Über Religion und Theologie: Erläuterungen zu seinem Lehrbuche der Dogmatik [2., verb. u. verm. Aufl. Reprint 2020] 9783111519531, 9783111151519


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German Pages 313 [323] Year 1821

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Über Religion und Theologie: Erläuterungen zu seinem Lehrbuche der Dogmatik [2., verb. u. verm. Aufl. Reprint 2020]
 9783111519531, 9783111151519

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Ueber

Religion und Theologie. E r l ä u t e r u n g e n 2u

L e h r b u c h e

seinem

d e r

D o g m a t i k

von Dr.

W.

M.

L.

de

W e t t e .

Certissimum est atque experientia comprobatum, levés gustus in philosophia movere fortas«« od atlieismum, «ed pleniores liaustixs ad religioneni reducere B A C O DE V I H B L A M . d e a u g m . S c i e n t . L . I

Zweite

verbesserte und vermehrte

Auflage.

B e r l i n , bei

C.

R e i m e r .

1821

»jooci0oc0>

Vorrede zur ersten Auflage.

D e r Verfasser hat es gewagt, eine etwas eigentümliche Behandlung der Dogmatik dem theologischen Publikum in der Form eines kurzen Lehrbuchs vorzulegen: ein in der That mifsliches Unternehmen! Die ganz kurze Darstellung muPste für diejenigen, welche meine mündlichen Erläuterungen nicht benutzen konnten, Undeutlichkeit mit sich führen, und Mifsverständnisse veranlassen. Es folgt hier nun, und zwar noch vor Erscheinung des zweiten Theiles der Dogmatik, (welcher nächstens der Presse wird übergeben werden) der Versuch, meine An-

I» sieht derReKgion und 1 heologie etwas deutlicher und vollständiger darzulegen. Freilich konnte ich dabei nicht ganz tief in die philosophische

Grundlegung

eingehen,

und

irmfste mich fast nur an die Resultate der philosophischen Kritik, die ich voraussetze, halten;

allein ich schmeichele mir mit der

Hoffnung,

dafs ich

meine Ansicht,

wenigstens

die allge-

welche für die Theologie

von entscheidender Wichtigkeit ist, klar genug gemacht habe. Und diese ist keine andere, als dre U n t e r s c h e i d u n g d e r v e r s t ä n d i g e n , i d e a l e n und

ästhetischen

Ueberzeugung,

ich

welche

für

den

Schlüssel der ganzen Theologie halte. Zufolge dieser Unterscheidung geht nun meine Behandlungsart der Theologie darauf h i n , d i e k r i t i s c h v e r s t ä n d i g e A n s i c h t d e r R.e-
dehre zuri> G r u n d e 'iegt, u n d w e l c h e w i r als Br-standtlieil des a l l g e m e i n e n V e r n u n f t g l a u b e n s a n e r k e n n e n m ü s s e n ; dafs G o t t d u r c h C h r i s t u s d i e W e l t e r l ö s e n wollte ( b e u e v o l e n t i a Dei universalis ordinata ) ist d i e n a t ü r l i c h b e s c h r ä n k t e Ansicht des C h r i s t e n t h u m s , welches n u r in sich das Heil setzen k a n n ( d e n n s o n s t Wäre d i e Z u v e r s i c h t zu d e r i h m i n > v o h n e n d e n Wahrheit gelähmt); u n d diese Ansicht g e h ö r t d e r r e l i g i ö s e n A h n u n g a n , welche in d e n b e s o n deren Erscheinungen der Geschichte die Erschein u n g des G ö t t l i c h e n findet. D a f s G o t t a u c h j e d e n E i n z e l n e n d u r c h d e n G l a u b e n an C h r i s t u s Selig zu m a c h e n beschlossen h a b ? , ist n u r d i e A n w e n d u n g jener allgemeinen Idee in dem b e sotidern Bewuistseyn des einzelnen Gläubigen. W i r s t e i g e n auf d i e s e W e i s e a u s d e m G e b i e t d e s V e r n u n f t g l a u b e n s i m m e r t i e f e r in das G e b i e t d e r A h n u n g herab. D i e s e A n s i c h t h ä n g t mit d e r I d e e d e r U n w i i r d i g k e i t und. des U n v e r m ö g e n s des Menschen zusammen. Der Gläubige ahnet deoiiithig u n d f r e u d i g , dafs- ihm d i e E r l ö s u n g n u r von d e r G n a d e G o t t e s k o m m t , u n d dafs s e i n H e i l , auf G o t t e s ewigen Rathschlufs g e g r ü n d e t , s o s i c h e r u n d u n w a n d e l b a r , wie d i e s e selbst, ist. E r d a n k t es d e r g ö t t l i c h e n F ü g u n g u n d E i n w i r k u n g , d a f s e r g l ä u b i g und selig g e w o r d e n , n i c h t seiner eigenen Kraft und W e i s h e i t ; darum aber f ü h l t e r sich a u c h d a r i n so fest u n d s i c h e r , w e i l e s i h m n i c h t s I r d i s c h e s r a u b e n kann« i n d e m z w a r

»47 sein W i l l e und s e i n e E r k e a n f t i i f s «lern irdischen W a n d e l erliegt, nicht a b e r d i e gütt liehe G n a d e . U e b e r diese Idee ist im Allgemeinen kein Streit, es sei d e n n , dafs man im Irrthum d e s P e l a g i u s b e f a n g e n , d e r menschlichen K r a f t d i e E r l ö s u n g beilegen wollte. A b e r streitig ist die mit dieser A n s i c h t ' V e r b u n d e n e entgegengesetzte, über die Ungläubigen, und dadurch ist auch die b e s o n d e r e F a s s u n g der ersteren verwirrt w o r d e n . W e n n d a s S c h i c k s a l d e r G l ä u b i g e ü von G o t t beschlossen und g e o r d n e t i s t , so ist es auch das Schicksal d e r U n g l ä u b i g e n ; sind j e n e von G o t t e wählet, s o sind d i e s e D a r ü b e r ist n u n auch rioch Von ihm verworfen. k e i n S t r e i t ; denn was geschieht, geschieht d u r c h G o t t e s Willen. N u n a b e r werden d i e G l ä u b i g e n d a d u r c h erwählt, dafs in ihnen d e r G l a u b e vom. heil. G e i s t erweckt wird, u n d s o mufs man anch a n n e h m e n , dafs d i e U n g l ä u b i g e n d a d u r c h v e r w o r f e n w e r d e n , dafs G o t t in ihnen nicht d e n G l a u b e n wirkt. D a d u r c h aber seheint G o t t als U r h e b e r d e s B ö s e n g e d a c h t zu w e r d e n , w a s er nicht seyn kann. Calvin s c h e u t e sich vor dieser F o l g e r u n g nicht, u n d n a h m wirklich einen z w i e f a chen Rathschlufs G o t t e s an, die e i n e n durch d e n G l a u b e n selig zu m a c h e n u n d d i e a n d e r n d u r c h d e n U n g l a u b e n zu verwerfen. D i e Lutheraner h i n g e g e n n a h m e n richtig ein allgemeines W o h l w o l l e n G o t t e s a n , wornach er Aller M e n s c h e n E r r e t y i n g wolle, d e n b e s o n d e r n Rathschlufs a b e r f a ß t e n s i e s o , dais d a b e i d i e B e d i n g u n g des G l a u b e n s u n d des U n g l a u b e n s auf S e i t e n der M e n s c h e n vorausgesetzt w e r d e n m ü s s e , u n d verwerf e n d i e A n n a h m e eines u n b e d i n g t e n Rathschlus-

3 48 ses. Sie hatten Recht, w e n n sie den U n g l a u b e n dem Menschen selbst als e i g e n e S c h u l d beilegten, denn das Böse ist immer des Menschen eigene Schujd, Unrecht aber, w e n n sie den G l a u b e n nicht als das strenge W e r k der göttlichen G n a d e , und ihn halb und halb als unabhängig von d e r selben ansahen, w a s mit der L e h r e von» U n v e r m ö g e n des M e n s c h e n streitet; auch konnten s i e d a n e b e n nicht l ä u g n e n , dal's der M e n s c h auch zum Unglauben durch G e b u r t u n d Schicksal, mithin durch einen göttlichen Rathschlnfs, g e führt wird, womit die Bedingtheit des Rathschlusses der V e r w e r f u n g w i e d e r aufgehoben \yjrd. U m aus diesen W i d e r s p r ü c h e n den A u s w e g zu finden, stelle man sich auf den Standpunct, v o n w e l c h e m aus man den Zwiespalt des G u t e n u n d B ö s e n , nnd den Sündenfall als schon g e g e b e n betrachtet. S o hat man nicht die e w i g e W e l t G o t t e s , sondern, die endliche Sinnenwelt, u n d nicht die absolute, im G l a u b e n gefafste, s o n dern die b e d i n g t e , i n der Erscheinung g e a h n e t e W i r k s a m k e i t G o t t e s im A u g e . Es fragt sich, w i e w i r uns die W i r k s a m k e i t G o t t e s in den V e r h ä l t nissen der W e l t zu d e n k e n haben. Es ist klar, dafs wir hier nur die Ansicht G o t t e s im V e r h ä l t niis zur W e l t u n d N a t u r , nicht als des h ö c h s t e n heiligen W e s e n s zu d e n k e n haben. A l s solches hat G o t t mit dem B ö s e n nichts zu t h u n ; i n s o f e r n er aber i n der W e l t erscheint, ist er freilich eben so heilig und eben so w e n i g einer T h e i l nahme ani B ö s e n f ä h i g , aber er erscheint doch wenigstens im Kampfe mit dem Bösen, als Erlöser und Richter. D e r V a t e r richtet niemand, alles G e r i c h t hat er d e m S o h n e übergeben (Joh.V,22.)

349 und zwar darum, weil er der Menschensohn ist (v. 37 ) , d. h. weil; er der im Menschen erscheinende Gott ist. D9 nuq krafr der Sündhaftigkeit der Menschet! der Gegensatz des Guten und Bösen in der Welt ist, so wirkt Gott auch diesem Gegensatz gemäße und erwählt die einen zum Glauben, und verwirft die andern durch ihren Unglauben, der zwar sein W e r k iu sofern ist, als er ihnen nicht die Einwirkung des G e i stes bat zukommen lassen, aber eigentlich doch ihr eigenes W e r k ist, weil sie des Unglaubens fähig sind und ihr Herz dem Glauben verschlossen haben- W ä r e n sie nicht von Natur böse, so würde sich ihnen der gute Geist nicht entzogen haben, welcher allgegenwärtig und io ihrem eigenen Gemüth vorhanden, aber unterdrückt ist. So wie Gott als Erlöser in den Gegensatz des Guten und Bösen eingeht, so auch der heilige Geist, welcher gleichsam als endlich und b e schränkt gedacht wird, nicht an sich, sondern iu sofern er wirksam erscheint. Sonach ist die Verwerfung zugleich Gottes und auch der Menschen W e r k , und das letztere in sofern, als darin das Bose erscheint, das erstere aber nur in sofern, als dadurch der Kampf mit dem Bösen und die Erlösungsgeschichte ihren Fortgang nimmt, mithin in sofern darin etwas Gutes ist; denn G o t t kann nur Gutes wirken. D i e Verwerfung der Ungläubigen ist bedingt durch die Erwählung der Gläubigen, und davon das Widerspiel; wäre keine Erlösung und kein W e g des Heils gegeben, so wäre weder Erwählung, noch Verwerfung. Beides gilt nur in Beziehung auf das Erlösungswerk, welches etwas geschichtliches ist, und daher ist

aSo

zwar die Erwählung ewig und unwandelbar, weil das ewige Heil in der Geschichte erschien e n ist, aber nicht die Verwerfung k a n n ewig u n d unwandelbar s e y n , weil das Böse keine ewi^e Realität hat. In der T h a t dürfen wir gar nicht behaupten, dafi diejenigen, die wir für Uligläubige halten, es gänzlich Seyen, gänzlich böse und gottlos. Nichts rein Böses k a n n existiren, d e n n alles, was ist, ist gut, und wer das Leben, wer einen menschlichen Geist h a t , k a n n nicht schlechthin böse seyn. Somit heben wir aber die Lehre von der ewigen Verdammnifs auf, u n d wif wir diefs rechtfertigen k ö n n e n , wird sich weiter unten zeigen. Calvin irrte darin, dafs er dieses Eingreifen der Gottheit in die Verhältnisse der W e l t als absoluten Rithschlufs fafste, und e» somit, u m nach unserer Ansicht zu reden, dem Vater, nicht d e m Sohne und Geiste zuschrieb, wodurch i n das höchste Wesen- selbst Zwiespalt gesetzt wird. Aber die Lutheraner sind in denYselben Irrthum, und tragen die Bedingtheit in das göttlithe W e sen, indem sie den göttlichen Rathschlufs vom Glauben der Menschen abhängig m a c h e n , w o durch sie ohnehin mit der Lehre von dem U n vermögen des Menschen in Widerspruch gerathen. Man mufs den Begriff der Erwählung eigentlich so fassen, dafs sie zum Glauben und d a durch zur Seligkeit, nicht aber, dafs sie unter Voraussetzung des Glaubens zur Seligkeit g e schehe. Und so treten wir in die Mitte zwischen die calvinische und lutherische L e h r e , und nehmen mit dieser einen allgemeinen Rathschlufs Gottes zur

25t Erlösung aller Menschen an, mit jener aber eine freie Erwäh'ung zum Glauben urnl auch eine vom Unglauben der E'nzelnen unabhängige Verwerfung der Ungläubigen, die jedoch durch die Sündhaftigkeit der Menschen im Allgemeinen bedingt ist *). Das Dogma von Per Gottheit Christi sind wir weit entfernt umstofsen zu wollen, ob wir es gleich für einen widersprechenden Begriff" halt e n , die Got>heit mit der Menschheit in einpm Individuum vereinigt zu d e n k e n , weil d s d u r r h die Gottheit zu einem Endlichen herabgewürdigt u n d eigentlich nicht mehr als solch«» gpdacht wird. Es soll diese Lehre aber auch kein Begriff, sondern eine ästhetische Idee seyn , u u 4 die Dogmatiker mit ihren Begriffs - Bestimmungen der beiden N a t u r e n in Christo u. s. w. haben hier alles verdorben. D e r fromme Christ, überzeugt von der göttlichen Wahrheit der Lehre Jesu, von der in der Einführung derselben sichtbar gewordenen Weisheit und G n a d e Gottes, und ergriffen von der Reinheit und Erhabenheit des. Charakters J e s u , glaubt und schaut in ihm die leibhafte Gottheit, aber er grübelt nicht d a r über, und fragt nicht, wie es möglich sei, da es ihm das lebendige Gefühl als wirklich zeigt. H i n weg also mit all jenen dürren Formeh» der D o g m a t i k , von welchen ohnehin die Bibel und der Volksglaube nichts weiis: Christus gelte uns als

*) Das Weitere 8. in meiner Abhandlung von der Erwählung

bücke

in der v o n Schleiermacher,

Je

ette

herausgegebenen theologischen Zeitschrift

und

2. H .

254

göttlicher Gesandter, als Gottmensch, als Ebenbild Gottes, man sei nicht zu karg in seiner Verherrlichung, und wäge die Ausdrücke nicht zu ängstlich ab; aber nie vergesse man, dafs dabei nicfht von VerstanclesioahrKeity sondern allein von religiöser

Schönheit

die R e d e ist, Und wer dar-

über zum Volke spricht, thue es nie ohne den Aufschwung und die Wärme der frommen Begeisterung. Hier bewährt sich der Vortheil der Unterscheidung der verständigen und ästhetischen Ansicht. Wer in der Religion nur die erste gelten läfst, mufs diese Lehre verwerfen, und consequenterweise haben es auch alle sogenannte Rationalisten 'gethan; wir aber können und müssen sie, als zur ästhetischen Ansicht gehörig, als ein schönes bedeutungsvolles Bild, stehen lassen; und nicht etfvft als ein Gedicht der frommen Phantasie, der überspannten Begeisterung, sondern als Ergebnifs ein& geschichtlich religiösen Erfahrung. £>amit aber schliefsen wir die Metaphysik davon aus, und stelle? uns auf den sittlichen Standpunct. Es ist nicht sowohl vom Wesen, als vom Charakter Christi die Rede. Die vorhandenen dogmatischen Bestimmungen über das Verhältnifs der beiden Naturen in Christo sind übrigens leicht auf das> Verhältnifs der natürlichen' und idealen Ansicht zurückzuführen, nach ¡welcher ihan Jesus betrachten kann. Mensch ist er natürlich betrachtet, und Gott ideal ästhetisch betrachtet; und so wie beide Ansichten im Grunde eins sind, so ist es nur eine Person, der Gottmensch, nicht zwei Personen, sondern zwei Naturen. Die Logik, welche dabei angewendet ist, ist sehr unbehülflich, und dient nur dazu,

a55 Irrthíímer abzuwehren, nicht aber die Wahrheit zur Ueberzeugting zu bringen. Es laufen aber auch logische Fehler mitunter j welches der Fall ist bei der lutherischen Lehre Von der communicatio idiontabum, nach weichet die richtige Idee einer Durchdringung beider Naturen dazu gemifsbraucht wird zu beweisen, dafs die menschliche Natur an den Eigenschaften der göttlichen Theií nehme. Ueberblickt man die Geschichte dieses Dog-» ma's, so bemerkt man darin leicht den Kampf der fVahrheit

mit

der Schönheit.

Die Griechen

dogmatisirten nicht über die Verbindungsart des Göttlichen mit der menschlichen Natur in ihrert Halbgötterü, weil ihre Tendenz ästhetisch war* die Christen aber, bei denen die Verstandesrichtung vorherrscht, unterwarfen dasjenige, was der Schönheit angehört, den Gesetzen der Wahrheit, und wollten es nach Begriffen denkbar gemache wissen, wie Jesus Gott und Mensch zugleich seyn könne. Der Katholicismus, nach seiner heidnisch ästhetischen Richtung, liefs diese dogmatischen Streitigkeiten ruhen; aber der Protestantismus, nach seiner Richtung auf die Wahrheit, erweckte sie wieder im Streite über die commmiicatio idiomatum< Nunmehr muís eine Zeit eintreten, wo die Schönheit neben der Wahrheit ihre Rechte behauptet. Die Versöhnungslehre ist uns nicht, wie so vielen neueren Theologen, ein für die Religion bedeutungsloser, oder wohl gar schädlicher Ueberrest des Judaismus im Christenthum. Aus dem Judenthum stammt allerdings d e r dabei vorkommende Begriff des Opfers, ist aber nur bildlich

254 gefaxt und in sofern richtig: ganz verwerflich dagegen ist die scholastische- Genugtnuungslehre, in welcher ein grober Verstand die Begriffe rechtlicher Vergeltung auf d»s höchste sittliche Verh ä l t n i s angewandt hat. Mischen wir den d e u telnden Verstand nicht ein, und fassen wir die Lehre so schwebend und geistig auf, wie der Apostel Paulus thut, der fast Alles, was wir Jesu verdanken, auf seinen T o d bezieht und als W i r kung desselben betrachtet; so erhalten wir ein schönes ästhetisch - religiöses Symbol, welches, zumal von der Kunst verherrlicht, die wohlthätigste W n kung auf das fromme Gemüth äussert und ihm die letzte und höchste Beruhigung gibt. Um dieses einzusehen, müssen wir diese Lehre in ihre rein religiösen Elemente zerlegen. Christus befreit uns durch seinen T o d von der Strafe un«. serer Sünden, und versöhnt den Zorn Gottes —* dieis, entkleidet von der beigemischten groben Vergeltungslehre, und ideal gefafst, i/eifst doch weiter nichts, als: Christus gibt dem von seiner Schuld geängstigten Gemiith den inneren Frieden wieder, dafs es sich zutrauensvoll zu Gott, dem heiligen Richter, emporrichten kann. Das Bewufstseyn der Schuld, ästhetisch gefafst, ist das religiöse Gefühl der E r g e b u n g , ip dem wir uns vor Gott beugen, uud wodurch uns die Ruhe des Gemütiis wiederkommt: denn wir können uns nicht zu dem Gedanken der heiligen allmächtigen Güte erheben, onne uns gestärkt und getröstet zu fühlen. Aus dem Gegensatz unserer Sündhaftigkeit und der Heiligkeit Gottes ergibt sich in dem gesunden, lebendigen, frommen G e niüche von selbst jene geheimnifsvolle, n u r im

Gefühle zu erfassende Vermittelung, welche der christliche Lehrbegriff Versöhnung oder Sündenvergebung nennt. Diese innere unaussprechliche Vermittelang aber mufste tbatsächlich in der Geschichte dargestellt und dadurch bewährt werden. So wie in Christo alle Ideen geschichtlich und persönlich erschienen, so auch diese höchste der Versöhnung, damit sich in ihm das ganze Leben der Menschheit spiegeln sollte. Und diefs geschah durch seinen Märtyrer - Tod. Jeder Märt y r e r - T o d ist ein Bild der Ergebung, und stellt die Erhebung des Geistes über die Widersprüche der verderbten Welt, den innern Sieg im äufsern Untergange, dar; in höherem Grade aber der Tod eines Märtyrers, der für die höchsten Güter des Geistes, die Wahrheit und Sittlichkeit und deren Einführung in die Welt starb, für dasjenige, was der menschlichen Verderbnifs ein Ende machen, die Welt von den Händen der Sünde befreien, und dem Menschen die Ruhe, des Gemüths sichern sollte. In diesem Tode Wird uns also zuerst die Anschauung der allgemeinen menschlichen Verderbnifs, welcher Jesus auf der einen Seite erlag und auf der andern entgegenwirken wollte, und zugleich unserer eigenen Sündhaftigkeit, um welcher willen Jesus gestorben ist: sodann die Anschauung der siegenden Erhebung über dieses Verderben in dem erhabenen Gehorsam Christi, mit welchem er seine Pflicht erfüllte, und durch die Kraft des Geistes die Leiden des Fleisches überwand, und in seiner Gott ähnlichen Liebe für die Menschen, deren Heil er durch seinen Tod gründen wollte, welche uns zu einem freudigen Beyyufstseyn u n -

256 Seter Würde erhebt, und uns Pfänd und Gewähr der göttlichen Liebe wird. Liebte uns der reinste Gott gleiche Mensch, und hielt uns für würdig, dafs er den T o d für uns litt) so liebt uns auch Gott* mit dem er in innigster Gemeinschaft stand, und wird uiis unsere Schwachheit vergeben, und das Gute in uns mächtig Werden lassen. Da nun Christus in dem für uns gelittenen T o d e das Höchste sittlicher Vollkommenheit uhd den Vollständigen Sieg des Geistes über das Fleisch und die Sünde dargestellt hat, so können wir durch den Glauben an ihn und seine Gemeinschaft uns dieses zu eigen machen; er erhebt Uns zu sich, wenü wir uns mit ihm kreuzigen, u n d , wie er, uns von der Herrschaft des Fleisches losmächen i und diese Zuversicht gibt uns die Seelentuhe, wir fürchten nicht mehr den Zol-n des strengen Richters, sondern sind der Gnade des liebenden Vaters gewifs geworden. Dazu kommt die historische Wichtigkeit des T o des Jesu, dafs durch ihn eigentlich der Sieg der "Wahrheit entschieden worden ist, und dafs der sterbende Christus im vollgültigen Sinne Repräsentant der christlichen Religion ist, in sofern sie die Welt erleuchtet, belehrt und beseligt hat, dafs wir Alles, was ubs das Christenthum gewährt hat, in 1 einem einzigen Bilde zusammengefafst-, in Christus am Kreuze erblicken, dafs uns folglich durch den Tod Jesu wirklich die Seelenruhe, die Versöhnung, geworden ist. — Diefs ist der reine Siön der biblischeta Versöhnungslehre, dein selbst der Begriff des Opfers keinen Eintrag thut. Denn in den Sühnopfern des A. T. sollte ebenfalls die Idee der Selbstanklage und Verläug-

257 Iäugnung dargestellt werden, indem die Opferthiere an der Stelle des Sündors starben, und dessen S'rafbarkeit versinübildeten. Dagegen fehlte dabei die Idee der sittlichen Erhebung und der verleihenden Gnade Gottes, wenigstens war diese nicht anschaulich dargestellt. Chrinus war das vollkommenste Opfer, weil er zugleich in seiner sittlichen Reinheit und Geisteskraft, und in der ihn beseelenden Liebe das Bild der geläuterten und begnadigten Menschheit wurde. D i e lutherische Dogmatik hat zur biblischen Versöhnungslehre noch die Zuthat der thätigen Genugthuung oder der Versöhnung durch sein hohes sittliches Vorbild gefügt; aber seine sittliche Reinheit ist nur die nothwendige Bedingung der Versöhnungskraft seines T o d e s , k a n n aber nicht an sich für versöhnend gelten *).

*) Krug ( d e r W i d e r s t r e i t der V e r n u n f t reit »ich selbst i n der V e r s ö h n u i i g s l e l i r e . 1802.) findet i n dieser U e b e r t r a g u n g des Verdienstes C h r i s t i diese V e r n u n f t i d e e . W e n n G o l t den S ü n d e r m i t W o h l g e f a l l e n b e t r a c h t e n s o l l e , so sei diefs blofs : n sofern f ü r u n s d e n k b a r , als G o t t n i c h t auf das s e h e , w a s j e d e r M e n s c h w i r k l i c h i s t , s o n d e r n w a s der M e n s c h ü b e r haupt w e r d e « kann. N u n sei Jesus das I d e a l d e r sittlich vollendeten Menschheit. In Rücksicht auf dieses I d e a l k ö n n e also G o t t W o h l g e f a l l e n an d e n M e n s c h e n h a b e n . N a c h unserer A n s i c h t g e n o m m e n w ä r e die Sache d i e s e : der M « n s c h finde i n der I d e e d e r B e g e i s t e r u n g ( d e r ästhetisch gefafsten B e s t i m m u n g des M e n s c h e n ) die r e l i g i ö s e R u h e , Was w i r aber n i c h t z u g e b e n k ö n n e n . B e i d e G e f ü h l e , das d e r B e g e i s t e r u n g u n d das der R e s i g n a t i o n , h a l t e n e i n a n d e r das G l e i c h g e w i c h t , u n d diese« W i d e r s t r e i t k a n n

*7

s58 Die Vers'Jhntmgslehre ist eigentlich nur die Trägerin der Rechtfertigung sichre, die mit RecBt als die Grundfeste der ganzen christlichen" Gl benslehfe betrachtet wird, und welche wir so vollkommen billigen, dafs wir fast nichts hinzuzusetzen haben. Sie stimmt ganz mit unserer Idee der Ergebiiag zusammen, nach welcher sich der Fromme im Gefühle seiner Schuld vor der heil. Allmacht beugt, und zugleich im Gedanken der ewigen Liebe seinen Trost findet; und wif empfehlet» sie als das wahre Gegengift gegen die Moraliheölogie d-^r Neueren, welche offenbar zu viel Gewicht auf die Sittlichkeit legt, und gegen die sie eben so gültig ist, wie gegen des mosaische Gesetz >und die karholisctie Genugthuungslehre Und WerkheHigkeit. Nicht durch W e r k e u n d eigenes Verdienst, welches, wit? grofs es auch nach endlichem Maaisstab sei, doch immer vör der absoluten Heiligkeit Gott-es verschwindet, sondern allein dur«li die Giiärle Gottes kann •der Mensch sehg weiden. In keinem Puncte der christlichen Dogmatik ist der reflectirende Vrstand so in Uebereinstimniung geblieben mit der idealen Ansicht wie in dieser Lehre, welche dem Verstand und der Frdmn>igkei,t des Apostels- Paulus gleichviel E i r e macnt. Möge unseren Theologen das lebendige Verständnifs dersel-

j n i r d n i c h däs h ö h e r e die g ö t t l i c h e G n a d e , Liebe kund getJian, Widerstreit zwischen sereilt U n v e r m ö g e n .

«1er A n d a c h t g e h o b e n w e r d e n ; in dem T o d e der T r e . i e u n d v e r s ö h n t a l l e i n u n d 1 ist d e n unserer Bestimmung u n d un-

2Î9 ben wieder aufgehen, da sie jetzt doch Fast gstii verhüllt und begraben liegt! W e n n sie sich iiberhailpt nur wieddr zur religiösen Ansicht Het Theologie erheben, so Wir4 ihnen auch (îiés'ë Lehre wieder in ihter grofsen Bedeutung eriHreinen und den Vön jeher behaoptetfen ersten Rang unter den Glaubenslehren von neuem einnefw inen. E s folgt nun die Eschatologie oder die Lehré von den letzten Dingen, Diese Lehre werden wir am richtigsten beurtheilen, wetin wir ihr einè mythische Bedeutung zueikennen. S i e ist zWatf nicht ohne Bedetituttg ftir den Glauben, wie denn jede gehaltvolle Mythologie auf religiösen Ideen sich erheben und gestalteh fflufs; aber d'à« Was sie zum Gegenstand d e j Glaubens macht, ist theüs schon in der Anthropologie und T h e o l o g i e dagewesen, wie die Ideen der Unsterblichkeit lind der Bestimmung des Menschen, thnls liegt es der Reil st ehre iurrl Gr im che, oder üiacht deren Gipfel aus, wie die Idee des Reiches Goit'eä in der E w i g k e i t . des Sieges des G u t e " und des Seligen L e b e n s bei G o t t ; denn das Reich G o t tes, ^as* in der Ewigkeit besteht, auf Erden zil gründen, undf dem Menschen die ewige Seligkeit tu Verleihen, ist die Bestimmung Christi auf E r den gewesen, und die Vollendung; dieses seines "W'eikes macht den Inhalt der Hoffnungen äusj t o d welchen dïe Eschatologie handelt. Inief idealen Natuf nach entbehien sie der bestimmten festen Gestalt, in welcher sie hier auftreteH, Und haben diese nüf Von einér Art voh Mythologie gewonnen. D i e religiösen Ideen der Heilslehre hatten iht ästhetisch - yetstäiidiges Fîlateriàl

17 *

aGo von der Geschichte entlehnt: die geschichtliche Erscheinung Jesu, mittelst der religiösen Ahnung halb ästhetisch, halb verständig gedeutet, war das Symbol der Erlösung und Versöhnung. Hier nun spielt Christus auch die Hauptrolle, und der Ahnung gehört ebenfalls der Gedanke, dafs durch das Christenthum da* Hose besiegt, und die Welt zum idealen Zustand zurückgeführt werden soll; es eröffnet sich hier für die christliche Geschichte die Aussicht in die ferne Zukunft, welche in die Ewigkeit verscbwimnit, und es zeigt sich die höchste Erfüllung der christlichen Ideale, wie sie in die ewigen Ideen ¡iberschweben; offenbar aber hat die dichtende Phantasie einen grofsen Theil an der Ausmahlung dieser Aussicht, und jene Ausgeburt phantastischer Hoffnungen, die jüdische Christologie, wie sie halb als dichterisches Gerüst, halb als wirkliche Ueberzeugung in dem symbolisch mythischen Gedicht der Apokalypse erscheint* ist die Grundlage dieser ganzen dogmatischen Lehre geworden. Ueberhaupt können die Ideen über das ewige W e sen der Dinge positiv nicht anders, als in mythischen Bildern ausgedrückt werden, und weit entfernt, die Bibel anzuklagen, dafs sie uns dergleichen anbietet, bedauern wir vielmehr, dals diese Mythologie uicht rein als solche anerkannt und benutzt worden ist, Woran die Dogmatiker nicht wenig Schuld haben, indem sie das, was stets schwebend und beweglich seyn mufs, als Gegenstand der religiösen Dichtung, fest und steif ergriffen und festgehalten haben, als Bes t a n d t e i l der religiösen Wahrheit. Das ächte Verfahren des Dogmatiker» wird also hier seyn,

s6i dafs PT aus dem vorliegenden domatisrhen Stoffe die dem (Jlaubei und der Ahnung angehörenden Bestandteile in ihrer Reinheit heraustrenne, und das Uehrde als Bild oder anschauliche Form stehen lasse. Mit dieser Scheidung des Ideal - Dogmati., sehen und des Geschichtlich - Symbolischen fällt zusammen die Scheidung dessen, was in dieser Lehre von der ewigen Bestimmung des einzelnen Menschen und was von der ewigen Bestimmung der ganzen Kirche vorkommt. Die ewige Bestimmung des Einzelnen ist zum Theil durch die früheren Lehren schon festgesetzt, und besteht in der Auferstehung, dem Gericht und ewigen Leben zur Seligkeit oder Verdammnifs. Wenn auch der T o d den Menschen aus der sichtbaren Gemeinschaft der Geister herausreifst, so bleibt er doch in der unsichtbaren Geisreswelt Gottes, und erntet die Früchte seines irdischen Lebens Zum Hed oder Verderben seiner Seele. Dieses Unsichtbare soll aber auch sichtbar werden in der allgemeinen Auferstehung der T o d t e n ; und hier berührt sich das Schicksal des Einzelnen mit dem Schicksal der Kirche. Der Abgeschiedene stehet noch in geistiger Gemeinschaft mit derselben, und nimmt an ihrer E n t wickelung Theil. Nun wird gehofft, dafs sie sich zur höchsten Vollkommenheit erheben und nach immer wiederholten Siegen endlich ganz über ihre Feinde triumphiren werde, und diese Hoffnung ist so wahr, dafs ohne sie in der Kirche gar keine Begeisterung, kein Muth und Vertrauen seyn könnte. Die höchste sittliche Aufgabe ist das Fleisch dem Geiste zu unterwerfen

26a und es durch denselben zu verklären, und so ist auch das Ziel der Kirche, ihre körperlich bedingte geutige Gemeinschaft immer mehr zu eilier rein geistigen zu verklären, die Herrschaft dns Fleisches zu vernichten und es in innere Harmonie nnt dem Geiste zu bringen. Wenn di^fs Ziel erreicht ist, so erscheint Christus, der fcisiier nur unsichtbar seine Kirche regiert, in sichtbarer körperlichen Gestalt. Und hat er bisher hie und da, zu d'eser oder j"ner Zeit einen. iiKer die Feinde seiner Kirche erfochten, w e z. ß. bald nacn seinem Abschiede von der Erde, durc.i die Zerstörung Jerusalems: so wird er nu.i alle Un^liiub'fjen nnt einem Male richten, und mit dem letzten und Haupttriumphe den Kampf spipej Kircife beschliplsen. Ist aber auf dieser W'eise die j^Iens c.he.n.we11 zur höchsten Vollendung gebracht, und ihr«öi Ucbilde gleich geworden, so kann die körperliche upd thierische Natur nicht im bisherigen Zustande bleiben; auch in ihr liegt ein Funke des Geistes, der n u n frei hervoi brechen muls. Zunächst wird der menschliche Körper geistig verklärt werden, was ohnehin die sittliche Aufgabe war. Sind aber die L e b e n d e n der schweren t körperlichen Bürde entledigt, so ist a.uca die Scheidewand gefallen» welche sie von den T o d t e n trennt, die nur dem Leibe nach gestorben sind, und der Seele nach n o c h leben; da sie nun beständig mit der. Kirche^ i n geistiger Gemeinschaft gestanden, so nehmen sie nun auch sichtbar an dem körperlich - geistigen oder geistig r körperlichen Leben derselben Theil, sie stehen, auf, um nie wieder ,zij sterben. U n d so \i;ie sich Körper Geist mit einander

265 durchdringen, so begegnen sich Himmel und Erde, die Erde ist himmlisch, d. h. durch das Geistige veiklärt, und der Himmel irdisch, d. h. sifchtbar und wirklich geworden. Auch diefs gehört zu der siitlichen Aufgabe der Kirche, die ja nichts als das irdische Abbild des ewigen U r bildes des Reiches Gottes im Himmel ist. So vergeht die alte Erde und der alte Himmel, u n d eine neue Welt bildet sich, in welchpr Gott allein herrschet, das Gute nicht vom Bösen gestört ist, und eine ungetrübte Ruhe u n d Seligkeit Alle umfängt. Hieraus ist klar, dafs diese Lehre von einer geschichtlichen An - und Aussicht übergeht in die Idee der Ewigkeit, und dafs man Unrecht hat, wenn man darin die reine Idee der Ewigkeit suchen zu müssen glaubt. Betrachten wir nun die einzelnen Stücke dieser L e h r e , und zwar zuerst die Lehre von der Auferstehung der Todtdu. D e m Glauben gehört der G e d a n k e eines geistigen ewigen Seyns der D i n g e ; um diesen aber nicht blofs negativ für den Verstand, sondern positiv und lebondig f ü r das Gefühl darzustellen, b e d u r f t e die Phantasie i ' eines körperlichen Substrats, und liels daher n e u e verklärte Körper und eine neue veiklarte Welt entstehen. Aber es liegt auch in diesem Bilde der wahre Gedanke, dafs im wahren Wesen der D i n g e Körper und Geist eins sind. Körper u n d Geist sind nur in der Erscheinung getrennt u n d einander entgegengesetzt, im wahren Seyn aber eins und dasselbe: müssen wir doch die Idee der Seele auch auf die materielle N>atur ausdehnen, u n d diese vergeistigen. So lehrt die Kabbala u n d

26 i oeysre

Naturphilosophie,

die R i n d e

des G e i s t e s ,

dafs

der K ö r p e r

nur

u n d erstarrter G e i s t s e i ;

Ijnd die' p a r s i s c h e P h i l o s o p h i e , w »her d i e L e h r e v o n d e r K ö i p e r a u f e r s t e h u n g s t a m m t , ist u n s t r e i tig

von

derselben

z e i g t sich alten

auch

Idee

die tiefe

heidnischen

ausgegangen. Wahrheit,

Ja.

liier

d i e in

Seelenwanderungslehre

der liegt.

Ist G e i s t und K ö r p e r ursprünglich e i n s , u n d b e d i n g e n sie sich g e g e n s e i t i g .

so k a n n

der fortle-

b e n d e G e i s t nicht o h n e K ö r p e r g e d a c h t w e r d e n , u n d rnufs, weil die K ö r p e r w e l t der U m w a n d l u n g u n t e r w o r f e n ist, e i n e n n e u e n K ö r p e r

annehmen.

D e r Fehler

nicht

dem

war

Gedanken

nur, der

dafs n u n sichtbaren

weit losmachen konnte,

groben

dogmatisirende

aus dem

Ide§

einen

geschaffen,

chen

gegen

Hilde

natürlichen

verdorben,

einer

der

übernatürli-

Verstandesbegriff

d e n sich d e r a u f g e k l ä r t e V e r -

atand sträuben mufs. den Nachtheil,

A l l e s hat hier d e r

Verstand

anschaulichen

von

Körper-

uiul d a h e r d e n G e i s t i n

i h r e n B a n d e n g e f a n g e n hielt, träge

sich

Auc»i hat d i e s e L e h r e s e l b s t

dafs s i e

das, w a s

der

Ewigkeit

a n g e h ö r t , ans E n d e d e r Z e i t , also in d i e Z e i t r e i h e s e t z t und e i n e n l e e r e n R a u m übrig l ä f s t ; n u r ist dieses w e g e n d e s Z u s a m m e n h a n g e s mit d e r £ n t wickelung

der Kirche nothwendig, und

lediglich

in dieser B e z i e h u n g z u f a s s e n , so daß» m a n s a g e n kann,

die abgeschiedenen Geister,

d i e mit

K i r c h e in geistiger Gemeinschaft stehen, mit

ihr in

che

Gemeinschaft

demselben Grade und

auch i n

erstehen

welchem

in ihr d e r K ö r p e r v o m

drungen

und

werden.

die

sittlichen

körperli-

körperlich, Geiste

Ideen

der

treten in

durch-

verwirklicht

a65 Das

jüngste

Gericht

u n d die ewige

Seligkeit

und Verdammnifs symbolisirt die Idee des siegenden Reiches Gottes in der Ewigkeit. In seiner hergebrachten Fassung hat dieses D o g m a freilich ein verständig irdisches Substrat, nämlich den Gedanken eines Gerichts und einer Vergeltung, welcher von dem iidischen Rechtsverhältn i s entlehnt ist. D a s Gute trägt seinen Lohn in sich selbst, und das B ö s e seine Strafe, und diese sittliche Vergeltung ist von der Zeit unah; aog g, und beginnt schon in diesem L e b e n . Aber hier darf die Einmischung der geschichtlichen Ansicht des Kampfes und des Sieges der Kirche nicht vergessen werden, in welchem sich eine sittliche Vergeltung im Grofsen und gleichsam sichtbar zeigt. Man d e n k e nur an den Untergang de» jüdischen Volkes, welches eine F o l g e seines U n glaubens war. D i e s e Geschichtsansicht dient eigentlich dem D o g m a vom jüngsten Gericht zum Substrat, und dadurch wird es acht ästhetischsymbolisch. Grofs und das Gefühl mächtig ergreifend ist das Bild des siegreich auftretenden K ö n i g s des Gottesreichs, wie vor ihm das Büse in den Abgrund sinkt und das G u t e im herrlichen T r i u m p h e dasteht; und so gefafst ist es das Gesammtbild des K a m p f e s der Kirche in der Zeit und ihres Sieges, in welchem ein jeder seine eig e n e Geschichte und die Geschichte aller Zeiten wieder erkenDt. E r k e n n e n wir hier eine ge~ schichtlich - mythische Symbolik a n , so k o m m e n wir auch über den schwierigen Punct der ewigen Verdämmnifs hinweg. Nämlich dieser G e d a n k e , begriffsmäfsig genommen, widerstrebt dem i d e a len Glauben. G o t t k a n n nicht einen grofsen

a66 Theil seiner GeschöpFe zur ewigen Verdammnifs bestimmt h a b e n ; er wäre sonst nicht die ewii*e Liebe, oder nicht allmächtig. In Gottes Reich k a n o es auch keinen Gegensatz geben, und e i n e n solchen enthält, die Lehre von zwei Sphären, d e r der Seligen und der der V e r d a m m t e n , welche letztere zwar aas dem W e g e geschoben ist, aber d o c h noch immer bestellt. Man sieht ein, daf» diese geschichtlich - ideale Ansicht sich nicht ü b e r das endliche VerhäJtmfs erheben k o n n t e und d u r f t e . So wie wir hier einen Geg&nsatz und Kampf des G u t e n und Bösen b e m e r k e n , so bat man als Bild des ew'gen Jenseits zwar d e n Gegensatz stehen lassen, aber statt des Kampfes den Sieg gesetzt, so dafs Zeitliches und Ewiges in einatidet flrefsen. D i e . « Ansicht hat für d i e K " r h e n l e h r e ihre e n t s c h i e d e n e G ü l t i g k e i t ; jedoch inufs die Specqlation d a r ü b e r h i n a u s g e h e n . In G o t t e s Keicb gibt es k e i n Böse$, auch nicht einmal i n ' d e r U n t e r w e r f u n g und Bestrafung; w i e aber der W i d e r s t r e i t zwischen dem G u t e n u n d Bösen gelöst w e r d e , wie die s ü n d i g e n d e n M e n sctien z u i ü f k g e l ü b r t w e r d e n zum siindlosen Z u s t a n d , in welchem sie G o t t erschaffen h a t : das ist ein ewiges Geheimnifs, das kein menschlicher Geist enthüllen k a n n . H i e r n a c h müssen wir f ü r die rein ideal« Ansicht die Fwigkeit der H ö l l e n s t r a f e n v e r w e r f e n , die ja schon darum nicht b e s r e h e n k a n n , weil sie nicht uranfänglich, s o n d e r n erst in einen Zeitabschnitt gesetzt wird, da d o c h das Ewige w e d e r Anfang noch E* d e hat. A b e r als Bild der Nichtigkeit des Bösen und d e r siegh a f t e n Gewalt des G u t e n , zur \ Y a r o u n g und E r n m t h i g u n g aufgestellt, als Endziel des S t r e b e n s

267

und Ringeoi der Kirche, müssen wir diese Lehr® in ihrer symbolisch - geschichtlichen Bedeutung stehen lassen. Welche Vortheile unsere symbolische Behandlungsart der Dogmatik gewähre, wird'vielleicht nirgends so klar, als bei diesen eschatologischen Lehren, welche der kritische Zeitgeist fast ganz verworfen za haben scheint. W i r leisten dem Wahrheitssinne dabei volle Genüge, und zerstören doch auch nicht den historisch überlieferten und symbolisch anerkannten Lehrbegriff, welcher dem nicht philosophischen Christen eine nothwendige Stütze ist. W i r verfahren in demselben Geiste wie ^Christus, welcher die Bilder vom messianischen Reiche als Hülle geistiger Ideen gebrauchte, und wie der Api-kalyptiker, welcher sie mit schaffender Phai tasie weiter ausbildete, ohne doch seine aufgeklärt« Ueberzeugung ganz daran zu ketten. Möge uns n u r der Himme! bald religiöse Dichter und so auch eipen neuen Apokalyptiker schenken, damit diese Bilder mehr Bedeutung für unseren ge» läuterten Geschmack erhalten!

Sechstes

Kapitel«

Von der praktischen

Theologie,

Die Richtigkeit unserer Behandlungsart der Theologie muis sich in der Praxis bewähren. W e n n wir nicht zeigen können, dafs sie für die Erziehung des Volks zur Religion erspriefslich, ist u n d sich mit dem öffentlichen Leben, der Rq-

267

und Ringeoi der Kirche, müssen wir diese Lehr® in ihrer symbolisch - geschichtlichen Bedeutung stehen lassen. Welche Vortheile unsere symbolische Behandlungsart der Dogmatik gewähre, wird'vielleicht nirgends so klar, als bei diesen eschatologischen Lehren, welche der kritische Zeitgeist fast ganz verworfen za haben scheint. W i r leisten dem Wahrheitssinne dabei volle Genüge, und zerstören doch auch nicht den historisch überlieferten und symbolisch anerkannten Lehrbegriff, welcher dem nicht philosophischen Christen eine nothwendige Stütze ist. W i r verfahren in demselben Geiste wie ^Christus, welcher die Bilder vom messianischen Reiche als Hülle geistiger Ideen gebrauchte, und wie der Api-kalyptiker, welcher sie mit schaffender Phai tasie weiter ausbildete, ohne doch seine aufgeklärt« Ueberzeugung ganz daran zu ketten. Möge uns n u r der Himme! bald religiöse Dichter und so auch eipen neuen Apokalyptiker schenken, damit diese Bilder mehr Bedeutung für unseren ge» läuterten Geschmack erhalten!

Sechstes

Kapitel«

Von der praktischen

Theologie,

Die Richtigkeit unserer Behandlungsart der Theologie muis sich in der Praxis bewähren. W e n n wir nicht zeigen können, dafs sie für die Erziehung des Volks zur Religion erspriefslich, ist u n d sich mit dem öffentlichen Leben, der Rq-

a£>8 Jjgi'on und dem Kirchenthum verträgt und es fördert: so i'.t alles bisher Gesagte vergeblich. W i r müssen nun die Idee der Kirche im christlichpmtestantjschen Sinne aufstellen, nnd so der praktischen Theologite erst ihr Gebiet anweisen, in welchem sie thätig seyn kann. Auch hier sind wir an den Gang gebunden, dafs wir nach der zum Grund gelegten philoso* phi*chen Mee der Kirche die Entwickelungsgeschichte der christlichen Kirche betrachten, und daraus die reine Idee der letzteren entwickeln. D i " blofse Phantasie würde uns ein unausfürbares Ideal liefern, die blofse Geschichte aber uns die Erscheinung statt des Wesens festhalten lassen. Beim Heraustreten der Religion ins Leben mufs man zweierlei, unterscheiden. Erstens, die wirkliche und gleichsam nackte Aeufserung religiöser Ansichten und Gefühle in Wort und That, z. ß. die Aeufserung der Begeisterung für Ehre und Gerechtigkeit im Gesammtieben der Menschen, der Ergebung durch Aufopferung für das gemeine Wohl u. s. w. Solche Aeufserungen religiöser Gemüiher begegnen sich nun im Leben von verschiedenen Seiten, und so entsteht ein öffentliches Leben der Religion in der That und fVahrheit, Aber diese Gemeinschaft verlangt, wie wir gesehen haben, einen äuiseren Halt und Mittelpunct. Das Gesammtieben im Staate biet e t gewissermaisen einen solchen dar. Hier ist wenigstens der Gegenstand für ein thätiges religiöses Leben, besonders für die Begeisterung, gegeben; allein das Staatsleben nimmt mehr die T h a t als die Gesinnung in Anspruch : es fehlt daher noch das, was die religiösen Gemüther

a5g

innerlich verknüpft, worin sie sich als gleichgestimmt erkennen und gegenseitig mittheilen können; besonders fehlt aiiöh dasj was die höchsten religiösen Gefüllte, die ins äufsere Leben des Volks gar nicht unmittelbar eingehen und über alles Irdische hinausstreben, die Gefühle der Andacht, gleichsam verkörpert und zum gemeinsamen Eigenthum macht. Dieser Mittelpunct wird nun theils durch eine sitlliche Verbrüderung, theiis durch eine gemeinsame Andachrs - Uebung gegeben, welche letztere, in sofern sie der firkenntnifs dient, doctriüal, und in sofern sie dem Gefühl« dient, ästhetisch - symbolisch seyn mufs. Lafst uns nun sehen, wie sich diese doppelte Gemeinschaft in der christlichen Kirche gestaltet hat. Jesus kam nicht, um irgend eine bestimmte, in festen äufsern Formen erscheinende sittlichreligiöse Gemeinschaft, oder eine Kirche, sondern um das Reich Gottes zu stiften. Diefs hat er deutlich erklärt in jener Rede an die Samariterin: „die Zeit komme und sei schon da, wo man nicht in diesem oder jenem Tempel, sondern im Geist und in der Wahrheit Gott anb e t e ; " ferner in der Antwort an die Pharisäer, welche ihn fragen, wann das Reich Gottes komme: „das Reich Gottes komme nicht so, dafs es beobachtet werden könne, man könne nicht sagen, hier ist es, oder dort; das Reich Göti&s sei mitten unter ihnen." Dadurch bewährt sich seine Erscheinung als rein ideal und göttlich: die Stiftung bestimmter kirchlichen Formen, und hätte sie auch noch so vollkommen seyn können, wäre immer Manschenwerk gewesen, und würde

27 d i e r e i n e f r e i e E n t w i c k l u n g d e r christlichen K i r c h e gehemmt, h a b e n ; u n d Christus wäre nicht deC e w i g e H e i l a n d und E r l ö s e r g e w e s e n , s o n d e r n ein R e l i g i o n s s t i f t e r , w i e M o s e , d e s s e n W e r k mit d e r Zeit e i n e m a n d e r n v o l l k o m t n n e r e n Platz g e m a c n t h ä t t e . D a s Reich. G o t t e s , als r e i n e heilige, s e l i g e G e m e i n s c h a f t d e r Geister, b e g a n n tu d e m A u g e n b l i c k , als C h r i s t u s als göttlich f e i n e r V e r s t a n d u n d s ü n d l o s e r M e n s c h , als A n f a n g e t u n d H a u p t dieses Reiches, a n e r k a n n t w u r d e , und 'die ihn E r k e n n e n d e n sich im G l a u b e n u n d in d e r L i ^ b e um seine P e r s o n v e r s a m m e l t e n , t l h d was C h r i s t u s zur G r ü n d u n g dieses R e i c h e s a u f E r d e n t h ü t , b e s t a n d d a r i n , clafs er d i e s e sittlich - r e l i giöse G e m e i n s c h a f t s t i f t e t e , d u r c h Welche das e w i g e Ideal auf E r d e n v e r w i r k l i c h t w e r d e n sol'te. D i e s e G e m e i n s c h a f t bestäfid in d e r G e s i n n n n g u n d T l i a f , u n d h a t t e in s o f e r n k e l h e a n d e r s F o r i n als das L e b e n selbst Unii d e n geschichtlichen" Z u s a r t ' m e n h a n g mit ihrem S t i f t e r . N u r zwei S y m b o l e h a t t e er ihr z u r ü r k g e l a s s ö r i , d i e T a u f e u n d das A b e n d m a h l , w e l c h e als F o r m e n des B e keniitfaisses u n d d e r G e m e i n s c h a f t mit ibtli e i n e n änfserlicheü a n s c h a u l i c h e n M i t t e l p u n c t a b g a b e n . F ü r d-e A u s b i l d u n g u n d Pflege d e t E r k e n n t n i f » u n d A n d a c l i t w a r a u f s e r diesen Sybibrtlen k e i n e V e r e f t i i g u h g s f o r m , als d i e s t r e ß g e Mittheiluirg i m R ü c k b l i c k auf d i e L e h r ö uhd das L e b e n desjen i g e n , von w e l c h e m das n e u e L e b e n a u s g e g a n g e n War, Und in H i n s i c h t auf das A. T . , d e s s e n G e s c h i c h t e u h d L e h r e , In ihm i h r e E r f ü l l u n g u n d V o l l e n d u n g g e f u n d e n hatte. J e mehr a b e r d i e s e r V e r e i n w u c h s u n d sich e r w e i t e r t e , je w e i t e r d i e tirchristhche Zeit zurücktrat, desto mehr gestaU

271 tet