Über den Geburtstag: lateinisch und deutsch 3534181549, 9783534181544

Die 24 Kapitel des in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. verfassten Werkes "Über den Geburtstag" de

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German Pages 160 [161] Year 2012

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Table of contents :
Front Cover
Titel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Bildung als Geschenk
Zu dieser Ausgabe
Dank
Einführung
Was wissen wir über den Autor und seine Welt?
Welches Wissen setzt Censorinus bei seiner Leserschaft voraus?
Welches Wissen vermittelt Censorinus seiner Leserschaft?
Woher bezog Censorinus seine Angaben?
Censorinus, De die natali / Über den Geburtstag
Ein Buch als Gabe zum Geburtstag
Rund um die Geburt
Was muss man über den Genius wissen?
Was ist der Ursprung der Menschen?
Was geschieht vor der Geburt?
Was ist der Zeitpunkt der Geburtsreife?
Was geschieht nach der Geburt?
Lang lebe das Geburtstagskind!
Rund um den Tag
Was ist Zeit?
Die Ewigkeit
Das Säkulum
Das Großjahr
Das Jahr
Der Monat
Der Tag
Anhang
Zur Neuedition
Weiterführende Literatur
Namensregister
Über den Herausgeber
Über den Inhalt
Back Cover
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Über den Geburtstag: lateinisch und deutsch
 3534181549, 9783534181544

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EDITION ANTIKE Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose

CENSORINUS

ÜBER DEN GEBURTSTAG Lateinisch und deutsch

Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Kai Brodersen

Verantwortlicher Bandherausgeber: Kai Brodersen Die EDITION ANTIKE wird gefördert durch den Wilhelm-Weischedel-Fonds der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft

Wissenschaftliche Redaktion und Schriftleitung: Federica Casolari-Sonders (Ludwig-Maximilians-Universität München)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2012 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe dieses Werks wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-18154-4 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72988-3

Inhaltsverzeichnis Vorwort Bildung als Geschenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu dieser Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einführung Was wissen wir über den Autor und seine Welt? . . . . . . . . . . Welches Wissen setzt Censorinus bei seiner Leserschaft voraus? Welche Bildungsinhalte vermittelt Censorinus seiner Leserschaft? Woher bezog Censorinus seine Angaben? . . . . . . . . . . . . . . .

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Censorinus, De die natali / Über den Geburtstag Ein Buch als Gabe zum Geburtstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rund um die Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was muss man über den Genius wissen? . . . . . . . . . . . . . Was ist der Ursprung der Menschen? . . . . . . . . . . . . . . . . Was geschieht vor der Geburt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ist der Zeitpunkt der Geburtsreife? . . . . . . . . . . . . . . Was geschieht nach der Geburt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lang lebe das Geburtstagskind! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rund um den Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ist Zeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ewigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Säkulum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Großjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Jahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Monat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34/35 38/39 38/39 42/43 48/49 54/55 80/81 90/91 94/95 94/95 94/95 96/97 110/111 118/119 132/133 138/139

Anhang Zur Neuedition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort Bildung als Geschenk Das Jahr 238 n. Chr. gilt gemeinhin als ein Höhepunkt der Krise des Römischen Reichs. Drei Jahre zuvor hatten Soldaten in Mainz den römischen Kaiser Severus Alexander erschlagen und Maximinus Thrax an die Macht gebracht, den ersten der sogenannten Soldatenkaiser. Doch auch er vermochte sich nicht als Herrscher des Imperium Romanum zu halten – ja, 238 n. Chr. hatten in einem einzigen Jahr gleich sechs römische Kaiser nacheinander die Herrschaft inne: Auf Maximinus Thrax folgten Gordian I., Gordian II., Pupienus, Balbinus und Gordian III., der noch keine 14 Jahre alt war und bereits sechs Jahre später ums Leben kommen sollte. Harmonie und Ordnung des Römischen Reichs hatten den Turbulenzen der Krise weichen müssen. Das Jahr 238 n. Chr. ist aber auch das Jahr, in dem der römische Gelehrte Censorinus einem Freund ein Werk De die natali widmete, das uns in nur etwa 10 000 lateinischen Wörtern eine ganze Welt eröffnet: Das Wissen der Antike von Zeit und Ewigkeit, von Himmel und Erde, von Welt und Mensch, von Zeugung und Geburt, von Mathematik und Musik wird herangezogen und aufbereitet, um vom Mikrokosmos des Kindes im Mutterleib bis zum Makrokosmos im Universum die alle Zeiten übergreifende Harmonie und Ordnung der Welt aufzuzeigen. Die vorliegende zweisprachige Neuausgabe von De die natali möchte den ungekürzten antiken Text so erschließen, dass das Werk für eine heutige Leserschaft zugänglich wird. Eine ausführliche Einführung gibt Antworten auf vier für unser heutiges Verständnis des Werks wichtige Fragen: – Was wissen wir über den Autor und seine Welt? – Welches Wissen setzt Censorinus bei seiner Leserschaft voraus? – Welche Bildungsinhalte schenkt Censorinus seiner Leserschaft? – Woher bezog Censorinus seine Angaben? Damit kann es uns gelingen, das Werk so zu genießen wie die Leserschaft in der Antike: als ein Kompendium antiken Bildungswissens, das manches Wissen voraussetzt, uns aber auch viele neue Bildungsinhalte schenkt.

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Vorwort

Zu dieser Ausgabe Censorinus’ De die natali ist – wie fast alle antiken Werke – nicht im Autograph erhalten, doch findet sich sein Text in einem prachtvollen Pergament-Codex aus dem 7./8. Jahrhundert n. Chr., der heute in der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek in Köln als Nr. 166 bewahrt wird. Der Kölner Codex überliefert verschiedene Lehrtexte zur Grammatik, Rhetorik und Dialektik, also zu wichtigen Aspekten der Sieben Freien Künste (Septem Artes Liberales), in die das Mittelalter das Bildungswissen eingeteilt hat, und ist für ein “Wissensbuch” besonders schön gestaltet. Unter den Werken, die der Kölner Codex umfasst, befindet sich ab Blatt (fol.) 232r auch ein Werk, das nur als “anderes Buch” (liber aliud) bezeichnet wird, ohne dass ein Autor oder ein Titel genannt würden. Erst ein späterer Benutzer des Codex hat hier nachgetragen, dass es sich um ein Werk des Censorinus mit dem Titel De die natali handelt. Von der Entstehung des Werks in der Antike ist der Kölner Codex durch etwa ein halbes Jahrtausend getrennt; der in ihm überlieferte Text beruht dabei zweifellos auf immer neuen, heute verlorenen Abschriften des Originals; dass solche vielfachen Kopiervorgänge fehlerträchtig sind, versteht sich. So ist offenbar in irgendeiner dieser heute verlorenen Abschriften der Abschnitt 14,7 – 17,9 zwischen die Kapitel 6 und 7 geraten, wo er jedenfalls im Kölner Codex zu finden ist, aber dem Gedankengang des Werkes nicht entspricht. Außerdem sind Textteile am Ende von 5,5 nach 17,10 und von 6,10 nach 5,5 verlegt, wohl weil hier in einer älteren (verlorenen) Kopie der Übergang zu einer neuen Seite mit einem Vorausverweis abgesichert werden sollte. Ferner sind manche Wörter im Laufe der Abschriften so entstellt worden, dass sie sinnloses Latein bieten, und andere verloren gegangen: So finden sich in 14,7 und 17,10 evidente Lücken im Text, und manche Gelehrte haben gemeint, dass am Ende des Werks (nach Kapitel 24) ein kleines Schlusskapitel verloren gegangen sei. Sicher ist, dass alle diese Versehen bereits im Kölner Codex stehen – und aus ihm in alle späteren Abschriften übernommen worden sind. De die natali erfreute sich nämlich im Mittelalter einiger Beliebtheit: So wie der Kölner Codex auf (heute verlorenen) Abschriften von Ab-

Zu dieser Ausgabe

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schriften beruhte, wurde er später wiederholt abgeschrieben, und auch diese Kopien wurden ihrerseits handschriftlich vervielfältigt. Heute besitzen Bibliotheken in ganz Europa mittelalterliche Codices mit dem Text des Werks, das bereits 1497 in einer ersten gedruckten Ausgabe erschien und dann binnen einer Generation – 1498, 1500, 1503, 1514, 1519 und zweimal 1518 – sieben Neuausgaben erlebte. Die bereits im Kölner Codex enthaltenen Textfehler zu korrigieren ist der philologischen Forschung weitgehend gelungen. Die Neuedition des lateinischen Textes folgt dem Codex Coloniensis in der aus dem 7./8. Jh. stammenden Fassung der ersten Hand (C1); deren Textfassung wurde von zwei unterschiedlichen Gelehrten zu unterschiedlichen Zeiten verändert (C2 bald nach C1, C3 im 16 Jh.), nicht immer zum Besseren. In der vorliegenden Neuedition des lateinischen Textes sind daher die Lesarten der ersten Hand jenes Codex (C1) vollständig erfasst; Ligaturen (wie æ) und Abkürzungen (wie q für que, -b’ für -bus, -u ] für um oder ] q] m für quoniam) sind dabei aufgelöst, u und v werden der besseren Lesbarkeit halber unterschieden. In den Text eingetragen sind auch die Paginierung des Codex und die moderne Einteilung in Kapiteln und Paragraphen. Die Einführung ermöglicht es, mit dem bei der antiken Leserschaft vorausgesetzten Allgemeinwissen auf den Text zuzugehen. Die Übersetzung, die – wie die Einführung – mit freundlicher Genehmigung des Primus-Verlags (Darmstadt) auf der 2011 unter dem Titel Das Geburtstagsbuch erschienenen deutschsprachigen Ausgabe des Werkes beruht, bietet alle weiteren notwendigen Erläuterungen als Zufügungen in runden Klammern, außerdem die moderne Einteilung in Kapitel und Abschnitte und neue, den Inhalt erschließende Überschriften.

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Vorwort

Dank Dem Primus-Verlag Darmstadt – namentlich Wolfgang Hornstein und Regine Gamm – danke ich für die Genehmigung, auf meine von ihm betreute und verlegte Übersetzung zurückgreifen zu können, Harald Horst (Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln), Thomas Baier (Universität Würzburg) und Martin Hose (Universität München) für fachlichen Rat und Harald Baulig für die engagierte verlegerische Betreuung in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Wir hoffen, dass ein Buch, das im 3. Jahrhundert “Bildung als Geschenk” überreichte, im 21. Jahrhundert ein neues Lesepublikum beschenkt!

Einführung Was wissen wir über den Autor und seine Welt? donarem pateras grataque commodus, Censorine, meis aera sodalibus … sed non haec mihi vis, non tibi talium res est aut animus deliciarum egens. gaudes carminibus; carmina possumus donare et pretium dicere muneri. Reicher Schalen Geschenk böt’ ich und edles Erz, Censorinus, mit Lust meinen Erkorenen; … Doch des fehlt mir die Macht; und es bedarf auch dir weder Habe noch Sinn solcherlei Köstlichkeit. Lieder freuen dein Herz; Lieder vermögen wir und bestimmen genau unserm Geschenk den Wert. (Horatius, Carmen 4,8,1–2 und 9–12)

Mit diesen Versen, die hier in der klassischen Übersetzung des Johann Heinrich Voß (1751 – 1826), eines Zeitgenossen Goethes, wiedergegeben sind, beginnt ein berühmtes Carmen (Lied) des römischen Dichters Quintus Horatius Flaccus (Horaz, 65 – 8 v. Chr.). Es ist dem Lucius Marcius Censorinus gewidmet, der im Jahr 39 v. Chr. einer der beiden Konsuln in Rom war und vom Dichter keine kunstvoll gearbeiteten Metallschalen und andere Wertgegenstände erhält, sondern ein literarisches Werk. “Censorinus, der den berühmten Band über den Geburtstag verfasst hat” Sicher mit Bezug auf dieses Carmen, das Horatius für Censorinus schrieb, beginnt das im Jahr 238 n. Chr. entstandene Werk De die natali mit einer ähnlichen Widmung – freilich nicht für einen Censorinus; vielmehr ist ein Censorinus Autor des Buches. Zwar nennt das älteste, aus dem 7./8. Jh. n. Chr. erhaltene Textzeugnis – wir werden es

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Einführung

gleich kennenlernen – diesen Verfassernamen nicht, doch spricht bereits im 5. Jh. n. Chr. der heilige Sidonius Apollinaris in dem Widmungsbrief zu einem eigenen Carmen, das er einem Freund zur Hochzeit weiht, von Censorinus, qui de die natali volumen illustre confecit (“der den berühmten Band über den Geburtstag verfasst hat”; Carmen 14 pr.), und im 6. Jh. gibt der Kirchenvater Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus an: invenimus etiam Censorinum, qui ad Quintum Cerellium scripsit de natali eius die (“Wir haben auch Censorinus gefunden, der an Quintus Cerellius über dessen Geburtstag schrieb”; Institutiones 2,5,1). Dieser Censorinus ist uns sonst nur als Verfasser eines Lehrbuchs der Grammatik (Ars grammatica) und eines Werks “Über Akzente” (De accentibus) bekannt, also als Philologe; beide Werke sind allerdings verloren. Erhalten ist hingegen Censorinus’ De die natali, in dem er auf zwei Männer mit dem Beinamen “Censorinus” direkt Bezug nimmt: auf Lucius Marcius Censorinus, einen der beiden Konsuln des Jahres 149 v. Chr., und auf Gaius Marcius Censorinus, einen der beiden Konsuln des Jahres 8 v. Chr. Durch die Anspielung auf Horatius’ Carmen am Beginn des Werks, die seine Leserschaft sicher verstanden hat, verweist er außerdem auf einen dritten Konsul namens Censorinus, den des Jahres 39 v. Chr. Handelt es sich vielleicht um Vorfahren des Verfassers des Werks De die natali? Über den von Censorinus beschenkten Jubilar, Quintus C(a)erellius, wissen wir ausschließlich das, was das ihm gewidmete Werk (15,4–6) über ihn berichtet. Er hatte den Rang eines “Ritters” erlangt, den zweithöchsten nach dem der Nobilität, hatte in seiner Heimatstadt in einer Provinz des Imperium Romanum bürgerliche und religiöse Ämter erfolgreich durchlaufen und war auch als Gerichtsredner in der Reichshauptstadt Rom bekannt geworden. Sicher konnte sich die Leserschaft in der Person des Jubilars wiederfinden (oder zumindest davon träumen, durch Bildung ähnliche Erfolge zu erzielen) – und darauf bauen, “dass Männer von deiner Art ihr Leben nicht verlassen haben, bevor sie nicht das 81. Lebensjahr durchschritten haben” (15,1): Gebildete Menschen werden, wie uns Censorinus hier versichert, sehr alt!

Der Autor und seine Welt

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Ein Kompendium antiken Bildungswissens Censorinus bietet mit seinem “Kompendium” (5,1) eine einmalige Übersicht über antikes Bildungswissen und wurde deshalb nicht nur im Mittelalter wiederholt abgeschrieben – dazu gleich –, sondern auch in der frühen Neuzeit sehr geschätzt. Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543) etwa verwendete es in seinem bahnbrechenden Werk “Über die Umschwünge der himmlischen Kreise” (De revolutionibus orbium coelestium, 1543), Joseph Justus Scaliger (1540 – 1609) spricht in seinem Buch “Über die Verbesserung der Zeitrechnung” (De emendatione temporum, 1583), mit dem er die Chronologie der Antike revolutionierte, von Cesorinus’ Werk als einem aureolus libellus, einem “goldenen Büchlein”, und Giovanni Battista Riccioli (1598 – 1671) benannte auf seiner 1651 publizierten Mondkarte nach dem Autor von De die natali den hellen Mondkrater (0.4° S, 32.7° O) am Rand des (viel später durch die erste Mondlandung 1969 berühmt gewordenen) Mare Tranquillitatis als “Censorinus”. Was macht den bleibenden Wert von Censorinus’ Arbeit aus? Nicht über die verworrenen Zeitläufte der Entstehungszeit (s. S. 7) informiert uns Censorinus: Die Soldatenkaiser etwa bleiben unerwähnt, und dem römischen Gelehrten Marcus Terentius Varro entnimmt Censorinus die Aussage, dass Rom noch mehrere Jahrhunderte Bestand haben werde (17,15). Vielmehr führt uns Censorinus in die Welt der griechischen und römischen Gelehrsamkeit, von den Vorsokratikern und Pythagoras im 6. Jh. v. Chr. bis zu berühmten Stoikern im 2. Jh. n. Chr., insbesondere zu den griechischen Philosophen der klassischen und hellenistischen Zeit, zu Platon und Aristoteles, aber auch zu griechischen Sternenkundigen, Medizinern und Musiktheoretikern. Eine bunte Vielfalt von Zitaten aus Dokumenten und Geschichtsschreibung, aus antiquarischer Literatur und aus Spruchweisheit und Dichtung der Antike unterstützt Censorinus’ Argumentation und macht anschaulich, wie für den gelehrten Censorinus und seine bildungsbeflissene Leserschaft die antiken Mittelmeerkulturen als Gesamtheit gesehen werden – vom alten Ägypten und vom Zweistromland über Kleinasien bis zu den Juden, zu den frühen Stämmen auf der italischen Halbinsel und zu den Römern selbst. Nicht die ungute Gegenwart des

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Einführung

von immer neuen Soldatenkaisern beherrschten Imperium Romanum, sondern die große Vergangenheit der antiken Mittelmeerkulturen steht im Zentrum von Censorinus’ Betrachtungen und macht es zu einem einmaligen Kompendium antiken Bildungswissens. Die Zeit des Censorinus Censorinus’ Werk bietet sehr genaue Angaben zu seiner Entstehungszeit. Im Einzelnen gibt es dazu (18,12; 21,6–9) an, es sei im 1014. Jahr seit den ersten Olympischen Spielen, im zweiten Jahr der 254. Olympiade, im 991. Jahr ab urbe condita (“seit Gründung der Stadt” Rom), im 986. Jahr der Ära nach Nabonnazaros, im 562. der Ära nach Philippos, im 283. der Ära nach Caesar, im 267. der Ära nach Augustus in der Zählung des ägyptischen Alexandreia und im 265. in der augusteïschen Zählung entstanden. Was bedeuten diese Angaben? Die Olympischen Spiele wurden nach antiker Auffassung erstmals 776 v. Chr. und seither alle vier Jahre (“Olympiaden”) in Olympia auf der Peloponnes in Griechenland gefeiert; das zweite Jahr der 254. Olympiade ist also in der Tat das Jahr 253 x 4 + 2 = 1014 seit Beginn der Spiele. Die Gründung der Stadt Rom datierte man traditionell ins Jahr 753 v. Chr. Die Zählung der “Jahre des Nabonnazaros” bezieht sich auf den babylonischen König Nabunasir (auch Nabonassar oder Nabobasser genannt), der 747 – 733 v. Chr. herrschte und mit dessen erstem Regierungsjahr der griechische Astronom Claudius Ptolemäus im 2. Jh. n. Chr. seine chronologischen Berechnungen beginnen ließ. Die Zählung der “Jahre des Philippos” bezieht sich auf Philippos Arrhidaios, an den nach dem Tod seines Halbbruders Alexandros III., also Alexanders des Großen, 323 v. Chr. für kurze Zeit die Herrschaft über das Alexanderreich überging. Die Ära nach Gaius Iulius Caesar bezieht sich auf das Jahr 45 v. Chr., mit dem der von Caesar reformierte (und mit wenigen Änderungen in Grundzügen bis in die Gegenwart gültige) “julianische” Kalender begann, die von Alexandreia auf das Jahr 29 v. Chr., in dem die Römer dort die ägyptische Königin Kleopatra besiegt hatten, und die nach dem Herrschaftsantritt des Augustus als Kaiser auf das Jahr 27 v. Chr.

Der Autor und seine Welt

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Wie Censorinus darlegt, unterscheiden sich dabei die jeweiligen Jahresanfänge voneinander, sodass wir folgende Angaben zur Datierung der Entstehung des Werks De die natali erhalten: Olympiade 254.2 (= 1014) ab urbe condita 991 Nabonnazaros 986 Philippos 562 Caesar 283 Alexandreia 267 Augustus 265

Sommer 238 bis Sommer 239 21. April 238 bis 20. April 239 25. Juni 238 bis 24. Juni 239 25. Juni 238 bis 24. Juni 239 1. Januar 238 bis 31. Dezember 238 29. August 237 bis 28. August 238 1. Januar 238 bis 31. Dezember 238

Daraus ergibt sich für uns, dass das Buch zwischen dem 25. Juni und dem 28. August 238 n. Chr. entstanden sein muss – so genau lässt sich sonst kaum ein antikes Werk datieren! Die Welt des Censorinus Censorinus kann bei seinem Lesepublikum eine Vertrautheit mit der Geographie der Alten Welt voraussetzen. Zwar muss man für die griechischen Eigennamen, bei denen Censorinus regelmäßig den Herkunftsort angibt (“Pythagoras von Samos”), die Lage jenes Ortes nicht kennen. Geographische Kenntisse sind aber für das Verständnis bei den Orten und Landschaften der antiken Welt wichtig, die Censorinus in seiner Darstellung anführt. In der griechischen Welt nennt Censorinus allen voran Athen in Attika, aber auch Theben in Boiotien sowie auf der Peloponnes Arkadien und Achaia im Norden und Elis im Westen. Außerdem nennt Censorinus im Nordwesten Griechenlands Akarnanien, im Zentrum Delphi mit dem berühmten Apollon-Orakel und im Nordosten Thessalien. In der Ägäis wird die Insel Delos erwähnt, die Heimat des Gottes Apollon, an der Ostküste jenes Meeres das durch die Epen Homers berühmte Troia (Ilion, Ilium) und das Gebiet der Karer in der heutigen Südwesttürkei sowie am Schwarzen Meer die Region der Kolcher, die Iason auf der Suche nach dem Goldenen Vlies aufsuchte. Außerhalb der Ägäis-Welt erscheinen Tartessos in Südspanien, Sizilien und Ägypten – nicht zuletzt als römische Provinz – mit seinem Hauptort Alexandreia (Alexandria).

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Einführung

In Italien – Censorinus unterscheidet es einmal (20,1) vom Gebiet der peregrini, der “Ausländer” – nennt das Werk De die natali wiederholt Etrurien – namentlich auch die Lukumonen als Machthaber der Etrusker – mit dem Hauptort Tarquinia sowie das östlich davon gelegene mittelitalische Umbrien, vor allem aber die Welt der Römer, der Bewohner der Stadt Rom. Im Süden und Osten Roms spricht Censorinus von Latium (heute Lazio), der Heimat der Latiner, von der Stadt Lavinium (Pratica del Mare / Pomezia), wo dem Mythos zufolge Aeneas auf der Flucht aus Troia an Land gegangen sein soll, sowie von Laviniums Tochterstadt Alba Longa (Castel Gandolfo) im Gebiet der Albaner, die Aeneas’ Sohn Ascanius gegründet haben soll; außerdem nennt er in Latium Aricia (Ariccia) in den Albanerbergen, Ferentinum (Ferentino) und Tusculum (bei Frascati). Detailkenntnisse zur Topographie werden aber allein für die Stadt Rom – die Censorinus einmal (16,1) überhöhend als “unsere gemeinsame Heimat” bezeichnet – vorausgesetzt: Von den Sieben Hügeln führt das Werk De die natali das Kapitol an, auf dem der Tempel des Kapitolinischen Iupiter steht, außerdem den Aventin mit dem Tempel der Diana und den Quirinal mit dem Tempel des Quirinus. Das Forum Romanum kann Censorinus einfach als “Forum” bezeichnen und die dortigen Rostren – Schiffsschnäbel erbeuteter Schiffe, die an der Rednertribüne angebracht waren und dieser ihren Namen gaben – unerläutert lassen. Auch beim Marsfeld braucht Censorinus den Ortsnamen Rom nicht hinzuzufügen, ebensowenig bei den Toren der Stadt, von denen er die Porta Collina im Norden und die Porta Esquilina im Osten der Stadt als bekannt voraussetzt. Man hat deshalb plausibel vermutet, dass Rom das Zentrum auch der Welt des Censorinus und seiner Leserschaft war.

Der Autor und seine Welt

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Welches Wissen setzt Censorinus bei seiner Leserschaft voraus? Nicht nur zu Zeit und Raum, sondern auch zu einigen weiteren Themen des Allgemeinwissens kann Censorinus bei seiner Leserschaft Kenntnisse voraussetzen. Um einigem heutigen Lesepublikum den Zugang zu dem Werk De die natali zu erleichtern, sollen nachstehend diese Themen erschlossen werden. Götter und Helden Zur antiken Mythologie kann Censorinus sicher sein, dass seine Leserschaft einiges weiß, wobei er für die meisten griechischen Gottheiten die römische Entsprechung nutzt. So nennt er Zeus/Iupiter, den Vater der Götter, dessen Gattin Hera/Iuno und dessen Geliebte Maia sowie von Zeus’ Kindern den Kriegsgott Ares/Mars, den Feuergott Hephaistos/Vulcanus, den Gott der Musen Apollon/Apollo, die Weisheitsgöttin Athene/Minerva, die Liebesgöttin Aphrodite/Venus, die Unterweltsgöttin Persephone/Proserpina mit ihrem Gatten Pluton/Dis Pater sowie den Gott der Rauschhaftigkeit namens Dionysos/Liber Pater, dem Mysterien gewidmet sind, und die Schicksalsgöttinen Moirai/Parzen. Im Zusammenhang mit Tempeln in Rom erwähnt Censorinus außerdem die Jagdgöttin Artemis/Diana und den altrömischen Kriegsgott Quirinus, im Zusammenhang mit Ägypten den Sonnengott Helios/Sol (ägyptisch Re). Censorinus nimmt auch Bezug auf Prometheus, der Menschen aus Lehm geformt habe, und auf dessen Sohn Deukalion, der gemeinsam mit seiner Frau Pyrrha eine große Sintflut, den Kataklysmos, überlebt habe; beide hätten dann Steine hinter sich geworfen und so Menschen ausgesät. Auch auf eine weitere Sintflut, die in die Zeit des Ogyges – dazu gleich – falle, bezieht sich Censorinus. Einige Mythengestalten, die in dem Werk De die natali als bekannt vorausgesetzt werden, sind in einzelnen Städten verortet. Von den Mythengestalten der Stadt Athen nennt Censorinus den König Erichthonios/Erichthonius, der aus dem bei einem Vergewaltigungsversuch auf die Erde verspritzten Samen des Hephaistos entstanden sei, von denen

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Einführung

der Stadt Argos auf der Peloponnes in Griechenland deren ersten König Inachos/Inachus, von denen der Stadt Theben in Boiotien den König Kadmos/Cadmus, der einen Drachen getötet und dessen Zähne ausgesät habe, wobei dann aus den Zähnen die Spartoi (“Ausgesäten”) entstanden und zu Stammvätern der Thebaner geworden seien, sowie den Sohn des Kadmos/Cadmus namens Ogyges/Ogygius. Censorinus erwähnt ferner von den Mythengestalten Arkadiens Horos/Horus, den Sohn des mythischen Stammvaters Lykaon/Lycaon, von denen der Stadt Tartessos den – auch im Werk des griechischen Historikers Herodotos (1,163) erwähnten – König Arganthonios, und von denen der Stadt Tarquinia in Etrurien den Tages, der beim Pflügen ans Licht gekommen sei und den Etruskern die Kunst der Zukunftsvorhersage vermittelt habe. Zu mythischen Wesen in der Natur weiß Censorinus’ Leserschaft von Nymphen und Faunen, im einzelnen Haushalt vom doppelgesichtigen Türgott Ianus und von den Hausgöttern Lares, die man am Hauseingang verehrte, und nicht zuletzt vom Genius eines jeden Menschen. Feste und Opfer Religiöse Feste nennt Censorinus nur für die römische Welt: Am 15. Februar wurden die Lupercalia gefeiert, ein Reinigungs- und Fruchtbarkeitsfest für den italischen Herdengott Faunus (mit dem Beinamen Lupercus, “Wolfsabwehrer”). Am 23. Februar lag das Fest der Terminalia für den römischen Gott Terminus, die Personifikation der Grenzsteine; diese wurden von den Nachbarn gemeinsam mit Blumen geschmückt, und gemeinsames Feiern erneuerte das öffentliche Bekenntnis zur Unverrückbarkeit der Grenzsteine. Einen Tag später, am 24. Februar, beging man in Rom das Fest des Regifugium, der “Königsflucht“, und damit den Beginn der republikanischen Verfassung. Am 21. April wurden in Rom und auf dem Land die Parilia (oder Palilia) gefeiert, ein Hirtenfest zu Ehren der Göttin Pales. Am 13. Juni schließlich fanden die sogenannten kleinen Quinquatria statt, bei denen in Rom Flötenbläser zum Tempel der Minerva zogen. Was es mit dem Februum genannten Fest auf sich hat, erklärt Censorinus selbst in einem Exkurs (22,14). Ferner erwähnt Censorinus – übrigens als einzi-

Vorausgesetztes Wissen

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ger antiker Autor, dessen Werke erhalten sind – das Tesserakostaion (“Vierzigstes”) genannte Fest, mit dem man den 40. Lebenstag eines Kindes feierte. Opfer brachte man, damit Gottheiten “durch eine Kulthandlung herbeibemüht werden” (3,5), in der Antike oft als “Schlachtopfer” dar, bei denen ein Tier am Altar geschächtet und verbrannt wurde, oder aber als unblutige Gabe für eine oder mehrere Gottheiten, wie Censorinus an Beispielen erklärt. Während man im Alltag Wein nur mit Wasser vermischt trank, wurde er als Trankopfer ungemischt dargebracht. Zukunftsvorhersagen Eine besondere Funktion des Umgangs mit den Gottheiten sah man in der Antike in dem Wissen um die Zukunft, über das übermenschliche Wesen verfügten. Die auf die Sibylle – eine weissagende Frau in der von Griechen gegründeten Stadt Kyme/Cumae in Unteritalien – zurückgeführten, verlorenen Sibyllinischen Bücher waren eine Sammlung von griechischen Orakelsprüchen, die von den Römern in Krisensituationen zurate gezogen wurden. Zuständig dafür waren seit dem 2./1. Jh. v. Chr. die Quindecimviri sacris faciundis, das “FünfzehnMänner-Kollegium für die Durchführung von Opfern”, auf deren commentarii (Protokolle) Censorinus wiederholt Bezug nimmt. Zur Zukunftsvorhersage bedienten sich die Römer auch der Traditionen, die sie von den Etruskern als “Etruskische Disziplin” übernommen hatten; bekannt waren dabei die libri rituales, die “Ritualbücher”, und die libri fatales, die “Schicksalsbücher”, die uns allesamt nicht erhalten sind. Außerdem nutzte man die Vogelschau – als Experten hierfür nennt Censorinus einen (sonst nicht bekannten) Vettius –, bei der man aus dem Flug von Vögeln die Zukunft vorhersagte, und die Eingeweideschau, bei der dies aus den Merkmalen von Innereien geopferter Tiere geschah. Wettspiele und Sakulärfeiern Die Olympischen Spiele, die nach antiker Überlieferung erstmals 776 v. Chr. und seither alle vier Jahre (“Olympiaden”) in Olympia auf der Peloponnes gefeiert wurden, erscheinen bei Censorinus mehrfach,

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Einführung

ebenso die Pythischen Spiele im zentralgriechischen Delphi und die von Kaiser Domitianus im Jahr 86 n. Chr. eingeführten Kapitolinischen Wettspiele in Rom. Die Tarentinischen Wettspiele (lat. ludi Tarentini, Terentini oder Taurii) in Rom, ein altes Fest für die wundersame Errettung von Kindern, sieht Censorinus als Ursprung der Säkularfeiern an. Auch für deren Durchführung waren seit der Zeit des Kaisers Augustus die Quindecimviri zuständig, wovon eine zeitgenössische, nur in Fragmenten bewahrte Inschrift aus Rom zeugt, die Censorinus vielleicht kannte. Geschichte Während Censorinus aus der Geschichte des antiken Ägpyten nur zwei legendäre (und nicht datierbare) Könige, Ison und Arminos, nennt und zur griechischen Geschichte nur auf den Fall Troias und den Beginn der Olympischen Spiele Bezug nimmt, berichtet er aus der sagenhaften Frühzeit, in der Rom nach der Gründung 753 v. Chr. von sieben Königen nacheinander beherrscht wurde, von den beiden ersten, nämlich von Romulus selbst und seinem Nachfolger Numa Pompilius, sowie von den beiden letzten, nämlich Servius Tullius und Lucius Tarquinius Superbus. Mit der – im oben genannten Regifugium-Fest gefeierten – Vertreibung des letztgenannten Königs im Jahr 510 v. Chr. wurde Rom zur Republik, an deren Spitze zwei jährlich wechselnde Konsuln standen; an weiteren Jahresbeamten der römischen Republik nennt Censorinus die Praetoren, die – wie die Konsuln – als Zeichen ihrer Amtswürde von Liktoren, einer Art Leibwächtern, begleitet wurden, und die Volkstribunen. Ferner erwähnt Censorinus das Amt des Censor, dem für mehrere Jahre die Durchführung der Volks- und Vermögensschätzungen, die Besetzung des Senats und eine Aufsicht über die “Sitten” oblag, sowie das des Pontifex Maximus, des Vorsitzenden des Priesterkollegiums der pontifices und damit Oberbeamten für die religiösen Angelegenheiten der Republik. Auf die Epoche der römischen Republik geht Censorinus wiederholt ein. Er nennt etwa Manlius Valerius Maximus Corvinus Messalla, den Konsul des Jahres 263 v. Chr., der in Sizilien Krieg geführt und

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von dort eine Sonnenuhr nach Rom mitgebracht habe. Weiter erwähnt er Marcus Plaetorius, den Volkstribun wohl des Jahres 242 v. Chr., Lucius Philippus, den Censor des Jahres 164 v. Chr., der die erste Sonnenuhr in Rom errichtet habe, sowie Publius Cornelius Scipio Nasica Corculum (den Konsul der Jahre 162 und 155 v. Chr.), der als Censor des Jahres 159 v. Chr. in Rom eine Wasseruhr errichtet habe. Gaius Iulius Caesar (100 – 44 v. Chr.) wird wegen seiner Kalenderreform von Censorinus gleich mehrfach genannt. Auch Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.), der Begründer des römischen Kaiserreiches, und sein Vertrauter und Schwiegersohn Marcus Vipsanius Agrippa (um 64 – 12 v. Chr.) erscheinen bei Censorinus wiederholt, gemeinsam als Konsuln des Jahres 27 v. Chr. und als Veranstalter der fünften Säkularfeiern im Jahr 17 v. Chr., Augustus allein als Namensgeber für den Monat “August”. Augustus’ Gegenspieler Mark Anton wird hingegen nur einmal erwähnt, als Mitkonsul Caesars im Jahr 44 v. Chr. Censorinus führt auch Lucius Munatius Plancus an, der im Jahr 27 v. Chr. im Senat von Rom als damals ältester der ehemaligen Konsuln (er hatte das Amt 42 v. Chr. innegehabt) den Antrag stellte, dem Octavianus den Titel “Augustus” zu verleihen. Von den späteren Kaisern des Römischen Reiches führt Censorinus Claudius an, der von 41 bis 54 n. Chr. herrschte, außerdem Vespasianus und seinen Sohn und Nachfolger Titus, die von 69 bis 79 bzw. 79 bis 81 n. Chr. die Herrschaft innehatten, Domitianus, Kaiser von 81 bis 96 n. Chr., Antoninus Pius, Kaiser von 138 bis 161 n. Chr. sowie Septimius Severus und seinen Sohn Caracalla, Kaiser von 193 bis 211 n. Chr. bzw. 217 n. Chr. Auf die Kaiser seiner eigenen Zeit – allein im Entstehungsjahr des Werkes 238 n. Chr. hatte das Römische Reich sechs Kaiser erlebt (s. S. 7) – geht Censorinus hingegen mit keinem Wort ein. Bezeichnung von Jahren durch Konsulnamen Für viele Jahresangaben nutzt Censorinus, wie das in der ganzen römischen Antike üblich war, die Namen der beiden Konsuln, also der zwei höchsten Beamten, die zu Beginn eines jeden Jahres im Amt waren (heute wäre z. B. die jährlich wechselnde Bundesratspräsidentschaft

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für eine solche Datierung verwendbar); als historische Figuren interessieren ihn diese Konsuln sonst nicht. In der folgenden Übersicht sind in chronologischer Folge alle Konsulatsangaben bei Censorinus zusammengestellt. Dabei ist bei Männern, die wiederholt Konsul waren, mit einer römischen Zahl angegeben, um das wievielte Konsulat es sich handelt; bei römischen Kaisern steht hier nur der heute geläufige Name. 509 v. Chr.: Spurius Lucretius Tricipitinus und Publius Valerius Poplicola 456 v. Chr.: Marcus Valerius Maximus und Spurius Verginius Tricostus Caeliomontanus 346 v. Chr.: Marcus Valerius Corvus II und Gaius Poetelius Libo Visolus II 344 v. Chr.: Gaius Marcius Rutilus III und Titus Manlius Imperiosus Torquatus II 249 v. Chr.: Publius Claudius Pulcher und Lucius Iunius Pullus 236 v. Chr.: Publius Cornelius Lentulus Caudinus und Gaius Licinius Varus 158 v. Chr.: Marcus Aemilius Lepidus und Gaius Popillius Laenas II 149 v. Chr.: Lucius Marcius Censorinus und Manius Manilius 146 v. Chr.: Gnaeus Cornelius Lentulus und Lucius Mummius Achaicus 126 v. Chr.: Marcus Aemilius Lepidus und Lucius Aurelius Orestes 46 v. Chr.: Gaius Iulius Caesar III und Marcus Aemilius Lepidus 45 v. Chr.: Gaius Iulius Caesar IV ohne Kollege 44 v. Chr.: Gaius Iulius Caesar V und Marcus Antonius 27 v. Chr.: Kaiser Augustus VII und Marcus Vipsanius Agrippa III 17 v. Chr.: Gaius Furnius und Gaius Iunius Silanus 8 v. Chr.: Gaius Marcius Censorinus und Gaius Asinius Gallus 47 n. Chr.: Kaiser Claudius IV und Lucius Vitellius III 74 n. Chr.: Kaiser Vespasian V und Titus III 86 n. Chr.: Kaiser Domitianus XII und Servius Cornelius Dolabella Petronianus 88 n. Chr.: Kaiser Domitianus XIV und Lucius Minicius Rufus 139 n. Chr.: Kaiser Antoninus Pius II und Gaius Bruttius Praesens II 204 n. Chr.: Lucius Fabius Cilo Septiminus Catinius Acilianus Lepidus Fulcinianus II und Marcus Annius Flavius Libo 238 n. Chr.: Fulvius Pius und Pontius Proculus Pontianus

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Messung von Zeit, Länge und Gewicht Der römische Kalender zählt die Monate von den “Kalenden” (auf die unser Wort “Kalender” zurückgeht), dem jeweiligen Monatsersten, und von den “Iden” aus, die am 13. oder am 15. des Monats liegen (Details bei Censorinus 20,10); die “Nonen” liegen jeweils neun (lateinisch nonus, der neunte) Tage vor den Iden. In den “vollen” Monaten März, Juli, Mai und Oktober, die allein ursprünglich 31 Tagen umfassten, liegen die Iden am 15. und die Nonen am 6. des Monats. Aus dem altägyptischen Kalender erwähnt Censorinus nur den Montag Thout/Thoyti, der mit dem Aufgang des Sirius (des “Hundssterns”) beginnt, aus dem Kalender der Juden die Siebentagewoche. Von einer thrakischen Tradition, auf einem liegenden Kalender gute Tage mit besonderen Steinchen zu markieren, berichtet wie Censorinus (2,1) auch der römische Gelehrte Gaius Plinius Secundus d. Ä. in seiner “Naturkunde” (7,131). Die Zeitspannen Lustrum, “Großjahr”, “Säkulum” und “Ewigkeit” definiert Censorinus im zweiten Teil seines Werks (ab 16,2) selbst. Eine “Winterstunde” (16,6) ist offenbar ein Zwölftel des lichten Tages im Winter, also weniger als eine heutige, vom Tageslicht unabhängige Stunde, die der “Tag- und NachtgleicheStunde” (19,2) entspricht. Römische Längeneinheiten gehen vom “Fuß” mit knapp 30 cm aus; Censorinus nennt den “Fingerbreit”, der 1/16 eines römischen “Fuß” umfasste, also knapp 2 cm, und das “Stadion” zu 623 Fuß, also etwa 185 m. Ferner kennt Censorinus andere Stadien-Längen: das olympische (von Olympia) und das pythische (von Delphi). An Gewichtseinheiten nennt er die “Drachme”, etwa 40 g. Die unsinnigen Angaben zum sich verändernden Gewicht des Herzens bei Censorinus (17,14) erklären sich übrigens vielleicht aus einem Missverständnis, da in altägyptischen Bildern des sogenannten Totengerichts oder Jenseitsgerichts dargestellt wird, wie das Herz eines Verstorbenen vor der Vereinigung seiner Seele mit seinem Leichnam gewogen wird.

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Welches Wissen vermittelt Censorinus seiner Leserschaft? Censorinus führt in seinem Werk eine Vielzahl von antiken Denkern an, deren Lehrmeinungen zu einem bestimmten Thema er meist nur sehr kurz zusammenfasst. Im Folgenden werden zunächst die in dem Werk De die natali genannten Philosophen angeführt, dann die Vertreter der Fachwissenschaft. Philosophie Von den frühgriechischen Denkern nennt Censorinus mit Solon von Athen, der im 6. Jh. in Athen als Staatsmann, Dichter und Denker wirkte, einen der Sieben Weisen. Er spielt dabei auf eine Elegie an, in der Solon über die Lebensalter spricht; diese ist erhalten und lautet in der klassischen Übersetzung von Emanuel Geibel (1815 – 1884) wie folgt: παιñς με` ν α» νηβος ε ω` ν ε» τι νη' πιος ε«ρκος ο δο' ντων φυ' σας ε κβα' λλει πρω ñ τον ε ν ε«πτ’ ε» τεσιν. του` ς δ’ ε τε' ρους ο« τε δη` τελε' σηι θεο` ς ε«πτ’ ε νιαυτου' ς, η« βης †δε` φα' νει† ση' ματα γεινομε' νης. τηñ ι τριτα' τηι δε` γε' νειον α εξομε' νων ε» τι γυι' ων λαχνουñ ται, χροιηñ ς α» νθος α μειβομε' νης. τηñ ι δε` τετα' ρτηι παñ ς τις ε ν ε βδομα' δι με' γ’ α» ριστος ι σχυ' ν, ηð ι τ’ α» νδρες πει' ρατ’ ε» χους’ α ρετηñ ς. πε' μπτηι δ’ ω« ριον α» νδρα γα' μου μεμνημε' νον ειòναι και` παι' δων ζητειñν ει σοπι' σω γενεη' ν. τηñ ι δ’ ε«κτηι περι` πα' ντα καταρτυ' εται νο' ος α νδρο' ς, ου δ’ ε» ρδειν ε» θ’ ο μω ñ ς ε» ργ’ α πα' λαμνα θε' λει. ε πτα` δε` νουñ ν και` γλω ñ σσαν ε ν ε βδομα' σιν με' γ’ α» ριστος ο κτω' τ’· α μφοτε' ρων τε' σσαρα και` δε' κ’ ε» τη. τηñ ι δ’ ε να' τηι ε» τι με` ν δυ' ναται, μαλακω' τερα δ’ αυ τουñ προ` ς μεγα' λην α ρετη` ν γλω ñ σσα' τε και` σοφι' η. τη` ν δεκα' την δ’ ει» τις τελε' σας κατα` με' τρον «ικοιτο, ου κ α ν α» ωρος ε ω` ν μοιñραν ε» χοι θανα' του.

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Wann unmündig und klein noch das Kind ist, wirft es der Zähne Reihen im Wechsel zuerst ab bis ins siebente Jahr; Doch vollendet darauf nachfolgende Sieben ein Gott ihm, Geben die Zeichen alsbald reifender Jugend sich kund. Dann in den dritten umsäumt, wie der Wuchs vollendet hervortritt, Flaum sein Kinn und der Reiz wechselnder Farben erblüht. //sich Schließt sich zum vierten die Woche, so fühlt auf dem Gipfel der Kraft Jeglicher Mann und es scheint rühmliche Tat ihm verbürgt. Doch in der fünften geziemt es ihm wohl, der Vermählung zu denken, Für zukünftige Zeit zeug’ er ein blühend Geschlecht. Drauf in der sechsten erstarkt sein Geist zu besonnener Klarheit Und nach vergeblichem Ziel hat er zu trachten verlernt, Vierzehn Jahre hindurch in der siebenten dann und der achten Woche durch kundigen Rat herrscht er und Redegewalt. Auch in der neunten vermag er noch manches, doch fühlt er ermattend, Dass zu gewichtiger Tat Kraft und Entschluß ihm gebricht. Aber erfüllt ihm ein Gott zum zehenten Male die Sieben, Mag dem Gereiften mit Fug nahen das Todesgeschick. (Solon, Elegie 19 D = 27 W)

An Vertretern der sogenannten älteren ionischen Naturphilosophie, mit der in der griechischen Philosophie das Nachdenken über die Natur beginnt, bezieht sich Censorinus auf Anaximandros von Miletos, der in der ersten Hälfte des 6. Jh.s v. Chr. wirkte, und auf Hippon von Metapontion oder Samos, der ins 5. Jh. v. Chr. zu datieren ist. Von den jüngeren ionischen Naturphilosophen erscheint namentlich Demokritos von Abdera (um 460 – um 370 v. Chr.), dessen Lehre von den Atomen als kleinsten Teilen große Wirkung haben sollte. Von den weiteren Vorsokratikern nennt Censorinus wiederholt den Skeptiker Xenophanes von Kolophon (um 570 – um 470 v. Chr.), den bedeutenden Denker Herakleitos (Heraklit) von Ephesos, der um 500 v. Chr. wirkte, außerdem Parmenides von Elea aus dem 5. Jh. v. Chr. sowie Anaxagoras von Klazomenai (um 500 – 428 v. Chr.), Empedokles von Akragas (um 495 – um 435 v. Chr.; das von Censorinus 4,7 als “berühmt” bezeichnete Gedicht ist nicht erhalten), Diogenes von Apollonia (spätes 5. Jh. v. Chr.) sowie die Redner und Sophisten Gorgias von Leontinoi (um 488 – 380 v. Chr.) und Isokrates von Athen (436 – 338 v. Chr.) – die beiden letzteren allerdings nur wegen ihres hohen Lebensalters.

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Besondere Aufmerksamkeit finden bei Censorinus die Pythagoreer, denen u. a. das Nachdenken über die der Welt zugrundeliegenden Zahlenverhältnisse wichtig war. Allen voran erscheint der ins späte 6. Jh. v. Chr. zu datierende Pythagoras von Samos selbst, aber auch seine Schülerin Theano, die einzige weibliche antike Philosophin, von der noch heute Werke erhalten sind, und sein Schüler Epicharmos von Megara Hyblaia (um 540 – 460 v. Chr.). Pythagoras’ Anhänger sammelten sich in Unteritalien, etwa in Kroton (Cotrone), in Lukanien (Basilicata) und Taras (Tarento); zuerst sollen unter ihnen Philolaos von Kroton im 5. Jh. v. Chr. Niederschriften über die Lehre des Pythagoras und Alkmaion von Kroton Werke über die Natur des Menschen verfasst haben, ebenso im späten 5. Jh. Okellos Lukanos (der Beiname bedeutet “aus Lukanien”); in die erste Hälfte des 4. Jh.s gehört sodann der Pythagoreer Archytas von Taras. Wie der moderne Begriff “Vorsokratiker” schon nahelegt, ist der Denker Sokrates von Athen (469 – 399 v. Chr.), den Censorinus einmal (12,1) erwähnt, von größter Bedeutung für die spätere Philosophie. Zu seinen Schülern gehört – neben Eukleides von Megara (um 450 – 380 v. Chr.) und neben dem Politiker und Militär Xenophon von Athen (428 – 354 v. Chr.), aus dessen auf Griechisch geschriebenen Erinnerungen an Sokrates (1,6,10) Censorinus (1,4) in lateinischer Übersetzung zitiert – vor allem der große Philosoph Platon von Athen (428 – 347 v. Chr.). Dieser wirkte in Athen als “die erhabenste Gestalt der alten Philosophie” (14,12); er wurde zum Begründer der Philosophenschule im Akademos-Hain in Athen, der Akademie. Von den späteren Leitern dieser Philosophenschule nennt Censorinus den von 339 bis um 314 v. Chr. als solcher wirkenden Xenokrates von Chalkedon (um 395 – um 314 v. Chr.) sowie den Begründer der sogenannten “Neuen” Akademie in Athen, Karneades von Kyrene (214 – 129 v. Chr.). Als Schüler Platons gründete der bedeutende Philosoph Aristoteles von Stageira (384 – 322 v. Chr.), die Philosophenschule des Peripatos im Lykeion (Lyzeum), einem Apollon-Heiligtum nahe Athen. Censorinus nennt auch die beiden Nachfolger des Aristoteles als Oberhäupter der peripatetischen Schule, Theophrastos von Eresos (372 – 287 v. Chr.) und Straton von Lampsakos (um 340 – um 268 v. Chr.), sowie

Vermitteltes Wissen

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Aristoteles’ Schüler Aristoxenos von Taras (um 360 – 300 v. Chr.), den Censorinus als Musiktheoretiker heranzieht, Dikaiarchos von Messene (375/350 – um 285 v. Chr.), dem vielerlei gelehrte Schriften verdankt werden, und nicht zuletzt den ersten Peripatetiker, der sich um 92 v. Chr. in Rom niederließ: Staseas von Neapolis. Auch Vertreter späterer Philosophenschulen erscheinen bei Censorinus, darunter der Diogenes von Sinope (um 412 – 321 v. Chr.), der Begründer der Philosophenschule der Kyniker, sowie Epikuros von Athen (341 – 270 v. Chr.), der die nach ihm als “Epikureer” benannte Schule begründete. Häufiger nimmt Censorinus auf die Philosophenschule der Stoiker, die sich nach der Stoa Poikile (bunten Wandelhalle) in Athen benannte. Namentlich werden in dem Werk De die natali der Begründer der Schule, Zenon von Kition (335 – 263 v. Chr.) genannt, sein Nachfolger als Schuloberhaupt Kleanthes von Assos (331 – 232 v. Chr.) sowie sein Schüler Dionysios von Herakleia (328 – 248 v. Chr.). Fachwissenschaft Die Beobachtung der Sterne und die Schlussfolgerungen daraus wurden in der Antike nicht als getrennte Wissenschaften “Astronomie” und “Astrologie” wahrgenommen, sondern als Einheit; da in der heutigen Sprache diese Fachgebiete getrennt sind, nutzt die Übersetzung für astrologus immer den Begriff “Sternenkundiger”. Als älteste und wichtigste Sternenkundige galten die in Mesopotamien beheimateten Babylonier und Chaldäer; aus der griechischen Welt nennt Censorinus in diesem Fachgebiet aus dem 6. Jh. v. Chr. Kleostratos von Tenedos, aus dem 5. Jh. Harpalos, Meton von Athen und Oinopides von Chios, aus dem 4. Jh. Eudoxos von Knidos und seinen Schüler Kallipos von Kyzikos, einen Freund des Philosophen Aristoteles, und aus dem 3. Jh. Berossos von Babylon, Aristarchos von Samos, den Begründer eines heliozentrischen Weltbilds, sowie Eratosthenes von Kyrene (um 275 – um 194 v. Chr.), der durch seine Berechnungen zum Erdumfang berühmt wurde, und Dositheos von Alexandreia, aus dem 2. Jh. v. Chr. schließlich Epigenes von Byzantion (ob 7,5.6 dieser oder ein sonst nicht bekannter Namensvetter ge-

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meint ist, lässt sich nicht mehr ermitteln) und Hipparchos von Nikaia. Nicht datierbar sind die von Censorinus genannten Sternenkundigen Aphrodisios, Aretes von Dyrrhachion, Dion, Dioskorides, Dorylaos, Kassandros, Menestratos und Nauteles, außerdem die Angaben der nach mythologischen Figuren benannten (oder unter deren Namen publizierten) Linos und Orpheus. Ob Censorinus mit den Genethliaci, den “Geburtstagsforschern”, griechische oder römische Autoren meint, muss offen bleiben. Für die Thematik des Werks De die natali wichtig sind immer wieder auch die Erkenntnisse der antiken Medizin. Alle voran steht der berühmte Hippokrates von Kos, der im späten 5. Jh. v. Chr. wirkte – und den Censorinus einmal (14,4) also zu Unrecht für älter als Solon zu halten scheint –, aber auch auf dessen Zeitgenossen Herodikos von Selymbria und Euryphon von Knidos. Aus späteren Jahrhunderten führt Censorinus den nach Hippokrates wichtigsten Mediziner Diokles von Karystos an, der im 4. Jh. wirkte, ferner Euënor von Athen (4./3. Jh. v. Chr.) und Herophilos von Chalkedon (um 330 – 260 v. Chr.), der in Alexandreia wirkte, sowie aus dem 1.Jh. Asklepiades von Prusa. Censorinus’ Exkurse zur Musiktheorie nennen Aristoxenos von Taras, den man auch unter die Schüler des Aristoteles gezählt hat. Das in 10,8–9 beschriebene Experiment hält übrigens einer Überprüfung nicht stand! Den vielen Namen, die in dem Werk De die natali genannt werden (und die das “Who’s who” am Ende dieses Bandes erschließt), ist gemeinsam, dass der Autor sie bei seiner Leserschaft fast durchweg als bekannt voraussetzt – das unter Gebildeten verbreitete “name dropping” wichtiger Denker ist bei ihm besonders ausgeprägt!

Vorlagen

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Woher bezog Censorinus seine Angaben? Sicher hat Censorinus die Werke der von ihm zitierten gelehrten Autoren nicht alle selbst gelesen (auch wenn er wiederholt Begriffe in altgriechischer Sprache wiedergibt). Woher also bezog er seine Angaben? Philosophiehandbücher Censorinus hat sich zweifellos an ältere handliche Zusammenstellungen von Philosophenmeinungen gehalten, die für uns zwar weitgehend verloren sind, für die aber Censorinus’ eigenes Werk nun ein (erhaltenes) Beispiel geworden ist. Besonders häufig zitiert er aus den (ebenfalls bis auf Fragmente verlorenen) Werken des römischen Universalgelehrten Marcus Terentius Varro im 1. Jh. v. Chr., die – wie vielleicht auch Gaius Suetonius Tranquillus (s. S. 30) – zu seinen Hauptvorlagen gehört haben mögen; wir kommen auf diese Werke zurück. Geschichtsschreibung Immer wieder stützt sich Censorinus daneben auch auf Werke von Historikern. Unter ihnen nennt er an griechischen Geschichtsschreibern den berühmten Herodotos von Halikarnassos (um 480 – 420 v. Chr.), dann Ephoros von Kyme (um 405 – 330 v. Chr.), dessen Werk ebenso wie das des Timaios von Tauromenion (um 350 – 260 v. Chr.) und das des Sosibios von Lakedaimon (wohl Mitte 3. Jh. v. Chr.) bis auf Fragmente verloren ist. Während Censorinus die Etruskergeschichte durch die Vermittlung eines römischen Autors kennt (17,5), bezieht er sich bei den römischen Historikern auf die Annalen der Alten (17,10), namentlich auf Marcus Fulvius Nobilior, einen der Konsuln des Jahres 189 v. Chr., auf Lucius Cassius Hemina und Lucius Calpurnius Piso Frugi, die im 2. Jh. v. Chr. wirkten (aus den Annalen des letztgenannten Historikers zitiert Censorinus 17,10 wörtlich), auf Gnaeus Gellius und Marcus Iunius Gracchanus im späteren 2. Jh. v. Chr. und auf Gaius Licinius Macer im frühen 1. Jh. v. Chr., außerdem auf dessen jüngeren Zeitgenossen Valerius Antias, auf den berühmten Historiker Titus Livius (59 v. Chr. –

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17 n. Chr.), aus dessen Geschichtswerk er aus dem (sonst verlorenen) 136. Buch zitiert, auf Fenestella (52 v. Chr. – 19 n. Chr.) und auf Gaius Suetonius Tranquillus (um 70 – um 140 n. Chr.) “sowie andere Chronographen”, die wir nicht identifizieren können (20,2). Dokumente Zu den von Censorinus zitierten Rechtsdokumenten der römischen Antike gehörten die Regelungen im (nur in Fragmenten bewahrten) sogenannten Zwölftafelgesetz, auf das Censorinus zweimal (23,8; 24,3) Bezug nimmt. An späteren Dokumenten zitiert er Protokolle der (oben genannten) Quindecimviri, einen von Marcus Plaetorius durchgesetzen Volksbeschluss – nämlich die nur bei Censorinus (24,4) erwähnte lex Plaetoria – sowie Edikte des Kaisers Augustus; vielleicht kannte er auch die Inschrift mit den Bestimmungen zur Durchführung der Säkularfeiern durch die Quindecimviri. Antiquarische Literatur Wahrscheinlich entnahm Censorinus auch manche dieser Zeugnisse späteren Werken, die sich mit “antiquarischen” Fragen befasste, also an Details der Vergangenheit an sich interessiert war – was ja auch für das Werk De die natali gilt; ja, man hat es als einen Vertreter der (verlorenen) Gattung des Logistoricus, des erzählenden Wissensbuchs, verstanden, die insbesondere von Marcus Terentius Varro (116 – 27 v. Chr.) gepflegt wurde. Varro war für die Arbeit des Censorinus wohl der wichtigste Autor; er wird in De die natali von allen Autoren am häufigsten angeführt. Genannt werden dabei seine Werke Atticus de numeris (“Atticus: Über die Zahlen”), Antiquitates rerum humanarum et divinarum (“Altertümer menschlicher und göttlicher Angelegenheiten”), Tubero de origine humana (“Tubero: Über den Ursprung des Menschen”) sowie De scaenicis originibus (“Über den Ursprung der Bühnenspiele”), aus denen Censorinus teils wörtlich zitiert (keines dieser Werke ist uns ganz erhalten).

Vorlagen

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Im späten 1. Jh. v. Chr. schuf der Gelehrte Granius Flaccus ein Werk De indigitamentis (“Über Anrufungsformeln”), auf das Censorinus ebenfalls direkt Bezug nimmt; auch Gaius Suetonius Tranquillus ist als Autor (heute verlorener) antiquarischer Werke bekannt. Die von Censorinus einmal (4,11) pauschal genannten Genealogoe (“Herkunftsforscher”) mögen ebenfalls Verfasser antiquarischer Literatur gewesen sein. Spruchweisheit und Dichtung Immer wieder zitiert Censorinus aber auch wörtlich, so die Sprichworte “Das Schwein belehrt Minerva” (1,7), dem etwa im Deutschen “Die Gans lehrt den Schwan das Singen” entspricht, und “erst nach einem Säkulum” (17,13; etwa im Sinne von “alle Jubeljahre”). Auch die Werke der römischen Dichter führt Censorinus gerne an, darunter ihren ersten bedeutenden Vertreter Quintus Ennius (239 – 169 v. Chr.). Auf die beiden bedeutendsten römischen Komödiendichter nimmt das Werk De die natali direkt Bezug: auf Titus Maccius Plautus (um 254 – um 184 v. Chr.), bei dem er den Begriff “Vesperugo” für den Abendstern findet (21,4), und auf Publius Terentius Afer (Terenz, um 190 – 159 v. Chr.), aus dessen Komödie Heautontimorumenos (“Der Selbstpeiniger”, Verse 195–196) Censorinus eine Sentenz wörtlich anführt (1,3). Ferner nimmt Censorinus auf das verlorene 16. Buch der Saturae (“Satiren”) des römischen Dichters Gaius Lucilius (nach 180 – 103 v. Chr.) Bezug (3,3) und zitiert einen Halbvers aus dem Werk De natura (“Über die Natur” 1,733) des Titus Lucretius Carus (um 97 – um 55 v. Chr.). Von den Dichtern aus der Zeit des Augustus nennt Censorinus Publius Vergilius Maro (Vergil, 70 – 19 v. Chr.) nur wegen eines Begriffs (24,4); einmal (4,11) verweist er zu einem Detail auf den “Dichter” Vergil (Aeneis 8,314–315). Aus dem Carmen saeculare des bereits zu Beginn dieser Einführung genannten Quintus Horatius Flaccus (Horaz, 65 – 8 v. Chr.) zitiert Censorinus hingegen vier Zeilen wörtlich (17,9); wir geben auch sie in der schon oben genannten klassischen Übersetzung von Johann Heinrich Voß wieder.

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Aus der zweiten Satura (“Satire”) des kaiserzeitlichen Autors Aulus Persius Flaccus (34 – 62 n. Chr.) führt Censorinus (1,2) zwei Verse an. Auch sie ist ein Geburtstagsgeschenk für einen Freund des Autors, hier einen Macrinus. Der Anfang des Gedichts lautet in der klassischen Übersetzung von Benjamin August Bernhard Otto (1784 – 1847) wie folgt (zum “glücklichen” Stein im Kalender und zum “Geburtstagsgott”, dem Genius, s. S. 23): hunc, Macrine, diem numera meliore lapillo, qui tibi labentis apponet candidus annos. funde merum genio. non tu prece poscis emaci … Zähle, Macrinus, nach glücklichem Steine diesen Geburtstag denen hinzu, der strahlend dir rollende Jahre hinzureiht. Opfere Wein dem Geburtstagsgott … (Persius, Satiren 2, 1 – 3)

Censorinus De die natali Über den Geburtstag

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De die natali 1

{232r} 1. (1) munera ex auro vel que [ex] argento nitent, celato opere [noo]quam materia cariora, ceteraqu[a]e hos genus blandimenta fortunae inhiat is, qui vulgo dives vocatur; te autem, Quinte Caerelli, virtutis non minus quam pecuniarum divitem, id est vere divitem, ista non capiunt. (2) non quod eorum possessionem vel etiam usum a te omnino abiceris, sed quod sapientium disciplina formatus satis liquido conperisti huius modi sita in lubrico bona malave per se non esse, se[t] τω ñ ν με' σων, hoc est bonorum malorumque media censeri. (3) “haec”, ut comicus ait Terentius, perinde sunt, ut illius est animus, qui ea possidet: qui uti scit, ei bona; illi, qui non utitur recte, mala

(4) igitur quoniam quisque non quanto plura possidet, sed quanto pauciora optat, tanto est locupletior, opes tibi in animo maxime, et eae quidem, quae non modo bona generis humani praecedant, sed quae ad deorum immortalium aeternitatem p[a]enitus accedant. quod enim Xenophon Socraticus dicit: nihil [a]egere est deorum, quam minime autem proximum a deis.

(5) quare cum dona pr[a]etiosa neque tibi per animi virtutem desint nec mihi per rei tenuitateυ. (8) hi igitur dies quadraginta per septem illos initiales multiplicati fiunt dies du[o]centi octog[e]nta, id est hebdomadae quadraginta. sed quoniam ultimae illius hebdomadis primo die[s] editur partus, sex dies decedunt et ducente[n]simus septuagensimus quartus observatur. qui numerus dierum ad tetragonum illum Chaldeorum conspectum subtiliter congruit: (9) nam cum signiferum orbem diebus ccclxv et aliquo[d] horis sol circumeat, quarta necesse est parte[m] dempta, id est diebus lxi[i] aliquo[d]que horis, tres quadras reliquis diebus cclxxiiii non plenis percurrat, usque dum perveniat ad id loci, unde conceptionis initium quadratus aspiciat.

Rund um die Geburt

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bei der Berechnung aller ihrer Tage, und bei den Etruskern scheinen die libri rituales (“Ritualbücher”) auf sie hinzudeuten; auch Hippokrates (von Kos) und andere Mediziner zeigen bei der Gesundung des Körpers nichts anderes auf, vielmehr sehen sie jeden siebten Tag als krisimon (“Krisen”-Tag, Risiko-Tag; s. 14,9) an. (7) So, wie bei der ersten Fötusart (dem Kleinfötus) die Anfangsphase bis zur Umwandlung des Samens in Blut sechs Tage beträgt, so sind es bei dieser (dem Großfötus) sieben. Und so, wie bei jenem das Kind 35 Tage bis zur Ausprägung der Gliedmaßen braucht, so sind es bei diesem nach demselben Verhältnis etwa 40. Darum gelten in Griechenland die jeweils 40. Tage als besondere: Eine Schwangere betritt vor dem 40. Tag kein Heiligtum. Nach der Geburt sind die meisten Frauen noch 40 Tage lang recht belastet und können bisweilen das Blut nicht halten. Neugeborene sind in der gleichen Zeitspanne noch kraftlos und todesnah, ohne Lächeln und nicht außer Gefahr; deshalb pflegen sie auch nach Verstreichen dieses Tages ein Fest zu feiern, das sie als Zeit des Tesserakostaion (“Vierzigsten”) bezeichnen. (8) Diese 40 Tage nun mit jenen sieben Tagen der Anfangsphase multipliziert ergeben 280 Tage, das sind 40 Hebdomaden (Siebentageszeiträume). Weil aber schon am ersten Tage dieser letzten Hebdomade die Geburt erfolgt, muss man sechs Tage abziehen; es kommt also auf den 274. Tag an. Diese Zahl an Tagen (der Pythagoreer) passt nun exakt zu dem oben (8,8) erwähnten tetragônos-Aspekt (Geviertschein) der Chaldäer: (9) Wenn nämlich die Sonne den Tierkreis in 365 Tagen und einigen Stunden durchläuft, so braucht sie notwendig nach Abzug eines Viertels, d. h. von 91 Tagen und einigen Stunden, für den Durchlauf von drei Vierteln nicht ganz volle 274 Tage, bis sie zu dem Punkt gelangt, von dem aus der Empfängnispunkt im quadratus (Geviertschein) sichtbar ist.

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(10) unde autem mens {245r} humana dies istos commutationis speculari et arcana naturae [m]i[r]ari potuerit, nemo miretur. haec enim frequens medicorum experientia pervid[e]t, qui cum multas animadverterent semen non retinere conceptum, conpertum habuer[i]nt id, [in] quod intra sex dies septemve eiciebatur, esse lacteum, et vocaverunt ε» κ[κ]ρυσιν, quod postea autem, sanguineum, idque ε κτρωσμο' ς appellatur. (11) quod vero ambo partus videntur paribus dierum numeris contineri, Pythagoras inparem laud[e]t, tamen a secta non discrepat. duo enim inpares ccviiii et cclxxiii dicit expleri, ad quorum consummationem aliquid ex equentibus accedere, quod tamen diem solidum non adferat. (12) cuius exemplum vid[i]mus tam in anni quam mensis spatio servasse naturam, cum et anni inparem dierum trecentorum sexaginta quinque numerum aliquanto cumulaverit et mensi lunari ad dies undetrig[e]nta aliquid addiderit. 12. (1) nec vero incredibile est ad nostros natales musicam pertinere. haec enim sive in voce tantummodo est, ut[i] crates ait, sive, ut Aristoxenus, in voce et corporis motu, sive in his et praeterea in animi motu, ut putat Theo[f]rastus, certe multum obtinet divinitatis et animis permovendis plurimum valet. (2) nam nisi grata esset deis inmortalibus, qui ex anima constant divina, profecto ludi scenici placandorum deorum causa instituti non

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Exkurs: Beobachtungen zum Geburtszeitpunkt (10) Woher der menschliche Geist aber diese Risiko-Tage der Wandlung erkennen und die Geheimnisse der Natur erforschen konnte, braucht niemanden zu wundern. Dies nämlich hat die häufige Erfahrung der Mediziner durchschaut, die aufgrund der Beobachtung, dass viele Frauen den empfangenen Samen nicht bei sich behalten konnten, zu der Feststellung kamen, dass die Flüssigkeit, die binnen sechs oder sieben Tagen ausgeschieden wurde, milchig war – dies benannten sie (auf Griechisch) als ekrhysis (Ausfluss) –, dass aber das, was danach auftrat, blutig war – dies beichnet man (auf Griechisch) als ektrôsmos (Ausstoß, Fehlgeburt). (11) Dass beide Fötusarten (Kleinfötus und Großfötus) geraden Zahlen unterworfen zu sein scheinen, Pythagoras (von Samos) aber die ungerade Zahl preist, widerspricht nicht seiner Lehrmeinung. Er sagt nämlich, dass die beiden ungeraden Zahlen von 209 und 273 Tagen voll beansprucht würden, weshalb zu ihrer Endsumme noch ein Teil des folgenden Tages hinzukomme, was allerdings keinen ganzen Tag ausmache. (12) Das Beispiel hierfür hat, wie wir (22,4) sehen werden, die Natur sowohl bei der Jahres- wie bei der Monatsdauer bewahrt, indem sie die ungerade Zahl von 365 Tagen des Jahres um einen gewissen Bruchteil vergrößert und dem Mondmonat zu den 29 Tagen noch etwas dazugegeben hat. Exkurs: Musik und Seele 12. (1) Es ist durchaus nicht unglaublich, dass die Musik etwas mit dem Termin unserer Geburt zu tun hat. Denn ob die Musik nun – wie Sokrates von Athen sagt – nur im Ton (vox) liegt oder – wie Aristoxenos (von Taras) sagt – in der Bewegung von Ton und Körper oder – wie Theophrastos (von Eresos) glaubt – darin und zusätzlich in der Bewegung des Geistes: Ganz sicher ist in ihr viel an Göttlichkeit eingeschlossen und ganz sicher hat sie sehr großen Einfluss auf die Bewegungen unserer Seelen. (2) Wenn sie nämlich den unsterblichen Göttern, die ja aus göttlicher Seele bestehen, nicht wohlgefällig wäre, hätte man bestimmt keine Bühnenspiele zur Besänftigung der Götter eingeführt,

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essent, nec tibicen omnibus supplicationibus in sacris aedibus adhiberetur, non cum tibicine a[u]t {245v} triumphus ageretur, non Apollini c[h]itara, non Musis tibiae ceteraque id genus essent adtributa, non tibicinibus, per quos numina placantur, esset permissum aut ludos publice facere ac vesci in Capit[u]lio, aut Qui[dp]uatribus minus[o]culis, id est idibus Iuniis, urbe[s] vestit[o], quo vellent, personatis temulentisque pervagari. (3) hominum quoque mentes et ipsae, quamvis Epic[o]ro reclamante, divinae suam naturam per cantus agnoscunt. denique quo facilius sufferant laborem, vel in navis metu a [v]ectore symphonia adhibetur. legionibus quoque in acie dimicantibus etiam metus mortis classico depellitur. (4) ob quam rem Pythagoras, ut animum sua semper divinitate imbueret, priusquam se somno daret et cum esset expergitus, [sy]thara, ut ferunt, cantare consueverat, et Asclepiad[i]s medicus [f]reneticorum mentes morbo turbatas saepe per symphonian suae naturae reddidit. [I]erophilus autem, [mo]rtis eiusdem professor, venarum pulsus rythmis musicis ait moveri. (5) itaque si et in corporis et in animi motu est harmonia, procul dubio a natalibus nostris musica non est aliena. 13. (1) ad haec acc[i]dit quod Pythagoras prodidit hunc totum mundum musica factum ratione, septemque stellas inter caelum et terram vagas, quae mortalium geneses moderantur, motum habere

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würde nie ein Flötenbläser zu allen Kultfesten in den heiligen Tempeln hinzugezogen, würde nie mit Beteiligung eines Flötenbläsers für den (Kriegsgott) Mars ein Triumphzug aufgeführt, wären (dem Musengott) Apollon nicht eine Leier, den Musen nicht Flöten und andere Instrumente dieser Art zugewiesen, würde den Flötenbläsern, mit deren Spiel die Götter besänftigt werden, nicht gestattet, öffentlich mit Darbietungen aufzutreten, im Kapitol (von Rom) bewirtet zu werden oder an den Kleinen Quinquatria, also an den Iden des Juni (13.6.), in der Kleidung, in der sie dies wollen, maskiert und berauscht die Stadt (Rom) zu durchstreifen. (3) Auch der Geist und die Seele der Menschen, die ja selbst – wenngleich Epikuros (von Athen) dem widerspricht – von göttlicher Art sind, nehmen durch Gesang ihre eigene Natur wahr: So wird, damit die Arbeit leichter fällt, etwa beim Rudern im Schiff vom Steuermann die symphonia (das gemeinsame Singen) eingesetzt, und auch den Legionen, die in einer Schlachtreihe kämpfen, wird die Todesfurcht durch das Kampfsignal vertrieben. (4) Aus diesem Grund pflegte Pythagoras (von Samos), um seinem Geist immerzu mit seiner eigenen Göttlichkeit zu benetzen, vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen zur Leier zu singen, wie man überliefert; aus diesem Grund versetzte der Mediziner Asklepiades (von Prusa) sogar häufig das Gemüt von Geisteskranken durch symphonia in den ursprünglichen Zustand zurück; aus diesem Grund behauptete auch Herophilos von Chalkedon, ein Berufsvertreter derselben Kunst, der Pulsschlag bewege sich in musikalischen Rhythmen. (5) Wenn also Harmonie herrscht zwischen der Bewegung des Geistes und des Körpers, dann ist über jeden Zweifel erhaben, dass die Musik keinesfalls nichts mit unserem Geburtstag zu tun hat. Was ist die Sphärenharmonie? 13. (1) Hinzu kommt noch, was Pythagoras (von Samos) überliefert hat, dass nämlich der ganze Kosmos nach dem System der Musik geschaffen sei, dass die sieben Planeten, die zwischen Himmel und Erde wandern und das Schicksal der Sterblichen lenken, eine (auf

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enrythmon et intervalla musicis diastematis congrua, sonitusque varios reddere pro sua qua[e]que altitudine ita concordes, ut dulcissimam quidem concinant melodian, sed nobis inaudibilem propter vocis magnitudinem, quam ca[r]pere aurium nostrarum {246r} angustiae non possint. (2) nam ut Eratosthenes geom[i]trica ratione collegit maximum terrae circuitum esse stadiorum ducentum quinquaginta duum milium, ita Pythagoras, quo[d] stadia inter terram et singulas stellas essent, indicavit. stadium autem in hac mundi mensura id potissimum intellegendum est, quod Italicum vocant, pedum sescent[or]um vig[e]nti quinque; nam sunt praeterea et alia longitudine discrepantia, ut Olympicum, quod est pedum sescentum, item Pythicum pedum m. (3) igitur ab terra ad lunam Pythagoras putavit esse stadiorum circiter centum vig[e]nti sex milia, idque esse toni intervallum; a luna autem ad Merc[o]ri stellam, quae Stilon vocatur, dimidium eius, velut hemitonion; hinc ad Phosphoron, quae est Veneris stella, fere tantundem, hoc est aliud hemitonion;* inde porro ad solem ter tantum, quasi tonum et dimidium. (4) itaque solis astrum abesse a terra tonos tres et dimidium, quod vocatur dia pente, a luna autem duos et dimidium, quod est dia tessaron. a sole vero ad stellam Martis, cui nomen est Pyrois, tantumdem intervall[u] esse quantum a terra ad lunam, idque facere tonon; hinc ad Iovis stellam, quae Paeton appellatur, dimidium eius, quod faciat hemitonion; tantundem a Iove ad Saturni stellam, cui Phenon nomen est, id est aliud hemitonion; inde ad summum caelum, ubi signa sunt, {246v} perinde hemitonion. (5) itaque a caelo summo ad solem diastema esse dia tessaron, id est

*

a hinc ad hemitonion repetitur 14,2.

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Griechisch) als enrhythmos (rhythmisch) bezeichnete Bewegung ausführen, und zwar in Abständen (intervalla) zueinander, die den diastêmata der Musik (s. 10,3) entsprechen, und dass sie dabei verschiedene Klänge ertönen lassen, und zwar alle entsprechend ihrer jeweiligen Höhe, die so gut zusammenklingen, dass sie die angenehmste Melodie ergeben, die allerdings für uns unhörbar ist wegen der Größe des Tons (vox), den die Enge unserer Ohren nicht erfassen kann. (2) Wie nämlich Eratosthenes (von Kyrene) mithilfe eines geometrischen Verfahrens den größten Erdumfang mit maximal 252 000 Stadien berechnete, so ermittelte Pythagoras (von Samos), wie viele Stadien zwischen der Erde und den einzelnen Sternen liegen. Exkurs: Das Stadion-Maß Bei dieser Weltvermessung ist unter Stadion (s. S. 23) am ehesten das sogenannte italische Stadion zu verstehen, das 625 Fuß entspricht; es gibt freilich noch andere Stadien von abweichender Länge, z. B. das olympische (von Olympia) mit 600 Fuß oder das pythische (von Delphi) mit 1000 Fuß. (3) Also: Nach der Ansicht des Pythagoras sind es von der Erde bis zum Mond etwa 126 000 Stadien – das ist ein Abstand (intervallum) von einem Ganzton –, vom Mond bis zum Merkur, den man (auch) “Stilbon” nennt, ist es die Hälfte davon – sozusagen ein Halbton –, vom Merkur bis zum “Phosphoros”, das ist der Venus-Stern, etwa genauso weit – also wieder ein Halbton – und von dort bis zur Sonne das Dreifache – also anderthalb Ganztöne. (4) Demnach gilt: Die Sonne ist dreieinhalb Ganztöne von der Erde entfernt, was man als dia pente (Quinte) bezeichnet, vom Mond nur zweieinhalb Ganztöne, das ist dia tessarôn (Quarte). Von der Sonne bis zum Mars-Stern, der auch “Pyrois” heißt, ist der Abstand (intervallum) ebenso groß wie von der Erde zum Mond, was einen Ganzton ausmacht, von dort zum Iupiter-Stern, der auch den Namen “Phaëthon” hat, die Hälfte davon, also ein Halbton, ebenso weit vom Iupiter zum Saturn-Stern, der auch “Phainon” heißt, also wieder ein Halbton, und von dort zum höchsten Himmelsgewölbe, an dem sich die Sternbilder befinden, noch einmal ein Halbton. (5) Vom höchsten Himmelsgewölbe bis zu Sonne ergibt

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duorum tonorum et dimidi, a terrae autem summitate[m] a[d] eodem caelo tonos esse sex, in quibus sit dia pason symphonia. praeterea multa, que musici tractant, ad alias retulit stellas et hunc omnem mundum enarmonion esse ostendit. quare Dorylaus scripsit esse mundum organum dei. alii addiderunt esse id e[st]

ta[x]o[pa]on*, quia septem sint vagae stellae, quae plurimum moveantur. (6) sed his omnibus subtiliter tractandis hic locus non est. quae si vellem in unum librum separatim congerere, tamen in angustiis versarer. quin potius, quoniam me longius dulcedo musicae abduxit, ad propositum revertor. 14. (1) igitur expositis iis, quae ante diem natalem sunt, nunc ut climacterica anni noscantur, quid de gradibus aetatis humanae sensum sit, dicam. (2) Varro quinque gradus aetatis aequabiliter putat esse divisos, unumquemque scilicet praeter extremum in annos xv. itaque primo gradu usque annum xv pueros dictos, quod sint puri, id est inpubes. secund[us] ad tricensimum annum adulescentes, ab al[l]escendo sic nominatos. in tertio gradu qui erat usque quinque et quadraginta annos, iuven[i]s appellat[u]s eo quod rem publicam in re militari possent iuvare. in quarto autem adusque [ad] sexag[i]nsimum annum seniores vocitatos, quod tunc primum senescere corpus incip[ia]t. inde usque finem vitae

*

corr. Scaliger.

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sich mithin ein Abstand (diastema) von dia tessarôn (Quarte), also ein Intervall von zweieinhalb Ganztönen, bis zur Erdoberfläche von demselben höchsten Himmelspunkt aus sechs Ganztönen, aus denen die symphônia von dia pasôn (Oktave) besteht. Außerdem hat er (Pythagoras von Samos) noch vieles, was die Musiktheoretiker behandeln, auf die anderen Sterne übertragen und gezeigt, dass diese ganze Welt enharmonion (ein harmonisches System) ist. Dorylaos schrieb deshalb, die Welt sei das Musikinstrument (organum, die Orgel) Gottes, andere fügen hinzu, die Welt sei ein heptachordon (eine siebensaitige Leier), weil es sieben Plaeten sind, von denen sie am meisten bewegt wird. (6) Dieses Thema aber in allen Einzelheiten abzuhandeln, ist hier nicht der Ort. Selbst wenn ich es in einem gesonderten Buch darstellen wollte, käme ich in Bedrängnis. Umso mehr muss ich, weil mich die Süße der Musik ziemlich weit weggeführt hat, zum eigentlichen Vorhaben zurückkehren. Was geschieht nach der Geburt? 14. (1) Nachdem also erklärt ist, was vor dem Tag der Geburt liegt, will ich jetzt um die klimaktêrika-Jahre (“klimakterischen” oder Risiko-Jahre) verständlich machen und zunächst darüber sprechen, was über die Altersstufen des Menschen ausgesagt wird. Welche Altersstufen gibt es beim Menschen? (2) (Marcus Terentius) Varro glaubt, dass das Leben sich gleichmäßig in fünf Stufen gliedert, von denen sich jede außer der letzten über 15 Jahre erstreckt: In der ersten Stufe bis zum 15. Lebensjahr werden die Menschen pueri (Jungen) genannt, weil sie noch puri (rein) sind, nämlich noch nicht geschlechtsreif; in der zweiten Stufe bis zum 30. Lebensjahr sind sie adulescentes (Heranwachsende), so wegen ihres alescere (Heranwachsens) benannt; in der dritten Stufe bis zum 45. Lebensjahr nennt man sie iuvenes (Jugendliche), weil sie dem Staat mit Militärdienst iuvare (zur Seite stehen) konnten; in der vierten Stufe bis zum 60. Lebensjahr werden sie als seniores (Ältere) bezeichnet, weil dann erstmals der Leib zu senescere (altern) beginnt; von hier

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uniuscuiusque quintum gradum factum, in quo qui essent, senes appellatos, quod ea aetate corpus iam senio laboraret. [[hinc ad Phosphoron, {247r} quae est Veneris stella, fere tantundem, hoc est aliud hemitonion]]* (3) Hippocrat[i]s medicus in septem gradus aetate[m] distribuit. finem primae putavit esse septimum annum, secundae quartum decimum, tertiae duodetricesimum, quartae tricensimum quintum, quintae duoetquadragensimum, sextae quinquag[i]nsimum sextum, septimae novissimum annum vitae humanae. (4) Solon autem decem partes fecit, et Hippocratis gradum tertium et sextum et septimum singulos bifariam divisit, ut unaquaeque aetas annos haberet septenos. (5) Staseas peripateticus ad has Solonis decem hebdomadas addidit duas, et spatium plenae vitae quattuor et octoginta annorum esse dixit; quem terminum si quis praeterit, facere idem quod stadiodromoe ac quadrigae faciunt, cum extra finem procurrunt. (6) Etru[r]s[u]s quoque libris fatalibus aetatem hominis duodecim ebdomadibus d[e]scribi Varro commemorat. quae dum †, ad decies septenos annos posse fatalia depr[a]ecando rebus divinis proferr[e], ab anno autem lxx nec postulari debere nec posse ab deis impetrari; ceterum post annos lxxxiiii a mente sua homines abire, neque his fieri prodigia. (7) sed ex eis omnibus proxim[a]e videntur adcesisse naturam, qui ebdomadibus humanam vitam emensi sunt. fere enim post septimum quemque annum articulos quosdam et in his aliquid novi natura ostendit, ut et in elegia Solonis cognoscere datur. ait enim‡ {236v} in prima ebdomad[a]e dentes homini cadere, in secunda pubem apparere, in tertia[m] barbam nasci, in quarta vires, in quinta

* † ‡

repetitum a 13,3. add. Sallmann. sequitur 17,10 temporum.

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an dauert bis zum Lebensende jedes Menschen die fünfte Stufe, und die sich auf dieser Stufe befinden, heißen senes (Greise), da in diesem Alter der Körper schon an senium (Vergreisung) leidet. (3) Der Mediziner Hippokrates (von Kos) teilte die Lebensalter in sieben Stufen ein: Das Ende der ersten Stufe, glaubte er, sei das siebente Lebensjahr, das der zweiten das 14., das der dritten das 28., das der vierten das 35., das der fünften das 42., das der sechsten das 56. und das der siebten Stufe das letzte Jahr des menschlichen Lebens. (4) Solon (von Athen) nahm (in seiner Lebensalter-Elegie; s. 14,7) zehn Stufen an und teilte die dritte, sechste und siebte Stufe des Hippokrates jeweils in zwei Hälften auf, sodass auf jede Einheit sieben Jahre entfallen. (5) Der Peripatetiker Staseas (von Neapolis) fügte den zehn Hebdomaden (Siebenjahreszeiträumen) des Solon noch zwei weitere hinzu und sagte, die Dauer eines vollen Lebens betrage 84 Jahre; falls aber jemand diese Grenzmarke überschreite, mache er dasselbe wie stadiodromoi (Teilnehmer am Wettrennen im Stadion) oder Wagenlenker, wenn sie über das Ziel hinausschießen. (6) Auch in den etruskischen libri fatales (“Schicksalbüchern”) wird die Lebenszeit des Menschen durch zwölf Hebdomaden (Siebenjahreszeiträume) unterteilt, wie (Marcus Terentius) Varro berichtet. Während man das Alter und den Schicksalsweg durch Gebet und Kulthandlungen bis zur zehnten Hebdomade ausdehnen könne, dürfe man vom 70. Lebensjahr an eine Verlängerung weder fordern noch könne man sie von den Göttern durch Bitten erreichen; im Übrigen träten die Menschen nach dem 84. Lebensjahr in ihrem Geist weg und erhielten keine göttlichen Zeichen mehr. (7) Von allen diesen scheinen mir aber diejenigen der Natur am nächsten zu kommen, die das Menschenleben nach Hebdomaden (Siebenjahreszeiträumen) gemessen haben. Etwa nach jedem siebenten Jahr macht die Natur nämlich bestimme Einschnitte und zeigt in diesem Zeitabschnitt etwas Neues, wie man der (Lebensalter-)Elegie des Solon (von Athen) entnehmen kann (s. S. 24). Er sagt nämlich, in der ersten Hebdomade verliere der Mensch die Milchzähne, in der zweiten beginne die Geschlechtsreife, in der dritten wachse der Bart, in der vierten die Körperkraft, in der fünften die Reife für die Fortpflanzung

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maturitatem ad stirpem relinquendam, in sexta cupiditatibus temperari, in septima prudentiam linguamque consummari, in octa[b]a eadem manere – in qua alii dixerunt oculos hebescere –, in nona omnia fieri languidiora, in decima hominem morti fieri maturum. tamen in secunda ebdomade vel incipiente tertia vocem crassiorem et inaequabilem fieri, quod Aristotel[i]s appellat tragizin, antiqui nostri irquitallire, et ipsos inde putant irquitallos appellari, quod tum corpus ircum [e]lere incipiat. (8) de tertia autem aetate[m] adulescentulorum tres gradus esse factos in Graecia priusquam ad viros perveniatur, quod vocent annorum xiiii παδα, melleph[o]ebon autem xv, dein sedecim [a]eph[o]ebon, tunc septemdecim ε ξε' φ[οι]βον. (9) praeterea multa sunt de his ebdomadibus, quae medici ac philosophi libris mandaverunt, unde apparet, ut in morbis dies septimi suspecti sunt et crisim[i]e dicuntur. ita per omnem vitam septimum quemque annum periculosum et velut crisimon esse et climactericum vocitari. (10) sed ex his genethliaci ali[a]s aliis difficil[l]iores esse dixerunt, et nonnulli eos potissimum, quos ternae {237r} ebdomades conficiunt, putant observandos, hoc est unum et vicensimum, et quadrag[i]nsimum secundum, dein tertium et sexag[i]nsimum, postremum lxxx et quartum, in quo Staseas terminum vitae defixit. (11) alii autem non pauci unum omnium difficillimum climactera prodiderunt, anno scilicet undequinquag[i]nsimo, quem conplent anni septies septeni. ad quam op[o]nionem plurimorum consensus inclinat; nam quadrati numeri potentissimi ducuntur. (12) denique Plato ille

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der Art, in der sechsten würden die Triebe gemäßigt, in der siebten gelangten Klugheit und Sprachkraft zur Vollendung, in der achten blieben diese erhalten – nach anderen würden in dieser Phase die Augen getrübt –, in der neunten werde alles träger und in der zehnten werde der Mensch reif für den Tod. . In der zweiten Hebdomade aber oder zu Beginn der dritten wird die Stimme gröber und ungleichmäßiger, was Aristoteles (von Stageira) tragizein (“blöken”) nennt; unsere Vorfahren nannten es irquitallire (“blöken wie ein Bock”), weshalb sie die Jungen selbst als irquitalli zu benennen für richtig hielten, weil nämlich jetzt der Körper nach einem ircus (Bock) zu riechen beginne. (8) Beim dritten Lebensabschnitt, dem der Heranwachsenden, habe man in Griechenland drei Stufen angenommen, bevor das Mannesalter erreicht wird: mit 14 spricht man von pais (Knabe), mit 15 von mellephêbos (zukünftigen Epheben), mit 16 von ephêbos (Epheben), mit 17 dann von ex ephêbôn (ehemaligen Epheben). (9) Darüber hinaus gibt es vieles über diese Hebdomaden, was Mediziner und Philosophen in ihren Büchern überliefert haben; daraus geht hervor, dass bei Krankheiten immer die siebten Tage suspekt sind und (auf Griechisch) krisimoi (“krisenhaft”) heißen. Was sind die Risiko-Jahre beim Menschen? Entsprechend ist auch im Ablauf des gesamten Lebens das jeweils siebte Jahr gefährlich und gleichsam krisimon; es wird daher climactericum (“klimakterisches” oder “Risiko-Jahr”) genannt. (10) Von diesen Jahren haben manche Geburtstagsforscher (genethliaci) die einen, andere die anderen für problematischer gehalten: Manche glauben, man müsse sich vor allem vor den Jahren in Acht nehmen, die jeweils drei Hebdomaden (Siebenjahreszeiträume) voll machen, also vor dem 21., dem 42., dann dem 63. und schließlich dem 84. Lebensjahr, mit dem ja Staseas (von Neapolis) das Lebensende festsetzte (s. 14,5). (11) Andere – und zwar nicht wenige – haben angenommen, eines sei das problematischste von den klimaktêra, nämlich das 49., das ja siebenmal sieben Jahre erfüllt; zu dieser Meinung neigt übereinstimmend die Mehrheit, da Quadratzahlen als besonders wirkungsmächtig gelten. (12) Dafür kann schließlich Platon (von Athen), die erhabenste Gestalt

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venia, [c]eteris philosophiae sanctissimus, qui quadrato numero annorum vitam humanam consummari putavit, sed novenario, qui conplet annos lxxx et unum. fuerunt etiam, qui utrumque reciperent numerum, unde ] L et lxxx unum, et minorem nocturnis genesibus, maiorem diurnis scriberent *. (13) plerique al[i]ter[mot]i† duos isto numeros subtiliter decreverunt, dicentes septenarium ad corpus, novenariu[s] ad animum pertinere; hunc medicinae corporis et Apollini adtributum, illum Musis, quia morbos animi, quos appellant pathe, musice lenire ac sanare consueverit. (14) itaque primum cl[a]mactera annum xl et [u]num esse prodiderunt, ultimum autem lxxx et unum, medium vero ex utroque permixtum anno tertio et sexag[i]nsimo, [vel] quem hebdomades novem vel septem [h]enneades conficiunt. (15) hunc licet quidam periculosissimum dicant, quod ad corpus et ad animum pertineat, ego tamen ceteris duco infirmiorem. nam utrumque quidem supra dictum continet numerum, {237v} sed neutrum quadratum, et ut est ab utroque non alienus, ita in neutro potens. nec multos sane, quos vetustas claro nomine celebrat, hic annus absumpsit. (16) Aristotele[s] Stagiriten reperio; sed hunc ferunt naturalem st[h]omaci infirmitatem crebrasque morbidi corporis offensiones adeo virtute animi diu sustentasse, ut magis mirum sit ad annos lxiii eum vitam pertulisse, quam ultra non p[e]rtulisse.

* †

suppl. Hultsch 1866. corr. Urlichs.

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der alten Philosophie, (als Zeuge) auftreten, der ebenfalls die Auffassung vertrat, das Menschenleben gelange in dem Quadrat einer Jahreszahl zur letzten Vollendung – allerdings dem der Neunzahl, die 81 Lebensjahre ergibt. Es gab aber auch andere, die sich an diese beiden Zahlen hielten, an die 49 und an die 81, und schrieben, dass die kleinere Zahl den nachts Geborenen, die größere den tagsüber Geborenen . (13) Die meisten entschieden sich dafür, dass diese beiden Zahlen genau wechselseitig auftreten, und behaupteten, die Siebenzahl beziehe sich auf den Körper, die Neunzahl auf den Geist. Jene (die Sieben) sei der Medizin des Körpers und dem (Gott der Musen) Apollon zugeordnet, diese (die Neun) den Musen, da die Musik Krankheiten des Geistes, die man (auf Griechisch) pathê nennt, erfahrungsgemäß lindern und heilen könne. (14) So haben sie geschrieben, dass das erste klimaktêra (Risiko-)Jahr das 49., das letzte eben das 81. sei; dazwischen liege die aus beiden gebildete Zahl 63, die sich aus neun Hebdomaden (Siebenjahreszeiträumen) oder sieben Enneaden (Neunjahreszeiträumen) zusammensetzt. (15) Mögen einige Leute dieses 63. Jahr für das gefährlichste halten, da es sich ja auf Körper und Geist zugleich bezieht – ich jedenfalls halte es für kraftloser als die beiden anderen! Die 63 enthält zwar die beiden eben genannten Zahlen in sich, aber keine von beiden als Quadratzahl, und so, wie sie zwar etwas mit jenen Zahlen zu tun hat, ist andererseits deren Kraft in beiden Beziehungen gering. Jenes Jahr hat auch tatsächlich nicht viele Menschen weggerafft, die in der Geschichte namentlich gefeiert werden. (16) Ich finde zwar Aristoteles von Stageira, doch soll er eine natürliche Magenschwäche und häufige Attacken seines todgeweihten Körpers lange Zeit mit solcher Tapferkeit ausgehalten haben, dass es weit wunderbarer ist, dass er sein Leben überhaupt bis ins Alter von 63 gebracht hat, als darin, dass er darüber nicht hinaus gekommen ist!

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15. (1) quare, sanctissime C[a]erelli, cum istum annum, qui maxime fuerat corpori formidolosus, sine ullo incommodo transieris, ceteros, qui l[a]eviores sunt, climactera[s] minus tibi extimesco, praesertim cum in te animi potius quam corporis naturam sciam dominari, eosque viros, qui tales fuerunt, non prius vita excessisse, quam ad annum illum octogensimum et unum pervenerint, in quo Plato finem vitae et legitimum esse extimavit et habuit legitimum. (2) hoc anno et Dion[i]sius Heracleotes, ut vita abiret, cibo abstinuit, et contra Diogenes cynicus cibi cruditate in choleram solutu[m] est. Eratosthenes quoque ille orbis terrarum mensor et Xenocrat[i]s Platonicus veteris ac[h]ademiae princeps ad eundem annum vixerunt. (3) non pauci etiam per animi spiritum molestiis corporis superatis limitem istum transgressi sunt, ut Carneades, a quo tertia academia est, quae dicitur nova, [vel Cleanthes,] qui ad annum nonagensimum * uno minus centum explevit. at Xen[e]phanes Colophonius maior annorum centum fuit. Democritum quoque Abderiten et Isocraten rhetorem ferunt prope ad id aetatis pervenisse, quo {238r} Gorgian Leontinum, quem omnium veterum maxime senem fuisse et octo supra centum annos habuisse constat.

*

add. Jahn.

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Gebildete Menschen werden sehr alt! 15. (1) Weil du nun, hochverehrter Cerellius, jenes für den Körper so überaus gefürchtete Jahr ohne jede Beschwernis durchschritten hast, brauche ich für die übrigen klimaktêra (Risiko-)Jahre, da sie leichter wiegen, weniger um dich zu bangen, zumal ich weiß, dass bei dir eher die Natur des Geistes als die des Körpers die Oberherrschaft hat, und da ich auch weiß, dass Männer von deiner Art ihr Leben nicht verlassen, bevor sie nicht das 81. Lebensjahr durchschritten haben. Dieses, meinte Platon (von Athen), sei das legitime Lebensende und sah es auch für sich selbst als legitim an. (2) Erst in diesem Lebensjahr hat (der stoische Philosoph) Dionysios von Herakleia, um aus dem Leben zu scheiden, die Nahrungsaufnahme verweigert; umgekehrt starb der Kyniker Diogenes (von Sinope) nach Nichtverdauen von Nahrung an Gallenbrechdurchfall (cholera). Auch Eratosthenes (von Kyrene), der Berechner des Erdumfangs (s. 13,2), ebenso der Platoniker Xenokrates (von Chalkedon), Leiter der Alten Akademie, lebten bis zu demselben Jahr. (3) Ja, nicht wenige haben sogar, indem sie durch Geisteskraft körperliche Gebrechen überwanden, auch diese Schwelle überschritten, so Karneades (von Kyrene), auf den die dritte Akademie zurückgeht, die auch die Neue Akademie heißt, und der bis zum 90. Jahr , oder Kleanthes (von Assos), der ein Jahr weniger als 100 vollendete; Xenophanes von Kolophon hingegen soll sogar über 100 Jahre alt geworden sein; Demokritos von Abdera und der Redner Isokrates (von Athen) etwa sollen ebenso alt geworden sein wie Gorgias von Leontinoi, der von allen Menschen der alten Zeit der älteste war und bekanntlich 108 Jahre alt geworden ist.

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De die natali 15

(4) quodsi cultoribus sapientiae sive per animi virtutem seu lege fati diutina obtigit vita, non despero, quin te quoque diu corpore adque animo valentem longior maneat senectus. quem enim veterum, * nunc memoria suspicimus, prudentia vel temperantia vel iustitia vel fortitudine[m] tibi antestare dicimus? quis eorum, si adesset, non in te omnium virtutum praedicationem conferret? quis tuis laudibus se postponi erub[i]sceret? illud certe, ut arbitror, dignum est praedicatione, quod, cum illis ferme omnibus quamvis prudentissimis et procul a re publica motis non contigerit sine offensione et odio plerumque capitali vita degere, tu tamen officiis municipalibus functus, honore sacerdoti in principibus tuae civitatis conspicuus, ordinis etiam equestris dignitate gradum provincialium supergressus, non modo sine repr[a]ehensione et invidia semper fuisti, verum etiam omnium omnino amorem cum maxima gloria consecutus es. (5) quis a te nosci aut ex amplissimo senatus ordine non expetit, aut ex humiliore plebis non optavit? quis mortalium vel te vidit vel de tuo nomine accepit, quin et loco fratris germani diligat et vice parentis veneretur? quis ignorat probitatem primam, fidem summam, benignitatem incredibilem, modestiam verecundiamque singularem ceteraque humanitatis officia penes te unum esse, et quidem maiora, quam possint digne a quoquam referri?

*

add. I. Cauchius in editione Manutii.

Lang lebe das Geburtstagskind!

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Lang lebe das Geburtstagskind! (4) Wenn denn aber den Freunden der Bildung durch die Leistungsfähigkeit ihres Geistes oder durch die Fügung des Schicksals ein lang währendes Leben beschert wurde, zweifle ich nicht an der Hoffnung, dass auch dich, der du an Körper und Geist stark bist, ein hohes Alter erwartet! Wen von den Menschen der alten Zeit, wir jetzt noch in Erinnerung halten, können wir als jemanden nennen, der dich an Klugheit, Beherrschtheit, Gerechtigkeit und Tapferkeit überträfe? Wer von ihnen würde, wenn er zugegen wäre, nicht den Lobpreis aller Tüchtigkeit auf dich lenken? Wer müsste sich dafür schämen, erst hinter deinem Ruhm eingestuft zu werden? Ganz sicher aber ist, wie ich meine, der Umstand rühmenswert, dass du, während es fast allen anderen, selbst den Weisesten, nicht gelungen ist, auch wenn sie sich vom politischen Leben fernhielten, ohne Widerstand und oft lebensbedrohlichen Hass ihr Leben zu verbringen – dass du also, obwohl du kommunale Ämter wahrgenommen hast, wegen deiner Priesterwürde unter den Ersten deiner Gemeinde herausragst, durch den Erwerb des Ranges eines Ritters über den der Provinzialen hinausgekommen bist, nicht nur immer ohne Tadel und Neid geblieben bist, sondern sogar die Liebe von allen mit höchstem Ruhm gewonnen hast. (5) Wer hätte sich nicht darum bemüht, von dir erkannt zu werden, auch wenn er selbst den edelsten senatorischen Rang hatte – und wer als Angehöriger des niedrigeren Volkes sich dies nicht gewünscht? Wer von den Sterblichen hätte dich je gesehen oder auch nur von deinem Namen gehört, ohne dich wie einen leiblichen Bruder zu lieben und wie einen Vater zu verehren? Wer wüsste denn nicht, dass überragende Rechtschaffenheit, höchste Verlässlichkeit, unglaubliche Güte, einzigartige Bescheidenheit und Zurückhaltung sowie die sonstigen Verpflichtungen wahrer Menschlichkeit bei dir in einer Hand sind, und zwar so großartig, dass sie von niemandem angemessen gewürdigt werden könnten?

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De die natali 15

quare et ego his {238v} nunc commemorandis supersedebo. (6) de eloqu[a]entia quoque sileo, quam omnia provinciarum nostrarum tribunalia, omnes praesides noverunt, quam denique urbs Roma et auditoria sacra mirata sunt. haec se et ad praesens et in futura saecula satis ipsa nobilitat.

Lang lebe das Geburtstagskind!

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Aus diesem Grund verzichte auch ich darauf, das anzuführen, was jetzt zu nennen wäre. (6) Auch über deine Beredsamkeit schweige ich, die allen Gerichtshöfen unserer Provinzen und allen deren Vorständen bekannt ist und die schließlich auch die Stadt Rom und ihre erhabene Hörerschaft bewundert haben: Sie macht sich selbst zur Genüge berühmt, sowohl in der Gegenwart als auch in den künftigen Säkulen.

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De die natali 16

16. (1) nunc vero quatenus de die natali scribo, meum munus inplere conabor, tempusque hodiernum, quo maxime flores, quam potero lucidissimis notis signabo. ex quo etiam primus ille tuus natalis liquido noscetur. (2) tempus autem non diem tantummodo vel mensem vel annum vertentem appello, sed et quod quidam lustrum aut annum magnum vocant et quod saeculum nominant. (3) ceterum de aevo, quod est tempus unum et maximum, non multum est quod in praesentia dicatur. est enim inmensum, sine origine, sine fine, quod eodem modo semper fuit et semper futurum est, neque ad quemquam hominum magis quam ad [u]lterum pertinet. (4) hoc in tria dividitur tempora: praeteritum, praesens, futurum. quibus praeteritum [in]initio caret, exitu[m] futurum. praesens autem, quod medium est, adeo exiguum et inconpr[a]ehensibile est, ut nullam recipiat longitudinem, neque aliud esse videatur quam transacti futurique coniunctio, adeo porro instabile, ut ibidem sit numquam, et quidquid transcurrit, a futuro decerpit et adponit praeterito. (5) haec inter se tempora, ante actum dico et venturum, neque paria sunt neque ita, ut alterum altero longius breviusve videatur. quidquid enim non

Rund um den Tag

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Rund um den Tag 16. (1) Da ich über das Thema “Geburtstag” schreibe (und zunächst Wissen rund um die Geburt dargelegt habe), will ich jetzt versuchen, meine Aufgabe zu vollenden (und Wissen rund um den Tag vermitteln). Ich werde den heutigen Zeitpunkt, in dem du in vollster Blüte stehst, mit den eindeutigsten mir bereitstehenden Begriffen anzeigen. Daraus wird auch dein eigentlicher, ursprünglicher Geburtstag ganz flüssig erkennbar werden. Was ist Zeit? (2) Unter “Zeit” verstehe ich aber nicht nur Tag, Monat und Jahr, sondern auch das von manchen sogenannte Lustrum oder “Großjahr” sowie das sogenannte Säkulum (und die Ewigkeit). Die Ewigkeit (3) Über die Ewigkeit (aevum) freilich – das ist die allgemeine und allesumfassende Zeit – gibt es nicht viel, was jetzt gerade zu sagen ist. Sie ist unermesslich, ohne Ursprung, ohne Ende und sich gleich bleibend; sie hat immer bestanden und wird immer bestehen und hat zu keinem Menschen mehr Bezug als zu irgendeinem anderen. (4) Sie wird in drei Zeitstufen eingeteilt: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Von diesen fehlt der Vergangenheit ein Anfangspunkt, der Zukunft ein Endpunkt. Die Gegenwart, die zwischen Vergangenheit und Zukunft liegt, ist so verschwindend kurz und unfassbar, dass sie überhaupt keine Länge besitzt; sie ist offenbar nichts weiter als das Gelenk zwischen Vergangenheit und Zukunft, und dabei so instabil, dass sie nie an einem Punkt bleibt, sondern alle Zeit, die sie durchschreitet, von der Zukunft abzieht und der Vergangenheit hinzufügt. (5) Diese beiden Seiten der Zeit – ich meine die geschehene und die kommende – sind weder einander gleich noch so zu sehen, dass die eine Seite länger oder kürzer als die andere sei. Was nämlich kein

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De die natali 16

habet finem, conlationem mensurae non recipit. (6) quapropter aevum neque annorum nec saeculorum {239r} numero nec denique ullo finiti temporis modulo metiri conabor. haec enim ad aetatem infinitam non sunt brumalis unius instar horae. (7) itaque ut saecula possim percurrere et hoc nostrum praesens designare, omissis aureis argenteisque et hoc genus poeticis, a conditu urbis Romae, patriae nostrae communis, exordiar; 17. (1) et quoniam saecula aut naturalia sunt aut civilia, prius de naturalibus dicam. (2) saeculum est spatium vitae humanae longissimum partu et morte definitum. quare, qui annos triginta saeculum putarunt, multum videntur errasse. hoc enim tempus genean vocari Heraclitus auctor est, quia orbis aetatis in eo sit spatio. orbem autem voca[n]t aetatis, dum natura a[d] sementi humana ad sementim revertitur. hoc quidem geneas tempus alii aliter definierunt: Herodicus annos quinque et vig[e]nti scribit dici genean, Zenon trig[e]nta.

Rund um den Tag

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Ende hat, ist einem Vergleich durch Messung nicht zugänglich. (6) Deswegen will ich gar nicht erst versuchen, die Ewigkeit durch eine Zahl von Jahren oder Säkulen oder sonst einen festen zeitlichen Abschnitt auszumessen, denn in Bezug auf die Gesamtzeit sind diese Zeiteinheiten nicht einmal so viel wie eine einzige Winterstunde (s. S. 23). Das Säkulum (7) Damit ich also die Säkulen durchschreiten und unser gegenwärtiges Säkulum bestimmen kann, will ich goldene, silberne oder sonstige poetische Zeitalter übergehen und mit der Gründung Roms, unserer gemeinsamen Heimat, beginnen. 17. (1) Da es “natürliche” oder aber “bürgerliche” Säkulen gibt, will ich zuerst über die natürlichen sprechen. Was ist ein natürliches Säkulum? (2) Unter einem (natürlichen) Säkulum versteht man die längstmögliche Zeitspanne eines durch Geburt und Tod begrenzten Menschenlebens. Was ist eine Generation? Deshalb scheinen mir diejenigen, die ein Säkulum für einen Zeitraum von 30 Jahren halten, ganz in die Irre zu gehen. Dass man jenen Zeitraum mit dem (griechischen) Begriff genea (Generation) benennt, hat Herakleitos (von Ephesos) angegeben, denn der “Kreislauf eines Lebensalters” wird mit dieser Spanne erfasst. Als “Kreislauf eines Lebensalters” bezeichnet er die Zeit, in der die Natur des Menschen vom Samen wieder zur Aussamung gelangt. Die Dauer einer genea hat man freilich immer wieder anders definiert: (Der Mediziner) Herodikos (von Selymbria) schreibt, genea heiße ein Abschnitt von 25 Jahren, (der stoische Philosoph) Zenon von Kition einer von 30 Jahren.

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De die natali 17

(3) saeculum autem * sit, usque adhuc arbitror ad subtile examinatum non esse. poetae quidem multa incredibilia scri[b]

serunt, nec minus historici Graeci, quamvis eo a vero par non fuit decedere: ut Herodotus, apud quem legimus Arganthonion Tar[c]essiorum regem centum et quinquaginta annorum fuisse, aut Ephorus, qui tradit Arc[h]adas dicere apu[t] se reges antiquos aliquo[d] ad trecentos vixisse annos. verum haec ut fabulosa praetereo. (4) sed inter ipsos astrologos, qui in stellarum signorumque ratione verum scrutantur, nequaquam etiam convenit. Epigenes in centum duodecim annis longissimam vitam constituit, Berosos autem centum sedecim. alii ad centum vig[e]nti annos produci {239v} posse, quidam etiam ultra crediderunt. fuerunt qui non idem putarent ubique observandum, sed vari[a]e per diversas regiones, prout in singulis sit caeli ad circulum finitorem inclinatio, quod vocatur clima. (5) sed licet veritas in obscuro lateat, tamen in unaquaque civitate quae sint naturalia saecula, rituales Etruscorum libri videntur docere, in quis scriptum esse fertur initia sic poni saeculorum: quo die urbes adque civitates constituerentur, de [h]is, qui eo die nati essent, eum, qui diutissime vixisset, die mortis suae primi saeculi modulum finire, eoque die qui essent reliqui in civitate, de his rursum eius mortem, qui longissimam egisset aetatem, finem esse saeculi secundi. sic deinceps tempus reliquorum terminari. sed ea quod ignorarent homines,

*

add. recentiores.

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Wie alt kann ein Mensch werden? (3) Was aber ein (natürliches, auf das Höchstalter eines Menschen bezogenes) Säkulum ist, ist – so meine ich – bisher nicht genau untersucht worden. Die Dichter haben viele unglaubliche Dinge dazu geschrieben, nicht weniger die griechischen Historiker, obwohl es ihnen eigentlich nicht zustand, von der Wahrheit abzuweichen – so etwa Herodotos (von Halikarnassos), bei dem wir (1,163) lesen, Arganthonios, der König von Tartessos, sei 150 Jahre alt gewesen, oder Ephoros (von Kyme), der angibt, die Arkader behaupteten, bei ihnen hätten einige frühere Könige an die 300 Jahre gelebt –; diese Dinge übergehe ich als Erfindungen. (4) Aber selbst bei den Sternenkundigen, die im System der Sterne und Sternzeichen nach der Wahrheit suchen, gibt es noch gar keine Einigkeit. Epigenes (von Byzantion) legte das längstmögliche Leben (eines Menschen) auf 112 Jahre fest, Berossos (von Babylon) auf 116; andere meinten, es bis auf 120 Jahre ausdehnen zu können, manche sogar noch darüber hinaus. Es gab auch (Gelehrte), die glaubten, dass man nicht überall dieselben Beobachtungen anstellen könne, sondern dass sie in den verschiedenen Regionen je nach der Neigung des Himmels zum Horizont abweichen, die man (auf Griechisch) klima (geographische Breite) nennt. Was ist das bürgerliche Säkulum der Etrusker? (5) Wenn aber auch die Wahrheit hier im Dunkeln verborgen bleibt, scheinen jedenfalls zu der Frage, was man in den einzelnen Gemeinden unter den natürlichen Säkulen versteht, die libri rituales (“Ritualbücher”) der Etrusker aufschlussreich, in denen geschrieben stehen soll, dass man die Anfangspunkte der Säkulen wie folgt ansetzt: Von dem Tag, an dem Städte und Gemeinden gegründet wurden, bestimme von den Menschen, die an jenem Tag geboren sind, derjenige, der am längsten lebe, durch seinen Todestag den Endpunkt des ersten Säkulum, und von den anderen Menschen, die an diesem Tag in der Gemeinde lebten, derjenige, der nun am längsten lebe, mit seinem Tod das Ende des zweiten Säkulums. Entsprechend werde die Zeitdauer der folgenden Säkulen definiert. Weil die Menschen aber dies nicht

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portenta mitti divinitus, quibus admonerentur unumquodque saeculum esse finitum. (6) haec portenta Etrusci pro haruspicii disciplinaequ[a]e suae peritia diligenter observata in libros rettul[l]erunt. quare in Tuscis historiis, quae octavo eorum saeculo scriptae sunt, ut Varro testatur, et quo[d] numero saecula ei genti data sint, et transactorum singula quanta fuerint quibusve ostentis eorum exitus designati sint, continetur. itaque scriptum est quattuor prima saecula annorum fuisse centum, quintum centum vig[e]nti trium, sextum undevig[e]nti et centum, septimum totidem, octavum tum demum agi, nonum et decimum superesse, quibus transactis finem fore nominis Etrusci. (7) Romanorum autem saecula quidam ludis saecula{240r}ribus putant distingui. cui rei fides si certa est, modus Romani saeculi est incertus. temporum enim intervalla, quibus ludi isti debeant referri, non modo quanta fuerint retro ignoratur, sed ne quanta quidem esse debeant scitur. (8) nam ita institutum esse, ut centesimo quoque anno fierent, id cum Antias aliique historici auctores sunt, tum Varro de scaenicis originibus libro primo ita scriptum reliquit: cum multa portenta fierent, et murus ac turris, quae sunt inter portam Collinam et Esquilinam, de caelo tacta essent, et ideo libros S[y]b[i]llinos xv viri adissent, renuntiarunt, uti Diti patri et

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verstünden, würden göttliche Zeichen gesandt, durch die angezeigt werde, dass wieder ein Säkulum beendet sei. (6) Diese Zeichen haben die Etrusker durch ihre Erfahrung mit der Eingeweideschau und der (Etruskischen) Disziplin (s. S. 19) sorgfältig beobachtet und in Büchern niedergelegt. Deshalb ist in der Etruskergeschichte, die in deren achten Säkulum niedergeschrieben wurde – wie (Marcus Terentius) Varro belegt – sowohl angegeben, wie viele Säkulen diesem Volk überhaupt gegeben sind, als auch, wie lang jeweils die bereits vergangenen Säkulen gewesen seien, sowie, mit welchem Vorzeichen ihr Ausgang angezeigt wurde. So steht geschrieben, die vier ersten Säkulen hätten je 100 Jahre gedauert, das fünfte 120, das sechste 119, das siebente ebenso viele; das achte werde gerade vollzogen, ein neuntes und zehntes stünden noch bevor; nach deren Verstreichen werde das Ende des Etruskernamens gekommen sein. Was ist das bürgerliche Säkulum der Römer? (7) Dass man die Säkulen der Römer nach den Säkularfeiern unterscheiden könne, glauben manche (Gelehrte). Auch wenn aber die Zuverlässigkeit dieser Annahme gesichert ist, bleibt doch das Maß des römischen Säkulums im Ungewissen. Über die Zeitabstände, in denen diese Feiern abgehalten werden sollen, weiß man nicht nur für die Vergangenheit nichts, sondern auch nicht, wie groß sie eigentlich sein sollen: (8) Dafür, dass es so eingerichtet gewesen sei, dass sie alle 100 Jahre stattfinden, bietet neben (Valerius) Antias und anderen Historikern insbesondere (Marcus Terentius) Varro den Beleg, der im 1. Buch seines Werkes De scaenicis originibus (“Über den Ursprung der Bühnenspiele”) schreibt: Als viele Wunderzeichen geschahen und die Stadtmauer (von Rom) und Türme, die zwischen der Porta Collina und der Porta Esquilina liegen, vom Blitz getroffen waren, und als deshalb die Quindecimviri die Sibyllinischen Bücher heranzogen, erklärten diese, man solle (den Unterweltsgöttern) Dis Pater und Proserpina Tarentinische Wettspiele auf dem

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De die natali 17 Proserpinae ludi Tarentini in campo Martio fierent tribus noctibus, et hostiae furvae immolarentur, utique ludi centesimo quoque anno fierent.

(9) item Titus Livius libro cxxxvi: eodem anno ludos saeculares Caesar ingenti apparatu fecit, quos centesimo quoque anno – his enim terminari saecul[i] – fieri mos [u]t.

contra ut decimo centesimo que anno repetantur, tam commentarii xv virorum quam Divi Augusti edicta testari videntur, adeo ut Horatius Flaccus in carmine, quod saecularibus ludis cantatum est, id tempus hoc modo designaverit: cert[o]s undenos decies per annos orb[e]s ut cantus referatque ludos ter die claro totiensque grata nocte frequentes.”*

(10) † {247r}‡ temporum, si veterum revolventur annales, longe magis in incerto invenietur. primos enim ludos {247v} saeculares exactis regibus post Romam conditam annis ccxlv a Valerio Publicola institutos esse §, ad x[l] virorum co[n]mentarios anno ccxcviiii M. Valerio Spurio Verginio cons(ulibu)s. ¶ M. Valerio C[u]r[min]o ii C. Poet[ae]lio anno post

* † ‡ § ¶

sequitur 7,1 superest dicere. transpositum a 5,4. sequitur a 6,10. add. Sallmann. a secundi ad Poetaelio cos.in codice post anno cccc et decimo invenitur; transp. Sallmann.

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Marsfeld drei Nächte lang darbringen, nachtschwarze Opfertiere schlachten und diese Spiele alle hundert Jahre veranstalten. (Varro, De scaenicis originibus 1)

(9) Ebenso schreibt Titus Livius im 136. Buch (seines Geschichtswerks): In demselben Jahr (17 v. Chr.) veranstaltete Caesar (Augustus) mit gewaltigem Aufwand die Säkularfeier, die sie nach jeweils hundert Jahren – dadurch werden nämlich die Säkulen abgegrenzt – durchzuführen pflegten. (Livius, Ab urbe condita 136)

Dass hingegen Säkularfeiern alle 110 Jahre wiederholt werden, bezeugen zum einen die Protokolle der Quindecimviri, zum anderen die Edikte des vergöttlichten (Kaisers) Augustus; so hat auch (Quintus) Horatius Flaccus in dem Lied, das bei den Säkularfeiern gesungen wurde, diese Zeitspanne folgendermaßen gekennzeichnet: Dass, wenn elf Jahrzehnte flohen im Kreislauf, feste Zeit Chorlieder erneu’r und Spiele, welche durch drei Tag’ und so viel der holden Nächte gefei’rt sein! (Horatius, Carmen Saeculare 21 – 24)

(10) Über die Abweichungen in der Zeitangabe wird man, wenn man in den Annalen der Alten nachsieht, weitaus größere Unsicherheit finden: Dass die ersten Säkularfeiern nach Vertreibung der Könige, im Jahr 245 nach Gründung der Stadt (Rom), von (Publius) Valerius Poplicola eingerichtet worden sind, . Laut den Protokollen der Quindecimviri fanden sie im Jahr 299 nach Gründung der Stadt Rom im Konsulatsjahr von Marcus Valerius Maximus und Spurius Verginius (Tricostus Caeliomontanus) statt (456 v. Chr.). im Konsulatsjahr von Marcus Valerius Corvus zum zweiten

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urbem conditam octavo et quadrag[i]nsimo, ut vero in conmentariis xv virorum scriptum est, anno cccc et decimo con(sulibu)s. tertii ludi fuerunt Antiat[a]e Livioque auctoribus P. Claudio Pulchro L. Iunio Pullo[i] con(sulibu)s. * anno quingentesimo duodevicensimo P. Cornelio Lentulo C. Linio Var[r]o cons. (11) de quartorum ludorum anno triplex opinio est. Antias enim et Varro et Livius relatos esse prodiderunt L. Marcio Censorino M. Manlio con(sulibu)s post Romam conditam anno dcv. at Piso Censorius et [G]n. Gellius, sed et Cassius Hemina, qui illo tempore vivebat, post annum factos tertium adfirmant Cn. Cornelio Lentulo Lucio Mummo Achaico con(sulibu)s, id est anno dciii; in xv virorum autem commentariis notantur sub ann[is] dcxxviii emilio Lepido L. Aurelio Oreste con(sulibu)s. quintos ludos Furnio C. Iunio Silano cons(ulibu)s anno dccxxxvii[i] Caesar Aug(ustus) et Agrippa fecerunt. sextos autem fecit T Claudius Caesar s[a]e i[c]iii et L. Vitellio iii cons. anno dccc, septimos Dom[e]tianus s[a]e xiiii et L. Minucio Rufo con(sulibu)s anno dcccxli,

*

add. Sallmann.

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Mal und Gaius Poetelius (Libo Visolus zum zweiten Mal) im Jahr 408 nach Gründung der Stadt gefeiert (346 v. Chr.) – oder aber, wie es in den Protokollen der Quindecimviri steht, im Jahr 410 nach Gründung der Stadt (344 v. Chr.). Die dritten Säkularfeiern waren nach (Valerius) Antias und (Titus) Livius im Konsulatsjahr von Publius Claudius Pulcher und Lucius Iunius Pullus im Jahr 518 nach Gründung der Stadt im Konsulatsjahr von Publius Cornelius Lentulus (Caudinus) und Gaius Licinius Varus (236 v. Chr.). (11) Über die vierten Säkularfeiern gibt es drei Angaben: (Valerius) Antias, (Marcus Terentius) Varro und (Titus) Livius haben nämlich überliefert, sie seien im Konsulatsjahr von Lucius Marcius Censorinus und Manius Manilius im Jahr 605 nach der Gründung der Stadt Rom durchgeführt worden (149 v. Chr.); (Lucius Calpurnius) Piso (Frugi), der frühere Censor, und Gnaeus Gellius, aber auch Cassius Hemina, der zu jener Zeit lebte, geben hingegen an, sie seien erst drei Jahre später begangen worden, nämlich im Konsulatsjahr von Gnaeus Cornelius Lentulus und Lucius Mummius Achaicus, also im Jahr 608 nach Gründung der Stadt (146 v. Chr.). In den Protokollen der Quindecimviri werden sie beim Jahr 628 nach Gründung der Stadt im Konsulatsjahr von Marcus Aemilius Lepidus und Lucius Aurelius Orestes verzeichnet (126 v. Chr.). Die fünften Säkularfeiern veranstalteten im Konsulatsjahr von Furnius und Gaius Iunius Silanus im Jahr 737 nach Gründung der Stadt Kaiser Augustus und (Marcus Vipsanius) Agrippa (17 v. Chr.). Die sechsten führte Kaiser Tiberius Claudius im Jahr 800 nach Gründung der Stadt im Konsulatsjahr von ihm selbst zum vierten Mal und Lucius Vitellius zum dritten Mal durch (47 n. Chr.). Die siebten Säkularfeiern führte (Kaiser) Domitianus im Jahr 841 nach Gründung der Stadt im Konsulatsjahr von ihm selbst zum vierzehnten Mal und Lucius Minicius Rufus durch (88 n. Chr.).

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octavos impp. Sept(imius) et M. Aur(elius) Antoninus Cilone et Libone con(sulibu)s anno dccclvii. (12) hinc animadvertere licet neque post centum annos, ut hi referrentur ludi, statum esse, neque post centum decem. quorum etiamsi alterutrum retro fuisset observatum, non tamen satis id argumenti esset, quo quis his ludis saecula discerni {248r} constanter adfirmet, praesertim cum ab urbis primordio ad reges exactos, annos ccxliii, factos esse auctor sit nemo, quod tempus procul dubio naturali maius est saeculo. (13) quodsi quis credit ludis saecularibus * saecula, sola nominis origine inductus, sciat saeculares dici potuisse, quod plerumque semel fiant hominis aetate, ut multa alia, quae rara sunt, post saeculum evenire

loquentium consuetudo usurpat. sed nostri maiores, quod natura saeculum [ccxliiii]† quantum esset exploratum non habebant, civile[m] ad certum modulum annorum c statuerunt. testis est Piso, in cuius annali septimo scriptum est sic: Roma condita anno d septim[o] saeculum [a]ccipit his consulibus, qui proximi sunt consules: M. emilius M. filius Lepidus,

* †

add. Sallmann. repetitum (ex margine?) a 17,12.

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Die achten führten die Kaiser Septimius (Severus) und Marcus Aurelius Antoninus (Caracalla) im Konsulatsjahr von (Lucius Fabius) Cilo (Septimius Catinius Acilianus Lepidus Fulcinianus zum zweiten Mal) und (Marcus Annius Flavius) Libo im Jahr 957 nach Gründung der Stadt durch (204 n. Chr.). Wie verhält sich das Säkulum zu den Säkularfeiern? (12) Hieraus kann man ersehen, dass weder alle 100 Jahre Säkularfeiern durchgeführt werden noch alle 110 Jahre. Selbst wenn die eine oder andere Zählung aus rückblickender Beobachtung entstanden wäre, würde sich doch daraus kein ausreichendes Argument dafür ableiten lassen, dass die Säkulen durch diese Feiern voneinander abgegrenzt werden, zumal es keine Belege dafür gibt, dass in der Zeit vom Beginn der Stadt (Rom) bis zur Vertreibung der Könige, 244 Jahre lang, überhaupt Säkularfeiern stattgefunden haben – dieser Zeitraum ist zweifellos größer als ein natürliches Säkulum. (13) Wenn aber jemand glaubt, die Säkulen würden durch die Säkularfeiern , wozu ihn nur der Ursprung der Bezeichnung verleitet, dann sollte er wissen, dass man die Spiele schon deswegen “säkular” hätte nennen können, weil sie meistens nur einmal im Lauf eines Menschenlebens stattfinden, so wie sich auch für vieles andere, was selten ist, der Sprachgebrauch eingebürgert hat: … das geschieht erst nach einem Säkulum (Otto, Sprichwörter der Römer Nr. 1565)

Warum setzt man Säkulum und Jahrhundert gleich? Da aber unsere Vorfahren für das natürliche Säkulum die Bestimmung seiner Dauer nicht erklären konnten, setzten sie das bürgerliche Säkulum als feste Größe von 100 Jahren fest. Das bezeugt (Lucius Calpurnius) Piso (Frugi), in dessen Annalen in Buch 7 geschrieben steht: Rom wurde vor 600 Jahren gegründet; es beginnt das siebte Säkulum im Konsulatsjahr der Konsuln, die auch die nächsten Konsuln sind: Marcus

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sed ut hunc annorum numerum constituerent nostri, non nihil causae fuit: primum quod multos suorum civium ad h[a]nc aetatem perducere videbant, dein quod Etruscos, quorum prima saecula centenum fuerunt annorum, etiam hic ut in aliis plerumque imitari voluerunt. (14) praeterea fieri potest quod refert Varro, quod Dioscorides astrologus scri[b]

sit, Alexandriae inter eos, qui mortuos s[o]l[e]nt, constare hominem plus centum annos vivere non posse, id[cir] co humanum declarare eorum, qui integri perierunt sine corporis tabe, ideo quod multis annis pendendo cor omnis aetatis incrementa et deminutiones conserve: et anniculi pendere duas dragmas, bimi quattuor, et sic in annos singulos usque ad quinquaginta accedere binas; ab is centum dragmis adque anno quinquagensimo {248v} item decedere in unoquoque binas; ex quo perspicuum sit centesimo anno redire ad anni primi pondus nec longius vitam posse producere. (15) quoniam igitur civile Romanorum saeculum centum annis transigitur, scire licet in decimo saeculo et primum natalem tuum fuisse et hodiernum esse. quo[d] autem saecula urbi[s] Romae debeantur, dicere meum non est. sed quid apud Varronem legerim, non tacebo. qui libro antiquitatum duodevicensimo ait fuisse Vettium Romae in aug[o]rio non ignobilem, ingenio magno, cui[u]s docto in disceptando parem; eum se audisse dicentem, si ita

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Aemilius Lepidus, Sohn des Marcus, und Gaius Popillius (Laenas) zum zweiten Mal in Abwesenheit (158 v. Chr.). (Calpurnius Piso, Annalen 7)

Dass aber unsere Vorfahren diese Zahl von Jahren festlegten, geschah nicht ohne Gründe: erstens, weil sie bemerkten, dass viele ihrer Mitbürger ihre Lebenszeit bis in dieses Alter heranführten, zweitens, weil sie auch die Etrusker, deren erste Säkulen je 100 Jahre zählten, in dieser wie in anderen Fragen imitieren wollten. (14) Außerdem kann das Folgende zutreffen, das (Marcus Terentius) Varro und der Sternenkundige Dioskorides beschrieben haben: In Alexandreia stehe bei denen, die mit der Einbalsamierung der Toten befasst sind, fest, dass ein Mensch nicht länger als 100 Jahre zu leben vermöchte; dies gebe das Herz derjenigen Menschen zu erkennen, die unversehrt und ohne Auszehrung gestorben sind. Durch Wiegen des Herzens (s. S. 23) beobachteten sie seit vielen Jahren, wie bei jedem Lebensalter die Gewichtszu- und -abnahmen erfolgen: Das Herz eines Einjährigen wiege zwei Drachmen (s. S. 23), das des Zweijährigen vier Drachmen, und kämen pro Jahr immer zwei Drachmen hinzu bis zum 50. Lebensjahr. Von diesen 100 Drachmen aus und 50. Lebensjahr an gehe das Gewicht in derselben Weise pro Jahr um zwei Drachmen zurück. Die einleuchtende Folge sei die, dass im 100. Lebensjahr wieder zum Gewicht des ersten Lebensjahres zurückkehre und somit auch das Leben nicht länger fortführen könne. (15) Da nun ein bürgerliches Säkulum der Römer 100 Jahre währt, darf man davon ausgehen, dass dein erster und auch dein heutiger Geburtstag in das zehnte Säkulum fallen. Wie lange wird Rom noch bestehen? Zu sagen, wie viele Säkulen die Stadt Rom noch zu erwarten hat, ist meine Sache nicht, doch will ich nicht verschweigen, was ich bei (Marcus Terentius) Varro gelesen habe. Dieser sagt im 18. Buch der Antiquitates (“Kulturaltertümer”), in Rom habe es einen Mann namens Vettius gegeben, nicht unbedeutend bei der Vogelschau, von großem Talent und jedem Fachgelehrten in der

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esse[n]t, ut trade[ba]nt historici de Romuli urbis condendae auguriis ac xii vulturis, quoniam [e]xx annos incolumis praeterisset populus Romanus, ad mille et ducentos perventurum. 18. (1) hactenus dictum de saeculo. nunc de annis maioribus dicam, quorum magnitudo adeo divers[a]e t[i]am gentibus observata quam auctoribus tradita est, ut alii annum magnum esse in annis vertentibus duobus, alii in multis milibus annorum arbitrati sint. quod quale sit, iam hinc conabor absolvere. (2) veteres in Graecia civitates cum animadverterent, dum sol annuo cursu orbem suum circumit, lunam novam interdum * tridecies exoriri idque saepe alternis fieri, arbitrati sunt lunares duodecim menses et dimidiatum ad annum naturalem convenire. itaque annos civiles sic statuerunt, ut intercalando facerent alternos duodecim mensum, alternos tredecim, utrumque annum separatim vertentem, iunctos ambo annum magnum vocantes. {249r} idque tempus trieterida appellabant, quod tertio quoque anno intercalabatur, quamvis biennii circuitus et re vera dieter[e]s esset; unde mysteria, quae Libero alternis fiunt annis, trieterica a poetis dicuntur. (3) postea cognito errore hoc tempus duplicarunt et tetra[h]eterida fecerunt. sed eam, quod quinto quoque anno redibat, pentaeterida

*

add. Sallmann.

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Deutungskunst gleichrangig. Er (Varro) habe nun jenen sagen hören, wenn es wirklich zutreffe, was die Geschichtsschreiber über die Vogelflugzeichen und über die zwölf Geier bei der Gründung der Stadt des Romulus berichteten, so werde das römische Volk, da es bereits 120 Jahre schadlos überstanden habe, es auf 1200 Jahre bringen. (Varro, Antiquitates 18)

18. (1) Bis hierher habe ich zum Säkulum gesprochen. Das Großjahr Nun will ich über die “Großjahre” sprechen, deren Größe bei den Völkern so unterschiedlich bestimmt wie von den Autoren überliefert wird; die einen meinen, das Großjahr sei mit zwei vollen Jahresläufen gleichzusetzen, andere mit vielen Tausenden von Jahren. Was es damit auf sich hat, will ich von hier an abzuhandeln versuchen. Was ist ein Großjahr? (2) Da schon die alten Gemeinden in Griechenland beobachteten, dass die Sonne ihren Umlauf in einem Lauf eines Jahres ausführt, der Neumond aber in diesem Zeitraum , manchmal 13mal eintritt, und zwar abwechselnd, kamen sie zu der Auffassung, dass zwölfeinhalb Mondmonate ein natürliches Jahr ergeben. Deshalb richteten sie die bürgerlichen Jahre so ein, dass sie durch Schaltmonate abwechselnd Einheiten zu zwölf und zu 13 Monaten erzielten; diese nannten sie jeweils für sich “volles Jahr”, paarweise zusammengenommen jedoch “Großjahr”. Diesen Zeitabschnitt bezeichneten sie auch (auf Griechisch) als triëteris (“Dreijahreszeitraum”), weil jeweils im dritten Jahr der Schaltmonat kam, obwohl es sich nur um einen Zweijahresumlauf und tatsächlich um eine (auf Griechisch) diëteris (“Zweijahreszeitraum”) handelte; daher werden die Mysterien für Dionysos (Liber Pater), die in jedem zweiten Jahr stattfinden, von den Dichtern als “triëterische” bezeichnet. (3) Als später der Irrtum erkannt wurde, verdoppelten sie diese Frist und machten sie (auf Griechisch) zu einer tetraëteris (“vierjährigen”). Da das Fest aber nun jeweils im fünften Jahr wiederkehrte,

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nominabant, qui annus magnus ex quadriennio commodior visus est, * solis annum constare ex diebus ccclxv et diei parte circiter quarta, quae [primum] † in quadrienni[um] diem conficeret. (4) quare agon et in Elide Iovi [I]lympio et Romae Capitolino quinto quoque anno redeunte celebratur. hoc quoque tempus, quod a solis modo cursum nec ad lunae congruere videbatur, duplicatum est et octeteris facta, quae tunc enneaeteris vocitata, quia primus eius annus nono quoque anno redibat. (5) huc circuitum vere annum magnum esse pleraque Graecia existimavit, quod ex annis vertentibus solidis constaret, ut propri[a]e in anno magno fieri par est. nam dies sunt soli‡ uno minus centum, annique vertentes solidi octo. hanc oct[o]aeterida[m] vulgo creditum est ab Eudoxo Cnidio institutam, sed a[n] Cleostratum Tenedium primum ferunt conposuisse et postea alios aliter, qui mensibus vari[a]e intercalandis suas oct[o]eteridas protulerunt, ut fecit arpalus. Nautel[i]s, Menestratus, item alii, in quis Dositheus, cuius maxime octaeteris Eudoxi inscribitur. (6) ob hoc in Graecia {249v} multae re

  • giones hoc intervallo temporis summa caerimonia coluntur, Delphis quoque ludi, qui vocantur Pythia, post annum octavum olim conficiebantur. proxima est hanc magnitudinem quae vocatur dodecaeteris ex

    * † ‡

    add. Giusta. corr. Hultsch. add. Scaliger.

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    bezeichnete man es auch (auf Griechisch) als pentaëteris (“fünfjähriges”); dieses nach einem Vierjahreszeitraum bemessene Großjahr schien angemessener zu sein, dass das Sonnenjahr aus 365 Tagen und etwa dem Viertel eines Tages besteht, der sich alle vier Jahre zu einem (ganzen) Tag zusammenfügt. (4) Aus diesem Grund werden (Olympische) Wettspiele für den olympischen Zeus in Elis und die für den Kapitolinischen Iupiter in Rom mit Wiederkehr jedes fünften Jahres gefeiert. Auch diese Zeitspanne, die nur zum Lauf der Sonne, doch nicht zu dem des Monds zu passen schien, hat man verdoppelt und zu einer (auf Griechisch) oktaëteris (“achtjährigen”) gemacht, die daraufhin wieder (auf Griechisch) enneaëteris (“neunjährige”) genannt wurde, weil ihr Anfangsjahr jeweils im neunten Jahre wiederkehrte. (5) Dass dieser Umlauf mit dem echten Großjahr identisch ist, hat man in Griechenland meistens angenommen, weil er aus ganzen vollen Jahren besteht, wie es sich eigentlich für ein Großjahr gehört. Es setzt sich nämlich aus 2 922 vollen Tagesläufen, 99 vollen Mondumläufen und acht vollen Jahresläufen zusammen. Exkurs: Die Oktaëteris Der allgemeinen Ansicht zufolge ist diese oktaëteris von Eudoxos von Knidos eingerichtet worden, aber andere überliefern, dass sie zuerst Kleostratos von Tenedos zusammengestellt habe und sie danach von anderen immer wieder abgewandelt worden sei, die durch verschiedenartige Schaltungen ihre eigenen oktaëterides einführten. So machten es etwa Harpalos, Nauteles, Menestratos und auch andere, zu denen Dositheos (von Alexandreia) gehört, dem am ehesten (das Buch über) die Oktaëteris des Eudoxos zugeschrieben wird. (6) Deshalb feiern in Griechenland viele Kulte nach Maßgabe dieser Zeitspanne ihre höchsten Feiern; auch in Delphi wurden einst die Festspiele, die man die “Pythischen Spiele” nennt, nach jeweils acht Jahren veranstaltet. Ihr (der oktaëteris) am nächsten steht die Einheit, die man (auf Griechisch) als dodekaëteris (“zwölfjährig”) bezeichnet und die aus

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    annis vertentibus duodecim. (7) huic anno Chaldaico nomen est, quem genethliaci non ad solis lunaeque cursus, sed ad observationes alias habent adcommodatum, quod in eo dicunt tempestates frugumque proventus ac sterilitates, item morbos salubritatesque circumire. (8) praeterea sunt anni magni conplures, ut Meton[t]icus, quem Meton Atheniensis ex annis undevig[e]nti constituit, eoque enneacae[ce]teris appellatur et intercalatur [sept]ies, inque eo anno sunt dierum ] V] I et [a]cccxl. est et Philola[us] Pythagorici annus ex annis quinquaginta novem, in quo sunt menses intercalar[i]s viginti et unus; item Calippi Cyziceni ex annis septuaginta sex, ita ut menses duodetrig[e]nta intercalentur: et Democriti ex annis lxxxii cum intercalar[e]s perinde viginti octo; sed et Hipparchi ex annis ccciiii, in quo intercaletur centies decies bis. (9) haec annorum magnitudo eo discrepat, quod inter astrologos non convenit, quanto vel sol plus quam ccclxv dies in anno conficiat, vel luna minus quam triginta in mense. (10) ad Aegyptiorum vero annum magnum luna non pertinet, quem Graece κυνικο' ν, Latine canicularem {250r} vocamus, propterea quod initium illius sumitur, cum primo die eius mensis, qu[a]m vocant Aeg[i]pti Θοθυοι, caniculae sidus exoritur. nam eorum annus civilis sol[u]s habet dies ccclxv sine ullo intercalari. itaque quadriennium apu[t] eos uno circiter die minus est quam naturale ] ] quadriennium, eoque fit ut anno [I I]cccclxi ad [id]em revolv[i]tur principium. hic annus etiam heliacos a quibusdam dicitur, et ab aliis θεουñ ε νιαυτο' ς.

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    zwölf vollen Jahren besteht. (7) Dieses Großjahr trägt den Namen “Chaldäisches Jahr”, das die Geburtstagsforscher (genethliaci) nicht nach dem Lauf von Sonne und Mond, sondern nach anderen Beobachtungen erfasst haben; sie geben etwa an, dass in dieser Zeitspanne die Wetterlagen, gute und schlechte Ackererträge, ja auch Krankheits- und Gesundheitsphasen im Umlauf wiederkehrten. (8) Außerdem gibt es noch einige andere Arten von Großjahren, etwa das metonische, das Meton von Athen aus 19 Jahresläufen und fünf Schalttagen zusammengesetzt hat und das man deshalb (auf Griechisch) enneadekaëteris (“neunzehnjährig”) nennt; in diesem Jahr sind 6940 Tage. Es gibt auch das Großjahr des Pythagoreers Philolaos (von Kroton) mit einem Umfang von 59 Jahresläufen, in denen 21 Schaltmonate liegen. Ebenso gibt es das Großjahr des Kallippos von Kyzikos mit 76 Jahresläufen, wobei 28 Schaltmonate einbezogen sind, weiterhin das des Demokritos (von Abdera) mit 82 Jahren und ebenfalls 28 Schaltmonaten; schließlich gibt es noch das Großjahr des Hipparchos (von Nikaia) mit 304 Jahresläufen, von denen 112 Schaltmonate haben. Exkurs: Sonnen- und Mondumlauf (9) Die Dauer der Großjahre unterscheidet sich, weil unter den Sternenkundigen keine Einigkeit darüber besteht, um wie viel der Sonnenumlauf mehr als 365 Tage im Jahr beträgt und um wie viel der Mondumlauf weniger als 30 Tage im Monat. (10) Das Großjahr der Ägypter hat mit dem Mond nichts zu tun; wir nennen es auf Griechisch kynikon, auf Lateinisch canicularis (beides bedeutet “Hundsjahr”), weil es seinen Anfangspunkt daraus bestimmt, dass am ersten Tag des Monats, den die Ägypter Thothyi nennen, das Gestirn der canicula (“Hündchen”, der Fixstern Sirius) aufgeht. Ihr bürgerliches Jahr umfasst nur 365 Tage ohne jede Schaltung; deshalb ist bei ihnen ein Zeitraum von vier Jahren etwa um einen Tag kürzer als das natürliche Jahrviert; daraus folgt, dass beide Systeme erst nach 1461 Jahren wieder zum gleichen Jahresanfang zurückfinden. Dieses Jahr wird von manchen auch (auf Griechisch) hêliakos (“Sonnenjahr”) genannt, von anderen theou eniautos (“Gottesjahr”).

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    (11) est praeterea annus, quem Aristotel[i]s maximum potius quam magnum appellat, quem solis et lunae vagarumque quinque stellarum orbes conficiunt, cum ad idem signum, ubi quondam simul fuerunt, una referuntur. cuius anni hiemps summa est cataclysmos, quam nostri diluvionem vocant, aestas autem ecpyrosis, quod est mundi incendium; nam his alternis temporibus mundus [d]um exignescere [d]um exaquescere videtur. hunc Arist[h]arcus putavit * annorum vertentium] I] Icccc[l]xxxiiii, Aret[i]s Dyrracinus ] Vdlii, Heraclitus et Linus ] Xdccc, Dion ] Xdccclxxxiiii, Orpheus ] C] X] X, Cassandrus tricies sexies centum milium. alii vero infinitum esse nec umquam in se reverti existimarunt. (12) sed horum omnium p[a]nta[ha]eteridas maxime notandis temporibus Graeci observant, id est quaternum annorum circuitus, quas vocant olympiadas; et nunc apud eos ducentesima quinquagensima quarta olympias numeratur, eiusque annus hic secundus. (13) idem tempus anni magni Romanis fuit, quod lustrum appellabant, ita quidem a Servio Tullio institutum, [e]t quinto quoque anno cens[o] civium habito lustrum conderetur, sed non ita a posteris servatum. (14) nam cum inter primum a Servio rege conditum lustrum {250v} et id, quod ab impe[t]ratore Vespasiano v et Caesar [ter]i cons(ulibus) factum est, anni interfuerint paulo minus dcl, lustra tamen per ea tempora non plura quam lxxv sunt facta et postea plane fieri[nt] desierunt. (15) rursus tamen annus idem magnus per Capitolinos agonas coeptus est diligentius servari. quorum agonum primus a Dom[e]tiano institutus fuit [die] duodecimo eius

    *

    add. recentiores.

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    (11) Außerdem gibt es eine Jahreseinheit, die Aristoteles (von Stageira) lieber “Größtjahr” als “Großjahr” nennt; darin werden die Kreisbahnen von Sonne, Mond und den fünf Planeten so durchlaufen, dass alle diese Himmelskörper wieder gleichzeitig in demselben Sternbild stehen, in dem sie einst zugleich gestanden hatten. Der Winter dieses Jahres wird in seinem Tiefpunkt (auf Griechisch) der kataklysmos, bei uns (auf Lateinisch) diluvio (Sintflut) genannt, sein Sommer (auf Griechisch) ekpyrôsis, also “Verbrennung” der Welt, denn es scheint, dass in diesen Zeiträumen die Welt abwechselnd verbrannt und überflutet wird. Dieses (Großjahr) berechnete Aristarchos (von Samos) mit 2434 vollen Jahren, Aretes von Dyrrhachion mit 5552, Herakleitos (von Ephesos) und Linos mit 10 800, Dion mit 10 884, Orpheus mit 120 000, Kassandros mit 3 600 000 Jahresläufen. Andere meinten, das Größtjahr sei unendlich und kehre nie in seine Ausgangsstellung zurück. Welche Großjahreseinheiten werden in der Chronologie verwendet? (12) Von diesen Jahreseinheiten berücksichtigen die Griechen am häufigsten die pentaëterides, also die Vierjahresperioden, die sie (auf Griechisch) als olympiades (Olympiaden) bezeichnen. Jetzt zählt man bei ihnen die 254. Olympiade, und von dieser ist nun das zweite Jahr. (13) Dasselbe galt für das Großjahr bei den Römern, das sie lustrum nannten; jedenfalls wurde es von (dem römischen König) Servius Tullius so eingerichtet, dass in jedem fünften Jahr nach Durchführung der Censur ein lustrum (Sühnopfer) verrichtet werden sollte; dies ist aber von den Späteren so nicht eingehalten worden. (14) Obwohl nämlich zwischen dem ersten, von König Servius Tullius vollzogenen lustrum und dem, das im Konsulatsjahr von Kaiser Vespasianus zum fünften Mal und Kaiser zum dritten Mal (74 n. Chr.) abgehalten wurde, nur etwas weniger als 650 Jahre liegen, sind nicht mehr als 75 lustra durchgeführt worden; später haben sie ganz aufgehört, sie zu machen. (15) Erst anlässlich der Kapitolinischen Wettspiele hat man wieder damit begonnen, dieses Großjahr sorgfältiger einzuhalten. Die ersten dieser Wettspiele wurden von (Kaiser) Domitianus im Konsulatsjahr von ihm selbst zum zwölften Mal und Servius Cornelius

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    et Servi Corneli Dolabellae consulatu. itaque hoc nunc anno qui celebratus est agon, undequadragensimus numeratur. quod ad annos pertinet magnos, in praesentia satis dictum. nunc de annis vertentibus dicendi locus. 19. (1) annus vertens est natura, dum sol percurrens xii sig(na) eodem, unde profectus est, redit. (2) hoc tempus quo[d] dierum esset, ad certum nondum astrologi rep[p]erire potuerunt. P[y]lolaus annum naturalem dies habere prodidit ccclxiiii et dimidiatum, Aphrodisius ccclxv et partem diei octavam, Callippus autem ccclxv, et Arist[h]arcus Samius tantumdem et praeterea diei partem mille dcxxiii, Meton vero ccclxv et dierum quinque undevicensimam partem, [V]enopides ccclxv et dierum duum et viginti partem undesexagensimam, Harpalus autem ccclxv et horas aequinoctiales xiii, a[d] noster Ennius ccclxvi. (3) plerique praeterea inco[n]pr[a]ehensibile quidem e[t] enuntiabile esse existimarunt, sed pro vero, quod proxim[a]m putabant, amplexi sunt: dies scilicet ccclxv. (4) igitur cum tanta inter v[e]ros doctissimos fuerit dissensio, quid mirum, si anni civiles, quos divers[a]e civitates rudes etiam tum sibi quaeque statuebant, [i]am inter se discrepent quam cum {251r} illo naturali non congruant? et in Aegypto quidem antiquissimum ferunt annum menstrem fuisse, post deinde ab Isone rege quadrimenstrem factum, novissim[a]e Arminon ad xii menses

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    Dolabella (Petronianus) (86 n. Chr.) eingerichtet. Deshalb zählt man die Spiele, die jetzt in diesem Jahr stattfanden, als die 39. Wettspiele. Das Thema “Großjahr” ist nunmehr hinreichend behandelt. Das Jahr Nun ist es an der Zeit, über die vollen (natürlichen) Jahre zu sprechen. 19. (1) Das volle Jahr ist die natürliche Zeitspanne, in der der die Sonne die zwölf Sternbilder des Tierkreises durchläuft und dorthin zurückkehrt, von wo sie aufgebrochen ist. Wie viele Tage hat ein natürliches Jahr? (2) Wie viele Tage diese Zeitspanne umfasst, haben die Sternenkundigen bisher nicht genau herausfinden können: Philolaos (von Kroton) überliefert, das natürliche Jahr habe 364 1/2 Tage, Aphrodisios 365 1/8 Tage, Kallippos (von Kyzikos) 365 Tage, Aristarchos von Samos ebenso viele plus 1000/1623 Tage, Meton (von Athen) hingegen 365 plus 5/19 Tage, Oinopides (von Chios) 365 plus 22/59 Tage, Harpalos 365 Tage plus 13 Tag- und Nachtgleiche-Stunden (s. S. 23), unser (römischer Landsmann Quintus) Ennius hingegen ganze 366 Tage. (3) Außerdem haben die meisten geglaubt, es handle sich um eine unverstehbare und unaussagbare Größe; doch als Ersatz für die Wahrheit hielten sie sich an den Wert, der ihrer Meinung nach der Sache am nächsten kommt, nämlich 365 Tage. Wie viele Tage hat ein bürgerliches Jahr? (4) Da nun also schon unter den gelehrtesten Männern eine so große Uneinigkeit besteht, was wundert es, dass die bürgerlichen Jahre, die von den verschiedenen, damals ja kulturlosen Gemeinden jeweils zum eigenen Gebrauch festgelegt wurden, so sehr voneinander abweichen, wie sie mit dem besagten natürlichen Jahr nicht übereinstimmen? In Ägypten sei, wie überliefert wird, das älteste Jahr nur einmonatig gewesen; später sei es von König Ison auf vier Monate erweitert worden; zuletzt habe König Arminos es auf dreizehn Monate und fünf Tage

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    [menses]* et dies quinque perduxisse. (5) item in Achaia Arcades trimestrem annum primo habuisse dicuntur. et ob id proselen[am] appellati, [id], ut quidam putant, quod ante sint nati quam lunae astrum caelo esset, sed quod prius habuerint annum, † is in Graecia ad lunae cursum constitu[a]eretur. (6) sunt qui tradunt hunc annum trimestrem Horon [co]nstituisse, eoque ver aestatem autumnum hiemem hor[u]s et annum ‡ dici, et Graecos annales horus, eorumque scri[b]

    tores horographos. itaque quattuor annorum circuitu in modum penta[h]eterid[i]s annum magnum dicebant. (7) Cares autem et Acarnanes semenstres habuerunt annos et inter se dissimiles, quibus alternis dies augescerent aut senescerent, eosque coniunctos velut tri[h]eterida annum magnum. 20. (1) sed ut hos annos omittam caligine[m] iam profundae vetustat[e]s obductos, in his quoque, qui sunt recentior[e]s memoriae et ad cursum lunae vel solis instituti, quanta sit varietas, facile est cognoscere, si quis vel in unius Italiae gentibus, ne dicam peregrinis, velit inquirere. nam ut alium Ferentini alium Lavinii itemque Albani vel Romani habuerunt annum, ita et aliae gentes. omnibus tamen fuit propositum suos civiles annos vari[a]e intercalandis mensibus ad unum illum verum naturalemque corrigere. (2) de quibus omnibus disserere quoniam longum est, {251v} ad Romanorum annum transibimus. annum vertentem Romae Licinius quidem Macer et postea Fenestella statim ab initio duodecim mensum fuisse scripserunt.

    * † ‡

    del. recentiores. add. recentiores. add. Carrio.

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    ausgedehnt. (5) Die Arkader in Achaia sollen ebenfalls zuerst ein dreimonatiges Jahr gehabt haben; deshalb seien sie (auf Griechisch) proselênoi (“Vor-Mond-Leute”) genannt worden, nicht etwa – wie manche glauben –, weil sie bereits entstanden waren, bevor je das Mondgestirn am Himmel erschien, sondern weil sie schon (einen Begriff für) das Jahr hatten, in Griechenland das Jahr nach dem Mondumlauf eingeführt wurde. (6) Manche überliefern, dass (der mythische Arkader-König) Horos dieses dreimonatige Jahr eingerichtet habe, und nach ihm würden Frühling, Sommer, Herbst und Winter (auf Griechisch) hôrai (“Horen”, Jahreszeiten) und das Jahr genannt, und folglich die griechischen Annalen hôroi (“Jahrbücher”) und deren Verfasser “Horographen”. Deshalb nannten sie einen Zeitraum von vier solchen Dreimonatsjahren als Großjahr nach Art der pentaëteris (s. 18,4). (7) Die Karer aber und die Akarnanen hatten sechsmonatige Jahre, allerdings untereinander verschieden; abwechselnd hatten sie länger oder kürzer werdende Tage, und beide zusammengefasst ergaben ein Großjahr wie eine triëteris (s. 18,2). 20. (1) Ich will nun aber diese schon von hohem Alter verdunkelten Jahre(slängen) verlassen! Auch bei denen, die aus der jüngeren Geschichte stammen und schon nach dem Umlauf von Mond oder Sonne ausgerichtet sind, ist leicht zu erkennen, wie groß die Unterschiede sind, etwa wenn man die Völker Italiens – über das Ausland will ich nicht sprechen – untersuchen will. Denn so wie die Bewohner von Ferentinum, von Lavinia oder auch von Alba (Longa) und von Rom jeweils ein anderes Jahr hatten, so auch die übrigen Völker. Allen gemeinsam war jedoch das Vorhaben, ihre bürgerlichen Jahre mit unterschiedlichen Schaltmonaten an jenem einen wahren und natürlichen Jahreslauf auszurichten. Wie hat man im Rom Schaltjahre eingeführt? (2) Weil über all diese zu sprechen zu weitschweifig wäre, werden wir gleich zum Jahr der Römer übergehen. Dass das volle Jahr in Rom gleich von vornherein zwölf Monate gehabt habe, schrieben Licinius Macer und später Fenestella.

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    sed magis Iunio Gracchano et Fulvio et Varroni et Su[a]etonio aliisque credendum, qui decem mensum putarunt fuisse, ut tunc Albanis erat, unde orti Romani. (3) hi decem menses dies ccciii hoc modo habebant: Martius xxxi, Aprilis xxx, Maius xxxi, Iunius xxx, Quintilis xxxi, Sextilis et September tricenos, Oct[u]ber xxxi, November et December xxx; quorum quattuor maiores pleni, ceteri sex cavi vocabantur. (4) postea sive a N[n]um, ut ait Fulvius, sive, ut Iunius, a Tarquinio xii facti sunt menses et dies ccclv, quamvis luna xii suis mensibus cccliiii dies videbatur explere. sed ut dies unus abundaret, aut per inprudentiam accidit, aut, quod magis credo, ea superstitione, qua inpar numerus plenus et magis faustus habebatur. (5) certe ad annum priorem unus et quinquaginta dies accesserunt. qui quia menses duo non explerent, sex illis cavis mensibus dies sunt singuli detracti et ad eos additi factique dies l[x]ii, et ex his duo menses: Ianuarius undetrigint dierum, Februarius duodetriginta. adque ita omnes mense pleni et inpari dierum numero esse coeperunt, excepto Februario, qui solus cavus et ob hoc ceteris infaustior est habitus. (6) denique cum intercalarium mens[u]m viginti duum vel {252r} viginti trium dierum alternis annis addi placuisset, ut civilis annus ad naturalem exequaretur, in mense potissimum Februario inter Terminalia et Regifugium intercalatum est, idque diu factum, prius quam sentiretur annos civiles aliquanto naturalibus esse maiores. quod d[i]l[e]ctum ut corrigeretur, pontificibus datum negotium eorumque arbitrio intercalandi ratio permissa. (7) sed horum plerique ob odium vel gratiam, quo quis

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    Eher aber ist dem (Marcus) Iunius Gracchanus, (Marcus) Fulvius (Nobilior), (Marcus Terentius) Varro und (Gaius) Suetonius (Tranquillus) sowie anderen zu glauben, die meinten, es seien zehn Monate gewesen, wie sie früher die Bewohner von Alba (Longa) hatten, von denen ja die Römer abstammen. (3) Diese zehn Monate hatten 304 Tage auf folgende Weise: März 31, April 30, Mai 31, Juni 30, Quintilis 31, Sextilis und September je 30, Oktober 31, November und Dezember je 30 Tage. Die vier größeren Monate wurden “voll” genannte, die anderen sechs “hohl”. (4) Später wurden dann – wie (Marcus) Fulvius (Nobilior) schreibt – von Numa (Pompilius, dem Nachfolger der Stadtgründers Romulus als König von Rom) oder – nach (Marcus) Iunius (Gracchanus) – von (Lucius) Tarquinius (Superbus, dem siebten und letzten König von Rom) zwölf Monate und 355 Tage geschaffen, obwohl erkennbar war, dass der Mond in seinen zwölf Monaten nur 354 Tage ausfüllt. Dass ein Tag zuviel war, geschah entweder aus Unwissenheit oder – was ich eher glaube – aus dem Aberglauben heraus, dass eine ungerade Zahl als Vollzahl und glückverheißender galt. (5) Sicher sind zum früheren Jahr 51 Tage hinzugekommen. Da diese aber keine zwei Monate füllen, wurde von jenen sechs “hohlen” Monaten jeweils ein Tag abgezogen, jenen hinzugerechnet und so 57 Tage erzielt, aus denen man die beiden Monate bildete: den Januar mit 29 Tagen, den Februar mit 28 Tagen. So waren von künftig alle Monate “voll” und von ungerader Tageszahl, mit Ausnahme des Februar: dieser blieb als einziger “hohl” und wurde daher für weniger glückverheißend als die übrigen angesehen. (6) Als man schließlich beschlossen hatte, einen Schaltmonat von abwechselnd 22 oder 23 Tagen einzuschieben, damit das bürgerliche Kalenderjahr dem natürlichen angeglichen würde, unternahm man diese Schaltung im Februar zwischen den Terminalia (am 23.2.) und dem Regifugium (am 24.2.). Das tat man lange so lange, bis man bemerkte, dass die bürgerlichen Jahre nun etwas länger geworden waren als die natürlichen. Diesem Mangel abzuhelfen wurde den Pontifices (Priestern) als Aufgabe zugewiesen; die Art des Schaltens wurde dabei ihrer Entscheidung überlassen. (7) Die meisten von ihnen haben allerdings aus Hass oder

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    magistratu citius abiret diutius[q]ve fungeretur aut publici redemptor ex anni magnitudine in lucro damnove esset, plus minusve[l] ex li[v]idine inter[k]alando rem sibi ad corrigendum mandat[u]m ultro qu[e] depravarunt, (8) adeo aberratum est, ut [G]. Caesar pontifex maximus suo iii et M. Aemilii Lepidi consulatu, quo retro delictum corrigeret, duos menses intercalarios dierum lx[ii]ii in mensem Novembrem et Decembrem interponeret, cum iam mense Februario dies iii et xx intercalasset, faceretque eum annum dierum ccccxlv, simul providens in futurum, ne iterum erraretur; nam inter[k]alario mense sublato annum civilem ad solis cursum formavit. (9) itaque diebus ccclv addidit decem, quos per septem menses, qui dies undetricenos habebant, ita discri[b]

    sit, ut Ianuario et Sextili et Decembri [ne] bini accederent, ceteris singuli; eosque dies extremis partibus mens[i]um adposuit, ne scilicet religiones sui cuiusque mensis a loco summo verentur. (10) quapropter nunc cum in septem mensibus dies singuli et triceni sint, quattuor {252v} tamen illi ita primitus instituti eo dinoscuntur, quod nonas habent septimanas, ceteri tres omnes alii reliqui quintanas. praeterea pro quadrante diei, qui annum verum suppleturus videbatur, instituit, ut peracto[s] quadrienni circuitu dies unus, ubi mens[e]s quondam solebat, post Terminalia intercalaretur, quod nunc bissextum vocatur. (11) ex hoc anno ita a Iulio Caesare ordinato ceteri ad nostram memoriam Iuliani appellantur, eique consurgunt ex quarto Caesaris consulatu. qui etiam si optimo *, non soli tamen ad annum naturae aptati sunt. nam et priores a[li]i, etiam si qui decemmenstres

    *

    add. Sallmann.

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    Gunst – etwa damit jemand rascher aus seinem Amt ausscheide oder länger im Amt verbleibe oder damit ein Steuerpächter wegen der Länge des Jahres Gewinn oder Verlust habe – nach Belieben größere oder kleinere Schaltungen vorgenommen und so die Sache, die ihnen zur Korrektur anvertraut war, noch weiter verdorben. (8) So groß waren die Abweichungen, dass Gaius (Iulius) Caesar als Pontifex Maximus im Konsulatsjahr von ihm selbst zum dritten Mal und Marcus Aemilius Lepidus (46 v. Chr.), um den zurückliegenden Fehlbetrag zu korrigieren, Folgendes unternahm: Zunächst schob er zwei Schaltmonate von insgesamt 67 Tagen zwischen November und Dezember ein, obwohl er bereits im Februar 23 Tage eingeschaltet hatte, und dehnte so jenes Jahr auf 445 Tage aus. Zugleich sorgte er dafür, dass in der Zukunft nicht erneut solche Fehler entstünden; durch Abschaffung des Schaltmonats bildete er ein bürgerliches Jahr nach dem Umlauf der Sonne. (9) Dafür fügte er den 355 Tagen nochmals zehn hinzu, die er auf die sieben Monate, die je 29 Tage hatten, so verteilte, dass zu Januar, Sextilis und Dezember je zwei kamen, zu den übrigen je einer. Diese Tage fügt er jeweils an die Enden der Monate, damit verständlicherweise die Kultfeste der einzelnen Monate nicht von ihrem Datum gerückt werden sollten. (10) Obwohl nun infolgedessen bei sieben Monaten 31 Tage vorkommen, sind sich die vier schon seit alters so eingerichteten von den anderen drei Monaten dadurch unterschieden, dass sie die Nonen am siebten Tage haben, während sie bei den drei anderen und bei allen übrigen Monaten auf den fünften Tag fallen. Außerdem verfügte Caesar im Hinblick auf den Vierteltag, der das wahre Jahr zu vervollständigen schien, dass nach Ablauf eines Vierjahreslaufs dort, wo man früher einen Monat einzuschalten pflegte – nämlich nach dem Fest der Terminalia (23.2.) –, nun einen Tag einschalte, den man heute bissextus nennt (“zweimal der 6. Tag” vor den Kalenden des März, also Verdoppelung des 24.2., nicht, wie in der Gegenwart, des 28.2.). (11) Seit diesem von (Gaius) Iulius Caesar in der beschriebenen Weise geordneten Jahr werden die Jahre bis zu unserer Zeit hin “iulianische” genannt; sie beginnen im Konsulatsjahr von Caesar zum vierten Mal (45 v. Chr.). Obwohl diese Jahre auf die beste dem natürlichen Jahr angepasst sind (der von Caesar eingeführte Kalender gilt ja mit weni-

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    fuerunt, nec Romae modo vel per Italiam, sed et apu[t] gentes omnes, quantum potea, idem fuerunt correcti. itaque cum de aliquo annorum numero hic dice[re]tur, non ali[u]s par erit quam naturales accipere. et si origo mundi in hominum notitiam venisset, inde exordium sumeremus. 21. (1) nunc vero id intervallum temporis tractabo, quod historicon Varro appellat. hic enim tria discrimina temporum esse tradit: primum ab hominum principio ad cataclysmum priorem, quod propter ignorantiam vocatur [ad] adelon, secundum a cataclysmo priore[m] ad olympiadem primam, quod, quia multa in eo fabulosa referuntur, mythicon nominatur, tertium a prima olympiade ad nos, quod dicitur historicon, quia res in eo gestae veris historiis continentur. (2) primum tempu[m], sive habuit initium seu semper fuit, certe quo[d] annorum sit, non potest conpr[a]ehendi. secundum non plane quidem scitur, sed tamen ad mille circiter et sescentos annos esse creditur: a priore scilicet cataclysmo, quem dicunt e[r] Ogy[c]ii, ad Inachi regnum annos circiter quadrigent[i] *, hinc ad olympiadem primam {253r} paulo plus quadrigent[i]; quos solos, quamvis mythici temporis postremos, tamen, quia a memoria scri[b]

    torum proximos, quidam certius definire voluerunt. (3) et quidem Sosibius scripsit esse cccxcv,

    *

    add. Boeckh.

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    gen Korrekturen bis heute), sind sie darin durchaus nicht einzigartig, denn auch die früheren Jahre sind, selbst wenn sie in einigen Fällen Zehnmonatsjahre zählten, nicht nur in Rom und in Italien, sondern bei allen Völkern soweit möglich ebenso korrigiert worden. (12) Wenn also hier von einer bestimmten Anzahl von Jahren gesprochen wird, darf man darunter nichts anderes als natürliche Jahre verstehen. Ja, wenn der Ursprung der Welt den Menschen zur Kenntnis gelangt wäre, würden wir dort unseren Anfang machen. Was ist der “historische” Zeitabschnitt? 21. (1) Nun aber werde ich den Zeitabschnitt behandeln, den (Marcus Terentius) Varro (auf Griechisch) als historikon (“historisch”) bezeichnet. Er gibt nämlich an, dass es drei unterscheidbare Zeitabschnitte gibt: Der erste reicht vom Beginn der Menschheit bis zum ersten Kataklysmos (Sintflut), und wegen der Unkenntnis darüber nennt man ihn (auf Griechisch) adêlos (“unklar”). Der zweite geht vom ersten Kataklysmos bis zur ersten Olympiade, und weil aus dieser Zeit viel Sagenhaftes berichtet wird, wird er (auf Griechisch) mythikon (“mythisch”) genannt. Der dritte dauert von der ersten Olympiade bis zu unserer Zeit und heißt (auf Griechisch) historikon (“historisch”), da die in ihm geschehenen Ereignisse in den eigentlichen Historien erfasst sind. (2) Zum ersten Zeitabschnitt lässt sich nicht erfassen, ob er einen Anfang hat oder schon immer da war, und auch nicht, wie viele Jahre er umfasst. Zum zweiten weiß man dies nicht genau, doch glaubt man, dass er etwa 1600 Jahren umfasst: Vom ersten Kataklysmos nämlich, der sogenannten Flut des Ogyges, bis zur Königsherrschaft des Inachos rund 400 Jahre, von da bis zur ersten Olympiade etwas über 400 Jahre. Exkurs: Einteilung des mythischen Zeitabschnitts Diese letzten (400 Jahre), die ja den jüngste im mythischen Zeitabschnitt bilden, haben manche, weil sie der schriftlichen Tradition am nächsten liegen, genauer definieren wollen: (3) Sosibios (von

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    E[m]tosthenes autem septem et qua[t]rigentos, Timeus ccccxvii, [A]retes dxiiii, et praeterea multi diverse, quorum etiam ipsa dissensio incertum esse declarat. (4) de tertio autem tempore fuit quidem aliqua inter actores dissensio in sex septemve tantum modo annis versata. (5) sed hoc quodcumque caliginis Varro discussit, et pro cetera sua sagacitate nunc diversarum civitatium con[t]erens tempora, nunc defectus eorumque intervalla retro numerans eruit verum lucemque ostendit, per quam numerus certus non annorum modo, sed et dierum perspici possit. (6) secundum quam rationem nisi fallor hic anus, cuius velut index et titulus quidam est V. [t] Pii et Pontiani consulatus, ab olympiade prima milensimus est et quartus decimus, ex diebus dumtaxat aestivis, quibus agon Olympicus celebratur; a Roma autem condita nongentesimus nonagensimus primus, et quidem ex Parilibus, unde urb[e]s anni numerantur; (7) eorum vero annorum, quibus Iulianis nomen est, ducentesimus octogensimus tertius, sed ex die kal. I[u]niarum, unde Iulius Caesar anni a se constituti fecit principium; (8) a[d] eorum, qui vocantur anni Augustorum, ducentesimus sexagensimus quintus, perinde ex kal. Ianuari[a]s, quamvis ex ante diem xvi kal. Febr. imp(erator) Caes(ar), Divi filius, sententia L. Munati Planci a senatu ceterisque civibus Augustus appellatus est s[i] septies et M. Vipsanio Agrippa iii con(sulibu)s. (9) sed egyptii, quod biennio ante in potestatem

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    Lakedaimon) schrieb, es seien 395 Jahre, Eratosthenes (von Kyrene) hingegen 407, Timaios (von Tauromenion) 417, Aretes (von Dyrrhachion) 514; viele anders lautende Angaben kommen hinzu, deren unterschiedliche Meinungen bereits offenlegen, dass dies unsicher ist. (4) Beim dritten Zeitabschnitt gab es zwar auch einen gewissen Dissens unter den Autoren, wobei es aber nur um sechs oder sieben Jahre geht. (5) Was es noch an Undurchsichtigkeit gab, hat (Marcus Terentius) Varro aufgerissen, indem er mit dem ihm eigenen Scharfsinn zunächst die Zeitrechnungen verschiedener Gemeinden verglich, dann die Fehlstellen und deren Umlauf rückwärts nachrechnete und so die Wahrheit herausfand und ein Licht entzündete, durch das man die sichere Zahl nicht nur der Jahre, sondern sogar auch der Tage erkennen kann. In welchem Jahr befinden wir uns? (6) Nach Maßgabe dieser Zeitrechnung ist, wenn ich mich nicht irre, dieses jetzige Jahr (238 n. Chr.) Folgendes: Die offizielle Bezeichnung und gleichsam das Etikett ist das Konsulatsjahr der ehrenwerten Männer (Fulvius) Pius und (Pontius Proculus) Pontianus. Seit der ersten Olympiade ist es das 1014., gerechnet natürlich von den Sommertagen, in denen die olympischen Wettspiele gefeiert werden. Seit der Gründung der Stadt Rom aber ist es das 991., nun freilich vom Fest der Parilia (am 21.4.) gezählt, von denen aus die Jahre der Stadt rechnen. (7) Von den Jahren, die wir als “iulianisch” bezeichnen (s. 20,11), haben wir jetzt das 283., und zwar vom 1. Januar an gerechnet, von dem als Beginn aus (Gaius Iulius) Caesar das von ihm konstituierte Jahr ansetzte (s. 20,11). (8) Von den sogenannten Augustusjahren ist es das 265., wiederum mit dem Ausgangstag 1. Januar, obwohl (Kaiser Augustus, also) Imperator Caesar, Sohn des vergöttlichten (Gaius) Iulius Caesar, auf Antrag des Lucius Munatius Plancus vom Senat und allen Bürgern am 17. Januar zum Augustus erhoben worden ist im Konsulatsjahr von ihm selbst zum siebten und Marcus Vipsanius Agrippa zum dritten Mal (27 v. Chr.). (9) Die Ägypter aber,

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    {253v} dicionemque populi Romani venerunt, hunc Augustorum annum ducentesimum sexagensimum septimum *. nam ut a nostris ita ab Aegyptiis qui[t]dam anni in litteras relati sunt, ut quos Nabonnazaru nominant, quod a primo imperii eius anno consurgunt, quorum hic nongentesimus octogensimus sextus est; item Philippu, qui ab excessu Alexandri Magni numerantur et ad hunc usque perducti annos dlxii consummant. (10) sed horum initia semp(er) a primo die mensis eius sumuntur, cui apud Aegyptios nomen est Thouth, quique hoc anno fuit ante diem vii kal. Iul. , cum abhinc annos centum imp(eratore) Antonino Pio [et] Bruttio Praesente Romae consulibus idem dies fuer[un]t ante diem xii kal. Aug., quo tempore solet canicula in Aegypto facere exortum. (11) quare scire etiam licet anni illius magni, qui, ut supra dictum est, [c]olaris et canicularis et dei annus vocatur, nunc agi vertentem annum centensimum. (12) initia autem istorum annorum propterea notavi, ne quis eos aut ex kal. Ianuariis aut ex ali quo tempore simul putaret incipere, cum [h]is conditorum voluntates non minus diversae sint quam opiniones philosophorum. (13) idcirco aliis a novo sole, id est a brum, ali[a] ab aestivo solstitio, plerique ab aequinoctio verno, partim ab autumnali aequinoctio, quibusdam ab ortu vergiliarum, nonnulli ab earum occasu, multis a canis exortu incipere annus naturalis videtur.

    *

    add. Jahn.

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    weil sie zwei Jahre vorher in Befehlsgewalt des römischen Volkes kamen, dieses Jahr als das 267. Augustusjahr. Wie bei uns hat man ja auch bei den Ägyptern eine bestimmte Jahreszählung in die Urkunden eingebracht, die (auf Griechisch) genannten Jahre Nabonnazarou (“des Nabonnazaros”), die mit dessen erstem Regierungsjahr beginnen; von diesen ab ist nun das 986. Jahr. Ebenso gibt es die Jahre Philippou (“des Philippos”), die vom Tod Alexanders des Großen an gerechnet werden und die sich, bis zu diesem Jahre geführt, zu 562 Jahren summieren. Exkurs: Die Jahresanfänge (10) Die Jahresanfänge dieser Zählungen werden immer beim ersten Tag des Monats angenommen, der bei den Ägyptern den Namen Thouth (s. 18,10) führt; er fällt in diesem Jahr auf den 25. Juni, während er vor nunmehr hundert Jahren im Konsulatsjahr von Kaiser Antoninus Pius zum zweiten Mal und (Gaius) Bruttius Praesens zum zweiten Mal (139 n. Chr.) auf den 21. Juli fiel, an dem in Ägyp ten üblicher weise der c an ic u la (“Hund s-Stern”; s. 18,10) genannte Stern aufgeht. (11) Hieraus kann man sogar schließen, dass im System des Großjahres, das – wie oben (18,10) erwähnt – Sonnen-, Hundsstern- oder Gottesjahr genannt wird, jetzt eben das 100. volle Jahr abläuft. (12) Die Anfänge dieser Jahre habe ich darum vermerkt, dass niemand auf den Gedanken verfällt, sie begännen alle gleichzeitig am 1. Januar oder sonst an einem Zeitpunkt; die Bestrebungen der jeweiligen Begründer sind darin nicht weniger verschieden als die Meinungen der Philosophen. (13) Deshalb beginnt das natürliche Jahr nach Meinung der einen mit der neuen Sonne, also mit der Wintersonnenwende, nach Meinung der Mehrheit mit der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche; ein Teil geht von der Herbst-Tag- und Nachtgleiche aus, manche vom Aufgang der vergiliae (der Pleiaden, des Siebengestirns), einige von deren Untergang, viele vom Aufgang des canicula genannten Sterns (Sirius; s. 18,10).

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    22. (1) mens[i]um genera duo; nam alii sunt naturales, alii civiles. naturalium species duae, quod partim solis, partim lunae esse dicuntur. (2) secundum solem fit mensis, dum sol unum quodque in zodiaco orbe signum percurrit. (3) lunaris est autem {254r} temporis quoddam spatium a nova luna .*. civiles menses sunt numeri quidam dierum, quos una quaeque civitas suo instituto observat, ut nunc Romani a kalendis in kalendas. naturales et antiquiores et omnium gentium communes sunt, civiles et posterius instituti et ad unam quamque pertinent civitatem. (4) qui sunt caelestes, sive solis seu lunae, neque peraeque inter se par[t]es sunt nec dies habent totos. quippe sol in aquario moratur circiter undexxx, in pisce fere xxx, in ariete unum et xxx, in geminis prope xxx et duos, et sic in ceteris inaequabiliter; sed usque adeo non totos dies in singulis, ut annum suum, id est dies ccclxv et portionem nescio quam adhuc astrologis in[a]explorat[u]m, in xii suos dividat menses. (5) luna[m] autem singulos suos menses conficit diebus undetrig[e]nta circiter et dimidiato, sed et hos inter se dispares: alias longiores, alias breviores. at civitatium menses vel magis numero[s] dierum inter se discrepant, sed dies ubique habent totos. (6) apud Albanos Martius est sex et triginta, Maius viginti[i] duum, Sextilis duodeviginti, September

    *

    add. Jahn in apparatu.

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    Der Monat 22. (1) Es gibt zwei Gattungen von Monaten: die einen sind die natürlichen, die anderen die bürgerlichen. (2) Von den natürlichen Monate gibt es zwei Arten, da sie teils für die Ausrichtung nach der Sonne, teils für die nach dem Mond beansprucht werden: Der Sonnenmonat bestimmt sich nach der Zeit, in der die Sonne jeweils ein Sternbild des Tierkreises durchläuft. (3) Der Mondmonat entspricht der Zeitspanne von Neumond . Die bürgerlichen Monate sind eine gewisse Anzahl von Tagen, die jede Gemeinde nach eigener Festsetzung beachtet, wie etwa jetzt die Römer von den Kalenden zu den Kalenden. Die natürlichen Monate sind die älteren und allen Völkern gemeinsam; die bürgerlichen Monate wurden erst später eingerichtet und beziehen sich jeweils nur auf eine bestimmte Gemeinde. Was sind natürliche Monate? (4) Die nach den Himmelskörpern – gleich ob nach Sonne oder Mond – ausgerichteten Monate sind weder untereinander völlig gleich noch gehen sie mit ganzen Tagen auf. Die Sonne nämlich hält sich etwa 29 Tage lang im Zeichen des Wassermanns auf, etwa 30 Tage im dem der Fische, in dem des Widders 31 Tage und in dem der Zwillinge fast 32 Tage; ebenso ungleichmäßig ist ihr Aufenthalt bei den anderen (Sternbildern). Dass sie in den einzelnen nicht ganze Tage verweilt, hat zur Folge, dass die Sonne ihr Jahr – das sind 365 Tage und der Bruchteil, der aus mir unbekannten Gründen von den Sternkundigen noch immer unerforscht ist (s. 19,2) – in ihre zwölf Monate teilt. (5) Der Mond durchläuft seine Monate in etwa 29 1/2 Tagen, doch sind auch diese Monate untereinander verschieden, manche länger, andere kürzer. Was sind bürgerliche Monate? Die (bürgerlichen) Monate der Gemeinden aber klaffen in der Zahl der Tage noch mehr auseinander, doch setzen sie sich überall aus ganzen Tagen zusammen: (6) Bei den Leuten von Alba (Longa) hat der März 36 Tage, der Mai 32, der Sextilis 18, der September 16 Tage; der

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    De die natali 22

    sedecim. Tusculanorum Quintil[e]s dies habet xxxvi, October xxxii, idem October apud Aricinos xxxviiii. (7) minime videntur errasse, qui ad lunae cursum menses civiles adcommodarunt, ut in Graecia plerique, apud quos alterni menses ad tricenos dies sunt facti. (8) maiores quoque nostri idem sunt aemulati, cum annum dierum ccclv habent. sed Divus Iulius cum videret hac ratione qu[a]e ad lunam menses, ut oportebat, neque anno ad solem convenire, al[i]u[d] annum corrigere, ut sic etiam {254v} menses v[e]l cum veris illis solaribus, etsi non singuli, tamen universi ad anni finem necessario concurrent. (9) nomina decem mensibus antiquis Romulum fecisse Fulvius et Iunius auctores sunt. et quidem duos primos a parentibus suis nominasse, Martium a Marte patre, Aprilem ab Aphrodite id est Venere, unde maiores eius oriundi dicebantur; proximos duos a populo: Maium a maioribus natu, Iunium a iunioribus; ceter[i]s ab ordine quo singuli erant: Quintilem usque Decembrem perinde a numero. (10) Varro autem Romanos a Latinis nomina mensum accepisse arbitratu[r] actores eorum antiquiores quam urbem fuisse satis ar[ky]t[i] docet. (11) itaque Martium mensem a Marte quidem nominatum credit, non quia Romuli fuerit pater, sed quod gens Latina bellicosa; Aprilem autem non ab A[f]rodite, sed ab aperiendo, quod tunc fer[r]e cuncta gignantur et nascendi claustra aperiat natura; (12) Maium vero non a maioribus, sed a Maia nomen accepisse, quod eo mense tam Romae quam antea in Latio res divina

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    Quintilis der Leute von Tusculum 36 Tage, ihr Oktober 32; derselbe Monat Oktober bei den Leuten von Aricina 39 Tage. (7) Am wenigsten scheinen diejenigen fehlgegangen zu sein, die ihre bürgerlichen Monate dem Mondumlauf angepasst haben, wie die meisten in Griechenland; dort hat immer jeder zweite Monat 30 Tage. (8) Auch unsere Vorfahren (die Leute von Rom) haben dies nachgeahmt, als sie noch das Jahr zu 355 Tagen hatten (s. 20,2). Als aber der vergöttlichte (Gaius Iulius) Caesar erkannte, dass nach dieser Rechnung weder die Monate zum Mond, wie es sich gehört hätte, noch das Jahr zur Sonne passt, wollte er lieber das Jahr so korrigieren, dass die bürgerlichen Monate mit jenen wahren Sonnenmonaten, wenn schon nicht jeder für sich, so doch zusammengefasst bis zum Jahresende zwangsläufig zusammenträfen (s. 20,9). Wie lauten die bürgerlichen Monatsnamen? (9) Die Namen für die zehn alten Monate (s. 20,2) soll (der erste König von Rom) Romulus laut (den Historikern Marcus) Fulvius (Nobilior) und (Marcus) Iunius (Gracchanus) gemacht haben. Und zwar habe er die beiden ersten nach seinen Eltern benannt, den März nach seinem Vater Mars, den April nach Aphrodite, also nach der Venus, von der seine Ahnen abstammen sollen. Die beiden nächsten Monate nannte er nach dem Volk, den Mai nach den maiores (“Älteren”), den Juni nach den iuniores (“Jüngeren”), die übrigen nach der Ordnungszahl, die sie jeweils hatten, vom Quintilis (“Fünften”) bis hin zum Dezember (“Zehnten”) nach dem Zahlwort. (10) (Marcus Terentius) Varro hingegen meint, die Römer hätten die Monatsnamen von den Latinern übernommen, und er lehrt ganz überzeugend, dass die Namensgeber älter waren als die Stadt (Rom): (11) Deshalb glaubt er zwar auch, dass der März nach (dem Kriegsgott) Mars benannt, aber nicht, weil dieser der Vater des Romulus war, sondern weil der Stamm der Latiner kriegerisch war; der April heiße nicht nach Aphrodite, sondern nach aperire (“öffnen”), weil dann fast alles entstehe und die Natur die Pforten des Werdens öffne; (12) der Mai heiße nicht nach den maiores, sondern nach (der Göttin) Maia, weil in diesem Monat in Rom wie früher in Latium für Maia Feiern

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    Maiae fit [et Mercurio]*; Iunium quoque a Iunone potius quam iunioribus, quod illo mense maxim[a]e Iunoni honores habentur; (13) Quintilem, quod loco iam apud Latinos fuerit quinto, item Sextile ac deinceps ad Decembrem a numis appellat[u]s. ceterum Ianuarium et Februarium postea quidem additos, sed nominibus iam ex Latio sumptis: et Ianuarium ab Iano, cui adtributus est, nomen traxisse, Februarium a februo: (14) est februm quidquid piat purgatque, et februamenta purgamenta, item februare purgare et purum facere. februm autem non idem usquequaque dicitur; nam aliter in aliis sacris februatur, hoc est purgatur. (15) in hoc autem mense Lupercalibus, cum Roma {255r} lustratur, salem calidum ferunt, quod februm appellant, unde dies Lupercalium proprie februatus et ab eo porro mensis Februarius vocitatur. (16) ex his duodecim mensibus duorum tantum nomina inmutata. nam Qui† Iulius cognominatus est C. Caesare v et M. Ant[u]nio cons(ulibus) anno Iuliano secundo. qui autem Sextilis fuerat, ex C. Marco Censorino C. Asinio Gallo cons(ulibus) in Augusti honorem dictus est Augustus anno Augusti vicensimo, quae nomina etiam nunc ad hanc permanent memoriam. (17) postea vero multi principes nomina quaedam mens[i]um inmutaverunt suis nuncupando nominibus; quod aut ipsi postmodum mutaverunt, aut post obitum eorum illa nomina pristina suis reddita mensibus.

    * †

    del. Schanz. add. recentiores.

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    durchgeführt werden; der Juni heiße auch eher nach der (Göttin) Iuno als nach den iuniores, da in diesem Monat vor allem der Iuno Ehren erwiesen wurden; (13) der Quintilis heiße so, weil er schon bei den Latinern an fünfter Stelle stand; ebenso sei der Sextilis nach seiner Stellenzahl genannt, und immer so weiter bis zum Dezember. Im Übrigen seien Januar und Februar zwar später vorgeschaltet worden, doch seien auch deren Namen schon aus Latium übernommen: Der Januar habe von (dem Gott) Ianus, dem er zugeordnet ist, seinen Namen bezogen, der Februar vom Februum. Exkurs: Das Februum (14) Unter Februum versteht man alle Mittel und Riten, die entsühnen und reinigen; (lateinisch) februamenta heißen Sühnopfer und entsprechend (lateinisch) februare reinigen und rein machen. Unter Februum darf man aber nicht in allen Fällen dieselben Mittel und Riten verstehen, denn bei allen wird jeweils in anderer Weise “februiert”, also gereinigt. (15) In diesem Monat (Februar) bringt man aber an den Lupercalia, dem Entsühnungsfest Roms, heißes Salz dar, das man Februum nennt; deshalb ist der Tag der Lupercalia in besonderer Weise ein “Februier-Tag” – und im weiteren Verlauf wurde nach diesem Tage der Monat Februar genannt. (16) Nur bei zwei von diesen zwölf Monaten wurde seither der Name geändert: Der Quintilis bekam den Ehrennamen Juli im Konsulatsjahr von Gaius (Iulius) Caesar zum fünften Mal und Marcus Antonius (44 v. Chr.) im zweiten iulianischen Jahr. Der zuvor Sextilis genannte Monat wurde aufgrund eines Senatsbeschlusses im Konsulatsjahr von (Gaius) Marcius Censorinus und Gaius Asinius Gallus (8 v. Chr.) zu Ehren des Kaisers Augustus im 20. Augustusjahr in August umbenannt. Diese Namen haben sich bis in die heutige Zeit gehalten. (17) Freilich haben auch später noch viele Herrscher Monatsnamen geändert und nach ihren eigenen Namen bezeichnet, doch haben sie entweder selbst später die Änderung rückgängig gemacht oder man hat nach ihrem Tod den Monaten ihre früheren Namen zurückgegeben.

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    De die natali 23

    23. (1) superest pauca de die dicere, qui, ut mensis aut annus, partim naturalis partim civilis est. (2) naturaliter dies est tempus ab exoriente sole a solis occasum, cuius contrarium tempus est nox ab occasu solis ad exortum. civiliter autem dies vocatur tempus, quod fit uno caeli circumactu[m], quo[d] dies verus et nox continetur, ut cum dicimus aliquem dies xxx tantum vixisse; relinquitur enim etiam noctes intellegere. (3) huius modi dies ab astrologis et civitatibus quattuor modis definitur. Babyl[l]oni quid[a]m a solis exortu ad exortum eiusdem astri diem statuerunt, at in Umbria plerique a meridie ad meridiem, Atheniens[i]s autem ab occasu solis ad occasum. ceter[i] Romani a media nocte ad mediam noctem diem esse existimarunt. indicio sunt sacra publica et auspicia etiam magistratuum, quorum si quid ante medium noctis est actum, diei, qui praeterit, adscribitur; si quid autem post mediam noctem et ante lucem {255v} factum est, eo die gestum dic[e]tur, qui[a] eam sequitur noctem. (5) idem significat quod, qui a media nocte ad proximam mediam noctem in his horis quattuor et viginti nascuntur, eundem diem habent natalem.

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    Der Tag 23. (1) Es bleibt nun noch einiges Wenige über den Tag zu sagen, der – wie Jahr und Monat – teils ein natürlicher, teils ein bürgerlicher ist. Was ist der natürliche Tag? (2) Ein Tag im natürlichen Sinn ist die Zeitspanne zwischen Sonnenauf- und -untergang; sein Gegenteil ist die Nacht als Zeitspanne zwischen Sonnenunter- und -aufgang. Was ist der bürgerliche Tag? Als Tag im bürgerlichen Sinn wird die Zeitspanne benannt, die während einer Himmels-Umdrehung verstreicht und einen wirklichen (natürlichen) Tag und eine (natürliche) Nacht enthält, wie wenn wir etwa sagen, jemand habe nur dreißig Tage gelebt; dabei wird nicht eigens gesagt, dass man auch die Nächte mitzuverstehen hat. (3) Ein Tag dieser Art wird von den Sternenkundigen und in den Gemeinden auf vier verschiedene Weisen begrenzt: Die Babylonier setzten den Tag vom Aufgang der Sonne bis zum nächsten Aufgang dieses Himmelskörpers fest; in Umbrien hingegen reichte der Tag bei vielen von Mittag bis Mittag. Bei den Athenern ging der Tag von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang. Die Römer jedoch waren der Ansicht, der Tag dauere von Mitternacht bis Mitternacht. (4) Grund dafür sind wohl öffentliche Kulthandlungen und die Vogelschau der Magistrate; was nämlich davon vor Mitternacht vorgenommen wird, wird dem vorausgegangenen Tag zugeschrieben; was nach Mitternacht, aber noch vor dem Tageslicht geschah, gilt als an dem Tag getan, der auf die Nacht folgte. (5) Dasselbe zeigt sich darin, dass Menschen, die innerhalb von 24 Stunden zwischen Mitternacht und der nächsten Mitternacht geboren werden, denselben Geburtstag haben. (Dass der Tag um Mitternacht beginnt, verdanken wir also bis in die Gegenwart den Römern.)

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    De die natali 23

    (6) in oras xii diem divisum esse noctemque in totidem vulgo notum est; sed hoc credo Romae post reperta solaria observatum. quorum antiquissimum quod fuerit, inventu[m] difficile est; alii enim apud aedem Quirini primum statutum dicunt, alii in Capitoli[n]o, nonnulli ad aedem Dianae in Aventino. (7) ill[os] satis constat, nullum in foro prius fuisse quam id, quod M Valerius ex Sicilia advectum ad rostra in columna posuit. quod quoniam a clim[m]a Siciliae descriptum ad oras Romae non conveniret, L. Philippus censor aliud iuxta constituit. deinde aliquanto post P. Corn(elius) Na[m]sica ensor ex aqua fecit horarum, quod et ipsum ex consuetudine noscendi a sole horas solarium coeptum vocari. (8) horarum nomen non minus annos tr[a]ecentos Romae ignoratum esse credibile est; nam xii tabulis nusquam nominatas horas invenies ut in aliis postea legibus, sed “ante meridiem”, eo videlicet, quod partes diei bifariam tum divisi meridies discernebat. (9) alii die quadripertito, sed et noctem similiter dividebant. idque similitudo testatur militaris *, ubi dicitur vigilia prima, item secunda et tertia et quarta. 24. (1) sunt etiam plura noctis et diei tempora li subnotata propriisque discreta nominibus, quae apud veteres poetas passim

    *

    add. Giusta.

    Rund um den Tag

    141

    Wie wird der Tag eingeteilt? (6) Dass der Tag in zwölf Stunden eingeteilt wird und ebenso die Nacht, ist allgemein bekannt. Ich glaube, dass diese Einteilung in Rom erst nach der Erfindung der Sonnenuhr beachtet worden ist. Exkurs: Sonnenuhren in Rom Es ist schwer zu ermitteln, welches die älteste aller Sonnenuhren (in Rom) ist: Die einen sagen, die erste Sonnenuhr sei am Tempel des Quirinus errichtet worden, andere, auf dem Kapitol, einige, beim Tempel der Diana auf dem Aventin. (7) Hinreichend fest steht jedoch, dass auf dem Forum (Romanum in Rom) keine Sonnenuhr älter gewesen ist als diejenige, die Manlius Valerius (Maximus Corvinus Messalla) aus Sizilien mitbrachte und bei den Rostren auf einer Säule aufstellte. Da diese jedoch auf das klima (die geographische Breite) Siziliens abgestimmt war und nicht zu den römischen Stunden passte, stellte der Censor Lucius Philippus eine andere daneben. Einige Zeit danach ließ der Censor Publius Cornelius (Scipio) Nasica eine WasserStundenuhr erstellen, die man aber aus der Gewohnheit, die Stunden von der Sonne her zu lesen, ebenfalls “Sonnenuhr” zu nennen begann. (8) Dass die Namen der Stunden den Römern nicht weniger als 300 Jahre lang (seit Gründung der Stadt) unbekannt geblieben sind, ist durchaus glaubhaft. Im Zwölftafelgesetz findet man nämlich nirgends benannte Stunden, wie bei anderen späteren Gesetzen, sondern nur ante meridiem (“vor dem Mittag”), offenbar deshalb, weil der Mittag die Teile des in zwei Hälften aufgegliederten Tages unterteilt. (9) Andere teilten den Tag in vier Teile, aber auch die Nacht in ähnlicher Weise. Dies bezeugt die vergleichbare militärische , wonach man von der ersten, dann der zweiten, dritten und vierten Nachtwache spricht. 24. (1) Es gibt noch mehrere Zeitmarken im Ablauf von Tag und Nacht, die mit jeweils unterschiedlichen Namen versehen und durch besondere Namen unterschieden werden; man findet sie überall in den

    142

    De die natali 24

    scri[b]

    ta inveniuntur. ea omnia {256r} ordine suo exponam. incipiam a nocte media, quod tempus principium et postremum est diei Romani. tempus, quod huic proximum est, vocatur de media nocte; (2) sequitur gallicinium, cum galli canere incipiunt, dein conticium, cum conticuerunt; tunc ante lucem, et sic d[e]luculum, cum sole nondum orto iam lucet. (3) secundum diluculum vocatur mane, cum lux videtur sol[e]; post hoc ad meridiem, tunc meridies, quod est medi diei nomen, inde de meridie; hinc suprema. quamvis plurimi supremam post occasum solis esse existimant, quia est in xii tabulis scriptum sic: solis occasus suprema tempestas esto.

    sed postea M. Pletorius tribunus plebiscitum tulit, in quo scri[b]

    tum est: praetor urbanus, qui nunc est quique posthac f[i]at, duo lictores apud se habeto isque * supremam ad solem occasum ius[que] inter cives dicito.

    (4) post supremam sequitur vespera, nte orum scilicet eius stellae, quam Plau[s]tus vesperuginem, Ennius vesperum, Vergilius hesperon appellat. (5) inde porro crepusculum, sic fortasse appellatum, quod res incerte crepere dicuntur idque tempus noctis sit an

    *

    add. Carrio.

    Rund um den Tag

    143

    Schriften der alten Dichter. Ich werde sie alle in der richtigen Abfolge erklären. Ich will mit der media nox (“Mitternacht”) beginnen, dem Beginn und das Ende des römischen Tages (s. 23,4). Die Zeit, die der Mitternacht am nächsten liegt, heißt de media nocte (“nach Mitternacht”), (2) dann folgt das gallicinum (“Hahnenkrähen”), wenn die Hähne zu krähen anfangen, dann das conticium (“Schweigezeit”), wenn sie wieder verstummt sind, dann ante lucem (“vor dem Licht”), und ebenso diluculum (“Lichtlein”), wenn die noch nicht aufgegangene Sonne schon aufleuchtet. (3) Was auf das diluculum folgt, heißt mane (“Frühmorgen”), wenn das Licht der Sonne erscheint, danach ad meridiem (“Vormittag”), dann meridies (“Mittag”), das die Bezeichnung für die Tagesmitte ist, dann de meridie (“Nach Mittag”), danach suprema (“Schlusszeit”). Exkurs: Die Schlusszeit Allerdings glauben die meisten, die suprema (“Schlusszeit”) liege nach Sonnenuntergang, weil im Zwölftafelgesetz Folgendes steht: Der Sonnenuntergang soll die suprema-Zeit sein.” (Zwölftafelgesetz Frg. 1,9).

    Aber später hat der Volkstribun Marcus Plaetorius einen Volksbeschluss durchgesetzt, in dem folgender Satz steht: Der städtische Praetor, der jetzt amtierende wie auch ein zukünftiger, soll zwei Liktoren bei sich haben, und er soll zur suprema zum Sonnenuntergang hin Recht unter den Bürgern sprechen. (Crawford, Roman Statutes Nr. 44)

    (4) Nach der suprema folgt die vespera (“Abendzeit”), und zwar vor dem Aufgang jenes Sterns, den (Titus Maccius) Plautus Vesperugo, (Quintus) Ennius Vesperum und (Publius) Vergilius (Maro) Hesperus (“Abendstern”, Venus) nennen. (5) Danach folgt das crepusculum (“Zwielicht”), vielleicht deshalb so benannt, weil ungewisse Dinge als creperus (“zwielichtig”) bezeichnet werden und weil es für diese Zeit ungewiss ist, ob sie mehr zum Tag oder mehr zur Nacht gehört.

    144

    De die natali 24

    diei incertum est. (6) post id sequitur tempus, quod dicimus luminibus accensis, antiqui prima face dicebant; deinde concubium, c[o]m itum est c[o]bitum; exinde intempesta, id est multa nox, qua nihil agi tempestivum; tunc [cum] ad media noctem dicitur, et sic media nox.

    Rund um den Tag

    145

    (6) Darauf kommt jene Zeit, die wie luminibus accensis (“mit angezündeten Lampen”) nennen – die Alten nannten sie prima fax (“erste Fackel”) –, dann concubium (“Bettzeit”), in der man ins Bett geht, dann intempesta (“Unzeit”), also die tiefe Nacht, in der nichts zu tun die rechte Zeit ist; danach spricht man von ad mediam noctem (“Vormitternacht”), und so wieder von media nox (“Mitternacht”).

    Anhang Zur Neuedition Die Neuedition des lateinischen Textes folgt, wie eingangs (S. 9) dargelegt, der ersten Hand des Kölner Codex. Der Text ist dort nicht unverderbt bewahrt. Wo durch Verschreibungen ein, zwei oder drei Buchstaben fehlerhaft sind (etwa scribtum statt scriptum), ist die falsche Schreibung in eckige und die richtige in spitze Klammern gesetzt; nur bei umfangreicheren Verderbnissen wird zudem im Apparat der Urheber der Korrektur – sei es einer oder mehrere der codices recentiores, sei es ein Gelehrter (s. S. 148) – genannt. Die vorliegende Edition folgt damit nicht der in vielen Hinsichten verdienstvollen Edition von Klaus Sallmann (1983; s. S. 148), sondern der von A. Grafton in der u. g. Besprechung erhobenen Forderung, ein kritischer Apparat solle nur die “errors” des Kölner Codex verzeichnen, nicht die späterer Abschreiber, wie dies in der Edition Sallmanns geschehe. Eine erneute Durchsicht des Codex ergab zudem, dass in jener Ausgabe (in der auch die Paragraphenangabe zu 18,10 fehlt) zu den Lesarten des Kölner Codex fehlende oder fehlerhafte statt korrekter Angaben gemacht werden: 1,1 caelato statt celato 1,5 pretiosa statt pr[a]etiosa 4,12 Colchide statt C[h]olchide 8,13 δεκα' μηνοι statt [τ]ε[τρ]α' μηνοι 10,8 phthongos statt pthongos 11,9 in app. dies statt diebus 13,2 geometrica statt geom[i]trica 13,5 duum statt du[or]um 17,11 dccxxxvii statt dccxxxvii[i] 17,15 urbi statt urbi[s] 18,5 alii statt a[n] 18,5 varie statt vari[a]e 18,8 in app. xcccxl statt acccxl 18,14 Caesare statt Caesar 19,2 at statt a[d] 19,3 incomprehensibile statt inco[m]prehensibile 19,6 trimenstrem statt trimestrem 20,6 exaequaretur statt exequaretur 20,7 in app. abiret diutius abiret statt abiret

    148

    Anhang 21,2 scriptorum statt scri[b]

    torum 23,6 Capitolio statt Capitoli[n]o 23,7 ad clima statt a clima

    Weiterführende Literatur Ältere Editionen,Emendationen und Übersetzungen J. Cauchius, in: A. Manutius, Censorini de die natali liber. Venedig 1581 L. Carrio, Censorinus de die natali. Paris 1583 J. J. Scaliger, Opus novum de emendatione temporum. Paris 1583 A. Boeckh, Corpus Inscriptionum Graecarum II, Berlin 1843, 327 (zu Nr. 2373) O. Jahn, Censorinus de die natali liber. Berlin 1845 F. Hultsch, Zu Censorinus, in: Eos 2, 1866, 623–626; Censorinus de die natali liber. Leipzig 1876 M. Schanz, Specimen criticum ad Platonem et Censorinum pertinens. Diss. Würzburg. Göttingen 1867 L. Urlichs, Zur Kritik des Censorinus, in: Rheinisches Museum 22, 1867, 456–476 W. Maude, Censorinus: The Natal Day. New York 1900 (Übersetzung) M. Giusta, Osservazioni sul testo del De die natali die Censorino, in: Atti della Accademia delle Scienze di Torino II 110, 1976, 181–209 G. Rocca-Serra, Censorinus, Le jour natal. Paris 1980 (Übersetzung) – Rez. M. Winterbottom, Classical Review n.s. 31, 1981, 296; J. Mansfeld, Mnemosyne 4.S. 38, 1985, 234–236 K. Sallmann, Censorini de die natali. Bibliotheca Teubneriana. Leipzig 1983 (Edition); Ders., Censorinus, De die natali. Betrachtungen zum Tag der Geburt. Stuttgart 1988 (mit Übersetzung) – Rez. M. Giusta, in: Gnomon 57, 1985, 559–561; A. Grafton, in: Classical Review n.s. 35, 1985, 46–48; W. Hübner, in: Anzeiger für die Altertumswissenschaft 40, 1987, 21–25 C. A. Rapisarda, Censorini de die natali liber. Bologna 1991 (mit Übersetzung) V. Fontanella, Censorino: Il giorno natalizio. 2 Bde. Bologna 1992 – 1993 (mit Übersetzung) H. N. Parker, Censorinus, The Birthday Book, Chicago und London 2007 (Übersetzung) – Rez. B. Stevens, in: Bryn Mawr Classical Review 2007.03.22 K. Brodersen, Censorinus: Das Geburtstagsbuch. Darmstadt 2011 (Übersetzung; 11,7 lese ich -κοσται'ου, 15,1 climactera bezogen auf ε»τη, 18,8 septies statt quinquies, 21,10 Bruttio Praesente ii)

    Anhang

    149

    Zitierte klassische Übertragungen und Ausgaben antiker Texte J. H. Voß, Des Quintus Horatius Flaccus Werke. Braunschweig 1822 B. Otto, Versuch einer neuen Übersetzung der Satiren des Persius. Leipzig 1828 E. Geibel, Classisches Liederbuch: Griechen und Römer in deutscher Nachbildung (1875). 3. vermehrte Aufl. Berlin 1879 A. Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer. Leipzig 1890 M. H. Crawford, Roman Statutes. 2 Bde. London 1996

    Studien zu Censorinus H. Hofmann, Über die Schrift des Censorinus, betitelt De die natali liber, in: Jahresbericht über das k. k. Gymnasium in Triest 41, 1891, 3–19 R. M. Thomson, The Reception of Censorinus, De Die Natali, in PreRenaissance Europe, in: Antichthon 14, 1980, 177–185 K. Sallmann, Censorinus’ De die natali: Zwischen Rhetorik und Wissenschaft, in: Hermes 111, 1983, 233–248 G. Freyburger, Le savoir philosophique du grammairien Censorin, in: Ktèma 13, 1988, 149–154 Ders., Sénèque et les problèmes de la transmission du savoir antiuqe, in: R. Chevallier / R. Poignault (Hgg.), Présence de Sénèque. Paris 1991, 143– 154 Ders., Un païen du IIe siècle: Censorinus, auteur du De die natali, in: Revue des Études Latines 70, 1992, 215–227 K. Sallmann, Censorinus, in: Ders. (Hg.), Die Literatur des Umbruchs von der römischen zur christlichen Literatur. München 1997, 246–249

    Studien zu einzelnen Fragen E. Lesky, Alkmaion bei Aetios und Censorin, in: Hermes 80, 1952, 249–255 (zu 5,2 ff.) F. Franceschi, Censorino e Varrone, in: Aevum 28, 1954, 393–418 (zu 16– 24) A. Baudou, Censorinus et le saeculum pisonien, in: Revue de Philologie 69, 1955, 15–37 (zu 17,11.13) A. H. Chroust, Which came first, the chicken or the egg? in: Classica et mediaevalia 32, 1971–1980, 221–225 (zu 4,3–4) Ø. Andersen, Zu Demokrits Embryologie, in: Symbolae Osloenses 53, 1978, 41–46 (zu 6,1)

    150

    Anhang

    C. Rapisarda, Poeti greci e latini in Censorino, in: Giornale Italiano di Filologia 33, 1981, 193–205 A. T. Grafton / N. M. Swerdlow, Technical chronology and astrological history in Varro, Censorinus and others, in: Classical Quarterly 35, 1985, 454–465 (zu 21,6–13) G. Freyburger, Jeux et chronologie a Rome, in: Ktèma 18, 1993, 91–101 Ders., L’harmonie des sphères calculée en stades, in: Les astres. Actes du colloque international, Bd. I. Montpellier 1996, 283–292 (zu 13,2–5) B. Bakhouche, Arithmologie et cycles temporels, in: Euphrosyne n.s. 29, 2001, 267–275 (zu 7–14) B. Schnegg-Köhler, Die augusteischen Säkularspiele (Archiv für Religionsgeschichte 4). München und Leipzig 2002 Ch. Bennett, Evidence for the regulation of the intercalation under the ‘Lex Acilia’, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 151, 2005, 167– 184 K. Brodersen, Theano: Briefe einer antiken Philosophin. Stuttgart 2010 (zu 7,2).

    Zum Mondkrater “Censorinus” G. B. Riccioli, Almagestum Novum I. Bologna 1651, S. 204 (Mondkarte) R. Whitaker, Mapping and Naming the Moon. Cambridge 1999, S. 211

    Anhang

    151

    Namensregister Die nachstehende Liste umfasst alle Namen, die in dem Werk De die natali genannt sind. Mit * sind außerdem von Censorinus zwar namentlich nicht genannte, aber implizierte oder für das Verständnis des Textes wichtige (und deshalb in Vorwort und Einführung genannte) Namen gekennzeichnet. Achaia auf der Peloponnes in Griechenland // 19,4 Ägypten // 18,10; 19,4; 21,9–10 Aemilius Lepidus, Marcus: römischer Konsul 158 v. Chr. // 17,13 Aemilius Lepidus, Marcus: römischer Konsul 126 v. Chr. // 17,11 Aemilius Lepidus, Marcus: römischer Konsul 46 v. Chr. // 20,8 Agrippa s. Vipsanius Akademie: von Platon begründete Philosphenschule // 4,3; 15,2–3 Akarnanien in Nordwestgriechenland // 19,7 Alba Longa (Castel Gandolfo) in Italien // 20,1–2; 22,6 Alexandreia/-ia in Ägypten // 17,4 Alexandros d.Gr. // 21,9 Alkmaion von Kroton: pythagoreischer Philosoph, 5. Jh. v. Chr. // 5,3–5; 6,4 Anaxagoras von Klazomenai: vorsokratischer Philosoph, um 500 – 428 v. Chr. // 5,3–4; 6,4 Anaximandros von Miletos: vorsokratischer Philosoph, erste Hälfte des 6. Jh.s v. Chr. // 4,7 Annius Flavius Libo, Marcus: römischer Konsul 204 n. Chr. // 17,11 Antias s. Valerius Antoninus Pius: römischer Kaiser 138 – 161 n. Chr. // 21,10 Antonius, Marcus: römischer Konsul 44 v. Chr., Gegenspieler des Augustus // 22,16 Aphrodisios: Sternenkundiger, nicht datierbar // 19,2 Aphrodite/Venus: Göttin der Liebe // 22,9; 22,11 Apollon/Apollo: Gott der Musen // 2,3; 12,2; 14,12 Archytas von Taras: pythagoreischer Philosoph, erste Hälfte 4. Jh. v. Chr. // 4,3 Ares/Mars: Gott des Krieges // 12,2; 22,9; 22,11 Aretes von Dyrrhachion: Sternenkundiger, nicht datierbar // 18,11; 21,3 Arganthonios: mythischer König von Tartessos // 17,3 Argos*: Stadt auf der Peloponnes in Griechenand Aricia (Ariccia) in den Albanerbergen in Italien // 22,6 Aristarchos von Samos: Sternenkundiger, 3. Jh. v. Chr. // 18,11; 19,2 Aristoteles von Stageira: griechischer Philosoph, 384 – 322 v. Chr. // 4,3; 6,1–2; 7,5–7; 14,16; 18,11

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    Anhang

    Aristoxenos von Taras: Schüler des Aristoteles, Musiktheoretiker, um 360 – 300 v. Chr. // 5,2; 10,7; 12,1 Arkadien auf der Peloponnes in Griechenland // 4,11; 17,3; 19,5 Arminos: legendärer König der Ägypter // 19,4 Artemis/Diana: Göttin der Jagd // 23,6 Asinius Gallus, Gaius: römischer Konsul 8 v. Chr. // 22,16 Asklepiades von Prusa: Mediziner, 4. Jh. v. Chr. // 12,4 Athene/Minerva: Göttin der Weisheit // 1,7 Athen in Attika in Griechenland // 23,3 Attika in Griechenland // 4,11–12 Augustus: erster römischer Kaiser, lebte 63 v. Chr. – 14 n. Chr. // 17,9; 21,8– 9; 22,16 Aurelius Orestes, Lucius: römischer Konsul 126 v. Chr. // 17,11 Babylonier: Sternenkundige aus Mesopotamien // 23,3 Balbinus*: römischer Kaiser 238 n. Chr. Berossos von Babylon: Sternenkundiger, 3. Jh. v. Chr. // 17,4 Böotien // 4,12 Bruttius Praesens, Gaius: römischer Konsul 139 n. Chr. zum zweiten Mal // 21,10 Cadmus s. Kadmos Caerellius s. Cerellius Caesar s. Iulius Calpurnius Piso Frugi, Lucius: römischer Geschichtsschreiber, 2. Jh. v. Chr. // 17,11; 17,13 Caracalla: römischer Kaiser 193 – 217 n. Chr. // 17,11 Cassiodorus*, Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus: Kirchenvater, um 485 – um 585 n. Chr. Cassius Hemina, Lucius: römischer Geschichtsschreiber, 2. Jh. v. Chr. // 17,11 Censorinus*: Verfasser des Werks De die natali Censorinus s. auch Marcius Cerellius, Quintus: Widmungsträger von De die natali // 1,1; 15,1; 15,4–6*; 16,1*; 17,15* Chaldäer: als Sternenkundige bekannte Gelehrte aus Mesopotamien // 7,6; 8,1; 8,13*; 9,1; 11,8; 18,7* Cilo s. Fabius Claudius: römischer Kaiser 41 – 54 n. Chr. // 17,11 Claudius Pulcher, Publius: römischer Konsul 249 v. Chr. // 17,10

    Anhang

    153

    Cornelius Dolabella Petronianus, Servius: römischer Konsul 86 n. Chr. // 18,15 Cornelius Lentulus, Gnaeus: römischer Konsul 146 v. Chr. // 17,11 Cornelius Lentulus Caudinus, Publius: römischer Konsul 236 v. Chr. // 17,10 Cornelius Scipio Nasica Corculum, Publius: römischer Konsul 162 und 155 v. Chr. // 23,7 Delos in der Ägäis // 2,3 Delphi in Zentralgriechenland // 13,2*; 18,6 Demokritos von Abdera: vorsokratischer Philosoph, um 460 – um 370 v. Chr. // 4,9; 5,3; 6,1; 6,5; 15,3; 18,8 Deukalion: Sohn des Prometheus // 4,6 Diana s. Artemis Dikaiarchos von Messene: peripatetischer Philosoph, 375/350 v. – um 285 v. // 4,3 Diogenes von Apollonia: vorsokratischer Philosoph, spätes 5. Jh. v. Chr. // 5,4; 6,1; 6,3; 9,2 Diogenes von Sinope: Begründer der Kyniker-Philosophenschule, um 412 – 321 v. Chr. // 15,2 Diokles von Karystos: Mediziner, 4. Jh. v. Chr. // 7,5–6 Dion: Sternenkundiger, nicht datierbar // 18,11 Dionysios von Herakleia: Schüler des Kleanthes von Assos, 328 – 248 v. Chr. // 15,2 Dionysos/Liber Pater: Gott der Rauschhaftigkeit // 18,2 Dioskorides: Sternenkundiger, nicht datierbar // 17,14 Dis Pater s. Pluton Domitianus: römischer Kaiser 81 – 96 n. Chr. // 17,11; 18,15 Dorylaos: Sternenkundiger, nicht datierbar // 13,5 Dositheos von Alexandreia: Sternenkundiger, 2. Jh. v. Chr. // 18,5 Elis auf der Peloponnes in Griechenland // 18,4 Empedokles von Akragas: vorsokratischer Philosoph, um 495 – um 435 v. Chr. // 4,7–8; 5,4; 6,1; 6,6; 6,10; 7,5 Ennius, Quintus: römischer Dichter, 239 – 169 v. Chr. // 19,2; 24,4 Ephoros von Kyme: griechischer Geschichtsschreiber, um 405 – 330 v. Chr. // 17,3 Epicharmos von Megara Hyblaia: pythagoreischer Philosoph, um 540 – 460 v. Chr. // 7,6 Epigenes von Byzantion: Sternenkundiger, 2. Jh. v. Chr. // 7,5–6; 17,4 Epikuros von Athen: griechischer Philosoph, 341 – 270 v. Chr. // 4,9; 5,4; 6,2; 12,3

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    Anhang

    Eratosthenes von Kyrene: Sternenkundiger, um 275 – um 194 v. Chr. // 13,2; 15,2; 21,3 Erichthonios/-us: mythischer König Athens // 4,12 Etrusker: Stamm in Norditalien // 4,13; 11,6; 14,6; 17,5–6; 17,13 Eudoxos von Knidos: Sternenkundiger, 4. Jh. v. Chr. // 18,5 Euënor von Athen: Mediziner, 4./3. Jh. v. Chr. // 7,5 Eukleides von Megara: sokratischer Philosoph, 450 – 380 v. Chr. // 3,3 Euryphon von Knidos: Mediziner, spätes 5. Jh. v. Chr. // 7,5 Fabius Cilo Septiminus Catinius Acilianus Lepidus Fulcinianus, Lucius: römischer Konsul 204 n. Chr. zum zweiten Mal // 17,11 Faune: mythische männliche Wesen // 4,11 Faunus*: römischer Herdengott mit dem Beinamen Lupercus (“Wolfsabwehrer”) Fenestella: römischer Geschichtsschreiber, 52 v. Chr. – 19 n. Chr. // 20,2 Ferentinum (Ferentino) in Italien // 20,1 Fulvius Nobilior, Marcus: römischer Konsul 189 v. Chr. und Geschichtsschreiber // 20,2; 20,4; 22,9 Fulvius Pius: römischer Konsul 238 n. Chr. // 21,6 Furnius, Gaius: römischer Konsul 17 v. Chr. // 17,11 Gellius, Gnaeus: römischer Geschichtsschreiber, spätes 2. Jh. v. Chr. // 17,11 Genius: Geburtsgott jedes Menschen // 2,2–3,5 Gordian I.*: römischer Kaiser 238 n. Chr. Gordian II.*: römischer Kaiser 238 n. Chr. Gordian III.*: römischer Kaiser 238 – 241 n. Chr. Gorgias von Leontinoi: Redner und Sophist, um 488 – 380 v. Chr. // 15,3 Gracchanus s. Iunius Granius Flaccus: römischer Gelehrter, spätes 1. Jh. v. Chr. // 3,2; 3,4* Griechenland // 18,2; 18,5–6 Harpalos: Sternenkundiger, 5. Jh. v. Chr. // 18,5; 19,2 Helios: Sonnengott // 18,10*; 21,11* Hephaistos/Vulcanus: Gott des Feuers, Sohn des Zeus // 4,12 Hera/Iuno: Göttin, Gattin des Zeus // 22,12 Herakleitos (Heraklit) von Ephesos: vorsokratischer Philosoph, um 500 v. Chr. // 17,2; 18,11 Herodikos von Selymbria: Mediziner, spätes 5. Jh. v. Chr. // 17,2 Herodotos von Halikarnassos: griechischer Geschichtsschreiber, um 480 – 420 v. Chr. // 17,3

    Anhang

    155

    Herophilos von Chalkedon: Mediziner, um 330 – 260 v. Chr. // 12,4 Hipparchos von Nikaia: Sternenkundiger, 2. Jh. v. Chr. // 18,8 Hippokrates von Kos: bedeutender Mediziner, spätes 5. Jh. v. Chr. // 7,6; 11,6; 14,3–4 Hippon von Metapontion oder Samos: vorsokratischer Philosoph, 5. Jh. v. Chr. // 5,2; 5,4; 6,1; 6,3–4; 6,9; 7,2; 9,2 Horatius Flaccus, Quintus (Horaz): römischer Dichter, 65 – 8 v. Chr. // 17,9 Horos/-us: Sohn des mythischen Arkader-Königs Lykaon // 19,6 Ianus: doppelgesichtiger römischer Gott des Anfangs und des Endes // 22,13 Ilion/-um s. Troia Inachos/-us: mythischer König von Argos // 21,2 Isokrates von Athen: Redner und Politiker, 436 – 338 v. Chr. // 1,53 Ison: legendärer König der Ägypter // 19,4 Italien // 4,11; 20,1; 20,11 Iulius Caesar, Gaius: römischer Staatsmann, lebte 100 – 44 v. Chr. // 3,2; 28,8–11; 21,7–8; 22,8; 22,16 Iunius Gracchanus, Marcus: römischer Geschichtsschreiber, spätes 2. Jh. v. Chr. // 20,2; 20,4; 22,9 Iunius Pullus, Lucius: römischer Konsul 249 v. Chr. // 17,10 Iunius Silanus, Gaius: römischer Konsul 17 v. Chr. // 17,11 Iuno s. Hera Iupiter s. Zeus Juden // 11,6 Kadmos: mythischer König von Theben // 4,12 Kallipos von Kyzikos: Sternenkundiger, Schüler des Oinopides, 4. Jh. v. Chr. // 18,18; 19,2 Karien in der heutigen Südwesttürkei // 19,7 Karneades von Kyrene: Begründer der Neuen Akademie-Philosophenschule, 214 – 129 v. Chr. // 15,3 Kassandros: Sternenkundiger, nicht datierbar // 18,11 Kleanthes von Assos: Nachfolger des Zenon in der Stoa-Philosophenschule, 331 – 232 v. Chr. // 15,3 Kleostratos von Tenedos: Sternenkundiger, 6. Jh. v. Chr. // 18,5 Kolchis am Schwarzen Meer // 4,12 Lar: römischer Hausgott // 3,2 Latium (Lazio) in Italien, Latiner // 22,10; 22,12–13

    156

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    Lavinium (Pratica del Mare / Pomezia) in Italien // 20,1 Lepidus s. Aemilius Liber Pater s. Dionysos Libo s. Annius Licinius Macer, Gaius: römischer Geschichtsschreiber, frühes 1. Jh. v. Chr. // 20,2 Licinius Varus, Gaius: römischer Konsul 236 v. Chr. // 17,11 Linos: Sternenkundiger, nicht datierbar // 18,11 Livius, Titus: römischer Geschichtsschreiber, 59 v. Chr. – 17 n. Chr. // 17,9– 11 Lucilius, Gaius: römischer Dichter, nach 180 – 103 v. Chr. // 3,3 Lucretius Carus, Titus (Lukrez): römischer Dichter, um 97 – um 55 v. Chr. // 4,7 Lucretius Tricipitinus, Spurius: römischer Konsul 509 v. Chr. // 17,10 Lukumonen: Machthaber der Etrusker // 4,13 Lupercus* s. Faunus Lykaon*: mythischer Stammvater der Arkader Maccius Plautus, Titus (Plautus): römischer Komödiendichter, um 254 – um 184 v. Chr. // 24,4 Macer s. Licinius Maia: Göttin, Geliebte des Zeus // 22,12 Manilius, Manius: römischer Konsul 149 v. Chr. // 17,11 Manlius Imperiosus Torquatus, Titus: römischer Konsul 344 v. Chr. zum zweiten Mal // 17,10 Marcius Censorinus, Gaius: römischer Konsul 8 v. Chr. // 22,16 Marcius Censorinus, Lucius: römischer Konsul 149 v. Chr. // 17,11 Marcius Censorinus, Lucius*: römischer Konsul 39 v. Chr. Marcius Rutilus, Gaius: römischer Konsul 344 v. Chr. zum dritten Mal // 17,10 Mars s. Ares Maximinus Thrax*: römischer Kaiser 235 – 238 n. Chr. Menestratos: Sternenkundiger, nicht datierbar // 18,5 Messalla s. Valerius Meton von Athen: Sternenkundiger, 4. Jh. v. Chr. // 18,8; 19,2 Minerva s. Athene Minicius Rufus, Lucius: römischer Konsul 88 n. Chr. // 17,11 Moirai/Parzen: Schicksalsgottheiten // 8,5 Mummius Achaicus, Lucius: römischer Konsul 146 v. Chr. // 17,11 Munatius Plancus, Lucius: römischer Konsul 42 v. Chr. // 21,8

    Anhang

    157

    Musen: Göttinnen der Musik // 12,2; 14,13 Nabonnazaros (Nabu-nasir, Nabonassar): babylonischer König 747 – 733 v. Chr. // 21,9 Nauteles: Sternenkundiger, nicht datierbar // 18,5 Numa Pompilius: zweiter König von Rom // 20,4 Nymphen: mythische weibliche Wesen // 4,11 Octavianus s. Augustus Ogyges/Ogygius: Sohn des Kadmos // 21,2 Oinopides von Chios: Sternenkundiger, 4. Jh. v. Chr. // 19,2 Okellos Lukanos: pythagoreischer Philosoph, spätes 5. Jh. v. Chr. // 4,3 Olympia auf der Peloponnes in Griechenland: 13,2; 18,4*; 18,12*; 21,1–2*; 21,6* Orpheus: Sternenkundiger, nicht datierbar // 18,11 Pales*: römische Hirtengöttin Parmenides von Elea: vorsokratischer Philosoph, 5. Jh.v. Chr. // 4,8; 5,2; 5,4; 6,5; 6,8 Parzen s. Moirai Peripatetiker: Angehörige der von Aristoteles begründeten Philosophenschule des Peripatos // 4,3; 7,5; 14,5 Persephone/Proserpina: Göttin der Unterwelt // 17,8 Persius Flaccus, Aulus (Persius): römischer Dichter, 34 – 62 n. Chr. // 2,1–2 Philippos Arrhidaios: Halbbruder Alexanders d. Gr., um 359 – 317 v. Chr. // 21,9 Philippus, Lucius: römischer Censor 164 v. Chr. // 23,7 Philolaos von Kroton: pythagoreischer Philosoph, 5. Jh. v. Chr. // 18,9; 19,2 Piso s. Calpurnius Plaetorius, Marcus: römischer Volkstribun wohl 242 v. Chr. // 24,3 Platon von Athen: “die erhabenste Gestalt der alten Philosophie” (14,12), 428 – 347 v. Chr. // 4,3; 10,7; 14,12; 15,1 Plautus s. Maccius Pluton/Dis Pater: Gott der Unterwelt // 17,8 Poetelius Libo Visolus, Gaius: römischer Konsul 346 v. Chr. zum zweiten Mal // 17,10 Pontius Proculus Pontianus: römischer Konsul 238 n. Chr. // 21,6 Popillius Laenas, Gaius: römischer Konsul 158 v. Chr. zum zweiten Mal // 17,13 Poplicola s. Valerius

    158

    Anhang

    Prometheus: kulturbringender Halbgott // 4,6 Proserpina s. Persephone Ptolemaeus, Claudius*: römischer Sternenkundiger, 2. Jh. n. Chr. Pupienus*: römischer Kaiser 238 n. Chr. Pyrrha: Gattin des Deukalion // 4,6 Pythagoras von Samos: Philosoph, spätes 6. Jh. v. Chr. // 4,3*; 9,3; 10,7–8; 10,10; 11,1; 11,11; 12,4; 13,1–3; 13,5* Pythagoreer: Angehöriger der auf Pythagoras zurückgehenden PhilosophenSchule // 4,3; 7,5; 9,1–2; 11,8*; 18,8 Quirinus: altrömischer Kriegsgott // 23,6 Rom, Römer: Bewohner der Stadt Rom; auch: Bürger des Römischen Reiches // 12,2*; 15,6; 16,7; 17,8*; 17,13; 17,15; 18,4; 20,1–2; 20,11; 21,6; 22,8*; 22,10*; 22,15; 23, 3; 23,6–8; 24,1 Romulus: erster König von Rom // 22,9; 22,11 Scipio s. Cornelius Septimius Severus: römischer Kaiser 193 – 211 n. Chr. // 17,11 Servius Tullius: vorletzter König von Rom // 18,13–14 Severus Alexander*: römischer Kaiser 222 – 235 n. Chr. Sibylle*: weissagende Frau in Kyme/Cumae in Unteritalien, Urheberin der Sibyllinischen Bücher Sidonius Apollinaris*: Heiliger, 5. Jh. n. Chr. Sizilien // 23,7 Sokrates von Athen: Philosoph, 469 – 399 v. Chr. // 1,4; 3,3; 12,1 Sol s. Helios Solon von Athen: griechischer Staatsmann, Dichter und Denker im 6. Jh. v. Chr. // 11,6; 14,4–5; 14,7 Sosibios von Lakedaimon: griechischer Geschichtsschreiber, wohl Mitte des 3. Jh.s v. Chr. // 21,3 Spartoi: von Kadmos ausgesäte bewaffnete Männer // 4,12 Staseas von Neapolis: peripatetischer Philosoph, ließ sich 92 v. Chr. in Rom nieder // 14,5; 14,10 Stoiker: Angehörige der von Zenon begründeten Philosophenschule der Stoa // 4,10; 5,4; 6,2 Straton von Lampsakos: Leiter der Peripatos-Philosophenschule, um 340 – um 268 v. Chr. // 7,5 Suetonius Tranquillus, Gaius (Sueton): römischer Geschichtsschreiber, um 70 – um 140 n. Chr. // 20,2

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    Tages: mythischer Knabe aus Tarquinia // 4,13 Tarquinia im Etruskerland in Italien // 4,13 Tarquinius Superbus, Lucius: letzter König von Rom // 20,4 Tartessos in Südspanien // 17,3 Terentius Afer, Publius (Terenz): römischer Komödiendichter, um 190 – 159 v. Chr. // 1,3 Terentius Varro, Marcus: römischer Gelehrter, 116 – 27 v. Chr. // 1,3; 2,2; 9,1; 14,2; 14,6; 17,6; 17,8; 17,11; 17,14–15; 20,2; 21,1; 21,5; 22,10 Terminus*: römischer Gott der Grenzsteine Theano: pythagoreische Philosophin, 5. Jh. v. Chr. // 7,5 Theben in Boiotien in Griechenland // 4,12 Theophrastos von Eresos: Leiter der Peripatos-Philosophenschule, 372 – 287 v. Chr. // 4,3; 12,1 Thessalien in Nordostgriechenland // 4,11 Timaios von Tauromenion: griechischer Geschichtsschreiber, um 350 – 260 v. Chr. // 2,3; 21,3 Titus: römischer Kaiser 79 – 81 n. Chr. // 18,14 Troia (Ilion) in Westkleinasien // 21,2 Tusculum (bei Frascati) in Italien // 22,6 Umbrien in Mittelitalien // 23,3 Valerius Antias: römischer Geschichtsschreiber, 1. Jh. v. Chr. // 18,7; 17,10– 11 Valerius Corvus: römischer Konsul 346 v. Chr. zum zweiten Mal // 17,10 Valerius Maximus, Marcus: römischer Konsul 456 v. Chr. // 17,10 Valerius Maximus Corvinus Messalla, Manlius: römischer Konsul 263 v. Chr. // 23,7 Valerius Poplicola, Publius: römischer Konsul 509 v.Chr. // 17,10 Varro s. Terentius Venus s. Aphrodite Vergilius Maro, Publius (Vergil): römischer Dichter, 70 – 19 v. Chr. // 4,11*; 24,4 Verginius Tricostus Caeliomontanus, Spurius: römischer Konsul 456 v. Chr. // 17,10 Vespasianus: römischer Kaiser 69 – 79 n. Chr. // 18,14 Vettius: sonst unbekannter Experte für Vogelschau // 17,15 Vipsanius Agrippa, Marcus: Vertrauter des Augustus, um 64 – 12 v. Chr. // 21,8 Vitellius, Lucius: römischer Konsul 47 n. Chr. zum dritten Mal // 17,11

    160

    Anhang

    Vulcanus s. Hephaistos Xenokrates von Chalkedon: Leiter der Akademie-Philosophenschule, um 395 – um 314 v. Chr. // 4,3; 15,2 Xenophanes von Kolophon: vorsokratischer Philosoph, um 570 – um 470 v. Chr. // 15,3 Xenophon von Athen: Politiker und Militär, Schüler des Sokrates, 428 – 354 v. Chr. // 1,4 Zenon von Kition: Begründer der Stoa-Philosophenschule, 335 – 263 v. Chr. // 4,10; 17,2 Zeus/Iupiter: Vater der Götter, in Rom als “Kapitolinischer Iupiter” auf dem Kapitol verehrt // 18,4

    Über den Herausgeber Edition Antike Herausgegeben von Thomas Baier, Kai Brodersen und Martin Hose Die Edition Antike bietet zweisprachige Leseausgaben wichtiger Texte der antiken Literatur mit modernen Übersetzungen und in einer zeitgemäßen Ausstattung. Autoren und Werke werden eingangs kurz vorgestellt. Ein knapper Sachkommentar am Ende des Bandes erleichtert die Lektüre und das Verständnis der Texte. Thomas Baier ist Professor für Klassische Philologie (Latinistik) an der Universität Würzburg. Kai Brodersen ist Professor für Alte Geschichte und Präsident der Universität Erfurt. Martin Hose ist Professor für Klassische Philologie (Gräzistik) an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

    Über den Inhalt Das in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. verfasste Werk „Über den Geburtstag“ des römischen Gelehrten Censorinus stellt in knapper Form das Wissen der Antike von Zeit und Ewigkeit, von Himmel und Erde, Welt und Mensch sowie von Mathematik und Musik zusammen, um die Harmonie und Ordung der Welt aufzuzeigen. Die erste zweisprachige Neuausgabe erschließt den Text für heutige Leser und gibt Antwort auf die zum Verständnis des Buches wichtigen Fragen: Was wissen wir über den Autor und seine Welt? Welches Wissen setzt Censorinus voraus? Welche Bildungsinhalte bietet Censorinus – und woher bezieht er seine Angaben? So kann der Leser das kleine Werk genießen als ein Kompendium antiken Bildungswissens, das manches voraussetzt, uns aber auch viele neue Erkennnisse schenkt.