................................................146 Kennzahlen .............................................................................................................150 Kennzahlensysteme in der Beschaffung .................................................................167 Benchmarking.........................................................................................................176 Balanced Scorecard ................................................................................................179 Prozesskostenrechnung ...........................................................................................184 Target Costing.........................................................................................................195 Simlutaneous Costing .............................................................................................198 Beziehungscontrolling ............................................................................................199
4
Anhang
4.1
Literaturverzeichnis ................................................................................................203
4.2
Sachregister ............................................................................................................ 211
203
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27: Abb. 28: Abb. 29: Abb. 30: Abb. 31: Abb. 32: Abb. 33: Abb. 34: Abb. 35: Abb. 36: Abb. 37: Abb. 38: Abb. 39:
Funktionen des Controlling ................................................................................ 12 Strategisches und operatives Controlling ........................................................... 16 Traditionelles und marktorientiertes Beschaffungsverhalten ............................. 20 Überblick über strategische und taktisch-operative Beschaffungsziele ............. 23 Beschaffungsinformationsprogramm ................................................................. 36 Möglichkeiten der Datendarstellung .................................................................. 39 Aufbau des Beschaffungs-Controlling-Bereichs ................................................ 47 Modell eines Beschaffungscontrolling ............................................................... 48 Abweichungsanalyse zur Materialbeschaffung .................................................. 53 Funktionsspiegel ................................................................................................ 55 Funktionsträgerbewertung.................................................................................. 56 Systeme der Beschaffungs-Kontrolle ................................................................. 64 Beispiele für Flexibilitäts- und Komplexitätskosten im Einkauf ....................... 67 SWOT-Analyse .................................................................................................. 68 SWOT-Vergleich ................................................................................................ 69 SWOT-Analyse in der Beschaffung ................................................................... 70 Szenario-Technik ............................................................................................... 71 Gap-Analyse in der Beschaffung ....................................................................... 74 Phasen im Beschaffungsmarketing .................................................................... 76 Zielsetzung einer Beschaffungsmarktsegmentierung ......................................... 77 Möglichkeiten einer Beschaffungsmarktsegmentierung .................................... 78 Merkmale von Beschaffungsmärkten ................................................................. 79 Kriterien der Angebotsmacht ............................................................................. 87 Ist-Ideal- und Soll-Marktmachtportfolio ............................................................ 88 Marktmacht-Portfolio......................................................................................... 89 Standardstrategien des Marktmacht-Portfolio .................................................... 90 Versorgungsrisiko-ABC-Portfolio ...................................................................... 91 Standardstrategien des Versorgungsrisiko-ABC-Portfolio ................................. 92 Beschaffungsobjekte-Beschaffungsquellen-Portfolio ........................................ 93 Materialkostensenkungs-Portfolio ..................................................................... 95 Der Risikomanagementprozess .......................................................................... 98 Risiken in der Beschaffung ................................................................................ 98 Wesentlichkeitsportfoliomatrix ........................................................................ 101 Struktur der Tätigkeitsschwerpunkte................................................................ 106 Struktur der Gesamtarbeitszeit ......................................................................... 107 Einbeziehung des Zulieferanten in die Wertanalyse......................................... 110 QM-Elemente ................................................................................................... 117 Ansätze im MGM............................................................................................. 124 Wesentliche Kostenaspekte im Total Cost of Ownership ................................. 126
X Abb. 40: Abb. 41: Abb. 42: Abb. 43: Abb. 44: Abb. 45: Abb. 46: Abb. 47: Abb. 48: Abb. 49: Abb. 50: Abb. 51: Abb. 52: Abb. 53: Abb. 54: Abb. 55: Abb. 56: Abb. 57: Abb. 58: Abb. 59: Abb. 60:
Abbildungsverzeichnis ABC-Kurve ...................................................................................................... 131 ABC-XYZ – Klassifikation ............................................................................. 133 Formen der Budgetierung ................................................................................ 137 Struktur des Beschaffungsbudgets ................................................................... 141 Die wichtigsten Preisbestandteile eines Produktes .......................................... 142 Preisstrukturanalyse auf der Basis von Teilkosten ........................................... 143 Leistungsstufen am Beispiel der Kostenstelle „Einkauf“ ................................ 146 Kennzahlenarten .............................................................................................. 151 Aufgaben von Kennzahlen ............................................................................... 153 Funktionen von Kennzahlen in der Beschaffung ............................................. 154 Hauptaufgaben bei der Konzeption eines Früherkennungssystems ................. 158 Absolute und relationale Indikatoren ............................................................... 163 Kennzahlen zur Qualitätsüberprüfung ............................................................. 172 Exemplarische Perspektiven eines BSC in der Beschaffung ........................... 181 Ursache-Wirkungs-Beziehungen in der Beschaffung ...................................... 183 Teilprozesse der Beschaffung .......................................................................... 188 Prozesskostenmodell Beschaffung und Logistik.............................................. 189 Beispiel für eine Bildung der Prozesskostensätze in der Beschaffung............. 191 Beispiel für die Berechnung eines Verrechnungssatzes ................................... 192 Hauptprozessbildung und Hauptprozesskostensätze in der Beschaffung......... 193 Source-Ranking ............................................................................................... 194
1
Controlling
Controlling ist die infinitive Verbform von ‚to control‘. Da es nach übereinstimmender Auffassung der Fachliteratur kein entsprechendes deutsches Wort mit gleichem Bedeutungsinhalt gibt, lässt sich dieser Begriff nur schwer ins Deutsche übertragen. Ebenso wenig gibt es eine einheitliche und eindeutige Definition dieses Begriffes in der Literatur. Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch die Vermeidung einer Übersetzung des Wortes „Controlling“ mit „Kontrolle“. Vielmehr verlangt es hier im betriebswirtschaftlichen Kontext nach einer Übersetzung im Sinne von „Lenkung, Steuerung, Regelung“ etc., um so auf die Führungsfunktion des Controlling hinzuweisen. So ermöglicht Controlling der Führung, die Unternehmung durch Planung zielorientiert an Umweltänderungen anzupassen und die dazu erforderlichen Steuerungsaufgaben wahrzunehmen (vgl. Piontek 2005, S. 17). Als Synonym werden teilweise die Begriffe ‚control‘ und ‚Controlling‘ verwendet, obwohl Controlling weiter gefasst ist und eine andere Sichtweise beinhaltet. Das grundlegende Missverständnis liegt darin begründet, dass mit der Bezeichnung Controlling die Ausführern der Tätigkeit von ‚tocontrol‘ verwechselt wird. Die Aufgabe des Controllers (= Funktionsträger) darf aber weder mit ‚Control‘ noch mit ‚Kontrollieren‘ umschrieben werden, da er der Unternehmensführung vielmehr Hilfestellung bei der Kontrolle leistet, indem er eine koordinierende Funktion der Informations- und Planungsunterstützung wahrnimmt. Über die inhaltliche Bedeutung des Terminus Kontrolle herrscht in der entsprechenden betriebswirtschaftlichen Literatur weitgehend Einigkeit. Als das zentrale Kriterium von Kontrollen wird übereinstimmend der Vergleich zwischen einem Soll und einem Ist-Zustand angesehen. Die Verwendung der aus dem Wortstamm ‚Control‘ abgeleiteten infinitiven Verbform Controlling erfolgt überwiegend im systemtheoretisch-kybernetisch bezeichneten Kontext, wobei das Controlling in diesem Sinne einen bestimmten Phasenkomplex des Führungs- oder Managementprozesses beschreibt. In Abhängigkeit von der Gliederungssystematik des Führungsprozesses ergeben sich verschiedene Inhalte des Phasenkomplexes Controlling, dem je nach Betrachtungsweise ganz oder zum Teil die Elemente Planung, Organisation, Koordination und Kontrolle zugerechnet werden. Der Begriff Controller bezieht sich auf eine Person als Träger eines Aufgabenkomplexes, der nicht aus dem Begriff Control abgeleitet und nicht Ergebnis der sachlich-analytischen Gliederung des Führungsprozesses ist, sondern sich aus einer gestaltungsorientierten Abgrenzung bestimmter führungsunterstützender Aufgaben durch deren Zuordnung auf eine organisatorische Einheit ergibt. Die Zusammenfassung dieses noch zu konkretisierenden synthetischen Aufgabenkomplexes und dessen organisatorische Verselbständigung durch den führungsunterstützenden Aufgabenträger Controller kennzeichnet die amerikanische Konzeption des Controllership (vgl. Piontek 2005, S. 18). Das Controlling setzt sich aus kontrollierenden oder überwachenden Elementen zusammen, welche aus Abbildung 1 zu entnehmen sind.
12
1 Controlling
Planungsfunktion Informationsfunktion Überwachungsfunktion Voraussagefunktion Abb. 1:
Aufgabe der Funktion Unterstützung der Planung von Prozessen auf Basis von Restriktionen, Vergangenheits- und Prognosewerten Lieferung aktueller Informationen zu Kosten, Leistungen und Qualität in der Wertschöpfungskette als Planungsbasis Überwachung im Rahmen von Soll-Ist-Vergleichen auf Basis vorgegebener Mengen und Zeiten Ableitung von Ereignissen in der Zukunft auf deren Auswirkungen und notwendiger Maßnahmen aufgrund von Abweichungen
Funktionen des Controlling
Das Controlling liefert meistens die Grundlagen in Form von konkreten Teilzielen. Dies erfolgt sehr oft in Ist- und Soll-Vergleichen bzw. Vorgaben. Es hat vor allem die strategische Aufgabe, das Unternehmen auf Kurs zu halten. Wesentliches Ziel im Rahmen des Controlling ist u.a. das frühzeitige Erkennen von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Prozesse, die eine Planabweichung zur Folge haben können. Als weitere Aufgabe des Controlling kann die Beschaffung und Interaktion von Informationen verstanden werden. Das Controlling soll allen am Zielprozess beteiligten Instanzen die benötigten Instrumente und Informationen zur Verfügung stellen, damit diese ihre Rolle im Zielerreichungsprozess wahrnehmen können. Es handelt sich somit um eine enge Zusammenarbeit des Controlling mit anderen Management-Teilsystemen wie dem „Organisations-, Führungs- und Informationssystems“. Das Controlling kann also als eine bereichsübergreifende Funktion im Unternehmen verstanden werden, welche die Steuerung des Unternehmens unterstützt (vgl. Weber 2002, S. 255). Das Controlling hat dafür Sorge zu tragen, dass Reorganisationsprozesse der Unternehmenskomplexität richtig und rechtzeitig initiiert bzw. gesteuert und kontrolliert werden. Es sind dabei Steuerungsinstrumente zu entwickeln, die: die zunehmende betriebswirtschaftliche Komplexität von Unternehmen transparent machen, rechtzeitig Signale setzen, um Reorganisationsmaßnahmen einleiten zu können, garantieren, dass Unternehmen aus ganzheitlicher Sicht geführt werden, zukunftsorientiert helfen, die Engpassprobleme von Unternehmen zu lösen, Synergieeffekte zwischen den neuen kleineren Unternehmenseinheiten zu nutzen, kontrollieren und zu optimieren.
1.1
Strategisches Controlling
In der strategischen Unternehmensführung lassen die zunehmende Komplexität und Dynamik der im Rahmen des strategischen Planungs- und Kontrollprozesses zu lösenden Probleme Einigkeit darüber bestehen, dass die strategische Führung ebenso methodensystem- und informationsbezogene Unterstützung hinsichtlich ihrer Aufgabenwahrnehmung benötigt wie die operative Planung und Steuerung. Obwohl sich die Zielgrößen der operativen Führung
1.1 Strategisches Controlling
13
(Gewinn) und der strategischen Führung (Erfolgspotentiale) unterscheiden, handelt es sich funktional um den gleichen Sachverhalt (vgl. Horváth 2009, S. 64). Die Kunst des strategischen Managements besteht allerdings darin, ein Unternehmen frühzeitig an zukünftige Umweltentwicklungen anzupassen, um somit die Evolution und den Fortschritt zu fördern bzw. zu sichern. Diese Anpassung erfolgt mit Hilfe eines strategischen Controlling, welches das strategische Management bei dem informationsverarbeitenden und –verknüpfenden Prozess der Entscheidungsfindung (bzgl. zielorientierter Maßnahmen, Potentiale, Strategien) mehr agierend als reagierend im Sinne einer Antizipation strategischer Diskontinuitäten unterstützt. Das strategische Controlling kann somit als informationsversorgende Serviceleistung aufgefasst werden. Die Leistung besteht darin (vgl. Schröder 1989, S. 213)
das bereitzustellende (schnelle und allseits abgestimmte) Informationsangebot und den für das evolutions- und fortschrittorientierte Management erforderlichen Informationsbedarf zu erfüllen. Um diese Leistung zu erfüllen, muss das strategische Controlling, in Form eines seismographisch reagierenden Steuerungsinstruments, den zeitlichen Horizont (Gegensteuerungszeitraum) erweitern, indem
frühzeitig und systematisch, d.h. aus dem gegebenen Nachrichtenüberfluss ‚strategische Information‘ erfasst, gesammelt, kanalisiert und fokussiert wird, potentielle Information bzgl. eines erkannten zukünftigen Problems (Engpasses) gespeichert und in der strategischen Planung und Kontrolle verarbeitet wird.
Durch den Transformationsprozess steht dem Management letztlich mengen-, qualitäts- und zeitmäßig hochverdichtete entscheidungsrelevante Information zur Verfügung. Diese zeigt dem strategischen Management Diskontinuitäten, Gefahren und Gelegenheiten auf und sensibilisiert somit das Problembewusstsein (Denken) von strategisch bedeutsamen Entscheidungen. Zugleich erhöht sie den benötigten Informationsstand und führt so zu einer besseren Entscheidungsfindung zur Steuerung des Unternehmens in der Zukunft. Die einzelnen Aufgaben des strategischen Controlling sind (vgl. Horváth 2009, S. 221): Unterstützung der Analyse, Auswahl und Entwicklung unternehmensbezogener strategischer Planungsinstrumente und –methoden, Organisation des Prozesses der strategischen Planung (Einberufen und Vorbereiten von Planungsrunden, Leitung der kreativen Ideenfindungsprozesse, Zusammenfassung und Aufbereitung der Ergebnisse), Anstoß, Unterstützung und Koordination der Ermittlung und Aufbereitung der erforderlichen Informationen (z.B. Wettbewerbs- und Technologienentwicklungen, Stärken und Schwächen des Unternehmens), Hilfestellung bei der Umsetzung der strategischen Planung in Strategien (z.B. Absatzmarkt- und Produktstrategien) und Maßnahmenpakete, Überprüfung der Realisierungsreife von strategischen Projekten (z.B. Prüfung, ob das Projekt ausreichend genau beschrieben und in seinen Voraussetzungen und Abläufen zutreffend definiert ist), Hilfestellung bei der Formulierung von Etappenzielen zur Realisierung der strategischen Pläne,
14
1 Controlling
Ableitung umrisshafter periodenbezogener Pläne der monetären Konsequenzen der strategischen Pläne (z.B. periodenbezogene Umsatzzahlen neuer Produkte), Mitwirkung bei der Bestimmung von Kontrollgrößen (z.B. Marktanteil, durchschnittliches Alter der Produktpalette), Aufbau eines Frühwarnsystems zur Gewinnung von Kontrollinformationen, Durchführung einer Kontrolle des Prozesses der strategischen Planung („Grundlagenkontrolle“), Durchführung einer Kontrolle der implementierten Strategien („Zwischenergebniskontrolle“), Ermittlung von Soll-Ist-Abweichungen und Erarbeitung von Vorschlägen zur Gegensteuerung oder Berücksichtigung von Abweichungen für eine Revision der strategischen Planung.
1.2
Operatives Controlling
Das operative Controlling wird als Grundlage aktiver Unternehmenssteuerung bezeichnet und steht in den meisten Firmen am zeitlichen Horizont vor dem strategischen Controlling. Operatives Controlling soll von der retrograden Rechnung den Blick nach vorne lenken und innerhalb des festgelegten Zeitraumes (bis zu 3 Jahren) rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, sofern das Unternehmen von dem durch die Planung festgesetzten Kurs abweicht (vgl. Piontek 2005, S. 24). Operatives Controlling, als informationsverarbeitender Prozess mit den Funktionen Planung, Information, Analyse und Kontrolle, bietet in einer ganzheitlichen Betrachtung und Vernetzung seiner Funktionen – abhängig vom Entscheidungsvermögen des operativen Managements – über eine systematische Erfassung, Projektion und Überwachung des Unternehmensgeschehens – das Instrumentarium zur Steuerung bzw. Sicherung des geschäftlichen Ablaufs in kurz- und mittelfristigen Zeithorizonten (vgl. Horváth 2009, S. 221). In diesem Zusammenhang spricht man von der unmittelbaren Geschäftssteuerung, das in einer gegenwartsnahen Kalenderzeiteinheit versucht, das bestehende Erfolgspotential so gut wie möglich auszuschöpfen, ohne damit künftige Erfolgspotentiale zu schädigen oder gar zu gefährden. Hierbei dienen dem Controller die operativen Werkzeuge – Erfolgsrechnung, Erfolgsanalyse und Erfolgsplanung – zur aktiven Gewinnsteuerung, Ermittlung und Beseitigung von operativen Erfolgsengpässen im Beschaffungs-, Fertigungs-, Absatz- und Verwaltungsbereich. Das operative Controlling liefert damit Steuerungsinstrumente, die
die zunehmende betriebswirtschaftliche Komplexität von Unternehmen transparenter machen, rechtzeitig Signale setzen, um Gegensteuerungsmaßnahmen einleiten zu können, garantieren, dass Unternehmen aus ganzheitlicher Sicht geführt werden, dafür sorgen, dass das betriebswirtschaftliche Gleichgewicht aus Umsatz-KostenGewinn-Finanzen vor dem Hintergrund der strategischen Zukunftssicherung aufrechterhalten wird und zukunftsorientiert helfen, die Engpassprobleme von Unternehmen zu lösen (vgl. Schröder 1989, S. 25).
1.2 Operatives Controlling
15
Diese Instrumente haben im Einzelnen folgende Aufgaben:
Ein ausgereiftes Informationssystem erfordert den Aufbau eines Berichtswesens, welches dem jeweiligen Entscheidungsträger die für seine Maßnahmen maßgeschneiderten Informationen der Periode im Vergleich zur Planung liefert. Die Planung legt Kurs und Ziel der kommenden, zeitlich begrenzten Periode fest. Analyse und Kontrolle werden ebenfalls durch das Berichtswesen initiiert. Schwerpunkte liegen hier in der Ursachenanalyse von Abweichungen, der Lösungsfindung zur Vermeidung dieser und in der Beobachtung der Auswirkungen von ergriffenen Maßnahmen. Das Steuerungssystem hat die Garantie der Kurseinhaltung zur Aufgabe und schließt somit den Regelkreis der Planung, Information und Analyse/Kontrolle. Es ist ein Maßnahmeninitiator, um die Unternehmung bei Abweichungen auf Kurs zu halten. Diese Instrumente können aber nur dann einen Erfolg versprechen, wenn sie von dem Controller (oder in kleinen Mittelbetrieben von der zuständigen Person) problembezogen und zukunftsorientiert genutzt werden. Die Besonderheiten eines operativen Controlling liegen in den folgenden Bereichen:
Engpassorientierung: Das Controlling konzentriert sich auf den Engpass der Unternehmung. Zur Problemlösung müssen allerdings in der Regel Prioritäten gesetzt werden, d.h. dass das Problem zunächst gelöst wird, welches die Unternehmung am meisten belastet. Feed-forward-Denken: Sinn des Controlling ist es, zukünftige Ereignisse in den Griff zu bekommen. Vergangene Ereignisse können hier Hilfestellung leisten. Arbeiten mit Standards: Mit Hilfe von Standards (analytisch abgeleitete Werte) werden Kosten- und Ertragsgrößen zu operativen Messlatten umgesetzt, an denen die tatsächliche Entwicklung gemessen wird. Steuerungsmotor Controlling: Der Controller muss ein Steuerungsbewusstsein bei seinen Mitarbeitern wecken, so dass über die Selbstkontrolle auch eine Selbststeuerung erreicht wird. Das operative Controlling ist darüber hinaus dadurch gekennzeichnet, dass es sich mit Entwicklungen beschäftigt, die sich durch Aufwand und Ertrag ausdrücken lassen. Dabei beeinflussen die aus dem operativen Controlling gewonnenen Erkenntnisse die strategischen Prozesse maßgeblich mit. Durch das operative Controlling wird gewährleistet, dass die steigende Komplexität von Unternehmungen aufgezeigt wird, frühzeitig Anzeichen für Gegensteuerungsmaßnahmen gesetzt werden und zukunftsorientiert geholfen wird, so dass die Engpassprobleme von Unternehmungen minimiert werden. Die Durchführung des operativen Controlling geschieht in fünf Stufen, nämlich dem Planungsprozess, der auf der Zielsetzung beruht, der Aufstellung der Budgets, deren permanente Kontrolle, einer Abweichungsanalyse und dem Einsatz von Gegensteuerungsmaßnahmen. Die wesentlichen Unterschiede zwischen strategischem und operativem Controlling sind in Abbildung 2 zusammengefasst.
16
1 Controlling
Strategisches Controlling Umwelt und Unternehmung: Orientierung Adaption Planungsstufe strategische Planung Chancen / Risiken, Dimensionen Stärken / Schwächen
Zielgrößen Abb. 2:
Existenzsicherung, Erfolgspotenziale
Operatives Controlling Unternehmung: Wirtschaftlichkeit betrieblicher Prozesse taktische und operative Planung; Budgetierung Aufwand / Ertrag, Kosten / Leistungen Wirtschaftlichkeit, Rentabilität, Gewinn
Strategisches und operatives Controlling
(vgl. Horváth 2009, S. 222)
1.3
Controlling Collaboration
Die Controlling Collaboration hat die Aufgabe, das Controlling (Planung, Koordination, Steuerung und Kontrolle) unternehmensübergreifend über die gesamte Wertschöpfungskette durchzuführen. Dabei hat die Controlling Collaboration bestimmte Funktionen zu erfüllen (vgl. Weber 2002, S. 10):
Die Controlling Collaboration dient dazu, qualitativ und quantitativ notwendige Informationen für die gesamte Supply Chain zeitgerecht und kostengünstig bereitzustellen. Die Controlling Collaboration hat im Rahmen der Supply Chain Collaboration einen bestimmten Gestaltungsrahmen zu entwickeln, der die zielorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle der Wertschöpfungskette unterstützt. Die Controlling Collaboration muss innerhalb der Koordinationsfunktion die Planung der gesamten Produkt- und Informationsflüsse unternehmensübergreifend mit den vorund nachgelagerten Stufen abstimmen. Darüber hinaus muss ein einheitliches Zielsystem, welches für alle beteiligten Unternehmen innerhalb der Wertschöpfungskette gilt, erarbeitet werden. Die oben genannte Informationsversorgungsfunktion hat einen besonderen Stellenwert, da innerhalb einer Supply Chain oftmals mangelnde Transparenz vorherrscht, die eine Kollaboration verhindert. Deswegen müssen alle beteiligten Akteure nach einem einheitlich definierten Kennzahlen- und Zielsystem agieren, damit die Kollaboration funktionieren kann. Die Controlling Collaboration hat dabei die Aufgabe, notwendige Informationen herauszufiltern und sie den lokalen Unternehmen in der Supply Chain zur Verfügung zu stellen, damit einheitlich auf Kosten-, Leistungs- und Erlösdaten zurückgegriffen wird. Eine gut funktionierende Controlling Collaboration zeichnet sich durch folgende Leistungsmerkmale aus (vgl. Stölzle/Otto 2003, S. 19):
Gewährleistung einer transparenten und vergleichbaren Darstellung der Supply Chain, Identifikation wesentlicher Prozesse und Kostentreiber, Fokussierung auf Engpässe in der Wertschöpfungskette durch die Verwendung von übergreifenden Kennzahlen und Abbildung der Kernfaktoren der gesamten Logistikkette und der Partnerschaft zur Schaffung eines Gesamtüberblicks.
1.3 Controlling Collaboration
17
Die Instrumente der Supply Chain Collaboration sollten in der Lage sein, die spezifischen strategischen und operativen Engpässe in der Supply Chain zu adressieren. Eine hohe Transparenz und eine möglichst einfache Verwendbarkeit der Instrumente sind dabei notwendig. Neben der Ex-post-Kontrolle sollten die Instrumente Hilfestellung bei der operativen und strategischen Planung leisten und die Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen in der Supply Chain unterstützen. Aber auch weiche Faktoren (z.B. Vertrauen) spielen in der Supply Chain Collaboration eine wichtige Rolle. Diese Anforderungen führen dazu, einen kombinierten Einsatz von Instrumenten einzuführen:
Unternehmensübergreifende Prozesskostenrechnung: Durch die Identifikation von wesentlichen Prozess- und Kostentreibern wird eine unternehmensübergreifende Kalkulation möglich. Unternehmensübergreifende Kennzahlen: Durch den Einsatz von Kennzahlen, die sich auf die gesamte Kette beziehen, wird eine ganzheitliche Steuerung der Supply Chain möglich. Balanced Scorecard: Mit Hilfe dieses Instrumentes wird eine ausgewogene Darstellung und Optimierung aller wichtigen Faktoren in einem Supply-Chain-Netzwerk realisiert. Simultaneous Costing: Durch die gemeinsame Entwicklung von Kennzahlen lassen sich Kostenvorgaben in der Wertschöpfungskette leichter erreichen.
2
Beschaffung
Während die Absatzfunktion der Unternehmen schon lange unter strategischen und marktorientierten Aspekten betrachtet wird, ist diese Betrachtungsweise für den Beschaffungsbereich erst in den letzten Jahren in der Literatur zu finden. Vorwiegend wurde in der Vergangenheit die Beschaffung von Unternehmen primär als operative Unternehmensfunktion betrachtet, die den Materialbedarf der produktiven Bereiche befriedigt (vgl. Heß 2008, S. 28). Die Entwicklungen der letzten Jahre zwingen immer mehr Unternehmen, ihre Beschaffungsfunktionen und -strategien neu zu definieren. Zunehmend wird erkannt, dass die Beschaffung einen wesentlichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung ausübt. Die traditionelle Sichtweise der Beschaffung wandelt sich heute in eine strategische und marktorientierte Ausrichtung des Supply Managements bzw. Supply Chain Managements. Darüber hinaus werden zunehmend unternehmensübergreifende Wertschöpfungspartnerschaften in neu gestalteten Prozessketten geschaffen, bis hin zu Optimierungskonzepten der gesamten Prozesskette zwischen Kunden, Handel, Herstellern und Zulieferern (z.B. ECR-Konzept). Die wichtigsten Entwicklungen vom traditionellen zum marktorientieren Beschaffungsverhalten zeigt Abbildung 3. Es vollzieht sich mit diesem Wandel eine Übertragung der Vorgehensweisen des Absatzmarketing auf die Bereiche der Beschaffung. Die Beziehung zwischen Lieferant und Beschaffer wird durch die Instrumente gegenseitiger Beeinflussung geprägt, d.h., dass nicht nur Lieferanten absatzpolitische Instrumente nutzen, sondern der Beschaffer sich selbst ebenfalls eines Instrumentariums bedient. Hauptziel dabei ist, die Beschaffungsmärkte zu Gunsten des Beschaffers zu beeinflussen.
20
2 Beschaffung Traditionelles Beschaffungsverhalten
Marktorientiertes Beschaffungsverhalten
autokratische, abweisende Partner
miteinander agierende Partner
kurzfristig orientiert
langfristig orientiert
viele Bezugsquellen
wenige Lieferanten
vorwiegend regionale, nationale Beschaffung
verstärktes Global Sourcing
einfache Angebotsaufforderung an Lieferanten
aktive Beschaffungsmarktforhscung und Beschaffungsmarktbearbeitung
unstrukturierte Betrachtung des Gesamtmarktes
Marktsegmentierung
primär preisorientierte Einkaufsentscheidung
Lieferantenauswahl und Berücksichtigung langfristiger Gesamtkosten
Standard-Qualitätsvorschriften, fest vorgeschriebene Spezifikationen
gemeinsam entwickelte Leistungskriterien
das fertige Produkt steht im Vordergrund
Design, Materialwirtschaft, verfahrenstechnische Kapazitäten usw. stehen im Vordergrund
große Lose mit häufig verspäteter Lieferung
häufigere, stets pünktliche Lieferung kleinerer Mengen
kaum Vorausplanung
genauere Vorausplanung
Abb. 3:
Traditionelles und marktorientiertes Beschaffungsverhalten
Hauptaufgabe der Beschaffung ist die Versorgung der Unternehmung mit Material. Die Erfüllung dieser Aufgabe erfolgt im Rahmen eines Beschaffungsprozesses, der sich in mehreren Prozessphasen vollzieht. Jede Prozessphase ist durch eine bestimmte Aufgabenstellung gekennzeichnet, die in mehrere Teilaufgaben gegliedert werden kann und durch Folge- und Informationsbeziehungen mit anderen Phasen verknüpft ist. Phasen des Beschaffungsprozesses sind:
1.3 Controlling Collaboration
21
1.
Beschaffungsvorbereitung – Ermittlung des Beschaffungsbedarfs und – Spezifikation des Beschaffungsbedarfs, 2. Beschaffungsanbahnung – Suche nach potenziellen Lieferanten, – Einholung von Angeboten, – Angebotsanalyse und – Lieferantenwahl. 3. Beschaffungsabschluss – Vertragsverhandlungen und – Vertragsabschluss. 4. Beschaffungsrealisation – Überwachung der zeitlichen Vertragserfüllungen, – Raumüberbrückung zwischen dem Lieferanten und der beschaffenden Unternehmung, – Warenannahme und – Eingangslagerung. In der Literatur wird zwischen operativen und strategischen Beschaffungstätigkeiten unterschieden, wie dies häufig bei Unternehmensfunktionen der Fall ist. Zur operativen Beschaffung gehören die Tätigkeiten zur Bedarfsermittlung, Materialdisposition und Organisation interner Abläufe. Die Literatur über operative Beschaffung beschäftigt sich hauptsächlich mit Instrumenten, die helfen sollen, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und zu standardisieren. Formal-mathematische Probleme werden diskutiert und Lösungen aufgezeigt (vgl. Wagner 2001, S. 74). Die Instrumente des strategischen Beschaffungsmanagements dagegen sind gekennzeichnet durch eine Ausrichtung auf den Beschaffungsmarkt. Die wichtigsten Instrumente sind:
Beschaffungsprogrammpolitik: Make-or-Buy-Entscheidungen, Änderung von Qualitätsanforderungen, Standardisierungen, Wertanalyse, Substitutionsprogramme; Gestaltung der Sourcing-Strategien bezüglich Lieferant, Beschaffungszeit, Beschaffungssubjekt, Beschaffungsareal; Preis- und Konditionspolitik: Gestaltung der Beziehung von Preis, Menge und Konditionen der Beschaffungsobjekte; Bezugspolitik: alle Angelegenheiten der Beschaffungslogistik wie Materialflussplanung oder Lagerungskonzepte; Kommunikationspolitik: interne und externe Kommunikation, Beschaffungswerbung auf eigener Homepage, Beschaffungsmarktforschung; Gestaltung der Beschaffungsorganisation: Ausrichtung auf Anforderungen interner Kunden, z.B. Forschung und Entwicklung, Produktion und Lieferanten; Gestaltung des Lieferantenportfolios und der Lieferantenbeziehungen, u.a. Management der Lieferantenbasis, Lieferantenförderung und Lieferantenentwicklung.
22
2.1
2 Beschaffung
Ziele der Beschaffung
Ziele werden in der Regel interpretiert als angestrebte zukünftige Zustände. Ihre Präzisierung hat grundsätzlich nach drei Richtungen oder ‚Dimensionen‘ zu erfolgen, und zwar hinsichtlich des Inhaltes, des angestrebten Ausmaßes und des zeitlichen Bezugs der einzelnen Ziele. Wie die Ziele aller anderen Funktionsbereiche einer Unternehmung sind die Ziele der Beschaffung aus den genannten Unternehmenszielen abzuleiten. Für den Einkauf lassen sich zwei Oberziele ableiten:
Als Sachziel die langfristige Versorgungssicherung der Unternehmung zur Erstellung von Gütern; Als Formalziel die Optimierung der mit der Materialbereitstellung verbundenen Kosten und Leistungen, wodurch eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit erzielt werden soll. Das Sachziel beinhaltet im Wesentlichen die Zuführung der zur Produktion notwendigen Inputfaktoren und die Sicherung des Qualitätsniveaus. Dagegen ist das Formalziel umfangreicher zu definieren und in weitere Teilziele aufzuspalten. Die Komponenten des Formalziels sind in der Erschließung von Leistungsverbesserungs- und Kostensenkungspotentialen durch Optimierung der Beschaffungskosten, der Lieferbereitschaft und der beschaffungsseitigen Liquiditätswirkungen sowie der Autonomiesicherung und der Sicherung der Beschaffungsmarktposition zu sehen. Bei der Realisation dieses Zielbündels können leicht Konflikte zwischen den Teilzielen entstehen. Solch ein Konflikt macht sich besonders bei den beiden Teilzielen „Sicherung der qualitativen Materialversorgung“ und „Optimierung der Beschaffungskosten“ bemerkbar (vgl. Kaluza 2007. S. 23). Erst aus den Zielsetzungen der Unternehmung ergeben sich Gewicht und Stellenwert der einzelnen Teilziele. Legt ein Unternehmen beispielsweise sehr viel Wert auf ein hohes Qualitätsniveau der Endprodukte, so wird man es auch im Rahmen der Beschaffungspolitik bestrebt sein müssen, Lieferanten mit besonderen Leistungen im qualitativen Bereich zu finden und kann somit das Teilziel „Kostenminimierung“ nicht optimal verfolgen. Die genannten Zielvorstellungen werden in der Regel als zu global angesehen, um praktikabel zu sein. Um konkrete Aktivitäten ableiten zu können, sollen die globalen Beschaffungsziele daher präzisiert und in differenzierte Teilziele aufgegliedert werden. Eindeutige bestimmende Vorstellungen von Preisen, Lieferzeiten oder Serviceleistungen wären Beispiele für angestrebte Beschaffungsziele. Häufig wird auch das Streben nach guten Beziehungen zu den Lieferanten angesprochen. In den meisten Veröffentlichungen werden detaillierte Zielkataloge aufgestellt, die den jeweils spezifischen Bedürfnissen der Unternehmung entsprechen. Friedl (1990) unterteilt die Beschaffungsziele nach ihrer Fristigkeit in strategische und taktisch-operative Ziele.
2.1 Ziele der Beschaffung
23 Beschaffungsziele
strategische Beschaffungsziele
Sicherstellung der Materialversorgung • Wahrung der Flexibilität • Risikostreuung • Steigerung der vertikalen Integration • Wahrung der Unabhängigkeit • Sicherung der langfristigen Wachstumsrate • beschaffungsseitige Diversifikation Sicherstellung der Qualität • Sicherung des Qualitätsstandards des Materials • Sicherung des Technologiestandards des Materials
taktisch-operative Beschaffungsziele
Optimierung der Beschaffungskosten • Optimierung der Einkaufspreise • Optimierung der Bezugs-, Bereitstellungsund Beschaffungsverwaltungskosten Sicherung der Materialqualitöt Sicherung der Liquidität Sicherung der Lieferbereitschaft
Sicherung der Beschaffungsmarktposition • Sicherung der Nachfragemacht • Wahrung des Ansehens der Unternehmung Sicherung der Preisstabilität Sicherung der Personalqualität Abb. 4:
Überblick über strategische und taktisch-operative Beschaffungsziele
(vgl. Friedl 1990, S. 103)
Stangl hat viele Beschaffungsziele unterschieden, denen auf einer zweiten Subzielebene verschiedene Beschaffungsstrategien zugeordnet werden: Das Ziel „Senkung der Beschaffungskosten“ kann sich sowohl auf eine Senkung der Objekteinstandspreise als auch auf eine Senkung der Funktionskosten der Beschaffung beziehen. Dazu im Gegensatz steht in der Regel das Ziel „Steigerung der Beschaffungsqualität“, das auf eine Erhöhung des Kongruenzgrades zwischen Bedarf und Lieferantenleistungen abzielt. Hier sollten die Abweichungen der Lieferantenleistungen vom Bedarf möglichst gering gehalten werden (vgl. Stangl 1998, S. 63) Das Ziel „Steigerung der Beschaffungssicherheit“ impliziert, dass man diejenige Handlungsalternative wählt, bei der die (objektive oder subjektive) Wahrscheinlichkeit von unerwünschten Abweichungen möglichst gering ist. Dieses Ziel ist also auf Störungsvermeidung gerichtet. Auf eine mögliche Störungsbewältigung hingegen bezieht sich das Ziel „Steigerung der Beschaffungsflexibilität“. Hiernach wählt man diejenige Handlungsalternative aus, die nach Eintritt einer exogenen oder endogenen Veränderung möglichst viele Handlungsmöglichkeiten offen lässt. Bei der Planung der Beschaffungsziele und –strategien ist zunächst das im Hinblick auf die Erreichung der Unternehmensziele dominante Beschaffungsziel festzulegen, dem daraufhin Nebenziele unter Berücksichtigung der Kompatibilität zugeordnet werden. Anschließend ist die Kompatibilität der Beschaffungsziele mit anderen Funktionszielen zu überprüfen. Ähn-
24
2 Beschaffung
lich kann man bei der Strategieplanung vorgehen, indem eine dem Beschaffungsziel entsprechende Hauptstrategie festgelegt wird, der dann kompatible Nebenstrategien zugeordnet werden können (vgl. Stangl 1988, S. 4).
2.2
Lieferantenintegration
Der Erfolg eines Unternehmens steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit seiner Lieferanten. Die Reduzierung der Fertigungstiefe durch Outsourcing und der zunehmende Einsatz von Systemlieferanten, bei gleichzeitiger Ausweitung der Beschaffungsaktivitäten über den gesamten Globus, verlangen ein gesamtunternehmerisches und fortschrittliches Lieferantenmanagement (vgl. Krokowski 2008, S. 59). Durch die zunehmende Tendenz der Unternehmen zur Reduktion der eigenen Wertschöpfungstiefe und die damit verbundene Tendenz, dass Zulieferer ihren Wertschöpfungsanteil als Innovationstreiber deutlich erhöhen, hat das Lieferantenmanagement stark an Bedeutung gewonnen. Die Konzentration der Hersteller auf ihre Kernkompetenzen und die daraus resultierenden gestiegenen Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der Lieferanten unterstützen diese Aussagen ebenfalls. Die Beschaffung muss sich zunehmend darum kümmern, die Fähigkeiten der Lieferanten mit der eigenen Unternehmensstrategie zu verbinden. Die Verbesserung der Fähigkeiten zur Ausschöpfung der sich auf den Beschaffungsmärkten bietenden Potenziale – insbesondere der Potenziale der Lieferantenbeziehungen- bleibt eine fortwährende Herausforderung für viele Unternehmen. Diese müssen noch stärker diejenigen Lieferanten auswählen, welche am besten zu den eigenen Bedürfnissen und Zielen passen und welche die Fähigkeit haben, sich mit der Unternehmensstrategie des Abnehmers zu verbinden. Zu diesen Lieferanten gilt es anschließend eine optimale Beziehung und partnerschaftliche Zusammenarbeit aufzubauen und zu erhalten. Schaffen es Unternehmen die Beziehungen zu Lieferanten effektiv zu gestalten, können ihnen darauf nachhaltige Wettbewerbsvorteile entstehen. Die Bemühungen bei der Auswahl und Beziehungsgestaltung zum Lieferanten haben dabei vielfältige Aspekte. Die Integration hebt sich von den vorher beschriebenen Bindungsformen ab. Die beteiligten Unternehmen durchlaufen eine Entwicklung, durch die der Grad der Bindung stetig steigt. Eine Langfristigkeit der Beziehung ist Voraussetzung für die Integration, da anders kein gegenseitiges Vertrauen für eine integrative Partnerschaft vorausgesetzt werden kann. Das erfolgversprechendste Konzept in diesem Bereich ist das Innovationspartnering mit den leistungsfähigsten Lieferanten. Der Einkauf ist in diesem Zusammenhang gefordert, die Entwicklung des eigenen Unternehmens mit den Entwicklungsideen der strategischen Lieferanten mit viel Innovationspotenzial zusammenzubringen. Werden selektierte Lieferanten in die Produktentstehungs- und Entwicklungsprozesse eingebunden, erreicht die Lieferantenintegration den höchsten Integrationsgrad (vgl. Hartmann 2004, S. 83ff.). Die wichtigsten Grundlagen der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Lieferanten sollten bei einer Lieferantenintegration stets berücksichtigt werden: 1. Win-Win-Partnerschaften Die Zusammenarbeit zwischen zwei beteiligten Partnern sollte den Regeln einer WinWin-Partnerschaft gehorchen. Eine Zusammenarbeit wird nur dann auf Dauer erfolgreich sein und Bestand haben können, wenn jeder Partner individuell besser gestellt wird
2.3 Supplier Relationship Management (SRM)
2.
3.
2.3
25
und Vorteile aus der Partnerschaft ziehen kann. In einer solchen Partnerschaft teilen die Kooperationspartner den Synergienutzen in fairer Weise untereinander auf. Dies kann gleichwertig erfolgen, indem der Gewinn zu jeweils 50% an den Lieferanten und den Abnehmer verteilt wird. Er kann aber auch zwischen 0% und 100% je nach Leistungsbemessung verteilt werden. Es kann auch zu einer Win-Lose-Situation zugunsten des Abnehmers kommen. Dies ist davon abhängig, ob und inwieweit der eine oder der andere Partner seine Machtposition ausnutzt. Informationsaustausch und Kommunikation Um einen gegenseitigen und vertraulichen Informationsaustauch zu gewährleisten, ist eine laufende, vertrauensvolle Kommunikation zwischen den Partnern erfolgreich. Wichtige Informationen für beide Partner müssen regelmäßig ausgetauscht werden. Vertrauen Ohne gegenseitiges Vertrauen ist eine intensive Zusammenarbeit nicht möglich. Dies bedeutet eine hohe Sicherheit beider Parteien bezüglich der Verlässlichkeit des Partners. In Situationen, die durch eine hohe Unsicherheit in Komplexität geprägt sind, ist Vertrauen als eine besondere Form der Absicherung gegen opportunistisches Verhalten des Transaktionspartners besonders vorteilhaft. Solche betrieblichen Partnerschaften lassen sich gut mit privaten Partnerschaften vergleichen. Denn auch diese können durch unterschiedliche Zielvorstellungen sowie einem Mangel an Kommunikation und Vertrauen zerbrechen.
Supplier Relationship Management (SRM)
Supplier Relationship Management ist das Ergebnis der kontinuierlichen Weiterentwicklung des strategischen Lieferantenmanagements und der gelebten Partnerschaft mit Lieferanten. Beim Supplier Relationship Management steht demnach nicht eine zeitpunktbezogene Optimierung der Lieferantenbeziehung im Vordergrund, sondern eine zukunftsgerichtete Weiterentwicklung der Beziehung mit Lieferanten. Eine gute Beziehung zum Lieferanten wird als Voraussetzung dafür gesehen, die Lieferwilligkeit, insbesondere in Zeiten der Materialverknappung und den Einigungswillen bei auftretenden Problemen aufrechtzuerhalten. Chancen und Risiken müssen dabei genauso wie Gewinne und Verluste gleichmäßig verteilt werden. Das Supplier Relationship Management beinhaltet im Kern den Aufbau und die Pflege von Lieferantenbeziehungen, wobei alle Verbindungen zwischen Lieferanten und Abnehmern abgebildet werden (vgl. Stölzle/Heusler 2003, S. 131; Wagner 2001, S. 21). Das SRM dient zur:
Optimierung der Beziehung zur gesamten Lieferantenbasis Reduzierung der Prozesskosten und Durchlaufzeiten für strategische und operative Beschaffungsprozesse und die kontinuierliche Kontrolle und Analyse der Einkaufsprozesse und LieferantenPerformance
26
2 Beschaffung
Die Merkmale von Supplier Relations lassen sich in vier Unterpunkte aufteilen (vgl. Appelfeller/Buchholz 2005): 1. Lieferantenbasis Die Lieferanten können nach den Merkmalen geografische Struktur und Lieferantenanzahl unterscheiden. Die geografische Struktur betrachtet, wie beschafft wird, d.h. ob weltweit (global sourcing) oder nur vor Ort (localsourcing) eingekauft wird. Die Lieferantenanzahl gibt Auskunft darüber, wie viele Lieferanten in den Beschaffungsprozess für bestimmte Materialgruppen involviert sind, hierbei unterscheidet man zwischen der Konzentration auf wenige/einen Lieferanten (singlesourcing) oder einer Vielzahl (multiple sourcing) von Lieferanten. 2. Vertikale Kooperationsintensität Diese beschreibt, inwieweit die Lieferanten in die Produktion mit einbezogen werden (Entwicklungseinbindung) sowie den Umfang der durch die Lieferanten erbrachten Wertschöpfung (Wertschöpfungsumfang). 3. Materialgruppe Die Beziehung zwischen Abnehmer und Zulieferer wird stark durch die zu beschaffenden Materialien bestimmt. Der Standardisierungsgrad beschreibt, wie weit die Lieferantenbeziehungen durch eine Standardisierung der Materialien verbessert werden können. Das Merkmal Mengenbündelung bezieht sich auf die Zusammenfassung von Bedarfen, um eine gebündelte Vergabe an den Lieferanten zu ermöglichen. 4. Horizontale Kooperationsintensität Hier ist die Verbesserung der Lieferantenbeziehung durch die Einbeziehung von Partnern in den Beschaffungsprozess gemeint. Möglichkeiten dafür sind der gemeinschaftliche Einkauf von Unternehmen (Partnerbindung) sowie die Nutzung von Beschaffungsdienstleistern.
2.4
Beschaffungsstrategien
Als wesentliche Betrachtungsfelder der Beschaffungsstrategien lassen sich folgende Bereiche definieren: der Markt, der Lieferant, das Produkt, die Bevorratung, die Steuerung der Kapazitäten und die Entwicklung. Die Orientierung der Beschaffungsstrategie wird gekennzeichnet durch die differierenden Ausprägungsmöglichkeiten für die einzelnen Felder. Von besonderem Interesse sind in der letzten Zeit die Sourcing-Strategien. Sourcing bedeutet, dass man sich außerhalb des Unternehmens liegender Quellen bedient. Die Verantwortung für umfangreiche, festgelegte Ressourcen wird auf einen Externen übertragen. Mit dieser Definition ist in keiner Weise eine Beschränkung auf den Informations-TechnologieBereich verbunden. Innerhalb des Sourcing gibt es wiederum verschiedene Varianten (vgl. Piontek 2009, S. 53):
2.4 Beschaffungsstrategien
27
Single Sourcing, Multiple Sourcing, Modular Sourcing, Process Sourcing, Just-in-time-Sourcing, E-Sourcing und Global Sourcing.
Single Sourcing bedeutet, dass nur ein Zulieferteil von nur einem Zulieferer bezogen wird. In der Vergangenheit musste ein guter Lieferant einen relativ kleinen, fertigungstechnologisch eindeutig abgegrenzten Teileumfang mit hoher Prozessstabilität und Qualität fertigen und liefern. Gegenwärtig muss ein Systemlieferant nahezu sämtliche Entwicklungsleistungen, Vorplanungen, Koordinations- und Abstimmungsaufgaben, Sublieferantenauswahl sowie Preisverhandlungen und Terminplanungen in eigener Verantwortung bearbeiten. Er wird auf Basis eines festgelegten System-Teileumfangs und eines Fahrzeugkonzeptes dem Hersteller eigenständig (oder mit Unterstützung eines Dritten) ein durchgängiges, qualitativ und quantitativ bewertetes Produkt-, Entwicklungs-, Beschaffungs-, Fertigungs-, Montage-. Versorgungs- und Entsorgungskonzept für Serien- und Ersatzteile aufzeigen. Dieses muss er dann weitgehend eigenständig ausplanen, realisieren und haftungsrechtlich verantworten. Für einen systematischen Aufbau von einem Systemlieferanten sind für Elemente notwendig:
eine Systemstruktur, eine Teile- und Lieferantenklassifizierung mit Anforderungsprofil, standardisierte Aufgaben- und Terminvereinbarungen, konkrete Systemlieferanten-Qualifizierungskonzepte und prozessübergreifende Optimierungsstrategien (gestützt durch einen prozessorientierten Potentialnachweis). Werden die Bezugsmengen auf mehrere Lieferanten aufgeteilt, spricht man von Order Splittung oder Multiple Sourcing. Dadurch reduzieren sich die Risiken von Lieferstörungen. Die Intensität des Wettbewerbs unter den Lieferanten wird tendenziell gefördert. Abhängigkeitsbeziehungen werden bewusst vermieden und Handlungsspielräume können für eine flexible sowie situationsspezifische Beschaffungspolitik genutzt werden. Bei einem Wechsel vom Single Sourcing zum Multiple Sourcing werden die Beziehungen zum bisherigen Lieferanten – zumindest im Hinblick auf den Lieferumfang – in Frage gestellt. Die Angebotskonkurrenz in einem Marktsegment kann erhöht werden, indem bereits existierende, auf anderen ausländischen Marktsegmenten agierende Lieferanten durch bestimmte Förderungsmaßnahmen veranlasst werden, sich auf neuen Marktsegmenten zu betätigen, oder indem gänzlich neue Lieferanten aufgebaut oder beauftragt werden. Im Rahmen der im Beschaffungsprozess zu treffenden Entscheidungen kann die Lieferantensuche als Vorauswahl der Erfolg versprechenden Lieferanten aus der Vielzahl der theoretisch möglichen Lieferanten verstanden werden. Die Auswahl beruht auf einem interpersonalen Beeinflussungsprozess, der von Erfahrungen und Einstellungen gegenüber möglichen Anbietern und von dem Durchsetzungsvermögen der an der Auswahl beteiligten Entscheidungsträger geprägt wird. Es erscheint für die beschaffende Unternehmung ratsam zu prüfen, welche ausländischen Lieferanten für die Bedarfsdeckung in Frage kommen, wie es um ihre Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft sowie um ihre Zuverlässigkeit bestellt ist, und wel-
28
2 Beschaffung
che sonstigen Vor- und Nachteile im Umgang mit dem einzelnen Lieferanten zu berücksichtigen sind. Das Modular Sourcing versucht möglichst viel der eigenen Kombinationsarbeit (Montage, Disposition) nach außen zu verlagern. Ein Hauptlieferant erhält den Auftrag, Produktgruppen zu liefern und für Unterlieferanten und deren Zulieferung zu sorgen. Die Systemlieferanten bieten komplette Systeme – zum Beispiel Bremsen, auf die Bosch oder Teves spezialisiert sind oder Sitzgarnituren, die von Lear geliefert werden können. Die Komponenten werden von den Komponentenlieferanten zusammengebaut, bevor sie an die Systemlieferanten verkauft werden. Produktionsspezialisten zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie in Billiglohnländern angesiedelt sind. Die Ausrichtung des Beschaffungsprozesses auf Module reduziert beim Abnehmer die Komplexität der Lieferbeziehungen, da die Zahl der Lieferanten signifikant sinkt. Ein Grund hierfür ist die Tatsache, dass nicht alle bisherigen Direktlieferanten von Einzelteilen die für einen Modullieferanten relevanten Kompetenzen besitzen. Zum anderen wird mit der abnehmenden Zahl der Lieferanten der finanzielle und zeitliche Aufwand für den Aufbau, die Pflege und die Koordination entsprechender Beziehungen gesenkt. Das Modular Sourcing lässt sich wie folgt charakterisieren:
wenige Module, wenige Modullieferanten, pyramidenförmige Zuliefererstruktur, geringer Informations- und Steuerungsaufwand in Beschaffung und Produktion und Übertragung der (Vor-) Montage, Qualitätssicherung- und Beschaffungsfunktion auf den Modul-Lieferanten. Das Process Sourcing kennzeichnet die intensive crossfunktionale Vernetzung der unternehmenseigenen Wertschöpfungskapazitäten mit denen der Zulieferer. Dabei greifen die wertschöpfenden Prozesse von Abnehmern und Zulieferer an mehreren Stellen der Wertkette intensiver ineinander. Kaufmann (1995, S. 283) unterscheidet folgende Stufen des Process Sourcing: Logistikintegrierte Zulieferung, Know-how-integrierte Zulieferung und Entsorgungsintegrierte Zulieferung. Das Just-in-time-Sourcing verfolgt das Prinzip der produktionssynchronen Beschaffung (PSB), mit der man eine höhere Flexibilität und Planungssicherheit sowie eine Verringerung der Wiederbeschaffungszeit der Bestände und Senkung des Verwaltungsaufwandes erreichen kann. Diese Form der Geschäftsbeziehungen basiert auf einer wesentlichen engeren Bindung der Marktbeteiligten aneinander, als dies beispielsweise im Rahmen herkömmlicher Rahmenlieferungsverträge üblich ist. Gründe für diese enge Verbindung sind in der Tendenz der Abnehmer zu sehen, ihre eigene Fertigungstiefe insbesondere in Randbereichen zu verringern (Outsourcing), sowie in der Bestrebung, die Zahl der Zulieferer je Teileart auf ein Minimum zu reduzieren. Insofern wird die Bedeutung der in Geschäftsbeziehungen zum Abnehmer verbleibenden Zulieferer größer. Andererseits begibt sich der Zulieferer in eine starke Abhängigkeit, da er Produkte und Sortiment, aber auch nahezu seine gesamte Distribution stark an den Abnehmerbedürfnissen ausrichten muss.
2.4 Beschaffungsstrategien
29
Die Realisierung grenzüberschreitender Zulieferbeziehungen nach dem JIT-Konzept wird in erster Linie davon abhängen, inwieweit sich die Einsatzbedingungen einer produktionssynchronen Beschaffung, die ihre ökonomische Vorteilhaftigkeit primär im Inland begründet, auch im europäischen Maßstab verwirklichen lassen. Dabei ist insbesondere die hohe Versorgungssicherheit in zeitlicher und quantitativer Hinsicht durch den Zulieferer als zentrale Grundvoraussetzung für eine bestandsarme und kundenauftragsbezogene Produktion der Abnehmer anzusehen. E-Sourcing beinhaltet die strategische Planung und Entwicklung aller für die elektronische Beschaffungsabwicklung erforderlichen Prozesse sowie deren administrative und operative Ausgestaltung für die physische Abwicklung. Sie leistet damit eine schnelle, effiziente, flexible und in ihrer Leistungsfähigkeit stabile End-to-End- Realisierung. Die Verbesserungen finden sich insbesondere in folgenden Bereichen:
Beschaffungsmarktforschung, Bidding (Ausschreibung), Produktordnungssystem (elektronische Produktkataloge), Produktspezifikation und Beschaffungspotential-Controlling.
Folgende operative Potenzialverbesserungen ergeben sich (vgl. Wannewetsch 2005, S. 111ff.): Tracking & Tracing, Einkauf und Electronic Cash (Purchasing Card), Elektronische Bestellabwicklung, Vordefinierte Einkaufsprozesse (Disziplinierung), C-Teile Management und Supplier Relationship Management. Befinden sich Zulieferer und Abnehmer im selben Lande, so wird von einem Local Sourcing gesprochen. Nimmt der Abnehmer Rückgriff auf Lieferanten aus der Europäischen Gemeinschaft, handelt es sich um ein Euro Sourcing. Mit Vollendung des Europäischen Binnenmarktes ist dieses zu einem Local Sourcing mutiert. Bezieht das Unternehmen seine Komponenten von Zulieferern aus der ganzen Welt, wird dies mit dem Terminus Global Sourcing umschrieben. Beim Global Sourcing geht es um das systematische Beschaffungsmarketing auf den Weltmärkten unter Berücksichtigung unternehmensinterner Gesichtspunkte zur Ausnutzung globaler Wettbewerbsvorteile. Global Sourcing, das den Wettbewerb auf dem Weltmarkt stimuliert, hat zudem eine starke Rückwirkung auf die nationalen Lieferanten, da diese mit der Wettbewerbssituation des Weltmarktes konfrontiert werden und auf den verstärkten Konkurrenzdruck reagieren müssen. Die Globalisierung ist dabei wesentlicher Bestandteil einer konsequenten Ausrichtung des Beschaffungsprozesses auf die Realisierung von Entwicklungspotenzialen einer Unternehmung. Das Global Sourcing bedarf daher einer scharfen Trennung zur herkömmlichen, einfachen internationalen Beschaffung. Global Sourcing beinhaltet im Gegensatz zur simplen internationalen Beschaffung einen strategischen Transaktions- und Aktionsrahmen.
30
2.5
2 Beschaffung
Beschaffungskooperation
Die Beschaffungskooperation besteht aus mindestens zwei unabhängigen Unternehmen, die sich auf der gleichen Stufe der Wertschöpfungskette befinden (horizontale Kooperation). Innerhalb der Kooperation geben die Partner bewusste und freiwillig mindestens Teile ihres internen Beschaffungsmanagements zugunsten der Kooperation auf, beschränken sich hierbei allerdings ausschließlich auf die Beschaffungsaktivitäten von Leistungen, die die Unternehmen zwar benötigen, aber nicht selber herstellen. Die Kooperation kann in ihrer Intensität unterschiedliche Formen annehmen, die von einem losen Zusammenschluss zum Erreichen von Synergieeffekten bis zur Gründung einer Einkaufsgesellschaft mit eigener Rechtsform reicht. Die Mitglieder einer Einkaufskooperation sind in der Lage, ihre Beschaffungskosten erheblich zu senken. Zum einen erhalten sie von ihrem Lieferanten eine sehr gute Qualität, zum anderen senken sie ebenfalls ihre Kosten durch eine geringe Lagerhaltung, wenn der Lieferant den größten Teil der Produkte auf seinem eigenen Gelände lagert, bis der Abnehmer die Ware benötigt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Optimierung der Prozesse. Die Einkaufskompetenz erhöht sich im Zuge einer Einkaufskooperation. Die Mitglieder verfügen über bessere Produkt- und Marktkenntnisse. An dieser Stelle sei auch noch Benchmarking zu nennen. Es handelt sich dabei um ein Instrument der Wettbewerbsanalyse. Dabei werden Produkte und/oder Dienstleistungen, Prozesse und Methoden mit mehreren Unternehmen kontinuierlich verglichen. Dadurch soll die Leistungslücke zu dem Klassenbesten geschlossen werden. Die Grundidee ist, festzustellen, welche Unterschiede bestehen, warum diese bestehen und welche Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Die Konditionen verbessern sich für die Mitglieder einer Einkaufskooperation und es findet ein systematischer und intensiver Informationstransfer zwischen den einzelnen Unternehmen statt. Des Weiteren erfährt eine Einkaufskooperation eine Aufwertung zu einem A-Kunden und erhält dadurch die Möglichkeit, die Einstandspreise zu optimieren. Durch Einkaufskooperationen erhofft man sich, die nachfolgend beschriebenen Vorteile zu verschaffen (vgl. Piontek 2009, S. 52): 1. Einstandspreise senken Das wohl wichtigste Ziel einer solchen Kooperation ist die Senkung der Einkaufspreise. Durch die Kooperation besteht eine neue Position zum Verhandeln von Preisen und Konditionen auf dem Beschaffungsmarkt durch gebündelte Einkaufsvolumina. Der Lieferant kann seinerseits von den Economies of Scale profitieren. 2. Verfügbarkeit erhöhen Die höhere Verfügbarkeit der Materialien beim Lieferanten ist ein weiteres Ziel. Durch die Standardisierung, Vereinbarung eines gemeinsamen Sortiments sowie Abschlüsse längerfristiger Rahmenvereinbarungen wird dem Lieferanten ermöglicht, ein gestrafftes Sortiment vorzuhalten und besser planen zu können. Durch das größere Einkaufsvolumen erhält die Kooperation eine bevorzugte Behandlung. Durch diese engere Anbindung wird für eine ständige Lagerhaltung und rasche Verfügbarkeit des vereinbarten Sortiments beim Lieferanten gesorgt. 3. Beschaffungskosten reduzieren Geringere Beschaffungskosten werden dadurch erreicht, dass die Anforderungen an Sortiment und Logistik vereinheitlicht, weniger Verhandlungen geführt und längerfristige
2.5 Beschaffungskooperation
31
Rahmenverträge abgeschlossen werden. Durch standardisierte Abläufe und optimierte Prozesse kann der Verwaltungsaufwand erheblich verringert werden. Die Kosten beim Lieferanten werden geringer und die Verhandlungsmacht der Einkaufskooperation sorgt für eine Weitergabe dieses Kostenvorteils an die Mitglieder der Kooperation. Die verschiedenen Einkäufer tauschen Markt- und Produktkenntnisse aus. Dadurch wird ein ständiges Benchmarking möglich. Auch über Material und Beschaffungskompetenzen tauscht man sich innerhalb der Kooperation aus, was zum gezielten Know-howTransfer führt. Nachteile können durch Einkaufskooperationen jedoch auch entstehen: 1. Offenlegung von Betriebsgeheimnissen Durch die gemeinsame Materialbeschaffung kann es zur Offenlegung sensibler Daten kommen. Man sollte vorsichtig sein, wenn man mit einem direkten Konkurrenten eine Kooperation eingeht. 2. Zusätzlicher Verwaltungsaufwand Anfangs muss ein großer Verwaltungsaufwand betrieben werden, um die richtigen Partner zu suchen und auszuwählen, sowie für die Materialanalyse und –auswahl. Auch wenn eine Kooperation besteht, muss ein ständiger Informationsfluss existieren. 3. Eventueller Verlust des direkten Kontaktes zum Lieferanten (je nach Organisationsform der Kooperation) Wenn Beschaffungsagenten oder Einkaufsdienstleister eingeschaltet werden, kann es vorkommen, dass zwischen dem Lieferanten und dem beschaffenden Unternehmen keinerlei direkter Kontakt mehr besteht. Sollte die Kooperation aufgelöst werden, könnte es zu Nachteilen für das beschaffende Unternehmen kommen. Die Beschaffungskooperation ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
Die Unternehmen arbeiten auf Basis einer langfristigen Bindung zusammen. Der Zulieferer ist verantwortlich für die Entwicklung funktional abgrenzbarer Baugruppen und wird in den Entwicklungsprozess frühzeitig integriert. Umfangreiche Leistungen in Entwicklung und Fertigung werden dem Zulieferer übertragen, die dieser selbstständig erbringt und für die er die volle Gewährleistung übernimmt. Die Zulieferungen des Lieferanten erfolgen produktionssynchron, ohne dass der Abnehmer diese zur Kontrolle zwischenlagert. Durch Schulung und Beratung wird der Zulieferer vom Hersteller unterstützt, um eine kontinuierliche Verbesserung von Preisen und Qualität zu erreichen. Zwischen dem Hersteller und dem, Zulieferer werden kontinuierliche Informationen zur Verbesserung der Produkte und Prozesse ausgetauscht. Auch die Philosophien und Kulturen von vertikal kooperierenden Unternehmen haben Einfluss auf den Erfolg einer solchen Strategie. Dabei ist es enorm wichtig, dass die verbale Betonung partnerschaftlicher Zusammenarbeit und die tägliche Praxis nicht auseinanderklaffen, da sonst kein vertrauensbildender Prozess aufrechterhalten werden kann (Mental Sourcing).
32
2 Beschaffung
2.6
Beschaffungsinformationssystem
2.6.1
Ziele des Beschaffungsinformationssystems
Ein Beschaffungsinformationssystem dient primär als ein Instrument zur Unterstützung der Beschaffungsmarketingaufgaben bzw. –funktionen. Die Aufgaben des Beschaffungsmarketing können im Hinblick auf deren Art und zeitlicher Reichweite in folgende Maßnahmen unterteilt werden: operative Beschaffung, taktische Beschaffung und strategische Beschaffung. Viele beschaffungspolitische Entscheidungen lassen sich aber aufgrund ihrer Komplexität und der schnellen Änderungen der Beschaffungsmarktkonstellationen schlecht strukturieren, so dass eine standardisierte Problemlösung nicht möglich ist. Daher muss dem Entscheidungsträger im Beschaffungsmarketing ein Informationsinstrumentarium zur Verfügung gestellt werden, das ihn bei unstrukturierten und ad hoc zu fällenden Entscheidungen, wie z.B. bei der kurzfristigen Analyse von Marktsegmenten, bei kurzfristigen Einkaufsförderungsaktionen, bei der Umschulung von unterschiedlichen Beschaffungswegen u.a. unterstützt. Strukturierte Aufgaben sind durch ihren Wiederholungs- und Routinecharakter gekennzeichnet, wobei die Problemlösungen einfach und konstant sind. Bei den strukturierten Aufgaben handelt es sich hier um folgende Maßnahmen:
Bestellanforderungsbearbeitung und –überwachung, Bezugsquellenermittlung, Angebotseingangsüberwachung, Angebotsvergleich, Bestellentscheidung, Bestellüberwachung, Wareneingangskontrolle und Dokumentation.
Diese Aufgaben eigen sich aufgrund der oben genannten Charakteristika für eine Automatisierung und werden auch schon zunehmend mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung in der Praxis unterstützt. Unstrukturierte Aufgabenstellungen lassen sich durch ihre Situationsabhängigkeit, ihren Schwierigkeitsgrad, ihre Kommunikationsintensität, ihren Zeitdruck und durch ein geringes Maß an Routine kennzeichnen. Sie umfassen weitgehend die Aufgaben des taktischen und strategischen Beschaffungsmarketing (vgl. Katzmarzyk 1988, S 41ff.):
Lieferantenwahl, Kontrolle und Beurteilung der Lieferantenleistung; systematische Marktbeobachtung, Marktanalyse, Marktumweltanalysen sowie detaillierte Analyse von Lieferantenunternehmen; Analysen zur Bestellmengenoptimierung sowie zur Reduzierung der Lagerbestände; Nutzung des Know-how der Zulieferindustrie für die eigene Produkterstellung und für das eigene Fertigungsverfahren;
2.6 Beschaffungsinformationssystem
33
Qualitäts- und Terminsicherung durch Steuerung des Produktions- und Fertigungsverfahren; Aufspüren und Bewertung neuer Materialien zur Versorgungssicherheit sowie neuer Technologien am Beschaffungsmarkt; Risikostreuung durch ad-hoc Reservierung von Fertigungskapazitäten bzw. durch die Einschaltung von Alternativlieferanten; Beobachtung und Analyse der Entwicklung der Lohn-, Energie- und Materialkosten; Gestaltung der logistischen Prozesse u.a.
Zur Lösung der Probleme und zur Unterstützung dieser Aufgaben müssen quantitativ analytische Methoden sowie neuartige situationsadäquate Problemlösungsmuster entworfen werden. Ausgehend von den Informationen, die ein strategisches Informationsmanagement bereitzustellen hat, können folgende einzelne Aufgaben abgeleitet werden (vgl. Kaluza 2007, S. 94ff.):
Formulierung der Informationsstrategie Die Informationsstrategie dient als Maßnahmenprogramm zur Entwicklung, Erhaltung und Nutzung von Informationen als Erfolgspotenzial des Beschaffungscontrolling. Zur Entwicklung dieser Strategie müssen das bestehende Informationsangebot sowie der beim Beschaffungscontrolling auftretende Informationsbedarf gegenübergestellt werden. Auf diese Weise können Informationslücken sowie ein „information overload“ festgestellt werden. Die Informationsangebotsanalyse umfasst die Erfassung der Informationsträger, die stellen- und abteilungsspezifische Zuordnung der Informationsträger sowie die Erfassung der Informationen auf den Informationsträgern. Der Vergleich des Informationsangebots und des Informationsbedarfs gilt als Grundlage für die Formulierung der Informationsstrategie.
Organisation des Informationsmanagement Zur Umsetzung der Informationsstrategie sind Maßnahmen zur Organisation des Informationsmanagement zu ergreifen, Die Aufgaben sind direkt aus der Informationsstrategie abzuleiten. Die Organisation des Informationsmanagement ist hinsichtlich ihrer strategischen Ausrichtung regelmäßig zu überprüfen und eventuell zu modifizieren.
Festlegung der Informationsstruktur Die Entwicklung des Informationsversorgungsprozesses erfordert Entscheidungen über die Informationsgewinnung, die Informationsspeicherung und die Informationsübermittlung. In der Planung der Informationsstruktur sind die Ist-Analyse des vorhandenen Informationssystems, die Art und Anzahl der Netze sowie die entsprechenden Informationsregelungen zu erheben. Zu klären ist ferner, wie eine Informationslücke hinsichtlich der strategischen Ausrichtung und der Erkennung von beschaffungsmarktrelevanten Diskontinuitäten zu schließen ist. Die Informationslücke besteht zwangsläufig aufgrund der Unvollkommenheit der strategischen Informationen. So sind strategische Beschaffungsmarktinformationen in der Regel unvollständig, unbestimmt sowie unsicher und damit ungewiss. Diese Informationslücke kann aber nicht ex ante geschlossen werden, da der Informationsbedarf des Beschaffungscontrolling ständig aufgrund der Beschaffungsmarktdiskontinuitäten variiert.
34
2 Beschaffung
Eine Reduktion der Informationslücke lässt sich höchstens durch eine Reaktion auf sehr vage Informationen – sogenannten schwachen Signalen des Beschaffungsmarktes – reduzieren. Die Frage, inwieweit schwache Signale zur Reduktion der Informationslücke beitragen können, ist davon abhängig, ob schwache Beschaffungsmarktsignale auf dem Beschaffungsmarkt identifiziert, verarbeitet und aggregiert werden können. Zur Gewinnung und Aufbereitung solcher schwachen Daten bedarf es insbesondere diverser Methoden und Modelle. Informationslücken entstehen aber auch innerbetrieblich. So müssen Informationen über Beschaffungsbereiche bereitgestellt werden, die intern durch strategisch ausgerichtete Entscheidungen beeinflusst werden. Die Beschaffungsstrategien als auch die Beschaffungsfunktionen variieren im Zeitablauf sowohl qualitativ als auch quantitativ. Folgerichtig müssen stets sowohl Informationen über ihre Ausprägung als auch über ihre Wirkung bereitgestellt werden. Zur wertmäßigen Überprüfung der Beschaffungsfunktionen sind ferner geeignete Schnittstellen zum Controlling bzw. Rechnungswesen herzustellen.
2.6.2
Beschaffungsinformationen
Ein strategisches Informationsmanagement hat zur Lösung schlechtstrukturierter Beschaffungscontrollingprobleme ein interaktives Mensch-Maschine-System zur Verfügung zu stellen. Durch die Übertragung der Beschaffungscontrollingaufgaben auf verschiedene Informationsverarbeitungssysteme soll ein effizienter Entscheidungsprozess gewährleistet werden. Unter der Berücksichtigung des Prozesscharakters hat das Informationsmanagement Informationen anzubieten, die dazu beitragen, dass:
Diskontinuitäten auf dem Beschaffungsmarkt rechtzeitig und richtig beschrieben werden können und insbesondere schwache Beschaffungsmarktsignale auf ihren Unternehmensbezug abtastbar werden. Ziel ist es hierbei, Veränderungen sowohl auf dem Beschaffungsmarkt als auch in der relevanten Umwelt bereits zum Zeitpunkt ihres inhaltlich noch unstrukturierten Entstehens zu erfassen; Beschaffungsteilziele z.B. Risikostreuung, Kostenreduzierung nach Inhalt, Zeit und Segmentierung überprüft und eventuell korrigiert werden können. Dabei ist auch die Wirkung der Beschaffungsstrategien und Beschaffungsinstrumente zur Zielerreichung zu kontrollieren; eine Überprüfung der Beschaffungsfunktionen in quantitativer Hinsicht (insbesondere Mengen- und Zeitabweichungen) möglich wird. Darüber hinaus müssen auch die Wirtschaftlichkeit der Beschaffungsinstrumente überprüft sowie die Beschaffungsfunktionen qualitativ, d.h. inhaltlich und intensitätsmäßig, kontrolliert werden. Hierdurch soll die Koordination des Personal- und Arbeitsmitteleinsatzes durch eine ergebnis- und zielorientierte Steuerung optimiert werden; die Beschaffungsgemeinkosten verursachungsgerecht nach Einzelleistungen aufgespalten und kontrolliert werden. Ausgangspunkt bildet die Frage nach den Haupteinflussfaktoren der Kostenentstehung in den Gemeinkostenbereichen. Durch die Kontrolle und Beeinflussung dieser Kosteneinflussgrößen sollen die Gemeinkosten reduziert werden.
2.6 Beschaffungsinformationssystem
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Die Sicherstellung der Informationsversorgung beinhaltet die Forderung, dass das Beschaffungscontrolling die Bereitstellung aller im Prozess der Beschaffungsführung notwendigen Informationen mit dem erforderlichen Aktualitäts-, Genauigkeits- und Verdichtungsgrad zu gewährleisten hat. Das strategische Informationsmanagement hat somit sämtliche Phasen des Beschaffungsmarktcontrollingprozesses zu unterstützen. Die Informationen haben sich dabei stets inhaltlich am Beschaffungscontrolling zu orientieren, um den fachlichen Problembezug zu ermöglichen. Nachfolgend werden folgende Informationsarten für die Beschaffung unterschieden (vgl. Stangl 1988, S. 73): Informationen für die Bedarfsplanung, Informationen für die Ziel- und Strategieplanung, Informationen für die Marktforschungsplanung, Informationen für die Planung des Märkte- und Lieferantenportfolios, Informationen für die Instrumentalplanung und Informationen für die Kontrollplanung. Doch nicht nur der Zweck der Informationen lässt sich als Systematisierungskriterium heranziehen, sondern ebenso die Herkunft der Informationen. Damit können Informationen gleichfalls nach den Beschaffungsprozessphasen unterschieden werden, mit dem Unterschied, dass jetzt nicht wie oben der informationelle Input in die Prozessphasen, sondern der entsprechende Output betrachtet wird. Somit ergeben sich als Informationsarten:
Informationen über den Bedarf, Informationen über verfolgte Ziele und Strategien, Informationen über Beschaffungsmärkte, Informationen über das eigene Märkte- und Lieferantenportfolio, Informationen über die eingesetzten Instrumente und Informationen über Kontrollergebnisse.
Abbildung 5 zeigt die Inhalte eines Beschaffungsinformationsprogramms:
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2 Beschaffung
Marktorientiertes, strategisches Beschaffungs-Teilinformationsprogramm
Informationsprogramm der Lieferantenplanung und -kontrolle
● Marktgöße relevanter Beschaffungsmärkte
● Angebotspreise
● Marktwachstum relevanter Beschaffungsobjekte
● Rabattgewährung
● Marktanteile relevanter Beschaffungsobjekte
● Transportkonditionen
● Entwicklung der Vorratsmengen relevanter Ressourcen
● Mindestabnahmemengen
● Entwicklung des Angebotes an Substitutionseinsatzfaktoren ● Lieferzeiten ● Preisentwicklungen relevanter Beschaffungsobjekte
● Termintreue
● Entwicklung der Wettbewerbsstruktur in relevanten Beschaffungsmärkten
● Reaktionen der Lieferanten bei Eilbestellungen oder Stornierungen
● Recyclingentwicklungen
● Qualitätsniveau ● Kompensation ● Reklamationsverhalten ● Liquiditäts- und Vermögenslage der Lieferanten ● Marktstellung der Lieferanten ● Mengenanteil der Lieferanten ● Servicezeiten ● Preisnachlass ● Ausfallquote
Abb. 5:
Beschaffungsinformationsprogramm
Fragt man sich, welche Informationen generell für die Entscheidungsfindung von Interesse sind und wie sie sich zuordnen lassen, kann man drei verschiedene Kategorien charakterisieren, mit der sich der Einkäufer auseinandersetzen muss: das Beschaffungsobjekt, das er kaufen will, sowie den Markt mit Anbietern und Konkurrenten.
2.6 Beschaffungsinformationssystem
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Produktspezifische Informationen sind: Rohstoffzusammensetzung, physikalische und chemische Eigenschaften, Lagerfähigkeit, Lager- und Transportempfindlichkeit, Herstellungsverfahren. Es ist im Hinblick auf Eigenmarkt- und Vormarktaspekte wichtig, über Kenntnisse der Produktbestandteile und –eigenschaften zu verfügen. Nur so können auch Entwicklungen bezüglich der Endprodukte analysiert werden. Para-Xylol zum Beispiel, Hauptbestandteil von Polyester, erfordert Mineralölverarbeitung. Deswegen muss die Textilindustrie, um Trendänderungen im Bereich Polyesterfaser rechtzeitig erkennen zu können, auch Analyse des Erdöl- und Erdgasweltmarktes durchführen. Auch bei der Suche nach Substitutionsprodukten kommen dem Einkäufer spezifische Produktkenntnisse zugute. Eigenschaften und Funktionen der Substitute bezüglich der Verwendung im Endprodukt sind so leichter zu beurteilen (vgl. Heß 2008, S 264). Marktspezifische Informationen Vor dem Hintergrund der produktspezifischen Informationen folgt die Analyse der Marktstruktur und –entwicklung. Bei der Marktstruktur wird sowohl die eigene wie auch die Position der Anbieter und Mitnachfrager untersucht. Je nachdem, ob der Beschaffungsmarkt durch oligopolistische, monopolistische oder polypolistische Angebotsstrukturen gekennzeichnet ist, haben die Einkäufer mehr oder weniger Handlungsspielraum. Bei polypolistischen Märkten zum Beispiel, in denen der Marktpreis für alle Marktteilnehmer gleich ist, wird man versuchen, durch intensive BMF (Beschaffungsmarktforschung) die Transparenz bezüglich Qualität und Lieferbedingungen im Markt zu erhöhen, um auf dem Wege den Wettbewerb zu intensivieren und die Einflussmöglichkeiten zu vergrößern. Bei der Untersuchung der Nachfrage ist die Position der eigenen Unternehmung festzustellen. Dabei wird erkundet, wer die Nachfrager sind und wie viel Marktanteil sie besitzen. Man unterscheidet auch auf der Nachfrageseite das Nachfragemonopol, bei welchem der Einkäufer über eine starke Verhandlungsposition verfügt, das Nachfrageoligopol mit wenigen Nachfragern und das Nachfragepolypol mit geringen Einflussmöglichkeiten. Nach Feststellung der Marktstruktur ist die Marktentwicklung zu beobachten. Saisonale, konjunkturelle oder trendbedingte Marktschwankungen können sich sowohl auf Preise, Qualität, Lieferbedingungen wie auch auf die ursprüngliche Struktur der Märkte auswirken. Das ist z.B. der Fall bei trendbedingten Marktveränderungen wie technischer Fortschritt oder Rohstoffverknappung. Lieferanteninformationen Die Wahl der Lieferanten ist von erheblicher Bedeutung und Fehlentscheidungen können verheerende Folgen für das Unternehmen haben. Obwohl die Anzahl der Lieferanten in der Tendenz erheblich zurückgeht, sollte auch hier durch ABC-Analyse eine Eingrenzung vorgenommen werden und die A-Lieferanten im Mittelpunkt der beschaffungsmarktforschenden Untersuchung stehen. Informationen, die zur Beurteilung von Lieferanten benötigt werden, sind (vgl. Heß 2008, S 262):
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2 Beschaffung
technisches Leistungsangebot Produktionsprogramm, Aktualität der Fertigungsmethoden, Qualitätssicherung und –kontrolle, Know how, Innovationen, Kapazitäten, Beschaffungsprogramme und Vorlieferanten soziales Leistungsangebot
wirtschaftliches Leistungsangebot Umsatzentwicklung, Kosten- und Gewinnstruktur, Personalpolitik, Verkaufsprogramm, Marktanteil, Lieferfristen, Termintreue und Service etc.
Kooperationsbereitschaft
Länderspezifische Informationen Informationen über die unterschiedlichen Länder nehmen bei der internationalen BMF eine herausragende Stellung ein. Die BMF hat in diesem Zusammenhang vor allem die Aufgabe, durch systematische Informationsgewinnung Risiken vorzubeugen. Eine Länderstrukturanalyse beschäftigt sich dabei mit folgenden Aspekten:
Allgemeine Wirtschaftsdaten des Landes – Staatsoberhaupt, Mitglieder internationaler Wirtschaftsorganisationen, Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland/EU, technische Vorschriften/Normen, Handelsklauseln usw. Wirtschafts- und sozialpolitische Einflüsse – Sozial- und Lohnpolitik (Tarifabschlüsse, Streikgefahr), Konjunktur, Währungsund Handelspolitik, Konjunkturindikatoren (Industrieumsatz, Arbeitsmarkt, Außenhandelsvolumen, Preisindex etc.) Mentalität, Sprache, ethnologische Zusammensetzung. Diese aufgelisteten Bereiche tangieren vor allem Preis, Qualität, Quantität, Lieferantenspektrum etc. Staatspolitische Einflüsse – Kriegsverhandlungen, Versorgungsengpässe tangieren die Preisentwicklungen. Der Irankrieg z.B. verursachte enorme Preissteigerungen bei den Lieferländern und demzufolge auch bei den Mineralölkonzernen. – Enteignungen bewirken zum Teil tiefgreifende Veränderungen der Angebotsstruktur. – Supranationale Verträge. Die Informationen müssen aber auch adäquat dargestellt werden. Abbildung 6 gibt einen Überblick über die verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten:
2.6 Beschaffungsinformationssystem
Abb. 6:
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Möglichkeiten der Datendarstellung
(vgl. Stangl 1988, S. 250)
Die schriftliche Darstellung lässt sich weiter differenzieren nach dem Ausmaß ihrer Komplexität. Bei der elementaren Darstellung werden die verschiedenen Informationen mehr oder weniger getrennt voneinander dargestellt. Die Daten werden durch die Darstellung kaum zueinander in Beziehung gesetzt. Demgegenüber versucht man durch komplexe Darstellung Einzelinformationen so miteinander zu kombinieren, dass die Interpretation der dargestellten Daten im Hinblick auf den Informationsbedarf des Entscheidungsträgers schnell und exakt vollzogen werden kann.
2.6.3
Enterprise Resource Planning (ERP)
Das Enterprise Resource Planning System ist ein Baustein in der Basisstruktur von Beschaffungssystemen (vgl. Appelfelder/Buchholz 2005, S. 14). Die Entwicklung dieser Systeme begann in den 60er-Jahren und der ursprüngliche Name war „Material Requirement Planning – System“ (MRP I – System). Diese erste Generation von Planungssystemen beschränkte sich jedoch auf Mengen- und Terminplanung der benötigten Ressourcen. Die zweite Generation, bezeichnet als „Manufacturing Resource Planning – System“ (MRP II – System), wurde
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2 Beschaffung
durch die Integration der Bereiche Beschaffung, Fertigung und Lager erweitert. Durch die zusätzliche Verknüpfung mit Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen (PPS-Systeme) wurde es möglich, einen Ressourcenabgleich hinsichtlich Personal, Material und Maschinen durchzuführen. Da die Ausführung jedoch sequenziell ausgeführt wurde, waren die Daten nicht aktuell und es entstanden falsche Planungsergebnisse. Mitte der 80er-Jahre wurde das ERP-System entwickelt. Eine Erweiterung durch die Einbindung der Bereiche Rechnungswesen, Einkauf und Personalwesen komplettierte die Abbildung der innerbetrieblichen Geschäftsprozesse. Es wurde somit der gesamte Informationsfluss integriert. Die Konsolidierung dieser Daten erbrachte Vorteile für eine erfolgreiche Planung. Es bestehen konzernweit einheitliche Daten und Zugriffsmöglichkeiten, erweiterte Analyse- und Planungsmöglichkeiten mit genaueren Ergebnissen,sowie eine erhöhte Transparenz von Prozessen. Des Weiteren ist es möglich, Unternehmen ohne eigenes ERP-System in die eigene Infrastruktur zu integrieren (vgl. Wannewetsch/Nicolai 2002, S. 82). Die Problematik dieser Systeme besteht jedoch in der unternehmensinternen Darstellung und Ausführung. Das bedeutet, es gibt keine unternehmensübergreifende Planung.
2.6.4
Advanced Planning and Scheduling (APS)
Im Mittelpunkt bei diesen Systemen stehen die Planung, Optimierung und Steuerung der kompletten Beschaffungskette. Bei einem APS- System ist die Planung nicht auf das eigene Unternehmen fixiert, sondern von dem Kunden des Kunden bis hin zum Lieferanten des Lieferanten ausgeweitet. Die Vorteile dieser Systeme liegen durch den Austausch von Daten in „Echtzeit“ in einer optimalen Reaktionsfähigkeit und daraus resultierenden Optimierung des Informationsflusses über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Die verbesserten Planungsmöglichkeiten ermöglichen eine Reduzierung der Kosten sowie die Reduzierung von Transport- und Liegezeiten. Durch die simultane Planung der APS-Systeme führt immer sofort zu entsprechenden Änderungen in allen betroffenen Bereichen entlang der Versorgungskette und zu einem sofortigen Informationsfluss entlang der Versorgungskette in beide Richtungen (also zu den Lieferanten wie zu den Kunden). Kennzeichen von APS-Systemen sind:
simultane Planung, hohe Planungsgeschwindigkeit, da alle Daten und Programme hauptspeicherresident sind, Berücksichtigung von Randbedingungen und Restriktionen (Engpassorientierung) und Möglichkeit von sog. What-If-Analysen. Dabei greifen APS-Systeme im Regelfall auf Daten bereits installierter ERP-Software (z.B. SAP R/3) zurück und verarbeiten diese weiter. Eine „stand-alone“-Installation von APSSoftware ist möglich, jedoch im Regelfall wenig erfolgversprechend. Viele Toolsuiten bieten auch so genannte Cockpitmodule mit Scheduling-Systemen, die es dem Supply Chain Planner erlauben, in den aktuellen Produktionsablauf einzugreifen. Eine Änderung des Plans ist also extrem kurzfristig möglich. Auch hier gilt: entsprechende Informationen fließen sofort in beiden Richtungen der Versorgungskette weiter. Trotz der Vielzahl praktikabler Modelle und Lösungsalgorithmen zeigt sich, dass Advanced Planning an Scheduling-Systeme auf Algorithmenlösungen zwar zurückgreifen können, aber dass die vorhandenen APR-Systeme noch in vielen Bereichen die vorhandenen Optimie-
2.6 Beschaffungsinformationssystem
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rungsmöglichkeiten nicht ausschöpfen. So ergeben sich Probleme bzw. Hemmnisse für eine umfassende unternehmensübergreifende Planung dadurch, dass die vorhandenen Rechenkapazitäten durch die Komplexität der Optimierungsprogramme nicht ausreichen. Schon bei wenigen Hundert kritischen Komponenten nimmt die Berechnungszeit so enorme Ausmaße an, dass eine Optimierung der Planung bei den heutigen Rechnerpreisen nur für die kritischen Komponenten machbar ist. Darüber hinaus können die mathematischen Verfahren meist nicht mit der großen Anzahl komplexer Rahmenbedingungen umgehen. Damit werden die Modelle zu abstrakt, obwohl eine reale Produktion meist durch mehrstufige Prozesse mit mehrdimensionalen Zielsetzungen (kurze Durchlaufzeiten bei hoher Auslastung, höchster Termintreue und niedrigen Beständen) gekennzeichnet ist. Weitere Probleme ergeben sich dadurch, dass die meisten APS-Planungsmodule von deterministischen Daten ausgehen, d.h. dass alle Daten mit Sicherheit bekannt sind. In der Praxis ist dies jedoch meist nicht der Fall, weil unterwartete bzw. unvorhergesehene Ereignisse, wie z.B. Störung durch Maschinenausfälle, Erhöhung der Transportzeiten durch Staus oder durch unerwartet hohe Nachfragemengen auftreten können. Planungsprobleme unter Unsicherheit werden nur schwach unterstützt. Eine systematische, kapazitätsorientierte Planungsstruktur, die den Eigenschaften eines Supply Network gerecht wird, ist in den APS erst ansatzweise zu erkennen. Trotz einiger Defizite bieten APS-Systeme jedoch erhebliche Wettbewerbsvorteile (vor allem für global agierende Unternehmen mit mehreren Standorten) bezüglich Bestandssenkung, Kostenreduzierung, verbesserten Kundenservice durch schnelle und termingenaue Lieferung und eine deutliche Verbesserung in Planung und Auftragsabwicklung. Durch eine Weiterentwicklung der APS-Systeme können sogar Potenziale weiter ausgeschöpft werden.
2.6.5
Supplier Relationship Tools (SRM-Tools)
Unter SRM-Tools sollen diejenigen Werkzeuge verstanden werden, die über einen Browser bedient und bei der Beschaffung genutzt werden. Innerhalb des SRM-Systems ist es möglich, verschiedene Auswertungen zu erstellen und ein Monitoring durchzuführen. Dies ist notwendig, um beispielsweise Lieferanten oder Güter zu vergleichen oder nach unterschiedlichen Kriterien abzuwägen. Hier eignen sich insbesondere elektronische Kataloge. Elektronische Kataloge sind nichts anderes als elektronische Dateien, in den Produkt- und Dienstleistungsbeschreibungen an Kunden und Interessenten vermittelt werden. In elektronischen Katalogen können wenige oder auch Millionen Produkte aufgenommen werden. Neben den Produkten können auch die jeweiligen Preise oder auch zusätzliche Informationen angegeben werden. Die Qualität der Informationen hängt stark davon ab, bei welchen ECommerce-Anwendungen im elektronischen Handel der Katalog eingesetzt werden soll. In der Beschaffung sind folgende elektronische Kataloge zu unterscheiden (vgl. Piontek 2008, S. 183):
Individuelle Lieferantenkataloge Individuelle Lieferanten-Kataloge (Shop-systems) werden in der Regel durch einen Anbieter jeweils separat aufgesetzt. Kennzeichen solcher einzelnen Kataloge sind: – Die Kataloge verschiedener Anbieter sind nicht konsolidiert. – Regelbasierte Konfigurationen ermöglichen Produkte dynamisch zu konfigurieren. – Es fehlt an einer allgemeinen Geschäftssprache.
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2 Beschaffung – –
Shopsysteme unterstützen keine Genehmigungsprozesse. Shopsysteme sind nicht in das Informationssystem des Beschaffers integriert.
Desktop Purchasing-System (DPS) Kernkomponente eines DPS-Systems ist ein Multi-Lieferanten-Katalog, in dem die Daten einer großen Anzahl von Lieferanten nebeneinander konsolidiert sind. Die Artikel sind hierarchisch nach Gruppen gegliedert, so dass anhand verschiedener Kriterien die einzelnen Artikel herausgesucht werden können. Der Multi-Lieferanten-Katalog wird den Mitarbeitern über ein Intranet zur Verfügung gestellt und für einzelne Benutzer und Benutzergruppen individuell konfiguriert. Aus diesem Katalog stellen sich die Mitarbeiter je nach Bedarf einen elektronischen Warenkorb zusammen, der dann als Bestellung aufgegeben wird. Überschreitet der Warenkorb die vom Zentraleinkauf vordefinierten Regeln wie z.B. das Budget, wird automatisch ein elektronisches Genehmigungsverfahren ausgelöst. Nach der Genehmigung der Bestellung wird diese an den Lieferanten weitergeleitet. Der Schlüsselfaktor für den erfolgreichen Betrieb einer E-Procurement-Architektur ist die Art und Weise, wie das eigene System mit externen Systemen und Geschäftsprozessen integriert ist. DPS haben folgende Vorteile: – DPS-Systeme ermöglichen unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche den Zugriff auf alle relevanten Anbieterinformationen. – DPS-Systeme sind in das ERP-System des Beschaffers integrierbar. – DPS-Systeme werden vom Beschaffer implementiert. – Sämtliche Beschaffungsprozesse werden unterstützt. – Genehmigungsworkflow (Genehmigungsinstanzen werden per E-Mail informiert). – Eine Reihenfolge der gefundenen Angebote entsprechend der Beschaffungsziele wird erstellt. – Dynamische Preisfindung über Auktionen und Ausschreibungen. – Verfügbarkeitsprüfung, Lagerbestände und Preis in Echtzeit.
Broker-Systeme Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass der E-Katalog bei einem Content-Provider liegt. Die angebotenen Dienstleistungen von Content-Providern lassen sich in zwei Bereiche aufteilen: – Content-Broking – Beim Content-Broking findet ein komplettes Outsourcing der gesamten Katalogpflege statt. Der Content-Broker entscheidet darüber, welche Lieferanten im MSPC aufgenommen werden. Z.B. bietet Commerce One die Dienstleistung eines ContentBrokers in Zusammenhang mit seinem Marktplatz an. Die Bezahlung erfolgt dann pro Transaktion. – Content-Service – Der Dienstleister füllt den MSPC mit den Daten und stellt dann dem beschaffenden Unternehmen diese zur Verfügung. Beim Content-Service findet vor allem die Aggregation und die Verbesserung der Datenqualität statt (vgl. Hentrich 2001, S. 59).
2.6 Beschaffungsinformationssystem
43
Content-Manager bieten folgende Leistungen an:
Einspielen und Freigabe eines E-Katalogs, Automatisierung der Katalog-Updates, Überführung der Daten in ein E-Katalogformat und Klassifizierung der Produkte und Dienstleistungen.
Ein weiteres Tool der Beschaffung ist das „Electronic Request for X“. Diese Art der Beschaffung wurde entwickelt, um die Transaktionskosten einzusparen und die Einkaufsabteilung von diesen Prozessen auszunehmen und zu entlasten. Unter elektronischen Ausschreibungen (eRFx) versteht man die elektronische Unterstützung von RFI (Request for Information/Leistungsanfrage), RFG- (Request for Quotation/Preisanfrage) und RFP-(Request for Proposal/Aufforderung zur Angebotsabgabe) Prozessen. Die herkömmlichen, teilweise zeitintensiven Abläufe im Einkauf, wie z.B. das Spezifieren der Evaluationskriterien, können durch die Verwendung von spezialisierten Software-Applikationen effizienter gestaltet werden und ermögliche so eine wesentliche Reduzierung der Durchlaufzeiten. Zur aktiven Überwachung der Versorgung sowie zum kollaborativen Management von Versorgungsstörungen eignen sich Supply Chain Management Systeme (SCEM). Das SCEM dient der Überwachung und Bewertung von Abläufen und Prozesse. Abweichungen zwischen Planung und Ausführung von logistischen Prozessen sowie Störungen und Ausnahmesituationen werden ereignisgesteuert transparent gemacht (vgl. Arnold et al. 2008, S. 480). Im bestmöglichen Fall kann das System auch Handlungsoptionen entscheidungsunterstützend zum Einleiten von Korrekturen vorschlagen. Im SCEM-System sind Standardprozesse hinterlegt, die ständig mit aktualisierten Meldungen einer Sendung oder eine Auftrages abgeglichen werden. Kommt es zu Differenzen zwischen Soll- und Ist-Ereignissen, meldet dies das System an den Benutzer. Die Grundlagen des SCEM basieren auf etablierte, im Einsatz befindliche Technologien wie dem „Management of Exception“, „Ereignisorientierte Planung“ und „Training and Tracking“ (vgl. Spengler et al. 2004, S. 180ff.)
Management by Exception Bei dieser Führungsmethode werden die Kontroll- und Steuerungsaktivitäten eines Managers nur in außergewöhnlichen Situationen, oder wenn unerwartete Ereignisse innerhalb des Prozesses auftreten, beansprucht. Dafür bestehen definierte Vorgehensweisen. Diese Vorgehensweisen strukturieren die Identifizierten, Bewerteten und gemeldeten Events in Form von definierten Aktivitäten. So das eine effiziente Bearbeitung von Störfällen ermöglicht wird.
Ereignisorientierte Planung Bei der ereignisorientierten Planung werden kritische Events erkannt. Dann findet eine vollständige Neuplanung statt. Diese Neuplanung erfolgt unter den zu diesem Zeitpunkt geltenden Restriktionen und Zielgrößen.
Training and Tracking (T&T) Das T&T kann für das SCEM sowohl als konzeptionelle wie auch als technologische Grundlage gesehen werden. Hier werden die zu transportierenden logistischen Einheiten mit einem Informationssystem verbunden. Tracking ist die Verfolgung von logistischen Einheiten in einem Wertschöpfungsprozess, so dass die Position der entsprechenden
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2 Beschaffung
Leistungsobjekte identifiziert werden können. Das Tracking ermöglicht die Rückverfolgung des Weges, den eine logistische Einheit genommen hat. Anhand von fünf Grundfunktionen konkretisiert sich die operative Transparenz, die das SCEM zu erfüllen hat. 1. Monitor: Der Status von Beständen, Aufträgen und Lieferungen wird erfasst und mit dem Soll-Zustand abgeglichen. 2. Notify: Wenn ein Event erkannt wird, sind in Abhängigkeit von dem Typus des Events die Prozessverantwortlichen automatisch zu informieren. 3. Simulate: Es werden durch Simulationen verschieden Handlungsalternativen geprüft und bewertet, um auf ein Event reagieren zu können. 4. Control: Eine Umsetzung erfolgt, nachdem eine Handlungsalternative ausgewählt ist. 5. Measure: Bestimmte Performance-Indikatoren lassen sich erheben und anwenderspezifisch aufbereiten, um eine Leistungskontrolle zu erzielen. Diese Funktion stellt eine wichtige Schnittstelle zwischen der Logistik und dem Performance-Management dar.
3
Beschaffungscontrolling
Das Beschaffungscontrolling ist ein Subsystem des Beschaffungsmanagements, das eine zukünftige engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung ermöglichen soll. Durch die beratende Unterstützung der Beschaffung sollen rationale Entscheidungen sichergestellt werden und so die Reaktionsfähigkeit und Adaptionsfähigkeit erhöhen (vgl. Gleich/Henke 2010, S. 32). Das Beschaffungscontrolling richtet sich an den Bedürfnissen der Beschaffung aus, indem es durch Informationsversorgung und Unterstützung bei Entscheidungsprozessen zur effizienten Versorgung des Unternehmens beiträgt. Durch Planung, Kontrolle und Informationsversorgung sollen Chancen und Risiken frühzeitig erkannt werden und ein aktiver Steuerungsprozess ermöglicht werden. Die Ziele des Beschaffungscontrolling lassen sich in direkte und indirekte Ziele unterscheiden. Die direkten Ziele umfassen die Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktions- und Adaptionsfähigkeit des Beschaffungsmanagements, damit dieses in der Lage ist, die Unternehmensziele zu realisieren. Die indirekten Ziele stellen den erwünschten Zustand dar, der durch Controlling erreicht werden soll (vgl. Gleich/Henke 2010, S. 32). Die indirekten Ziele des Beschaffungscontrolling sind mit den Zielen der Beschaffung weitestgehend deckungsgleich: Beschaffungskosten senken, Beschaffungsqualität erhöhen, Beschaffungszeit senken, Beschaffungsrisiko senken, Beschaffungsflexibilität erhöhen, Beschaffungsautonomie optimieren und gemeinwohlorientierte Beschaffungsziele verfolgen. Die Aufgaben des Beschaffungscontrolling:
Unterstützung der strategischen und operativen Beschaffungsplanung, Umsetzung der strategischen und operativen Planung, Beratung beim Instrumenteneinsatz des Beschaffungscontrolling, Aufbau und Realisierung der strategischen und operativen Beschaffungskontrolle und Informationsversorgung durch Aufbau eines Beschaffungsinformationssystems
Die Anforderungen an ein sowohl markt- als auch betriebsorientiertes Beschaffungscontrolling hat Hammann (vgl. Hammann 1990, S. 131) hervorgehoben:
Zur Beurteilung der Beschaffungswirtschaftlichkeit ist eine weitgehende Quantifizierung wünschenswert, jedoch nicht unabdingbar notwendig. Eine Notwendigkeit der Quantifizierung wird sich insbesondere dort begründen lassen, wo die unmittelbare Erfolgswirksamkeit beschaffungswirtschaftlicher Aktivitäten nachzuweisen ist.
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3 Beschaffungscontrolling
Diejenigen Beschaffungsvorgänge, die oder deren Elemente sich einer Quantifizierung entziehen, müssen zur Beurteilung ihrer Effizienz zumindest operationalisiert werden, d.h. wenigstens einer Variablenmessung auf nicht-metrischem Niveau zugänglich gemacht werden. Beurteilungen der Beschaffungswirtschaftlichkeit verlangen eine Aufhebung der Trennung von Investition und Materialwirtschaft im herkömmlichen Begriffssinn. Diejenigen Beschaffungen, die nicht bedarfssynchron getätigt werden (können), müssen als Investition oder unmittelbare Kostenwirksamkeit (allerdings mit unmittelbarer Liquiditätswirksamkeit) behandelt werden. Die Analyse der Beschaffungswirtschaftlichkeit erfordert eine mehrperiodige Sicht, wenn Bewirtschaftungsverläufe bei Beschaffungsgütern (d.h. ein verzögerter oder verteilter Nutzungsverlauf) zu beobachten sind. Bei Anlagegütern findet dies regelmäßig Beachtung, bei anderen Gütern nicht. Die Beschaffungstätigkeit ist gekennzeichnet durch die Erbringung bzw. Inanspruchnahme von zahlreichen Dienstleistungen für andere Unternehmensbereiche. So sind die Kosten des (in indirekten Bereichen, z.B. im Lager) gebundenen Kapitals als Kosten selbst erbrachter Finanzdienstleistungen (des Finanzbereiches für den Beschaffungssektor) zu berücksichtigen. Ihre kostenrechnerische Behandlung hat analog zu derjenigen zu erfolgen, die üblicherweise für die Verrechnung der Kosten innerbetrieblicher Leistungen gelten. Die Kontrolle der Beschaffungswirtschaftlichkeit bedarf nicht nur –wie bisher überwiegend – einer strategischen, sondern auch einer operativen, in erster Linie funktionalen Ausrichtung. Dies gilt nicht nur für die Kontrolle qualitativer Variablen der Beschaffungstätigkeit, sondern auch für die quantitativen Kenngrößen (z.B. Kosten). Die Kontrolle muss sich aus Wirtschaftlichkeitsgründen auf wenige, relevante Teilfunktionen beschränken. Dies macht eine ABC-Analyse der Beschaffungsfunktionen bezüglich ihrer Zielrelevanz erforderlich. Folgende Bausteine sind durch das Beschaffungscontrolling (siehe Abbildung 7) zur Versorgung der Beschaffungsführung mit strategischen und operativen bzw. beschaffungsmarktund unternehmensorientierten Informationen zu entwickeln:
Beschaffungs-Frühaufklärungssystem, Beschaffungsmarktforschung, Beschaffungs-Kosten-und Leistungsrechnung, Beschaffungskostensenkungsprogramme, Beschaffungsbudgets, Beschaffungsinformationssystem, Monitoring-Systeme, Lieferantenbewertungssystem, Plan- und Kontrollservice und Reportingsystem.
2.6 Beschaffungsinformationssystem
Abb. 7:
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Aufbau des Beschaffungs-Controlling-Bereichs
Die informatorische Fundierung der strategischen Beschaffungsplanung und –kontrolle sichert das Beschaffungscontrolling durch die Entwicklung eines Beschaffungs-Frühaufklärungssystems. Ein solches Frühaufklärungssystem stellt ein spezifisches Informationsversorgungssytem dar, das mit zeitlichem Vorlauf solche strategischen Unternehmungs- und Umweltentwicklungen signalisiert, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreffen und deren Wirkungen eine hohe Bedeutung für die Beschaffung haben. Neben dem Beschaffungs-Frühaufklärungssystem zur informatorischen Unterstützung der strategischenBeschaffungsplanung und –kontrolle ist als weiterer zu gestaltender Baustein die Beschaffungsmarktforschung zu nennen. Die Beschaffungsmarktforschung beinhaltet die Gesamtheit der systematisch-methodischen Tätigkeiten der Informationssuche, -gewinnung und –aufbereitung, die auf die Versorgung der Unternehmung mit Informationen über die Beschaffungsmärkte gewährleistet, wodurch eine operative Beschaffungsplanung und – kontrolle ermöglicht wird. Der dritte Baustein – die Ausgestaltung der beschaffungswirtschaftlichen Kosten- und Leistungsrechnung durch das Beschaffungscontrolling – hat zu gewährleisten, dass entscheidungsrelevante Abhängigkeiten bestimmter Beschaffungskosten von spezifischen Beschaffungsleistungen adäquat abgebildet werden, was die Notwendigkeit einer differenzierten Erfassung und Zurechnung beschaffungswirtschaftlicher Kosten und Leistungen in der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung impliziert. Der vierte Baustein entwickelt Kostensenkungsprogramme, um die Beschaffungskosten zu senken. Der fünfte Baustein „Beschaffungsbudget“ errechnet Kostenpläne- und vorgaben, um die verschiedenen Bereiche der Beschaffung zu budgetieren. Die dabei gesetzten Plan- bzw. Sollkosten sollen nicht überstiegen werden. Der sechste Baustein „Beschaffungsinformationssystem“ soll die Beschaffungsvorgänge transparent gestalten und die Beschaffungsaufgaben mit Informationen versorgen. Der siebte Baustein „Lieferantenbewertungssystem“ soll die Lieferantenpotentiale erkunden und überwachen.
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3 Beschaffungscontrolling
Der achte Baustein „Beschaffungsreporting“ soll dem Beschaffer ein zielgerichtetes Berichtssystem mit entscheidungsrelevanten Kennzahlen liefern. Im neunten Baustein „Monitoring“, sollen die Lieferanten zeitnah vor Ort überwacht werden. Der zehnte Baustein, der „Planung- und Kontrollservice“ dient zur Abstimmung mit den anderen Controllingbereichen und ist dementsprechend ein Schnittstellensystem. Bei der Entwicklung eines Beschaffungscontrolling wird eine ganzheitliche Betrachtung der Beschaffung angestrebt (siehe Abbildung 8). Kaluza legt einen Ansatz für ein Beschaffungscontrolling vor, der operative und strategische Aspekte verbindet. Beschaffungsplanung, steuerung, -kontrolle und –informationsversorgung bilden die Gestaltungsfelder, die durch das Beschaffungscontrolling unterstützt werden sollen. In jedem Gestaltungsfeld sollen folgende Controllingfelder auf ihr Erfolgsbeitragspotenzial hin untersucht werden: Beschaffungsobjekt, -quellen, -strukturen und –prozesse. Die Controllingfelder stellen sicher, dass die Aktivitäten auf die wesentlichen Aufgaben der Beschaffung ausgerichtet sind. Das Kernziel aller Aktivitäten ist es, durch Beschaffungserfolge das Unternehmensergebnis zu optimieren (vgl. Kaluza 2007, S. 154ff.).
Abb. 8:
Modell eines Beschaffungscontrolling
3.1 Funktionen des Beschaffungscontrolling
3.1
Funktionen des Beschaffungscontrolling
3.1.1
Strategische Funktionen
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Die Zunahme von Komplexität, Dynamik und vor allem Diskontinuität fordert heutige Unternehmen nicht nur auf den Absatzmärkten, sondern in zunehmendem Maße auch auf den Beschaffungsmärkten. Die zunehmende Dynamik und Diskontinuität der Beschaffungsmärkte wird dabei durch eine immer schnellere Veränderung der Makro- und Mikro-Umwelt der Beschaffungsmärkte verursacht. Die Folge ist, dass der Entscheidungsträger im Beschaffungsbereich in immer kürzer werdenden Abständen mit wechselnden Umweltbedingungen konfrontiert wird, z.B. durch die Öffnung des Handelsverkehrs mit den ehemaligen sozialistischen Staaten, den Aufstieg von Entwicklungsländern zu industriellen Erzeugerländern und umweltschonenden Knappheitserscheinungen. Das für das Beschaffungsmarketing charakteristische Entscheidungsproblem manifestiert sich aber auch verstärkt in der Mikro-Umwelt. Während bei der Betrachtung der entscheidungsrelevanten Komponenten der Makro-Umwelt unternehmensspezifische Besonderheiten eine eher untergeordnete Rolle spielen, sind situative Unternehmensmerkmale für eine Analyse der unmittelbaren Interaktionsbeziehungen mit den Marktteilnehmern von größerer Wichtigkeit. So sind zur Entscheidungsfindung in der Mikro-Umwelt als Marktteilnehmer die potentiellen Lieferanten, die Nachfragekonkurrenz, die Spediteure und die Beschaffungshelfer zu berücksichtigen. Die Folge der angedeuteten Entwicklungen sind vermehrte Koordinations-, Informationsund Anpassungsprobleme im Beschaffungsbereich, die durch die Entwicklung eines geeigneten Beschaffungscontrolling gelöst werden sollen. Wie für das Unternehmenscontrolling müssen auch für das Beschaffungscontrolling geeignete Ziele definiert werden. Als oberste direkte Ziele des Beschaffungscontrolling dienen (vgl. Friedl 1990, S. 100): die Koordination des Beschaffungsführung und die Sicherstellung der Informationsversorgung der Beschaffungsführung. Während das Koordinationsziel sich mit bereichsübergreifenden sowie bereichsinternen Abstimmungen befasst, beinhaltet die Informationsversorgung die Bereitstellung aller im Prozess der Beschaffungsführung notwendigen Informationen. Ein solches Beschaffungscontrolling kann zweckmäßigerweise nur durch ein Informationsmanagement gewährleistet werden, dass nicht durch ein starres Informationssuch- und Aufbereitungssystem realisiert worden ist, sondern durch ein interaktives, in seiner Besonderheit noch nicht beschnittenes, Such- und Lernprozessverhalten gekennzeichnet ist. Die Sicherstellung der Informationsversorgung der Beschaffungsführung als direktes Ziel des Beschaffungscontrolling erfordert die Bereitstellung aller im Prozess der Beschaffungsführung notwendigen Informationen mit dem erforderlichen Aktualitäts-, Genauigkeits- und Verdichtungsgrad sowie der zur Auswertung der bereitgestellten Informationen notwendigen Methoden und Modelle. Als indirekte Ziele des Beschaffungscontrolling dienen Erfolgsziele, Liquiditätsziele, soziale Beschaffungsziele und ökologische Beschaffungsziele. Alle Beschaffungsziele können auch als indirekte Ziele des Beschaffungscontrolling angesehen werden (vgl. Friedl 1990, S. 104). Strategisches Beschaffungscontrolling bedeutet, dass systematisch zukünftige Chancen und Risiken auf dem Beschaffungsmarkt und seinem Umfeld erkannt und beobachtet werden.
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3 Beschaffungscontrolling
Daraus ergeben sich als wesentliche Aufgaben des strategischen Beschaffungscontrolling, die Durchführung und Realisation der Beschaffungsstrategien zu steuern und zu kontrollieren:
Initiierung des strategischen Leitbildes der Beschaffung, Anfertigung einer Stärken-Schwächen-Analyse der Beschaffungspotentiale, Entwicklung strategischer Beschaffungsziele, Institutionalisierung des strategischen Soll-Ist-Vergleichs und Vorbereitung von Steuermaßnahmen für Zielabweichungen.
3.1.2
Operative Funktionen
3.1.2.1 Planungsfunktion Die Planungsfunktion stellt eine der fundamentalen Aufgaben des Beschaffungscontrolling dar. Für den Kosteneinsatz des Materialanteils muss der Einkauf sowohl hinsichtlich der Mengen- als auch der Werteplanung seinen Beitrag zur Budgeterstellung der Gesamtunternehmung leisten. Aus der Planung des Produktionsprogrammes eines Unternehmens für die nächste Periode als Erfahrungswerte ergeben sich für die Beschaffung die Basisplandaten hinsichtlich des zu deckenden Materialbedarfs (vgl. Wildemann 2010, S. 52 – 56). Verschiedene Faktoren beeinflussen die Daten, die zur Planerstellung benötigt werden. Außer den Planvorgaben des Vertriebes, die möglicherweise einen höheren oder niedrigeren Absatz vorsehen, können auch Veränderungen in der Produktstruktur oder des Produktmixes den benötigten Materialbedarf verändern. Eine Veränderung des Produktmixes wirkt sich auf den Materialeinsatz aus, wenn diejenigen Produkte stärker wachsen, deren Materialanteil an den Produktkosten entsprechend höher liegen oder ein neues Produkt in die Produktpalette aufgenommen wird. Eine Veränderung des Materialanteils aufgrund von Änderungen in der Produktstruktur kann durch technologische Entwicklungen entstehen, die sich in neuen Produktgenerationen mit höheren Materialanteilen widerspiegeln. Neben den genannten Einflüssen müssen auch wertmäßige Einflussfaktoren bei der Planung berücksichtigt werden. Dabei sind Einflüsse der Unternehmensumwelt auf die Materialpreisentwicklung in die Planung einzubeziehen. Als solche sind weltwirtschaftliche, volkswirtschaftliche sowie branchenspezifische Einflüsse bzw. Entwicklungen zu nennen, die sich in den Materialpreisen niederschlagen. So sind, z.B. Preisvorstellungen von Lieferanten für das Planjahr bereits zu Jahresbeginn in die Budgetberechnung einzubeziehen. Diese Preisvorstellungen können jedoch nur als vorläufige Daten in die Planung eingehen, da die Vorabaussagen der Lieferanten einen Teil ihrer Preispolitik darstellen und durch noch anstehende Tarifabschlüsse beeinflusst werden können. Dadurch wird deutlich, dass eine einmalige Planerstellung keineswegs ausreicht, sondern die Plandaten kontinuierlich überwacht und angepasst werden müssen. Auf die Materialpreisveränderungsrechnung als EinkaufscontrollingInstrument wird später noch eingegangen. Ein weiterer Faktor, der in die Materialkostenplanung eingehen muss, ist die Planung von Kostensenkungsaktivitäten. Sie dienen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und zur Sicherung seines Fortbestandes. Es ist unter den heutigen Wettbewerbsverhältnissen der meisten Wirtschaftszweige nur noch selten möglich, die auf das Unternehmen zukommenden Kostensteigerungen einfach auf die Verkaufspreise abzuschieben.
3.1 Funktionen des Beschaffungscontrolling
51
Somit ist es notwendig, Kostensteigerungen zumindest teilweise durch Kostensenkungsmaßnahmen aufzufangen. Solche Maßnahmen sind z.B. die Rationalisierung des Materialeinsatzes, Wertanalysen für Eigenfertigungsteile bzw. Kaufteile sowie Kauferfolge des Einkaufsmanagements. Für Kaluza umfasst die Planungsfunktion als nur Informationen für das Gesamtbudget des Unternehmens zur Verfügung zu stellen. Ein Beschaffungscontrolling unterstützt die Planung, indem sie an der Strategieentwicklung teilnimmt. Dies geschieht dadurch, dass zunächst die Ausgangssituation erfasst und bewertet wird. Anhand eines Best Practice Checks können eigene Stärken und Schwächen überprüft werden. Mit einer Einkaufspotenzialanalyse können z.B. Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen aufgezeigt werden. Daraus abgeleitet leiten sich Beschaffungsziele ab und die entsprechende Beschaffungsstrategie (vgl. Kaluza 2007, S. 175ff.). 3.1.2.2 Kontrollfunktion Einen weiteren Bereich des Beschaffungscontrolling stellt die analytische Aufgabenkomponente dar. Die Analyse, mit denen sich das Controlling im Einkauf zu beschäftigen hat, bezieht sich auf zwei übergeordnete Bereiche. Zum einen auf einen Bereich, den das Unternehmen nicht oder nur bedingt beeinflussen kann und zum anderen den Bereich, auf den es direkten Einfluss hat. Der erste Bereich umfasst die Entwicklungen auf den Beschaffungsmärkten, der zweite die innerbetrieblichen Entscheidungen und Vorgänge, die Auswirkungen auf die Kostenstrukturen der Beschaffung haben. Die Beobachtung der Beschaffungsmärkte ist eine wichtige Teilaufgabe der Beschaffungsführung. Sie ist nicht nur punktual, sondern permanent zu verfolgen, damit die Entwicklungstendenzen und die voraussichtliche Situation der Beschaffungsmärkte im Ablauf der Planperiode eingeschätzt und in die Planerstellung einbezogen werden können. Die Analyse des Beschaffungsmarktes betrifft sowohl die Erfassung der weltwirtschaftlichen, der volkswirtschaftlichen und der branchenspezifischen Daten als auch die Erfassung von produktspezifischen Entwicklungstendenzen bei der Konkurrenz (vgl. Bornemann 1987, S. 55). Ziel der Analyse von Wirtschaftsdaten ist es, Erkenntnisse über den konjunkturellen Trend, die Entwicklung der Beschäftigungssituation, der Geldwertstabilität und Preisniveaus sowie über die zukünftige Tarifabschlüsse zu erhalten, da diese Faktoren Einfluss auf die Versorgungssicherheit und die Preisentwicklung haben. Neben der allgemeinen Entwicklung der Beschaffungsmärkte sind auch die branchenspezifischen Entwicklungstendenzen von Interesse, da sie einen entscheidenden Einfluss auf Angebot und Nachfrage und damit auch auf die Preisbildung für den eigenen Materialbedarf haben. Unter innerbetrieblichen Entscheidungen sind Änderungen in der Produktstruktur bzw. des Produktmixes zu verstehen. Sie wirken sich auf den Materialbedarf und damit auf die Höhe der Materialkosten aus und sind somit ebenfalls zu analysieren. Zu den innerbetrieblichen kostenwirksamen Entwicklungen zählen auch Änderungen in der institutionellen Struktur der Beschaffungsabteilung. Um nicht von einer unerwünschten Kostenentwicklung überrascht zu werden, ist eine laufende Beobachtung der Kostenstruktur notwendig. Damit eine Veränderung in der Kostenentwicklung überhaupt festgestellt werden kann, müssen im Laufe des Geschäftsjahres in regelmäßigen Abständen Abweichungsanalysen durchgeführt werden. Regelmäßig deshalb, weil es bei einer einmaligen Abweichungsanalyse am Ende des Plan- bzw. Geschäftsjahres
52
3 Beschaffungscontrolling
zu spät wäre, um auf die Kostenentwicklung während dieses Jahres einzuwirken. Deshalb werden die Analysen in der Regel jeden Monat, sobald die aktuellen Daten aus dem Rechnungswesen vorliegen, durchgeführt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass auch die Plandaten nach Monaten vorliegen. Eine weitere Aufgabe der Beschaffungskontrolle ist die Überprüfung der Zielsetzungen und der Zielerreichung. Als Basis für die Kontrolle sind externe und interne Analysen notwendig. Die Kontrollfunktion kann dabei auf drei Ebenen durchgeführt werden (vgl. Kaluza 2007, S. 166–170; Wildemann 2010, S. 62): Prämissenkontrolle mit dem Ziel, Plandaten anzupassen, Umsetzungskontrolle, um den Ausarbeitungsgrad der Strategie zu verfolgen, Erfolgskontrolle, um die Erfolgswirkung der Maßnahmen zu messen. Es geht also darum, eingetretene oder zu erwartende Abweichungen zwischen Soll und Ist möglichst früh zu erfassen und zu analysieren. 3.1.2.3 Informationsfunktion Die Informationskomponente des Beschaffungscontrolling dient vor allem dem Management als Informationsinstrument. Um das Management über das Geschehen im wichtigsten Kostenblock des industriellen Unternehmens, den Materialkosten, zu unterrichten, sind differenzierte und konkrete Aussagen als Grundlage für Managemententscheidungen notwendig (vgl. Kaluza 2007, S. 174). Außer dem Management dient die Informationskomponente dem Einkauf zur Beurteilung der eigenen Leistungsfähigkeit und zur Überwachung und Überprüfung von Zielerreichung bzw. Zielverfehlung. Durch eine regelmäßige Berichterstattung soll der Informationsfluss gewährleistet werden. Dazu ist die monatliche Erstellung eines Berichtes notwendig, damit die tatsächlichen Entwicklungen im Planungszeitraum möglichst konkret und schnell den entsprechenden Stellen mitgeteilt werden können. Denn Entscheidungen zur Beeinflussung der zukünftigen Entwicklung werden umso erfolgreicher sein, je näher von an dem Vorgang einsetzen, über dessen Auswirkungen berichtet wird. Die Informationen, die dieser Bericht enthält, dürfen nicht zu detailliert ausfallen, d.h. er darf nicht einfach eine Zusammenfassung aller erarbeiteten Daten darstellen. Vielmehr müssen sich die Informationen auf die Daten beschränken, die einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung bis zum jeweiligen Berichtszeitpunkt hatten und auf die zukünftige Entwicklung haben werden (vgl. Stark 1991, S. 19–21; Reinschmidt 1989, S. 19–21). Um den Einfluss auf die zukünftige Entwicklung darzustellen, muss eine Prognose der tatsächlichen Entwicklung im Planjahr auf das Jahresende durchgeführt werden. Diese unmittelbare und auf wesentliche Daten beschränkte Berichterstattung dient nicht nur zur Entscheidungsfindung im laufenden Geschäftsjahr, sondern ebenso als Grundlage für zukünftige Zielvorgaben im nächsten Planungsschritt. Eine effiziente Erfüllung der Informationsfunktion setzt eine sinnvolle Ausgestaltung der Berichte voraus. Deshalb erscheint z.B. eine Klassifikation der Materialien nach ihrer Bedeutung logisch, um den Materialzugang getrennt nach Materialgruppen einzuteilen. So werden die Entwicklungstendenzen der verschiedenen Materialgruppen bzw. –positionen deutlich. Des Weiteren ist die Wirkung von Planabweichungen durch Hochrechnung auf das Jahresende und ein damit möglicher Vergleich mit dem geplanten Budget sinnvoll. Eine solche Darstellung setzt eine intensive Auseinandersetzung mit den Plan- und Istzahlen voraus. Dane-
3.1 Funktionen des Beschaffungscontrolling
53
ben sind noch Informationen über besondere Vorkommnisse von Bedeutung, so z.B. über Qualitätsprobleme der gelieferten Materialien, Terminschwierigkeiten bei der Zulieferung und damit Probleme der Versorgungssicherung. Die vorangegangenen Ausführungen über die Ausgestaltung der Berichte stellt nur einen Teil der Informationskomponente des Einkaufscontrolling dar. Neben der reinen Dokumentation des Einkaufsgeschehens muss die Berichterstattung noch eine detaillierte Aufgliederung beeinflussbarer Ursachen für die Abweichungen des Mengen- und Werteeinsatzes gegenüber dem geplanten Materialkosteneinsatz sowie die Zuordnung der Abweichungsursachen zu den Bestandteilen der Abweichungsanalyse liefern (siehe Abbildung 9).
Abweichungsanalyse Mengen- und Werteabweichung Materialgruppe 1 Materialgruppe 2 Materialgruppe 3 Materialgruppe 4 Materialgruppe 5 usw. Kostensenkungsaktivitäten
Abweichung
Juni 1986 Gründe Vol.-Ander. Verteuerung Kostensenkung
Plan
Ist
Abweichung
Rationalisierung Wertanalysen Einkaufserfolge / Summe Abb. 9:
Abweichungsanalyse zur Materialbeschaffung
(vgl. Bornemann 1987. S.78)
Bei der Informationsversorgung geht es nicht darum, möglichst viele Informationen darzustellen, sondern sie zielgerichtet aufzubereiten, aktuell, genau und komprimiert. Informationen sollten Plan- und Ist-Zahlen aufzeigen sowie besonderen Ereignissen erwähnen, wie z.B. Liefer- oder Qualitätsprobleme bei bestimmten Produkten. Damit werden Entwicklungen, Ergebnisse und Einflüsse durch die Informationsversorgung transparent gemacht. Die Anforderungen an eine adäquate Informationsversorgung sind vielfältig. Dabei geht es vorrangig darum, ein Berichtswesen mit Kennzahlen zu erstellen zu: Beschaffungsmarktforschung, Beschaffungsfrüherkennung, Beschaffungskosten- und leistungsrechnung und Lieferantenbewertung. Übergreifend gilt es, den Informationsbedarf zu ermitteln, das Angebot an quantitativen und qualitativen Informationen zu definieren sowie Bedarf, Angebot und Nachfrage zu harmonisieren. Informationstermine, Empfänger, Kommunikationswege und Darstellung müssen festgelegt werden (vgl. Kaluza 2007, S. 172f.).
54
3 Beschaffungscontrolling
3.1.2.4 Koordinationsfunktion Die Koordinationsfunktion des Beschaffungscontrolling besteht in der inhaltlichen Abstimmung der Beschaffungstätigkeiten sowie der Sicherstellung einer terminlich und organisatorisch abgestimmten Durchführung der Einzelaktivitäten im Einkauf. Sie beginnt mit der Erstellung von Terminplänen zur Koordination des Ablaufs in Planung, Kontrolle und Berichterstattung. Durch eine einheitliche Koordination der Einkaufsplanung soll sichergestellt werden, dass die zwischen den einzelnen Plänen bestehenden sachlichen, zeitlichen und hierarchischen Interdependenzen in den Planinhalten Berücksichtigung finden. Die formale Koordination bezweckt dagegen die Erstellung der einzelnen Teilpläne nach einheitlichen Kriterien, während die zeitliche Koordination die zeitliche Abstimmung der einzelnen Teilpläne zum Gegenstand hat. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen Planung und Kontrolle ist neben der Planung auch die Koordination der Kontrolle sowie die Koordination zwischen Planung und Kontrolle notwendig. Im Rahmen der Berichterstattung sichert die Koordination eine geregelte Verteilung der relevanten Informationen auf die zuständigen Stellen und den Informationsaustausch der Mitarbeiter untereinander. Denn je stärker die Arbeitsteilung der Beschaffung ist und je stärker die einzelnen Aufgaben in Teilaufgaben zergliedert sind, umso größer ist der Bedarf der Abstimmung der einzelnen Prozesse. Die Koordination der qualitativen Funktionsverteilung erfordert vor allem dort die Entwicklung von Vorgaben (oder Standards), wo es um die Prüfung der intensitätsmäßigen Erfüllung geht. Zu diesem Zweck müssen gemeinsam mit den im Beschaffungsbereich Verantwortlichen und unmittelbar Betroffenen geeignete Maßstäbe für funktionales Handeln entwickelt werden. Sie korrespondieren mit den in Arbeitsplatzbeschreibungen niedergelegten Tätigkeiten und deren Anforderungen an Fachkenntnisse, geistige Voraussetzungen und Erfahrungen. Die Vorgaben können sich dabei auf die Funktion und/oder den (die) einzelnen Beschäftige(n) beziehen. Die nachfolgenden Beispiele (in Abbildung 10 und 11) verdeutlichen unter Rückgriff auf ein Punktbewertungsverfahren die verschiedenen Ansatzpunkte.
3.1 Funktionen des Beschaffungscontrolling
55
Funktionsspiegel Abteilung/Bereich:
Funktionsträher: Funktionsbezeichnung
Beschaffungsaufgabe:
Funktionseinflussgrößen
Beschaffungsvolumen (GE) Beschaffungsvolumen (ME) Marktstabilität technische Kenntnisse Lieferantenkontakte interne Kontakte Lieferantenanzahl Zahl der Produktlinien Bestellhäufigkeit ausländische Lieferquellen • • Funktionsbewertung Anmerkungen: Abb. 10: Funktionsspiegel (vgl. Hammann 1990, S. 136)
Bewertung t -1
Bewertung Abweichung Abweichungsursachen t
56
3 Beschaffungscontrolling Funktionsträgerbewertung
Funktionsträger: Abteilung / Bereich:
Funktionsbezeichnung: Beschaffungsaufgabe:
Beurteilungskriterien (Ist)
Bewertung in t-1
Bewertung in t
Abweichung Abweichungsursachen
Gew. Gew. Gew. Gew. Wertzahl Fakt. Wert Wertzahl Fakt. Wert Beschaffungspreise Beschaffungsmarktanteil Bestandsentwicklung Lieferantenbeziehungen Ethisches Verhalten Kreativität Kooperationsfähigkeit Initiative Urteilsvermögen Organisationstalent techn. Fachwissen Trägerbewertung Funktionsbewertung
-
100% -
Gesamtbewertung
-
-
-
100% -
-
-
-
-
-
-
-
-
Anmerkungen:
Abb. 11:
Funktionsträgerbewertung
(vgl. Hammann 1990, S. 136)
3.2
Aufgabenbereiche des Beschaffungscontrolling
3.2.1
Kontrolle der Beschaffungsmarktumwelt
Der Kern des strategischen Beschaffungscontrolling startet mit der Analyse der Umwelt und der Prognostizierung über mutmaßliche Entwicklungen. Die Umwelt steckt einerseits die Grenzen des strategischen Beschaffungsspielraumes ab und eröffnet andererseits den Raum für neue strategische Beschaffungsvorgänge. Für die Umweltanalyse gilt, dass sie die Informationssektoren möglichst vollständig abdecken und analysieren soll. Welches Maß an Informationen hierfür notwendig ist, lässt sich grundsätzlich nur unter Berücksichtigung aller sachlichen und situativen Beschaffungsumstände entscheiden. In erster Linie sind folgende
3.2 Aufgabenbereiche des Beschaffungscontrolling
57
Informationskategorien zu beschaffen, zu analysieren und auf ihren Wertgehalt bzw. ihre Veränderlichkeit zu kontrollieren (vgl. Heß 2008, S. 139):
Informationen über das politische und wirtschaftliche Umfeld, Informationen über die Angebotsentwicklung, Informationen über die Nachfrageentwicklung der Produktionsfaktoren und Informationen über die Wirkungen beschaffungspolitischer Instrumente.
Dabei werden die allgemeinen externen Faktoren in ihrer Evolution kontrolliert, ob sie Einfluss auf die gegenwärtigen und zukünftigen Beschaffungsmöglichkeiten haben. Obwohl diese Faktoren in der Regel außerhalb des Einflussbereiches der Unternehmung liegen, kann die Beschaffungsabteilung als strategische Reaktion versuchen, bestimmte Entwicklungen zu beeinflussen oder gar zu steuern (vgl. Heuer 1988, S. 174ff.; Large 2006, S. 92ff.). Die Analyse der Beschaffungsmarktumwelt wird in der Literatur unter dem Begriff „Environmental Analysis“ bzw. „Environmental Scanning“ diskutiert. Innerhalb der Environmental Analysis kann sich die Umweltanalyse unregelmäßig, periodisch und kontinuierlich vollziehen. Während die kontinuierliche Umweltanalyse einen weiten und langfristigen Horizont umfasst und die periodische Vorgehensweise sich auf ausgewählte Tatbestände konzentriert, ist die unregelmäßige Analyse kriseninitiiert. Das Environmental Scanning kennzeichnet die Integration der Informationssuche und –analyse in den Prozess der strategischen Unternehmensplanung. Dabei wird auf die Bedeutung externer Informationen insbesondere für solche Märkte hingewiesen, die von potentiellem Zukunftsinteresse sind bzw. sein können. Im Rahmen der Environmental Analysis können die Begriffe Monitoring und Scanning unterschieden werden. Während sich Scanning im Sinne eines 260-Grad-Radars auf die Suche nach neuen Beschaffungsmöglichkeiten auch außerhalb des bisherigen BeschaffungsobjektBeschaffungsmarkt-Bereiches im weiten Umfeld begibt, konzentriert sich das Monitoring auf die Beobachtung und Analyse der bereits bekannten Alternativen, über die mindestens schwache Signale vorliegen. Das Monitoring dient primär dazu, durch die Suche nach mehr Informationen das bisherige Phänomen der Unsicherheit und Ignoranz aufzuheben und damit die Chancen einer Frühwarnung bzw. Frühchancenermittlung zu erhöhen. Demnach ist das Monitoring eine fokussierte Vorgehensweise, welche ein vertiefendes Verständnis der ausgewählten Hinweise oder Signale erbringen soll (vgl. Muchna 1988, S. 61ff.). Dass Kennzahlensysteme innerhalb der Monitoring-Aktivitäten zur Beschaffungsfrühwarnung häufig genannt werden, hat seinen Grund darin, dass mit Hilfe von Kennzahlensystemen prognostische Zustände analysiert werden können. Der Einsatz von Kennzahlen zur Beschaffungsfrühwarnung setzt eine Kenntnis der zu überwachenden Gegenstandsbereiche und dabei der jeweils zu beurteilenden Elemente voraus. Die Erkennung wird dabei aber nicht gänzlich der Intuition überlassen, sondern die Kennzahlensysteme zur Frühwarnung bemühen sich, eine Situation anhand von Modellen mehr oder weniger genau abzubilden, wie z.B. durch Indikatorverfahren. Bei den Indikatorensystemen handelt es sich um eine spezielle Form von Kennzahlensystemen im Einsatz der strategischen Frühaufklärung. Die Indikatorverfahren konzentrieren sich auf die Analyse des Zusammenhangs zwischen vor- und nachlaufenden quantitativen und qualitativen Zeitreihen. Kernelemente sind eine Anzahl von Größen, die Entwicklungen mit zeitlichem Verlauf aufzeigen. Indikatoren, die einen Lead gegenüber der Referenzgröße aufweisen, werden als Frühindikatoren bezeichnet. Der Frühindikator sagt dabei die Entwicklung einer Variablen und deren Umkehrpunkt durch deren Entwicklungsverlauf voraus. Die Indikatorverfahren
58
3 Beschaffungscontrolling
basieren dabei auf einer Wenn-Dann-Beziehung, wobei das Eintreten der Wenn-Komponente das Eintreten der zeitlich nachgelagerten Dann-Komponente determiniert. Der entscheidende Nachteil der Frühwarnindikatoren ergibt sich aus der mangelnden Erklärbarkeit der Abhängigkeiten. Die Prognoseergebnisse werden dabei lediglich als Funktion der Zeit betrachtet. Die Instabilität der time-lags zwischen dem Vorlaufindikator und dem Ereignis führt dazu, dass nur mit durchschnittlichen Vorlaufzeiten gerechnet werden kann. Hiermit können zwar die Schwankungen zwischen dem Auftreten der Vorlaufwerte und dem jeweiligen Indikandum verringert werden, jedoch bleibt der Mangel an Validität bestehen. Die Auswahl geeigneter Frühwarnindikatoren zur Beschaffungsfrüherkennung sowie die Festlegung der insbesondere für die Beurteilung der Beschaffungsmarktlage notwendigen Sollgrößen und deren Toleranzschwellen stellen sich als zusätzliches Problem dar. Die Frühwarnung soll dabei mehr oder weniger umfangreiche Kataloge von Frühwarnindikatoren beinhalten, die möglichst flächendeckend die Beschaffungsmarktentwicklung erfassen und zwar bereits schon zu dem Zeitpunkt, wo die Entwicklung noch nicht allgemein wahrnehmbar ist. Aber erst die richtigen Normwerte bzw. Toleranzschwellen gewährleisten einen adäquaten Einsatz der Indikatoren. Innerhalb der Frühwarnung auf Beschaffungsmärkten ergibt sich insbesondere die Schwierigkeit, die Normwerte als auch die Toleranzgrenzen den situationsspezifischen Wandlungen in den Beschaffungsmärkten anzupassen. Bei der Feststellung der Werte sollten nicht nur mit Hilfe statistischer Verfahren Gesetzmäßigkeiten in die Zukunft extrapoliert werden, sondern auch auf die Erfahrung des Entscheidungsträgers im Beschaffungsmarketing zurückgegriffen werden. In diesem Zusammenhang erweist sich die Normwerte- und Toleranzgrenzwertfestlegung, insbesondere durch fehlendes Datenmaterial bezüglich der Auslandsmärkte und durch das Fehlen der erforderlichen Stabilität in den Beziehungen zwischen Abnehmern und Lieferanten, als schwierig. Eine wesentliche Weiterentwicklung des Indikatorprognoseansatzes stellt die Indikatorverkettung dar, wobei eine isolierte Sichtweise von Einzelindikatoren aufgegeben wird. Ziel der Indikatorverkettung ist es, über mehrere Beobachtungsstufen Indikatoren vertikal zu verketten, um engere Beziehungen zu den Ursachen der relevanten Entwicklungen herstellen zu können. Die Indikatorverkettung basiert auf der Makroebene auf beobachtbaren Phasenverschiebungen der Branchenkonjunktur gegenüber der Gesamtkonjunktur, wobei sich Fortpflanzungen konjunktureller Impulse von Vormärkten bis zu den jeweils relevanten Beschaffungsmärkten beobachten lassen. So können sowohl hochaggregierte Indikatoren aber auch spezifische einzelwirtschaftliche Indikatoren (bis zur Orientierung an A-Lieferanten) in einer Wirkungskette über mehrere Stufen untersucht werden. Nach Muchna verlängern die vertikalen Indikatoren nicht nur die „Vorlaufzeiten der beobachteten Indikatoren, sondern eröffnen auch die Möglichkeit, zu einer verbesserten Interpretation schwacher Signale beziehungsweise zu einer Verstärkung schwacher Signale“ (vgl. Muchna 1988, S. 89; Heß 2008, S. 146).
3.2.2
Kontrolle des spezifischen Beschaffungsmarktes
Der Analyse und Kontrolle der globalen Umweltfaktorentwicklungen folgt eine Untersuchung der Faktoren des unternehmensspezifischen Beschaffungsmarktes. Bei näherer Betrachtung der Marktstruktur wird erkennbar, dass auf den Märkten grundsätzlich verschiedene Arten von Veränderungen und Bewegungen festzustellen und zu unterscheiden sind. Un-
3.2 Aufgabenbereiche des Beschaffungscontrolling
59
terschieden kann bei der Marktstrukturanalyse zwischen absoluten Merkmalen, z.B. Betriebsformen und relationalen Merkmalen, z.B. Konkurrenzbeziehungen (vgl. Wildemann 2010, S. 62). Im Gegensatz zu den relationalen Indikatoren haben die absoluten Merkmale Aussage- und Frühwarncharakter auch ohne Vergleich zu anderen Größen. Hier sind vor allem der Distributionsgrad, die Zahl der eingeschalteten Absatzstufen und die Betriebsformen des Handels zu nennen. Der Distributionsgrad kennzeichnet den Prozentsatz an Händlern, die in einem Marktsegment einen bestimmten Artikel im Sortiment haben. Die Zahl der eingeschalteten Absatzstufen in einem Markt zeigt die alternativen Beschaffungs- und Absatzwege und verdeutlicht die Leistungsfähigkeit, Abhängigkeiten und Machtverhältnisse in einem Markt. Die Betriebsformen des Handels mit ihren Merkmalen bezüglich Betriebsgröße, Organisationsmitglieder, Preisstellung, Sortimentsanzahl etc. kennzeichnen die Stärke und die Leistungsfähigkeit des Handels. Von Bedeutung sind ferner quantitative Daten, die die Konkurrenz-, Kooperations-, Rollenund Machtbeziehungen sowie die Kommunikationsstruktur des Marktes verdeutlichen. Die Konkurrenzsituation ist ein Indiz für die potentielle Marktmacht der Marktteilnehmer und bildet die Ausgangsbasis für die Entwicklung der Beschaffungsstrategien. Kooperation bedeutet eine bewusste Verhaltensbeschränkung zum Nutzen der Kooperationsteilnehmer und stellt aus wettbewerbspolitischen Gründen eine Gefahr dar. Die Kommunikationsstruktur lässt sich durch die Anzahl der Kommunikationskontakte messen und spiegelt somit Marktverflechtungen und –beziehungen wider. Schließlich wird die Marktstruktur durch die Marktbeziehungen ersichtlich. Die überwiegende Angebots- und Nachfragemacht bestimmt letztlich, ob der Anbieter oder Abnehmer seine Forderungen durchsetzen kann (vgl. Heß 2008, S. 188). Das Ausmaß einer Bedrohung der Branche durch neue Konkurrenten hängt von den vorhandenen Eintrittsbarrieren des Absatzmarktes und von den Reaktionen der großen Wettbewerber der Branche ab. Ein wichtiges Untersuchungsobjekt ist der Rivalitätsgrad unter den Wettbewerbern. Aktionen eines Unternehmens können Auswirkungen auf die anderen haben, was ihre Stabilität beeinflussen kann. Die Stabilität einer Branche kann auch durch einen Faktor oder durch das Zusammenwirken mehrerer verschiedener Faktoren gefährdet sein. Ein wesentliches Element der Umweltanalyse der Beschaffung ist die Konkurrenzanalyse. Als Konkurrenzanalyse wird die Analyse aller Daten der Konkurrenzunternehmen bezeichnet, die für eigene Entscheidungen im Rahmen der strategischen Planung von Bedeutung sind. Der Bereich Konkurrenz ist aufgrund der engen Verflechtungen, die zwischen dem eigenen Unternehmen und den Wettbewerbern bestehen, der unternehmensspezifischen Umwelt der Beschaffung zuzurechnen. Veränderungen in diesem Bereich üben in der Regel direkte Einflüsse auf unternehmerische Aktivitäten aus. Zweck dieser Analyse ist ebenfalls das rechtzeitige Erkennen von Chancen und Risiken, die für das Unternehmen im Wettbewerb wichtig sind. Alle Informationen, die dazu beitragen, herrschende Wettbewerbsverhältnisse zu durchleuchten und es ermöglichen, die Unsicherheit in Bezug auf die Entwicklung zukünftiger Wettbewerbsverhältnisse zu reduzieren, werden im Rahmen der Konkurrenzanalyse sorgfältig gesammelt und ausgewertet. Als primäre Informationsquellen dienen dabei Berichte des Außendienstes, Befragungen, Messen, Gespräche mit den Mitarbeitern der
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3 Beschaffungscontrolling
Konkurrenz etc. Als weitere Informationsquellen können Tageszeitungen, Fachpresse, Werkzeitungen, Geschäftsberichte etc. (Sekundärquellen) in Anspruch genommen werden. Der Problemkomplex Rahmenbedingungen, die durch den Marktraum gegeben sind, betrifft in erster Linie die Absatzreichweite der Lieferanten, auf die die Beschaffung als Nachfrager in der Regel geringen Einfluss ausüben kann. Als Beispiele der Faktoren, die beschaffungsseitig zu berücksichtigen sind, lassen sich nennen (vgl. Heuer 1988, S. 185):
Internationalisierungs- oder Nationalisierungsstrategien der Lieferanten, Veränderungen der internationalen Arbeitsteilung, Verbesserung von Transportmöglichkeiten, Verbesserung des internationalen Informationsaustausches und Veränderung von Standortvor- bzw. nachteilen bei Lieferanten.
Zu den Rahmenbedingungen, die durch den Beschaffungsmarkt gegeben sind, zählen auch die angebotenen Materialien. Es lässt sich dabei unterscheiden (vgl. Heß 2008, S. 286): die Qualität des Angebotes, das mengenmäßige Angebot und das wertmäßige Angebot. Die Problematik des Angebotes ist von zwei Seiten her zu betrachten. Es ist zunächst festzustellen, ob sie aufgrund von spezifizierten Anforderungen hinsichtlich Qualität und Menge seitens der Produktion oder der Entwicklungsabteilung entsprechende Lieferanten zu finden hat, welche die Nachfrage befriedigen können, oder ob die Beschaffung größere Freiheitsgrad besitzt, die erlauben, aktiv auf das Angebot des Lieferanten einwirken zu können. Eine Einschränkung der Zahl der potenziellen Lieferanten und damit einhergehend eine Einschränkung der Zahl des qualitativ adäquaten Angebotes lässt sich auf erhöhte Anforderungen an die Qualität der Fertigerzeugnisse bezüglich der Produktqualität zurückführen. Eine positive Veränderung der Bedingungen kann durch den Ausbau von Fertigungskapazitäten seitens der Lieferanten zur Befriedigung zukünftiger Bedarfe erfolgen. Die Rahmenbedingungen des wertmäßigen Angebotes können sich für die Beschaffung beispielsweise dadurch verändern, dass neue kostengünstigere Fertigungsmethoden beim Lieferanten eingesetzt werden.
3.2.3
Kontrolle der unternehmensinternen Beschaffungspotentiale
Nach der Analyse und Kontrolle der externen Entwicklungen muss nun beantwortet werden, was die Unternehmung aufgrund ihrer internen Beschaffungsstärken und –schwächen im Vergleich zu ihren Konkurrenten verbessern kann. Zwar lassen sich kaum allgemeine Aussagen über ein genaues Vorgehen treffen, doch kann man generell folgenden Ablauf vorgeben:
Ermittlung und Feststellung der kritischen Ressourcen, die beschafft werden müssen; Auswählen von Schlüsselfaktoren und Beurteilen derselben im Vergleich zur Beschaffungskonkurrenz; Profildarstellung der Stärken und Schwächen der unternehmenseigenen Beschaffung und Eintragung der entsprechenden Profile der Beschaffungskonkurrenz zu Vergleichszwecken. Die genannten Funktionen können sowohl in Bezug auf ihr Ergebnis, ihren Prozess als auch auf ihr Verhalten kontrolliert werden:
3.2 Aufgabenbereiche des Beschaffungscontrolling
61
Prüfung, ob die Funktionen wahrgenommen werden, Prüfung des Umfangs der Erfüllung einer Funktion, Prüfung der Qualität der Funktionserfüllung und Wertmäßige Prüfung der Funktionserfüllung.
Die Kontrolle der quantitativen Funktionen besteht hauptsächlich aus der Feststellung von Mengen- und Zeitabwicklungen und sind daher häufig auf mehrere Ursachen gleichzeitig zurückzuführen. Deshalb sollte ihr eine qualitative Kontrolle der Funktionserfüllung folgen. Die Qualität der Funktionserfüllung betrifft neben der inhaltlichen auch die intensitätsmäßige Wahrnehmung übertragener Funktionen. Die Kontrolle der qualitativen Funktionserfüllung erfordert vor allem die Entwicklung von Vorgaben bzw. Standards, wo insbesondere die intensitätsmäßige Erfüllung der Funktionen überprüft werden soll. Die quantitative als auch die qualitative Funktionskontrolle der Beschaffung soll auf die Überprüfung und das Ausnützen des Handlungsspielraumes der unternehmenseigenen Beschaffung gerichtet sein und muss nach folgenden Richtungen durchgeführt werden:
Kontrolle des kostengünstigeren Funktionierens der Beschaffung, um den defensiven Handlungsspielraum zu vergrößern, Suche und Überprüfung neuer Beschaffungsmöglichkeiten, um den offensiven Handlungsspielraum zu vergrößern, Kontrolle des Ausschöpfungsgrades des Kostensenkungspotentials in der Beschaffung und Kontrolle der Ausschöpfung des Versorgungspotentials. Funktionskontrollen sind sowohl als Ergebnis- als auch als Prozess- bzw. Verhaltenskontrollen denkbar. Sie können grundsätzlich in vierfacher Form erfolgen (vgl. Hammann 1990, S. 12):
Prüfung, ob die einzelne Funktion überhaupt wahrgenommen wurde. Prüfungen dieser Art kennen nur ein dichotomes, d.h. entweder positives oder negatives Ergebnis. Prüfung des Umfangs der Erfüllung einer Funktion. Hier handelt es sich um den Fall der quantitativen Funktionskontrolle. Prüfung der Qualität der Funktionserfüllung. Man kann dies als den Fall der qualitativen Funktionskontrolle bezeichnen. Wertmäßige Prüfung der Funktionserfüllung. Sie setzt zumindest eine kategoriale und / oder quantitative Funktionskontrolle voraus. Dabei stehen folgende Merkmale im Vordergrund des Interesses:
Häufigkeit der Wahrnehmung einer Funktion, d.h. die Zahl der Wahrnehmungsfälle (z.B. Zahl der Lieferantenkontakte, Zahl der durchgeführten Kontrollen, Zahl der Reklamationen, Zahl der Probeläufe, usw.). Die Kontrolle solcher Häufigkeiten setzt zum einen Erfahrungswerte aus der Vergangenheit voraus, die sich (bei wiederkehrenden Funktionsausübungen) zu Normal- bzw. Durchschnittswerten verdichten lassen. Zum anderen sind Prognosekonzepte notwendig, um die für die Häufigkeit der Funktionsausübung notwendigen Sollwerte in der Planung zu entwickeln. Dauer der Wahrnehmung einer Funktion, d.h. die zur Funktionsausübung aufgewendete Zeit (z.B. Dauer der Lieferantenkontakte, Lieferzeiten, Bestellzeiten, Transportzeiten, usw.), daneben aber auch das Zeitintervall zwischen zwei Funktionsausübungen (z.B. Bestellintervall, Prüfintervall, usw.). Auch hier sind Daten der Vergangenheit notwen-
62
3 Beschaffungscontrolling
dig, um Schätzwerte von Zeitdauern zu erarbeiten und Prognosen künftigen Zeitbedarfs anstellen zu können. Aber auch die Flexibilität der Beschaffung muss kontrolliert werden. Die Flexibilität als Leistungsmerkmal stellt für die Beschaffung insbesondere eine Anforderung in qualitativer und struktureller Hinsicht dar. Die Flexibilität in quantitativer Hinsicht bezieht sich lediglich auf die Mengenkomponente der Beschaffung. Freiheitsgrad in Bezug auf Änderungen der zu beschaffenden Materialmenge lassen sich durch eine entsprechende Liefervertragsgestaltung erreichen. Eine quantitative Flexibilität ist somit gegeben, wenn das abnehmende Unternehmen die Liefermenge auch kurzfristig bestimmen kann. Die Verwirklichung einer strukturellen Flexibilität geht hierbei mit dem Ziel einer quantitativen Flexibilität in einer komplementären Beziehung einher. Die qualitative Flexibilität, die auf die Veränderungen der artmäßigen Dimension der Beschaffung abhebt, kann dadurch erreicht werden, dass durch die Beschaffungsmarktforschung Informationen darüber gewonnen werden, für welche Materialarten welche Lieferanten einer qualitativen Flexibilität besteht darin, mit den bisherigen Lieferanten im Hinblick einer gemeinsamen Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet des Materialwesens eng zusammenarbeiten. Diese Art der zwischenbetrieblichen Kooperation verbessert einerseits die qualitative Flexibilität, während andererseits die strukturelle Flexibilität verschlechtert wird (vgl. Heß 2008, S. 83). Die strukturelle Flexibilität, die als Ansatzpunkt für die Flexibilität organisatorische Regelungen betrachtet, wird durch solche zwischenbetrieblichen Kooperationen herabgesetzt, da hierdurch die Abhängigkeit des Unternehmens von seinen Zulieferern steigt. Die Kontrolle der unternehmensinternen Potentiale kann mittels eines BeschaffungsAuditing durchgeführt werden. Auditing bedeutet im Grunde nichts anderes als „kritische Durchsicht“ bestehender Sachverhalte in der Beschaffung. Dabei müssen sowohl die Ziele als auch die verschiedenen Politiken als auch die ihnen zugrundeliegenden Annahmen als auch die Planungs- und Organisationsstrukturen der Beschaffung analysiert werden. Kennzeichnen für alle Auditing-Konzepte ist eine gewisse Dualität einer rückwärts orientierten Analyse und einer in die Zukunft gerichteten präventiven Evaluation. Die einzelnen Bereiche des Auditing können wie folgt bezeichnet werden:
Beschaffungs-Strategie-Audit: Im Rahmen dieses Teilbereiches ist die Frage der Kompatibilität der langfristigen unternehmerischen Zielsetzung mit den Umweltkonstellationen zu prüfen. Beschaffungs-Organisations-Audit: Die Angemessenheit der in der Unternehmung vorgefundenen organisationalen Regelungen im Hinblick auf die Erfordernisse der Umwelt und der Strategie, ist einer kritischen Analyse zu unterziehen. Beschaffungs-Planungs-Audit: Das Beschaffungs-Informationssystem, das Beschaffungs-Planungs- und das Beschaffungs-Kontroll-Schema sollen daraufhin untersucht werden, ob sie adäquat organisiert sind und effektiv arbeiten. Beschaffungs-Wirtschaftlichkeits- und Beschaffungs-Instrumenten-Audit: Die einzelnen marketingpolitischen Maßnahmen sollen im Hinblick auf Rentabilitäts- und Kostendeckungsgesichtspunkte einer genauen Analyse unterzogen werden. Die Tätigkeitsfelder des Auditing lassen sich wie folgt kennzeichnen:
3.2 Aufgabenbereiche des Beschaffungscontrolling
63
Prämissen-Auditing: Gegenstand dieser Kontrollaktivitäten sind die vielfältigen Annahmen über Gesetzmäßigkeiten der Unternehmung. Ziel-Auditing: In diesem Zusammenhang geht es um die grundsätzliche Ausrichtung der unternehmerischen Aktivitäten, wobei insbesondere die Adäquanz des Zielsystems untersucht werden soll. Maßnahmen-Auditing: Die Zusammensetzung der Beschaffungsinstrumente und die Höhe der einzelnen Budgets sollen in diesem Zusammenhang insbesondere daraufhin überprüft werden, ob die in der Praxis häufig festzustellende zeitliche Konstanz gerechtfertigt ist. Prozess-Auditing: Die Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Informationsversorgung sind Gegenstand des äußerst weitreichenden Prozess-Auditing. Neben dieser Maßnahme ist als prozessbegleitendes Hilfsmittel der Qualitätssteuerung das Qualitätsaudit zu nennen. Je nach Schwerpunkt der Betrachtung lassen sich diese Audits
produktbezogen, verfahrensbezogen (Prüfverfahren) und systembezogen (Einzelelemente des Qualitätssicherungssystems)
durchführen. In Bezug auf die Sicherung der Qualität von Zukaufteilen bedeutet die Durchführung von Audits eine sehr nahe Zusammenarbeit von Lieferant und Abnehmer. Hierbei wird die Erfüllung von Anforderungen der Kaufteile durch den Abnehmer im eigenen Haus oder beim Lieferanten geprüft. System- und verfahrensorientierte Audits hingegen werden beim Lieferanten durchgeführt. Ziel hierbei ist es, durch die Einbeziehung der Mitarbeiter des Lieferanten in den Prüfprozess das Verantwortungsbewusstsein durch Motivation zu steigern. Abbildung 12 macht deutlich, dass das Prämissen-Auditing nicht nur dem Strategiebereich, sondern allen Objektbereichen zuzuordnen ist. Dabei kommt diesem im Leitbildbereich mit Sicherheit eine weit größere Bedeutung als im Maßnahmenbereich zu. Umgekehrt ist die Bedeutung der Ergebniskontrolle für die Strategie-Kontrolle vergleichsweise gering, für die Maßnahmen-Kontrolle aber äußerst wichtig. Erst alle Maßnahmen der BeschaffungsKontrolle zusammen gewährleisten allerdings eine erhöhte Erfolgsträchtigkeit der Unternehmensführung.
64
3 Beschaffungscontrolling Hierarchie-bezogene Einteilung
traditionelle Einteilung
detaillierte Einteilung
der betrieblichen Kontroll-Maßnahmen Leitbild-Kontrolle strategische Kontrolle Strategie-Kontrolle
Politik-Kontrolle operativ-taktische Kontrolle Maßnahmen-Kontrolle Abb. 12:
strategische Überwachung, Prämissen-Auditing Organisations-Auditing, Strategie-Auditing, Prämissen-Auditing, Ergebniskontrolle Prämissenkontrolle, Ergebniskontrolle, Maßnahmen-Auditing, Organisations-Auditing Ergebniskontrolle, Maßnahmen-Auditing, Prämissen-Auditing
Systeme der Beschaffungs-Kontrolle
(vgl. Böcker 1988, S. 57)
3.2.3.1 Kontrolle der Ausschöpfung des Versorgungspotenzials Für die Beurteilung der Marktchancen zur Realisierung der Versorgungssicherheit wird es notwendig, das Versorgungspotenzial und die Größen, die es beeinflussen, zu konkretisieren. Somit wird es zunächst nötig, die potentiellen Lieferanten und ihr jeweiliges Angebot aufgrund bestimmter Merkmale, z.B. der Betriebsgröße, der geographischen Verteilung, der Produktionskapazität, technologischer Eigenschaften der Produkte, Prüfungseinrichtungen etc. zu definieren. Die Schwierigkeit bei der Bestimmung des Versorgungspotenzials besteht darin, dass einerseits keine primären oder wesentlichen Faktoren bei der Bestimmung des Angebots übersehen werden dürfen, dass es aber andererseits unmöglich erscheint, alle relevanten Faktoren zu erfassen (vgl. Piontek 1991, S. 130; Wagner/Weber 2007, S. 25). Die Schätzung des Versorgungspotenzials bedingt die Kenntnis aller Faktoren, von denen das Angebot der Beschaffungsobjekte beeinflusst wird. Bei der Bestimmung der potentiellen Lieferanten sind insbesondere die Branchenzugehörigkeit, die Betriebsgröße, die Kapazität, das Produktionsverfahren, das Investitionsvolumen sowie die geographische Verteilung von Wichtigkeit. Letztendlich ist es aber unmöglich, alle Faktoren vollzählig zu erfassen, die das Angebot eines Beschaffungsobjektes beeinflussen können. Grundlegende Techniken zur Schätzung des Versorgungspotenzials sind die Lieferantenbefragungen, die multiple Regressionsanalyse und die Wachstumsfunktionen. Bei den Lieferantenbedingungen werden in einer Total- bzw. Teilerhebung alle potenziellen Lieferanten befragt, ob und in welchem Maße sie unter bestimmten Bedingungen ein Beschaffungsobjekt herstellen und anbieten würden. Für die Befragungen bieten sich insbesondere die computergestützten sowie die computerisierten Befragungen an. Ein Hauptmangel der Lieferantenbefragung besteht darin, dass es einem Anbieter im Allgemeinen sehr viel leichter fällt zu sagen, er werde eine bestimmte Produktionsmenge produzieren und anbieten, als dieses Vorhaben auch tatsächlich
3.2 Aufgabenbereiche des Beschaffungscontrolling
65
realisieren zu können. Daher führen Lieferantenbefragungen oft zu Überschätzungen des Versorgungspotenzials. Das unausgeschöpfte Versorgungspotenzial dient dabei als Richtmaß einer Zielsetzung, die festlegen soll, inwieweit das Versorgungspotenzial je Beschaffungsobjekt innerhalb einer Kostenklasse und einer bestimmten Region noch ausgeschöpft werden soll. Nun hängt die Versorgungssicherheit nicht nur vom Durchdringungsgrad des Versorgungspotenzials pro Beschaffungsobjekt innerhalb einer Kostenhöchstgrenze ab, sondern auch von der Anzahl der Lieferanten innerhalb dieses Durchdringungsgrades. Im Sinne einer optimalen Versorgungssicherheit ist eine Risikostreuung durch Vermeidung einseitiger Lieferantenbindungen unumgänglich. Zum Zwecke einer Einbeziehung der Risikostreuung muss der Beschaffungsmarktbesetzungsfaktor in die oben ermittelten Kennzahlen mit einbezogen werden. Um den Besetzungsfaktor zu ermitteln, ist es erforderlich, die Gesamtheit der möglichen Lieferanten mittels der Beschaffungsmarktforschung zu bestimmen bzw. abzuschätzen. 3.2.3.2 Kontrolle der Ausschöpfung des Kostensenkungspotenzials Das Beschaffungsobjekt-Kostensenkungspotenzial (BOKSP) ergibt sich aus der Analyse der Möglichkeiten zur Beeinflussung einzelner Beschaffungsobjektpositionen und den daraus resultierenden Kosteneinsparungen. Hierbei spielen Fragen der Beschaffungsmarktentwicklung sowie wettbewerbsbedingte Einflüsse eine entscheidende Rolle. Nicht ausgeschöpfte Kostensenkungspotenziale bedeuten letztlich entgangene Ergebnisbeiträge für das Unternehmen und sind demnach den Opportunitätskosten zuzurechnen. Um Kennzahlen für den Grad und die Möglichkeiten der Kostensenkungsmöglichkeiten zu erhalten, bedarf es der Quantifizierung der BOKSP. Letztendlich scheint eine Transparenz und Praktikabilität dieser Analyse jedoch nur dann möglich, wenn das Bewertungsschema auf wenige Faktoren – aber ohne wesentlichen Verlust an Vollständigkeit und Sensibilität- reduziert werden kann. Für die Beeinflussung der Kosten (und damit der BOKSP) ist eine Differenzierung der Kosten nach dem Grad ihrer Beeinflussbarkeit durch Beschaffungsmarketing unerlässlich, und zwar in:
nicht durch das Beschaffungsmarketing beeinflussbare Kostenänderungen (z.B. Zölle, Steuern); kaum durch das Beschaffungsmarketing beeinflussbare Kostenänderungen (z.B. Preisänderungen aus Angebots- bzw. Nachfrageverschiebungen); gut durch das Beschaffungsmarketing beeinflussbare Kostenänderungen (z.B. Preisänderungen aus Preisverhandlungen und Lieferantenwechsel). Aus der Zuordnung der Kosten zu diesen drei Rubriken ergeben sich die prozentualen und absoluten BOKSP. Durch den Vergleich der BOKSP mit den bisher realisierten Kostensenkungen konkretisiert sich die bisherige Beschaffungsmarketingleistung zur Kostensenkung. Die Differenz der ausgeschöpften und ausschöpfbaren Kostensenkung ist der Ausgangspunkt einer detaillierten Planung zur Kostensenkung. In der Praxis sind für die Nichtausschöpfung der Kostensenkungspotenziale bei der Anlagenbeschaffung folgende Faktoren verantwortlich:
Die heterogene Zusammensetzung der Buying-Center-Mitglieder (Kaufleute, Ingenieure, Rechtsberater, Consulting Engineers etc.) verhindert bzw. blockiert eine Ausschöpfung der Kostensenkungspotenziale. Kommunikations- und Abstimmungsprobleme so-
66
3 Beschaffungscontrolling wie Interessenkonflikte verhindern Synergieeffekte und reduzieren die Nachfragemacht des Beschaffers. Entscheidungen über die Vergabe von Beschaffungsentscheidungen werden oft schon in den ersten Schritten der Planung von der Technik oder der Kalkulation präjudiziert. Dem Beschaffer werden Kalkulationsspannen vorgelegt, in denen er sich bewegen muss. Sofern er die Spannen einhält, herrscht allgemeine Zufriedenheit. Der hohe Beschaffungswert der Anlagen verleitet die Einkäufer – aus der Erwartung möglicher negativer Konsequenzen einer Beschaffungsentscheidung – zur Ergreifung risikoreduzierter Maßnahmen. Einerseits können negative Konsequenzen einer komplexen Beschaffungsentscheidung durch Versicherungen und Garantien begrenzt werden, andererseits kann die Unsicherheit durch die Berücksichtigung zusätzlicher Informationen verringert werden. Obwohl eine steigende Informationsnachfrage in empirischen Studien nicht immer bestätigt werden konnte, gilt sie in der Regel bei Beschaffungsentscheidung mit hoher Komplexität. Der Beschaffer sucht jedoch in der Praxis keine Informationen über potenzielle negative Konsequenzen, sondern vielmehr Informationen über die Wahrscheinlichkeit ihres möglichen Eintritts.
3.2.3.3 Wertmäßige Funktionskontrolle Nicht nur die Erfolgswirksamkeit des Beschaffungsbereichs insgesamt soll nachgewiesen und dokumentiert werden, sondern auch die Kontrolle der Beschaffungswirtschaftlichkeit. Dabei dürfen nicht – wie bisher geschehen – die Kosten der Beschaffungsfunktionsausübung nur dem Gemeinkostenblock zugerechnet werden. Im Sinne eines verursachungsgerechten Beschaffungscontrolling müssen diese Gemeinkosten – da es sich um funktional differenzierbare Beschaffungseinzelleistungen handelt – aufgespalten werden. Während für Fertigungsprozesse ein Mengengerüst durch Stücklisten und Arbeitspläne vorgegeben sind, wurden bisher die Kosteneinflussfaktoren in der Beschaffung weitgehend nicht untersucht und ausgewiesen. Die im Beschaffungsbereich entstehenden Leistungen (bzw. Prozesse) sind aber mindestens von gleicher Bedeutung zur Erzielung eines Markterfolges wie das kostengünstige Fertigen. Der Grad an Kostentransparenz ist im Beschaffungsbereich im Verhältnis zu den dort immer noch steigenden Kosten sehr gering. Nur ein verursachungsgerechtes Einbeziehen der relevanten Gemeinkosten innerhalb des Beschaffungscontrolling zeigt Möglichkeiten auf, diese Kosten auch einzudämmen. Mittels der Prozesskostenrechnung soll der Dominanz der Gemeinkosten innerhalb des Beschaffungsbereichs Rechnung getragen werden (vgl. Wagner/Weber 2007, S. 17). Das Gemeinkostenmanagement hat im Beschaffungsbereich die folgenden Ziele zu verfolgen:
Sicherstellen der Wirtschaftlichkeit von Prozessen; Möglichst verursachungsrechte Zurechnung von Gemeinkosten auf Kostenträger im Rahmen der Kalkulation zur Preisfindung und –rechtfertigung; Identifikation von Kostenschwerpunkten in der Ablauforganisation. Darauf aufbauendes Planen und Unterstützen von Rationalisierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen (Prozessmanagement); Vorgabe für prozessorientierte Kostenplanungen. Folgerichtig ist ein Prozesskostencontrolling schwerpunktmäßig auf eine differenzierte – nach Einzelleistungen aufgespaltete – Kontrolle und Verteilung der Gemeinkosten ausgerich-
3.2 Aufgabenbereiche des Beschaffungscontrolling
67
tet. Für eine verursachungsgerechte Aufspaltung der Gemeinkosten kann es hilfreich sein, Beschaffungsteilfunktionen nach ihrer primären Verursachung oder Beeinflussung zu gruppieren. Gruppierungskriterien sind u.a.:
Fertigungsbereichsbezug, Absatzbereichsbezug, Markterkundungsbezug, Auftragsbezug und Produktionsfaktorbezug.
Über eine detaillierte Prozessanalyse und –kontrolle sowie über eine exakte und verursachungsgerechte Erfassung der mit den entsprechenden Beschaffungsaufgaben verbundenen Kosten unter Rückgriff auf die effektiven Kosteneinflussfaktoren wird ein nach innen gerichtetes Beschaffungscontrolling erst möglich (vgl. Wagner/Weber 2007, S. 24). Viele Kostensenkungspotenziale ruhen im Allgemeinen als typische Gemeinkosten vor der Erfassung und Analyse der gängigen Kostenrechnungssysteme verdeckt im Unternehmen (siehe Abbildung 13). Diese Kosten werden als Gemeinkostenzuschläge gleichmäßig über alle Produkte oder Produktgruppen verteilt, ohne hier durch Differenzierung wirklich aufzudecken, ob nicht z.B. die Bestellungen für eine Produktgruppe erheblich aufwendiger sind als andere. Ein erheblicher Anteil dieser Tätigkeit (und damit Kosten) ist darüber hinaus eher unproduktiv, trägt also kaum zur Wertschöpfung im Unternehmen bei, wie z.B. das Suchen von Informationen, die Bearbeitung fehlerhafter Bestellungen. Aktive Kostenkontrolle verlangt hier die Initiative des verantwortlichen Einkäufers, diese Gemeinkosten transparent darzustellen und vor allem in ihrer zeitlichen Entwicklung zu analysieren (vgl. Wagner/Weber 2007, S. 19).
produktive Kosten
Bekannte Kosten
Unbekannte Kosten
• Bezugskosten • Mehraufwand Transport • Mehraufwand durch Einzelbestellungen • Inventuraufwand • Lagerkosten
• Lieferantenverhandlungen • Bestellungen / Bestellüberwachung • Stammdatenpflege
• Klärung / Rückfragen • Fehlerkosten • Auflösung von Reservierungen oder entfällt, da weitgehend unproduktive Kosten Kommissionierungen nicht spezifizierte • Unterbrechung des Gemeinkosten Arbeitsflusses • Demotivation Abb. 13:
Beispiele für Flexibilitäts- und Komplexitätskosten im Einkauf
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3 Beschaffungscontrolling
3.3
Instrumente des Beschaffungscontrolling
3.3.1
SWOT-Analyse
Die SWOT-Analyse verknüpft die interne Unternehmenssituation mit der Wettbewerbssituation am Markt. Mit dieser Analyse ist eine Möglichkeit geschaffen worden, Stärken (strengths), Schwächen (weaknesses), Chancen (opportunities) und Risiken (threats) für ein Unternehmen übersichtlich darzustellen und zu bewerten. Die SWOT-Analyse in der Beschaffung ist eine Kollektionsmethode, welche sich vorwiegend zur Identifikation bereits bestehender bzw. offensichtlichen Risiken und den Auswirkungen auf die Beschaffung eignet. Sie kommt hauptsächlich bei der Prozessanalyse zum Tragen. In der Beschaffung benötigt man spezielle Bewertungen, um eine SWOT-Analyse zu erstellen (siehe Abbildung 14).
Abb. 14:
SWOT-Analyse
Stärken und Schwächen können subjektiv oder auch objektiv ausgewählt werden. Objektive Werte können zum Beispiel anhand einer ABC-Analyse erkannt werden. Fallen Stärken eines Beschaffungsmanagement mit Chancen zusammen (bzw. lassen sich Schwächen aufdecken), so ergeben sich aus der Analyse wichtige Ansatzpunkte für die Beschaffungsstrategie. Die interne Analyse wird dazu benutzt, eigene Stärken und Schwächen zu erkennen. Bei der externen Analyse wird das unternehmerische Umfeld untersucht. Erst durch den Abgleich mit der Umwelt können die Stärken und Schwächen richtig gerichtet werden (siehe Abbildung 15).
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
Internal
External
Positive
Strengths
Opportunities
Negative
Weaknesses
Threats
Abb. 15:
69
SWOT-Vergleich
Eine SWOT-Analyse ersetzt keine Strategie. Sie kann lediglich aus der SWOT-Analyse abgeleitet werden. Bei der Stärken-Schwächen-Analyse wird die Position des eigenen Unternehmens oder Geschäftsbereiches im Vergleich zu außenstehenden Unternehmen oder Geschäftsbereichen untersucht. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass bei den Stärken und Schwächen auch wirklich vergleichbare Produkte herangezogen werden. Mögliche Schlüsselfaktoren speziell in der Beschaffung können sein:
Lieferantenstruktur, Zulieferqualität – Zahl der Lieferanten und – Zahl der Ersatzlieferanten. Leistungsfähigkeit der Lieferanten – Lieferzeit und – Zuverlässigkeit. Preisabhängigkeit – Bezugspreis und – Incoterms. Standort, Lagerung, Rohstoffe – Lagerhaltungssysteme Versorgungssicherheit – Zugang zu Rohstoffen, Halb- und Fertigfabrikaten und – Zugang zu Dienstleistungen. Dispositions- und Bestellsysteme, Qualität und Grad der Abhängigkeit der Lieferanten
Veränderungen bzw. Entwicklungen im Handlungsumfeld der Beschaffung können zu Chancen und Risiken führen. Im Hinblick dessen, muss man sich mit den Lieferanten, sowie der Umfeldanalyse auseinandersetzen. Chancen sind Veränderungen der Rahmenbedingungen, die dem Subjekt positiv zu Gute kommen und eventuell eine Stärke unterstützen. Risiken sind Veränderungen der Rahmenbedingungen, die dem Subjekt oder der Analyse schaden können. Hier besteht akuter Handlungsbedarf. Ein wichtiger Punkt bei den Chancen und Risiken ist, dass es sich hierbei meist um Spekulationen und Zukunftsszenarien handelt. Das definitive Eintreten des Falls ist somit nicht gesichert.
70
3 Beschaffungscontrolling
Abbildung 16 zeigt ein Beispiel einer SWOT-Analyse für die Beurteilung der Beschaffungssituation. Stärken
Schwächen
Beschaffungsstrukturen • dezentrale Beschaffung erfordert wenig Personalkapazität
Beschaffungsstrukturen • mangelnde Präsenz des Einkaufs in abteilungsübergreifenden Teams bei Neuentwicklungen
• personelle Aufteilung von operativen und strategischen Beschaffungsaufgaben Beschaffungsobjekte • übersichtliches, beständiges Material-Gruppen-Portfolio • überschaubarer Beschaffungsmarkt • Standardisierung
Beschaffungsobjekte • Austauschbarkeit der Objekte ist nur mit hohem Aufwand möglich • hoher Lagerbestand notwendig
Beschaffungsquellen • gute Beziehungen zu den wichtigsten Lieferanten • Single Sourcing
Beschaffungsquellen • hohe Angebotsmacht einiger Lieferanten • begrenzte Lieferantenbeurteilung im Lieferantenauswahlprozess
Beschaffungsprozesse • Beherrschung der operativen Beschaffungsprozesse
Beschaffungsprozesse • umfassende Prozesse, v.a. bezüglich der Koordination der dezentralen Beschaffung, fehlen
• Versorgung ist sichergestellt
Chancen
Risiken
Beschaffungsstrukturen • Konzentration der Einkaufsabteilung auf Kernaktivitäten
Beschaffungsstrukturen • dezentrale Beschaffung kann zu unkoordinierter Doppelarbeit führen
Beschaffungsobjekte • Bedarfsbündelung
Beschaffungsobjekte • Produktbereinigung führt schnell zu Engpässen
Beschaffungsquellen
Beschaffungsquellen • Ausfallrisiko durch Abhängigkeit von Monopolist
• Lieferantenentwicklung bei ausgewählten Lieferanten, um weiere Potenziale zu erschließen Beschaffungsprozesse • Einführung einer unterstützenden Software kann Prozesse neu aufsetzen und harmonisieren
Abb. 16:
Beschaffungsprozesse • bestehendes ERP-System kann Anforderungen des Beschaffungscontrolling nicht umsetzen
SWOT-Analyse in der Beschaffung
Das Unternehmen sollte im Ergebnis beurteilen können, inwieweit es mit seinen gegebenen Ressourcen in der Lage ist, auf erwartende externe Veränderungen zu reagieren. Wichtige Denkanstöße sind, zusätzlich zu der SWOT-Analyse, folgende:
Ist unsere gegenwärtige Beschaffungs-Strategie ausreichend, um auf künftige Veränderungen zu reagieren? Können heutige Stärken morgen zu Schwächen werden, wenn wir diese nicht weiterentwickeln (z.B. Single Sourcing)? Passen unsere derzeitigen Stärken und Kernkompetenzen noch in die Welt des SRM? Wie können wir in Hinblick auf unsere Chancen unsere Stärken am besten ausnutzen? Welche Verbesserungspotenziale gibt es in der Beschaffung? Wie können wir auf Basis unser spezifischen Kompetenzen auf externe Veränderungen des Beschaffungsmarktes besser reagieren als unsere Mitbewerber?
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
3.3.2
71
Szenario-Technik
Die Szenario-Technik stellt eine Variante der heuristischen Prognose dar. Sie entwickelt sich als eine Art qualitativer Beschreibung der zukünftigen Entwicklung von Umfeldsituationen (Szenarien) bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Form alternativer Zukunftsbilder, die sich aus kausal verknüpften Annahmen zusammensetzen. Aufbauend auf der gründlichen Analyse des Untersuchungsfeldes werden dessen wichtigste zukünftige Einflussgrößen identifiziert und analysiert. Dabei erhebt die Szenario-Technik den Anspruch, die Zukunft quantitativ abbilden zu können, indem sie in sich schlüssige Entwicklungspfade in Form aufeinanderfolgender Einzelereignisse skizziert.
Abb. 17:
Szenario-Technik
In der Regel werden bei der Szenario-Technik acht Stufen durchlaufen (vgl. Brockhaus/Broer 1994, S. 87): 1. Aufgabenanalyse: Es werden die verfolgten Ziele und Strategien betrachtet und Stärken und Schwächen analysiert, um Probleme herauszufinden, die für die Zukunft gelöst werden müssen. 2. Einflussanalyse: Für jeden sich aus der Umwelt ergebenden Einflussbereich werden Einflussfaktoren gesammelt, die auf das Untersuchungsfeld einwirken. 3. Projektion: Auf der Basis der im zweiten Schritt ermittelten Einflussfaktoren werden alle für ein Umfeld relevanten Deskriptoren ermittelt und Projektionen für die Zukunft erstellt. 4. Alternativbündelung: Es ist abzuschätzen, welche Ausprägungen der kritischen Deskriptoren miteinander harmonieren, welche sich neutral zueinander verhalten und welche sich ausschließen. 5. Szenario-Interpretation: Auf der Basis der zuvor erarbeiteten und berechneten Informationen werden, von der Gegenwart ausgehend, Zukunftsbilder entwickelt.
72
3 Beschaffungscontrolling
6.
Konsequenzen-Analyse: Aus den unterschiedlichen Szenarien zur möglichen Entwicklung der Informationsverarbeitung werden Chancen und Risiken für das Unternehmen abgeleitet. 7. Störereignis-Analyse: Störereignisse sind plötzlich auftretende Ereignisse, die zuvor trendmäßig nicht erkennbar waren und die Entwicklung in eine neue Richtung führen. Mit Hilfe von Kreativitätstechniken wird ermittelt, welche Störfälle auftreten könnten und welche Auswirkungen sie haben. 8. Szenario-Transfer: Auf der Grundlage der in Schritt 6 entwickelten Aktivitäten wird schließlich eine Leitstrategie ausgearbeitet, die unter verschiedenen externen Rahmenbedingungen zum Erfolg führt. Die Szenario-Technik kann jedoch nur wenige Szenarien ableiten, die lediglich die Bandbreite der potentiellen Zukunftsentwicklungen abdecken. Dennoch bietet die Szenario-Technik trotz unsicherer Prognosen eine Vielzahl von Vorteilen (vgl. Hopfenbeck 1989, S. 541):
Vernetzte, multidimensionale Betrachtungsweise der wichtigsten Umweltkomponenten: – interdisziplinäre Erstellung strategierelevanter Variablen (sozio-ökonomischer, technologischer, politischer Faktoren etc.), – Einbeziehung auch qualitativer Einflussgrößen (z.B. gesellschaftspolitische Wertvorstellungen / Verhaltensnormen, Käuferverhalten); besondere Berücksichtigung „schwacher Signale“; Flexibilität und Anpassungsfähigkeit; Möglichkeit der Erstellung von Alternativszenarien; Verknüpfung der externen Rahmenbedingungen und der Unternehmens-Mikrostruktur im Rahmen des Früherkennungssystems; Erhöhung der Transparenz komplexer Entscheidungen und des Denkens in Alternativen; Zwang zur Auseinandersetzung der Entscheidungsträger mit den durch die Szenarien aufgezeigten strategischen Risiken bzw. Chancen; Auswertung des Zielsystems und Auswahl der für die einzelnen Strategien realisierbaren Zielkombinationen. Die Szenario-Technik dient in der Beschaffung, um insbesondere Lieferantenengpässe frühzeitig zu identifizieren. Ist ein Engpass identifiziert bzw. prognostiziert, helfen folgende Maßnahmen (vgl. Schuh et al. 2008, S. 71):
Einrichtung eines gezielten Programmmanagement und Fokussierung der Ressourcen auf Problemteile. Kurzfristiger Lieferantenwechsel (Fokus auf Entwicklungs- und Testressourcen zum kurzfristigen Freiprüfen). Entsenden eigener Mitarbeiter zum Lieferanten, von dort täglich aktualisierte Lieferprognosen sowie Sicherstellen einer zeitnahen internen Kommunikation. Teile ersetzen bzw. Varianten eliminieren. Weitere Lieferantenwechsel, um mehr Diversifikation zu erhalten. Neuentwicklung und Einsatz neuer Technologien, um alte Technologie-Abhängigkeiten zu reduzieren. Aufbau zusätzlicher Lieferanten mit Fähigkeiten, die denen der aktuellen Lieferanten gleichen.
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
73
Identifikationen von Lieferanten, die noch nicht auf dem erforderlichen Niveau liegen, aber mit bereits durchgeplanten Maßnahmen entsprechend entwickelt werden können. Dual-Sourcing, also mindestens zwei Lieferanten parallel für kritische Komponenten nutzen.
3.3.3
Gap-Analyse
Der Ausgangspunkt der strategischen Überlegungen ist die Gap-Analyse. Sie ist ein klassisches Instrument innerhalb der strategischen Planung und kann als ein Früherkennungssystem von strategischen Problemen interpretiert werden. Die Grundidee der Gap-Analyse besteht darin, dass unter Beibehaltung der Aktivitäten eines Unternehmens die Differenz zwischen den definierten Zielen der strategischen Planung und der tatsächlichen Entwicklung immer größer wird (Gap=“Ziellücke“). Diese unterschiedliche Entwicklung zwischen Theorie und Praxis gilt es durch geeignete Strategie auszufüllen. Im Zusammenhang mit der Schließung bzw. Interpretation dieser Lücke unterscheidet man zwischen einer strategischen und operativen Lücke. Während das Auftreten einer strategischen Lücke auf eine nicht optimale Nutzung der strategischen Beschaffungspotenziale zurückzuführen ist und im Allgemeinen neuer Lieferanten/Markt-Kombinationen bedarf, stellt die operative Lücke ein NichtErreichen von Soll-Vorgaben – unter Berücksichtigung der strategischen Rahmenbedingungen – dar. Hier gilt es, entsprechende Planungsverbesserungen durchzuführen. Innerhalb des strategischen Beschaffungscontrolling erfüllt die Gap-Analyse eine wesentliche Anregungsfunktion bezüglich der Anpassung bestehender bzw. zur rechtzeitigen Erkennung und Erarbeitung neuer Ziel- und Maßnahmenplanung in der Beschaffungspolitik. Vergleicht man beispielsweise die gewünschte mit der tatsächlichen Entwicklung der Deckungsbeiträge einer Lieferantengruppe und ist eine Abweichung zwischen diesen beiden Größe erkennbar, so lassen sich frühzeitig Strategieänderungen einleiten. Diese Modifikationen können innerhalb der Preis- und Konditionenpolitik des Lieferfanten oder der Betreuungsintensität vorgenommen werden. Somit dient die Gap-Analyse dem strategischen Beschaffungscontrolling als ein erstes Analyseraster, wobei Bewertungsfragen jedoch noch weitgehend ausgeklammert bleiben. Ausgehend von diesem Informationsmaterial über die zu erwartenden Entwicklungstendenzen einzelner Kunden bedarf es im Falle von Abweichungen einer Strategieüberprüfung bzw. – änderung.
74
3 Beschaffungscontrolling
Abb. 18:
Gap-Analyse in der Beschaffung
Falls die Beschaffungskosten nicht den gewünschten Entwicklungslinien entsprechen (siehe Abbildung 18) können folgende Strategien zur Schließung der strategischen Lücke diskutiert werden:
Preisdruckverhalten, bei dem jeder Kontakt mit Anbietern genutzt wird, auf Preissenkungen zu drängen, indem ihnen das Gefühl gegeben wird, dass die bestehenden Preise das inländische Preisniveau übersteigern. Preisabschöpfungsverhalten, bei dem das abnehmende Unternehmen durch internationalen Lieferantenwechsel oder durch Verhandlungen mit bestimmten Lieferanten unter Zuhilfenahme von niedrigeren Wettbewerbsangeboten den jeweils günstigsten Preis auf dem Einkaufsmarkt realisiert. Preishöhenvorgabeverhalten, bei dem die Preisbestimmung z.B. durch retrograde Kalkulation auf Basis der Teil- oder Vollkostenrechnung erfolgt und ein Datum für potenzielle Lieferanten darstellt. Meistbegünstigungsforderung, im Rahmen derer das einkaufende Unternehmen über die Konkurrenzpreisforderung hinausgehend versucht, vom ausländischen Marktpartner einen günstigeren Preis zu realisieren, als dieser anderen inländischen Einkaufskonkurrenten bietet. Festpreisforderung oder analog dazu Preisreduktionsforderungen; durch die Festpreisforderung soll über einen bestimmten Zeitraum der Preis kalkulierbar bleiben, was z.B. dem abnehmenden Unternehmen ermöglicht, seinen Kunden ebenfalls langfristig konkrete Preiszusagen zu geben. Im Gegensatz dazu soll die Preisreduktionsforderung, z.B. im Rahmen von Preisgleitklauseln, das Risiko eines zu hohen Preises für bestellte und noch zu liefernde Produkte reduzieren, indem Preise an die Veränderung bestimmter Indizes, z.B. Wechselkurse oder Rohstoffpreise gekoppelt werden. Das bedeutet in der Regel allerdings auch, dass bei Steigerung des Indizes höhere Preise an den Lieferanten
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
75
zu zahlen sind, wodurch für ihn das Risiko nicht kostendeckender Preise aufgrund aktueller Entwicklungen gemindert ist. Gegenstand und Anlass preis- und konditionenpolitischer Entscheidungsprozesse in der Beschaffung zur Schließung der operativen Lücke können sein:
Bestimmung des für einen ausländischen Beschaffungsmarkt geltenden Grundpreises – unter Zugrundelegung verschiedener INCOTERM-Klauseln – und der Konditionen, die im Rahmen der Marktbearbeitung über indirekten oder direkten Import Gültigkeit haben sollen. Änderung von Preisen und Konditionen, um den Entwicklungen von Kosten, Wechselkursen, Nachfrage und Angebot Rechnung tragen können. Auslandsmarktbezogene Differenzierung von Preisforderungen, um hierdurch eine Anpassung an die spezifischen Gegebenheiten zu erreichen. Ausgangspunkt ist der beim Lieferanten aufgrund der Wettbewerbsverhältnisse erzielbare Preis, von dem über die einzelnen Bezugsstufen bis hin zum Hersteller zurückgerechnet werden kann. Neben den stufenbezogenen Preisforderungen gilt es auch, die Konditionen im Bezugsweg festzulegen und dort deren Einhaltung zu kontrollieren. Entwicklung geeigneter Maßnahmen, die dem einzelnen Beschaffungshelfer bei der Durchsetzung der vorgesehenen Abgabepreise behilflich sein sollen. (teil-) marktbezogene harmonische Abstimmung der Preisforderungen.
3.3.4
Beschaffungsmarktsegmentierung
Das Konzept der Beschaffungsmarktsegmentierung ist dem Beschaffungsmarketing zugeordnet und wurde ursprünglich aus der Zielgruppensegmentierung des Absatzmarketing abgeleitet. Aufgrund seiner entscheidungsunterstützenden Funktion besitzt die Marktsegmentierung im Bereich des Absatzmarketing eine hohe strategische Bedeutung und wird nahezu in allen Bereichen angewandt. Das Konzept einer systematisierten Segmentierung des Gesamtbeschaffungsmarktes im Rahmen des Beschaffungsmarketing ist dagegen noch nicht so verbreitet und muss weitestgehend erschlossen werden (vgl. Heß 2008, S. 149). Ein Modell für das Beschaffungsmarketing zeigt die Abbildung 19.
76
Abb. 19:
3 Beschaffungscontrolling
Phasen im Beschaffungsmarketing
(vgl. Menze 1993, S. 243) In seiner Gesamtheit ist der Beschaffungsmarkt sehr heterogen. Dadurch ist die gezielte, systematische und effektive Marktbearbeitung problematisch. Durch die Bildung von Segmenten, die intensitätsmäßig unterschiedlich bearbeitet werden sollten, versucht man gleichartige Marktteile unter einem Teilmarkt zu subsumieren. Die Teilmärkte sollten intern weitestgehend homogen sein und sich zu den anderen Teilmärkten durch Heterogenität abgrenzen.
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
77
Eine Hauptzielsetzung der Beschaffungsmarktsegmentierung ist die gezielte Marktbearbeitung der einzelnen Segmente durch den Beschaffer. Durch die effiziente Bearbeitung der für ein Unternehmen wichtigen Beschaffungssegmente kann das Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen (vgl. Appelfelder/Buchholz 2005, S. 33ff.). Beispiele hierfür wären die Ausschöpfung von Kosten- und Qualitätsvorteilen oder die Reduzierung der „Time to market“ durch erfolgreiches Simultanous Engineering. Ferner können potenziell lukrative Teilmärkte identifiziert und die für die Beschaffung neuer oder komplexer Objekte in Frage kommenden Teilmärkte präzisiert werden. Die Beschaffungsmarktinstrumente können gezielter eingesetzt, neue Potenziale im Rahmen des Beschaffungsmanagements erschlossen und die Marktentwicklung bei relevanten Segmenten durch gezielte Beobachtung besser prognostiziert werden. Darüber hinaus wird die Flexibilität der Marktbearbeitung erhöht und die Formulierung einer spezifischen Beschaffungsmarketingstrategie ermöglicht. Bei einer so umfassenden Zielsetzung kann die Beschaffungsmarktsegmentierung wie in Abbildung 20 dargestellt werden:
Abb. 20:
Zielsetzung einer Beschaffungsmarktsegmentierung
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Zielsetzung der Beschaffungsmarktsegmentierung in den verbesserten Möglichkeiten der Markterfassung und der Marktbearbeitung des Beschaffungsmanagements liegt.
78
3 Beschaffungscontrolling
Abb. 21:
Möglichkeiten einer Beschaffungsmarktsegmentierung
Bei einer solchen Betrachtungsweise kann es vorkommen, dass nicht alle Teilmärkte die Vielzahl der Kriterien innerhalb des aufgezeigten Segmentierungswürfels erfüllen und somit einzelne Teilquader keinem realen Teilmarkt zugeordnet werden, d.h. leer bleiben. Ein homogener Beschaffungsmarkt lässt sich nach folgenden Kriterien segmentieren:
Beschaffungsobjektspezifische Kriterien, Beschaffungsländerspezifische Kriterien und Beschaffungskostenkriterien.
Beschaffungsobjektspezifische Kriterien Die jeweiligen Beschaffungsobjekte eines Unternehmens werden durch bestimmte Merkmalte charakterisiert und beeinflussen die Beschaffungsmarktauswahl in verstärktem Maße. Grundsätzliche lassen sich als merkmalsbildende Kriterien die Menge (Einzelprodukte, Massenprodukte), das Preisniveau (Billigprodukte, Spitzenprodukte), das Leistungsniveau (Qualitätsprodukte, Standardprodukte, inferiore Produkte), der Neuigkeitsgrad (Pionierprodukte, bewährte Produkte) und der Standardisierungsgrad (Normprodukte, Spezialprodukte) unterscheiden. Je nachdem, welche Objekte ein Unternehmen am Markt beschaffen möchte, unterscheiden sich Anforderungen an den Beschaffungsmarkt und beeinflussen den Entscheidungsprozess für die Auswahl eines Beschaffungssegments. Aber auch Kriterien, wie Klassifizierungen nach ABC-Analysen, können bei der Segmentierung des Beschaffungsmarktes eine Rolle spielen (z.B. gezielte Beschaffungsmarktbearbeitung nur für A-Güter). Generell ist für eine Beschaffungsmarktsegmentierung die Bestimmung der jeweiligen Beschaffungsobjektmerkmale erforderlich, da diese die Segmentierung des Beschaffungsmarktes beeinflussen. Bestimmte Beschaffungssegmente können nur für bestimmte Beschaffungsobjektgruppen gebildet werden. Die länderorientierten Segmentierungskriterien bestimmen die Gruppierung einzelner Beschaffungsmärkte auf Länderebene. Potenzielle Merkmale zur Aufteilung und zur weiteren Bewertung des globalen Beschaffungsmarktes sind in Abbildung 22 dargestellt. Betriebswirtschaftlich interessieren hierbei in erster Linie die Leistungen, die ein Unternehmen von den Märkten erhalten kann und die Kosten, die beim Bezug von Leistungen anfallen. Eine dritte Merkmalsgruppe betont den Risikoaspekt eines Landes, da diese die Versorgungssicherheit bei einer Beschaffung aus den jeweiligen Ländern stark beeinträchtigen kann.
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
Abb. 22:
79
Merkmale von Beschaffungsmärkten
(vgl. Koppelmann 2004, S. 194)
Darüber hinaus benötigt ein Unternehmen noch Informationen über die Konkurrenzstrukturen des Beschaffungsmarktes, um ggf. auf bestimmte Machtstrukturen im Vorfeld reagieren oder Nutzungspotenziale aufgrund einer Vielzahl von Lieferantenalternativen aufdecken zu können. Für die Auswahl von attraktiven Beschaffungsteilmärkten, die im Rahmen des Beschaffungsmarketing verstärkt mit dem betrieblichen Beschaffungsinstrumentarium in Bezug auf die Beschaffungsziele bearbeitet werden, kann anhand der unterschiedlichen Merkmale eine mehrstufige Selektion vorgenommen werden. In der ersten Stufe ist es sinnvoll, Ländersegmente zu bilden, die ein homogenes Nivea der allgemeinen Liefervoraussetzungen ausweisen. In der Vorauswahl können Kriterien wie Exportverbote, Naturkatastrophenanfälligkeit, spezifische Ansichten oder strategische Vorentscheidungen des Managements sowie sonstige Höchst- bzw. Mindestanforderungen (z.B. Transportmöglichkeiten) eine Rolle spielen. Hiernach kann eine weitere Segmentierung mit Hilfe von unterschiedlichen Kriterien vorgenommen werden. Die allgemeinen Kriterien zur Bestimmung von internationalen Beschaffungsmarktsegmenten müssen in Beziehung zu den lieferantenspezifischen Kriterien gesehen werden. Während die Länderkriterien den globalen Beschaffungsmarkt anhand von allgemein gültigen Kriterien nur schematisch in bestimmte Teilmärkte untergliedern, dienen lieferantenbezogene Kriterien der Bildung von homogenen Lieferantengruppen, die aufgrund der gleichartigen Eigenschaften ähnlich bearbeitet werden können. 3.3.4.1 Lieferantenspezifische Kriterien Die Lieferantensegmentierung teilt Lieferanten in unterschiedliche Gruppen ein, wobei die zu einem Segment gehörenden Anbieter aufgrund ihrer homogenen Eigenschaften einheitlich bearbeitet werden können.
80
3 Beschaffungscontrolling
Die Segmentierung anhand lieferantenspezifischer Kriterien kann neben dem Heimatbeschaffungsmarkt des Unternehmens auch den internationalen Beschaffungsmarkt in Teilmärkte aufteilen (vgl. Arnolds/Heege/Tussing 1999, S. 17). Im Rahmen der internationalen Beschaffungsmarktsegmentierung müssen die Beschaffungsmärkte jedoch in Bezug auf die jeweiligen Länderkriterien konkretisiert werden. Generell ist aufgrund der zunehmenden Konzentrationen, Wertschöpfungspartnerschaften sowie Zeit- und Qualitätsansprüche eine Konkretisierung der Beschaffungsmärkte in Richtung des Beschaffungspartners sinnvoll. Die lieferantenbezogenen Segmentierungskriterien umfassen nicht nur quantitativ orientierte Aspekte, sondern vor allem auch qualitative und weiche Faktoren. Weiche Faktoren sind zum Beispiel so genannte „fits“, d.h., es existieren gemeinsame Ziele und Interessen zwischen den Geschäftspartnern. Segmentierungskriterien könnten demnach sein (vgl. Menze 1993, S. 280):
Segmentierung nach Qualitätsaspekten: Gruppierung der Lieferanten auf der Basis des derzeitigen Erfüllungsgrades von Anforderungen an die Qualität der Gesamtleistungen (z.B. durch Qualitätsquotientenbildung, Fehlerquote), Einhaltung internationaler Qualitätsstandards (ISO 9000 ff. Richtlinien) oder die generelle Bereitschaft zu Qualitätssicherungen (Audits, Qualitätsvereinbarungen etc.). Segmentierung nach Angebotskosten: Gruppierung der Lieferanten nach Kostenaspekten bzw. Preisniveaus. Dieses Kriterium sollte nur in Verbindung mit Qualitätskriterien gesehen werden. Segmentierung nach Erfahrungen und Qualifikationen der Lieferanten: Besonders bei ausländischen Lieferanten bedarf es einer internationaler Managementkompetenz und der Anpassung der Lieferantenaktivitäten auf internationale Markerfordernisse. Segmentierung nach Logistik- und Flexibilitätsaspekten: Aspekte in Bezug auf kurzfristige Anpassung der Produktionskapazitäten, Zwischenlagermöglichkeiten oder flexibles Logistikmanagement (z.B. Zeitfensteranlieferungen). Segmentierung nach der Wettbewerbsposition der Lieferanten: In der Logistik sollte generell eine zu starke Ausprägung der Wettbewerbsposition des Lieferanten vermieden werden. Daher sind bei einer Segmentierung der Beschaffungsmärkte diese Kriterien zu beachten, um anschließend für die Segmente spezifische Maßnahmen abzuleiten. Segmentierung nach der Kooperationsbereitschaft: Im Zuge der ansteigenden Wertschöpfungspartnerschaften zwischen Beschaffer und Lieferant gewinnt die Fähigkeit und Bereitschaft der Lieferanten zur Kooperation mit dem Abnehmer an Gewicht und sollte daher an die Segmentierungsbetrachtung aufgenommen werden. Segmentierung nach dem Innovationspotential der Lieferanten: Aufgrund des Wettbewerbs- und Kostendrucks suchen Unternehmen nach innovativen, kreativen Ideen, um weiterhin Wettbewerbsvorteile am Markt realisieren zu können. In diesem Zusammenhang wird die Innovationsfähigkeit der eigenen Lieferanten immer wichtiger. Segmentierung nach bisherigen Lieferantenbeziehungen: Unterteilung nach aktiven Lieferanten, ehemaligen Lieferanten und potenziellen Lieferanten
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
81
3.3.4.2 Beschaffungskostenkriterien Neben den Möglichkeiten der Beschaffungsmarktanalyse und der Festschreibung der Beschaffungsmengen- und Beschaffungskostenziele sind für die verschiedenen Beschaffungsmarktsegmente differenzierte Kostenrechnungen möglich, die Auskunft über die Kostenwirtschaftlichkeit der Beschaffungsmarktsegmente geben. Auf ihrer Basis kann eine Planung der Kostensenkungsaktivitäten erfolgen. Sämtliche Materialkostensenkungspotenziale der Beschaffungsmarktsegmente sollen dabei aufgezeigt werden, um anschließend durch die Beschaffungsmarketinginstrumente ausgeschöpft zu werden. Letztendlich sollen unter Wahrung der Qualität nur diejenigen Beschaffungsobjekte aus den Segmenten bezogen werden, die zu einer Reduzierung der Kosten und damit zu einer Verbesserung des Betriebsergebnisses führen. Daher ist es notwendig, die Beschaffungskosten so aufzugliedern, dass differenzierte Entscheidungen möglich sind. Im Gegensatz zur herkömmlichen Kostenrechnung ist es deshalb notwendig, nicht nur die Materialien als Bezugsgröße für die Beschaffungskosten zu nehmen, sondern gegebenenfalls auch die Lieferanten, die Gebiete oder die Länder. Das Beschaffungscontrolling hat dabei sicherzustellen, dass möglichst viele Kosten als Einzelkosten den Beschaffungssegmenten zugerechnet werden können, was nicht zuletzt von einer geeigneten Segmentierung abhängt. Ausgangspunkt der Analyse soll hier eine lieferanten-, material- und geographiebezogene Segmentierung sein. Zunächst soll für einen Lieferanten über alle Materialien verdichtet werden, wodurch sich alle Kosten eines einzelnen Lieferanten ermitteln lassen. Dann werden die Kosten der Lieferanten, zu denen der Lieferantentyp passt, zusammengefasst. Endlich erfolgt auf der letzten Stufe eine Zusammenfassung der Lieferantentypen, wodurch man das Gesamtergebnis erhält. Die Verdichtung erfolgt demnach schrittweise: a) Lieferant – Material Lieferant Lieferantentyp Gesamt Ähnlich soll über die Materialien, b) Lieferant – Material Material Beschaffungsprogramm Gesamt und über Regionen, c) Lieferant – Material Gebiet Land Gesamt verdichtet werden. Zu diesen eindimensionalen Segmentanalysen sollen noch mehrdimensionale hinzukommen, d.h. es sollen bestimmte Beschaffungsmarktsegmente im Rahmen anderer Segmente betrachtet werden. Folgende mehrdimensionale Verdichtungen werden deshalb nun vorgenommen: 1) Lieferant-Material 2) Lieferant-Material Lieferantentyp-Material
Lieferant-Beschaffungsprogramm
Lieferantentyp-Beschaffungsprogramm
Gebiet-Beschaffungsprogramm
Lieferantentyp
Land-Beschaffungsprogramm
Gesamt
Beschaffungsprogramm Gesamt
82 3)
3 Beschaffungscontrolling Lieferant-Material Lieferantentyp-Gebiet-Material Lieferantentyp-Land-Material Lieferantentyp-Land Lieferantentyp Gesamt
3.3.5
Make-or-Buy-Analyse
Die „Make-or-Buy“-Entscheidung ist eine strategische Entscheidung darüber, ob ein Produkt oder ein Gut selbst erstellt, in der bereits bestehenden Produktion, oder ob dieses Produkt extern gekauft werden soll. Die Kaufentscheidung ist das Outsourcing. Häufig wird über eine solche Entscheidung nachgedacht, wenn ein Unternehmen Probleme mit den Zulieferern, begrenzte Kapazitäten hat oder einer Veränderung der Nachfrage gegenübersteht. „Make-orbuy“-Entscheidungen sind Investitionsentscheidungen um eine langfristige und zuverlässige Kooperationsbeziehung zwischen Unternehmen. Diese Entscheidungen können nur unter ausführlicher Gesamtbetrachtung und –bewertung des zukünftigen Partners geschlossen werden (vgl. Angemeier 2009, S. 1). Das Controlling hat während des Entscheidungsprozesses verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Besonders wichtig sind die Informationsversorgungsfunktion und die führungsstützende Koordinationsfunktion. Diese Entscheidung erfordert einer gründlichen Auswahl und einer ständigen Kontrolle der Lieferanten. Die Qualität sollte der bei Eigenerstellung entsprechen, zudem müssen die outgesourcten Produkte und Dienstleistungen pünktlich und kostengünstig zur Verfügung gestellt werden. „Make-or-Buy“-Entscheidungen sollen einzelfallbezogen entschieden werden. Meist wurden kurzfristige Entscheidungen über die Eigen- oder Fremdvergabe nur nach Kostenaspekten bewertet. Welches zu Folge hätte, dass zum Beispiel vollkostenorientierte Vergleiche, wie die Fixkostendeckung, nur unzureichend durchgeführt wurden. Um eine ausgewogene „Make-or-buy“-Entscheidung zu treffen, sollte ein ausführlicher Zielkatalog erstellt werden, die Kriterien wie Kosten, Qualität, Zeit, Ressourcenverfügbarkeit und Risiken beinhalten (vgl. Wannewetsch 2008, S. 113). Diese formulierten Fragen sollten verschiedene Interessen und Ziele innerhalb eines Unternehmens darstellen. Bei der „Make“-Entscheidung besteht ein enger Zusammenhang mit der Machbarkeitsprüfung oder einer Machbarkeitsstudie. Ein Produkt selber herzustellen wird davon abhängig, ob dies technisch, wirtschaftlich und organisatorisch möglich ist. Zu der wirtschaftlichen Entscheidung gehört auch die Betrachtung der finanziellen Seite. Um eine „Make“Entscheidung unter Kostenaspekten zu beurteilen, müssen alle Kosten berücksichtigt werden. Diese teilen sich in drei große Blöcke auf: die Fixkosten, die variablen Kosten und die Opportunitätskosten. Fixkosten entstehen bei der Automatisierung durch Anlagen und Maschinen, die die menschliche Arbeitskraft verringern sollen. Diese Investitionen der Anlagen verursachen fixe Kosten. Fixkosten sind feste oder konstante Kosten, die sich je nach Aus-
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
83
bringungsmenge oder betrachteter Einflussgröße nicht ändern. Fixe Kosten beinhalten Lagerkosten, produktionsfixe Kosten, Löhne und Gehälter und Abschreibungen. Diese Kosten müssen immer getätigt werden, sie verringern sich nur bei einer größeren Ausbringungsmenge. Der zweite Kostenblock sind die variablen Kosten. Die variablen Kosten sind die veränderlichen oder auch direkten Kosten. Sie bezeichnen den Teil der Gesamtkosten, dessen Höhe vom Beschäftigungsgrad und der Ausbringungsmenge abhängig ist. Zu diesen gehören die Transaktionskosten, die Materialkosten und Personalkosten. Transaktionskosten entstehen beim Austausch von Gütern oder Dienstleistungen. Der dritte Kostenblock sind die Opportunitätskosten. Diese stellen nicht direkt Kosten im Sinne von Ausgaben dar. Opportunitätskosten ergeben sich aus der Überlegung, welche Auswirkung eine alternative Entscheidung hat; in diesem Fall gegen eine nicht genutzte Verwendungsmöglichkeit des Produktionsfaktors oder des Kapitals. Es handelt sich im Wesentlichen um entgangene Gewinne oder entgangene Deckungsbeiträge (vgl. Hermes 2005, S. 17; Inman 2010, S. 2). Bei den „Buy“-Kosten entstehen Vorbereitungskosten, Vereinbarungskosten und zusätzliche Kosten. Die Vorbereitungskosten oder auch Anbahnungskosten fallen einem auslagernden Unternehmen an, wenn Outsourcing-Anbieter gesucht werden und sich das Unternehmen Informationen über Produktqualität und Preis einholt. Die Vorbereitungs- oder auch Umstellungskosten sind alle Kosten, die bei der Entstehung der Geschäftsbeziehung generiert werden. Sie werden auch „Switchingcosts“ genannt. Darunter fallen folgende Kosten:
Kosten für die Anbahnung und Vereinbarung einer Zusammenarbeit oder für eine außervertragliche Beendigung einer Zusammenarbeit. Die Kosten für den Aufbau oder die Stilllegung von Kapazitäten, wie Maschinen, Beförderungsmittel oder Läger. Die Kosten die aufgebracht werden müssen, um sich technisch anpassen, dies könnte im informationstechnischen Bereich sein oder nur die Einführung von Normpaletten. Zudem kommen die Kosten für die Freisetzung oder Beschaffung von Personal und Umschulungskosten für bereits existierendes Personal. Die Anpassungskosten ergeben sich, sobald Änderungen der Leistungsvereinbarung mit dem Outsourcing-Partner aufgrund von veränderten Bedingungen vorzunehmen sind. Etwas schwierig ist es, diese Kosten im Vorfeld oder sogar nach Durchführung des Outsourcings zu kalkulieren und zu berechnen (vgl. Hermes 2005, S. 17). Die Vereinbarungskosten ergeben sich bei der Verhandlung der etwaigen Einigung mit dem Outsourcing-Anbieter. Der Hauptanteil dieser Vereinbarungskosten, auf Grund des Fremdbezuges, machen die Fremderstellungskosen und die zusätzlichen Transaktionskosten aus. Diese sind die Kosten für das zu beschaffende Produkt oder die zu beschaffende Leistung und werden direkt vom Outsourcing-Anbieter angegeben. Daher sind sie einfacher zu ermitteln. Der Bezugspreis enthält jedoch auch die Leistungs-, Bereitschafts- und Transaktionskosten des Anbieters. Bei einem Outsourcing-Partner sollten diese Kosten wesentlich niedriger sein, als bei der Eigenerstellung. Zusätzliche Transaktionskosten sind die Kosten, die bei der Bestimmung, Übertragung und Durchsetzung von Verfügungsrechten entstehen. Konkret sind dies die zusätzlichen Transportkosten, die Kosten für die Bestellungen, die Koordinationskosten und etwas langfristiger auch die Kosten für das Lieferantenmanagement sowie die zusätzlichen Kosten für die Qua-
84
3 Beschaffungscontrolling
litätsprüfung. Wichtig ist hier, dass die höheren Transaktionskosten, die durch das Outsourcing generiert werden, nicht einen negativen Effekt auf den Gesamterlös haben. Die Vereinbarungskosten sind auch die Kosten, die quasi bei jeder Bestellung oder bei jedem Kontakt mit dem Outsourcing-Partner anfallen. Diese machen den Hauptteil der variablen Kosten des Outsourcing aus. Unter zusätzlichen Kosten kann man die Kontrollkosten oder die Anpassungskosten verstehen. Die Kontrollkosten entstehen im Laufe der Geschäftsbeziehung für das auslagernde Unternehmen zur Sicherstellung der Einhaltung der abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen, wie Termin, Preis, Menge, Qualität und Geheimhaltungsvereinbarungen. Zudem kommen alle Kosten hinzu, die durch die Risiken des Outsourcing ausgelöst werden. Das erhöhte Risiko dabei ist, dass die Qualität nicht stimmt oder das Produkt zu spät geliefert wird. Die beinhaltet auch wiederum Folgekosten bei Lieferschwierigkeiten/Qualitätsverlust. Die Lieferanten kann man weniger kontrollieren, als eine Abteilung im eigenen Haus. Dadurch werden Qualitätsverluste erste später in der Supply Chain entdeckt. Das Personal muss besser geschult sein, um solche Qualitätsrisiken zu erkennen oder Produkte einer Qualitätsprüfung zu unterziehen. Eventuell muss eine neue Qualitätsprüfungsabteilung gegründet werden, die die Waren von Lieferanten kontrolliert. Diese generiert zusätzliche Kosten, wie Personalkosten (vgl. Arndt 2006, S. 153; Inman 2010, S. 2). Ferner fallen unter den zusätzlichen Kosten die Lieferantenentwicklungskosten. Neben Kostenaspekten sind beim Outsourcing weitere Motive und Risiken abzuwägen. Die Vorteile des Outsourcing sind: Konzentration auf Kernkompetenzen Kernkompetenzen sind eine Kombination aus sich ergänzenden und unterstützenden Funktionen und Wissensbeständen, welche Einfluss auf die Produkte und Dienstleistungen haben, mit denen Unternehmen sich aus Sicht ihrer Kunden im Wettbewerb differenzieren. Kernkompetenzen: – stiften dem Kunden einen überlegenen Zusatznutzen, – eignen sich zur Differenzierung im Wettbewerb, – bilden die Grundlage für ein breites Spektrum von Produkten, – sind häufig schwierig zu imitieren, – bieten Vorteile zur Erschließung neuer Märkte und – helfen, konkurrierende Unternehmen zu schwächen oder zu zerstören. Für die Unternehmen ist zu prüfen, wo die eigenen Kernkompetenzen liegen, denn diese determinieren die Schlüsselprozesse der Wertschöpfung. Durch gezieltes Outsourcing kann sich ein Unternehmen darauf konzentrieren, was der Markt wirklich fordert und was es am besten leisten kann. Die Übertragung nicht kernkompetenzspezifischer Aufgaben und Funktionen an Dritte setzt Ressourcen und Kapazitäten frei, die auf strategisch relevanten Kompetenzfeldern eingesetzt werden können und zur Leistungssteigerung bezüglich Innovation, Kundenorientierung und Kostenwirtschaftlichkeit beitragen. Die Komplexität um Unternehmen wird gesenkt, Abläufe werden dadurch transparenter. Outsourcing beinhaltet aber auch zahlreiche Nachteile:
Je komplexer Aufgaben- bzw. Leistungsbereiche erscheinen, umso größer wird die Gefahr, bei einem Outsourcing gegenüber dem Dienstleister in Abhängigkeit zu gera-
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
85
ten. Häufig ist die Entscheidung der Auslagerung solcher Leistungen kurzfristig nicht mehr reversibel. Eine Abhängigkeit kann jedoch auch bei dem Dienstleister auftreten. Beschränkt er seine Leistungserbringung nur auf wenige Kunden, läuft er Gefahr, zu starken Preissenkungen gezwungen zu werden oder ggf. eine wichtige Umsatzquelle zu verlieren. Ein Risiko kann auf beiden Seiten nicht ausgeschlossen, jedoch durch offene und partnerschaftliche Zusammenarbeit gemindert werden. Die Gefahr des Verlustes von Know-how spielt besonders dann eine wichtige Rolle, wenn es sich bei den nach außen vergebenen Aktivitäten um Kernleistungen oder um Randaktivitäten mit unerkannter Kernkompetenz handelt. Werden eigene Stärken leichtfertig aus der Hand gegeben, können negative Auswirkungen auf die Unternehmensentwicklung die Folge sein, denn die Stärken des Unternehmens bilden die Basis für die Differenzierung im Wettbewerb gegenüber Konkurrenten. Um dem Risiko vorzubeugen, sollten sich Unternehmen über Wissensintensität und über die Nähe zum Kerngeschäft der auszulagernden Leistung im Klaren sein. Outsourcing ergibt nicht zwangsläufig Kosteneinsparungen. Die Vergabe von Leistungen an einen Dritten kann aufgrund von Fehleinschätzungen eigener Kosten und auftretender Zusatzkosten sogar zu höheren Gesamtkosten führen. Falsche Kostenerfassung und –verrechnung können zur Überschätzung der eigenen Herstellkosten beitragen und aus diesem Grund ein Outsourcing begünstigen. Ist das Unternehmen um Nullfehlerkonzepte oder beispielsweise um ein Simultaneous Engineering bemüht, müssen Informationsaustausch und „simultanes Warnlampensystem“ gewährleistet sein. Im Zusammenhang mit einem Outsourcing-Vorhaben muss ggf. mit zusätzlichen Transport-, Versicherung- und Reisekosten sowie mit erhöhten Qualitätssicherungskosten gerechnet werden. Der Outsourcinggedanke bringt nicht nur die erwähnten Vorteile mit sich. Man muss bei einer vernünftigen Betrachtung auch die Risiken berücksichtigen, die eine Fremdvergabe der Leistungserstellung mit sich bringt: gegenseitige Abhängigkeit, zusätzliche Schnittstellen, zusätzlicher Planungsaufwand, Verwendungen überschüssigen Personals und Anlaufprobleme. Die oben genannten Risiken sind allerdings durch systematisches Vorgehen zu minimieren oder gar zu eliminieren, wenn man die folgenden Regeln befolgt:
Eine auf Kompetenz basierende Auswahl der Lieferanten, Beteiligung der Dienstleister an der Planungsphase, gemeinsame Lösung des Personalüberhangs, saubere Spezifikation der Schnittstellen, eindeutige Vorgabe der von beiden Seiten einzuhaltenden Verpflichtungen, fairer Ausgleich von Chancen und Risiken, Berücksichtigung der Transaktionskosten und Mittelfristigkeit der Entscheidungen.
Man kann an dieser Stelle erkennen, dass die Risiken durch gezieltes Beschaffungsmanagement in den Griff zu bekommen sind. Es gibt keine Probleme, die sich nicht irgendwie lösen
86
3 Beschaffungscontrolling
lassen, man muss nur konsequent an einem vernünftigen Konzept für die Umsetzung arbeiten.
3.3.6
Portfolio-Konzepte
Basis aller Portfoliokonzepte ist die analytische Segmentierung einer Unternehmung in strategische Geschäftsfelder (businessunits). Diese SGE’s oder SGF’s sollen dann anhand von einheitlichen Kriterien ihres Erfolgspotenzials beurteilt werden. Somit dient die Portfolio-Analyse:
der Identifikation, Diagnose und Prognose unternehmensbezogener Marktschwächen und –stärken sowie umweltbezogener Risiken, dem Entwurf alternativer Strategien zur zielorientieren Handhabung von Chancen und Risiken sowie zur Ausnutzung der Marktmacht und der Bewertung und Auswahl von Beschaffungseinzelstrategien und Strategiebündeln.
Trotz dieser Vorzüge eignet sich die Portfolio-Analyse in ihrer bisherigen Form nur bedingt für die strategische Früherkennung. Die Beschaffungs-Portfolio-Technik berücksichtigt wichtige Frühwarnindikatoren und Kennzahlen und kann, im Gegensatz zu den sonst üblichen Punktpositionsmengen der „Strategischen Geschäftseinheiten“, in der Portfolio-Matrix bestimmte Bereichspositionierungen vornehmen, um sogenannte Unschärfeflächen aufzuzeigen. Hierdurch könnte es vermieden werden, dass dem Beschaffungsmanagement von vornherein wichtige zentrale Informationen entgehen und eine voreilige und nicht zukunftsorientierte Konsensbildung verhindert wird. 3.3.6.1 Lieferanten-Abnehmer-Marktmacht-Portfolio Das Lieferanten-Abnehmer-Marktmacht-Portfolio wurde von Heege(1986) entwickelt. Es dient dazu, die eigene Marktmacht-Position mit der des Lieferanten zu vergleichen und gegebenenfalls Möglichkeiten zur Vergrößerung der Abnehmermacht aufzuzeigen (vgl. Heege 1986, S. 12). Die Vorgehensweise der Beschaffungsrisiko- bzw. Marktmacht-Portfolio-Analyse vollzieht sich in mehreren Schritten. Zunächst sind die kritischen Beschaffungsobjekte und –märkte sowie deren Lieferanten zu bestimmen. Danach sind die quantitativen Frühwarnindikatoren der Schlüsselfaktoren zu bestimmen und zu gewichten. Einen Überblick über die zum Aufbau des Marktmacht-Portfolios notwendigen Schlüsselfaktoren gibt Heege. Diese Schlüsselfaktoren zum Marktmacht-Portfolio gilt es nun durch die in dem Kennzahlensystem vorhandenen Kennzahlen bzw. Frühwarnindikatoren zu quantifizieren, was wie folgt vorgenommen werden kann:
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
Kriterien der Angebotsmacht
87
Kennzahl
I Marktdaten A) Struktur des Angebots
Anzahl der tatsächl. Anbieter
B) Konjunkturlage
Konjunkturindikatoren
C) Einzigartigkeit d. Produktes
Substitutionsgrad
D) Durchschn. jährl. Marktwachstum
Marktanteilwachstum je Lieferant
E) Möglichkeit des Auftretens potenzieller Wettbewerber
Anzahl der potenziellen Anbieter
II Lieferantendaten A) Anteil d. Lieferanten am Ges.-Markt
Marktanteil des Lieferanten
B) Leistungsfähigkeit d. Lieferanten
Serviceniveau des Lieferanten
C) Auslastung der Kapazität
Kapazitätsauslastungsgrad
D) Gewinnschwelle
Break-even-point des Lieferanten
Kriterien der Nachfragemacht I Besonderheiten des Bedarfs A) Anteil d. Bedarf am Gesamtmarkt
Bedarfs- bzw. Nachfrageanteil
B) jährliche Bedarfserhöhung
jährliche Bedarfserhöhung in %
II Möglichkeiten der aktiven Marktforschung A) Möglichkeiten der Eigenfertigung
"Make"-Anteil des Bedarfsvolumens
B) Lieferantenentwicklung
Anzahl der Lieferantenvermehrungen
III Sachverhalte in anderen Unternehmensbereichen A) Möglichkeiten zur Überwälzung von Kostensteigerungen
potenzielles Kostenüberwälzungsvolumen
B) Ertragskraft des Hauptprodukts
Ertragsquote des Hauptpodukts
C) Umstellungskosten
Umstellungskostenvolumen
Abb. 23:
Kriterien der Angebotsmacht
88
3 Beschaffungscontrolling
Nach der Auflistung der wichtigsten Kennzahlen müssen diese nun aufgrund ihrer Bedeutung gewichtet werden. Die Gewichtung hängt davon ab, welche Kriterien in der Vergangenheit besonders zur Versorgungssicherheit und Marktmacht der Unternehmen beigetragen haben. Die Gewichtung wird dabei so vorgenommen, dass die Summe der Gewichtungen je Lieferanten 100% ergibt. Alsdann ist die strategische Position zur Versorgungssicherheit und der Marktmacht im Istzustand zu bestimmen. Hierfür ist es notwendig, die einzelnen Kennzahlen zu klassifizieren. Generelles Kriterium für diese Bewertung ist die Abweichung des Kennzahlenwertes von einem Durchschnittswert für die Kennzahl. Die Bewertung erfolgt durch folgende Skala: 1 Punkt = die Markstärke ist gering, 2 Punkte = die Marktstärke ist durchschnittlich, 3 Punkte = die Marktstärke ist hoch. Nach Bestimmung des Ist- und Ideal-Portfolios sind die Soll-Portfolios zu entwickeln, indem man einen Kompromiss zwischen Ist-Portfolio und Ideal-Portfolio bildet. Ausgehend von der Position der Komponenten im Istzustand wird ihr Kreissymbol solange in Richtung Idealzustand verschoben, bis ein den strategischen Beschaffungszielen entsprechende und realisierbare Position gefunden wird (siehe Abbildung 24). Nach dieser Positionierung wird dann versucht, für die Realisierung des Soll-Portfolios die entsprechenden Norm- und Standardstrategien bzw. Alternativstrategien zu entwickeln.
Abb. 24:
Ist-Ideal- und Soll-Marktmachtportfolio
Aus dieser Vier-Felder-Matrix lassen sich den einzelnen Feldern entsprechend „Verhaltensmuster“ ableiten:
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
89
Marktmacht des Abnhemers
hoch
Marktmacht des Zulieferers
niedrig
hoch
Abb. 25:
niedrig
A Kategorie I Emanzipation
B Kategorie III Geschäftsfreunde
Lieferant mit starker Marktposition
einem marktmächtigen Abnehmer steht ein (mehrere) gleichmächtiger Zulieferer gegenüber
C Kategorie IV Anpassung und Selektion
D Kategorie II ChancenRealisierung
hier stehen sich schwache Abnehmer und schwache Zulieferer gegenüber
Lieferant mit schwacher Marktposition
Marktmacht-Portfolio
(vgl. Harting 1989, S. 39)
Standardstrategien für das Marktmacht-Portfolio haben Biergans und Koppelmann entwickelt:
Beschaffungspolitische Prolemelemente
90
Abb. 26:
3 Beschaffungscontrolling Lieferantenposition schwach
Lieferantenposition stark
Chancenrealisierung
Emanzipation
Make or buy
Eigenfertigung nicht aufnehmen, evtl. drosseln, aber im Auge behalten
Eigenfertigung ausbauen bzw. damit beginnen
Substitution
verfolgen
intensiv suchen
Wertanalyse
Mitarbeit des/der Lieferanten anstreben, Qualitätswettbewerb gezielt fördern
in Eigenregie forcieren
Neue Lieferanten
Kontakte anknüpfen
intensive Suche nach alternativen Versorgungsquellen; Auslandskontakte pflegen
Lieferantenförderung
zwecks Leistungssteigerung der Lieferanten
um kleinere Lieferanten zu leistungsstarken Konkurrenten zu machen
Kooperation auf der Nachfrageseite
nicht erforderlich
erwägenswert
Lagerhaltung
Bestände niedrig halten, Lagerhaltung auf Lieferanten abwälzen
durch hohe Lagerbestände Abhängigkeit mindern
Preispolitik
Preise aktiv ausreizen, Nebenleistungswettbewerb steigern
Preise halten und gezwungenermaßen "schweigen"
Mengen
gezielt auf die leistungsfähigsten Lieferanten verteilen
konzentrieren, soweit wie möglich
Kontrakte
kurzfristige Verträge Spotkauf
langfristige Verträge
Standardstrategien des Marktmacht-Portfolio
(vgl. Biergans/Koppelmann 1982, S. 41–47)
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
91
3.3.6.2 ABC-Versorgungsrisiko-Portfolio Das ABC-Versorgungsrisiko-Portfolio wurde von Harting entwickelt. Es klassifiziert zunächst das Portfolio nach ihrer Wertigkeit in einer ABC-Analyse. Menge und Wert der in einer ABC-Analyse erfassten Güter stehen erfahrungsgemäß in einem bestimmten Verhältnis, so dass: etwa 15 % der Güter etwa 80 % Anteil am Gesamtwert haben (A-Güter), etwa 35 % der Güter etwa 15 % Anteil am Gesamtwert haben (B-Güter), etwa 50 % der Güter etwa 5 % Anteil am Gesamtwert haben (C-Güter), Ein Unternehmen kann umso erfolgreicher rationalisieren, je mehr Anstrengungen bei den AGütern unternommen werden. Bei C-Gütern dagegen werden hohe Anstrengungen nur einen kostenmäßig geringen Nutzen bringen. Danach werden die Objekte nach ihrem Risiko beurteilt, so dass sich folgende Matrix ergibt (vgl. Heß 2008, S. 130):
ABC-Ausprägung
hoch
A-Artikel
C-Artikel
Feld 1 Schlüsselprodukte
Feld 3 Engpassprodukte
Zielkonflikt: Sicherheit und Wirtschaftlichkeit
hohe Vorratshaltung erforderlich, dadurch Beschaffungskostenerhöhung
Lieferbereitschaft gefährdet
niedrig
Versorgungsrisiko
Feld 2 Hebelprodukte Lieferbereitschaft nicht gefährdet, keine Beschaffungsrisiken. Preise, Konditionen und Kapitalbindung optimieren
Feld 4 unproblematische Produkte keine Beschaffungsprobleme, Controlling nur sporadisch
B-Artikel werden situativ A- oder C-Artikeln zugeordnet Abb. 27:
Versorgungsrisiko-ABC-Portfolio
(vgl. Harting 1989, S. 43)
Dabei lassen sich folgende Strategien den einzelnen Produkteinteilungen zuordnen:
92
3 Beschaffungscontrolling Standardstrategien des Versorgungsrisiko-ABC-Portfolio Schlüsselprodukte
Hebelprodukte
Engpassprodukte
• exakte Bedarfsvorhersage • langfristige Beschaffungspläne • moderne Prognosemethoden • Bedarfsmarktforschung (Preis-, Verfügbarkeitsprognosen, Risikoanalyse) • Aufbau eines Frühwarnsystems • Das order-splitting soll zwar nicht übertrieben werden, aber auch Billigpreisländer und preisgünstige Zulieferer sollten als Bezugsquelle trotz des Beschaffungsrisikos in Erwägung gezogen werden • Make-or-Buy • Optimieren der Logistik • Abwägung zwischen hohen Lagerbeständen und Kapitalbindungskosten • laufende Bestandskosten
• Preisleistungsverhältnisse prüfen • Lagerbestandskostenverringerung • gezielte Preisstrategien durch: leistungsstarke Zulieferer; Produktpreisanalyse; Einsatz von Wertanalyse; Angebotsanalysen; optimale Lieferantenauswahl • Lagerbestände minimieren durch: Just-in-Time; Sicherheitsbestandsreduzierung; Flexibilität; Materialflußoptimierung
• drohende Betriebsunterbrechung erkennen • Vermeidung von Fehlmengenkosten • hohe Sicherheitsbestände • großzügige Bestellmengenpolitik • Abschluß langfristiger Verträge • Lieferantenpflege • Marktanalysen • Lieferantenzuverlässigkeit kontrollieren
unproblematische Produkte Problem der Reduzierung von: • Bestellabwicklungskosten • materialwirtschaftlichem Aufwand durch: Standardisierung/Normteile; einfache Beschaffungsmarktanalyse; Sammelbestelleungen; große Bestellmengen; Vereinfachung des Produktqualitätssicherungssystems; einfache Lagerhaltung Aber mit den Gefahren, die damit verbunden sind, wie Schwund, Lagerkostenerhöhung, ist keine Auswahl des optimalen Lieferanten möglich.
Vorgehensweise zur Versorgungsrisikominimierung
Abb. 28:
Standardstrategien des Versorgungsrisiko-ABC-Portfolio
(vgl. Harting 1989, S. 45)
3.3.6.3 Beschaffungsobjekte-Beschaffungsquellen-Portfolio In der Einkaufspotenzialanalyse nach Wildemann werden das Beschaffungsobjekte-Portfolio und das Beschaffungsquellen-Portfolio zu einem Beschaffungsobjekte-/ Beschaffungsquellen-Portfolio zusammengefügt und für die hervorgehobenen Quadranten Beschaffungsstrategien genannt (vgl. Wildemann 2008, S. 43). In diesem Portfolio wird auf die Ordinate das Versorgungsrisiko aufgetragen und auf der Abszisse der Wertanteil am Beschaffungsvolumen. Wesentliche Merkmale, die in das Versorgungsrisiko einfließen, sind beispielsweise Produktkomplexität, Substitutionsmöglichkeiten der Produkte, Lieferantenanzahl, mögliche Eigenfertigung und zukünftige Entwicklungen bezüglich Preis und Nachfrage des Produktes. Die Informationen zum Wertanteil lassen sich aus den Ergebnissen der ABC-Analyse ableiten. Daraus resultierte eine Matrix mit vier Sektoren: den Standardprodukten, Engpassprodukten, Schlüsselprodukten und dem strategischem Material. Es ist an dieser Stelle schon möglich, verschiedene Einkaufsstrategien für die unterschiedlichen Warengruppen zu erstellen. In Bezug auf das Supplier Relationship Management wird jedoch noch ein zweites Portfolio benötigt, welches die Art der Lieferanten beschreibt. Da der Aufbau nahezu identisch mit dem Materialportfolio ist, kann es direkt übertragen werden. Das Versorgungsrisiko umschreibt hier die mögliche Abhängigkeit von einem Lieferanten, wenn dieser eine große Marktmacht besitzt, wobei auf der Gegenachse der Einfluss des eigenen Unternehmens auf den Lieferanten beschrieben wird. Im letzten Schritt fügt man beide Portfolios zusammen und erhält darauf eine Matrix, welche eine Strategieableitung für künftige Lieferantenbeziehungen zulässt. In Abbildung 29 sind die verschiedenen Portfolios und die anschließende Matrix veranschaulicht. Es wird ein angestrebter Zielbereich gezeigt, welcher vier Sektoren beinhaltet. Diesen vier Sektoren können die Normstrategien von links unten nach rechts oben in folgender Reihenfolge zugewiesen wer-
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
93
den: „effizient beschaffen“, „Sicherstellen der Verfügbarkeit“, Marktpotential nutzen, dann partnerschaftliche Zusammenarbeit“ und „Wertschöpfungspartnerschaft“.
Abb. 29:
Beschaffungsobjekte-Beschaffungsquellen-Portfolio
(vgl. Wildemann 2008, S. 43)
Für die einzelnen Materialgruppen werden verschieden Beschaffungsstrategien und Möglichkeiten zur Gestaltung der Strategien vorgeschlagen: a) Effizient beschaffen: – E-Procurement, – Bedarfsbündelung, – Multiple Sourcing, – Bestandsabbau und – Sammelbestellungen. b) Sicherstellen der Verfügbarkeit: – Bedarfsvorschau, – Bestandsaufbau, – Multiple Sourcing, – langfristige Verträge und – Wertanalyse. c) Marktpotential nutzen: – Global Sourcing, – Vendor-Managed-Inventory (VMI),
94
3 Beschaffungscontrolling
– Multiple Sourcing, – JIT-Beschaffung und – Lieferantentage. d) Wertschöpfungspartnerschaft: – Forecast Collaboration, – Capacity Collaboration, – Order Collaboration, – Inventory Collaboration und – Single Sourcing. 3.3.6.4 Materialkostensenkungspotenzial-Portfolio Der hohe Einfluss der Materialkosten auf das Betriebsergebnis und die Wettbewerbssituation eines industriellen Unternehmens erfordert die Durchführung von Kostensenkungsmaßnahmen durch Marketingaktivitäten im Einkauf. Bevor Kostensenkungsaktivitäten jedoch gezielt eingeleitet werden können, ist zu ermitteln, wo Materialkostensenkungspotenziale (MKSPotenziale) liegen. Die MKS-Potenzialanalyse stellt ein Instrument dar, mit dessen Hilfe die Struktur des Einkaufsvolumens untersucht wird, um diejenigen Materialfelder bzw. Positionen herauszufiltern, bei denen Kostensenkungspotenziale bestehen. Das Vorhandensein und die Realisierbarkeit von MKS-Potenziale wird von unternehmensinternen und –externen Erfolgsfaktoren beeinflusst. Als externe Faktoren sind die Gegebenheiten auf den Einkaufsmärkten anzusehen. Die Höhe der MKS-Potenziale ist von der Beurteilung der Erfolgsfaktoren abhängig, deshalb werden die Erfolgsfaktoren für jedes Materialfeld bzw. jede –position bewertet. Anschließend werden die Bewertungszahlen der einzelnen Erfolgsfaktoren addiert. Dabei erscheint eine Durchführung der MKS-Potenzialanalyse im Allgemeinen besonders für diejenigen Materialbereiche sinnvoll, welche einen großen Anteil am Einkaufsumsatz haben (z.B. ATeile). Die somit bewerteten Materialbereiche können nun in einer Einkaufsmatrix mit den beiden Dimensionen Unternehmensflexibilität und Einkaufsmarktattraktivität eingeordnet werden (siehe Abbildung 30). Je höher und weiter rechts das Materialfeld eingeordnet wird, desto größer ist das relative MKS-Potenzial. Umgekehrt ist ein mögliches Versorgungsrisiko umso höher, je mehr die Position von Materialfeldern durch eine niedrige Unternehmensflexibilität und niedrige Einkaufsmarktattraktivität gekennzeichnet ist. Um die voraussichtliche Entwicklung des Materialbedarfs in die Einkaufsmatrix zu integrieren, werden für jeden Materialbereich zwei Kreise dargestellt. Ein Kreis zeigt den Materialbedarf in der vergangenen Periode, der andere den Materialbedarf in der zukünftige Periode. Die Größer der Kreise richtet sich nach dem Einkaufsvolumen des jeweiligen Materialbereichs, denn der Ergebniseinfluss der Materialfelder richtet sich nicht nur nach der Höhe des geschätzten MKS-Potenzials, sondern auch im Wesentlichen nach dem Anteil am Gesamteinkaufsvolumen.
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
Abb. 30:
95
Materialkostensenkungs-Portfolio
(vgl. Katzmarzyk 1988, S. 190)
In dieses Portfolio können auch Zielpositionen eingezeichnet werden. Um die Lage des Kreises innerhalb eines Rechtecks zu verschieben, sind taktische Maßnahmen nötig. Will man hingegen von einem Feld ins andere Feld „springen“, sind strategische Beschaffungsmaßnahmen nötig. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die Portfolio-Methode unter der Verwendung von Kennzahlen als Instrument zur strategischen Kontrolle und Planung aufgrund folgender Vorteile geeignet ist: Analyse der strategischen Ausgangssituation der Unternehmung, Generierung der Versorgungsrisiken und Machtfaktoren in einem Modell, Entwurf der Ideal- und Sollpositionen und Planungsinstrument insbesondere zum Entwurf von Strategien.
96
3 Beschaffungscontrolling
Trotzdem vermitteln die Portfolio-Analyse und die dazu gehörigen Kennzahlen nur eine Sicht aus der „Vogelperspektive“. Die Methode, die sich auf eine geringe Anzahl möglicher Einflussfaktoren beschränkt, hat nur globalen Charakter, so dass Subjektivität, Wunschvorstellung und Willkür bei der Gewichtung der Kriterien und der Auswahl der Kriterien in das Konzept einfließen. Es ist wichtig, dass Portfolio-Konzepte nicht nur bei der Analyse, sondern auch bei weiteren Planungsschritten behilflich sein könnten. Es handelt sich zumeist um statische Modelle, die nur eine geringe Unterstützung bei Planungsentscheidung und Kontrolle bieten, was im Gegensatz dazu Portfolios im Absatzbereich ermöglichen. Oft ist die Erstellung von Zielportfolios aufgrund der Wahl der Dimension nicht möglich. Damit ist auch eine Kontrolle nicht durchführbar.
3.3.7
Risikocontrolling
Die Terminologien des Risikomanagements und Risikocontrollings werden in der Literatur teilweise synonym verwendet, teilweise aber auch unterschiedliche voneinander abgegrenzt. Allgemein wird das Risikomanagement als ein Teil des Controlling aufgefasst, wobei das Risikocontrolling Bestandteil des Risikomanagements ist. Dabei übernimmt das Risikocontrolling zum Teil Aufgaben des Risikomanagements (vgl. Burger/Buchhart 2002, S. 8f.). Der Begriff Risikocontrolling kann auch als „zielbezogene Unterstützung des Risikomanagements verstanden werden, die der systemgestützten Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung zur Planerstellung, Koordination und Kontrolle hinsichtlich unternehmerischer Risikopotenziale dient“ (vgl. Diederichs 2004, S. 26). Das Risikocontrolling hat die Zielsetzung, sowohl die betriebswirtschaftlichen Strukturen als auch technische Strukturen im Unternehmen zu schaffen. Diese Strukturen müssen so definiert sein, dass die strategie- und entscheidungsrelevanten Informationen ermittelbar sind, die dem Risikomanagement eine effiziente Zielerreichung ermöglichen. Allgemein formuliert bestehen die Ziele des Risikocontrollings in der Koordination der Planung, Steuerung und Kontrolle von risikorelevanten Sachverhalten (vgl. Diederichs 2004, S. 25). Neben der Unterstützung des Managements hinsichtlich der Steuerung des Risikopotenzials besteht eine weitere Zielsetzung in der Auswertung, Dokumentation sowie Bereitstellung risikorelevanter Informationen für die Entscheidungsebene. Durch die ganzheitliche Informationsversorgung ermöglicht das Risikocontrolling die Realisierung einer aktiven risikoorientierten Unternehmenspolitik. Allerdings übernimmt das Risikocontrolling weder eine Steuerungsfunktion noch Lenkungsentscheidungen. Die zentralen Aufgaben des Risikocontrollings leiten sich aus der Aufgabenstellung des Controlling ab:
Sicherstellung der Informationsversorgung, Aufbau einer unternehmensübergreifenden Risikoberichterstattung, Entwicklung und Bereitstellung eines wirkungsvollen Instrumentariums zur Identifikation, Beurteilung und Steuerung unternehmerischer Risikopotenziale und Unterstützung des Risikomanagements bei der Risikosteuerung und –überwachung.
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
97
Es lassen sich verschiedene Risikocontrolling-Konzeptionen entwickeln (vgl. Götze et al. 2001): 1. Risikocontrolling als Betrieb von Führungssystemen (Risikomanagement-Teilsystemen): a) Informationsorientierte Risikocontrolling-Konzeption: Bereitstellung einer vollständigen, zuverlässigen und zeitnahen risikobezogenen Informationsbasis (risikoorientierte Informationsbedarfsermittlung, -beschaffung, -aufbereitung, -speicherung sowie -übermittlung) b) Regelungs- und steuerungsorientierte Risikocontrolling-Konzeption: hauptsächlich wertzielbezogene Planung und Kontrolle sowie z.T.: Informationsversorgung in Risikomanagement-Prozessen. c) Risikocontrolling als risikoorientiertes Prinzip der Unternehmensführung. 2. Risikocontrolling als Einwirkung auf Führungssysteme (Risikomanagement-System): a) Begrenzt koordinationsorientierte Risikocontrolling-Konzeption: systembildende und –koppelnde Koordination eines risikoorientieren Planungs-, Kontroll- sowie Informationsversorgungssystems. b) Umfassende koordinationsorientierte Risikocontrolling-Konzeption: risikoorientierte Systemkoordination und –integration von Planungs-, Kontroll-, Organisations-, Informationsversorgungs- sowie Personalführungssystemen. c) Risikoorientierter Metaführungsansatz: risikobezogene Führung der Führung. 3. Führungsprozessbezogene Risikocontrolling-Konzeption: a) Rationalitätssicherungsorientierte Risikocontrolling-Konzeption: Sicherung der Rationalität der Führung bei der Existenz von Unsicherheiten, d.h. Aufdeckung und Abmilderung von unsicheren Rationalitätsengpässen bzw. –defiziten bei der Willensbildung, -durchsetzung und Kontrolle durch geeignete Maßnahmen. b) Reflexionsorientierte Risikocontrolling-Konzeption: kritische, risikobezogene Beurteilung von Entscheidungen sowie Führungsunterstützungsfunktion der Informationsbereitstellung, d.h. Schaffung einer risikobezogenen informatorischen Gesamtsicht. c) Kognitionsorientierte Risikocontrolling-Konzeption: Versorgung des Risikomanagements mit sekundären, bereichsfremden oder tertiären, bereichsübergreifendem, risikobezogenem Wissen, d.h. Bereitstellung nicht bereichsspezifischer Risikomanagement-Methoden zur Unterstützung des Entscheidungs- bzw. Problemlösungsprozesses. Der Risikomanagement-Prozess lässt sich in vier Phasen einteilen, wie in Abbildung 31 dargestellt. Zu aller erst steht die Identifikation der Risiken, gefolgt von dessen Analyse. Als nächstes folgt die Steuerung und Kontrolle der Risiken mit unterschiedlichsten Werkzeugen. Im letzten Schritt erfolgt die Dokumentation des gesamten Prozesses zur Schaffung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Im Folgenden wird auf die einzelnen Phasen des Risikomanagement-Prozesses eingegangen, um anschließend die Werkzeuge zur Risikobewältigung und –steuerung zu erläutern.
98
Abb. 31:
3 Beschaffungscontrolling
Der Risikomanagementprozess
3.3.7.1 Risikoidentifikation Die Risikoidentifikation ist der erste Schritt im Risikomanagement. Dabei sollen alle wesentlichen Risiken frühzeitig erkannt werden. Die Identifikation erfolgt meist rein intuitiv und ist der wesentliche Teil des Risikomanagements. Denn bleiben an dieser Stelle Risiken unentdeckt, kann dies fatale Auswirkungen haben, die bis zur Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens führen können. Es ist also mit der entsprechenden Gründlichkeit vorzugehen, denn ein punktuelles Risikomanagement ist nicht effektiv. Insbesondere dann nicht, wenn man die Wechselwirkungen der Risiken untereinander ebenfalls berücksichtigen will (vgl. Hölscher 2002, S. 12f.). In der Beschaffung gibt es viele Risiken, die in drei Hauptkategorien aufgeteilt sind (siehe Abbildung 32). Hier werden die Risiken bezüglich der Lieferanten, des Marktes sowie des Bedarf dargestellt (vgl. Wildemann 2006, S. 4).
Abb. 32:
Risiken in der Beschaffung
(vgl. Wildemann 2006, S.123)
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
99
Die Lieferantenrisiken sind die wichtigsten Risiken in der Beschaffung. Aufgeteilt werden diese in Insolvenzrisiken, Vertragsrisiken, Qualitätsrisiken, Abhängigkeitsrisiken und Übernahmerisiken. Die Bedarfsrisiken teilen sich in die Produkt- /Haftungsrisiken, Liefer- und logistische Risiken, Lager- und Bestandsrisiken und letztendlich in Prozess- und Schnittstellenrisiken auf. Die Marktrisiken beinhalten die Kapazitätsrisiken, die Länderrisiken, die Standortrisiken sowie die Preisrisiken. 3.3.7.2 Risikoanalysebewertung Im zweiten Schritt, der Risikoanalyse und –bewertung, sollen die Auswirkungen und dessen Richtung der im ersten Schritt identifizierten Risiken genauer betrachtet werden. Daher erfolgt zunächst eine Einteilung der Risiken in die zuvor dargestellten Arten und Kategorien von Risiken. Um ein Risiko zu messen, kann man zunächst Risikoklassen bilden, die die Tragweite eines Risikos ausdrücken, und ordnet anschließend die Risiken in diese Klassen ein. Beispielhaft können die Klassen in „Kleinst-Risiken“, „Mittelgroße Risiken“ und „Großrisiken“ eingeteilt werden. Hierbei entsteht jedoch ein Abgrenzungsproblem: bis wann ist ein Risiko klein, mittel oder groß? Wo werden die Grenzen der einzelnen Klassen gezogen? Darüber hinaus sagt die Klassifizierung der Risiken noch nichts über dessen Eintrittswahrscheinlichkeit aus. Verknüpft man die Eintrittswahrscheinlichkeit mit der Tragweite des potentiellen Schadens, so lässt sich der Erwartungswert je Risiko ermitteln. Aber auch hierbei gehen wertvolle Informationen verloren. In der Konsequenz führt dies dazu, dass ein Risiko mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und hoher Tragweite den gleichen Erwartungswert haben wird, wie ein Risiko mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und geringer Tragweite. Zwar lässt sich mit diesem Instrument eine sogenannte RiskMap erstellen, in der sowohl die Eintrittswahrscheinlichkeit als auch die Tragweite für ein Risiko abgelesen werden kann. Da jedoch das Risiko nicht nur an einem einzelnen Wert festgemacht werden kann, sondern eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der Tragweite besteht, gibt dieses Instrument zwar einen Überblick über die Risiken im Unternehmen, aber für eine Feinsteuerung und damit für ein effektives Risikomanagement eignet es sich ebenfalls nicht. Schließlich bedeutet dies, dass in der Praxis der unwahrscheinliche Großschaden dem hochfrequenten Kleinschaden gleichgestellt wird und führt somit zu einer Fehleinschätzung der Situation. Grundsätzlich hat die Risikoanalyse folgende Anforderungen zu erfüllen:
Die Risiken müssen in einzelne Kategorien zerlegt sein. Die Eintrittswahrscheinlichkeit der Risiken muss bekannt sein. Die Abhängigkeiten der Risiken untereinander müssen bekannt sein. Die Risiko-Eigenschaften müssen im Zeitablauf einigermaßen stabil und vorhersehbar sein. Eine gesicherte Datenbasis sollte vorhanden sein.
Zur Risikoanalyse stehen zahlreiche Instrumente zur Verfügung:
Frühwarnsysteme, Mehrwertige Planungsmethoden, Limitsysteme, Risikobewertungsmethoden, Risiko-Datenbanken,
100
3 Beschaffungscontrolling
Risikoberichte und –kommunikation, Risikoportfolio, Checklisten, Szenario-Technik, Risikoorientierte Balanced Scorecard und Risk-Maps. Im Idealfall können Risiken quantitativ anhand von konkreten Zahlen-, Wahrscheinlichkeitsoder Zahlungsmittelwerten erfasst werden, wie es z.B. oft bei finanziellen Risiken möglich ist. In solchen Fällen entfallen notwendige Schätzungen. Unternehmen müssen sich an dieser Stelle des Risikomanagementprozesses entscheiden, welche Risiken sie aktiv in ihr Risikomanagement mit einbeziehen. Die Entscheidung für oder gegen die Aufnahme eines Risikos in den Risikomanagementprozess erfolgt nach einer entsprechenden Risikoklassifizierung, Am Ende dieser Klassifizierung sollte ein Risiko-Ranking stehen, woraus Unternehmen die bedeutendsten Risiken und im Zuge des Chancenmanagements auch die Chancen erkennen und in ihr Risikomanagement mit aufnehmen können. Können Chancen und Risiken nicht quantitativ anhand von konkreten Zahlenwerten bemessen werden, weil z.B. Einschätzungen der zukünftigen Marktlage fehlen, ist es notwendig die Wahrscheinlichkeit eines Risikoeintritts sowie mögliche Auswirkungen auf die Unternehmensprozesse abzuschätzen. Zur Erfassung der geschätzten qualitativen Werte bietet sich z.B. eine Portfoliomatrix an. Die Wesentlichkeitsportfoliomatrix dient der Bewertung von Chancen und Risiken und hilft bei der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Steuerungsalternative (siehe Abbildung 33). Im Vergleich zur Bewertungstabelle lässt die Wesentlichkeitsportfoliomatrix auch Kombinationen von unwahrscheinlichen Risiken und sehr hohen Ergebniseffekten zu. Die Bewertungskriterien Ergebnisausprägung und Eintrittswahrscheinlichkeit ermöglichen es Risikofolgen zu klassifizieren, zu sehen ob die Ergebniseffekte wesentlichen Einfluss auf die Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Zielsetzungen haben können. Ergebniseffekte können in Form von positiven und negativen Abweichungen vom Planziel auftreten. Die positiven und negativen Abweichungen werden anhand der Kriterien Kosten, Termin und Qualität bewertet und in die Wesentlichkeitsportfoliomatrix eingetragen.
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
Abb. 33:
101
Wesentlichkeitsportfoliomatrix
(vgl. Horváth/Gleich 2000, S. 112)
3.3.7.3 Risikosteuerung und –bewältigung Nur korrekt erfasste und bewertete Risiken lassen sich in der nächsten Phase, der Risikobewältigung, durch gezieltes Risikomanagement bewältigen. Diese Bewältigung kann sowohl aktiv als auch passiv erfolgen. Während bei der aktiven Risikobewältigung unmittelbar auf das Risiko Einfluss genommen wird, also auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder die Tragweite, so wird bei der passiven Risikobewältigung die Struktur des Risikos nicht verändert. Vielmehr werden Maßnahmen ergriffen, um die Konsequenzen der Risiken zu tragen (vgl. Hölscher 2002, S. 12ff.). Folgende Möglichkeiten ergeben sich dabei (vgl. Hölscher 2002):
Risikovermeidung Risikovermeidung heißt, die Eintrittswahrscheinlichkeit auf null zu reduzieren, d.h. das Risiko kann nicht mehr eintreten. Damit werden inakzeptable Risiken vermieden, sofern es keine günstigeren Handlungsalternativen gibt. Dieses stellt wohl die drastischste Möglichkeit zur Risikobewältigung dar. Als Beispiel könnte man hier die Sperrung eines Lieferanten nennen oder das Ausschließen von Transporten.
Risikominderung Bei der Risikominderung wird auf die Eintrittswahrscheinlichkeit als auch auf die Tragweite, also das Schadensausmaß oder die Schadenshöhe, Einfluss genommen. Beispielsweise kann durch eine entsprechende Ladungssicherung Einfluss auf die Schadenshöhe genommen werden, während bei der Auswahl des Verkehrsträgers bereits Ein-
102
3 Beschaffungscontrolling fluss auf die Eintrittswahrscheinlichkeit genommen wird, in dem ein z.B. zertifizierter Betrieb die Beförderung mit Spezialgerät erledigt.
Risikodiversifikation Unter der Risikodiversifikation versteht man die Aufspaltung des Risikos in mehrere möglichst nicht miteinander korrelierte Einzelrisiken. Durch diese Aufspaltung findet regelmäßig ein Risikoausgleich statt. Als Beispiel könnte hier die Verteilung der Systeme oder Baugruppen auf mehrere Lieferanten angeführt werden. Zwar bedrohen die Risiken die Ware nach wie vor mit der gleichen Eintrittswahrscheinlichkeit, dennoch die maximale Schadenshöhe, also die Tragweite des Risikos, wird verringert.
Risikotransfer Risikotransfer meint die Übertragung des Risikos auf Dritte. Darunter kann zum einen das Einkaufen von Versicherungsschutz verstanden werden und zum anderen die Abwälzung auf Lieferanten, Abnehmer oder Verkehrsträger durch entsprechende Verträge. So ist es zum Beispiel möglich, durch die Auswahl des entsprechenden Incoterms das Risiko für den Transport beim Lieferanten zu belassen.
Risikovorsorge Die Risikovorsorge kann man auch als Rücklage von Kapital bezeichnen. Das Unternehmen sammelt im Laufe der Zeit genügen Kapital durch z.B. Gewinnrücklagen an, um einen eingetretenen Schaden selber zu tragen. Dies bietet sich zum Beispiel bei hochfrequenten Kleinschäden an, da hier der Transfer auf eine Versicherungsgesellschaft zusätzliche Verwaltungskosten auf Seiten des Versicherers bedeuten würde und somit als ineffektiv zu bezeichnen ist. Eine andere Möglichkeit der Risikovorsorge wäre der Bestandsaufbau. Neben einer aktiven Lieferantenauswahl sollten Unternehmen auch der Lieferantenpflege ebenfalls einen hohen Stellenwert beimessen. Durch den Aufbau und die Pflege langfristig angelegter und partnerschaftlicher Beziehungen, kann ein Unternehmen einen besonderen Status erreichen, der eine bevorzugte Behandlung bei Versorgungsengpässen ermöglicht. Bei der Lieferantenpflege bietet es sich z.B. an, durch besondere Abnehmeverpflichtungen, eine faire Preispolitik oder durch besondere Förderprogramme in Bezug auf Qualitäts- und Kostenoptimierungen die Beziehung zu seinen Zulieferern partnerschaftlich zu verbessern.
Dokumentation Um die laufende Wirksamkeit und Effizienz des Risikomanagements zu beurteilen, ist eine umfangreiche Dokumentation notwendig. Dadurch ist sichergestellt, dass der Prozess kontrolliert wird. Bei der Kontrolle helfen die folgenden Fragestellungen: – Wurden alle Risiken identifiziert und war die Erfassung vollständig? – War die Beurteilung der Risiken korrekt, wurden also die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Tragweite der Risiken korrekt eingeschätzt? – Haben die angewandten Instrumente zur Risikosteuerung den gewünschten Erfolg erzielt? Der Risikomanagementprozess ist als ständig zu wiederholender Prozess zu verstehen. In keinem Fall wird der Prozess nur einmal durchlaufen. Mit Hilfe der Dokumentation lassen sich so die Erfahrungen mit den einzelnen Risiken über die Jahre hinweg be-
3.3 Instrumente des Beschaffungscontrolling
103
obachten und die gesammelten Erfahrungen helfen, dabei das Risikomanagement kontinuierlich zu verbessern. Hilfreich kann hierbei auch die Implementierung einer Schadenserfassungssoftware sein, so dass mit Hilfe dieser eine detaillierte Schadensanalyse sowie eine permanente Erkennung und Kontrolle der heutigen und zukünftigen Risiken möglich ist. Die Anforderungen an ein Dokumentensystem sind vielfältig:
Qualität: Erhobene Daten oder Messwerte müssen immer aktuell sein und zeitnah ausgewertet werden. Darüber hinaus muss die Erfassung der Daten vollständig und richtig erfolgen, um die Integrität der Daten zu gewährleisten.
Bereich der Überwachung: Globale Märkte lassen sich nur schwer überwachen. Die Auswahl der aufzuzeichnenden Messwerte und Daten hat daher mit großer Sorgfalt zu erfolgen. Die Datenbasis, das Fundament des Frühwarnsystems, liefert nur so verlässliche Ergebnisse.
Richtige Interpretation der Daten: Korrekt erfasste Daten sind richtig zu interpretieren, nur so ist gewährleistet, dass das Frühwarnsystem auch richtig funktioniert. Gekoppelt an die einzelnen Bereiche, in denen das Risikomanagement abläuft, werden diese so früh wie möglich über die Risiken informiert und sind damit in der Lage zur Entschärfung des Risikos beizutragen.
3.3.7.4 Interne Beschaffungsrevision Die interne Revision ist als Überwachungssystem, welches nicht in die Geschäftsprozesse integriert ist, zu betrachten. Daher ist sie als neutrale Institution von besonderer Bedeutung für das Risikomanagement. Wobei durch das Wort „intern“ nicht gemeint wird, dass die interne Revision hausintern angesiedelt sein muss, sie kann auch z.B. an Wirtschaftsberater ausgelagert werden. Durch die interne Revision werden die Unternehmensaktivitäten, -strukturen, -funktionen und –prozesse auf dessen Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, Risikohaftigkeit und Sicherheit hin untersucht. Geprüft werden vor allem dabei die Bereiche der Finanzen, des Rechnungswesens, des Managements und die organisatorischen und operationalen Bereiche. Neutralität und Objektivität spielen bei der Überprüfung eine große Rolle, daher wird vor allem in vielen mittelständischen Unternehmen eine externe Prüfungsgesellschaft mit der Durchführung beauftragt. Im Rahmen des Prüfungsberichtes werden die Risikofaktoren und die Schwachstellen des Unternehmens aufgezeigt und Empfehlungen für dessen Beseitigung ausgesprochen. Beschaffungsrevisionen werfen die Fragen nach Prüfweg und Auswahl der einer Prüfung zu unterziehenden Beschaffungsobjekte auf. Ferner muss überprüft werden, welche Beschaffungsfunktionen wahrgenommen werden und wenn, welche Beschaffungstätigkeiten realisiert werden.
104
3 Beschaffungscontrolling
Westermann(1990 S. 56) schlägt zur weiteren Vorgehensweise der Beschaffungsrevision vier Möglichkeiten vor: 1. Es werden in der Reihenfolge der sachlogischen Funktionsabläufe sämtliche Teilfunktionen des Beschaffungsmanagements geprüft, als z.B. hintereinander: – Wertanalyse, – Make-or-Buy, – Bedarfsplanung, – Bestandsplanung, – Beschaffungsplanung, – Beschaffungsmarktforschung und –erkundung, – Angebotseinholung, – Lieferantenwahl, – Auftragsvergabe, – Terminverfolgung, – Einkaufserfolgsermittlung, – Warenannahme, – Warenprüfung, – Rechnungskontrolle, – Einlagerung, – Lagerhaltung und – Lagerentnahme. Dabei werden die einzelnen, vorher ausgewählten Beschaffungsobjekte durch alle vorgenannten Teilfunktionen hindurch in der Reihenfolge der Arbeitsabläufe verfolgt. Wesentlicher Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass Mängel, insbesondere Unredlichkeiten, die an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Teilfunktionen entstehen, sofort aufgedeckt werden können. 2. Hier erfolgt die Prüfung in der sachlogischen Reihenfolge der Arbeitsabläufe, aber es werden bei jeder Teilfunktion weitgehend unterschiedliche Güter untersucht. Diese Methode empfiehlt sich insbesondere, wenn die Prüfung der einzelnen Funktionen zu lange dauert und somit die Funktionsträger der nachgelagerten Teilfunktionen von der Auswahl der Güter erfahren und vorbeugende Vertuschungsmaßnahmen ergreifen. 3. Es werden sämtliche Teilfunktionen des Beschaffungswesens nicht in der sachlogischen Reihenfolge der Funktionsabläufe geprüft, sondern es können in jedem Teilbereich die gleichen oder jeweils unterschiedliche Objekte geprüft werden. Bestimmungsgründe der Reihenfolge sind hierbei verdachtsorientierte Gesichtspunkte. Besonders wenn konkrete Verdachtsmomente vorliegen und eine frühzeitige Warnung der Verdächtigen zu befürchten ist, empfiehlt es sich, im Kernbereich des Verdachts überraschend mit der Prüfung sofort zu beginnen. 4. Es werden nur einzelne Teilfunktionen geprüft, und zwar in den geprüften Teilfunktionen entweder unterschiedliche oder identische Beschaffungsobjekte. So sollte geprüft werden, wenn eine Prüfung aufgrund von Verdachtsmomenten erfolgt, die sich nur auf bestimmte, ganz begrenzte Bereiche beziehen.
3.4 Einkaufskapazitätsrechnung
3.4
105
Einkaufskapazitätsrechnung
Die EKP-Rechnung geht auf Katzmarzyk zurück und stellt ein Instrument dar, das die interne Stoßrichtung des Einkaufscontrolling verfolgt. Mit ihrer Hilfe kann die Personalkapazität einer Einkaufsabteilung quantitativ untersucht werden. Ziel ist es dabei, die Einkaufsmarketing- und Einkaufentwicklungskapazität der Einkaufsabteilung zu ermitteln, festzustellen, wie sich diese Kapazität auf die unterschiedlichen Materialfelder einer Einkaufsabteilung verteilt und ob sie überhaupt ausreicht, um die sich aus der Einkaufszielsetzung ergebenden Anforderungen zu erfüllen. Ferner soll festgestellt werden, bei welchen Tätigkeiten die Schwerpunkte der Einkaufsmitarbeitergruppen liegen (vgl. Katzmarzyk 1988, S. 126f.). Die Auswertung der gewonnenen Informationen aus der EKP-Rechnung bildet die Grundlage für eine ergebnisorientierte Steuerung des Einkaufs, da eine zielorientierte Verwendungsplanung und –kontrolle der Einkaufskapazität ermöglicht wird. Die Durchführung einer EKP-Rechnung beruht auf einer Befragung der Mitarbeiter der Einkaufsabteilung über einen bestimmten Zeitraum. Zu diesem Zweck werden Befragungsbögen erstellt, die an die Mitarbeiter verteilt werden. Der erste Bogen beinhaltet eine Auflistung der im Einkauf anfallenden Tätigkeitsbereiche. Um eine einheitliche Zuordnung der einzelnen Tätigkeiten zu den Tätigkeitsbereichen durch die Befragten zu gewährleisten, ist im Vorfeld ein Aufgabenkatalog zu erstellen. Da der Materialbedarf eines Industrieunternehmens in der Regel heterogen strukturiert ist, enthält der zweite Befragungsbogen eine Auflistung der unterschiedlichen Materialfelder. Nach Ablauf des Befragungszeitraums beginnt die Auswertung der eingetragenen Daten. Die von jedem Mitarbeiter ermittelten tätigkeits- und materialbezogenen Zeitsummen werden getrennt nach Mitarbeitergruppen auf Sammelbögen übertragen, addiert und in Prozentwerte umgerechnet. Anschließend addiert man die Zeitsummen der einzelnen Mitarbeitergruppen, um Aussagen über die Struktur der gesamten Personalkapazität einer Einkaufsabteilung im Hinblick auf Tätigkeiten und Materialfelder zu ermöglichen (siehe Abbildung 34).
106
3 Beschaffungscontrolling
Struktur der Tätigkeitsschwerpunkte in Prozent Übertrag aller Mitarbeitergruppen-Zeitsummen der Einkaufsabwicklungstätigkeiten Mitarbeitergruppen
Summe EKL, GL, FE
%
Summe EA
%
Summe EKL, GL, FE, EA
%
1. Stammdatenpflege 2. Disposition 3. Bestellschreibung 4. Bestellüberwachung 5. Wareneingang 6. sonstige Tätigkeiten 7. Schulung, Weiterbildung 8. Berichtswesen 9. Summe (1-8) Übertrag aller Mitarbeitergruppen-Zeitsummen der Einkaufswabwicklungstätigkeiten 10. Einkaufsmarktbeobachtung, Kontakte mit Lieferanten 11. Techn. Bearbeitung 12. Wertanalyse 13. Verhandlungen 14. Schulung, Weiterbildung 15. Berichtswesen 16. Summe (10-15) 17. Summe (9 plus 16) EKL = Einkaufsleiter Abb. 34:
100% GL = Gruppenleiter
Struktur der Tätigkeitsschwerpunkte
(vgl. Katzmarzyk 1988, S. 142)
100%
EA = Einkaufsassistent
100% FE = Facheinkäufer
3.4 Einkaufskapazitätsrechnung
107
Struktur der Materialfelder in Prozent Übertrag der auf Materialfelder verteilten Einkaufsabwicklungszeitsummen aller Mitarbeitergruppen Mitarbeitergruppen
Summe EKL, GL, FE
1. Bauelemente 2. Elektrotechnische Erzeugnisse 3. Chemische Erzeugnisse 4. Stahl und Eisen 5. NE-Metalle 6. OEM-Produkte, Handelswaren 7. Gemeinkosten, Dienstleistungen, FuE-Bedarf 8. Investitionsgüter 9. Summe (1-8)
%
100
Summe EA
%
Summe EKL, GL, FE, EA
100
%
100
Übertrag der auf Materialfelder verteilten Einkaufsabwicklungszeitsummen aller Mitarbeitergruppen 10. Bauelemente 11. Elektrotechnische Erzeugnisse 12. Chemische Erzeugnisse 13. Stahl und Eisen 14. NE-Metalle 15. OEM-Produkte, Handelswaren 16. Gemeinkosten, Dienstleistungen, FuE-Bedarf 18. Summe (1-8) EKL = Einkaufsleiter Abb. 35:
100
100
GL = Gruppenleiter
EA = Einkaufsassistent
100 FE = Facheinkäufer
Struktur der Gesamtarbeitszeit
(vgl. Katzmarzyk 1988, S. 144)
Durch die Einkaufskapazitätsrechnung erfährt man insbesondere:
Den durchschnittlichen Anteil der Einkaufsabwicklung und des Einkaufsmarketing an der gesamten Arbeitszeit und dessen Aufteilung in Tätigkeitsschwerpunkte. Die Verteilung der Einkaufsabwicklungszeit und der Einkaufsmarketingzeit auf die jeweiligen Materialfelder. Die Ermittlung der Einkaufsabwicklungs- und Einkaufsmarketingkapazität pro Jahr. Durch diese Ermittlung wird eine Steuerung der Personalkapazität einer Einkaufsabteilung sowohl im Hinblick auf die sich aus der Einkaufszielsetzung ergebenden Einkaufsaufgaben als auch im Hinblick auf die sich aus den unterschiedlichen Materialfeldern ergebenden Anforderungen und Materialkostensenkungspotenziale möglich.
108
3.5
3 Beschaffungscontrolling
Wertanalyse
Die Wertanalyse, auch Funktionskostenanalyse genannt, verfolgt das Ziel, alle für den Wert bzw. die Funktion eines Beschaffungsobjektes oder einer Dienstleistung nicht notwendigen Kosten zu erkennen und zu eliminieren. Dabei ist es wichtig, dass die Qualität, Zuverlässigkeit und Marktfähigkeit des Produktes nicht zu dessen Nachteil beeinflusst wird. Sowohl die Kostenvermeidung, im Entwicklungsstadium als auch die Kostensenkung bei der Produktentstehung minimieren die Kosten in der Wertanalyse im gesamten Produktlebenszyklus. Die Wertanalyse besteht nicht nur aus Maßnahmen zur Rationalisierung. Die Ziele sind sehr vielseitig. Kostenminimierung steht nicht nur im Vordergrund. Prozesse und Produkte sollen in gleichem Maß marktgerecht gestaltet, entwickelt und verbessert werden. Ziel eines jeden Wertanalyse-Projektes ist ein Beschaffungsobjekt dahingehend zu optimieren, so dass das geforderte Leistungsprofil zu den geringsten Kosten ohne Einschränkungen hinsichtlich Qualität, Zuverlässigkeit und Marktfähigkeit erreicht wird. Die Wertanalyse weckt die Kreativität der Mitarbeiter und fördert die Kommunikation, sowie die Kooperation im Unternehmen. Merkmale der Wertanalyse sind (vgl. Oeldorf/Olfert 1987, S. 69):
Die Funktionsorientierung: Die vom Kunden gewünschten Funktionen der Leistungen werden herausgearbeitet, wodurch Ansatzpunkte für die Wertanalyse gemacht werden. Die Kostenorientierung: Durch den Einsatz der Wertanalyse soll das Kostenbewusstsein im Unternehmen intensiviert werden. Die Teamorientierung: Verbesserungen durch die Wertanalyse erfordern Teamarbeit. Ein Team ist eher in der Lage, Verbesserungsmöglichkeiten aufzudecken. Die Systematisierung: Den wertanalytischen Aktivitäten liegt eine Systematik zugrunde, d.h. man versucht in verschiedenen – genau definierten – Schritten zu einer Problemlösung zu gelangen. Folgende Schritte beinhaltet die Wertanalyse: a) Vorbereitende Maßnahmen: 1. Auswählen des Wertanalyse-Objektes und Stellen der Aufgabe; 2. Festlegen des quantifizierten Ziels; 3. Bilden der Arbeitsgruppe; 4. Planen des Ablaufs. b) Ermitteln des Ist-Zustandes: 1. Informationen beschaffen und beschreiben des Wertanalyse-Objektes; 2. Beschreiben der Funktion; 3. Ermitteln der Funktionskosten. c) Prüfen des Ist-Zustandes: 1. Prüfen der Funktionserfüllung; 2. Prüfen der Kosten. d) Ermitteln und Prüfen der Lösungen: 1. Suche nach allen denkbaren Lösungen; 2. Prüfen der sachlichen Durchführbarkeit; 3. Prüfen der Wirtschaftlichkeit. e) Vorschlag und Verwirklichung einer Lösung: 1. Auswählen der Lösung(en);
3.5 Wertanalyse
109
2. Empfehlen einer Lösung; 3. Verwirklichung der Lösung. Die Wertanalyse kann in der Beschaffung zu weitreichenden Veränderungen führen:
Veränderung der Abgrenzung Vorleistung – Eigenleistung, Lieferantenwechsel, Eigenherstellung oder –manipulation, Kooperation mit Lieferanten, Bestellmengenänderung, Bestellsortimentsänderung, Bestellterminänderung, Verpackungsänderung, Lageränderung und Transportänderung.
Kostenkalküle dienen vornehmlich dazu, die ökonomischen Konsequenzen neuer Lösungswege (Funktionsbündel) und die Wirtschaftlichkeit des Wertanalyse-Projektes abzubilden. In der Vorbereitungsphase treten Kostengrößen in dreifacher Weise auf (vgl. Burger 1996, S. 148):
Kostenziele: Mit Kostenzielen drückt man aus, zu welchen Produktkosten die Wertanalyse führen soll. Schätzung der Produktkosten: In der Vorbereitungsphase sind die Kosten zu schätzen, ggf. formuliert man hierfür ein Kostenbudget. Beurteilung der Wirtschaftlichkeit: Die Wertanalyse verursacht negative und positive ökonomische Wirkungen, also Kosten und Nutzen. Kosten bestehen zum einen in den Kosten des Projektablaufes und zum anderen in den sog. „Überführungskosten“. Dies sind jene Kosten, die für die Transformation des Ist-Zustandes des Produktes in den Soll-Zustand anfallen. Bei der Ermittlung der Ist-Situation haben Kosten die wichtige Aufgabe, die mit der Erfüllung der einzelnen Produktfunktionen einhergehenden bewerteten Güterverzehre abzubilden. Ohne diese Informationen sind keine zielgerichteten Veränderungen im Funktionsbündel eines Produktes möglich. Demnach sind die Kosten zu überprüfen und Funktionen werden gegebenenfalls billiger realisiert oder gänzlich weggelassen. Bei der Bewertung der neuen Lösungen interessieren insbesondere:
Die laufenden Kosten, die für die Erfüllung der Funktionen dieses Lösungsweges anfallen werden sowie die einmaligen Kosten, die für die Überführung des Ist-Zustandes in jenen Soll-Zustand entstehen werden, der in der betrachteten Handlungsmöglichkeit zum Ausdruck kommt; diese „einmaligen Kosten“ fallen im Allgemeinen über einen längeren Zeitraum verteilt an.
110
3 Beschaffungscontrolling
Innerhalb eines Zeitraums errechnet man die einmaligen und laufenden Kosten und wählt die Alternative mit dem niedrigsten Kostenbarwert: ∑ 1 für t = 1,2, …, n Legende: = Kostenbarwert (Zeitpunkt t = 0) = laufende Kosten der Periode t = i (i = 1, 2, …, n) = einmalige Kosten der Periode t = i (i = 1, 2, …, n) = Kalkulationszinsfuß Wird ein Kaufteil wertanalytisch untersucht, ist es sinnvoll bei der Zusammensetzung des Teams den Zulieferer mit einzubeziehen. Die Spezialisten des Zulieferers, wie Konstrukteure, Fertigungsplaner oder Logistikverantwortliche können unmittelbar und bedarfsgerecht Vorschläge unterbreiten und die Preise und Funktionen im Sinne des Kunden optimieren (siehe Abbildung 36). Häufig wird die Budgetierung mit der Wertanalyse durch die Variante der Gemeinkosten- bzw. Fixkostenwertanalyse (overhead value analysis) ergänzt.
Abb. 36:
Einbeziehung des Zulieferanten in die Wertanalyse
(vgl. Riffner 1995, S. 23)
Das System wird durch die folgenden Selbstdiagnosefragen transparent:
Wie hoch sind die Gemeinkosten? Gibt es über Gemeinkosten genaue Aufstellungen? Wie liegen die Gemeinkosten im Verhältnis zur Konkurrenz?
3.5 Wertanalyse
111
Gibt es Analysen über die Effekte von Gemeinkostensenkungen? Sind Überlegungen zur linearen Gemeinkostenkürzung oder zur leistungsspezifischen Änderung der Gemeinkosten üblich? Das primäre Ziel der Gemeinkosten-Wertanalyse liegt in der Kostensenkung. Dabei wägt sie Kosten und Nutzen der zu verwaltenden Leistungen eines Unternehmens ab und zielt auf eine Reduzierung der unproduktiven Kosten. Dieses Vorgehen nennt McKinsey „Overhead Value Analysis“ und arbeitete sechs Hauptmerkmale heraus (vgl. Burger 1994, S. 220): 1. Realisierung durch Linienführungskräfte und nicht durch Stabsstellen. 2. Konzentration auf die Leistungen jeder organisatorischen Einheit und auf die dadurch verursachten Kosten. 3. Für die erste Diskussionsrunde werden Vorschläge für eine 40%ige Kostensenkung im Verwaltungsbereich verlangt. 4. Das Verfahren benötigt nur wenig Zeit. 5. Das Verfahren ist einfach und sein Ablauf jederzeit überblickbar. 6. Entscheidungsfindung und Durchführung von Umgestaltungen auch bei eingeschränkter Datenbasis, da Risiken klar identifiziert werden. Die Gemeinkosten-Wertanalyse will nun die Effizienz und die Effektivität des Unternehmens steigern. Effizienz bedeutet Leistungsfähigkeit im weitesten Sinne. „Effektivität“ ist eine Maßgröße für die Beziehung zwischen Output, also Leistungsergebnis, und den Zielen einer Stelle; Effektivität bedeutet Wirksamkeit; hier geht es um den Zielbeitrag. Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz der Beschaffung sind:
Änderung der Führungsstruktur: kooperative Führung entlang der gesamten Supply Chain. Änderung der logistischen Organisation: crossfunktionale Teams statt Abteilungsorientierung. Technische Rationalisierung: Einführung moderner logistischer Technologien, wie z.B. RFID im Wareneingangsbereich. Informationstechnische Rationalisierung: Einführung moderner IT-Systeme. Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität (Zielerreichungsgrad des Output) sind:
Wegfall nicht notwendiger Leistungen, wie z.B. doppelte Lagerungen oder Qualitätskontrollen. Veränderung der Leistungsfähigkeit, wie z.B. Qualitätskontrollen auf Stichprobenbasis oder Bündelung von Transporten. Veränderung des Leistungsumfangs, wie z.B. durch Outsourcen des Fuhrparks oder Reduzierung der Lagerbestände aufgrund von JiT-Beschaffungen. Veränderungen der Leistungsqualität, wie z.B. Reduzierung von Transportschäden.
Die einzelnen Phasen der Gemeinkosten-Wertanalyse sind:
Definition Plan- und Einsparpotenziale, Setup Projektorganisation (Kernteam und Linie), Abgrenzung des Untersuchungsumfangs, Definition des Zeitplans, Schulung der Beteiligten, wenn es notwendig ist, Definition der Untersuchungseinheiten, Für jede Untersuchungseinheit, Erfassung des Zeitbedarfs und der Kosten,
112
3 Beschaffungscontrolling
Erfassung von Leistungsströmen, Kritische Analyse aller Ist-Leistungen und Kostenstrukturen, Erarbeitung von Verbesserungspotentialen aufgrund von Kosten- und Leistungsumfangsreduzierung, Kritische Analyse der Vorschläge: Umsetzbarkeit, Chancen/Risiken, Wirtschaftlichkeit, Zeitbedarf, Entscheidung über tatsächliche Realisierbarkeit, Für jede Maßnahmen: Definition der Optimierungsziele, der Verantwortlichkeiten für Umsetzung, des Zeitplans, Aufbau Controlling der Umsetzung und Umsetzung. Die Rationalisierungsideen in der Beschaffung lassen sich wie folgt gliedern: a) Logistikleistung reduzieren: Völliger Wegfall (z.B. Lagerung), Ausreichende Qualität (z.B. weniger Qualitätskontrollen), Geringere Frequenz (z.B. Lieferfrequenzen reduzieren), Geringerer Leistungsumfang (z.B. Lagerzentralisierung) und Weniger Blitzaktionen (z.B. weniger Sonderfahrten). b) Logistikleistungen rationeller erbringen: Outsourcing, Standardisierung der Teile und Module, Bessere Kapazitätsauslastung, Straffung der Abläufe (z.B. durch festgelegte Tourenpunkte, sogenannte „Milkruns“), Synchronisation (z.B. bei der Entwicklung) und Schnittstellenreduzierung (z.B. durch Lieferantenintegration). Die Verbesserungsvorschläge werden in Bezug auf Realisierbarkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft. Das geschieht, indem die Ideen zur Verbesserung der Ist-Situation in eine Rangfolge gebracht werden (ABC-Analyse); eine Auflistung aller positiven und negativen Ergebnisse der Vorschläge findet statt. A-Ideen sind uneingeschränkte realisierbar und schaffen den höchsten Einsparungserfolg. B-Ideen müssen noch geklärt werden. C-Ideen werden vernachlässigt, weil sie für den Einsparungserfolg unerheblich oder schwer realisierbar sind (vgl. Küpper 1995, S. 310). Alle Positiv- und Negativergebnisse (A- bzw. C-Ideen) werden in einem Einsparungskatalog dargestellt und dem Lenkungsausschuss zur Entscheidung vorgelegt. Mit den beiden Phasen Vorbereitung und Analyse ist die Maßnahmenbildung abgeschlossen.
3.6
Standardisierung
Standardisierung oder Normung bedeutet eine Vereinheitlichung von Materialien durch das Festlegen von Größe, Form, Farbe, Qualität und Bezeichnung. Eine Zunahme der Anzahl unterschiedlicher Endprodukte eines Unternehmens führt ohne eine intensive Bemühung um eine möglichst weitgehende Standardisierung der in die Endprodukte eingehenden Teile zu einer Teilevielfalt mit negativen Auswirkungen auf allen Stufen der Materialflussprozesse. Der Einkauf sollte sich daher auch hier schon im Entwicklungsstadium eines Produktes in
3.7 Lieferantencontrolling
113
Zusammenarbeit mit den Aufgabenträgern der Funktion Forschung und Entwicklung permanent unter Einbeziehung seiner Marktkenntnisse darum bemühen, dass weitestgehend standardisierte, eventuell schon in anderen Produkten eingesetzte Materialien verwendet werden. Bekannt sind die auf dem Weltmarkt dominierenden Staaten in zunehmendem Maße bemüht, der internationalen Vereinheitlichung Rechnung zu tragen. Durch diese Art der internationalen Standardisierung wird die Vielfalt technisch denkbarer Lösungen drastisch reduziert. Dadurch (vgl. Harlander/Platz 1989, S. 76)
vereinfacht Normung die Beschaffung, da sie durch Kurzbezeichnungen Materialien exakt bestimmt; beschleunigt Normung die Beschaffung, da sie die Kommunikation verbessert und den Servicegrad der Produktion gegenüber steigert; reduziert Normung die Kosten der Beschaffung, da die Fertigung hoher Stückzahlen zu einer Kostendegression und geringeren Einkaufskosten führt; vereinfacht Normung den Materialeingang und die Materialprüfung, da sie eine Standardisierung der Prüfgeräte der Beschaffung nach sich zieht; verringert Normung die Lagerhaltung, da Materialbeschränkungen möglich werden und vereinfacht Normung die Lagerhaltung, da standardisierte Lagereinrichtungen und – techniken Verwendung finden können. Bei der Realisierung der Standardisierung sind zahlreiche Hürden zu nehmen (vgl. Schuh 2008, S. 113):
3.7
Jede technische Änderung erfordert Zeichnungsanpassung und Zeit. Die Kleinteile sind die Teile mit sehr niedrigen Kosten, es lohnt sich, nicht zu ändern. Die Kunden wollen keine Veränderungen und jede einzelne Änderung müsste durch die Kunden genehmigt werden. Um die Standardisierung durchzuführen, sind wesentliche Änderungen an den Prozessen nötig.
Lieferantencontrolling
Das Lieferantencontrolling hat zur Aufgabe das Lieferantenmanagement zielgerecht zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Ziel dabei ist es, bei minimalen Beschaffungskosten und hoher Beschaffungseffizient eine langfristige Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Diese angestrebte Kombination aus Kostenführerschaft und Differenzierungsstrategie setzt das konsequente Ausnutzen von Kostenvorteilen bzw. Kosteneinsparpotenzialen voraus, sowie eine hohe Innovationsfähigkeit und die Definition von Qualitäts- und Zeitzielen. Dabei sind die potenziellen und tatsächlichen Lieferanten fortlaufend zu überwachen und zu überprüfen. In regelmäßigen Abständen wird überprüft, ob die als positiv bewerteten Merkmalsausprägungen der ausgewählten Lieferanten auch laufend, das heißt während der Dauer der Lieferbeziehung, erfüllt werden. Im Voraus werden die zu erreichenden Ziele hinsichtlich der oben genannten Bewertungskriterien festgelegt sowie die Prozesse und Kompetenzen definiert. Bei Nichterreichung der Zielvorgaben ist der Lieferant entweder dazu angehalten, seine Unternehmensprozesse zu optimieren oder der Abnehmer trennt sich von dem Lieferanten. In diesem Fall beginnt der Prozess des Lieferantenmanagements von vorn mit der
114
3 Beschaffungscontrolling
Lieferantenidentifikation (Suche nach „Ersatz“) und andere Zulieferfirmen erhalten die Chance auf eine zukünftige Zusammenarbeit mit dem Unternehmen. Zum Aufgabenspektrum des Lieferantencontrolling gehört auch die Wareneingangsprüfung sowie die Sammlung und Bereitstellung von lieferantenspezifischen Informationen und damit die Schaffung einer Informationsbasis für künftige Auswahlentscheidungen. Da der Controllingaufwand sehr kostenintensiv ist, können nicht alle Lieferanten mit der gleichen Intensität überwacht werden. Eine Lösung bietet die Lieferantenstrukturanalyse, mit deren Hilfe sich die Zulieferer nach Wichtigkeit und damit Aufwand einteilen lassen. Die Verfahren und Methoden der Lieferantenanalyse lassen sich in quantitative und qualitative Verfahren einteilen (vgl. Koppelmann 2004, S. 248). Zu dem quantitativen Verfahren gehören die:
Bilanzanalyse, Kennzahlenverfahren, Preis-Entscheidungsanalyse, Kosten-Entscheidungsanalyse und Optimierungsverfahren.
In der Bilanzanalyse wird versucht aus der Bilanz eines potentiellen Lieferanten, Informationen über die Liquidität, dessen Markterfolg oder der Kostenstruktur zu gewinnen. Bei dem Kennzahlenverfahren wird versucht, anhand von Verhältniszahlen Informationen z.B. zu der Mengentreue oder der Terminzuverlässigkeit zu bekommen. Die Preis-Entscheidungsanalyse kann als Preisbeobachtung, als Preisvergleich und als Preisstrukturanalyse durchgeführt werden. In der Kosten-Entscheidungsanalyse werden, soweit dies möglich ist, die Folgekosten sowie die einzelnen Kostenbestandteile des Lieferanten geprüft. Auf der Kosten-Entscheidungsanalyse bauen Verfahren wie z.B. das Optimierungsverfahren auf. Im Regelfall wird das günstigste Preisangebot als Zielfunktion definiert und andere Ziele als Nebenbedingungen. Alle Angebote werden dann auf die Erfüllung der Nebenbedingungen geprüft. Das was dann übrig bleibt wird dann in absteigender Rangfolge bezogen auf die Preiszielsetzung. Es muss jedoch nachteilig angemerkt werden, dass die quantitativen Verfahren oft qualitative Faktoren mangelhaft berücksichtigen. Die qualitativen Verfahren sind durch die Berücksichtigung qualitativer Faktoren flexibler und geben ein vollständigeres Bild des Lieferanten ab. Auch bei diesem Verfahren gibt es unterschiedliche Techniken (vgl. Koppelmann 2006, S. 262):
Graphische Darstellungsverfahren – Profiltechnik und – Polaritätsprofil Verbale Darstellungsverfahren – Checklisten, – Lieferantentypologien und – Portfolio-Methode numerische Darstellungsverfahren – Notensysteme,
3.7 Lieferantencontrolling – – – – –
3.7.1
115
Punktbewertungsverfahren, Matrix-Approach, Geldwertmethode, Nutzwertmethode und Fussy Logic.
Lieferantenbezogene Indikatorensysteme
Indikatoren zur allgemeinen Situation des Lieferanten sind von besonderer Bedeutung. Mit Hilfe der bilanzanalytischen Frühwarnindikatoren lassen sich Erkenntnisse über die Gewinnsituation und die finanzielle Lage eines Lieferanten ableiten. Die Indikatoren lassen sich dabei aus den Ergebnisveröffentlichungen der Lieferanten gewinnen. Die hierbei ermittelten Informationen dienen dabei insbesondere zur Beurteilung der Überlebensfähigkeit bzw. Abhängigkeit der Lieferanten und deren Spielraum für Preisverhandlungen. Der Liquiditätsgrad der Lieferanten drückt das Verhältnis von Zahlungsverpflichtungen zu vorhandenen flüssigen Mitteln aus. Er zeigt somit, inwieweit der Lieferant seine Verbindlichkeiten decken kann. Ist der Liquiditätsgrad des Lieferanten zu niedrig, ist dies ein Signal für einen eventuellen Lieferantenkonkurs und damit für eine hohe Versorgungsunsicherheit des Abnehmers. Besondere Bedeutung kommt den Investitionsquoten zu, da sie einen Gradmesser für das zukünftige Angebotsvolumen des Lieferanten darstellen. Der Beschäftigungs- bzw. Kapazitätsauslastungsgrad des Lieferanten spiegelt in erster Linie seine wirtschaftliche Situation und damit seine Überlebenschance wider. Aber auch seine Möglichkeit, bei Bedarf des Abnehmers noch Zusatzaufträge zu fertigen und auszuliefern. Die Produktivitätskennzahlen drücken insbesondere die Leistungsfähigkeiten des Lieferanten aus und damit seine Fähigkeiten vollständig und termingerecht zu liefern. Zusätzlich dokumentiert sich durch die Produktivitätskennzahlen auch der technische Stand seiner Fertigungsverfahren. Die Kennzahlen zum Kundenindex zeigen die Umsatz- und Ausweichmöglichkeiten des Lieferanten, seine Überlebenschancen, seine Risikostreuung und seine Möglichkeiten in Preisverhandlungen. Lieferanten mit einem großen Kundenindex garantieren zwar eine hohe Versorgungssicherheit, haben aber aufgrund ihrer großen Unabhängigkeit vom einzelnen Abnehmer mehr Marktmacht, was sich insbesondere in Preisverhandlungen negativ auswirken könnte. Die Sortimentsstruktur mit ihren Kennzahlen zur Produktionsinnovation, -variation, eliminierung, -diversifikation des Lieferanten verweist in der Regel auf das beabsichtige Leistungspotenzial des Lieferanten. Es ergeben sich hierdurch Hinweise auf die Fähigkeit und den Willen der Unternehmen mit den Abnehmern auch technischer, ökonomischer und organisatorischer Basis zu kooperieren. Die Bereitwilligkeit den Anforderungen der zukünftigen Marktnachfrage zu entsprechen, dokumentiert sich besonders in den Kennzahlen zu den Forschungs- und Entwicklungskapazitäten der Lieferanten. Die Produktlebenszyklusquote gibt dabei Auskunft über die Situation der Produkte des Lieferanten und den Zeitpunkt der möglichen Eliminierung. Das Serviceniveau endlich drückt den Lieferbereitschaftsgrad und damit die Fähigkeiten des Lieferanten zur termingerechten, einwandfreien und vollständigen Lieferung aus (Vgl. Kapitel 3.7.12.4)
116
3 Beschaffungscontrolling
3.7.2
Lieferantenaudit
Ein Lieferantenaudit ist die Untersuchung und Bewertung der Lieferfertigkeit, Qualität und Organisation von Lieferanten (vgl. Heß 2008, S. 287). Die Gründe, welche zur Erstellung und Durchführung einer Lieferantenaudits führen, lassen sich vereinfacht in zwei Kategorien einteilen. Als erstes wäre dieser spezielle Fall von Audit als Kriterium zur Bewertung und Auswahl eines Lieferanten zu verstehen. Hierbei wird dieser auf seine Fähigkeiten hin überprüft. Als zweites dient das Mittel des Lieferantenaudits im Rahmen des Supply-ChainRelationship-Managements (SCRM) zur Entwicklung eines Lieferanten. Eine umfassende Vorbereitung eines Audits ist für dessen Aussagekraft bzw. Qualität von immenser Wichtigkeit, da hier der eigentliche Inhalt des Lieferantenaudits ermittelt wird. Die Vorbereitung lässt sich in Anlehnung an die DIN EN ISO 19011 wie folgt gliedern: 1. Festlegung der Auditziele und des Umfangs, 2. Benennung des Auditteams, 3. Prüfung der Dokumentation, 4. Festlegung der Auditkriterien, 5. Erstellung geeigneter Checklisten, 6. Vorbereitung der Auditierung vor Ort und 7. Kontakt zum Lieferanten herstellen. Da ein Audit in der Regel mit einem sehr großen personellen und finanziellen Aufwand verbunden ist, ist es sinnvoll, Audits nur bei A-Lieferanten oder bei Lieferungen, die zu ALieferanten aufgebaut werden sollen, durchzuführen. In bestimmten Branchen, wie der Automobil- oder Elektroindustrie ist es jedoch üblich, dass Lieferbeziehungen nur dann aufgenommen werden, wenn sich der Lieferant zuvor einem Audit unterzogen hat. Ziel der Auditierung von Lieferanten ist es,
die Wirksamkeit des Qualitätsmanagement-Systems zu überprüfen, die Qualitätsfähigkeit des Lieferanten sicherzustellen, die Entscheidungskriterien für die Lieferantenauswahl abzuleiten und Verbesserungen beim Lieferanten einzuleiten, also den Lieferanten zu fördern.
Es lassen sich folgende Audits unterscheiden: Qualitätsaudits Nach DIN EN ISO 8402/1995 ist ein Qualitätsaudit eine „systematische und unabhängige Untersuchung um festzustellen, ob die qualitätsbezogenen Tätigkeiten und die damit zusammenhängenden Ergebnisse den geplanten Vorgaben entsprechen und ob diese Vorgaben effizient verwirklicht und geeignet sein, die Ziele zu erreichen“. Die Grenzen zwischen den drei grundsätzlichen Auditarten System-, Prozess- und Produktaudit sind fließend. Klarer ist jedoch die Unterscheidung zwischen internen Audits (First Party Audit), die in erster Linie der Absicherung und Verbesserung der Qualitätsfähigkeit des Unternehmens dienen, und externen Qualitätsaudits, deren Zwecke überwiegend in dem Nachweis der Qualitätsfähigkeit gegenüber Dritten liegt. Man unterscheidet hierbei Second Party Audit (Kundenaudit) und Third Party Audit (Zertifizierungs- / Wiederholungsaudit). Bei der Durchführung eines Systemaudits werden in erster Linie die Elemente des QMSystem hinsichtlich ihrer Wirksamkeit anhand von Systembeschreibungen, Normen und Richtlinien dargestellt. Zu diesem Zweck werden u.a. die Module der Aufbauorganisation
3.7 Lieferantencontrolling
117
eines Unternehmens umfassend untersucht. Das Systemaudit bezieht sich auf grundlegende Festlegungen des Qualitätsmanagement-Systems und dessen praktische Anwendung. Es werden Struktur- und Funktionsgesichtspunkte berücksichtigt und das Zusammenwirken von Querschnittsfunktionen und –aufgaben betrachtet. Beim Prozessaudit wird das Vorhandensein einer nachweislichen QM-Systematik vorausgesetzt. Untersucht werden beim Prozessaudit die Prozess- und Verfahrensqualität der Lieferanten in der jeweiligen Prozessstufe. Das Produkt- bzw. Dienstleistungsaudit ist in erster Linie ein Nachweisinstrument zur Bestätigung der erreichten Qualitätseigenschaften, in dem die geplanten mit den erreichten Eigenschaften verglichen werden. Systemaudits Das Systemaudit berücksichtigt die Forderungen der DIN EN ISO 9000. Es wird produktunabhängig durchgeführt. Beurteilt werden beim Lieferanten verschiedene QM-Elemente: Das Ergebnis des Systemaudits dokumentiert die Wirksamkeit des QM-Systems. Vor der Bewertung des QM-Systems eines Lieferanten sind die für ihn relevante QM-Elemente mit den dazugehörigen Fragen festzulegen. Unternehmensführung ● Verantwortung der Leistung
Produkt und Prozess ● Vertragsprüfung, Qualität ● Kennzahlen und im Marketing Rückverfolgbarkeit von Produkten
● QM - System
● Designlenkung (Produktentwicklung)
● Prozesslenkung
● interne Qualitätsaudits
● Prozessplanung (Produktentwicklung)
● Produktprüfungen
● Schulung, Personal
● Lenkung der Dokumente und Daten
● Prüfmittelüberwachung
● finnanzielle Überlegungen zum QM-System
● Beschaffung
● Lenkung fehlerhafter Produkte
● Produktsicherheit
● Lenkung der vom Kunden ● Korrektur- und beigestellten Produkte Vorbeugemaßnahmen
● Unternehmensstrategie
● Handhabung, Lagerung, Verpackung usw. ● Lenkung von Q-Aufzeichnungen ● Wartung (Kundendienst) ● statistische Methoden
Abb. 37:
QM-Elemente
Produktaudit Bei einem Produktaudit werden Prüfungen quantitativer und qualitativer Merkmale materieller Produkte geplant, durchgeführt, ausgewertet und dokumentiert.
118
3 Beschaffungscontrolling
Das Produktaudit wird nach dem Abschluss eines Produktionsschritts und vor der Weitergabe des Produktes an den Kunden von einem unabhängigen Auditor durchgeführt. Es basiert auf Soll-Vorgaben, die mit den Ist-Werten abgeglichen werden. Ziel eines Produktaudits ist es, versandfertige Produkte anhand eines Prüfablaufplans auf Übereinstimmung mit den technischen Unterlagen, Zeichnungen, Spezifikationen, Normen, gesetzlichen Vorschriften und weiteren vorgegebenen Qualitätsmerkmalen zu überprüfen. Diese Überprüfung erfolgt nur an wenigen Produkten, sollte dann aber so umfassend wie möglich sein. Produktaudits können sowohl beim Hersteller als auch beim Kunden erfolgen. Die Verantwortung für die Durchführung liegt in erster Linie beim Hersteller des Produktes, also beim Lieferanten. In Ausnahmefällen können Produktaudits auch vom Abnehmer des Produktes erfolgen. In jedem Fall sollten sich aber Lieferant und Abnehmer bei der Festlegung der Prüfkriterien abstimmen und auch bei der Auswertung zusammenarbeiten, um die Erkenntnisse des Audits zur Förderung der Produktqualität optimal zu nutzen. Bei der Durchführung eines Produktaudits sollten folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Aufnahme der Durchführung von Produktaudits in das QM-Handbuch, Erstellung eines Auditprogramms und Entwicklung einer verbindlichen Arbeitsanweisung für die Auditoren. Auditprogramme müssen für die jeweiligen Produkte festgelegt sein und folgende Informationen beinhalten:
Zweck des Audits, Referenzdokumente, zu auditierende Produkte, Vercodierungssysteme, Checklisten, Termine, Häufigkeit des Audits, Auditoren, Verfolgung und Zuständigkeit für Korrekturmaßnahmen.
Prozessaudit Bei Prozessaudits soll die Fähigkeit von Prozessen bewertet und festgestellt werden, wobei unter Fähigkeit von Prozessen die genaue Reproduzierbarkeit von Ergebnissen innerhalb der vorgegebenen Toleranzen verstanden wird. Um zu prüfen, ob ein Prozess geeignet ist, werden Abweichungen und deren Ursachen bzgl. Tätigkeiten, die mittelbar oder unmittelbar zur Produktentstehung führen, sowie die Zweckmäßigkeit prozessspezifischer Unterlagen festgestellt. Typische Prozesse sind u.a.:
Herstellung eines Produktes (Produktionsprozess), Prüfen eines Produktes (Prüfprozess), Transportieren eines Produktes (Transportprozess), Auftragsabwicklung (Auftragsabwicklungsprozess) und Produktionsplanung (Produktionsplanungsprozess).
Wesentlicher Bestandteil eines Prozessaudits ist die Eingrenzung und Gliederung von Prozessen. Wichtig ist hierbei, dass die Schnittstellen nach innen und außen ermittelt werden und eine Zuordnung zum jeweiligen Process-Owner, der für Prozessbeschreibung, Prozess-
3.7 Lieferantencontrolling
119
anweisung, Arbeits- und Prüfanweisungen, Arbeits- und Prüfpläne, Prozesslenkung und – verbesserung verantwortlich ist, erfolgt. Diese Verantwortungsbereiche stellen u.a. den Hauptuntersuchungsgegenstand eines Prozessaudits dar. Mit Hilfe von Prozessaudits ist es möglich, ein aussagekräftiges Bild der Stabilität der untersuchten Prozesse zu erhalten. Im Vordergrund steht nicht das einfache Aufdecken von Fehlern, sondern die konsequente Abstellung der Fehlerursache, denn nur so kann das Prozessaudit seinen Zweck als Instrumente der Prozessverbesserung optimal erfüllen.
3.7.3
Qualitätspolitik
Unter Qualitätspolitik ist ein zielorientierter Ausbau der beschaffungswirtschaftlichen Aktionspartner – Güter oder Materialart – zu verstehen. In diesem Sinne ist es Absicht der Qualitätspolitik, die Materialart als flexiblen Faktor in das Marktgeschehen einzubringen. Diese Variabilität ist aber nur möglich, wenn die Produktionsgegebenheiten nicht als unveränderlich aufgefasst werden. Eine marktorientierte Beschaffung berücksichtigt neben den Anforderungen des Betriebes, die durch eine gewisse technische Bandbreite bestimmt sind, die Angebotsalternativen auf dem internationalen Beschaffungsmarkt. Demzufolge hat die Qualitätspolitik ihr Instrumentarium auf den internationalen Produktions- und Marktmöglichkeiten aufzubauen (vgl. Cavinato 1984, S. 46f.) Die Qualitätspolitik umfasst zwei Arten von Entscheidungen, die Messung der Materialqualität sowie die Maßnahmen zur Sicherung der Materialqualität. Es ist davon auszugehen, dass mit zunehmenden Qualitätsanforderungen die Zahl der Materialien, für die die Materialqualität explizit zu planen ist, sowie die Komplexität der zugehörigen Planungsprozesse steigen. Daneben spielt der Homogenitätsgrad des Produktions- und Absatzprogramms eine Rolle. Bei niedrigem Homogenitätsgrad, etwa bei der Einzel- oder Kleinserienfertigung, treten häufiger neue Bedarfsarten auf, für welche die Materialqualität erstmals festzulegen ist. Für eine Qualitätspolitik sind folgende Informationen notwendig:
Angaben über die auf dem Markt angebotenen Qualitätsvarianten einer Materialart und ihrer Substitutionsgüter auf den einzelnen ausländischen Beschaffungsmärkten, die Qualitätsmerkmale der zu beschaffenden Materialarten und die zugehörigen Toleranzbereiche, die Inhalte der Prüfberichte, in denen Fehlerarten und Fehlerhäufigkeiten je Lieferant aufgeführt werden, Angaben über die Bedeutung einzelner Materialarten bzw. Qualitätsmerkmale für die Qualität der Endprodukte, Angaben über die Qualitätszuverlässigkeit der Lieferanten und Angaben über die Qualitätskosten.
Zu den vorbeugenden Maßnahmen gehört zuerst eine präzise Festlegung der Qualitätsmerkmale, von der die Unternehmung ausgehen will und die vom Lieferanten eingehalten werden müssen. Zur Beobachtung des Qualitätsstandards der Einkaufsgüter dient in erster Linie die Funktion der Wareneingangsprüfung. Die ankommenden Waren werden dort auf bestimmte Merkmale überprüft, wobei statistische Prüfmethoden aus wirtschaftlichen Gründen den Vorrang haben. Bei Beanstandungen muss darüber verfügt werden, welche Konsequenzen sich aus den Materialfehlern ergeben. In der Prüfungspraxis hat sich in den letzten Jahren die
120
3 Beschaffungscontrolling
Festlegung einer Qualitätsannahmegrenze (AQL, Acceptable-Quality-Level) bewährt. Diese Annahmegrenze wird als Gutgrenze bezeichnet. Sie definiert den Anteil von Fehlern innerhalb einer Stichprobe, der eine Annahme der Lieferung noch zulässt. Bedingungen für die Anwendung eines solchen Verfahrens ist die Festlegung eines sinnvollen Stichprobenumfangs und einer prozentualen Annahmegrenze. Die Aufgabe der Qualitätspolitik besteht nun darin, regelmäßig zu überprüfen, dass die Lieferungen eindeutig besser als der Grenzwert sind, bei dessen Überschreitung die übernommenen Erzeugnisse zu reklamieren sind. Eine weitere Maßnahme der Qualitätssicherung aus der Sicht der Qualitätspolitik besteht darin, die Prüfung der Ware bereits auf den Lieferanten zu verlagern und die Beibringung von Lieferantenprotokollen zu fordern. Zur Zusammenarbeit gehört auch die Einleitung und Durchführung von Korrektivmaßnahmen nach festen Richtlinien. Diese müssen eine unverzügliche Abwicklung ermöglichen und die Beseitigung der Fehlerursachen sichern. Dazu gehört, dass dem Lieferanten Gelegenheit gegeben wird, in gemeinsamen Beratungen die Fehlerquellen herauszuarbeiten und zu eliminieren. Die Entwicklung eines Qualitätssicherungssystems muss durch ein Qualitätsförderungsprogramm ergänzt werden. Hierzu gehört die bereits angesprochene Fehleranalyse, die zwischen situationsbedingten Fehlerquellen und verhaltensbedingten Fehlerquellen unterscheidet. Zu den Fehlerquellen zählen solche, die beim ausländischen Lieferanten auftreten und zu deren Beseitigung der Abnehmer Hilfe anbieten kann. Das können sowohl sachliche als auch menschliche Fehler sowie mangelnde Qualifikation sein. Mit einer Markierung ist es für den Beschaffer möglich, auch mit weniger bekannten ausländischen Lieferanten zusammenzuarbeiten, deren Produktimage möglicherweise nicht den Anforderungen des Absatzmarktes genügt und die deshalb verschwiegen werden sollen. Demgegenüber kann die Evidenz eines Beschaffungsobjektes (z.B. eines Einbauteils) im Fertigprodukt positive Imagetransfereffekte bewirken, so dass die beschaffende Unternehmung in den Genuss einer Verkaufsförderung durch das eingesetzte Produkt erlangt.
3.7.4
Lieferantenentwicklung
Die Lieferantenentwicklung nimmt innerhalb des Lieferantenmanagements eine wichtige Position ein. Beabsichtigt der Hersteller einen neuen Anbieter für ein Produkt aufzubauen spricht man von Lieferantenentwicklung. Darüber hinaus liegt ebenfalls eine Lieferantenentwicklung vor, wenn der Hersteller feststellt, dass ein Lieferant offensichtlich nicht in der Lage zu sein scheint, den heutigen oder künftigen Anforderungen gerecht zu werden mit der Folge, dass dieser ein unkalkulierbares Risiko innerhalb der Supply Chain darstellt. Infolgedessen sahen sich bereits in der Vergangenheit eine Reihe von Herstellern veranlasst, bestehende Lieferantenbeziehungen auf ihre Zuverlässigkeit hin zu überprüfen und den Aufbau neuer Lieferanten in Erwägung zu ziehen. Da aber insbesondere ein Wechsel mit dem Verlust von in langjähriger Zusammenarbeit aufgebauter Kompetenzen einhergeht, wurden alternativ zu einer Neutralisierung der entsprechenden Lieferanten Unterstützungsprogramme zur Optimierung bestehender Lieferantenbeziehungen entwickelt und als Beratungsleistungen angeboten. Grundsätzlich wird mit der Lieferantenentwicklung also das Ziel verfolgt, vorhandene Schwachstellen und Hindernisse bei der Zusammenarbeit aufzuzeigen und diese durch primär problemlösungsorientierte und präventive Ansätze zu beheben. Zudem ist der Hersteller durch Benchmarking in der Lage, sein Lieferantenmanagement einer Prüfung zu unterziehen.
3.7 Lieferantencontrolling
121
Kennzahlen zur Positionsbestimmung sind z.B. Benchmarking-Ergebnisse des CAPS (Purchasing Performance Benchmarks), die für zahlreiche Industrien kostenlos erhältlich sind. Bei erkennbaren Zielabweichungen innerhalb relevanter Kennzahlen besteht seitens des Abnehmers und des Lieferanten die Notwendigkeit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die im Sinne des Prozessmodells der Lieferantenentwicklung in vier Teilprozesse gegliedert sind (vgl. Heß 2008, S. 290): Problemlösung durch interdisziplinäres Team, Bestandsaufnahme vor Ort (Risk-Assessment), systematische Lieferantenentwicklung und Motivation beibehalten und verbessern. Die systematische Lieferantenentwicklung hat folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Hartmann 2004):
Temporäre Präsenz beim Lieferanten Eine zeitweilige Präsenz der Abnehmer in Form von Audits dient der dauerhaften Qualitäts- und Prozessverbesserung, der Erhöhung von Kapazitäten, der Identifizierung und Ausschöpfung vorhandener Kostensenkungspotenziale sowie der Geschäftsprozessoptimierung des Lieferanten. Die Durchführung von Seminaren und Trainingseinheiten dient dabei der Zielverfolgung.
Vergütungen Um den selbständigen Verbesserungsprozess des Lieferanten Eigendynamik zu verleihen, bedient sich die Lieferantenentwicklung dem Instrument der Vergütungen. Diese werden in Form von Belohnungen vorgenommen, die sich etwa in einer Erhöhung des Einkaufsvolumens niederschlagen oder durch Einladungen zu Angebotsrunden. Auch die Vergabe von Lieferantenpreisen oder die schlichte Beachtung des Lieferanten bei künftigen Einkäufen ist eine Form der Vergütung.
Restriktionen Gelingt es hingegen einem Lieferanten nicht, die Vorgaben des Verbesserungsprozesses zu erfüllen, so drohen Sanktionen, die bis zur Auflösung der Lieferantenbeziehung führen können. In der Regel wird der Lieferant jedoch zunächst aufgefordert, seine Leistungen zu verbessern. Der Aufbau einer Wettbewerbssituation oder die Nichtbeachtung bei künftigen Auftragsvergaben ist ebenfalls eine mögliche Reaktion auf die Ignoranz eines Lieferanten.
Motivation beibehalten und verbessern Ziel eines erfolgreichen Lieferantenmanagement muss es sein, einmalig angestoßene Verbesserungsprozesse nachhaltig beim Lieferanten zu installieren, was allerdings eine kontinuierliche Prozessnachverfolgung voraussetzt. Hier haben sich vor allem die Durchführung von Lieferantentagen und Lieferantenförderungsprogramme als überaus nützlich erwiesen.
Lieferantentag Unter dem Begriff des Lieferantentages soll das Zusammenwirken unterschiedlicher eigenständiger Unternehmen oder einzelner Funktionsbereiche verstanden werden, die der Bewältigung gleichartiger Aufgaben bzw. der Lösung auftretender Probleme dienen sollen. Der Lieferantentag dient als Informations- und Kommunikationsveranstaltung und hat in der Regel eine Dauer von bis zu zwei Tagen. Die Zahl der Teilnehmer wird durch den Abnehmer auf ausgewählte Lieferanten begrenzt. Der zu behandelnde Themenbereich kann entweder einen recht globalen Charakter aufweisen, oder sich der Lösung spezieller Probleme zuwenden. Der Lieferantentag verfolgt primär das Ziel, den Zuliefe-
122
3 Beschaffungscontrolling rer nicht mehr nur als bloße Lieferquelle zu verstehen, sondern ihn vielmehr als Entwicklungs- und Innovationspartner in den Materialfluss des Unternehmens zu integrieren. Eine zielorientierte Ausrichtung des Lieferanten wird infolge einer umfassenden Berichterstattung über die Strategie des Abnehmers erleichtert und ermöglicht dem Abnehmer gleichzeitig den Lieferanten auf die ständig wachsenden Anforderungen hinsichtlich Schnelligkeit, Termintreue und Qualität bei steigendem Kostendruck einzustimmen.
Lieferantenförderungsprogramm Lieferantenförderung soll hier als die Beratung und aktive Unterstützung des Lieferanten durch den Abnehmer bei schwierigen betrieblichen Problemen, die der Lieferant mit eigenen Mitteln nicht bewältigen kann, definiert werden. Die einzelnen Instrumente der Lieferantenförderung, die auch als sachliche Gegenleistung bezeichnet wird, können ihre Anwendung innerhalb der verschiedensten Funktionsbereiche der Lieferanten finden. Das primäre Einsatzfeld der Lieferantenförderung findet sich im Produktionsbereich des Zulieferunternehmens wieder. Der Abnehmer kann durch Beratung bei Rationalisierungsvorhaben, Qualitätssteigerungsprogrammen, Technologieumstellungen oder der Ablaufoptimierung durch Einbringung des eigenen speziellen Know-hows den Erfolg der Maßnahmen bei dem Zulieferer erhöhen. Diese Beratung kann sich zum einen auf die Bereitstellung von Wissen, zum anderen sogar auf die befristete Übersendung von spezialisiertem Personal erstrecken. So werden firmenübergreifende Wertanalyseteams gerade im Produktionsbereich zur Effizienzsteigerung eingesetzt. Neben der Unterstützung im Produktionsbereich können Förderungsmaßnahmen im Bereich der Beschaffung, des Absatzes und der Forschung und Entwicklung erfolgen. Eine andere Form der Förderung ist die finanzwirtschaftliche Unterstützung (vgl. Piontek 2008, S. 78). Zahlreiche Lieferantenprogramme wurden mit folgenden inhaltlichen Schwerpunkten (vgl. Wildemann 2000, S. 12) entwickelt: – Vermeidung von Verschwendung • Standardisierung von Abläufen, • Arbeitsplatzorganisation, • Mitarbeitereinbeziehung, • Qualitätsmanagement und • Visualisierungstechniken. – Erhöhung des Kundennutzens / Vermeidung von Verschwendung: • Optimieren der Arbeitsmethoden, • kontinuierlicher Verbesserungsprozess / Kaizen, • Wortgestaltung, • Wertanalyse, • Benchmarking, • Total Cost of Ownership (TCO), • Bewusstseinsschulung, • Methodenschulung, • Lieferantenbefragung, • ergebnisorientiertes Lieferantenprojekt, • themenbezogene Workshops, • ergebnisorientiertes Arbeitsprojekt mit Lieferanten,
3.7 Lieferantencontrolling
123
• Ideenbörse, • Patenschaft Einkauf-Lieferant und • Informationsschriften. Lieferantenerziehung Mit Hilfe der Lieferantenbeziehung kann die Beschaffung auf den Lieferanten so einwirken, dass dieser sich bemüht, Fehler und Mängel in der Leistungserstellung abzustellen. Er soll zu einer besseren Leistung motiviert werden. Geeignete Maßnahmen sind: – Öffentliche Anerkennung überdurchschnittlicher Leistungen, z.B. durch Platzierung auf Ranglisten. Wichtig ist, dass solche Auszeichnungen durch geeignete Pressearbeit in die Öffentlichkeit gebracht werden. – Gewährung von Prämien oder Geschenken als Anerkennung für besondere Leistungen und als Anreiz, an weiteren Verbesserungen mitzuwirken und die Geschäftsbeziehungen qualitativ auszubauen. – Sperrung eines Lieferanten bzw. Androhung der Sperrung als Folge einer von ihm zu vertretenden Leistungsstörung. Diese Sperrung wird in Form einer Auslistung bekannt gemacht. – Nutzung vertraglicher oder gesetzlicher Möglichkeiten, wie z.B. Konventionalstrafe, Schadenersatz oder Minderung, um den Lieferanten zu vertragsgerechter Erfüllung zu veranlassen.
3.7.5
Materialgruppenmanagement (MGM)
Das Materialgruppenmanagement ist ein organisationsübergreifender Managementprozess, der durch die Zusammenarbeit von Einkäufern und Technikern verschiedener Organisationseinheiten die Synergien des Verbundes nutzt. Das MGM kann auch als Einkaufskoordination oder Management von Einkaufssynergien bezeichnet werden. Im anglo-amerikanischen Sprachraum wird der Begriff des Commodity-Management verwendet (vgl. Boutellier/Zagler 2000, S. 18). Das MGM umfasst folgende Merkmale:
Instrument und Koordinationsform der Beschaffung, des Bestandsmanagements und der Logistik, organisationsübergreifender Managementprozess, Zusammenarbeit von Einkäufern und Technikern verschiedener Organisationseinheiten nutzt die Synergie des Verbundes und Einkaufskoordination oder Management von Einkaufssynergien.
Es kann mehrere Beweggründe für die Einführung eines MGM geben:
für die gleichen Produkte/Leistungen gibt es (zum Teil bei denselben Lieferanten) verschiedene Einkaufspreise der Organisationseinheiten (OE), Beschaffungsrichtlinien werden oft unterlaufen oder werden nicht ausreichend kommuniziert, technische Anforderungen werden nur teilweise standardisiert, schlechte und mangelnde Kommunikation zwischen des OEs, verschiedene DVSysteme, keine einheitlichen Warengruppen- und Lieferantenschlüssel, funktionale Orientierung der Mitarbeiter erschwert die Umsetzung von effizienten ganzheitlichen Prozessabläufen,
124
3 Beschaffungscontrolling
unterschiedliche Handhabung gleicher Beschaffungsabläufe in den OEs und ineffiziente Fertigungstiefen, Make-or-Buy-Entscheidungen schwer nachvollziehbar (vgl. Kalbfuss/Rüdrich 2000, S. 11). Beim MGM wird prinzipiell zwischen zwei unterschiedlichen Herangehensweisen unterschieden. Bei der Standardisierung wird durch eine globale Standardisierung eine Grundlage für einen durchgehenden IT-Einsatz geschaffen. Aufgrund der vorliegenden Transparenz ist jeder Einkäufer darüber informiert, wer was wo zu welchen Konditionen einkauft. Das Pooling erfolgt dann ohne größere Überzeugungsarbeit. Zudem ist die Standardisierung einer der wesentlichen Hebel des MGMs. Der zweite Ansatz besteht darin, dass das Management Prioritäten bezüglich einer bestimmten Güteklasse setzt. Zudem wird durch das Management ein MGM-Team aus Fachkräften bestimmt, dass die Güterklassen gezielt angeht. Die erste Vorgehensweise erfordert lange Vorbereitungszeiten und sehr viel Disziplin. Der Erfolgt ist von der Einstellung der Einkäufer stark abhängig. Eine weitaus einfachere Lösung stellt der zweite Weg dar. Die Bildung von MGM-Teams führt in den ausgewählten Gebieten sehr schnell zum Erfolg. Nachteilig ist jedoch, dass der Erfolgt auf dieses Gebiet beschränkt ist. Deshalb wählen viele Unternehmen oftmals eine Mischung aus beiden Ansätzen (vgl. Boutellier/Zahler 2000, S. 23). Nachfolgend werden die beiden Ansätze anhand einer Abbildung genauer verdeutlicht.
Abb. 38: Ansätze im MGM (vgl. Boutellier/Zagler 2000, S. 23)
3.7 Lieferantencontrolling
125
Das MGM vollzieht sich in mehreren Schritten: 1. Potenzialermittlung der Organisationseinheiten Mit der Analyse der Organisationseinheiten wird abgeschätzt, welches Beschaffungsvolumen jede Einheit hat. Steht fest wie groß das Volumen der einzelnen Organisationseinheiten pro Materialgruppe ist, ergibt sich daraus die Zusammensetzung des Teams. Anschließend wird damit begonnen die einzelnen Artikel in den jeweiligen Materialgruppen mit Preisen zu versehen. Mit diesen ersten beiden Handlungen wird es möglich eine ungefähre Abschätzung über das Einsparpotenzial durch das Materialgruppenmanagement zu geben (vgl. Rüdrich/Kalbfuß/Weißer 2004, S. 55). 2. Beschaffungsmarktanalyse Mit Hilfe der Beschaffungsmarktanalyse soll eine Transparenz geschaffen werden, die es erlaubt, einen langfristigen Einkaufserfolg zu sichern. Die konkreten Aufgaben eines jeden MGM-Teams werden aus den Ergebnissen des Beschaffungsmarketings abgeleitet, welches Aussagen zu den Anforderungen der Bedarfsträger, zur Definition des Beschaffungsmarktes und zur Marktstruktur treffen. 3. Make-Cooperate-or-Buy-Analyse Dieses Instrument dient als Entscheidungsgrundlage für ein Unternehmen, ob bestimmte Güter durch Zukauf, eigene Herstellung oder als Kooperation aus beiden bereitgestellt werden sollen. Als Ziel wird die Senkung der Herstellungskosten anvisiert. Verwendet wird ein Portfolio, welches zu einer Handlungsorientierung führt, die in Abhängigkeit von der Kompetenz des eigenen Unternehmens und seiner Position im Beschaffungsmarkt festgelegt wird (vgl. Kalbfuß/Rüdrich 2000, S. 22). Das Materialgruppenmanagement benötigt dieses Instrument dringend um herauszufinden, welche Produkte und Dienstleistungen wirklich zu zukaufen und welche kostengünstiger im eigenen Werk herzustellen sind. Nur mit diesen Informationen sind die Kosten im Beschaffungsbereich und im Herstellungsbereich effektiv zu senken. 4. Materialgruppierung Die Materialgruppierung ist die Voraussetzung für die Kommunikation von Lieferantenund Materialdaten im MGM (vgl. Kalbfuß/Rüdrich 2000, S. 6). Die Grundlage einer Materialgruppierung bildet ein konzernweiter Materialgruppenrahmen, der die Materialien bzw. Dienstleistungen so gruppiert, dass die Einkäufer verwertbare Informationen für Rahmenverträge usw. haben. Deshalb ist der Rahmen speziell auf die Bedürfnisse des Einkaufs ausgerichtet. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Materialgruppen in überschaubare Untergruppen zu zerlegen und den Untergruppen Nummern im Materialgruppenrahmen zuzuordnen (vgl. Boutellier/Zagler 2000, S. 531). 5. Aufbau des Informationssystems Die gut strukturierten Beschaffungsdaten des Materialgruppenmanagements sind nur nutzbar, wenn sich das verwendete Datensystem als logisch schlüssig und benutzerfreundliche erweist. Dazu zählt eine hundertprozentige Transparenz, sprich Einsicht in alle Daten und Vereinbarungen, eine einfache Ermittlung der Einsparungsergebnisse und eine Unterstützung der neugegliederten Prozesse durch das bestehende DV-System. Auf den Materialgruppenmanagement übertragen hat das Controlling insbesondere die Aufgabe, durch seine Tätigkeit die Ziele des Materialgruppenmanagement zu unterstützen und den unternehmerischen Nutzen für das Unternehmen aufzuzeigen (vgl. Rüdrich/Kalbfuß/Weißer 2004, S. 52).
126
3 Beschaffungscontrolling
Das Ziel des MGM ist es, Kosten einzusparen, die durch zu hohen Beschaffungsaufwand verursacht worden sind. Dabei ist wichtig zwischen Kosten zu unterscheiden, die das Materialgruppenteam tatsächlich geschafft hat einzusparen, und zwischen Einsparungen, die der Markt bewirkt. Deswegen ist eine genaue Dokumentation für jedes Team erforderlich, um jeden Erfolg messen zu können und festzustellen, ob ein Erfolg vorlag.
3.7.6
Total Cost of Ownership (TCO)
Der Begriff “Total Cost of Ownership” bedeutet übersetzt Gesamtkosten der Besitzerschaft. Unter TCO versteht man alle Kosten, die mit der Beschaffung eines Gutes verbunden sind. Dazu gehören neben dem Preis insbesondere auch die Kosten für den eigentlichen Beschaffungsprozess (Suche, Auswahl, Verhandlung und Überwachung von Lieferanten), Kosten für Wartung und Instandhaltung sowie Kosten für die Entsorgung des Gutes. Total Cost of Ownership erweitert den Blickwinkel über die reine Investition hinaus und ermöglicht so, nachgelagerte Kosten wie z.B. die Instandhaltung, den Kundendienst und die Wartung zu quantifizieren, sowie Ansatzpunkte für eine Kostenoptimierung und für Vertragsverhandlungen zu geben (vgl. Elbram 2002, S. 661). Die Vorteilhaftigkeit einer Beschaffungsentscheidung variiert, je nachdem, ob nur der Kurzfristaspekt der Anschaffungskosten oder auch der Langfristaspekt der Betriebskosten berücksichtig wird, weil Anschaffungs- und Betriebskosten vielfach gegenläufig sind. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass fehlerhafte Beschaffungsentscheidungen bei längerfristigen vertraglichen Lieferantenbindungen (z.B. im Zusammenhang mit Just-in-TimeZulieferungen) nicht kurzfristig korrigiert werden können. TCO betrachtet im Rahmen des strategieorientierten Kostenmanagements die direkten und indirekten Kosten zur Analyse der gesamten Kosten (vgl. Seuring 2001, S. 107). Wegen der Unterteilung der Gesamtkosten in Vorlauf-, Ausführungs- und Nachlaufkosten wird das Total Cost of Ownership als ein Konzept des „Life-Cycle-Costing“ bezeichnet. Diesen drei Phasen werden einzelne Kostentreiber zugeschrieben. Die nachfolgende Abbildung zeigt, dass die reine Betrachtung des Anschaffungspreises als Entscheidungskriterium unzureichend ist. Eine unzureichende Qualität, woraus ein niedriger Anschaffungspreis resultiert kann durch Qualitätsmängel somit zu immensen Folgekosten führen. Kosten vor der Beschaffung
Kosten während der Beschaffung
Kosten nach der Beschaffung
● Bedürfnisse identifizieren
● Preis
● Rücksendungen
● Beschaffungsmarktforschung
● Auftragsvergabe
● Reklamationen
● Verhandlungen
● Anlieferung
● Instandhaltung
● Lieferantenauswahl
● Steuern
● Fehlmengen
● Lieferantenaudits
● Qualitätsprüfung
● Kulanz
● Kontrollen
● Ausschuss
● Transport ● Zölle
Abb. 39:
Wesentliche Kostenaspekte im Total Cost of Ownership
3.7 Lieferantencontrolling
127
Basierend auf der Grundidee der Aggregation aller anfallenden Kosten und der strategischen Ausrichtung des Konzeptes ergibt sich außerdem seine hervorragende Eignung für die Bewertung bei der Einkaufsentscheidung bzw. der Auswahl von Lieferanten. Da, wie eingangs erwähnt, in den meisten Unternehmen die Kosten für eingekaufte Materialien und Services die internen Fabrikationskosten um Weiten übertreffen, ist das TCO ein interessantes Werkzeug für diese Entscheidungsfindung. Ein sehr interessanter Fakt ist auch das mittels der TCO-Analyse hervorragend die jeweiligen Kostentreiber der Investitionen schon im Vorfeld identifiziert werden können (vgl. Ellram 1998, S. 55). Die Gesamtkosten der Beziehung zu den Lieferanten setzen sich aus dem Stückpreis des einzukaufenden Gutes, den Kosten für Transport und Lagerung sowie den Ausgaben, die durch den Vertragsschluss und die nachfolgende erforderliche Qualifizierung des Lieferanten notwendig sind. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass ein niedriger Stückpreis des einen Lieferanten keinen Rückschluss auf die Höhe der Total Cost of Ownership im Vergleich zu einem Konkurrenten mit höherem Stückpreis zulässt. Dies verdeutlicht erneut die Wichtigkeit einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Durch TCO wird ersichtlich, dass sowohl während, als auch vor und nach dem Vertragsschluss zahlreiche Kostenfaktoren in die Betrachtung einzubeziehen sind, um einer Vertragsentscheidung die resultierenden Kosten genau zuordnen zu können. Je höher der Detailgrad bei der Einbeziehung dieser Faktoren ist, desto hochwertiger ist die Qualität der Auswahlentscheidung. Neben der Lieferantenauswahl bestehen weitere Anwendungsmöglichkeiten des Total Cost of Ownership-Ansatzes. Die Planung der zukünftigen Lieferantenleistung ist eines der weiteren Anwendungsgebiete. Auch eine Reduzierung der Lieferantenanzahl durch die Identifikation von Schlüssellieferanten wird erleichtert. Weiterhin können Lieferantenauszeichnungen und –vergleiche objektiver durchgeführt werden. Die Konzentration der Ressourcen des Beschaffungsmanagements auf entscheidende Einkäufe mit hohem Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Unternehmung stellt ein zusätzliches Anwendungsgebiet dar. Ermöglicht wird zudem eine Leistungsvorhersage für die Lieferung neuer Artikel die sich auf historischen Daten über Lieferantenbeziehungen stützt. Eine Vereinfachung der Bereitstellung von Daten für Vertragsverhandlungen mit Lieferanten ist ebenso möglich. Der Total Cost of Ownership-Ansatz bietet dem Beschaffungsmanagement schlussendlich die Möglichkeit, Einkaufsprioritäten in Abhängigkeit von Gesamtbetrachtungen festzulegen und die eigenen Aktivitäten dementsprechend auszurichten. Der Ablauf des TCO vollzieht sich in sieben Schritten (vgl. Krischun 2010, Ellram 2002): 1.
Alternativen identifizieren und beschreiben Im ersten Arbeitsschritt müssen alle relevanten Informationen über die Produkt-/ServiceAlternativen zusammengestellt werden. Dazu gehören insbesondere technische, organisatorische und kostenbezogene Informationen. Ziel ist es festzustellen, in wieweit die angebotenen Alternativen mittels einer TCO-Analyse verglichen werden können und wie diese generell strukturiert sind. Die Auswahl relevanter Beschaffung kann z.B. durch die ABC-Analyse erfolgen. Die besonders relevanten Objekte/Materialgruppen können anschließend nach Ausgaben und vermutetem Potenzial eingeteilt werden. Abschließend werden die Teile rausgefiltert, bei denen die höchste Priorität und somit die größte Reduktion der Beschaffungskosten zu erkennen ist.
128 2.
3 Beschaffungscontrolling Prozesse des Betriebs und der Nutzung beschreiben Für eine vollständige TCO-Analyse ist es notwendig, alle Prozesse bezüglich der Anbahnung, des Kaufes, der Einführung und Betreuung des Produktes oder Services zu vergleichen. Hierfür ist es notwendig, die verschiedenen Prozesse schriftlich zu fixieren. Die grundsätzlichen Fragen für diesen Schritt lauten: Was passiert vor dem Kauf? Was passiert während des Verkaufs? Was passiert nach dem Kauf? Für die Beschreibung der einzelnen drei Hauptprozesse bieten sich folgende Fragestellungen als Anhaltspunkte an: Was wird genutzt? Wie wird es genutzt? Wann wird es genutzt? Wo könnte es zu Problemen kommen? Was passiert nach der Nutzungszeit mit dem Produkt? Die resultierenden vollständigen Beschreibungen sind von elementarer Bedeutung für die Abarbeitung der nächsten Schritte.
3.
Relevante Kostenarten identifizieren Test und Implementierung des Modells. Anhand eines Pilotprojektes können relevante Kosten und die Kostentreiber identifiziert werden. Um die Transparenz der Informationen zu gewährleisten, ist es wichtig die Quellen zu dokumentieren. Nach Erhebung der Daten können erste Auswertungen und Analysen in Form von Testdurchläufen durchgeführt werden.
4.
Höhe der relevanten Kosten berechnen oder abschätzen Nachdem die relevanten Kostenarten identifiziert wurden, müssen sie nun berechnet oder bestmöglich abgeschätzt werden. Die Anbieter verfügen meist über eigene TCOAnalyse ihrer Produkte. Diese Angaben entsprechen allerdings nicht immer zu 100% der Realität und sollten daher im Zweifelsfall von erfahrenen Mitarbeitern oder externen Beratern kritisch auf ihre Plausibilität geprüft werden.
5.
Wert des Total Cost of Ownership bestimmen Die ermittelten relevanten einzelnen Kosten müssen nun zu einer Kennzahl verdichtet werden. Wichtig hierbei ist es, erneut zu verifizieren, ob die entstandene Kennzahl (TCO) für alle Alternativen auf Grundlage der gleichen Kostenarten gebildet wurde, da ansonsten die Aussagekraft gemindert wird bzw. die Verwendung bei der Entscheidung ggf. zu einen falschen Ergebnis führt.
6.
Alternativen vergleichen und Entscheidungen validieren Nachdem die TCO gebildet wurde, ist es ausgesprochen wichtig, den gesamten Vorgang, also die Schritte 1–5 zu überprüfen. Da viele Kosten auf Schätzungen basieren, ist es empfehlenswert, diese mit entsprechenden Fachleiten, z.B. Mitarbeitern oder externen Beratern zu verifizieren oder in Zweifelsfall auch zusätzliche Meinungen einzuholen. Natürlich ist auch hier wieder der Aufwand im Verhältnis zum zu erwartenden Ergebnis abzuwägen. Es werden die Ergebnisse auf Plausibilität, Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft. Eine Feinabstimmung des Modells dient dazu, erste Erfahrungen aus der Anwendung im praktischen Kontext zu berücksichtigen um das Modell entsprechend weiter
3.7 Lieferantencontrolling
129
zu entwickeln. Für Anpassungen kann es nötig sein, vorherige Prozessschritte zu wiederholen. 7.
Entscheidungen treffen und Umsetzung sicherstellen Nachdem der Schritt 6 und natürlich alle vorherigen Schritte möglichst ausführlich bearbeitet wurden, liegen die Kosten in aggregierter Form, dem TCO vor und es kann nun eine Entscheidung getroffen werden bzw. eine Empfehlung in Form von den verschiedenen TCOs an den Verantwortlichen gereicht werden. Der integrative Ansatz des TCOs wird durch die Verknüpfung zu anderen Systemen besonders deutlich. Lieferanten können dadurch kontrolliert und ausgewählt werden. Hierfür ist die Anbindung an das System mit betrieblichen IT-Systemen und Schulungsmaßnahmen erforderlich. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wird gestartet. Er wird ständig beobachtet und gegebenenfalls angepasst. Jede Veränderung muss im TCO-Ansatz berücksichtigt werden, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Das Problem des TCO ist die individuelle Ausrichtung auf die Anforderungen und Ziele eines Unternehmens. Die Entwicklung und Implementierung ist hierbei sehr zeit- und kostenintensiv. Die Übernahme des speziell angepassten Modells auf andere Produkt- oder Unternehmensbereiche ist stark eingegrenzt, da es für verschiedene Projekte die unterschiedlichsten Kostenverursacher gibt. Die Rahmenbedingungen des Modells müssen spezifisch erstellt werden und machen somit die Übernahme schwierig. Durch diese Einmaligkeit kann man den TCO-Ansatz nur schwer mit anderen Ansätzen vergleichen. Ferner bedarf es einen hohen Aufwandes zur Identifikation jeglicher Kostentreiber sowie der Nachfolgekosten. Zusätzlich müssen kontinuierlich Daten in das Informationssystem, bei Veränderung von Rahmenbedingungen, nachgepflegt werden, welches zu einem hohen Aufwand führt. Die erfolgreiche Implementierung des Modells hängt erheblich von dem Projektteam ab. Die Teammitglieder müssen sich mit den anstehenden Veränderungen und Zielen identifizieren können, um diesen Ansatz im Unternehmen zu kommunizieren und durchzusetzen. Die Erhebung von Informationen zur Kostenberechnung ist erheblich. Ohne die Zusammenarbeit aller Mitarbeiter und die Verinnerlichung der TCO getriebener Denkweise für die Beschaffung ist die erfolgreiche Implementierung unmöglich.
3.7.7
ABC-Analyse
Die ABC-Analyse ist eine analytische Methode, die es ermöglicht, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Dadurch wird es möglich, die unternehmerischen Aktivitäten auf die ermittelten Schwerpunkte zu lenken und durch Rationalisierungs- und andere Maßnahmen die Wirtschaftlichkeit erheblich zu steigern. Die ABC-Analyse findet in allen Unternehmensbereichen Anwendung. Auch im Einkauf sind verschiedene Ansätze möglich:
Analyse des Bestellwertes nach Menge und Wert der Materialarten bzw. –gruppen, Analyse des Einkaufsumsatzes nach Zahl der Lieferanten und Analyse der Lieferantenrechnungen nach Zahl und Rechnungswerten.
130
3 Beschaffungscontrolling
Die ABC-Analyse des Bestellwertes nach Menge und Wert gibt Aufschluss über das Mengen-Wert-Verhältnis der benötigten Materialien, d.h., es werden die Anteile der einzelnen Materialarten oder –gruppen am Gesamtwert der Materialien ermittelt. Dadurch ist es möglich, wesentliche von unwesentlichen Einkaufsvorgängen zu unterscheiden. Im Folgenden sollen die einzelnen Schritte dieser Analyse aufgezeigt werden. Im ersten Schritt werden zunächst alle Materialpositionen aufgelistet, die jeweiligen Bedarfsmengen festgestellt und mit den entsprechenden Einkaufspreisen multipliziert. Anschließen werden im zweiten Schritt die ermittelten Jahresbedarfswerte aller Positionen nach absteigender Reihenfolge sortiert und kumuliert. Im dritten Schritt bildet man für jeden so geordneten Jahresbedarfswert den prozentualen Anteil am Gesamtwert und addiert wieder die Prozentzahl. Ebenso wird der prozentuale Anteil jeder Materialposition an der Gesamtzahl der Positionen gebildet und kumuliert. Schließlich wird im letzten Schritt eine ABCEinteilung der Materialpositionen vorgenommen, indem bei zwei bestimmte kumulierten Prozentanteilen am Gesamtbedarfswert – z.B. bei 80% und bei 95% – jeweils eine Grenze gezogen wird. Die Analyse der Materialien nach Mengen-Wert-Relation wird meistens ergeben, dass ein verhältnismäßig hoher Anteil an den Bedarfswerten auf nur einen geringen Mengenanteil entfällt. Diese Materialpositionen werden dann als A-Teile bezeichnet. Umgekehrt werden die Materialpositionen, die nur einen geringen Anteil an den Bedarfswerten, aber einen hohen Mengenanteil aufweisen, als C-Teile bezeichnet. Man kann die durchgeführte ABCAnalyse auch in einer graphischen Darstellung (Lorenz-Kurve) verdeutlichen (siehe Abbildung 40). In der ABC-Analyse werden die Artikel in drei Kategorien unterteilt. Die kleinste Gruppe bildet die Gruppe der A-Artikel. Sie stellen den mengenmäßig geringsten Anteil von 15–25% und den wertmäßig größten Anteil mit 60–80% dar. Es fällt dabei auf, dass sie trotz ihrer geringen Menge den größten Wertanteil besitzen. Es sollte daher versucht werden den Lagerbestand hier möglichst gering zu halten, damit die Kapitalbindungskosten gering bleiben. Die B-Artikel stellen mengenmäßig einen Anteil von 30–40% dar, während ihr wertmäßiger Gesamtanteil mit 10–25% sehr gering ist. Sie stellen somit einen Großteil des Lagerbestandes dar und verursachen geringere Kapitalbindungskosten. Die C-Artikel machen einen großen Mengenanteil mit 40–70% aus, während ihr Wertanteil lediglich 4–15% des Gesamtwerts ausmacht.
3.7 Lieferantencontrolling
Abb. 40:
131
Die Lorrenzkurve der ABC-Analyse
Das Ziel der ABC-Analyse ist es also herauszufinden, welchem Bereich besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Mit der ABC-Analyse ist es somit möglich durch Analyse der betrieblichen Situation (vgl. Wannenwetsch 2010, S. 81–82):
die Ansatzpunkte für Verbesserungen (z.B. Rationalisierungsmaßnahmen) zu identifizieren, Anstrengungen zu identifizieren, die wirtschaftlich wenig Wirkung zeigen (Steigerung der Wirtschaftlichkeit) und Beschaffungsentscheidungen zu fundamentieren, um daraus gezielt eine Kostensenkung und Leistungssteigerung zu erreichen, konkurrenzfähig zu bleiben und die Rendite zu steigern. Es können folgende Größen und Abhängigkeiten mit Hilfe der ABC-Analyse betrachtet werden:
Anzahl und Wert der beschafften Materialien (z.B. nach Einzelmaterial oder nach Materialgruppen), Anzahl und Wert des verbrauchten Materials. Anzahl und Wert aller Bestellungen, Anzahl und Umsatz der Lieferanten, Anzahl und Wert der Reklamationen und Bestandswerte. Eine Kombinierung der Kriterien ist möglich, sodass der Umsatz an Material auch nach Lieferanten betrachtet werden kann (vgl. Wannenwetsch 2010, S. 140).
132
3 Beschaffungscontrolling
Somit ist die ABC-Analyse ein wichtiges und einfaches Hilfsmittel in der Materialwirtschaft, um sich von der IST-Situation ein Bild zu machen. Mit ihr wird das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag aufgezeigt, um so Rückschlüsse für die Zukunft zu ziehen. Für die Durchführung einer ABC-Analyse ist ein konsistenter Datensatz vorausgesetzt, der lediglich ein Bild über die IST-Situation bietet. Die ABC-Analyse lässt lediglich eine sehr grobe Klasseneinteilung zu, wobei eine Einteilung in weitere Klassen möglich ist. Jedoch widerspricht dies dem Ziel einer komplexitätsärmeren Gruppierung. Nach der Durchführung der ABC-Analyse muss erst eine Handlungsanleitung erstellt werden, wodurch zielgerichtete Maßnahmen entwickelt und erst dann strategisch eingesetzt werden können.
3.7.8
XYZ-Analyse
Eine Differenzierung des Artikelspektrums nach den Mengen-Wert-Anteilen der einzelnen Materialpositionen genügt jedoch meist nicht für die Bestimmung der jeweils geeignetsten Bewirtschaftungsmethode. Mit der XYZ-Analyse wird daher eine Differenzierung des Artikelspektrums im Hinblick auf die Vorhersagegenauigkeit und die Regelmäßigkeit des Verbrauchs beabsichtigt. Dabei gilt für:
X-Artikel: konstanter Verbrauch, nur gelegentliche Schwankungen, hohe Vorhersagegenauigkeit; Y-Artikel: trendmäßiger Verbrauch, saisonale Schwankungen, mittlere Vorhersagegenauigkeit; Z-Artikel: unregelmäßiger Verbrauch, niedrige Vorhersagegenauigkeit.
Als Kennzahl für das Verbrauchsverhalten einer Materialdisposition kann der Schwankungskoeffizient SQ herangezogen werden. Dieser reagiert sehr empfindlich, wenn plötzliche Bedarfseinbrüche nach oben unter unten erfolgen. Dabei kann folgende Formel verwendet werden (vgl. Hartmann 1993, S. 155): 1 1 Dabei bedeuten: = n = SF = T = V = i =
bis zur iten Perioden fortgeschriebener SQ-Wert Intervalle innerhalb einer Periode Sicherheitsfaktor tatsächlicher Verbrauch Vorhersagewert laufende Periode
Der Quotient Ermittelt das Verbrauchsverhalten einer Materialposition in der laufenden Periode. Eine Zuordnung kann wie folgt aussehen: X-Teil SQ 15
3.7 Lieferantencontrolling
133
Allgemein kann festgehalten werden, dass AZ-Produkte im Gegensatz zu CX-Teilen hinsichtlich Einkauf und der Disposition problematische Produkte darstellen. Die XYZ-Analyse trägt erst in Kombinationen mit der ABC-Analyse „Früchte“, d.h. bietet konkrete Handlungsempfehlungen. Die folgende Abbildung zeigt Vorschläge zur Vertragsgestaltung auf der Grundlager der ABC-XYZ-Kombination und zur Wahl der passenden Dispositionsart. Verbrauchswert hoch
A
Vorhersagegenauigkeit deterministische Sekundärbedarfsermittlung
deterministische Sekundärbedarfsermittlung
deterministische Sekundärbedarfsermittlung
terminbezogene Beschaffungsauslösung
bestands- und bedarfsbezogene Beschaffungsauslösung
bedarfsbezogene Beschaffungsauslösung
B
C niedrig
Abb. 41:
fällweise wie A- oder C-Teile
stochastische Sekundärbedarfsermittlung
stochastische Sekundärbedarfsermittlung
stochastische Sekundärbedarfsermittlung
terminbezogene Beschaffungsauslösung
bestands- und/oder bedarfsbezogene Beschaffungsauslösung
bestands- und bedarfsbezogene Beschaffungsauslösung
ABC-XYZ – Klassifikation
(vgl. Höchst/Stausberg 1993, S.19)
Dieses Beispiel einer ABC-XYZ-Analyse nach dem Verbrauchswert und der Vorhersagegenauigkeit ist nur eine von vielen denkbaren Fragestellungen der ABC-XYZ-Analyse. Darüber hinaus lässt sich beispielsweise auch das Verhältnis von Einkaufswert und Volumen oder das Verhältnis von tatsächlichem Kundensatz (ABC) mit seinem Beschaffungspotenzial (XYZ) vergleichen. Demnach wäre ein CX-Kunde, mit dem die Firma einen geringen Umsatz generiert, eine potenzielle Zielgruppe, mit der sehr viel mehr Umsatz erzielt werden könnte.
3.7.9
C-Teile-Management
C-Artikel stellen den mengenmäßig größten Anteil in einem Unternehmen dar, während ihr Wertanteil sehr gering ist. Von daher sind C-Artikel meist standardisierte Produkte, die einfach in der Qualität und darüber hinaus einfach zu beschaffen sind. Folgende allgemeinen Merkmale machen C-Artikel aus (vgl. Hirschsteiner 2002, S. 384ff.):
sporadischer Bedarf, einfache Qualität, niedriger Stückpreis, große Sortimentsbreite, hohe Bestellhäufigkeit, geringe Positionsmengen,
134
3 Beschaffungscontrolling
standardisierte Artikel (DIN-Teile), niedriges Beschaffungsrisiko, kurzfristige Lieferzeiten, regionale Anbieter, überwiegend Händler als Anbieter und einfache Beschaffungsmöglichkeiten. Anhand dieser Merkmale kann man verschiedene Artikelgruppen als C-Artikel klassifizieren. Beispiele wären Büromaterialien, Werkzeuge, DIN- und Normteile, Kleinmengen und meist niedrigpreisige Hilfs- und Betriebsstoffe. Da der Wertanteil von C-Artikeln sehr gering ist, muss versucht werden, die Prozesskosten für deren Bezug möglichst gering zu halten. Allerdings führen folgende Faktoren zu hohen Versorgungskosten für die C-Faktoren (vgl. Hirschsteiner 2002, S. 78ff.):
vielfältige und komplexe Beschaffungsprozesse, zentral organisierte und formal gesteuerte Beschaffungsprozesse, Bestellprozesse dauern länger als die Lieferung hohe Anzahl von Lieferanten und hoher Anteil an Kleinstbestellungen aufgrund von geringen Preisvorteilen und kurzfristigem Bedarf. Das C-Teile-Management analysiert die Bestellprozesse und –kosten und versucht diese zu optimieren. Dadurch sollen die Prozesse verschlankt und Kosten gesenkt werden. Es reicht allerdings nicht aus, erst dann ein Konzept zu entwickeln, wenn die Lieferung benötigt wird. Vielmehr muss schon vor Beginn des Bestellprozesses mit dem CArtikelmanagement begonnen werden, damit sich die erhoffte Wirkung bei der nächsten Bestellung einstellen kann. Die Ziele des C-Teile-Management sind:
Optimierung der Beschaffungsprozesse insbesondere durch die Reduzierung der Beschaffungskosten, Reduzierung der Teilevielfalt (Standardisierung), Reduzierung der Lieferantenanzahl, Dezentralisierung des Bestellwesens, Reduzierung der Einkaufspreise, Reduzierung des Maverick-Buying Optimierung des Lieferservices und Abbau von Lagerbeständen.
Um ein effizientes C-Teile-Management zu betrieben, gibt es verschiedene Ansatzpunkte im Unternehmen. Es gilt zu beachten, dass hier andere Vorgehensweisen gelten als beispielsweise bei der Beschaffung von A- und B- Teilen. Dies ist auch der Grund warum die C-TeileBeschaffung eigentlich grundsätzlich von einem von den A- und B-Teilen getrenntem Ablauf organisiert wird. Folgende Ansatzpunkte werden beim C-Teile-Management verfolgt: Desktop Purchasing-System (DPS): Kernkomponente eines DPS-Systems ist ein Multi-Lieferanten-Katalog, in dem die Daten einer großen Anzahl von Lieferanten nebeneinander konsolidiert sind. Die Artikel sind hie-
3.7 Lieferantencontrolling
135
rarchisch nach Gruppen gegliedert, so dass anhand verschiedener Kriterien die einzelnen Artikel herausgesucht werden können. Der Multi-Lieferanten-Katalog wird den Mitarbeitern über ein Intranet zur Verfügung gestellt und für einzelne Benutzer und Benutzergruppen individuell konfiguriert. Aus diesem Katalog stellen sich die Mitarbeiter je nach Bedarf einen elektronischen Warenkorb zusammen, der dann als Bestellung aufgegeben wird. Überschreitet der Warenkorb die vom Zentraleinkauf vordefinierten Regeln wie z.B. das Budget, wird automatisch ein elektronisches Genehmigungsverfahren ausgelöst. Nach der Genehmigung der Bestellung wird diese an den Lieferanten weitergeleitet. Der Schlüsselfaktor für den erfolgreichen Betrieb einer E-Procurement-Architektur ist die Art und Weise, wie das eigene System mit externen Systemen und Geschäftsprozessen integriert ist. Funktionen von DB-Systemen sind (vgl. Piontek 2009, S. 187):
DPS ermöglichen unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche den Zugriff auf alle relevanten Anbieterinformationen. DPS-Systeme sind in das ERP-System des Beschaffers integrierbar. DPS-Systeme werden vom Beschaffer implementiert. Sämtliche Beschaffungsprozesse werden unterstützt. Genehmigungsworkflow (Genehmigungsinstanzen werden per E-Mail informiert). Eine Reihenfolge der gefundenen Angebote entsprechend der Beschaffungsziele wird erstellt. Dynamische Preisfindung über Auktionen und Ausschreibungen. Verfügbarkeitsprüfung, Lagerbestände und Preis in Echtzeit.
Materialgruppenmanagement (MGM) Eine weitere Möglichkeit die Kosten für C-Artikel zu reduzieren ist die Einführung eines Materialgruppenmanagements. Dabei wird der Einkauf innerhalb des gesamten Unternehmensverbunds koordiniert und gemanagt. Das Materialgruppenmanagement versucht die Kluft zwischen zentralem Konzerneinkauf und der dezentralen Beschaffung durch einzelne Konzerneinheiten zu überbrücken und dadurch Synergien weiter zu nutzen. Materialgruppenmanagement heißt, unternehmensinterne Standards zu setzen und unnötige Produktvielfalt einzudämmen. Die Gegenüberstellung zeigt, dass der zentrale Einkauf andere Vorteile bietet, als der dezentrale Einkauf. Die Nachteile des zentralen Einkaufs zählen jedoch zu den Vorteilen des dezentralen Einkaufs. Deswegen liegt es nahe, die Widersprüche und Differenzen zwischen den beiden Organisationsformen aufzuheben. Als Resultat wird eine kooperative, organisationübergreifende Beschaffung angestrebt, die mit Hilfe des Materialgruppenmanagements umgesetzt werden soll. Ein weiteres Ziel ist die Trennung und Gewichtung von operativen und strategischen Beschaffungsaufgabe, da durch die Dezentralisierung des Einkaufs eine Vermischung von strategischen und operativen Aufgaben begünstigt wurde (vgl. Boutellier/Zagler 2000, S. 18; ferner Kapitel 3.7.5). Dienstleistereinkauf Weitreichend ist die Möglichkeit den Einkauf der C-Teile an einen Dienstleister abzugeben. Eine gute, gemeinsame Planung und Absprache stellen hierbei die Grundlage für eine erfolg-
136
3 Beschaffungscontrolling
reiche Zusammenarbeit. Bei konsequenter Durchführung können so erhebliche Sparpotenziale erzielt werden und Aufgaben, die nicht zu den eigentlichen Kernkompetenzen eines Unternehmens gehören, komplett ausgegliedert werden. Wenn die Entscheidung getroffen wurde, einen Dienstleister im Bereich der C-TeileVersorgung einzusetzen, stellt sich die Frage, in welchen Bereichen man mit dem Dienstleister zusammen arbeiten möchte. Zuerst einmal übernimmt der Dienstleister die Angebotsabwicklung und Erstbemusterung. Alle direkten Kontakte zu möglichen Herstellern der Artikel werden also vom Dienstleister durchgeführt. Das hat zu Folge, dass das beauftragende Unternehmen auf eine Vielzahl von Vorbereitungs- und Verhandlungsgesprächen verzichten kann. Der Dienstleister auf der Gegenseite kann von diesen Gesprächen bei mehreren Auftraggebern profitieren und hat somit einen höheren Nutzen dieser Gespräche, als die produzierenden Betriebe. Danach besteht die Option den Dienstleister innerhalb weiterer logistischer und betriebswirtschaftlicher Bereiche einzusetzen. So könnten beispielsweise das Qualitätsmanagement, die Lagerung, die Verpackung und die Frachtführervergabe für die bezogenen Artikel dem Dienstleister unterstellt werden. Eine solch enge Zusammenarbeit könne dann soweit gehen, dass der Dienstleister innerhalb der Produktionskette bis zum Einsatz der C-Teile für diese zuständig ist und gewährleistet, dass keine Engpässe innerhalb des Produktionsprozesses entstehen (vgl. Bottler 2010, S. 34). Echtzeitausschreibungen / Reverse Auction Echtzeitausschreibungen, Reverse Auctions oder auch Bidding genannt, stellen eine weitere Möglichkeit der Optimierung der C-Teile-Beschaffung dar. Auch hier ist die vorteilhafte Verbindung zwischen Internet und dem Beschaffungsprozess des Unternehmens gegeben. In Bezug auf die Beschaffung von C-Teilen, die Nicht-Produktionsmaterial darstellen, bieten sich die Echtzeitausschreibung an, um Rahmenverträge auszuhandeln. Voraussetzung ist allerdings ein ausreichend großes Volumen, das den zu betreibenden Aufwand rechtfertigt. Bei einer klassischen Auktion erhält der Bieter mit dem höchsten Angebot den Zuschlag. In der Beschaffung werden meist Reverse-Auctions durchgeführt, Auktionen, bei denen die Einkäufer den Bedarf ausschreiben und die Lieferanten mit entsprechenden Angeboten darauf reagieren. Der Einkäufer initiiert quasi einen direkten Wettbewerb unter den Lieferanten und bestimmt selbst, unter welchen Regeln dieser Wettbewerb stattfinden soll. Es wird nicht mit jedem Lieferanten einzeln verhandelt, sondern die Lieferanten bieten innerhalb eines vorbestimmten Zeitfensters gegeneinander, so dass der Einkäufer in kurzer Zeit einen genauen Überblick über die Angebotssituation und die Preis-/Leistungsverhältnisse erhält. Bei Reverse-Auctions erhält jener Lieferant den Zuschlag, der zum niedrigsten Preis die Waren liefern kann. Durch die Nutzung des Internets lassen sich Auktionen preisgünstig durchführen, so dass für alle Beteiligten das Führen von Telefonaten, das Vereinbaren von Terminen sowie das Anreisen und Abhalten von Besprechungen entfallen. Zusätzlich führen Auktionen im Internet zu einer größeren Bieterzahl und damit zu besseren Preisen.
3.7.10
Beschaffungsbudgetierung
Ein Budget ist – der zahlenmäßige Ausdruck der Planung – also das Budget von Umsatz, Kosten und Finanzen – das Budget ist sachbezogen; es wird zum Ziel, sobald ein BudgetVerantwortlicher bestimmt ist (vgl. Schuh et al. 2008, S. 75).
3.7 Lieferantencontrolling
137
Ein Budget kann demnach interpretiert werden als: 1. eine Menge von Mitteln, die 2. einen organisatorischen Einheit 3. für einen bestimmten Zeitraum 4. zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben 5. zur eigenen Verantwortung 6. durch eine verbindliche Vereinbarung zur Verfügung gestellt wird. Das Budget erfüllt im Einzelnen folgende Funktionen:
Planungsfunktion: Mit der Erstellung des Budgets wird die Zukunft des Unternehmens im vornhinein festgelegt. Bewilligungsfunktion: Im Rahmen seines Budgets kann jeder eigenverantwortlich entscheiden. Motivationsfunktion: Durch die Budgetierung werden Leistungsanforderungen und –ergebnisse sichtbar. Kontrollfunktion: Durch den Vergleich zwischen Plan und Ist werden Abweichungsanalysen möglich. Die Budgetierungstechniken lassen sich wie folgt klassifizieren: Budgetierungsformen progressive Budgetierung retrograde Budgetierung
simultane Budgetierung
sukzessive Budgetierung
flexible Budgetierung
starre Budgetierung
Abb. 42:
Formen der Budgetierung
(vgl. Stark, o.J., S. 51)
Merkmale Vom einzelnen Telibereich ausgehend und sind meist nach dem Engpass richtend. Ausgangspunkt ist eine bestimmte, unternehmenspolitisch gesetzte Sollgewinngröße für die Gesamtunternehmung; keine Engpässe, wie bei der progressiven Budgetierung. Die Festlegung der Aktionsvariablen der gegenseitig abhängigen Teilbudgets erfolgt gleichzeitig und endgültig. Die Festlegung der Teilbudgets erfolgt ausgehend z.B. von einer Engpassgröße hintereinander. Das fertige Teilbudget ist Datum für das noch aufzustellende Teilbudget. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass bei der Budgetierung Entscheidungen unter Unsicherheit und Ungewissheit getroffen werden müssen. Daher wird u.U. für alternative Entwicklungen budgetiert, sog. Eventualbudgets erstellt. Hier sind keine Eventualbudgets und keine Anpassung an eingetretene Veränderungen vorgesehen.
138
3 Beschaffungscontrolling
Budgetsysteme können nach verschiedenen Gesichtspunkten wie folgt unterschieden werden:
starre Budgets sind Größen, die während einer Budgetperiode unbedingt einzuhalten sind, flexible Budgets enthalten Größen, die sich unter geänderten Bedingungen, z.B. bei Beschäftigungsschwankungen, verändern lassen. Gemäß den unterschiedlichen organisatorischen Verantwortungsbereichen lassen sich z.B. Abteilungs-, Kostenstellen- oder Projektbudgets unterscheiden. Die Budgetierung vollzieht sich in mehreren Schritten:
Übernahme der Planungsdaten, Entwicklung von Budgetvorhaben, Budgetentwurf
– Analyse – Prognose – Bewertung Budgetkoordination, Budgetverabschiedung, Budgetkonsolidierung und Budgetgenehmigung.
Die Anforderungen an die Budgets sind (vgl. Peemöller 2002, S. 216):
Das Budget soll motivierend wirken: Es muss herausfordern aber auch ausführbar sein. Aus diesem Grund ist auch der Anspannungsgrad eines Unternehmens ein Einflussfaktor auf die Höhe der Budgetwerte. Das Budget soll Handlungen auslösen: Die Oberziele des Unternehmens sind in operable Leistungssolls für die Verantwortungsbereiche zu transformieren. Dafür müssen geeignete Zwischen- und Unterziele erstellt werden, bis sie zu unmittelbaren Handlungsweisungen werden. Die Verantwortungsbereiche sollen unabhängig sein: Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche hat für das Gelingen der Budgetierung erhebliche Auswirkungen, denn nur wenn es funktioniert, unabhängige Teilbereiche zu schaffen, wird eine beiderseitige Beeinflussung der Kostenwerte vermieden. Die umfassende Zusammenführung einzelner Stellen im Unternehmen führt zu immensen Problemen bei ihrer Budgetierung und ihrer Budgetkontrolle. Die Budgets müssen klar und exakt formuliert sein: Für die Abgrenzung der Kosten, der Zeiten und der Kontrollen müssen handfeste Kriterien und Vorgaben entwickelt werden, um die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der Budgets im Unternehmen zu garantieren. Qualitative Vorgaben müssen berücksichtigt werden: Die geforderte Klarheit des Budgets verlangt nach Quantifizierung von messbaren Resultaten. Damit entsteht das Problem, dass sich der Entscheidungsträger besonders oder ausschließlich um die Durchführung quantifizierbarer Kosten sorgt und qualitative Vorgaben vernachlässigt. Die Verbindung zwischen diesen Vorgaben muss garantiert sein. Die Entscheidungsträger müssen an der Budgeterstellung und –auswertung beteiligt sein:
3.7 Lieferantencontrolling
139
Demzufolge können sie sich mit ihrem Budget identifizieren und setzen sich für die Verwirklichung ein. Außerdem soll das Wissen und die Erfahrung der Budgetverantwortlichen genutzt werden, wenn es z.B. um die Anpassungsmaßnahmen geht. Das Budget soll die Flexibilität des Unternehmens nicht einschränken: Budgets werden in der Regel für ein Jahr vorgegeben. Durch ihre Fixierung soll eine fortlaufende Umstellung und Anpassung in den Kostenstellen abgewendet werden und die Aktivitäten auf die Realisierung der Vorgaben geführt werden. Bei plötzlichen, unvorhersehbaren Änderungen sind aber Budgetrevisionen notwendig, um sie an die neue Situation anzupassen. Das Budget soll zeitlich abgestimmt sein: Die Zukunftsorientierung des Budgets wird durch die Ableitung aus den Zielen und Maßnahmen der strategischen und operativen Planung erreicht. Zumindest eine operative Planung, die eine Angleichung zwischen den organisatorischen Einheiten des Unternehmens vornimmt, ist damit die Voraussetzung der Budgetierung. Dem Entscheidungsträger ist ein Soll/Ist-Vergleich vorzulegen: Der Soll/Ist-Vergleich muss dem Verantwortlichen klar machen, welche Kosten ihm verursacht wurden und welche von ihm in seiner Abteilung beeinflusst werden können. In der Beschaffung erfüllt die Budgetierung einen zweifachen Zweck. Zum einen ist sie ein Prognoseverfahren, das Festschreibungen für die Zukunft vorsieht, zum anderen ist sie ein Erfolgskontrollverfahren, das die erzielten Ergebnisse einer Bewertung unterwirft. Als Ergebnisplanung ermöglicht sie Angaben über die Verwendung der mittels Finanzplan bereitgestellten Mittel. Insofern ergänzen sich der Finanzplan in der Beschaffung und das dazugehörige Budget. Der eine gibt Auskunft über die Mittelherkunft, der andere über die Mittelverwendung. Damit ist gleichzeitig das Ziel des Budgets als Mittel zur zweckmäßigen Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel auf der Basis der Zielsetzung der Beschaffung definiert (vgl. Harlander/Platz 1991, S. 153). Aufgabe der beschaffungsorientierten Budgetierung ist es, alle Maßnahmen der Beschaffung kosten- und leistungsoptimal vorzubereiten. Demnach muss der geplante Erfolgt wertmäßig errechnet und überwacht werden. Hierfür ist es notwendig, alle Kostendaten, die die Beschaffung induziert hat, zu ermitteln, um realistische Standardwerte zu errechnen. Kosten für Leistungen des Lieferanten oder Beschaffungsobjektkosten können ohne Schwierigkeiten als Einzelkosten ermittelt werden. Bedeutsam für die Stimmigkeit der Beschaffungskalkulation ist, dass möglichst alle separat disponierbaren Leistungen des Lieferanten kalkuliert werden. Dies gilt sinngemäß auch für Kosten der in Anspruch genommenen Leistungen Dritter wie von Spediteuren, Maklern und anderen. Für die Produktkalkulation zur Fundierung kurzfristiger Entscheidungen dürfen neben den als Einzelkosten erfassbaren Beschaffungsobjektkosten nur die für einzelne Beschaffungsobjekte zusätzlich anfallenden Kosten der Beschaffungsaktivitäten zugerechnet werden. Für die Kalkulation geeignet sind grundsätzlich alle verfeinerten Verfahren der Verrechnungssatzkalkulation, soweit sie direkt funktionale und auch indirekt funktionale Beziehungen von Kalkulationsobjekt und Verbrauchsmengen der Kosten zur Auflösung unechter Gemeinkosten zugrunde legen. Eine Schlüsselung von Gemeinkosten hat zur Folge, dass aus Gründen der Disponierbarkeit die zugerechneten und die tatsächlichen Kostenbeeinflussungsmöglichkeiten im Beschaffungsbereich auseinanderfallen können. Besonders in Fällen sehr unterschiedlicher Leistungserstellungen kann die Prozesskostenrechnung weiteren Aufschluss über die langfristigen Kostenzusammenhänge in der
140
3 Beschaffungscontrolling
Beschaffung für gezielte Untersuchungen, etwa zur Aufdeckung von Rationalisierungspotenzialen, gewähren, indem vor allem kostenstellenübergreifende Kostentreiber für das Herstellkosten-Controlling identifiziert werden. Nach der Ermittlung der Kostendaten ergeben sich folgende Ansatzpunkte der Standardisierung (vgl. Harlander/Platz 1991, S. 156–157): Organisationskostenstandards Die Organisationskosten lassen sich nach den einzelnen Personal-, Raum- und Organisationsmittelkostenarten aufgliedern und nach den verschiedenen materialwirtschaftlichen Verrichtungen differenzieren, Materialpreisstandards Die Preisentwicklung der einzelnen zu beschaffenden Güter und Dienstleistungen ist von den Datenkranzänderungen des Beschaffungsmarktes abhängig. Das bedeutet, dass die Beschaffungsmarktforschung als Mittel der Marktvorbereitung hier Perspektivdaten auf der Basis von Vergangenheitswerten und Dynamiktendenzen bereitstellen muss, damit konkrete Aussagen in der Form von Materialpreisstandards gemacht werden können. Bezugskostenstandards Hierzu sind sämtliche Kosten zu zählen, die auf dem Wege zwischen Lieferanten und eigener Materialannahme im weitesten Sinne anfallen. Diese Kosten unterliegen ebenfalls der Marktentwicklung und werden in der Regel zwischen den beteiligten Marktpartnern ausgehandelt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass neben preissteigernden auch preismindernde Faktoren eine Rolle spielen. Die Festlegung einzelner Standards erfolgt hier auf der Basis einer Verkehrsträgeranalyse. Die Bezugskostenstandards sind nicht pauschal festlegbar, sondern bedürfen einer Differenzierung nach den unterschiedlichen Bezugskriterien. Vorratswertstandards Werden Bestellung zu großzügig angesetzt oder zu frühzeitig geordnet, entstehen hohe Kapitalbindungskosten in Form von Zinsen. Diese Kostenart gilt es mit ihrem durchschnittlichen Jahresbetrag zu ermitteln und als Standardwerk vorzugeben. Auf der Basis des Jahresbedarfs und der Materialpreisstandards lässt sich der Kapitalbedarf ermitteln, der unter Berücksichtigung der optimalen Bestellhäufigkeit die durchschnittliche Kapitalbindung pro Bestellzyklus ergibt. Dieser Kapitalbindungsansatz kann dann auf Monats- und Quartalsniveau hochgerechnet werden und als Kapitalbindungsstandard in das Budget einfließen. Nach der Ermittlung der Standards können folgende Budgets gebildet werden (siehe Abbildung 43): Einkaufswertbudget, Bezugskostenbudget, Vorratswertbudget und Verwaltungsbudget.
3.7 Lieferantencontrolling
141 Beschaffungsbudget
Ansatzpunkte
Struktur
Materialpreisstandards (Kostenstrukturanalysen)
Einkaufswertbudget
Bezugskostenstandards (Verkehrsträgerkosten)
Bezugskostenbudget
Kapitalbindungsstandards (Bestellmengen und häufigkeitsanalyse)
Vorratswertbudget
Organisationskostenstandards (Abteilungskostenanalyse)
Verwaltungsbudget
Abb. 43:
Struktur des Beschaffungsbudgets (vgl. Harlander/Platz 1991, S. 156)
Durch die Trennung zwischen Leistungsseite (Einkaufsbudget) und Kostenseite (Beschaffungskostenbudget) ist eine differenzierte Kontrolle in Bezug auf die Leistungsfähigkeit (Wirtschaftlichkeit) der Beschaffung in einer abgelaufenen Periode wie auch eine Prognose über die Entwicklung bei einzelnen Beschaffungskostenarten durchführbar. Durch diese Art der Aufgliederung der Beschaffungsbudgetierung in eine 1. der voraussichtlich zu bezahlenden Einkaufspreise (den späteren Materialkosten) und 2. in Beschaffungskosten, die später direkt oder indirekt den Materialkosten zugeschlagen werden, lassen sich Unterlagen für die Bestimmung von Standardkostensätzen gewinnen (vgl. Stark o.J., S. 52). Gegenstand der Einkaufswertbudgetierung sind die sich aus der Mengenplanung durch Bewertung mit Mengen- oder Stückpreisen für eine Planperiode ergebenden Materialkosten (erwartetes Einkaufsvolumen). Die hier zur Bewertung herangezogenen Preisvorstellungen für die Planperiode beruhen entweder auf subjektiver Preisschätzung oder auf objektiver Kostenanalyse und Preisprognose. Da der Lieferant in der Regel bestrebt ist, seinen Gewinnanteil geheim zu halten und deshalb auch nicht bereit ist, genaue Auskunft über seine Kosten zu geben, versucht die Beschaffung die Kalkulation des Lieferanten nachzuvollziehen. Bei der Durchführung der Preisstrukturanalyse geht man so vor, dass man zunächst einmal die Kostenarten, die für das zu untersuchende Projekt von Bedeutung sind, festlegt und bewertet. Anschließend lassen sich dann durch Addition der einzelnen Beträge je Kostenart die gesamten Stückkosten für das Produkt berechnen. Aus der Differenz zwischen Preis und den errechneten Stückkosten ergibt sich der dem Lieferanten verbleibende Gewinn.
142
3 Beschaffungscontrolling
Für die Ermittlung der Bestandteile, aus denen sich die Stückkosten zusammensetzen, eignet sich das gebräuchliche Kalkulationsschema. Dabei müssen Einzel- und Gemeinkosten getrennt ermittelt werden. Die Aufzählung der Kosten muss nicht für jedes Projekt geeignet sein, enthält jedoch die wichtigsten Preisbestandteile eines Erzeugnisses (siehe Abbildung 44). Im konkreten Einzelfall einer Untersuchung der Preisbestandteile wird es erforderlich sein, einige der aufgeführten Kostenkategorien weiter zu differenzieren; das wird abhängig sein von der Komplexität des zu untersuchenden Artikels, der relativen Bedeutung der einzelnen Kostenkategorie innerhalb der Gesamtkosten und der Größe des Auftrages (vgl. Arnolds, Heege, Tussing 1990, S. 146).
Fertigungsmaterial + Materialgemeinkosten + Fertigungslohn + Fertigungsgemeinkosten + Sondereinzelkosten der Fertigung
Materialkosten Fertigungskosten Selbstkosten
Forschungs- und Entwicklungskosten + Verwaltungsgemeinkosten + Vertriebsgemeinkosten + Sondereinzelkosten des Vertriebs + Gewinnaufschlag = Preis Abb. 44:
Die wichtigsten Preisbestandteile eines Produktes
(vgl. Arnolds, Heege, Tussing 1990, S. 146)
In der Praxis wird die Preisstrukturanalyse meistens als Vollkostenrechnung durchgeführt, d.h. alle fixen und variablen Periodenkosten werden auf die Produkte umgerechnet. Dieses Verfahren ist trotz der Problematik, die der Vollkostenrechnung als Instrument für Entscheidungszwecke anhaften, im Rahmen der Preisstrukturanalyse als sinnvoll anzusehen. In bestimmten Sonderfällen der Beschaffung interessiert sich jedoch der Abnehmer auch für die Frage, wie hoch die vom Beschäftigungsgrad abhängigen variablen Kosten eines zu beschaffenden Artikels sind. Den bedeutendsten Teil dieser variablen Kosten machen die Fertigungsmaterialien und die Fertigungslöhne aus; ein anderer Teil ist in den Gemeinkosten enthalten. Der Preisanalytiker muss also versuchen, die verschiedenen Gemeinkostenarten in fixe und variable Kostenbestandteile zu differenzieren. Das auszufüllende Kalkulationsgerüst könnte dann etwa wie folgt aussehen:
3.7 Lieferantencontrolling
Fertigungsmaterial
143
…………………………………………………………
+ variable Materialgemeinkosten
…………………………………………………………
+ Fertigungslöhne
…………………………………………………………
+ variable Fertigungsgemeinkosten
…………………………………………………………
+ variable Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten
…………………………………………………………
+ umsatzabhängige Sondereinzelkosten des Vertriebs
…………………………………………………………
= variable Kosten
Abb. 45:
…………………………………………………………
Preisstrukturanalyse auf der Basis von Teilkosten
Schwierigkeiten können sich bei der praktischen Durchführung der Preisstrukturanalyse vor allem aus drei Gründen ergeben:
weil spezielles Informationsmaterial, das zur Beantwortung der Frage nach der Höhe der Stückkosten eines Produktes erforderlich ist, nicht beschafft werden kann; weil aufgrund der Art des zu untersuchenden Produktes oder des Fertigungsprozesses die Durchführung einer Preisstrukturanalyse zu kompliziert wird; weil die Qualifikation der mit dieser Aufgabe berauten Mitarbeiter nicht ausreicht. Die einzelnen Preise der Lieferanten können in Preisvergleichen analysiert und verglichen werden. Die Bedeutung des partiellen Preisvergleichs für die Beschaffung liegt vor allem darin, dass durch ihn:
eine gründlichere Vergleichbarkeit der Angebote erreicht und somit der Wettbewerb zwischen den Lieferanten intensiviert werden kann. Denn der Wettbewerb erstreckt sich jetzt nicht nur auf den Gesamtpreis, sondern darüber hinaus auch auf die einzelnen Preisbestandteile, die zum Gegenstand des Gesprächs in einer Vergabehandlung gemacht werden können. der Einkäufer in die Lage versetzt wird, den Anbieter konkret auf Schwachstellen in seiner Leistungserstellung hinzuweisen. Eventuell lassen sich durch die Beseitigung dieser Schwachstellen Preisermäßigungen erzielen. der Einkäufer zu Überlegungen angeregt wird, ob es vom ökonomischen Standpunkt sinnvoll und technisch möglich ist, bestimmte Teilleistungen bzw. Arbeitsgänge beim jeweils günstigsten Lieferanten in Auftrag zu geben oder in dem eigenen Unternehmen durchzuführen. Manchmal wird es zweckmäßig sein, bestimmte Teilleistungen aus einem Gesamtauftrag herauszunehmen und sie an einen anderen Lieferanten bzw. an spezialisierte Hersteller zu vergeben. Diese Möglichkeit ist vor allem dann gegeben, wenn der Lieferant beabsichtigt, für die Erstellung bestimmter Teilleistungen (z.B. Härten des Materials, galvanische Bearbeitung) Unterlieferanten einzusetzen. der Einkäufer sein technisches Wissen und seine Kenntnisse auf dem Gebiete der Kostenstruktur wesentlich verbessern kann. Neben dem Einkaufswertbudget muss die Beschaffungskostenbudgetierung erstellt werden. Die im Rahmen dieses Teils der Beschaffungsbudgetierung interessierenden ausgabenerzwingenden Kosten unterscheiden sich in direkte Einzel- und indirekte Gemeinkosten. Der Umfang der zuletzt genannten Kostenart kann dabei vom Beschaffungsumfang abhängig oder relativ unabhängig (fix) sein, was die Bestimmung der Budgetwerte erschwert. Opera-
144
3 Beschaffungscontrolling
tionale, wirklichkeitsnahe Werte in der Kostenbudgetierung bedingen eine möglichst umfassende Kostenanalyse zu den Beschaffungsteilprozessen:
Bezug, Verwaltung (Administration) und Bereitstellung
Bezugskostenbudget Unter Bezugskosten sollen alle jene Kosten verstanden werden, die bis zur Übernahme der Materialien in das Bereitstellungslager anfallen. An direkt zurechenbaren Einzelkosten wären hier u.a. zu nennen: Frachten, Umschlagskosten, Zölle, Transportversicherungen sowie die einem Beschaffungsprozess direkt zurechenbare Tagegelder, Übernachtungs- und Reisekosten. Verwaltungskostenbudget Bei diesem Teil der Beschaffungskostenbudgetierung handelt es sich um einen aus dem Bezugs- und Bereitstellungskostenbudget ausgegliederten Bereich der Gemeinkostenplanung. Es geht hierbei um jenen Kostenblock, der nicht unmittelbar als Bezugs- und Bereitstellungskosten anzusehen ist. Die Hauptkostenarten sind hierbei die Gehälter und die Gehaltsnebenkosten sowie Büroausstattung und Büromaterial. Bereitstellungskostenbudget Hier werden jene ausgabenabhängigen Kosten budgetiert, die mit und nach der Übernahme der bezogenen Leistungen ans Lager bis zu ihrer Verwertung entstehen. An Einzelkosten sind dies jene Bereitstellungskosten, die bei Lagerung, Sortierung und sonstigen wertschützenden Arbeiten anfallen. Da hierbei die Personalkosten als Gemeinkosten den weitaus größten Anteil haben dürften und die Zurechnung zu den einzelnen Beschaffungsarten schwierig ist, bestehen keine Bedenken, diese Personalkosten im Rahmen der nicht direkt zurechenbaren Kosten zu verrechnen. Die einzelnen Budgets müssen anschließend nach ihrem Zielerreichungsgrad kontrolliert werden. Der Budget-Soll/Ist-Vergleich erfolgt nach Kostenarten pro Kostenstelle, indem die Istkosten den Sollkosten gegenübergestellt werden. Beim Soll/Ist-Vergleich des Beschaffungsbudgets ist auf Abweichungen Rücksicht zu nehmen, die durch Beschäftigungsschwankungen und der damit verbundenen Veränderung der Beschaffungsmengen entstehen. Häufigkeit und Detaillierungsgrad des Soll/Ist-Vergleiches richten sich nach den Gesichtspunkten der ABC-Analyse und nach der Detaillierung der Planung. Nachteilig können sich Budgetierung und Budget-Soll/Ist-Vergleich folgendermaßen auswirken (vgl. Kunsch 1993, S. 92):
sinkende Motivation der Mitarbeiter (oft bei zu hohen oder zu niedrigen Budgetzielen), Aufbau von Budgetspielräumen oder „Budget wasting“, um Budgetkürzungen zu vermeiden, Frustration und Fehlinterpretationen aufgrund zu geringer Systemkenntnis, Konflikte über die Verantwortung bei Fehlen klarer Aufgaben- und Delegationsbereiche, Formalismus (läuft dem kreativen Prozess der Budgetierung zuwider).
3.7 Lieferantencontrolling
145
Trotz der Mithilfe der Kostenstellenleiter bleiben die Schwächen der traditionellen Budgetierung häufig bestehen. Vergangene Budgetansätze werden ohne gründliche Analyse für das zu planende Jahre übernommen, weil:
sich dadurch für den Budgetverantwortlichen der Budgeterstellungsaufwand vermindert, sich der Budgetverantwortliche Reserven einrichten kann, um eventuelle Kostenüberschreitungen zu verhindern. Die traditionelle Budgetierung stellt Informationen bereit, ob die geplanten Kosten eingehalten worden sind. Abweichungen können durch den Abzug der Istkosten von den budgetierten Kosten ermittelt werden. Das Zero Based Budgeting ist eine Methode zur Kostensenkung und/oder Reallokation der Ressourcen im Gemeinkostenbereich eines Unternehmens von weniger bedeutenden auf bedeutendere Aufgaben. Alle Tätigkeiten, Projekte und Programme, deren Kosten nicht geradewegs mit dem Produktionsvolumen variieren, werden vor Aufnahme in einen Budgetentwurf generell kontrolliert und analysiert. So begründet sich auf der Name Zero Based Budgeting: Er ist eine Umschreibung des Grundsatzes, dass jede Aufgabe, die in der Zukunft durchgeführt werden soll, von Grund auf (von Null an) neu zu definieren ist. Es wird der Fragestellung nachgegangen, wie die Aufgaben aussehen, wenn das Unternehmen quasi neu, auf der „grünen Wiese“ gegründet wurde. Eine Begründung unter Bezugnahme auf die Vergangenheit ist nicht erlaubt. Dabei wird analysiert, in welcher Qualität die Leistungen einer Organisationseinheit des administrativen Bereichs beansprucht werden, und mit welchem Vorgang sie am kostengünstigsten erbracht werden können. Dazu erfolgt eine Infragestellung und Neubegründung aller Aktivitäten und der damit verbundenen Kosten, vergleichbar mit einer vollständigen Neuplanung des Unternehmens (vgl. Peemöller 2002, S. 253ff.). Ins Budget werden nur noch die Kosten für unentbehrliche Leistungen aufgenommen. Diese werden ausgehend von der Basis Null jedes Mal neu ermittelt. Hierzu werden für erforderliche Leistungen, so genannte Entscheidungspakete, erarbeitet, nach Möglichkeit mit alternativen Aktivitäten, um synchron die kostengünstigste Variante zu ermitteln (vgl. Czenkowsky/Piontek 2007, S. 178). Mit der Bildung von Entscheidungseinheiten werden buchstäblich abgegrenzte Verantwortungsbereiche im Unternehmen geschaffen, um Überschneidungen von Entscheidungskompetenzen zu meiden und um eine eindeutige Zuordnung der Kosten- und Ertragsverantwortung zuzulassen. Häufig entsprechen die Entscheidungseinheiten mit Abteilungen, Unterabteilungen oder Kostenstellen überein. Aber auch Prozess- und Projektbildungen sind in der Beschaffung sinnvoll. Hiernach wird eine Ist-Analyse je Entscheidungseinheit durchgeführt. Ziel der Ist-Analyse ist der Anstieg der Transparenz von Kosten- und Leistungszusammenhängen als auch das Aufdecken unwirtschaftlicher Verfahren. Anfangs wird die Entscheidungseinheit in ihre wesentlichen Leistungen oder Aktivitäten aufgeteilt. Daraufhin erfolgt eine Zuordnung der Personal- und Sachkosten zu den einzelnen Leistungen. Nach Abschluss der Ist-Aufnahme werden alle Entscheidungseinheiten im Brainstorming anhand der folgenden Kriterien analysiert:
Notwendigkeit der Leistung, Notwendigkeit des Leistungsumfangs,
146
3 Beschaffungscontrolling Wirtschaftlichere Alternativen zu bisherigen Leistungserstellung und Leistungen, die künftige in verstärktem Maße durchgeführt werden sollen.
Demnach wird also der Zero-Budget-Gedanke nicht nur durch den Abbau überflüssiger, sondern auch durch den Aufbau zusätzlicher erforderlicher Leistungen zum Ausdruck gebracht. Für jede Entscheidungseinheit werden drei Leistungsniveaus (siehe Abbildung 46) festgelegt, die nach Menge, Qualität, Häufigkeit und Pünktlichkeit differenziert werden können. Leistungsniveaus sollen hier an einem Beispiel der Beschaffung erläutert werden:
Leistungsniveau 1: Das Unternehmen beschafft beim nächstgelegenen bzw. lokalen Lieferanten. Es erfolgt eine Auswahl aus mehreren Angeboten und keine nationale bzw. internationale Ausrichtung. Leistungsniveau 2: Das Unternehmen holt sich je nach Art des Beschaffungsgutes drei bis fünf unterschiedliche Angebote überregionaler Lieferanten und wählt das günstigste aus. Leistungsniveau 3: Das Unternehmen betreibt ein weltweites Beschaffungsmanagement. Beschaffungsgüter können so ungeachtet von räumlicher Entfernung nach dem optimalen Preis oder der optimalen Qualität ausgewählt werden.
Abb. 46:
Leistungsstufen am Beispiel der Kostenstelle „Einkauf“
(vgl. Czenskowsky/Piontek 2007, S. 180)
Das Minimal-Niveau, welches zunächst gebildet werden muss, repräsentiert den geringsten möglichen Einsatz, der zur Erbringung der absolut betriebsnotwendigen Leistungen und zur vollständigen Erreichung der gesetzten Ziele notwendig ist. Bei der Festlegung des MinimalNiveaus wird das Erfordernis sämtlicher Leistungen der Entscheidungseinheit generell in Frage gestellt. Aus diesem Grund wird man dazu gezwungen, jede Leistung neu zu begründen.
3.7.11
Bestandscontrolling
Das Bestandscontrolling plant, steuert und kontrolliert die Bestände im Unternehmen und zwischen Unternehmen. Hierbei werden die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halbfabrikate und Fertigerzeugnisse betrachtet. Das Ziel ist die Optimierung der Bestände, wobei es allerdings zu einem Zielkonflikt kommen kann. Zum einen gilt es die Bestände so gering wie
3.7 Lieferantencontrolling
147
möglich zu halten und zum anderen die Störungen im Produktions- und Distributionsprozess aus fehlenden Vor- und Endprodukten zu vermeiden. Dafür stehen dem Controller verschiedene Instrumente zur Verfügung. Die Absicht des Bestandscontrolling ist es, die Bestände so optimal wie möglich zu halten, die Kosten damit zu senken und die Liquidität zu steigern. Diese Steigerung führt zu mehr Flexibilität im Unternehmen. Als Hauptaufgaben eines Bestandscontrolling sind zu erwähnen (vgl. Heiserich 2002, S. 67– 68):
Erarbeitung der erforderlichen Transparenz für alle Bestände in den internen und externen logistischen Systemen – vom Lieferanten bis zum Abnehmer, Strukturierung aller Materialarten nach definierten Anforderungsparametern – im Allgemeinen mit EDV-Unterstützung, Bereitstellen von Entscheidungsgrundlagen für die Zielvorgaben und die Potenziale der möglichen Bewirtschaftungsstrategien, Überwachen und Koordinieren der Ziele und Maßnahmen durch Informationsversorgung und Soll/Ist-Vergleiche; Veranlassen von Reaktionen auf Abweichungen und deren Analyse. Zunächst sollte das Bestandscontrolling die Ursachen von Beständen abklären. Unternehmensinterne Ursachen für Bestände können sein (vgl. Piontek 2005, S. 400ff.):
fehlende Baukastenstrukturen bei den Produkten, fehlende Festlegung von Vorzugsmaterialien, mangelhafte Qualität der Stückgutlisten, schlecht koordinierter Stücklistenänderungsdienst (durch die Entwicklung und Konstruktion zu vertretende Ursachen), unrealistische und unsichere Absatzprognosen, Lieferprogramme mit einer hohen Produkt- und Variantenvielfalt, große Bereitschaft, auch ausgefallene Sonderwünsche des Kunden zu akzeptieren, verspätete Auslieferungen der Produkte (Auftragsrückstande), großzügige Handhabung von kundenseitigen Auftragsstornierungen und –änderungen (vom Vertrieb zu vertretende Ursachen), hohe Ausschussquote durch schlecht beherrschte Prozesse, Sicherheitspuffer an jedem Platz zur Realisierung einer gleichmäßigen Auslastung, häufige Maschinenausfälle und dadurch Stillstandzeiten, schlecht aufeinander abgestimmte Fertigungsprozesse, hohe Rüstzeiten, hohe Fehlzeiten des Personals unwirtschaftliche Losgrößen (von der Produktion zu vertretende Ursache), Ausnutzung von mengenbedingten Preisvorteilen, mangelhafte Terminkontrolle anstehender Lieferungen, falsche Wiederbeschaffungszeiten im DV-System, nicht ausreichend vorhandenes Qualitätsbewusstsein (durch den Einkauf zu vertretende Ursachen), schlechter bzw. langsamer Materialfluss durch lange inner- und außerbetriebliche Transportwege, fehlende oder mangelhafte Lagerordnung, fehlende oder nachlässige Bestandsführung, ungenügend zügiges Bereitstelltempo für die von der Fertigung benötigten Teile, schlechte Arbeitsplanung, stures Losgrößendenken, Aufrechterhalten von Fertigungsfeldern mit unzureichender eigener Kompetenz (durch die Arbeitsvorbereitung zu vertretende Gründe). Externe Gründe für Bestände können sein:
Der Wettbewerb, wenn marktübliche Lieferzeiten kürzer als die betriebliche Durchlaufzeit werden oder wenn die Bereitschaft zur umfangreichen Ersatzteilvorhaltung als Wettbewerbsfaktor Bedeutung erlangt.
148
3 Beschaffungscontrolling
Der Kunde mit der Forderung nach kurzen Lieferzeiten, hoher Qualität, langfristiger Ersatzteilversorgung und kurzfristiger Befriedigung des Ersatzteilbedarfs. Aber auch Sonderwünsche des Kunden und die Forderung nach einer Vielzahl an Varianten führen zu erhöhten Beständen. Der Lieferant, dessen mangelnde Lieferzuverlässigkeit, dessen lange Lieferzeiten, dessen mengenorientierte Preisgestaltung und dessen qualitative Mängel an den gelieferten Teilen zur Bestandserhöhung führen können. Für die Planung der Bestände ist es zuerst sehr wichtig, die Schwachstellen aller Unternehmensbereiche, die Einfluss auf die Bestands- und Kostenentwicklung nehmen, zu entdecken und zu analysieren. Dort können dann die Problembereiche und Optimierungspotenziale aufgezeigt werden. Dies kann zum Beispiel über Checklisten erfolgen, die am Schluss die Schwachstellen hinsichtlich der Wichtigkeit, Einsparungs- oder Verbesserungspotenziale und zeitlicher und finanzieller Aufwände für die Umsetzung einteilen (vgl. Hartmann 1999, S. 65). Danach steht die Planung von Verbesserungsmöglichkeiten an, bei der das Unternehmen für jede Schwachstelle eine oder mehrere Lösungsmöglichkeiten entwickeln sollte. Es bietet sich an, alle Varianten dann auch nach ihrer Funktionalität zu prüfen und zu bewerten. In der Regel sind alle Maßnahmen miteinander verbunden, so dass man sorgfältig prüfen sollte, welche Wirkung jede Maßnahme auf das Gesamtergebnis haben wird. Im letzten Schritt erfolgt dann die Realisierung und Kontrolle. Die Maßnahmen können anhand eines Prioritätenkatalogs umgesetzt werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu überprüfen. Bei allen Maßnahmen sollte allerdings bedacht werden, dass eine Bestandsoptimierung mit Erfolg nicht kurzfristig erfolgen kann. Deshalb ist es wichtig, sinnvolle Prioritäten zu setzen und jede Maßnahme sorgfältig zu planen. Zur Optimierung der Bestandskontrolle ist es wichtig, einige Hilfsmittel zu nutzen. Dafür bieten sich verschiedene Instrumente an (vgl. Stölzle 2004):
ABC-Analyse, XYZ-Analyse, Reichweitenanalyse, Wertzuwachsanalyse, Typen- und Teile-Analyse, Variantenanalyse, Änderungsanalyse, Prozessanalyse, Altersstrukturanalyse, Ermittlung der optimalen Bestellmenge, Bestellrhythmusverfahren, Bestellpunktverfahren und Kontrollrhythmusverfahren.
Von diesen Instrumenten eignen sich neben der ABC- und XYZ-Analyse besonders: Reichweitenanalyse Diese Kennzahl gibt die Zeit wieder, für die ein stichtagsbezogener Lagerbestand bei einem durchschnittlichen geplanten Materialverbrauch pro Zeiteinheit (Tag, Woche oder Monat) ausreicht oder ausreichen sollte. Demnach lautet die Kennzahl:
3.7 Lieferantencontrolling
149
Reichweite Diese Kennzahl dient zur Planung und Kontrolle der Lagerbestände. Sie zeigt die innere Versorgungssicherheit durch die Lager an, wobei die Frage der Angemessenheit über einen Soll-Ist-Vergleich zu untersuchen ist (vgl. Hartmann 1999, S. 60). Altersstrukturanalyse Bei der Bestandsaufnahme eines Lagers kann die Reichweitenanalyse sinnvoll durch eine Altersstrukturanalyse ergänzt werden. Das Ziel dieser Analyse besteht darin, die Bestände mit bestimmten Bewegungskennziffern zu klassifizieren. Man kann z.B. folgende Kategorien unterscheiden: ohne Bewegung seit drei Monaten, ohne Bewegung seit sechs Monaten, ohne Bewegung seit zwölf Monaten, usw. Anhand dieser Einteilung kann sodann entschieden werden, ab welcher Grenze Artikel als Lagerhüter definiert werden. Demnach müssen Maßnahmen getroffen werden, diese zu beseitigen (vgl. Hartmann 1999, S. 62). Bestellrhythmusverfahren Das Bestellrhythmusverfahren kann in zwei Kategorien eingeteilt werden. In beiden Kategorien werden in regelmäßigen Abständen die Bestände im Lager aufgefüllt. Der Unterschied zwischen beiden Verfahren liegt in der Art und Weise, wie das Lager aufgefüllt wird. Eine Möglichkeit besteht darin, die Lager ohne Beachtung des Verbrauchs und Grenzen der Kapazitäten nach Ablauf der Zeit mit immer gleich bleibender Menge wieder aufzufüllen. Dies kann zu einer Überlastung des Lagers und zu Problemen bei den Grenzkapazitäten führen. Bestände werden nur bis zum Erreichung dieser Grenze wieder aufgefüllt. So werden von vornherein Überkapazitäten vermieden. Beide Möglichkeiten können bei erhöhter Nachfrage zu Fehlmengen im Bestand führen, da der Bestellzeitpunkt im Fokus steht und nicht der tatsächliche Verbrauch (vgl. Stölzle 2004, S. 90ff.). Bestellpunktverfahren Wird bei diesem Verfahren ein bestimmter, vorher festgelegter, Meldebestand unterschritten so wird bestellt. Auch hier sind zwei Varianten möglich. Der Unterschied zwischen beiden liegt in der Bestellmenge. Beim Ersten wird bei Unterschreitung des Meldebestandes immer die gleiche Menge eingekauft. Dies kann, genau wie beim Bestellrhythmusverfahren, zu einer Überkapazität im Lager führen. Bei der anderen Variante wird das Lager bis zum Höchstbestand wieder aufgefüllt, so dass eine Überkapazität vermieden wird. Der Vorteil des Bestellpunktverfahrens ist, dass es kaum noch Fehlmengen im Unternehmen gibt (vgl. Stölzle 2004, S. 92ff.). Ein Bestandscontrolling hat aber auch die zwischenbetrieblichen Ursachen der Bestände zu kontrollieren und zu beeinflussen. Ein entscheidender Einflussfaktor auf ein unternehmensübergreifendes Bestandsmanagement ist die Dynamik, die in komplexen Versorgungsnetzwerken auftritt. Die Folge hoher Schwankungen sind schwierige Kapazitätsanpassungen, die Verlängerung von Zykluszeiten, zu hohe Bestände, schlechter Service, fehlerhafte Vorhersagen, sowie ein Anstieg der Kosten. Dieses Problem tritt hauptsächlich durch Informationsverzögerungen, zunehmende Komplexität sowie fehlgeleitete Aktivitäten auf; durch Kom-
150
3 Beschaffungscontrolling
munikation nur zur nächsten Lieferkettenstufe kommt es zu fehlender Transparenz im gesamten System. Die Ursachen des sogenannten Bullwhip-Effekts sind vielfältig:
Zeitverzögerung durch nicht abgestimmte Planungszyklen, keine unternehmensübergreifende, frühzeitige Erkennung von Material- und Kapazitätsengpässen, fehlende Rückkopplung von Engpässen (Constraints) in Planungsprozessen, klassische Planungsansätze sind immer noch unternehmensintern orientiert, Medienbrüche und fehlende Integration von Planungssystemen über die Grenzen und fehlende Transparenz über Bedarfe und Angebote über die einzelnen Stufen der Supply Chain. Mögliche Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung des Bullwhip-Effekts wären:
Bereitstellung von Verkaufsdaten via Internet und EDI an alle Partner, abgestimmte Prognosen, Staffelansätze der gemeinsamen Planung, Erhöhung der Bestellfrequenz, Reduzierung der Reaktionszeiten, Zeitfenstersteuerung, kontinuierliche Belieferung durch kleine Mengen in kurzen Intervallen, Transparenz über alle Kapazitäten und Bestände, Kontingentierung gemäß vergangenheitsorientierter Verkaufszahlen, hohe Flexibilität auf allen Seiten, Konsolidierung durch einen lead logistic provider, Koppelung der Software-Applikationen und Postponement.
3.7.12
Kennzahlen
Kennzahlen lassen sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur als quantitative Informationen, die als Verdichtung der komplexen Praxis über zahlenmäßig erfassbare betriebswirtschaftliche Prozesse entscheidungsorientiert Auskunft geben, definieren. Sie dienen dazu, schnell und prägnant über ein ökonomisches Aufgabenfeld zu berichten. Voraussetzung für die Implementierung von Kennzahlen ist, die betrachteten Sachverhalte quantifizieren zu können. Die Aufgabe der Kennzahlen besteht darin, innerbetriebliche und außerbetriebliche Vorgänge transparent zu machen, um die Durchführung von Vergleichen zu erleichtern. Im Rahmen von Benchmarking dienen Kennzahlen zur Effizienzmessung. Sie müssen zur Vermeidung von Trugschlüssen im Kontext technisch-wirtschaftlicher Unterschiede gewürdigt werden. Kennzahlen haben folgende Funktionen: 1. Operationalisierungsfunktion Bildung von Kennzahlen zur Feststellung einer Abweichung von vorgegebenen oder erreichbaren Zielerreichungsgraden.
3.7 Lieferantencontrolling 2. 3. 4. 5.
151
Anregungsfunktion Laufende Erfassung von Kennzahlen zur frühzeitigen Erkennung von Auffälligkeiten und Veränderungen. Vorgabefunktion Ermittlung kritischer Kennzahlenwerte als Zielgröße für unternehmerische Teilbereiche. Steuerungsfunktion Verwendung von Kennzahlen zur Vereinfachung von Steuerungsprozessen. Kontrollfunktion Laufende Erfassung von Kennzahlen zur Erkennung von Soll-/Ist-Abweichungen und deren Ursachen.
Arten von Kennzahlen Kennzahlen können die Form von absoluten Zahlen oder Relationen annehmen. Die Verhältniskennzahlen unterteilt man in drei Untergruppen (siehe Abbildung 47).
Abb. 47:
Kennzahlenarten
Absolute Kennzahlen
Absolute Kennzahlen beschreiben die tatsächliche Ausprägung einer technischen, wirtschaftlichen oder logistischen Größe. Sie werden entweder in der Beschaffungslogistik als Einzelzahlen (z.B. Bestellmenge) direkt oder als Summe (z.B. gesamte Anzahl der Lieferanten), Differenz (z.B. Gewinn), Multiplikation (z.B. Bestellmengenkosten) oder Mittelwert (z.B. durchschnittliche Transportkosten) mehrerer Eingangsgrößen bestimmt. Relative Kennzahlen Relative Kennzahlen werden durch eine Division mindestens zweier absoluter Kennzahlen ermittelt. Sie entstehen durch „in Beziehung setzen“ von Massen, indem eine Masse an der anderen gemessen wird. Im Zähler steht die Beobachtungszahl und im Nenner die Bezugszahl. Verhältniskennzahlen der Beschaffung sind z.B. der Bestellwert pro Auftrag, die Einstandskosten pro Stück oder die Qualitätsquote. Diese Inbeziehungsetzung kann grundsätzlich auf dreifache Weise erfolgen: Gliederungszahlen Gliederungszahlen entstehen durch das „in Beziehung setzen“ von Teilmassen zu den entsprechenden Gesamtmassen. Das heißt, die Massen sind gleichartig, stehen aber in einem Unterordnungsverhältnis zueinander. Weiterhin muss der Zeitpunkt bzw. –raum der Erhe-
152
3 Beschaffungscontrolling
bung identisch sein, denn eine Gliederungszahl beschreibt ein anteiliges Verhältnis, welches in Prozent ausgedrückt wird, z.B. %
100
Beziehungszahlen Bei Beziehungszahlen werden wesensverschiedene absolute Zahlen zueinander in Beziehung gesetzt, die aber in einem inneren Zusammenhang stehen. Zwischen ihnen bestehen logische Beziehungen, welche zueinander in Relation gesetzt werden z.B.
Indexzahlen Die Indexzahlen (Messzahlen) drücken die durchschnittliche zeitliche Veränderung (unterschiedliche Erhebungszeitpunkte bzw. –räume) gleichartiger und gleichrangiger Massen aus. Zum einen kann hier die Entwicklung des Preises für ein bestimmtes Gut an einem bestimmten Ort genannt werden, d.h. der Preis für ein bestimmtes Gut wird zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen uns ins Verhältnis zueinander gesetzt. Zum anderen werden die Preise für ein bestimmtes Gut an zwei unterschiedlichen Orten zum selben Zeitpunkt miteinander ins Verhältnis gesetzt, z.B.
Für den Empfänger einer Kennzahleninformation in Form einer Relativitätszahl ist es meist von großer Wichtigkeit, die zugrunde liegenden Zahlen zu kennen. Aus einem Vergleich von Relativzahlen lässt sich nämlich ohne Kenntnis der Grundzahlen nicht schließen, ob Änderungen oder Übereinstimmungen auf Veränderungen im Zähler, im Nenner oder in beiden Größen des Bruches zurückzuführen sind. Kennzahlen sollen möglichst als Hilfs- und Veranschaulichungsmittel bei Analysen (als Vergleichsgrundlage, z.B. inner- und zwischenbetriebliche Vergleiche), Planung (als Zielvorgabe), Steuerung (als Steuerungsindikator) und Kontrolle (SollkennzahlenIstkennzahlen-Vergleich) dienen. Wie auch im Gesamtsystem der Unternehmen dienen die Kennzahlen insbesondere mit ihren Querfunktionen und Zuordnungen der exakten Verfolgung der Vorgänge, ihrer Beurteilung nach Rentabilität, sowie der optimalen Zuordnung von Teilvorgängen im Gesamtsystem mit den anderen Bereichen und Funktionen. Des Weiteren stellen sie auch die Grundlage für Prognosen dar und können als Indikatoren in einem Frühwarnsystem verwendet werden. Veranschaulicht werden die Hauptaufgaben in Abbildung 48, wobei ersichtlich ist, dass Kennzahlen zukunfts-, gegenwarts- und vergangenheitsorientierte Informationen vermitteln.
3.7 Lieferantencontrolling
Abb. 48:
153
Aufgaben von Kennzahlen
Durch die Transformation prägnanter Zielvorstellungen dienen Kennzahlen und Kennzahlensysteme zum einen der Übermittlung spezifischer Aufgabenstellungen und ihrer Ausführungsanweisung und zum anderen der unternehmensweiten Koordination des Prozesses über alle Hierarchiestufen. Im Einsatzfeld des Beschaffungscontrolling lassen sich Kennzahlensysteme grundsätzlich zur Unterstützung sowohl der Beschaffungsplanungs- und Kontrollfunktion als auch der Beschaffungsführungs-Informationsversorgung verwenden. Im Rahmen der Planungsfunktion stellen Kennzahlen ein geeignetes Hilfsmittel dar, um nicht nur kurzfristig Bedarf, Beschaffungsmengen und –zeitpunkte vorgeben zu können, sondern sie dienen auch der mittel- und langfristigen Quantifizierung der Einkaufszielsetzung (siehe Abbildung 49) Im Sinne der analytischen (Kontroll-) Funktion dienen Kennzahlen zur Beobachtung von Entwicklungen und als Kontrollinstrumente zur Wirtschaftlichkeitsanalyse und Darstellung von Abweichungen durch den Vergleich von Soll-/Ist-Werten. Über die Darstellung von Abweichungen hinaus lassen sich Kennzahlen dazu verwenden, die Durchführung von Abweichungsanalyse zu unterstützen. Durch eine systematische Aufspaltung und Analyse von Kennzahlen wird ein Suchraster für die Ursachenanalyse bereitgestellt und ermöglicht die Offenlegung von abweichungsrelevanten Komponenten der Problemfelder. Im Rahmen des Beschaffungs-Berichtssystem schließlich finden Kennzahlen als Informationsträger Verwendung.
154
3 Beschaffungscontrolling Kennzahlen der Beschaffung
Quantifizierung von Zielen
Abb. 49:
Beobachtung von Entwicklungen
Wirtschaftlichkeitsanalys e
Leistungsbeurteilung und Erfolgsmessung
Unterstützung von Routingeaufgaben
Funktionen von Kennzahlen in der Beschaffung
Somit haben Kennzahlen im Bereich des Beschaffungscontrolling mehrere Aufgaben. Sie dienen (vgl. Fieten 1986, S. 30):
der Quantifizierung von Zielen als Sollgrößen, der frühzeitigen Erkennung von Abweichungen, Chancen und Risiken durch laufende Soll-Ist-Vergleiche, der systematischen Suche und Feststellung von Abweichungsursachen und Schwachstellen, als wirkungsvolle Hilfestellung bei der Erschließung von Kostensenkungspotenzialen, der Überwachung von Entwicklungen der Beschaffungsmärkte, der klaren Erfolgsmessung bei der Durchführung von Kostensenkungsmaßnahmen, der leistungsorientierten Beurteilung der Einkaufskapazitäten und als kontinuierliche Hilfestellung bei der Erfüllung beschaffungswirtschaftlicher Aufgaben.
3.7.12.1 Einzelkennzahlen in der Beschaffung Kennzahlen müssen exakt definiert werden, bevor sie benutzt werden. Es bedarf genauer Angaben über: Mathematische Definition, Einheiten, Datenquelle, Ziel (Soll-Wert), Ist-Wert, Verantwortlicher bzw. verantwortliche Abteilung für das Berichtswesen, Verantwortlicher bzw. verantwortliche Abteilung für Zielerreichung, Adressatenkreis und Berichtssequenz. Für die Definition und die spätere Dokumentation empfiehlt es sich, Tabellen zu erstellen, in denen alle relevanten Daten aufgeführt werden. In der Beschaffung gibt es eine Vielzahl an möglichen Kennzahlen. Im Folgenden werden die wichtigsten Kennzahlen in der Beschaffung vorgestellt (vgl. Pepels et al. 2005; Czenskowsky/Piontek 2007, S. 214ff.): Lieferbereitschaftsgrad (LBG) Der Lieferbereitschaftsgrad gibt den Prozentsatz sofort bereitgestellten Materialien an. Er bezieht sich in erster Linie auf die Bereitstellung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (RHB) für die Produktion, kann sich aber auch auf die Lieferfähigkeit von auszuliefernden Endprodukten, für Lagerprodukte insgesamt oder andere betrieblich relevante Abgrenzungen beziehen. Weiterhin kann der Lieferbereitschaftsgrad wertmäßig oder nach der Anzahl der Positi-
3.7 Lieferantencontrolling
155
onen ermittelt werden. Für RHB-Positionen berechnet er sich wertmäßig beispielsweise mittels: 100 Nach der Anzahl der Positionen ergibt sich folgende Rechnung: 100 Ein niedriger Wert sollte dazu führen, dass artikelweise die Lagerhaltungspolitiken überprüft werden, da es zu hohen Fehlmengenkosten durch Wartezeiten (Produktionsausfall), Nachund Eilbestellungen, Verzugsstrafen, Kunden- oder Auftragsverlust u.a. führen kann. Lieferbereitschaft kann letztlich natürlich immer durch hohe Sicherheitsbestände (meist teuer) „erkauft“ werden. Hier muss aber bedacht werden, dass eine Steigerung des Lieferbereitschaftsgrades häufig (z.B. bei Annahme einer Normalverteilung als Verteilung der Bedarfswerte) zu überproportionalen Erhöhungen der Sicherheitsbestände führen würde. Lieferflexibilität (LF) ü ü ü Die Lieferflexibilität spiegelt wider, zu welchem Grad der Lieferant auf Sonderwünsche des Unternehmens eingeht. Lieferzuverlässigkeitsgrad (LZG) äß 100 Nach Anzahl der Positionen ergibt sich folgende Berechnung: äß
100
Ein hoher Lieferzuverlässigkeitsgrad wird in erster Linie durch kurzfristige, sichere Disposition erzielt, wenn klare Verantwortungsbereiche mit definierten Schnittstellen und ausgereifte, nicht störanfällige Betriebsabläufe vorliegen. Ein niedriger Wert sollte dazu führen, dass die Lagerhaltungspolitiken der einzelnen Artikel überprüft werden. Hierzu ist es sinnvoll, dass die Gründe für nicht planmäßig bereitgestellte Bedarfspositionen, zumindest differenziert nah „unpünktlich geliefert“ und „vollständig geliefert“, bekannt sind. Beim Lieferzuverlässigkeitsgrad muss allerdings auch gesehen werden, dass ein erreichter Wert von 99%, der von geplanten Lieferfristen von drei Tagen ausgeht, in der Praxis schlechter bewertet werden kann als ein Wert von nur 95%, wenn diesem eine geplante Lieferzeit von zwei Tagen zugrunde gelegt wurde. Wenn also gemessen werden soll, inwieweit planmäßig gehandelt wurde, d.h. ein Plan eingehalten wurde, so muss dieser zugrunde liegende Plan berücksichtigt werden. Reklamationsquote (Beschwerdequote RQ) Reklamationen sind Forderungen von Abnehmern auf Wiedergutmachung (Preisminderung, Umtausch, Reparatur, Rückgängigmachung) gegenüber einem Lieferanten, die rechtlich abgesichert und im Zweifel gerichtlich durchsetzbar sind. Reklamationen bedeuten
156
3 Beschaffungscontrolling
Wiedergutmachungskosten, die unmittelbar zu Lasten des Gewinns gehen und deshalb durch Qualitätsmanagement unbedingt zu vermeiden gesucht werden (Reklamationsquote nach oder gleich 0%). 100 Beschwerden sind im Unterschied dazu Forderungen von Abnehmern auf Wiedergutmachung, ohne dass diese rechtlich abgesichert sind. Der Lieferant kann darauf aus Kulanzgründen eingehen. Standardisierungsquote 100 Durch die Kennzahl lassen sich der Vereinheitlichungsgrad und der Komplexitätsabbau der Beschaffung erkennen. Bestellquote C-Teile
Diese Kennzahl gibt Auskunft über den wertmäßigen Anteil einer Bestellung an dem Gesamtwert der Beschaffungen. C-Teile lassen sich sehr gut zusammenfassen oder über ein elektronisches Sourcing beziehen. Bestellquote Eilbestellungen (BEB)
Zur Berechnung der Bestellquote für Eilbestellungen wird die Anzahl der Eilbestellungen ins Verhältnis zur Anzahl der Bestellungen insgesamt gestellt. Anstelle der Eilbestellungen können auch Kriterien wie Groß- und Kleinteile oder A-, B- und C-Teile-Bestellungen herangezogen werden. Lieferantenanteil am Einkaufsvolumen . 100 Anhand des Anteils des jeweiligen Lieferanten am gesamten Einkaufsvolumen lässt sich ablesen, wie wichtig dieser für die eigene Unternehmung ist bzw. wie abhängig die Unternehmung von diesem ist. Lieferantenzahl
Die Anzahl der Lieferanten wird durch einfaches Bilden der Summer der Lieferanten bestimmt. Je nach Betrachtungsweise können hier entweder alle Lieferanten oder nur A-, Boder C-Lieferanten bestimmt werden. Die Anzahl der Lieferanten ist eine wichtige Größe, die in der Beschaffung beachtet werden muss. Je mehr Lieferanten ein Kunde hat, desto aufwendiger ist die Auftragsabwicklung. Durch unterschiedliche Lieferanten kommt es zu mehr Transporten, möglicherweise dadurch zu höheren Kosten, zu mehr buchhalterischen Aktivitäten und zu einem höheren Zeitaufwand. Auch ist eine geringere Anzahl von Liefe-
3.7 Lieferantencontrolling
157
ranten sinnvoll für eine Intensivierung der Lieferanten-Kunden-Beziehungen. Man weiß, an wen man sich bei bestimmten Rückfragen oder Reklamationen zu wenden hat. Allerdings ist darauf zu achten, dass nicht krampfhaft versucht wird, die Anzahl der Lieferanten zu verringern, sondern dass vielmehr Lieferantenaudits und –bewertungen durchgeführt werden, anhand derer relevante Entscheidungen getroffen werden. Termintreue (TT) Die Termintreue spiegelt wider, welcher Prozentsatz der bestätigten Positionen auch wirklich termingerecht geliefert werden konnte und ergibt sich somit durch: 100 ä Hierbei bedeutet Termintreue, dass bei einer bestätigten Position der vom Auftraggeber (d.h. dem Kunden oder dem innerbetrieblichen Anforderer) gewünschte Solltermin zugesichert worden ist. Da in dem obigen Verhältnis in keiner Weise die Länger der Terminüberschreitung gemessen wird, sollten auch die Verteilung der Terminüberschreitung oder zumindest wichtige Parameter dieser Verteilung (z.B. maximale und durchschnittliche Terminüberschreitung) erfasst werden. Gelegentlich wird für die Termintreue nicht das Verhältnis der Positionen herangezogen, sondern das von Wert- oder Stückgrößen. Dies kann im Einzelfall sinnvoll sein, sollte aber die Ausnahme bleiben. Die Termintreue kann nicht nur betriebsintern für Bedarfsforderungen an die eigenen Lager erhoben werden, sondern sollte auch für alle Lieferanten gemessen werden. Transportkosten je Sendung
Die Transportkosten spielen eine große Rolle bei der Beschaffung. Sie können als Gesamttransportkosten oder aber differenzierter betrachtet werden. Je nach Bedarf können die Kosten je Sendung, je Teilegruppe, je Lieferant usw. bestimmt werden. Beispiel: Global-Sourcing-Anteil (GSA) ü ü Die Bestimmung des Global-Sourcing-Anteils kann von Bedeutung sein, wenn viele Güter auf internationalen Märkten beschafft werden. Dieser Anteil könnte verfeinert werden, indem der Anteil der jeweiligen Märkte bestimmt wird. Rahmenvertragsquote (RVQ) ä 100 ä Die Rahmenvertragsquote ergibt sich aus der Division des Beschaffungsvolumens der Rahmenverträge durch das Beschaffungsvolumen aller Verträge. Anstelle des Volumens könnten auch die Anzahl der Verträge, die Kosten der Verträge oder die Umsätze, die aus diesen Verträgen hervorgehen, gewählt werden.
158
3 Beschaffungscontrolling
Mit Hilfe von kennzahlenorientierten Frühwarnsystemen wird versucht, Abweichungen zwischen Plan- und Ist-Größen zu erfassen und als Steuerungsinformation zu nutzen. Das Ziel der kennzahlenorientierten Frühwarnung bildet das frühzeitige Erkennen von Umweltveränderungen, die ein Unternehmen unmittelbar oder künftig betreffen oder betreffen könnten. Als Frühwarninformationen mit einem internen Fokus sind sie dann zielführend, wenn sie entweder: die Beobachtung der Ist-Werte über einen längeren Zeitraum erlauben, einen Vergleich mit anderen Kennzahlen innerhalb des Unternehmens zulassen oder einen Vergleich der Unternehmen untereinander ermöglichen (Benchmarking). Eine deutliche Abweichung von den Soll-Vorgaben wird als klares Frühwarnsignal verstanden und muss eine vertiefte Ursachenanalyse nach sich ziehen, um die Wirkungszusammenhänge verstehen zu können. Die Schwierigkeit dieses Ansatzes liegt in der Definition von Soll- und Toleranzwerten, was die Analyse signifikant erschwert. Aber auch die Auswahl der Beobachtungsfelder und Indikatoren gestaltet sich schwierig. Dabei wird bei entsprechender Indikatorauswahl prinzipiell auch eine Erfassung qualitativer Faktoren möglich. Die Vorgehensweise sollte dabei wie in Abbildung 50 erfolgen: Hauptaufgaben
Beschreibung
Beobachtungsfelder
Definition und Abgrenzung von Beobachtungsfeldern
Indikatoren
Identifikation von Indikatoren mit guten Frühwarneigenschaften, d.h. die eine hohe Prognosesicherheit haben
Soll-/Ist-Wert
Ermittlung von Soll-Werten und Tolerantabweichungen für die Indikatoren
Ausprägung der Indikatoren
Erhebung der Indikatoren-Ausprägung
Auswertung / Verarbeitung
Soll-Ist-Vergleiche der Ergebnisse und Kausalanalyse
Abb. 50:
Hauptaufgaben bei der Konzeption eines Früherkennungssystems
3.7 Lieferantencontrolling
159
3.7.12.2 Frühwarnindikatoren zur Beschaffungsmarktumfeldanalyse Mit zunehmender Komplexität und Dynamik der strategischen Beschaffungsprobleme kann der Informationsbedarf selten abgeschätzt werden, da die Anzahl der möglichen zukünftigen Probleme nahezu unbegrenzt wird. Objektive Aussagen über den optimalen Informationsbedarf können daher nicht getroffen werden (vgl. Heß 2008, S. 139ff.). Für eine lückenlose Beobachtung der relevanten Umwelt wäre die Methode der Totalerhebung am sinnvollsten, aber kaum praktizierbar. Die Folge wäre nur ein „informationunderload“ im „information-overload“. Von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit eines Früherkennungssystems ist die Wahl der richtigen Frühwarnindikatoren. Frühwarnindikatoren zeigen vorauseilend potenzielle Veränderungen und Entwicklungen an, welche für mögliche Gefährdungen in der Versorgung und für die Maßnahmen zur Kostenreduktion von Bedeutung sein können. Dabei haben die Frühwarnindikatoren zwei Hauptaufgaben zu erfüllen: Frühwarnindikatoren sollen die potenziellen Veränderungen mit einem bestimmten zeitlichen Vorlauf anzeigen. Frühwarnindikatoren sollen eine Abschätzung der wahrscheinlichen Auswirkungen ermöglichen. Die Indikatorenauswahl muss sich an den sachlogischen Beziehungen zwischen der Entwicklung einer Variablen und dem Entwicklungsverlauf einer oder mehrerer anderer Variablen (Frühwarnindikatoren oder vorauseilende Indikatoren) orientieren. Wenn z.B. zwischen der Kapazitätsauslastung und der Termintreue eines Lieferanten ein Zusammenhang vermutet wird, bietet es sich an zu überprüfen, ob zeitstabile, quantitative Zusammenhänge zwischen diesen Variablen bestehen. Frühwarnindikatoren zu den generell externen Beobachtungsbereichen des Beschaffungsmarketings lassen sich aus der Leistungsverflechtung der Unternehmung mit der Volks- und Weltwirtschaft ableiten. In diesem Bereich ist für die Früherkennung primär die Vorleistungsverflechtung von Interesse. Weiterhin ist es ratsam, die Indikatoren nach strukturellen, konjunkturellen, soziopolitischen und technologischen Gesichtspunkten zu ordnen. Entsprechen dieser Vierteilung lassen sich folgende Frühwarnindikatoren bilden (vgl. Hopfenbeck 1989, S. 534; Geiß 1986, S. 323). 1. Konjunkturelle Frühwarnindikatoren nach Ländern/Regionen/Branchen/Produkten Industrieumsatz, Außenhandelsvolumen, Exportquote, Importquote, Investitionsquote
• geplante Investitionen, • angelaufene Investitionen, Kapazitätsauslastung • Auftragseingänge, • Auftragsbestände, • Lagerbestandsquote, Produktionshöhe, Arbeitslosenquote, Geschäftsklimaindex (IFO-Indikator),
160
2.
3.
3 Beschaffungscontrolling Lohn- und Gehaltsentwicklung, Preisindex, Inflationsindex, Zinsindex, Diskontsatzentwicklungen, Wachstumsindikatoren, Bruttosozialprodukt und Zahlungsbilanzindikatoren. Strukturelle Frühwarnindikatoren nach Ländern/Regionen/Branchen/Produkte Bevölkerungsdichte bzw. –wachstumsrate, Gründungs- bzw. Konkursquote, Subventionsrate, Veränderungsrate der Arbeitsproduktivität, durchschnittliche Arbeitszeit und Arbeitsvolumen.
Soziopolitische Frühwarnindikatoren nach Ländern/Regionen/Branchen/Produkten politischer Risiko-Index, Lebensqualität (IFO-Indikator), Wahlergebnisse, Kursstabilitätsindikatoren, Streiktage, Enteignungsvolumen, Lieferboykottvolumen, Dumpingquote, Währungsstabilitätsrate und Zollquote. 4. Technologische Kennzahlen nach Ländern/Regionen/Branchen/Produkten Qualitätssteigerungsquote, Innovationsrate, geologische Reichweite von Rohstoffen, Verfahrensänderungsanzahl und Ausschussquote. Bei den aufgeführten Signalen handelt es sich zunächst um schwache Signale. Im Verlauf der Entwicklungen werden aus diesen schwachen Signalen oft starke Signale. Die Frühwarnindikatoren zu den generell externen Beobachtungsbereichen entstammen dabei der Aufgabenumwelt des Beschaffungsmarketing, d.h. der Makroumwelt des Marktsystems. Die Konjunkturindikatoren sollen dabei unter Marktgesichtspunkten die konjunkturellen Schwankungen, die länder-, branchen- und produktspezifisch zu differenzieren sind, ermitteln, Die konjunkturellen Schwankungen drücken insbesondere die Marktmachtverhältnisse aus. So ist z.B. während der Hochkonjunkturphase der Beschaffungsmarkt in der Regel ein Verkäufermarkt, d.h. die Marktmacht liegt beim Anbieter, da die Nachfrage das Angebot übersteigt. Im umgekehrten Fall, während der Rezession, liegt die Marktmacht in der Regel beim Abnehmer, d.h. es handelt sich um einen Käufermarkt, der durch verkürzte Lieferfristen, hohen Lieferservice, zunehmende Liefertreue usw. gekennzeichnet ist.
3.7 Lieferantencontrolling
161
Zur Beurteilung der branchen- und produktspezifischen Marktkonjunktur sind eine Reihe von Konjunkturindikatoren notwendig, um die jeweiligen Konjunkturen richtig zu beurteilen. Daher sind multikausale Theorien und deren Konjunkturindikatoren als führende Ursachen zum Aufbau von Frühwarnsystemen heranzuziehen. Die Konjunkturindikatoren haben die Aufgabe, Signale über mögliche Konjunkturentwicklungen und –beurteilungen zu liefern. Zu den relevanten Branchenkonjunkturen zählen dabei nicht nur die Lieferbranchenkonjunktur, sondern auch die Vormarktkonjunktur sowie die Konjunkturen der wesentlichen Abnehmerbranchen. Neben diesen konjunkturellen und strukturellen Frühwarnindikatoren dienen die soziopolitischen und technologischen Kennzahlen einer, wenn auch mehrstufigen, Kausalanalyse. Die soziopolitischen Indikatoren kennzeichnen dabei Entwicklungen, die in der Regel nicht im Einflussbereich wirtschaftlicher Maßnahmen liegen. Der politische Risikoindex (zeigt die Wahrscheinlichkeit von Umstürzen, radikalen Kursänderungen und Kriegen während der nächsten 5–10 Jahre an, wobei derlei politische Änderungen oft zu Preissteigerungen, Lieferverkürzungen bzw. Lieferexpansionen, Verstaatlichungen von Lieferbranchen, staatlich geförderter Bevorratung etc. führen. Das Enteignungsvolumen (z.B.), das das wertmäßige Besitzänderungsvolumen zeigt, hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Angebotsstrukturen eines Landes bzw. einer Branche (vgl. Berg 1981, S. 91; Blom 1982, S. 154). Die technologischen Frühwarnindikatoren zeigen die Fähigkeit eines Landes bzw. einer Branche, den wachsenden Anforderungen der Abnehmer gerecht zu werden. Der Innovationsgrad zeigt dabei, wie sich ein Land bzw. eine Branche dem technologischen Wandel anpasst. Die kurze beispielhafte Analyse dieser Zusammenhänge zeigt, welche Interpretationsmöglichkeiten die Kenntnis der Frühwarnindikatoren zu den generell externen Beobachtungsbereichen bieten. Der Anwender hat allerdings zu verdeutlichen, auf welcher Systemstufe – Land/Branche/Produktgruppe – er sich befindet, um die Indikatoren richtig zu interpretieren. Der primäre Nutzen bei der Speicherung solcher Daten für die Früherkennung liegt darin, dass starke Frühwarnsignale, die zunächst in Ermangelung der Erkenntnisse als schwach betrachtet werden, erkennbar werden. Die zunächst schwachen Signale, die sich in jedem Ereignis verstärken, sorgen dafür, dass die Entwicklungen und die Zusammenhänge zeitlich eher erkennbar sind. Die Speicherung und Auswertung von generellen externen Daten sollte sich dabei nicht nur auf Ereignisse konzentrieren, deren Folgen absehbar sind, sondern auch auf Signale, die umso eher als Überraschung empfunden werden, auch wenn der Beschaffer sich zunächst von diesen Ereignissen nicht betroffen fühlt.
162
3 Beschaffungscontrolling
3.7.12.3 Frühwarnindikatoren zur engen Beschaffungsmarktanalyse Indikatoren zur engen Beschaffungsmarktanalyse sind Kennzahlen, die dem Unternehmen Aufschluss über die zukünftige Erfolgsträchtigkeit des jeweils relevanten Beschaffungsmarktes geben sollen. Zunächst einmal sind produktspezifische Daten bezüglich der Marktstruktur zu ermitteln. Bei näherer Betrachtung der Marktstruktur wird erkennbar, dass auf den Märkten grundsätzlich verschiedene Arten von Veränderungen und Bewegungen festzustellen und zu unterscheiden sind. Blom unterscheidet bei der Marktstrukturanalyse zwischen absoluten Merkmalen, z.B. Betriebsformen, und relationalen Merkmalen, z.B. Konkurrenzbeziehungen. Im Gegensatz zu den relationalen Indikatoren haben die absoluten Merkmale Aussage und Frühwarncharakter auch ohne Vergleich zu anderen Größen. Hier sind vor allem der Distributionsgrad, die Zahl der eingeschalteten Absatzstufen und die Betriebsformen des Handels zu nennen. Der Distributionsgrad kennzeichnet den Prozentsatz an Händlern, die in einem Marktsegment einen bestimmten Artikel im Sortiment haben. Die Zahl der eingeschalteten Absatzstufen in einem Markt zeigt die alternativen Beschaffungs- und Absatzwege und verdeutlicht die Leistungsfähigkeit, Abhängigkeiten und Machtverhältnisse in einem Markt. Die Betriebsformen des Handels mit ihren Merkmalen bezüglich Betriebsgröße, Organisationsmitglieder, Preisstellung, Sortimentsanzahl etc. kennzeichnen die Stärke und die Leistungsfähigkeit des Handels (vgl. Blom 1982, S. 107; Heß 2008, S. 146). Von Bedeutung sind ferner quantitative Daten, die die Konkurrenz-, Kooperations-, Rollenund Machtbeziehungen sowie die Kommunikationsstruktur des Marktes verdeutlichen. Die Konkurrenzsituation ist ein Indiz für die potenzielle Marktmacht der Marktteilnehmer und bildet die Ausgangsbasis für die Entwicklung der Beschaffungsstrategien. Kooperation bedeutet eine bewusste Verhaltensbeschränkung zum Nutzen der Kooperationsteilnehmer und stellt aus wettbewerbspolitischen Gründen eine Gefahr dar. Die Kommunikationsstruktur lässt sich durch die Anzahl der Kommunikationskontakte messen und spiegelt somit die Marktverflechtungen und –beziehungen wider. Schließlich wird die Marktstruktur durch die Machtbeziehungen ersichtlich. Die überwiegende Angebots- und Nachfragemacht bestimmt letztlich, ob der Anbieter oder Abnehmer seine Forderungen durchsetzen kann. In Abbildung 51 sind die absoluten und relationalen Indikatoren aufgelistet.
3.7 Lieferantencontrolling
163 Marktstrukturindikatoren
absolute Merkmale
realtionale Merkmale
a) Distributionsgrad
a) Konkurrenzsituation
b) Zahl der eingeschalteten Absatzstufen
a1 ) Anzahl aktueller und potenzieller Nachfrager
c) Merkmale der Handelsbetriebsformen
a2 ) Anzahl aktueller und potenzieller Anbieter
c1 ) Betriebsgröße
a3 ) Marktanteil der einzelnen Anbieter
c2 ) Preisentwicklungen
a4 ) Anzahl der Substitutionsgüter
c3 ) Organisationsmitgliederzahl
a5 ) Anzahl und Art der Markteingangsbeschränkungen
c4 ) Sortimentsanzahl
a6 ) Zahl und Art der Marktzugangsbeschränkungne
c5 ) Bilanzsummen
a7 ) Produktdifferenzierungsrate
c6 ) Zahl der Standorte
a8 ) Zahl und Intensität der Konkurrenzbeziehungen
b) Kooperationsbeziehungen
c) Kommunikationsstruktur
b 1 ) Zahl und Art der horizontalen Kooperationen
c1 ) Zahl und Art der Kommikationskontakte der Hersteller
b 2 ) Zahl und Art der vertikalen Kooperationen
c2 ) Zahl und Art der Kommunikationskontakte der Absatzmittler c3 ) Zahl und Art der Kommunikationskontakte der Beeinflusser c4 ) Zahl und Art der Kommunikationskontakte der Serviceanbieter c5 ) Zahl und Art der Kommunikationskontakte der Beschaffungskonkurrenz
d) Angebotselastizität
e) Nachfragemacht e1 ) Bedarfsanteil
f) Angebotsmacht des Lieferanten
e2 ) jährliche Bedarfserhöhung
f1 ) Anteil am Gesamtmarkt
e3 ) Kostenüberwälzungsvolumen
f2 ) Kapazitätsauslastung
e4 ) Ertragskraft der Hauptfolgeprodukte
f3 ) Gewinnschwelle des Lieferanten
e5 ) Umstellungskosten
f4 ) potenzielle und tatsächliche Konkurrenzanzahl des Lieferanten
e6 ) Anzahl der Lieferanten
f5 ) Substitutionsgrad
e7 ) Volumen der eigengefertigten Beschaffungsobjekte
f6 ) Konjunkturindikatoren f7 ) jährliches Marktwachstum
Abb. 51:
Absolute und relationale Indikatoren
Die verschiedenen Marktformen lassen sich auf den Beschaffungsmarkt transferieren. Die vertikale Marktstruktur stellt das Verhältnis zur „Marktgegenseite“ in den Vordergrund. Die Marktseitenverhältnisse betrachten die Anzahl und den Marktanteil der Marktpartner. Wenn die Zahl der Anbieter im Verhältnis zu den Nachfragern klein und damit der einzelne Marktanteil relativ groß ist, dann kontrolliert der Anbieter die Reaktionen der Nachfrager nur in ihrer Gesamtheit. Die Reaktion von einzelnen Nachfragern übt kaum einen Einfluss auf
164
3 Beschaffungscontrolling
den Anbieter aus. Der umgekehrte Fall hat zur Folge, dass der Nachfrager bei Verhandlungen mit den Anbietern eine Machtposition besitzt. 3.7.12.4 Lieferantenbezogene Frühwarnindikatoren Indikatoren zur allgemeinen Situation des Lieferanten sind von besonderer Bedeutung. Mit Hilfe der bilanzanalytischen Frühwarnindikatoren lassen sich Erkenntnisse über die Gewinnsituation und die finanzielle Lage eines Lieferanten ableiten. Die Indikatoren lassen sich dabei aus den Ergebnisveröffentlichungen der Lieferanten gewinnen. Die hierbei ermittelten Informationen dienen dabei insbesondere zur Beurteilung der Überlebensfähigkeit bzw. Abhängigkeit der Lieferanten und deren Spielraum für Preisverhandlungen. Der Liquiditätsgrad der Lieferanten (z.B.) drückt das Verhältnis von Zahlungsverpflichtungen zu vorhandenen flüssigen Mitteln aus. Er zeigt somit, inwieweit der Lieferant seine Verbindlichkeiten decken kann. Ist der Liquiditätsgrad des Lieferanten zu niedrig, ist dies ein Signal für einen eventuellen Lieferantenkonkurs und damit für eine hohe Versorgungsunsicherheit des Abnehmers. Besondere Bedeutung kommt den Investitionsquoten zu, da sie einen Gradmesser für das zukünftige Angebotsvolumen des Lieferanten darstellen. Der Beschäftigungs- bzw. Kapazitätsauslastungsgrad des Lieferanten spiegelt in erster Linie seine wirtschaftliche Situation und damit seine Überlebenschance wider. Aber auch seine Möglichkeit, bei Bedarf des Abnehmers noch Zusatzaufträge zu fertigen und auszuliefern. Die Produktivitätskennzahlen drücken insbesondere die Leistungsfähigkeiten des Lieferanten aus und damit seine Fähigkeiten vollständig und termingerecht zu liefern. Zusätzlich dokumentiert sich durch die Produktivitätskennzahlen auch der technische Stand seiner Fertigungsverfahren. Die Kennzahlen zum Kundenindex zeigen die Umsatz- und Ausweichmöglichkeiten des Lieferanten, seine Überlebenschancen, seine Risikostreuung und seine Möglichkeiten in Preisverhandlungen. Lieferanten mit einem großen Kundenindex garantieren zwar eine hohe Versorgungssicherheit, haben aber aufgrund ihrer großen Unabhängigkeit vom einzelnen Abnehmer mehr Marktmacht, was sich insbesondere in Preisverhandlungen negativ auswirken könnte. Die Sortimentsstruktur mir ihren Kennzahlen zur Produktionsinnovation, -variation, eliminierung, -diversifikation des Lieferanten verweist in der Regel auf das beabsichtigte Leistungspotenzial des Lieferanten. Es ergeben sich hierdurch Hinweise auf die Fähigkeit und den Willen der Unternehmen mit den Abnehmern auch auf technischer, ökonomischer und organisatorischer Basis zu kooperieren. Die Bereitwilligkeit den Anforderungen der zukünftigen Marktnachfrage zu entsprechen, dokumentiert sich besonders in den Kennzahlen zu den Forschungs- und Entwicklungskapazitäten der Lieferanten. Die Produktlebenszyklusquote gibt dabei Auskunft über die Situation der Produkte des Lieferanten und den Zeitpunkt der möglichen Eliminierung. Das Serviceniveau endlich drückt den Lieferbereitschaftsgrad und damit die Fähigkeiten des Lieferanten zur termingerechten, einwandfreien und vollständigen Lieferung aus. Indikatoren zum Lieferantenserviceniveau Einen unmittelbaren und daher extrem starken Einfluss auf dieses Ziel haben die Indikatoren des Serviceniveaus der Lieferanten. Negative Entwicklungen dieser Indikatoren bzw. Kennzahlen sollten für den Einkauf ein Indiz höchster Warnung sein, da sie direkt und unmittelbar die Versorgungssicherheit gefährden. Demnach bedürfen diese Indikatoren einer genauen Beobachtung und sind durch detaillierte Analysen zu kontrollieren. Informationen über den Servicegrad des Lieferanten sind für eine Früherkennung von enormer Wichtigkeit, da der Servicegrad des Lieferanten und die Versorgungssicherheit des Ab-
3.7 Lieferantencontrolling
165
nehmers in der Regel positiv miteinander korreliert sind. In welchem Umfang die Lieferanten einem Servicegrad gerecht werden, misst die folgende Kennzahl:
Letztendlich wird der Beschaffer nur dann in seinem Bedarfsvolumen befriedigt sein, wenn der Lieferant die Produkte termingerecht, vollständig und einwandfrei liefert. Demnach ist eine Aufspaltung der oberen Kennzahl notwendig. So kann man die termingerecht und vollständig ausgelieferte Auftragszah zur „gesamten Auftragszahl in Beziehung setzen, um eine auftragsbezogene Lieferbereitschaft zu ermitteln. Werden diese Kennzahlen noch um die Größe termingerecht und einwandfrei geliefertes Bedarfsvolumen sowie einwandfrei und vollständig ergänzt und für ihre Beurteilung aus Abnehmersicht modifiziert, ergeben sich folgende Kennzahlen:
ä BV = Beschaffungsvolumen T = Zeitperiode Durch die Konkretisierung des befriedigten Bedarfsvolumens werden die Hauptkomponenten des Servicegrades des Lieferanten zum Zwecke einer ursachengerechten Analyse ins Verhältnis zu den gesamten Bedarfsvolumina des Abnehmers gesetzt. Kontrolle der Lieferzuverlässigkeit Nach der zeitlichen und produktspezifischen Differenzierung der einzelnen Kennzahlen müssen sie zum Zwecke einer ursachengerechten Analyse und damit zur Frühwarnung weiter untergliedert werden. Die qualitative Lieferzuverlässigkeit des Lieferanten ergibt auch aus der oben angeführten Kennzahl: , ,
P = Produktgruppendifferenzierung Sie gibt das Verhältnis der einwandfreien und termingerecht gelieferten Bedarfsvolumina zu dem gesamten angeforderten Bedarfsvolumen wieder und spiegelt demnach neben der Termintreue auch die Qualitätstreue der Lieferanten wider. Negative Abweichungen vom Sollwert dieser Kennzahl führen zu erhöhten Beschaffungskosten durch Alternativbeschaffungen und zu Produktionsausfällen. Sie gelten demnach als Signal für unzureichende Lieferantenleistungen. Kennzahlen zur Rückstandsmenge Der nicht ständig verfügbare Lagerbestand des Beschaffungsvolumens führt leicht zu einer Rückstandsmenge des Lieferanten. Die Rückstandsquote drückt aus, welchen Teil des BV einer Periode aus den vorhandenen Lagerbeständen der Lieferant nicht termingerecht ausliefern kann: ü , , , ,
166
3 Beschaffungscontrolling
L= Lagerdifferenzierung und verkörpert jene Mengeneinheiten des BV, die der Beschaffer nicht termingerecht erhält. Je höher die bisherige bzw. die erwartete Rückstandsquote ist bzw. sein wird, desto größer ist das Risiko, den Lieferanten auch in Zukunft mit der Belieferung zu beauftragen. Falls die Rückstandsquote eine Toleranzquote überschreitet, sollte der Lieferant in Zukunft nicht mehr beauftragt werden. Um den Grad der Gefährlichkeit der Rückstandsquote zu bestimmen, sind dessen Wirkungen zu analysieren. Durch die Kennzahl ü , , , ,
wird das Verhältnis der Rückstandsmenge zu dem sich daraus ergebenden Produktionsausfallvolumen des Beschaffers gekennzeichnet. Hierdurch ergibt sich ein konkreter Maßstab für die potenziellen Produktionsausfälle, die pro Bedarfsvolumen durch die nicht termingenauen Lieferungen entstehen. Je kleiner diese Kennzahl wird, desto größer ist die Schadensverursachung des Lieferanten beim Abnehmer durch seine verspäteten Lieferungen. Anhand dieser entwickelten Kennzahlen und der daraus resultierenden zeit-, produkt- und lagerbezogenen Ermittlung des Lieferbereitschaftsgrades kann nun sehr gezielt ermittelt werden, wo Korrekturmaßnahmen in der Lieferantenauswahl bzw. –steuerung notwendig sind, um die Versorgungssicherheit des Unternehmens zu gewährleisten. Hinsichtlich der Transportzeit ist eine Untergliederung zunächst nach der Anzahl der Lieferantentransportmittel sinnvoll, denn schon allein die Erhöhung der eingesetzten Transportmittel kann die Transportzeit entscheidend verkürzen. Die Kennzahl , ,
zeigt, inwieweit der Lieferant vorsieht, ein Bedarfsvolumen durch eine gewisse Anzahl von Transportmitteln anzuliefern. Im Sinne eines hohen termingerechten Versorgungsoptimums sollte die Kennzahl entsprechend gering ausfallen, d.h., dass der Lieferant genügend Transportmittel zur Auslieferung bereitstellt bzw. bereitstellen kann, damit insbesondere der Ausfall bzw. die Verspätung eines bestimmten Transportmitteln nicht so stark ins Gewicht fällt. Auf jeden Fall stellen für den Abnehmer jene Lieferanten eine Gefahr dar, die aufgrund geringer Transportkosten das BV nur mit einer kleinen Anzahl von Transportmitteln anliefern können. Im Sinne einer möglichst kurzen Transportzeit ist der Lieferant vorzuziehen, der eine große Anzahl von Transportmitteln mit einer entsprechen kleinen Kapazität einsetzt. Als weiterer Frühwarnindikator für das Serviceniveau des Lieferanten gilt die Servicezeit. Sie bestimmt den Servicegrad des Lieferanten. Die Servicezeit umfasst die Zeitspanne zwischen einer Auftragserteilung und dem Empfang der Produkte. Sie beinhaltet demnach auch Aktivitäten des Abnehmers (z.B. Auftragsübermittlung) und kann dementsprechend durch ihn beeinflusst werden. Es sollen jedoch im Sinne einer Frühwarnung zu den externen Beobachtungsbereichen nur die Aktivitäten berücksichtigt werden, die innerhalb der Kontrollspanne des Lieferanten liegen. Ausgangspunkt für die Analyse der Servicezeit des Lieferanten ist die Kennzahl
3.7 Lieferantencontrolling
167 , ,
Welche zeit- und produktgruppenspezifisch differenziert wird. Diese Kennzahl zeigt das Ausmaß der Lieferantentermintreue. Negative Veränderungen dieser Kennzahl beeinflussen die Rentabilität (erhöhte Beschaffungskosten) und sorgen für Produktionsausfälle beim Beschaffer. Kontrolle der Lieferzeit Zu näheren Analyse der Servicezeit des Lieferanten muss insbesondere seine Lieferzeit kontrolliert werden. Die Kennzahl , ,
zeigt, wieviel Zeit der Lieferant zur Anlieferung eines bestimmten Bedarfsvolumens benötigt. Die Kennzahl und ihre Hauptkomponenten sind dabei im Zeitablauf zu analysieren. Die Lieferzeit je Bedarfsvolumen kann dabei über einen längeren Zeitraum als gewogener Mittelwert und unter Berücksichtigung zukünftiger Daten als Erwartungswert geschätzt werden. Abweichungen gelten dabei insbesondere für JIT-Anlieferungen als Warnsignal ersten Grades. Zum Zwecke einer Analyse bisheriger bzw. zukünftiger Abweichungen der Soll- und IstWerte ist die durchschnittliche Lieferzeit demnach in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen. Auf diese Weise kann der Beschaffer die Ursachen und die Aufhebbarkeit einer zu hohen Lieferzeit beurteilen. Gewisse Bestandteile einer zu hohen Lieferzeit kann der Einkauf durch die Abnahme bestimmter Leistungen selbst verkürzen. Eine Aufschlüsselung erfolgt durch die Größen: , , , , , ,
Anhand dieser Größen lässt sich messen, wie viel Transport-, Versand- und Auftragsabwicklungszeit für die Auslieferung eines gewissen Bedarfsvolumens benötigt wird und welche Komponente die Hauptursache für eine hohe Lieferzeit darstellt.
3.7.13
Kennzahlensysteme in der Beschaffung
Einzelne Kennzahlen haben nur eine geringe Aussagekraft, da sie die komplexe wirtschaftliche Realität verdichten. Ein Nebeneinander mehrerer Kerngrößen ist sinnvoll, da sich Kennzahlen gegenseitig ergänzen, erklären und insgesamt auf einen einheitlichen Sachverhalt ausrichten können (vgl. Pfohl 2004, S. 200ff.). Die Darstellung betrieblicher Sachverhalte in isoliert nebeneinander stehenden Zahlen lassen jedoch nur beschränkte Aussagen zu. Deshalb ist ein Kennzahlensystem zu entwickeln, dessen Einzelkennzahlen in sachlich sinnvoller Beziehung zueinander stehen, sich gegenseitige ergänzen und als Gesamtheit dem Zweck dienen, den Betrachtungsgegenstand möglichst ausgewogen und vollständig zu erfassen.
168
3 Beschaffungscontrolling
Im Einsatzfeld des Beschaffungscontrolling lassen sich Kennzahlensysteme grundsätzlich zur Unterstützung sowohl der Beschaffungsplanungs- und Kontrollfunktion als auch der Beschaffungsführungs-Informationsversorgung verwenden. Gerade im Beschaffungsbereich lassen sich bei tiefergehenden Analysen zusätzlich zu den erwähnten Kennzahlen eine Vielzahl weiterer Kennzahlen bilden, die jedoch meistens auf der Grundlage der oben genannten Kennzahlen ermittelt werden. Dabei ist zu beachten, dass der Aussagewert von Kennzahlen im Allgemeinen nur dann Gültigkeit hat, wenn die Daten mit ausreichender Zuverlässigkeit ermittelt werden und einheitliche Bewertungsnormen (gleiche Zeitpunkte und gleiche Wertbemessung) verwendet werden. Weiterhin kann die Veränderung einer Kennzahl im Zeitablauf nur dann einer bestimmten Ursache zugeschrieben werden, wenn in dieser Zeitperiode alle übrigens Einflussfaktoren unverändert geblieben sind oder diese eliminiert werden konnten. Kennzahlensysteme bilden somit ein Instrument, welches den Mitarbeitern der Beschaffung sowohl bei ihrer Aufgabenerfüllung als Orientierungsgrößen dient als auch die Diagnose von Schwachstellen und Rationalisierungsreserven unterstützt. Differenzierte Kennzahlensysteme lassen sich zur Überprüfung folgender Beschaffungsziele ermitteln (vgl. Pfisterer 1988, S. 101):
Beschaffungskostenminimierung, Qualitätssicherung, Versorgungssicherheit und Lieferantensteuerung.
3.7.13.1 Kennzahlensystem zur Kostenminimierung Aufgrund des hohen Wertanteils, den die Beschaffungsobjekte sowohl an den Umsatzerlösen als auch an den Vorratsbeständen aufweisen, bildet die Beschaffung eines der größten Kostensenkungspotenziale in einem Unternehmen. Umso erstaunlicher ist es, dass effiziente Kostensenkungsmaßnahmen im Beschaffungsbereich vieler Unternehmen weder systematisch geplant noch kontrolliert werden. Der Einsatz geeigneter Kennzahlen im Beschaffungsbereich dient nicht nur als zukünftige Entscheidungsgrundlage, sondern ermöglicht durch zukunftsbezogene Richt- und Planzahlen mögliche Ausschöpfungen des Beschaffungskostensenkungspotenzials zu planen und zu kontrollieren. Der Begriff Beschaffungsobjekt-Kostensenkungspotenzial-Analyse (BOKSPA) kennzeichnet jene Kostensenkungsmöglichkeiten, die mittels Beschaffungsmarketingmaßnahmen bei der Beschaffung von Sachgütern und Dienstleistungen ausgeschöpft werden können. Das Beschaffungsobjekt-Kostensenkungspotenzial (BOKSP) ergibt sich aus der Analyse der Möglichkeiten zur Beeinflussung einzelner Beschaffungsobjektpositionen und den daraus resultierenden Kosteneinsparungen. Hierbei spielen Fragen der Beschaffungsmarktentwicklung sowie wettbewerbsbedingte Einflüsse eine entscheidende Rolle. Nicht ausgeschöpfte Kostensenkungspotenziale bedeuten letztlich entgangene Ergebnisbeiträge für das Unternehmen und sind demnach den Opportunitätskosten zuzurechnen. Um Kennzahlen für den Grad und die Möglichkeiten der Kostensenkungsmöglichkeiten zu erhalten, bedarf es der Quantifizierung der BOKSP (vgl. Bornemann 1987, S. 47).
3.7 Lieferantencontrolling
169
Die Differenzen der ausgeschöpften und ausschöpfbaren Kostensenkungen sind der Ausgangspunkt einer detaillierten Planung zur Kostensenkung. Die Feststellung des Abweichungsgrades der geplanten und der erreichten Kostensenkung ermöglicht während der Berichtsperiode ein gezieltes und korrigierendes Eingreifen durch die Kostensenkungsinstrumente. Die Kennzahl ,, ,,
bzw. ,, ,,
r = Regionendifferenzierung l = Lieferantendifferenzierung t = Zeitperiode BOKS = Beschaffungsobjektkostensenkung gibt Auskunft über den bisherigen bzw. geplanten Grad der durch das Beschaffungsmanagement gut ausschöpfbaren Beschaffungsobjektsenkungspotenziale (BOKSP). Im Sinne einer differenzierten Betrachtung ist eine Segmentaufgliederung dieser Kosten nach regionalen, zeitlichen und lieferantengruppenspezifischen Gesichtspunkten sinnvoll. Diese Segmentierung wird in den Kennzahlen durch die Indizes r, t und l berücksichtigt. Zur Beurteilung der Entwicklung dieser Größen ist ein zeitlicher Vergleich notwendig. Die Kennzahlen: ,, ,,
,,
und
,,
erlauben eine zeitliche Betrachtung der Einzelgrößen, während durch die Kennzahl: ,, ,,
ein zeitlicher Vergleich der Beschaffungsobjektkostenausschöpfungen möglich wird. Negative Abweichungen der Kennzahl: ,, ,,
mit der Kennzahl: ,, ,,
implizieren Schwächen des Beschaffungsmanagement in der Ausschöpfung von Kostensenkungspotenzialen. Nicht ausgeschöpfte Anteile des Volumens der gut beeinflussbaren BOKS stellen entgangene Ergebnisbeiträge dar; sie gilt es in der neuen Periode auszuschöpfen. Zur Steuerung und Kontrolle sind für die Messungen des Ergebnisbeitrages zur Ausschöpfung der BOKSP folgende einzelne Kennzahlen zu entwickeln: zur Wertanalyse:
170
3 Beschaffungscontrolling ä
ö
,, ,,
zum Lieferantenwechsel: ,, ,,
zur Substitution: ,, ,,
zur Standardisierung: ,, ,,
zur Bedarfsblockung: ä
,, ,,
zur Preisverhandlung: ,, ,,
BO = Beschaffungsobjekt Mit Hilfe dieser Beziehungszahlen lässt sich nun prüfen, wie groß der jeweilige Ergebnisbeitrag der Kostensenkungsmaßnahmen zur Kostensenkung ist. Im zeitlichen Vergleich dieser Kennzahlen kann festgestellt werden, welche Maßnahmen im Zeitablauf die größte Zuwachsrate in der Ausnutzung der BOKSP aufweisen. Die Konkretisierung der Beschaffungsmarktleistung ist jedoch das Verhältnis zwischen den ausgeschöpften BOKSP und den Kosten der angewendeten Maßnahmen von Wichtigkeit: ö ,, ,,
Nimmt diese Kennzahl den Wert kleiner als ein an, so ist die Beschaffungsleistung als unwirtschaftlich und ineffizient zu bezeichnen. Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Kostensenkungsmaßnahmen ist diese Kennzahl je Kostensenkungsaktivität zu berechnen: ö ,, ä ö ,, Durch die Ermittlung dieser Kennzeichenzahlen und deren zeitliche Analyse kann die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Kostensenkungsmaßnahmen im Zeitlauf festgestellt werden. Zwar geben diese Kennzahlen Auskunft über das Kostenverhalten der einzelnen Kostensenkungsmaßnahmen Eine Zielorientierung vermitteln sie jedoch nicht, da sie keine Auskunft darüber erteilen, inwieweit die einzelnen Maßnahmen quantitativ gesteigert werden müssen, um die BOKSP auch restlos auszuschöpfen. Die Kennzahlen: ä
ö
,,
3.7 Lieferantencontrolling
171 ,, ,, ,, ,, ,,
ä
,,
,, ,,
geben Auskunft über die Effizienz der Kostensenkungsmaßnahmen je Einheit. 3.7.13.2 Kennzahlensystem zur Qualitätssicherung Unter Qualitätspolitik ist ein zielorientierter Ausbau der Aktionsparameter Güter oder Materialart zu verstehen. In diesem Sinne ist es Absicht der Qualitätspolitik, die Materialart als flexiblen Faktor zu besorgen. Eine solche Variabilität ist aber nur möglich, wenn die Produktionsgegebenheiten nicht als unveränderliche aufgefasst werden. Daher sind neben den Anforderungen des Betriebes, die durch eine gewisse technische Bandbreite bestimmt sind, die Angebotsalternativen auf dem Beschaffungsmarkt zu berücksichtigen. Demzufolge hat die Qualitätspolitik ihr Instrumentarium auf den Produktions- und Marktmöglichkeiten aufzubauen (vgl. Harlander/Platz 1991, S. 175). Die Qualitätsprüfung beim Materialeingang hat den Zweck, nur solche Materialien einzulagern, welche die geforderte Qualität hinreichend erfüllen. Sie dient der Qualitätssicherung der eingehenden Materialien. Über die Prüfung der in das Erzeugnis eingehenden Materialien wird zugleich das Qualitätsniveau der Erzeugnisse festgelegt. Die Verwendung ungeprüfter Materialien, die sich als qualitativ ungeeignet erweisen, kann zu Schwierigkeiten und damit zu höheren Kosten führen. Die Qualitätsanforderungen, die an ein Material gestellt werden, sind festgelegt durch (vgl. Oeldorf/Olfert 1997):
Gesetze und Verordnungen, DIN-Normen, Verbandsnormen, Gütebestimmungen und Beschaffungsvorschriften.
Für die Qualitätsprüfung sind Prüfvorschriften festzulegen. Sie können von den Lieferanten modifiziert werden. Außerdem ist vorzugeben, ob das genannte Prüfverfahren auch für Materialien neuer Lieferanten gilt und ob besondere Anweisungen gelten, bis die Qualitätstreue des Lieferanten bekannt ist. Wichtig ist auch festzulegen (vgl. Oeldorf/Olfert 1997):
Der Ort der Prüfung, wofür es innerbetrieblich nach dem Grad und dem Umfang der zu prüfenden Eigenschaften bzw. abhängig von den Prüfgeräten und sonstigen Prüfeinrichtungen verschiedene Möglichkeiten gibt, beispielsweise den Materialeingang, das Prüflabor oder die Werkstatt. Daneben können außerbetrieblich staatliche und freie Forschungseinrichtungen und Prüfstellen herangezogen werden. Die Anforderungen an die Prüfung, aus denen sich die Anforderungen an das Testpersonal sowie die Mess-, Prüf- und sonstigen Geräte ergeben. Sie bestimmen auch die Dauer des Prüfvorganges.
172
3 Beschaffungscontrolling
Mittels Kennzahlen lassen sich die Versorgungsqualität, die Bereitstellungsqualität und die Entsorgungsqualität überprüfen. Die Kontrolle der Versorgungsqualität richtet sich auch auf lieferbegleitende Informationen und auf den Service. Hierbei steht die Zuverlässigkeit bei der Erfüllung von Serviceleistungen im Vordergrund, wie beispielsweise Montage, Installation und Probeläufe von Maschinen und Anlagen sowie Folgeaufträge, die das Ersatzteilgeschäft, Kundendienst- und Anpassungsleistungen beinhalten. Weiterhin bezieht sich die Zuverlässigkeit auf informatorische Leistungen, die Personalschulungsmaßnahmen, Vermittlung von Betreiber-Know-how, Stellung von leitendem Betriebspersonal usw. umfassen (vgl. Pfisterer 1988, S. 115). Hinsichtlich der Bereitstellungsqualität sind insbesondere Handlingsschäden zu kontrollieren. Deshalb dürfen Handlingsschäden eine bestimmte Höchstgrenze nicht überschreiten. Bei der Entsorgungsqualität sind die vom Gesetzgeber erlassenen Vorschriften zur exakten Einhaltung des Betriebes zu kontrollieren. Abbildung 52 gibt einen Überblick über die verschiedenen Kennzahlen zur Überprüfung des Qualitätsziels.
Abb. 52:
Kennzahlen zur Qualitätsüberprüfung
(vgl. Pfisterer 1988, S. 120)
3.7.13.3 Kennzahlensystem zur Versorgungssicherheit Die Analyse der Versorgungssicherheit erfordert eine umfassende Analyse des Beschaffungsmarktangebots, wie das Beschaffungscontrolling in Zusammenarbeit mit der Beschaffungsmarktforschung durchzuführen ist. Um beurteilen zu können, ob in absehbarer Zeit die Sicherheit in der Versorgung des Unternehmens gewährleistet ist, bietet es sich an, Kennzahlen zur Beurteilung dieser Frage zu entwickeln. Nach der Schätzung des Versorgungspotenzials muss der Abnehmer planen, welchen Anteil des Versorgungspotenzials er angesichts seiner finanziellen, kapazitäts- und bedarfsgerechten Situation maximal erreichen will und kann. Die Kennzahl BM-Durchdringungsfaktor misst dieses Verhältnis zwischen dem realisierten Beschaffungsvolumen des Abnehmers und dem Versorgungspotenzials des entsprechenden Beschaffungsmarktes: BM-Durchdringungsfaktor:
Die Form einer Zielsetzung kann diese Kennzahl annehmen, indem der Nenner Sollwerte aufweist. Nun kann es aber keineswegs sinnvoll sein, dass BM-Versorgungspotenzial pro Beschaffungsobjekt u.a. aus Kostengründen vollkommen auszuschöpfen. Vielmehr soll das BM-Versorgungspotenzial aus finanziellen Gründen nur soweit ausgeschöpft werden, dass bestimmte Kostenobergrenzen nicht überschritten werden. Der Durchdringungsfaktor sollte
3.7 Lieferantencontrolling
173
deswegen nicht nur objektmäßig, regional und zeitlich abgegrenzt werden, sondern auch einer bestimmten Kostenklasse zugeordnet werden: , , , , , ,
bzw. , , , , , ,
O = Objektdifferenzierung R = Regionendifferenzierung T = Zeitdifferenzierung K = Kostenklassendifferenzierung Der differenzierte Durchdringungsfaktor bringt damit zu Ausdruck, inwieweit der Abnehmer mit seinem effektiven Beschaffungsvolumen das Versorgungspotenzial pro Beschaffungsobjekt in einer bestimmten Region, in einem bestimmten Zeitraum und innerhalb einer bestimmten Kostenspanne ausgeschöpft hat. Ein Vergleich mit dem geplanten Durchdringungsgrad zeigt die effektive Beschaffungsmarketingleistung auf. Differenzen zwischen dem geplanten und dem realisierten Durchdringungsgrad haben zwei Ursachen:
Entweder sind die Abweichungen aufgrund unzureichender Leistungen und Einkäufe zustande gekommen, oder das geplante Beschaffungsvolumen ist aufgrund von Planungs- und Prognosefehlern zu hoch veranschlagt worden. Nun hängt die Versorgungssicherheit nicht nur vom Durchdringungsgrad des BMVersorgungspotenzials ab, sondern auch von der Anzahl der Lieferanten dieses Durchdringungsgrades. Im Sinne einer optimalen Versorgungssicherheit ist eine Risikostreuung durch Vermeidung einseitiger Lieferantenbedingungen unumgänglich. Zum Zwecke einer Einbeziehung der Risikostreuung muss der Beschaffungsmarktbesetzungsfaktor in die oben ermittelten Kennzahlen mit einbezogen werden. Die Kennzahl Beschaffungsmarktbesetzungsfaktor kennzeichnet das Verhältnis der aktiven Lieferanten zu den potenziellen Lieferanten. Um den Besetzungsfaktor zu ermitteln, ist es erforderlich, die Gesamtheit der möglichen Lieferanten mittels der Beschaffungsmarktforschung zu bestimmen bzw. abzuschätzen. Der Besetzungsfaktor ist ebenfalls objektmäßig, zeitlich, geographisch sowie durch Kostenklassen exakt abzugrenzen. Darüber hinaus scheine eine Gliederung nach Lieferantengruppen, die nach verschiedenen Branchen und ihrem Absatzprogramm eingeteilt werden, sinnvoll: , , , , , , , ,
L = Lieferantendifferenzierung Je größer der Besetzungsfaktor, desto höher ist die Versorgungssicherheit. Der Besetzungsfaktor zeigt, ob die geplante Risikostreuungsstrategie durch die Beschaffungsmarketingabteilung auch tatsächlich realisiert worden ist. Inwieweit der Beschaffer das Risiko auch tatsächlich streut, lässt sich durch die Kennzahl:
174
3 Beschaffungscontrolling , , , , , , , ,
feststellen. Diese Kennzahl misst dabei nicht allein die Leistung des Beschaffungsmarketing, sondern sie ist auch von konjunkturellen Einflüssen, insbesondere der Angebotsverknappung, von absatzpolitischen Maßnahmen des Anbieters (z.B. Mengenbündelungen) sowie von eigenen Kostenüberlegungen (Rabatte etc.) abhängig. Kostenzwänge bzw. Angebotsverknappungen können durchaus dazu führen, dass die Lieferantenzahl des bezogenen Beschaffungsvolumens sehr niedrig ausfällt. Dennoch sollte aus Sicherheitsgründen überlegt werden, wie die Lieferantenanzahl durch aktive Beeinflussung der Lieferanten und der Angebotssituation unter gleichen Rabattsätzen gesteigert werden kann. Wie erörtert, kann die Anzahl der Lieferanten durch Angebotsverknappungen gering ausfallen. Den Grad der Ausschöpfung bei solchen Versorgungskrisen soll die Kennzahl: , , , , , , , ,
messen. Diese Kennzahl zeigt, welchen Anteil das Beschaffungsvolumen eines Abnehmers am gesamten Angebotsvolumen eines Lieferanten besitzt. Ein Vergleich mit der Konkurrenz lässt insbesondere in Versorgungskrisen erkennen, ob der Abnehmer im Durchschnitt ein größeres oder kleines Beschaffungsvolumen beziehen konnte als die Gesamtheit der Abnehmer. Die zeitliche Entwicklung der Kennzahl sollte dabei vornehmlich im Verlauf von Versorgungskrisen beobachtet werden. Verringert sich die Kennzahl: , , , , , , , ,
mehr als die Kennzahl: , , , , , , , ,
bzw. als die Kennzahl: , , , , , , , ,
so ist die Beschaffungsmarketingleistung im Vergleich zur Beschaffungskonkurrenz als unbefriedigend zu bewerten. Der Abnehmer hat seine Versorgung im Vergleich zur Konkurrenz schlechter gesichert. Zur vollständigen Bewertung und Analyse sollte allerdings auch die Kennzahl: , , , , , , , ,
ermittelt werden. Diese Kennzahl zeigt, in welchem Umfang die Abnehmer einer Branche bzw. eines Gebietes den möglichen Versorgungsgrad mit einem Beschaffungsobjekt in einer bestimmten Periode realisiert haben. Somit ist erkennbar, ob eine negative Entwicklung in der Versorgung mit einem Beschaffungsobjekt auf eine schlechte Beschaffungsmarketingleistung zurückzuführen ist oder ob andere Entwicklungen (z.B. erhöhte Nachfrage aus dem Ausland) für eine insgesamt schlechte Ausschöpfung des Versorgungspotenzials in einem
3.7 Lieferantencontrolling
175
gewissen Gebiet verantwortliche sind. Die potenziellen und aktiven Lieferanten des Abnehmers unterscheiden sich zusätzlich hinsichtlich ihres Leistungsgrades. 3.7.13.4 Kennzahlensystem zur Lieferantensteuerung Da sich die Versorgungssicherheit in Bezug auf die Lieferanten in den Faktoren: Termintreue und Reaktion auf Mahnungen, Qualität und Service konkretisiert, müssen diese Kriterien in den Kennzahlen zu den Besetzungsfaktoren Eingang finden. Innerhalb der jeweiligen Besetzungsfaktoren ist neben den prozentualen Termintreue, Qualitäts- und Servicegraden ihre potenzielle Ausprägung für eine Zielsetzung vonnöten. Diese potenziellen Größen sind durch die Beschaffungsmarktforschung unter eventueller Zuhilfenahme von mathematisch-statistischen Methoden, wie z.B. der Regressionsrechnung, zu ermitteln. Bevor dieses geschehen kann, sind die Kennzahlen zum Termintreuegrad, Qualitätsgrad und Servicegrad zu quantifizieren:
Der Termintreuegrad lässt sich durch das Verhältnis der verspäteten Lieferungen zu der Gesamtzahl der Lieferungen ausdrücken: ä € , , , € , , , G = Gebietsdifferenzierung Der Servicegrad lässt sich durch den Prozentsatz angeben, mit dem eine Anforderung in der betrachteten Periode befriedigt worden ist: € , , , € , , , Der Qualitätsgrad lässt sich durch das Verhältnis des angenommenen Beschaffungsvolumens zu dem insgesamt eingetroffenen Beschaffungsvolumen quantifizieren: € , , , € , , ,
Nach der Bestimmung dieser drei Kennzahlen kann der jeweilige Termintreue-, Service- und Qualitätsgrad je Besetzungsfaktor errechnet werden. Dabei ist das Verhältnis des derzeitigen Termintreue-, Service- und Qualitätsgrad eines Besetzungsfaktors pro Durchdringungsgrad je Beschaffungsobjekt innerhalb einer Kostenklasse und ihren potenziellen Ausprägungen zu ermitteln. Ziel dieser Kennzahlenermittlung ist es festzustellen, inwieweit die derzeitigen Termintreue-, Service- und Qualitätsgrade von ihren potenziellen Graden im Hinblick auf die jeweiligen Besetzungsfaktoren abweichen. Der Abweichungsgrad gilt dabei als Richtmaß für die jeweilige Zielsetzung. Anhand dieser Abweichungen hat das Beschaffungsmanagement sich in der Ausrichtung ihrer Aktivitäten zu orientieren. Auf diese Weise lässt sich erkennen, ob die Inanspruchnahme der derzeitigen Lieferanten Schuld an einem Versorgungsmangel ist und ob durch einen Lieferantenwechsel sich dieses Defizit beheben lässt. Ein Vergleich der realisierten Termintreue-, Service- und Qualitätsgrad zu ihren potenziellen Ausprägungen zeigt, ob das Leistungsverhältnis der Lieferanten besser ausgeschöpft werden kann oder ob neue Lieferanten mit der Versorgung beauftragt werden sollen.
176
3.7.14
3 Beschaffungscontrolling
Benchmarking
Der Begriff Benchmarking lässt sich auf den englischen Begriff „benchmark“ zurückführen, womit ursprünglich Höhenfestpunkte zur Ermittlung von topgraphischen Höhenwerten und – unterschieden gemeint waren. Der Begriff ist auch als „Maßstab“ ins Deutsche zu übersetzen. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich diese Bedeutung mehr durchgesetzt und so werden Standards als „benchmarks“ für Vergleiche herangezogen (vgl. Fandel et al. 2009, S. 283). Aus dieser Begriffserläuterung wird klar, dass Benchmarking im Kern aus dem Vergleich mit einem als erstrebenswert angesehenen Zustand besteht. Benchmarking geht jedoch weiter und kann als strukturierte Methode zur Aufdeckung von eigenen Leistungslücken durch Vergleichen mit Bestleistungen (benchmarks) mit dem Ziel, durch die gewonnenen Erkenntnisse die Leistungslücken zu schließen und durch ständige Verbesserung auf Dauer eine Spitzenposition zu bekleiden, definiert werden. „Gebenchmarked“ werden Produkte und Dienstleistungen, vor allem aber Prozesse und Methoden. Dabei können als Vergleichsparameter Kundenzufriedenheit, Kosten, Zeitgrößen, Qualität, Erfolgsbeiträge und Innovationszyklen herangezogen werden. Benchmarking ist ein permanenter Prozess, denn auch die Besten entwickeln sich ständig weiter. Ein wesentlicher Bestandteil der Benchmarking-Philosophie ist die branchen- und länderübergreifende Suche nach dem jeweils Besten oder der „best practice“. Nur so kann die hohe Anforderung erfüllt werden, nicht nur die aktuelle Situation zu verbessern, sondern vielmehr der Konkurrenz überlegen zu werden und selbst den Leistungsstandard zu setzen. Kurzum: Ziel des Benchmarking ist es, durch lernen von anderen selbst die beste Lösung zu haben und nicht festzustellen, wie groß der Rückstand ist. Wenn akzeptiert wird, dass es sich beim Benchmarking um einen Vorgang des kontinuierlichen Messens handelt, dann ist auch zu akzeptieren, dass sich auch die besten Praktiken (best practices) kontinuierlich ändern. Folgende Prozessabschnitte sind beim Benchmarking einzuhalten: 1. Auswahl der zu benchmarkenden Prozesse, 2. Bildung eines Benchmarking-Teams, 3. Identifikation der notwendigen Logistik-Leistungs-Kennzahlen, 4. Bestimmung möglicher Best-of-Best-Unternehmen, 5. Leistungsermittlung in der eigenen Organisation, 6. Leistungsermittlung bei Best-of-Best-Unternehmen, 7. Detaillierung eines Aktionsplans zur Leistungssteigerung, 8. Implementierung und Verfolgung des Aktionsplans und 9. Aktualisierung des Benchmarks. Beim Benchmarking innerhalb der Logistik sind folgende vier Arten möglich (vgl. Piontek 2005, S. 361 und Luczak/Weber/Wiendahl 2004): Internes Benchmarking Da große Unternehmen über mehrere Standorte bzw. Depots verfügen, bietet sich eine Vergleichsanalyse an, wodurch Ansatzpunkte aufgezeigt werden sollen, um die besten internen Geschäftspraktiken für die Logistik herauszufinden. Konkurrenz-Benchmarking
3.7 Lieferantencontrolling
177
Konkurrenz-Benchmarking umfasst das Identifizieren von Leistungen der Konkurrenzunternehmen. Probleme des Benchmarking bestehen nicht nur in der Bestimmung zweckmäßiger Vergleichsunternehmen und der Auswahl aussagekräftiger Vergleichskriterien, sondern vor allem auch in der Erhebung komparativen Datenmaterials. Funktionales Benchmarking Funktionales Benchmarking umfasst das Identifizieren von Klassenbesten, die direkte Konkurrenten oder eben auch Nicht-Konkurrenzen sein können. Prozess-Benchmarking Eine besondere Form des Benchmarking ist das Prozess-Benchmarking. Es baut auf der sorgfältigen Beschreibung, Messung und dem Vergleich von Geschäftsprozessen auf. Ausgangspunkt bildet dabei die Entwicklung eines Prozessmodells, auf dessen Grundlage dann die spätere Analyse erfolgt. Beim Vergleich bestimmter Aktivitätsfolgen in Form von Geschäftsprozessen werden einzelne Prozessschritte hinsichtlich ihrer Effizienz und Effektivität untersucht. Bezogen auf das Benchmarking von Prozessen in der Beschaffung gehört hierzu (vgl. Wildemann 2000a, S. 138):
Herausarbeitung des charakteristischen Merkmales eines Prozesses und des Kriteriums, indem es sich von anderen Prozessen unterscheidet, Darstellung der Struktur: Auf der Grundlage einer Ist-Analyse wird der IstProzessablauf sowie der Material- und Informationsfluss dargestellt, Ermittlung der beteiligten Abteilungen und deren Teilaktivitäten im Rahmen des Prozesses, Durchführung von Input- und Output-Analyse, bezogen auf die Teilprozesse, Analyse der Durchgängigkeit des Tooleinsatzes, insbesondere der Datenverarbeitung, Identifizierung von Problemen und Schwachstellen des Prozesses und ihrer Ursachen sowie der Relation zwischen diesen, Quantifizierung von Fehlern und deren Wirkung, bezogen auf den Gesamtprozess.
Die Prozessanalyse ist eine wesentliche Voraussetzung für das Vergleichen von betrieblichen Abläufen zwischen branchenfremden Unternehmen und der daraus resultierenden Übertragbarkeit von möglichen Leistungsverbesserungen. Deshalb liegt die erste Aufgabe eines Unternehmens darin, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wie der Beschaffungsprozess abläuft, das heißt z.B., welche Größen ihn beeinflussen. Aufbauend auf dieser Analyse kann dann ein Prozessmodell konstruiert werden, auf dessen Grundlage ein Benchmarking durchgeführt wird (vgl. Czenskowsky/Piontek 2007, S. 139). Ein erster Schritt der Prozessanalyse ist die Definition von Input- und Outputgrößen. Inputgrößen sind überwiegend beschreibender Natur und sollen aufzeigen, welche Ressourcen dem Beschaffungsprozess als Ausgangsgröße zur Verfügung stehen. Input-/Ausgangsgrößen im Beschaffungsbereich sind (vgl. Wildemann 2000a, S. 135):
Anzahl der Lieferanten, Anzahl der unterschiedlichen Beschaffungsgüter, Beschaffungsvolumen, Anzahl der Einkäufer und Qualifikationsstand der Einkäufer.
Die Output- oder auch Zielgrößen haben oft die Form von Kennzahlen, basierend auf Kosten, Zeit- und Qualitätsgrößen. Beispiele dafür sind:
178
3 Beschaffungscontrolling Wiederbeschaffungszeit pro Materialgruppe, Einkaufskosten pro Bestellung, Beschaffungsvolumen pro Lieferant und Anteil Fehllieferungen.
Die Messgrößen (Kosten, Zeit und Qualität) können aber auch als Verhältniszahl, z.B. Anteil der Materialkosten am Umsatz oder die Kosten pro Bestellung, dargestellt werden. An solchen Größen lässt sich bestimmen, wie gut ein Prozess ist. Das Verhältnis von Input- zu Outputgrößen wird durch Prozessparameter bestimmt. Sie sind notwendig, um den Logistikprozess vollständig beschreiben zu können. Dazu zählen beispielsweise die Rahmenvertragsquote, der Anteil der Lieferanten ohne Qualitätsprüfung, der Zeitanteil strategischer und operativer Aufgaben oder der Anteil der Lieferanten, die über EDI an das Unternehmen angekoppelt sind. Prozessparameter stellen damit ebenfalls Kennzahlen dar, auf deren Grundlage Leistungen im Beschaffungsprozess verglichen bzw. beurteilt werden können. Ausgangsgrößen, Zielgrößen und Prozessparameter bilden mehr oder weniger das „Grundgerüst“ eines Prozessmodells für Benchmarking. Vervollständigt wird es durch die prozessspezifischen Einflussgrößen. Sie wirken sich auf den Aufbau, den zeitlichen Ablauf und die Aktivitäten innerhalb des Beschaffungsprozesses aus und müssen deswegen notwendigerweise in den Vergleich mit einbezogen werden. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Anzahl der Verbrauchsorte im Unternehmen, die Anzahl unterschiedlicher Beschaffungsgüter, die Lieferanten und die Organisation. Jede Einflussgröße wirkt sich in irgendeiner Form auf den Logistikprozess aus. Je mehr Verbrauchsorte innerhalb eines Unternehmens existieren, umso mehr Varianten zur Bereitstellung der Beschaffungsgüter gibt es. Abgrenzen lassen sich die Verbrauchsorte aufgrund ihrer Qualitätsanforderungen, Bedarfsprognosen und Verbrauchsmenge (vgl. Wildemann 2000a, S. 135). Die Anzahl der unterschiedlich zu beschaffenden Güter, die von der Wertschöpfungstiefe, dem Versorgungsrisiko pro Materialgruppe und der Anzahl der Lieferanten pro Materialgruppe abhängen, haben ebenfalls einen Einfluss auf den Beschaffungsprozess. So ist davon auszugehen, dass Materialien mit einem hohen Spezialisierungsgrad auch ein höheres Versorgungsrisiko besitzen – im Gegensatz zu Standardprodukten, die oft über eine Vielzahl von Anbietern verfügen. Typische Kennzahlen, die im Benchmarking-Vergleichen zur Messung der Beschaffungseffizienz herangezogen werden, sind:
ä ä
ä
3.7 Lieferantencontrolling
179
ä
ö
ä ä ä ,
3.7.15
,
Balanced Scorecard
Die Balanced Scorecard (BSC) wurde zu Beginn der 1990er Jahre an der Harvard Business School in den USA von Robert S. Kaplan und David P. Norton entworfen. Grundlage dieses Konzeptes stellt ein von den Entwicklern initiiertes Forschungsprojekt mit zwölf in den USA ansässigen Unternehmen dar. Intention dieser Untersuchungen war es, neben finanziellen und somit häufig vergangenheitsbezogenen Kennzahlen, ergänzende nichtfinanzielle, zukunftsorientierte Messgrößen zur verbesserten Unternehmensführung zu definieren und diese insbesondere auch zu quantifizieren. Die Bezeichnung „Balanced Scorecard“ reflektiert diese Absichten. „Balanced“ steht in diesem Zusammenhang für das notwendige Vernetzen der einzelnen Unternehmensbereiche, die in gleichem Maße Berücksichtigung finden und sich gegenseitig ergänzen sollen, was ein „ausbalanciertes“ Verhältnis aus Basis völlig unterschiedlicher Sichtweisen resultieren lässt. Der zweite Teil des Begriffes „Score“ zielt auf die erforderliche Messbarkeit von prinzipiell qualitativen Größen ab (vgl. Horváth & Partners 2003, S. 218).
180
3 Beschaffungscontrolling
Die Hauptanforderungen an eine Balanced Scorecard bestehen demzufolge in der Unterstützung der oberen Managementebene zur Realisierung strategischer Ziele auf operativer Ebene und in der Erzeugung messbarer Kennzahlen in Bezug auf so genannte „soft facts“. Den Ausgangspunkt für die BSC stellt die Festlegung der Vision und Strategie durch das Management des Unternehmens dar. Anschließend erfolgt die Transformation über vier Perspektiven in Kennzahlen, Vorgaben, Maßnahmen und Ziele. Die vier Perspektiven können nach dem Ansatz von Kaplan/Norton wie folgt hierarchisch geordnet werden: Erstens, die Finanzperspektive mit der Verwertung des Kapitals im Zentrum der Aufmerksamkeit. Zweitens die Kundenperspektive, die die strategischen Ziele des Unternehmens in Bezug auf Markt- und Kundensegmente abbildet, die angesprochen werden sollten. Drittens die Prozessperspektive, die die Prozesse der betrieblichen Wertschöpfung abbildet, die erforderlich sind, um die Ziele der ersten beiden Perspektiven zu erlangen. Die Bestandteile, die den ersten drei Perspektiven als Infrastruktur oder Fundament dienen, sind in der vierten Perspektive, der Lern- und Entwicklungsperspektive, zusammengefasst, diese Bestandteile sind beispielsweise die Leistungsfähigkeit des IT-Systems oder die Qualifikation der Mitarbeiter (vgl. Friedag/Schmidt 2009, S. 19f. und Pfohl 2004, S. 227ff.). Während in verschiedener Literatur an den vier Perspektiven festgehalten und alternativ die Rangreihenfolge, d.h. die Gewichtungs- oder Wertungsfolge, geändert wird, lassen Kaplan/Norton die Anzahl und Art der Perspektiven offen. Sie bieten den Unternehmen mit ihren vier Perspektiven ein Vorlagenschema jedoch keine Zwangsjacke, in die sich jedes Unternehmen zwängen lassen muss. Abwandlungen und Anpassungen sind von Fall zu Fall zu wählen und vom Kontext abhängig, da das Schema möglichst universell sein sollte. So ist es auch möglich die Rangreihenfolge zu ändern oder Perspektiven auszutauschen und oder weniger oder mehr Perspektiven zu wählen, wobei in der Literatur bei der Anzahl der Perspektiven nicht mehr als sechs genannt werden, um die BSC praktikabel zu halten (vgl. Friedag/Schmidt 2009, S. 23ff.; Horvath 2009, S. 246; Kaplan/Norton 1996, S. 34f. und Weber /Wallenburg 2010, S. 106). Für das Beschaffungscontrolling erscheinen sieben Schritte zur Realisierung der BSC sinnvoll (vgl. Weber 2002, S. 225): 1. Zuerst müssen die Beschaffungsstrategie und das Beschaffungsleitbild aus der Unternehmensstrategie und dem Unternehmensleitbild abgeleitet werden. 2. Dann müssen die Aufgaben der Beschaffung im Hinblick auf die Strategie formuliert und an die spezielle Situation des Unternehmens und der organisationalen Struktur angepasst werden. 3. Aus den Aufgaben sollten die Dimensionen bzw. Perspektiven erstellt werden. Dabei ist nicht die typische Struktur der BSC vorgeschrieben. Es können mehr Perspektiven und Perspektiven mit anderem Inhalt oder anderer Ausrichtung integriert werden. Dabei sollte beachtet werden, dass eine zu große Anzahl von Dimensionen den pragmatischen Gebraucht der BSC verhindert und dessen Verständnis erschwert. 4. Danach werden die Kennzahlen pro Perspektive festgelegt, die die Erfüllung der Teilaufgabe am besten messen. Es sollten maximal 5–8 Kennzahlen pro Perspektive verwendet werden, um bewusst Schwerpunkte zu setzen und das System einfach zu halten. Die Kennzahlenauswahl sollte regelmäßig reflektiert und modifiziert werden, um die Veränderungen zu integrieren. 5. Bei diesem Schritt werden die Ziele bzw. Zielkorridore festgelegt. (Wo? Bis wann? Wie viel?)
3.7 Lieferantencontrolling
181
6. 7.
Nun folgt die Zuweisung von Maßnahmen, die notwendig sind zur Zielerreichung. In den zukünftigen Planungs- und Steuerungszyklen wird geprüft, inwiefern die Ziele erreicht wurden oder erreicht werden können. Eventuell werden zusätzliche Maßnahmen beschlossen oder die Ziele neu justiert und definiert. Auch muss geprüft werden, ob die Kennzahlen das messen, was sie messen sollen. Mit dem zyklischen routinemäßigen Managementprozess wird ein wirkungsvolleres Steuern von strategischen Elementen in der Beschaffung möglich. Abbildung 53 zeigt den möglichen Aufbau und die Perspektiven der BSC in der Beschaffung.
Abb. 53:
Exemplarische Perspektiven eines BSC in der Beschaffung
Diese Perspektiven müssen unternehmensspezifisch angepasst werden. Pro Perspektive sollten nicht mehr als drei bis sieben Kennzahlen verwandt werden, um die Übersichtlichkeit zu erhalten. Für diese Kennzahlen werden konkrete Ausprägungen festgelegt, damit anhand dieser ein Soll-/Ist-Vergleich vorgenommen werden und dementsprechend reagiert werden kann. Die Kausalität innerhalb der einzelnen Perspektiven wird ebenfalls durch die BSC deutlich, da man Ursache-/Wirkungsketten in ihr darstellt. So werden Zusammenhänge und nicht nur einzelne Tatsachen dargestellt. Nachfolgend werden diese vier Perspektiven der BSC näher beschrieben (vgl. Werner 2000, S. 455ff.). Die Aufgaben der Beschaffung beziehen sich auf unterschiedliche Interessengruppen und Gebiete, die z.B. mit folgenden Fragen für die einzelnen Perspektiven ausgedrückt werden können: 1. Erfüllt die Beschaffung die Ansprüche aus den anderen Bereichen des Unternehmens? 2. Sind die internen Arbeitsabläufe der Beschaffung effizient (die Dinge richtig tun) und effektiv (die richtigen Dingen zu tun)? 3. Wie entwickeln sich Skills und Know-how der Mitarbeiter? 4. Wie gut sind die Qualität der Lieferanten und die Zusammenarbeit mit ihnen?
182
3 Beschaffungscontrolling
Zu diesen Fragen müssen jetzt in Workshops, die das Beschaffungscontrolling als Veranstalter leitet, Kennzahlen und Zielgrößen erarbeitet werden. Folgende Kennzahlen könnten für die Messung des Erfolgs in der Perspektive „Ansprüche des Unternehmens“ benutzt werden:
Logistikkosten pro Produktionseinheit, Bestandskosten pro Produktionseinheit, Materialkosten pro Produktionseinheit, Höher der fixen Beschaffungskosten und Anzahl Reklamationen interner Kunden.
Der nicht-monetäre Bestandteil in der Perspektive kommt in der Kennzahl „Anzahl Reklamationen interner Kunden“ zum Ausdruck, die misst, ob dem Unternehmen Material und Leistungen in der richtigen Qualität nach den 6 Rs der Logistik zur Verfügung gestellt werden. Die Effizienz von Prozessen und Arbeitsabläufen wird meistens in der Zeit- und Kostendimension gemessen. Folgende Kennzahlen könnten die Effizienz der Geschäftsprozesse messen: Anzahl der Artikel, Typen, Modelle, Anzahl der Lieferanten, Bestellungen pro Mitarbeiter in der Disposition, Umschlagshäufigkeit, Wiederbeschaffungszeiten und Materialwirtschaftskosten im Vergleich zum Wert. Kennzahlen der Perspektive „Lernen und Entwickeln“ sind: Seminartage pro Beschaffungsmitarbeiter, realisierte Verbesserungsvorschläge von Beschaffungsmitarbeitern, eingegangene Verbesserungsvorschläge pro Beschaffungsmitarbeiter, Teilnahme von Einkäufern an Projektteams im Unternehmen und Entwicklungsprojekte mit externen Lieferanten. Die beiden letzten Kennzahlen stehen für den Wissenstransfer im Unternehmen und in das Unternehmen. Kennzahlen für die Perspektive „Lieferanten managen“ sind:
Bewertung der Lieferanten hinsichtlich Anteil pünktlicher Lieferungen, Lieferzeiten, Service, Qualität, Know-how, Preisvergleich, Mengenstaffelungen, Anzahl Lieferanten, Aufbau neuer Lieferanten und Preisveränderungen versus Branchenindizes.
Kaluza verlässt gar komplett die klassischen Perspektiven. Ausgangspunkt sind die Controllingfelder Beschaffungsobjekt, Beschaffungsquellen, Beschaffungsprozesse und Beschaffungsstrukturen, denn es hat sich gezeigt, dass diese vier Controllingfelder besonders gut geeignet sind, Beschaffungssituationen zu bewerten. (vgl. Kaluza 2007, S. 226). Kaluza stellt die Ursache-Wirkungs-Kette in einer Hierarchiestufenanordnung dar, in der die Beschaffungsobjekte in der höchsten Hierarchiestufe stehen.
3.7 Lieferantencontrolling Controllingfelder
Abb. 54:
183 Inhalt und Wirkungen
Beispiele für mögliche Ziele
Beschaffungsobjekte
- Beschaffungsobjektkosten - Wiederbeschaffungszeiten - Qualität der Beschaffungsobjekte
- Erreichung Zielkosten für Beschaffungsobjekt - Wettbewerbsfähige Beschaffungsobjekte - Erreichung erforderliche Qualität und Liefertreue
Beschaffungsquellen
- Gestaltung der Lieferantenbasis - Lieferantenentwicklung - Lieferantenintegration
- Aufbau Wertschöpfungspartnerschaft
Beschaffungsprozesse
- Effektivität strategischer Beschaffungsprozesse - Effizienz operativer Beschaffungsprozesse - Methoden und Instrumenteneinsatz
- Durchführung von Konzeptwettbewerben - Durchführung von Beschaffungsmarktforschung
Beschaffungsstrukturen
- Aufbau zweckmäßiger Beschaffungsstrukturen - Verteilung von Kompetenzen, Verantwortung … - Qualitätsniveau der Beschaffungsmitarbeiter
- Einführung Organisationseinheit Advanced Purchasing
Ursache-Wirkungs-Beziehungen in der Beschaffung
(vgl. Kaluza 2007, S. 227)
Bei der Implementierung einer Balanced Scorecard spielt die Unternehmensgröße eine wichtige Rolle. Für kleine Unternehmen mit relativ wenigen Bereichen ist die Erstellung einer Balanced Scorecard in der Regel ausreichend. Handelt es sich allerdings um größere Unternehmen, so ist es sinnvoll, mehrere Balanced Scorecards entsprechend der vorhandenen Unternehmensbereiche zu entwickeln. Um die Einheitlichkeit und die Verfolgung des gleichen Gesamtzielt bzw. der bestehenden Unternehmensstrategie gewährleisten zu können, sollte zunächst eine Balanced Scorecard für das Gesamtunternehmen entwickelt werden. Diese bildet dann den Ausgangspunkt für weitere Balanced Scorecards auf nachgelagerten Ebenen. Das bedeutet, dass die Balanced Scorecard nach dem Top-Down-Prinzip auf jeweils untergeordnete Bereiche bis hin zu einzelnen Abteilungen bzw. Mitarbeitern „heruntergebrochen“ werden kann. Dabei ist zu beachten, dass die Ausgestaltung der Perspektiven in den untergeordneten Bereichen durchaus differenzieren und somit bereichsindividuell angepasst werden kann und sollte. Es muss lediglich darauf geachtet werden, keine Strategie- und Zielkonflikte entstehen zu lassen, damit es beim Vernetzen der Balanced Scorecards untereinander nicht zu Problemen kommt und die angestrebte Richtung des Gesamtunternehmens einheitlich verfolgt wird (vgl. Engelhardt 2001, S. 31–32). Bei der Einführung und vor allem bei der späteren Nutzung einer Balanced Scorecard sollte eine entsprechende IT-Unterstützung eingesetzt werden. Durch das Verwenden von auf die jeweilige Balanced Scorecard zugeschnittener Software können die Umsetzung und die erwünschte Steuerung mit diesem strategischen Instrument erheblich erleichtert werden. Durch eine IT-Unterstützung können sich immense Vorteile in Bezug auf die Eingabe der Daten und das Reduzieren des Berichtswesens auf das Notwendige ergeben. Darüber hinaus wird die Analyse für Steuerung und Führung effektiv durch entsprechende Software und die daraus resultierende Transparenz sowie die jederzeitige Verfügbarkeit der gewünschten Daten für Entscheidungsträger unterstützt. Zur Verminderung von Benutzerproblemen und zur Erhöhung der Akzeptanz gilt es als besonders wichtig, dass die für die Entwicklung der Balanced Scorecard zuständigen Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens bereits zu Implementierungsbeginn mit der unternehmensinternen IT-Abteilung eine enge Kooperation pflegen. Ein weiterer Aspekt, der besondere Beachtung finden sollte, besteht in der Anpassung der Software an die individuelle Balanced
184
3 Beschaffungscontrolling
Scorecard. Das bedeutet, dass das erzeugte Konzept oder Balanced Scorecard Ausgangspunkt für die IT-Lösung sein sollte. Anpassungsversuche an die bereits im Unternehmen vorhandene Software bergen die Gefahr von Handhabungseinschränkungen und Effektivitätseinbußen des mittels der Balanced Scorecard entwickelten strategischen Managementsystems (vgl. Probst 2001, S. 179–180). Die Balanced Scorecard bietet viel Potenzial allerdings auch Kritikpunkte. Die Herausforderung liegt in dem Spagat zwischen Pragmatismus und der angestrebten Informations/Kontrollfunktion bei der Anwendung bzw. Anpassung des Konzepts an das jeweilige Unternehmen. Dieser Spagat fordert eine permanente Nachjustierung der gewählten Kennzahlen und auch gegebenenfalls der Perspektiven. Dies ist davon abhängig, ob sich die Perspektiven über die Anwendungsdauer verändern oder festgestellt wird, dass die ursprünglichen Perspektiven inkorrekt gewählt wurden. Ebenso können die zugeordneten Kennzahlen geändert werden, zum Beispiel wenn sich herausstellt, dass diese die grundsätzliche Fragestellung zur Perspektive nicht hinreichend beantworten können. Grundsätzlich gilt bei der Anwendung des BSC-Konzepts, dass dieses flexibel ist, d.h. ebenso wie die Strategie und Vision einer Unternehmung fortlaufend zum Beispiel an die Ausrichtung und oder das Umfeld angepasst werden kann. Eine unflexible Grundhaltung kann zum Scheitern führen.
3.7.16
Prozesskostenrechnung
Die Prozesskostenrechnung stellt eine auf den vorhandenen Kostenstellen aufbauende Vollkostenrechnung dar, da die gesamten Gemeinkosten den Kostenträgern zugerechnet werden. Allerdings werden hierbei die Gemeinkosten nicht über Zuschlagssätze auf die Produkte verteilt, sondern entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme betrieblicher Prozesse durch die jeweiligen Kalkulationsobjekte. Zudem erfolgt in der Kalkulation der Prozesskostenrechnung eine Berücksichtigung der Einflussgrößen in Bezug auf Komplexität und Variantenreichtum der Produkte. Damit ermöglicht die Prozesskostenrechnung eine leistungsgerechte Planung, Steuerung und Verrechnung der Gemeinkosten auf die betreffenden Produkte nach dem Verursachungsprinzip und verzichtet somit weitestgehend auf indirekte und wertmäßige Bezugsgrößen. Bindeglied der Kostenentwicklung und der Kostenzurechnung sind stattdessen Prozesse, welche auf produktionsfaktorverzehrende Tätigkeiten zurückzuführen sind (vgl. Peemöller 2005, S. 264ff.; Schulz 2007, S. 104). Die Prozesskostenrechnung versucht die veränderten Wettbewerbsmerkmale und die erhöhten Gemeinkosten zu reflektieren durch folgende Ausrichtung (vgl. Mayer 1990, S. 75): 1. Das Einbeziehen von indirekten oder sekundären Leistungsbereichen, die bisher prozentual als Gemeinkosten betrachtet werden. 2. Die Analyse der Leistungen indirekter Bereiche, die Suche nach Abhängigkeiten oder Kostenverursachern und damit das Übertragen des Bezugsgrößendenkens im Beschaffungsbereich. 3. Die Orientierung an der gesamten Wertkette des Unternehmens. Das heißt, top-down betrachtet die Dekomposition von gesamtunternehmensbezogenen Hauptprozessen in viele Teilprozesse in unterschiedlichen Bereichen und Kostenstellen oder bottom-up betrachtet, das Verdichten oder Zuordnen aller indirekten Leistungen in den Kostenstellen (Teilprozesse) zu gesamtunternehmensbezogenen Hauptprozessen.
3.7 Lieferantencontrolling
185
Aufgabenfelder der Prozesskostenrechnung sind (vgl. Czenskowsky/Paussa/Segelken 2002, S. 76):
Verursachungsgerechtigkeit der Gemein- und Fixkostenverteilung in der Selbstkostenermittlung, Vielfältigkeit der Kalkulationsobjekte, Kalkulation von Produkt- und Verfahrensänderungen, Optimierung des Produktions- bzw. Absatzprogramms, Unterstützung der Preispolitik, Wirtschaftlichkeitskontrolle im Hinblick auf Stellen, Prozesse und Verhaltensweisen, Optimierung von Ressourcenverbrauch und Kapazitätsauslastung, Aufdeckung von Rationalisierungspotenzialen sowie Ausschöpfen derselben, Gestaltung der Verrechnungspreise für interne Dienstleistungen („Marktbezug“), Harmonisierung von Schnittstellen, Gemeinkostenbudgetierung und analysekostenbezogene Wettbewerbsvor- und Nachteile.
Bestandteile der Prozesskettenanalyse sind (vgl. Piontek 2009, S. 230):
Zeitreihenanalysen von Prozesskosten(-sätzen), Prozesskostenvergleiche zwischen ähnlichen Teilprozessen, kostenorientierte Bewertung von Prozessalternativen, simultative Prozesskostenstudien bei Variation von Cost Driver, Auswirkungsanalysen von Restrukturierungsmaßnahmen, kostenstellenübergreifende Ermittlung von Kosten für die Ausführung von Prozessketten, Produktkalkulation bei Inanspruchnahme von bereichsübergreifenden Prozessketten, Identifizieren von Kostenschwerpunkten in Prozessketten, Bildung von kostenstellenorientierten Kostenzielen auf der Basis vorgegebener Unternehmensziele, Abschätzung von Maßnahmenwirkungen auf andere Kostenstellenbereiche, kostenstellenübergreifende Prozessvergleiche und Restrukturierung der Ablaufstrukturen von Prozessketten. Die Prozesskostenrechnung lässt sich laut Braun in sechs Schritten durchführen (vgl. Braun 1994, S. 84ff.): 1. Tätigkeitsanalyse Hierbei werden alle durchgeführten Tätigkeiten hinsichtlich Zeit, Qualität und Inhalt analysiert und strukturiert. Die Ergebnisse sollen in einer Reihenfolge und im Zusammenhang grafisch dargestellt werden. 2. Ermittlung der Teilprozesse Die ermittelten Teilprozesse müssen ins leistungsmengeninduzierte (lmi) und leistungsmengenneutrale (lmn) Teilprozesse unterschieden werden. Unterschieden werden diese Teilprozesse anhand ihrer Abhängigkeit. Die lmi-Prozesse sind prozessmengenabhängige Teilprozesse und die lmn-Prozesse sind prozessmengenunabhängige Teilprozesse, die prozentual von den Gemeinkosten auf die lmi-Kosten aufgeschlagen werden. 3. Bestimmung der Cost Driver Cost Driver sind die Maßgröße für die zuvor ermittelten Teilprozesse.
186
3 Beschaffungscontrolling
4.
Bestimmung der Prozessmengen Die Prozessmengen stellen ein Maßstab für die Kapazität und den Kostenverbrauch eines Prozesses dar. Diese müssen entweder soweit wie möglich gezählt oder abgeschätzt werden. 5. Bestimmung der Prozesskosten- und Umschlagssätze Der Prozesskostensatz gibt die Kosten eines Prozesses bei einmaliger Ausführung wieder. 6. Bildung von Hauptprozessen Im Hauptprozess werden die Teilprozesse mit den dazugehörigen Prozesskosten- und Umschlagsätze zusammengefasst. Sie bilden die Grundlage für die spätere Kalkulation. Die Prozesskostenrechnung soll im Beschaffungsbereich Kosten und Leistungen transparent machen. So stellen sich folgende Fragen: Was kostet uns eine Lagertransaktion? Was kostet uns ein neuer Lieferant? Wie teuer ist eine Bestellung im Einkauf? Durch die Kontrolle und Neuplanung der kostenwirksamen Parameter in der Beschaffung soll die Sicherstellung der Kostenwirtschaftlichkeit der gesamten Beschaffungsprozesse erlangt werden. So können unplanmäßige Kostenverläufe identifiziert und beeinflusst werden. Weiterhin ist eine kostenorientierte Prozesskettenanalyse durchzuführen, um auf Rationalisierungspotenziale des Prozessvollzugs aufmerksam zu werden. 3.7.16.1 Tätigkeit und Teilprozesse Die Anwendung der Prozesskostenrechnung setzt eine Analyse und eine Strukturierung der Tätigkeiten in den Kostenstellen voraus und bildet die Basis für eine prozessorientierte Kostenrechnung. Im Vorgriff auf die Tätigkeits- und Teilprozessanalyse sollten in der Beschaffung und unter den PKR-Verantwortlichen bereits grundsätzliche Vorstellungen über den künftigen Hauptprozess bestehen. Derartige Hauptprozesse werden in einem Projektteam durch die Analyse der Supply Chain – Struktur als vorläufige Hauptprozesse definiert (vgl. Remer 2005, S. 102). Ohne eine Vorstellung über mögliche Hauptprozesse können in der späteren Tätigkeits- und Teilprozessanalyse keine gezielten Fragen formuliert werden. Außerdem fehlen Anhaltspunkte in welcher Weise das Aufgabenvolumen der Kostenstelle strukturiert und in Teilprozesse aufgeteilt werden soll. Allerdings können während der Tätigkeitsanalyse neue Anregungen für die Hauptprozesse entstehen, so dass die endgültige Prozessstruktur oftmals mehrere Schleifen durchläuft. Insgesamt sollen mit der Tätigkeitsanalyse in den Kostenstellen der indirekten Bereiche Tätigkeiten und Teilprozesse identifiziert und diesen Kosten zugeordnet werden. Grundgedanke ist der, dass die Kosten der indirekten Bereiche zu einem elementaren Anteil von den dort ablaufenden Tätigkeiten und Prozessen abhängig sind. Tätigkeiten sind demnach Arbeitsvorgänge der Mitarbeiter mit produktionsfaktorverzehrendem Charakter. Die Erfassung und die Analyse der in der Beschaffung ablaufenden Tätigkeiten stellen daher den Ausgangspunkt der Prozesskostenrechnung dar. Im Rahmen der Tätigkeitsanalyse sind die einzelnen Tätigkeiten zu ermitteln, die von den Mitarbeitern der Kostenstellen in den Unternehmensbereichen durchgeführt werden. Die Beschaffungsabteilung verständigt sich hierbei auf ein einheitliches Vorgehen und stimmt das Gesamtprozedere im Vorfeld unter den PKRVerantwortlichen der Unternehmen ab. Insbesondere in der Tätigkeits- und Teilprozessanaly-
3.7 Lieferantencontrolling
187
se sind die Kostenstellenleiter mit einzubeziehen. Es geht im Kern darum, die Tätigkeiten der Beschaffung in identischer Weise zu erfassen, um Schnittmengen festzustellen und die gesamten Arbeitsvorgänge der Beschaffung zu optimieren. Die Tätigkeitsanalyse ist der erste und gleichzeitig zeitaufwendigste Schritt der Prozesskostenstellenrechnung. Wie groß der hierfür notwendige Zeitbedarf in Prozent der Gesamtkapazität ist, kann auf verschiedene Arten festgestellt werden:
persönliche Befragung des Gruppen- bzw. Abteilungsleiters oder aller Mitarbeiter, eigene Aufzeichnungen der Mitarbeiter, Zeitaufnahmen mit Hilfe des Multimomentverfahrens (Stichproben), Rückgriff auf die Ergebnisse bereits durchgeführter Projekte (z.B. Gemeinkostenwertanalyse, Implementierung des Prozessmanagements). Nach Durchführung einer Tätigkeitsanalyse in der Kostenstelle „Einkauf“ könnten folgende Beispiele mögliche Teilprozesse darstellen: Material einkaufen, Hilfs- und Betriebsstoffe einkaufen, Investitionsgüter einkaufen und Dienstleistungen einkaufen (siehe Abbildung 55) Nachdem die Teilprozesse abgegrenzt und strukturiert worden sind, erfolgt eine Unterscheidung der Teilprozesse in zwei Kategorien:
leistungsmengeninduzierte (lmi) Prozesse: Schematisierte, repetitive Teilprozesse, deren Output sich mengenvariabel zum Leistungsoutput der Kostenstelle verhält. So ist beispielsweise der Teilprozess „Bestellung durchführen“ direkt abhängig von der Anzahl auszuführenden Bestellungen. leistungsmengenneutrale (lmn) Prozesse: für diese Teilprozesse werden keine Prozessmengen benötigt, da sie vom Leistungsoutput unabhängige, mengenfixe Aktivitäten darstellen. So ist z.B. die Tätigkeit „Leiten der Einkaufsabteilung“ leistungsmengenneutral, da sie keinen direkten Bezug zur Leistungsmenge der Kostenstelle hat. Es können jedoch indirekte Bezüge bestehen. Aufgrund ihres geringen Anteils an den Gemeinkosten werden sie prozentual auf die leistungsmengeninduzierte Kosten verrechnet.
188
3 Beschaffungscontrolling Hauptprozess "Material beschaffen"
Kostenstellen Teilprozesse 220
110
112
2201 Material einkaufen
282
1101 Prüfung für Werkstofftechnik durchführen
1121 Hilfs- und Betriebsstoffe lagern
2201 Material einkaufen 2821 Materiallieferung entgegennehmen
Mat. B.
2202 2821 Hilfs- und Betriebsstoffe Materiallieferung einkaufen entgegennehmen
1102 Eingangsprüfung für Mat. Durchführen
1122 Material lagern
1102 Eingangsprüfung für Material durchführen 1122 Material lagern
2203 Geräte und Anlagen einkaufen 2204 Dienstleistungen einkaufen
Kostenstellen:
Abb. 55:
1103 Chem. Kontrollen durchführen
1123 Unfertige Erzeugnisse lagern 1124 Fertige Erzeugnisse lagern
220 Einkauf 282 Warenannahme 110 Qualitätsabteilung 112 Lager
Teilprozesse der Beschaffung
(vgl. Coenenberg/Fischer 1991, S. 27)
3.7.16.2 Kostentreiber (Cost Driver) Für die leistungsmengeninduzierten Prozesse sind geeignete Bezugsgrößen definiert. Bei diesen Kostentreibern handelt es sich um Faktoren, die die Prozessinanspruchnahme der entsprechenden Leistungsmengen bestimmen (vgl. Schulze 2007, S. 106). Die Kostentreiberfindung und Kostentreiberbildung sowie Überlegungen zur erforderlichen Anzahl der Kostentreiber ist ein zentraler Punkte in der Prozesskostenrechnung. Die Maßgrößen sind daher so auszuwählen, dass die dazugehörige Prozessmenge schnell, wirtschaftlich und genau erfasst werden kann. Unter dem Aspekt einer künftig differenzierten Planung, Steuerung und Kontrolle der Gemeinkosten sowie deren verursachungsgerechter Verrechnung auf Produkte entsprechend ihrer Inanspruchnahme ist eine sorgfältige Definition von Anzahl und Art der Kostentreiber erforderlich. Die Kostentreiberbildung ist von einer Reihe Faktoren abhängig, die bei der Wahl der Treiber gegeneinander abzuwägen sind. Mit Hinblick auf den Kenntnisstand über die Prozesskostenrechnung in der Beschaffung ist dem Kostentreiber eine leichte Verständlichkeit abzufordern. Dies impliziert einen willkürfreien und nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen dem Kostentreiber und dem zu messenden Sachverhalt. Am aussagekräftigsten ist eine proportionale Beziehung zwischen Kostentreiber und Kostenhöhe. Der Aspekt der Verständlichkeit von Kostentreiber steht im engen Zusammenhang mit Verhaltenseffekten, die von Kostentreibern ausgehen können. Eine positive Verhaltensbeeinflussung durch einen Kostentreiber kann nur unter der Prämisse stattfinden, dass die zugrunde
3.7 Lieferantencontrolling
189
liegenden ökonomischen Zusammenhänge von den Mitarbeitern der Beschaffung auch nachvollzogen werden können. Ein Kostentreiber hat also regelmäßig dann Einfluss auf das Verhalten eines Mitarbeiters, wenn der Mitarbeiter auf Basis der Kosten pro Kostentreiber oder Kostentreibermenge beurteilt werden kann. Im Übrigen muss der Erfassungsaufwand der Kostentreiber in Relation zum Nutzen der Prozesskostenrechnung gesehen werden. Vorzugsweise werden in der Praxis Mengengrößen, d.h. Zeit- oder Wertgrößen, verwendet. Je heterogener die Prozessstruktur ist, desto höher muss auch die Anzahl der Kostentreiber sein. Prozesse, die einen relativ hohen Anteil an den Gemeinkosten repräsentieren, sind in der Treiberbildung besonders zu berücksichtigen. Die Wahl eines hier adäquaten Kostentreibers erhöht die Genauigkeit der Gemeinkostenverrechnung. In der überwiegenden Anzahl aller Fälle werden 80 Prozent des Gemeinkostenvolumens durch sieben bis zehn Kostentreiber repräsentiert. Als ideale Maßgröße für einen Prozess ist diejenige anzusehen, die zugleich der „cost driver“ innerhalb der Kostenstelle ist; dies ist aber nicht bei allen Prozessen möglich. So sollen die heterogenen Leistungen in den indirekten Bereichen nur durch eine Vielzahl von Einzelprozessen mit unterschiedlichen Maß- und Bezugsgrößen abgebildet werden können. Abbildung 56 zeigt Beispiele für die Maßgrößen der Prozesse.
Prozesskostenmodell Beschaffung Logistik Hauptprozess
Teilprozess
Maßgröße
Bestandsmanagement Materialeinkauf
Lieferantenmanagement Bestellverwaltung Bestandsverwaltung Baugruppen-Management
Teilenummern Lieferanten Bestellungen Produkte Baugruppen
Handelsware Dokumentation und Organisation Materialingenieurwesen Fertigungsplanung
Lieferantenqualifikation Bauteilequalifikation Auftragsplanung Lagerraum Materialbereitstellung
Lager Kommissionierung Versand Fracht Abb. 56:
Überseefracht lokale Fracht
Prozesskostenmodell Beschaffung und Logistik
(vgl. Löffler 1991, S. 189)
Wichtige Kostentreiber in der Beschaffung sind:
Anzahl der Lieferanten, Anzahl der Bestände im Wareneingangsbereich, Anzahl der Bestellungen,
Lieferanten Bauteile Prod.-Aufträge gelagerte Teile Transaktionen Produkte Kisten/Kartons Entfernung/Gewicht
190
3 Beschaffungscontrolling Anzahl der Teilenummern, Anzahl der Mitarbeiter in der Beschaffung, Anzahl der Wareneingangsstellen, Anzahl der unterschiedlichen Verträge in der Beschaffung und Anzahl der unterschiedlichen Standards in der Beschaffung.
Coenenberg fasst die Anforderungen an die Cost Driver wie folgt zusammen (vgl. Coenenberg 2007, S. 315f.):
einfache Ableitbarkeit aus den verfügbaren Informationsquellen, Proportionalisierung zur Beanspruchung der Ressourcen und damit der Kosten, Proportionalität zur Output-Menge an Produkten, Durchschaubarkeit und Verständlichkeit.
Hieraus wird deutlich, dass die Identifikation von Cost Drivern eine sehr schwierige sowie kreative Phase der Implementierung der Prozesskostenrechnung darstellt. Darüber hinaus ist die Festlegung geeigneter Prozessgrößen stark von den unternehmensspezifischen Gegebenheiten abhängig, wodurch es schwierig ist, allgemeingültige eindeutige Kriterien zur Auswahl der passenden Größen in der Beschaffung vorzugeben. Je besser die Cost Driver bestimmt werden, desto eher kann eine aussagefähige Kennzahlenbildung durchgeführt werden, um eine wirkungsvolle Wirtschaftlichkeitskontrolle zu erlangen. Darüber hinaus können mit Hilfe der Kostentreiber eine verbesserte Gemeinkostenplanung, sowie verursachungsgerechte Kostenträgerzeit- und Kostenträgerstückrechnungen durchgeführt werden. In der Prozesskostenrechnung erfolgt die Planung und Erfassung der Mengen und Kosten sowie die anschließende Ermittlung der Kostensätze zunächst nur auf Teilprozessebene, um die kostenstellenbezogenen Daten der traditionellen Kostenrechnung (Kostenarten je Kostenstelle) verwenden zu können. Die Prozessmenge wird in der Prozesskostenrechnung als die jeweilige Mengenausprägung zu einem Kostentreiber bezeichnet. Sie stellt somit eine Schlüsselgröße dar, mit welcher der Verbrauch an Ressourcen und den entsprechenden Kosten gemessen wird. Zur Kostenzuordnung werden die differenzierten Kostenarten einer Kostenstelle auf die dort ablaufenden Teilprozesse verteilt. Da dieser Vorgang zunächst auf Ebene der Teilprozesse und somit kostenstellenbezogen vorgenommen wird, könnten mittels Interview zwischen den PKR-Verantwortlichen und den Kostenstellenleitern die Kosten durch Bestimmung der Ressourceninanspruchnahme den einzelnen Prozessen zugeordnet werden. Die Kosten für die lmn-Teilprozesse werden entweder gesondert ausgewiesen und als Grundlast der Kostenstelle verrechnet oder anteilig auf lmi-Teilprozesse umgelegt. Die Prozesskostensätze stellen die durchschnittlichen Kosten für die einmalige Durchführung eines Teilprozesses dar. Die lmi-Kosten des Teilprozesses „Bestellungen durchführen“ sind abhängig vom Kostentreiber „Anzahl der Bestellungen“. Für diesen Teilprozess werden zunächst die Kosten bestimmt und anschließend die Mitarbeiterzahl, die für diesen Prozess notwendig ist. Der Teilprozesskostensatz wird in Form eines Quotienten aus Teilprozesskosten und Teilprozessmengen ermittelt (vgl. Remer 2005, S. 41). öß
3.7 Lieferantencontrolling
191
Beispiel für eine prozessorientierte Kalkulation Standardbauteil: Verschiedene Teile pro Lieferant Halbjahresbedarf ø Transaktionsmenge Anzahl der Bestellungen Prozessschritte
= = = = Prozessmenge
200 1000 50 2 Prozesskostensatz
Prozesskosten
Materialeinkauf: Lieferantenmgmt.
1 200 1000
*
5.000 €
=
0,025 €
Bestellverwaltung
2 1000
*
30 €
=
0,06 €
1 200 1000
*
2.000 €
=
0,01 €
1 1000
*
300 €
=
0,30 €
1 1000
*
100 €
=
0,10 €
1 50
*
4€
=
0,08 €
Materialingenieurwesen: Lieferantenqualifikation
Bauteilequalifikation Lager: Raum
Materialbereitstellung
Totalprozesskosten: Abb. 57:
0,58 €
Beispiel für eine Bildung der Prozesskostensätze in der Beschaffung
Die grundsätzliche Mengenplanung für einen Teilprozess erfolgt unter zur Hilfenahme von Vergangenheitswerten. Die PKR-Verantwortlichen setzen sich für die Mengenplanung der jeweiligen Kostenstelle mit dem Kostenstellenleiter auseinander und gelangen über eine Kombination von Vergangenheitswerten und einer Schätzung der künftigen Periode zu einer entsprechenden Mengenplanung. Ebenso werden die Prozesskosten im Rahmen eines Interviews mit dem Kostenstellenleiter ermittelt. Die Kostenstellenleiter müssen hierbei nicht nur die in ihrer Kostenstellen ablaufenden Teilprozesse beschreiben, sondern auch die Ressourcen und Kosten zuordnen. Bei dominierendem Personalkostenanteil werden die betreffenden Kosten auf die einzelnen Teilprozesse anhand der Ressource „Personaljahre“ entsprechen ihrer zeitlichen Beanspruchung auf die Prozesse verteilt.
192
3 Beschaffungscontrolling
Der Kostenstellenleiter hat dem PKR-Verantwortlichen daher die auf Basis der geplanten Prozessmenge erforderliche Mitarbeiterzahl zu nennen. Der verbleibende Kostenanteil wird dann im Wesentlichen nach dem Schlüssel zugeordnet, der sich aus der Verteilung nach Mitarbeitern ergibt. Infolge der durchgeführten Mengen- und Kostenzuordnung auf die jeweiligen Teilprozesse lassen sich dann Teilprozesskostensätze ermitteln. Der noch verbleibende Ressourcenverzehr einer Kostenstelle wird den lmn-Teilprozessen zugeordnet und grundsätzlich getrennt ausgewiesen. Der Anteil der lmn-Teilprozesse ist aufgrund der Verrechnungsproblematik im Vorfelde soweit wie möglich zu reduzieren, da im Sinne einer vollständigen Kostenverrechnung sämtliche Kosten umgelegt werden müssen. Die ermittelten Teilprozesse sind nun daraufhin zu untersuchen, ob sie sich in Bezug auf das von der Kostenstelle zu erbringende Leistungsvolumen mengenvariabel verhalten, oder ob sie unabhängig, also mengenfix sind. Beispielsweise hängt die Häufigkeit des Prozesses „Kommissionierung“ direkt vom Auftragsvolumen der Kostenstelle „Versand“ ab. Solche Prozesse bezeichnen wir als „leistungsmengeninduziert (lmi)“. Andererseits fallen Prozesse wie „Abteilung leiten“ oder „Verwaltungstätigkeiten durchführen“ unabhängig von der zu erbringenden Leistung an. Sie werden als „leistungsmengenneutral (lmn)“ bezeichnet. Leistungsmengenneutrale Teilprozesse können im Verhältnis der leistungsmengeninduzierten Kosten auf diese verteilt werden. Für leistungsmengenneutrale Prozesse („Abteilung leiten“) können in der Regel keine Maßgrößen angegeben werden, so dass deren Kosten – im Sonne der Vollkostenrechnung – proportional zu den lmi-Prozesskosten umgelegt werden. Für jeden lmi-Prozess der Kostenstelle erhält man somit einen Prozesskostensatz (lmi), einen Umlagesatz (lmn) sowie einen Gesamtprozesskostensatz. ∑ 100 ∑
Prozesse
Maßgrößen
Prozessmengen
Prozesskosten
Prozesskostensatz lmi
Umschlagesatz lmn
Angebote einholen
lmi
Zahl der Angebote
100
20.000
200
40
240
Bestellungen aufgeben
lmi
Anzahl der Bestellungen
200
10.000
50
10
60
Reklamationen bearbeiten
lmi
Anzahl der Reklamationen
100
5.000
50
10
60
Abteilung leiten
lmn
-
-
7.000
-
-
-
Verrechnungssatz
Abb. 58:
7.000 100 35.000
20 %
Beispiel für die Berechnung eines Verrechnungssatzes
3.7.16.3 Hauptprozesskostensätze und Kalkulation Die prinzipielle Berechnung der Hauptprozesskostensätze erfolgt analog zur Berechnung der Teilprozesskostensätze. Diejenigen Teilprozesse wurden zu den Hauptprozessen zusammengeführt, die den gleichen Kostentreiber haben.
3.7 Lieferantencontrolling
193
Hauptprozess
Hauptprozesskosten
Hauptprozesskostensatz
Bezeichnung
Kostentreiber Anzahl der …
Menge
lmi
ges.
lmi
ges.
Material beschaffen
Bestellungen
12.000
565.000
687.335
47,08
57,28
Teilprozesskosten (EUR)
Teilprozesszuordnung
Zuordnungsanteil
Bestellungen
12.000
220.000
259.835
100%
Warenannahme
Bestellpositionen
16.000
360.000
420.000
75%
Teileprüfung durchführen
Bestellpositionen
16.000
100.000
150.000
75%
Bestellungen durchführen
Abb. 59:
Hauptprozessbildung und Hauptprozesskostensätze in der Beschaffung
(vgl. Remer 2005)
Das Ergebnis von Hauptprozesskostensätzen sind die durchschnittlich richtigen Kosten für die Durchführung eines Hauptprozesses. Der Nutzen der Prozesskostenrechnung besteht im Wesentlichen zunächst einmal darin, die Gemeinkosten im Beschaffungsbereich zu reduzieren: Zum einen aus der Gemeinkostenreduzierung durch Verringerung der Lagerbestände und zum anderen aus dem Aufbau einer prozessorientierten strategischen Kalkulation, die durch das dritte Element, ein operatives prozessorientiertes Gemeinkostencontrolling in den wesentlichen Gemeinkostenbereichen abgesichert und nachvollzogen werden muss. Durch eine Prozesskostenrechnung können eine Menge von Problemen und Fragestellungen im Beschaffungsbereich gelöst werden. Die Aussagen der prozessorientierten Kalkulation ermöglichen eine wesentlich genauere Planung und Steuerung der Beschaffungstransaktionen. Die kostentreibenden Faktoren wie Anzahl Sachnummern, Anzahl Wareneingänge, Lagerart (automatisches oder Sonderlager), Teileart (A-, B- oder C-Teil) oder Größe und Gewicht werden für jedes Teil unabhängig von dessen Einstandspreis deutlich. So kann es z.B. sinnvoll sein, sehr billigen, aber großvolumigen Teilen (wie Verkleidungen oder Dämmmaterialien) mehr Aufmerksamkeit zu schenken und ihr Handlung zu verbilligen (z.B. über Änderungen der beschafften Losgrößen, JIT etc.), da die Handlingskosten dieser Teile überproportional hoch sind. In diesem Zusammenhang können weitere Fragen im Beschaffungsbereich durch die Prozesskalkulation mitbeantwortet werden, indem die Prozesse eigenständige Kostenträger (=Kalkulationsobjekte) bilden:
Wie teuer sind Sonderbeschaffungen? Wie teuer ist die Lieferantenpflege? Ist ein Multi- oder auch ein Global-Sourcing aus spezifischen Kostenerwägungen sinnvoll? Welche Beschaffungs- und namentlich welche Logistikleistungen soll man – im Zuge der Entscheidung über die Make-or-Buy-Tiefe von Beschaffungsservices – selbst erbringen bzw. auf Lieferanten verlagern Die Prozesskostenrechnung bietet somit auch Entscheidungsgründe für ein LeanSourcing. Im Zuge einer generell schlankeren und damit auch dezentraleren Unternehmensstruktur ist eine Umorientierung in der Beschaffungspolitik zu beobachten: So
194
3 Beschaffungscontrolling
kommt den immer eher als Profit – denn als bloße Cost-Centers geführten Unternehmenseinheiten, die teilweise sogar rechtlich verselbständigt werden, auch eine Art „Beschaffungsautonomie“ zu, welche Beschaffungsquellen ein einzelnes Profit-Center pflegt: Auf diese Weise kommt es dann sehr häufig – aus Holdingsicht der Konzernspitze – zu schlankeren Beschaffungsstrukturen (vgl. Witt 1992, S. 39). Eine weitere Einsatzmöglichkeit der Prozesskostenrechnung in der Beschaffung ergibt sich aufgrund eines Source-Ranking. Eine deckungsbezogene Perspektive tritt auch beim Source-Ranking entsprechend auf, indem nämlich einzelne Lieferquellen nun Prozesskosten zugeordnet werden. Abbildung 60 veranschaulicht eine solche Rechenstaffel und zeigt damit grundsätzliche Prozesskostenbereiche in der Lieferantenbeziehung deutlich auf.
Source-Oppourtunitätserfolg im Sources-Vergleich ./.
direkte Erfolgsschmälerungen (z.B. nicht ausgenutzte Rabatte) Source-Nettoerfolg
./.
Einzelkosten des Einzelauftrags Source-DB I
./.
Kosten aus direkter Lieferantenpflege Source-DB II
./.
Source-Akquisition und Vertragsanbahnung (Rahmenvertrag) Source-RestDB I
./.
sonst. kontinuierliche Sourcebetreuung u. diesbezügl. Reisekosten Source-RestDB II
./.
Kosten aus techn. bedingtem Sourcekontakt (z:B. luk-Techniken) Source-RestDB III
./.
Logistik-Prozesskosten I (z.B. Anlieferung, Umpacken) Source-RestDB IV
./.
Logistik-Prozesskosten II (z.B. Qualitätssicherung) Source-RestDB V
./.
sonstige einzelkostennahe Kosten Gesamt-DB
Abb. 60:
Source-Ranking
(vgl. Witt 1992, S. 45)
Wenngleich bei der Kostenermittlung überwiegend Vollkosten geschlüsselt werden, so gibt eine solche, stark monetär orientierte Rechnung doch eine deutliche Zusatztransparenz zu
3.7 Lieferantencontrolling
195
sonstigen arbeitenden Lieferantenanalysen, da nun innerhalb der Source-Erfolgsrechnung die quantitativen, d.h. monetären Konsequenzen einzelner Lieferantenbeziehungen offengelegt werden müssen: Erfahrungsgemäß diszipliniert das den einzelnen Bewerter doch sehr und führt ihn zu realistischeren Bewertungen als im Vergleich zu rein qualitativen Scoringverfahren, die mitunter zu stark die subjektive Komponente in den Vordergrund rücken.
3.7.17
Target Costing
Target Costing – auch Zielkostenmanagement genannt – ist ein retrogrades Verfahren der Kostenplanung, das nicht auf die Kostenminimierung bei der Produktion, sondern auf die frühen Phasen im integrierten Produktlebenszyklus abzielt und versucht, bereits in der Entwicklungsphase eines Produktes Einsparungspotenziale zu realisieren. Der Target Costing-Prozess ist in das Gewinnmanagement eines Unternehmens eingebunden und beginnt mit der mittel- bzw. langfristigen Gewinnplanung. In dieser Planung werden in erster Linie Entwicklungspläne für neue Produkte, Umsatzpläne, Investitionspläne und Personalpläne berücksichtigt. Anhand dieser Pläne wird der Target Profit (Zielgewinn) festgelegt. Target Costing geht von dem Grundgedanken aus,
dass modernes Kosten- und Preismanagement seinen Ursprung in den Bedürfnissen der Kunden haben muss, d.h. Kostenstruktur sowie Preisgestaltung des Produktes bzw. einer Leistung konsequent an den Erfordernissen des Marktes ausgerichtet werden müsse, dass nicht die individuellen Kosten das Preisniveau, sondern die aus der Konkurrenz geborenen Preise das Niveau der im Markt durchsetzbaren Kosten bestimmen und dass daher jede Entwicklungsarbeit mit dem Zusammenwirken von Mitarbeitern aus den technischen und kaufmännischen Bereichen beginnen sollte, um jene im Markt durchsetzbaren Kosten zu bestimmen und daraus gemeinsam konkrete Zielstellung (Target Cost) für die funktionsbestimmenden Komponenten abzuleiten. Die Durchführung des Target Costing kann in zwei Phasen unterteilt werden, in die Planungs- und in die Umsetzungsphase.
In der Planungsphase wird das gewünschte Produkt bzw. die gewünschte Leistung festgelegt. Mit Hilfe der Marktforschung werden die von den Kunden gewünschte Funktion und die Zahlungsbereitschaft ermittelt. Aus den mit Hilfe der Marktforschung gewonnenen Daten wird der Produktnutzen auf den Funktions-, Komponenten- und Teilebenen festgelegt, und es werden die realisierbaren Absatzmengen zur Budgetierung abgeleitet. In der Umsetzungsphase werden die geplanten Produkte und Prozesse im Unternehmen realisiert. Ein weiterer Punkt ist der Abbau der Differenz zwischen den Kosten, die bei der Herstellung verursacht werden und den erlaubten Kosten, die nicht überschritten werden sollen. Des Weiteren findet in der Umsetzungsphase eine kontinuierliche Erschließung weiterer Kostensenkungspotenziale statt. Das Target Costing besteht aus folgenden Schritten (vgl. Piontek 2005, S. 332ff.): 1. Festlegung der Gesamtzielkosten des zukünftigen Prozesses/Produktes, 2. Zielkostenspaltung und 3. Zielkostenerreichung.
196
3 Beschaffungscontrolling
Zu 1.) Die Zielkosten können wie folgt festgelegt werden:
Market into Company: Hierbei werden die Zielkosten aus den am Markt erzielbaren Preisen und der Gewinnplanung abgeleitet. Out of Company: Die Zielkosten werden bei dieser Methode aus konstruktions- und fertigungstechnischen Faktoren, vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, vorhandenem Erfahrungsschatz und vorhandenen Produktionsmöglichkeiten abgeleitet. Into and out of Company: Dies ist eine Kombination aus den beiden erstgenannten Möglichkeiten. Out of Competitor: Die Zielkosten werden anhand von Prognosen über Konkurrenzdaten errechnet. Out of Standard Cost: Die Zielkosten werden hierbei aufgrund vorhandener Fähigkeiten und Produktionsmöglichkeiten und vorhandenem Erfahrungsschatz durch Senkungsabschläge aus den eigenen Standardkosten ermittelt.
Zu 2.) Bei der Zielkostenspaltung werden die ermittelten Gesamtzielkosten mithilfe der Kundenwünsche und der Prozess-/Produktfunktionen in die einzelnen Komponenten zerlegt. Absicht dieses Vergehens ist es, die konkreten Ziel- bzw. Steuerungsgrößen abzuleiten. Diese Zielkostenspaltung findet mithilfe von Matrizen statt. Grunddaten sind die Kundenanforderungen an das jeweilige Produkt, die Prozessfunktion und die Produktkomponenten. Quellen zur Ermittlung von Kundenanforderungen sind: Interne Unternehmensquellen, Konkurrenzprodukte bzw. Konkurrenzdienstleistungen sowie Marktforschungsinstrumente. Bei der Festlegung der Prozess-/Produktfunktionen werden grundsätzlich zwei Methoden zur Zielkostenspaltung im Target Costing unterschieden: a)
Komponentenmethode d.h. die Zielkosten werden auf die einzelnen Komponenten bzw. auf die einzelnen Prozesse aufgeteilt; die Daten für die jeweils anfallenden Kosten werden von Vorgängermodellen bzw. Referenzmodellen genutzt. b) Funktionsmethode d.h. die Zielkosten werden aufgrund des vom Kunden erachteten Produktwertes auf die einzelnen Funktionen des Produktes aufgeteilt. Danach werden die entstehenden Kosten auf die jeweiligen Komponenten aufgeteilt. Der zu ermittelnde Zielkostenindex drückt das Verhältnis: % % aus. Idealerweise ist ein Zielkostenindex von 1 zu erreichen, da somit die Wertschätzung der Komponente sich exakt mit dem Kostenanteil deckt. Der Beschaffer muss seinen Zulieferern klar machen, dass die Bedeutung der Komponente wichtiger ist, als es die anteiligen Kosten bislang ausdrücken. Kurzum könnte die Komponente teurer und somit sehr wahr-
3.7 Lieferantencontrolling
197
scheinlich qualitativ hochwertiger sein. Ist der Zielkostenindex kleiner 1, übersteigen die Kosten eines Prozesses den eigentlichen Wert. Da die Zielkostenspaltung als Herzstück des Target Costing angesehen werden kann, ist festzustellen, dass die Bestimmung der Beschafferanforderung ausschlaggebend für die Exaktheit des Target-Costing-Prozesses ist. Ferner ist die genaue Analyse der Prozessfunktionen wichtig, da Prozessfunktionen das Bindeglied zwischen den eigentlichen Komponenten und den immateriellen Beschafferanforderungen darstellen. In Bezug auf Lieferanten ist zu erkennen, dass gerade bei Unternehmen mit hohem Fremdbezug und Multiple Sourcing die Lieferanten selten die absolut richtigen strategischen Entscheidungen zur Verbesserung des Produktes treffen. Jeder einzelne Lieferant könnte sein Produkt zwar verbessern oder selbst Kosten in der Herstellung senken, doch oft kann nur der Beschaffer mithilfe von Target Costing die Lieferanten auf den richtigen Weg lenken. Im Falle einer Qualitätssteigerung seitens des Zulieferers an einer Komponente bei gleich bleibenden Kosten würde das Unternehmen nicht direkt davon profitieren, wenn die relative Bedeutung der Komponente für das Produkt/den Prozess gering ist oder die Kosten schon in idealer Relation zu der relativen Bedeutung stehen, d.h. im Toleranzbereich liegen. Im Gegensatz dazu muss ein Unternehmen auch über die Preise für Teile von Lieferanten nachdenken, die einen Zielkostenindex von niedriger 1 haben. Diese Teile wären – gemessen an der ihnen zukommenden Bedeutung – zu teuer. Zu 3.) Die Zielkostenerreichung beinhaltet alle Maßnahmen, die nötig sind, um die Erreichung der angestrebten Zielkosten sicherzustellen. Um Zielabweichungen außerhalb einer zuvor festgelegte Toleranzgrenze zu vermeiden, sollte wie folgt vorgegangen werden: a) Suche nach Möglichkeiten: „Wie können die angestrebten Zielkosten auf Komponentenebene erreicht werden?“ b) Prüfung der Möglichkeiten nach wirtschaftlichen und technologischen Auswirkungen. c) Bei einer positiven Bewertung: „Umsetzung“. d) Bei einer negativen Bewertung: „Suche nach Alternativen“. Für den Beschaffer hat das Target Costing bei Neu-Einkäufen große Bedeutung und hilft folgende Fragen zu beantworten (vgl. Kipp-Weike 2008, S. 13): Gibt es vergleichbare Produkte? Gibt es einen Marktpreis? Welchen Nutzen will ich einkaufen? Welchen Preis will ich erzielen? Gibt es Marktrestriktionen für das eigene Produkt? Welche Bestandteile hat das Produkt? Gibt es für diese Komponenten einen Marktpreis? Wird das Produkt nur für unser Unternehmen gefertigt? Muss ich mich hinsichtlich Bezugsdauer und Mengen festlegen? Gibt es Alternativen hinsichtlich des Lieferanten? Gibt es Alternativen hinsichtlich des Materials? Kostensenkungen sollten auch mit den Lieferanten diskutiert werden, um gemeinsam die Kosten zu senken. Hier empfehlen sich u.a. folgende Instrumente:
198
3 Beschaffungscontrolling
Simultaneous Engineering Simultaneous Engineering (SE), das eine Art von Entwicklungskooperation zwischen Beschaffer und Lieferant darstellt, hilft die Zielkosten zu realisieren. Simultaneous Engineering lässt sich wie folgt kennzeichnen:
parallele Produkt-/Prozessentwicklung, interdisziplinäre Teamarbeit, teamorientiertes Partnerschaftsverhältnis, Übertragung von Entwicklungsverantwortung auf den Lieferanten, stark ausgeprägtes Kommunikationsnetz und frühzeitige Einbeziehung der Beschaffungsabteilung.
Wertanalyse Hierbei werden mit dem Lieferanten Unwirtschaftlichkeiten in der Prozesskette des Lieferanten aufgedeckt, indem folgende Fragen gestellt werden (vgl. Kipp-Weike 2008, S. 16):
Kann der Einkaufspreis durch andere Konditionen gesenkt werden? Kann ein günstigerer Lieferant gefunden werden? Kennt der Lieferant die Funktion des Teils? Kann der Lieferant Vorschläge zur Kostensenkung machen? Ist der Lieferant bereit, Wertanalyse anzuwenden? Ist der Einkaufspreis gerechtfertigt im Vergleich zu ähnlichen Einkaufsteilen, zu den geschätzten Kosten im Werk des Lieferanten, zur Eigenfertigung? Ist Eigenfertigung wirtschaftlicher?
Benchmarking Für das Target Costing stellt das Benchmarking ein wichtiges Hilfsmittel dar, indem es Produkte, Funktionen und Prozesse innerhalb der Organisation der Lieferanten mit denen von „Best-practice Unternehmen“ vergleicht und dabei Potenziale zur Kostensenkung und Leistungsverbesserung aufdeckt. Dabei wird der Primärfokus beim Benchmarking als Unterstützungsinstrument des Target Costing der Wettbewerbsvergleich von Produkt- (komponenten)kosten sein. Unternehmen, die Benchmarking als kontinuierlichen Prozess betreiben, können schnell und relativ zuverlässig Kostenvergleichswerte für einzelne Produktkomponenten zur Verfügung stellen, im ihre eigenen Zielkostenwerte daran zu messen.
3.7.18
Simlutaneous Costing
In den logistischen Schnittstellen liegen heute hohe Kostensenkungspotenziale. Demnach stellt sich die Frage nach dem Zeitpunkt und der Art der Zulieferintegration in die Prozesskette. Mögliche Ansatzpunkte der Kostenverbesserung über vertikale Verbundeffekte sind beispielsweise die Schaffung einer erhöhten Planungssicherheit für den Zulieferer durch frühzeitige Bedarfsanmeldungen, die Vermeidung paralleler Abläufe (etwa bestimmte Logistikoder Qualitätskontrollabläufe) oder die Nutzung von Einkaufsvorteilen durch gemeinsame Beschaffung. Das Konzept des Simultaneous Costing integriert die Kostenoptimierung als zentralen Bestandteil in den Entwicklungsprozess. Vorgeschlagen wird ein iterativer Prozess aus Produkt-
3.7 Lieferantencontrolling
199
konzeption, Konstruktion und Kalkulation, der sich an vom Kunden vorgegebenen Zielkosten orientiert. Daher durchläuft Simultaneous Costing die verschiedenen Phasen des Produktentwicklungsprozesses iterativ, um eine anfangs noch grobe Kostenkalkulation schrittweise zu verfeinern. Auf diese Weise wird der Vergleich verschiedener konstruktiver Alternativen möglich – und somit eine Reaktion auf Abweichungen von anfänglich festgelegten Zielkosten. Der Ablauf des Simultaneous Costing umfasst folgende Schritte: 1.
Kunde: Abgleich von Preisvorstellungen und Kundenanforderungen. 2. Konzeption: Zerlegung der Produktanforderungen in immer detaillierte Teilfunktionen, Überblick über alle Produktfunktionen sowie Transformation der Anforderungen und Funktionen einer Produktarchitektur. 3. Konstruktionsalternativen: Erarbeitung von Konstruktionsalternativen und Übersetzungen der Funktionsstruktur in verschiedene Konstruktionsalternativen. 4. Kalkulation: Monetäre Bewertung der teile- und prozessbezogenen Kosten, Transparenz der Cost Driver, Abgleich mit den Kundenvorstellungen und Schätzung der Gemeinkosten. 5. Kostenoptimierung: – Kostensenkung durch Vereinfachung von Konstruktion und Fertigung, – Kostensenkung durch Beschaffung und SCM-Management, – Kostensenkung durch Reduzierung der Produktanforderungen und – Erhöhung der Zielkosten bzw. –preise. In diesem Zusammenhang werden Cost Tables mit den Partnern entwickelt. Cost Tables sind Datenbanken, welche die Kostenwirkungen der alternativen Verwendung unterschiedlicher Materialien, Produktionsmethoden, -abläufe und Produktgestaltungen abbilden können. Cost Tables dienen:
zur Beantwortung von zulieferspezifischen Fragestellungen und Fremdbezugsmöglichkeiten (welcher Zulieferer?), gemeinsam mit dem Benchmarking zur Zuliefererberatung (Wie kann ich meinen Zulieferer bei der Zielkostenerreichung unterstützen?), als gemeinsamer Informationspool für Zulieferer und Abnehmer und zur Information über Eigenfertigungs- und Montagemöglichkeiten und die jeweiligen Kosten bei der Konstruktion eines neuen Produktes oder der Herstellung bereits entwickelter Produkte. Erfolgt eine solche enge Einbindung der Zulieferer in das Target Costing-Team, werden die Zulieferer frühzeitig, d.h. vor der endgültigen Fixierung der technischen Lösungen und der Festlegung der Produktgeometrie, in das Produktentwicklungsteam mit einbezogen, um deren Ideen zur umfassenden Kostensenkung nutzen zu können.
3.7.19
Beziehungscontrolling
Partnerschaften zwischen Unternehmen können sich aus verschiedenen Konstellationen heraus entwickeln, etwa von einem einzelnen Unternehmen vorangetrieben oder aus einer
200
3 Beschaffungscontrolling
länger bestehenden Geschäftsbeziehung erwachsend. Ein Beziehungscontrolling hat die Aufgabe, Kriterien zu definieren, die den aktuellen Stand einer Partnerschaft messbar machen, unabhängig von der Vorgeschichte der Partnerschaft. Weiterhin ist zu identifizieren, in welchen Bereichen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit Verbesserungen erzielt werden können. Das Vertrauenscontrolling als zweiter Aufgabenbereich überwacht die Qualität der Vertrauensbasis in einer Partnerschaft (vgl. Weber 2002, S. 205). Ein Beziehungscontrolling hat zuerst die Aufgabe, eine gemeinsame Planung der Aktivitäten und Ziele der Supply Chain-Partner zu ermöglichen. Es muss ein unternehmensübergreifender Controlling-Zyklus etabliert werden. Ausgangspunkt sollte hierbei eine gemeinsam festgelegte Strategie sein, die von allen Supply Chain-Partnern als sinnvoll betrachtet wird und mit den individuellen Unternehmensstrategien kompatibel ist. Ausgehend von dieser Strategie sind regelmäßig Ziele für die gesamte Supply Chain festzulegen. Damit eine eindeutige Messbarkeit ermöglicht wird, sollten die Ziele möglichst quantifiziert werden. Neben Kosten-, Leistungs- und Erlöszielen sind Ziele, die Aussagen über die Kooperationsintensität ermöglichen (wie z.B. die Anzahl gemeinsamer Projekte), zu berücksichtigen. Kongruenz und Verbindlichkeiten lassen sich als wesentliche Anforderungen an die Ziele festhalten. Vertrauen ist ein „psychologisches Phänomen“, das seine Erklärung nicht in einem einzigen Faktor findet. Die Messung ist daher schwierig, muss jedoch trotzdem vollzogen werden, um den Status innerhalb der Partnerschaft kontrollieren zu können (vgl. Busch 2004, S. 155). Folgende Faktoren können das Vertrauen positive beeinflussen und eine quantifizierbare Aussage über das Vertrauen in der Partnerschaft ermöglichen:
Zuverlässigkeit: Die Partner halten sich an vereinbarte Abmachungen. Kompetenz: Die ausgewählten Partner verfügen über nachgewiesene technologische Kompetenz und stellen kompetente und erfahrene Mitarbeiter für die Zusammenarbeit zur Verfügung. Emotionales Vertrauen: Die Mitarbeiter, die die Schnittstelle der Zusammenarbeit bilden, besitzen gutes technologisches Know-how, gute Führungsfähigkeiten und gesunden Menschenverstand. Verletzbarkeit: Ein fairer Informationsaustausch, der keinen der Partner benachteiligt, stellt sicher, dass kein Partner das Gefühlt hat, ungerecht behandelt zu werden. Loyalität: Demonstration einer hohen Einsatzbereitschaft für die Partnerschaft zeigt dem Partner, dass man die Partnerschaft ernst nimmt. Um die Abschätzung der Vertrauenswürdigkeit von Kooperationspartnern vornehmen zu können, bietet sich die vorherige Klassifizierung der Lieferanten oder Kunden beispielsweise nach A-, B- und C-Lieferanten bzw. –Kunden an. Sie kann als Ausgangspunkt für das Beziehungscontrolling genutzt werden. Nach der Klassifizierung kann das geeignete Instrument für die Messung der Vertrauenswürdigkeit eines Kooperationspartners festgelegt werden. Hierbei gilt: Je unwichtiger eine Kooperation für das Unternehmen ist, desto weniger Aufmerksamkeit soll dieser gewidmet werden. Bei Partnern, die maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen, sollte eine regelmäßige Abschätzung der Vertrauenswürdigkeit erfolgen. Die Beurteilung der wichtigsten Lieferanten erfolgt meist in Form eines Gesprächs, in dem über zukünftige Entwicklungspotenziale der Zusammenarbeit, oder auch über vergangene Schwierigkeiten oder Lösungsmöglichkeiten diskutiert wird. Hierbei werden zusätzlich In-
3.7 Lieferantencontrolling
201
formationen ausgetauscht, welche bestimmen, wie man in Zukunft miteinander umgeht bzw. wie in der Zukunft mit Schwierigkeiten umgegangen wird. Differenzierte Instrumente des Beziehungscontrolling sind (vgl. Czenskowsky/Piontek 2007, S. 135): Der Werte-Check Der Werte-Check des Lieferanten erfolgt einmalig, wobei die nötigen Daten zu Anfang einer Beziehung erhoben werden. Der Werte-Check ist die einfachste, aber auch unpräziseste Möglichkeit bei der Unterstützung der Partnerauswahl. Bei der Auswahl der Lieferanten werden bestimmte operationsrelevante Wertvorstellungen der Lieferanten überprüft, und es wird betrachtet, ob diese nicht konträr zu denen des auswählenden Unternehmens sind. Bei diesem Instrument wird hauptsächlich darauf geachtet, dass die Gefahr durch Kooperationen begrenzt wird und beispielsweise der schlechte Ruf des Lieferanten nicht auf den des auswählenden Unternehmens übertragen wird. Dieses Instrument lässt aber vollkommen außer Acht, welche Chancen/Potenziale Kooperationen haben können. Der Kooperationsfragebogen Grundvoraussetzung für den Kooperationsfragebogen ist die Mitarbeit von mindestens zwei Mitgliedern in der Supply Chain, d.h. z.B. der Lieferant und der Beschaffer sollten ihn ausfüllen. Er sollte bei besonders wichtigen Beziehungen angewendet werden, da er einen hohen Aufwand fordert. Die Durchführung sollte erfolgen, bevor die Beziehung als problematisch angesehen wird. In dem Fragebogen sollten Fragen formuliert werden, die klären, für welche Werte das Unternehmen steht. Ein Fragebogen soll dabei helfen, die Vertrauenswürdigkeit der Kooperationspartner feststellbar bzw. abschätzbar zu machen. Es sollte schon herangezogen werden, wenn ein Vertrauensverhältnis beginnt, fragwürdig zu werden, und nicht erst, wenn die Beziehung bereits problematisch ist. Die Aspekte und Fragen, die in einem Fragebogen erfasst werden, sind unternehmens- und kooperationsspezifisch; so stellt jedes Unternehmen andere Anforderungen an seine Partner. Value Balanced Card Die Value Balanced Card hilft dem Controller bei der Entscheidung, ob in unsicherer Umweltsituation, die zwar hohe Kooperationsgewinne, aber auch ein hohes Ausbeutungsrisiko verspricht, eine Kooperation mit einem potenziellen Partner eingegangen werden sollte oder nicht. Sie misst dazu die kooperationsfördernden Werte der Partner. Sie kann aber einen Kooperationsfragebogen nicht ersetzen, sondern ist nur ergänzend wirksam. Vielmehr ermöglicht sie einen systematischen Vergleich der Wertvorstellungen zweiter Akteure in Bezug auf Ähnlichkeit dieser Vorstellung. Die Ähnlichkeit dieser Wertevorstellung ist für Kooperationen bedeutsam, da sich die Partner in unstabilen Situationen aufeinander verlassen und auf weiter kostspielige Vertrauensprüfungen verzichten können. Bei der Value Balanced Card werden Ähnlichkeiten von Werten derjenigen Personen bzw. Organisationen abgebildet, die zu dem Verlauf einer Kooperation beitragen. Wenn es sich um Einzelpersonen handelt, so ist eine Identifizierung meist einfach. Bei der Bewertung von Organisationen bieten sich zwei Möglichkeiten an:
Betrachtung der Organisation als kollektiver Akteur (es werden die Werte der Organisation organisiert) und Untersuchung der Werte der Repräsentanten der Organisation.
4
Anhang
4.1
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4 Anhang
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4.2 Sachregister
4.2
211
Sachregister
A ABC-Analyse 37, 46, 68, 91, 92, 112, 127, 129, 130, 131, 132, 133, 144, 148 ABC-Analysen 78 Absatzreichweite 60 Abweichungsanalyse 15, 51, 53, 153 A-Lieferanten 37, 58, 116 Angebotsentwicklung 57 Angebotsverknappung 174 Audit 62, 116 Auditing 62, 63 B Balanced Scorecard 17, 100, 179, 180, 183, 184 Bereitstellungsqualität 172 Berichtswesen 15, 53, 154 Beschaffungsmarktkonstellationen 32 Benchmarking 30, 31, 120, 122, 150, 158, 176, 177, 178, 198, 199 Beschaffungskosten 22, 23, 30, 45, 47, 53, 74, 81, 113, 127, 134, 141, 165, 167, 182 Beschaffungsobjektkosten 139 Beschaffungslogistik 21, 151 Beschaffungsmanagement 68, 85, 86, 127, 146 Beschaffungsmarketing 29, 32, 49, 58, 65, 75, 76, 79, 160, 169, 174, 175 Beschaffungsmarkt 21, 30, 33, 34, 37, 49, 57, 60, 75, 76, 78, 79, 80, 119, 125, 160, 163, 171 Beschaffungsmarktforschung 21, 29, 37, 46, 47, 53, 62, 65, 104, 140, 172, 173, 175 C Controller 11, 14, 15, 147, 201 Cost Driver 185, 188, 190, 199 D Datenbanken 99, 199 Diagnose 86, 168 Diskontinuitäten 13, 33, 34 Distributionsgrad 59, 162 Durchdringungsgrad 65, 173, 175
E Eigenfertigungsteile 51 Einkaufsabwicklungszeit 107 Einkaufskapazität 105 Einkaufsmarketingzeit 107 Einkaufsmarktattraktivität 94 Einkaufswertbudget 140, 143 Eintrittsbarrieren 59 F Fehlmengenkosten 155 Fertigungstiefe 24, 28 G Gap-Analyse 73, 74 Gegensteuerungsmaßnahmen 14, 15 Gemeinkosten 34, 66, 67, 110, 111, 139, 142, 143, 144, 184, 185, 187, 188, 189, 193, 199 Gemeinkostenmanagement 66 Gemeinkostenwertanalyse 187 Gesamtprozesskostensatz 192 global sourcing 26 H Hauptprozesse 128, 186 Hauptprozesskostensätze 192, 193 I Informationsfluss 31, 40, 52, 177 K Kennzahlen 16, 17, 48, 53, 57, 65, 86, 88, 95, 96, 115, 121, 150, 151, 152, 153, 154, 158, 160, 161, 162, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 172, 173, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 184 Kennzahlensysteme 57, 153, 167, 168 Kommunikationsstruktur 59, 162 Konkurrenzanalyse 59 Kooperation 30, 31, 59, 62, 80, 108, 109, 125, 162, 183, 200, 201 Koordination 11, 13, 16, 28, 34, 45, 49, 54, 96, 97, 153
212 Koordinationsfunktion 16, 54, 82 Koordinationsziel 49 Kostenoptimierung 126, 198, 199 Kostensenkungspotenziale 65, 67, 94, 121, 168, 195, 198 Kostenträgerrechnung 47 Kostentransparenz 66 L Länderstrukturanalyse 38 Lean-Sourcing 193 Lieferantenauswahl 102, 116, 127, 166 Lieferantenbefragungen 64 Lieferantenbewertung 53 Lieferanteninformationen 37 Lieferantenstruktur 69 Lieferbereitschaft 22, 155, 165 Logistik V, 30, 44, 80, 123, 176, 177, 182, 189, 198 M Makro- und Mikro-Umwelt 49 Marktentwicklung 37, 77, 140 Marktraum 60 Marktstruktur 37, 58, 59, 125, 162, 163 Materialbedarf 19, 50, 51, 94, 105 Materialien 26, 30, 33, 52, 60, 81, 112, 113, 119, 125, 127, 130, 131, 144, 154, 171, 178, 199 Materialkostensenkungspotenziale 81, 94, 107 Materialpreisstandards 140 Materialwirtschaft 46, 119, 132 Modular Sourcing 27, 28 Monitoring 41, 46, 48, 57 multiple Regressionsanalyse 64 Multiple Sourcing 27, 93, 94, 197 N Nachfragemonopol 37 O Opportunitätskosten 65, 82, 83, 168 Organisationskostenstandards 140 P Planungsfunktion 50, 51, 137, 153 Planungssystemen 39, 150
4 Anhang Preisstrukturanalyse 114, 141, 142, 143 Produktspezifische Informationen 37 Profit-Center 194 Prozesskettenanalyse 185, 186 Prozesskostenbereiche 194 Prozesskostenrechnung 17, 66, 139, 184, 185, 186, 188, 189, 190, 193, 194 Prozesskostensatz 186, 192 Punktbewertungsverfahren 54, 115 Q Qualitätsaudit 63, 116 Qualitätsgrad 175 Qualitätskontrollen 111, 112 Qualitätsniveau 22, 171 Qualitätsprüfung 84, 171, 178 Qualitätssteuerung 63 R Rivalitätsgrad 59 S Schwachstellen 103, 120, 143, 148, 154, 168, 177 Segmentanalysen 81 Segmentaufgliederung 169 Servicegrad 113, 164, 166, 175 Source-Erfolgsrechnung 195 Source-Ranking 194 Stärken-Schwächen-Analyse 50, 69 Strategisches Beschaffungscontrolling 49 Supply Chain Management 43 SWOT-Analyse 68, 69, 70 Systemlieferant 27 T Target Costing 195, 196, 197, 198, 199 Tätigkeitsanalyse 185, 186, 187 Termintreue 41, 122, 157, 159, 165, 175 Termintreuegrad 175 U Umlagesatz 192 Umschlagshäufigkeit 182 Umweltanalyse 56, 57, 59 Umweltentwicklungen 13, 47 Umweltveränderungen 158
4.2 Sachregister W Wertanalyse 21, 93, 104, 108, 109, 110, 111, 122, 169, 198
213 Wirtschaftsdaten 38, 51