»Bedenke das Ende«: Zur Funktion der Todesmahnung in druckgraphischen Bildfolgen des Dreißigjährigen Krieges [Reprint 2017 ed.] 9783110937336, 9783484350588

Contrary to received opinion, the Thirty Years' War was not widely perceived by contemporaries as a political pheno

181 8 22MB

German Pages 217 [220] Year 1997

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Table of contents :
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Druckgraphische Kriegsserien. Funktion und Bedeutung
II. Die Kriegsserien von Hans Ulrich Franck und dem Monogrammisten CR.
III. Zur Erbauungsfunktion der Todesmahnung
IV. Todesmahnung in Augsburger Kunstwerken
Schlußbetrachtung
Quellen- und Literaturverzeichnis
Anhang I: Überlieferung der Kriegsserie von Hans Ulrich Franck
Anhang II: Abbildungen
Abbildungsnachweise
Personenregister
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»Bedenke das Ende«: Zur Funktion der Todesmahnung in druckgraphischen Bildfolgen des Dreißigjährigen Krieges [Reprint 2017 ed.]
 9783110937336, 9783484350588

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STUDIEN UND TEXTE ZUR SOZIALGESCHICHTE DER LITERATUR

Herausgegeben von Wolfgang Frühwald, Georg Jäger, Dieter Langewiesche, Alberto Martino, Rainer Wohlfeil Band 58

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A b b . 1: L. Kilian, » N e w e s S o l d a t e n b u c h l e i n « , Titelblatt, 16,8 χ 12,2 c m

Martin Knauer

>Bedenke das Ende< Zur Funktion der Todesmahnung in druckgraphischen Bildfolgen des Dreißigjährigen Krieges

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1997

Gedruckt mit Unterstützung der Universität Hamburg

Redaktion des Bandes: Rainer

Wohlfeil

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Knauer, Martin: »Bedenke das Ende« : zur Funktion der Todesmahnung in druckgraphischen Bildfolgen des Dreissigj ährigen Krieges / Martin Knauer. - Tübingen : Niemeyer, 1997 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur ; Bd. 58) NE: GT ISBN 3-484-35058-X

ISSN 0174-4410

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1997 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Gesamtherstellung: Memminger Zeitung, Verlagsdruckerei GmbH, Memmingen

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

VII

Einleitung 1. Die Kriegsserie als Forschungsproblem 2. Zur religiösen Funktion des Bildes 3. Ziel und Aufbau der Untersuchung

1 4 11 14

I. Druckgraphische Kriegsserien. Funktion und Bedeutung 1. »Capriccio« 2. Soldatenbüchlein

18 19 22

II. Die Kriegsserien von Hans Ulrich Franck und dem Monogrammisten CR Teil 1: Entstehung - Rezeption - Überlieferung 1. Entstehung 2. Rezeption 3. Überl ieferung

28 29 32 35

Teil 2: Die Bildthemen der >Programmblätter< 1. Das wankelmütige Kriegsglück 2. Memento mori 3. Mars und Saturn 4. Der Tod der Jezabel

39 48 52 77

III. Zur Erbauungsfunktion der Todesmahnung 1. Das Trost- und Sterbeschrifttum 2. Der Totentanz 3. Bedenke das Ende

85 93 104

IV. Todesmahnung in Augsburger Kunstwerken 1. Tod und Vergänglichkeit im Selbstporträt von Daniel Neuberger 2. Das Sterbebüchlein des Matthäus Gundelach 3. Krieg als Memento mori-Motiv bei Johann Heinrich Schönfeld 4. Todesmahnung bei Hans Ulrich Franck Exkurs: »weilen er der Catholischen Religion zugethan«. Konfessionelle Aspekte im Leben und Werk von Franck

111 112 114 118 122 124

V

Schlußbetrachtung

130

Quellen- und Literaturverzeichnis

136

Anhang I: Überlieferung der Kriegsserie von Hans Ulrich Franck

162

Anhang II: Abbildungen Abbildungsnachweise

164 205

Register:

206

VI

Abkürzungsverzeichnis

BARTSCH

Walter L. Strauss u.a. (Hrsg.), The illustrated Bartsch, New York 1978ff. Bayerische Staatsbibliothek München. BSB Evangelisches Kirchenlexikon. Internationale Theologische EnzykloEKL pädie, 3. Aufl. (N.F), hrsg. von Erwin Fahlbusch u.a., (bisher 3 Bde.), Göttingen 1986ff. HAB Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. HARMS I-IV Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Bd. 1, Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, Teil 1, Ethica, Physica, hrsg. von Wolfgang Harms/Michael Schilling u.a., Tübingen 1985 (I). Bd. 2, Die Sammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Teil 2, Historica, hrsg. von Wolfgang Harms/ Michael Schilling u.a., München 1980 (II). Bd. 3, Die Sammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Teil 3, Theologica, Quodlibetica, hrsg. von Wolfgang Harms/Michael Schilling u.a., Tübingen 1989 (III). Bd. 4, Die Sammlungen der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek in Darmstadt, hrsg. von Wolfgang Harms/Cornelia Kemp, Tübingen 1987 (IV). Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. von Hanns BächHDA told-Stäubli, 10 Bde., Berlin/Leipzig 1927-1942 (= Handwörterbuch zur deutschen Volkskunde, Abt. 1). HOLLSTEIN I F. W. H. Hollstein, Dutch and Flemish etchings, engravings and woodcuts, ca. 1450-1700, (bisher 43 Bde.), Amsterdam und Roosendaal 1949ff. HOLLSTEIN II F. W. H. Hollstein, German engravings, etchings and woodcuts, ca. 1400-1700, (bisher 34 Bde.), Amsterdam und Roosendaal 1954ff. Lexikon der christlichen Ikonographie. Begründet von Engelbert LCI Kirschbaum S.J., hrsg. von Wolfgang Braunfels, 8 Bde., Rom/Freiburg/Basel/Wien 1968-1976. Lexikon für Theologie und Kirche. Begründet von Michael BuchLThK berger, 2. völlig neu bearb. Aufl., hrsg. von Josef Höfer/Karl Rahner, 10 Bde., Freiburg i.Br. 1957-1965. Nach- bzw. Neudruck. ND Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. PReCA NB. Begonnen von Georg Wissowa. Fortgeführt von Karl Mittelhaus/ Konrad Ziegler u.a., Stuttgart 1894ff.

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VIII

Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Begonnen von Otto Schmitt. Fortgeführt von Emst Gall/Ludwig Heinrich Heydenreich/ Hans Martin Freiherr von Erffa/Karl-August Wirth. Hrsg. vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, (bisher 8 Bde.), Stuttgart und München 1937ff. Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 3. völlig neu bearb. Aufl., hrsg. von Kurt Galling, 7 Bde., Tübingen 1957-1965. Stadtarchiv Augsburg. Saur allgemeines Künstlerlexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, ND der Bde. 1-4, Leipzig 1983ff., (bisher 10 Bde.), München/Leipzig 1992ff. Stadtarchiv Kaufbeuren. Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Ulrich Thieme/Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, 37 Bde., Leipzig 1907— 1950. Theologische Realenzyklopädie, hrsg. von Gerhard Krause/Gerhard Müller, (bisher 23 Bde.), Berlin/New York 1977ff.

Einleitung

Krieg gilt als ein zeitloses Phänomen. Kaum jemand, der sich mit diesem Thema beschäftigt, der nicht dessen - leider - fortwährende Aktualität beklagen würde. So heißt es etwa 1983 im Vorwort zu einer Ausstellung von Kriegsdarstellungen aus fünf Jahrhunderten, die Bilder seien »eine Anklage ohnmächtiger Empörung in einer Zeit, in der es vielleicht schon zu spät ist.«1 Es ist sicher richtig, daß sich Elend, Verwundung und Tod als anthropologische Konstanten in allen Kriegen finden lassen und auch seit jeher in der Kunst vergegenständlicht wurden. Wer allerdings aufgrund dieser Tatsache unreflektiert an bildliche Zeugnisse des Krieges herangeht, muß sich mit folgender Schwierigkeit auseinandersetzen. Hat nicht, bei aller Vergleichbarkeit kriegerischen Schreckens, jede Gesellschaft, Kultur oder Epoche einen ihr eigenen, zeittypischen Umgang mit dem Thema Krieg? Kann etwa die Darstellung eines militärischen Überfalls aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges auf die gleiche Weise für den Krieg und damit >für sich selbst stehen< wie ein Kriegs- oder vielmehr Antikriegsbild des 20. Jahrhunderts? Jene Problematik ist zu berücksichtigen angesichts der Feststellung, daß das heutige Verständnis des Dreißigjährigen Krieges, seiner Schlachten, der Grausamkeit seiner Soldaten und des Leidens der Bevölkerung wesentlich mit Bildern zusammenhängt. Dies kommt nicht von ungefähr. Abgesehen von kulturgeschichtlich orientierten Arbeiten, die sich schwerpunktmäßig mit der bildlichen Überlieferung beschäftigen, 2 scheinen nicht nur die Verleger von historischen RomaBernhard Holeczek, in: Ausstellungskat., Elmar Bauer, Schrecknisse des Krieges. Druckgraphische Bildfolgen des Krieges aus fünf Jahrhunderten, Ausstellung des Wilhelm-Hack-Museums (Ludwigshafen) vom 26. 2.-24. 4. 1983, Ludwigshafen 1983, VII. Aus der älteren Literatur sei nur genannt: Georg Hirth (Hrsg.), Kulturgeschichtliches Bilderbuch aus drei Jahrhunderten, 6 Bde., München 1897, hier 4. Bd.; Georg Liebe, Soldat und Waffenhandwerk. Monographien zur deutschen Kunstgeschichte, Leipzig 1899 ( N D Düsseldorf 1972). Siehe des weiteren: Hugh Trevor-Roper (Hrsg.), Die Zeit des Barock. Europa und die Welt 1559-1660, München/Zürich 1970 (' London 1968); Hans Erik Hausner (Hrsg.), Zeit-Bild. Das historische Nachrichten-Magazin. 1629, 1634, 1639, 1644, 1649, Wien/Heidelberg 1977; Herbert Langer, Hortus Bellicus. Der Dreißigjährige Krieg. Eine Kulturgeschichte, Leipzig 1978; Joachim Uhlitzsch, Der Soldat in der bildenden Kunst. 15. bis 20. Jahrhundert, Berlin (DDR) 1987.

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nen oder Schul- und Lehrbüchern, sondern ebenso wissenschaftlich anspruchsvoller Publikationen nur selten auf die vermeintlich a u thentischem Kriegsdarstellungen eines Jacques Callot oder Hans Ulrich Franck verzichten zu wollen. 3 Dahinter lassen sich nicht zuletzt auch kommerzielle Interessen erkennen. Illustrationen vermögen über >trockene Fakten< hinwegzuhelfen und den Text für breitere Leserschichten attraktiv zu machen. Anders als es der Bekanntheitsgrad der Bildzeugnisse nahelegt, hat der Dreißigjährige Krieg,4 das sicher am stärksten in das Leben der Menschen eingreifende Ereignis jenes Jahrhunderts, in der Kunst keine nachhaltige Wirkung hinterlassen. Adriani schrieb dazu: »In den Gegenden, in denen der Dreißigjährige Krieg am blutigsten tobte, trat das Kriegsgeschehen als Bildthema niemals in den Vordergrund.« Als einzige Ausnahme werden die druckgraphischen Bildfolgen von Hans Ulrich Franck und dem Monogrammisten CR genannt.5 Wie kommt es zu diesem zunächst überraschenden Befund? Schon dem flüchtigen Betrachter jener zuletzt erwähnten Kriegsserien graben sich die blutigen Kämpfe, die Plünderungen und Morde, aber auch das elende Sterben der Soldaten ins Gedächtnis. Tatsächlich decken sich die empfangenen Bildeindrücke mit Angaben aus Chroniken, Augenzeugenberichten und anderen zeitgenössischen Quellen, 6 Bei d e m folgenden handelt es sich um eine zufällige Auswahl, die sich leicht vermehren ließe: Cecely V. Wedgewood, Der 30-jährige Krieg, (Bastei Lübbe, Geschichte), München 1967 (Paperbackeinband mit Abbildung »Reiter k ä m p f t mit Hellebardist« aus der Kriegsserie von Franck); Riccarda Huch, Der dreißigjährige Krieg. Mit Illustrationen von Jacques Callot, 2 Bde., 3. Aufl., Frankfurt a.M. (Insel Taschenbuch) 1981; Deutsche Geschichte in zwölf Bänden, hrsg. von Horst Bartel u.a., 3. Bd., Köln 1983 (mit Radierungen von Callot und Franck sowie Abbildungen aus dem Theatrum Europaeum). Zu neueren Arbeiten mit einzelnen Blättern aus der Kriegsserie von Franck siehe etwa: Bernd Roeck, Als wollt die Welt schier brechen. Eine Stadt im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, München 1991; Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, hrsg. und bearb. von Jan Peters, Berlin 1993 (= Selbstzeugnisse der Neuzeit. Quellen und Darstellungen zur Sozial- und Erfahrungsgeschichte, hrsg. von Alf Lüdtke u.a.). Auf Hinweise zu Monographien über die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges soll hier verzichtet werden. Ein allgemeiner Überblick sowie bibliographische Angaben bei: Konrad Repgen, Art. »Dreißigjähriger Krieg«, in: TRE, 9. Bd., 169-188; Krieg und Politik 1618-1648. Europäische Probleme und Perspektiven, hrsg. von Konrad Repgen unter Mitarb. von Elisabeth Müller-Luckner, München 1988 (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 8). Götz Adriani, Deutsche Malerei im 17. Jahrhundert, Köln (DuMont) 1977, 134; ebenso Lieselotte Popelka, Schlachtenbilder - Bemerkungen zu einer verachteten Bildgattung, in: Ausstellungskat., Schlachten, Schlachten, schlachten, hrsg. von Heribert Hutter, Eine Ausstellung der Gemäldegalerie und dem Institut f ü r bildnerische Erziehung, Wien 1984, 5 - 1 7 , 15 (= Bilderhefte der Akademie der bildenden Künste, Hft. 15). Vgl. etwa: Maurus Friesenegger, Tagebuch aus dem 30jährigen Krieg. N a c h einer Handschrift im Kloster Andechs, hrsg. von Willibald Mathäser, München 1974;

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worauf in der Geschichtswissenschaft schon wiederholt hingewiesen wurde. 7 Doch welchen Quellenwert besitzen die Blätter als Kriegsdarstellungen? Handelt es sich wirklich um >authentische< Zeugnisse des Dreißigjährigen Krieges, deren Aufgabe es ist, die Schrecken der Zeit zu dokumentieren? Diese Überlegungen lassen vorab eine kurze Begriffsbestimmung notwendig erscheinen. Der Terminus >Krieg< ist heute politisch >besetztSchreckens< namensgebend für zahlreiche deutsche Kriegsausstellungen gewirkt hat.13 Als repräsentativ 10

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Zum Wandel der Einstellung gegenüber »Wundern« vgl. etwa: Rebekka Habermas, Wunder, Wunderliches, Wunderbares. Zur Profanisierung eines Deutungsmusters in der Frühen Neuzeit, in: Richard van Dülmen (Hrsg.), Armut, Liebe, Ehre. Studien zur historischen Kulturforschung. Frankfurt a.M. 1988, 38-66; Bernd Roeck, Wahrnehmungsgeschichtliche Aspekte des Hexenwahns - Ein Versuch, in: Historisches Jahrbuch 112(1992), 72-103. »Negari non potest, quin status hominum naturalis antequam in societatem coiretur, bellum fuerit; neque hoc simpliciter, sed bellum omnium in omnes« (Thomas Hobbes, De Cive 1,12), zit. nach Janssen (Anm. 8), 577. Siehe allgemein Philippe Aries, Geschichte des Todes, München/Wien 1980; vgl. auch Michel Vovelle, La mort et l'occident de 1300 ä nos jours, Paris 1983. Im Sinne einer Geschichte der »longue duree« besteht zwischen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Todesauffassung kein wesentlicher Unterschied. Der Begriff »Schrecken« nimmt allerdings ebenso auf Goyas »Desastres de la Guerra« Bezug. Nachfolgend nur die wichtigsten Ausstellungen seit 1945: Der Westfälische Friede. Die Gedächtnisausstellungen 1648-1948, u.a. Osnabrück und Münster (ohne Katalog); »Die Schrecken des Krieges«, Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart vom 12. 7. bis 31. 8. 1969 (ohne Katalog); Hans Georg Gmelin, Schrecken des Krieges, Ausstellung der Kunsthalle Bielefeld vom 16. Januar bis 5. März 1972; Ludwigshafen 1983 (Anm. 1); Willi Geismeier, Schrecken des Krieges. Künstlerische Zeugnisse aus drei Jahrhunderten, Studio-Ausstellung der Nationalgalerie im Alten Museum (Berlin), Mai bis Juni 1983; Krieg. Viel Ehr - Viel Elend, Ausstellung zum 40. Jahrestag der Zerstörung Augsburgs, 21. 1.-1.4. 1984; Schrecken und Hoffnung. Künstler sehen Frieden und Krieg, Hamburger Kunsthalle/Münchner Stadtmuseum/Staatliche Gemäldegalerie Moskau/Eremitage Leningrad 1987/88. Die Aufzählung läßt eine Ausstellungskonjunktur in der ersten Hälfte der achtziger Jahre erkennen, wohl eine Auswirkung der sogenannten Nachrüstungsdebatte von

läßt sich das Urteil von Knab einstufen, wonach Callot in Franck und dem Monogrammisten C R »eine geistesverwandte, wenn auch keineswegs ebenbürtige N a c h f o l g e « gefunden habe. 1 4 Selbst wenn es sich beim Dreißigjährigen Krieg nach heutiger Auffassung nicht um ein ausschließlich deutsches Ereignis gehandelt hat, lassen sich Callots Kriegsblätter, die während des Einfalls französischer Truppen in Lothringen entstanden und 1633 in Paris herausgegeben wurden, politisch und geographisch nur schwerlich mit dessen Verlauf in Einklang bringen. 1 5 Andererseits besitzen die Serien von Hans Ulrich Franck und dem Monogrammisten C R ein selbständiges Programm. Franck 1 6 gilt heute als Zeichner von Rang 1 7 und wichtigster Peintre-Graveur seiner Zeit. 1 8 D a die beiden Folgen jedoch bislang nur unzureichend untersucht worden sind, erscheint es notwendig, zur Erläuterung der Problemstellung ebenso die Kriegsserie Callots heranzuziehen. Die Soldatenfolge des Hans Ulrich Franck gilt seit jeher als wirklichkeitsgetreues Abbild des Dreißigjährigen Krieges. Hämmerle, der die komplette Serie als Faksimile herausgab, schrieb: » K e i n Künstler 1983 und ein Reflex auf die Endzeit des >Kalten Krieges< (vgl. dazu Annegret Jürgens-Kirchhoff, Schreckensbilder. Krieg und Kunst im 20. Jahrhundert, Berlin 1993, zugl. Habil. Sehr. Münster (Westfalen), 20, mit weiteren Ausstellungshinweisen). Ausstellungskat., Eckhart Knab, Jacques Callot und sein Kreis, Ausstellung der Graphischen Sammlung Albertina, Die Kunst der Graphik 5, 17. Dezember 1968-2. März 1969, Wien 1968, 159. Vgl. Repgen, »Dreißigjähriger Krieg« (wie Anm. 4), 169ff. Nach herkömmlicher Einteilung würde der französisch-lothringische Krieg in die dritte, die schwedische Phase ( 1 6 3 0 - 1 6 3 5 ) fallen, wobei der Dreißigjährige Krieg noch bis 1635 »ein Ereignis der deutschen Geschichte - im europäischen Kontext« gewesen ist (Repgen a.a.O., 170). Der N a m e begegnet auch in der Schreibweise Frank, Frankh und Franckh; im folgenden immer: Franck. Vgl. zuletzt Tilman Falk, Eine Gruppe von Zeichnungen des Hanns Ulrich Franck, in: »pinxit/sculpsit/fecit«. Kunsthistorische Studien, Festschrift für Bruno Bushart, hrsg. von Bärbel Hamacher/Christi Karnehm, München 1994, 111-121, 121. Rolf Biedermann, Augsburger Handzeichnungen und Druckgraphik 1620-1720, in: Ausstellungskat., Augsburger Barock, Ausstellung vom 15. Juni bis 13. Oktober 1968, Augsburg 1968, 160-163, 161. Möhle sah den Zeichner Franck sogar an der Schwelle zum Genie (Hans Möhle, Deutsche Zeichnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, Berlin 1947, 32ff.; vgl. auch Thomas Muchall-Viebrock (Hrsg.), Deutsche Barockzeichnungen, München 1925, 34f.), ein Urteil, das noch unlängst von Biedermann geteilt wurde (Ausstellungskat., Rolf Biedermann, Meisterzeichnungen des Deutschen Barock. Aus dem Besitz der Städtischen Kunstsammlungen Augsburg, Ausstellung 27. 6. - 6. 9. 1987, Augsburg 1987, 3 4 - 3 8 , 34). Sigrid Bertuleit rechnet Franck unter die »wenigen deutschen Künstler des 17. Jahrhunderts von einiger Bedeutung« (Ausstellungskat., Was die Bilder erzählen. Graphik aus sechs Jahrhunderten, Ausstellung der Hamburger Kunsthalle vom 26. April bis 16. Juni 1991, Hamburg 1991,92).

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ist wie er unmittelbarer Ausdruck seiner Zeit [...].« 19 In Anlehnung an die moderne Form der Reportage wird Franck ebenso wie Callot als »Illustrator«,20 »Künder«,21 »Bildberichterstatter«22 oder »Chronist« 23 der Kriegsereignisse gesehen. Immer wieder findet sich auch die Bezeichnung eines »Grimmelshausen der bildenden Kunst.« 24 Da Franck aus Kaufbeuren stammte und mitten im Krieg nach Augsburg gezogen war, gelten zumindest die ersten sechs noch vor Kriegsende entstandenen Blätter der Serie als eine direkte Verarbeitung von Selbsterlebtem. Die dort gezeigten Kämpfe Mann gegen Mann werden mit dem typischen »Kleinkrieg« der schwedisch-französischen Kriegsphase in Beziehung gebracht,25 wobei im landschaftlichen Hintergrund sogar die nähere Umgebung Kaufbeurens zu erkennen sein soll. 26 Für Rabus schließlich sind die Radierungen »wie Erinnerungsbilder aus einem Tagebuch jener Jahre in seiner Heimat.« 27 Auch heute noch überwiegt die Vorstellung, daß sich in der »Eindringlichkeit« 28 und dem »drastischen Realismus« 29 der Blätter eine genaue Kenntnis der Kriegswirklichkeit dokumentiere. Ähnlich wie bei Callot bleibt aber umstritten, ob Franck für die Opfer Partei

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Albert Hämmerle, Die Radierungen des Hanns Ulrich Franckh, Malers aus K a u f b e u ren 1603/1675, Augsburg 1923, Vorwort. F. X. Weizinger, Ein Illustrator des Dreißigjährigen Krieges, in: Der Aar 3 (1913), 2. Bd., 537-544. So in einer Ausstellungsrezension, in: Nationalsozialistische Monatshefte, 7. Jg. (August 1936), H f t . 77, 767. Herbert Schindler, Brennpunkt des europäischen Barock. Die Augsburger Dokumentation eines unbekannten Jahrhunderts, in: Epoca 9 (1968), 2 9 - 3 6 , 29. Krieg, Viel Ehr (Anm. 13), 30. Selbst in der großen Grimmelshausenausstellung von 1976 wird auf die Modalitäten dieses Vergleichs jedoch nicht näher eingegangen (siehe Ausstellungskat., Simplicius Simplicissimus. Grimmelshausen und seine Zeit, Westfälisches Landesmuseum f ü r Kunst und Kulturgeschichte in Z u s a m m e n a r b . mit dem Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität, hrsg. vom Landschaftsverband WestfalenLippe, Münster 1976, 55 und passim). W i e in den meisten Kriegsausstellungen, welche die Serie Francks berücksichtigen, wird hier nicht viel mehr als das reine Bildmaterial geboten. Weizinger (Anm. 20), 539. Hildebrand Dussler, Die Kriegsschadenliste der Pflege Füssen 1632-1652, in: Allgäuer Heimatbücher, 46. Bändchen, Kempten 1955, 3^13, hier 5 und 32. Hermann Rabus, »Die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges«, eine Radierfolge von Hans Ulrich Franck (1603-1675), Wissenschaftl. Hausarbeit Magisterprüfung Masch., München 1981, 38. Lorenze Heckelsmüller, Hanns Ulrich Franck ( 1 6 0 3 - 1 6 7 5 ) aus Kaufbeuren. Radierungen aus dem 30jährigen Krieg, in: Kaufbeurer Geschichtsblätter 10 (1984), Nr. 4, 138-144, hier 139. Geismeier (Anm. 13), 9.

ergreifen wollte 30 oder sich strikt neutral verhalten habe. 31 Zwar wird erkannt, daß die große Mehrheit der nach 1648 entstandenen Blätter, zu denen auch die allegorische Titeldarstellung des wechselhaften Kriegsglücks und das abschließende Memento mori gehören, keine militärischen Handlungen, sondern Raufereien und Wirtshausszenen in der Art von Sittenbildern wiedergeben, dennoch hält man grundsätzlich an der Realismusvermutung fest. Sittenverfall und lasterhaftes Leben werden allenfalls als Folgen des Krieges 32 oder als moralische Stellungnahme des Künstlers interpretiert. 33 Vor diesem Hintergrund ist die Deutung der Kriegsserie als im Zeichen christlichen Glaubens geführter Kampf der Tugenden und Laster die Ausnahme, eine Vorstellung, die auf die >Psychomachis< des Prudentius (348-um 405) zurückgeht. 34 Nach Bauer findet sich mit der Hoffart (superbia, Blatt 1; Abb. 2), Völlerei und Wollust (gula, luxuria, Blatt 4, 22-24; Abb. 5, 23-25), dem Zorn (ira, Blatt 18-20; Abb. 19-21), Neid (invidia, Blatt 21; Abb. 22) und Mord (caedes, Blatt 7; Abb. 8) fast der gesamte mittelalterliche Lasterkatalog in der Kriegsfolge wieder. Wenn auch die ausschließliche Bestimmung der Blätter über die Lasterikonographie wenig überzeugt, vermittelt sich hier doch eine wichtige Erkenntnis: »Die Schrecknisse des Krieges sind im 17. Jahrhundert (und damit bei Franck, Anm. des Verf.) nur als Folie der christlichen Verdammung des Lasters darstellbar.« 35 Das zumeist Christian Richter zugeschriebene und im folgenden unter dem Notnamen Monogrammist CR untersuchte >Soldatenbüchlein< von 1642 stieß bislang auf ein noch geringeres Forschungsinteresse als die Serie Francks. Dafür, daß es eine wissenschaftliche Würdigung bis heute nicht gibt, ist allerdings die nicht geklärte Frage der Urheberschaft mitverantwortlich. 36 In älteren Nachschlagewerken und Verzeichnissen finden sich nur spärliche Hinweise. 37 Wie zuvor 30

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Tilman Falk, Art. »Hans Ulrich Franck«, in: Augsburger Stadtlexikon. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Recht, Wirtschaft, hrsg. von Wolfram Baer u.a., Augsburg 1985, 113; vgl. auch Rabus (Anm. 27), 28 und passim. Bauer (Anm. 1), 32. Rabus (Anm. 27), 32. Geismeier (Anm. 13), 10. Elmar Bauer, »Die Schrecknisse des Krieges«. Die Entwicklung und Sinngehalte druckgraphischer Kriegszyklen seit dem 16. Jahrhundert, in: ders. (Anm. 1), I X XXVII, hier XVI. Ebda., XVII. Siehe dazu Kap. III. Francois Brulliot, Dictionnaire de monogrammes, marques figurees, lettres initiales, nom abreges etc. avec lesquels les peintres, dessinateurs, graveurs et sculpteurs ont designe leurs noms, 3 Bde., München 1832-1834, hier 1. Bd., Nr. 1457 ( N D Wiesbaden 1970); Georg Kaspar Nagler, Die Monogrammisten und diejenigen bekannten und unbekannten Künstler aller Schulen, welche sich zur Bezeichnung ihrer Werke eines figürlichen Zeichens, der Initialen des Namens, der Abbreviatur desselben etc.

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schon Liebe 38 hat auch Langer 39 einige Blätter der Folge, mit eigenen Erläuterungen versehen, in seiner Kulturgeschichte des Dreißigjährigen Krieges abgedruckt und damit einem größeren Publikum bekannt gemacht. Erst unlängst ist der die Kriegsserie betreffende Band im Hollstein erschienen. 40 In der Wiener Ausstellung von 1968 wurde den Blättern erstmals eine größere Aufmerksamkeit zuteil. Knab sah einen unbekannten Nachahmer Callots am Werke, mit einer ähnlichen »Einstellung« zu Krieg und Soldatentum. 41 Weiterfuhrende Gedanken lassen sich einer Münchner Dissertation entnehmen, die eigentlich die künstlerische Nachfolge Johann Heinrich Schönfelds behandelt. In einer knappen Ausführung kennzeichnet die Autorin das >Soldatenbüchlein< treffend als »Moritaten-Folge«. 42 Diesem Vergleich liegen Beobachtungen über die spezielle Erzählweise der Serie zugrunde: Im engen Zusammenspiel von Bild und Text treibt die zumeist von zwei Hauptakteuren getragene Handlung auf ein >tödliches Ende< zu. Dabei trägt die Bezeichnung »Moritat« letztlich dem Umstand Rechnung, daß es beim Monogrammisten CR genauso wie bei Franck nicht allein um das Sterben einzelner Soldaten geht, sondern um das zwischen Versuchung und grausamer Bestrafung pendelnde Schicksal aller Menschen. Die spärlichen Forschungsergebnisse vermitteln einen Eindruck davon, wie schwer es ist, in den Bildzyklen etwas anderes zu sehen als die Vergegenständlichung eines aktuellen Kriegsgeschehens. Nur so läßt sich erklären, warum dem Kommentator des Hollstein der biblische Hintergrund im Schlußblatt der Serie des Monogrammisten CR entgehen konnte (Blatt 24; Abb. 50). Die auf dem Felde liegenden Leichen werden hier als »tote Soldaten« beschrieben, obwohl sich unter den notdürftig bekleideten Opfern offenkundig die Gestalt einer Frau befindet. 43 Die einseitige Fixierung der Forschung auf den militärischen Kontext läßt sich auch für die 18-teilige Serie Callots konstatieren. Von dem ursprünglichen Interesse an der persönlichen Haltung des Künstlers zum Krieg hat sich das Schrifttum inzwischen gelöst. Heute

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bedient haben, 5 Bde., München 1858-1879, hier 2. Bd., Nr. 577; W. Scheidig, in: THIEME, 28. Bd., 285f., bezeichnet als »Soldatenbüchlein von 1642«. Liebe (Anm. 2). Langer (Anm. 2). HOLLSTEIN II, 34. Bd. (1993), unter: Christian I Richter, hier 131-140. Knab (Anm. 14), 216f. Claudia Madel, Die Nachfolge Johann Heinrich Schönfelds unter besonderer Berücksichtigung der Maler Johann Georg Melchior Schmidtner und Johann Georg Knapp, Diss. Phil. München 1987, 22. »Dogs and birds devouring dead soldiers« (HOLLSTEIN II (wie Anm. 40), 137).

richtet sich der Blick zunehmend auf das eigentliche Bildprogramm.44 Unter dem Einfluß zeitgenössischer Kriegs- und Friedensvorstellungen, insbesondere eines Hugo Grotius {De jure belli ac pacis, 1625), gelten die Bilder nunmehr als Appell zur Restitution staatlicher Ordnung. Über das Verhältnis von Gewalt und Recht hinaus finden vor allem die Schwierigkeiten des frühmodernen Staates bei der Rekrutierung und Disziplinierung seiner Soldaten Beachtung 45 Dem Betrachter zeigt sich nach gezielten Übergriffen auf die Zivilbevölkerung (Blatt 4-8) in der Serienmitte die Peripetie, eine Umkehrung der Ereignisse. Die Marodeure werden nun von rechtmäßigen Truppen überwältigt und kommen anschließend durch Wippen, Hängen, Rädern, Erschießen und Verbrennen auf schreckliche Weise zu Tode. Auf dem Schlußblatt (Blatt 18) sieht man den Herrscher auf dem Thron, der die >Guten< belohnt und die Gesetzesbrecher bestraft. Das gekrönte Haupt wird zum Angelpunkt des dramatischen Geschehens; Verbrechen und Strafe erhalten hier ihren Sinn. Die sich auf die Schlußdarstellung konzentrierende Interpretation wirft aber zusätzliche Fragen auf. Zwar wird die Herrschergestalt als absolutistischer Monarch (Ries) oder oberstes Prinzip einer vom Naturrecht abgeleiteten Staatsgewalt (Chone) verstanden, ikonographisch bleibt sie dennoch unklar. Ihr fehlen Wappen, Symbole und all diejenigen Insignien, die, neben Krone und Szepter, als identifizierbare Merkmale eine bestimmte Herrschaft ausdrücken und Souveränität erst begründen könnten 46 Einer zu engen Auslegung der Serie im Sinne eines Programmes zur Festigung militärischer Disziplin stehen

Ein Überblick zur Forschungsgeschichte bei: Diane Wolfthal, Jacques Callot's Miseries of War, in: The Art Bulletin 59 (1977), 222-233; Heide Ries, Jacques Callot: Les Miseres et les Malheurs de la Guerre, Diss. Phil. Tübingen 1981, insbes., 11-19. Ries (Anm. 44). Diese Deutung vor allem bei Paulette Chone, Les Miseres de la guerre ou »la vie du soldat«: la force et le droit, in: Ausstellungskat., Jacques Callot 1592-1635, Ausstellung Musee historique lorrain, Nancy, 13. Juni-14. Sept. 1992, Paris 1992, 396—400; in deutscher Übersetzung wieder abgedr. bei: Ausstellungskat., Jacques Callot (1592-1635). Das druckgraphische Werk im KupferstichKabinett zu Dresden, bearb. von Christian Dittrich, Ausstellung vom 8. Nov. 1 9 9 2 10. Jan. 1993, Dresden 1992, 16-19. Wobei der für die ganze Neuzeit gültige Typus, der »des mit individuellen, empirisch erfaßbaren Zügen ausgestatteten Herrscherporträts (war).« (Heinz Dollinger, D i e historisch-politische Funktion des Herrscherbildes in der Neuzeit, in: Weltpolitik, Europagedanke, Regionalismus. Festschrift für Heinrich Gollwitzer zum 65. Geburtstag am 30. Januar 1982, hrsg. von Heinz Dollinger/Horst Gründer/Alwin Hanschmidt, Münster 1982, 19-45, 27.) Zum Herrscherporträt in Frankreich siehe auch: Werner Willi Ekkehard Mai, »Le Portrait du roi«: Staatsporträt und Kunsttheorie in der Epoche Ludwigs XIV. Zur Gestaltikonographie des spätbarocken Herrscherporträts in Frankreich, Diss. Phil. Bonn 1975; Rene Pillorget, L'image du prince dans la France du XVIIieme siecle, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Das Herrscherbild im 17. Jahrhundert, Münster 1991, 4 3 - 5 7 .

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neben den Versen von Michel de Marolles 47 vor allem die Blätter »Das Hospital«, »Die Sterbenden am Straßenrand« und »Die Rache der Bauern« (Blatt 15-17) entgegen, die in der Forschung generell vernachlässigt werden. Mit der Aburteilung und Bestrafung der Missetäter, also der Durchsetzung des Rechtsfriedens, findet die Serie keineswegs ihren Abschluß. Vielmehr kommt nun das Schicksal derjenigen Soldaten zur Sprache, die den Krieg >heil< überlebt haben. »Quant la guerre finit, son mal-heure recomence«, urteilt Marolles (Blatt 16). Als Krüppel müssen sie um Aufnahme im Hospital nachsuchen, hungernd und bettelnd sterben sie am Straßenrand. Bezieht man diese Blätter mit ein, dann wird deutlich, daß nicht nur das Los einer verbrecherischen >Soldateskagerechten< Strafe durch die Justiz noch die Rache der Bauern. Deren unberechenbare Aggression (»Les guettent a l'escart et par une surprise« Blatt 17) steht in auffallendem Kontrast zum staatlichen Gewaltmonopol, welches nach Auffassung von Ries und Chone durch die Throngestalt verkörpert wird. Verständlich wird dieser vermeintliche Widerspruch, begreift man die Folterung der Malefikanten nicht nur als weltlich-zeitliche Strafe, sondern in erster Hinsicht als Gericht Inwieweit Callot auf den Text Einfluß genommen hat, läßt sich nicht mehr feststellen. Sicher ist nur, daß die Anbringung von Versen vorgesehen war, für die Raum auf der Platte freigehalten wurde. Vgl. Bernhard R. Kroener, Soldat oder Soldateska? Programmatischer Aufriß einer Sozialgeschichte militärischer Unterschichten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Militärgeschichte. Probleme - Thesen - Wege, Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes aus Anlaß seines 25jährigen Bestehens ausgew. und zusgst. von Manfred Messerschmidt u.a., Stuttgart 1982, 100-123 (= Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte, 25).

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Gottes 49 über den unbußfertigen Sünder. Wird zum Vergleich das Schlußblatt der Kriegsserie des Monogrammisten CR herangezogen (Abb. 50), dann zeigt sich, daß ein ausschließlich auf die staatlichpolitische Ebene reduziertes Verständnis von >Lohn< und >Strafe< zu kurz greift. 50 Unter den hier gezeigten Übeltätern, deren tote Körper von Raben und Hunden gefressen werden, befindet sich auch der nackte Leichnam der biblischen Königin Jezabel, die auf göttliches Geheiß hin gerichtet wurde. Diese fürchterliche Strafe, der, wie es im Text heißt, »letzte Lohn«, verweist also mit dem weltlichen zugleich auf das drohende göttliche Strafgericht. Am Beispiel der Schlußblätter von Callot und dem Monogrammisten CR wird sichtbar, daß die für alle drei Kriegszyklen entscheidende Verbindung von Laster, Gerechtigkeit und Strafe einem christlichreligiösen Vorstellungsbereich entspringt. Dies wird vom heutigen Schrifttum weitgehend übersehen. Deutet man die Schlußdarstellung Callots zutreffend als Allegorie der Gerechtigkeit, 51 dann ist unverkennbar, daß am Ende nicht eine durch die Kriegsgreuel zerstörte staatlich-weltliche Ordnung, sondern die göttliche Schöpfung wiederhergestellt werden soll. Ein modernes Rechtsdenken, welches den Krieg als Verletzung einer von Menschen gesetzten Ordnung begreift, erweist sich hier als unzureichend. Die Bestrebung, den inneren Zusammenhalt der Kriegsserien zu verstehen, muß notwendigerweise bei der religiösen Funktion der Bilder ansetzen.

2. Zur religiösen Funktion des Bildes Die geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit Bildern kann inzwischen auf eine längere Tradition zurückblicken. 52 Angefangen als Versuch, ein nach Personen, Orten, Sachen und Ereignissen geordnetes Verzeichnis bildlicher Geschichtsquellen anzulegen, verfugt die Historische Bildkunde heute über ein erprobtes und bewährtes methodisches Instrumentarium. 53 Abgesehen von Ansätzen zu einer Ty49

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Siehe insbes.: P. Althaus, Art. »Gericht Gottes IV«, in: RGG, 2. Bd., Sp. 1 4 2 1 1423; J. Loosen, Art. »Letztes Gericht IV«, in: LThK, 4. Bd., Sp. 732-734. Vgl. auch Helmut Merkel, Art. »Gericht Gottes IV«, in: TRE, 12. Bd., 4 8 3 - 4 9 2 . Nach kirchlich-dogmatischer Tradition steht bei der Vorstellung vom Gericht Gottes der Lohn- und Strafgedanke an erster Stelle. Bauer (wie Anm. 34), XVI. Siehe dazu insbesondere Frank-Dietrich Jacob, Aspekte zu Entwicklung und Aufgaben der Historischen Bildkunde, in: Festschrift für Ernst-Heinz Lemper, Beiheft zum Görlitzer Magazin 3 (1989), 14-24. Zu den Methoden im einzelnen siehe zuletzt Heike Talkenberger, Von der Illustration zur Interpretation: Das Bild als historische Quelle. Methodische Überlegungen

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pologisierung des historischen Ereignisbildes54 oder der quellenkundlichen Auswertung von Schlachtengemälden,55 gibt es allerdings kaum Arbeiten zu Kriegs- und Militärdarstellungen, die historische Fragestellungen einbeziehen. Zu den Ausnahmen zählen Wohlfeils Untersuchungen zu Landsknechtsbildern, die auf einer sozialgeschichtlichen Erweiterung der ikonologischen Methode Panofskys basieren.56 Nach Auffassung Wohlfeils enthalten Landsknechtsdarstellungen, neben Elementen von Satire und Sozialkritik, eine auf Wissensvermittlung abzielende, exakte Wiedergabe von Formen zeitgenössischen Kriegswesens.57

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zur Historischen Bildkunde, in: Zeitschrift für Historische Forschung 21 (1994), 289-313. Vgl. Werner Hager, Das geschichtliche Ereignisbild. Beitrag zu einer Typologisierung des weltlichen Geschichtsbildes bis zur Aufklärung, München 1939. Die Arbeit von Albrecht Dohmann, Studien zur Entwicklung des historischen Ereignisbildes des 17. Jahrhunderts in Holland, Diss. Rostock 1957, war mir nicht zugänglich. Olle Cederlöf, The Battle Painting as a Historical Source. An Inquiry into the Principles, in: Revue Internationale d'Histoire Militaire 26 (1967), 119-144. Bezogen auf die Absicht des Künstlers oder Auftraggebers unterscheidet Cederlöf glorifizierende, narrative, analytische und dekorative Darstellungen. Dient die erste Kategorie der Verherrlichung des Oberkommandierenden, geht es im zweiten Fall um einen Ereignisbericht vom Schlachtfeld. Während das analytische Bild Strategie und Taktik der Truppenoperationen herausstellt, zeigt sich das dekorative G e m ä l d e ausschließlich an der äußeren Wirkung und malerischen Erscheinung des K a m p f e s interessiert. Das dekorative Schlachtenbild entspricht somit am wenigsten dem Kriterium der Realitätswiedergabe. Popelka schreibt mit Bezug auf Cederlöf zutreffend: »So wie die Einkleidung eines Ereignisses in Allegorien es der Geschichtlichkeit entzieht, so auch die Übertragung ins >DekorativeBüchlein< rezipiert. Im Zentrum der Ars bene dicendi steht die dem jeweiligen Zweck angemessene Verwendung der sprachlichen Mittel, die im wesentli-

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Soldatenbildern einen hohen Stellenwert ein. Vgl. dazu diverse Veröffentlichungen der Zeitschrift fur Militärgeschichte. Wolfgang Harms, Einleitung in HARMS I, V I I - X X X , hier XXI. Talkenberger (Anm. 53), 291. Zum hier verwendeten Funktionsbegriff und der Bedeutung religiöser Kunst siehe Werner Busch (Hrsg.), Funkkolleg Kunst. Eine Geschichte der Kunst im Wandel ihrer Funktionen, 2 Bde., München 1987; dort insbes. die Einleitung: Werner Busch, Kunst und Funktion - Zur Einfuhrung in die Fragestellung, 5 - 2 6 . Vgl. den Abschnitt »Traditionen der Verbindung von Bild und Text« mit den dort gegebenen Literaturhinweisen bei Harms, Einleitung (Anm. 58), XI—XIII sowie Talkenberger (Anm. 53), 312 mit Anm. 97. Carsten-Peter Warncke, Sprechende Bilder - sichtbare Worte. Das Bildverständnis in der frühen Neuzeit, Wiesbaden 1987 (= Wolfenbütteler Forschungen, 33). Ebda., 24.

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chen aus der rhetorischen Trias des belehrenden Unterrichtens (docere), der gefalligen Darbietung (delectare) und des leidenschaftlichen Appells (movere) gebildet werden. 64 Ebenso wie in der gesprochenen Rede die »Entzündung der Affekte« 65 entscheidend dazu beitragen kann, den letzten Widerstand des Zuhörers zu brechen, kann in der Bildrhetorik der Einsatz von Darstellungen sündhaften und schändlichen Sterbens besonders geeignet sein, um mit Hilfe ihrer abschreckenden Wirkung von der Notwendigkeit rechtzeitiger Buße zu überzeugen. Mit der Freisetzung der >Permotio< verfolgt die Todesmahnung also das gleiche Ziel wie das Erbauungsschrifttum, das intentional auf christliche Besserung gerichtet ist.66 3. Ziel und Aufbau der Untersuchung In Anbetracht einer als zeichenhaft wahrgenommenen Welt, bei der im Krieg ein Beweis göttlichen Wirkens erblickt werden konnte, deutet der vorliegende Versuch mit der Todesmahnung ein religiöses Motiv als das zentrale Anliegen druckgraphischer Bildfolgen des Dreißigjährigen Krieges. Die Blätter fugen sich in jene Tradition von Schrift- und Bildzeugnissen, die an das Ende des Lebens erinnern und zur Umkehr mahnen. Mit der Ars moriendi, den Trost- und Sterbeschriften sowie den Totentänzen sind sie Teil einer frühneuzeitlichen Erbauungsliteratur, die vom Tod und den Letzten Dingen handelt. Gerade die Neuherausgabe druckgraphischer Totentänze sowie die Pflege der spätmittelalterlichen Originale bilden einen nicht zu unterschätzenden Faktor erbaulicher Todesmahnung. Die sogenannte »Krise des 17. Jahrhunderts«, die vor allem auch eine Krise des Glaubens gewesen ist, brachte eine enorme Nachfrage nach Trost- und Erbauungsbüchern mit sich. Lehmann, der auf diesen Zusammenhang hingewiesen hat, schätzt den Anteil erbaulicher Traktate auf annähernd ein Viertel der gesamten Buchproduktion. 67 64

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Vgl. etwa Walter Jens, Art. »Rhetorik«, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, begr. von Paul Merker und Wolfgang Stammler, 2. Aufl., hrsg. von Werner Kohlschmidt u.a., 5 Bde., Berlin/New York 1958-1988, hier 3. Bd., 4 3 2 ^ 5 6 . Ebda., 435. Siehe dazu die synoptische Übersicht zur Funktion der Erbauung bei Wolfgang Brückner, Thesen zur literarischen Struktur des sogenannten Erbaulichen, in: Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland, hrsg. von Wolfgang Brückner/Peter Blickle/Dieter Breuer, Wiesbaden 1985, 4 9 9 - 5 0 7 , hier 507 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 13). Hartmut Lehmann, Das Zeitalter des Absolutismus. Gottesgnadentum und Kriegsnot, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1980, 116 (= Christentum und Gesellschaft, 9). Von Hobsbawm (1954) und Trevor-Roper (1959) zunächst nur auf die Wirtschaft und die politischen Institutionen angewendet, wird die »Krise des 17. Jahrhunderts« heute als eine umfassende gesellschaftliche Modernisierungskrise mit ihren sozia-

Indem es durch die Katastrophe des Krieges zu einer Wiederaufnahme chiliastischer Prophetien und Endzeiterwartungen der Täuferzeit kam, richteten sich die Hoffnungen der Protestanten zunächst auf den pfalzischen Kurfürsten Friedrich V., schließlich auf Gustav Adolf von Schweden, den »Löwen von Mitternacht«. 68 Die große Mehrheit der Publikationen vertrat aber einen kirchlich unabhängigen Standpunkt. »Bei aller konfessionellen Abkapselung der einzelnen Kirchen war die Erbauungsliteratur letztlich überkonfessionell ausgerichtet.« 69 In den erbaulichen Schriften zeigt sich die gleiche unbestimmte Sehnsucht nach Heilsgewißheit, christlicher Erlösung und göttlicher Offenbarung, wie sie auch in den Kriegsserien vorhanden zu sein scheint. Erst durch die Themen der Schlußblätter, das Memento mori und der schändliche Tod, wird aus den Kriegs- und Soldatendarstellungen ein über den rein militärischen Kontext hinausgehendes Zeugnis der Todesmahnung und erbaulichen Denkens. Die zentralen Thesen dieser Arbeit werden auf der Basis des Titelund Schlußblattes der Kriegsfolgen von Hans Ulrich Franck und dem Monogrammisten CR gewonnen. Aus jenem Grund bilden die fünf >Programmblätter< - die Folge des Monogrammisten CR besteht aus zwei Teilen und besitzt deshalb zwei Frontispize - den Schwerpunkt der Untersuchung. Ein großes Gewicht besitzt dabei das Verständnis der Planetengötter Mars und Saturn, das konkret im Falle des Kriegsgottes symptomatisch ist für jene astrologisch bestimmte Sichtweise der frühneuzeitlichen Welt, die als »planetarische Anthropologie« bezeichnet werden kann. Hierzu gehören die erwähnte Planetengläubigkeit, die schon auf die Antike zurückgehende Identifizierung des mythologischen Kronos/Saturn mit einer geschichtlichen Herrschergestalt, aber auch das humanistische >Arte et Marte< und eine sich speziell in den Flugschriften niederschlagende aktuelle Kometenfurcht zu Anfang des Dreißigjährigen Krieges. Nicht zuletzt auch, um die mit der Planetenkindertradition verbundene Bedeutung von Mars und Saturn in der Kriegsserie richtig einordnen können, scheint es len, kulturellen und religiösen Umbrüchen verstanden. V g l . e t w a die Abschnitte » N o t , Angst, Hoffnung. D i e Krise des Glaubens im 17. Jahrhundert« bei Lehmann, a.a.O., 1 0 5 - 1 6 9 , s o w i e » D i e Krise d e s 17. Jahrhunderts« bei H e i n z Schilling, A u f bruch und Krise. Deutschland 1 5 1 7 - 1 6 4 8 (Siedlers Deutsche Geschichte), Berlin 1988, 3 7 2 - 3 9 6 (Neuaufl. 1994). S i e h e insbes. Roland Haase, D a s Problem d e s Chiliasmus und der Dreißigjährige Krieg, Diss. Phil. Leipzig 1933; vgl. auch Dietrich Korn, D a s T h e m a d e s Jüngsten T a g e s in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts, Tübingen 1957; A l m u t A g n e s M e y e r , Heilsgewißheit und Endzeiterwartung im deutschen Drama des 16. Jahrhunderts. Untersuchungen über die Beziehungen z w i s c h e n geistlichem Spiel, bildender Kunst und den Wandlungen d e s Zeitgeistes im lutherischen Raum, Diss. Phil. Heidelberg 1976 ( = Heidelberger Forschungen, 18). Richard van D ü l m e n , Kultur und Alltag in der Frühen N e u z e i t . 3. Bd., Religion, M a g i e , Aufklärung 1 6 . - 1 8 . Jahrhundert, München 1994, 66.

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notwendig, mit Hilfe von Vergleichsbeispielen ausfuhrlicher auf diese Verbindung einzugehen. Mit Rücksicht auf den speziellen Rezipientenbezug des Kunstwerks, welches »als intentionales Gebilde für Betrachter konzipiert (ist),« 70 steht im folgenden jeweils die Funktion des Bildes im Vordergrund; dies gilt auch unabhängig von der Frage nach der religiösen Funktion. Dabei geht die Untersuchung nicht systematisch, sondern exemplarisch vor, d.h. ausgehend von der Bedeutung der Kriegsserien und der Erforschung ihrer zentralen Motivbereiche soll das Gewicht der vorgetragenen Argumente anhand ausgesuchter Fallbeispiele überprüft werden. Zu den hierfür herangezogenen Quellen zählen Flugblätter und Flugschriften ebenso wie Erbauungstraktate und Erzeugnisse der bildenden Kunst. Gestützt wird dieses Vorgehen von der Bedeutung der Kunst als autonomes Medium, wobei unabhängig vom Kunstbegriff jedwede Bild- und Schriftquelle als Träger von Informationen grundsätzlich vergleichbar ist.71 Ein wichtiger Faktor für das Verständnis erbaulicher Kunst ist die persönliche Anschauung des Künstlers, der in unserem Fall soldatisches Leben und sündigen Tod in einen belehrend-erbaulichen Zusammenhang bringt. Künstler besaßen in dem behandelten Zeitraum ein hohes Maß persönlicher und künstlerischer Freiheit. Daher schien es sinnvoll, unter Einbeziehung biographischer Kriterien, nach weiteren künstlerischen Zeugnissen der Todesmahnung in der damaligen Kunst zu suchen, wobei sich die Beispiele auf Augsburg konzentrieren, dem Herkunftsort der Kriegsserie Francks. Freimachen muß man sich allerdings von dem Versuch, Kunst allein aus der mutmaßlichen Haltung des Künstlers verstehen und erklären zu wollen. Deshalb schien es geboten, das noch wenig erforschte Leben Francks in Form eines Exkurses erst am Schluß der Arbeit abzuhandeln. Da sich die solcherart umrissene Fragestellung als eine historische versteht und der Untersuchungsgegenstand auf das Problem der Todesmahnung im weiteren Sinne beschränkt bleiben soll, werden ikonographische Probleme nur im Einzelfall erörtert. Somit wurde darauf verzichtet, die Vielzahl der in den Kriegsserien behandelten Themenkomplexe im Sinne einer Gesamtdeutung monographisch zu erfassen. Unberücksichtigt blieb insbesondere ein näheres Eingehen auf das Spannungsverhältnis von Bauern und Soldaten, das in den beiden Bildfolgen ebenso wie bei Callot eine nicht unerhebliche Rolle

W o l f g a n g K e m p , Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik, in: ders. (Hrsg.), Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik, Köln ( D u M o n t ) 1 9 8 5 , 7 - 2 7 , 20. Vgl. dazu e t w a Warnckes Ausführungen zur A u t o n o m i s i e r u n g der Kunst und ihrer M e d i e n ( W a r n c k e ( A n m . 62), 15 und passim).

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spielt.72 Ausgeklammert blieben auch jene schon für Callot unternommenen und bei Franck kurz angesprochenen, aber insgesamt wenig aussichtsreichen Bemühungen, die Radierungen mit bestimmten Kriegsereignissen oder Örtlichkeiten in Beziehung zu setzen.

Siehe als Einstieg dazu Jane Susannah Fishman, Boerenverdriet. Violence between Peasants and Soldiers in Early Modern Netherlands Art, Ann Arbor 1982 (= Studies in Fine Arts: Iconography, 5). Weitere Hinweise bei: Hans Joachim Raupp, Bauernsatiren. Entstehung und Entwicklung des bäuerlichen Genres in der deutschen und niederländischen Kunst ca. 1470-1570, Niederzier 1985; Renate Haftlmeier-Seiffert, Bauerndarstellungen auf deutschen illustrierten Flugblättern des 17. Jahrhunderts, Frankfurt a.M./Bern/New York/Paris 1991 (= Mikrokosmos. Beiträge zur Literatur und Bedeutungsforschung, 25).

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I. Druckgraphische Kriegsserien. Funktion und Bedeutung

Um den Zusammenhang von Krieg, Gericht und Tod eingehender untersuchen zu können, müssen zunächst die druckgraphischen Bildfolgen als Medium verstanden und nach ihren Aufgaben und Leistungen befragt werden. Die druckgraphischen Kriegsserien des 17. Jahrhunderts wurden einerseits als »Capriccio«, andererseits als »Soldatenbüchlein« bezeichnet. Durch eine getrennte Untersuchung dieser beiden Gruppen lassen sich die Zielvorgaben militärischer Bildfolgen im einzelnen erfassen. Die genannten Begriffe bilden allerdings keine abgeschlossenen Kategorien oder eigenständigen künstlerischen Gattungen, vielmehr drücken sich hierin lediglich verschiedene Bilderwartungen und Anwendungsbereiche aus. Überwiegt beim »Capriccio« der freie Umgang mit der bildlichen Vorlage oder das Repräsentationsbedürfnis des Auftraggebers, hat man im Soldatenbüchlein eine Anleitung zur militärischen Ausbildung zu sehen, mit der zugleich für den Soldatenstand geworben werden soll. Das »Capriccio« scheint also eher einem künstlerisch-ästhetischen Interesse zu entsprechen, während beim Soldatenbüchlein der praktische Nutzen im Vordergrund steht. Der Frage nach der Funktion und Bedeutung druckgraphischer Kriegsserien sei aber noch eine Klärung des hier verwendeten Begriffes der Bildfolge vorangestellt.1 Üblich ist bei Bildzyklen ein feststehender Blattumfang, wie er etwa in Monats- oder Lasterdarstellungen vorkommt. Bei den Kriegsserien handelt es sich demgegenüber um offene Folgen, deren Zusammensetzung grundsätzlich beliebig ist. In der Regel trifft man auf ein gleichbleibendes Format und Übereinstimmungen in Aufbau und Gestaltung. Manche Reihen wurden nicht numeriert, da die Zählung erst für eine spätere Ausgabe erfolgte oder auch ganz unterblieb. 2 Zuweilen besitzen einzelne Stiche Nummern, die nicht auf die Platte geritzt sind, sondern erst nach dem DruckvorZwischen Folge, Serie, Zyklus, Reihe und ähnlichen Bezeichnungen soll hier nicht unterschieden werden. Vgl. zur Technik des Kupferstichs: Heinrich Leporini, Der Kupferstichsammler. Ein Hand- und Nachschlagewerk samt Künstlerverzeichnis für den Sammler druckgraphischer Kunst, Berlin 1924; Felix Hollenberg, Radierung. Ätzkunst und Kupfertiefdruck, Ravensburg 1969; Walter Koschatzky, Die Kunst der Graphik. Technik, Geschichte, Meisterwerke, Salzburg 1972.

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gang aufgebracht wurden. Serien wurden nicht immer als solche ursprünglich konzipiert, vielmehr hat man Themen wieder aufgenommen und in neue Zusammenhänge eingefügt, schon veröffentlichte Einzelblätter in einer weiteren Auflage als Serie erscheinen lassen, Bilder um Gegenbilder ergänzt. Die Vielschichtigkeit druckgraphischer Kriegsfolgen zeigt sich beispielhaft an einer wohl nach 1630 entstandenen Reihe mit Reiterschlachten von Jan Martszen d.J. 3 Die neunteilige Folge besteht aus sechs verschiedenen Blattformaten, 4 die zudem uneinheitlich gezählt wurden. Da ein Kupferstich unbezeichnet ist, läßt sich der Umfang der Serie nicht mit Sicherheit bestimmen. Den Anfang machen drei Blätter mit einheitlicher Größe, an die sich diverse Einzelformate anschließen. Die Zufälligkeit der Auswahl kommt darin zum Ausdruck, daß alle Blätter lediglich das Motiv >Pferd< gemein haben. So findet sich unter den Blättern mit Kavalleriegefechten auch die Abbildung eines einzelnen Pferdes, bei dem nichts auf den militärischen Kontext hinweist. 5 Die Disparität einer Serie wie der von Martszen läßt es sinnvoll erscheinen, im folgenden ein entsprechend weites Begriffsverständnis zugrunde zu legen, will man den jeweils spezifischen Entstehungsbedingungen der Bildfolgen Rechnung tragen. 1. »Capriccio« »Capriccio« meint eine launenhafte Regung, die geistreich-spielerische Erfindung oder Idee.6 Druckgraphische Folgen jenes Namens bieten »Variationen zu einem oder auch mehreren Themen, wobei es dem Künstler häufig mehr auf die Variation als auf das Thema ankommt.« 7 Auch Jan (Jacob) Martsen, Martss, sowie weitere Schreibweisen. Siehe: Alfred von Wurzbach, Niederländisches Künstlerlexikon, 2 Bde., 1906-1911, hier 2. Bd., 109f. ( N D Amsterdam 1968); THIEME, 24. Bd., 186. Zwischen 5 χ 7,9 und 16,5 χ 25,3 cm, darunter ein Oval. D i e Unsicherheit über den Umfang der Serie läßt sich auch daran erkennen, daß bei Bartsch nur sechs Blätter verzeichnet sind. Siehe Adam Bartsch, Le peintre graveur. Nouvelle edition. Maitres hollondais, 4 Bde., Leipzig 1854-1870, hier 1. Bd., IV, 31 ( N D Hildesheim/Nieuwkoop 1970); vgl. auch BARTSCH, 5. Bd., 6 8 - 7 2 (mit Abb.); HOLLSTEIN I, 11. Bd., 172f. Lucrezia Hartmann, »Capriccio« - Bild und Begriff, Diss. Phil. Zürich, Nürnberg 1973. Siehe des weiteren: Peter Halm, Art. »Capriccio«, in: RDK, 3. Bd., Sp. 3 2 9 335; Werner Busch, Piranesis »Carceri« und der Capriccio-Begriff im 18. Jahrhundert, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 39 (1977), 2 0 9 - 2 2 4 ; ders., Goya und die Tradition des »Capriccio«, in: Max Imdahl (Hrsg.), Wie eindeutig ist ein Kunstwerk?, Köln 1 9 8 6 , 4 1 - 7 4 . Hartmann (Anm. 6), 2.

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Der Begriff »Capriccio« stammt ursprünglich aus der Musik. Es wird vermutet, daß Callot, der als erster die Bezeichnung 1617 zum Titel einer Radierfolge machte, vom Musikleben am Florentiner Hof inspiriert wurde. 8 Wesentliches Merkmal der funfzigblättrigen Folge ist der Verzicht auf ein einheitliches Bildprogramm. Mit der außerordentlich breiten Thematik - es wechseln Ansichten der Stadt Florenz, des Hofes, seiner Feste und Gebräuche, mit Schlachten und pittoresken Einzelfiguren - gab Callot eine Kostprobe seines künstlerischen Könnens. 9 Die Radierungen sollten »die ersten Blüten« künftiger Bemühungen am großherzoglichen Hofe sein, wie er in einem ausführlichen Widmungsblatt an Lorenzo de Medici schreibt. 10 Vermutlich aus dem gleichen Grund führte Callot dabei erstmals eine neue Radiertechnik vor, die Bearbeitung von hartem Firnis (Vernis dur) durch einen besonders geformten Grabstichel (Echoppe). Den Vorzeigecharakter der Arbeit betonen zudem einzelne Blätter mit nur im Umriß radierten Figuren, wie man sie als Übungsanleitung für Stecher kennt. Tatsächlich wurden jene Darstellungen 1621 in Augsburg und Nürnberg nachgestochen und zu einer >Zeichenschule< zusammengestellt." Der publizistische Erfolg der »Capricci« mag dazu beigetragen haben, den Begriff auch dann zu verwenden, wenn nur ein einziges Thema variiert wurde: der Krieg. Schlachtendarstellungen waren in jener Zeit besonders in Italien gefragt. 12 Dort entstanden um 1641 Stefano della Bellas sechs Radierungen Varij Capricij Militär ψ3 und wenige Jahre zuvor die fünfzehnten ige Serie CAPRICCI DI VARIE 8 9

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H a l m ( A n m . 6), Sp. 3 3 1 . » C A P R I C C I di varie Figure di lacopo Callot All Ill[ustrissi]mo & Ecc[eIlentissi]mo S. Principe D O N L O R E N Z O MEDICI«, 5 , 4 χ 8,1 c m , 1. Fassung: Florenz 1617, 2. Fassung: N a n c y 1622. Siehe: J. Lieure, Jacques Callot, 8 Bde., Paris 1 9 2 4 - 1 9 2 9 , N r . 2 1 4 - 2 6 3 , 4 2 9 - 4 7 7 ( N D N e w York 1969); Hartmann ( A n m . 6), 5 7 - 7 2 . Ein Abdruck der Blätter bei T h o m a s Schröder, Jacques Callot. D a s g e s a m t e Werk, 2 Bde., M ü n chen 1 9 7 1 , 9 7 6 - 1 0 2 6 . » L e Stampe [...] s o n o per cosi dire, i primi Fiori che io ho colti nel c a m p o del m i o sterile ingegno. Accetti [...] il dono o, per dir m e g l i o , le primitie delle m i e satiche, douute a lei per o b l i g o di seruitu [...]« (zit. nach Schröder ( A n m . 9), 978). A l s Stecher zeichneten Paul Göttich und Hans Tröschel. Siehe: »Ein N e w e s Reißbüchlein für Die Jugent. Paulus Göttich Aug[sburg]: fecit Excudfit]: A n n o i62i«, ( 1 2 Blätter), vgl.: H O L L S T E I N II, 10. Bd., 183; »Reisbüchlein für die Jugend etc. J. Callot inv. H. Troschel e x c . « , (24 Blätter), zit. nach Georg Kaspar Nagler, N e u e s a l l g e m e i n e s Künstler-Lexikon oder Nachrichten von dem Leben und den Werken der Maler [...], 25 Bde., 2. Aufl., Linz a.D. 1 9 0 4 - 1 9 1 4 , hier 21. Bd., 3 3 9 . Dazu mit weiterführender Literatur John R i g b y Hale, Artists and Warfare in the Renaissance, N e w Häven/London 1990, 1 3 7 - 1 6 8 . »Varij Capricij Militarij di Stef. della Bella«, 8,6 χ 14 cm. Siehe: Phyllis D. Massar (Hrsg.), Alexandre de V e s m e . Stefano della Bella. Catalogue raisonne, 2 Bde., N e w York 1971, Nr. 2 5 8 - 2 6 3 ( N D aus A. d. V e s m e , Le Peintre-Graveur, Mailand 1906, 6 6 - 3 3 2 ) ; Hartmann ( A n m . 6), 77f.

BATTAGLIE des gebürtigen Straßburgers Johann Wilhelm Baur.14 Dessen Seegefechte und Kavalleriekämpfe erzeugen ein hohes Maß an Spannung. Das heftige Aufeinanderprallen der Kontrahenten zeigt die Schlacht als ein dramatisches Ereignis. Im Gegensatz zu Baurs etwa zeitgleich entstandenen Illustrationen zu Giovanni Stradas De hello belgico, lassen sich die Szenen historisch nicht lokalisieren.15 Ziel der Folge ist vielmehr, wie bereits im Titelkupfer angegeben, die Präsentation von Soldaten, Waffen und Kriegsgerät. Nicht jede Kriegsserie mit den charakteristischen Merkmalen des »Capriccio« trägt auch diese Bezeichnung. Stefano della Bellas sechsteiliger Folge ET PACE ET BELLO sind trotz der Ankündigung keinerlei Aussagen über Krieg und Frieden zu entnehmen.16 Die Radierungen entstanden im Auftrag des Marquis de Mauluerie, eines Marineoffiziers im Dienste Ludwigs XIII. Auf das ansprechende Titelblatt mit dem von mächtigen Türmen bewachten Festungseinlaß folgen die schon bekannten Schlachtenpanoramen: ein Seegefecht, Reiterduelle, Pferde in der Etappe. Überhaupt läßt die Graphik eine Vorliebe für die Reiterei erkennen. Jan Martszen d.J. ist hauptsächlich als Lieferant von Kavalleriegefechten hervorgetreten.17 Von der Hand Albert Flamens gibt es ein »Capriccio«, das nur Reiterkämpfe behandelt.18 Insgesamt bleibt festzuhalten, daß unter der Bezeichnung »Capriccio« zahlreiche Bildfolgen entstanden, die ausschließlich militärische Sujets abbilden. Sie lassen sich historisch nicht >verorten< und besitzen damit keinen erkennbaren Bezug zu Geschehnissen des Dreißigjährigen Krieges.19 Die beschriebenen Kriegszyklen verfugen über zwei wichtige Eigenschaften. Ihre Blätter sind lose aneinandergereiht und bleiben auch einzeln verständlich. Zweitens verfügen sie über ein repräsentatives Titelblatt, dem aber kein entsprechendes 14

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»CAPRICCI DI VARIE BATTAGLIE di Gio. Guglielmo Baur. 1635«, 11,3 χ 14 cm. Siehe: HOLLSTEIN II, 2. Bd., 161; Hartmann (Anm. 6), 74ff. Jeweils eine Abbildung bei: Paul Kristeller, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, 4. Aufl., Berlin 1922, 455; Georg Piltz, Deutsche Graphik, Leipzig/Jena/Berlin 1968, 114f. Vgl. Hartmann (Anm. 6), 74f. Unterhalb des Titelkupfers: »Divers desseins tant pour la paix que pour la guerre. Faicts par LABELLE, et dediez A MON seigneur le MARQVIS DE MLVEVRIER, Maitre de la Garderobe de son Altesse ROY ALLE [...]«, Paris 1641, ca. 10 χ 25 cm. Siehe De Vesme (Anm. 13), Nr. 2 6 4 - 2 6 9 . Zu Martszen vgl. Anm. 3. »Divers Combats dediez Monseigneur le Marquis d'Albert - Comte de Sorel, Baron de Chars [...]«, vermutlich Paris nach 1669. Sechs Blätter, 9,7 χ 16,7 cm. Siehe BARTSCH, 6. Bd., 3 2 1 - 3 2 3 . Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Druckfolgen fast ausnahmslos außerhalb Deutschlands entstanden und veröffentlicht wurden. Die Kriegsserien des Stefano della Bella etwa erschienen bei den bedeutenden Pariser Verlegern Henriet und Mariette.

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Schlußblatt gegenübersteht. 20 Nach der Einteilung Cederlöfs hat das »Capriccio« als Kriegs- und Schlachtendarstellung also keinen »Wirklichkeit« beschreibenden, sondern einen »dekorativen« Charakter.21 Hierfür reicht es aus, die bloße Wiedererkennbarkeit soldatischen Lebens auf den Blättern zu gewährleisten. Die zumeist angefugte persönliche Widmung wendet sich an den Auftraggeber, an tatsächliche oder potentielle Abnehmer, und gibt auf diese Weise indirekt Auskunft über den Käuferkreis.22 Abbildungen jener Art waren wohl vor allem >LiebhaberstückeReglement< bekannten SöldJ. B. Kist (Hrsg.), Jacob de Gheyn. Wapenhandlinghe van Roers Musquetten ende Spiessen, Lochern 1971 ( N D der Ausgabe Den Haag 1607). Die Vorzeichnungen entstanden um 1596 im Auftrag Johann von Nassaus und auch die Veröffentlichung scheint von ihm initiiert worden zu sein. Siehe dazu: Plathner (Anm. 27), 89ff.; Kist a.a.O., 15; Hahlweg (Anm. 27), 41*, 52*, 613f. Es war nicht ungewöhnlich, daß ein erfolgreicher Künstler Kriegslehrbücher illustrierte. Dies belegen etwa die ein Jahrhundert zuvor geschaffenen Holzschnitte Jost Ammans zu Leonhart Fronspergers Kriegsbuch. »Hioltzius Invent, et. excud. Ao 1587. Jacques de Gheyn sculp.«, numeriert von 1 12, jeweils mit zweizeiligem lateinischen Kommentar, 20,3 χ 15,5 cm. Siehe BARTSCH, 3. Bd., 381 ff. Mit Ausnahme des Zahlmeisters sind keine Regimentsstellen, wie bei Bartsch behauptet, sondern nur in der Kompanie übliche Positionen wiedergegeben. Vgl. dazu: Wallhausen (Anm. 28), I. Theil, 32 und VI. Theil, 97; Eugen von Frauenholz, Das Heerwesen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, 2 Bde., München 1938/39, 1. Bd. (Das Söldnertum), 2 8 - 3 6 (= Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, 3). Vgl. auch: Eduard Wagner, Tracht, Wehr und Waffen im Dreißigjährigen Krieg, Prag 1980, 86ff.; Georg Ortenburg, Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Landsknechte, Koblenz 1981, insbes. 9 0 - 9 8 (= Heerwesen der Neuzeit, Abt. 1. Das

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nern kommt der mit Beidhänder und Rundschild armierte Rondachier hinzu. Unter dem Funktionspersonal finden sich Trommler, Fähnrich, Profoß und Schreiber. Befehlshaber und Unterführer sind in ihrer Amtswürde durch Trabantenwaffen gekennzeichnet, verzierte, nicht mehr kampftaugliche Langspieße und Hellebarden. 32 Die Numerierung der Blätter läßt keine durchgehende Systematik erkennen. Während etwa der Trommler (Blatt 3) die Befehlshierarchie zwischen Leutnant (Blatt 2) und Fähnrich (Blatt 4) unterbricht,33 ist der Musketier gleich zweimal abgebildet, mit federgeschmücktem Hut (Blatt 6) und mit Morion, dem spanischen Sturmhelm (Blatt 11). Aufbau und Zusammensetzung der Serie richten sich nach den Anforderungen der Werbung. Den prächtig ausgestatteten Kriegern kommt eine Vorbildfunktion zu. Sie sollen den Betrachter für den Militärdienst einnehmen und speziell dem Söldner Möglichkeiten bieten, sich mit seinem Stand zu identifizieren. Der Werbeeffekt stand schon bei den Landsknechtsbildern des 16. Jahrhunderts im Vordergrund. Auf oft satirische Weise offerierten die zumeist im Einblattdruck erschienenen Darstellungen die Abkehr von städtischer Enge und ständischer Unfreiheit. Sie lockten mit fremden Ländern, weckten das Verlangen nach einem abenteuerlichen und ungebundenen Leben. 34 Zum Bereich standesbezogener Propaganda gehört auch das 1609 in Augsburg erschienene Soldatenbüchlein des Lukas Kilian. 35 Die

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Zeitalter der Landsknechte, 1); Christian Beaufort-Spontin, Harnisch und W a f f e Europas. Die militärische Ausrüstung im 17. Jahrhundert, München 1982, 9 5 - 1 4 2 (= Bibliothek f ü r Kunst- und Antiquitätenfreunde, 57). Z u m Trabantenwesen siehe: Ottenburg ( A n m . 31), 45, 90f.; Wendelin Boeheim, Handbuch der Waffenkunde. Das W a f f e n w e s e n in seiner historischen Entwicklung v o m Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Leipzig 1890, 323f. ( N D Graz 1966). Zur Bedeutung des Langspieß vgl. Hugo Schneider, Der Langspieß, in: Der Dreißigjährige Krieg. Beiträge zu seiner Geschichte, Wien 1976, 7 - 2 4 (= Schriften des Heeresgeschichtlichen M u s e u m s in Wien, Militärwissenschaftliches Institut, 7). Zur Befehlshierarchie der niederländischen und deutschen Kompanie vgl. Wallhausen (Anm. 28), I. Theil, 29 u. VI. Theil, 97. Abbildungen von Landsknechten werden in der neueren Forschung zunehmend als Quelle f ü r Standesbewußtsein und Brauchtum herangezogen. Ansätze dazu schon bei Hans-Michael Möller, Das Regiment der Landsknechte. Untersuchungen zu Verfassung, Recht und Selbstverständnis in deutschen Söldnerheeren des 16. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1976 (= Frankfurter Historische Abhandlungen, 12); in überzeugender Form neuerdings bei Reinhard Baumann, Landsknechte. Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg, M ü n chen 1994. » N E W E S - S O L D A T E N BVCH - LEIN - D U R C H L V C A S KILIAN - B V R G E R IN A V G S P V R G - V N D K V P F F E R S T E C H E R - G R A D I E R T V N D AN - T A G . G E B E N . - C. S. C. M. - PRIVILEGIfO]«, auf der Kanone: »1609«, darüber: » I A C T A SIT A L E A « , Titel (16,8 χ 12,2 c m ) und 15 Blätter (16,2 χ 11,5 cm), unten j e w e i l s vierzeilige Verse. Siehe: H O L L S T E I N II, 17. Bd., 160; Krieg, Viel Ehr

Blätter folgen dem von de Gheyn vorgegebenen Schema. Als weitere Chargen der >prima-planarichtig< wiedergegeben. 43 Aufbau und Konzeption der Blätter geben zu der Vermutung Anlaß, daß Callot de Gheyns Kuenstliche Waffenhandlung gekannt hat. 44 Die in das Soldatenbüchlein eingegangene Druckgraphik läßt sich nicht in >freie< Kunst und >abhängige< Illustration trennen. Dies ergibt sich schon aus dem Verwendungszweck und der Beteiligung bedeutender Künstler. Auch die heute üblicherweise getrennten Aufbewahrungsorte, Kunstsammlung oder Bibliothek, sollten darüber nicht hinwegtäuschen. Der Begriff »Büchlein« kann über die bloße Formatsangabe hinaus im Verständnis der Zeit durchaus wörtlich genommen werden. Gemeint ist nicht nur die >Loseblattsammlung< von Militärthemen oder Ornamentstichmotiven. 45 Wenn Sandrart Callots »Capric[c]io-Büchlein« erwähnt oder von der Kriegsfolge als einem »verwunderliche(n) Büchlein genant Le Misere della Guerre als ein besonder ausgesonnenes Werk von des Krieges Jammer, Elend und Noht« spricht, 46 können wir tatsächlich ein gebundenes Buch oder Heft annehmen, aus dem später die Kupfer herausgelöst wurden. Wie an Jacob de Gheyns Kuenstlicher Waffenhandlung oder Stefano della Bellas ET PACE ET BELLO deutlich wird, waren beide Formen militärischer Bildfolgen gleichermaßen dazu geeignet, zum Ansehen der Künstler beizutragen. Dennoch handelt es sich bei den für das Soldatenbüchlein entworfenen Illustrationen um eine zweckorientierte, wenn auch nicht >wertfreieniederenatürliche< Erklärung zu geben schien und deren symbolische Zeichenhaftigkeit als göttliche Botschaft gedeutet wurde, zählten insbesondere Kometen. Den Schweifsternen der Jahre 1618, 1654/55 und 1680 folgte mit jeweils weit über einhundert Titeln eine wahre Flut von Flugschriften. 154 Dem Inhalt nach auf Buße und Erbauung gerichtet, wurde hier einer schwankenden Christenheit Gottes letzte Mahnung entgegengehalten. »Wer dieses Ultimatum mißachtete, wer seine Sünden nicht bereute und Buße tat, dem drohte der göttliche Zorn, dem drohten die in vielen Kometenschriften erwähnten göttlichen Strafen.« 155

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Siehe Bernd Roeck, Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg zwischen Kalenderstreit und Parität, Göttingen 1989, 32^16, 71—87 (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 37). Zu den bedeutendsten Chronisten j e n e r Tage, Georg Kölderer und Jerg Siedeier siehe auch ders.. Als wollt die Welt (Einl., Anm. 3), 9-66. »Wunderwerck, Erschröckliche, vnd N e w e Zeyttung, so sich vnlangst, im December des verschienen 1618. Jahrs, wie auch in disem 1619. Jahr, inn Vngern vnd an mehr Orthen zugetragen, vnd für glaubwürdig geschriben worden,« Augsburg (bei Georg Kreß) 1619. Zit. nach N e w e Zeitungen, Relationen, Flugschriften, Flugblätter, Einblattdrucke von 1470-1820, Katalog 70 von J. Halle, München 1929 ( N D N i e w k o o p 1967), Nr. 813 (mit ausführlicher Beschreibung). Genaue Angaben bei: Hans Ludendorff, Die Kometen-Flugschriften des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Zeitschrift f ü r Bücherfreunde 12 (1908/09), 2. Bd., 5 0 1 - 5 0 6 ; Hartmut Lehmann, Die Kometenflugschriften als historische Quelle, in: Literatur und Volk (Einl., Anm. 66), 6 8 3 - 7 0 0 . Vgl. auch: Gerhard Dünnhaupt, »Neue Kometen - böse Propheten«. Kometenflugschriften in der Publizistik der Barockzeit, in: Philobiblon 18 (1974), 112-118; Art. »Kometen«, in: PReCA, 21. Hlbbd., Sp. 1143-1193; Stegemann, Art. »Komet«, in: HDA, 5. Bd., Sp. 89-170. Lehmann, Kometenflugschriften (wie Anm. 154), 685. Folgende Titel weisen besonders auf den Erbauungscharakter hin: »Göttlicher Buss-Wecker, oder feurige

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Die drei 1618 über längere Zeit in ganz Europa gesichteten Kometen 156 wirkten auf die Zeitgenossen zunächst nur wie unbestimmte Vorboten kommenden Unheils. 157 Der Augsburger Stadtbibliothekar Elias Ehinger notierte: »Insgemein bedeutet er Krieg vnd Blutuergiessen / Theurung vnnd ein Sterbendt [...]. Vnd ist zubesorgen / es werden sich in etlich Jahren grosse verenderungen der Herrschaften begeben / mit jaemerlichen Kriegen vnd A u f f r u e h r vnter grossen Herren / vnd auch vnter dem gemeinen man / vnnd wirdt grosse Verfolgung sein. G r o ß j a m m e r vnd elend wird allenthalben die gantze Welt durchstreiffen / mit Kriegen / Blutuergiessen / Rauben / Morden vnd Brennen / grosse Theurung / Hunger vnd Pestilentz.« 1 5 8

Aber schon im Verlauf des Krieges sahen die Publizisten in jenem zurückliegenden Himmelsschauspiel den offiziellen Auftakt für den Beginn der Kampfhandlungen. Simeon Partliz berichtet 1631 in seiner anläßlich der großen Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn verfaßten Sternwarnung über den Kometen von 1618: »Diser schroecklicher Comet hat einen Religion= vnnd Pfaffen Krieg angedeutet / welches sich auch alsbalden im Koenigreich Boehmen angefangen / vnd weret noch heutiges Tages.« 159 Für den Autor des Flugblattes Abbildung des Neuen Comet= und Wunder=Sterns, welches den als Warnung vor den Türken ausgelegten Kometen von 1664 mit demjenigen von 1618 vergleicht, war es offenkundig, daß der damalige Schweifstern 30 Tage >gebrannt< und somit exakt die Dauer des Krieges angezeigt habe: »(Die jetzt) angezuendete Goettliche Zorn= Fackel / ist vermuthend viel groesser[er] Kriegs=Wuerckung / und

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Straff-Ruthe« (1675), »Göttliche Wunder- und Warnungswerke« (1676), »Göttliche Straff und Heimsuchungs-Zeichen« (1680). Zit. nach Lehmann, passim. In den Flugschriften wurden die im Oktober, N o v e m b e r und Dezember 1618 beobachteten Kometen zumeist auf ein und denselben Himmelskörper zurückgeführt. Zwei Sammelbände der H A B (49 Astron.) und der SBA (4° Math. 139) enthalten rund 20 bzw. 50 Flugschriften über den Kometen von 1618. Ein leicht zugänglicher Überblick bei: Paul Hohenemser, Flugschriftensammlung Gustav Freytag, Frankfurt a.M. 1925, Nr. 2 2 3 - 2 4 0 ; Ernst Zinner, Geschichte und Bibliographie der astronomischen Literatur in Deutschland zur Zeit der Renaissance, 2. Aufl., Stuttgart 1964, hier 3 7 0 - 3 8 1 , 474f. Elias Ehinger, I V D I C I V M A S T R O L O G I C V M . Von dem N e w e n C O M E T A [...], Augsburg (1618), Bi(v+r). Benutztes Expl. HAB, 49 Astron. (4). Die A u f z ä h l u n g der einzelnen Unglücksereignisse ist in den Flugschriften nahezu kanonisch und findet sich in ähnlicher Form bereits im 16. Jahrhundert. Zu den Augsburger Kometenflugblättern vgl. Eduard Gebele, Augsburger Kometeneinblattdrucke, in: Das Schwäbische Museum (1926), 89-94. Simeon Partliz, Eine newe / jedermaenniglichen sehr nutzliche Stern Warnung / Von sehr grossen schrecklichen Veraenderungen / so auff die grosse Z u s a m m e n kunfften der beyden hoechsten Planeten Saturni vnd Jovis in dem fewrigen Triangel von A n f a n g der Welt / biß auf 1631. Jahr her erfolget / vnd w a s noch kuenfftig biß 32.33.34 vnd 35. Jahren / gutes oder boeses in der gantzen Welt hieraus [zu] vermuthen [...], 1631 (unpag.). Benutztes Expl. BSB, Res.4 P.518,25. Vgl. Hohenemser (Anm. 157), Nr. 254.

anderen Unheils / als dessen Anno 1618. sich 30. Tage ueber gantz Europa gewiesen / und darauf der blutige dreyssigjaehrige Krieg (ausgebrochen ist).« 160 Selbstredend hielt man es aus Erwerbsgründen für geboten, den vergangenen Kometen zu verharmlosen, um die Einzigartigkeit des aktuellen Himmelszeichens gebührend hervorheben zu können. Für die schlimme Kunde des Kometen von 1618 wurden in erster Linie die negativen Einflüsse von Mars und Saturn verantwortlich gemacht. Dies hat seine Ursache zunächst darin, daß man nach Plinius die fünf damals bekannten Planeten für die Erzeuger der Kometen hielt, die damit auch ihre Eigenschaften vererbten.161 Der gesichtete Komet sei in Bezug auf Helligkeit und Farbe »de nature Saturni vnnd Maitis / weil er nicht so klar / sondern vielmehr tunckel / nueblicht vnnd bleichroth anzusehen gewesen.« 162 Da sich zudem Mars und Saturn in einer besonderen Stellung zueinander befanden, wurde das Erscheinen des Kometen mit der »erschreckliche[n] Coniunction« beider Planeten erklärt.163 Nach einer in den Flugschriften häufig zitierten Beobachtung des Johann Baptist Hebenstreit, Rektor am Ulmer Gymnasium, habe sich genau am 24. November 1618 »der schimmernde Mars gantz innerhalb des [...] Cometen gehalten / vnd daraus fast scheinbar gefunckelt.« 164 Die wohl prononcierteste Äußerung über den tieferen Sinn der nächtlichen Erscheinung findet sich bei Paul Hintzsch. Er deutet die Leuchtspur des Kometen als »Flagelli

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»Abbildung deß Neuen Comet= und Wunder=Sterns / Wie sich derselbe in den Innern Oesterreichischen Landen [...] M o r g e n d s zwischen 2. und 3. Uhren den 12. dieses 1664sten Jahrs / mit erschrecklicher Entsetzung der Anschauenden / hat sehen lassen,« Nürnberg (bei Paulus Fürst) 1664. Siehe H A R M S I, 195. Vgl. Art. »Kometen« (Anm. 154), Sp. 1156. Johann Kaspar Odontius, (kyrillisch) Das ist: Eygentliche / Gruendliche beschreibung deß im N o v e m b e r vnd D e c e m b e r erschienenen Cometen [...], Nürnberg 1619, Cii(r). Benutztes Expl. HAB, 49 Astron. (8). Augustin Rademan, Gründliche und warhafftige Beschreibung, des grossen und erschreckliche Cometen, Der mit gewisser Muthmassung in dem Monat Octobris, dieses 1618. Jahrs, seine Entzündung empfangen, Worzu sonderliche Andeutung, die grosse, erschreckliche Coniunction des Saturni et Martis, den 10. Octobr. des obgemelten Jahrs, Erfurt 1619. Zit. nach H o h e n e m s e r ( A n m . 157), Nr. 238. Johann Baptist Hebenstreit, C o m e t e n Fragstueck / auß der reinen Philosophie, Bey A n s c h a w u n g deß in diesem 1618. Jahr / in dem Obern Lufft schwebenden C O M E T E N [...], Ulm 1618, Aiii(r). Benutztes Expl. HAB, 49. Astron. (7). Neben der Vorstellung von der Abkunft der Kometen gehen auch die Überlegungen zu ihrem Entstehen letztlich noch auf Aristoteles zurück. Hiervon zeugt Hebenstreits Annahme, daß sich die A b w ä r m e der Erde in einer speziellen Luftschicht a n s a m m e le, hier »Obern Lufft« genannt, in der sich die Kometen bilden und »entzünden«. Vgl. Rademan (Anm. 163).

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Saturni & Martis«, himmlische Geißeln, die auf Gottes Zorn über die sündige Welt schließen lassen.165 Viele der Kometenschriften lesen sich als Vorschau auf die hereinbrechenden Kriegsereignisse. Wie ein Abbild des bedrohten friedlichen Zusammenlebens mutet es an, wenn auf der Titelvignette des DISCVRS Vom Cometen die barfüssige >Europa< auf ihrer Kugel händeringend nur mühsam das Gleichgewicht wahren kann.166 Ihre Stellung ist gleichermaßen vom Himmel wie von der Erde aus in Gefahr. Ein gerüsteter Mars tritt ihr mit Fackel und Schwert entgegen, von einer Wolke aus greift Saturn - ungewöhnliche Darstellung einer Frau mit Flammengewand - in das Geschehen ein. Mars und Saturn >machen mobilUnglücksplaneten< nochmals zu Einsicht und Umkehr aufrufen sollte. >Arte et Marte< Die Zwillingsformel >Arte et Marte< oder >armis et literis< bezeichnete Bestrebungen des adeligen oder bürgerlich-gelehrten Humanismus, Humanität gleichermaßen durch Wissenschaft und Kunst wie durch Krieg zu bewirken. Für den deutschen Späthumanismus bietet Heinrich Rantzau (1526-1598) ein vergleichsweise gut erforschtes Beispiel, wie mit Hilfe künstlerisch-literarischer Anstrengungen das Bild einer >nobilitas erudita< entsteht, eines Mannes, der nicht nur das Kriegshandwerk, sondern auch das Gesetzbuch, sowohl Mars als auch Ars beherrschte.167 165

Paul Hintzsch, Hypographe (griechisch) Flageiii Saturni & Martis, Das ist: Beschreibung des erschrecklichen Cometsterns / welcher im Octobri, Novembri vnd Decembri des 1618. Jahrs / in plaga Septentrionali oder Mitternaechtischem Himmel / vnter dem dodecatimorio der Wage vnd Himlischen Bilde dem Booti erschienen [...], Leipzig 1619. Benutztes Expl. HAB, 259.1 Quod. (3). Vgl. Hohenemser (Anm. 157), Nr. 234. 166 D a v j(i Herlitz, Kurtzer DISCVRS Vom Cometen / vnnd dreyen Sonnen / so am ende des 1618. Jahrs erschienen sind [...], Stettin 1619. Benutztes Expl. HAB, 42.7 Astron. (18). 167 Siehe insbesondere: Dieter Lohmeier, Heinrich Rantzau und die Adelskultur der frühen Neuzeit, in: Arte et Marte. Studien zur Adelskultur des Barockzeitalters in Schweden, Dänemark und Schleswig-Holstein, hrsg. von Dieter Lohmeier, Neumünster 1978, 6 7 - 8 4 (= Kieler Studien zur deutschen Literaturgeschichte, 31); Richard Haupt, Heinrich Ranzau und die Künste, in: Zeitschrift für SchleswigHolsteinische Geschichte 56 (1927), 1-66; Reimer Hansen, Krieg und Frieden im Denken und Handeln Heinrich Rantzaus ( 1 5 2 6 - 1 5 9 8 ) , in: Krieg und Frieden im Horizont des Renaissancehumanismus, hrsg. von Franz Josef Worstbrock, Weinheim 1986, 125-138 (= Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung der DFG, 13); Wolfgang Harms, Verbindungen von Fama, Memoria, Vanitas und Tod um Heinrich Rantzau, in: Stephan Füssel/Joachim Knape (Hrsg.), Poesis et pictura.

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Ließ sich Heinrich in jüngeren Jahren als Krieger im Harnisch porträtieren, 168 sieht man ihn auf den Altersbildern mit Toga und Buch. 169 Die auf der Tugend beruhende >Bezwingung< des Mars verdeutlicht sich nicht zuletzt in seinem Wahlspruch: »Tapferer, wer sich selbst als wer die gewaltigsten Mauern Kämpfend besiegt; nie fand Tugend ein höheres Ziel.« 1 7 0

Die Beschreibung des Dreißigjährigen Krieges mittels der Person des Mars war den Zeitgenossen allgegenwärtig. Poesie, Dichtung und Drama erwähnten ihn, astrologischer Auffassung getreu, als wilden und strengen Gesellen, auf dessen Betreiben hin der Friede seinen Abschied nehmen mußte. 171 Der antike Kriegsgott verkörperte aber

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Studien zum Verhältnis von Text und Bild in Handschriften und alten Drucken, Festschrift für Dieter Wuttke zum 60. Geburtstag, Sonderbd. der Saecula spiritalia, Baden-Baden 1 9 8 9 , 3 3 7 - 3 4 6 . Siehe die Stiche von Jacob Mores (1574) und Hendrik Goltzius (1580) bei Haupt ( A n m . 167), Tafel 2, 3, 5 und Hansen (Anm. 167), 133. Siehe die »Effigies togata« bei Haupt (Anm. 167), Tafel 7, 9, 10. Heinrich hat den Gegensatz von Harnisch und Toga bewußt gewählt. Auf Tafel 9 erscheinen folgende Distichen: »Hactenus armatum nunc m e sculpsere togatum, - N a m q u e annis habitus convenit ille meis. - Dum postrema mihi f e r m e iam vivitur aetas: A r m a viros ornant: Sed toga longa senes.« »Fortior est qui se, quam fortissima vincit - Moena, nec virtus altius ire potest.« (Übersetzung nach Haupt; zit. nach Hansen (Anm. 167), 132). Der gelehrte Jurist und Poet Nikolaus Reusner widmete seinem Gönner Heinrich Rantzau die Verse: »Sunt duo, quae faciunt, ut quis sit nobilis; Ars, Mars: Maior ab arte venit gloria, Marte minor.« (In: Heinrich Rantzau, Genealogia Ranzoviana, erweit. Aufl., Helmstedt (nicht vor 1587), Abschnitt » D e Familia Ranzoviana« (ungez. Seite); zit. nach Harms, Fama (Anm. 167), 345 mit A n m . 29). Neben dem im 18. Kapitel des 1. Buches geschilderten Traum des Simplicissimus von einem »Baum / auff dessen Gipfel sasse der Kriegs-Gott Mars, und bedeckte mit deß Baums Aesten gantz Europam« (zit. nach »Der abentheurliche Simplicissim u s Teutsch«, in: Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen, Werke 1,1, hrsg. von Dieter Breuer, Frankfurt a.M. 1989, Bibliothek der frühen Neuzeit, Zweite Abt., Literatur im Zeitalter des Barock, 4/1, 67f.) gehören wohl die »Trost-Getichte in Widerwertigkeit des Krieges« von Martin Opitz zu den bekanntesten Zeugnissen einer unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Kriegsgeschehen. Ende 1620 oder im Frühjahr 1621 entstanden, beschreibt Opitz hier den Machtantritt des Mars: »Die grosse Sonne hat mit jhren schönen Pferden - Gemessen dreymal nun den weiten Kreiß der Erden/ - Seit das der strenge Mars in vnser Deutschland kam/ - Vnd dieser schwere Krieg den ersten A n f a n g nahm« (zit. nach Martin Opitz. G e s a m m e l t e Werke, Kritische Ausgabe, hrsg. von George Schulz-Behrend, (bisher 4 Bde.), Stuttgart 1968-1990, hier 1. Bd., 191-266, 193). In Paul Flemings » N E U E - J A H R S O D E « von 1633 wird der Kriegsgott zur Abrüstung aufgerufen: »Stelle deine Schlachten ein, - Mars, und lerne milder sein, - Tu die W a f f e n ab und sprich: - Hin, Schwert, was beschwerst du mich!« (Zit. nach Irmgard Weithase, Die Darstellung von Krieg und Frieden in der deutschen Barocklyrik (= Studienbücherei, Hft. 14), Weimar 1953, 8 2 - 8 5 , 82). Bei Johann Rist wird das Ende des Krieges mit folgenden Worten beschworen: »Wann bringet man den Mars aus Teutschland auf den Lauf?

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nicht nur die zerstörerischen Kräfte des Krieges, sondern stand, wie in der Kriegsserie (»So kan doch auch zugleich, die Kunst viel nuzn schaffn«) für dessen schöpferisches Potential. Ausgehend von der ambivalenten Bedeutung der Athene-Minerva, die sowohl Göttin der Wissenschaften und Künste, aber auch der Krieger und Helden war, gab zudem die sprachliche Nähe von >Mars< - dem griechischen Ares - und >Ars< Anlaß genug, zur Gegenüberstellung kriegerischer und friedlicher Handlungen. Da das Militärwesen als Wissenschaft den Künsten zugeordnet war, wurden >Arte< und >Marte< in den Lehrbüchern der >Kriegskunst< grundsätzlich als zwei Seiten derselben Medaille aufgefaßt. Speziell in Titeln über das Festungsbauwesen wird neben den wissenschaftlichen, im heutigen Sinne technischen Anforderungen auch der künstlerische Nutzen betont.172 Dies läßt sich auf dem einer Fassade nachgebildeten Titelkupfer173 der Ausgabe des Kriegsmanuale von 1616 ablesen.174 Die in den vier Wandnischen postierten Soldaten stehen

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[...] ich will Irenen (Irene, die Göttin des Friedens; Anm. des Verf.) loben, - Sie ist voll Freundlichkeit, Mars aber frech und wild.« (Aus: »An die christlichen Fürsten und Herren in Deutschland. Ermahnung zur Wiederbringung des edlen Friedens und Wiederaufrichtung rechtschaffender, beständiger Liebe und Einigkeit«, zit. nach Weithase a.a.O., 111-114, 11 lf.). Johann Rist ( 1 6 0 7 - 1 6 6 7 ) gehörte, wie der Nürnberger Sigmund von Birken ( 1 6 2 6 1681), zu denjenigen Dichtern, für die der Krieg im Zentrum des künstlerischen S c h a f f e n s stand. In Rists historisch-politischem Drama »Das Friedejauchzende Deutschland« heißt es im »Klag-Lied der Gefangenen und vielfältig Geplagten drei Hauptstände in Deutschland« (1. Handlung, 1. Aufzug): »Himmel, laß doch unser Klagen - Steigen auf in dein Gezelt, - Und verrinnen die schweren Plagen, Welche Mars uns hat bestellt, - Wüterich führt uns gefangen, - Wüterich, der wilde Mann, Friede, Friede komm heran, - Und erfüll' uns dies Verlangen!« Zuletzt wird nach der Vertreibung des Mars das »Triumphlied Der siegesprachtenden Kinder, welche den edlen Frieden nach Teutschland begleiten« angestimmt (3. Handlung, 5. Aufzug): »Triumph, Triumph, der Mars ist fort, - Hinftiro wird noch Raub noch Mord, - Das teutsche Volk tyrannisieren, - Nun können wir in Fried' und R u h ' - All unser Leben bringen zu [...].« (Zit. nach Weithase a.a.O., 115, 127). »Eine Wissenschaft ist die Fortifikation ohne Zweifel, dieweil sie ire Fundament und alle Formal Vollkommenheit von den Mathematicis sientijs hat [...]. Vnd indeme die Fortifikation mit gewissen vnd determinirten Reguln das unzweiffelhaffte Ende, einen Situm zu fortificiren vnd zu verteidigen, proponiret, so ist sie auch eine Kunst.« (Aus: Buonaiuto Lorini (1540-1611), Fünff Bücher Von Vestung Bauwen, Franfurt a.M. 1607, zit. nach Hartwig N e u m a n n , Architectura Militaris - Kriegsbaukunst. 16. bis 19. Jahrhundert, in: Ausstellungskat., Architekt und Ingenieur. Baumeister in Krieg und Frieden, Braunschweig 1984, 2 8 7 - 3 0 2 , 287 (= Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, 42); vgl. dazu auch Hartwig Neumann, Bücher zur Architectura militaris, a.a.O., 3 4 9 - 3 9 2 ) . Zu den mit der Auswertung solcher >Deckblätter< verbundenen methodischen Problemen siehe Bernd Roeck, Titelkupfer reichspublizistischer Werke der Barockzeit als historische Quellen, in: Archiv für Kulturgeschichte 65 (1983), 3 2 9 - 3 7 1 . Johann Jacobi von Wallhausen, Manuale Militare, Oder Kriegß Manual, Frankfurt a.M. 1616. Abb. des Titelkupfers bei Martin Bircher, Deutsche Drucke des Barock

für die einzelnen Waffengattungen. In der Giebelzone umschließt die Aufschrift »ARTE ET MARTE« das Konterfei Wallhausens, flankiert von Personifikationen der >Architectura< und >GeometriaErbauIiche< nach 1600 zur wichtigsten Literaturgattung überhaupt entfalten konnte. Erbauung Erbauung,3 eine Eindeutschung von >aedificatio< - bei Paulus für den Bau des geistlichen Hauses der Gemeinde - wurde in Schrifttum und religiöser Praxis als »analoge biblische Metapher vom zu bebauenden Acker des Herzens mit Frucht und Ernte der geistlichen Nahrung« 1 2 3

Zit. nach Weithase (II. Kap., Anm. 171), 41. Dazu Weithase (II. Kap., Anm. 171), 37ff. M. Doerne, Art. »Erbauung« und F. Bartsch/F. Heiler, Art. »Erbauungsliteratur«, in: RGG, 2. Bd., Sp. 5 3 8 - 5 4 0 und 5 4 0 - 5 4 7 ; H. Schlier/R. Angermair, Art. »Erbauung«, in: LThK, 3. Bd., Sp. 959-962; Rudolf Mohr, Art. »Erbauung III«, in: T R E , 10. Bd., 5 1 - 8 0 , insbes. 5 7 - 6 3 ; Ute Mennecke-Haustein, Art. »Erbauungsliteratur«, in: EKL, 1. Bd., Sp. 1058-1064; besonders instruktiv neuerdings M. Ottmers, Art. »Erbauungsliteratur«, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hrsg. von Gert Ueding, (bisher 2 Bde.), Tübingen 1992ff., 2. Bd., Sp. 1347-1356. Speziell zur evangelischen Erbauungsliteratur siehe: Hermann Beck, Die Erbauungsliteratur der evangelischen Kirche Deutschlands. Erster Teil, Von Dr. M. Luther bis Martin Moller, Erlangen 1883 (nur ein Teil erschienen); Constantin Große, Die alten Tröster. Ein Wegweiser in die Erbauungsliteratur der evangelisch-lutherischen Kirche des 16. bis 18. Jahrhunderts, Hermannsburg 1900; Paul Althaus, Forschungen zur evangelischen Gebetsliteratur, Gütersloh 1927 ( N D Hildesheim 1966). Ein Überblick über neuere Forschungsansätze bei Hans-Henrik Krummacher, Überlegungen zur literarischen Eigenart und Bedeutung der protestantischen Erbauungsliteratur im frühen 17. Jahrhundert, in: Rhetorik 5 (1986), 9 7 - 1 1 3 (zuerst abgedruckt in Acta Litteraria Academiae Scientiarum Hungaricae 26 (1984), 145-162).

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verwendet. 4 Davon zeugen Titelbezeichnungen wie Hortus und Hortulus, Baum-, Palm-, Blumen-, Liebes- oder Paradiesgärtlein. Das der Erbauung nach Brückner innewohnende Strukturprinzip, die durch meditativ-kontemplative Andacht vermittelte imaginative Betrachtung, ein auf Askese gerichtetes inneres, also geistiges Lesen und Schauen, 5 bezieht sich in der speziell Tod und Sterben thematisierenden Trostliteratur auf das zwischen Himmel und Hölle zu bewahrende Seelenheil. »(Über) des Himmels vnd der Hellen Zustandt / sampt aller gelegenheit der Seligen vnd Verdampten. Allen frommen Christen zu tröste / Aber den verstockten Suendern zur warnung« heißt es im Untertitel eines erbaulichen Traktates.6 >Andacht< und >BetrachtungWarnung< und >Trost< sind immer wiederkehrende Leit- und Funktionsbegriffe erbaulicher Argumentation. Sie finden sich im Sterbebüchlein, das in erweiterter Form die Tradition der spätmittelalterlichen Ars moriendi7 weiterführte, ebenso wie in der Leichenpredigtsammlung, 8 einer Kompilation, die dem Brückner, Thesen (Einl., Anm. 66), 501. Siehe die Synopse bei Brückner, Thesen (Einl., Anm. 66), 507. Bartolomaeus Ringwalt, Von dem trewen Eckardt / so zween Tage vnnd z w o Naechte in seiner Kranckheit im Geiste verzuckt gelegen [...], Hamburg (bei Hermann Moller) 1602. Benutztes Expl. H A B , 128.5 Poet. Das 1589 verfaßte Werk wurde mehrfach aufgelegt. Wie der Autor, der evangelische Pastor Bartolomaeus Ringwalt, im Vorwort feststellt, wollte er seine Wundergeschichte als eine »feine geistliche Parabel« über diejenigen verstanden wissen, die sich »gar schrecklich / liederlich / spoettisch vnd leichtfertig« gegenüber des » H i m m e l s vnd der hellen gelegenheit« verhielten (Vorrede, Av). Rainer Rudolf, Ars moriendi. Von der Kunst des heilsamen Lebens und Sterbens, Köln/Graz 1957 (= Forschungen zur Volkskunde, 39). Der von Rudolf, ebda., XVII vorgenommenen Abgrenzung zwischen Contemptus mundi, M e m e n t o mori und Totentanz als A u f f o r d e r u n g zum »heilsamen Leben«, im Gegensatz zur Ars moriendi als der Kunst des »heilsamen Sterbens«, ist nicht zuzustimmen. Zwar diente die Ars moriendi als kodifizierte Handreichung dem Pfarrer zum Dienst am Sterbenden, sie besaß aber i m m e r zugleich eine erbauliche Funktion. Schon im Vorläufer der Ars moriendi, Seuses »Wie man sol lernen sterben, und wie ein unbereiter tot geschaffen ist«, antwortet die Ewige Weisheit (= Heilige Dreifaltigkeit) dem Diener (= Prediger): »I. Ich wil dich leren sterben, II. und ich wil dich leren leben [...]« (»Büchlein der Ewigen Weisheit«, zit. nach Karl Bihlmeyer (Hrsg.), Heinrich Seuse. Deutsche Schriften, Stuttgart 1907, 196-325, hier 279, N D Frankfurt a.M. 1961). Neuerdings findet Rudolf zu einem differenzierteren Urteil. Siehe ders., Art. »Ars moriendi I«, in: T R E , 4. Bd., 143-149, insbes. 147 (Die Sterbekunst in den Erbauungsbüchern); vgl. auch Rudolf Mohr, Art. »Ars moriendi II«, in: TRE, 4 Bd., 1 4 9 154, insbes. 15lf. (Ars moriendi als ars bene vivendi). Eine kritische Würdigung des heutigen Forschungsstandes nebst vollständiger Bibliographie bei Nigel F. Palmer, Ars moriendi und Totentanz: Zur Verbildlichung des Todes im Spätmittelalter. Mit einer Bibliographie zur »Ars moriendi«, in: Tod im Mittelalter, hrsg. von A r n o Borst u.a., Konstanz 1993, 313-334 (= Konstanzer Bibliothek, 20). Rudolf Mohr, Protestantische Theologie und Frömmigkeit im Angesicht des Todes während des Barockzeitalters, hauptsächlich auf Grund hessischer Leichenpredigten, Diss. Theol. Masch., Marburg 1964; Eberhard Winkler, Die Leichenpredigt im

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Pastor als Rüstzeug und der Gemeinde zur Andacht diente. Diese Verbindung macht deutlich, daß unter dem Erbauungsaspekt zwischen Leichenpredigt und Trost- oder Sterbeschrift nicht unterschieden werden kann.9 Wie schon bei der Ars moriendi kam hierbei Abbildungen eine wichtige Rolle zu. 10 Der Intention dieser Bücher, mit Hilfe der >Permotio< den Gläubigen bei (Leb)Zeiten aufzurütteln,11 um seine Sinne auf Tod und Sterben zu richten, konnte durch den Einsatz >schrecklicher< Bilder Nachdruck verliehen werden. Dabei reichte die Bandbreite von der einfachen Holzschnittvignette mit der Abbildung eines Totenkopfes oder Knochenmannes 12 über bisweilen

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deutschen Luthertum bis Spener, München 1967 (= Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus, Zehnte Reihe, 34); Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, hrsg. von Rudolf Lenz, 3 Bde., 1 Köln/Wien 1975, 2 und 3 Marburg a.d. Lahn 1979/1984; siehe auch ders., Art. »Leichenpredigt«, in: TRE, 20. Bd., 6 6 5 - 6 6 9 . Winfried Zeller, Leichenpredigt und Erbauungsliteratur, in: Lenz 1 (Anm. 8), 6 6 81, 66. Zum Problem der gattungsmäßigen Unterscheidung zwischen Trost-, Trauerund Sterbeliteratur siehe Peter von Moos, Consolatio. Studien zur mittelalterlichen Trostliteratur über den Tod und zum Problem christlicher Trauer, München 1971/72, insbes. 33ff. (= Münstersche Mittelalter-Schriften, 3,1^1). Der unmittelbare Z u s a m m e n h a n g von Leichenpredigt und Trostschrift tritt beispielhaft im Titel der in drei Teilen erschienenen Leichenpredigtsammlung des Johann Heermann zutage: 1. T.: »Christianae eutanasias statuae: Lehr vnd ErinnerungsSeulen [...] In Trawer= vnd Trost= Predigten / bey f r o m m e n Christen Leichbegaengnuessen / erbawet vnd auffgerichtet«, 2. T.: » S C H O L A MORTIS: Todes=Schule [...] Darinnen wir Sterbliche Selig zu sterben richtig vnterwiesen: wider Noth vnd Tod kraefftig getroestet: vnd fuer Sicherheit trewlich gewarnet werden«, Braunschweig 1642, 3. T.: »Gueldne Sterbe=Kunst [...] Wie sich eine iede GOttergebene Seele zu fleissiger Todes=Betrachtung taeglich a u f f m u n t e r n [...] vnd zu andencklichen herrlichen Trost beym letzten druecken noch segnen solle«, Leipzig 1678. Zu Heermann siehe Carl Alfred Zell, Untersuchung zum Problem der geistlichen Barocklyrik mit besonderer Berücksichtigung der Dichtung Johann Heermanns (1585-1647), Heidelberg 1971 (= Probleme der Dichtung. Studien zur deutschen Literaturgeschichte, 12); zur Leichenpredigt bei Heermann siehe Winkler (Anm. 8), 135ff. Unter der S a m m l u n g des Rostocker Pastors und Superintendenten Heinrich Müller ( 1 6 3 1 - 1 6 7 5 ) finden sich zwei Leichenpredigten zum Thema »Von der Kunst, selig zu sterben« (Winkler (Anm. 8), 165). Die Ars moriendi bestand in der ursprünglichen Form jeweils zur Hälfte aus Texten und Holzschnitten. Brückner, Thesen (Einl., A n m . 66), 507. Krummacher (Anm. 3), 109 verweist dabei auf die bewußte V e r w e n d u n g rhetorischer Mittel zur Steigerung der Affekte. Es gehe um die »absichtsvolle Ergänzung des docere durch das delectare und vor allem das movere« mit dem Ziel einer »stärkere(n) Besinnung auf die persuasorische Einwirkung auf die A f f e k t e als ureigenste Möglichkeit der Rhetorik.« Rudolf Mohr, Der Tote und das Bild des Todes, in: Lenz 1 ( A n m . 8), 82-121; Christa Pieske, Die druckgraphische Ausgestaltung von Leichenpredigten. Typologie und Ikonographie, in: Lenz 2 (Anm. 8), 3 0 - 3 5 . Siehe auch W o l f g a n g Eckart, Die Darstellung des Skeletts als Todessymbol in der Sinnbildkunst des 16. und 17. Jahrhunderts, 1, in: Studien zur Thematik des Todes im 16. Jahrhundert, hrsg. von Paul Richard Blum, Wolfenbüttel 1983, 21^17 (= Wolfenbütteler Forschungen, 12).

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komplexe emblematische Darstellungen13 bis hin zur umfangreichen, dem Trostbuch beigefügten Totentanzfolge. Der belehrende Tod in Schrift und Bild Die Belehrungen Sirachs nehmen in der Tod und Sterben thematisierenden Literatur eine herausgehobene Stellung ein. Wie Mohr an hessischen Beispielen belegen kann, steht für die Leichenpredigt jener Abschnitt im Vordergrund, der die angemessene Totentrauer behandelt (Sirach 38,16-24). 14 Sirachs Anweisung, es hiermit nicht zu übertreiben - »tröste dich auch wieder, daß du nicht (allzu) traurig werdest« (38,18, 2. Halbsatz) - wurde auch für die Seelsorge bedeutsam. Valerius Herberger (1562-1627)15 fordert in der Vorrede zum ersten Teil der Geistlichen Trauerbinden in Auslegung des Spruches 38,16 die »ehrliche«, d.h. belehrende und tröstende Beerdigung: »Zu einem ehrlichen Begraebnis aber gehoert nicht allein weltlichs Gepraenge / sondern troestlichs gesaenge / vnd andaechtige betrachtung goettlichs worts [,..].«16 In einer Leichenpredigt aus dem Jahre 1618 über den Satz »Traue keinem Morgen, das sind die besten Sorgen« verweist er überdies auf die als Wandschmuck verbreitete Memento mori-Darstellung des Putto mit Totenkopf und Sanduhr.17 Es sei zwar gut gemeint, sich von Kindesbeinen an mit Todesgedanken zu tragen, »aber das >morgen ists an dirGestern wars an mir, heute, heute ists an direinfältige< Gläubige, der durch regelmäßige Übung zur Andacht anzuhalten sei. 26 Da sich die meisten Trostbücher nur an ein gebildetes Publikum richteten, strebe er an, »ein solches Buechlein an Tag zu geben / darinnen der Eynfaeltige / gemeine laye kuertzlich / nit allein alle vornehme Lehren / Trost vnd Vermahnung / sondern auch gute / eynfaeltige Anleytung hette [,..].« 27 Dem Vorhaben entspricht nicht nur der kurze und übersichtlich gegliederte Text, sondern auch die Auswahl und Ikonographie der beigefügten Abbildungen. Dabei verknüpfen sich auf ebenso unkomplizierte wie eingängige Weise herkömmliche Vanitasmotive mit Bezügen auf die christliche Heilsgeschichte. Die Titelbordüre der Görlitzer Ausgabe von 1606 28 trägt oben als Bildschmuck den Knaben mit dem Totenschädel, daneben ein Stundenglas mit der Aufschrift »HODIE MIHI CRAS TIBI«, unten den mit einem Pfeil bewaffneten Knochenmann. An den Seiten sind Adam und Eva dargestellt, bezeichnenderweise beide mit dem Apfel in der Hand. Um ihre auf einem Totenkopf befindlichen Körper ringelt sich die Schlange, Versinnbildlichung des durch die Erbsünde zum Menschen gekommenen Todes. 29 In der Auflage von 163 0 3 0 erfahrt das Bildprogramm eine christologische Erweiterung. Dem Baum der Erkenntnis steht hier die Auferstehung Christi gegenüber, Symbol für die Überwin-

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»Soll man aber solches alles lernen / so muß mans lesen / hoeren / behalten / vnd auch vben« (Vorrede, unpag.). Daß die Schrift tatsächlich zur häuslichen Andacht herangezogen wurde, belegt eine Leichenpredigt von 1632, in der Johann Heermann den frommen Lebenswandel der Verstorbenen hervorhebt. Dabei nennt er »tägliche Haus-Vbungen: Indem Sie nebenst andächtigem Abends / und Morgens [...] Gebete un[d] Christlichen Gesängen / auch GOttes Wort und die heilige Bibel / besonders aber des Herrn Martini Mölleri SterbeKunst [...] gar wohl bekant gemacht.« (Zit. nach Zell (Anm. 9), 259 mit Anm. 115). Weitere Belege bei Axmacher (Anm. 21), 16 mit Anm. 26. Vorrede, unpag. Siehe Anm. 23. Caesarius von Heisterbach (um 1180-um 1240) leitete das Wort »mors« etymologisch von »morsus« (Biß) ab. Es sei zu der Bezeichnung für den Tod gekommen, weil die Schlange Adam zum todbringenden Apfelbiß verführt habe. Die christlichdogmatische Auffassung von der Erbsünde beruht auf der Vorstellung, daß der Tod als Strafe für den Fehltritt der Ureltern des Menschengeschlechts auf die Welt gekommen ist. Siehe Alois M. Haas, Todesbilder im Mittelalter. Fakten und Hinweise in der deutschen Literatur, Darmstadt 1989, 42f. Frankfurt a.M. 1630, 12°. Benutztes Expl. HAB, Th 1796. Beide Expl. mit Gebrauchsspuren. Die Titelvignette der Ausgabe 1606 weist nachträgliche Kolorierungen auf; die Frankfurter Ausgabe steckt in einem in Goldfaden gewirkten Einband von 1659. Abb. der Titelblätter bei: Bircher, Deutsche Drucke ( I I . Kap., Anm. 174), Abteilung C, Helmstädter Bestände, Bd. 1, Millwood/London/Nendeln 1983, C471; Abteilung B, Mittlere Aufstellung, Bd. 5, München /New York /London /Paris 1986, Β 4962.

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dung des Todes.31 Auf dem unteren Bildstock erinnert das Jüngste Gericht an das zentrale Anliegen des Trostbüchleins. Es warnt vor der Hölle, ruft auf zu Umkehr und Buße. Das Emblem des Totenkopfes, aus dessen Mund und Augenhöhlen Ähren emporwachsen, steht für das neue, ewige Leben.32 Aus einer solchen Abbildung, auf einem Blatt der Görlitzer Ausgabe des Manuale, spricht der Tod selbst: »APOSTROPHE Oder gewandte Rede eines abgemalten Todtenkopffs / zu einem jedem Menschen / seine Sterbligkeit zu erkennen.« Zwischen der Aufforderung »Mein lieber Christ steh doch was stil / Denn ich dir etwas sagen wil« und der schließlichen Vermahnung »[...] laß dirs nicht zu wider sein / Das ich dich hab gehalten auff / Geh hin / vnd besser deinen lauff« liest man eine Beschreibung der Vanitas: »O Wasserblas / Venedisch Glaß / Staub / Schatten / Asch vnd gruenes Graß / Was denckstu doch in deinem sinn / Das du so sicher gehst dahin?«33 In Hinsicht auf die Funktions- und Argumentationsweise besteht zwischen der Sterbeschrift mit vereinzelten Todes- und Vergänglichkeitsdarstellungen sowie der in Buchform herausgegebenen Totentanzfolge kein grundsätzlicher Unterschied. Episoden wie Ein Gesprech des Todes / mit einem Gottlosen Manne oder Eine Rede eines sterbenden Haußvaters / so er fuer seinem Ende an Weib vnnd Kinder thut34 scheinen sogar auf den TErbauungsbilderbuchTod von Basek. 38 Mit dieser Beschreibung gibt Merian ziemlich exakt das Totentanzverständnis seiner Zeit wieder. Unter dem übergeordneten Ziel der rechten Todesvorbereitung wird das individuelle, auch biographisch fundierte Todesgedenken in eine Vergänglichkeitsmetaphorik eingebunden, der es allgemein um das Wesen und die Begrenztheit irdischer Belange zu tun ist. Die Totentanztradition im 17. Jahrhundert Totentänze39 stießen als Mahnbilder mit einer verbindlichen Aussage zu Tod und Vergänglichkeit noch im 17. Jahrhundert auf ungebrozu end gebracht / und verlegt: Durch Conrad Meyern / Maalern in Zürich«, Zürich 1650. Ebda., Vorrede, unpag. »Todten=Tantz / Wie derselbe in der loeb=lichen vnd weitberuehmten Statt Basel / Als ein Spiegel Menschlicher Beschaffenheit / gantz kuenstlich ge=mahlet zu sehen ist. Mit beygefuegten / auß H. Schrifft vnd den Alten Kirchenlehrern gezogenen / Erinnerungen / vom Todt / Aufferstehung / Jüngsten Gericht / Verdamnuß der Gottlosen / vnd dem Ewigen Leben. Nach dem Original in Kupfer gebracht / vnd herauß gegeben / Durch MATTAEUM MERIAN den Eltern«, Frankfurt a.M. 1649, Vorrede 13. Aus der kaum noch zu übersehenden, aber stellenweise veralteten Literatur sei hier nur genannt: Wolfgang Stammler, Der Totentanz. Entstehung und Deutung, München 1948 (immer noch lesenswert); Hellmut Rosenfeld, Der mittelalterliche Totentanz. Entstehung - Entwicklung - Bedeutung, 3. verbesserte und verm. Aufl., Köln/Graz 1974 (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 3) - mit umfangreicher Bibliographie; ders., Der Totentanz als europäisches Phänomen, in: Archiv für Kulturgeschichte 48 (1966), 54-83; Dietrich Briesemeister, Bilder des Todes, Unterschneidheim 1970; Kaiser (II. Kap., Anm. 109); ein gelungener Überblick bei Schmitz (II. Kap., Anm. 108); neuerdings Brigitte Schulte, Die deutschsprachigen spätmittelalterlichen Totentänze. Unter besonderer Berücksichtigung der Inkunabel »Des dodes dantz«, Lübeck 1990 (zugl. Diss. Phil. Münster 1987). Die gebräuchli-

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chene Zustimmung.40 Dies blieb bislang in der Forschung weitgehend unbeachtet,41 was um so mehr überrascht, liegt doch mit Maßmanns Untersuchung der Totentanzliteratur schon seit langem eine für die Frage nach der historischen Kontinuität herausragende Quelle vor.42 che Bezeichnung >Totentanz< meint im folgenden nicht nur die mittelalterliche Auffassung eines Reigens Lebender und Toter, sondern ebenso die mit Holbeins »Bilder des Todes« aufkommende Darstellung des individuellen Todes. Es mag zwar so sein, daß hohe Sterblichkeitsraten, wie sie durch den Dreißigjährigen Krieg und die zahllosen Pesteinfälle hervorgerufen wurden, ein Fortleben der Totentanztradition begünstigt haben. Strenggenommen ist dies aber ebenso wenig beweisbar, wie die Annahme, daß das Auftreten der Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Hauptursache fiir das Entstehen der Totentänze gewesen sei. Die Stellungnahmen hierzu bleiben zumeist allgemein und sind wenig stichhaltig. Z.B. Kaiser (II. Kap., Anm. 109), 28: »Die Epoche des Massensterbens in Europa seit dem Ausbruch der Pest 1348 ist offensichtlich der größere Rahmen, in den die Totentänze hineingehören. Für viele der Wandbilder ist der Zusammenhang mit Pestereignissen belegt, für viele darf er vermutet werden.« Und Schulte (Anm. 39), 15: »(Der) historisch-gesellschaftliche Strukturwandel in Wechselwirkung mit den periodisch auftretenden Mortalitätskrisen (also u.a. der Pest; Anm. des Verf.) prädisponierte somit die kollektive Mentalität für eine intensive Reflektion sinnerfüllten Lebens und Sterbens.« Wird allerdings, wie von Freytag für Lübeck, die Probe aufs Exempel gemacht, stößt man schnell an die Grenzen historischer Erkenntnis: »Die Daten über die Pest, die der Lübecker Ratschronik zu entnehmen sind, treffen durchaus zu, aber es gibt keine historische Quelle, die es erlaubte, den Auftrag für den Totentanz mit dem Herannahen der Pest von 1442/63 zu erklären« (Hartmut Freytag, Die Totentanzfragmente der Marienkirche in Lübeck und der Nikolaikirche im ehemaligen Reval (heute Tallinn), in: Jahrbuch des Vereins fur niederdeutsche Sprachforschung. Niederdeutsches Jahrbuch 111 (1988), 31-52, 37). Vgl. dazu auch neuere Darstellungen wie Frank Petersmann, Kirchen- und Sozialkritik in den Bildern des Todes von Hans Holbein d.J., Diss. Phil. Osnabrück, Bielefeld 1983, und Konrad Hoffmann, Holbeins »Todesbilder«. Laienfrömmigkeit im Todesbild der Vor- und Frühreformation, in: Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter. Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, hrsg. von Klaus Schreiner unter Mitarb. von Elisabeth Müller-Luckner, München 1992, 263-282 (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 20). Hoffmanns Urteil über Holbeins Bildzyklus als einem »wirkungsgeschichtlich herausragenden Faktor der frühneuzeitlichen Laienkultur«, in Abhängigkeit vom »aktuellen Zeitbezug, der substantiellen Textorientierung und der humanistischen Laienfrömmigkeit der alltäglichen Gewissensmodellierung« (ebda. 263, 271), hebt nur ab auf die konkrete Entstehungszeit der Bilder. Die den Blättern eingeschriebene ewigkeitsorientierte Thematik ist aber Bestandteil einer Bildsprache, die jenseits aktueller Bezüge zumindest noch für die Menschen des darauf folgenden Jahrhunderts wirkungsmächtig werden konnte. Eine Ausnahme bildet Hammerstein, dessen aus musikgeschichtlichem Blickwinkel verfaßte Untersuchung speziell die schweizerische Totentanztradition des 17. Jahrhunderts berücksichtigt. Dabei stellt er fest, daß sich in abgelegenen ländlichen Gegenden Reste mittelalterlicher Formulierungen noch in den Totentänzen des späteren 17. und 18. Jahrhunderts erhalten haben. (Reinhold Hammerstein, Tanz und Musik des Todes. Die mittelalterlichen Totentänze und ihr Nachleben, Bern/München 1980, 96f.). Hans Ferdinand Maßmann, Literatur der Totentänze. ND aus Serapeum I—XI, Leipzig 1840-1850, Hildesheim 1963. Der Aufstellung kommt auch insofern ein hoher

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In bewußter Anknüpfung an die künstlerischen Vorläufer wurden Totentänze erneuert, nachgestochen und wieder aufgelegt; zugleich entstanden, wenn auch in bescheidenerem Umfang, Neubildungen. 43 Ausgehend von den Holbein-Nachstichen, Merians Kupfern zum Totentanz von Großbasel und der Neuschöpfung durch Rudolf und Conrad Meyer, konnte Maßmann zwischen 1617 und 1698 insgesamt 16 Buchtitel ermitteln, davon allein fünf am Ende des Dreißigjährigen Krieges zwischen 1647 und 1651. 44 Die nach der Reformation zumeist von der städtischen Obrigkeit betriebene Auffrischung der spätmittelalterlichen Totentänze zeigt, daß den Bildern, neben einer hinzugekommenen >touristischen< Bedeutung, 45 weiterhin belehrende, mahnende oder disziplinierende Eigenschaften zuerkannt wurden. Nach 1700 bricht der Uberlieferungsstrang zumeist ab. Als Beispiel mag der um 1440 entstandene Totentanz an der Kirchhofsmauer des Großbaseler Dominikanerklosters dienen. Nachdem das Gemälde durch die Restaurierungen von 1568, 1616 und 1658 sein ursprüngliches Aussehen verloren hatte, wurde es zuletzt 1703 erneuert 46 Aber noch 1658 begründeten die zuständigen

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Rang zu, da sie sich nach den schweren Kriegsverlusten dieses Jahrhunderts so nicht wiederholen ließe. Conrad Meyer sah sich mit seiner Totentanzausgabe in »den belobten fußstapfen viler beruehmten Kunstmaaleren« der Vergangenheit. Siehe A n m . 36, Vorwort (unpag.). H O L B E I N : Frankfurt a.M. 1617, 1618, 1623 (gestochen von Eberhard Kieser); Nürnberg 1647 (nach Kieser durch Georg Strauch entworfen und A. Khol gestochen); Laibach/Salzburg 1682 (gestochen von Valvasor); Antwerpen 1698 (Jean Baptist Jacobs); London 1647, 1651, 1682 (gestochen von Wenzel Hollar, Ausgabe 1651 mit Randeinfassungen nach Abraham van Diepenbeck). M E R I A N : Basel 1621 (zwei Auflagen: die eine bei Johann Schröter, die andere bei Mattheus Mieg), 1625 (Mieg); Frankfurt a.M. 1656, 1696; Berlin 1698. M E Y E R : Zürich 1650. Berücksichtigt wurden nur die Ausgaben, die von M a ß m a n n ohne Fragezeichen und zumeist mit Standortnachweis mitgeteilt sind. Meyers Totentanz wird dort unzutreffenderweise unter Holbein subsumiert. Die bei HOLLSTEIN II, 17. Bd., 110 für Meyer angeführten Ausgaben Nürnberg 1654 und Frankfurt a.M. 1656 müssen ebenso wie die bei Maßmann erwähnte Auflage Zürich 1657 (oder 1651) bezweifelt werden. Matt kennt diese Auflagen nicht (Hansjakob von Matt, Der Radierer Rudolf Meyer von Zürich 1605-1638, Immensee 1956, zugl. Diss. Phil. Freiburg (Schweiz) 1948). Neben der gesicherten Holzschnittausgabe Antwerpen 1654 (Petrus Bellerus), scheint es sich bei den weiteren von M a ß m a n n angeführten Holzschnittausgaben um Übermittlungsfehler zu handeln. Sandrart bedauert anläßlich der Zerstörung des Berner Totentanzes, d a ß man j e n e s große Werk, welches »dieser Stadt treflichen Ruhm um ein merkliches vermehret, also unachtsam zu Grund gehen lassen (hat).« (Zit. nach Peltzer (I. Kap., Anm. 46), 104). Merian schreibt über den Totentanz von Großbasel: »[...] massen er noch heutige Tags von allerhandt Nationen vnd Standes durchreysenden Personen mit sonderbahrem Lust vnd Begierde / zu Basel an seinem Orth angesehen / vnnd beystehende Rythmi gelesen werden« (Vorrede zum Totentanz (Anm. 38), 12). Der Totentanz von Lübeck entstand 1463, w u r d e 1588, 1642, 1675 erneuert und 1701/02 durch eine Kopie ersetzt. Den Berliner Totentanz überstrich man A n f a n g

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Pfleger den Eingriff damit, daß »diejenigen, so die Warnunge Gottes lebendige Stimm seiner rufenden Dieneren nur oben hin anhören, durch den erbärmlichen Blick dieses stummen vnd todten Gemähides zu betrachtung ihrer Sterblichkeit aufgemuntert werden,« 47 und bekunden auf diese Weise die nicht nachlassende Aktualität des alten Bildes. Bevor der Rat die zuletzt immer mehr verblassende Darstellung 1805 als >Kinderschreck< und >Leutescheuche< beseitigen ließ, war sie noch zusammen mit dem Klingentaler Totentanz in Kleinbasel von Emanuel Büchel abgezeichnet und beschrieben worden. 48 Zeitgleich mit dem Vergessen der spätmittelalterlichen Totentänze entstanden aber auch neue Darstellungen. Im schwäbischen und fränkischen Raum, in Altbayern wie in der nördlichen Schweiz, begegnen uns Bilder in überraschender Anzahl und Vielfalt. Sie finden sich an den angestammten Plätzen in Beinhäusern und Kapellen, selbst auf Brücken. Da hier wie in Holbeins Bildern des Todes Menschen verschiedener Stände individuell mit dem Tod konfrontiert werden, wäre es allerdings richtiger, von Todesbildern oder Bildern des Sterbens (Einzelner) zu sprechen. Entscheidende Impulse gingen von den Füssener Tafeln von 1602 sowie den seit 1605 entstehenden Luzerner Totentänzen aus.49 Einen ähnlich großen Einfluß besaß

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des 18. Jahrhunderts mit Kalk und entdeckte ihn 1860 wieder. Die Totengemälde am Berner Dominikanerkloster von 1516/19, restauriert um 1550, 1580, 1584, wurden 1660 zerstört und sind nur durch Nachbildungen von Albrecht Kauw überliefert. Siehe dazu: H a n s Ferdinand Maßmann, Die Baseler Todtentänze in getreuen Abbildungen. Nebst geschichtlicher Untersuchung, so wie Vergleichung mit den übrigen deutschen Todtentänzen, ihrer Bildfolge und ihren gemeinsamen Reimtexten. Sammt einem Anhange: Todtentanz in Holzschnitten des fünfzehnten Jahrhunderts, Stuttgart 1847 (= Schatzgräber, 5); Freytag, Die Totentanzfragmente ( A n m . 40); ders. (Hrsg.), Der Totentanz der Marienkirche in Lübeck und der Nikolaikirche in Reval (Tallinn), Köln/Weimar/Wien 1993 (= Niederdeutsche Studien, 29); Erik Hühns, Der Berliner Totentanz, in: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 14 (1968), 2 3 5 - 2 4 6 ; Paul Zinsli (Hrsg.), Der Berner Totentanz des Nikolaus Manuel (ca. 1484— 1530) in den Nachbildungen von Albrecht Kauw (1649), 2. Aufl., Bern 1979 (= Berner Heimatbücher, 54/55). Zit. nach M a ß m a n n , Baseler Todtentänze (Anm. 46), 51 f. »Der von unsern Geschichtsschreibern / gantz vergessene und / nirgends aufgezeichnete Todten=Tanz / in dem Klingenthal zu Basel, / Nach dem Original gezeichnet / und ans Liecht gestellt / von Emanuel Büchel im Jahr 1767.« (Zit. nach M a ß m a n n , Baseler Todtentänze (Anm. 45), 27f.). Die in Aquarell ausgeführten Kopien befinden sich heute im Berner Historischen Museum; das Manuskript in der dortigen Universitätsbibliothek. Die folgende Aufstellung kann nur einen Überblick vermitteln: Füssen, St. Mang, Annenkapelle, Totentanztafeln von Jakob Hiebeier, 1602, Bild und Text; Tuntenhausen (bei Rosenheim), Wallfahrtskirche, anonym, um 1630, Einzelbild nach einem Einblattdruck (160 χ 116 cm), Bild und Text, ursprünglich im Beinhaus; Oberstdorf, Nothelferkapelle (1865 verbrannt), 21 Bilder von Gabriel Necker, 1640, Bild und Text; Roding, St. Pankratius, Annenkapelle, Einzelbild in Verbindung mit Weltgerichtsdarstellung, um 1660; Luzern, ehem. Jesuitenkolleg (urspr. A u f b e w a h -

später die 1710 postum herausgegebene Todten=Capelle des Wiener Hofpredigers Abraham a Sancta Clara.50 Das mit Kupferstichen Christoph Weigels geschmückte Werk bildete die Grundlage für die Totentänze zu Wondreb und Babenhausen. 51 Das künstlerisch-biographische Interesse am Totentanz Für das Entstehen der um 1650 publizierten druckgraphischen Totentanzfolgen haben seitens der Künstler neben handwerklichtechnischen auch biographische Gründe eine Rolle gespielt. Wenzel Hollar (1607-1677), zwischen 1627 und 1630 Schüler Merians in Frankfurt, war später in Diensten des Earl of Arundel and Surrey mit dem Nachstich von dessen berühmter Kunstsammlung betraut.52 Dabei konnte er Holbeins Todesbilder in Augenschein nehmen, obgleich Hollar für die Ausgaben 1647 und 1651 von den 30 Abbildungen nur zehn nach den Lyoner Originalholzschnitten gestochen hat.53

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rungsort unbekannt), Totentanzbilder auf Leinwand, heute in acht Teile zerschnitten, Jakob von Wyl, um 1615, ohne Text; Luzern, Spreuerbrücke, urspr. 67 dreiekkige Holztafeln (90 χ 160 c m ) von Kaspar Meglinger, 1620-1635, Bild und Text; Wolhusen (Luzern), Totentanzfresken im Inneren der Beinhauskapelle, um 1661, Bild und Text, die Köpfe der Todesgestalten sind nicht gemalt, sondern bestehen aus wirklichen Schädeln, die in die Wand eingelassen wurden; Emmetten (Nidwaiden), Kreuzkapelle (urspr. im Beinhaus der Kirche St. Jakob d.A.), Totentanztafel mit 23 Einzelfeldern, um 1710, Bild und Text. Siehe dazu: A. Dürrwächter, Der Füssener Totentanz und sein Fortleben, in: Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 25 (1898), 125-166; Julius Vogel, Die schwäbischen Totentänze, und ders., Die fränkischen Totentänze (1934 entstandene unveröffentlichte Manuskripte im Institut f ü r Volkskunde München, M s 13,1 u. 2); Reinhold Böhm, Der Füssener Totentanz und die Lechtaler Totentänze in Breitenwang, Elbigenalp und Eimen, 2. Aufl., Füssen 1984; Hammerstein (Anm. 40), 9 5 - 9 8 , 140— 146, 2 2 0 - 2 2 5 ; Robert Durrer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Unterwaiden, Zürich 1899-1928, N D Basel 1971, 9 3 - 9 9 ; Rolf Jacob, Der Totentanz in Roding, in: Oberpfälzer Heimat 34 (1990), 2 7 - 3 4 . Siehe Sancta Clara (II. Kap., A n m . 216). Die Bilderschrift geht auf einen heute verlorenen Totentanz zurück, den Abraham nur wenig früher für die Loretokapelle der Augustinerhofkirche in Wien entworfen hatte. Hermann Kirchhoff, Der Wondreber Totentanz, München/Zürich 1976; ders., Der Totentanz zu Babenhausen, Weißenhorn 1984 (= Schwäbische Heimatkunde, 4). Johannes Urzidil unter Mitarb. von Franz Sprinzels, Wenceslaus Hollar. Der Kupferstecher des Barock, Wien/Leipzig 1937, 52ff.; Katherine S. van Eerde, Wenceslaus Hollar. Delineator of His Time, Charlottesville (Virginia) 1970, 12 und passim. 1, 5, 6, 8, 9, 13, 14, 23, 27, 28; 6, 9, 13, 23 mit kleineren Änderungen; außer 5 alle im Gegensinn. Vorn findet sich Holbeins Bildnis: »Vera Effigies Johannis Holbeinij Bassileensis Pictoris & delineatoris rarissimi ipse Holbeinius pinxit - Wenceslaus Hollar aqua forti aeri insculpsit ex Collect. Arundel 1647«, auf Seite 2 ein Bild von Hollar. Siehe: George Vertue, A description of the works of the ingenius delineator and engraver Wenceslaus Hollar [...], 2. Aufl., London 1759, Nr. 12—41; Gustav Parthey, Wenzel Hollar. Beschreibendes Verzeichnis seiner Kupfer, Berlin 1853,

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Holbeins einzigartige Serie zog noch das Interesse weiterer Künstler auf sich. Rubens übertrug sie in ein Skizzenbuch;54 bei Conrad Meyer fand sie sich im Nachlaß.55 Merian wiederum hatte den Totentanz seiner Heimatstadt Basel bereits 1616 kopiert.56 Der inzwischen erfolgreiche Maler, Kupferstecher und Verleger widmete die Ausgabe von 1649 als Neujahrsgeschenk seinem gleichaltrigen Vetter, dem Baseler Ratsherrn Onuphrio Merian. In das Bedauern, diesen seit über zwei Jahrzehnten nicht gesehen zu haben, mischt sich die Befürchtung, sie beide müßten »wo nicht in einem Jahr / wie bey der Geburt geschehen / doch nicht gar so weit voneinander den Todten=Tantz thun.«57 Die Themen >Totentanz< und >Krieg< sind auf eigentümliche Weise mit dem Dasein des Züricher Radierers Rudolf Meyer (1605-1638) 58 verbunden. Jene in seinem Werk überproportional vertretenen Kriegs-, Todes- und Vergänglichkeitsdarstellungen scheinen ebenso die äußeren Lebensverhältnisse wie auch Meyers körperliche Not widerzuspiegeln.59 Nach einer ersten Ausbildung bei seinem Vater, dem Kupferstecher Dietrich Meyer, ging Rudolf 1629 nach Frankfurt zu Merian, der ebenfalls bei Dietrich gelernt hatte. Zwischen 1631 und 1632/33 hielt er sich unter schwierigsten Umständen in Nürnberg auf und erlebte dort die Belagerung durch Gustav Adolf von Schweden mit.60 In dieser Zeit ist die Stammbuchzeichnung »Die Trauer und Untätigkeit der Künste während des Dreißigjährigen Krieges« ent-

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Nr. 2 3 3 - 2 6 2 ( N D Amsterdam 1963); Maßmann, Literatur der Totentänze (Anm. 42), 53. H. D. Pfann (Hrsg.), Peter Paul Rubens Tekeningen naar Hans Holbeins Dodendans. Facsimile's met begleidende tekst door J. Q. van Regteren Altena, 2 Bde., Amsterdam 1977. Maßmann, Literatur der Totentänze (Anm. 42), 6, 9. Merian (Anm. 38), Vorrede, 13. Ebda., Dedicatio, 3, 9. J. Rudolf Rahn, Die Künstlerfamilie Meyer von Zürich; I, Dietrich Meyer, 1572— 1658; II, Rudolf Meyer, 1605-1638; III, Conrad Meyer, 1618-1698, in: Zürcher Taschenbuch 1881, 1 - 1 9 und 1882, 2 0 - 3 9 , Zürich 1880; Matt (Anm. 44); Richard Zürcher/Martin Bircher, Der Zürcher Sterbensspiegel und seine Zeit, Facsimileabdr. und Textteil, Zürich 1978. Eine Quelle besonderer Art zum Leben Rudolf Meyers ist das erhalten gebliebene Familienbuch Conrads, das auf einer Seite die Lebensbeschreibung sowie, eingeklebt zwischen zwei Blättern, das Testament Rudolfs enthält (heute in der Zentralbibliothek Zürich; vgl. Matt a.a.O., 130). Siehe dazu Matt (Anm. 44), Nr. 3 7 - 4 0 , 5 2 - 5 5 , 5 6 - 7 2 . Besonders interessant sind vier lose z u s a m m e n g e h ö r e n d e Kriegsdarstellungen, bezeichnet als »Szenen aus dem Dreißigjährigen Krieg« (Nr. 52-55) sowie eine 17-teilige Serie mit Soldaten verschiedener Waffengattungen und Bürgern (Nr. 5 6 - 7 2 ) . Conrad M e y e r notierte in der Familienchronik (siehe A n m . 58): »Weil Er [...] in Nörenberg war, war Gustavus Adolfus König in Schweden mit seiner Armeh auch in Nörenberg und auch die Kaiserliche Armeh u m b Nörenberg und war damals Dürre und Hunger.« (Zit. nach Martin Bircher, Der »Sterbensspiegel«·. Entstehung, Inhalt, Bedeutung, in: Zürcher/Bircher (Anm. 58), X I I I - X X I X , XIV).

standen. 61 Nur wenige Jahre nach seiner Rückkehr erlag er 3 3j ährig einer schweren Krankheit. 62 Schon 1626 hatte Rudolf Meyer Vorzeichnungen angefertigt, 63 die jedoch nicht in den späteren Totentanz eingegangen sind. Erst nach seiner Heimkehr aus Deutschland entstanden ab 1634 jene Totentanzentwürfe, welche unter Mitwirkung des jüngeren Bruders Conrad (1618-1689) schließlich die Grundlage für die 1650 veröffentlichten Radierungen bildeten. 64 Conrad publizierte das Büchlein im Gedenken an seinen inzwischen verstorbenen Bruder. In der Vorrede hebt er dessen Anteil am Gelingen des Werks deutlich hervor und bezeichnet ihn als eigentlichen Urheber. 65 Dahinter verbirgt sich offensichtlich der Wunsch, zum Seelenheil des Verstorbenen beizutragen: »(Es hat) aber gedachter mein lieber Bruder sei. Auß Gottes Vätterlichem gefallen / vor dises Dantzes endung / an den würklichen Todtenreyen tretten muessen.« Die Verschmelzung von Tod, Zeit und Vergänglichkeit 1. Der Züricher Totentanz In Aufbau und Konzeption folgt der Züricher Totentanz den Todesbildern Holbeins. Auf einer Doppelseite findet sich links neben Bibelsprüchen ein Totentanztext, 66 der dem überkommenen Frage- und Antwortschema entspricht; rechts sind die 60 Abbildungen eingefügt, wobei auf derselben Platte noch ein Vierzeiler angebracht ist.67 Den Abschluß des Bandes bilden Sterbensgesänge. 68 Die Einbindung des 61 62

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Siehe II. Kap. Dietrich Meyer fügte Rudolfs unvollendetem Testament (siehe Anm. 58) hinzu: »[...] Da man an disen Buchstaben, seyn not, vnd schmertzen sieht, so er damalen, auch davor, vnd sonderlich hernach disem schryben vßgestanden.« Zit. nach Bircher (Anm. 60), XIV. 36 Vorzeichnungen zu einem Totentanz, heute im Kunsthaus Zürich (Matt (Anm. 44), 34, 106). Klebeband der Vadiana St. Gallen (querquart) mit 84 Zeichnungen von Rudolf und Conrad Meyer. 75 davon sind direkte oder fernere Entwürfe, neun Darstellungen kamen nicht zur Ausführung, von sechs Blättern fehlen Vorzeichnungen. Eine genaue Trennung der Werkanteile Rudolfs und Conrads ist nicht möglich (Matt (Anm. 44), 40, 106f.). »Ich soll dir aber / großguenstiger Leser / nicht verbergen / daß mein lieber Bruder sei. dises Werkes Vrheber seye [...]« (»Sterbensspiegel« (Anm. 36), Vorrede, unpa8) ' Die Texte sind aus der Feder des Pfarrers Georg Müller (1610-1672), dessen Name, um der Zensur zu entgehen, erst in der Ausgabe von 1759 erwähnt wird. Zu Müller und den diesen Vorgang betreffenden Akten der Züricher Bücherzensur siehe Bircher (Anm. 59), XXII-XXIX. Die Originalplatten (ca. 9 x 1 3 cm) sind erhalten geblieben und befinden sich heute im Besitz der Orell Füssli Graphische Betriebe AG in Zürich. Dazu mit weiterführender Literatur Bircher (Anm. 59), XX-XXII.

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eigentlichen TotentanzesZeit< und >Vergänglichkeit^ Das Aussehen des Knochenmannes stimmt mit dem Bild des Chronos weitgehend überein, so daß >Zeit< und >Tod< mitunter dieselbe Bedeutung annehmen. 70 Verdeutlicht wird dies durch gemeinsame Attribute wie Sense und Sanduhr, letztere schon bei Holbein Beigabe des Todes, vor allem aber durch die ungewöhnliche Darstellung des geflügelten Todes. 71 Das Gesagte gilt besonders für den »Siegesschrei des Todes« (Blatt 5) und die drei Abbildungen der >Totenstraßehaltbar< zu machen, wurden die Innereien entfernt, der Leichnam ausgekocht oder später durch Ausfüllen der Bauchhöhle mit konservierenden Stoffen mumifiziert. Vgl. Rosenfeld, Der mittelalterliche Totentanz (Anm. 39), 2 6 f . Die Tonne (Blatt 5a) ist Attribut des >weltflüchtigen< Diogenes von Sinope. Seine ärmliche Bekleidung und Behausung erinnern als Zeichen für Bedürfnislosigkeit an die Vergänglichkeit irdischer Reichtümer. Hier hält der Tod den Ankömmlingen die

gnien von Stand und Herrschaft, gleichermaßen Verbildlichungen irdischer Macht und Eitelkeit. 76 Das Aufgehen der Todesdarstellung in die Vergänglichkeitsmetaphorik offenbart sich vielleicht am besten im Titelkupfer. Der Tod, in dessen Augenhöhlen die Schlange an die Ursünde erinnert, steht hier vor einem brüchigen und bewachsenen Gemäuer, das als Ruine die Vanitas symbolisiert. 77 2. Der Totentanz von Hollar/Diepenbeck Eine weitere im Zeichen der Vanitasidee festzustellende Überformung spätmittelalterlicher Todesikonographie durch die vom Gedankengut der Renaissance und des Humanismus geprägte Verbildlichung von >Zeit< und >Ewigkeit< läßt sich im Falle der von Hollar 1651 herausgegebenen Totentanzfolge nachweisen. 78 Die Ausgabe ist mit Schmuckrahmen ausgestattet, die von Abraham van Diepenbeck entworfen wurden. 79 Hollar fertigte hierfür zusätzliche Platten an. Die architektonisch gegliederten Bordüren sind nach dem Muster barocker Epitaphien gestaltet, wobei die in der Mitte eingefügten Darstellungen des Totentanzes Andachtsbildern gleichen. Die drei unterschiedlichen Einfassungstypen bestehen aus paarig einander gegenübergestellten Hermenpilastern, die Demokrit und Heraklit, HerSanduhr auf die gleiche Weise entgegen wie Diogenes seine Laterne auf der Suche nach den Menschen. Die beigegebene Weltkugel ist üblicherweise Attribut von >Demokrit und HeraklitDiogenes< und >Demokrit< läßt sich aber schon im Narrenschiff des Sebastian Brant nachweisen. Vgl.: Lieselotte Möller, Art. »Demokrit und Heraklit«, in: RDK, 3. Bd., Sp. 1244-1251; Edmund W. Braun, Art. »Diogenes«, in: RDK, 4. Bd., Sp. 22-34. Zur Kugel als Vanitassymbol vgl. Kap. II. Siehe dazu das Titelkupfer und die Blätter 5, 5a, 14a, 24a. Auf Blatt 5 erkennt man den Tod mit Geldsack und Wappenschild; unten liegen verstreut die Reichskleinodien, Buch und Tiara, Dreschflegel und Rüstung, Instrumente der Wissenschaften und Künste; groß im Vordergrund ist die Palette des Malers zu sehen. Neben dem Sündenfall verweist die Schlange noch auf einen anderen Zusammenhang. Der Text unterhalb der Abbildung zitiert den Vers Sirach 10,12/13: »Heüt Koenig / morgen Tod. Vnd wann der Mensch stirbt / so fraessen Ihn die schlangen vnd würme[r].« Siehe oben und Anm. 52. Diepenbeck (1596-1675), ein Antwerpener Glasmaler und Maler, war vor allem als Zeichner für den Kupferstich tätig. 400 von heute über 500 bekannten Arbeiten sind bei Heinecken angeführt (Carl Heinrich von Heinecken, Dictionnaire des artistes, dont nous avont des estampes, avec une notice detaillee de leurs ouvrages gravees, (nur 4 Bde. erschienen), Leipzig 1778-1790, 4. Bd., 665-668). Vgl. auch: K. Zoege von Manteuffel, in: THIEME, 9. Bd., 243ff.; David W. Steadman, Abraham van Diepenbeck. Seventeenth-century flemish painter, Ann Arbor 1982, zugl. Diss. Princeton 1973 (= Studies in Baroque Art History, 5). Während Hollars Aufenthalt in Antwerpen wird es zu einer engeren Zusammenarbeit beider Künstler gekommen sein. Parthey (Anm. 52) nennt für die Jahre 1649 bis 1655 sechs weitere nach Diepenbeck gestochene Arbeiten (Nr. 226, 458, 1092, 1444, 1491, 2651).

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kules und Athena, Zeit und Ewigkeit verkörpern. Demokrit von Abdera, der Machende Philosophy und sein Antipode, der >weinende< Heraklit von Ephesos, sind durch den von einem Tuch mit Narrenschellen bedeckten Globus mit schiefstehendem Kreuz gekennzeichnet, Sinnbild der närrischen und eitlen Welt.80 Athena zeigt sich durch Attribute wie Buch und Weltkugel, Hammer und Säge als Hervorbringerin von Handwerk und Wissenschaft, während der bewaffnete Herkules die destruktive Potenz des Krieges vergegenständlicht. Chronos81 und eine schöne junge Frau mit dem Schlangenring in der Hand - die sich in den Schwanz beißende Schlange bezeichnet den Zeitlauf ohne Anfang und Ende - symbolisieren >Zeit und Ewigkeit^82 Um gängige Vanitassymbole handelt es sich bei dem übrigen Bordürenschmuck. Dazu gehören die mit Waage und Ziffernblatt, Rauchgefaß und Seifenblasen ausgestatteten Putti ebenso wie Sarg und Skelett. Im Kontext der drei Bildrahmen geht die Thematisierung des Todes bei Hollar/Diepenbeck über die Dimension menschlicher Sterblichkeit hinaus. Dabei wird der überkommene Totentanz als Symbol der Vergänglichkeit zur Grundlage philosophischer Betrachtungen über das Wesen der Welt und die Beschaffenheit der menschlichen Natur. Für Reflexionen dieser Art stand der Zeit die Gestalt des >Democritus ridens< zur Verfügung, wobei Demokrit als die Personifikation des Melancholikers schlechthin galt.83 80

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Vgl. Art. »Demokrit und Heraklit«, in: R D K (wie Anm. 75), insbes. Sp. 1244, 1247-1249. Die Verbildlichung des Chronos als eines bärtigen, kräftig-muskulösen Mannes mittleren Alters mit Flügeln, Sense und Stundenglas folgt der im 17. Jahrhundert vorherrschenden Darstellung der »Emblemata Horatiana«. Siehe Otto van Vaen (Vaenius), Quinti Horati Flacci Emblemata. Imaginibus in aes incisis. Notisque illustrate, Mit einem Vorwort und Index von Dimitrij Tschizewskij, N D der Ausgabe Antwerpen 1607, Hildesheim/New York 1972 (= Emblematisches Cabinet, 3), 55, 169, 171, 177 (die auf Seite 159 abgebildete >Aeternitas< ist mit >Tempus< nahezu identisch, nur daß Chronos hier anstelle sonstiger Attribute den Schlangenring besitzt). Z u r Verbreitung des Werkes siehe auch Inemie Gerards-Nelissen, Otto van V e e n ' s Emblemata Horatiana, in: Simiolus 5 (1971), 2 0 - 6 3 . Vgl. Art. »Ewigkeit«, in: R D K , 6. Bd., Sp. 6 1 7 - 6 3 9 (ohne Verf.). Eine Allegorie von »Zeit und Ewigkeit« befindet sich auf den beiden oberen Zwickeln der halbkreisförmigen Emmettener Totentanztafel. Das Symbol der Ewigkeit ist hier ein rundes, vom Schlangenring gebildetes Medaillon, darin zwischen dem geteilten Wort »im - mer« ein grüner Zweig und ein gekreuztes Schlangenschwert; darüber: »Ewigkeit besteht«. Die >Zeit< rechts wird von einem Putto verkörpert, der, an Sanduhr und Totenkopf gelehnt, in ein auf einer blauen Kugel liegendes Buch schreibt (vgl. die Kugel als Vanitassymbol); darüber: »Die Zeit vergeht«. Siehe Durrer ( A n m . 49), 94 mit Abb. Hierzu ausführlich Helen Watanabe-O'Kelly, Melancholie und die melancholische Landschaft. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte des 17. Jahrhunderts, Bern 1978 (= Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur, 54).

3. Demokrit und Heraklit. Eine Allegorie auf die Nichtigkeit der Welt Das 16. und 17. Jahrhundert, eine Epoche des verstärkten gesellschaftlichen Umbruchs, wird als besonders >melancholieträchtig< eingestuft. Der Melancholie und ihrer Wirkung auf Religion, Medizin, Kunst und Politik kam im anthropologisch-sozialen Modernisierungsprozeß eine substantielle Aufgabe zu. 84 Zu den Symptomen krankhafter Melancholie zählte neben allgemeiner Trauer und Verzweiflung der Mangel an Entschlußkraft bei gleichzeitigen Schüben übersteigerter Aktivität. Dieses widersprüchliche Verhalten ließ sich auch als Manifestation einer menschlichen Grundhaltung beschreiben: bei allem Kummer trotzdem zu lachen. Die Melancholie des humanistischen >homo literatus< fand somit in der Figur des Demokrit einen idealen Bezugspunkt, wobei sich die Klage über den kulturellen Niedergang der nachantiken Welt mit der Furcht um den Verlust von Status und beruflicher Position vermischte.85 Zugleich fand das Thema durch die Verknüpfung mit >Zeit< und >Tod< auch Eingang in den Totentanz. Dies wird bereits auf Cornheerts Stich von 1557 nach Maarten van Heemskerck deutlich, dem durch die Aufnahme in die Emblembücher de Brys im 17. Jahrhundert eine weite Verbreitung zuteil wurde. 86 Die Schmuckleisten tragen die bekannten Vanitasmotive; das Motto »TEMPVS RIDENDI TEMPVS FLENDI« ist dem Prediger Salomo entnommen. Unter Berufung auf Demokrit und Heraklit will es Merian in der Einleitung seines Totentanzes scheinen, als sei das Leben angesichts des Todes nichts anderes als ein närrisches Treiben. Wer sich »das naerrische Tollwesen des Menschen wie sie auffgeblasen / geitzig / tyrannisch / oder sonsten leichtfertig seynd / anschawet [...] wird [...] stracks bey sich selber / entweder mit dem Philosopho Heraclito anfangen zu weynen / oder auß eben einerley Gemueth mit dem De-

Siehe Wolfgang Weber, Im Kampf mit Saturn. Zur Bedeutung der Melancholie im anthropologischen Modernisierungsprozeß des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für historische Forschung 1 7 ( 1 9 9 0 ) , 155-192. Weber (Anm. 84), 176. Wohl das bekannteste Beispiel des 17. Jahrhunderts ist die »Anatomy of Melancholy« des Robert Burton, erstmals erschienen 1621. Auf dem Titelblatt (Oxford 1638), wo sich der Autor in Nachfolge eines Erasmus, Morus u.a. als »Democritus Junior« vorstellt, findet sich eine Darstellung des antiken Philosophen in der Pose der Melancholie mit aufgestützter Hand. Zu Burton siehe nur: Wolf Lepenies, Melancholie und Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1972, insbes. 19-34; Schleiner (II. Kap., Anm. 123), 123-130, 2 0 2 - 2 0 7 - jeweils mit weiterführenden Literaturhinweisen. Siehe Ilja M. Veldman, Maarten van Heemskeerck and Dutch humanism in the sixteenth century, Maarssen 1977, 76ff. mit Abb.

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mocrito anfangen zu lachen / vnd mit dem Heiligen Mann GOttes Habacuc fragen: Wie lang wirds weren?«87 Im Titel der Todten=Capelle des Abraham a Sancta Clara wird die Haltung der beiden Philosophen zur Nachahmung empfohlen. Dem Leser wird nahegelegt, mit den Todesbildern zugleich »das MEMENTO MORI zu studiren / und die Nichtig und Eitelkeit dieses Lebens Democrite oder Heraclite, Das ist: Mit lachendem Mund / oder thraenenden Augen / wie es beliebt [...] betrachten und verachten (zu) lernen.«88 Zugleich benutzt der Herausgeber des ein Jahr nach dem Ableben Sancta Claras veröffentlichten Werkes das Philosophenpaar als Maßstab für den vorbildlichen Lebenswandel des frommen Priesters. »Wie sein gantzes Leben merckwuerdig / so enthaelt sein Tod etwas besonders in sich. Er wahr ohnfehlbar weinend / wie alle Menschen / auf die Welt gebracht worden / und er hatte Ursach Thraenen zu vergiessen / da er mit so vielen Lastern sollte zu streiten bekommen. Seind Ende aber verhielte sich gantz anders / dann nachdem er die Eitelkeit und Ohnmacht der Menschliche[n] Thorheit in dieser Welt (hat) verspotten lernen / hat er lachend die Augen zugethan [,..].«89 Die angeführten Beispiele belegen, daß die Maler, Stecher und Autoren des 17. Jahrhunderts das Motiv des Memento mori mit einer teilweise sehr persönlichen Botschaft verbanden. Dies wird auch durch den Bezug auf das antike Philosophenpaar deutlich. Das Bildmaterial jener Anverwandlung stand bereits mit den spätmittelalterlichen Totentänzen zur Verfügung. Die retrospektive Gestalt des Todes bei Franck (Blatt 25; Abb. 26) ist somit kein Einzelfall. Ähnlich wie mit der bildlichen, verhält es sich mit der textlichen Grundlage. Der im Spruch Sirach 7,40 verwendete Begriff »Ende« wurde in der Vulgataversion traditionell auf die Letzten Dinge bezogen, daher überrascht es nicht, jene Bezeichnung als Formel auch im Totentanz nachweisen zu können. 3. Bedenke das Ende Holbeins Bilder des Todes90 mit den von Hans Lützelburger gefertigten Holzschnitten erschienen zunächst in Buchform. 1538 wurden sie 87 88 89 90

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Merian, Totentanz (Anm. 38), Vorrede, 18. Sancta Clara (II. Kap., Anm. 216). Ebda., (unpag.). Alexander Goette, Holbeins Totentanz und seine Vorbilder, Straßburg 1897 (immer noch grundlegend); Heinrich Alfred Schmid, Hans Holbein der Jüngere. Sein Aufstieg zur Meisterschaft und sein englischer Stil, 2 Bde. und Tafelbd., Basel 1945— 1948, 1. Bd. 2 5 6 - 2 7 1 . Siehe zum folgenden insbes. Petersmann (Anm. 41), 9 0 - 1 0 7 .

bei Caspar und Melchior Trechsel in Lyon verlegt, 91 wobei der Auftrag dazu vermutlich 1524 vom Verlegerpaar selbst erteilt worden ist. 92 Der abgeschlossene Band ist von der Konzeption her ein bebildertes Sterbebuch in der Art der Ars moriendi. 93 Den Holzschnitten sind wie Epigramme gestaltete Vierzeiler des Druckers und Buchhändlers Gilles Corozet und ein Spruch aus der Vulgata beigegeben. Für das Schlußblatt, das im Baseler Probedruck mit »Die wapen des Thotß« bezeichnet ist, lauten sie wie folgt: »Si tu ueulx uiure sans peche - Voy ceste imaige a tous propos, - Et point ne seras empesche, - Quand tu t'en iras a repos.« (Wenn du ohne Sünde leben willst - schau dir dieses Bild zu jeder Gelegenheit an, - und du wirst bereit sein / nicht verhindert sein, - wenn du dich zu deiner letzten Ruhe begibst) 9 4 sowie »Memorare novissima, & in aeternum non pec[c]abis,« eine Kurzform des Vulgatatextes: »In omnibus operibus tuis memorare novissima tua, & in aeternum non peccabis« (Ecclesiasticus 7,40).

Die dazugehörige heraldische Darstellung fallt ikonographisch aus dem Rahmen. Ein vornehm gekleidetes Paar hält ein durch Todessymbole gekennzeichnetes Wappen zwischen sich. Auf einem Helm darüber befindet sich ein Stundenglas, das von zwei Knochenarmen bekrönt wird, die einen keilförmigen Stein tragen.95 Ob es sich bei den Abgebildeten um patrizisch-adelige Eheleute handelt96 oder um den Künstler selbst mit seiner Frau,97 ist hier ohne Belang. Vielmehr drückt sich in diesem Memento mori das gleiche Einverständnis zwischen dem Schöpfer des Totentanzes und seinem Publikum aus, welches den Maler anderswo veranlaßte, sich innerhalb des Ständekanons ad personam als Teil des Todesreigens abzubilden. 98 91

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»Les simulachres & H I S T O I R E E S F A C E S DE LA M O R T , A V A N T E L E g a m m e t pourtraictes, que artificiellement imaginees,« Lyon (bei Caspar und Melchior Trechsel) 1538. Benutztes Expl. Hamburger Kunsthalle, 111. XVI. Lyon 1538. Gesichert ist nur das Vertragsverhältnis zwischen Trechsel und Lützelburger. Überdies läßt sich ein Aufenthalt Holbeins in Lyon f u r die erste Jahreshälfte 1524 belegen. Dazu Petersmann (Anm. 41), 101 ff. Die Texte, bestehend aus Trostsprüchen und Betrachtungen über Tod und Sterben, stammen von dem Priester Jean de Vauzelles. Zugrunde liegen die Bibel, Patristik und antike Philosophie. Den Abschluß bilden Gedanken über die Notwendigkeit des Todes: »DE LA N E C E S S I T E d e la Mort qui ne laisse riens estre pardurable.« Übersetzung nach Petersmann (Anm. 41), 131. Z u r Herkunft und Bedeutung des Motivs siehe: Bächtiger (II. Kap., A n m . 89), 1 Μ Ι 22, 187f.; Petersmann (Anm. 41), 125-132. Petersmann (Anm. 41), 126. Schmid (Anm. 89), 257. Die A u f f a s s u n g geht bereits auf Woltmann zurück (A. Woltmann, Holbein und seine Zeit, 2 Bde., Leipzig 1874). Im Berner Totentanz führt der Tod persönlich dem Nikiaus Manuel, gen. Deutsch, die Hand. Auf dem Totentanz des Jesuitenkollegiums in Luzern findet sich ein Selbstporträt des Jakob von Wyl. Als noch j u n g e r Maler sitzt er an der Staffelei und malt an einer Ruinenlandschaft, während in der Sanduhr neben ihm die Zeit verrinnt (vgl. A n m . 49). Anläßlich der 1568 erfolgten Erneuerung des Großbaseler G e m ä l d e s

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Sirachs Mahnung »Bei allem was du tust, bedenke das Ende«, die schon Bestandteil der Ars moriendi war," entwickelte sich im Totentanz zum allgemeinen Leitsatz. Einer von Holbeins Baseler Probeabzügen, in der die Bilder nur unter standesbezeichnenden Titeln auf einer Druckseite versammelt sind, trägt den handschriftlichen Vermerk »Gedenck das end«. 100 Als übergreifendes Emblem und vermeintlich privates Signum Holbeins rückt das »Wappen des Todes« 1647 bei Hollar an die Spitze der Ausgabe. 101 Wie genau Sirachs Mahnung mit dem Totentanz identifiziert wurde, zeigt Kiesers Neuauflage von 1623, in der die Funktion der Blätter folgendermaßen beschrieben wird: »Was leben hat muß alles mit. Das haben auch die alten milt Dem jungen voelcklin vorgebildt / Durch warnung / gleichnuß vnd beyspiel Erdacht [...]. Wers end bedaecht Syrachs lehr Allzeit / wirt suendigen nimermehr.«102 Meyer stellt die Sirachstelle in den Mittelpunkt seiner Einfuhrung, und auch Merian bezieht sich auf sie. 103 Die vier Letzten Dinge Schon im Denken des Mittelalters machte Ecclesiasticus 7,40 in unmittelbarer Verbindung mit Deuteronomium 32,29 (»Utinam sape-

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hat sich der Maler Hans Hug Klauber mit seiner Frau verewigt, und auch Conrad M e y e r stellte sich in seinem Totentanz selber dar. Falk nennt den zwischen 1482 und 1508 sechsmal in Augsburg und Lübeck herausgegebenen »Spiegel der kranken und sterbenden Menschen« unter der Bezeichnung: »Gedenck in allen deinen werck dein letzte zeit so wirstu n y m m e r Sünden«. Siehe Franz Falk, Die deutschen Sterbebüchlein von der ältesten Zeit des Buchdruckes bis zum Jahre 1520, (Köln) 1890, 55ff. (= Vereinsschrift der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland, 2), N D Amsterdam 1969. Rudolf weist folgenden Titel nach: »Gedenk in allen deinen werchen dein leczte zeit, so wirstu nymmer sunden. Eccli(ci) 7°. Seit dem mal das allen menschen nichts gewissers ist dannen die Stunde des todes« (Rudolf, Ars moriendi (Anm. 7), 87). Das » M e m o r a r e novissima tua et in eternum non peccabis« gehörte schon zum >Oberdeutschen vierzeiligen Totentanz«. Siehe Wilhelm Fehse, Der oberdeutsche vierzeilige Totentanztext, in: Zeitschrift f ü r deutsche Philologie 40 (1908), 6 7 - 9 2 , 83 f., 89f. Schmid (Anm. 89), 257; vgl. auch Bächtiger (II. Kap., Anm. 89), 121 und Petersmann (Anm. 41), 128. Maßmann, Literatur der Totentänze ( A n m . 42), 53 mit Anm. 1. Zu Hollars Totentanz vgl. auch Anm. 53. » I C O N E S M O R T I S , A L I Q V O D I M A G I N I B V S [...] Der Todtentanz / Durch alle Staende vnnd Geschlecht der Menschen [...]«, Frankfurt a.M. 1623 (korrigiert 1638), Vorrede, (unpag.). Benutztes Expl. HAB, 39.11 Geom. Vgl. auch die Angaben bei Maßmann, Literatur der Totentänze (Anm. 42), 45f. » D a r u m b was du thust / so bedenke das Ende / so wirstu nimmermehr suendigen.« Und in abgeleiteter Form: »(Der Mensch solle) das Ende betrachten / vnnd also nicht leichtfertiger weise suendigen« (Merian, Totentanz (Anm. 38), Vorrede, 20, 15).

rent et intellegerent haec ac novissima sua providerent«) das Wesen des Memento mori aus. Aus »novissima« wurden die »quator novissima«, die vier Letzten Dinge, abgeleitet, nämlich Tod, Gericht, Hölle und Himmel. 104 Die Letzten Dinge blieben ein zentrales Thema über die geistliche Literatur hinaus und waren noch in der frühen Neuzeit »nicht nur ein Gegenstand gelehrter Dogmatik, sondern in Übereinstimmung mit ihr ein Herzstück der Frömmigkeitsgeschichte.« 105 Für das Folgende bleibt festzuhalten, daß in der Betrachtung des Todes in eigentümlicher Weise auch Gericht, Himmel und Hölle gegenwärtig werden. 106 Ein konkretes Beispiel für die Verwendung der beiden Bibelstellen im Zusammenhang mit der Todesmahnung findet sich in der 1515 entstandenen Histori Herculis des Nürnberger Humanisten Pangratz Bernhaupt gen. Schwenter. 107 Im Anschluß an die Beschreibung der Herkulessage folgt hier ein mit »MEMENTO MORI« bezeichneter Abschnitt, der auf dem Wege eines Zwiegesprächs zwischen Mensch und Tod ein sogenanntes Todesschach beschreibt. Nach einem weiteren Text sowie zwölf Philosophen- und Prophetendicta über Gerechtigkeit und Sünde ist dann zu lesen: »Die höchst weyßheit ist emsige gedechtnis des tods. Ο mensch, bedenck dein letzste vnd ewiglich wirstu nicht sunden! Ecclesiastic[us] VII. [Capitulum]. O, das die menschen verstunden, erkentten[n] vnd fursehen die letzten! Deut[e]ro [nomium] 32. Ca[pitulum].« l o s

Die Umformung des »in omnibus operibus« der EcclesiasticusSentenz, das beim Vers zu Holbeins »Wappen des Todes« ausgespart ist (siehe oben), in »Die höchst weyßheit« folgt einer Tradition antiker Weisheitsliteratur, nach der das Bedenken des Todes den Mittel104

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In Abgrenzung zur Eschatologie, der Lehre von den Letzten Dingen, die von der Vollendung der gesamten Menschheit handelt, beziehen sich die vier Letzten Dinge auf das Ende des einzelnen Menschen. Zu den Letzten Dingen als Thema in der Kunst siehe: Eva Lachner/Karl August Wirth, Art. »Die vier Letzten Dinge«, in: RDK, 4. Bd., Sp. 12-22; Lutz Malcke, Zur Ikonographie der »Vier letzten Dinge« vom ausgehenden Mittelalter bis zum Rokoko, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 30 (1976), 44-66. Hans-Henrik Krummacher, »DE QUATUOR NOVISSIMIS«. Über ein traditionelles theologisches Thema bei Andreas Gryphius, in: Respublica Guelpherbytana. Wolfenbütteler Beiträge zur Renaissance- und Barockforschung, Festschrift für Paul Raabe, hrsg. von August Buck/Martin Bircher, Amsterdam 1987, 499-577, 519 (= Chloe, Beihefte zum Daphnis, 6). Krummacher liefert einen umfassenden Überblick über Quellen und Literatur. Vgl. Haas (Anm. 29), 32. Dieter Wuttke, »Die Histori Herculis« des Nürnberger Humanisten und Freundes der Gebrüder Vischer, Pangratz Bernhaupt gen. Schwenter. Materialien zur Erforschung des deutschen Humanismus um 1500, Köln/Graz 1964 (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 7). Zit. nach Wuttke (Anm. 107), 28.

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punkt allen Philosophierens ausmacht.109 Aus der verkürzten Textwiedergabe bei Holbein wird ersichtlich, daß sich das fehlende »in omnibus operibus tuis« auf die Todesdarstellung selbst bezieht. Die höchste Weisheit des Memento mori besteht somit >in den Werken< eines gemeinschaftlichen Todesgedenkens von Bildschöpfer und Betrachter. Auch im Vers Deuteronomium 32,29 - nach Luthers Übersetzung: »O daß sie weise wären und vernähmen solches, daß sie verstünden, was ihnen hernach begegnen wird« - bedeutet Weisheit letztlich die Einsicht: Der Mensch habe zu bedenken, was mit dem Tode auf ihn zukommen wird. In Seuses Büchlein der Ewigen Weisheit antwortet der unvorbereitet Sterbende: »Der beste rat, du groest wisheit und vursihtigkeit, du uf ertrich ist [...] daz du dich mit gantzer bichte und mit allen dingen [...] bereitest, und dich dar nach haltest ellu zit, als ob du dez tages oder zuo dem lensten der wuchen von hinnan scheiden.« Die Weisheit beschließt ihre Belehrung mit dem Hinweis auf das biblische Gebot der Todesfurcht, die am Anfang aller Weisheit stehe: »Gehab dich wol! disu vorht ist ein anvang aler wisheit und ein weg ze aller selikeit. Oder hast du vergessen, wie ellu du schrift ruffet, was grozer wisheit lig an vorhte und emziger betrahtunge des todes?« 110 Die in der Histori Herculis anschließende formelhafte Kommentierung des Deuteronomium-Spruches soll hier vollständig wiedergegeben werden. Die Begriffsfolge »verstunden«, »erkentten«, »fursehen« erinnert wie die Deuteronomiumsversion selbst hinsichtlich des dreistufigen, verschiedene Zeiten herausstellenden Aufbaus an Francks Motto »O höre nimb in acht dz gegenwertig / betracht dz künfftig vnd vergess halt nit / daß fertig«: »Das sy verstunden drey vergangne: Die sund vn[d] groß ubel, die sy gathan habe[n] - Die guttefn] werck, die sy vnterwege[n] gelasse[n] habe[n] - Die zeit der gnaden, die sie verloren habe[n]; Das sy erkenten drey gegenwertige: Die kurtze zeit vnsers lebe[n]s in disem jamertal, - Das d[er] weg zu d[er] Seligkeit eng ist vn[d] schmal, - Das d e i n und wenig ist d[er] ausserweltefn] zal; Das sy fursehen drey zukunfftigen: Den dot, der über alle ding erschrocklich ist - Das streng gericht, das zufurchten ist - Das ewig hellist feur, d[as] vnleydlich ist.« 1 1 1

Der gleiche Text ist in lateinischer Fassung an einer 1622 erbauten Klosterzehntscheune im niedersächsischen Ebstorf zu lesen.112 Die 109 110 111 112

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Vgl. Wuttke (Anm. 107), 186. Zit. nach Bihlmeyer (Anm. 7), 283, 287. Zit. nach Wuttke (Anm. 107), 29. Wuttke (Anm. 107), 174f. nimmt für den Text in der »Histori Herculis« eine ältere, noch unbekannte Überlieferung an, wobei er aufgrund der Ebstorfer Inschrift eine lateinische Urfassung für wahrscheinlich hält. Der Eintrag ist in lateinischen Großbuchstaben fortlaufend in den Längsbalken zwischen Ober- und Unterstock eingekerbt. Erste Erwähnung bei W. Biedenweg, Eine alte Scheuneninschrift, in: Allge-

Existenz der Inschrift an so exponierter Stelle bezeugt, daß jener Memento mori-Vers auch über das Druckmedium hinaus verbreitet war. Es begegnet hier eine der Form nach knappe, aber vielseitige Todesmahnung, die alle wesentlichen Elemente der Warn- und Trostschrift enthält: »Considera tria praeterita: malum commissum, bonum omissum, tempus amissum tria praesentia: vitae fugacitatem, salvandorum paucitatem et salvandi difficultatem; tria futura: [m]ortis crude[l]itatem, extremi judicii severitatem, inferni cruciatum intolerabilem. Quid sum? quis? quantus? quotus? unde? quibusve - Ortus avis? quorsum tendo? quibusve viis? - Vermis, homo, malus, exiguus, postremus, ab imo, - Talibus et cretus, nitor ad astra fide. - Sit nomen Domini b e n e d i c t u m . « " 3

Vergleicht man diese Inschrift mit dem Motto bei Franck, läßt sich dort die gleiche Struktur der Todesmahnung erkennen. Die bewußte Dreigliederung des Titelsatzes - »nimb in acht dz gegenwertig«, »betracht dz künfftig«, »vergess halt nit daß fertig« - folgt in ihrer zeitlichen Ausrichtung der Vorgabe des Memento mori-Verses. Das wankelmütige Glück (»gegenwertig«), Krieg und Gewalt auf den fol-

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meine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 41 (1908), Sp. 158f.; weiterhin A. Freybe, Das M e m e n t o mori in deutscher Sitte, bildlicher Darstellung und Volksglauben, deutscher Sprache, Dichtung und Seelsorge, Gotha 1909, 247f. ( N D Wiesbaden 1972). Zit. nach Wuttke (Anm. 107), 175. Der Text ist in Normalschrift mit moderner Interpunktion wiedergegeben, wobei die Verseinteilung beibehalten wurde. Nach der Übersetzung von Biedenweg (Anm. 112), Sp. 159: »Erwäge drei vergangene Dinge: das begangene Böse, das unterlassene Gute, die verlorene Zeit; - drei gegenwärtige: des Lebens Flüchtigkeit; die geringe Zahl der zu Rettenden; die Schwierigkeit des Rettens; - drei zukünftige: des Todes Grausamkeit, des letzten Gerichtes Strenge, der Hölle unerträgliche Qual. - Was bin ich? Wer? Von welcher Beschaffenheit? Von welcher Größe? Welchem Rang? Woher? Von welchen Vorfahren entsprossen? Wohin strebe ich? Auf welchen Wegen? - Ein Wurm, ein Mensch, ein Böser, ein Geringer, im Range der letzte, von unten her - solcher Art wie meine Väter; Ich steige empor zu den Sternen durch den Glauben. - Gebenedeit sei der N a m e des Herrn.« Eine ähnliche Inschrift findet sich am Hauptportal des Schlosses Guhlau bei Nimptsch (Schlesien), das in seiner heutigen Form aus dem Jahre 1580 stammt. Auch dort geht das >Bedenke das Ende< von Sirach 7,40 aus und leitet über zu den Letzten Dingen. Auf dem Giebelfeld ist der Putto mit Totenkopf und Sanduhr dargestellt, daneben die Inschrift: » H O D I E MIHI C R A S TIBI«. Darunter ist ein zweireihiger Wappenfries angebracht und ein Fries mit der Eintragung: »Da[s] End bedenk und sündge nicht! Schwer ist's zu fallen in Gottes Gericht. - Üb dich mit Fleiß ins Herrn Gebot. Fleuch Sünde, daraus k o m m t Schand und Spott. - Von Weltsorgen dich mache frei, Dein Testament stets fertig sei. - Tu Büß und steh von Sünden ab, Der Tod bringt plötzlich dich ins Grab - Dein Büß nicht spar bis auf die Letzt, Die göttliche Gnad wird bald verscherzt. - Gedenk des Zorns, der kommen wird. Ergreif Christum, den Seelenhirt« (zit. nach Freybe (Anm. 112), 163f.). Vgl. Hans Lutsch, Die Kunstdenkmäler der Landkreise des Reg.-Bezirks Breslau, in: Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien, Teil 2, Breslau 1889, 150-153; Abb. des Portals bei Richard Konwiarz (Hrsg.), Alt-Schlesien. Architektur - Raumkunst Kunstgewerbe, Stuttgart 1913, 62 ( N D Frankfurt a.Μ. 1979).

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genden Blättern (»künfftig«) und der abschließende schändliche Tod (»fertig«) entsprechen dem »verstunden«, »erkentten« und »fursehen die letzten« der Deuteronomium-Sentenz. Mit den Worten »O, das die menschen« (Deuteronomium), »O mensch« (Ecclesiasticus) oder »O höre (Mensch)« (Kriegsserie) wird versucht, den Gläubigen durch den unmittelbaren Anruf zur Umkehr zu überreden. Sieht man von der klaren zeitlichen Zuordnung sowie dem Abschnitt »tria praesentia« ab, lassen sich zwischen der Ebstorfer Inschrift und der Kriegsserie sogar inhaltlich weitgehende Übereinstimmungen feststellen. »Das begangene Böse, das unterlassene Gute, die verlorene Zeit« könnte den Blättern kommentierend beigegeben sein, wobei für »des Todes Grausamkeit« im Schlußblatt der nicht notwendig ausgesprochene Zusammenhang mit den Letzten Dingen wie in den Totentänzen 114 auch hier mitzudenken ist. Wer sich rechtzeitig (gegenwärtig) auf den Tod vorbereitet und sich des künftigen Seelenheils vergewissert »vergess halt nit dz fertig« - darf die Hoffnung hegen auf eine »fröhliche Auferstehung«, wie es auf Grabsteinen des 17. Jahrhunderts häufig heißt. »Ich steige empor zu den Sternen durch den Glauben« steht in Ebstorf, oder wie die Ewige Weisheit den Diener schließlich vertröstet: »Setzte dich recht uf ein hinevart, wan gewerlich [...]. Da von so rihte reht alles din leben dar nah, wenne er kome, daz du bereit siest und vroelich von hinnan varest.«

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Vgl. dazu die Blätter: »Daß Iiingst gericht« (Holbein); »Das Jüngste Gericht« (Meyer) und »Des Sünders Rechtfertigung« (Meyer).

IV. Todesmahnung in Augsburger Kunstwerken

Das Todesgedenken war aber nicht nur Bestandteil frühneuzeitlicher Totentänze oder des erbaulichen Trost- und Sterbeschrifttums, sondern fand darüber hinaus in der Vergänglichkeitsdarstellung zu einem eigenständigen künstlerischen Ausdruck. Beispiele hierfür lassen sich auch für Augsburg anfuhren, dem damals wohl wichtigsten Kunstzentrum in Deutschland. 1 »Vanitas« gehörte zu den großen Themen des Barock.2 Wie Historie und Porträt wurde sie auch in Augsburg in immer neuen Variationen aufgegriffen. 3 Viele der Umsetzungen sind dadurch gekennzeichnet, daß sich der Künstler in das Bildgeschehen miteinbezog. Voraussetzung dafür war sein verändertes Rollenverständnis, das seit der Renaissance zu einem neuen Bewußtsein künstlerischer Autonomie gefuhrt hatte. Damit einher ging ein wachsendes Bedürfnis nach Mitteilung eigener Positionen und Werte. 4 Die folgenden Beispiele der Todesmahnung in Augsburger Vergänglichkeitsallegorien sind zugleich mehr oder minder Zeugnisse individueller Frömmigkeit. Sorgt 1

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Zur Augsburger Kunst jener Epoche siehe allgemein: Augsburger Barock (Einl., Anm. 18); Ausstellungskat., Welt im Umbruch. Augsburg zwischen Renaissance und Barock, Ausstellung der Stadt Augsburg in Zusammenarb. mit der EvangelischLutherischen Landeskirche in Bayern anläßlich des 450. Jubiläums der Confessio Augustana unter dem Patronat des International Council of Museums (ICOM), hrsg. von den Städtischen Kunstsammlungen Augsburg und dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, 3 Bde., Augsburg 1980/81. Pigler (II. Kap., Anm. 205), 2. Bd., insbes. 602-619. Vgl. auch: Jan Bialostocki, Kunst und Vanitas, in: ders., Stil und Ikonographie. Studien zur Kunstwissenschaft, 2. Aufl., Köln 1981, 269-316; Ausstellungskat., Alberto Veca, Vanitas. II simbolismo del tempo, Ausstellung Bergamo 1981, Bergamo 1981 (mit einer gelungenen Abgrenzung der einzelnen Gegenstandsbereiche). Der größte Einfluß wird dabei Schönfeld zugeschrieben. Den Namen von Neuberger und Gundelach sind vor allem die von Heiß, Isaak Fisches, Franz Friedrich Franck, Strauß und Werner anzufügen. Zur Stellung des Künstlers im Barock siehe Martin Warnke, Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, 2. Aufl., Köln 1986. Im Deutschland des 17. Jahrhunderts verkörperte wohl Sandrart wie kaum ein anderer den Prototyp des >MalerfurstenFamaInvidianeidiges< und >mißgünstiges< Verhalten vor. Neuberger scheint die Sache der freien Künstler zu seiner eigenen gemacht zu haben. Verbürgt ist, daß er kurz nach der Eheschließung mit einer Tochter des Elias Holl nach Wien ging, wo er es bis zum kaiserlichen Hofbildhauer brachte. Nur noch zeitweilig hielt er sich später in Augsburg auf. Als er dort 1660 das Wachsbild anfertigte, blieb er als Hofkünstler frei von Reglementierungen der Zunft. Zudem hatte die Malerzunft, die zuletzt ohnehin dem Magistrat direkt unterstellt war, ihr berufsständisches Monopol endgültig verloren und mußte sich wenig später mit der Gründung einer städtischen Kunstakademie abfinden. 10 Ein zusätzliches Gewicht erhält Neubergers Vergänglichkeitsallegorie, berücksichtigt man die enge Verknüpfung der Porträtbildnerei in Wachs mit einer speziellen Form des herrschaftlichen Totenkultes, bei dem der Leichnam durch eine >Effigie< ersetzt wurde, die zunächst aus Holz, später aus Wachs geformt war." Das Wiener Hofzeremoniell, mit seiner Betonung des Kreatürlichen der menschlichen Existenz, konnte einem Wachsbildner zahlreiche Betätigungsmöglichkeiten bieten. 12 Sandrart berichtet eindrucksvoll, Neuberger habe eine Statue Ferdinands III. »in rechter Lebensgröße und Ordinari-

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Hampes Identifizierung des blutigen Schädels mit der »Kriegsfurie« läßt sich dagegen nicht nachvollziehen (Hampe (Anm. 5), 121). Vgl. Andor Pigler, Neid und Unwissenheit als Widersacher der Kunst. Ikonographische Beiträge zur Geschichte der Kunstakademien, in: Acta historiae artium Academie scientiarum Hungariae 1 (1954), 2 1 5 - 2 3 5 . Noch klarer zeigt sich dieser Zusammenhang auf der Radierung von Georg Christoph Eimmart nach Neubergers Idee. Dort halten Putti die Bildnisbüste Neubergers hoch. Chronos und Athene legen beschirmend ihre Hände auf des Künstlers Haupt, wobei die Kriegsgöttin die weibliche Personifikation des Neides zertritt (Abb. bei Hampe (Anm. 5), 120). Über Spannungen zwischen Neuberger und der Zunft und mögliche Anstrengungen des Künstlers zur Gründung der Akademie ist allerdings nichts bekannt. Zur Entstehung der Akademie siehe Elisabeth Bäuml, Geschichte der alten reichsstädtischen Kunstakademie von Augsburg, Diss. Phil. Masch. München 1951. Vgl.: Harald Keller, Art. »Effigie«, in: RDK, 4. Bd., Sp. 743-749; Ernst H. Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theorie des Mittelalters, München 1990 (erstmals Princeton/New York 1957); Wolfgang Brückner, Bildnis und Brauch. Studien zur Bildfunktion der Effigies, Berlin 1966. Siehe dazu vor allem Julius von Schlosser, Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses 29 (1910/11), 171-258 ( N D Graz 1967; erneut hrsg. von Thomas Medicus, Berlin 1993).

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Kleidung« geschaffen, die für echt gehalten worden sei.13 Die Verwendung des für die Nachbildung des menschlichen Körpers besonders geeigneten Wachses zur Darstellung der Vergänglichkeit erscheint symptomatisch für eine Zeit, der getreue Naturnachahmung und perfekte Illusion als höchste Ziele der Kunst galten.14 2. Das Sterbebüchlein des Matthäus Gundelach Unter dem Namen Gundelachs verwahrt das Berliner Kupferstichkabinett ein kleines Pappbändchen in violettem, stark abgegriffenem Samt.15 Die Einordnung unter die Künstlerskizzenbücher ist irreführend. Tatsächlich handelt es sich bei dem unscheinbaren Büchlein um den seltenen Fall eines handgeschriebenen, vollständig erhaltenen Erbauungstraktats evangelischer Provenienz. Das Zusammenspiel von Bild und Text sowie die Intimität der zusammengetragenen Vergänglichkeits- und Todesgedanken machen das Werk zu einer einzigartigen Sterbeschrift. Obgleich der Band aus drei unterschiedlichen Teilen zusammengesetzt ist, verbinden sich die rund 30 Zeichnungen und Kommentare zu einem einheitlichen Programm. Der umfangreichste Abschnitt, die sogenannte >Geistliche UhrGeistliche Uhr< für einen Auftraggeber oder zum privaten Gebrauch geschaffen hat. 20 Die skizzierende Strichfuhrung, der optische Eindruck des Unfertigen und das verwendete dünnere Papier erwecken zunächst den Anschein, als handele es sich bei diesem Abschnitt um ein zweckentfremdetes Vorlagestück, das nur zufallig seinen Weg in den Band gefunden hat. Die nähere Untersuchung ergibt jedoch, daß die drei Teilbereiche nicht, wie behauptet, inhaltlich nur lose miteinander verbunden sind,21 sondern im Gegenteil von Gundelach systematisch aufeinander bezogen wurden. Die vier auf die Titelkartusche (Blatt 2r) folgenden Zeichnungen aus der Genesis »Schöpfung der Welt« (Blatt 4r), »Erschaffung der Eva« (Blatt 5r), »Sündenfall« (Blatt 7r), »Vertreibung aus dem Paradies« (Blatt 8r), die zugleich die Entstehung des Todes thematisieren, werden ausdrücklich für das Verständnis der >Geistlichen Uhr< vorausgesetzt. 22 Da mit dem Tod das Jüngste Gericht, Hölle und Himmel unmittelbar zusammenhängen, beginnt das abschließende Kapitel folgerichtig mit dem Hinweis auf die Letzten Dinge (»Vier volgente dinge«, Blatt 44v), wodurch die Zahl Vier am Anfang und Ende eine genaue Entsprechung hat. Zu diesem letzten Komplex gehören die Todesmahnung (»Eine treüe warnüng in gemein - furm Thott nicht all züe sicher sein«, Blatt 45v—48v), Gedanken über die Ungerechtigkeit und Sündhaftigkeit der Welt (Blatt 51v-53v), das »Kreutz-

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Schmid, Erbauliche illustrierte Flugblätter aus den Jahren 1570-1670, Frankfurt a.M./Bern/New York 1986, 82-85, 120-123 (= Mikrokosmos. Beiträge zur Literaturwissenschaft und Bedeutungsforschung, 20). Ein Flugblatt aus dem Jahre 1610 (Coupe, a.a.O., Nr. 348, mit Abb.) trägt den bezeichnenden Titel: »Von der Geistlichen Vhr / Vnsers Christlichen Glaubens / Dardurch wir vnser zeitliches Leben moegen betrachten« und den Leitspruch: »O Mensch den Tod eben betracht / Er kompt zu vnversehner zeit / Sih an sein grosse staerck vn[d] macht / Mit jhm zu gehn sey du bereit.« Näheres dazu bei Elisabeth Bender, Matthäus Gundelach. Leben und Werk, Diss. Phil. Frankfurt a.M. 1981, 2 5 1 - 2 8 8 . Vgl. auch: Möhle (Anm. 15), 274ff.; Augsburger Barock (Einl., Anm. 18), 194f. »wans nür Gott geflfeldt - was acht Ich der welldt. MATTHEVS GVNDELACH MDCD1.« Eine weitere Signatur befindet sich auf der Darstellung der »Siegespyramide« (Blatt 43r): »MDCDDI MC«. Augsburger Barock (Einl., Anm. 18), 194; Bender (Anm. 18), 76, 253. Augsburger Barock (Einl., Anm. 18), 194f. Dort heißt es einleitend: »[...] der zwelf Stündt (also der >Geistlichen UhrGeistlichen UhrTod und Landsknecht< als Memento mori-Motiv siehe den nachfolgenden Abschnitt. Das Alter erschließt sich aus der Geburtsangabe im Augsburger Musterungsbuch von 1619 (SAA). Peltzer (I. Kap., Anm. 46), 196f. Die Leichenpredigt läßt sich nicht mehr auffinden (vgl. Bender (Anm. 18), 14). . Zur Situation der Lutheraner in jener Zeit siehe: Horst Jesse, Augsburg 1630: Die Leidenszeit des Protestantismus, in: ders. (Hrsg.), Das Augsburger Bekenntnis in drei Jahrhunderten. 1530 - 1630 - 1730, Weißenhorn 1980, 5 1 - 7 3 ; ders., Die Geschichte der Evangelischen Kirche in Augsburg, Pfaffenhofen a.d. Ilm 1983, insbes. 208-232.

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war dem Gotteshaus nachweislich verbunden. Noch kurz vor seinem Tod zeichnete er die Entwürfe zu den Malereien in der Empore.30 Im Werk Gundelachs besitzt das Sterbebüchlein nur eine untergeordnete Bedeutung,31 was sich leicht mit dem hohen Alter seines Schöpfers erklären ließe. Wichtiger fur eine Beurteilung erscheint aber wohl, daß sein Entstehen einem existentiellen religiösen Bedürfnis entspricht. Dabei erweist sich das Werk über die Ars moriendi hinaus als Bekenntnisschrift eines Augsburger Lutheraners. Eine der letzten Seiten enthält das Bild des von Ketzern umkämpften Evangelienbuches auf der Weltkugel (Blatt 56r). Unterstützt vom Papst, dem Klerus und den Türken, versucht es der Teufel an die Kette zu legen. Dennoch steht die katholische Kirche auf verlorenem Posten. Nach Auffassung des erläuternden Textes hat die >wahre< Religion den Sieg davon getragen: »Mit vngestüm vnd grimmigkeit Last vns Rechen daß grosse leit So vns dis Büch hat ann gedon So man nent das Eüangelion.«

3. Krieg als Memento mori-Motiv bei Johann Heinrich Schönfeld Mit dem aus Italien zurückkehrenden Johann Heinrich Schönfeld (1609-1684) ließ sich 1651 der wohl einflußreichste deutsche Maler seiner Generation in Augsburg nieder.32 Gleichzeitig machte sich stilistisch und thematisch ein Bruch in seinem Schaffen bemerkbar,33 Matthias Strasser hat die 18 Tafeln in Grisaille ausgeführt. Siehe: Bender ( A n m . 18), 216—225; Karl-Heinz Alwast, Die Bilder und Gemälde in der evangelischen Heilig-Kreuz-Kirche zu Augsburg, in: Die evangelische Heilig-Kreuz-Kirche in Augsburg. Eine Lutherstätte, hrsg. v o m Evangelisch-Lutherischen Pfarramt, Augsburg 1981, 2 8 - 5 5 , 45ff. Möhle (Anm. 16), 274 bemängelt zu Recht die Qualität der Zeichnungen. Leben und Werk sind vergleichsweise gut erschlossen. Hier nur die wichtigste Literatur: Albert Hämmerle, Die Familie Schönfeld aus Biberach a. Riss, in: Das Schwäbische Museum (1928), 39^18; Bruno Bushart, Johann Heinrich Schönfeld, in: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 10 (1973), 151-176; Rolf Biedermann, Die Zeichnungen des Johann Heinrich Schönfeld, und ders.. Unbekannte Zeichnungen des Johann Heinrich Schönfeld, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 8 (1971), 119-194, und 20 (1983), 3 3 - 5 2 ; Charmian Mesenzeva, Z u r Frage der Graphik von Johann Heinrich Schönfeld, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins f ü r Kunstwissenschaft 34 (1980), 120-130; Herbert Pee, Johann Heinrich Schönfeld. Die Gemälde, Berlin 1971. Strittig bleibt die Bewertung des Neuanfangs. Erkennt Bushart (Anm. 32), 168 bei Schönfeld neue künstlerische Impulse, glaubt Adriani ein »erstaunliches Nachlassen der schöpferischen Kräfte« zu bemerken (Adriani (Einl., Anm. 5), 62).

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bei dem das Thema der Vergänglichkeit immer mehr in den Vordergrund rückte.34 Zu der Gruppe von Vanitasdarstellungen35 gehören auch zwei um 1653 entstandene Folgen mit Soldatenbildern. Gezeigt werden Szenen aus dem Kriegsalltag: Soldaten beim Kartenstudium, beim Würfeln und Raufen. 36 Auf der zweiten Gemäldeserie sieht man Einzelfiguren: den Krieger neben der Kanone; einen Marodeur mit Buben; die Marketenderin und ihre Familie. 37 Es ist schon festgestellt worden, daß Schönfeld hier offenbar nicht allein einer zeitgenössischen Vorliebe für Schlachtenbilder huldigt.38 Vielmehr geht es bei den realitätsnahen Motiven um konkrete Situationen aus dem Soldatenleben, die jenseits geläufiger Allegorik die Vergänglichkeit irdischer Existenz ausdrücken. Letztlich mag Schönfeld durch die Kriegsserie des ihm bekannten Franck zu seinen Bildfolgen animiert worden sein. 39 Entscheidend ist aber, daß er mit >Tod und Landsknecht< auf ein Thema zurückgreifen konnte, das, aus dem Totentanz hervorgegangen, sich zum eigenständigen Memento moriMotiv entwickelt hatte. 34

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Die in der Literatur angebotene Begründung, Schönfeld habe mit der Vergänglichkeitsdarstellung auf die unsichere Situation in Deutschland am Ende des Dreißigjährigen Krieges reagiert, erscheint wenig stichhaltig. Vgl.: Ausstellungskat., Johann Heinrich Schönfeld. Bilder, Zeichnungen, Graphik, M u s e u m Ulm, Ausstellung vom 2. Juli—17. Sept. 1967, Weißenhorn 1967, 40, 80; Bushart (Anm. 32), 168. In die frühe Augsburger Zeit fallen die Darstellungen des »Demokrit« sowie die Philosophenreihe »Diogenes«, »Trauernder Philosoph« und »Der Philosoph am Grabe Alexanders«. Siehe Kat. Ulm ( A n m . 34), Nr. 52, sowie 138-140, 191, 214. Auch bei Schönfelds Radierungen spielt das Vanitasthema die entscheidende Rolle. Vgl. Mesenzewa (Anm. 32). »Kanoniere beim Kartenstudium«, 107,5 χ 90,5 cm, bezeichnet: »JHS (ligiert) 1653«; »Würfelnde Soldaten«, 108 χ 89 c m , bezeichnet: » J H S (ligiert) 1654«; »Streitende Soldaten«, 105 χ 89 cm, bezeichnet: »HS (ligiert) 1654«, Öl auf Leinwand. Siehe Pee (Anm. 32), Nr. 5 7 - 5 9 mit Abb. Das zuletzt genannte Gemälde ist heute verschollen. Die anderen befinden sich seit dem 17. Jahrhundert im Besitz der S a m m l u n g Fürst Liechtenstein, Vaduz. »Krieger neben einer Kanone«, 60 χ 42 cm, bezeichnet: »JH. (ligiert) Schönfeldt Fecit«; »Marodeur mit Buben«, 59 χ 43 c m , bezeichnet: » J H S (ligiert) Fecit«; »Marketenderin mit Kindern«, 57 χ 40 cm, unbezeichnet, Ol auf Leinwand. Siehe Pee (Anm. 32), Nr. 6 6 - 6 8 und Seite 39ff. Die Vollständigkeit der Serie ist fraglich. Vermutlich gehörten die Bilder zu einer Folge mit Hirten- und Jagdszenen, die 1661 von Georg Andreas W o l f g a n g unter dem Titel » V A R I A E C A P R Y C . (= CAPRICCI)« nachgestochen wurde. Siehe dazu Kat. Ulm (Anm. 34), Nr. 2 1 5 - 2 2 0 mit Abb. Die von dem Schönfeldschüler Gabriel Ehinger s t a m m e n d e Zeichnung einer Soldatenfamilie wird in die N ä h e der »Marketenderin« gerückt. Siehe Augsburger Barock (Einl., Anm. 18), Nr. 203 mit Abb. Bushart (Anm. 32), 166. Die Tatsache, daß Franck 1652 als »Bürge« der Hochzeit Schönfelds auftrat (siehe Hochzeitsamtprotokoll, abgedruckt bei Hämmerle, Schönfeld (Anm. 32), 43), bildete den Anlaß, zu ikonographischen und stilistischen Vergleichen beider Künstler, auf die hier nicht weiter einzugehen ist. Siehe dazu Biedermann, Die Zeichnungen ( A n m . 32), 148.

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>Tod und Landsknecht* Zu den Anlässen für die Verbildlichung von >Tod und Landsknecht< zählte die Absage an Eitelkeit und Prunksucht. Dabei war die freie Kleiderwahl, eine Ausnahmeerscheinung in der ständischen Gesellschaft, mit dem Landsknechtswesen eng verbunden. Vom prächtigen Aussehen der Söldner mit ihren vielfach geschlitzten oder gepufften Wämsern und Kleidern unterrichten uns zahlreiche Einblattdrucke. 40 Neben der Anprangerung des Hochmuts enthält dieser Darstellungstyp somit den Hinweis auf die Vergänglichkeit des Schönen, ein Thema, das ungleich häufiger durch >Der Tod und das Mädchen< verbildlicht worden ist.41 Ein weiterer Strang des Memento mori-Gedankens befaßt sich mit der vermeintlichen Macht und Stärke des Landsknechts. Indem der Soldat menschliches Leben zunichte macht, maßt er sich an, dem Tod ebenbürtig zu sein. Auf einem Holzschnitt von Wolfgang Strauch sieht man einen mit dem Beidhänder bewaffneten Krieger im Kampf mit dem Knochenmann, 42 ein verbreitetes Totentanzmotiv. 43 Während der Söldner im Zwiegespräch seine angebliche Tapferkeit ins Feld führt, bleibt er dem Tod gegenüber machtlos. Nicht ohne Komik äußert sich dieser über die federgeschmückte Kopfbedeckung seines Kontrahenten: »Ich Erlech den Hauptmann sambt dem Het (= Hut).« Ein signifikantes Beispiel für das enge Verhältnis von Landsknecht und Tod überliefert der Totentanz von Meyer. Hier hat sich der Soldat mit dem Teufel verbündet, um unverwundbar zu werden und dem Tod zu widerstehen. 44 Der ruft ihm jedoch zu: »(Dir) hilfft jetzt kein Wundsegen mehr - Bist schon gefroren, ist vmb sonst, - Ich löss auff mit Gewalt ohne Kunst.« 45

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Ein Überblick dazu bei Baumann (I. Kap., Anm. 34), 38ff. Vgl. Jean Wirth, La jeune fille et la mort. Recherches sur les themes macabres dans l'art germanique de la Renaissance, Genf 1979; Gert Kaiser, Der Tod und die schönen Frauen. Ein elementares Motiv der europäischen Kultur, Frankfurt a.M./New York 1995. »Tod und Landsknecht«, Wolfgang Strauch, 31,5 χ 27,5 cm. Siehe Walter L. Strauss, The German single-leaf woodcuts, 1550-1600, 3 Bde., N e w York 1975, hier 3. Bd., 1077. So schon bei Holbein. Vgl. Blatt 40 des Totentanzes. Von dem Stich hat sich auch eine leicht veränderte Kopie erhalten (Gouache auf Pergament). Siehe: Totentänze aus 6 Jahrhunderten (II. Kap., Anm. 106). Nr. 36. Die Vorstellung vom sogenannten >Wundsegnenfest< oder >gefroren< zu werden, daß kein Stich oder keine Kugel in den Körper eindringen konnte, war im 17. Jahrhundert weit verbreitet. Nach Meinung der Zeitgenossen konnte diese als teuflisch geltende Kunst nur durch Magie wieder >aufgelöst< werden. Siehe dazu mit weiteren Belegen Gustav Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, 3. Bd., Aus dem Jahrhundert des großen Krieges ( 1 6 0 0 -

Auch in einem um 1500 entstandenen primitiven Flugblatt unbekannter Herkunft geht es vordergründig um das Kräftemessen zwischen Landsknecht und Tod. 46 Der jünglingshafte Hellebardier dient sich dem Tod als Bundesgenosse an. »Ich hab ain geding gemacht mit dem tod«, lautet die Beischrift. Der erhoffte Partner hält ihm jedoch das Stundenglas entgegen und antwortet mit einem Spruch Jesajas (38,2): »Du wirdest sterben vnd nit leben.« Die in die Blattmitte gerückte Abbildung läßt genügend Raum für Schriftleisten mit zahlreichen Sprüchen zur Todesmahnung, die überwiegend dem Alten Testament entnommen sind. 47 Das kurze und ständig bedrohte Leben des Landsknechts entwickelt sich in diesem Kontext zu einem bildlichen Memento mori-Zitat und wird zur Metapher für die Daseinsgefahrdung eines jeden, des >JedermannTod und Landsknecht< wird auch in einem Flugblatt von Albrecht Dürer behandelt. 48 Dürer zieht aus der knappen Bemessung des Lebens nicht nur den Schluß, sich rechtzeitig darauf einzustellen. Vielmehr gewinnt er dem frühen Tod auch etwas Positives ab, indem er den Menschen in seiner Unverbesserlichkeit daran hindere, allzuviele Sünden zu begehen: »Spar dein peßrung nit piß auf morn Dann vngewiß ding ist bald verlorn. [...] Gar seilten gschichts inn lang leben, Daz sich d'leut in peßrung geben. Sie mehren aber dick die sündt. Wollt gott, daz ich kurcz wol lebm kündt!« 49

Wie aus der letzten Zeile hervorgeht, macht hier der Künstler die Beschäftigung mit dem Tod zu einem persönlichen Anliegen. Zunächst ist der Einblattdruck aber eine nützliche >Sterbehilfe< für den Leser. Wer sich »all tag zum sterben schickt«, und dabei das Bild des Todes betrachtet, der, so läßt sich ergänzen, habe nichts zu befürchten. Schönfelds Landsknechtsdarstellungen zitieren also ein eigenständiges Bedeutungsmotiv. Thematisiert wird nicht der Krieg, sondern das

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1700), 6. Aufl., Leipzig 1872, 73ff.; vgl. auch Peuckert, Art. »festmachen«, in: Η DA, 2. Bd., Sp. 1353-1368. Ohne weitere Quellenangaben abgebildet bei Hale (I. Kap., Anm. 12), 30f. Da das Blatt an den Rändern beschnitten und schlecht erhalten ist, läßt sich der Text nur schwer zu entziffern. »Keyn ding hilffit fur den zeytling todt - Darumb dienet got frrwe vnd spot«, 21 χ 31,5 cm, nur der Holzschnitt ca. 1 2 x 8 cm, entstanden 1510, zweite Ausgabe 1 5 2 0 1530. Siehe: BARTSCH, 10. Bd. (Commentary), 41 If.; HOLLSTEIN II, 7. Bd., 194. Von Lamprecht Hopfer gibt es einen Nachstich. Siehe BARTSCH, 17. Bd., 295. Zit. nach der Frommann'schen Abschrift (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg). Siehe Dürer. Schriftlicher Nachlaß, hrsg. von Hans Rupprich, 3 Bde., Berlin 1956-1969, 1. Bd., 137f.

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kurze und gefahrvolle Leben der Soldaten im Sinne einer allgemeingültigen Warnung vor dem plötzlichen, unvorbereiteten Tod. 4. Todesmahnung bei Hans Ulrich Franck Der erbaulich-belehrende Charakter der Todesmahnung in Bild- und Schriftzeugnissen der Zeit legt offen, daß der von Franck in der Kriegsserie verwendete Begriff »fertig« nicht einfach nur für »Ende« steht.50 Über das Lebensende jener Soldaten, die das Kriegsglück herausfordern, oder, unter programmatischem Blickwinkel, über das Ende der Bilderzählung hinaus, kommt ihm eine religiöse, speziell eschatologische Dimension zu. Etymologisch abgeleitet von »Fahrt«, ursprünglich nur für »bereit zum Aufbruch«,51 bedeutet er im geistigen Sinne die innere Bereitschaft zu frommer Todesbetrachtung als einer Vorbereitung zum >guten