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German Pages 354 [356] Year 1925
Bayerische Dokumente zum Kriegsausbruch und zum Versailler Schuldspruch
Im Auftrage des Bayerischen Landtags herausgegeben von
Dr. P. Dirr Dritte erweiterte Auflage
Munchen und Berlin 1925 Drucfe und Verlag von R. Oldenbourg
Aile Redite, einschließlich des Qbersetzungsredites, vorbehalten Copyright 1922 by R. Oldenbourg, München
Vorwort zur zweiten Auflage. Im Frühjahr 1919 beantragte ich im Ausschuß des Bayerischen Landtags für Auswärtige Angelegenheiten, diejenigen Vorgänge der bayerischen Politik, die während des Krieges und während der Revolutionszeit außenpolitische Bedeutung erlangt haben, gründlich nachzuprüfen und aufzuklären. In erster Linie war dabei an die Aktenveröffentlichung des ehemaligen revolutionären Ministerpräsidenten Kurt Eisner vom 23. November 1918 gedacht, die in der Welt das größte Aufsehen erregt und auch in den Verhandlungen der provisorischen bayerischen Landesversammlung (Dezember 1918) eine gewisse Rolle gespielt hatte. Ehe der Antrag ordnungsmäßig behandelt werden konnte, brachen die Wirren der Rätezeit über Bayern herein. Es war nicht mehr möglich, die Angelegenheit, wie beabsichtigt, noch vor dem Abschlüsse der Versailler Verhandlungen zu erledigen. Die Frage einer Nachprüfung trat im August 1919, nachdem das Versailler Diktat Deutschland bereits auferlegt war, erneut auf. Damals erhob der Gesandtschaftsrat v. Schoen gegen die auszugsweise Veröffentlichung seines Berliner Gesandtschaftsberichtes vom 18. Juli 1914 nachträglich öffentlichen Einspruch und erklärte, daß durch Eisners Kürzungen sein Bericht entstellt und erst dadurch für die Zwecke der feindlichen Mächte verwendbar gemacht worden sei. Auf meinen erneuten Antrag setzte der in Bamberg versammelte Landtag eine sechsgliedrige Feststellungskommission ein, zu der jede Fraktion einen Vertreter entsandte. Sie sollte den Fall der Eisner'schen Enthüllungen in einem aktenmäßigen und zeugenschaftlichen Verfahren aufklären und Bericht darüber vorlegen. Die Arbeit konnte während der Dauer des ersten Landtages des Freistaates nicht durchgeführt werden. Sie ist dann von dem im Juni 1920 gewählten zweiten Landtage, welcher den besonderen 1*
IV Ausschuß erneuerte, im Frühjahr und im Herbste 1921 wieder aufgenommen worden. Ich übernahm die Sammlung und Bearbeitung des Stoffes. Der Ausschuß hörte in längeren Zwischenräumen mehrmals Bericht über den Fortgang der Arbeit und ermächtigte mich dann, diese dem Landtag im Drucke vorzulegen. Sie wurde am 8. Februar 1922 zuerst als Landtagsdrucksache in der für eine solche üblichen Auflage veröffentlicht, den sämtlichen Abgeordneten des Landtags, verschiedenen amtlichen Stellen und Bibliotheken im Lande und im Reiche, der Presse und den diplomatischen Vertretungen des Auslandes in München zugeleitet. Die Buchausgabe erschien in erster Auflage zu Ostern 1922. Sie brachte die Aktensammlung in unveränderter Form und unterschied sich von der Landtagsdrucksache nur durch ein etwas erweitertes Vorwort und ein hinzugefügtes Personen- und Sachregister. Nun liegt das Buch in zweiter erweiterter Ausgabe vor. Mit den Ergänzungen und Nachträgen ist ein dritter Teil zugewachsen. In einer einleitenden Betrachtung sind die Ergebnisse der aktenmäßigen Untersuchung zusammengefaßt. Im übrigen bleiben Anlage und Einteilung, abgesehen von einigen kleinen Verbesserungen, unverändert. Es umfaßt der Teil A eine Zusammenstellung der Veröffentlichung vom 23. November 19x8 mit den Originalen der dazu benützten Schriftstücke. Dann die Zeugnisse, die Auskunft geben können über die Ursachen, Beweggründe und die Veranlassungen der Enthüllung, also ihre Vorgeschichte. Ferner diejenigen Zeugnisse, welche die Folgen und Wirkungen aufzeigen, weiter diejenigen, welche die darob entstandenen Auseinandersetzungen mit der Reichsleitung und den in Bayern darüber entbrannten Streit beleuchten. Aus Gründen, die in den Vorbemerkungen zu Teil B näher erwähnt sind, wurden in diesem Teil jene Berichte und Meldungen aus dem diplomatischen Geheimarchiv des Ministeriums des Äußern und der bayerischen Gesandtschaften wiedergegeben, die sich mit der politischen Hochspannung in Europa und der drohenden Kriegsgefahr in den letzten Vorkriegswochen befassen. Sie sind nach der Zeitfolge zusammengestellt. Auf diese Weise wird ein Gesamtbild der bayerischen Gesandten-Berichterstattung aus jenen kritischen Wochen gegeben und ermöglicht, die für die Veröffentlichung vom
V 23. November 1918 von Eisner getroffene Auswahl zum ganzen Bestände in Vergleich zu setzen. Die Wiedergabe der Zeugnisse und Dokumente bewahrt genau den Wortlaut der Originale. Wo Kürzungen unerläßlich waren, also bei gedruckten Vorlagen, Regierungskundgebungen, Reden usw., die sich meist auch mit anderen Gegenständen befassen, wurden sie sachgemäß gekennzeichnet. Zusammenziehende Bemerkungen und Überleitungen des Herausgebers sind durch größere Schrift oder in Anmerkungen hervorgehoben und halten sich in den Grenzen rein sachlicher Feststellungen. Die diplomatischen Schriftstücke des Teiles B erscheinen in vollem Wortlaute. Lediglich in einigen wenigen wurden Stellen, die mit dem Gegenstand der Kriegsgefahr und politischen Lage nicht im Zusammenhange stehen oder ohne Bedeutung sind, unter entsprechendem Vermerk gestrichen. Im übrigen fanden für die Wiedergabe die Grundsätze Anwendung, die in der deutschen amtlichen Publikation „Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch" eingehalten sind. Der neu hinzugekommene Teil C bringt Ergänzungen und Nachträge, deren Art und Notwendigkeit ohne Weiteres ersichtlich ist. München, im Oktober 1923
Dr. P. Dirr.
Vorwort zur dritten Auflage. Die nach Jahresfrist notwendig gewordene dritte Auflage bringt außer kleineren Änderungen und Ergänzungen neu einen SchlußAbschnitt zur Einführung: Epilog 1925. Ferner in den Nachträgen die Berichte des bayerischen Militärbevollmächtigten in Berlin aus den letzten Tagen der Krise 1914 im Wortlaut. M ü n c h e n , im Mai 1925.
Dr. P. Dirr.
VI
Inhaltsübersicht. Seite
Vorwort
III
Einführung und Übersicht
XIV
A DieAktenveröffentlichungdesMinisterpräsidenten Eisner und der Versailler Schuldspruch I. Die Veröffentlichung vom 23. November und ihre urkundlichen Unterlagen
1918
1. Amtliche Mitteilung der Korrespondenz Hoffmann 2. Bericht des Bayerischen Geschäftsträgers in Berlin, von Schoen, an den Vorsitzenden im Ministerrate, Grafen von Hertling, vom 18. Juli 1914 3. Fernsprech-Meldung der Gesandtschaft in Berlin vom 31. Juli 1914; 7 45 vorm 4. Fernsprech-Meldung der Gesandtschaft in Berlin vom 31. Juli 1914; 800 nachm 5. Bericht des bayerischen Gesandten in Berlin, Grafen Lerchenfeld, an den Vorsitzenden im Ministerrate, Grafen von Hertling, vom 4. August 1914 . . . . II. Auswirkung in Versailles 1. Schuldbericht der Entente 2. Deutsches Gegengutachten 3. Spätere Erklärung der deutschen Viererkommission III. Zur Vorgeschichte der Enthüllung 1. Aus der ersten Regierungskundgebung Eisners in der Nacht zum 8. November 1918 2. Aus der Rede Eisners im Arbeiter- und Soldatenrate am 8. November 1918 3. Kundgebung der Regierung des bayerischen Volksstaates vom 10. November 1918 4. Telegramm Professor Foersters in Zürich an den Ministerpräsidenten Eisner 1 1 . November 1918 . . . 5. Telegramm Eisners an Foerster 12. November 1918 6. Telegramm Foersters an Eisner 13. November 1918
3 3 4 13 14 15 17 17 19 23 25 25 25 26 28 28 29
VII Seite
7. Telegramm Eisners an Foerster 14. November 1918 8. Telegramm George D. Herron's in Genf an Professor Dr. Edgar Jaffe, Finanzminister des Volksstaates Bayern und an den Ministerpräsidenten Eisner 14. November 1918 9. Telegramm Foersters an Eisner 14. November 1918 10. Aus dem Regierungsprogramm des bayerischen Ministeriums vom 15. November 1918 11. Bericht Foersters an Eisner vom 16. November 1918 12. Telegramm George D. Herron's in Genf an Eisner und Jaffe 17. November 1918 13. Telegramm des Großsire Dr. Weiss an Großsire Frank Goudy, Denver, Colorado 14. Telegramm Eisners an Dr. Weiss 17. November 1918 15. Telegramm Eisners an Foerster 18. November 1918 16. Telegramm der Gesandtschaft Bern an das Ministerium des Äussern 18. November 1918 17. Telegramm Foersters an Eisner 19. November 1918; 300 nachm 18. Telegramm Foersters an Eisner 19. November 1918; 3 23 nachm 19. Telegramm Eisners an Foerster 19. November 1918 20. Bericht des bayerischen Gesandten in Berlin, Dr. Mückle, an den Ministerpräsidenten 19. November 1918 . . 21. Telegramm des „Schweizer Komitees zur Vorbereitung des Völkerbundes" an die bayerische Volksregierung 20. November 1918 22. Telegramm Eisners an die bayerische Gesandtschaft in Berlin 21. November 1918 23. Bericht Foersters an Eisner 21. November 1918 . . 24. Telegramm Foersters an Eisner 22. November 1918 25. Telegramm Eisners an Foerster 22. November 1918 26. Amtliche Mitteilungen aus bayerischen diplomatischen Aktenstücken in der Korrespondenz Hoffmann am 23. November 1918 . •
IV. Nach der Enthüllung 1. Erklärung früherer bayerischer Minister 2. Halbamtliche Mitteilung des Auswärtigen Amtes in der Deutschen Allgemeinen Zeitung . . . . . . . 3. Amtliche Mitteilung der bayerischen Gesandtschaft in Berlin • 4. Entgegnung Bethmann Hollwegs 5. Entgegnung des Unterstaatssekretärs a. D. Dr. Zimmermann
30
30 31 32 33 39 40 40 41 41 42 42 43 43 45 46 46 50 50 50
51 51 51 53 53 56
VIII Seite
6. Die erschwerende Wirkung der Enthüllungen; halbamtliche Mitteilung 7. Pressenotiz des Auswärtigen Amtes 8. Professor Foerster gegen das Auswärtige A m t . . . 9. Französisches Dementi 10. Meldung der Deutschen Allgemeinen Zeitung „ A u f Anregung Cl&nenceaus ?" 11. Professor Foersters Entgegnung in den Münchener Neuesten Nachrichten 12. Amtliche Mitteilung des bayerischen Ministeriums des Äussern 13. Erwiderung von Dr. Mückle 14. Erklärung Professor Foersters 15. Die deutsche Reichsregierung an die Regierungen der Entente
V . Auseinandersetzung mit Berlin 1. Reichskonferenz im Kongresssaal des Reichskanzlerpalais am Montag, 25. Nov. 1918 2. Ultimatum des bayerischen Bevollmächtigten beim Reich an den Rat der Volksbeauftragten (Reichsregierung) • 3. Der Ministerpräsident an die Gesandtschaft in Berlin 4. Kundgebung des Münchener Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrats an den Vollzugsausschuss des Arbeiterund Soldatenrats in Berlin 5. Die bayerische Gesandtschaft in Bern an das Ministerium des Äussern (für Gesandten Foerster) . . . 6. Der bayerische Ministerpräsident an den Bevollmächtigten in Berlin 7. Die Bevollmächtigten der bayerischen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte in Berlin an den Ministerpräsidenten Eisner 8. Die Bevollmächtigten der bayerischen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte in Berlin an das bayerische Ministerium 9. Der Gesandte in Berlin an den Ministerpräsidenten 10. Hessen gegen Bayern 11. Aus der Rede des Ministerpräsidenten in der Landestagung der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte 28. November 1918 12. Auseinandersetzung im Landessoldatenrate 30. November bis 3. Dezember 1918 13 Bayerischer Antrag an die Reichsregierung auf eine neue Staatenkonferenz
58 60 61 62 62 62 63 63 64 64
66 66 71 72 72 73 73 73 74 74 75 75 79 81
IX Suis
14. Geheimer Beschluss des Ministerrates vom J.Dezember 15. Beschluss des Vollzugsrates des Arbeiter- und Soldatenrates Gross-Berlin . . • 16. Die Reichsregierung an die bayerische Regierung . 17. Im Vorparlament 18. D e r Gesandte in Bern an den Ministerpräsidenten . ig. A u s dem Begleitschreiben Foersters zu handelspolitischen Berichten der Berner Gesandtschaft . . . 20. Badisches Ministerium des Äussern an das Ministerium des Äussern in München
82
VI. Besondere Schicksale der bayerischen Dokumente
93
B Bayerische Gesandtenberichte aus den letzten Vorkriegswochen Vorbemerkungen Die Gesandtenberichte 1 9 1 4
99 101 111
82 83 83 88 91 92
4, Juni I. D e r Gesandte Ministerrate
in Berlin
an
den
Vorsitzenden
im Iii
29. Juni 3. Der Gesandte Ministerrate
in Berlin
an
den
Vorsitzenden
im 114
30. Juni 3. D e r Gesandte in W i e n an den K ö n i g
116
2. JuK 4. D e r Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden Ministerrate 5. Der Gesandte in Wien an den K ö n i g
im 117 118
3. Juli 6. D e r Gesandte in Wien an den König
119
6. Juli 7. D e r Gesandte in W i e n an den K ö n i g
121
9. Juli 8. Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate
123
X 10. Juli 9. Der Gesandte in Wien an den König
Seit* 125
1 1 . Juli 10. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern
126
14. Juli 1 1 . Der Gesandte in Wien an den König 12. Der Gesandte in Rom an den König
126 128
18. Juli 13. Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate (vgl. S. 2 ff.) 14. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern
129 129
2 1 . Juli 15. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern
130
23. Juli 16. Der Geschäftsträger in Berlin an das Ministerium des Äussern 17. Der Vorsitzende im Ministerrate an die Gesandtschaft in Berlin 18. Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 19. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern
131 131 131 133
25. Juli 20. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern 2 1 . Der Geschäftsträger in Berlin an das Ministerium des Äussern 22. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern 23. Der Gesandte in Paris an den König 24. Der Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium des Äussern
134 134 135 136 138
26. Juli 25. Der des 26. Der des 27. Der des
Geschäftsträger in Berlin an das Ministerium Äussern Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium Äussern Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium Äussern
139 140 140
XI Seit«
28. Der Geschäftsträger in Berlin an das Ministerium 140 des Äussern 29. Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 141 30. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern 143 3 1 . Der Gesandte in Paris an den König ( 144 32. Der Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium des Äussern 146 27. Juli 33. Der Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium des Äussern 34. Der Geschäftsträger in Berlin an das Ministerium des Äussern 35. Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 36. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern 37. Der Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium des Äussern 38. Der Gesandte in Rom an den König
147 148 148 150 151 152
28. Juli 39. Der Gesandte in Paris an das Ministerium des Äussern 40. Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 4 1 . Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern 42. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern
153 153 155 155
29. Juli 43. Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern 44. Der Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium des Äussern 45. Der Gesandte in Paris an das Ministerium des Äussern 46. Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 47. Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 48. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern 49. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern 50. Der Gesandte in Rom an das Ministerium des Äussern
156 157 157 157 158 159 160 161
30. Juli 51. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern 52. Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern 53. Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern
161 162 162
XII Seit«
54. Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern 55. Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 56. Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 57. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern 58. Der Gesandte in S t Petersburg an das Ministerium des Äussern 59. Der Gesandte in Rom an das Ministerium des Äussern
162 163 164 165 166 168
31. Juli 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72.
Fernsprech-Meldung der Berliner Gesandtschaft . . Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Die Gesandtschaft in Berlin an das Ministerium des Äussern Der Gesandte in Paris an das Ministerium des Äussern Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Fernsprechmeldung der Berliner Gesandtschaft . . . Der Gesandte in Paris an das Ministerium des Äussern Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern
169 170 170 170 171 171 172 172 173 173 174 175 176
1. August 73. Der Vorsitzende im Ministerrate an die Gesandtschaft in Berlin 74. Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 75. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern
177 177 178
2. August 76. Die Gesandtschaft in Berlin an das Ministerium des Äussern 77. Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern 78. Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 79. Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern
179 179 179 181
XIII
80. 81. 82. 83. C
4- August Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Der Gesandte in Paris an den König 5. August Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate .
Ergänzungen und Nachträge
38146
182 182
186 187 189
I. D e r Münchener Prozeß u m Eisners „ Schuld dokumente" Hierzu Aktenstücke: Der Gesandte in Berlin an den Ministerpräsidenten. 9. Dezember 1914. — Antwort Hertlings I I . Dezember 1914
202
II. D a s Ritter-Telegramm. Der Gesandte beim Päpstlichen Stuhle an das Ministerium des Äußern. 24. Juli 1914
206
III. Gesandtenberichte (Nachträge) Nr. 73 a (zu Seite 177). Der Gesandte in Rom an das Ministerium des Äußern 1. August 1914 Nr. 79 a (zu Seite 181). Der Gesandte in Rom an das Ministerium des Äußern 21. August 1914 Nr. 79 b (zu Seite 181). Der Gesandte in Paris an das Ministerium des Äußern Nr. 79 c (zu Seite 181). Der Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium des Äußern 2. August 1914 . . Nr. 79d (zu Seite 181). Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate 3. August 1914 . . . . Nr. 79e (zu Seite 181). Der Staatssekretär des Auswärtigen an das Ministerium des Äußern IV. Berichte des bayerischen Militärbevollmächtigten in Berlin an das Kriegsministerium in München 29. Juli bis 3. August 1914 V . West-Östliche Orientierung Der deutsche Botschafter in Wien an den Reichskanzler Dr. Michaelis 20. Juli 1917 V I . G e g e n L ü g e und Entstellung Personen- und Sachregister
191
214 2x4 214 214 215 215 216
2x7 233 237 239 243
XIV
Einführung und Übersicht, i Revolutionäre Außenpolitik. Kann man von einer auswärtigen Politik der bayerischen Revolution sprechen? Die Bezeichnung mag gewagt erscheinen für die Versuche, die der revolutionäre Ministerpräsident Kurt Eisner in den stürmischen Monaten nach dem deutschen Zusammenbruch und nach der Umwälzung unternahm, um auf dem Wege über den bayerischen Freistaat die außenpolitische Führung des Reiches entscheidend zu bestimmen. Dieses Streben wirkte sich vor allem aus in einer Tat, die in aller Welt das größte Aufsehen erregte: In einer amtlichen Veröffentlichung vom 23. November 1918 machte der Leiter des neuen Volksstaates Mitteilungen aus geheimen diplomatischen Urkunden der bayerischen Gesandtschaft in Berlin, in denen er einen Beweis für die Schuld der ehemaligen kaiserlichen Regierung am Kriegsausbruche erblickte. In der Heimat und draußen in der Welt spielen diese Enthüllungen seitdem eine bedeutsame Rolle in der sogenannten Schuldfrage. Sie fanden auch eine Stätte in den Versailler Friedensvorbereitungen und kehrten dort in wohlberechneter Aufmachung wieder als Beweismittel gegen Deutschland. So hinterließen sie also tiefe Spuren. In dem Baugefüge der Versailler Schuldanklage bilden sie einen mit Vorbedacht behauenen Stein. Es kann nicht Nebensache sein, diesen zu zerschlagen und damit zur Lockerung und zum Einsturz jenes künstlichen Bauwerks beizutragen. Wenn es PoincarS für gut und nötig fand, in der Ansprache, mit der er als französischer Staatspräsident seinerzeit die Friedenskonferenz begrüßte, auf die aus bayerischen Geheimschränken gekommenen angeblichen Schuldbeweise triumphierend hinzudeuten, wenn man sie dann in einer welthistorischen Versailler Niederschrift verewigte, freilich im
XV Sinne der Entente, so kann man wohl unter Anpassung eines bekannten Wortes sagen: Auch Urkunden haben ihre Schicksale! Veranlassung genug, um die geschichtlichen Umstände und Vorgänge, die Beweggründe, Absichten und Ziele gründlich aufzuklären, die jene Veröffentlichung verursachten, und sich gleichzeitig über Inhalt und Bedeutung der diplomatischen Schriftstücke, die ihr zugrunde lagen, klar zu werden. Es handelt sich dabei weder um eine Verteidigung dessen, was man altes System nennt, noch um eine Anklageschrift gegen eine Person oder politische Bewegung. Niemand zu Liebe, niemand zu Leide habe ich diese Untersuchung angestellt. Sie will einfach ergründen und darstellen, wie es gewesen. i. Grauenerregend ist der Schuldspruch, der in Versailles gegen Deutschland gefällt wurde. Ohne Not, aus ruchloser Gesinnung, mit frevler Absicht und verbrecherischem Tun soll es den Weltkrieg von langer Hand vorbereitet und den Brand mit kalter Überlegung entzündet haben. Nur um seinem zügellosen Machtwillen zu fröhnen, um zur Weltherrschaft zu gelangen, soll es gegen die Menschheit und die Freiheit der anderen, angeblich völlig schuldlosen europäischen Völker das größte Verbrechen begangen haben, das die Geschichte kennt! So das Urteil der alliierten Staatsmänner, auf das die „Strafe" sich gründet. Gegen diesen offenbaren, ungeheuerlichen Fehlspruch erhebt sich die Wahrheit mit stetig wachsender Wucht. Schon im Kriege ist der Schuldspruch von der Propaganda der Verbandsmächte vorbereitet worden. Sie fand dabei auch die Unterstützung jener Richtung des internationalen Pazifismus, die in grotesker Verkennung der Wirklichkeit im deutschen Wesen nichts anderes mehr zu erblicken vermochte als den unverbesserlichen Todfeind wahrer Menschheitskultur. Besessen von einer überspannten Vorstellung dessen, was sie an Deutschland als militaristischen Geist, als rohen Machtgedanken, als „Germanismus" haßten, wetteiferten diese sonderbaren Friedensfreunde zur Freude eines Lord Northcliffe mit den wildesten französischen und englischen Nationalisten im Wortkampfe gegen Deutschland. Der Amerikaner George D. H e r r o n , ein inzwischen gewandelter Vertreter dieser Art Weltfriedensförderer, bekennt in einer späteren
XVI Schrift, wie er und seine Gesinnungsgenossen unter die Kriegshetzer gingen und von der Schweiz aus Italien und Amerika in den Kampf hineintreiben halfen, weil sie von einer deutschen Niederlage den Anbruch eines neuen besseren Zeitalters der Humanität erwarteten.1) In solchen Vorstellungen trafen sie sich mit revolutionären Sozialisten wie Eisner und mit Vorkämpfern eines radikalen Pazifismus in Deutschland wie Friedrich Wilhelm F o e r s t e r . Nicht von jeher hatten diese beiden Männer solche schroffe Auffassungen über ihr Heimatland. Es ist bekannt, daß Eisner sich bei Kriegsausbruch in der sozialdemokratischen Partei eifrig für die Bewilligung der Kriegskredite einsetzte. Damals war er auf guter Spur, indem er glaubte, daß Petersburg im Bunde mit Paris letzten Endes den Weltbrand herbeigeführt habe. Das war noch ein Stück von jenem Eisner, der in früheren Schriften (1901) die Revanchelust Frankreichs und „den furchtbaren russischen Bergsturz", den Europa bebend als sein Schicksal erwarte, für die drohendste Gefahr hielt. Gegen den Weltkrieg, der daraus entstehen würde, wußte auch er damals nur eines: „Wir müssen alles an Soldaten aufbieten, was wir können." Frankreich hielt er für russischer als Rußland. Hier beherrsche der Zarismus nur die Regierung, in Frankreich das Volk! An seinem Chauvinismus müsse der Fortschritt Europas scheitern. An dem deutschen Müitarismus fand er nicht nur Schädliches sondern auch gewisse Vorteile für das soziale, körperliche und geistige Gedeihen des Proletariats.2) Auch Foerster hat sich erst zu dem entwickelt, was er später vertrat. Noch 1916 hielt er dafür, daß militaristische Überspannung und Imperalismus auch bei den Verbandsmächten als geschichtliche Kräfte ein unheilvolles Werk getan hätten. Die preußisch-militärische Denkweise war ihm damals noch die Antwort eines kraftvollen Volkes auf die allgemeine Anarchie im Staatenverkehr. „Es war ja doch die Napoleonische Invasion, die den Schwerpunkt deutschen Wesens wieder von Weimar nach Potsdam verlegte." Der bewaffnete Friede erschien ihm noch nicht als die Schuld eines Friedensstörers, den man unschädlich machen müsse, sondern als die Form einer allgemeinen europäischen Zersetzung. Er lehnte ab, es einfach als zielbewußte und kulturfeindliche Bosheit zu beH e r r o n , Der Pariser Frieden, und die Jugend Europas (1920). *) E i s n e r , Taggeist (1901).
XVII trachten, wenn ein Volk von so gewaltiger Schaffenskraft, wie das deutsche, inmitten des unsicheren Weltzustandes nur mit Hilfe von eisernen Schutzwehren seine Weltarbeit sicherstellen zu können glaubte. Es hatte ja gefährliche Nachbarn! Frankreichs RevancheVerlangen war unberechenbar und die panslawistische Politik und Propaganda hat unablässig den staatlichen Bestand der Nachbarländer bedroht, und zwar nicht bloß mit Programmen, sondern durch weitverzweigte Wühlereien, die seit Jahrzehnten den österreichischen Staat zu unterminieren suchten: „Die hochentwickelte militärische Organisation des europäischen Zentrallandes war doch schließlich der begreifliche, wenn auch kurzsichtige Ausdruck der unberechenbaren europäischen Lage, von der sich das Zentralland am schwersten bedroht fühlen durfte."1) Von solchen abwägenden Urteilen finden sich in den späteren Schriften Foersters kaum noch geringe Spuren. Nun überragt in seiner Vorstellung der deutsche Schwertgeist und Machtwille an Furchtbarkeit und ethischer Verworfenheit alles Vergleichbare in der Welt. Mit unsachlicher Übertreibung drückt er diesen Erscheinungen den Stempel einer allgemeinen, alles überschattenden und beherrschenden deutschen Geistes- und Seelenverfassung auf. Diese hat, wie er meint, die Welt in Erregung und in Aufruhr versetzt, s i e trägt mit ihren weltpolitischen Auswirkungen die Schuld am Weltkriege! Das ganze Geschichtsbild ordnet er dieser Lehre zwangvoll unter. So verschließt sich ihm der Blick auf die geschichtlichen Bedingnisse preußisch-deutschen Werdens. Es schwindet ihm das Augenmaß für eine gerechte historische Würdigung des von der Schöpferkraft Bismarcks errichteten Werkes, das im Epigonenzeitalter Wilhelms II. unterging. Kurzsichtig wird er für die Schwächen, Fehler und Verbrechen der Westmächte, ungerecht gegen die eigene Nation. Noch 1916 schrieb er: „Unser Kaiser ließ den Gegnern den Vorsprung in der Mobilmachung, um selber den Vorsprung in der Friedensliebe zu behalten." Nun hält er es allen urkundlichen Zeugnissen zum Trotz für unwiderleglich, daß die leitenden Kreise in Berlin 1914 dem Kriegswillen dunkler Gewalten verfielen. l ) Vgl, F o e r s t e r , Weltpolitik und Weltgewissen (Aufsätze aus der Kriegszeit) Seite 3 f. II
XVIII Daher predigt Foerster schon während des Krieges im Vereine mit seinem internationalen Freundeskreis dem deutschen Volke Buße, Sühne, Einkehr und Umkehr. Die unerläßliche Vorbedingung dazu erkennt er in der „vollständigen Niederwerfung des preußischen militärischen Systems". Über diese Niederlage führt nach seiner Meinung der Weg zur innerlichen Neugestaltung Deutschlands und der Welt. Deutschland opfere sich, demütige sich, damit es sich und die Welt erlöse, die voll Sehnsucht auf sein Schuldbekenntnis und seine Besserung wartet!1) In solchen Gedanken begegnete sich Foerster schon während des Krieges mit Herron, mit Eisner. Sie kamen damals auch schon in persönliche Berührimg. Die revolutionäre Streiktaktik, mit der Eisner das Ende des Krieges erzwingen wollte, lehnte Foerster ab. Er geht eigene außenpolitische Wege, um zu einem nach seiner Ansicht leidlichen Frieden zu kommen. Die Akten des bayerischen Ministeriums des Äußeren berichten über Einwirkungen in Wien, bei Kaiser Karl, die Foerster zusammen mit Lammasch unternahm, um eine Aktion Österreichs herbeizuführen, die auch zum Heile Deutschlands ausschlagen würde. Gegen diese „Professorenpolitik" richtete sich der lebhafte Unwille Czernins4). Nach der Umwälzung, als Eisner seine außenpolitische Mission für Deutschland zu erkennen glaubte, führten die Wege der also gesinnungsverwandten Männer zusammen. Von der Schweiz aus griffen Herron und Foerster mit in den Gang der Dinge ein, dieser in amtlicher Eigenschaft als Gesandter des bayerischen Volksstaates. Neben ihnen wirkten in der deutschen Reichshauptstadt noch Kräfte mit, wobei auch Maximilian Harden nicht fehlte. So entstand mit der Umwälzung der Versuch, deutsche Außenpoütik im Sinne der eben berührten geistigen und politischen Strömung zu machen. Sehen wir zu, wie er verlaufen ist. 2.
Zur Macht gelangt, nimmt Eisner seine Anschauungen sofort und unbedenklich zum Ausgangspunkt für sein praktisches politisches Handeln und macht sie zur Grundlage seiner Staatsführung. Er ist von der Überzeugung durchdrungen, daß durch die Umwälzung in Bayern für Deutschland eine neue, verhältnismäßig günstige *) F o e r s t e r , Mein Kampf gegen das Militaristische Deutschland (1920). *) Siehe: Ergänzungen und Nachträge, V . „Westöstliche Orientierung".
XIX Lage geschaffen sei, die man ausnützen könne, um von der Entente erträgliche Friedensbedingungen zu erlangen. Mit erstaunlichem Einfühlungsvermögen gibt er sich der Hoffnung hin, auf diese Weise so etwas wie der Retter Deutschlands werden zu können. In diesen hochgeschwellten Gefühlen ist er in der Folge von seinen pazifistischen Freunden in verhängnisvoller Weise bestärkt worden, so zwar, daß ihn nicht einmal die Waffenstillstandsverhandlungen von seiner Linie abwendig machen konnten. Schon in dem Aufrufe, der den erstaunten Münchenern am Morgen des 8. November verkündete, daß über Nacht der Freistaat Bayern geboren worden sei, weist Eisner im Hochgefühle seines Erfolges sich und dem neuen Staatswesen eine höchst bedeutungsvolle außenpolitische Rolle zu. , Bayern will Deutschland für den Völkerbund rüsten", so hieß es darin. „Die demokratische und soziale Republik Bayern hat die moralische Kraft, für Deutschland einen Frieden zu erwirken, der es vor dem Schlimmsten bewahrt." Die Umwälzimg erscheint unter diesem Gesichtspunkte gleichsam als rettende nationale Tat. Deutschland sei dadurch vor der verderblichen Überflutung durch die feindlichen Heere und durch demobilisierte öder aufgelöste deutsche Truppen bewahrt worden, so wird in der Kundmachung behauptet, als ob nicht schon vorher vom Reiche die Verhandlungen über einen Waffenstillstand eingeleitet gewesen wären1). Diesen Bemühungen des Reiches traute Eisner allerdings keine Kraft und Erfolgsmöglichkeit zu. In der ersten Sitzung des Arbeiter- und Soldatenrats am 8. November sprach er seine außenpolitischen Leitgedanken deutlicher aus. Unter Hinweis auf die wider Erwarten gut gelungene und rasch verlaufene Umwälzung in München rühmte er, daß man durch entschlossene Taten überraschend schnell Geschichte machen könne. Das wollte er nun auch in der Außenpolitik erproben. An Stelle der nach seiner Meinung fälschlich so genannten Berliner „Volksregierung" will er die Regierung des Volksstaates Bayern bei den kommenden Verhandlungen mit der Entente in den Vordergrund rücken. Denn mit den Machthabern in Berlin, welche die Verantwortlichkeiten der Vergangenheit und die Mitschuld am Ausbruch des größten Verbrechens der Geschichte mittrügen, werde Wilson keinen VerSeitens: III. Nr. i. II*
XX ständigungsfrieden schließen. Bei ihnen könne es sich höchstens um bedingungslose Kapitulation handeln. Anders stünde es mit der bayerischen Volksregierung, deren „treibende Kräfte" von Anfang des Krieges an „in einsamer und gefährlicher Opposition" die deutsche Kriegspolitik bekämpft hätten 1 ). Solche Worte aus dem Munde des Oberhauptes des revolutionären Bayern mußten nicht nur bei seiner Anhängerschaft hochgespannte Erwartungen wecken, sondern ließen auch andere Kreise des deutschen Volkes begreiflicherweise aufhorchen. Zunächst allerdings erlitt die so kräftig zur Schau getragene Zuversicht einen bösen Stoß, als am nächsten Tage die Ungeheuerlichen Waffenstillstandsbedingungen bekannt wurden. Unter dem Eindrucke ihrer Furchtbarkeit schien auch Eisners Hoffnungsfreudigkeit ins Wanken zu kommen. In dem Aufrufe, den er in der Nacht vom 10. auf n . November an die Völker der Ententestaaten und an das Proletariat der gesamten Welt richtete, erhob er bittere Klage über die Bedingungen des Waffenstillstands. Auch in diesem Appell an die Welt klingen die vorhin gekennzeichneten Leitgedanken wieder deutlich an.2) In dieser Lage gingen ihm von seinen Freunden in der Schweiz Nachrichten zu, durch die er sich wieder aufgerichtet fühlte.*) Der von ihm zum vorläufigen Gesandten in Bern bestellte Professor Foerster wollte in einer mehrstündigen Unterredung mit einem zufällig in Zürich anwesenden „höchst einflußreichen Vertreter der Entente" herausgebracht haben, daß die harten Waffenstillstandsbedingungen nur eine vorbeugende militärische Maßnahme seien. Sobald der neue Geist in Deutschland deutlich und zuverlässig in Wort und Tat hervortrete und die Reaktion aller Hoffnungen beraubt sei, werde die Wende kommen und Deutschland bestimmt in der Ernährung geholfen werden. Foerster verhieß eine Milderung der Waffenstillstandsbedingungen, allerdings „mehr in der Praxis als in sofortiger öffentlicher Zurücknahme einzelner Punkte". Noch beruhigender und verheißungsvoller lauteten die Mitteilungen, die George D. Herron, an den sich der bayerische Finanzminister Jaffe gewandt hatte, unterm 14. November aus Genf nach München drahtete. Er gab an, sich an Wilson gewandt zu x) Seite 26; Nr. 2. «) Seite 26; III Nr. 3. *) Seite 29, 30, 31. 33; I I I Nr. 6, 8, 9, 11.
XXI haben und versicherte, der Waffenstillstand sei nur eine einstweilige militärische Zwangsmaßnahme, die mit der politischen Sachlage und der Friedensvorbereitung nichts zu tun habe. Wilson wolle nicht das deutsche Volk zerstören, sondern ihm helfen und so schnell wie möglich „seine Erlösung und Befreiung erreichen". Unter dem Eindrucke solcher Verheißungen glaubt Eisner sich auf dem besten Wege zum Ziele. In seiner Kundgebung vom 15. November spricht er von den „bedeutsamen Erfolgen" der Münchener revolutionären Regierung1). Er hört die Staatsmänner der Entente nunmehr nach dem deutschen Umsturz bereits eine ganz andere Sprache sprechen als zuvor. Mit der beflügelten Phantasie des Literaten dichtet er die von seinen Freunden in der Schweiz in Aussicht gestellten Erleichterungen in vollendete Tatsachen um: „Unser Appell an das Weltgewissen blieb nicht ungehört. Die Waffenstillstandsbedingungen wurden erheblich gemildert. Der Geist des Patrioten, der die französische Republik leitet, spricht heute mit menschlichem Verständnis und Vertrauen. Amerika verheißt dem besiegten Feinde durch Versorgung mit Lebensmitteln den furchtbaren Übergang zu erleichtern." Einen Völkerbund, der die Nationen versöhnen und eine Ära friedlicher Weltarbeit eröffnen wird, sieht er dank der „ebenso revolutionären wie besonnenen Politik" der Münchener Regierung in greifbare Nähe gerückt. So kündigt er als der Heiland eines neuen Zeitalters dem von Hunger und Not bedrängten deutschen Volke die Rettung an. Es ist erschütternd, zu sehen, wie diese vertrauensseligen Friedensstifter sich mit wachsendem Selbstbewußtsein dem Wahne hingeben, mit der Kraft sozialrevolutionärer und pazifistischer Ideen gegenüber einem Clemenceau und Lloyd George Weltpolitik machen zu können. Von dieser Vorstellung und von ihrer feindseligen Neigung, das alte Deutschland nur unter dem einseitigen Gesichtswinkel ihrer starren Lehrmeinungen zu beurteilen, werden sie auf falscher Bahn vorangetrieben. Indem sie diese Prinzipien mit selbstgerechtem Fanatismus in einer entscheidenden Zeitwende ohne Rücksicht auf die Art und das Tun der Gegen- und Mitspieler als bestimmende Regeln der Staatskunst anzuwenden !) Seite 32; III Nr. 10.
XXII versuchen, leisten sie den Absichten der Alliierten Vorschub und versündigen sich schwer am eigenen Vaterlande. In seinem Schreiben vom 16. November strömt Foerster förmlich über von selbstsicherer Hoffnungsfreudigkeit. Seine Brust ist geschwellt von dem eitlen Bewußtsein, bei den Gegnern Deutschlands als gewichtiger Staatsmann zu gelten und unbedingtes Vertrauen zu genießen. Steht er doch, wie er schreibt, in täglichem persönlichen Verkehr und Meinungsaustausch mit dem „intimsten Vertrauensmanne Clémenceaus", den er nicht mit Namen nennen darf, der sich aber in ununterbrochener Verbindung mit den Alliierten befindet und fast jeden Tag ein Exposé über irgendeine wichtige Frage erbittet, um es an die alliierten Mächte weiterzugeben1)! Schon hat das moralische Element in den bayerischen Kundgebungen Vertrauen erweckt, während Berlin mit seinen Erlassen keinen Anklang findet. Was der Gesandte neuerdings über die ganze Sachlage in einer dreistündigen Unterredung dargetan, drahtete der geheimnisvolle Mittelsmann unverzüglich an Clémenceau und die amerikanische Gesandtschaft. Nach dem, was er gehört, hält es Foerster nicht mehr zweifelhaft, daß die „ersten Waffenstillstandsbedingungen noch auf Wilhelm II. zugeschnitten waren und das damals noch nicht überwundene schuldige militärische Deutschland treffen sollten". Aber nun kommt ja alles in besten Gang. Dieses militärische Deutschland wird bald radikal aus dem Sattel gehoben sein. Dann wird die Entente alles tun, um ein Chaos zu verhüten und dem deutschen Volke zu helfen! Ganz ernsthaft versichert der Gesandte dem Münchener Staatsleiter: „Sie dürfen als schönsten Lohn für alle Ihre Mühen das Bewußtsein haben, daß Sie in diesem A u g e n b l i c k e Deutschland gerettet haben." Eine eigenartige Beigabe in dieser Epistel, daß der Münchener Revolutionär von seinem pazifistischen Freunde eine sehr eindringliche Vorlesung über die Gefahr und das Unzweckmäßige jedweder Art von östlichen Methoden annehmen muß! Die Entente lasse wissen, daß sie den Krieg gegen die „deutsche Unmenschlichkeit" nicht geführt habe, um dafür den „bolschewistischen Zarismus" einzutauschen. Unbarmherzig zerstört der Briefschreiber alle Hoffnungen auf eine Weltrevolution. Seite 33; III Nr. 11.
XXIII So treffsicher Foerster in diesem Punkte urteilt, befangen bis zur Besinnungslosigkeit ist er in der Meinung, daß die Alliierten, ausgenommen Italien, von keinen imperialistischen Absichten beherrscht seien: „Ganz besonders hat man in F r a n k r e i c h nunmehr den dringenden Wunsch, das z w e i t a u s e n d j ä h r i g e N a c h b a r s c h a f t s v e r h ä l t n i s z u m d e u t s c h e n V o l k e auf eine neue G r u n d l a g e zu s t e l l e n . " Konnte es eine größere Selbsttäuschung geben? 3Es wäre verwunderlich, wenn in diesem Kreise nicht auch der Gedanke aufgekommen wäre, daß Deutschland durch ein reuevolles Schuldbekenntnis die Welt versöhnlich stimmen und bei den Gegnern die Geneigtheit erwecken solle, sich mit einer milderen Sühne zu begnügen. Aus den Berichten des Berner Gesandten mußte man in München entnehmen, daß diese Möglichkeit gegeben war. Man nahm daher den Ratschlag gerne entgegen, den George D. Herron, der mit Foerster in Fühlung stand, am 17. November an Jaffe und Eisner gelangen ließ1). Indem der Amerikaner versicherte, sein Möglichstes getan zu haben, um den Präsidenten Wilson von der Vertrauenswürdigkeit der bayerischen Revolutionsregierung zu überzeugen, empfahl er drei Maßnahmen: 1. möglichst viele deutsche Staaten in Eisners Gefolgschaft zu bringen, 2. die ersten Schritte zu einem v o l l e n und o f f e n e n B e k e n n t n i s der K r i e g s s c h u l d und der Unt a t e n der d e u t s c h e n R e g i e r u n g zu u n t e r n e h m e n : „Die moralische Wirkung einer solchen Handlung wäre gewaltig und entscheidend." 3. Eine Kommission zum Besuche der verheerten Gebiete Belgiens und Nordfrankreichs und zur Feststellung der Schäden zu bestimmen. „Ich bitte Sie," lautete der Schlußsatz dieser inhaltschweren Drahtnachricht, „kühn, offen und unverzüglich zu handeln, nicht nur Deutschlands, sondern der Zivilisation und der Menschheit wegen." x) Seite 39; I I I Nr. 12. In einem Briefe an den „Berlin Herald" (15. April 1922) bestätigte H e r r o n , daß die Münchener Regierungsmänner, ihn um seine Vermittlung bei Wilson gebeten haben. Herron glaubte, daß dieser durch ein offenes deutsches Schuldbekenntnis am besten zum Eingreifen bewogen werden könnte.
xxiv Die Münchener Machthaber gingen zunächst eiligst an die Ausführung des letzten Ratschlags, womit der gute Wille zur Wiedergutmachung bekundet werden sollte. Foerster erhielt den Auftrag, durch den Schweizer Bundesrat bei der Entente um die Erlaubnis einzukommen, daß eine bayerische Kommission die von den deutschen Truppen in Belgien und Nordfrankreich angerichteten Zerstörungen besichtige und feststelle. Umgekehrt wurde gleichzeitig an die Verbandsmächte die Bitte gerichtet, eine Abordnung nach Bayern zu senden, damit sie mit Aug und Ohr einen Eindruck bekomme, von dem zu vollem Leben erwachten „neuen Geiste" und von der wirtschaftlichen Not 1 ). Dieser erste diplomatische Schritt Münchens, unternommen, um der Entente näherzukommen, ist von dieser, soweit die Akten ersehen lassen, keiner Antwort gewürdigt worden. Es sollte aber bald der zweite, entscheidende folgen, nämlich das S c h u l d b e k e n n t n i s . Den letzten Anstoß hierzu gab offenbar eine Anregung des neuen bayerischen Bevollmächtigten Dr. Mückle in Berlin (19. November)2). Der hatte in einer Unterredung mit M a x i m i l i a n H a r d e n , den er als einen höchstbedeutenden Politiker einschätzte, die Münchener Meinung bestätigt gefunden, daß die Volksbeauftragten des Reiches mit Ebert an der Spitze unfähig seien, die Revolution zu einem guten Ergebnis zu führen und die Friedensfrage im Münchener Sinne zu lösen. Mit Harden sieht Mückle die Umwälzung bedroht durch Rückschrittler auf der einen, durch den spartakistischen Radikalismus auf der andern Seite. Vom Norden erwarten beide keine richtige Führung. Süddeutschland müsse, wie sie meinen, seine Machtmittel aufbieten, um die versinkende Flamme des revolutionären Geistes neu zu beleben und die kommenden Friedensverhandlungen ins rechte Geleise zu bringen. Die d e u t s c h e n G e h e i m a k t e n über den K r i e g s o f o r t zu v e r ö f f e n t l i c h e n , die Schuldigen vor einen Staatsgerichtshof zu stellen und die Regierungen von allen irgendwie vorbelasteten und unfähigen Elementen zu säubern, dagegen einen Mann wie Maximilian Harden zu den Friedensverhandlungen abzuordnen, das deuchte diesen beiden Berliner Ratgebern das Gebot der Stunde zu sein. Und wenn die Reichsregierung solchen Vorstellungen 3) 2)
S e i t e 40, 41, 42; I I I N r . 14, 15, 18. B e r i c h t M ü c k l e s v o m 19. November- Seite 45; I I I 20.
XXV kein Gehör schenken würde, so müsse der Abfall des Südens wenigstens angedroht werden. „Preußen hat uns in das Unglück des Krieges gestürzt, es soll uns nicht noch tiefer in den Abgrund hinabdrücken.1) Diese Auffassungen und Zielsetzungen fanden in einem Berichte Foersters vom 21. November eine kräftige Stütze2). Für den bayerischen Volksstaat glaubt er überall die aufrichtigste Sympathie zu verspüren, „auch gestern abend beim italienischen Gesandten". Berlin hingegen gelte „als undurchdringliches Geheimnis". Man fürchte von dort her eine „imperialistische Republik". Die besondere bayerische Form der Revolution muß daher nach Foersters Ansicht in ihrem moralischen Einflüsse geltend gemacht werden. Er hält es für hochbedeutsam und notwendig, der Entente, gerade weil sie Berlin mit größtem Mißtrauen betrachtet, „die Perspektive zu eröffnen, daß Bayern die Klärung der politischen Entwicklung in Deutschland entscheidend bestimmen werde". In diesem Sinne empfahl der Gesandte in einer an die Ententevertreter in der Schweiz gerichteten Denkschrift Bayern als denjenigen deutschen Staat, der unter günstigen Umständen ein politisches und soziales Programm verwirklichen werde, durch das Deutschland aufgerichtet und die Welt vor dem Bolschewismus behütet werden könne. Die Grundlagen schienen vorbereitet. Wie Foerster, fußend auf Konstantin Frantz, schon während des Krieges eine ausgeprägt föderalistische Neugestaltung Deutschlands verlangt hatte, so Eisner in seinem Regierungsprogramm vom 15. November. Darin verkündete er die „Vereinigten Staaten von Deutschland", einen Bund ohne jede Vorherrschaft eines Gliedstaates mit voller Selbständigkeit Bayerns. Davon versprach er sich „auch in *) So kam nun auch Maximilian H a r d e n im Wirkungskreis dieser Revolutionsführer zu Ehren. Das muß einigermaßen wundernehmen. Gehörte er denn nicht auch zu den Belasteten? Er, der bis 1 9 1 6 die Kriegführung in schroffster Form und die weitestgehende Annexionspolitik verfochten hatte ? Seitdem hatte er sich allerdings gründlich ins Gegenteil verkehrt. Nach der Revolution gar überbot er sich in fortgesetzten tollen Anschuldigungen nicht nur der ehemaligen kaiserlichen Regierung, sondern auch des deutschen Volkes, nach dem auch von Förster gebilligten Motto: „Deutschland hat den Schlaf der Welt gemordet". Galt er etwa darum nun als „Staatsmann"? ") Seite 46; I I I Nr. 23.
XXVI nationaler Hinsicht eine glücklichere Zukunft für das deutsche Volk" 1 ). In dem einen Punkte allerdings unterschied er sich von seinem Berner Gesandten, daß er die Angliederung Österreichs für unerläßlich hielt, während dieser nach wie vor seinen alten Lieblingsplan eines nach Osten orientierten österreichischen Donaustaates verfocht und gegen den Anschluß Stimmung machte2). Man versteht, wenn beide Männer Sorge vor einer deutschen Nationalversammlung hatten und in der Folge bemüht waren, sie möglichst hinauszuschieben. Von ihr war zu befürchten, daß sie eine Rückkehr zu den überlebten staatlichen Bildungen des einstigen Deutschen Bundes nicht mitmachen, sondern im Gegenteil neue Klammern um die Nation schmieden würde. In der Tat konnte ein lockerer Staatenbund nur zum Tummelplatz französischer Zertrümmerungsabsichten werden. Frankreich erhielt dann reiche Gelegenheit, die Mauerbrecher anzusetzen, um den Bau der deutschen Einheit zum Einsturz zu bringen. Die revolutionäre Außenpolitik der Eisner, Foerster und Genossen ließ diese Grundtatsache gänzlich außer acht. Sie ging mit blindem Eifer ans Werk, um ihr Programm durchzusetzen. An dem Widerstand des deutschen und bayerischen Volkes, das sich trotz aller Verwirrung doch so viel gesunden Sinn bewahrte, um die Schädlichkeit dieses Beginnens zu begreifen, sollte sie scheitern. 4Das Schreiben Mückles wirkte in München wie ein Alarmruf. Es galt hier als eine ausgemachte Sache, daß Berlin aktionsunfähig sei, obwohl in der obersten Reichsleitung mit den drei Mehrheitssozialisten drei Unabhängige saßen. In diesem „Hauptquartier des Weltkrieges" konnte es, wie Eisner sich ausdrückte, keine Regierung und keine Nationalversammlung geben, die einen leidlichen Frieden zuwege brachte. Die Massen selbst müßten sich um einen solchen rühren, München falle dabei die Rolle des Vorortes von Deutschland zu. In der Kraftentfaltung der Glieder sah er das Heil Deutschlands3). Seite 32; III Nr. 10. Näheres siehe: Ergänzungen und Nachträge, „West-östliche Orientierung". 8) In verschiedenen Reden, die gedruckt vorliegen, befaßte sich Eisner auch mit der außenpolitischen Frage und mit dem Berliner Streitfall. a)
XXVII Die Münchener Revolutionäre zeigten sich empört darüber, daß die Sechsmänner der Reichsleitung in den Reichsministerien und Staatssekretariaten noch immer Kräfte walten ließen, die man in München als schuldbeladene Vertreter des alten Systems, ja geradezu als verkappte Träger der Gegenrevolution ansah. Der Zorn richtete sich vor allem gegen Erzberger, der der Waffenstillstandskommission vorstand und gegen das Auswärtige Amt, das noch von Dr. Solf geleitet wurde, und in dem Dr. David als Unterstaatssekretär tätig war. Ihnen wurde vorgeworfen, daß sie die Außenpolitik des Reiches nach wie vor mit den verruchten Praktiken der alten Zeit betrieben. An David stieß sich Eisner, weil er bei der Entente als der „schwarze Mann" gelte, „von dem alle Regierungspublikationen ausgehen, welche die Unschuld Deutschlands beweisen sollen". Er hielt es für notwendig, „dieses Nest auszuräuchern und von den Leuten zu befreien, auf denen die Blutschuld lastete". Nur dann konnte nach seiner Ansicht die Pforte ins gelobte Land des Wilsonschen Völkerbundes für Deutschland geöffnet werden, wenn man sich mit Abscheu von der fluch- und schuldbeladenen Vergangenheit abwandte und alle Verbindungen mit ihr zerschnitt. Mit der Formel, daß ja schließlich alle Regierungen, auch die alliierten, ihren gemessenen Anteil der Schuld am Kriegsausbruche trügen, würde man, so erklärte Eisner, auf keinen Fall mehr auskommen, selbst wenn diese Annahme richtig wäre. Für ihn und seine Gesinnungsgenossen aber war es eine Wahrheit, daß das kaiserliche Deutschland den Weltkrieg geplant und vorsätzlich entfesselt hatte. Wozu also erst noch lange Untersuchungen darüber anstellen, wer die Schuld trug, oder wie sie sich auf die verschiedenen kriegführenden Staaten verteilte? Es genügte, die Schuld Deutschlands wie ein reumütiger Büßer zu bekennen und die Aufrichtigkeit dieses Bekenntnisses sowie die völlige Abkehr von dem, was war, durch die Veröffentlichung besonders gewichtiger Dokumente vor aller Welt zu bezeugen. Nur so konnte es gelingen, die Waffenstillstandsbedingungen zu mildern und einen erträglichen Frieden von den Siegern zu erlangen ! Auf sie wird hier Bezug genommen. („Die neue Zeit" i. und 2. Folge. — Verhandlungen der Räte und der provisorischen Landesversammlung, Stenograph. Berichte.)
XXVIII Demgemäß erhielt der Gesandte Dr. Mückle noch am 21. November drahtliche Weisung1), bei der Reichsleitung unverzüglich zu erwirken, daß „die U r k u n d e n über den U r s p r u n g des K r i e g e s umgehend v e r ö f f e n t l i c h t würden". Dies sei das einzige Mittel, um zu erreichen, daß die Friedensverhandlungen im Gefühle gegenseitigen Vertrauens geführt würden. Aber noch ehe dieses Verlangen in Berlin amtlich verbeschieden war, entschloß sich Eisner, selbständig mit einer A k t e n p u b l i k a t i o n vorzugehen. In den Geheimschränken des Münchener Ministeriums des Äußern hatte er Dokumente gefunden, die nach seiner Ansicht einen Beweis dafür abgeben konnten, daß der Weltkrieg 1914 von einer kriegs- und beutelüsternen Clique in Berlin mit Hilfe gleichgesinnter oder unterwürfiger Regierungsorgane planmäßig und mit Vorbedacht entfesselt worden sei. Auf der Reise nach Berlin zu der auf 25. November einberufenen Konferenz der einzelstaatlichen Ministerpräsidenten bereitete Eisner die Veröffentlichung derjenigen Aktenstücke, die er für belastend hielt, vor. In den Räumen der bayerischen Gesandtschaft in Berlin diktierte er am 23. November seinem Geheirosekretär Fechenbach Auszüge für die Presse. Am Morgen des 24. November standen diese Enthüllungen, gleichsam als Morgengabe für die Versammlung der deutschen einzelstaatlichen Ministerpräsidenten, in einem Berliner Blatt; am nächsten Tage verbreitete sie die Korrespondenz Hoffmann von München aus amtlich in alle Welt. Die Überraschung war eine allgemeine und vollkommene. Namentlich auch bei der Reichsleitung. Diese wollte keineswegs, wie später zur Rechtfertigung des bayerischen Vorgehens behauptet worden ist, die Erörterung der sogenannten Schuldfrage unter den Tisch fallen lassen. Im Gegenteil! Sie war sich bereits schlüssig geworden, die deutschen Akten über den Kriegsausbruch herauszugeben. Sie lehnte aber mit Recht ab, in einer derartig schwierigen und verantwortungsvollen Sache überstürzt zu handeln. Auch war sie nicht gesonnen, „einseitige Anklagen auf die ehemalige deutsche Regierung zu häufen und unter Freisprechung der imperialistischen Ententepolitik das geschichtliche Urteil vorzeitig dahin festzulegen, daß Deutschland die alleinige Schuld am Kriege trage". So das Auswärtige Amt in seiner späteren Erklärung. Seite 46; III Nr. 22.
XXIX Wie die Reichsleitung in einer Note am 29. November an die alliierten Regierungen darlegte, wollte sie, daß ein vollständiges und wahrheitsgetreues Bild der Weltlage und der Verhandlungen zwischen den Mächten im Juni 1 9 1 4 geschaffen werde. Eine neutrale Kommission sollte unter Zuhilfenahme der Akten und Dokumente aller am Kriege beteiligten Länder die Kriegsursachen und damit die Schuld am Kriegsausbruch untersuchen. Für ihren Teil hatte die Reichsregierung bereits dem Schriftsteller Karl K a u t s k y , der im Auswärtigen Amte als Vertrauensmann der Unabhängigen Sozialdemokratie tätig war, Auftrag gegeben, die Veröffentlichung der deutschen Akten in Angriff zu nehmen. Sie stemmte sich jedoch dagegen, einzelne Stücke herauszugreifen und sie vorweg der Öffentlichkeit preiszugeben. Die Akten sollten in ihrer Gesamtheit durchgearbeitet und dann ohne Rückhalt, ohne Vertuschung oder Beschönigung im Zusammenhang herausgegeben werden.1) Das eigenmächtige bayerische Vorgehen durchbrach in unerträglicher Weise diese auch von Kautsky anerkannten wissenschaftlich und politisch einwandfreien Grundsätze. E s war von ganz anderen Gesichtspunkten und Zwecksetzungen getragen. 5Die Politik Eisners verfolgte ein doppeltes Ziel, nach außen und nach innen. Nach beiden Richtungen blieb ihr der Erfolg versagt. Die Alliierten, statt das Schuldbekenntnis als Sühne hinzunehmen, benützten es im Gegenteil, um ihre grausame Härte gegen Deutschland zu rechtfertigen. Und im eigenen Lande gelang es Eisner nicht, die „Reaktion", die angeblich in den Reichsämtern ganz gemütlich mitregierte, „in die Luft zu sprengen" und das Reichsregiment in die Hände der Münchener Revolutionsführer zu bringen. Vielmehr erhob sich alsbald überall der Widerstand gegen sein Verfahren. In der Berliner B e r a t u n g der d e u t s c h e n M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n am 25. November scheiterte der bayerische Sturmangriff auf die Reichsleitung, so nachdrücklich Eisner sich auch auf seine vermeintlich bessere Kenntnis der Stimmungen und Absichten !) Vgl. Seite 51; IV Nr. 2. — Seite 64; IV Nr. 15.
XXX der Entente berief, wie er sie aus den Meldungen seiner Gewährsmänner in der Schweiz zu haben glaubte1). Die große Mehrheit wandte sich mit guten Gründen gegen sein Vorgehen. Sie verwarf den bayerischen Antrag, ein bundesstaatliches Reichsdirektorium, in dem Eisner den bestimmenden Einfluß zu erlangen hoffte, mit der Einleitung der Vorfriedensverhandlungen zu betrauen. Die von der Versammlung beschlossenen Richtlinien betonten vielmehr, daß die auswärtige Politik für ganz Deutschland in der Hand der Reichsleitung zusammengefaßt bleiben und von ihr einheitlich geführt werden müsse. Das Ergebnis der Tagung bedeutete für die bayerische Staatsleitung einen zweifellosen Mißerfolg. Unbefriedigt und in Unfrieden schied der Ministerpräsident von Berlin. Sein Gesandter Mückle richtete alsbald eine Art Ultimatum an die Reichsregierung. Darin wurde angedroht, daß die bayerische Regierung jeden Verkehr mit dem Auswärtigen Amte abbrechen würde, wenn ihren Forderungen nicht stattgegeben würde. Noch ehe überhaupt eine Antwort der Reichsregierung erfolgt war, vollzog Eisner den Bruch durch ein in München sofort in die Presse gegebenes Telegramm nach Berlin (27. November), worin er jeden Verkehr mit den gegenwärtigen Vertretern des Auswärtigen Amtes ablehnte2). Die deutsche Öffentlichkeit wußte im ersten Augenblicke nicht recht, was sie von diesem höchst merkwürdigen Schritte halten, ob sie ihn ernst nehmen oder belächeln sollte. Er hatte aber doch sehr seine ernste Seite. Es schien nicht von vornherein unmöglich, daß die starke partikularistische Strömung in Bayern zu einer zeitweisen Trennung des Landes vom Norden führen könnte. Es war also bedenklich, wenn die Führung der bayerischen Republik in der Lage blieb, weiterhin auswärtige Politik auf eigene Faust zu machen, wozu in den eigenmächtigen Aktenveröffentlichungen bereits ein wenig erfreulicher Anfang gemacht war. Man verstehe nicht recht, so meinte der „Vorwärts", warum von München aus der Boden gar so „überstampft" werde: „Mißtrauische glauben schon, Bayern wolle das Beispiel der Ukraine nachahmen und sich für den Preis der Reichszertrümmerung einen Frieden erkaufen." 1) Seite 66ff.; V Nr. 1. 2 ) Seite 71; V Nr. 2. — Seite 72; V, Nr. 3.
XXXI So standen die Dinge aber nicht. Zwar sprang der Vollzugsausschuß des Münchener Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrates dem Ministerpräsidenten noch mit einer scharfen Kundgebung gegen Erzberger, Solf, David und Scheidemann bei. Allein der Höhepunkt der bayerischen Sonderaktion war erreicht. Es ging nun rasch und entschieden damit abwärts. Das Land verweigerte, wie die Pressestimmen aus allen Parteilagern mit Ausnahme der Unabhängigen Sozialisten deutlich anzeigten, die Gefolgschaft. Sie fand auch im Ministerrat, den Eisner in diesen Dingen überhaupt nie rechtmäßig befragt hatte, keinen Rückhalt. Um so lebhafter wurde der Widerstand, je mehr Eisner sich auf seine Anschauungen versteifte, je mehr er auf seinem Schein bestand, und je mehr seine Verheißungen sich als unwahrscheinlich erwiesen. Die gewichtigen Einwände der Reichsregierung gegen die Veröffentlichung der bayerischen Aktenstücke1) fanden, abgesehen von Eisners engerem Kreise, überall Zustimmung. Als die erste Bestürzung vorbei war, erkannte die Öffentlichkeit, daß mit derartigen bruchstückhaften Mitteilungen der Wahrheit nicht gedient, sondern nur den Feinden Stoff geliefert werde für ihr Vorhaben, an Deutschland erbarmungslose Rache zu nehmen. Man billigte es, daßl die Berliner Regiei ung entschlossen gegen die sogenannten Enthülung auftrat, die Scheidemann einen Keulenschlag gegen Deutschland und sein Volk nannte. Es war ganz in der Ordnung, daß das Auswärtige Amt im Namen der geschichtlichen Wahrheit gegen die tendenziöse Ausbeutung des von Eisner gebotenen Stoffes durch das feindliche Ausland Verwahrung einlegte! Die aufklärenden Erwiderungen früherer deutscher Staatsmänner, insbesondere des ehemaligen Kanzlers Bethmann Hollweg2), trugen viel dazu bei, die richtige Erkenntnis zu fördern und den Widerspruch gegen die Münchener Sonderpolitik zu stärken. Dabei ahnte die Öffentlichkeit damals noch nicht im entferntesten, wie sehr der wirkliche Inhalt der von Eisner benützten Dokumente durch die von ihm vorgenommenen Kürzungen zuungunsten Deutschlands entstellt worden war! >) Seite si; IV Nr. 2. — Seite 58; IV Nr. 6. — Seite 59; IV Nr. 7. ») Seite 53, 54; IV Nr. 4, 5 .
XXXII Das Mißtrauen gegen die revolutionäre Außenpolitik brach schließlich sogar in den Tagungen der bayerischen Räteorganisationen durch, obwohl die Münchener Radikalen sich als Verteidiger vor ihren Führer stellten und dabei blieben, daß seine Politik den Vorrang im Reiche verdiene, und daß der Friede durch Vermittlung Bayerns kommen müsse. Eine in der Sitzung des Landessoldatenrates vom i. Dezember bestellte Kommission ließ sich zwar davon überzeugen, daß Eisners Bemühungen nützlich seien, nicht aber davon, daß sie bei der Entente mit Sicherheit einen Erfolg versprächen1). Im Ministerrate zu München gab es scharfe Auseinandersetzungen. Im provisorischen bayerischen Nationalrate (13. bis 18. Dezember) wurde dem Ministerpräsidenten auch von den Mehrheitssozialisten und von einem Pazifisten, wie Professor Dr. Quidde, auf den Kopf zugesagt, daß er mit seinen wirklichkeitsfremden Illusionen und mit seinem Gebaren gegenüber Climenceau einen vollen Mißerfolg erlitten und das Vaterland erniedrigt habe. Wir sollten, so erklärte Quidde, in diesen Tagen des schweren nationalen Unglücks, wo die ganze Welt danach trachtet, uns niederzudrücken, „stolzer als je und erhobenen Hauptes als Deutsche dem Auslande gegenübertreten. L a s s e n Sie mich I h n e n das a l s P a z i f i s t sagen" 2 ). Die Erwiderungen des schwer angegriffenen Ministerpräsidenten klangen, obwohl er zähe auf seinem Standpunkte beharrte, matt und resigniert und entbehrten der beißenden Schärfe, die er sonst im Übermaße für seine Widersacher zur Verfügung hatte. Auch in dem Streite um die Frage der Landtagswahl und um die deutsche Nationalversammlung, in dem er sichtlich auf der Seite der Räteorganisationen stand, welche die Wahlen verhindern wollten, zog er schließlich den Kürzeren. Er mußte den Dingen ihren Lauf lassen und sich mit der Aussicht begnügen, gegebenenfalls den Landtag mit Hilfe der Räte in Schach zu halten. Der Streit mit Berlin ging zu Ende, als die Reichsleitung einen Vermittlungsvorschlag des bayerischen Gesamtministeriums, der eine nochmalige Nachprüfung der strittigen Punkte wünschte, rundweg ablehnte und darauf verwies, daß die Entscheidung in der Berliner Sitzung der deutschen Ministerpräsidenten vom l)
Seite 79—81; V Nr. 12. ') Seite 83—85; V Nr. 17.
XXXIII 25- November endgültig getroffen worden sei. Ohne weitere Gegenäußerung nahm man in München diesen Bescheid hin. Man fügte sich, und die Reichsgewalt behielt die Oberhand. Davon, daß der bayerische Volksstaat im Reiche die Führung nehmen, daß München zum politischen Vorort Deutschlands werden müsse und daß der Friede nur über Bayern kommen könne, war ernsthaft nicht mehr die Rede. Auch hat Eisner der Enthüllung vom 23. November keine weiteren folgen lassen, obwohl er ursprünglich solche angekündigt hatte. Er rechtfertigte diese Unterlassung damit, daß die Reichsregierung selbst die schleunige Herausgabe der deutschen Urkunden übernommen hätte. Ein Hauptgrund war aber doch wohl, daß die Hoffnung, mit solchen Manövern die Reichsleitung aus dem Sattel zu heben und selbst die Geschicke Deutschlands in die Hand zu bekommen, geschwunden war. Die schwerwiegenden Wirkungen und Folgen der außenpolitischen Handlungen des Ministerpräsidenten waren mit seinem Verzichte allerdings nicht aüs der Welt geschafft. 6. Die Franzosen verfolgten begreiflicherweise die Vorgänge in Bayern mit größtem Interesse. War doch diesem Lande in den Plänen des neufranzösischen Imperialismus eine besondere Rolle zugedacht. Mit Hilfe dieses Staates, der gleich den anderen kleineren süddeutschen Staatsgebilden aus dem Rheinbund Napoleons I. hervorgegangen war, hoffte man in Paris die Möglichkeit einer Rückkehr zu ähnlichen politischen Gestaltungen in dem niedergeworfenen, von blutigen inneren Wirren durchwühlten, von Not, Hunger und Feindesmacht gepeinigten Deutschland herbeiführen zu können. Die Münchener revolutionäre Sonderpolitik rief bei den auf die Zerstückelung und Verkrüppelung Deutschlands bedachten Eroberungspolitikern an der Seine und in ihrer Presse nicht geringeres Entzücken hervor als die Sonderbündelei verräterischer Separatisten im Rheingebiet. War diese dem französischen Plane der Rheingrenze dienlich, so konnte jene dem äußersten Ziele der „Zerschmetterung des deutschen Blocks" näherführen. In diesem Sinne den Föderalismus in Deutschland zu begünstigen, sah schon das französische „Friedensprogramm" vom November in
XXXIV 1918 vor. Der Gedanke, die politische Struktur Deutschlands aufzulösen oder mindestens zu lockern, lebte ständig in den Köpfen der französischen Unterhändler in Versailles und tauchte wieder und wieder in den Erörterungen der Friedenskonferenz auf 1 ). Hand in Hand damit ging das hartnäckige Streben, Deutschland um jeden Preis auch ökonomisch so zu schwächen, daß es in keiner noch so fernen Zukunft je mehr imstande sein würde, seine wirtschaftliche Stellung von ehedem wieder zu erlangen. Gelang es, den „Föderalismus" Eisners und Foersters zu verwirklichen, so konnten die Franzosen wahrlich zufrieden sein. Von dem ihnen und diesen beiden gleichmäßig verhaßten Reichsbau Bismarcks blieb dann kein Stein mehr auf dem andern. Was lag für Frankreich näher, als der Politik des revolutionären Freistaates Bayern mit allen Mitteln Vorschub zu leisten? Was lag anderseits näher als die Annahme, Eisners Schuldbekenntnis könnte mit diesem Willen in Zusammenhang stehen ? E r selbst rühmte sich mehr als einmal seiner Beziehungen zu dem „großen französischen Patrioten" in Paris, der „ a u c h ein Dichter" sei. Der geheimnisvolle „intime Vertraute" Clemenceau's, der in Foersters Schweizer Berichten eine so gewichtige Rolle spielt, hatte es dem bayerischen Ministerpräsidenten offenbar so angetan, daß ihm seine leichtbeschwingte Phantasie auch hier einen Streich spielte. Nach dem, was ihm sein Berner Gesandter mitgeteilt hatte, hielt er sich für berechtigt, auch in der deutschen Staatenbesprechung vom 25. November vor seinen Ministerkollegen als besser unterrichteter Kenner der auswärtigen Lage aufzutreten. Indem er sich mit besonderer Betonimg auf „direkte Berichte zuverlässiger Mitarbeiter" berief, entwickelte er da weitgehende Auffassungen über die Bereitwilligkeit der Alliierten, Deutschland mit Lebensmitteln und Rohstoffen zu versorgen und ihm einen erträglichen Frieden zu gewähren, vorausgesetzt, daß das deutsche Volk den neuen Geist bewähre und reumütig Buße tue 2 ). *) Authentische Mitteilungen bei R. St. B a k e r : Woodrow Wilson. Memoiren und Dokumente über den Vertrag zu Versailles, 2. Bd. S. 12 f. a ) Seite 67f. V i . — Statt der im Wafferistillstandsvertrage zugesicherten Lebensmittelversorgung bekam das deutsche Volk die Geißel der Hungerblokade zu spüren, die furchtbare Verheerungen anrichtete. In seinem Wilsonbuche schildert R. St. B a k e r anschaulich, wie gerade der „große französische Patriot", auf den Eisaer und Foerster bauten, unerbittlich jede Milderung hintertrieb und den Hungerzwang als systema-
XXXV Als er den Beamten der Berliner bayerischen Gesandtschaft den Zweck seiner Urkundenveröffentlichung auseinandersetzte, bemerkte er ausdrücklich, Clömenceau habe ihn auf dem Umwege über den bayerischen Gesandten in der Schweiz wissen lassen, daß eine rückhaltlose Bloßstellung der früheren deutschen Machthaber die erste Vorbedingung für eine Versöhnung der Völker sei 1 .) Die drei Weltgewaltigen C16menceau, Lloyd George und Wilson erklärte er bei dieser Gelegenheit für die größten Idealisten, die nicht daran d ä c h t e n , das deutsche Volk zu verachten. Als gegen diesen Optimismus Einwendungen und gegenteilige Ansichten laut wurden, sprang Eisner auf und rief: „Derartige Dinge werden von den Gegnern der Revolution in die Welt gesetzt, um die berechtigte Wut des Volkes, die sich sonst gegen sie richten würde, auf die Entente abzulenken. Ich habe das größte Zutrauen zur Entente und lasse mich darin nicht irre machen." Da auch der bayerische Geschäftsträger Dr. Mückle einem Pressevertreter gegenüber die Beziehungen Foersters zu Paris hervorhob2), m u ß t e die Meinung entstehen, daß der „alte Tiger" höchstselbst irgendwie die Pranken im bayerischen Spiele habe. In einer Erklärung stellte das Auswärtige Amt warnend vor Augen, dem französischen Staatsmanne komme es nur darauf an, Deutschland durch ein künstliches Scbuldzeugnis vor aller Welt ins Unrecht zu setzen. Nur wer sich von dem Charakter Climenceaus ein ganz falsches Bild mache, könne auf den schrecklichen Irrtum verfallen, daß man ihn auf solche Weise milder stimmen könne und rascher zum Frieden gelangen werde. Durch diese amtliche Berliner Auslassung, die auch in Bayern große Beunruhigimg hervorrief, sah sich der Berner Gesandte in ein eigentümliches, wenig vorteilhaftes Licht gesetzt und zu einer öffentlichen Rechtfertigving veranlaßt. Er bekannte sich zwar zur Politik des Schuldbewußtseins und der Büßerstellung, und gab zu, einen allgemeinen Rat erteilt zu haben, die Vorgeschichte des Krieges zu enthüllen. Doch habe er dafür keinerlei tiaches Mittel für die französischen Pläne benützte. (Baker, Woodrow Wilson i . Bd. S. 263 ff.) *) Aussage des ehemaligen Legationssekretärs Freiherrn von Soden im Münchener Prozeß um die Schulddokumente, April/Mai 1922. Stenographischer Verhandlungsbericht. (Siehe den Aufsatz in den Ergänzungen und Nachträgen!) a) Seite 60 f. Nr. 7, 8. III*
XXXVI Anregung vom Auslande empfangen, auch nicht eine solche nach München gelangen lassen. Den Vertrauensmann Clemenceau's, der durch die Indiskretion Mückles so unversehens ans Tageslicht gezogen war, überging Foerster ganz nach der Art der von ihm sonst so wenig geschätzten zünftigen Diplomatie mit verhüllendem Stillschweigen. Und die Agence Havas beeilte sich, mit einem Pariser Dementi beizuspringen. Clemenceau habe zu keiner Zeit und in keiner Form Beziehungen zu den offiziellen Agenten oder Sekretären Nordund Süddeutschlands unterhalten, so daß keiner von der französischen Regierung habe inspiriert werden können. In seinem Wilson-Buche erzählt R. St. Baker, C16menceau habe seine diplomatischen Wegebereiter, so oft sie in eine Intrige verstrickt waren, regelmäßig desavouiert — falls es herauskam!1) Zu dieser Sorte von Ableugnungen gehört auch das vorstehende Dementi. Es ist durch Foersters Geheimberichte mit ihren ganz bestimmten Angaben über den Mittelsmann Lügen gestraft. Gewiß, ein Beleg dafür, daß dieser im Einverständnis mit seinem Pariser Patron das Schuldbekenntnis, das George D. Herron empfahl, geradezu hervorgelockt habe, liegt in den Münchener Akten nicht vor. Aber der Gedanke, daß dem Deutschen Reiche die Verantwortung für den Weltkrieg aufgebürdet werden müsse, und daß es in Sack und Asche Buße tun müsse, war Gemeingut des Foerster'schen Kreises in der Schweiz u n d der französischen Politik, mochten sich beide auch verschiedene Auswirkungen von seiner Verwirklichung erwarten. Es wäre verwunderlich, wenn ein Clemenceau nicht danach getrachtet hätte, ihn für die imperialistischen Zwecke Frankreichs zu nützen. Wenn Foerster selbst später, im Mai 1922, aus Anlaß des damaligen Münchener Prozesses um die angeblichen bayerischen Schulddokumente, behauptete, er habe „niemals irgendeine Fühlung mit Clemenceau gehabt"2), so ist das mit seinen Geheimberichten schlechterdings nicht in Einklang zu bringen. Hat der Mittelsmann die gewichtige Rolle, in der er in diesen Berichten erscheint, gespielt, so bestand eben die Fühlung mit Clemenceau. ') R. St. B a k e r : Woodrow Wilson, Memoiren und Dokumente über den Vertrag zu Versailles 2. Bd. S. I I . 2 ) Vossische Zeitung, 3. Mai 1922.
XXXVII Das kann durch abschwächende Erläuterungen des Berichtschreibers nicht mehr aus der Welt geschafft werden. Der ganze Sachverhalt gestattet auch nicht, daß Foerster nachträglich jede Mitverantwortung für die Tat Eisners ablehnt. Nun will er auf einmal diese Sonderaktion nicht gewünscht, sondern eine deutsche Gesamtaktenpublikation im Sinne gehabt haben, wie sie von der Reichsregierung tatsächlich eingeleitet und durchgeführt worden ist1). Der Eindruck, den man aus seinen Geheimberichten gewinnt, ist ein ganz anderer. Er drängte darin immer wieder auf die Bahn einer bayerischen Sonderpolitik, zu der das dokumentarische Schuldbekenntnis als unlöslicher Bestandteil gehörte. Auch stimmt zu seinen späteren Angaben die Tatsache ganz und gar nicht, daß er die Leute von der „Freien Zeitung", die Fernau, Greiling, Muehlon den deutschen Regierungen als Aufklärer in der Schuldfrage empfahl2). Von ihnen, die Seite an Seite mit der Propaganda der Alliierten schon während des Krieges Deutschland aufs feindseligste mit allen Mitteln bekämpft hatten, war keinesfalls eine sachliche Behandlung dieses schwierigen Problems zu erwarten, wie sie die wissenschaftlich mustergültige amtliche deutsche Aktenpublikation durchgeführt hat. II Die urkundlichen Unterlagen. Der Enthüllung vom 23. November 1918 lagen folgende vier, aus den bayerischen Akten hervorgeholte Dokumente zugrunde8): 1. Der Bericht des bayerischen Geschäftsträgers in Berlin, des Legationsrates Hans von Schoen an den bayerischen Ministerpräsidenten Grafen von Hertling vom 18. Juli 1914. In der Veröffentlichung Eisners bruchstückweise, mit wesentlichen Auslassungen und fälschlich als Bericht des Gesandten Grafen Lerchenfeld wiedergegeben. 2. Eine Fernsprechmeldung der Berliner Gesandtschaft vom 31. Juli 1914, in München abgenommen um 747 früh. Hieraus wurde ein Satz entnommen. Ebenda. ») Seite 89; V Nr. 18. ») Seite 3—16.
XXXVIII 3- Eine zweite Fernsprechmeldung vom gleichen Tage, in München abends 8 Uhr abgenommen. Wörtlich abgedruckt. 4. Ein Bericht des Grafen Lerchenfeld, Berlin 4. August 1914. Daraus wurde eine Stelle über Belgien angeführt. Der sachliche Zusammenhang und der geschichtliche Ablauf der in den Berichten und Meldungen behandelten Vorgänge war in der die Stücke lose aneinanderreihenden Veröffentlichung nicht näher ersichtlich gemacht. Gleichwohl war ein verbindender Gedanke da. E s sollten offenbar bestimmte Brennpunkte und Verhältnisse der europäischen Hochspannung vor Kriegsausbruch beleuchtet werden, in denen nach den Angaben der feindlichen Propaganda und nach der Meinung von Eisner und seinen Gleichgesinnten die Schuld Deutschlands besonders grell zum Vorschein kommen soll. Drei hauptsächliche Anklagen sind schon während des Krieges immer wieder der deutschen Regierung ins Antlitz geschleudert worden: 1. Deutschland hat Österreich-Ungarn zur kriegerischen Auseinandersetzung mit Serbien angetrieben in der vorbedachten Absicht, dadurch Europa in den von den Mittelmächten planmäßig vorbereiteten Weltkrieg hineinzustürzen. Berlin sei es gewesen, das durch seine Einwirkung in Wien dem österreichisch-ungarischen Ultimatum vom 23. Juli seinen unannehmbaren Inhalt und seine Schroffheit gegeben habe. 2. Deutschland hat während der ganzen Krise im Juli und Augustanfang 1914 alle Vermittlungsversuche, besonders diejenigen Großbritanniens, mit listiger Bosheit hintertrieben. 3. Deutschland hat ohne zwingende Not, aus brutaler Eroberungssucht, Belgien überfallen und vergewaltigt. Bekanntlich zog man zum Beweise für diese Anschuldigungen namentlich auch die einseitigen Enthüllungen des früheren Kruppbeamten Muehlon und die durch Fahrlässigkeit bekanntgewordene, nichts weniger als einwandfreie Denkschrift des Fürsten Lichnowsky, des ehemaligen Botschafters in London, heran. Eisner kannte diese Schriften, er hatte sie ebenfalls noch während des Krieges benützt, um die deutsche Regierung bei seinen Anhängern als Kriegshetzerin erscheinen zu lassen und so seine revolutionären Zwecke zu fördern.1) l
) Die für private Zwecke verfaßte Denkschrift L i c h n o w s k y s wurde noch während des Krieges von Moritz R i t t e r mit Hilfe der amtlichen Akten in den entscheidenden Punkten wiederlegt und auf ihren wahren
XXXIX Aus den unter i—3 bezeichneten Aktenstöcken glaubte er nun neue sichere Beweise für den verbrecherischen Kriegswillen der früheren Berliner Machthaber und die erwähnten Anschuldigungen entnehmen zu können. Ein Satz aus dem vierten Dokumente sollte zur besseren Wirkung nochmals den an Belgien verübten Neutralitätsbruch unterstreichen. Um sicher zu gehen, ließ sich Eisner verleiten, an den Vorlagen Kürzungen und Änderungen vorzunehmen, durch die der Inhalt und Charakter der Aktenstücke aufs schwerste entstellt wurde. "Wir werden uns in Kürze klar zu machen haben, ob die Dokumente, in ihrem Wortlaute betrachtet, die ihnen zugeschriebene Beweiskraft besaßen, wie sie sich im Zusammenhang der sonstigen Aktenlage ausnehmen und wie sie in der Form wirkten, in der sie publiziert wurden. Der Bericht vom 18. JalL Gesandtschaftsberichte bedürfen, bevor sie als geschichtliche Zeugnisse verwendet werden, einer kritischen Untersuchimg ihres Inhaltes. Das bedeutet keinen Vorwurf für die Berichterstatter. Diese müssen ihre Regierungen möglichst rasch unterrichten und können unmöglich immer und in allem die Tatsachen und Zusammenhänge sofort richtig sehen und wiedergeben. Sie werden zuweilen auch über Stimmungen, Meinungen, einzelne Äußerungen usw. schreiben, die an sich wissenswert und bezeichnend sein mögen, aber in der Entwicklung der Geschehnisse keine wesentliche und bestimmende Rolle spielen. Auch der Bericht des Herrn von Schoen befaßt sich nicht etwa ausschließlich mit den tatsächlichen Vorgängen. Er bezieht sich, wie das Auswärtige Amt in seiner Erklärung am 25. November 1918 betonte1), auch auf „Meinungen und Spekulationen", von denen einzelne amtliche Berliner Persönlichkeiten in bezug auf Wert zurückgeführt. E s ergab sich, daß sie von Irrtümern und von persönlichen Stimmungen und Auffassungen des Schreibers in einem Maße durchsetzt ist, daß sie den Charakter einer sachlichen Quelle fast ganz einbüßt. ( R i t t e r , Der Ausbruch des Weltkrieges nach den Behauptungen Lichnowskys und nach dem Zeugnis der Akten. Sept. 1918). — Ebenso sind M u e h l o n s , auf Gespräche mit Helfferich, Krupp und Jagow gegründete Erzählungen als mißverständliche oder unzutreffende Ausmünzung vertraulicher Äußerungen dargetan worden. *) Seite 5 1 ; I V Nr. 2.
XL den Verlauf der Krise und die vermutliche Haltung der Entente beherrscht wurden1). Er bietet auch keine unmittelbaren Nachrichten aus allererster Hand. Der Verfasser selbst nennt einleitend seine Informationsquellen: den Unterstaatssekretär Dr. Zimmermann und den Sachreferenten für Balkan- und Dreibundangelegenheiten im Auswärtigen Amte, ferner den österreichisch-ungarischen Botschaftsrat in Berlin. Gewiß Persönlichkeiten, die im allgemeinen als gut unterrichtet gelten konnten, die aber doch nicht zu den unmittelbaren und verantwortlichen Trägern der Handlung gehörten, wie etwa der Reichskanzler. Aus der Verschiedenheit der Nachrichtenquellen erklären sich zwanglos manche scheinbare und wirkliche Widersprüche des Gesandtschaftsschreibens. Mit Recht sprach denn auch der ehemalige Staatssekretär Zimmermann in seiner Entgegnung in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" vom 29. November2) von einem Stimmungsberichte mit subjektiv gefärbten Stellen, dessen Verfasser doch nicht in die Vorgänge intim genug eingeweiht war, um ein objektiv zuverlässiges Bild der Lage zu geben. Man kann mit gutem Grunde beifügen, daß auch schon Zimmermanns Informationen, die Herr von Schoen für seinen Bericht verwertete, in mancher Hinsicht eine subjektive Färbung erkennen lassen. Vom Standpunkt der historischen Gewissenhaftigkeit und Gerechtigkeit aus mußte es als nicht angängig erscheinen, den Bericht aus den Akten herauszugreifen und für sich der Öffentlichkeit preiszugeben, bevor nicht sein Inhalt durch Vergleich und Zusammenstellung mit anderen unmittelbaren Zeugnissen kritisch geprüft und gewürdigt war. Noch viel weniger durften, wie in Eisners Publikation, wesentliche Bestandteile in Wegfall kommen, ohne daß der Inhalt dieser ausgelassenen Stellen durch entsprechende Hinweise unzweideutig kenntlich gemacht wurde. Der Bericht befaßt sich mit der „Aktion Österreichs gegen Serbien". Darauf und auf die damit zusammenhängenden Balkanverhältnisse ist der weitaus größte Teil seiner Darlegungen gerichtet. J ) Vgl. zum Folgenden auch den Aufsatz Schoens: Die Entstellung der Wahrheit durch Eisner; Seite 93f. — Ferner: U r t e i l s g r ü n d e im Münchener Prozeß um Eisners Schulddokumente (April/Mai 1922); Seite 193 f. a ) Seite 56; V. Nr. 5.
XLI Aus dem bevorstehenden Wiener Ultimatum, das bekanntlich zehn Punkte enthielt, weiß er nur drei Forderungen in Umrissen anzugeben: Mißbilligung der großserbischen Bewegimg durch den serbischen König, Untersuchung der Mordtat von Serajewo unter Teilnahme eines österreichischen Beamten; Einschreiten gegen alle, die an der großserbischen Bewegung beteiligt waren. Er kennt jedoch die allgemeine Tendenz der Wiener Politik, das Ultimatum so einzurichten, daß es mit der Würde eines souveränen Staates nicht vereinbar sein, daß also Serbien zur Ablehnung gezwungen sein würde. Die Donaumonarchie wollte in die Lage kommen, diesmal den ewig unruhigen südslawischen Störenfried mit bewaffneter Macht zur Genugtuung und zum Verzicht auf seine großserbischen Pläne zu zwingen. Darüber läßt der Bericht keinen Zweifel. Aus dem Zusammenhang ergibt sich aber auch mit aller Deutlichkeit, daß Schoen mit seiner Bemerkung: „DieFolge wäre also der Krieg!" nicht einen europäischen Kampf, sondern lediglich einen Waffengang zwischen der Donaumonarchie und Serbien meinte. Mit starker Betonimg und entschiedenen Wendungen wird die Bereitwilligkeit Deutschlands herausgehoben, dem österreichisch-ungarischen Bundesgenossen zur Seite zu stehen, ihm auch freie Hand zu lassen für eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Serbien. Man ist sich in Berlin bewußt, daß im Hintergrunde des Unternehmens die Gefahr weiterer Verwicklungen und eines Krieges mit Rußland, dem Schützer Serbiens, auftauchen kann. Allein man gibt sich, das läßt der Bericht klar erkennen, der Erwartung hin, daß Österreich mit einem raschen und entscheidenden Schlag eine fertige Tatsache schaffen werde, bevor Rußland eingreifen würde, und daß der Streitfall auf die beiden Gegner beschränkt werden könne. Außerdem rechnet man damit, daß England, das der Donaumonarchie eine ausreichende Genugtuung gönnt, aber auch Frankreich, die Russen davon abhalten würden, das Schwert zu ziehen. Dabei gilt es für Berlin als eine selbstverständliche Voraussetzung, daß Österreich keine territorialen Erwerbungen erstrebe und die Unabhängigkeit des serbischen Staates nicht antaste. In solchem Sinne wünscht die deutsche Reichsregierung, daß der Verbündete die Lage nütze und rasch und entschlossen handle, solange die allgemeine Empörung über die Bluttat von
XLII Serajewo noch anhält und eine energische Sühne zuläßt. Es handelt sich für den Donaustaat, der der „kranke Mann" Europas geworden ist, wie Zimmermann sagt, um eine Schicksalsstunde. Will er seinen Bestand als Großmacht retten, so muß er jetzt die südslawischen Umtriebe ein für allemal niederzwingen und seine arg erschütterte Stellung am Balkan einigermaßen wiedergewinnen. Die im Berichte also geschilderte deutsche Einstellung nimmt sich gewiß schroff aus. Allein die Darstellung Schoens läßt deutlich genug erkennen, daß es sich bei alledem um nichts weniger als um die Absicht handelte, einen europäischen Krieg zu entfesseln. Im Gegenteil! Die Berliner Regierung will, sobald das Ultimatum ergangen ist, auch diplomatisch eingreifen, um den Konflikt auf seinen Herd zu beschränken, ihn zu lokalisieren. Ausführlich berichtet Schoen über diese Absichten und die Art ihrer Durchführung. In Deutschland sind deshalb auch keine militärischen Sicherheitsmaßregeln in Aussicht genommen. Und Österreich erhält den Rat, jeden Anschein einer kriegerischen Haltung gegen den großen östlichen Nachbarn zu vermeiden und namentlich keine in Galizien stehenden Truppen zu mobilisieren, damit nicht russische Gegenmaßnahmen hergerufen werden und so der Stein in Europa ins Rollen komme. Alles in allem: Aus Schoens Schilderung kann nicht entnommen werden, daß die Berliner Politik, indem sie Österreich beisprang, die Gefahr des Weltkriegs und diesen selbst absichtlich heraufbeschwören wollte. Man glaubte im Gegenteil, diese Gefahr zu bannen, wenn Österreich-Ungarn einen schnellen und entscheidenden Schlag gegen Serbien führte. Verschiedene wichtige Erwägungen und Gedankengänge, die in dem Berichte erwähnt werden, konnte nur jemand anstellen, dei den Weltfrieden über die lokale Störung im Südosten hinweg e r h a l t e n wollte. „Unser Bestreben, den österreichisch-serbischen Konflikt zu lokalisieren", sagte Bethmann Hollweg in einer Erwiderung auf Eisners Publikation (27. November 1918) „war durchaus kein abwegiger Gedanke. Niemand anders als Sir Edward Grey hatte ihn mit aller Energie zu dem seinigen gemacht und unterstützt. Gescheitert ist unsere Absicht lediglich an Rußland, das sich für berechtigt hielt, den Konflikt vor sein Forum zu ziehen."
XLIII Man mag die Politik Berlins beurteilen wie immer, man mag finden, daß sie aussichtslos und verfehlt, ja leichtfertig und gefährlich war. Auch mögen bei ihrer Durchführung Mißgriffe vorgekommen sein. Allein von einem vorsätzlichen Kriegswillen, der ein Attentat auf den Weltfrieden vorhatte, war sie ganz gewiß nicht getragen. In der gekürzten Wiedergabe des Schoen'schen Berichtes ist dieser Grundzug der deutschen Haltung bis zur Unkenntlichkeit verwischt. So ziemlich alles, was die deutschen Absichten in friedensfreundlichem Lichte erscheinen läßt, wurde gestrichen. Dagegen blieb stehen, teilweise durch Sperrdruck hervorgehoben, was von feindlicher Mißgunst gegen Deutschland ausgelegt werden konnte1). Weggefallen sind insbesondere die Stellen, in denen die Lokalisierung des austro-serbischen Streitfalles als das eigentliche Ziel der Berliner Politik behandelt und in denen dargelegt wird, welche diplomatischen Schritte die Reichsregierung zu unternehmen gedachte, um ein Weitergreifen des Brandes zu verhüten. Weggefallen ist der Absatz, der von der Zuversicht der Wilhelmstraße spricht, daß Rußland nicht zum Schwerte greifen werde, wenn Österreich-Ungarn die staatliche Selbständigkeit Serbiens bestehen lasse. Was man in Berlin als selbstverständliche Notwendigkeit ansah! Ferner die Bemerkung, daß England die Donaumonarchie nicht hindern werde, ihren Widersacher zur Rechenschaft zu ziehen. Weggefallen schließlich der überaus wichtige Hinweis, daß die Mittelmächte keinerlei militärische Maßnahmen treffen wollten, die eine europäische Ausweitung des Konfliktes nach sich ziehen könnten. Ein untrüglicher Beweis dafür, daß man in Berlin zu dieser Zeit (18. Juli) überhaupt nicht mit der nahen Wahrscheinlichkeit eines allgemeinen Krieges rechnete 1 Kürzungen können auch bei solchen Veröffentlichungen von Urkunden zweckmäßig sein und unter Umständen notwendig werden. Doch müssen sie so eingerichtet werden, daß der Sinn und Zusammenhang des Ganzen nicht zerstört wird. Der übrig bleibende Auszug muß den wesentlichen Inhalt immer noch hervortreten lassen. ') Vgl. Seite 94. 95; Seite 194, 195.
XLIV In diesem Falle sind aber, wie man sieht, ganze Abschnitte gestrichen worden, die geradezu das Leitthema des Schriftstückes enthalten. Eisner hat diesem seinen deutlicheren Teil genommen. Dazu kam, daß darin fälschlich Graf Lerchenfeld als Verfasser des Gesandtschaftsberichtes genannt wurde. Eine bald darauf erfolgte Berichtigung drang nicht durch. Die Sache lief auch weiterhin unter dem irrigen Namen durch die Welt. Ein Vergleich mit anderen, bei den Akten liegenden bayerischen Gesandtenberichten aus Berlin und Wien gibt übrigens sichere Fingerzeige, wie die Darstellung Schoens aufzufassen ist. In einem Schreiben vom 26. Juli 1914 kommt dieser selbst auf seine früheren Darlegungen mit folgender unzweideutigen Bemerkung zurück: „Die Meldung einiger Pariser Blätter, daß Deutschland bei der französischen Regierung eine Demarche unternommen habe, der der Charakter einer Drohung zukomme, ist durchaus unzutreffend. Die Reichsleitung hat vielmehr, wie ich es E u r e r E x z e l l e n z schon v o r acht T a g e n als ihre A b s i c h t anzukündigen die E h r e h a t t e , in Paris, Petersburg und London gleichmäßig dahin zielende Schritte unternommen, daß die Mächte den Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien als eine Angelegenheit betrachten, die diese beiden Staaten allein angehe und deshalb lokalisiert bleiben müsse" 1 ). Der Gesandte Graf Lerchenfeld kennzeichnet in einem Schreiben an den Grafen Hertling vom 29. Juli 1914 die Haltung Deutschlands mit dem einen treffenden Satze: „ D i e Politik des D e u t schen R e i c h e s ist darauf g e r i c h t e t , daß der A l l i i e r t e mit einem Gewinn an P r e s t i g e aus der Sache h e r v o r g e h t , aber der W e l t f r i e d e erhalten bleibt" 2 ). Auch diese Dokumente waren zur Verfügung, als die verstümmelnde Veröffentlichung des Schoen-Berichtes erfolgte. Nur Mangel an gutem Willen oder sträfliche Leichtfertigkeit konnte sie unbeachtet lassen. *
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*
Von erheblichem Belang sind für die Wertung der Eisner'schen Enthüllung die K o m m e n t a r e , die B e t h m a n n Hollweg und sein ehemaliger Unterstaatssekretär Zimmermann schon am *) Seite 1 4 1 ; V I Nr. 29. *) Seite 159; V I Nr. 47.
XLV 27. und 29. November 1918 in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" gaben1). Beide sagten mit Recht, man könne den Inhalt des Gesandtschaftsberichtes Schoens nur dann zutreffend beurteilen, wenn man ihn richtig in den Zusammenhang des geschichtlichen Verlaufes einstelle, also mit in Betracht ziehe, wie die allgemeine Weltlage im Juli 1914 war, was sich vor Abfassung des Berichtes, also vor dem 18. Juli, und was sich d a n a c h , in den Wochen bis zum Ausbruche des Krieges, begeben hat. Sie schildern die ungeheuer bedrohte, ja lebensgefährliche Lage, in die Österreich-Ungarn und mit ihm auch Deutschland im Jahre 1914 geraten war. Wodurch? Durch die Zusammenballung feindlicher Mächte: Das revanchelustige Frankreich im Bunde mit dem nach dem Besitze der türkischen Meerengen lüsternen Rußland, beide mit weltpolitischen Zielen, die schließlich nur durch einen Krieg zu verwirklichen waren. Beide ermutigt und voran getrieben durch die Unterstützung, die Großbritannien der Politik des Zweibundes seit langem zuteil werden ließ. Im Verein damit die aggressive russisch-serbische Balkanpolitik und die von Petersburg und Paris gestützte großserbische Bewegung, die die Donaumonarchie unterwühlte und mit Auflösung bedrohte. Wenn diese sich nicht aus der unerträglichen Anhäufung von Gefahren, die durch die Bluttat von Serajewo einen Höhepunkt erreicht hatte, mit einem kräftigen Ruck befreite, verlor sie ihre Großmachtstellung und ging dem Verfall entgegen. Diese Situation wurde auch für Deutschland immer gefährlicher: „Man muß sich dabei daran erinnern," schreibt Bethmann Hollweg, „daß das große Programm des Präsidenten Wilson über den versöhnenden Völkerbund, das ja auch heute noch auf seine Verwirklichung wartet, jedenfalls damals noch keinerlei Geltung hatte, daß nationale Selbstbeschränkung im Interesse der Aufrechterhaltung des Friedens durchaus noch nicht als allgemeines Gebot internationaler Moral angesehen wurde, daß vielmehr vielen ungehemmter Machtwille als nationale Tugend, und der Krieg als loyales Mittel zu seiner Betätigung galt. Ich meine, der russisch-japanische Krieg, der Buren-Krieg, der italienischtripolitanische Krieg sind dafür klassische Beweise. Mit diesen Zuständen mußte Deutschland rechnen, wenn es die Bedeutung *) Seite 53; IV Nr. 4. — Seite 56; IV Nr. 5.
XLVI der serbischen Machenschaften gegen Österreich-Ungarn richtig einschätzen wollte, und das war der Grund, der einzige Grund, weshalb Deutschland dem Vorgehen gegen Serbien zustimmte Duldete Österreich-Ungarn tatenlos seine weitere Unterminierung, so mußte Deutschland einem Zustande entgegensehen, wo es, sozusagen bündnislos, der auf die russische Allianz und die englische Freundschaft gestützten Revanchepolitik Frankreichs allein gegenüberstand" Die Behauptung, daß die B e r l i n e r Regierung das Wiener U l t i m a t u m längst vor seiner Ubergabe in Belgrad (23. Juli) in vollem Umfange g e k a n n t , ja die N o t e selbst mit vorbereitet habe, wurde von Bethmann und Zimmermann und ist durch die deutschen Akten ins Reich der Entente-Fabeln verwiesen. Diese Behauptimg kann auch nicht auf den Bericht von Schoens gestützt werden, der ja nur Bruchstücke der von Wien beabsichtigten Forderungen anführt. In Wirklichkeit erfuhr die Berliner Regierung den Wortlaut des Ultimatums erst am Tage vor seiner Übergabe in Belgrad. Sie war von der Schroffheit der Note peinlich berührt, hatte aber nicht mehr die Möglichkeit, eine Änderung herbeizuführen. Nim erwies es sich als ein Fehler, daß die deutsche Reichsleitung sich jeder Mitwirkung bei der Aufstellung und Fassung der Wiener Forderungen enthalten hatte, aus Rücksicht auf das Selbstgefühl der Hofburg und des Ballplatzes, und um die Hände für eine etwa notwendig werdende Vermittlung freizubehalten *). Vorher wußte man in Berlin und München von dem bevorstehenden Ultimatum nicht wesentlich mehr, als ungefähr gleichzeitig der Entente auch bekannt war. Die britische Botschaft in Wien hatte schon am 16. Juli an die Londoner Regierung gedrahtet, was man in Wien vorhatte. Und ein französischer Konsiliarbericht vom 20. Juli unterrichtete den Quai d'Orsay nicht *) Eine sehr eingehende und schlagkräftige Darstellung dieser Zusammenhänge bot B e t h m a n n in seiner dem Untersuchungsausschuß des Reichstags vorgelegten Denkschrift über die Entstehung der Krise von 1914. (Beilage 1 zu den Stenograph. Berichten des r. Unterausschusses 1920. S. 18—20.) 2 ) Deutsche Dokumente I, 106. — In Berlin war von der Note nur bekannt gewesen die Absicht, die Note auf 48 Stunden zu befristen, das Verlangen einer Regierungsabsage an die großserbische Bewegung, dann die Punkte 2, 4, 5, 6 in allgemeinen Umrissen. (Vgl. B. W. v. Bülow, Die Krisis. S, 52—54.)
XLVII nur über wichtige Punkte der in Aussicht stehenden Note sondern auch darüber, daß Österreich sich nicht mit einer diplomatischen Erledigung des Streitfalles begnügen, vielmehr unter allen Umständen mit den Waffen gegen Serbien einschreiten werde 1 ). Die Verbandsmächte konnten also rechtzeitig vorbeugend handeln, wenn sie das österreichische Vorgehen tatsächlich für eine so schwere Bedrohung des europäischen Friedens ansahen, wie sie später vorgaben. Warum unterließen sie es ? Wirkten die allgemeine Empörung über die Bluttat von Serajewo und das zügellose serbische Gebaren noch hemmend nach? War bei ihnen vielleicht doch noch das Bewußtsein lebendig, daß es sich bei dem geplanten österreichischen Vorgehen im Grunde um einen Akt der Verteidigung, um einen Gegenschlag gegen serbische Mordlust, Anmaßung und Überhebung handelte, wie wir sie in belgischen Gesandtenberichten so anschaulich gekennzeichnet finden? Oder ließen die Staatsmänner des Zweibundes den Dingen gerne freien Lauf, weil sich im weiteren Fortgang günstige Gelegenheit ergeben konnte, die eigenen, auf eine gründliche Umgestaltung der europäischen Landkarte gerichteten Pläne ins Werk zu setzen? Die im Berichte Schoens vorkommende Meinung, als ob die Nordlandsreise des K a i s e r s und die B e u r l a u b u n g des deutschen G e n e r a l s t a b s c h e f s gleichsam Manöver gewesen seien, um eine Unschuldsmiene aufzusetzen und über das Ultimatum überrascht tun zu können, wies Bethmann als unzutreffend zurück. Das hinderte dieVersailler Schuldkommission der Entente allerdings nicht, auch diesen Punkt in ihrer Anklageschrift vom 29. März 1919 zu verwerten und daraus einen Beleg für die heimtückische Bosheit der kaiserlichen Regierung zu machen,
Erste Ferasprechmeldung vom 31. Juli. Um Inhalt, Bedeutung und Verwertung dieses Dokuments2) richtig beurteilen zu können, muß man sich nachfolgende Tatsachen und Zusammenhänge vergegenwärtigen, die sich mit voller Sicherheit aus den amtlichen deutschen und österreichischen Aktenpublikationen und aus den bayerischen Akten ergeben.8) Englisches Blaubuch Nr. 161; Französisches Gelbbuch Nr. 14. ) Zusammenstellung der Urschrift und der Veröffentlichung Seite 13. *) Deutsche Dokumente Nr. 192, 293, 323, 328, 361, 377, 388, 395, 396, 433, 434, 448, 465. — österreichisches Rotbuch 1919, Bd. III, 2
XLVIII Solange Deutschland an seiner Lokalisierungspolitik festhielt, unterließ es folgerichtig, in den Streit zwischen Wien und Belgrad von sich aus einzugreifen. Als aber die Spannung zwischen der Donaumonarchie und Rußland bedenkliche Formen annahm, lieh Deutschland den britischen Ausgleichsversuchen seine Unterstützung. Wenn es den Vorschlag Sir Edward Greys vom 26. Juli, den austro-serbischen Streit in einer Londoner Botschafterkonferenz der unbeteiligten Mächte zu schlichten, ablehnte, so bedeutete dies keineswegs, daß Berlin eine Vermittlung überhaupt verwarf. Vielmehr hat Grey selbst damals die deutschen Gegengründe gegen die Konferenz gewürdigt und den deutschen Vorschlag, den Ausgleich durch direkte Besprechungen zwischen Wien und Petersburg zu betreiben, als den bestmöglichen Weg anerkannt. Auch Sasonow stimmte der Konferenz nur bedingt zu und zog den Weg der direkten Besprechungen vor.1) Die serbische Antwortnote auf das österreichische Ultimatum, von der man in Berlin am Abend des 27. Juli genaue Kenntnis erhielt, gab dann den Anstoß zu einer gründlichen Umstellung der deutschen Politik. Man erkannte in Berlin, daß infolge des Eintretens Rußlands für den kleinen slawischen Bruder tatsächlich die Gefahr eines europäischen Kriegsgewitters bedrohlich heraufzog, und daß die bisherige Lokalisierungsabsicht nicht mehr durchführbar war. Man vertrat außerdem die Auffassung, es sei dem österreichischen Bundesgenossen durch die serbische Antwort insoweit Genüge getan, daß er nun auch ohne kriegerische Aktion zu seinem Rechte kommen würde2). Schon am 27. Juli hatte Berlin die englische Anregung, Österreich möge die serbische Antwort als Grundlage für Verhandlungen annehmen, nach Wien weitergeleitet. Nun forderte die deutsche Regierung von dem Bundesgenossen, er solle auf einen regelrechten Feldzug gegen seinen Nr. 29, 44, 65, 79. — Deutsche Allgemeine Zeitung, 20. Mai 1919. (Bericht Schebeko3, des russischen Botschafters in Wien, über seine Unterredung mit Berchtold am 30. Juli. — Bayerische Dokumente Seite 1 5 2 — 1 7 6 ; V I , Nr. 37, 40, 47, 52, 53, 54, 55, 57, 60, 6 1 , 64, 66, 67, 68, 7 1 . *) Deutsche Dokumente Nr. 236, 248. — Engl. Blaubuch Nr. 36, 43, 53. — Russ. Orangebuch Nr. 32. a ) Deutsche Dokumente Nr. 2 7 1 , 292.
XLIX Widersacher verzichten und lediglich durch die Besetzung von Belgrad und Umgebung ein Faustpfand nehmen, tun die Erfüllung der serbischen Verpflichtungen sicherzustellen, im übrigen aber sofort in Verhandlungen eintreten. Von dieser Politik des Faustpfandes, die in der Tat einen Ausweg aus der sich immer mehr zuspitzenden Lage wies, ging die Reichsregierung auch nicht ab, als die Donaumonarchie am 28. Juli an Serbien den Krieg erklärte. Der deutsche Schritt gewann erhöhte Bedeutung dadurch, daß der leitende britische Staatsmann am folgenden Tage (29. Juli) sich den Gedanken eines begrenzten Vormarsches und des „Halt in Belgrad" zu eigen machte und zugleich auf seinen Plan einer Vermittlung der vier unbeteiligten Mächte zurückkam. Bethmann Hollweg unterstützte die britische Anregung in Wien unverzüglich auf das nachdrücklichste. Als der Ballplatz sich wenig zugänglich zeigte und eine zögernde und ausweichende Haltung einnahm, ging der Reichskanzler in der Nacht vom 29. zum 30. Juli soweit, als es unter Bundesgenossen überhaupt möglich war, bis zur Grenze der Bündnisaufsage. Österreich lenkte zögernd ein, indem es die Vermittlung der Mächte grundsätzlich amiahm, den abgerissenen Draht mit Petersburg wieder anknüpfte und seine Zusage, keine territorialen Erwerbungen anzustreben und die Selbständigkeit Serbiens unangetastet zu lassen, ausdrücklich erneuerte. So schien man dank den deutschen Bemühungen auf eine gute Grundlage zu kommen. Eine Unterredung Berchtolds mit Schebeko, dem russischen Botschafter in Wien (30. Juli) verlief zu beiderseitiger Zufriedenheit. In den Kreisen der Wiener Entente-Diplomaten sprach man bereits von einer „glücklichen und vielverheißenden Wendung," Aber in der Hauptsache, also in der Frage der Begrenzung des militärischen Vormarsches, blieb Berchtold dem deutschen Kanzler die Antwort schuldig. Diese bedingte und halbe Erledigung war in einem Zeitpunkte, da die Spannung stündlich wuchs und alles zur Entscheidung drängte, in dem die russische Rüstung bereits als beginnende Gesamtmobilmachung zu erkennen war, ungenügend. Überdies zog Wien die Mitteilung seiner Entschließung unverantwortlich lang hinaus. Sie traf in Berlin und London erst am 1. August ein. Indessen waren die Würfel gefallen, Rußland hatte mit dem Gesamtaufgebot seiner Streitmacht den Krieg unvermeidlich geIV
L macht. Daß dieser Gang der Dinge noch aufgehalten worden wäre, wenn das Wiener Kabinett die deutsch-englische Proposition voll angenommen hätte, muß in Anbetracht des russischen Kriegswillens als unwahrscheinlich gelten. In der Zwischenzeit, am 30. und 3 1 . Juli, harrte man in Berlin mit der größten Ungeduld auf die Antwort Österreichs. Die Reichsregierung befand sich in peinlicher Lage gegenüber London» das dringend Auskunft heischte. Der Anschein konnte entstehen, als ob sie die Vermittlungsangelegenheit nicht ernsthaft betreibe1). In Wirklichkeit machte sie die größten Anstrengungen und hielt zugleich in Deutschland größere militärische Vorbereitungsmaßnahmen zurück, um den Gegnern keinen Anlaß zum Mißtrauen zu geben. Die Verkündigung des drohenden Kriegszustandes unterblieb bis zum 3 1 . Juli nachmittag, obwohl die Lage infolge der russischen Mobilmachung und der französischen Rüstungen aufs äußerste gespannt war. Auf die volle Zustimmung Wiens zum deutsch-englischen Vorschlag richtete sich die Friedenshoffnung der deutschen Regierung2). Aus diesen Stunden bangen Wartens auf die Antwort des Wiener Ballplatzes stammt die von Eisner höchst unvollkommen veröffentlichte Meldung der Berliner Gesandtschaft. Sie ist aber keineswegs die einzige, die über diese wichtige Sache in München eingelaufen ist. Vielmehr enthalten die Akten rund ein halbes Dutzend Schriftstücke, die den Verlauf der Angelegenheit an den beiden kritischen Tagen (30. und 31. Juli) deutlich ersehen lassen8). Wer diese Reihe im Zusammenhang liest, ermißt ohne weiteres, welches Unheil die verstümmelte Fassung der einen Meldung anrichten mußte. Sie verhüllte die Wahrheit, ja verkehrte sie ins Gegenteil. In dem Bericht wird eingangs von einer „gemeinsamen D e m a r c h e D e u t s c h l a n d s und E n g l a n d s in W i e n " geJ ) Dieser Vorwurf ist in der Tat von den Gegnern erhoben worden. Die Rücksicht auf den österreichischen Bundesgenossen verbot, ihn während des Krieges mit der nötigen Eindringlichkeit zurückzuweisen. Erst die Herausgabe der Wiener Akten im Jahre 1919 brachte volles Licht in die Angelegenheit (Österr. R o t b u c h 1919, a. a. O. — Dazu Roderich Goos, Das Wiener Kabinett und die Entstehung des Weltkrieges). *) Vgl. Berichte Lerchenfelds vom 29. und 30. Juli. Seite 156, 162;. V I Nr. 43, 52. — Siehe auch ,,Ergänzungen und Nachträge" IV Seite 218. Berichte des bayerischen Militärbevollmächtigten. *) Siehe Seite 162 f; V I Nr. 52, 54, 55, 60, 61, 66.
LI sprechen. In diesem Hinweise auf die vereinigten Bemühungen der beiden Mächte liegt der K e r n p u n k t der Meldung. Eben dieser fiel bei der Veröffentlichung unter den Tisch. Sie berichtete nur von der „Überzeugung" Berlins, „daß die zweifellos redlichen Bemühungen Greys, für die Erhaltung des Friedens zu wirken, den Gang der Dinge nicht aufhalten werden". Dieser von der Hauptsache losgelöste und vereinzelt wiedergegebene Satz mußte den Eindruck erwecken, daß es sich um eine einseitige Friedensaktion Englands gehandelt habe, von der man in Berlin nichts hielt, die man dort wohl gar unlieb empfand und geringschätzig behandelte, jedenfalls nicht unterstützte. Das Gegenteil war richtig. Der bekanntgegebene Satz wurde denn auch von der Schuldkommission der Alliierten in ihrem Gutachten vom 29. Mai 1919 in einer Deutschland abträglichen Weise ausgedeutet. In dem Berichte an den französischen Senat vom Oktober 1919 hieß es schon nicht mehr, daß Berlin von der Erfolglosigkeit des englischen Schrittes „überzeugt" war, sondern daß es auf den Mißerfolg „hoffte" 1 Aus dem Gesandtschaftsberichte des Grafen Lerchenfeld vom 30. Juli 1914 ersehen wir aber mit aller Deutlichkeit den wahren Grund, warum in Berlin die Erwartungen auf die Erhaltung des Friedens so herabgestimmt waren. Der Reichskanzler hegte die vollbegründete Sorge, daß Rußland, nachdem es einmal die Maschine seiner Mobilmachung in Gang gebracht, den Rückweg nicht mehr werde antreten können, selbst wenn Österreich den englischen Vorschlag annehmen würde1). Der weitere Verlauf der Ereignisse hat dem Kanzler recht gegeben. Rußland griff als Erster zum Schwert, leitete mit seiner Mobilmachung den Krieg ein und brachte die diplomatischen Verhandlungen, die eben auf ein besseres Geleise gekommen waren, um den sonst noch möglichen Erfolg2). Die übrigen Dokumente. Die beiden anderen Aktenstücke3) reichen an Wichtigkeit an die eben behandelten nicht heran. Der von Eisner als Berliner „Stimmungsbild" bekanntgegebene Fernspruch vom 31. Juli, ») Seite 163; VI Nr. 55. *) Vgl. Berichte Lerchenfelds vom 31. Juli, Seite 174, 175; V I 70, 71. *) Seite 14, 15. IV*
LH 8 Uhr abends, berichtet über die an diesem Tage an den Zweibund ergangenen deutschen Sommationen, die häufig als Ultimata bezeichnet werden. Bekanntlich wurde Rußland aufgefordert, seine Rüstungen binnen zwölf Stunden einzustellen, Frankreich um Erklärung binnen 18 Stunden ersucht, ob es im Falle eines deutsch-russischen Krieges neutral zu bleiben gedenke1). Dieser Schritt war die unmittelbare Folge der schon am 29. Juli eingeleiteten russischen Vollmobilmachung. Sie wurde am 30. Juli abends 6 Uhr verkündet, noch in der Nacht in Berlin bekannt und durch Drahtmeldung des Petersburger deutschen Botschafters gegen Mittag des 3 1 . Juli bestätigt. Sie bedeutete die Kampfansage an die Mittelmächte. E s konnte nicht mehr zweifelhaft sein, daß auch Frankreich in den Kampf eintreten würde. Der europäische Krieg war da, wenn nicht Rußland noch im letzten Augenblick stoppte. Mit ungeheurer Wucht drängte sich diese Erkenntnis auf. Weder friedlich klingende Versicherungen Sasonows und des Zaren, noch Pariser Diplomatenkünste vermochten die furchtbare Tatsache zu verhüllen2). *) Deutsche Dokumente 490, 491. ') Wie in P e t e r s b u r g der Wille, die Krise in einem bewaffneten Zusammenstoß der beiden großen europäischen Mächtegruppen auslaufen zu lassen, die Oberhand gewonnen hat, wissen wir heute durch die Enthüllungen aus russischen Archiven und durch die Schrift des ehemaligen Chefs der Mobilmachungsabteilung des russischen Generalstabs, Generals Sergei Dobrorolski. Die Erinnerungen Pal6ologues, des damaligen französischen Botschafters in Petersburg, bilden eine lehrreiche Ergänzung hierzu. Aus diesen und anderen Quellen erhellt auch der Wille F r a n k r e i c h s , dem russischen Verbündeten unter allen Umständen mit den Waffen beizustehen. In der Nacht vom 30. zum 31. Juli konnte der russische Militärattache in Paris auf Grund einer Mitteilung des französischen Kriegsministers nach Petersburg melden, die f r a n z ö s i s c h e R e g i e r u n g s e i f e s t zum K r i e g e entschlossen. Sie gab sich, namentlich mit Rücksicht auf Parlament und Volk Englands, den Anschein friedlicher Haltung, riet aber dem russischen Freunde, seine R ü s t u n g e n insgeheim fortzusetzen. Entsprechend dem lange schon für den Kriegsfall festgesetzten ZweibundProgramm wollte sie, daß Deutschland vor der Welt als Angreifer erscheine, und daß deshalb die Kriegserklärung von ihm ausgehe. Auch die für die militärische Bereitschaft Frankreichs nebensächliche Z u r ü c k n a h m e der f r a n z ö s i s c h e n Truppen hinter eine Zehnkilometerzone entsprang eingestandenermaßen der Absicht, eine friedliche Haltung vorzutäuschen und dadurch der Londoner Regierung die Aufgabe zu erleichtern, dem britischen Volke Deutschland als Störenfried zu zeigen und es an der Seite des Zweibundes in den Krieg zu führen. (Vgl. Romberg, Fälschungen des russischen Orangebuches, bes. Seite 30, 36, 37. 38, 41,
LI II Während der Kaiser von Österreich die Gegenmobilmachung befahl, hielt Deutschland auch jetzt noch mit dem Aufgebot seiner Heeresmacht zurück, ordnete vorerst den „Zustand drohender Kriegsgefahr" an und tat den erwähnten diplomatischen Schritt. Er bot die letzte schwache Möglichkeit, dem Unheil Einhalt zu tun, wenn Rußland wollte. Auch die Briten konnten noch erweisen, ob hinter den auch in den ersten Augusttagen noch laufenden Vermittlungsaktionen wirklicher Ernst steckte. Großbritannien brauchte nur sein Wort gegen die überstürzte russische Mobilmachung und damit gegen den Krieg entscheidend in die Wagschale zu werfen. Nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil, gerade in diesem Hochstande der Krise gewannen die Zweibundmächte mehr und mehr die Gewißheit, daß England an ihrer Seite sein würde. Das gab bei ihnen den Ausschlag für die Entschlüsse, die den Waffenkampf unvermeidlich machten1). Aus dieser Situation heraus, die, wenigstens was den Zweibund anlangte, am 31. Juli 1914 in Berlin in den Hauptunirissen erkennbar war, kam die obige Meldung der bayerischen Gesandtschaft. Kein Wunder, daß in ihr der Krieg als fast unvermeidlich erscheint. Die darin enthaltene Bemerkung, die deutschen Anfragen würden selbstverständlich ablehnend beantwortet werden, kann niemand dahin deuten, daß Berlin die Ablehnung gewünscht habe. Auch dem Urheber der Veröffentlichung von 1918 hätte aus einem Vergleich dieses Telephonats mit anderen bayerischen Dokumenten klar werden müssen, daß die russische Mobilmachung es war, die in Berlin alle Hoffnungen auf den Nullpunkt herabgedrückt hatte2). Daß der deutsche G e n e r a l s t a b in dieser Lage, in der ein weiteres Hinhalten der deutschen Mobilmachung kaum noch zu 304. — Dobrorolski, Die russische Mobilmachung 1 9 1 4 . — Palöologue, Erinnerungen, Revue des deux mondes, Januar 1 9 2 1 . — Gelbbuch Nr. 106. — Deutsche Dokumente Nr. 380, 4 2 1 . — Blaubuch Nr. 87. — Orangebuch Nr. 57. — Siebert, Diplomatische Aktenstücke, S. 588). l ) Vgl. Blaubuch Nr. 85, 101. — Prawda Nr. 7, 9. März 1919, — Bericht an den französischen Senat 1919, S. 57. — Bericht des belgischen Geschäftsträgers in Petersburg vom 30. Juli: „Heute ist man aber in Petersburg fest davon überzeugt, ja man hat sogar die Zusicherung, daß England Frankreich beistehen werde. Dieser Umstand fällt ganz außerordentlich ins Gewicht und hat nicht wenig dazu beigetragen, der Kriegspartei Oberwasser zu verschaffen". (Nordd. Allg. Ztg. 12. Sept. 1914.) a ) Vgl. Seite 174, Nr. 70.
LIV verantworten war, auf eine möglichst rasche Klärung und Entscheidung drängte, war nur in der Ordnung. Gewiß trat in den leitenden militärischen Kreisen auch die Meinung auf, es sei besser, den Krieg jetzt aufzunehmen und rasch loszuschlagen. Man würde ihn sonst über kurz oder lang unter ungünstigeren Umständen doch aufgezwungen bekommen. Jetzt könne man Frankreich noch leichter überwältigen als später 1 ). Aber hierdurch wird nichts an der Tatsache geändert, daß die verantwortlichen Reichsstellen bis zur äußersten Grenze des Möglichen bemüht waren, den Zusammenprall hintanzuhalten. Da Rußland die deutsche Aufforderung unberücksichtigt ließ und Frankreich die nicht mißzuverstehende Antwort erteilte, es gedenke zu tun, was seine Interessen ihm geböten, folgten am i . August das Heeresaufgebot in Deutschland, dem die französische Mobilmachung noch kurz zuvorkam. Ob es politisch klug war, dem von den Zweibundmächten herbeigegeführten t a t s ä c h l i c h e n K r i e g s z u s t a n d durch die d e u t s c h e n K r i e g s e r k l ä r u n g e n vom i. und 3. August eine f o r m a l e B e s t ä t i g u n g zu geben, mag füglich bezweifelt werden. Keinesfalls aber steht den Gegnern ein Recht zu, hieraus und aus den ultimativen Anfragen vom 3 1 . Juli gegen Deutschland den Vorwurf eines unbegründeten Angriffs oder gar Überfalls abzuleiten. Der Angreifer ist in diesem Falle nicht der gewesen, der den Krieg erklärte, sondern der ihn unvermeidlich machte und den Gegner dazu zwang.
Aus dem B e r i c h t e des G r a f e n L e r c h e n f e l d v o m 4. A u g u s t 1 9 1 9 2 ) entnahm die Veröffentlichimg die Stelle, die von B e l g i e n handelt. Der Generalstabschef von M o l t k e habe erklärt, daß selbst die englische Neutralität um den Preis einer Respektierung der Neutralität Belgiens zu teuer erkauft sei. Mit der Wiedergabe dieser Berichtstelle wurde nichts „enthüllt". Der Standpunkt der deutschen Heeresleitung und der Reichsregierung in der belgischen Sache war ja schon zu Beginn des Krieges im Reichstag und auch später wiederholt von Bethmann Hollweg in aller Offenheit dargelegt worden: Nach der ') Vgl. Bericht Lerchenfeld. S. 176, Nr. 71; S. 187, Nr. 83. ') Seite 182, Nr. 80.
LV Ansicht des Generalstabes gab es im August 1914 aus dem lebensgefährlichen Notstand, in den das Vaterland durch den Zweifrontenkrieg geraten war und in dem es mit Vernichtung bedroht wurde, keinen anderen Ausweg, als den um Deutschland geschmiedeten eisernen Ring an der schwächsten Stelle zu durchbrechen, also mit aller Macht durch Belgien auf die französische Nordgrenze vorzustoßen. Die politische Reichsleitung fügte sich dieser von den Sachverständigen für unabweislich erklärten Notwendigkeit. Sie sicherte aber zu, daß der territoriale Bestand Belgiens nicht angetastet werden würde. Es ist bekannt, welche überaus schweren politischen und moralischen Schädigungen Deutschland aus der Vertragsverletzung entstanden. Die feindliche Propaganda bürdete ihm eine weit über seine wirkliche Verantwortung hinausreichende Schuld auf und unterschob ihm insbesondere, daß es von vornherein einen Eroberungs- und Raubzug gegen ein friedliches Nachbarvolk beabsichtigt habe. Im übrigen: England hatte es in der Hand, der belgischen Angelegenheit eine andere Wendung zu geben, wenn es Frankreich vom Kriege zurückhielt oder aber selbst die Zusage gab, dem Kampfe der Festlandsmächte fernzubleiben. Der Reichskanzler sagte am 3. August für den letzteren Fall zu, daß Deutschland sich jeden Angriffs auf die französische Kanalküste enthalten und im Falle eines Sieges weder französisches noch belgisches Gebiet behalten werde1). Aber die Lenker der britischen Politik, die sich an die 1 9 1 2 und 1914 getroffenen militärischen Verabredungen mit Frankreich und Rußland gebunden fühlten, wiesen derartige Angebote von sich. Sir Edward Grey versprach vielmehr Frankreich den Schutz seiner Kanalküste und seines Seehandels durch die britische Flotte, noch bevor ein deutscher Soldat den belgischen Boden betreten hatte2). Auch die deutsche Kriegserklärung an Frankreich lag zu diesem Zeitpunkte (1. August) noch nicht vor. Der Londoner französische Botschafter Cambon erkannte sofort, daß diese Zusage den Eintritt Englands in den Krieg bedeutete. E r war sich nun sicher, daß in London „das Spiel für den Zweibund gewonnen >) Blaubuch Nr. 85, 101. — Deutsche Dokumente Nr. 596. ») Blaubuch Nr. 148.
LVI sei" 1 ). Die britische Regierung war eben entschlossen, den Franzosen Waffenhilfe zu leisten und mit ganzer Macht den Kampf gegen Deutschland aufzunehmen. Die Verletzung der belgischen Neutralität bildete für sie den willkommenen Kriegsgrund, um diesen Kampf mit dem Bruche geheiligter Verträge zu begründen und in der britischen Welt volkstümlich zu machen2). Die Stelle über Belgien nahm Eisner wohl auch deswegen in seine Veröffentlichung auf, weil der darin vorkommende Ausdruck „ A n g r i f f s k r i e g gegen F r a n k r e i c h " dazu verlockte. Er erschien in Sperrdruck! Es liegt aber auf der Hand, daß diese Wortwendung in diesem Zusammenhange nur auf den nach bereits erfolgtem Kriegsausbruch unmittelbar bevorstehenden Waffengang mit Frankreich Bezug hatte. Der Berichterstatter wollte sagen, daß der deutsche Generalstab den westlichen Feind in einem raschen Angriffsverfahren niederzuringen beabsichtigte. Von einem Angriffskriege im diplomatischen Sinne des Wortes ist in diesem Schriftstücke nicht die Rede. III Die Wirkungen. Der revolutionäre bayerische Ministerpräsident äußerte einmal in einer Rede, mit dem bayerischen Gesandtenberichte vom 18. Juli 1914 habe er bewiesen, „daß eine verbrecherische Horde von Menschen diesen Weltkrieg inszeniert hat, wie man ein Theaterstück inszeniert. Denn dieser Krieg ist nicht entstanden, er ist gemacht worden." Welch ein erschreckendes Unvermögen, die gewaltigen weltpolitischen Strömungen und Entwicklungen, die den europäischen *) C a m b o n , Revue de France, 1. Juli 1921. *) Am 29. Juli Mitteilung Greys an Cambon, daß D e u t s c h l a n d im Kriegsfalle n i c h t auf d i e b r i t i s c h e N e u t r a l i t ä t z ä h l e n k ö n n e ; Auslauf der mobilisierten Flotte; „Warnungstelegramm'* an die gesamte bewaffnete Macht (Zustand drohender Kriegsgefahr). — Am 30. Juli beruhigende Zusicherung an Cambon hinsichtlich der militärischen Verabredungen von 1912. — Am r. August Zusicherung des Küstenschutzes, tags darauf Beschluß des Ministeriums in diesem Sinne. "Am Abend Einberufung der Flottenreserven. Am 3. August Ablehnung deutscher Angebote, n h Vormittags Mobilmachung des für das Festland bestimmten Expeditionskorps. (Vgl. f r a n z . G e l b b u c h Nr. 66, 108, 110. — E n g l . B l a u b u c h II. S. 93ff. B l a u b u c h Nr. 87, 113, 127, 137, 148. — D e u t s c h e D o k u m e n t e Nr. 676, 714.)
LVII Krieg heraufgeführt haben, in ihrem geschichtlichen Zusammenhange zu begreifen! Die Presseorgane der unabhängigen Sozialisten und der Spartakusleute waren voll von ähnlichen Sinnlosigkeiten. Sie forderten stürmisch auch schärfste Sühne und unerbittliche Bestrafung für die nach ihrer Meinung nun voll aufgedeckte Tücke und Kriegswut der ehedem herrschenden deutschen Kreise. Auch die Scheidemann, David, Ebert, überhaupt die Mehrheitssozialisten, hielten sie für so schwer belastet, daß sie aus der Regierung des neuen Volksstaates verjagt werden müßten. Im übrigen fand die durch den Zusammenbruch und den Umsturz aufs äußerste erregte öffentliche Meinung in Deutschland, wie schon weiter oben berührt, nach der ersten Verblüffung die richtige Einstellung. Man erinnerte sich, daß vieles, was von deutscher Seite schon gegen die Aussagen Muehlons und die Denkschrift Lichnowskys mit guten Gründen und Belegen vorgebracht worden war, auch für die Schlußfolgerungen zutraf, die das feindliche Ausland aus der Münchener Veröffentlichung zog. Es ließ die sachlichen Einwände der deutschen Regierung und so gewichtiger Zeugen wie Bethmann Hollwegs unbeachtet. Es verstand sich auch nicht dazu, ein endgültiges Urteil über die deutsche Verantwortlichkeit erst dann zu fällen, wenn die von der Reichsleitung bereits angekündigte Veröffentlichung der gesamten deutschen Akten vorliegen würde. Man bemächtigte sich vielmehr unverzüglich des gebotenen willkommenen Stoffes und erklärte die Schuldfrage für endgültig gelöst. Die Deutschen selbst hätten die gründlichste Vorarbeit für die Urteilsfällung geleistet. „Niemals in der Geschichte", schrieb die „Westminster Gazette", „wurde ein Verbrechen kaltblütiger und mit mehr Uberlegung vorbereitet. Neben dieser kleinen Gruppe von Verschwörern in Berlin und Wien erscheint Napoleon in seinen schlimmsten Augenblicken als ein unschuldiger Mann. Es ist wahr, sie hatten einen anderen Krieg geplant, und der Kaiser konnte die Hand aufs Herz legen und erklären, er wünsche d i e s e n Krieg nicht. Der Krieg, mit dem er rechnete, sollte Frankreich durch einen schnellen Schlag zu Boden werfen und Rußland durch eine rasche Bewegung erledigen, während Deutschland Europa die Bedingungen diktieren würde. Einen teuflischeren Plan hat es nie gegeben, niemals einen Plan, der auf so viele falsche Berechnungen gegründet war und so vollständig scheiterte. Jetzt ist es Sache der
LVIII Welt, die Urheber des Verbrechens der Gerechtigkeit zu überantworten." Die Toren, die gehofft hatten, daß die Alliierten ihren Zorn und ihre Härte auf die ehemalige kaiserliche Regierung und die früher herrschenden Schichten abladen und dem deutschen Volke als solchem, da es ja den Krieg nicht gewollt und gemacht habe, mit Schonimg begegnen würden, die gehofft hatten, daß sie Bayern das Schuldbekenntnis danken würden, sahen sich grausam enttäuscht. Das deutsche Volk hat seine Regierung 1914 gewähren lassen, so schallte es aus dem feindlichen Lager herüber, es trägt insgesamt die Verantwortimg, Bayern so gut wie Preußen und das übrige Deutschland. Das Journal des Débats verhöhnte den bayerischen Partikularismus, der um die Gunst der allüerten Mächte buhle. In den Pressestimmen des Auslandes sah das Auswärtige Amt mit Recht den Beweis geliefert, daß durch die Münchener, aus dem Zusammenhang gerissene sogenannte Enthüllung die an sich schon schwierige Lage Deutschlands bei den Friedensverhandlungen ins ungemessene gesteigert werden würde. Gleich bei der Eröffnung der Pariser Konferenz am 19. Januar 1919 gab der französische Staatspräsident P o i n c a r é Leitthema und Ton für die Behandlung der Schuldfrage an. Es bestehe kein Bedürfnis mehr nach besonderen ergänzenden Akten über den Ursprung des Dramas. Die ganze von Blut überströmte Wahrheit sei bereits aus deutschen Archiven ans Licht getreten 1 ): „Der vorbedachte und überlegte Überfall ist heute klar erwiesen. In der Hoffnung, die Vorherrschaft in Europa und dann in der ganzen Welt zu erobern, haben die durch geheimes Einverständnis fest miteinander verbundenen Zentralmächte den schmählichsten Vorwand gesucht, um sich über die Leiche Serbiens den Weg nach dem Orient zu bahnen. Zu gleicher Zeit haben sie sich feierlichst vereinbart, um über die Leiche Belgiens hinweg die Vernichtung Frankreichs herbeizuführen." Nach gleichartigen Gesichtspunkten ist die vom 29. März 1919 datierte Anklageschrift der „ K o m m i s s i o n der a l l i i e r t e n und a s s o z i i e r t e n M ä c h t e f ü r die F e s t s t e l l u n g der V e r *) Außer dem deutschen Weißbuche lagen nur die Münchener amtlichen Schriftstücke in fragmentarischer Form vor.
LIX a n t w o r t l i c h k e i t e n der Urheber des K r i e g e s und die aufzuerlegende S ü h n e " abgefaßt. Dieses jämmerliche Machwerk, das der Rat der Vier nicht einmal der deutschen Delegation in Versailles auszuhändigen wagte, verwendet die vier bayerischen Dokumente ohne jede Rücksicht darauf, daß es sich um bloße A u s z ü g e handelte. Trotz der früheren deutschen Richtigstellung wird der Gesandtschaftsbericht Schoens immer noch als solcher des Grafen Lerchenfeld bezeichnet. Irrtum oder Absicht ? Erschien vielleicht der Kommission der in der internationalen Diplomatenwelt wohlbekannte Name des Grafen Lerchenfeld zeugniskräftiger als der seines Stellvertreters Schoen? Die Auszüge aus dem SchoenBerichte mußten vor allem dazu herhalten, um in dem Kapitel „Vorgefaßte Absicht, Krieg führen zu wollen" ein planmäßiges und hinterlistiges Zusammenwirken Berlins und Wiens darzutun, als dessen Ausgangspunkt der angebliche Potsdamer Kronrat vom 5. Juli und als dessen Höhepunkt das österreichischungarische Ultimatum erscheint. Der Berliner Regierung ist dabei in besonderem Maße die Rolle der Kriegstreiberei zugeteilt1). Die Art, wie die Auszüge ausgebeutet wurden, ist sowohl im ganzen wie in Einzelheiten unhaltbar. Die Feder führte da nicht der gerecht abwägende Historiker, sondern der politische Staatsanwalt, der den Stoff für seine Anklage verwertete, ohne ihn überhaupt auf seinen Wahrheitsgehalt nachzuprüfen, und der zu dieser mangelhaften Methode noch den Fehler willkürlicher Ausdeutungen und Anfügungen und ungenauer Wortwiedergaben hinzufügte. In ihrem Gegenberichte vom 28. Mai 1919 schilderte die deutsche Viererkommission die Entwicklungsgeschichte des österreichisch-serbischen Konfliktes auf Grand der deutschen Akten und wandte sich insbesondere gegen den Vorwurf, daß zwischen Berlin und Wien eine geheime Verschwörung zur Vernichtung Serbiens und zur Entfesselung des Weltkrieges angezettelt worden sei. Sie machte geltend, daß an dem von ihr urkundlich festgestellten Tatbestand durch die angeblichen Enthüllungen Eisners und anderer, soweit sie n i c h t ü b e r h a u p t U n r i c h tiges e n t h a l t e n , nichts geändert werde. Unter anderem be>) Vgl. Seite 17—19.
LX tonte sie auch, daß die Nordlandreise des Kaisers im Juli 1914 zu dem alljährlich üblichen Zeitpunkte angetreten worden sei, und daß der preußische Kriegsminister seinen Urlaub schon am 2. Juli, drei Tage vor dem angeblichen Kronrat in Potsdam erbeten hatte, daß also der Kommissionsbericht der Alliierten diese Vorgänge zu Unrecht mit Hilfe mißverständlicher Angaben des bayerischen Gesandtenberichtes als listige Täuschungsmanöver hinstellte. Beiläufig wies die Denkschrift des Viererausschusses auch darauf hin, daß das bayerische Aktenstück, das einige schon öffentlich berichtigte Irrtümer enthalte, n i c h t vom Grafen Lerchenfeld stamme 1 ). Wie viel schlagender hätte diese Entgegnung ausfallen können, wenn der deutsche Viererausschuß den W o r t l a u t des Gesandtschaftsberichtes vor sich gehabt hätte! Wenn er hätte darauf hinweisen können, wie das bayerische Schriftstück von Eisner entstellt worden war, und daß die ausgelassenen Stellen gerade das Gegenteil von dem beweisen, was die Feinde herauslasen. So wie die Kommission nachträglich im August 1919 noch tat, als Schoen seinen Bericht im Wortlaute bekanntgegeben hatte! Wenn sie auch die Verstümmelung und Entstellung des Telephonats vom 30. Juli 1914 hätte vor Augen stellen können2)! Vgl. Seite 19—23. *) Vgl. Seite 23. Über den vier bayerischen Dokumenten waltete dauernd ein Unstern. Sie hätten, wie aus den Angaben Seite 96—98 ersichtlich, leicht noch rechtzeitig vor Torschluß nach Versailles gelangen können. Mindestens war eine Nachtrags-Erklärung zu der Denkschrift der deutschen Viererkommission noch v o r dem Ultimatum und der Mantelnote der Alliierten vom 16. Juni 1919 gut möglich. Wo liegt die Schuld an der Unterlassung ? B. W. von B ü l o w erwähnt im Nachworte zu seinem ausgezeichneten Werke „Die Krisis" (S. 179), Brockdorff-Rantzau habe bezüglich der Behandlung der Schuldfrage „eine außerordentlich schwierige Lage" vorgefunden. England hatte höhnisch eine neutrale Untersuchung abgelehnt. „ K a u t s k y war in das auswärtige Amt eingezogen und saß auf den seither v e r ö f f e n t l i c h t e n A k t e n , zusammen mit einem Bureau von drei Hilfsarbeitern und zahlreichen Schreibdamen. Lange Zeit waren infolgedessen die fragüchen Archive den berufenen Stellen unzugänglich. Kostbare Monate gingen zu Beginn der Friedenskonferenz verloren. während denen eine sachgemäße Erörterung der Schuldfrage in der Öffentlichkeit angebracht gewesen wäre." Wer v e r f ü g t e im A u s w ä r t i g e n Amte über die A b s c h r i f t e n der b a y e r i s c h e n D o k u m e n t e , die auf Wunsch der F r i e d e n s delegation in München g e f e r t i g t und schon unterm 22. Mai ans A u s w ä r t i g e Amt g e l a n g t waren? (Vgl. S. 97.)
LXI Gewiß, auf den Friedensvertrag hätte auch eine solche gründliche Entwertung dieser Zeugnisse kaum einen Einfluß ausgeübt. Allein sie wäre gleichwohl gerade in Versailles wegen der Wirkung auf die öffentliche Meinung der Welt ein wichtiger Akt deutscher Verteidigung gewesen. Wie schrieb doch Oman1), der Bearbeiter des halbamtlichen britischen Werkes über den Ursprung des Krieges ? Falls dieses „furchtbare Dokument" nicht als ungenau dargetan werden könne, sei die Frage der Schuld entschieden. Und wieviel mehr war möglich, als bloß der Nachweis der Ungenauigkeit! So aber wurden diese bayerischen Aktenstücke, vornehmlich der Schoen-Bericht, nach dem Versailler Vorbilde mit stets sich gleichbleibender Fehlerhaftigkeit und Tendenzmache durch die amtliche Berichterstattung und die Kriegsschuldliteratur der Ententeländer geschleppt. Die deutsche Abwehr der feindlichen Schuldanklage ist dadurch bis zum heutigen Tage nicht wenig erschwert worden. Die Denkschriften, die am 6. August und am 18. Oktober 1919 der französischen Abgeordnetenkammer und dem französischen S e n a t e über die Verantwortlichkeit am Weltkriege vorgelegt wurden weisen dem fragmentarischen bayerischen Berichte vom 18. Juli 1914 geradezu eine zentrale Stellung in ihrer Beweisführung an. Aus der Tatsache, daß die deutsche Viererkommission in Versailles nicht ausführlich auf dieses Dokument eingegangen ist, wird unbedenklich Kapital geschlagen. Ihre Einwände und selbst die Richtigstellung, daß Graf Lerchenfeld nicht der Urheber des Schriftstückes war, gelten in dem französischen Senatsberichte lediglich als „Ableugnungen, die jedes handgreiflichen Beweises entbehren". Beide Denkschriften tun so, als ob überhaupt keinerlei Erwiderung von deutscher Seite erfolgt sei. Wie schon in Versailles, so schenkte man auch darin den wichtigen Kommentaren Bethmann-Hollwegs und Zimmermanns keinerlei Beachtung. Aber man unterschlug auch die Tatsache, daß der wirkliche Verfasser des Gesandtenberichtes, Legationsrat von Schoen, inzwischen selbst das Wort genommen, in der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 2. August 1919 die unverantwortliche Verstümmelung seines Berichtes aufgedeckt und in sehr beachtenswerten Darlegungen, i) Oman, The Outbreak of the War, S. 31.
LXII die nicht einfach von der Hand zu weisen waren, die gröbsten Entstellungen, Mißdeutungen und falschen Auslegungen zurückgewiesen hatte 1 ). Und das nannte sich amtliche Berichterstattung an Parlament und Senat I Im Vorworte zum „Manuel des origines de la guerre", den Fernand R o c h e s gleichsam als offiziöses Werk der französischen Regierung herausgegeben hat, kennzeichnet Herr Lapradelle, der Völkerrechtslehrer der Pariser Universität und Generalsekretär der Schuldkommission der Alliierten, den bayerischen Gesandtenbericht als hauptsächlich belastendes amtliches deutsches Schriftstück. Den gleichen Spuren folgte dann so ziemlich die gesamte Kriegsschuldliteratur des Feindbundes. Ein breiter Strom, gegen den rühmliche Ausnahmen nicht ausreichend aufkamen l2) IV
Wandlungen und Bekenntnisse. Auf deutscher Seite wurde der Boden für eine gerechte Behandlung der Schuldfrage gelegt durch die Herausgabe der gesamten deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch, die leider erst im November 1919 erschienen. Dieses Monumentalwerk, durch die Veröffentlichung der Wiener Akten (1920) und durch Enthüllungen aus russischen Archiven und aus dem Lager des Feindbundes ergänzt und in seiner Wirkung noch wesentlich verstärkt, warf die Versailler Geschichtskonstruktionen über den Haufen. Nim wurde auch den mißbrauchten bayerischen Dokumenten der richtige Platz in der Gesamtaktenlage angewiesen, und zwar in unverkürzter Form, und in diesem Zusammenhang erschien ihr Inhalt denn auch in ganz anderem Lichte. Die Art, wie Karl K a u t s k y , der noch im November 1918 mit der Herausgabe der deutschen Dokumente betraute Parteigenosse Eisners, diese Arbeit durchführte und die Anschauung, Siehe Seite 93. ') Verwertet als erste französische Schrift gründlich auch das gesamte, bis Anfang 1922 erschienene nichtfranzösische Aktenmaterial. Günstige. Ergebnisse für die Mittelmächte!
LXIII die er selbst aus dem Stoff gewann, sprechen als gewichtiges Zeugnis gegen die bayerische Veröffentlichung vom 23. November 1918. Er hat sein Werk ungefähr mit denselben vorausgefaßten Meinungen und denselben Zielsetzungen begonnen, die dem revolutionären bayerischen Ministerpräsidenten vorschwebten. Ohne jedes „beschönigende Suchen nach Schuldigen im Auslande" wollte er lediglich die Verantwortlichkeit des eigenen Landes feststellen, um den Bruch der neuen Zeit mit der Vergangenheit bis in die letzten Folgerungen hinein zu offenbaren und zu stützen. Er setzte nach seiner eigenen Überzeugung als sicher voraus, daß sich ein überwältigender Beweis für den Kriegswillen der einstigen deutschen Regierung und der Schichten, die ihr nahe standen, ergeben würde. Kautsky geriet auf diese Weise allerdings in Gefahr, den Begriff der Schuld am Kriege gefährlich zu verengen und einseitig zuungunsten Deutschlands zu fassen. In der Schrift, die er der Aktenpublikation vorausgehen ließ1), unterlag er dieser Gefahr und seinem offensichtlichen parteipolitischen Subjektivismus in einer vom Standpunkte der Wissenschaft und der historischen Gerechtigkeit aus nicht zu rechtfertigenden Weise, in einem Grade, der seine Schrift zu einem Tendenzwerke machte. Trotzdem aber kann er nicht verbergen, daß seine ursprüngliche Auffassung von der verbrecherischen Schuld der deutschen Machthaber am Weltkriege durch das Studium der deutschen Urkunden bis in den Grund erschüttert und gewandelt worden ist2). Nicht als ob er die deutsche Staatsmacht von ehedem nun in wesentlich milderem Lichte oder gar im Unschuldsglanze sähe! Im Gegenteil, er urteilt nach wie vor hart über ihre ganze Außenpolitik und lädt eine schwere moralische Verantwortimg auf ihre Schultern. Aber in dem Hauptpunkte, auf den schließlich alles ankommt, gewann er eine völlig veränderte Überzeugimg. Sein ursprünglicher felsenfester Glaube an die bösewichtartige und verschwörermäßige Brandstifterrolle Berlins hat ihn verlassen. Dieser Glaube erwies sich ihm zu seiner Überraschung als unhaltbar, als er erst 1 ) K a u t s k y , Wie der Weltkrieg entstand. 1919. — Kritische Gegenschriften: Montgelas, Glossen zum Kautskybuch. D e l b r ü c k , Kautsky und Harden. 1920. *) K a u t s k y , Delbrückund Wilhelm II. Nachwort zu meinem Kriegsbuch.
LXIV genauen Einblick in die gesamten Akten getan: „Deutschland hat auf den Weltkrieg nicht planmäßig hingearbeitet, es hat ihn schließlich zu vermeiden gesucht". Seine Vorstellung von der „deutschen Schuld" ist eine andere geworden. Ein nach seiner Ansicht unfähiges, von Stümperhaftigkeit und Strebertum erfülltes Regierungssystem hatte, wie er meint, Elemente an die Staatsleitung gebracht, die sinnlos und kopflos in das Abenteuer des Weltkrieges hineinliefen und ihr Volk mitrissen. Kautsky stellt eine Verantwortlichkeit der ehedem Herrschendendem eigenen V o l k e gegenüber fest, nicht aber eine einseitige V e r a n t w o r t l i c h k e i t für den W e l t k r i e g im Sinne der V e r s a i l l e r Anklage. Im Gegenteile, diese B e s c h u l d i g u n g lehnt er ab: „Ich werde zum Verteidiger der deutschen Regierung der Entente gegenüber, die sie als die großen Verbrecher behandeln will. Ich werde um so mehr zu ihrem Ankläger dem deutschen Volke gegenüber". Das feindliche Ausland aber ließ auch diese überaus bedeutsamen Bekenntnisse eines besser Belehrten außer Betracht. Es beutete Kautskys erste Darstellung lediglich als neuen Anklagestoff gegen Deutschland aus. Deutsche Schriftsteller, die zum Gesinnungskreise Eisners oder Foersters gehören, versuchten auch noch nach dem Erscheinen der „Deutschen Dokumente" jene einzelne Veröffentlichimg vom 23. November 1918 wenn nicht zu rechtfertigen, so doch zu erklären und zu entschuldigen. Sie machten nachträglich geltend, diese Enthüllung sei weniger dazu bestimmt gewesen, die geschichtliche Wahrheit im einzelnen darzutun, als vielmehr berechtigten und hohen politischen Überzeugungen, Zwecken und Zielen zu dienen. Es habe sich darum gehandelt, für das niedergebrochene und unglückliche deutsche Volk einen Wegweiser zur Umkehr aufzurichten und ihm die Bahn zur Verständigung mit seinen bisherigen Feinden zu öffnen. Es sollte gezeigt werden, meint F. W. F o e r s t e r , daß der Krieg nicht vom deutschen Volke gewollt war, sondern daß bestimmte Gruppen hinter den Kulissen auf die kriegerische Lösimg hingearbeitet hätten, indem sie dieses ihr Treiben nach außen geschickt verdeckten1). Aber auch Foerster kommt doch nicht *) F o e r s t e r , Mein Kampf gegen das militaristische und nationalistische Deutschland 1920, S. 29 ff.
LXV ohne erhebliche Bedenken durch. Er spricht von einem „tragischen Verschulden" Eisners, von seinem „bohemeartigen Mangel an starkem Verantwortlichkeitsgefühl", der ihn schwerwiegende Dinge in „einer gewissen spielerischen A r t " behandeln ließ. E r findet die Unterdrückung eines Teiles des Schoen'schen Berichtes „illoyal" und gibt zu, daß die Reichsleitung ehrlich bemüht gewesen ist, den austroserbischen Konflikt zu lokalisieren. Allein er sieht ihr andere Kräfte entgegenwirken. Eine „unverantwortliche militärische Autokratie, verbunden mit gewissen dunklen Gewalten" gilt ihm als Trägerin des deutschen Kriegswillens in den entscheidenden Tagen und Stunden. Sie habe die blutige Lösung herbeigeführt. Das glaubt er auch aus dem Berichte Schoens herauslesen zu können. In Bethmann Hollweg erblickt Foerster lediglich den gehorsamen Staatsmann, „der zwar den Krieg nicht wollte und nicht für wahrscheinlich hielt, aber nicht merkte, daß er im Dienste einer Tradition stand, deren Methode innerhalb der ganzen gegebenen Lage unrettbar in die europäische Katastrophe führen mußte". J e mehr durch die deutschen Aktenveröffentlichungen die unwiderlegliche Tatsache hervortrat, daß die politische Reichsleitung samt ihren diplomatischen Vertretungen sich in den entscheidenden Tagen der Krise von 1914 eifrig bemüht hat, den Weltkrieg hintanzuhalten, desto leidenschaftlicher klammerte sich die deutsch-gegnerische Propaganda an die auch von Förster und seinen Gesinnungsgenossen vertretene These, letzten Endes habe doch diepreussische „militärischeAutokratie"durchihreböswilligen Machenschaften planmäßig und vorsätzlich den Weltkrieg entfesselt, auch wenn weder der Kanzler noch der Kaiser ihn gewollt haben. Dieser Versuch, mit einer Art Hilfsformulierung die unhaltbare Auffassung von der ausschlaggebenden, wenn nicht alleinigen Schuld Deutschland zu stützen, ist von der ernsthaften Forschung mit Recht als unzutreffend zurückgewiesen worden. Zweifellos gab es auch in Deutschland, wenn auch in geringerem Maße als in den Ententeländern, vor dem Kriege politische Gruppen und Strömungen, welche eine Lösung der europäischen Gegensätze durch Waffengewalt als ein naturgegebenes Schicksal ansahen und die deutsche Politik aktiv darauf eingestellt wissen wollten. Auch in militärischen Kreisen traten solche Anschauungen hervor. Allein der große Unterschied war der: In Frankreich saßen v
LXVI diejenigen, die auf den Krieg hinarbeiteten, schon seit Jahren als verantwortliche Staatsmänner in Regierung und Parlament und gewannen seit 1912, mit Poincaré an der Spitze, gestützt auf die mächtig angeschwollene chauvinistische Strömung im Volke, die Vorhand; in Petersburg übte die panslawistische Kriegspartei bestimmenden Einfluß aus. In Deutschland aber hatten die verhältnismäßig kleinen Kreise, die vornehmlich den Kampf mit Frankreich für unvermeidlich erachteten und die Entscheidung unter möglichst günstigen Umständen herbeiführen wollten, keinerlei maßgebende Einwirkung auf die verantwortliche Reichsführung und deren Tun und Lassen. Sie befanden sich vielfach im lebhaften Gegensatz zu ihr und waren auch nicht imstande, im Volke größeren Anhang zu gewinnen. Hinter dem lärmenden Treiben sogenannter „Alldeutscher" und den gelegentlichen aufgeregten Gesten einer großtuerischen Allerweltspolitik stand weder der Wille der Regierung, noch die Macht eines ausschlaggebenden Volksteils, noch auch die überwiegende öffentliche Meinung. Es handelt sich aber überhaupt doch nicht darum, ob es einen sogenannten „deutschen Schwertgeist" gab, sondern darum, ob Menschen dieser Gesinnung und Kräfte dieser Art auf den Gang der außenpolitischen Dinge und namentlich auf die letzten Entscheidungen während der Krise von 1914 irgendwie bedeutenden Einfluß ausübten, so zwar, daß dadurch der Weltkrieg entfesselt wurde. Hievon kann aber keine Rede sein, wie an anderer Stelle noch darzutun ist1.) *
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Auch Karl K a u t s k y rückte von seinem Parteistandpunkte aus den politischen Zweck der bayerischen Veröffentlichung in den Vordergrund2). Er stellt diese in eine Reihe mit den nach seiner Ansicht belastenden, als solche aber längst entwerteten Zeugnissen, die in den Denkschriften Muehlons und Lichnowskys enthalten waren. Kautsky sieht die im Juli 1914 von Berlin betriebene Lokalisierungspolitik als ein zweckloses und gefährliches Beginnen an, das von vornherein aussichtslos, zum Mißerfolg verurteilt und höchstens geeignet war, eine „europäische Lösung" der Krise, das 1)
Siehe weiter unten.
a)
Wie der Weltkrieg entstand. 1919. S. 35.
LXVII heißt also eine Entscheidung durch den Areopag der Mächte zu vereiteln. Von dieser Meinung aus heißt er die Münchener Veröffentlichung, durch welche diese Umstände beleuchtet worden seien, immerhin gut. Die Weglassungen erscheinen ihm, da sie die Lokalisierungspolitik betreffen, nicht als Wahrheitsentstellung von beträchtlichem Gewichte. Er bedauert, daß sein politischer Gesinnungsgenosse die „Unvorsichtigkeit" beging, seine Aktenpublikation „mehr als Journalist zu behandeln, dem es auf die Wirkung ankommt, denn als Historiker, dem es um die Vollständigkeit und Unversehrtheit seiner Quelle zu tun ist." Man wird dieser mißlungenen Entschuldigung mit Recht entgegenhalten, daß Eisner in Wirklichkeit eben nicht als Journalist gehandelt hat, sondern als leitender und v e r a n t w o r t licher Minister des b a y e r i s c h e n Volksstaates. Er selbst wollte seine Tat als eine Staatsaktion ersten Ranges hingenommen wissen und erwartete von ihr mächtige Wirkungen, die ja auch eingetreten sind, freilich anders als er erwartete. Im übrigen ist das Urteil Kautskys über die Berliner Lokalisierungspolitik eine nachträgliche Meinungsäußerung, für die man gewiß Gründe anführen kann, die aber auch gewichtige Argumente gegen sich hat. Im Juli 1914 erschien die Lokalisierungspolitik keineswegs allgemein so verfehlt und aussichtslos. Kein Geringerer als Sir Edward Grey, der Leiter der britischen Außenpolitik, hat sie gutgeheißen. Selbst in Paris widerstrebte man im ersten Augenblicke nicht, sondern warf ihr erst Steine in den Weg, als Rußland die Gegenpolitik der Einmischung in den austroserbischen Streit proklamierte. Daß Berlin keine Weltkriegs-Absichten verfolgte, gibt Kautsky unumwunden zu, so sehr er auch die Blindheit und Vertrauensseligkeit tadelt, mit der die Reichsleitung darauf baute, daß ein rascher österreichischer Schlag gegen Serbien den Streifall ohne große kriegerische Weiterungen beenden könne: „Man hatte beabsichtigt, überraschend loszuschlagen, um Europa, bevor es sich recht besinnen könnte, vor vollendete Tatsachen zu stellen, denen es sich fügen mußte. Auf diese Weise h o f f t e man, durch Überrumpelung mit dem K r i e g den Weltfrieden zu erhalten." v*
LXVIII Auch der am Münchener Schuldbekenntnis so nahe beteiligte amerikanische Pazifist Georges D. Herron nahm später das Wort zur Sache. Ihm löste das Entsetzen über Versailles die Zunge. Über den Gewaltfrieden stimmt er eine weithin schallende Klage an. Er erkennt ihn als ein verruchtes teuflisches Werk, entstanden aus Lug und Trug, Täuschung und Wortbruch. Dabei beherrscht ihn die seltsame Vorstellung, daß der „deutsche Vorkriegsgeist" nun von der Welt der Alliierten Besitz genommen habe, die ausgezogen war, ihn zu vernichten. Die prometheische Lichtgestalt Wilsons, des Friedensbringers und Völkerversöhners, an den er und seine Gesinnungsgenossen mit brünstiger Hingabe geglaubt, verwandelt sich Herron in eine bemitleidenswerte Fratze. Und er erinnert sich mit brennender Reue, daß er und seinesgleichen selbst das Kriegsfeuer gegen Deutschland geschürt, wo sie nur konnten. Sein Bekenntnis gilt für jenen großen Teil des internationalen Pazifismus, den seine Wahnvorstellungen vom „Germanismus" zum Narren der eigenen Idee gemacht haben: „Auf uns, die Pazifisten, auf uns, die Gläubigen an eine bessere Welt, auf uns, die wir unsere Friedenssehnsucht unterdrückten und in Kriegswünsche und Petitionen an unsere verschiedenen Vaterländer umzuwandeln die Selbstverleugnung hatten, — auf uns ruht, lastet und drückt eine beinahe unerträgliche Bürde von Schuld und Unterlassungssünde. Wir haben den Krieg gegen Deutschland und für die Demokratie gepredigt — wir haben den Krieg gegen den Krieg und für die Liga der Nationen geführt: Vor Gott und den Menschen, vor unserem eigenen Herzen und Gewissen, vor Zukunft und Gegenwart stehen wir als verantwortlich dafür da, daß wir unseren eigenen Prinzipien untreu wurden, daß wir eine einzige und höchste Gelegenheit vorübergehen ließen, daß wir es ruhig mit ansahen, wie diese unglaubliche Tragödie des Versailler Friedens sich in Szene setzte und bis zu ihrem unheilvollen Ende abspielen konnte." Die a u s w ä r t i g e P o l i t i k der E i s n e r ' s c h e n R e v o l u tion und das von ihr a u s g e g a n g e n e S c h u l d b e k e n n t n i s waren ein b e d e u t u n g s v o l l e r und f o l g e n s c h w e r e r Z w i s c h e n a k t dieser Welttragödie.
LXIX
V Neuer Mißbrauch bayerischer Dokumente. In unverkennbarer Verbindung mit gewissen Schriftstellern lind Zeitungen in Deutschland, die sich auch weiterhin bemühten, die Enthüllung von 1918 um jeden Preis als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, griff die feindliche Propaganda die Glaubwürdigkeit der von mir besorgten bayerischen Aktenpublikation mit allerlei unwahren Ausstreuungen über ihr Zustandekommen und ihre Methode an. Ich habe diese Einwände vor aller Welt als unhaltbar erwiesen1). In dem vierzehntägigen Prozeß um jene folgenschwere Enthüllung, der im April und Mai 1922 vor einem Münchener Gerichtshof vor sich ging, mußten auch Vertreter aus dem Parteilager Eisners meine Publikation als einwandfrei anerkennen2). Ein anderes Verfahren unternahm es, die bayerischen Gesandtschaftsberichte die in allem Wesentlichen das Geschichtsbild bestätigen, das sich bereits aus den deutschen und österreichischen Akten Veröffentlichungen ergeben hatte, zu Zeugnissen f ü r die Versailler Schuldanklage umzustempeln, während sie, in ihrer Ganzheit genommen, dagegen sprechen. Die feindliche Propaganda machte sich diese Arbeit leicht. Sie ging über die unbequeme Wahrheit, daß den so hoch gepriesenen vier Schuldzeugnissen vom November 1918 die ihnen zugeschriebene Beweiskraft gegen Deutschland genommen war, mit Stillschweigen hinweg. Sie ließ die öffentliche Meinung der Ententeländer auf dem Glauben, daß sich da nichts geändert habe3). Statt dessen suchte sie den Anschein zu erwecken, als ob die von mir neu herausgegebenen bayerischen Gesandtenberichte eine reichhaltige Fundgrube für die Beweisführung der feindlichen Anklage böten. Man hatte die Kühnheit, die „Bayerischen Dokumente" in eine Linie mit den Erzählungen Muehlons und Lichnowskys zu rücken, obwohl eine solche Zusammenstellung außer aller Möglichkeit liegt. Man trieb das hergebrachte verwerfliche J) Vgl. Ergänzungen und Nachträge: Gegen Lüge und Entstellung, Seite 239 f. s) Ergänzungen und Nachträge: Der Münchener Prozeß um Eisners „Schulddokumente", Seite 191 f. ') Auch V i v i a n i wiederholte noch 1923 diese Fabeln in unverantwortlicher Weise. (Vgl. Straßburger „République" 4. Jan. 1923.)
LXX Spiel auch hier wieder aufs neue: Entgegen meiner ausdrücklichen Verwahrung1) riß man bestimmte Schriftstücke willkürlich aus dem Zusammenhang des geschichtlichen Verlaufes und der gesamten Aktenlage. Die Gesandtenberichte wurden krampfhaft nach einzelnen „verdächtigen" Stellen und Wortwendungen durchsucht, und diese solange gedreht und gepreßt, bis sie den gewünschten deutschfeindlichen Sinn herzugeben schienen. Auf diese Art kann man schließlich aus jeder Aktensammlung alles „beweisen". Ein Muster dieser Sorte Geschichtsforschung findet sich im T e m p s vom 7. März 1922 und gleichzeitig auch in den Times. E s verlohnte sich kaum, dagegen mit wissenschaftlichen Waffen anzugehen, wenn der Fall nicht typisch wäre. Was die beiden großen Blätter vorlegen, findet leider weithin in der Welt Widerhall und Geltung. Deshalb soll diese Knebelung der Wahrheit nachfolgend kurz gekennzeichnet werden. 1. Der Aufsatz des Temps bewegt sich, obwohl er vorgibt, mit neuen Ergebnissen aufzuwarten, ganz in den alten Gleisen der gegnerischen Schuldpropaganda. Wieder soll dargetan werden, daß Deutschland den Weltkrieg mit dem österreichisch-serbischen Abenteuer absichtlich angezettelt und die von reinstem Friedenswillen geleiteten Vermittlungsversuche der Verbandsmächte vereitelt habe. Nehmen wir die Beweisführung unter die kritische Lupe! Li einem Gespräche mit Schoen äußerte der Unterstaatssekretär Z i m m e r m a n n (nach dem Berichte Schoens, nicht Lerchenfelds, vom 9. Juli), daß er den Zeitpunkt für einen „ R a c h e z u g " Österreichs gegen Serbien für sehr günstig halte. Für einen Unterstaatssekretär gewiß eine etwas drastische Ausdrucksform. Aber schließlich war das in einem P r i v a t g e s p r ä c h , in dem nicht jedes Wort auf die Goldwage gelegt wird. W a r u m aber hatte Zimmermann diese Ansicht? Weil er, wie er selbst beifügte, a u f s b e s t i m m t e s t e g l a u b t e , daß eben j e t z t der S t r e i t noch lokalisiert, also auf Österreich-Serbien f e s t g e b a n n t werden könne. Diesen wichtigen Beisatz unterschlägt der Temps! — Gewiß, der Legationsrat von Schoen und sein Kollege Freiherr von Tucher in Wien erblickten in der anfänglichen Haltung *) Siehe Seite 105.
LXXI Deutschlands eine „ B l a n k o - V o l l m a c h t " für Österreich-Ungarn. Aber diese hatte doch ihre Grenzen, wie sich in der Folge offenbarte. Berlin machte bekanntlich mit seiner Politik des Gewährenlassens ein Ende und wandelte sie in eine solche eifriger Vermittlungstätigkeit um, als ihm die Erkenntnis aufging, daß ein europäischer Krieg in drohende Nähe gerückt sei. Warum läßt die Darstellung des Temps diesen Umschwung der deutschen Politik seit dem 27. und 28. Juli nicht erkennen? Warum nicht die Anstrengungen des deutschen Reichskanzlers in den letzten Julitagen, Wien zum Einlenken zu bewegen und in Petersburg die Bahn für einen Ausgleich zu ebnen? Wie im vorigen Abschnitt gezeigt ist, geben auch die bayerischen Akten darüber hinreichenden Aufschluß! Weshalb folgt auch der Temps hier immer noch den genugsam aufgedeckten Fehlgängen Eisners und seiner Versailler Nachtreter ? *) 2. Der Aufsatz des Pariser Blattes legt Gewicht auf den Umstand, daß Baron von T u c h e r vor dem Untersuchungsausschuß des Reichstags die deutsche B l a n k o v o l l m a c h t f ü r v e r h ä n g n i s v o l l erklärt habe. Damit ist aber der Sinn seiner Aussage keineswegs richtig und erschöpfend wiedergegeben. Sie lautete nämlich: „Diese Blankovollmacht, die sich h e u t e als V e r h ä n g n i s d a r s t e l l t , erschien uns damals in W i e n , in der E n t w i c k l u n g der E r e i g n i s s e nach dem A t t e n t a t , d u r c h a u s nicht als zu w e i t g e h e n d , sondern als e t w a s S e l b s t v e r s t ä n d l i c h e s , ja sogar als das Mindeste, w a s D e u t s c h l a n d tun konnte. Unser Eindruck war, daß Österr e i c h - U n g a r n , dessen Balkanpolitik ich keineswegs gutheißen will, durch die g r o ß s e r b i s c h e P r o p a g a n d a in seiner E x i s t e n z b e d r o h t w a r , und daß Deutschland den Bundesgenossen, der ihm Beweise seiner Treue (Algeciras, Haag, Ischl) gegeben hatte, nicht im Stiche lassen könne. Eine gewisse Scheu, auf die Erwägungen und Beschlüsse der österreichisch-ungarischen Regierung einzuwirken, entsprach der grundsätzlichen Enthaltung von einer Einmischung, welche durch die große Empfindlichkeit der österreichischen wie der ungarischen Staatsmänner und der öffentlichen Meinung in Österreich-Ungarn geboten war." Siehe oben, Seite XLVIII f.
LXXII Außerdem bezeugte Herr von Tücher, daß es ihm sicherlich aufgefallen wäre, wenn der von alliierter Seite als Kriegshetzer verschrieene deutsche B o t s c h a f t e r von T s c h i r s c h k y „eine den Krieg schürende Haltung" angenommen hätte. Er habe vielmehr den Standpunkt Deutschlands vertreten, daß nämlich Österreich-Ungarn selbst zu beurteilen hätte, was seine Lebensinteressen seien und selbst zu entscheiden, wie und wann es dieselben zu verteidigen gedenke. Wie kennzeichnete doch B e t h m a n n H o l l w e g in seiner Weisung von 28. Juli an den Botschafter von Tschirschky das Ziel? Der großserbischen Wühlerei „den Lebensnerv zu unterbindeil, ohne gleichzeitig einen Weltkrieg zu entfesseln." Lerchenfeld hatte es richtig erfaßt: D e r V e r b ü n d e t e s o l l t e m i t e i n e m Z u w a c h s an P r e s t i g e a u s der S a c h e h e r v o r g e h e n , der W e l t f r i e d e a b e r e r h a l t e n b l e i b e n l 1 ) 3Die Wiener B e r i c h t e r s t a t t u n g des F r e i h e r r n von Tücher erscheint in der Aufmachung des Temps überhaupt als ergiebige Quelle angeblich neuer und schwerwiegender Entdeckungen. In Wirklichkeit erweist sie sich durchgängig als eine Bestätigung der schon früher aus den deutschen und österreichischen Akten bekannten Entwicklung, vor allem in der Zeit bis zum österreichischen Ultimatum vom 23. Juli. Es ist nichts Neues, daß das Wiener Kabinett sein Vorhaben und seine Vorbereitungen gegen Serbien in strengstes Geheimnis zu hüllen trachtete; daß es die Bedingungen für Serbien unannehmbar zu gestalten suchte; daß Berlin ein rasches Vorgehen der Donaumonarchie wünschte und unwillig wurde, weil diese mit der als notwendig erkannten militärischen Aktion nicht zustande kam, bis die günstigen Umstände für eine rasche und lokalisierte Erledigung des Streitfalles mehr und mehr dahin geschwunden waren2). Warum holt die feindliche Gegenarbeit nur solche Stellen hervor, unterschlägt aber sorgsam alles, was über die politischen Umstände und die tieferen Triebkräfte, aus denen die Wiener Politik erwuchs, Auskunft gibt? Weshalb fehlt in der Darstellung des *) Vgl. Deutscbe Dokumente Nr. 323. — Bayer. Dokumente V I Nr. 147, S. 159. l ) Berichte Tuchers vom 11., 14., 18., 23. Juli. — Vgl. auch Bericht Lerchenfelds vom 23. Juli.
LXXIII Temps zum Beispiel jeder Hinweis auf die in den Berichten Tuchers fortlaufend so anschaulich geschilderte slawische Gefahr und großserbische Zerstörungsbewegung? Vom „Verteidigungskampf Österreich-Ungarns gegen die slawische Umklammerung" ist immer wieder die Rede und von der zwingenden Notwendigkeit, den bisherigen „serbophilen Kurs" gründlich zu ändern: „Eine wirksame Bekämpfung der großserbischen Agitation ist nur zu führen mit äußerster Strenge und mit rücksichtslosester Gewalt". Nur Waffenmacht kann damit noch fertig werden. Das ist die Überzeugung eines ruhigen Beobachters1). Die Hinweise des Temps sollen auch wieder die Behauptung stützen, die Berliner Regierung sei an der Vorbereitung des Wiener Ultimatums beteiligt gewesen. Ausgerechnet eine beiläufige Bemerkung des bayerischen Gesandten beim Quirinal dünkt dem leichtfertigen Artikelschreiber ein besonders sicherer Beleg zu sein. Freiherr von der Tann schreibt allerdings in seinem Bericht vom 30. Juli, Deutschland habe von der in Belgrad überreichten Note vorher Kenntnis bekommen2). „Rien de plus net", meint der Temps. Wieso ? Die deutschen Akten weisen aus, daß Berlin auf die österreichische Note keinen Einfluß nahm und ihren Inhalt nur zum Teil im voraus kannte. Es wußte nicht erheblich mehr, als auch den Verbandsmächten bekannt geworden war. Nur auf diese Teilkenntnis kann die Bemerkung von der Tanns bezogen werden. Übrigens konnte er in Rom, weitab von den Wiener und Berliner Vorgängen, sein Wissen über die Sache nur aus zweiter Hand haben. Die breite Ö f f e n t l i c h k e i t F r a n k r e i c h s und seiner Hauptstadt mag durch das U l t i m a t u m , wie Ritter am 26. Juli aus Paris schreibt, völlig überrascht worden sein. Auf den Quai d'Orsay und die verantwortlichen französischen Staatslenker traf diese Beobachtung aber nicht zu. Auch Baron von Tucher befand sich im Irrtum, wenn er in seinem Bericht vom 23. Juli annahm, daß die Wiener E n t e n t e vertretungen von den Absichten des Ballplatzes, den Bruch mit Serbien herbeizuführen, nichts ahnten3). In Wirklichkeit hatte, *) Vgl. Schreiben vom 6. Juli S. 121, vom 10. Juli S. 125; vom 14. Juli S. 126. l ) Seite 168; V I Nr. 59. ') Seite 1 3 3 ; V I Nr. 19.
LXXIV wie wir wissen, die Londoner Regierung schon am 16. Juli durch ein Telegramm ihres Wiener Botschafters Kenntnis erhalten, die Pariser Regierung am 20. durch einen Konsularbericht1). 4Viel tut sich der Schreiber des Temps darauf zugute, daß der b a y e r i s c h e V e r t r e t e r in P a r i s noch am 26. Juli in der französischen Hauptstadt nur eine idyllische p o l i t i s c h e Sommerruhe, nicht aber irgendwelche kriegerischen Anzeichen wahrgenommen hat. Im Verkehr mit B i e n v e n u — M a r t i n , der als Stellvertreter des nach Petersburg verreisten Viviani das Auswärtige leitete, fühlte sich Herr von Ritter in der Auffassung bestärkt, daß Frankreich keine Neigung zum Kriege hatte. Besser war es zu sagen: keine z e i g t e ! Obwohl nach dem Zeugnis Ritters in den auswärtigen Geschäften wenig erfahren, soviel hätte Bienvenu-Martin sicherlich doch gewußt, um dem bayerischen Gesandten über die Absichten und Ziele der französischen Politik und seiner in Petersburg eifrig tätigen Herren und Meister Poincaré und Viviani zutreffendere Auskünfte zu geben. Wollte er der Wahrheit die Ehre geben, so hätten diese allerdings nicht gerade sehr friedfertig klingen müssen. Eine richtige Ahnung hatte der Bayer ohnehin. Schrieb er doch unter anderem nach München, „daß die französische Politik einen engeren Zusammenschluß zwischen Rußland und England anstrebe, um dadurch die Schlagfertigkeit der Triple-Entente zu erhöhen." (25. Juli.). Im übrigen war ja auch I s w o l s k y , der russische Botschafter, von Paris abwesend. Freilich nicht zur Sommerrast. Er weilte mit den beiden leitenden französischen Staatsmännern in diesen Tagen an der Newa. Dort gewann er so tiefe Eindrücke, daß er am 25. Juli mit dem frohen Rufe von Petersburg Abschied nahm: „Cette fois, c'est la guerre"! Diesesmal ists der K r i e g ! Hat das Wiener K a b i n e t t , wie Schoen und Tücher übereinstimmend am 18. Juli melden, die Übergabe seiner Note in B e l g r a d auch deshalb so lange hinausgeschoben, weil es „den in P e t e r s b u r g versammelten Scharfmachern P o i n c a r é , I s w o l s k y und Genossen" nicht noch vor ihrer Abreise Gelegenheit bieten wollte, auf den Zaren im serbenfreundlichen Sinne zu drücken, das heißt also den russischen Pan») Siehe oben Seite X X X V I I I f.
LXXV slawismus zum Eingreifen anzureizen, so war diese Vorsicht zweifellos nicht unangebracht, allein sie verfehlte ihren Zweck. Die „Scharfmacher" taten auch ohnedies ihr Möglichstes. Im Übrigen gab es in Wien andere Gründe: die militärischen Vorbereitungen gingen so gemächlich von statten, daß man den Beginn der Operationen gegen Serbien erst für den 12. August in Aussicht nahm! Wenn Bienvenu-Martin gar noch am 2. August, als der bayerische Gesandte sich verabschiedete, bei diesem den Eindruck hervorrief, „daß die französische Regierung den Krieg um jeden Preis vermeiden wolle", so war das eine Vorspiegelung falscher Tatsachen. Denn in Paris war man schon seit Tagen zum gemeinsamen Losschlagen mit dem Bundesgenossen entschlossen. Des friedfertig aufgemachten diplomatischen Spiels bedienten sich die Zweibundmächte allerdings noch immer, um ihre eigene Kriegsentschlossenheit und ihre vorbereitenden Maßnahmen vornehmlich auch aus Rücksicht auf die britische Volksstimmung zu verbergen, die Gegner ins Unrecht zu setzen und Deutschland die Rolle des scheinbaren Angreifers zuzuschieben.1) 5Was von den Berichten aus Wien gesagt ist, gilt auch von denen aus Petersburg. Sie bieten ein anschauliches aber nicht neues Bild dortiger Vorgänge. Sie lassen namentlich auch die deutschen Bemühungen erkennen, die A u s g l e i c h s v e r h a n d lungen zwischen Wien und P e t e r s b u r g im Gang zu halten und zu einem friedlichen Abschluß zu bringen. Gesprächsweise hatte I s w o l s k y am 3 1 . Juli in Paris dem bayerischen Gesandten mitgeteilt, der Kriegsausbruch würde verhindert werden, wenn Österreich sich verpflichte, die Una b h ä n g i g k e i t Serbiens aufrechtzuerhalten. Darüber erwarte alle Welt eine Erklärung. In Wirklichkeit lag sie bereits vor. Das Wiener Kabinett hatte am 25. Juli seinen Botschafter Szapary in Petersburg dazu ermächtigt. Am 29. Juli gab dieser in Petersburg, am 30. Juli *) Vgl. oben, Seite X L I V f., besonders Anmerkung 2. — P a l 6 o l o g u e , Erinnerungen. — Eingehende urkundentreue Darstellung dieser Zusammenhänge bei B ü l o w , Krisis. Seite n y i .
LXXVI Graf Berchtold in Wien dem russischen Botschafter Schebeko feierlich eine solche Versicherung ab. Wie sehr die Berliner Regierung den Ballplatz hiezu gedrängt hat, weisen die Deutschen Dokumente an verschiedenen Stellen aus. Aber die russischen Machthaber waren mit dem „territorialen Desinteressement" Österreichs nicht zufrieden. Sie schraubten ihre Forderungen höher, setzten die Rüstungen fort und gingen darauf aus, der Donaumonarchie die Hände zu binden, für Rußland aber die Bahn für jede Art von Entscheidimg, auch für eine solche mit den Waffen, offenzuhalten. Uber die entgegenkommenden Schritte der Wiener Regierung in der Frage der territorialen Erhaltung und der Unabhängigkeit Serbiens ließ Sasonow die europäischen Kabinette im unklaren. Grund genugfür Iswolsky, diesem Beispiel folgendseinem bayerischen Kollegen vorzutäuschen, daß Wien der „versöhnlich" gestimmten russischen Politik nicht die nötige Basis zum Ausgleich biete. Als Ritter am 3 1 . Juli vom österreichischen Botschafter Szecsen erfuhr, daß das Wiener Kabinett seine Zusicherung auch in Paris habe ausrichten lassen, wollte er diese Neuigkeit brieflich an Iswolsky weitergeben. Allein der deutsche Botschafter von Schoen fand, es sei besser das zu unterlassen, da man nicht wissen könne, ob dadurch nicht die deutsche Politik irgendwie beeinträchtigt werde. Sogar aus diesem einfachen und erklärlichen Vorgange möchte der Temps Deutschland einen Strick drehen. Daß dies unmöglich ist, ergibt sich aus dem eben geschilderten Sachverhalt. Übrigens hat Frhr. von T u c h e r schon am 21. Juli berichtet, die österreichische Note werde der italienischen Regierung mit der a u s d r ü c k l i c h e n V e r s i c h e r u n g mitgeteilt werden, daß Ö s t e r r e i c h - U n g a r n sich u n t e r keinen U m s t ä n d e n s e r b i s c h e s G e b i e t d a u e r n d a n e i g n e n wolle. „Der Verzicht auf jedweden Zuwachs an serbischem Gebiete ist", schreibt Tücher weiter, „der österreichisch-ungarischen Regierung um so leichter, als durchaus keine Neigimg besteht, die Bevölkerung serbischer Nationalität in der Monarchie noch zu vermehren; Graf Tisza hat sich von Anfang an auf das entschiedenste gegen eine solche Eventualität ausgesprochen. 1 )" *) Seite 130; VI Nr. 15.
LXXVII 6. Auf die gänzlich verfehlte Frage des Temps, „warum die V e r m i t t l u n g Sir E d w a r d G r e y s von der Berliner Reichskanzlei hartnäckig hintertrieben worden sei", geben die deutschen und auch die bayerischen Akten die schlagendste Antwort1). Was Lerchenfeld in seinem Bericht vom 28. Juli über die Berliner A b l e h n u n g des britischen Konferenzvorschlages vom 26. Juli sagt, schafft doch nicht die Tatsache der gleichzeitigen und späteren deutsch-englischen V e r m i t t l u n g s t ä t i g k e i t aus der Welt2). Klar ist die Sachlage: Wien versteifte sich in lokaler Befangenheit noch immer auf eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Serbien und bildete sich ein, mit der Kriegserklärung vom 28. Juli auch jetzt noch einem Eingreifen der Mächte zuvorkommen zu können3). Berlin dagegen erkannte seit dem Bekanntwerden der serbischen Antwort, daß die Zeit der Lokalisierungspolitik um war und arbeitete in der richtigen Einsicht, daß es sich nun um einen europäischen Konflikt handle, in Verbindung mit London energisch auf eine friedliche Lösung d u r c h Verständigung der Mächte hin. Von diesem Gegensatz findet sich in der französischen Abhandlung auch nicht die Spur! Dafür eine willkürliche Kombination zeitlich und sachlich unrichtig in Verbindung gebrachter Tatsachen und irriger Vorstellungen! Es geht nicht an, die Halsstarrigkeit und Schwerhörigkeit Wiens, wovon auch in Tuchers Berichten zu lesen ist4), auf das Schuldkonto Berlins zu setzen. Falsch ist auch die Beschuldigung, die deutsche Reichsregierung habe durch Drohungen in Petersburg oder gar durch die Erklärung des „drohenden Kriegszustandes" Rußland zur Vollendung seiner Mobilmachung genötigt und durch die ultimative Forderung vom 31. Juli den Kriegsausbruch ohne Not vorsätzlich herbeigeführt. Von alledem steht nichts in den Münchener Dokumenten, so wenig wie in den andern deutschen. Wohl aber belehren sie uns, daß Bethmann Hollweg und der Kaiser in Petersburg l ) Seite 154, V I Nr. 41. Vgl. oben Seite X L f. — — ») Vgl. Bericht Tuchers vom 27. Juli, Seite 150. V I Nr. 36. — 4) Bericht vom 31. Juli, Seite 176. V I Nr. 72. Antwort Franz Josefs auf die Mahnung des Deutschen Kaisers, die deutsch-englische Vermittlung anzunehmen.
LXXVIII freundschaftlich davor warnten, die Rüstungen fortzusetzen und Deutschland zu Gegenmaßnahmen und zum Kriege zu zwingen! Daß Sasonow auch noch in seiner Formel vom 30. Juli Forderungen an Österreich-Ungarn stellte, die man selbst in London und Paris als aussichtslos ansah I Daß Rußland seine militärischen Vorbereitungen beschleunigt fortführte und zur Vollmobilmachung schritt, im geheimen Einverständnis mit den Pariser Machthabern und im Vertrauen auf die eben jetzt deutlicher hervortretende Bereitschaft Großbritanniens, an der Seite des Zweibundes mit in den Kampf zu gehen! Gegenüber der Wucht dieser Tatsachen verlor die schließlich viel zu spät gegebene Anregimg des Zaren, den austro-serbischen Streitfall durch das Haager Schiedsgericht zu schlichten, jede praktische Bedeutung1). Die russische Mobilmachung gilt auch dem Temps wieder als eine harmlose Sache. Hat doch Sasonow, wie der bayerische Gesandte Frhr. v o n Grunelius unterm 27. und 28. schreibt, den Botschaftern der Mittelmächte mehr wie einmal versichert, daß Rußland nicht an Krieg denke, sondern auf ein Abkommen mit Wien abziele2). Außerdem heißt es doch im Schreiben des bayerischen Gesandten vom 30. Juli ausdrücklich „die russische Armee könne monatelang mobil bleiben, ohne daß daraus kriegerische Maßnahmen entstünden". Ansicht des bayerischen Vertreters, wie der Temps vortäuscht ? Nein! Sondern eine der Versicherungen Sasonows! Sie steht in einer Linie mit der ehrenwörtlichen aber unwahren Beteuerung des Generalstabschefs J a n u s c h k e w i t s c h , daß gegen Deutschland keine Rüstung geplant sei (29. Juli). Diplomatische Manöver, um den Gegner und die Welt über den Ernst der in vollem Gange befindlichen russischen Kriegsrüstung zu täuschen. Die Ansicht, daß sie den Krieg bedeutete, war nicht nur eine unbegründete „verhängnisvolle Theorie" des deutschen Generalstabs, wie der Temps behauptet. Das russische Gesamtaufgebot war vielmehr eine eherne Tatsache der „blutüberströmten Geschichte des Weltkrieges". In Petersburg wußte man so gut wie in Paris, daß ihm zwangsläufig die deutsche Mobilmachung und der Kriegsausbruch auf dem Fuße folgen mußte. Dieser Ablauf des „Mechanismus der 1
) Deutsche Dokumente Nr. 437,482. — Österr. Rotbuch 1919. III Nr. 49. ) Seite 146; V I Nr. 32. — Seite 1 5 1 ; V I Nr. 37.
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LXXIX Entente" war in den militärischen Abmachungen des Zweibundes seit langem programmäßig vorgesehen1). Was sagt General Dobrorolski, der ehemalige Chef der Mobilmachungsabteilung des Petersburger Generalstabs, von der am 30. Juli abends ausgegebenen Mobilmachungsordre ? „Das war der Anfangsmoment der großen Epoche. Eine Abänderung war nicht möglich. Der Prolog des großen Dramas hatte begonnen2) Und weiter: „Ist dieser Zeitpunkt (der Mobilmachung) einmal festgesetzt, so ist alles erledigt, es gibt kein Zurück mehr: er bestimmt mechanisch den Beginn des Krieges im voraus.8) Will man diesen berufenen Zeugen gelten lassen oder nicht? 7Aus einer bedeutsamen Unterredung des Grafen L e r c h e n f e l d mit dem Reichskanzler B e t h m a n n H o l l w e g über die Weltlage, noch v o r der Untat von Serajewo (4. Juni 1914) entnimmt das Boulevardblatt eine Äußerung des Kanzlers, um damit die f r a n z ö s i s c h e F r i e d e n s l i e b e in helles Licht zu rücken. Bethmann meinte, von Frankreich drohe kaum eine Gefahr. „Man werde die dreijährige Dienstzeit durchführen, aber den Krieg wolle man in Frankreich nicht." Der Temps hätte nicht bei diesem einen Satze stehenbleiben sollen. Der nächste lautet nämlich: „Rußland sei gefährlicher. Dort könne der Slawentaumel die Köpfe so verdrehen, daß Rußland eines Tages Dummheiten mache." Warum vermerkt das Blatt nicht auch den an den Kanzler gerichteten mahnenden H i n w e i s L e r c h e n f e l d s , daß von dem „ R ü s t u n g s f i e b e r in R u ß l a n d und F r a n k r e i c h " das Schlimmste zu b e f ü r c h t e n sei? Warum nicht das treffende Wort des Grafen, daß England, wenn es wirklich den Weltfrieden erhalten wollte, nicht mit dem Zweibund, sondern mit den Mittelmächten gehen müßte ? Das Partikelchen, das der Temps aus diesem bayerischen Gesandtschaftsbericht herausfischte, nimmt sich wesentlich anders aus, wenn man es im Zusammenhang des ganzen Schriftstückes betrachtet. Es kann nicht als unbedingtes Zeugnis für die Friedensliebe Frankreichs gewertet werden. Mochten große Teile des Französisches Gelbbuch über die französisch-russische Allianz, S. 88, 107, 125, 150. — a) Dobrorolski, S. 29. — ') Dobrorolski, S. 10.
LXXX französischen Volkes einem Kriege abhold sein, die Leiter der französischen Politik gingen andere Wege. Iswolskys Berichte haben uns zur Genüge belehrt, wie die Poincaré und Genossen seit den Balkankriegen auf die Abrechnung mit den Mittelmächten hindrängten. Man lese auch nach, was die belgischen Gesandten im letzten Jahrzehnt vor dem Kriege als neutrale Beobachter immer wieder über das Anwachsen des Chauvinismus in Frankreich und die friedensgefährlichen Tendenzen der Einkreisungspolitik schreiben Auf das E r i n n e r u n g s b u c h des Deutschen B o t s c h a f ters von Schoen beruft sich das Pariser Blatt. Dieser schildert aber doch ausführlich, daß keine französische Regierung je die Absicht aufgegeben hat, Elsaß-Lothringen, und sei es mit Waffengewalt, wiederzugewinnen! Schildert auch, daß der Vergeltungsgedanke in Frankreich nie lebendiger war als in den letzten Jahren vor Kriegsausbruch und mit ungebändigter Kraft einer Entladung entgegendrängte ! Heute wissen wir auch, daß der „Slawentaumel" im Februar 1914 in Petersburg geheime Pläne hervorgetrieben hat, die sich auf die Eroberung der türkischen Meerengen bezogen und nur in einem europäischen Kriege zu verwirklichen waren. Graf Lerchenfeld bemerkt in diesem Berichte, der Leiter der deutschen Politik sei in der Beurteilung anderer Mächte oft von einer unberechtigten Vertrauensseligkeit erfüllt gewesen. Das traf nicht nur auf die Zeit vor der europäischen Krise zu und nicht nur auf Bethmann Hollweg. Selbst im Deutschen Generalstab finden wir bis zuletzt noch merkwürdig unzulängliche und irrtümliche Vorstellungen von der kriegerischen Entschlossenheit und Bereitschaft Frankreichs. Die Unterredung des bayerischen Diplomaten mit dem Reichskanzler vom 4. Juni 1914, kurz vor dem Mord von Serajewo, ist in der Tat ein bedeutsames historisches Zeugnis. Es verdiente, auch in den Ländern der Entente im Wortlaut verbreitet zu werden. E i n e Stelle müßte besonders hervorgehoben werden! Das Gespräch der beiden Staatsmänner kam auch auf die Frage eines von vielen Militärs geforderten P r ä v e n t i v k r i e g e s . Man war sich einig, daß die Situation des Jahres 1905 für Deutschland günstige Aussichten geboten hätte. Allein : Deutschland hat keinen Präventivkrieg geführt und wird keinen führen.
LXXXI VI
Epilog. Beiwort
zur d r i t t e n A u f l a g e .
(Mai 1925.)
1. Seitdem die obigen Kapitel geschrieben wurden, hat die Erforschung der Ursachen des Weltkrieges und seines Ausbruches wieder große Fortschritte gemacht. kriegsgeschichte
Heute heben sich die Linien der Vor-
und des verhängnisvollen Herganges der Krise
von 1914 deutlich heraus.
Sie sind jedem sichtbar, der Augen
hat zu sehen und den guten Willen, das Richtige zu erkennen. E s ist nichts wahrzunehmen, wodurch das in der vorstehenden Abhandlung gezeichnete Bild wesentlich verändert werden könnte. Insbesondere darf mit Genugtuung ausgesprochen werden: Die L e g e n d e v o n E i s n e r s „ S c h u l d b e w e i s e n " , die in der Anklagebegründung von Versailles, in der offiziellen
Berichterstattung
von Kammer und Senat zu Paris und in der deutschgegnerischen Propaganda-Literatur eine so bedeutende Rolle spielte, ist durch die Feststellungen, Ergebnisse und Auswirkungen der „Bayerischen Dokumente-' e n d g i l t i g z e r s t ö r t . Die ernsthafte Forschung auch des Auslandes hat sie in der Hauptsache fallen lassen. amtliche
Berichterstattung
des
französischen
Selbst die
Parlaments
und
Senats über die Schuldfrage wagte es, soweit sich ersehen läßt, nicht mehr, die mißbräuchüche und fehlerhafte Verwertung jener verstümmelten bayerischen Aktenstücke zu wiederholen, die sie 1919 unbedenklich und ausgiebig angewandt hat. 1 ) Gegen die trotz allem immer wieder auftauchenden Versuche, jene Enthüllung des revolutionären bayerischen Ministerpräsidenten mit neuen Mitteln zu stützen, hält das vorliegende Urkundenbuch als
Schutzwehr
unerschüttert Stand.
Darüber hinaus
trug es
seinen Teil bei zur Aufhellung der geschichtlichen Zusammenhänge und der Verantwortlichkeiten, die mit dem ungeheuren
Drama
des großen Krieges und des darauf gefolgten Gewaltfriedens verknüpft sind. Die mustergültigen Veröffentlichungen aus deutschen, österreichischen und russischen Archiven haben den Grundstoff abgegeben auch für eine Reihe höchst beachtenswerter UntersuchunVgl. s. LXI.
vi
LXXXII gen namhafter Forscher in den Ententeländern und Amerika, die als gewissenhafte Wahrheitssucher sich bemühten, den wirklichen historischen Tatbestand festzustellen1). Ihre Arbeiten, mögen sie sich sonst zu Deutschland stellen, wie sie wollen, liefern jedenfalls in ausreichendem Maße den Beweis, daß die Versailler Anklage unhaltbar, falsch ist. J e mehr die Erschließung der Akten vorschreitet, desto mehr finden wir bestätigt, daß der Verlauf der Julikrise von 1914 nur die letzte Auswirkung der europäischen Zustände und Gegensätze gewesen ist, wie sie sich vornehmlich im letzten Jahrzehnt vor Kriegsausbruch gestaltet hatten. Was schon durch die Berichte der belgischen Gesandten, dieser nicht unmittelbar in die weltpolitischen Handlungen verwickelten kühlen Beobachter, offenbart worden war, ist durch die späteren Aktenpublikationen, neuerdings wieder durch die Enthüllung von Iswolskys diplomatischem Schriftwechsel, bekräftigt worden: Frankreichs stetig wachsender Wille, mit der Zurückeroberung Elsaß-Lothringens die Wiederherstellung seines Vormachtranges in Europa zu verbinden; Rußlands Plan, mit der sehnlich gewünschten Auflösung der Donaumonarchie eine endgültige panslawistische Vorherrschaft im Osten Europas und auf dem Balkan zu erringen und Konstantinopel mit den Meerengen seiner Botmäßigkeit zu unterwerfen; Englands Besorgnis vor der deutschen Seegeltung und die Bereitschaft weiter und einflußreicher britischer Kreise, eine geeignete Gelegenheit zu ergreifen, um das Deutsche Reich in seiner weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Entfaltung zu hemmen, ja es unter Umständen, wenn es anders nicht gehen sollte, mit Gewalt niederzuwerfen.2) x ) So n. a. die Engländer M o r e l , D a w s o n , G o o c h ; die Amerikaner F a y und B a r n e s ; die Franzosen P e v e t , M o r h a r d t , F a b r e - L u c e , E b r a y ; die Italiener N i t t i , B a r b a g a l l o .
*) B e l g i s c h e G e s a n d t e n b e r i c h t e 1905—1914, vom Herausgeber des vorliegenden Buches 1915 im Brüsseler Außenministerium entdeckt, vom Berliner Auswärtigen Amt in einer Auswahl von 119 Stacken veröffentlicht (Deutsche Ausgabe mit Einleitungen in einem Sonderband der „Kriegschronik" des Verlags C. H. Beck, München 1916. — Ergänzt, vermehrt und in ihrer Beweiskraft verstärkt durch das von Oberst Schwertfeger herausgegebene belgische Aktenwerk. Neuausgabe der deutschen Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte.) S t i e v e , Der diplomatische Schriftwechsel Iswolskys 1911—19x4.— Iswolsky im Weltkrieg 1914—1917.
LXXXIII Wo gab es weltpolitische Ziele Deutschlands von gleichartiger Tragweite und Bestimmtheit, wie die Gegner, vornehmlich die Zweibundgenossen, sie hatten? Ziele also, die nicht anders, als durch kriegerische Entscheidung verwirklicht werden konnten ? Die belgischen Beobachter stimmten schon seit 1905, seitdem sich der Dreiverband zu festigen begann, darin überein, daß die europäische Kriegsgefahr weit mehr aus den Zuständen und Absichten, wie sie auf seiten der Entente bestanden, hervorzubrechen drohte, als aus den Schwankungen, Fehlern oder auch den tatsächlichen Ansprüchen der deutschen Außenpolitik, oder etwa aus überspannten Agitationen mancher alldeutscher Kreise, die auf die Regierung und öffentliche Meinung Deutschlands keinen bestimmenden Einfluß ausübten. Sicherlich haben gewisse Tendenzen, Handlungen, Unterlassungen und Irrungen der amtlichen Reichspolitik und Unbesonnenheiten unverantwortlicher deutscher Gruppen und Personen dazu beigetragen, die Spannungszustände in Europa zu vermehren oder zu verstärken. Das alles war aber keineswegs von der Art, daß dadurch andere Staaten genötigt gewesen wären, ein bewaffnetes Vorgehen gegen die Mittelmächte ins Auge zu fassen und vorzubereiten. Die belgischen Diplomaten waren sich darüber klar, daß Deutschland, durch die Lebensinteressen seines Volkes auf eine friedliche Entwicklung angewiesen, nicht anders konnte, als für die Erhaltung des status quo in Europa einzutreten, indes der Zweibund Ziele vor Augen hatte, die ohne das Mittel des Krieges überhaupt nicht erreicht werden konnten. Noch in den letzten Vorkriegsjähren erschienen auch dem durchaus ententefreundlichen Berliner Gesandten Belgiens, Baron Beyens, der französische Chauvinismus und das anmaßende Auftreten den panslawistischen Treiber in Petersburg und Belgrad friedensgefährlicher als der sogenannte Schwertgeist der deutschen Militärpartei. Und noch Ende 1913 sagte sogar Sasonow zu dem Tschechenführer Klofatsch, der ihn heimlich in Petersburg besuchte, Deutschland wolle gewiß keinen Krieg, da es durch seine Erfolge von 1870/71 saturiert sei.1) Gibt es eine deutsche „Schuld" in der Vorkriegsgeschichte, J)
Stíeve a. a. O.
VI*
LXXXIV so mag sie in Fehlgängen und Irrtümern der auswärtigen Politik liegen, keinesfalls aber in einem ungezügelten Kriegs- und Welteroberungswillen des Reiches und seiner Machthaber, wie es der Versailler Schuldspruch der Welt vortäuscht. Durch die Untat von Serajewo und ihre Folgen war der europäische Spannungszustand, der sich größerenteils aus den erwähnten Machtströmungen des Dreiverbandes ergab, bis zu einem schließlich unerträglichen Grad gesteigert worden. Aber nichts berechtigt die Entente einen vorgefaßten deutschen Kriegswillen als die entscheidende und letzte Ursache der schließlichen Entladung hinzustellen. Wohl aber häufen sich die Zeugnisse in erdrückendem Maße dafür, daß Rußland und Frankreich geflissentlich die Zwangslage und die diplomatischen Fehler der Mittelmächte während der Krise 1914 benützten, um diese Entladung herbeizuführen, weil sie den Konflikt zwischen Serbien und der Donaumonarchie als günstigen Anlaß zur Verwirklichung ihrer Pläne ansahen. Bei den leitenden Männern in Petersburg und Paris war auch in diesen kritischen Wochen die Bereitschaft und der Wille zu einer allgemeinen Waffenentscheidung ganz anders wirksam als in Berlin, als auch beim deutschen Generalstab, den man der Brandstiftung bezichtigen wollte, weil er in den letzten Tagen, als die Gegner ihre militärischen Vorbereitungen bereits unzweideutig auf Kampf eingestellt hatten, aus berechtigter Sorge vor einer Überrumpelung Deutschlands die Reichsleitung zu rascherem Handeln antrieb, ohne damit durchzudringen. 2. Der Bericht des bayerischen Militärbevollmächtigten in Berlin vom 29. Juli 1914 ist im Zusammenhalt mit den Erinnerungen Conrads v. Hötzendorf (4. Band) als Beweis ausgegeben worden für die Behauptung, daß der Weltbrand letzten Endes von der deutschen Militärkaste vorsätzlich und planmäßig entzündet worden sei1). Würdigt man dieses bayerische Dokument unvoreingenommen seinem ganzen Inhalt nach und nicht etwa unter einseitiger Herausnahme einzelner Stellen, rückt man es außerdem, wie es sich geziemt, in den Zusammenhang des geschichtlichen Ablaufes, so kommt man zu einem anderen Ergebnis. ») Vgl. Nachtrage S. 217 ff.
LXXXV Wir wissen heute mit Bestimmtheit, daß die Rüstungen der Mittelmächte in Friedenszeiten und noch bei Kriegsausbruch beträchtlich hinter denjenigen der Ententeländer zurückstanden, besonders was die zahlenmäßigen Heeresstärken und die verhältnismäßige Ausnutzung der Volkskraft für den Militärdienst anlangt 1 ). Aber auch in den unmittelbaren Vorbereitungen während den letzten kritischen Wochen vor Beginn des Kampfes behielt die Entente einen von Tag zu Tag wachsenden Vorsprung 2 ), In der Zeit vom 5. Juli bis zum 23. Juli 1 9 1 4 sind von den Mittelmächten überhaupt keine vorbereitenden Kriegsmaßnahmen getroffen worden. Im Gegenteil, das Verhalten maßgebender deutscher Kommandostellen in einzelnen Angelegenheiten läßt erkennen, daß in diesem Zeitabschnitt auch die Berliner militärische Leitung den Frieden noch nicht ernstlich für gefährdet hielt und nicht an die nahe Notwendigkeit einer Verteidigung gegen zwei Fronten, geschweige denn an einen Angriffskrieg dachte 8 ). Die seit dem österreichischen Ultimatum vom 23. Juli dann langsam und spärlich eingeleiteten Vorbereitungen Deutschlands hielten nicht gleichen Schritt mit denjenigen des Zweibundes. Noch am 28. Juli, am Tage der österreichischen Kriegserklärung an Serbien, in einem Zeitpunkte, da man in Berlin bereits mit ziemlicher Sicherheit erkannte, daß Rußland gegen Österreich mobilisierte, und als in Rußland tatsächlich die „Kriegsvorbereitungsperiode" schon zwei volle Tage bestand, als auch Frankreich mit einzelnen Vorbereitungsmaßnahmen schon begonnen hatte, hielt der deutsche Generalstab, abgesehen von einigen Anordnungen für die zivile Bewachung und die Rückbeorderung einzelner Truppenteile in ihre Standorte, noch immer zurück. A m 29. Juli, als in Frankreich bereits ein allgemeines Urlaubsverbot ergangen war, sind in Preußen noch nicht einmal die Ernteurlauber zurückberufen4). Aber nun langen über die russi*} Über die Rüstungen der Großmächte bis 1 9 1 4 : Parlamentarischer Untersuchungsausschuß des Deutschen Reichstages, Heft 1 und 2. — B t t l o w , Krisis S. 228. — M o n t g e l a s , Leitfaden zur Kriegsschuldfrage S. 81 ff. a ) Ebenda. — General Dobrorolski, Mobilmachung der russischen Armee 1 9 1 4 . — Buat, L'armee allemande 1 9 1 4 — 1 9 1 8 . — In „Deutsche Dokumente" zahlreiche Hinweise auf die Kriegsvorbereitungen Rußlands und Frankreichs. — Vgl. auch „Bayerische Dokumente" S. 156 f.; V I Nr. 43, 44, 49, 5 1 , 55, 57, 58, 62, 64, 67, 68, 71. s ) Vgl. M o n t g e l a s , Leitfaden S . 99. *) Vgl. Wenningers Meldung, Nr. x, S. 220.
LXXXVI sehen Rüstungen beim Berliner Generalstab höchst bedenkliche Nachrichten ein. Verständlich, denn an diesem Tage hatte der Zar die allgemeine Mobilmachung gegen die Mittelmächte bereits angeordnet und sie erst im letzten Augenblick, infolge eines versöhnlichen Telegramms Kaiser Wilhelms, auf die Mobilisation gegen Österreich beschränkt. Es wurden im Zarenreich nicht weniger als 55 Divisionen auf Kriegsfuß gesetzt, für das schon im Kriegszustand mit Serbien befindliche Donaureich eine furchtbare Übermacht. Und die Franzosen hatten bereits „die ersten sieben Maßnahmen in Zeiten politischer Spannung" verfügt. Selbst in Großbritannien war durch „Warnungstelegramm" für Heer und Flotte die Kriegsvorbereitungsperiode eröffnet. Nun gewinnt der deutsche Generalstab die begründete Überzeugung, daß man in Petersburg den Krieg wolle, und daß Frankreich gemäß seinen Bundespflichten selbstverständlich mit eingreifen werde. Grund genug für die deutsche Heeresleitung, welche Sicherheit und Bestand des Vaterlandes schwer bedroht sieht, auf eine rasche Klärung und Entscheidung der unerträglich gespannten, überaus gefahrvollen Lage zu dringen, und die eigene militärische Bereitschaft schleunigst in einen den Gegnern gleichwertigen Stand zu setzen. Da erhebt sich nun in Berlin der Gegensatz zwischen der militärischen und der politischen L e i t u n g , wovon Wenninger spricht. Jene fordert Maßnahmen, die dem Zustand drohender Kriegsgefahr entsprechen, was noch nicht gleichbedeutend mit Mobilmachung wäre. Der Generalstabschef v. Moltke will, daß die von ihm als selten günstig angesehene Lage zum raschen Losschlagen ausgenutzt werde. Wie Lerchenfeld berichtete, vertrat Moltke, ausgehend von der für ihn seit Längerem feststehenden, aus bestimmten Meldungen und Anzeichen erlangten Gewißheit, daß der Zweibund einen Angriffskrieg gegen die Mittelmächte für die nächsten Jahre plante und vorbereitete, die Auffassung, daß Frankreich und Rußland militärisch noch nicht fertig seien, und daß es daher für Deutschland nur gut sein könne, wenn der ohnehin in sicherer Aussicht stehende Kampf jetzt gleich losbreche1). Es trat ja auch der Wille der Gegner, den Waffengang jetzt schon zu eröffnen, l ) Lerchenfelds Berichte vom 3 1 . Juli 1914, S. 176 und vom 5. August 1914. Seite 187,
LXXXVII täglich und stündlich deutlicher in Erscheinung und zwang der deutschen Heeresleitung sozusagen das Gesetz des Handelns auf. Allein die Absicht des Generalstabes, die durch die Haltung der Gegner gebotene Entscheidung der Lage nun rasch herbeizuführen, scheitert am Widerstand der politischen Reichsleitung. Diese glaubt noch an die Möglichkeit, den Frieden durch eine gemeinsame englisch-deutsche diplomatische Vermittlungsaktion erhalten zu können. Sie bemüht sich angelegentlichst um den Ausgleich zwischen Wien und Petersburg. Gegenüber den drängenden militärischen Stellen, so meldet Wenninger, „bremst der Reichskanzler mit allen Kräften". Mit Erfolg! Alles wird vermieden, was in Frankreich oder England Gegenmaßnahmen auslösen könnte. Noch am Abend des 29. Juli wird in einer Potsdamer B e r a t u n g der militärischen und politischen L e i t u n g die A n o r d n u n g des drohenden K r i e g s z u s t a n d e s abgelehnt, obwohl sie kaum noch als ausreichendes Äquivalent gegen die russischen Rüstungen gelten konnte. Am nächsten Tage (30. Juli) überholt denn auch die nunmehr endgültig verfügte russische G e s a m t m o b i l m a c h u n g die Mittelmächte in überraschender und gefahrvoller Weise. Aber Reichskanzler und Auswärtiges Amt in Berlin halten auch jetzt noch militärische Maßnahmen größeren Stils hintan und dringen in Wien mit äußerster Energie auf Annahme des englisch-deutschen Vermittlungsvorschlages. Lediglich daß die Marine „Sicherung" anordnen darf! In Paris dagegen billigt man stillschweigend das russische Vorgehen und läßt die „ordre de depart en couverture" ergehen, infolge deren der gesamte französische Grenzschutz ausrückt. Wer will es tadeln, daß die verantwortlichen Stellen des deutschen Heerwesens in höchster Besorgnis um die Sicherheit des Vaterlandes bestrebt waren, den von den Feinden — anders als von solchen konnte kaum noch gesprochen werden — gewonnenen Vorsprung wenn möglich wieder einzuholen ? Das war um so mehr gerechtfertigt, als der Generalstab noch in der Nacht vom 30. zum 31. Juli Gewißheit darüber erlangte, daß im Zarenreich das Gesamtaufgebot zu Lande und zu Wasser im Gange war. (30. Juli abends 6 Uhr befohlen.)
LXXXVIII Nun war nicht allein Österreich, sondern auch Deutschland unmittelbar mit Krieg bedroht. Gleichwohl begnügte sich Deutschland, statt die vom militärischen Gesichtspunkte aus gebotene sofortige Mobilmachung zu verfügen, mit der Erklärung des „Zustandes drohender Kriegsgefahr" (31. Juli). Bis zum 1 . August nachmittags schob man die Mobilmachung hinaus, um den am 31. Juli noch in letzter Stunde in Petersburg und Paris unternommenen ultimativen diplomatischen Schritten die Möglichkeit eines günstigen Ergebnisses zu lassen und den Zusammenstoß doch noch zu vermeiden. 3Wenn der deutsche Generalstabschef am Abend und in der Nacht vom 30. zum 31. Juli die Wiener Heeresleitung aufford erte, nun schleunig den unerläßlichen Gegenzug gegen die übermächtige russische Bedrohung zu tun, so erfüllte er damit nur eine selbstverständliche Pflicht 1 ). Jeder weitere Aufschub der österreichisch-ungarischen Gesamtmobilmachung mußte verhängnisvoll werden. Die Truppentransporte der k. k. Armee rollten bereits nach Süden; fast die Hälfte derselben sollte gegen Serbien vorgehen. Schon war die Lage die, daß der Aufmarsch in Galizien gegen Rußland nur zum Teil noch rechtzeitig erfolgen konnte. Hat Moltke in seiner Unterredung mit dem k. k. Militärattache in Berlin, wie in dessen Depesche an Conrad steht, (31. Juli morgens angelangt), wirklich auch den Rat gegeben, daß Wien den englischen Vermittlungsvorschlag ablehnen solle, so hat er damit unter zweifelloser Überschreitung seiner Befugnisse sich in Widerspruch gesetzt zu den Bemühungen der Reichsregierung und Kaiser Wilhelms, die auf Wien einen scharfen Druck im Sinne der Annahme des englisch-deutschen Vorschlags „Halt in Belgrad" ausübten. Da aber in Moltkes eigener Mitteilung an Conrad (31. Juli 7,45 morgens in Wien eingetroffen) von einer solchen Abweisung der diplomatischen Vermittlungsschritte mit keinem Worte die Rede ist, so erscheint der Zweifel berechtigt, ob der k. k. Militärattache die Äußerungen des deutschen Armee-Chefs in allem zutreffend Moltkes Depeschenwechsel mit Feldmarschall Conrad. 4. Band der Erinnerungen Conrads S. 152. — Hier auch die Depesche des k. k. Militärattaches in Berlin.
LXXXIX wiedergegeben hat. Gemeint konnte doch, nur sein, daß Österreich sich durch die diplomatischen Verhandlungen nicht mehr abhalten lassen könne und dürfe, die militärischen Notwendigkeiten gegen Rußland zu erfüllen, wenn anders es sich nicht einer folgenschweren Versäumnis schuldig machen wollte. Im übrigen hatte man in Wien sich schon am Nachmittag des 30. Juli dazu entschlossen, die Mobilmachung gegen Rußland für den 1. August anzuordnen, vorausgesetzt, daß Deutschland an der Seite der Donaumonarchie stehen werde, also noch bevor man die Aufforderung Moltkes erhalten hatte. Durch diese ist der letzte Anstoß zur Ausführung des Entschlusses gegeben worden, die am Mittag des 31. Juli erfolgte, gute 36 Stunden später, als in Petersburg das Aufgebot gegen die Donaumonarchie ergangen und in Wien bekannt geworden war. Auch wenn es Moltkes Absicht war, die seiner Meinung nach unvermeidlich bevorstehende Entscheidung zu beschleunigen, und wenn die Wiener leitenden Kreise seine Mitteilungen für ihre Zwecke auszunützen versuchten, so ist die Behauptung, durch dieses Zwischenspiel sei der Weltkrieg entfesselt worden, doch zweifellos unrichtig. Der Lauf der Dinge und die diplomatischen Vorgänge sind dadurch nicht entschieden worden. Die Tatsache bleibt, daß die deutsche Reichsleitung ihren Friedenswillen bis zum letzten Augenblick tätig bewiesen hat. Die eigene Mobilmachung stellt sie auch am 3 1 . Juli noch zurück; von der Wiener Regierung fordert sie kategorisch die Annahme des deutsch-englischen Vermittlungsvorschlages; den Machthabern an der Newa gibt sie, ebenfalls noch am 31. Juli, eine letzte Gelegenheit zum Einlenken durch die befristete Aufforderung, die Rüstungen einzustellen. Erst als darauf keine Antwort erfolgt, ergeht am 1. August nachmittags der Mobilmachungsbefehl, dem das französische Kriegsaufgebot noch kurz vorhergegangen war, und wird an Rußland der Krieg erklärt. F r a n k r e i c h , noch am 31. Juli befragt, ob es im Falle eines deutsch-russischen Krieges neutral zu bleiben gedenke, bekommt für die Beantwortung eine hinreichend lange Frist. Es antwortet schließlich ausweichend. Für die militärischen Interessen Deutschlands ergibt sich daraus eine überaus bedenkliche Situation. Das Verhalten der Pariser Regierung „roch bedenklich nach
xc Zeitgewinn", wie der b a y e r i s c h e M i l i t ä r b e v o l l m ä c h t i g t e in seinem Berichte vom 2. August sich ausdrückt. In der Tat, wenn die Franzosen den Kampf zwischen Russen und Deutschen erst in Gang kommen ließen und dann plötzlich losschlugen, so konnte daraus das schwerste Unheil für Deutschland erwachsen und der auf eine rasche Offensive im Westen eingestellte deutsche Aufmarsch- und Kampfplan über den Haufen geworfen werden. Daher die erregte Ungeduld der verantwortlichen deutschen Militärstellen, auch mit Frankreich, von dem man bestimmt wußte, daß es seinem Verbündeten auf jeden Fall beispringen würde, ins Reine zu kommen, d. h. ein offenes Bekenntnis seiner zweifellos vorhandenen feindlichen Absichten zu erlangen. Ausgehend von dieser Lage macht W e n n i n g e r in dem Bericht vom 2. August seinen bitteren Gefühlen Luft über das ihm und seinen Standesgenossen unbegreifliche Hinauszögern der letzten Schritte durch die Reichsregierung. Diese habe Mittag 1 Uhr erst nach längerer Beratung dem russischen Botschafter die Pässe zugeschickt, den gleichen Schritt gegenüber der französischen Mission aber nicht für angezeigt gehalten. Und dabei laufen von allen Generalkommandos im Reiche die Anfragen ein, wer nun eigentlich als Feind anzusehen sei! In dieser unerträglichen Ungewißheit empfindet Wenninger die Nachricht von dem Bombenabwurf eines französischen Fliegers bei Nürnberg, die sich hernach als falsch herausstellte, wie eine Erlösung: jetzt hat der Soldat statt des Diplomaten das Wort, nachdem auch Frankreich unzweideutig als Feind dokumentiert ist. Nun dreht sichs noch um E n g l a n d . E s pocht auf die belgische Neutralität, allein der Generalstabschef v. Moltke bleibt dabei, daß der Zweifrontenkampf nur dann mit Aussicht auf Erfolg geführt werden könne, wenn der Ring an der schwächsten Stelle durchbrochen und Frankreich durch einen unaufhaltsamen Vorstoß über belgisches Gebiet so rasch wie möglich niedergeworfen wird. E s war die bekannte Rechnung des deutschen Generalstabes, über die Wenninger berichtet. Im ganzen genommen, bestätigen die Schreiben und Meldungen des bayerischen Generals das rasche Voranschreiten der feindlichen, das Hintanbleiben der deutschen Kriegsmaßnahmen. Seit dem 29. und 30. Juli, als die kriegerischen Absichten des Zweibundes immer deutlicher erkennbar wurden, tritt auch der Wille
XCI des deutschen Generalstabes hervor, möglichst rasch zu einer Klärung und Entscheidung der unhaltbaren Situation zu kommen und den in unmittelbarer Aussicht stehenden Zusammenstoß noch unter möglichst günstigen Umständen erfolgen zu lassen. Nirgends aber findet sich in der B e r i c h t e r s t a t t u n g W e n n i n g e r s ein B e l e g dafür, daß die militärischen Kreise in Berlin die politische Führung an die Wand gedrückt und über deren Kopf hinweg von sich aus den W e l t k r i e g t a t s ä c h l i c h e n t f e s s e l t h ä t t e n , der sonst vermieden worden wäre. Wohl aber offenbart die Berichterstattung die S o r g e u n d d e n U n m u t d i e s e r K r e i s e über die Zähigkeit und Beharrlichkeit, womit die R e i c h s r e g i e r u n g militärische Maßnahmen größeren Stils hintanhielt, die E n t s c h e i d u n g v e r z ö g e r t e u n d s c h l i e ß l i c h ü b e r Gebühr lange hinausschob, in der gutgemeinten, aber nicht mehr durchführbaren Absicht, den Frieden doch noch zu retten. Den Einwand, die russische Mobilmachung hätte den Krieg nicht notwendig mit sich gebracht, wenn ihn Deutschland nicht erklärt hätte, gebrauchen heute, wo gehäufte Zeugnisse für das Gegenteil vorliegen, nur noch einseitige Propagandisten der Entente oder Mitverantwortliche, wie Sir Edward Grey, um die eigene Schuld zu verdecken. Gewissenhafte Forscher auch des Auslandes geben zu, daß Deutschland durch das russische Gesamtaufgebot vom 30. Juli in die Zwangslage geriet, den Kampf aufzunehmen. „Die deutsche Mobilmachung wurde direkt herbeigeführt durch diejenige der Russen. Tatsächlich kam sie überraschend spät", urteilt der amerikanische Historiker F a y . Der Engländer Gooch vertritt die Ansicht, daß Rußland die Verantwortung trifft für den tatsächlichen Ausbruch der Feindseligkeiten: „Der Weltkrieg wurde überstürzt durch das Vorgehen der Russen in dem Augenblick, da zwischen Wien und St. Petersburg Verhandlungen neu aufgenommen waren, da Bethmann Hollweg ausgiebig bemüht war, den Verbündeten zu zügeln und da der Kaiser und der Zar in telegraphischer Verbindung waren 1 )." Professor Harry Elmer B a r n e s ,
einer der angesehensten
*) Angeführt in dem Gutachten von Harry Eimer B a r n e s über die Schuld am Weltkriege. Erschienen im Maiheft der „Current History" der „ N e w York Times". — Deutsche Übersetzung in der Monatsschrift „Die Kriegsschuldfrage" 1924, Heft 10.
XCII Geschichtsforscher Amerikas, sagt in einem ausführlichen Gutachten1) über die Schuldfrage u. a.: „Es ist hier und da behauptet worden, das deutsche Ultimatum an Rußland, seine Mobilmachung einzustellen, sei ein voreiliger und überhasteter Schritt gewesen; Gegenmobilisierung und Fortsetzung der Verhandlungen wäre ein maßvolleres und verständigeres Vorgehen gewesen. Das ist zweifellos richtig vom diplomatischen Standpunkt aus; nach dem aber, was wir jetzt wissen über Rußlands Haltung und den frankorussischen Notenwechsel in der Zeit vom 29. Juli bis 1. August, ist es vollständig klar, daß eine solche Handlungsweise nicht zur Verhütimg des Zusammenstoßes geführt hätte, vom militärischen Standpunkt aus aber ein fataler Fehler gewesen wäre. Rußland war entschlossen zum Krieg, und russische Truppen dürften wohl vor Ablauf der Frist des deutschen Ultimatums schon in Ostpreußen eingedrungen gewesen sein. . . . Sobald Deutschland die sichere Überzeugung hatte, daß Rußland den Krieg wollte, blieb ihm vernünftigerweise nur das eine übrig, sobald als möglich aktiv vorzugehen gegen einen viel mächtigeren aber schwerfälligeren Gegner. Das war der Zeitpunkt, mit dem die Herrschaft über die Lage den Zivilstellen aus der Hand genommen wurde und auf den Generalstab überging." Nicht nur in Petersburg, sondern auch in Paris hatte die Kriegspartei schon ganz die Oberhand, als der deutsche Generale stabschef in Wien zum Fertigmachen antrieb und als ÖsterreichUngarn gegen Rußland mobilisierte. Statt zurückhaltend einzuwirken, ermuntert die französische Regierung in der Nacht vom 29. zum 30. Juli die Machthaber an der Newa, die begonnene Mobilmachung heimlich fortzusetzen und zu beschleunigen, nach außen aber der Welt friedliche Absichten vorzutäuschen. Gleichzeitig erhält der Bundesgenosse die erneute Zusage, daß Frankreich bereit sei, alle Bündnispflichten zu erfüllen, und werden schwerwiegende militärische Maßnahmen eingeleitet. Um Mitternacht des 31. Juli kann der französische Kriegsminister Messimy, eben aus dem Ministerrat kommend, dem russischen Militärattache versichern, daß die französische Regierung zum Kriege fest entschlossen sei. In derselben Nacht wird dem serbischen Geschäftsträger und dem österreichisch-ungarischen !) A . a . O .
xeni Botschafter im Quai d'Orsay bedeutet, daß es zu Vermittlungsschritten zu spät sei. Am Morgen des i . August erlangt Joffre, indem er mit seinem Rücktritt droht, die Zustimmung des Ministerrats zur Mobilmachung, die nachmittag angeordnet wurde, noch bevor Deutschland sein Aufgebot erlassen hatte. — — Wie richtig beurteilte der bayerische Gesandte Graf Lerchenfeld die Lage, als er am 3 1 . Juli nach München schrieb : »Der deutschenglische Vermittlungsvorschlag, der noch eine gewisse Hoffnung auf Erhaltung des Friedens bot, ist durch die Mobilmachung in ganz Rußland erledigt.« In Berücksichtigung der angeführten Tatsachen und der militärischen Maßnahmen Frankreichs haben auch namhafte ausländische Forscher die Mythe von dem erschreckten, widerstrebenden und Überfallenen Frankreich über Bord geworfen. Sie haben sich überzeugt, daß die jahrelange diplomatische Vorarbeit der Poincaré, Delcassé, Iwolsky und Genossen in den entscheidenden Tagen der Krise durchaus die beabsichtigten kriegstreiberischen Wirkungen hervorbrachte, und daß die leitenden Männer in Paris und Petersburg als Antwort auf die russische Mobilmachung die deutsche Gegenmobilmachung und Kriegserklärung erwarteten. Immer durchsichtiger wird auch, daß dem russisch-französischem Zusammenspiel durch das Verhalten Sir Edward Greys, der die überstürzte russische Rüstung tatenlos geschehen ließ, wenn nicht begünstigte, in höchst bedenklicher Weise Vorschub geleistet wurde 1 ). Diese Geschichtsforscher erkennen weiter, daß es in allen Ländern kriegerisch gesinnte militärische Gruppen gab. Sie finden mit Barnes das Urteil über die Einzigartigkeit und besondere Aggressivität des deutschen Militarismus »grotesk übertrieben«. Sie sind sich auch klar geworden, daß die alte Meinung, als ob Demokratie, Militarismus und Krieg unvereinbare Begriffe seien, »als unbegründete Illusion beiseite geschoben werden müsse.« (Barnes). Zu den bekannten Publikationen, die über diese Tatsachen und Zusammenhänge die urkundlichen Belege bieten, sind neue Zeugnisse hinzugekommen in den T a g e b u c h a u f z e i c h n u n g e n des r u s s i s c h e n A u ß e n m i n i s t e r i u m s , herausgegeben von der Sowjetregierung. (Deutsche Inhaltsangaben in der Zeitschrift »Die Kriegsschuldfrage«. 1924, Heft 5).
XCIV Der Franzose Fabre-Luce kennzeichnet in seinem Werke „ L a Victoire" seine Ansicht über die Krise 1914 mit einem Satze von epigrammatischer Schärfe: „Die Handlungen Österreichs und Deutschlands machten den Krieg m ö g l i c h , die der Entente machten ihn u n v e r m e i d l i c h . " Wann endlich werden gewisse deutsche Kreise, die dem Idol eines m i ß v e r s t a n d e n e n Pazifismus nachjagen, sich dazu aufraffen, nicht mehr ungerechter über das eigene Vaterland und Volk zu urteilen, als solche Ausländer? Wann werden gewisse bereitwillige Helfer der Versailler Gewaltmächte ihrer von einem Manne wie Morel gegeißelten Methode fanatischer deutscher Selbstbezichtigung entsagen zugunsten gerechter Abwägung der Verantwortlichkeiten ?
A. Eisners Veroffentlidiung und der Versailler Schuldsprudi
I
Die Veröffentlichung vom 23. November 1918 und ihre urkundlichen Unterlagen Nachstehend folgt linksseitig die amtliche Veröffentlichung des Ministerpräsidenten Kurt Eisner vom 23. November 1918, rechts davon der Wortlaut der diplomatischen Schriftstücke, die der Veröffentlichung zugrunde lagen, nach den in den Akten der bayerischen Gesandtschaft in Berlin und des Ministeriums der Äussern in München befindlichen Urschriften: Amtliche Mitteilung der Korrespondenz Hoffmann') München, 23. November 1918 Der bayerische Ministerpräsident und Minister des Äussern E i s n e r hat vor kurzem 2 ) bei der R e i c h s r e g i e r u n g den Antrag gestellt, die A k t e n ü b e r d e n K r i e g s u r s p r u n g zu veröffentlichen. Diese Anregung war durch die Einsicht veranlasst, dass nur durch die volle Wahrheit jenes Vertrauensverhältnis zwischen den Völkern hergestellt werden könnte, das Voraussetzung für einen Frieden der Völkerversöhnung ist. Der bayerische Ministerpräsident wird seinerseits bemüht sein, aus x
) E r s c h i e n e n in d e n m e i s t e n Z e i t u n g e n a m 25. N o v e m b e r . — D i e M i t teilung stand schon a m T a g e vorher mit kleineren T e x t a b w e i r h u n g e n im B e r l i n e r T a g e b l a t t , in d e r M ü n c h e n - A u g s b u r g e r A b e n d z e i t u n g u n d i n d e r D e p e s c t i e n a u s g a b e d e s VVolfPsehen T e l e g r a p h e n b u r e a u s . 2 ) Vgl. A 2 3 , S e i t e 46.
1*
4 den diplomatischen Urkunden des b a y e r i s c h e n Dienstes aufklärende Beiträge zur Vorgeschichte des Weltkrieges zu veröffentlichen. Vorerst seien aus den B e r l i n e r Gesandtschaftsberichten des Grafen L e r c h e n f e l d einige Einzelheiten mitgeteilt: Veröffentlichung In einem Bericht vom 18. Juli 1914 hat der bayerische Gesandte in Berlin Graf Lerchdnfeld die Beziehungen erörtert, die zwischen der Berliner Regierung und dem verhängnisvollen Ultimatum Österreichs an Serbien bestehen. Es heisst in diesem Bericht:
Der bayerische Geschäftsträgerin Berlin von Schoen, an den Vorsitzenden im Ministerrate Grafen von Hertling 1 ) Bericht 386. B e t r . : Die Aktion Österreichs gegen Serbien. Albanien. Die Haltung Russlands.2)
Berlin, den 18. Juli 1914. Hochgeborener Graf!
„ A u f Grund von Rücksprachen, die ich mit Unterstaatssekretär Zimmermann, ferner mit den Balkan* und Dreibundreferenten im Auswärtigen Amt und mit dem österreichisch - ungarischen Botschaftsrat dahier hatte, beehre ich mich, zu berichten:
„Der Schritt, den das Wiener Kabinett sich entschlossen hat, in Belgrad zu unternehmen und der in der Überreichung einer Note bestehen wird, wird am 25. ds. Mts. erfolgen. Die Hinausschiebung der Aktion bis zu diesem Zeitpunkt hat ihren Grund darin, dass man die Abreise des Herrn Poincaré
A u f Grund von Rücksprachen, die ich mit Unterstaatssekretär Zimmermann, ferner mit dem Balkan- und Dreibundreferenten im Auswärtigen Amt und mit dem österreichisch - ungarischen Botschaftsrat dahier hatte, beehre ich mich, Euerer Exzellenz über die von der österreichisch - ungarischen Regierung beabsichtigteAuseinandersetzung mit Serbien Nachstehendes gehorsamst zu berichten: Der Schritt, den das Wiener Kabinett sich entschlossen hat, in Belgrad zu unternehmen und der in der Überreichung einer Note bestehen wird, wird am 25. ds. Mts. erfolgen. Die Hinausschiebung der Aktion bis zu diesem Zeitpunkt hat ihren Grund darin, dass man die Abreise des Herrn Poincaré
*) Urschrift in den Akten der bayerischen Gesandtschaft in Berlin, a ) Eisner benützte eine von ihm eigens in Berlin bestellte zweite Originalausfertigung; in ihr fehlt der »Betreff«.
5 und Viviani von Petersburg abwarten möchte, um mit den Z w e i b u n d m ä c h t e n eineVers t ä n d i g u n g über eine etwaige Gegenaktion zu erleichtern. Bis dahin gibt man sich in Wien durch die gleichzeitige Beurlaubung des Kriegsministers und des Chefs des Generalstabs den Anschein friedlicher Gesinnung und auch auf die Presse und die Börse ist nicht ohne Erfolg eingewirkt worden. Dass das Wiener Kabinett in dieser Beziehung geschickt vorgeht, wird hier anerkannt, und man bedauert nur, dass Graf T i s z a , der anfangs gegen ein schärferes Vorgehen gewesen sein soll, durch seine Erklärung im ungarischen Abgeordnetenhaus den Schleier etwas gelüftet hat. Wie mir Herr Z i m m e r m a n n sagte, wird die N o t e , soweit bis jetzt feststeht, folgende F o r d e rungen enthalten: 1. Ein Erlass einer Proklamation durch den König von Serbien, in der ausgesprochen werde, dass die serbische Regierung der grossserbischen Bewegung vollkommen fernstehe und sie nicht billige. 2. Die Einleitung einer Untersuchung gegen die Mitschuldigen an der Mordtat von Serajewo und Teilnahme eines österreichischen Beamten an dieser Untersuchung. 3. Einschreiten gegen alle, die an der grossserbischen Bewegung beteiligt waren. Für die Annahme dieser Forderungen soll eine Frist von 48 Stunden gestellt werden. D a s s S e r bien d e r a r t i g e , mit s e i n e r Würde als unabhängiger
und Viviani von Petersburg abwarten möchte, um nicht den Zweibundmächten eine Verständigung über eine etwaige Gegenaktion zu erleichtern. Bis dahin gibt man sich in Wien durch die gleichzeitige Beurlaubung der Kriegsminister und des Chefs des Generalstabs den Anschein friedlicher Gesinnung und auch auf die Presse und die Börse ist nicht ohne Erfolg eingewirkt worden. Dass das Wiener Kabinett in dieser Beziehung geschickt vorgeht, wird hier anerkannt, und man bedauert nur, dass Graf Tisza^ der anfangs gegen ein schärferes Vorgehen gewesen sein soll, durch seine Erklärung im ungarischen Abgeordnetenhaus den Schleier schon etwas gelüftet hat. Wie mir Herr Zimmermann sagte, wird die Note, soweit bis jetzt feststeht, folgende Forderungen enthalten: 1. Den Erlass einer Proklamation durch den König von Serbien, in der ausgesprochen werde, dass die serbische Regierung der grossserbischen Bewegung vollkommen fernstehe und sie missbillige. 2. Die Einleitung einer Untersuchung gegen die Mitschuldigen an der Mordtat von Serajewo und Teilnahme eines österreichischen Beamten an dieser Untersuchung. 3. Einschreiten gegen alle, die an der grossserbischen Bewegung beteiligt seien. Für die Annahme dieser Forderungen soll eine Frist von 48 Stunden gestellt werden. Dass Serbien derartige, mit seiner Würde als unabhängiger Staat unvereinbare
6 Staat unvereinbare Forde r u n g e n n i c h t a n n e h m e n k a n n , l i e g t a u f der H a n d . D i e F o l g e w ä r e a l s o der Krieg. H i e r ist man durchaus damit e i n v e r s t a n d e n , dass Österreich die günstige Stunde nützt, s e l b s t auf d i e G e f a h r w e i t e r e r V e r w i c k e l u n g e n hin. Ob man aber wirklich in Wien sich dazu aufraffen wird, erscheint Herrn v o n J a g o w wie Herrn Z i m m e r m a n n noch immer zweifelhaft. Der Unterstaatssekretär äusserte sich dahin, dass Ö s t e r r e i c h - U n g a r n , dank seiner Entschlusslosigkeit und Zerfahrenheit , jetzt eigentlich der k r a n k e Mann in E u r o p a geworden sei, wie früher die Türkei, auf dessen Aufteilung Russen, Italiener, Rumänen, Serben und Montenegriner warten. Ein starkes und erfolgreiches Einschreiten gegen Serbien würde dazu führen, dass die Österreicher und Ungarn sich wieder als staatliche Macht fühlten, würde das darniederliegende wirtschaftliche Leben wieder aufrichten und die fremden Aspirationen auf Jahre hinaus niederhalten. Bei der Empörung, die heute in der ganzen Monarchie über die Bluttat herrsche, könne man wohl auch d e r . s l a w i s c h en Truppen sicher sein. In einigen Jahren sei dies, bei weiterer Fortwirkung der slawischen Propaganda, wie General Conrad von Hötzendorff selbst zugegeben habe, nicht mehr der Fall. Man ist also hier der Ansicht, dass es für Österreich sich um eine Schicksalstunde handle, und aus diesem Grund hat man hier,
Forderungen nichtannehmen kann, liegt auf der Hand. Die Folge wäre also der Krieg. Hier ist man durchaus damit einverstanden, dass Österreich die günstige Stunde nutzt, selbst auf die Gefahr weiterer Verwickelungen hin. Ob man aber wirklich in Wien sich dazu aufraffen wird, erscheint Herrn von Jagow wie Herrn Zimmermann noch immer zweifelhaft. Der Unterstaatssekretär äusserte sich dahin, das Österreich-Ungarn, dank seiner Entschlusslosigkeit und Zerfahrenheit, jetzt eigentlich der kranke Mann in Europa geworden sei, wie früher die Türkei, auf dessen Aufteilung Russen, Italiener, Rumänen, Serben und Montenegriner warteten. Ein starkes und erfolgreiches Einschreiten gegen Serbien würde dazu fuhren, dass die Österreicher und Ungarn sich wieder als staatliche Macht fühlten, würde das darniederliegende wirtschaftliche Leben wieder aufrichten und die fremden Aspirationen auf Jahre hinaus niederhalten. Bei der Empörung, die heute in der ganzen Monarchie über die Bluttat herrsche, könne man wohl auch der slawischen Truppen sicher sein. In einigen Jahren sei dies, bei weiterer Fortwirkung der slawischen Propaganda, wie General Conrad von Hötzendorf selbst zugegeben habe, nicht mehr der Fall. Man ist also hier der Ansicht, dass es für Österreich sich um eine Schicksalsstunde handle, und aus diesem Grund hat man hier,
7 auf eine Anfrage aus Wien, ohne Zögern erklärt, dass wir mit jedem Vorgehen, zu dem man sich dort entschliesse, e i n v e r s t a n d e n seien, a u c h a u f d i e G e f a h r e i n e s K r i e g e s mit R u s s l a n d hin. Die B l a n k o - V o l l m a c h t , die man dem Kabinettschef des Grafen Berchtold, dem Grafen Hoyos gab, der zur Übergabe eines Allerhöchsten Handschreibens und eines ausführlichen Promemorials hierher gekommen war, ging so weit, dass die österreichisch-ungarische Regierung ermächtigt wurde, mit B u l g a r i e n wegen Aufnahme in den Dreibund zu verhandeln.
auf eine Anfrage aus Wien, ohne Zögern erklärt, dass wir mit jedem Vorgehen, zu dem man sich dort entschliesse, einverstanden seien, auch auf die Gefahr eines Krieges mit Russland hin. Die Blankovollmacht, die man dem Kabinettschef des Grafen Berchtold, dem Grafen Hoyos gab, der zur Übergabe eines Allerhöchsten Handschreibens und eines ausführlichen Promemorias hierhergekommen war, ging so weit, dass die österreichisch-ungarische Regierung ermächtigt wurde, mit Bulgarien wegen Aufnahme in den Dreibund zu verhandeln!
In Wien scheint man ein so unbedingtes Eintreten Deutschlands für die Donaumonarchie nicht erwartet zu haben, und Herr Zimmermann hat den Eindruck, als ob es den immer ängstlichen und entschlusslosen Stellen Wiens fast unangenehm wäre, dass von deutscher Seite nicht zur V o r s i c h t und Z u r ü c k h a l t u n g gemahnt worden sei. Wie sehr man in Wien mit seinen Entschlüssen schwankt, beweise der Umstand, dass Graf Berchtold, 3 Tage nachdem er hier wegen eines Bündnisses mit Bulgarien hatte anfragen lassen, telegraphiert habe, dass er doch noch Bedenken trage, mit Bulgarien abzuschliessen. Man hätte es daher auch hier lieber gesehen, wenn mit der Aktion gegen Serbien nicht so lange gewartet würde und der serbischen Regierung n i c h t d i e Z e i t g e l a s s e n w ü r d e , etwa unter russisch-französischem D r u c k von sich aus eine Genugtuung anzubieten." Es wird dann in diesem Be-
In Wien scheint man ein so unbedingtes Eintreten Deutschlands für die Donaumonarchie nicht erwartet zu haben, und Herr Zimmermann hat den Eindruck, als ob es den immer ängstlichen und entschlusslosen Stellen in Wien fast unangenehm wäre, dass von deutscher Seite nicht zur Vorsicht und Zurückhaltung gemahnt worden sei. Wie sehr man in Wien in seinen Entschlüssen schwankt, beweise der Umstand, dass Graf Berchtold, 3 Tage nachdem er hier wegen eines Bündnisses mit Bulgarien hatte anfragen lassen, telegraphiert habe, dass er doch noch Bedenken trage, mit Bulgarien abzuschliessen. Man hätte es daher auch hier lieber gesehen, wenn mit der Aktion gegen Serbien nicht so lange gewartet und der serbischen Regierung nicht die Zeit gelassen würde, etwa unter russisch-französischem Druck von sich aus eine Genugtuung anzubieten. Wie sich die anderen Mächte zu einem kriegerischen Konflikt
8 richte des Grafen Lerchenfeld an den Grafen H e r 11 i n g weiter über die diplomatische Aktion Deutschlands geplaudert.
Die Reichsleitung werde „mit dem Hinweis darauf, dass der Kaiser auf der Nordlandreise und der Chef des Grossen Generalstabs sowie der preussische Kriegsminister in Urlaub seien, b e h a u p ten, durch die A k t i o n Ö s t e r r e i c h s g e n a u so ü b e r r a s c h t w o r d e n zu sein, wie die a n d e r e n Mächte." Weiterhin werden über das vermutliche V e r h a l t e n d e r M ä c h t e allerlei Betrachtungen angestellt. Es heisst da:
zwischen Österreich und Serbien stellen werden, wird nach hiesiger Auffassung wesentlich davon abhängen, ob Österreich sich mit einer Züchtigung Serbiens begnügen oder auch territoriale Entschädigungen für sich fordern wird. Im ersteren Falle dürfte es gelingen, den Krieg zu lokalisieren, im anderen Falle dagegen wären grössere Verwickelungen wohl unausbleiblich. Im Interesse der Lokalisierung des Kriegs wird die Reichsleitung sofort nach der Übergabe der österreichischen Note in Belgrad eine diplomatische Aktion bei den Grossmächten einleiten. Sie wird mit dem Hinweis darauf, dass der Kaiser auf der Nordlandsreise und der Chef des Grossen Generalstabs sowie der preussische Kriegsminister in Urlaub seien, behaupten, durch die Aktion Österreichs genau so überrascht worden zu sein als wie die anderen Mächte. (Wie ich mir hier einzuschalten gestatte, ist nicht einmal die italienische Regierung ins Vertrauen gezogen worden). Sie wird geltend machen» dass es im gemeinsamen Interesse aller monarchischen Staaten liege, wenn „das Belgrader Anarchistennest" einmal ausgehoben werde, und sie wird darauf hinarbeiten, dass die Mächte sich auf den Standpunkt stellen, dass die Auseinandersetzung zwischen Österreich und Serbien eine Angelegenheit dieser beiden Staaten sei. Von einer Mobilmachung deutscher Truppen soll abgesehen werden, und man will auch durch unsere militärischen Stellen dahin wirken, dass Österreich nicht die gesamte Armee und insbesondere nicht die in Galizien stehenden
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„Herr Zimmermann nimmt an, dass sowohl England und Frankreich, denen ein Krieg zurzeit kaum erwünscht wäre, auf Russland in friedlichem Sinne einwirken werden; ausserdem baut er darauf, dass das „Bluffen" eines der beliebtesten Requisiten der russischen Politik bildet und der Russe zwar gerne mit dem Schwerte droht, es aber im entscheidenden Moment doch nicht gern für andere zieht."
Über E n g l a n d wird gesagt, dass der Krieg zwischen Zweibund
Truppen mobilisiere, um nicht automatisch eine Gegenmobilisierung Russlands auszulösen, die dann auch uns und danach Frankreich zu gleichen Massnahmen zwingen und damit den europäischen Krieg heraufbeschwören würde. Entscheidend für die Frage, ob die Lokalisierung des Krieges gelingen wird, wird in i. Linie die Haltung Russlands sein. Will Russland nicht auf alle Fälle den Krieg gegen Österreich und Deutschland, so kann es in diesem Falle — und das ist das Günstige der gegenwärtigen Situation— sehr wohl untätig bleiben und sich den Serben gegenüber darauf berufen, dass es eine Kampfweise, die mit Bomben werfen und Revolverschüssen arbeite, ebensowenig wie die anderen zivilisierten Staaten billige. Dies insbesondere, solange Österreich nicht die nationale Selbständigkeit Serbiens in Frage stellt Herr Zimmermann nimmt an, dass sowohl England und Frankreich, denen ein Krieg zurzeit kaum erwünscht wäre, auf Russland in friedlichem Sinne einwirken werden; ausserdem baut er darauf, dass das „Bluffen" eines der beliebtesten Requisite der russischen Politik bildet und der Russe zwar gerne mit dem Schwerte droht, es aber im entscheidenden Moment doch nicht gern für andere zieht. E n g l a n d wird Österreich nicht hindern, Serbien zur Rechenschaft zu ziehen; nur eine Zertrümmerung des Landes wird es kaum zulassen, vielmehr — getreu seinen Traditionen — vermutlich auch hier für das Nationalitätenprinzip eintreten. Ein Krieg zwi-
10 und Dreibund England im jetzigen Zeitpunkte schon mit Rücksicht auf die Lage in Irland wenig willkommen sei. Käme es freilich zum Kriege, so sei es die Auffassung m Berlin, die englischen Vettern würden wir auf der Seite unserer Gegner finden, da England befürchte, dass Frankreich im Falle einer Niederlage auf die Stufe einer Macht zweiten Ranges herabsinke, und damit das europäische Gleichgewicht gestört würde.
sehen Zweibund und Dreibund dürfte England im jetzigen Zeitpunkt schon mit Rücksicht aul die Lage in Irland wenig willkommen sein. Kommt es gleichwohl dazu, so würden wir aber nach hiesiger Anschauung dieenglischen Vettern auf der Seite unserer Gegner finden, da England befurchtet, dass Frankreich im Falle einer Niederlage auf die Stufe einer Macht zweiten Ranges herabsinken und damit die „balance of powers" gestört würde, deren Erhaltung England im eigenen Interesse für geboten erachtet. Sehr wenig Freude würde Italien an einer Züchtigung Serbiens durch Österreich empfinden, dem es eine Stärkung seines Einflusses auf dem Balkan keineswegs gönnen würde. Wie mir der Gesandte von Bergen, der Referent für die Dreibundangelegenheit im Auswärtigen Amt, sagte, ist das Verhältnis zwischen Wien und Rom einmal wieder alles weniger als freundschaftlich. In Wien sei man sehr verstimmt gegen den italienischen Gesandten in Albanien, Aliotti, der gegen Österreich stark intrigiert zu haben scheint, und der Botschafter von Merey habe deshalb vor einigen Tagen den Auftrag erhalten, von Italien zu verlangen, dass dieses seine ganze Politik ändere, da sonst ein längeres Einvernehmen nicht möglich sei. Der Auftrag habe so scharf gelautet, dass San Giuliano ganz aufgebracht sei, und in dieser Spannung zwischen Österreich und Italien liege ein die Situation sehr erschwerendes Moment. Die Aufteilung Serbiens oder auch nur die Annexion des die Bucht von Cattaro beherr-
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Nicht uninteressant ist es, dass in diesem Bericht auf eine ganz vertrauliche Mitteilung hingewiesen wird, wonach der deutsche Botschaftsrat Fritz Stollberg in Wien schon vor einigen Tagen bei Österreich die Frage einer Entschädigung Italiens durch Abtretung des südlichen Trentino erörtert habe (also schon damals).
sehenden Berges Lovzen in Montenegro durch Österreich würde Italien nicht, ohne dafür Kompensationen zu erlangen, dulden. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass Italien die Einberufung seiner Reserven, die es mit der innerpolitischen Lage rechtfertigen will, zu dem Zweck vornimmt, um gegebenen Falles zur Besetzung von Valona zu schreiten. Herr Zimmermann ist der Meinung, dass Österreich sich dem nicht widersetzen sollte, da Valona eine neue Achillesferse fiir Italien bilden würde und die Entfernung zwischen Brindisi und Valona zu gross sei, als dass es den Italienern gelingen könnte, die Adria völlig zu sperren. Vielleicht darf auch aus einer Äusserung des österreichisch-ungarischen Botschaftsrats, wonach nach seiner persönlichen Meinung Valona den Italienern gegeben werden könne,geschlossen werden, dass man sich in Wien bereits mit einer Festsetzung der Italiener in SUdalbanien vertraut macht Wie ich ganz vertraulich gehört habe, ist der Botschaftsrat Prinz Stolberg in Wien, der vor einigen Tagen hier war, beauftragt worden, die Frage einer Entschädigung Italiens mit dem Grafen Berchtold zu besprechen und dabei in inoffizieller Form einfliessen zu lassen, dass man Italien wohl dauernd gewinnen würde, wenn Österreich sich im Falle grösserer Gebietserweiterungen zur Abtretung des südlichen Trentino, d. h. desjenigen Teils des Erzbistums Trient, das nie zum alten deutschen Reich gehört hat, an Italien verstehen würde. Dass das Wiener Kabinett diesem Gedanken näher treten
12 werde, wird hier allerdings kaum erwartet, und man hat absichtlich den Botschaftsrat und nicht den gleichfalls in Wien anwesenden Botschafter beauftragt, das Gespräch auf das Trentino zu bringen, um nicht durch eine derartige offizielle Anregung zu verstimmen. Was B u l g a r i e n anlangt, so nimmt die hiesige österreichischungarische Botschaft an, dass König Ferdinand den Ausbruch eines Krieges zwischen Österreich und Serbien benutzen würde, um zur Rückgewinnung des im Bukarester Frieden verlorenen Gebietes gleichfalls gegen Serbien loszuschlagen. Da die Gefahr besteht, dass in diesem Falle R u m ä n i e n , wie im zweiten Balkankrieg, sich gegen Bulgarien wenden würde — an einer dahingehenden Beeinflussung seitens Russlands, das direkt nichts gegen Bulgarien unternehmen wird, dürfte es auch diesmal nicht fehlen — so hat man von hier aus den König Karol, mit dessen Haltung man in letzter Zeit wenig zufrieden war, in nicht misszuverstehender Weise wissen lassen, dass Deutschland sich auf Seiten Bulgariens stellen würde, falls Rumänien nicht Serbien fallen lasse. Nach der Antwort des Königs nimmt man hier an, dass Rumänien Ruhe halten wird, falls ihm eine Entschädigung in Aussicht gestellt wird. Als solche käme das Gebiet um Vidin in Betracht, dessen Bevölkerung in der Hauptsache aus Rumänen besteht. Damit wäre dann wohl Rumänien für den Dreibund, der sich in diesem Falle als nützlicher und stärker als der Zweibund erwiesen hätte, von selbst zurückgewonnen.
13 G r i e c h e n l a n d , das eine Verkleinerung Serbiens nicht ungern sehen würde, wäre in Epirus zu entschädigen und hätte dafür Kawalla an Bulgarien abzutreten. W a s endlich M o n t e n e g r o betrifft, so hofft man hier, dass der intelligente König Nikita es vorteilhaft finden wird, die Serben allein gegen Österreich kämpfen zu lassen. Für die Abtretung des Lovzen, die Österreich gelegentlich einer so weitgehenden Umgestaltung der Balkan-Landkarte wohl für sich beanspruchen würde, könnte Montenegro in Nordalbanien entschädigt werden. Welches dabei das Schicksal des Fürstentums Albanien sein wird, lässt sich heute noch kaum absehen. Fürs erste wird die trostlose Lage fortdauern, die in Paris mit den Worten charakterisiert worden ist : „les caisses sont vides, le trône est Wied, tout est vide" und dem Fürsten den Beinamen „le Prince du Vide" eingetragen hat. Genehmigen etc. Schoen
Veröffentlichung
Femsprech-Meldung der Gesandtschaft in Berlin 1 ) In München aufgenommen 31. Juli 1914; 7 " vorm.
In einem Téléphonât der BerIiner bayerischen Gesandtschaft
Eine Antwort auf die gemeinsame Demarche Englands und Deutschlands ist aus Wien bis nachts 12 Uhr nicht eingelaufen gewesen. Man erwartet sich in den Berliner massgebenden Krei-
*) Niederschrift im Ministerium des Äussern, München.
14 vom 31. Juli 19x4 früh wird die Überzeugung ausgesprochen, „dass die zweifellos redlichen Bemühungen G r e y s , für die Erhaltung des Friedens zu wirken, den Gang der Dinge nicht aufhalten werden".
sen nicht, dass die Demarche einen Erfolg haben wird, ist vielmehr überzeugt, dass die zweifellos redlichen Bemühungen Greys, fiir die Erhaltung des Friedens zu wirken, den Gang der Dinge nicht aufhalten werden. Wir haben gestern abend, wie immer in diesen Tagen, im Bristol gegessen, das gegenwärtig eine Art Diplomatenbörse bildet. Wir fanden die Österreicher noch ernster wie in den letzten Tagen. Sie schwiegen vollständig. Von den Reisen der bundesstaatlichen Minister hierher kann man sich nur wenig versprechen; zudem besteht noch die Gefahr, dass die Herren nicht mehr nach Hause kommen könnten.
Veröffentlichung
Fernsprech-Meldung der Gesandtschaft in Berlin *)
A m gleichen Tage wurde nach München von der bayerischen Gesandtschaft das folgende Stimmungsbild telephoniert: Es laufen zurzeit zwei Ultimatums : Petersburg 12 Stunden, Paris 18 Stunden. Petersburg Anfrage nach Grund der Mobilisierung. Paris Anfrage, ob neutral bleibt. Beide werden s e l b s t v e r s t ä n d lich ablehnend beantwortet werden. Mobilisierung spätestens Samstag, den 1. August um Mitternacht. Preussischer Generalstab sieht Krieg mit Frankreich mit grosser Zuversicht entgegen, rechnet damit, F r a n k r e i c h i n v i e r W o -
In München aufgenommen 31. Juli 1914; 800 nachm. Es laufen zurzeit zwei Ultimata: Petersburg 12 Stunden, Paris 18 Stunden, Petersburg Anfrage nach Grund der Mobilisierung, Paris Anfrage, ob neutral bleibt. Beide werden selbstverständlich ablehnend beantwortet werden. Mobilisierung spätestens Samstag, den 1. August um Mitternacht. Preussischer Generalstab sieht Krieg mit Frankreich mit grosser Zuversicht entgegen, rechnet damit,Frankreichin4 Wochen nieder-
Niederschrift im Ministerium des Äussern, München.
15 c h e n niederwerfen zu können. Im französischen Heer kein guter Geist, wenig Steilfeuergeschiitze und schlechteres Gewehr.
werfen zu können; im französischen Heere kein guter Geist, wenig Steilfeuergeschütze und schlechteres Gewehr.
Veröffentlichung
Der Gesandte Graf Lerchenfeld an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 427 Berlin, den 4. August 1914.
In einem Bericht vom 4. August 1914, aus dem übrigens hervorgeht, dass die T ü r k e i sich schon damals verpflichtet hatte, sich Deutschland anzuschliessen und zu mobilisieren, wird über B e l g i e n gesagt:
„Die Neutralität Belgiens kann Deutschland nicht respektieren. Der Generalstabschef hat erklärt, dass selbst die englische Neutralität um den Preis einer Respektierung Belgiens zu teuer erkauft wäre, da der A n g r i f f s k r i e g gegen Frankreich nur auf der Linie Belgien möglich."
Ich habe nur zu melden, dass die Türkei sich Deutschland anschliesst und einige Korps mobil macht. Auch Bulgarien scheint entschlossen, mit Osterreich gemeinsame Sache zu machen. Der Vertrag ist noch nicht geschlossen. Dies könnte militärisch Österreich wesentlich erleichtem. Holland ist die Neutralität von uns zugesichert. Die Neutralität Belgiens kann Deutschland nicht respektieren. Der Generalstabschef hat erklärt, dass selbst die englische Neutralität um den Preis einer Respektierung Belgiens zu teuer erkauft wäre, da der Angriffskrieg gegen Frankreich nur auf der Linie Belgiens möglich. Reichstagseröffnung im Weissen Saal und Reichstagssitzung waren im höchsten Grade erhebend. Selbst im Jahre 1870 hat die Begeisterung, für die gerechte Sache zu kämpfen, sich nicht so elementar und einmütig gezeigt Die Durchführung der Mobilisation und der Aufmarsch verläuft
*) Urschrift in den Akten der bayerischen Gesandtschaft in Berlin.
16 ausgezeichnet. Generalstab und Kriegsministerium haben noch nicht eine Anfrage von irgend einer Seite erhalten. Jeder weiss, was er zu tun hat. Ich muss annehmen, dass unsere Haltung gegenüber Belgien Bruch mit England im Gefolge hat. G. H. L e r c h e n f e l d .
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n Auswirkung in Versailles Nr. i
Schuldbericht der Entente Die Mantelnote des Ultimatums vom 16. Juni 1 9 1 9 , in welchem die alliierten und assoziierten Mächte in Versailles die unbedingte Annahme ihres Friedensdiktates von Deutschland forderten, und das Ultimatum selbst enthalten eine ausführliche Schuldanklage gegen Deutschland. Sie beruht auf dem Berichte, den die „Kommission für die Feststellung der Verantwortlichkeit der Urheber des Krieges und die aufzuerlegenden Strafen" am 29. März 1 9 1 9 der „Konferenz der Friedenspräliminarien" unterbreitete.1) Der Bericht enthält zahlreiche Hinweise auf Dokumente, die in den Farbbüchern der kriegführenden Staaten erschienen waren. Er beruft sich mehrmals auch auf die bekannten Denkschriften des Fürsten Lichnowsky und Dr. Muehlons und verwertet an drei Stellen die obigen bayerischen Aktenstücke nach der auszugsweisen Wiedergabe der Eisner'schen Veröffentlichung vom 23. November 1 9 1 8 unter ausdrücklichem Hinweis auf diese. Der erste Abschnitt mit der Überschrift: „Vorgefasste Absicht, Krieg führen zu wollen" behandelt die Entstehung des österreichisch-serbischen Streitfalles im Juli 1 9 1 4 und die Haltung Deutschlands hierzu. Es wird der Nachweis versucht, dass die Mittelmächte in gemeinsamem bewusstem Zusammenwirken vorsätzlich mittelst des serbisch-österreichischen Konfliktes den Weltkrieg entfesselt hätten. *) Das deutsche Weissbuch über die Schuld am Kriege. Autorisierte Ausgabe des Auswärtigen Amtes 1 9 1 9 ; Seite 12 ff. 2
18 Im Anschluss an die Behauptung, dass in einer in Potsdam am 5. Juli abgehaltenen entscheidenden Beratung Wien und Berlin den Plan gefasst hätten, ein energisches kurzfristiges Ultimatum an Serbien zu richten, heisst es dann mit Benützung der bayerischen Veröffentlichung vom 2 3 . November 1 9 1 8 : „ E s ist offensichtlich", schreibt einige Tage später der bayerische Gesandte von Lerchenfeldl) in einem Bericht an seine Regierung, „dass Serbien nicht in Forderungen einwilligen kann, die unvereinbar mit der Würde eines unabhängigen Staates sind." In diesem Bericht vom 18. Juli 1914, dessen Inhalt niemals offiziell dementiert wurde, offenbart Graf Lerchenfeld, dass von diesem Zeitpunkt ab das Ultimatum an Serbien gemeinsam zwischen den Berliner und Wiener Regierungen beschlossen war, dass letztere für dessen Überreichung die Abreise des Präsidenten Poincaré und des Herrn Viviani nach Petersburg abwarten würden, und dass man sich weder in Berlin noch in Wien Illusionen über die Folgen hingab, zu denen dieser drohende Schritt führen würde. Man war vollkommen davon überzeugt, dass der Krieg daraus hervorgehen würde. Der bayerische Bevollmächtigte erklärte überdies, dass die einzige Befürchtung der Berliner Regierung darin bestehe, dass ÖsterreichUngarn im letzten Augenblick zögern und zurückgehen und dass andererseits Serbien auf die Ratschläge Frankreichs und Englands hin dem auf ihn ausgeübten Druck nachgeben würde. „Nun erachtet aber die Berliner Regierung den Krieg für notwendig." Deshalb erteilt sie dem Grafen Berchtold unbeschränkte Vollmacht und beauftragt den Ballplatz schon am 18. Juli 1914, mit Bulgarien zu unterhandeln, um es in ein Bündnis und in den Krieg hineinzuziehen. Um dies Einverständnis zu verbergen, hatte man abgemacht, dass der Kaiser eine Fahrt auf der Nordsee unternehmen und der preussische Kriegsminister in Urlaub gehen würde. Auf diese Weise war die Kaiserliche Regierung in der Lage, zu behaupten, dass sie von den Ereignissen vollkommen überrascht worden sei. Unversehens richtet Österreich an Serbien das Ultimatum, das in der Absicht, es unannehmbar zu machen, mit Sorgfalt vorbereitet war. Dadurch wurde niemand getäuscht: „Die ganze Welt begriff dass dieses Ultimatum den Krieg bedeutete", gemäss dem Ausspruch Ssazanows: „Österreich-Ungarn wollte Serbien verschlingen." *) Es wird also auch hier noch fälschlich Graf Lerchenfeld als Verfasser angeführt, obwohl schon am 25. November 1918 von dem damaligen Gesandten Dr. Mückle in Berlin in der Deutschen Allgemeinen Zeitung berichtigt worden war, dass es sich nicht um ein Lerchenfeld'sches Schreiben, sondern um einen Bericht des Geschäftsträgers von Schoen handle. VgL IV Nr. 3 (Seite 53).
19 Im werteren will der Bericht der Entente-Kommission dartun, dass nach der Übergabe des österreichischen Ultimatums in Belgrad die Mittelmächte mit bewusster gemeinsamer Absicht vermittelnde Vorschläge der Ententemächte auf die Seite geschoben und ihre wiederholten Bemühungen, den Krieg zu verhüten, zunichte gemacht hätten. Als Beweisstück erscheint hier auch das Telefonat der bayerischen Gesandtschaft in Berlin vom 3 1 . Juli 1 9 1 4 7 4 5 vorm., mit der Bezeichnung: „Zweiter Bericht des Grafen Lerchenfeld, bayerischer Bevollmächtigter in Berlin, durch Kurt Eisner veröffentlicht", und zwar in folgender Form: In einem vom 3 1 . Juli datierten Bericht erklärt die bayerische Gesandtschaft, sie sei davon überzeugt, dass die Bemühungen Sir Edward Greys, den Frieden zu erhalten, den Gang der Ereignisse nicht aufhalten könnten.
In dem Abschnitt „Verletzung der belgischen und luxemburgischen Neutralität" wird die bekannte Äusserung des Reichskanzlers Bethmann Hollweg vom 4. August 1 9 1 4 über Belgien zitiert. Daran knüpft sich folgende Stelle: Diesem Geständnisse des deutschen Kanzlers, Herrn von Bethmann Hollweg, schliesst sich das erdrückende Zeugnis des Grafen Lerchenfeld an, der in einem Bericht vom 4. August 1 9 1 4 anführt, dass der deutsche Generalstabschef es für „nötig erachtet, durch Belgien zu ziehen. Frankreich", sagt er, „kann nur von dieser Seite her angegriffen werden. Deutschland könnte die belgische Neutralität nicht respektieren, selbst wenn es Gefahr liefe, Englands Einschreiten herauszufordern".
Nr. 2 Deutsches Gegengutachten In einer Note vom 20. Mai 1 9 1 9 lehnte es Climenceau namens der Alliierten ab, der deutschen Friedensdelegation das erwähnte Gutachten über die Verantwortlichkeiten am Kriege zu übergeben. Da aber wesentliche Teile in der Presse erschienen, prüfte ein freier deutscher Viererausschuss, bestehend aus den Herren Hans Delbrück, Albrecht Mendelssohn Bartholdy, Graf Montgelas und Max Weber im Auftrage der deutschen Friedensdelegation die Angaben des gegnerischen Kommissionsberichtes. 3*
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Die aktenmässig belegten „Bemerkungen" dieser deutschen Viererkommission wurden von Graf Brockdorff-Rantzau am 28. Mai 1919 der Entente übersandt. Sie behandeln vor allem auch die Ursachen und den Verlauf des serbischösterreichischen Konflikts und treten auf das Bestimmteste der Auffassung entgegen, dass zwischen Berlin und Wien ein geheimes Komplott zur Vernichtung Serbiens und zur Entfesselung des Weltkrieges geschmiedet worden sei. Sie betonen dabei, dass die Ziele der österreichischen Aktion gegen Serbien in Berlin im einzelnen nicht mitgeteilt worden sind, dass sie aber genau umgrenzt waren und keinerlei Annexionsgedanken enthielten. Die Denkschrift berührt sodann die Verwertung und den Inhalt der Eisner'schen Veröffentlichung verschiedentlich in folgenden Bemerkungen: Diesem Tatbestand haben die späteren in dem Kommissionsbericht 4) angeführten angeblichen Enthüllungen Eisners und anderer, soweit sie nicht Unrichtiges enthalten, Neues nicht hinzugefugt Auch der Anfang Juli 1914 stattgehabte Briefwechsel zwischen den beiden Kaisern und deren Regierungen ist inzwischen in vollem Wortlaut veröffentlicht. Ein Kronrat hat am 5. Juli nicht stattgefunden. Der Kommissionsbericht spricht nur noch unbestimmt von entscheidenden Beratungen. Worauf diese sich in Wahrheit bezogen haben, ergibt Anlage V. 8 ) Die Nordlandreise des Kaisers wurde zu dem alljährlich üblichen Zeitpunkt angetreten, der preussische Kriegsminister hat seinen Urlaub schon am 2. Juli erbeten; beiläufig sei bemerkt, dass der von der Kommission erwähnte bayerische Bericht vom 18. Juli, der mehrere schon öffentlich berichtigte Irrtümer aufweist, nicht vom Gesandten Grafen Lerchenfeld, sondern vom Legationsrat von Schoen herrührt Völlig unbegründet ist ferner nach Ausweis der deutschen Akten die Behauptung, dass damals Bulgarien zum Kriege gegen Serbien veranlasst werden sollte. Es ist richtig, dass Österreich die Auffassung hatte, angesichts früherer nicht gehaltener Versprechungen Serbiens sich mit bloss diplomatischen Ergebnissen nicht begnügen zu können, sondern auf dem Eindruck einer militärischen Expedition bestehen zu müssen. Deutschland hat dieser Auffassung zugestimmt und Österreich dabei ermutigt. *) Deutsches Weissbuch 1919. Seite 55/56 ff. Kommissionsbericht der Alliierten 1 8) Diese Anlage widerlegt die gegnerische Darstellung vom „Kronrat" in Potsdam. Das deutsche Weissbuch über die Schuld am Kriege 19x9. S. 77 ff.
21 Heute sehnt sich die Welt nach einem Völkerbunde, in dem militärische Massregeln nicht mehr zulässig sind, und in dem alle Nationen, ob gross oder klein, ob stark oder schwach, die gleichen politischen und wirtschaftlichen Rechte geniessen. Mit dem d a m a l s auch von anderen Staaten angewendeten Verfahren stand zwar das Vorgehen gegen Serbien nicht im Widerspruch und war im guten Glauben als eine Massregel gedacht, um einen seit langem die Gefahr eines Weltkrieges in sich bergenden Konfliktsstoff zu beseitigen. Immerhin empfand 1914 die deutsche Regierung selbst das Ultimatum als zu weitgehend (Blaubuch Nr. 18). Eine besondere Härte lag nach Ansicht der Unterzeichneten in der kurzen, auch auf spätere Vorstellungen hin nicht verlängerten 48 stündigen Frist. Auch den entgegenkommenden Charakter der serbischen Antwort hat die deutsche Regierung in ihrer unten besprochenen Note vom 28. Juli (Wolffs Telegramm vom 12. Oktober 1917) selbst anerkannt. Eine schiedsgerichtliche Regelung der nach dieser Antwort noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten hätte besser jenem Geiste des Vertrauens entsprochen, auf dem Sir Edward Grey am 30. Juli hinwies (Blaubuch Nr. 101), einem Geiste, welcher hoffentlich künftig die Beziehungen der Völker und ihrer Regierungen leiten wird. Voraussetzung für jenes für alles andere entscheidende Vertrauen wäre natürlich der Glaube gewesen, dass der englische Aussenminister nicht nur den von Augenblickserwägungen unabhängigen Willen, sondern auch die Macht hatte, die unzweifelhaften russischen Kriegsabsichten im Zaum zu halten. Daran zweifelt, soweit der gute Wille Sir Edwards Greys in Betracht kommt, von den Unterzeichneten niemand mehr. Zu fragen ist nur, ob dieser gute Wille auch in einer Art zum Ausdruck gelangte und, angesichts des die gesamte Lage umstürzenden Verhaltens Russlands, rechtzeitig gelangen konnte, um der deutschen Regierung jenes Vertrauen zu geben. . . . Die Berliner Regierung hat in dem Bestreben, den Streit zwischen Serbien und Österreich auch diplomatisch zu lokalisieren, anfanglich zu den insbesondere von englischer Seite gemachten Vermittlungsvorschlägen sich ablehnend verhalten; sie glaubte, dass auf diesem Wege eine Beseitigung der ständigen Bedrohung des Weltfriedens nicht zu erreichen sei. In dem Kommissionsbericht ist jedoch erstaunlicherweise nicht erwähnt, dass der direkte Gedankenaustausch zwischen Wien und Petersburg von deutscher Seite angeregt wurde, und dass Sir Edward Grey selbst dieses Verhalten als das zweckmässigste (the most preferable method of all) anerkannt hat (Blaubuch Nr. 67). Ein schwer begreiflicher Irrtum ist es ferner, wenn aus Blaubuch Nr. 43 eine Ablehnung der Vermittlung zu Vieren durch Deutschland gefolgert wird, da dieses Telegramm sich nicht auf jenen Vorschlag, sondern auf den einer Konferenz bezieht. Zu einer Vermittlung zwischen Österreich-Ungarn und Russland ist Deutschland immer bereit gewesen (Blaubuch Nr. 18 und 46). Besonders auffallend ist es endlich, dass in dem Kommissionsbericht die längst
22 bekannten drei deutschen Noten nicht erwähnt werden, aus denen hervorgeht, wie stark der Druck war, den die Berliner Regierung vom 28. Juli ab auf das Wiener Kabinett ausgeübt hat. Die Unterzeichneten gestatten sich daher aus diesen wichtigen Dokumenten einiges hier anzufügen: Am 28. Juli wird Wien auf den versöhnlichen Charakter der serbischen Antwort hüigewiesen und aufgefordert, gegenüber den deutschen und anderen Vermittlungsvorschlägen nicht mehr die bisherige Zurückhaltung zu beobachten (veröffentlicht durch Telegramm des Wolffbureaus vom 12. Oktober 1917). Am 29. (abgesandt Nacht 29./30.) wird die Verweigerung jedes Meinungsaustausches mit Petersburg als ein schwerer Fehler bezeichnet und beigefügt: „Wir sind zwar bereit, unsere Bundespflicht zu erfüllen, müssen es aber ablehnen, uns von Wien leichtfertig und ohne Beachtung unserer Ratschläge in einen Weltbrand hineinziehen zu lassen." (Schon veröffentlicht in der „Westminster Gazette" vom 1. August 1914, ferner mitgeteilt im Deutschen Reichstag am 19. August 191S.) In derselben Nacht wird zur Unterstützung des Greyschen Vorschlags von Blaubuch Nr. 88 nach Wien gedrahtet: „Wir stehen, falls Oesterreich jede Vermittlung ablehnt, vor einer Konflagration, bei der England gegen uns, Italien und Rumänien nach allen Anzeichen nicht mit uns gehen würden, so dass wir zwei gegen vier Grossmächte ständen. Deutschland fiele durch Gegnerschaft Englands das Hauptgewicht des Kampfes zu. Österreichs politisches Prestige, die Waffenehre seiner Armee sowie seine berechtigten Ansprüche Serbien gegenüber könnten durch Besetzung Belgrads oder anderer Plätze hinreichend gewahrt werden. Es würde durch Demütigung Serbiens seine Stellung im Balkan wie Russland gegenüber wieder stark machen. Unter diesen Umständen müssen wir der Erwägung des Wiener Kabinetts dringend und nachdrücklich anheimstellen, die Vermittlung zu den angegebenen ehrenvollen Bedingungen anzunehmen. Die Verantwortung für die sonst eintretenden Folgen wäre für Österreich und uns eine ungemein schwere." (Mitgeteilt im Hauptausschuss des Deutschen Reichstags am 9. November 1916.) Mit dem erwähnten Vermittlungsvorschlag vom 29. Juli nachmittags (Blaubuch Nr. 88) war der W e g zur E r h a l t u n g d e s F r i e d e n s g e f u n d e n . Berlin war bereitwillig darauf eingegangen und drängte in Wien auf die Annahme in so scharfer Weise, wie wohl noch nie in ernster Stunde ein Bundesgenosse zum andern gesprochen hat. Es ist wahrlich nicht die Schuld der deutschen Regierung, wenn die der glücklichen Lösung so nahen diplomatischen Verhandlungen durch militärische Massnahmen der Gegenseite jäh unterbrochen wurden Tatsächlich — und darauf kommt es an — ist die deutsche Regierung nicht in dieser Weise verfahren, sondern hat vom 28. Juli
23 an alles Denkbare getan, um Österreich zur Annahme von Vermittlungsvorschlägen zubewegen. Hinsichtlich der Wiederaufnahme der direkten Besprechungen ist der Erfolg auch nicht ausgeblieben (Rotbuch Nr. 50). Nr. 3 Spätere Erklärung der deutschen Viererkommission
Der deutschen Viererkommission lag in Versailles der volle Wortlaut der bayerischen Dokumente nicht vor. Sie konnte für ihre Einwendungen also nur die Auszüge aus Eisners Veröffentlichung in Betracht ziehen. Am 2. August 1919 erhob der Legationsrat von Schoen in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" (Nr. 367) Einspruch dagegen, dass sein Bericht vom 18. Juli 1914 in gekürzter Form veröffentlicht worden war. Dadurch sei er verstümmelt und sein Sinn entstellt worden. Herr von Schoen führte verschiedene weggelassene Stellen wörtlich an. Wenige Tage später (10. August) brachte das genannte Blatt den ganzen Wortlaut des Gesandtschaftsberichtes. Im Anschluss daran erschien folgende Erklärung der Viererkommission: Bei Abfassung des Berichts über die Verantwortlichkeit am Kriegsausbruch war der deutschen Viererkommission nur bekannt, dass der Bericht des bayerischen Legationsrats von Schoen vom 18. Juli 1914 in der damals vorliegenden Fassung mehrere Irrtümer enthielt. Aus den inzwischen von Herrn von Schoen in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" vom 2. August ds. Js. Nr. 367 (Beiblatt zur Morgenausgabe) veröffentlichten Aufklärungen geht hervor, dass die irrtumliche Darstellung des Berichts, als dessen Verfasser unrichtigerweise der vom 4. bis 26. Juli beurlaubte und von Berlin abwesende bayerische Gesandte Graf Lerchenfeld bezeichnet worden war, darauf zurückzufuhren ist, dass wesentliche Stellen des Berichts weggelassen waren. Diese Stellen beweisen von neuem, dass die Reichsleitung n i c h t den e u r o p ä i s c h e n K r i e g g e w o l l t und b e t r i e b e n , sondern von Anfang an auf die L o k a l i s i e r u n g d e s K o n f l i k t s z w i s c h e n Ö s t e r r e i c h und S e r b i e n hingearbeitet hat und ernstlich bestrebt war, alle Anlässe zu einem europäischen Kriege auszuschalten. Zur Begründung der ausserordentlichen Verspätung dieser Aufklärung teilt Herr von Schoen mit, dass bei Nachforschung nach seinem Bericht sowohl das Konzept aus den Berliner Gesandtschaftsakten als auch das Original aus dem Archiv des Münchner Mini-
24 steriums des Äussern verschwunden waren und erst durch Haussuchungen bei der Witwe Eisners und dem früheren Sekretär Eisners (Fechenbach) wieder zutage gefördert wurden. Die Unterzeichneten ersuchen die Reichsregierung, bei einer Neuausgabe des Weissbuches 1919 die vorstehende Erklärung zum Abdruck bringen zu lassen. Berlin, Würzburg und München, 3., 4. und 5. August 1919. Hans
Delbrück.
Albrecht
Mendelssohn
Max Graf Montgelas.
Max
Bartholdy
Weber.
*) Über diesen Sachverhalt siehe Näheres im letzten Abschnitt.
25
in
Zur Vorgeschichte der Enthüllung1) Nr. i
Aus der ersten Regierungskundgebung Eisners in der Nacht zum 8. November 1918. In dem Aufruf wird die über Nacht vollzogene Umwälzung und die Errichtung eines freien Volksstaates Bayern angekündigt Über die Friedensfrage heisst es: Eine neue Zeit hebt an. B a y e r n w i l l D e u t s c h l a n d f ü r den V ö l k e r b u n d rüsten. Die demokratische und soziale Republik Bayern hat die moralische Kraft, fiir Deutschland einen Frieden zu erwirken, der es vor dem Schlimmsten bewahrt. Die jetzige Umwälzung war notwendig, um im letzten Augenblick durch die Selbstregierung des Volkes auch die Entwicklung der Zustände ohne allzu schwere Erschütterungen zu erledigen, bevor die feindlichen Heere die Grenze überfluten oder nach dem Waffenstillstand die demobilisierten deutschen Truppen das Chaos herbeifuhren.
Nr. 2
Aus der Rede Eisners im Arbeiter- und Soldatenrate am 8. November 1918*) Dann die zweite E r w ä g u n g : Der amerikanische Präsident hat in seiner vorletzten Note in deutlichen Worten kundgegeben, dass er nicht gesonnen sei, mit dem, was man heute in Berlin VolksDie im folgenden Abschnitt erwähnten Regierungskundgebungen liegen gedruckt vor. — Vgl. Meiner, Deutscher Geschichtskalender: Die deutsche Revolution, i . Bd. — Die Originale der mitgeteilten Aktenstücke befinden sich im Münchner Ministerium des Äussern. a) Eröffnungsrede zur ersten Sitzung der Räte und zur Bildung des sozialistischen Ministeriums.— Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Provisorischen Nationalrates und der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte in Bayern vom 8. November bis 18. Dezember 1918.
26 regierung nennt, einen Verständigung«frieden ra schfiessen, sondern dass es sich bei einer solchen Regierung nur um Kapitulation handeln könne. Wenn aber nun in Bayern eine revolutionäre Regierung ersteht, deren treibende Kräfte von Anfang des Krieges an in einsamer und gefährlicher Opposition die deutsche Kriegspolitik bekämpft haben, so können wir vertrauen, dass eine solche Regierung bei dem amerikanischen Präsidenten einen anderen Eindruck erwecken und mildere Stimmung auslösen kann, als wenn er es zu tun hat mit einer Regierung, die alle Verantwortlichkeiten der Vergangenheit mit übernommen hat. Es liegt mir fern, in unwürdiger, feiger Art um die Gunst unserer Gegner buhlen zu wollen. Aber ich weiss, dass man uns, den treibenden Kräften der neuen Umwälzung, wenigstens Vertrauen schenkt Wir haben niemals die gemeinsame Sache der Internationale geschädigt, deswegen vertraue ich, dass diese uns einen milderen Frieden für Deutschland erwirken kann, als wenn hier noch jenes System herrschte, das mitschuldig war an dem Ausbruch des grossten aller Verbrechen der Weltgeschichte.
Nr. 3
Kundgebung der Regierung des bayerischen Volksstaates vom 10. November 1918 An die Regierungen und Völker Amerikas, Frankreichs, Englands und Italiens! An die Proletarier aller Länder t Das bayerische Volk hat zuerst in Deutschland unter Führung von Männern, die seit Beginn des Krieges den leidenschaftlichsten Kampf gegen die frevelhafte Politik der deutschen Regierungen und Fürsten geführt haben, in einer stürmischen und von endgültigem Erfolg gekrönten revolutionären Erhebung alle und alles beseitigt, was schuldig und mitschuldig an dem Weltkrieg war. Bayern hat sich als Volksstaat proklamiert. Das ganze Volk begrüsst jubelnd seine Erlösung. Die anderen Staaten Deutschlands folgen in unaufhaltsamem Drange unserem Beispiel und begründen damit zum erstenmal eine wirkliche innere Einheit Deutschlands. In diesem Augenblick stürzt auf die junge Republik Bayern die Veröffentlichung der Waffenstillstandsbedingungen der alliierten Mächte herein. Alle Hoffnungen, die wir durch den Erfolg der Revolution hegen durften, sind damit zerstört Die neue Republik wird, wenn diese entsetzlichen Bedingungen unabänderlich sein sollten, in kurzer Zeit Wüste und Chaos sein.
27 Wie verstünden wir die Empfindungen, die die alliierten Mächte veranlassten, solche Bedingungen zu stellen, wenn sie damit die Schuldigen treffen würden. Die deutschen Autokraten und Militaristen verdienen keine Schonung. Jetzt aber hat das Volk sich befreit, und die Bedingungen, die ihm jetzt auferlegt werden, bedeuten seine Vernichtung. Werden die Forderungen aufrechterhalten, so gehen wir Zuständen entgegen, die keine menschliche Phantasie sich vorstellen kann. Eine anarchistische Auflösung aller Verhältnisse, die gerade die bayerische Revolution durch die Schaffung eines in sich gefestigten Volksstaates verhindern wollte, würde die notwendige Folge sein, und die Herrschaft zuchtlos sich auflösender Millionenheere würde eine geistige und sittliche Verwilderung, eine politischsoziale Besessenheit herbeiführen, die auch in das Gebiet der Sieger verheerend übergreifen würde. Das darf nicht geschehen. Die demokratischen Völker dürfen nicht wollen, dass die revolutionäre Schöpfung der deutschen Demokratie durch die Schonungslosigkeit der Sieger vernichtet wird. Jetzt ist die Stunde gekommen, wo durch einen Akt weit ausblickender Grossmut die Versöhnung der Völker herbeigeführt werden kann. Vergesst in der Schöpfung der neuen Welt den Hass, der in der alten erzeugt worden ist Der Völkerbund, der das gemeinsame Ideal der Menschheit geworden ist, kann niemals werden, wenn er beginnt mit der Ausrottung des jüngsten Gliedes demokratischer Kultur. Wir beschwören Euch, die Regierungen wie die Völker, in einer Tat erhabener Selbstüberwindung die fiir alle verhängnisvolle Liquidierung des Weltkrieges in gemeinsamer Arbeit der Sieger und Besiegten zu unternehmen. Dieses schwere Werk würde die erste Handlung des neuen Völkerbundes sein und ihn damit begründen. Die alliierten Demokratien dürfen nicht vergessen, wie viel stumm ertragene Opfer unzähliger namenloser Deutschen seit Beginn dieses Krieges in klarer Erkenntnis der Schuld gebracht worden sind, und die Regierungen der alliierten Mächte dürfen nicht die Verantwortung vor den proletarischen Massen übernehmen, die Internationale in dem Augenblick wieder zu zerstören, wo sie sich innerlich zusammengefunden hat. Das Schicksal der Menschheit liegt in den Händen der Männer, die jetzt verantwortlich sind fiir die Herbeiführung des Friedens und die Neugestaltung der zerrütteten Völker. München, den 10. November 1 9 1 8
Das Ministerium des bayerischen Volksstaates
Kurt Eisner
28 Nr. 4 P r o f e s s o r Foerster 1 ) !n Zürich an den Ministerpräsidenten Dringendes Telegramm
Zürich, den 1 i . November 1918; 6 40 nachm.
Aufrichtigen Dank für das Vertrauen. 2 ) Möchte zunächst zur Erwägung geben, ob es nicht besser wäre, die bayerische Sondergesandtschaft, die nur als Gewicht gegen die preussische Vorherrschaft einen Sinn hatte, gerade jetzt fallen zu lassen. Wichtiger als je ist es jetzt, dass Deutschland nach aussen einheitlich auftritt. Darum wäre die sofortige Neubesetzung der deutschen Gesandtschaft Bern aus vielen Gründen ausserordentlich dringend; auch dafür wäre der im gestrigen Telegramm Genannte am meisten geeignet Durch die geplante Neubesetzung der bayerischen Gesandtschaft hingegen könnte der Eindruck entstehen, als komme eine neue partikularistische Ära. Sollten jedoch besondere Gründe (ur eine vorläufige Sonderaktion Bayerns sprechen, so stelle ich mich selbstverständlich sofort zur Verfügung. Erlaube mir jedoch zu empfehlen, in diesem Falle das Provisorische der bayerischen Sondervertretung ausdrücklich hervorzuheben. Foerster Nr. 5 D e r Ministerpräsident an P r o f e s s o r Foerster in Zürich Telegramm
München, den 12. November 1918
Mein Wunsch, dass Sie die provisorische bayerische Gesandtschaft übernehmen, ist durch die triftigsten Gründe veranlasst. Partikularistische Gefahren bestehen gegenwärtig nicht. Die Bedrohung *) Der frühere Münchner Universitätsprofessor und bekannte Pazifist; er war schon während des Krieges zeitweise in der Schweiz schriftstellerisch und politisch tätig. Seine Auffassungen über den Kriegsursprung, die Schuld am Kriege, die deutsche Kriegsführung trafen sich mit denjenigen Eisners, ohne dass er jedoch dessen revolutionäre Streikmethode zur Beendigung des Krieges gutgeheissen hätte. Vgl. Foersters Schrift: „Mein Kampf gegen das militaristische und nationalistische Deutschland" (1920). Seite 21 berichtet Foerster über sein Zusammentreffen mit Eisner am Abend vor dem Streik der Kruppschen Arbeiter in München (Januar 1918); Seite 27 ff. und Seite 113 ff. über seine und Eisners Stellung zur Schuldfrage. Dabei wird auch die Veröffentlichung vom 23. November 1918 kurz behandelt. *) Bezieht sich auf das Angebot, das Amt eines Gesandten zu übernehmen.
29 kommt von ganz anderer Seite. Unter diesen Umständen ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass die besondere Form unserer bayerischen Revolution sich in ihrem moralischen Einfluss durchsetzt. Ich gebe Ihnen also hiermit die Vollmacht eines provisorischen Gesandten des bayerischen Volksstaates und ersuche Sie, beim Berner Bundesrat zu veranlassen, dass er die von uns in der Nacht zum I i . November an die Entente gerichtete Kundgebung sofort weiterleitet. Leider erhalte ich erst eben vom Bundesrat die Antwort, dass er die Weiterleitung ablehnt Wenn Waffenstillstandsbedingungen nicht gemildert, so ist für uns alles verloren. Ministerium des Äussern Kurt Eisner
Nr. 6 Der provisorische Gesandte in der Schweiz an den Ministerpräsidenten Telegramm
Zürich, den 13. November; 7 " nachm.
Bestätige Empfang Ihrer telegraphischen Ernennung, die wegen Generalstreik erst heute mittag ankam. Warte für die persönliche Vorstellung nur noch Ihre schriftliche Vollmacht ab. Ihre Wünsche werden sofort erfüllt werden. Hatte soeben mit einem zufallig hier anwesenden höchst einflussreichen Vertreter der Entente mehrstündige Unterredung in Ihrem Sinne. Durch die vierjährige deutsche Bluffpolitik ist das Misstrauen uns gegenüber so gross geworden, dass man fürchtet, auch die jetzige Umwälzung sei nur eine Parade, oder nach kurzer Zeit würde die jetzt verdrängte Reaktion wieder hervorbrechen. Nur darauf beziehen sich die harten Bedingungen. Man wird uns aber bestimmt in grossem Stil mit der Ernährung helfen, sobald der neue Geist deutlich und zuverlässig in Wort und Tat zu Tage tritt. Hierüber wird Ihnen übermorgen Doktor de Fiori einen eingehenden Bericht von mir übergeben. Ich erbitte daher eine Anweisung an die Grenzbehörde, den Genannten ohne Durchsuchung passieren zu lassen. Da ich selber wohl erst nächste Woche nach München zur Berichterstattung abkömmlich bin, so erlaube ich mir durch den Genannten einige eilige Dinge mündlich zur Information und Entscheidung vorlegen zu lassen. Auf Abberufung sämüicher diplomatischer Beamten der Gesandtschaft darf ich wohl rechnen. Foerster
30 Nr. 7
Der Ministerpräsident an Professor Foerster in Zürich München, den 14. November 1 9 1 8 Sie werden hierdurch zum bayerischen Gesandten für die Schweiz ernannt. Das Ministerium des Volksstaates Bayern. Der Ministerpräsident: K u r t
Eisner
Nr. 8 l
George D. Herron ) in Genf an Professor Dr. Edgar Jaffö, Finanzminister des Volksstaates Bayern und an den Ministerpräsidenten Eisner Telegramm
Genf, den 14. November; I 2 M nachm.
Ich habe Ihre Kundgebung an den Präsidenten der Vereinigten Staaten gesandt und ebenfalls eine persönliche Erklärung und Bitte an den Präsidenten gerichtet, ich glaube, es sei nicht ratsam die Kundgebung in diesem Augenblick an die öffentliche Presse zu geben, weil dies nur dazu dienen würde, das Bolschewiki-Feuer zu schüren und die Erwägung der von Ihnen erwünschten Ziele zu verhindern. Ich möchte Sie besonders auf die Tatsache aufmerksam machen, dass Sie, wie ich fürchte, nicht genügend in Betracht gezogen haben, dass der Waffenstillstand nur ein zeitweiliges militärisches Übereinkommen, nicht aber ein Friedensvertrag ist. Der Waffenstillstand *) Amerikanischer Pazifist, wirkte während des Krieges in der Schweiz; mit Foerster, Dr. Muehlon und ihrem Kreise in Fühlung, auch mit dem Finanzminister Professor Dr. Jaffö bekannt. — Vgl. seine 1 9 2 0 erschienene Schrift „ D e r Pariser Friede und die Jugend Europas". Hier beklagt der durch das Versailler „Teufelswerk" aufs Bitterste Enttäuschte, unter Hintanstellung seiner Grundsätze den Krieg gegen Deutschland gepredigt zu haben, von dessen Niederlage er sich den Anbruch eines neuen Zeitalters des Völkerfriedens und der Humanität versprach. Er bedauert, seine deutschen Freunde in dem durch äussere Umstände hervorgerufenen Glauben gelassen zu haben, dass er mit Wilson, den er l)is damals nie gesprochen, auf vertrautem Fusse stehe, und ihnen die Überzeugung beigebracht zu haben, dass die 14 Punkte des Präsidenten unbedingt erfüllt wurden (wohin auch die obigen Mitteilungen weisen). Er fühlt solchermassen sich und den internationalen Pazifismus bedrückt durch eine „beinahe unerträgliche Bürde von Schuld und Unterlassungssünde". (Seite 1 5 ; Seite 2.1).
31 betrifft nur unmittelbare militärische Zustände und hat mit der politischen Sachlage oder der Friedenskonferenz nichts gemein. Machen Sie dies Ihren Leuten klar. Besonders Sie als Antimilitaristen sollten sehen, dass der Zweck dieses Waffenstillstandes ist, Ihre eigenen Feinde in Deutschland zu zerstören und den W e g Air Ihr Programm zu klären. Alles was Sie jetzt zu Ihren Gunsten zählen. Ausserdem besteht auf der Seite der Entente keine Absicht, Ihr Volk in ökonomisches Elend zu bringen, sondern man wünscht im Gegenteil, Ihnen so schnell wie möglich ökonomische Hilfe zu bringen. Schliesslich können Sie versichert sein, und das ohne den geringsten Zweifel, dass, wenn es Ihnen gelingt, unverzüglich eine wirklich demokratische Regierung in Bayern und den anderen deutschen Staaten zu errichten, der Präsident der allererste sein wird, Ihnen alle mögliche Sympathie und Hilfe zu bringen. Der Präsident wünscht nicht im geringsten, das deutsche V o l k zu zerstören, sondern im Gegenteil so schnell wie möglich seine Erlösung und Befreiung zu erreichen. Dieses Telegramm ist auch für Präsidenten Eisner bestimmt. In alter Freundschaft und mit brüderlichen und herzlichen Grüssen G e o r g e D.
Herron
Nr. 9
Der bayerische Gesandte in der Schweiz an den Ministerpräsidenten Telegramm
Zürich, den 14. November 1 9 1 8 ; I2* 8 nachm.
D a hier noch weitere Unterredung abwarten möchte, wird Bericht erst Samstag abend in Ihren Händen sein. Aussichten für Milderung Waffenstillstandsbedingungen verbessern sich unverkennbar auch auf englischer Seite, doch wird sich diese Milderung mehr in tatsächlicher Praxis als in sofortiger öffentlicher Zurücknahme einzelner Punkte vollziehen. Da hier jetzt entscheidend wichtige Möglichkeiten haben, in dieser Richtung auf massgebende Stellen zu wirken und Vertrauen in die deutsche Entwicklung zu schaffen, so werde ich meine persönliche Berichterstattung in München wohl besser auf Ende nächster W o c h e verschieben. Sie dürfen jedenfalls in der Organisation der Volksernährung zuverlässig damit rechnen, dass die auf der Ententeseite noch vorhandenen Widerstände nur vorübergehend sind und auf einer abwartenden Haltung in Bezug auf die Konsolidierung des neuen Deutschland beruhen. Habe im Sinne Ihrer Proklamation, die hier grossen Eindruck macht, darauf hingewiesen, wieviel die Entente jetzt zu dieser Konsolidierung beitragen könne. Meine Adresse bleibt bis auf weiteres Susenbergstrasse 100. Foerster
32 Nr. 10
Aus dem Regierungsprogramm des bayerischen Ministeriums vom 15. November 1918 Die ersten Handlungen der revolutionären Regierung haben bedeutsame Erfolge gezeitigt. Die leitenden Männer der Entente sprechen nach der Umwälzung anders als zuvor. Unser Appell an das Weltgewissen blieb nicht ungehört. Die Waffenstillstandsbedingungen wurden erheblich gemildert. Der Geist des Patrioten, der die französische Republik leitet, spricht heute mit menschlichem Verständnis und Vertrauen. Amerika verheisst dem besiegten Feind, durich Versorgung mit Lebensmitteln den furchtbaren Übergang zu erle chtern. Wir hoffen, dass es uns auch gelingen wird, die Zufuhr von Rohstoffen zu gewinnen. Wir haben heute die Zuversicht, dass dank unserer ebenso revolutionären wie besonnenen Politik unser in jener Note an die Entente ausgesprochener Gedanke der Erfüllung entgegenreift, dass der Völkerbund in der gemeinsamen Arbeit der Feinde an der Überwindung der Kriegszerstörungen sich bilden müsse. Wenn wir auf das Vertrauen der feindlichen Mächte rechnen, so betrachten wir es um so mehr als unsere Aufgabe, auch innerhalb der deutschen Stämme eine innige Gemeinschaft vorzubereiten. Wir glauben und wollen, dass eine Vereinigung des Deutschen Reiches mit der deutsch-österreichischen Republik unaufschiebbar ist. Wir sind ferner der Meinung und entschlossen, diese nationale Politik mit fester Hand durchzuführen, dass die S e l b s t b e s t i m m u n g Bayerns innerhalb des Ganzen erhalten und gesichert werden muss. Wenn wir das Ziel erreichen wollen, dass die Vereinigten Staaten von Deutschland, die Österreich einschliessen, die einzige mögliche Lösung des nationalen Problems sind, so werden wir in nächster Zukunft eine zweckmässigere Gliederung der deutschen Staaten durchzuführen haben, die ohne jede Vorherrschaft eines einzelnen Staates und ohne Antastung der Freiheit und Selbständigkeit Bayerns auch die notwendigen Massnahmen vernünftiger Einheit trifft. So wird für das deutsche Volk auch in nationaler Hinsicht eine glücklichere Zukunft beginnen.
1)
Amtliche Bekanntmachung.
33 Nr. n Der bayerische Gesandte in der Schweiz an den Ministerpräsidenten Zürich, den 16. November 1918 Hochgeehrter Herr Ministerpräsident! Die Ernennung zum provisorischen Gesandten des bayerischen Volksstaates habe ich ohne Zögern angenommen, weil ich mich bezüglich der weltpolitischen Fragen in besonders intimer Gesinnungsgemeinschaft mit Ihnen fühle ; ich glaube auch in der gegenwärtigen schwersten Krise Deutschlands meine alten und neuen Beziehungen zu den massgebenden Ententekreisen wirksamer verwerten zu können, wenn ich hier nicht nur als Privatmann tätig bin. Da ich im gegnerischen Lager wegen meines Universitätskonfliktes ein unbedingtes Vertrauen geniesse, so dient meine Ernennung auch dazu, den Absichten der neuen bayerischen Volksregierung bei der Entente Vertrauen zu schaffen. Übrigens habe ich von dem Augenblicke an, in dem ich Sie zu meiner aufrichtigen Freude in der Macht wusste, sofort ganz in Ihrem Sinne gewirkt, wobei mir zugute kam, dass der intimste Vertrauensmann Clémenceaus, der sich in ununterbrochener Verbindung mit den leitenden Männern der Ententestaaten befindet, mich hier besuchte und seitdem fast jeden T a g ein Exposé Uber irgend eine wichtige Frage von mir erbittet, das er dann übersetzt und an die genannten Stellen sendet. Zufällig hatte ich sofort nach Empfang Ihres Telegramms wieder Gelegenheit, dem Genannten in dreistündiger Unterredung die ganze Sachlage darzulegen, wobei ihm das moralische Element in Ihren Kundgebungen besonderes Vertrauen einflösste. Er hat sofort nach dieser Unterredung an Clémenceau und an die amerikanische Gesandtschaft telegraphiert. Sie dürfen als schönsten Lohn für alle Ihre Mühen das Bewusstsein haben, dass Sie in diesem Augenblicke Deutschland gerettet haben. Denn die vorangehenden Berliner Kundgebungen vermochten kein Vertrauen zu erwecken. Bei der Beurteilung der ersten Waffenstillstandsbedingungen ist zu beachten, dass dieselben noch auf Wilhelm II. zugeschnitten waren und das damals noch nicht überwundene, schuldige, militärische Deutschland treffen sollten; „wir w o l l t e n hart sein" sagte der Genannte, „wir wollten dem militärischen Deutschland die ganze Wucht seiner Niederlage zeigen und damit dem deutschen Volke grell zum Bewusstsein bringen, wohin es gefuhrt worden ist". Von diesem Standpunkt aus sind auch die starken Garantien begreiflich, die man forderte : solange jenes militärische Deutschland nicht radikal aus dem Sattel gehoben war, musste man ja in der Tat jede Lebensmittellieferung noch als Proviant flir den Feind betrachten. Nun 8
34 ist ja alles in bestem Gange: mir wird soeben auch von zuverlässiger Seite aus Bern telephoniert, dass die Entente auch in Bezug auf Tempo und Frist der Demobilisierung zu grösstem Entgegenkommen bereit sei, um ein Chaos zu verhindern. Ganz besonders hat man in Frankreich nunmehr den dringenden Wunsch, das zweitausendjährige Nachbarschaftsverhältnis zum deutschen Volke auf eine ganz neue Grundlage zu stellen. Zur Beurteilung der bisherigen Haltung der Entente ist auch zu beachten, dass vor zwei Wochen die Vertreter des österreichischen ancien regime hier mit der Entente verhandelten, um durch schnelle Verproviantierung die Revolution zu verhüten und den Thron zu retten: Die Entente hat dann vorgezogen, den Sturz des alten Systems abzuwarten. Weltpolitisch sehr in Betracht zu ziehen ist die Stellung der Entente zum Bolschewismus. Ich gebe zunächst kurz die Auffassung des oben erwähnten Ententevertreters wieder: Derselbe betonte, daß dem Westen jede noch so radikale deutsche Regierung willkommen sei, sobald sie sich nur vom Bolschewismus, d. h. von gewalttätiger und blutiger Autokratie bestimmter Gruppen und der daraus folgenden Anarchie fernhalte. Einer bolschewistischen Regierung werde man jede Unterstützung versagen. Man werde auch dem russischen Bolschewismus jetzt zu Leibe rücken, man habe den Krieg gegen die deutsche Unmenschlichkeit nicht geführt, um dafür den bolschewistischen Zarismus einzutauschen. Ich habe sofort betont, dass Bolschewismus bei uns nur zu fürchten sei, wenn die jetzige Regierung in der Volksernährung versage; der bayerische Ministerpräsident habe ausdrücklich den unblutigen Charakter der geschehenen Umwandlung gefeiert; alle Kundgebungen der neuen deutschen Regierungen seien voll von Appell an strikteste Ordnung. Ich glaube, dass jede öffentliche Kundgebung, die in diesem Sinne eine Absage an die östlichen Methoden enthält, von ganz ausserordentlicher Bedeutung ist, um die Atmosphäre zu schaffen, ohne die die Übersee L i e f e r u n g e n grossen Stils zum A u f b a u der d e u t s c h e n I n d u s t r i e nicht wagen wird: Nur das Vertrauen auf eine geordnete — wenn auch noch so radikale — Entwicklung in Deutschland wird im Stande sein, das überseeische Unternehmertum so bald wie möglich aus einer abwartenden Haltung herauszubringen. Erlauben Sie mir, dass ich im Anschluss an diese Mitteilungen noch meinen eigenen Standpunkt zu der Prinzipienfrage „Bolschewismus und Entente" präzisiere. Aus vielerlei Anzeichen habe ich die Ahnung, dass Ihre Auffassungen auch in dieser Frage weit mit den meinigen gehen, ja vielleicht ganz mit denselben übereinstimmen. Es kann aber auch sein, dass ich mich in dieser Annahme irre —• dann ist es gut, dass Sie genau sehen, wo ich stehe, und danach manche künftige Entscheidung bemessen. Gestern abend besuchte mich der polnische Redakteur M. Horwitz, der die Absicht aussprach, auch Sie aufzusuchen und der im
35 Anschluss daran mir seine Ansichten entwickelte. E r kritisierte lebhaft Ihre Tonart gegenüber der Entente und behauptete, man hätte ruhig abwarten sollen, bis die Entente-Sozialisten ihre Regierungen durch Umsturz zu anderen Waffenstillstandsbedingungen gezwungen hätten. Auf meinen Einwurf, dass dann eben das Chaos bei uns eingetreten wäre, antwortete er, das hätte nichts geschadet, solche Erschütterungen seien nötig, um die Geburt einer wirklich neuen Welt zu ermöglichen. Der Herr machte mir den Eindruck eines ganz abstrakten Kopfes, der die politischen und sozialen Verhältnisse der Ententevölker völlig schief beurteilt und den chaotischen Osten zum Lehrmeister der deutschen Entwicklung machen möchte. Die Mentalität dieser blossen Mechaniker der gesellschaftlichen Entwicklung, deren ganze Propaganda im Grunde moralisch völlig in der Luft steht, ist mir genau so tief zuwider wie die Mentalität unserer realpolitischen Ideologen des nationalen Gewaltstaates: es sind ganz die gleichen Naturen, nur dass die einen von unten das vollbringen wollen, was die anderen von oben praktizierten. Leider gehört nach meinem Eindruck auch die hiesige „Volksrecht"gruppe durchaus in diese Sphäre, — woher es sich auch erklärt, dass diese Gruppe in der demokratischen Schweiz eine vollständige moralische und politische Niederlage erleidet, wozu nicht zum wenigsten ihr Eintreten für die Terroristen der Lenin-Regierung beigetragen hat. Allen diesen Leuten sind Sie bereits verdächtig. Der Redakteur Horwitz repräsentiert — wenn ich ihn richtig verstanden habe — in typischer Weise eine Anschauung, die jetzt in gewissen von der Stimmung des revolutionären Ostens beeinflussten Kreisen der Schweiz grassiert: die sogenannte Entente sei der eigentliche Feind und repräsentiere den imperialistischen Kapitalismus in seiner höchstentwickelten Form; alles komme darauf an, die westliche Arbeiterschaft im östlichen Sinne zu revolutionieren und dann gemeinsam gegen die Bourgeoisie vorzugehen. Eine Verständigung mit der jetzigen Entente verhindere nur diese radikale Lösung. Diese Leute wollen also nach vier Jahren Weltkrieg nunmehr den vierjährigen Bürgerkrieg als Mittel der sozialen Reorganisation entfesseln. Wenn dies das Programm des Fortschritts in Europa werden sollte, dann wüsste man wirklich nicht mehr, wofür man noch leben und kämpfen soll. Diese abstrakten Köpfe haben wohl zu wenig Phantasie, um sich zu fragen, wie der wirtschaftliche Wiederaufbau Europas möglich sei, wenn die gesellschaftliche Erneuerung jetzt im östlichen Stile mit Hass, Absonderung und Gewalttat in Angriff genommen werden solle. Wir brauchen gewiss jetzt Führer und Programme, die aufs G a n z e gehen und die das Volk zu grossen Entschliessungen fortzureissen verstehen, aber diese Führer müssen die Fähigkeit haben, den Bund der Handarbeit mit der Intelligenz und mit der technischen Welterfahrung in neuem Geiste zu begründen, statt diese Faktoren von einander loszureissen — und das in einem weltgeschichtlichen Augenblick, in dem von ihrer neuen Zusammenarbeit Leben und Gesundheit von Millionen abhängt —• 3*
36 vor allem auch die Herstellung von neuen Lebensbedingungen für die Millionen, die vier Jahre im Kriegselend gesteckt haben. Sollen sie nun aus der Not des Weltkrieges in die Schützengräben des Bürgerkrieges geworfen werden? Die Hauptsache ist: die Vertreter jener ganzen Propaganda haben keine Ahnung von Wesen und Tendenz der französischen und englischen Arbeiterbewegung. Die industriellen Arbeiter sind in Frankreich eine absolute Minorität. Frankreich ist das Land der kleinen „Proprietäre". Diese haben alles, was sie wollen. Eine neue Revolution in Frankreich ist ausgeschlossen — genau so wie sie in der Schweiz ausgeschlossen ist. Es kann in beschränktem Kreise vorübergehende Unruhen geben — aber nichts, was auch nur entfernt an Bolschewismus erinnert, kann sich dort durchsetzen. Was England und Amerika betrifft, so ist dort trotz der riesigen Industriearbeiterschaft eine Revolution völlig ausgeschlossen — einfach weil man dort von Gewaltaktionen nur Schaden erwartet und ausserdem jede Möglichkeit hat, sich im Rahmen der bestehenden Ordnungen allmählich durchzusetzen. Ich bin über diese Dinge und ihren neuesten Stand ganz genau unterrichtet. Die Bolschewisten werden erleben, dass englische und amerikanische Arbeiter von Odessa aus gegen jene Anarchie, die das Zerrbild jeder Demokratie ist, genau so begeistert vormarschieren, wie gegen den deutschen Militarismus. Der Westen hat dem Gewaltregime in jeder Form den Krieg erklärt, zum Teil aus Idealismus, zum grösseren Teil aus den L e b e n s b e d ü r f n i s s e n d e r g e o r d n e t e n W e l t w i r t s c h a f t heraus, während wir immernoch in der weltpolitischen Borniertheit des ostelbischen Denkens steckten. Ich habe diese Frage ausführlich behandelt, weil ich annehme, dass Ihnen in diesen Tagen von dem hiesigen bolschewistischen Zentrum aus viele falsche oder schiefe Informationen über die inneren Verhältnisse im Ententelager zugetragen worden sind. Die Entente, ausgenommen Italien, ist absolut nicht vom Imperialismus beherrscht; Ihre Politik ist daher durchaus im Einklang mit dem wirklichen Sachverhalt. Ganz besonders wichtig schien mir das Interview, das die „Vossische Zeitung" betreffend Ihre Stellung zum Bolschewismus veröffentlichen konnte: ich werde sofort dem Bundespräsidenten Mitteilung machen, der —- unabhängig von meiner Ernennung — den Wunsch nach einer Aussprache mit mir über die internationalen sozialen Probleme geäussert hat. Wir brauchen den guten Willen der massgebenden Kreise der Schweiz j a jetfct mehr als j e für alle Probleme unserer Übergangswirtschaft — und wir brauchen diesen guten Willen und dies Vertrauen umsomehr, als, wie Ihnen gewiss bekannt geworden ist, in den letzten Monaten hier Machenschaften des Berliner Generalstabes ans Licht gekommen sind, die das Ansehen des deutschen Namens aufs schwerste geschädigt haben >) !) Es folgen Erörterungen über die Neubesetzung der deutschen Gesandtschaft in Bern, die hier nebensächlich sind.
37 Es wird zweifellos Früchte bringen, wenn ich jetzt in zahlreichen persönlichen Begegnungen mit massgebenden Ententeleuten in Zürich, Bern und Genf Vertrauen zum neuen Deutschland zu schaffen suche, und ferner gewissen Hauptbeschwerden des neutralen und feindlichen Auslands gegen unsere weltwirtschaftlichen und diplomatischen Praktiken einmal auf den Grund gehe, damit so, im Verein mit ähnlichen Informationen anderer, den Zentralen unserer auswärtigen Politik Material zur Verfugung steht, auf Grund dessen allmählich neue Traditionen für unsere Diplomatie geschaffen werden können. Die Demokratisierung unseres Auslandsdienstes z. B. würde nicht nur in dessen parlamentarischen Kontrolle, sondern vor allem auch darin zu suchen sein, dass die Gesandtschaften und Konsulate in ganz anderm Stile als bisher die Sachkenner aller Volksschichten um sich scharen, und zugleich in einem neuen Geiste leitend auftreten, indem sie z. B. für den wirtschaftlichen Umgang mit dem Ausland einen Ehrenkodex entwickeln helfen, statt das Banditentum in der Handelskonkurrenz obendrein noch zu ermutigen. Ich werde Ihnen einiges recht Charakteristische mitteilen, was ich inbezug auf abstossende und einzig dastehende deutsche Geschäftsusancen gegenüber dem Auslande hier erfahren habe. Geht man jenen ganz Übeln Traditionen nicht an die Wurzel, so haben wir bloss wieder Mannesmannund andere Affären. Bei den Friedensverhandlungen wird man erst in ganzem Umfange erkennen, wieviel die Weltverärgerung über jene Praktiken zu den Vorbehalten Englands betreffend „Freiheit der Meere" beigetragen hat. Im grossen Publikum sind diese Dinge absolut unbekannt. Auch die anderen hatten ihre skrupellosen Elemente, bei uns aber waren gerade die tonangebenden Kreise skrupellos und fanden nirgends in der öffentlichen Meinung und in der Presse eine kontrollierende Gegenwirkung. Weiter oben erwähnte ich des ausserordentlichen Misstrauens der Entente inbezug auf Tiefe und Dauer der gegenwärtigen Umwälzung in Deutschland. Dieses Misstrauen richtet sich besonders auf den Ausgang der kommenden Neuwahlen. Die Entente fürchtet, dass dann die unbelehrbaren und noch nicht bekehrten Elemente wieder die alte Tonart reden und die alten Praktiken durchsetzen. Auf der anderen Seite wünscht auch sie nicht, dass die neue Richtung sich mit nur äusserlichen Mitteln, also durch autokratische Herrschaft einer bestimmten Volksgruppe behaupte, wodurch die Erziehung des deutschen Volkes zu wahrer Demokratie verhängnisvoll durchkreuzt werden müsste. Auch biete solche Gewaltherrschaft erst recht keine solide Garantie. Dieses Dilemma ist anscheinend unlösbar. Ich glaube man muss hier unbedingt und ohne Kleingläubigkeit die Konsequenzen des demokratischen Prinzips ziehen. Würde sich dann zeigen, dass eine wahrhaft demokratisch zustande gekommene Volksvertretung zunächst noch einen sehr grossen Teil des jetzt scheinbar überwundenen alten Deutschland wieder zur Geltung bringt, so muss man das in Gottesnamen hinnehmen, denn totschlagen oder äusserlich unter-
38 drücken kann man ja die Leute doch nicht, man muss vielmehr den Glauben haben, dass die Macht unserer geistigen Propaganda im Verein mit der erschütternden Sprache der Konsequenzen des von den „führenden" Klassen angezettelten und verlängerten Krieges doch allmählich einen so überwältigenden Teil des betrogenen deutschen Volkes auf unsere Seite bringt, dass wir in der Lage sind, alles dasjenige in organischer Entwicklung durchzusetzen, was durch eine blosse Autokratie von unten her doch nur künstlich und nur mit verhängnisvollen Konsequenzen für die jetzt doppelt notwendige innerpolitische Ordnung und Einigkeit gesichert werden könnte. Die Hauptsache würde dann eben sein, dass man im grössten Massstabe an die Aufklärung des deutschen Volkes geht, dessen Bildungsschichten ja in der Tat noch keine Ahnung von den wahren Ursachen des Krieges und der Kriegsverlängerung haben. Eine gewisse Hinausschiebung der Wahlen lässt sich ja ganz offen mit der Notwendigkeit einer solchen Aufklärung begründen und ebenso mit dem Hinweis darauf, dass die bisher führenden Klassen in ihrer Behandlung der weltpolitischen Fragen eine derartige Verblendung gezeigt und Deutschland dadurch an den Rand des Abgrunds gebracht hätten, dass es nur eine berechtigte Notwehr des leidenden deutschen Volkes sei, wenn es seine nächste und dringendste Rettungsaktion selbst in die Hand nehme und während derselben keine Mitwirkung der am schwersten kompromittierten Volksgruppen dulde — dabei kann man ja die ausdrückliche und nachdrückliche Zusicherung geben, dass von einem bestimmten Termin an unantastbar demokratisch organisierte Neuwahlen stattfinden würden und dass man sich allen Resultaten derselben ebenso fugen würde, wie man im gegenwärtigen Augenblicke Ordnung und Disziplin verlange. Mit diesen Bemerkungen wollte ich mich nicht mit meinem Rate aufdrängen — das mit Ententevertretern vielfach erörterte Thema regte mich nur dazu an, die Frage nach einem Auswege aus dem oben bezeichneten Dilemma mit ein paar Bemerkungen zu berühren. Ist eigentlich Ihre höchst eindrucksvolle Broschüre über Marokko bereits wieder im Buchhandel erschienen? Dieselbe wäre für die oben besprochene Aufklärung besonders wichtig. Könnte ich wohl einige Exemplare sofort hierher erhalten, um sie an massgebende Franzosen, vor allem auch an die Redaktion des „Journal de Genève" weiterzugeben? Es würde einen höchst günstigen Eindruck in Frankreich machen, dass der Verfasser dieser Broschüre der gegenwärtige Ministerpräsident Bayerns ist. In den letzten Tagen wurde ich wegen des Aussetzens aller bisher geltenden Vorschriften mehrfach um die Befürwortung von Pässen für die Einreise nach Bayern ersucht. Dem früher genannten Redakteur Horwitz wollte ich solche Befürwortung nicht versagen, da derselbe eine Empfehlung vom Vorstand der hiesigen sozialdemokratischen Partei brachte. Ich bitte jedoch um Instruktion in
39 Bezug auf diese Frage, da es ja doch sein kann, dass Gründe bestehen, bestimmte Elemente gar nicht oder doch nicht ohne Einvernehmen mit München passieren zu lassen. In diesem Augenblicke telephoniert mir ein französischer Kollege, der besonders gute Beziehungen zu den leitenden Pariser Blättern hat, ob ich ihm bald einen Pass nach München verschaffen könne. Ich glaube, dass solcher Besuch von grosser Tragweite wäre. Erbitte auch dafür Instruktion. Zum Schluss möchte ich den Hinweis nicht unterlassen, dass Berlin gut täte, die hier bisher im Exil befindlichen deutschen Demokraten Rösemeyer, Greiling, Fernau, die sich grosse Verdienste um das neue Deutschland erworben haben, nicht zu vergessen, sondern sie durch irgend ein Mandat heranzuziehen. Volksvorträge der Genannten in Berlin und München über die Kriegsursachen wären eine gute Vorbereitung für die Neuwahlen. Ich werde — auch zur Ordnung persönlicher Angelegenheiten — Ende kommender Woche auf drei Tage nach München kommen und mich dann sofort bei Ihnen melden. Darf ich für alle Fälle bitten, der Grenzbehörde Lindau die Anweisung zu geben, meine Frau und mich undurchsucht passieren zu lassen; ich bringe eine Reihe wichtiger Dokumente betreffend die deutsche Kriegführung mit. In aufrichtigster Hochschätzung bin ich, sehr verehrter Ministerpräsident,
Herr
Ihr ganz ergebener P r o f . Fr. W. F o e r s t e r .
Nr. 12 George D. Herron in Genf an Eisner und Jaff£ Telegramm
Genf, den 17. November 1918; 3 50 nachm.
Ich habe mein möglichstes getan, um den Präsidenten Wilson und die Entente-Regierungen zu überzeugen, dass Ihre Regierung vertrauenswürdig ist. Ihre beiden Telegramme mit meinen Begleitworten versehen wurden unverzüglich an den Präsidenten und an die Entente-Regierungen telegraphiert. Vor allem rate ich Ihnen dringend, möglichst viele deutsche Staaten zu überzeugen, Ihrer Führung zu folgen, zweitens die ersten Schritte zu einem vollen und offenen Bekenntnis der Schuld und Untaten der deutschen Regierung am Anfang des Krieges und an den Grausamkeiten der Kriegführung zu unternehmen. Die moralische Wirkung einer solchen Handlung wäre gewaltig und entscheidend. Drittens unternehmen Sie die ersten Schritte zur Berufung einer bayerischen oder deutschen Kommission,
40 die die verheerten Gebiete Frankreichs und Belgiens besuchen und Ihrem Ministerium unverzüglich darüber Bericht erstatten sollte. Ich bitte Sie, kühn, offen und unverzüglich zu handeln, nicht nur Deutschlands sondern der Zivilisation und der Menschheit wegen. G e o r g e D. H e r r o n
Nr. 13
Der Großsire Dr. Weiss an Großsire Frank Goudy, Denver, Colorado Telegrammentwurf
Ohne Datum
Die deutschen Oddfellows bitten den Großsire der Souveränen Grossloge dringend im Namen des Gesamtordens, bei der amerikanischen Regierung auf eine Milderung der unerhört harten Waffenstillstandsbedingungen hinzuwirken, besonders in der Frage der Volksernährung und auf Herbeiführung eines gerechten, jede Vergewaltigung abschliessenden Friedens, damit sich die Völker versöhnt die Hand reichen können zu gemeinsamer Arbeit im Dienste der Menschheit.*) Großsire Dr. W e i s s
Nr. 14
Der Ministerpräsident an Dr. Weiss Telegramm
München, den 17. November; io 60 vorm.
Anregung durch meine eigenen Schritte bei der Entente überholt, Waffenstillstandsbedingungen bedeutend gemildert und wesentliche Zusicherungen von Lebensmitteln bereits erhalten. Weitere Verhandlungen schweben. Kurt Eisner
!) Der bayerische Ministerpräsident wurde gebeten, diese Drahtung auf diplomatischem Wege nach Amerika weiterzugeben. Antwort in Stück 14.
41 Nr. 15 Der Ministerpräsident an den G e s a n d t e n Telegramm
Foerster
München, den 18. November 1918; io 3 0 vorm.
Ich bitte Sie folgendes Telegramm über Bundesrat Bern der Entente zu übermitteln: Wir bitten einer bayerischen Kommisson zu gestatten, dass sie die in Belgien und in Nordfrankreich durch die Okkupation deutscher Truppen verursachten Zerstörungen feststellt.*) Kurt
Eisner
Nr. 16 Die G e s a n d t s c h a f t in Bern an das Ministerium des Äussern Telegramm
Bern, den
18.
November
1918;
I230
vorm.
Längere Besprechungen mit verschiedenen Ententevertretern haben mir heute zur Gewissheit gemacht, dass es zur gegenwärtigen Stunde keine grössere Gefahr für den Fortgang der Nahrungsmittelzufuhr und fiir die Milderung der Waffenstillstandsbedingungen gibt, als die in Ententekreisen beginnende Befürchtung, dass in den neuen deutschen Regierungen bolschewistische Einflüsse die Oberhand gewinnen könnten oder bereits gewonnen haben. Manche Presseberichte aus Deutschland steigern diese Befürchtung; auch ist die Entente in den Besitz von Briefen deutscher Sozialisten gekommen, die eine Propaganda fide zur Revolutionierung der Arbeiterbewegung in den Ententestaaten enthielten. Obwohl die massgebende Entente vorläufig aus solchen Vorkommnissen noch keine weitergehenden Schlüsse zieht, sondern die ihnen bekannte Tatsache berücksichtigen will, dass russische Gelder und russische Stimmen zweifellos auf manche Elemente in Deutschland nicht ohne Einfluss bleiben konnten, so ist doch zu beachten, dass es in der Entente Hetzer gibt, die für eine militärische Besetzung ganz Deutschlands Propaganda fide machen, um so die bolschewistische Welle abzudämmen. Es wäre darum nichts wichtiger, als dass jetzt in Deutschland machthabende Kreise allen Anlass benutzen, um gerade durch den Mund ihrer radikalsten Wortführer deutlich zu erklären, dass man bei allem Radikalismus der sozialen Programme doch absolut nicht geneigt sei, den chaotischen Osten als Lehrmeister fiir deutsche Entwicklung anzuerkennen. Siehe Nr. 12.
42 Ich bin hier mit Erfolg tätig, die Entente zu überzeugen, dass sie den Bolschewismus — worunter sie lediglich die Anarchie und Gewaltmethode der sozialen Regenerationen versteht — am besten dadurch vorbeugen könne, indem sie die Frist der Demobilisierung verlängere, sich unmittelbar an der Verpflegung unserer Fronttruppen beteilige und vor allem die Drohung fallen lasse, dass die jenseits der bisherigen Frist noch anzutreffenden deutschen Truppen interniert werden würden, was entschieden an der Panik schuld ist, die gerade unsere Etappen ergriffen hat. Wie ist es nur möglich, dass der deutsche Militär-Attache in Bern, Major von Bismarck, immer noch nicht abberufen ist Dass dieser Bandit noch hier weilen darf, anstatt telegraphisch auf den W e g gebracht zu werden, macht hier den ungünstigsten Eindruck, da man weiss, dass er hier mit den schlimmsten Mitteln das bolschewistische Element unterstützt hat, als Sprengstoff gegenüber den Entente-Regierungen. Nicht nur seine schleunigste Abberufung, sondern auch diejenige seiner etwa 400 Helfershelfer ist dringend nötig, um Vertrauen zu schaffen. Foerster. von Böhm
Nr. 17
Der Gesandte in Bern an das Ministerium des Äussern Telegramm
Bern, den 19. November 1918; 300 nachm.
Ich bitte von allen Proklamationen und offiziellen Erklärungen der neuen Regierung umgehend und fortlaufend eine grössere Anzahl von Exemplaren der Gesandtschaft zuzustellen zum Zwecke der im gegenwärtigen Augenblicke besonders wichtigen Aufklärung über die Absichten der deutschen Regierung. Foerster Nr. 18
Der Gesandte in Bern an den Ministerpräsidenten Dringendes Telegramm
Bern, den 19. November 1918; 328 nachm.
Nach Einvernehmen mit massgebendsten Stellen bitte mir Antrag zur Weiterleitung geben: Alliierten-Kommission möge nach Bayern kommen, um sich persönlichen Eindruck vom neuen Geiste und von Nahrungsverhältnissen zu verschaffen. Gewährung wahrscheinlich und folgenreich. Foerster
48 Nr. 19 Der Ministerpräsident an den Gesandten in Bern Telegramm
München, den 19. November 1918; 11 00 nachm.
Bitte bei Alliierten anregen, dass sie eine Kommission entsende, um sich persönlich vom neuen Geiste zu überzeugen. Kurt
Eisner
Nr. 20 Der Gesandte in Berlin Dr. Mückle an den Ministerpräsidenten Berlin, den 19. November 1918 Sehr verehrter Herr Eisneri Gestern abend, am 18. November, hatte ich eine lange Unterredung mit Maximilian Harden, der sich in einer verzweifelten Stimmung befindet. Harden stimmt mir in der Beurteilung der politischen Lage vollkommen zu, und da ich nicht als Privatmann vor Harden stand, so erklärte er, durch mich erst habe er wieder einen Lichtblick gewonnen. Er bedaure sehr, mich nicht früher gesprochen zu haben, viele Qualen wären ihm erspart geblieben. Harden und ich beurteilen die politische Lage folgendermassen: 1. Die herrschenden Regierungsmänner sind unfähig, die grossen Aufgaben zu lösen, die in diesem Augenblick das niedergeworfene, von Kräften des Aufruhrs durchzuckte Deutschland bedrängen. Harden bekräftigt mein Urteil: es handelt sich um Klein- und Spiessbürger oder doch um Menschen ohne Leidenschaft und Schwung, denen die Revolution kein heiliges Erbe ist, das es zu mehren gilt, sondern irgend ein politischer Vorgang, den man hinnimmt, wie einen Punkt der Tagesordnung einer Parlamentssitzung. Während m Bayern förmlich lebensdurstige Kräfte aufquellen, ein Drang zur Höhe die Massen belebt und ein feierlicher Ernst das gewaltige Ereignis weiht, herrscht in Berlin Verdrossenheit, eine bange Schwüle. Man hat den Eindruck, als ob das Ideal des Sozialismus die Regierungsmänner kalt Hesse, das Wort Sozialismus, mag es auch in eine ferne Zukunft weisen, verpönt wäre. So ist die Folge, dass die den Kreisen der Reaktion angehörenden denkenden Geister die Bewegung belächeln, als einen Vorgang ohne fortwirkende Kraft betrachten. Ebert mag ein aufrichtiger, pflichteifriger Mensch sein: jeder weite Blick, jede Selbständigkeit in der Beurteilung der Lage, der politische Instinkt, der das erst Werdende wittert, geht ihm ab.
44 Erzberger, den ich gestern sprach, hat man richtig als den süddeutschen Scheidemann bezeichnet. Auch ich habe den Eindruck bekommen, dass er bei allem Fleiss seiner Aufgabe nicht von ferne gewachsen ist. Er ist ein Kleinbürger ohne tiefere Bildung, ein Emporkömmling, dessen wichtigste Sorge war, zu fragen, ob ich mich mit Exzellenz anreden lasse. Und Männer solchen Schlages sollen dazu berufen sein, ein Volk, das in einem Abgrund stöhnt, wieder ans Licht zu fuhren. Harden ist verzweifelt, ich selbst aber komme aus dem Staunen nicht heraus, dass derartiges überhaupt möglich ist. 2. Die Reaktion ist im Anzug: Die proletarischen Gruppen bekämpfen sich in leidenschaftlichster Weise, während auf der anderen Seite eine ganze Reihe der schlimmsten Vertreter des alten Systems wichtige Positionen innehaben (Auswärtiges Amt, Auslandsvertretung u. a.). Die Offiziere, deren Geist sich selbstverständlich nicht von heute auf morgen gewandelt, wagen sich wieder keck hervor, im Reichskanzlergebäude — ein typischer Fall, den ich selbst erlebt — schreit ein Regierungsrat mit junkerlicher Stimme, dass die Halle erdröhnt, im Osten bemächtigen sich hohe Offiziere der Soldatenräte. 3. Die Gefahrdung durch Liebknecht ist gross: Harden wie ich geben Liebknecht recht, wenn er betont, dass die Revolution eine Halbheit, ja weniger als dies ist, und dass es ein Leichtes sein wird, sie abzuwürgen. Liebknechts Hass richtet sich wohl auch gegen die Vertreter des alten Systems, vor allem aber, wie er sich ausdrücken könnte, gegen die Verräter unter den Sozialisten. Aber wenn Liebknecht die Diktatur des Proletariats preist und den Terror heilig spricht, so birgt eine solche Agitation ungeheure Gefahren. Sollte es Liebknecht gelingen, mit seinem Geiste grössere Arbeitermassen zu entflammen — und mit dieser Möglichkeit muss gerechnet werden — s o ist nicht nur nicht an Friedensschluss zu denken, sondern es muss selbst damit gerechnet werden, dass die Entente mit eherner Hand Ordnung schafft. Was das bedeutet, brauche ich nicht auszumalen. Süddeutschland, insbesondere Bayern, müssen unbedingt zu den Berliner Vorgängen Stellung nehmen. Siegt die Reaktion — und die heutige Regierung ist alles andere wie ein Wall gegen sie — dann werden selbstverständlich die Ergebnisse der Revolution des Südens in Frage gestellt. Schafft die Entente Ordnung, so sinken wir in die tiefste Tiefe der Erniedrigung. Wir Süddeutschen allein bilden einen festen Mittelpunkt in diesem Wirbel, der uns hier umbrandet. Wir verfügen über Machtmittel, die vielleicht stark genug sein könnten, die Klärung und Festigung herbeizufuhren. Um die versinkende Flamme des revolutionären Geistes zu beleben, müssen wir verlangen (das ist auch Hardens Meinung) a) s o f o r t i g e V e r ö f f e n t l i c h u n g d e r G e h e i m a k t e n , V e r h a f t u n g der S c h u l d i g e n , E i n f ü h r u n g eines S t a a t s g e r i c h t s h o f e s . Damit würde man Liebknecht zu einem gutem Teil das Wasser abgraben.
45 b) Es sollte versucht werden, die R e g i e r u n g s o f o r t v o n d e n u n f ä h i g e n E l e m e n t e n zu s ä u b e r n . Eine Regierung muss gebildet werden, die aus überzeugten, starken, hochgebildeten Männern sich zusammensetzt, die auch vor den Augen der Feinde bestehen können, und es ist sehr zu erwägen, ob nicht L i e b k n e c h t aufzunehmen wäre, um ihn, der gefahrlich ist wie ein Sprengstoff, zu versöhnen. Sollte die Reichsregierung unseren ernstesten Vorstellungen kein Gehör schenken, so miissten w i r d e n A b f a l l d e s S ü d e n s w e n i g s t e n s a n d r o h e n . Preussen hat uns in das Unglück des Krieges gestürzt, es soll uns nicht noch tiefer in den Abgrund, aus dem wir uns herauszuarbeiten suchen, hinabdrücken. Die Lage ist sehr ernst. Der Hamburger Soldatenrat verlangt die Verlegung des Reichsmarineamtes nach Hamburg, in Sachsen macht sich ein gefahrlicher Radikalismus geltend, kurz, während im Süden Ordnung herrscht, grollen im Norden dämonische Kräfte, die irgendwie gebändigt werden müssen. Vielleicht ist es gut, wenn Sie den Ministerrat einberufen, auf dass ich mit Vollmachten ausgestattet werden kann. Es muss sofort gehandelt werden. Harden ist weitaus der bedeutendste der Politiker, den ich bisher gesprochen habe. Eine gewisse Leidenschaft ist ihm nicht abzusprechen, an Bildung überragt er die anderen unendlich. Heute Abend wird er sich bei mir einstellen. Ich glaube, dass H a r d e n a l s D e l e g i e r t e r b e i d e n F r i e d e n s v e r h a n d l u n g e n schon seines Ansehens wegen, das er auf Seiten der Entente geniesst, Grosses leisten könnte. Wie stellt sich die Bayerische Regierung zu einer Entsendung Hardens? Ich erfahre soeben, dass der Vollzugsausschuss der Berliner Soldatenräte fiir Hinausschiebung der Einberufung der konstituierenden Versammlung ist. Der Gesandte Fr. M ü c k l e Nr. 21
Das Schweizer Komitee zur Vorbereitung des Völkerbundes an die bayerische Volksregierung Telegramm
Basel, den 20. November 1 9 1 8 ; Ii 4 0 nachm.
Wichtigste Gründe, vor allem Wilsons Europareise, erfordern (in) deutschem Interesse dringend Bildung verhandlungsfahiger Regierung spätestens Mitte Dezember. Empfehlen ausnahmsweise Zulässigkeit Ausübung Wahlrechts am Aufenthaltsort auf Grund Geburtsschein oder Militärpass, welche zur Vermeidung Doppelwahl vom Wahlburo
46 abgestempelt werden. Hierdurch Wählerlisten überflüssig. Aufstellung Kandidatenliste vornehmen Parteileitungen endgültig spätestens Wahltag. Parteiinteresse gewährleistet Erfüllung lokaler Wünsche. Wahlzettel enthält statt Namen Ordnungsnummer der Parteiliste. Anerbieten detaillierten Vorschlag. Schweizer Komitee Vorbereitung Völkerbundes Bern
Nr. 22 Der Ministerpräsident an die bayerische Gesandtschaft in Berlin Telegramm
München, den 21. November 1918; 4*° nachm.
Ersuche sofort namens bayerischer Regierung bei Reichsregierung Schritte zu tun, dass Urkunden über Ursprung Kriegs umgehend veröffentlicht werden.*) Das ist das einzige Mittel, um zu erreichen, dass Friedensverhandlungen im Gefühl gegenseitigen Vertrauens geführt werden. Bitte bei Waffenstillstandskommission sich zu beteiligen, am besten Dr. Mückle persönlich. Wenn dauernd nicht möglich, von Schoen abordnen und dann Dr. Mückle zeitweise beiwohnen. Äusseres Ministerium Kurt Eisner
Nr. 23 Der Gesandte in Bern an den Ministerpräsidenten Bern, den 21. November 1918 Hochgeehrter Herr Ministerpräsident! Montag abend werde ich mit Herrn Dr. Muehlon in München eintreffen, möchte jedoch nicht unterlassen, einige besonders wichtige Angelegenheiten schon vorher darzulegen oder andeutend zu besprechen. Zunächst kann ich mitteilen, dass ich vorgestern vom Bundespräsidenten anerkannt worden bin. Schon vorher hat der Bundespräsident alle ihm von mir übermittelten Bitten der bayerischen Regierung umgehend an die Entente weitergeleitet. Wegen der Vielköpfigkeit der Adressaten ist natürlich eine schnelle Antwort nicht ^Vgl. Nr. 20.
47 zu erwarten. Das zuletzt mir telegraphierte Ersuchen betreffend Gennersheim 1 ) habe ich besonders dringend gemacht, da dasselbe ja auch mit dem schweizerischen Grenzschutz zusammenhängt. Ich bin übrigens auf Grund des mir von der Entente entgegengebrachten Vertrauens in der Lage, schon jetzt direkt mit den fremden Gesandtschaften zu verkehren; gestern abend war ich bei dem italienischen Gesandten und habe ihm besonders ans Herz gelegt, es möge dafür gesorgt werden, dass bald Südfrüchte nach Bayern kommen. Soeben höre ich, dass der Gesandte die betreffende Anregung mit besonderem Nachdruck weitergegeben und die Aussicht auf baldige Berücksichtigung gemacht hat. Es herrscht überall auf jener Seite jetzt guter Wille, uns zu helfen, ganz besonders zu Bayern hat man Vertrauen; es fehlt aber noch an Organisation der Hilfeleistung. Diese kann meines Erachtens nur dann gefördert werden, wenn ein bis zwei Sachverständige aus Bayern baldigst hierher kommen und den Vertretern der fremden Mächte hier ganz konkret Bayerns Bedürfnisse und Wünsche darlegen. Diese Aktion sollte unabhängig von der erbetenen Entente-Kommission, deren Aufgabe wohl mehr Information sein wird, sofort erfolgen. Ich habe alles hier so vorbereitet, dass die betreffenden Herren in meiner Abwesenheit sich hier im Bernerhof an Kommerzialrat Meinl wenden können, der alles andere vermittelt, d. h. die Herren sofort mit der Entente in Verbindung setzen wird. Die Lage scheint mir so zu sein, dass die Bauern ja noch genug haben, aber weniger wie je hergeben, weil die militärischen Zwangsmittel an Kraft verlpren haben. Da bleibt eben doch nur das Mittel, daß man bald eine f e s t e Z u s a g e von der E n t e n t e bekommt, worauf man dann in der Presse auf das Kommen des Ententegetreides hinweisen müsste. Die Bauern werden dann, wenn sie den Weltmarktpreis bekommen, in den Überschusszentren sehr gerne hergeben. Der Staat müsste dann auf offenem Markte kaufen und die Differenz zwischen dem jetzigen Preise und dem Weltmarktpreis durch Anleihe decken. Wir haben zuviel Zwangswirtschaft getrieben, man muss mehr mit der Bauernnatur rechnen, besonders in der jetzigen Krise. Das beifolgende Exposé des Herrn Kommerzialrat Meinl aus Wien, Sachverständigen der Wiener Regierung, begründet die hier angedeuteten Notwendigkeiten eingehender.2) Betreffend die Gerüchte über Unterstützung des B o l s c h e w i s mus durch die leitenden sozialistischen Kreise möchte ich bemerken, dass meine Haupttätigkeit hier darin bestanden hat, das ungeheure und Dringendes Telegramm des Ministerpräsidenten vom 20. November 1918; io 0 0 nachm: „Ersuchen dringendst, bei Entente zu vermitteln, dass das grosse Russenlager in Germersheim unter, der Bewachung der deutschen Soldaten bleibt, bis es den Franzosen übergeben werden kann. Sonst schwerste Unordnungen befürchtet." 2)
Das Gutachten behandelt die angedeuteten wirtschaftlichen Fragen.
48 täglich neue Nahrung ziehende Misstrauen gegen das neue Deutschland zu zerstreuen. Natürlich konnte ich das Gerücht widerlegen, dass die bayerische Regierung oder die jetzige Reichsleitung irgendwelche Agitation in jener Richtung treibe. Ich habe den Herrn Bundespräsidenten gebeten, mir, wenn irgend möglich, von der Entente Beweise zu verschaffen. Er scheint das für recht schwierig zu halten, da die Entente ihre Gewährsmänner natürlich nicht gerne ins Licht setzt. Heute kam jedoch ein Mitglied der französischen Botschaft zu mir und nannte mir die Namen folgender deutscher Sozialisten, die am 14. in La Chaux-de-Fonds mit französischen Sozialisten zusammengekommen seien: Sassenbach, Huber, Achille Graber ?, Bauer, Gewerkschaftsvorsitzender aus Frankfurt. Nun ist es möglich, dass die Betreffenden keine Bolschewisten, sondern sogar Mitglieder der Mehrheitssozialisten sind, die auf eigene Hand oder im Auftrage lokaler Zentren versuchen wollten, die französischen Sozialisten gegen die Waffenstillstandsbedingungen der Entente mobil zu machen, ohne deshalb gleich Revolution in Frankreich anfachen zu wollen. Gleichwohl würde auch ein solcher Versuch ein Beweis jener Illoyalität sein, die man den bisherigen deutschen Regierungen vorwirft: Man verhandelt offiziell mit den bestehenden Regierungen und treibt hintenherum noch eine Politik der Aussaat von Zwietracht in den Reihen der Gegner. Ich habe übrigens all jenen Gerüchten gegenüber hervorgehoben, dass die deutschen Regierungen natürlich nicht für Machenschaften verantwortlich seien, die von kleinen Gruppen extremer Elemente ausgingen, wie sie in allen Ländern vorhanden seien. Bei all diesen Bemühungen habe ich immer wieder gesehen, wie sehr jetzt alles darauf ankommt, dass alles vermieden wird, was jenem Misstrauen neue Nahrung gibt. Deutschlands Leben hängt an einem Faden! Unbegreiflich war es von diesem Standpunkte aus, dass Scheidemann neulich den Vertreter der von deutschem Gelde bezahlten antienglischen Propagandazeitung „Continental Times" als geeignet befand, über den englischen Hungerkrieg — der doch durch unser Minenlegen und unsere U-Boote provoziert war — zu schelten und das in dem gleichen Augenblick, in dem in der englischen öffentlichen Meinung die Ansicht durchdringt, dass Deutschland geholfen werden müssei Im Anschluss an diese Feststellung ist auch ein Wort über die ganz verzweifelte Situation der deutschen Gesamtvertretung in Bern zu sagen. Ist es nicht ein gänzlich unhaltbarer Zustand, dass jetzt in diesem Mittelpunkt internationaler Beratung und Verständigung das grosse Deutsche Reich einen Gesandten hat, der von einer leitenden Zeitung des Landes als „moralisch nicht existierend" bezeichnet wird und der jedenfalls als Vertreter des alten Systems völlig isoliert dasteht. Herr von Romberg ist persönlich ein Ehrenmann, es sind aber unter seiner Leitung Dinge passiert, für die er nun doch einmal als der oberste Vertreter Deutschlands am hiesigen Orte verantwortlich gemacht wird. Jeder neue Tag bringt mir neue Beweise dafür,
49 dass die Entente diesen Zustand der deutschen Vertretung als ein Zeichen dafür betrachtet, dass in Berlin noch nicht verstanden wird, was die Stunde geschlagen hat. E s rächt sich jetzt aufs Schwerste die frühere Verbindung der deutschen Regierung mit dem Bolschewismus: Auch massgebende schweizerische Kreise haben den Verdacht, dass noch jetzt gewisse Gruppen des Personals der deutschen Gesandtschaft die unterminierende Bombenpolitik des Militärattaches von Bismarck fortsetzen. Schleunigste Beendigung dieses Zustandes ist zu wünschen . . . Für Bayerns neue Regierung treffe ich überall die aufrichtigste Sympathie; auch gestern abend beim italienischen Gesandten; Berlin hingegen gilt als undurchdringliches Geheimnis. Man fürchtet von dorther eine „imperialistische Republik". Ich habe das wachsende Vertrauen zu Bayern benutzt, um den beifolgenden Kommentar zu Ihrem Ersuchen um Sendung einer Kommission in die Hände der hiesigen Entente-Vertreter zu bringen.4) Vertrauliche Behandlung ist schon deshalb gesichert, weil die Herren offiziell noch keinen direkten Verkehr mit mir haben dürfen. Ich glaubte mit jenem Kommentar im Sinne Ihrer Worte zu handeln, „aie besondere Form der bayerischen Revolution in ihrem moralischen Einflüsse geltend zu machen". Es ist augenblicklich von hoher politischer Bedeutung, der Entente, gerade weil sie Berlin mit grösstem Misstrauen betrachtet, ohne den dortigen Schwierigkeiten gerecht werden zu können, die Perspektive zu eröffnen, dass Bayern die Klärung der politischen Entwicklung in Deutschland entscheidend bestimmen werde. Einen ganz ausgezeichneten Eindruck hat das kürzlich in den M. N. N. veröffentlichte Programm der bayerischen Regierung überall gemacht. Was das schwer bedrückte deutsche Volk jetzt fast noch mehr braucht als materielle Nahrung, das sind solche erhebende Perspektiven. Ich habe hier viele Anträge bekommen, mich interviewen zu lassen, wollte mich aber über prinzipielle Probleme und politische Absichten nicht ohne enge Einvernahme mit der bayerischen Regierung aussprechen. In ausgezeichneter Hochachtung Ihr ergebenster Fr. W . F o e r s t e r i) Es folgen Mitteilungen über organisatorische und geschäftliche Angelegenheiten der Gesandtschaft, hier ohne Bedeutung. *) Der Kommentar besagt, eine solche Kommission würde sich von der bedrohlichen Ernährungslage der untern und mittleren Schichten überzeugen können, aber auch davon, dass das neue Regiment in Bayern auf moralischer Basis beruhe, und dass sein Geist geeignet sei, dasjenige politische und soziale Programm durchzusetzen, mit dem a l l e i n Deutschland wieder aufgebaut und die Welt vor der Gefahr des Bolschewismus bewahrt werden könne. Durch ünmittelbare Augenscheinnahme würden die Alliierten Vertrauen fassen und andererseits würde durch solche Beihilfe das Ansehen der bayerischen Regierung nicht nur im Lande, sondern auch im deutschen Norden gestärkt. 4
50 Nr. 24
Der Gesandte in Bern an den Ministerpräsidenten Telegramm
Bern, den 22. November 1918; 850 nachm.
Mit Bezug auf ankommenden Bericht möchte ausdrücklich hervorheben, dass meine provisorische und sozusagen inoffizielle Anerkennung durch die Bundesbehörde nicht mit der eigentlichen Akkreditierung identisch ist. Foerster Nr. 25
Der Ministerpräsident an den Gesandten in Bern Telegramm
München, den 22. November 1918; 900 vorm.
Der Bayerische Ministerpräsident empfing eine Abordnung von 15 Franzosen aus dem Gefangenenlager Puchheim. Er hielt eine Ansprache an sie, in der er seiner alten Bewunderung für Frankreich Ausdruck verlieh und die Gefangenen bat, bei ihrer Wiederkehr in der Heimat zu wirken, dass ein Zustand des Vertrauens und der Freundschaft zwischen den beiden Völkern fiir immer geschaffen würde. Er versprach Sorge zu tragen, dass die Gefangenen möglichst rasch uncl sicher abtransportiert werden. Ein Sprecher der Gefangenen versicherte dem Ministerpräsidenten, dass sie in seinem Sinne wirken wollten. Die Deputation war auf Ersuchen des Ministerpräsidenten erschienen. — Dass ich in Sachen Bolschewismus und sonst ganz ihrer Meinung bin, ist Ihnen bekannt. Ich habe im November 1917 schon in einer öffentlichen Versammlung gegen den Bolschewismus Stellung genommen und seitdem auch in der russischen Presse selbst ihn bekämpft. Die Berliner Regierung scheint mir ganz unmöglich. Ich werde persönlich versuchen, dort umgestaltend zu wirken. — Redakteur Horwitz, der ein Wirrkopf ist, hat hier einigen Leuten den Kopf verdreht. Kurt Eisner Nr. 26
Amtliche Mitteilungen aus bayerischen diplomatischen Aktenstücken in der Korrespondenz Hoffmann am 23. November 1918 (Siehe oben Seite 3 ff.)
51
IV Nach der Enthüllung Nr. i
Erklärung früherer bayerischer Minister vom 25. November Amtliche Pressemitteilung Im Ministerrat des Volksstaates Bayern lag heute folgende mündliche Erklärung der Herren Staatsminister von Thelemann, von Breunig und von Knilling vor: „Wir erklären hiermit, dass wir von dem gestern durch die Presse bekanntgegebenen Bericht des bayerischen Gesandten in Berlin und den darin behandelten Tatsachen bisher weder amtlich noch privat die geringste Kenntnis erhielten oder hatten." Dieser Erklärung hat sich auch der frühere Verkehrsminister von Seidlein angeschlossen. Der Ministerrat hat von sich aus beschlossen, diese Erklärung zu veröffentlichen. Nr. 2
Halbamtliche Mitteilung des Auswärtigen Amtes Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 600
25. November 1918
Die amtliche Korrespondenz der bayerischen Republik veröffentlichte gestern Auszüge aus den Gesandtschaftsberichten, die der ehemalige Bevollmächtigte Bayerns beim Bundesrat, Graf L e r c h e n f e l d , von Berlin aus in den kritischen Tagen vor Ausbruch des Krieges an seine Regierung gesandt hat. Die Veröffentlichung entspringt der Absicht der jetzigen bayerischen Regierung, über die Vorfalle, die zum Kriege führten, und über die p e r s ö n l i c h e S c h u l d f r a g e dem deutschen Volke rückhaltlos die Wahrheit zu sagen. In diesem ernsten Willen wird sie nicht nur von allen Schichten des Volkes selbst, sondern auch von der jetzigen Reichsregierung unterstützt, die unseres Wissens ebenfalls mit einer zweifelfreien dokumentarischen Geschichte der Entstehung des Krieges aus den Akten des Auswärtigen Amtes beschäftigt ist.
52 Bei dieser Sachlage muss es fraglich erscheinen, ob eine b r u c h s t ü c k w e i s e V e r ö f f e n t l i c h u n g von Dokumenten der Absicht, einer vollen Aufklärung zu dienen, geeignet ist. So wenig der neue Kurs in Deutschland Anlass hat, irgend etwas zu vertuschen oder Schuldige zu decken, so wenig kann er seine Aufgabe darin erblicken, einseitige Anklagen auf die ehemalige deutsche Regierung zu häufen und unter Freisprechung der imperialistischen Ententepolitik das geschichtliche Urteil vorzeitig dahin festzulegen, dass Deutschland die alleinige Schuld am Kriege trage. Aus den Berichten des Grafen Lerchenfeld scheint nun das eine deutlich hervorzutreten, dass die deutsche Regierung, entgegen ihren Behauptungen, die ö s t e r r e i c h i s c h - u n g a r i s c h e Note an Serbien zwar nicht wörtlich, wohl aber inhaltlich bereits am 18. Juli 1 9 1 4 , also eine Woche vor ihrer Überreichung in Belgrad, gekannt hat, und dass sie wusste, dass „Serbien derartige mit seiner Würde als unabhängiger Staat unvereinbare Forderungen nicht annehmen" konnte. Aus seinen Unterhaltungen mit dem damaligen Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, Herrn Z i m m e r m a n n , hatte Graf Lerchenfeld den Eindruck, dass die deutsche Regierung entschlossen war, Österreich-Ungarn zu einer Auseinandersetzung mit Serbien zu ermutigen und ihm dabei selbst auf die Gefahr eines Krieges mit Russland hin Blankovollmacht zu geben, weil sie überzeugt war, dass die fortschreitende Zersetzung der Nationalitäten im Habsburgischen Reiche dieses bald aktionsunfahig machen würde. Im übrigen bezieht sich der Inhalt der Lerchenfeldschen Berichte auf die Meinungen und Spekulationen, von denen die deutschen fuhrenden Staatsmänner (genannt ist nur Herr Zimmermann) in bezug auf den Verlauf der Krise und die vermutliche Haltung der Entente beherrscht wurden. Es scheint daraus hervorzugehen, dass man in Berlin verhängnisvollerweise annahm, der gutartige Verlauf der bosnischen Krise von 1908 werde sich wiederholen und Österreich-Ungarn mit dem gestärkten politischen Ansehen, dessen es bedurfte, daraus hervorgehen. Die Veröffentlichung der Münchener Regierung, die wir aus dem oben angegebenen sachlichen Grunde bedauern, hat naturgemäss dort das grösste Aufsehen erregt, wo man die r e l a t i v e B e d e u t u n g dieser bruchstückhaften Wahrheiten nicht erkennen kann oder nicht erkennen will. Es kann auch nicht ausbleiben, dass das feindliche Ausland und parteiische neutrale Stimmen sich des gebotenen Stoffes bemächtigen, um in der Schuldfrage ein endgültiges Urteil zu Lasten Deutschlands zu sprechen. Im N a m e n d e r W a h r h e i t l e g e n w i r d a g e g e n V e r w a h r u n g e i n . Es soll rücksichtslos volle Klarheit geschaffen werden. Nachdem die Veröffentlichung aus russischen Archiven durch die revolutionäre Regierung die Schuld der zaristischen Regierung klar erwiesen hat, ist die neue deutsche Regierung bereit, festzustellen, ob Deutschland eine M i t s c h u l d trifft. Das ganze Gleichgewicht der historischen
53 Wahrheit jedoch wird erst hergestellt sein, wenn auch die Pariser und Londoner Archive durch das französische und englische Volk geöffnet sein werden. Um aber zu verhüten, dass unzulängliche Enthüllungen in diesen Prozess der historischen Gerechtigkeit störend eingreifen, möchten wir hoffen, dass die zusammenfassende Darstellung der Ursachen des Weltkrieges durch die deutsche Regierung tunlichst beschleunigt werde. Nr. 3 Amtliche Mitteilung der bayerischen Gesandtschaft in Berlin Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 600
25. November 1918
Die bayerische Gesandtschaft teilt hierdurch mit, dass der erste der gestern veröffentlichten bayerischen Gesandtschaftsberichte nicht vom Grafen Lerchenfeld, sondern von Dr. Plans v o n S c h o e n abgefasst ist. Nr. 4 Entgegnung Bethmann Hollwegs Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 603
27. November 1918
Der ehemalige Reichskanzler v. Bethmann Hollweg erklärt einem Vertreter der Deutschen Allgemeinen Zeitung folgendes: Ich bin dankbar, dass Sie mir Gelegenheit geben, mich zu den bayerischen Veröffentlichungen über den Ursprung des Krieges zu äussern. Ich habe ein mindestens ebenso grosses Interesse daran, die Wahrheit festzustellen, wie die bayerische Regierung. Mir scheint aber, dass, wenn man der Wahrheit dienen will, man nicht Bruchstücke herausgreifen und aus Ihnen Gesamtfolgerungen ziehen darf, wie es, soweit ich sehe, ein Teil der Presse schon tut. Die bisherigen Veröffentlichungen der bayerischen Regierung beziehen sich lediglich auf den österreichisch-serbischen Konflikt und auf unsere Stellung dazu, berücksichtigen also weder die Gesamtsituation, noch die Vorgänge, welche sich an den Konflikt mit Serbien angeschlossen haben. Lassen Sie mich die entscheidenden Linien bezeichnen, soweit das in einem kurzen Gespräch und ohne die Zuhilfenahme von Aktenmaterial möglich ist.
54 Es ist vollkommen richtig, dass wir Österreich beigestimmt haben, als es nach dem Attentat von Serajewo ein Vorgehen gegen Serbien für nötig erklärte, dass wir uns auch zur Erfüllung unserer Bündnispflichten ausdrücklich bereit erklärten, falls sich aus dem Vorgehen gegen Serbien weitere kriegerische Komplikationen ergeben sollten*). Wir haben deshalb auch nie und in keiner Form, also auch nicht durch den Hinweis auf die Nordlandsreise des Kaisers und auf den Urlaub des Generalstabschefs und des Kriegsministers behauptet, wir seien durch die Aktion Österreichs überrascht worden. A l l e r d i n g s h a b e n wir den W o r t l a u t des U l t i m a t u m s v o r s e i n e r A b s e n d u n g n i c h t g e k a n n t . Die gegenteilige Behauptung ist, jedenfalls soweit meine Person in Betracht kommt, unrichtig. Ich habe das Ultimatum auch, nachdem es danach zu meiner Kenntnis gekommen war, für zu scharf gehalten, und unsere Politik hat dieser meiner Ansicht im Verlauf der Dinge vollkommen Rechnung getragen. Doch davon hernach. Zunächst über die Gründe unserer Stellung zu dem Vorgehen Österreichs gegen Serbien. Wie lag die p o l i t i s c h e G e s a m t s i t u a t i o n ? Heute wird wohl niemand mehr bestreiten wollen, dass die grosse Politik Frankreichs seit 1871 unverrückbar auf die Wiedergewinnung Elsass-Lothringens, diejenige Russlands, mit besonderer Schärfe seit dem japanischen Kriege, auf die Beherrschung Konstantinopels gerichtet war. Russland betrieb gleichzeitig in Verfolgung dieser seiner Pläne durch Vermittlung Serbiens eine systematische Aushöhlung der Stellung Österreich-Ungarns auf dem Balkan. Beide Mächte verfolgten damit Ziele, die nur durch kriegerische Lösung verwirklicht werden konnten, und beide Mächte erfreuten sich in ihrer Gesamtpolitik der ausgesprochenen Unterstützung Englands. Dass d i e s e S i t u a t i o n f ü r D e u t s c h l a n d l e b e n s g e f ä h r l i c h war und immer lebensgefährlicher wurde, je mehr die Stellung seines österreichischen Bundesgenossen durch die mit russischer Beihilfe erfolgenden serbischen Umtriebe geschwächt wurde, liegt auf der Hand. Man muss sich dabei daran erinnern, dass das grosse Programm des Präsidenten Wilson über den versöhnenden Völkerbund, das ja auch heute noch auf seine Verwirklichung wartet, jedenfalls damals noch keinerlei Geltung hatte, dass nationale Selbstbeschränkung im Interesse der Aufrechterhaltung des Friedens durchaus noch nicht als allgemeines Gebot internationaler Moral angesehen wurde, dass vielmehr vielen ungehemmter Machtwille als nationale Tugend und der Krieg als loyales Mittel zu seiner Betätigung galt. Ich meine, der russischjapanische Krieg, der Burenkrieg, der italienisch-tripolitanische Krieg sind dafür klassische Beweise. Mit diesem Zustand musste Deutschland rechnen, wenn es die Bedeutung der serbischen Machenschaften gegen Österreich-Ungarn richtig einschätzen wollte. Und das war der Grund, der einzige Grund, weshalb Deutschland dem Vorgehen gegen l
) Ygl. Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch Nr. 15 u. 26.
55 Serbien zustimmte. Duldete Österreich-Ungarn tatenlos seine weitere Unterminierung, so musste Deutschland einem Zustand entgegensehen, wo es, sozusagen bündnislos, der auf die russische Allianz und die englische Freundschaft gestützten Revanchepolitik Frankreichs allein gegenüberstand. W i e wenig es in unserer Absicht lag, den allgemeinen Krieg zu entfesseln, ergibt sich aus unserer gesamten weiteren Haltung. Ich darf die entscheidenden Momente kurz rekapitulieren. Unser Bestreben, den ö s t e r r e i c h i s c h - s e r b i s c h e n K o n f l i k t z u l o k a l i s i e r e n , war durchaus kein abwegiger Gedanke. Niemand anders als Sir Edward Grey hatte ihn mit aller Energie zu dem seinigen gemacht und unterstützt. Gescheitert ist unsere Absicht lediglich an Russland, das sich für berechtigt hielt, den Konflikt vor sein Forum zu ziehen. Nunmehr setzten unsere Vermittlungsversuche zwischen Wien und Petersburg ein. Sie erinnern sich, dass England zu diesem Zweck zuerst eine Konferenz vorschlug, sich dann aber ausdrücklich unserem Vorschlag eines direkten Meinungsaustausches zwischen Wien und Petersburg anschloss. Sie erinnern sich weiterhin, dass wir das Wiener Kabinett energisch aufforderten, die zwischen ihm und dem Petersburger Kabinett entstandenen Missverständnisse zu beseitigen, und ihm in der denkbar schärfsten Form zu erkennen gaben, wie wir zwar bereit seien, unsere Bundespflichten zu erfüllen, es aber ablehnen müssten, uns von ÖsterreichUngarn durch Nichtbeachtung unserer Ratschläge in einen Weltbrand hineinziehen zu l a s s e n . G l a u b e n Sie, dass man seinem Bundesgenossen, seinem einzigen Bundesgenossen gegenüber eine solche Sprache fuhrt, gleichzeitig aber den Krieg will, den man ohne diesen Bundesgenossen gar nicht ausfechten kann ? Sie erinnern sich endlich, wie infolge unserer Bemühungen die Konversation zwischen Wien und Petersburg in Fluss kam, als Russland plötzlich und entgegen den uns ausdrücklich gegebenen Versicherungen seine ganze Armee mobil machte. Dass diese General mobilmachung der Krieg war, der von einer allmächtigen Partei Russlands gewollte Krieg — nun ich meine, daran kann nach den Enthüllungen des Prozesses Suchomlinow kein Mensch mehr einen Zweifel haben. Das sind Tatsachen, die durch nichts aus der Welt geschafft werden können. Uns die Schuld am Kriege aufbürden, heisst Gegner für schuldlos erklären, die jahrzehntelang vereint Pläne betrieben, die sie nur bei kriegerischer Explosion verwirklichen konnten, es uns aber verwehren, uns dagegen aufzulehnen. Das ist nicht Recht, das ist Unrecht. Der ehemalige Kanzler erörtert sodann noch die Frage, wie es kam, dass trotz dieser Tatsachen, über die er wiederholt im Reichstage gesprochen habe, die Schuld Deutschlands l)
Vgl.: Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch Nr. 395, 396 u. 441.
56 zur Überzeugung fast der ganzen Welt geworden sei. Er weist hin auf die staunenswerte Propaganda, mit der die Gegner es verstanden, Deutschland durch Mischung von Wahrem und Falschem im Misskredit zu bringen, sich aber als die selbstlosen Verfechter aller grossen und edlen Menschheitsgedanken hinzustellen. Bethmann bekennt sich wieder zu seinem Worte vom 4. August 1914 über Belgien, betont die Bedeutung der elsass-lothringischen Angelegenheit für das Urteil der Welt und meint, dass Deutschland durch Mängel seiner Politik und durch „Sünden seines allgemeinen Gebarens", durch provokatorische Worte und „alldeutsche Treibereien'' zu der Hochspannung beigetragen habe, aus der schliesslich der Krieg entstanden sei Nr. 5 Entgegnung des Staatssekretäre a. D. Dr. Zimmermann Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 607
29. November 1918
Der frühere deutsche Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amts Z i m m e r m a n n äussert sich zu einem Vertreter der Deutschen Allgemeinen Zeitung wie folgt: Wir sind in der Tat der Ansicht gewesen, dass mit der Bluttat von Serajewo für Österreich-Ungarn die Schicksalsstunde geschlagen hatte. Seine innere Lage hatte sich im Laufe der Jahre derartig verschlechtert, dass die Nachbarn im Süden und Osten bereits die Möglichkeit des völligen Zerfalls der Donaumonarchie ins Auge fassten und unverhüllt Gebietsansprüche erörterten. Die während des Krieges bekannt gewordenen serbischen Urkunden beweisen, dass Russland schon seit Jahren der serbischen Regierung den Erwerb österreichischer und ungarischer Gebietsteile zugesichert hatte. Österreich-Ungarn war durch die panslawistischen Treibereien in seiner Grossmachtstellung aufs äusserte gefährdet. Dass Deutschland gegenüber dieser Gefahr, die dem mitteleuropäischen Bunde drohte, nicht gleichgültig bleiben konnte, lag auf der Hand; das europäiische Gleichgewicht hatte sich bekanntlich längst schon zu unseren Ungunsten verschoben, da wir mit einer aus drei mächtigen Staaten zusammengeschlossenen Gruppe zu rechnen hatten, die auf die Zurückdrängung des deutschen Einflusses aus war.
57 Dass Österreich-Ungarn sich gegen die grossserbischen Machenschaften, die zur Bluttat in Serajewo geführt hatten, zur Wehr setzte, war nicht nur sein gutes Recht, sondern lag auch im Interesse einer Gesundung der Verhältnisse in Europa. Dies und insbesondere die Niederhaltung der grossserbischen Propaganda suchte ÖsterreichUngarn zu erreichen durch eine Neuordnung der Machtverhältnisse auf dem Balkan, die es durch Heranziehung Bulgariens an den Dreibund an Stelle des unsicher gewordenen Rumäniens herbeizuführen gedachte. Diese Gedanken und Ziele waren erörtert in einem Handschreiben Kaiser Franz Josephs *) an Kaiser Wilhelm und einer damit verbundenen Denkschrift.8) Beide wurden am 5. Juli 1 9 1 4 durch den österreichischungarischen Botschafter dem Kaiser Wilhelm überreicht. Eine Abschrift der Schriftstücke wurde gleichzeitig durch den Überbringer, Grafen Hoyos, dem Auswärtigen Amt überreicht. Dies sind die Tatsachen, die zu der viel berufenen L e g e n d e v o n d e m K r o n r a t in P o t s d a m Anlass gegeben haben. Über die Antwort, die dem Grafen Szögyöny erteilt wurde, gibt eine von mir entworfene telegraphische Instruktion des damaligen Herrn Reichskanzlers an den Botschafter von Tschirschky in Wien vom 6. Juli Aufschluss. s ) Sie befindet sich in den Akten des Auswärtigen Amtes und lautet meiner Erinnerung nach dahin: Die Gefahren der panslawistischen Agitation würden auch in Deutschland nicht verkannt. Der Heranziehung Bulgariens an den Dreibund wurde mit gewissen Vorbehalten zugestimmt. Es wurden Bemühungen in Bukarest in Aussicht gestellt, um Rumänien bei dem Bündnis zu erhalten und von der gefährlichen serbischen Propaganda loszumachen; zu dem Konflikt mit Serbien wurde eine Stellungnahme abgelehnt Es wurde aber betont, dass Deutschland gemäss dem Bündnis und der alten Freundschaft treu zu Österreich-Ungarn stehen würde.4) Man wird danach wohl schwerlich, wie es der bayerische Stimmungsbericht darstellt, von einer Blankovollmacht sprechen können. Wir haben Österreich-Ungarn zu seinem Vorgehen gegen Serbien weder zugeredet noch angestachelt, uns vielmehr lediglich darauf beschränkt, ihm davon nicht abzuraten. Unsere Haltung erschien mit Rücksicht auf unsere Bündnispflicht und die weltpolitische Lage geboten, und ich bin der Überzeugung, dass die grosse Mehrzahl der heutigen Kritiker dieser Politik damals nach gewissenhafter Prüfung aller in Frage kommenden Verhältnisse ebenso gehandelt haben würde wie die Reichsleitung. Der Inhalt des Ultimatums an Serbien stand meines Wissens zu jener Zeit noch nicht fest, jedenfalls war er uns unbekannt. Dass VgL Die deutschen Dokumente 2um Kriegsausbruch Nr. 13. ) Vgl. Ebenda Nr. 14. ») Vgl. Ebenda Nr. 15. 4 ) Vgl. Ebenda Nr. 15. 2
58 die in dem Bericht der bayerischen Gesandtschaft wiedergegebenen Forderungen von mir dem Herrn Berichterstatter mitgeteilt worden sind, bezweifle ich daher. Übrigens haben wir es, soweit mir erinnerlich, ausdrücklich abgelehnt, zu einer Formulierung der Forderungen an Serbien Stellung zu nehmen. Wie die Akten des Auswärtigen Amtes ergeben dürften, ist uns das von uns allseitig für zu scharf gehaltene österreichisch-ungarische Ultimatum an Serbien erst so spät von Wien mitgeteilt worden, dass uns eine Möglichkeit, auf seine Milderung hinzuwirken, nicht mehr gegeben war. Wie sehr wir uns in der Folge bemüht haben, den Konflikt zwischen unserem Bundesgenossen und Serbien zu lokalisieren,1) ist allgemein bekannt. Unsere Bemühungen wären wohl auch erfolgreich gewesen, wenn England seinen grossen Einfluss auf Petersburg ebenso energisch geltend gemacht hätte, wie wir den unseren in Wien. Schliesslich hat dann die russische Gesamtmobilmachung, die von zum Kriege drängenden Gewaltpolitiken! in Petersburg überstürzt wurde, unsere Bemühungen zum Scheitern gebracht Deutscherseits muss hiernach die Verantwortung für die Entwicklung des österreichisch-serbischen Konflikts zum Weltkrieg abgelehnt werden. Die Veröffentlichung einseitiger Darstellungen ist nicht als geeignetes Mittel zur Aufklärung der Schuldfrage anzusehen. Ganz besonders gilt dies für die subjektiv gefärbten Stellen des bayerischen Berichts, dessen Verfasser doch nicht in die Vorgänge intim genug eingeweiht war, um ein objektiv zuverlässiges Bild der Dinge zu geben. Die historische Wahrheit wird erst dann festgelegt werden können, wenn einem Staatsgerichtshof oder noch besser einem internationalen Gerichtshof das einschlägige Material sämtlicher kriegführenden Mächte gewissenhaft unterbreitet wird. Die Untersuchung der Schuldfrage durch einen solchen unparteiischen Gerichtshof würde zweifellos allen jetzt unter schweren Verdächtigungen leidenden deutschen Staatsmännern nur erwünscht sein.
Nr 6 Die erschwerende Wirkung der Enthüllungen. Halbamtliche Mitteilung Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 605
Berlin, 28. November 1918
Die Ausschlachtung der bayerischen Enthüllungen über den Ursprung des Krieges durch die Ententepresse hat begonnen. Schon machen sich englische Blätter daran, die Schuldfrage für gelöst zu ') Vgl. Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch Nr. 142.
59 erklären und in diesem Sinne mit Rücksicht auf die kommenden Friedensverhandlungen propagandistisch auf die öffentliche Meinung gegen Deutschland einzuwirken. So bemerkt die „Westminster Gazette" : „Es ist eine erstaunlich genaue Aufdeckung der Schuldfrage. Lerchenfeld zeigt uns eine kleine Clique in Berlin und Wien, die entschlossen war, der Welt den Krieg zu bringen. Niemals in der Geschichte wurde ein Verbrechen kaltblütiger und mit mehr Überlegung vorbereitet Neben dieser kleinen Gruppe von Verschwörern in Berlin und Wien erscheint Napoleon in seinen schlimmsten Augenblicken als ein unschuldiger Mann. Es ist wahr, sie hatten einen anderen Krieg geplant, und der Kaiser konnte die Hand aufs Herz legen und erklären, er wünsche diesen Krieg nicht. Der Krieg, mit dem er rechnete, sollte Frankreich durch einen schnellen Schlag zu Boden werfen und Russland durch eine rasche Bewegung erledigen, während Deutschland Europa die Bedingungen diktieren würde. Einen teuflischeren Plan hat es nie gegeben, niemals einen Plan, der auf so viel Fehlberechnungen gegründet war und der so vollständig scheiterte. Jetzt ist es Sache der Welt, die Urheber des Verbrechens der Gerechtigkeit zu überantworten." Wenn aber die „Westminster Gazette" nur „eine kleine Clique" zu den Urhebern des Verbrechens zu stempeln versucht, verallgemeinert der „Daily Telegraph" die Schuldfrage und — das mögen die Veranlasser dieser Enthüllungen besonders beachten — will das ganze deutsche Volk verantwortlich gemacht wissen. Dieses extrem deutschfeindliche Blatt erklärt: „Von allen Seiten kommt die Bestätigung einer Überzeugung, die schon längst von den Alliierten gehegt wurde. Wenn wir fragen, warum die deutschen Stämme soviel Wert darauf legen, ihre schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen, so ist die Antwort wahrscheinlich, dass sie wünschen, ein für allemal das preussische Übergewicht zu beseitigen. Vielleicht werden schliesslich zwei Republiken entstehen, eine mit Frankfurt als Hauptstadt, die andere mit Berlin. Wir können nur hoffen, dass in Deutschland irgend eine dauerhafte Regierung entstehen wird, mit der in Friedensverhandlungen zu treten für die Ententemächte möglich ist. Aber wir können keinen Unterschied zwischen den, verschiedenen Teilen des früheren Deutschen Reiches machen oder einige Staaten von der Verantwortung für den Krieg entlasten. Bayern ist genau so wie jeder andere Staat hineinverwickelt, und die Enthüllungen Lerchenfelds bestätigen nur unsere Ansicht, dass das ganze Deutschland sich dafür entschied, die Verantwortung für das Vorgehen der kaiserlichen Regierung zu übernehmen, und deswegen muss es dieselbe Verurteilung und dieselbe Strafe erwarten."
60 Beide Pressestimmen, die sicherlich nicht allein bleiben werden, liefern den klaren Beweis, dass durch derartige, aus dem Zusammenhang gerissene Dokumente die an sich schon so schwierige Lage Deutschlands auf dem Friedenskongress ins Ungemessene gesteigert wird. Bei jeder Gelegenheit werden die Ententevertreter damit hausieren und, um immer extremere Forderungen durchzusetzen, darauf verweisen. Ist es des Schadens denn noch nicht genug?
Nr. 7 Pressenotiz des Auswärtigen Amtes Berlin, 26. November 1918 Das Auswärtige Amt hat gegen die Veröffentlichung der Münchener Regierung sofort protestiert. Sie muss nach Ansicht des Auswärtigen Amtes gerade jetzt wie ein schwerer Schlag ftir unsere politische Arbeit wirken. Unsern Feinden und Verhandlungsgegnern ist sie eine Waffe in der Hand, die diese zu benützen wissen werden. Die Veröffentlichung steht im Zusammenhang damit, dass der Vertreter Bayerns in Bern, Professor Förster, seiner Regierung auf Veranlassung eines Mittelsmannes von Cldmenceau angeraten hat, Mitteilungen über die Vorgeschichte des Krieges zu veröffentlichen, weil ein Bekenntnis Deutschlands zur Schuld am Kriege dazu dienen würde, den Frieden schneller herbeizuführen. Nach unserer Auffassung unterliegt es keinem Zweifel, dass es Herrn Ctemenceau nur darauf angekommen ist, uns vor aller Welt durch unser eigenes Zeugnis ins Unrecht zu setzen. In den schrecklichen Irrtum, dass Cl&nenceau ein Mann wäre, der sich zur Milde stimmen Hesse, wenn nur die Schuld am Kriege von Deutschland auf sich genommen würde, können nur Leute verfallen, die sich von dem Charakter des französischen Ministerpräsidenten ein falsches Bild m a c h e n . D i e Akten des Auswärtigen Amtes werden auf Anordnung des Staatssekretärs Dr. Solf vom Unterstaatssekretär Dr. David hinsichtlich der dem Kriegsausbruch vorangegangenen diplomatischen Aktionen geprüft und das Ergebnis veröffentlicht werden.2)
x)
Vgl. zu Nr. 6 — 1 1 auch Abschnitt III 8, 9, 1 1 , 12, 20, 23. Bald darnach wurde Karl Kautsky von den Volksbeauftragten mit der Bearbeitung betraut. s)
61 Nr. 8
Professor Foerster gegen das Auswärtige Amt Pressemitteilung
28. November 1918
Das Berliner Auswärtige Amt behauptet, ich hätte auf Veranlassung eines Vertrauensmannes von CMmenceau angeraten, Mitteilungen zur Vorgeschichte des Krieges zu veröffentlichen. Dazu bemerke ich: Gewiss habe ich angeraten, das deutsche Volk über die wahre Vorgeschichte des Krieges aufzuklären. Dieser Rat aber entstammte keiner vom Ausland kommenden Anregung. Vielmehr habe ich stets die Auffassung vertreten, dass die jahrelange Irreleitung des deutschen Volkes durch das Berliner Auswärtige Amt die Hauptschuld an der Kriegsverlängerung trage und dass die moralische Aussöhnung Deutschlands mit dem Auslande erst dann möglich sei, wenn das deutsche Volk endlich wahrheitsgemäss erfahre, wie dieser Krieg entstanden und geführt worden ist. Um eine solche Auffassung zu vertreten, braucht man keine Anregung von Cl^menceau, sondern nur ein wenig alte deutsche Wahrheitsliebe. Gewiss hatte ich Aussprachen mit Entente-Vertretern, einen Rat in bezug auf deutsche Fragen aber habe ich dabei weder erbeten noch empfangen. Wohl aber zeigten mir jene Aussprachen, dass man drüben an eine wirkliche Erneuerung Deutschlands noch nicht glauben will: das deutsche Volk, so sagt man, habe sich nur institutionell, aber noch nicht moralisch gewandelt. Es ist darum zweifellos, dass das deutsche Volk allein durch die volle Erkenntnis dessen, was geschehen ist, die richtige innere Stellung zu der erschütternden Erfahrung der jetzigen Stunde ünden kann. Wenn nun das Berliner Auswärtige Amt meint, dass solche Aufklärung im gegenwärtigen Augenblick unterbleiben sollte, so zeigt das leider, dass die dort massgebenden Männer noch immer nicht den unseligen Irrtum abgetan haben, als müsse man um der Feinde willen dem deutschen Volke die Wahrheit vorenthalten, als ob das Ausland nicht längst über alle jene Dinge genau informiert wäre, und als ob nicht gerade das freie Bekenntnis der Schuld dem Ausland allein die Bürgschaft gebe, dass wir uns ehrlich von dem bösen Geiste lossagen wollen, der uns in diesen Krieg getrieben hat. Professor F. W . F o e r s t e r
62 Nr. 9 Französisches Dement) (Nach Münchener Zeitung 329 vom 30. November 1918) Eine Note der „Agence Havas" besagt: Wir sind in der Lage, behaupten zu können, dass diese Information völlig aus der Luft gegriffen ist. Zu keiner Zeit und in keiner Form hatte Clémenceau jemals Beziehungen zu den offiziellen Agenten oder Sekretären Nord- oder Siiddeutschlands. Keiner von ihnen konnte von der französischen Regierung inspiriert werden. Wie dem auch sei, zeigen die Funksprüche aus Nauen, dass die Berliner Regierung allen Lügen der alten Regierung Rechnung trägt
Nr. ro Auf Anregung Cllmenceatis? Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 609
30. November 1918
Zu den Erörterungen über die M ü n c h e n e r A k t e n v e r ö f f e n t l i c h u n g erfahren wir, dass der hiesige Gesandte der bayerischen Regierung, Dr. M ü c k l e , als er von amtlicher Seite wegen dieser Publikation zur Rede gestellt wurde, sich dahin geäussert habe, dass die Veröffentlichung a u f e i n e A n r e g u n g C l i m e n c e a u s erfolgt sei, der bei dem bayerischen Gesandten in Bern die Bekanntgabe von Deutschland belastendem Material als f r i e d e n f ö r d e r n d angeregt habe. Nr.
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Professor Foersters Entgegnung Münchener Neueste Nachrichten Nr. 607
1. Dezember 1918
Sie bringen in Ihrer Nr. 606 die Behauptung des bayerischen Gesandten in Berlin, dass die bekannten Enthüllungen aus den bayerischen Akten auf Anregung Climenceaus erfolgt seien, der bei mir die Bekanntgabe von Deutschland belastendem Material als friedensNämlich, dass die bayerische Aktenpublikation auf Anregung Cllmencaus erfolgt sei.
63 fördernd angeregt habe. Ich wiederhole, dass es sich hier um eine Legende handelt, an der kein wahres Wort ist. Die behauptete Anregung ist mir weder von Climenceau noch von irgend einem seiner Vertrauensmänner zugekommen. Ich habe nur ganz allgemein den Rat gegeben, nunmehr die ganze Literatur hereinzulassen, die sich mit den Kriegsursachen beschäftigt, weil meiner Überzeugung nach das vier Jahre unter Zensur gehaltene deutsche V o l k ohne eine solche Aufklärung zu keiner moralischen Verständigung mit der Umwelt kommen kann. Ich darf wohl darauf rechnen, dass die gesamte Presse, die jene Legende gebracht hat, ihren Lesern auch von diesem wiederholten Dementi Kenntnis gibt.
Nr. 12 Amtliche Mitteilung des bayerischen Äussern
Ministeriums d e s
Münchener Neueste Nachrichten Nr. 608
2. Dezember 1918
Die Deutsche Allgemeine Zeitung meldet, die Veröffentlichung der bayerischen Gesandtschaftsberichte sei zurückzuführen auf eine Anregung Cl&nenceaus; Clemenceau habe das natürlich in Abrede gestellt. Hierzu schreibt uns unser bayerischer Gesandter in Berlin, dass er sich über die Ursache der Veröffentlichung dahin geäussert habe, die bayerische Regierung wolle auf diese Weise einen Druck auf die Vertreter des alten Systems ausüben, dass sie ihren Posten endlich verlassen. Die bayerische Regierung habe aber auch die Überzeugung, dass eine solche Veröffentlichung das Vertrauen der Entente zur deutschen Regierung und zum deutschen Volk stärken müsse. Nr. 13 E r w i d e r u n g v o n Dr. M ü c k l e In der „Freiheit" vom 3. Dezember 1918 erklärt Dr. Mückle: Die Deutsche Allgemeine Zeitung weiss zu berichten, ich hätte mich dahin geäussert, dass die Veröffentlichung der auf den Kriegsursprung sich beziehenden Akten durch die bayerische Regierung auf eine Anregung Cl&nenceaus erfolgt sei. Diese Darstellung ist falsch. Jedem Ausfrager, dem ich Aufschluss gab, habe ich folgendes unterbreitet: Der provisorische bayerische Gesandte in Bern, Professor Foerster, welcher Beziehungen unterhält zu Männern, welche mit den
64 Anschauungen Ctemenceaus vertraut sind, hat versichert, dass die Veröffentlichung von Akten, welche erwiesen, wie sehr die deutsche Regierung 1914 zum Kriege drängte, besänftigend auf Clömenceau wirken müssen und dass damit die Sache des Friedens nur gefördert werden könne. Im übrigen stehe auch ich gleich Professor Foerster auf dem Standpunkt, dass es dem deutschen Volke, welches in ein Netz von Lügen eingesponnen worden war, sicher nicht schaden könne, wenn es endlich dieses Netz erbarmungslos zerreisst und der Wahrheit die Ehre gibt. Nr. 14
Erklärung Professor Foersters Freiheit Nr. 39
6. Dezember 1918
Der bayerische Gesandte in der Schweiz, Professor F o e r s t e r , telegraphiert uns aus München: Der Herr Gesandte Dr. Mückle hat Ihnen mitgeteilt, ich hätte versichert, dass die Veröffentlichung von Akten zur Vorgeschichte des Krieges besänftigend auf C 1 6 m e n c e a u wirken werde. Auch diese Formulierung geht auf ein Missverständnis zurück. In meinen Berichten aus der Schweiz habe ich mich mit irgend einer Einwirkung auf die Person Clemenceaus in keiner Weise beschäftigt, sondern nur von dem allgemeinen Unglauben an den Durchbruch eines neuen Geistes in Deutschland gesprochen. Dieser Unglaube werde wohl erst dann verschwinden, wenn das deutsche Volk gründlich über die wahre Vorgeschichte des Krieges unterrichtet werde. Dem vier Jahre systematisch irregeführten deutschen Volke müsse Aufklärung werden, in wie grossem Umfang die Anklagen der Gegner b e r e c h t i g t seien.
Nr. 15
Die deutsche Reichsregierung an die Regierungen der Entente Öffentliche Kundgebung
Berlin, 29. November 1918
Für die Herbeiführung des Weltfriedens, für die Schaffung dauernder Sicherheiten gegen künftige Kriege und für die Wiederherstellung des Vertrauens der Völker untereinander erscheint es dringend geboten, die Vorgänge, die zum Kriege gefuhrt haben, bei allen kriegführenden Staaten und in Einzelheiten aufzuklären. Ein vollständiges, wahrheitsgetreues Bild der Weltlage und der Ver-
65 handlungen zwischen den Mächten im Juli 1 9 1 4 und der Schritte, welche die einzelnen Regierungen in dieser Zeit übernommen haben, könnte und würde viel dazu beitragen, die Mauern des Hasses und der Missdeutung niederzureissen, die während des langen Krieges zwischen den Völkern errichtet worden sind. Eine gerechte Würdigung der Hergänge bei Freund und Feind ist die Vorbedingung für die künftige Versöhnung der Völker, ist die einzig mögliche Grundlage für einen dauernden Frieden und für den Bund der Völker. Die deutsche Regierung schlägt daher vor, dass eine neutrale Kommission zur Prüfung der Frage der Schuld am Kriege eingesetzt werde, die aus Männern bestehen soll, deren Charakter und politische Erfahrung einen gerechten Urteilsspruch gewährleisten. Die Regierungen sämtlicher kriegführenden Mächte müssten sich bereit erklären, einer solchen Kommission ihr gesamtes Urkundenmaterial zur Verfügung zu stellen. Die Kommission soll befugt sein, alle jene Persönlichkeiten zu vernehmen, die zur Zeit des Kriegsausbruches die Geschicke der einzelnen Länder bestimmt haben, sowie alle Zeugen, deren Aussagen für die Beweiserhebung von Bedeutung sein können.1) Die Vorarbeiten für eine deutsche Gesamtpublikation (Deutsche Dokumente zum Kriegsausbruch) wurden im Auftrage der Reichsregierung im November 1918 von Karl Kautsky aufgenommen. Deutsche Dokumente, Vorwort.
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V Auseinandersetzung mit Berlin und Widerstände im Lande 1 ) Nr. i
Reichskonferenz im Kongreßsaal des Reichskanzlerpalais am Montag, 25. November 1918 Auszug nach dem gedruckten Verhandlungsprotokoll2)
Die deutsche Staatenkonferenz, bei der Vertreter sämtlicher deutscher Länder anwesend sind, berät unter dem Vorsitz des Volksbeauftragten Ebert über die Lage des Reiches, über Wege zum Frieden und Wiederaufbau. Über die auswärtige Politik erstattet Bericht der Staatssekretär Dr. Solf, über die Waffenstillstandsverhandlungen der Vorsitzende der Waffenstillstandskommission, Staatssekretär Erzberger. Ersterer legt unter anderem auch dar, dass die französische Regierung den Ententesieg bis zur Zertrümmerung Deutschlands und seiner Einheit auszunützen gedenke, und dass die französische Diplomatie innerhalb der Entente anscheinend die Führung habe. Frankreich wolle trotz der Einheitlichkeit des deutschen Nationalkörpers eine Randstaatenpolitik betreiben. Er sagt dann: Die gegenwärtigen Zustände in Deutschland, dauernde Ubergriffe mehr oder weniger lokaler Behörden in die Befugnisse der Zentralgewalt, sowie das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage fiir diese, das jederzeit im Innern einem separatistischen Vorgehen einzelner Bundesstaaten als Vorbild dienen könne, erleichterten den Gegnern ihr *) Die Originale der im folgenden Abschnitt mitgeteilten Aktenstücke sind, wo nicht anders vermerkt, im Ministerium des Äussern. 2 ) Im Ministerium des Äussern.
67 Spiel. Er zweifle nicht, dass der Rat der Volksbeauftragten die verderbliche Wirkung der Kontrollansprüche über die Zentralregierung in ihrer ganzen Tragweite überschaue. Beschlüsse wie die des Hamburger Arbeiter- und Soldatenrates, der die Beziehungen zur Sowjetregierung gegen die Politik der Reichsregierung allein und selbständig regeln wolle, die Veröffentlichung einseitiger Darstellungen aus den Akten der Reichs- und Staatsbehörden, die Verhaftung eines vom Auswärtigen Amte nach Wien geschickten Kuriers, das Erbrechen von Siegeln der Reichsregierung seien unerträglich. Werde dieser Zersetzung nicht sofort nachdrücklichst und mit durchschlagendem Erfolge entgegengetreten, so stehe zu befürchten, dass die separatistischen Tendenzen in Deutschland bald die Zentralgewalt derart überwucherten, dass die französische Politik zur Durchfuhrung ihrer Absichten weder besonderer Geschicklichkeit noch besonderer Anstrengungen bedürfte. Auf die Weise grüben wir uns selbst das Grab. Auch der beste Wille des Präsidenten Wilson, auf den wir wohl noch bauen dürften, und selbst die besonnenen Elemente in England müssten dann schliesslich erlahmen. Damit schwände aber jede Aussicht auf den Frieden, vielmehr drohe dem Reiche völliger Untergang und der deutschen Nation die Vernichtung.
Der Staatssekretär, der in der Entwicklung der innerpolitischen Verhältnisse ein „unüberwindliches Friedenshindernis" erblickt, richtet einen Appell an die versammelten Staatenvertreter, die Zentralgewalt des Reiches zur selbständigen Leitung der Reichsgeschäfte und insbesondere zur alleinigen Führung der auswärtigen Politik in den Stand zu setzen und einen möglichst frühen Termin für die konstituierende Nationalversammlung anzukündigen. Die Verhandlungsniederschrift verzeichnet folgende Einwendungen des bayerischen Ministerpräsidenten gegen diese Darlegungen und gegen die Ausführungen Erzbergers über den Waffenstillstand: E i s n e r (Bayern) findet, das, was die Referate gebracht hätten, konnte auch vor zwei oder drei Monaten gesagt werden. Die Berichterstatter hätten der Meinung Ausdruck gegeben, dass wir auf Gnade und Ungnade den imperialistisch erhitzten Mächten ausgeliefert seien, so dass selbst der Präsident Wilson nicht mehr imstande sei, mildernd und besänftigend zu wirken. Und die Schilderung Herrn Erzbergers habe nur den Eindruck bestätigt, dass Marschall Foch ungefähr ebenso verhandelt habe wie 1870 Bismarck. Herr Erzberger gab der Meinung Ausdruck, die Entente schicke sich an, einen Vorwand zu suchen, um einen neuen Krieg zu entfesseln, während er zwischendurch die Bemerkung habe einfliessen lassen, dass Clömenceau, nach 5*
68 Meinung der Herren Solf und Erzberger zweifellos der grösste Chauvinist, sogar bereit sei, Deutschland mit Lebensmitteln zu unterstützen. Das sei die unerhörte Grausamkeit der Entente I Man brauche sich doch nur an die Bismarcksche Politik von 1870 zu erinnern, an die Aushungerung von Paris und all die übrigen brutalen Methoden der deutschen Kriegführung, der Deportation und der Aushungerung, um in Erstaunen zu geraten über die Grossmut der feindlichen Mächte, die uns, die am Weltkriege allein Schuldigen, mit Lebensmitteln zu versorgen bereit sind. Es liege ihm fern, die Probleme, die uns gegenwärtig beschäftigten, in ihrer ganzen Tiefe und Furchtbarkeit zu erörtern. Aber wenn man zu einem Frieden der Verständigung, nicht der Unterwerfung kommen wolle, dann sei es notwendig, nicht Männern die Leitung der Geschäfte in Deutschland zu übertragen, die während der viereinhalb Kriegsjahre kompromittiert seien durch die Regierungspolitik, die uns in den Abgrund gestürzt habe. Das gelte insbesondere von der Entsendung des Herrn Erzberger als Bevollmächtigter zu den Waffenstillstandsverhandlungen. Hier müsse jetzt rückhaltlos die Wahrheit gesagt werden. Herr Erzberger habe jene Vergiftung der öffentlichen Meinung organisiert, die uns in der ganzen Welt isoliert und so verhasst gemacht habe. Und Herr Solf, ein Diplomat, halte es in der gegenwärtigen Situation für angebracht, nur mit Herrn Wilson zu verhandeln und somit gewissermassen die Leiter der übrigen feindlichen Mächte fiir minderwertig zu erklären. Derartiges sei geeignet, die letzten Aussichten auf einen einigermassen günstigen Frieden hinfällig zu machen. Wenn die Herren Solf und Erzberger die Absicht hätten, die Schuldigen des alten Systems dadurch zu retten, dass sie den Zorn und die Wut des Volkes auf jene erbarmunglosen Feinde ablenkten, die uns mit Lebensmitteln versorgen wollten, dann könnten sie nicht anders handeln. Das sei nicht Revolution, sondern Gegenrevolution. Zwar sei er nicht Uber die Stimmung in der Ententepresse unterrichtet, da er seit vierzehn Tagen grundsätzlich keine Zeitungen lese; dafür habe er aber direkte Berichte von zuverlässigen Mitarbeitern.1) Die Entente verlange einmal mit einer Regierung zu verhandeln, die kein Ausdruck des alten Systems sei. Diese Forderung sei durchaus berechtigt. Man müsse wünschen, dass alle kompromittierten Vertreter des alten Systems so schnell als möglich den W e g nach Holland finden, soweit sie nicht als Landesverräter zu verhaften seien. Es sei unbegreiflich, dass Leute wie Zimmermann und Jagow noch frei herumliefen. Man brauche neue, unbelastete Männer, die nach seiner Überzeugung von der Entente das erreichen würden, was den alten nicht gelungen sei. V g l . fiir das F o l g e n d e F o e r s t e r s und H e r r o n s B e r i c h t e aus der S c h w e i z : Abschnitt i n , N r . 4, 6, 8, 9, 1 1 , 1 2 , 1 6 — 1 8 , 23,
69 Die zweite Forderung der Entente gehe dahin, dass Männer an der Spitze Deutschlands stehen, die das Vertrauen der Massen gemessen. Dieses Vertrauen könnten nur unbelastete Männer finden. So seien die Bedingungen der Entente nicht nur die Vorbedingungen eines günstigen Friedens, sondern auch der inneren Erneuerung Deutschlands. Die Gesandtschaftsberichte stellten noch Rückstände aus der bestellten Arbeit der früheren Machthaber vor. Not tue jetzt eine Reichsregierung, die wisse, was sie wolle, und die entschlossen sei, demokratische und sozialistische Politik ungehemmt zu treiben. Von diesem Gesichtspunkt aus mache er folgenden Vorschlag: Deutschland brauche ein provisorisches Präsidium, das an die Stelle des halb aufgelösten Bundesrats zu treten habe und aus neuen, unbelasteten Männern bestehen müsse. Dieses Präsidium müsste die Aufgabe haben, alle Verhandlungen mit der Entente zu führen. Nur auf diese Weise würden die separatistischen Strömungen verhindert, die sich jetzt stärker als je durchzusetzen versuchten. Nichts sei heute volkstümlicher als der Ruf: Los von Berlin I Los von Preussen! Er selbst stemme sich gegen diese Bestrebungen; aber diese Loslösungsbestrebungen seien nicht nur in den süddeutschen Staaten vorhanden, sondern auch in den westlichen Gebieten Preussens. Einer solchen verhängnisvollen Politik könne nur durch eine revolutionär bestimmte, in Zielen und Personen unverdächtige Körperschaft entgegengetreten werden, die die Verhandlungen mit dem Feinde zu fuhren hat. Nur ao könne man zu einer Verständigung mit der Entente und zu ihrem Beistande gelangen, ohne den Deutschland untergehen müsse. Man solle deshalb reinen Tisch zu Hause machen, dann könne man zu einer neuen Zeit der Versöhnung der Völker gelangen und zu einem Frieden, wie wir ihn brauchen. Diese Ausfuhrungen finden bei verschiedenen Vertretern in einzelnen Punkten Zustimmung, stossen aber bei anderen auf lebhaften Widerspruch. Er richtet sich auch gegen die bayerische Aktenveröfifentlichung, von der Scheidemann sagt, sie habe für Deutschland gewirkt wie ein Keulenschlag. Gegen die bisherige Führung der auswärtigen Politik durch Solf wenden sich mit Eisner auch die Beigeordneten im Auswärtigen Amte, Karl Kautsky und Bernstein. Die bayerischen Vorschläge, ein besonderes Reichsregiment für die Führung der auswärtigen Politik einzusetzen, finden keinen Anklang. D i e grosse Mehrheit hält den Rat der Volksbeauftragten als oberste Reichsleitung für geeignet und fiir fähig, die Verhandlungen über den Vorfrieden einzuleiten. Im übrigen will sie die baldige Wahl einer konstituierenden
70 Nationalversammlung, um dem Reiche eine neue Verfassung und eine voll verhandlungsfähige Regierung zu geben. Der bayerische Ministerpräsident greift wiederholt in die Erörterung ein. Separatismus und Partikularismus überwinde man am besten durch Selbstbestimmung der Gliedstaaten. Er regt die Bildung einer provisorischen deutschen Nationalversammlung nach dem Muster der bayerischen an, die auf die Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte gegründet sei, und verlangt, dass das Auswärtige Amt von völlig unbelasteten Personen, von radikalen Sozialisten, verwaltet werde, da man dann leichter zum Frieden komme. Die Reichsregierung will er einer gründlichen Umgestaltung unterziehen. Er wiederholt seinen Vorschlag, eine Art provisorisches Reichspräsidium aus fünf bis sieben Personen zu schaffen, die sowohl Vertreter der Reichsregierung wie der Bundesstaaten sein könnten. Diese Körperschaft solle dann die Verhandlungen mit den Verbandsmächten führen. „ E s sei ihm mitgeteilt worden, dass die Vertreter der Entente erklärt hätten, jedes sozialistische Regime, auch das radikalste, sei ihnen recht, nur müsse es eine Regierung sein, die regierungsfähig sei und die Massen hinter sich habe. Seines Wissens seien die Waffenstillstandsbedingungen schon in dem Augenblicke gemildert worden, als im Auslande bekannt geworden sei, dass es in Deutschland revolutionär gäre. Die späteren chauvinistischen Strömungen rührten erst seit den unglücklichen Noten des Auswärtigen Amtes und des Generalfeldmarschalls Hindenburg her. Herr von Hindenburg möge j a ein ausgezeichneter Feldherr sein, aber er solle doch wirklich endlich aufhören, zu telegraphieren und Kundgebungen zu erlassen. Er bitte die jetzige Reichsregierung, in dem Sinne der Note zu wirken, die er gestern amtlich in Bayern habe verbreiten lassen. . . 1 ) Sie lautete: München, 23. November 1918 Der bisherige Generalfeldmarschall Hindenburg erlässt in letzter Zeit wiederholt Kundgebungen, die geeignet sind, aufs empfindlichste die bevorstehenden Friedensverhandlungen zu stören. Der Ministerpräsident des Volksstaates Bayern nimmt Anlass, gegen diese ebenso unglückliche wie unzulässige Einmischung des bisherigen Generalfeldmarschalls in die Politik entschieden Protest einzulegen. Es ist nicht mehr an der Zeit, den im deutschen Volke angesammelten Zorn auf das feindliche Ausland ablenken zu wollen. Der Ministerpräsident
Kurt
Eisner
71 Es gebe nur zwei Wege: Entweder gehe Deutschland in kürzester Zeit zugrunde, denn wie es mit unseren Rohstoffen und Lebensmitteln steht, sei bekannt, oder man versuche offen und ehrlich in voller Aufrichtigkeit und Wahrheit ohne die schädlichen Mittel der alten Diplomatie einen Frieden zu schaffen, der die erste Aktion des Völkerbundes sei. Der neue Friede werde den Völkerbund nicht schaffen, sondern der Völkerbund solle bereits der neue Friede sein. Wer aus dem Süden nach Berlin komme, der erschrecke beinahe über den Geist, der hier herrsche. Man sehe eine neue Welt erstehen und hier finde man eine Ratlosigkeit und einen allgemeinen Katzenjammer in der Bevölkerung". Z u m Schlüsse anerkennt die Staatenkonferenz als Richtpunkte für die Führung der Reichsgeschäfte: Aufrechterhaltung der Einheit Deutschlands in der deutschen Republik und die B e k ä m p f u n g separatistischer B e s t r e b u n g e n ; V o r b e reitung der Nationalversammlung, bis zu deren Zusammentritt die R ä t e als Repräsentanten des Volkswillens gelten, und die schleunige Herbeiführung eines Vorfriedens durch die bestehende Reichsleitung der Volksbeauftragten. Über die Vorschläge des bayerischen Ministerpräsidenten wird nicht weiter verhandelt.
Nr. 2
Der bayerische Bevollmächtigte beim Reich an den Rat der Volksbeauftragten (Reichsregierung) Berlin, 27, November 1918 Es hat sich gezeigt, dass die führenden Persönlichkeiten des Auswärtigen Amtes immer noch vom Geiste des alten Systems beherrscht sind und so, getreu den Methoden dieses Systems, im höchsten Masse die Interessen Deutschlands schädigen. Unsere Lage ist augenblicklich so, dass wir, versagt uns die Entente ihre Beihilfe, in kürzester Zeit in den Abgrund einer fürchterlichen Hungersnot versinken. So ist es dringend geboten, dass die Entente mit Männern verhandelt, die nicht mit den Makeln des alten Systems behaftet sind, und denen sie volles Vertrauen entgegenbringen kann. Dass die Entente nicht an eine Vernichtung des deutschen Volkes denkt, zeigt die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten bereit sind, uns mit Nahrungsmitteln zu versehen. Um so reichlicher wird aber sicherlich diese Beihilfe fliessen, je mehr die führenden Männer Deutschlands Vertreter eines neuen, vertrauenerweckenden Geistes
72 sind, und auch von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, wird der Rücktritt der Vertreter einer Zeit verlangt, über die ein furchtbarer Richterspruch schon gefallt ist. S o l l t e d i e s e n V o r s t e l l u n g e n kein G e h ö r g e s c h e n k t w e r d e n , s o w i r d d i e b a y e r i s c h e R e g i e r u n g d i e B e z i e h u n g e n zum A u s w ä r t i g e n A m t abbrechen.
Nr. 3
Der Ministerpräsident an die Gesandtschaft in Berlin Telegramm
München, den 26. November 1918, 12 00 nachts.
Ich bitte, das folgende in der Wilhelmstrasse bekanntzugeben und die Redaktion der „Freiheit" davon zu informieren: Die neuerlichen Versuche, die alten Methoden des Auswärtigen Amtes fortzusetzen und das deutsche Volk erneut um die Erkenntnis der Wahrheit zu betrügen, veranlassen das Ministerium des Äussern des Volksstaates Bayern, jeden Verkehr mit den gegenwärtigen Vertretern des Auswärtigen Amtes abzulehnen. Kurt
E i s 11 er
Nr. 4
Kundgebung des Münchner, Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrats an den Vollzugsausschuss des Arbeiter- und Soldaten rats in Berlin München, 27. November 1918 Der Vollzugsausschuss des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrates entnimmt aus den Verhandlungen der Konferenz der Vertreter der Deutschen Republiken mit Entrüstung die unerhörte Tatsache, dass noch immer die kompromittiertesten Vertreter des bisherigen Systems, die Herren Erzberger, Solf, David und Scheidemann den entscheidenden Einfluss besonders in der auswärtigen Politik ausüben. Wir verlangen die sofortige Beseitigung dieser konterrevolutionären Elemente und fordern den Arbeiter- und Soldatenrat in Berlin auf, mit allen Mitteln den Sturz einer Regierung herbeizufuhren, die weiterhin solchen Personen eine entscheidende Stellung einräumt
73 Nr. 5 Die bayerische Oesandtschaft in Bern an das Ministerium des Äussern (für Gesandten Foerster) Telegramm
Bern, den 27. November 1918; 520 nachm.
Julius mitteilte, amerikanischer Gesandter leugnet, dass Weigerung Foch, Milderung in Demobilisierung zu gewähren, Absicht von Wiederaufnahme Feindseligkeiten bedeute. Französische Regierung denke selbst nicht daran: Amerikaner würden es auch nicht zulassen. Bayerische Gesandtschaft Berchem Nr. 6 Der bayerische Ministerpräsident an den tigten in Berlin
Bevollmäch-
München, Ende November 1918 Ich erfahre authentisch, dass die Behauptung, Frankreich hat die Absicht, die Feindseligkeiten wieder aufzunehmen, völlig unwahr ist. Es ist dringend notwendig, dass von Berlin aus sofort dem Pressetreiben gegen die Entente auf jede Weise ein Ende bereitet wird. Das Auswärtige Amt muss unverzüglich von den Elementen, die diese Pressetreibereien alten Stils organisieren, gereinigt werden, wenn überhaupt Aussicht bestehen soll, zum Frieden zu kommen. Ich bitte diese Mitteilung, deren grossen Ernst ich betone, der Reichsregierung zu übermitteln.
Nr. 7 Die Bevollmächtigten der bayerischen Arbeiter-, Soldatenund Bauernräte in Berlin an den Ministerpräsidenten Eisner Telegramm
Berlin 9, den 30. November 1918; 4 10 nachm.
Heute nachmittag 3 Uhr Sitzung der Soldatenräte Grossberlins. Unser Soldatenvertreter Haeterle abgibt folgende von Dr. Mückle 5)
Ohne bestimmtes Datum.
u mit uns gemeinsam verfasste Erklärung, da Verhältnisse hier sowohl Soldatenrat wie Vollzugsausschuss durchaus unklar: Ich stehe hier als Vertreter der bayerischen Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte. Ich habe folgendes zu erklären: Wird nicht der Vollzugsrat aufrecht erhalten als Kontrollorgan der Regierung gegenüber, so ist die ungeheuere Gefahr der Gegenrevolution vorhanden. Wir Bayern haben die Revolution nicht als Kinderspiel vollbracht, es war uns vielmehr furchtbarer Ernst. Wir verlangen deshalb, dass im Norden, in Preussen kein Mittel unversucht gelassen wird, um die Ergebnisse der Revolution für alle Zeiten zu sichern. Wir verlangen deshalb neben der Aufrechterhaltung des Vollzugsrats, dass alle Vertreter des alten Systems im Auswärtigen Amt sofort entfernt werden, weil die feindlichen Regierungen mit diesen vertrauensunwürdigen Leuten keinen Frieden schliessen werden. Wir sind deshalb zu der Forderung gezwungen, dass die revolutionären Gruppen Deutschlands sich zu einer festen Einheit zusammenfinden, dass der Bruderkampf in dieser tiefernsten Stunde aufhört, dass vor allem hier in Berlin sofort eine Klärung eintrete. Sollten diese Bedingungen nicht in der allernächsten Zeit erfüllt werden, so sieht sich das bayerische Volk gezwungen selbst zu handeln und Schritte zur Erreichung des Zieles für ganz Deutschland zu unternehmen, da es weiss, dass seine Regierung das Vertrauen des Auslandes besitzt. Breitenbach. Jakobi Nr. 8
Die Bevollmächtigten der bayerischen Arbeiter-, Soldatenund Bauernräte in Berlin an das Ministerium des Äussern Dringendes Telegramm
Berlin, den 30. November 1 9 1 8 ; 440 nachm.
Hiesige Verhältnisse erfordern schleunigste Konsolidierung Arbeiter*, Soldaten- und Bauernrates Bayerns. Dränget Aktionsausschuss zu schleuniger Terminsetzung für Zuwahl. Breitenbach. Jakobi Nr. 9
Der Gesandte in Berlin an den Ministerpräsidenten Telegramm
Berlin, den 30. November 1 9 1 8 ; 4 40 nachm.
Habe als einziger gegen rasche Einberufung der Nationalversammlung protestiert. Suche Unabhängige und Mehrheitssozialisten zu versöhnen. Cohn billigt meinen Plan. Wilbrandt, der in Berlin, lehnt ab, zudem Neurastheniker. Erkennt Schweizer Regierung Foerster an? Mückle
75 Nr. 10
Hessen gegen Bayern Pressemitteilung
Darmstadt, deo 30. November 1918
Das Staatsministerium der Republik Hessen p r o t e s t i e r t gegen den vom bayerischen Ministerpräsidenten und Ministerium des Äussern für Bayern angeordneten A b b r u c h d e r B e z i e h u n g e n zum Auswärtigen Amt in Berlin. Es sieht darin eine Gefahr für die Einheit des Reiches und befürchtet, dass dadurch der Separatismus gefördert werden könnte. Es erwartet von dem Gesamtministerium Bayerns, dass es seinen Ministerpräsidenten veranlasst, den v e r h ä n g n i s v o l l e n S c h r i t t r ü c k g ä n g i g zu machen, denn das nationale Interesse aller Deutschen erfordert dringend, die engste Einheitlichkeit aller deutschen Stämme bei den Friedensverhandlungen aufrechtzuerhalten.
Nr. I i
Aus der Rede des Ministerpräsidenten in der Landestagung der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte, 28. November 1918 Nach dem Stenographischen Bericht Ich kam nach Berlin als Vertreter Bayerns und sah da zu meiner grossen Überraschung, dass in Berlin die Konterrevolution nicht droht, sondern dass sie ruhig regiert. Die Konterrevolution regiert in Berlin ganz gemütlich, als ob gar nichts geschehen wäre. Als ich das sah, da holte ich aus meiner Aktenmappe jenes Schriftstück, durch das nun der letzte Schleier von den Geheimnissen dieses Weltkriegs gerissen wird, jenen Bericht des Vertreters des Grafen Lerchenfeld, des Herrn von Schön, an den Grafen Hertling, in dem nun in aller Behaglichkeit auseinandergesetzt wird, wie man beabsichtigte, den Weltkrieg zu entfesseln. Damit wollte ich die Konterrevolution, die regierende Konterrevolution in die Luft sprengen. Ich habe dann diese Arbeit fortgesetzt in der Versammlung der Vertreter der deutschen Republiken und ich hatte das Glück, unmittelbar neben Herrn Erzberger und Herrn Solf zu sitzen. Ich habe mit aller Höflichkeit, die ich in solchen Fällen zu entwickeln pflege, ihnen die Wahrheit gesagt, so sehr die Wahrheit gesagt, dass ich erwartete, dass sie verschwinden würden. Als das auch noch nicht half, habe ich erklärt, dass ich mit Herrn Solf und den Seinen überhaupt nicht mehr verhandle. Das ist mir bitter ernst. Die Dinge liegen doch so: Der Hass gegen Berlin wächst, nicht gegen die Berliner Arbeiter, nicht gegen das Berliner Volk, sondern
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gegen das Hauptquartier des Weltkriegs. In Berlin ist das Verbrechen ausgekocht worden und deshalb der Hass gegen Berlin, und ich, der ich dringend wünsche, dass diese Zersetzung Deutschlands nicht zu einer endgültigen Auflösung Deutschlands führe, sondern dass wir beisammen bleiben — ich bin der festen Überzeugung, dass zunächst einmal die Einzelstaaten sich ihrer eigenen Haut wehren müssen, so lange, bis wir wieder zusammen aktionsfähig werden. Wir können nicht mit dem alten System weiterarbeiten. Wir wissen, unser Freund Karl Kautsky sitzt im Auswärtigen Amte, aber Herr Solf treibt Politik auf eigene Faust und Karl Kautsky erfahrt nicht einmal davon, was im Auswärtigen Amte geschieht. Ich habe den Eindruck, dass in Berlin unter dem Drucke des langen Krieges in dem Erschöpfungszustände der elenden Ernährungsverhältnisse beinahe die gesamte Bevölkerung so sehr zerrüttet und geschwächt ist, dass dort sich keine Entschlusskraft mehr findet. Man hat bisweilen den Eindruck, dass in Berlin geträumt und nicht gehandelt wird und deshalb war es meine Absicht, von hier aus, wo wir vielleicht unter dem Einflüsse der Höhenluft noch etwas frischer und kräftiger sind, von hier aus auch etwas frische Luft nach Berlin zu importieren. Meine Herren! Sie können diese Lage als gar nicht ernst genug betrachten. Was im Auswärtigen Amte sitzt, ob es nun alldeutsch ist oder ob es seit mehr oder minder kurzer oder langer Zeit fiir den Verständigungsfrieden gewirkt hat, das ist ganz gleich, diese Herren sind Vertreter des alten Systems und in ihren Händen ist noch der gesamte Apparat der öffentlichen Meinung, der Presse des In- und Auslandes. Der funktioniert nodh genau so wie während des Krieges. Überall sitzen die Agenten, in Bern, im Haag, in Kopenhagen, in allen Zeitungen Deutschlands und des neutralen Auslandes und versuchen ihre Unentbehrlichkeit zu beweisen, alles durcheinanderzubringen, vor allem um sich selber zu retten. Sie finden jetzt die Presse angefüllt von Mitteilungen über die Absichten der Entente. Bald marschiert die Entente in Berlin ein, bald in München, bald verwüsten schwarze Horden die Pfalz . . . . Das Spiel, das gegenwärtig im November 1918 getrieben wird, ist nicht minder ruchlos als das Spiel, das im Juli und August 1 9 1 4 getrieben wurde. Die bankerotten Politiker, die die neuen revolutionären Organisationen beseitigen wollen, scharen sich um das Banner der Nationalversammlung und die verbrecherischen Politiker, die deiv Weltkrieg gemacht und fortgesetzt haben und die uns in den Abgrund gestürzt haben, die versuchen heute nochmals, den Hass und den Zorn des deutschen Volkes gegen die Entente zu schüren, damit man sie selbst und ihre Armseligkeit vergisst Ich habe mir das Missfallen zugezogen dadurch, dass ich neulich eine Nöte gegen Hindenburg erlassen habe *); das hat sehr viele *) Siehe V , 1.
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sanfte Gemüter verletzt. Ich wusste aber genau, was ich tat. Heute bin ich aus dem Hauptquartier antelephonisrt worden und man hat mir mitgeteilt, dass der alte Generalissimus Hindenburg sehr verletzt wäre durch diesen gänzlich unerwarteten Angriff. Bei dieser Gelegenheit habe ich dann erreicht, was ich erreichen wollte. Es ist telephonisch festgestellt, dass auch diese Kundgebung, die den Namen Hindenburgs trägt, im Auswärtigen Amte in Berlin, wenn nicht geschrieben, so veranlasst ist. Ich habe dem Generalissimus Hindenburg telephonirt, er sei ein Opfer der Berliner Politik geworden, und man hat mir versprochen, dass man künftig im Hauptquartier in politischen Dingen noch vorsichtiger sein werde als schon bisher. Meine Herren! Sie sehen hier an dieser einen Tatsache ein Beispiel der neuen Politik, die keine Geheimdiplomatie mehr kennt, sondern nur mehr mit der Wahrheit arbeitet. Sie sehen daraus, wie schnell es möglich ist, durch einen etwas kühnen Vorstoss den Feind aus seinen Schlupfwinkeln herauszuholen. Wenn ich als Minister des Äussern erklärt habe, dass ich mit dem Auswärtigen Amte in Berlin nicht mehr verkehre, so habe ich es im Bewusstsein getan, dass dort das Nest ist, das ausgeräuchert werden muss, wenn wir zum Frieden kommen wollen. Ich habe heute aus Bern von der bayerischen Gesandtschaft, und zwar nicht von unserem Gesandten, der gegenwärtig in München ist, sondern von seinem Vertreter, also einem von dem alten Personal, die Mitteilung erhalten, dass ihm authentisch versichert worden sei, dass keine Rede davon sein könne, dass die Entente daran denke, was ja in den letzten Tagen in der deutschen Presse zu lesen war, wieder einen Krieg mit uns anzufangen Nein, meine Herren, ich verbürge mich dafür: In dem Augenblicke, wo in Deutschland eine aktionsfähige Regierung ist, die das Vertrauen geniesst, dass sowohl die Massen hinter ihr stehen, als dass sie nun ehrlich und offen Frieden schliessen will, im selben Augenblick haben wir den Frieden. Und gleichgültig, wie man über diese Frage denken mag: Wir müssen in Deutschland den Frieden haben. Wir müssen jeden Weg gehen, um den Frieden zu haben. Meine Herren! Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel geben von der Verruchtheit jener Treibereien, die aus dem Auswärtigen Amte stammen. Vor ein paar Tagen lief durch die Presse die Mitteilung, dass die Mitteilung unseres Freundes Haase über die Lebensmittelnot nicht richtig sei; in Berlin, im Lebensmittelministerium des Genossen Wurm, sei man nicht so pessimistischer Anschauung. Solche Mitteilungen müssen also in den ehemals feindlichen Ländern den Verdacht erwecken, dass es in Deutschland noch nicht so schlimm steht, wie es in Wirklichkeit der Fall ist. . . Und die Folge von solchen Ausstreuungen ist, dass man in Frankreich, in England, in Amerika, in Italien meint, dass nun wieder überhaupt alles bei uns Schwindel ist. Die ganze Revolution wird für einen Schwindel gehalten, nur für eine Maskerade des alten Systems. . .
78 S o wirken diese Dinge im Auslande. Nun meine Herren, wir wissen, dass wir eine Revolution gehabt haben, und wir wissen auch, dass die Herren, die gestern regierten, nicht wiederkommen werden. Wir in Bayern haben Vertrauen. E s ist uns bereits gelungen mit der tschechischen Republik in Verbindung zu treten. Wodurch haben wir das erreicht? Nur dadurch, dass wir in vollkommener Offenheit verhandelt haben. So kommen wir auch nur zum Frieden. Aber in Berlin ist keine Regierung, die Frieden schliessen kann. Auch eine Nationalversammlung, die einberufen würde, würde keine Regierung schaffen, die fähig wäre, den Frieden zu schliessen. Was notwendig ist in Berlin, ist, dass die Massen sich rühren und ihrerseits eine aktionsfahige Regierung einsetzen. Bis dahin wird München allerdings der Vorort von Deutschland sein müssen. Meine Herren! Die amtlichen Berichte, die uns in Berlin vorgetragen worden sind, lassen keinen Zweifel darüber, dass, wenn wir nicht sofort von der Entente Lebensmittel bekommen, wir untergehen. Wir verhungern Liegen die Dinge so, dann können Sie ermessen, welcher verbrecherische Wahnsinn dazu gehört, heute noch diese Treibereien gegen die Entente fortzusetzen, mit Protestkundgebungen wegen Verletzung der Waffenstillstandsbedingungen wie Herr Erzberger zu arbeiten, und alles nur von einer kleinen Horde von Menschen, die für ihre Existenz fürchten und die am Leben bleiben wollen und deshalb heute noch die ganze Welt in Unordnung bringen. Das, meine Herren, wollte ich Ihnen heute sagen und das ist der Sinn meiner Aktion gegen Berlin; ich habe nicht den Zweck, Bayern loszulösen vom Reiche, sondern handle aus der Erkenntnis, dass, wenn die Massen in Berlin nicht aufwachen und eine neue Regierung der auswärtigen Angelegenheiten schaffen, wir nicht zur Ruhe und nicht zum Frieden kommen. Deshalb versuche ich von hier aus, jetzt das Notwendige, das Notwendigste zu tun. Ob es gelingt, dass weiss ich nicht. Aber wir haben keinen anderen Weg, wir müssen zum Frieden kommen und ich appeliere an dieser Stelle an die Völker der Entente. Wir wollen nicht als Bittsteller kommen, nicht als Bettler, das tun wir nicht, wir kommen als Menschen, die das Bewusstsein haben, dass wir aufgeräumt haben hier in Bayern mit den Verantwortlichen des alten Systems. Wir kommen mit reinen Händen. Wir, die wir die Regierung hier leiten, haben von Anfang des Krieges an gegen die Kriegspolitik gekämpft, unter persönlichen Opfern, mit Hintansetzung aller Interessen, im Kampfe gegen die eigene Regierung bis zum Tode entschlossen. Deshalb dürfen wir so zur Entente reden: Wir sind Menschen, wir sind Vertreter von 70 Millionen Menschen, die leben wollen. Euere Pflicht drüben, ihr, unsere „Feinde", ist jetzt, zu vergessen und mit uns gemeinsam zu arbeiten und die neue Welt aufzubauen. Meine Herren! Zum Schlüsse — und das will ich auch, ich weiss nicht, ob es gehört wird, über die Grenze hinüberrufen — : Man
79 furchtet sich drüben vor dem Bolschewismus, wie man sich auch bei uns fürchtet. Diese Furcht ist entstanden dadurch, dass wir Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte gebildet, also das russische Beispiel in dieser Hinsicht nachgeahmt haben. A b e r , meine Herren, wir, die wir j a Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte bilden, wir wissen ganz genau, dass wir die russischen Methoden weder angewandt haben noch die russischen Ziele verfolgen. Russischen Bolschewismus gibt es nicht in Deutschland, vielleicht mit Ausnahme einiger Phantasten. W i r glauben nicht, dass auf russischem W e g e das Ziel erreicht werden kann, das uns vorschwebt, die Demokratie und die sozialistische Gesellschaft. Wir glauben nicht, dass es uns möglich ist, die Produktion in dem Augenblicke zu vergesellschaften, wo die Produktion vollständig zerrüttet ist. . . . Wir wollen durch Arbeit, unmitttelbare schöpferische Tätigkeit den Wiederaufbau Deutschlands so rasch wie möglich im Interesse der Gesamtheit zu Ende bringen und zu dieser Arbeit müssen uns die Völker drüben helfen. Ich habe den festen Glauben, wenn erst jene Elemente ausgetilgt sind, die noch von gestern übriggeblieben sind, dann kommen wir zu diesem Ziele. . . Deshalb zunächst der K a m p f mit allen Konsequenzen gegen die Berliner Regierung, soweit sie vertreten ist im Auswärtigen A m t e ; zweite A u f g a b e : sofortiger Frieden. Das wird die A u f g a b e der bayerischen Regierung sein, zu versuchen, ob das i h r möglich ist, wenn Berlin versagt. Kein Separatfrieden, sondern der Versuch, für ganz Deutschland den Frieden zu bewirken.
Nr. 12
Auseinandersetzung im Landessoldatenrate. 30. November bis 3. Dezember 1918. Auszug nach den Stenographischen Berichten
In seiner Eröffnungsrede wiederholt der Ministerpräsident im wesentlichen die am 28, November in der Sitzung des Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrates ausgesprochenen Gedanken. Doch wird an seiner Politik nun lebhaft Kritik geübt, meist von Vertretern aus der Provinz. (Reden von Müller, Höllenreiner, Leutnant Nieberl, Brenner-Augsburg, Kothieringer-Augsburg, Weigel-Erlangen, Prem, Henne-München, Lang-Kissingen.) Die Redner verweisen auf die Gewaltpolitik der Entente mit ihren vernichtenden Wirkungen für Deutschland, erklären
80 es für unmöglich, einen Separatfrieden zu schiiessen und geben der Anschauung Ausdruck, dass nur eine konstituierende deutsche Nationalversammlung in der L a g e sei, den Frieden herbeizuführen. Sie bezweifeln, dass die gutgläubige Zuversicht des Idealisten Eisner berechtigt sei. Sie wünschen dokumentarische Unterlagen dafür zu sehen, dass der von ihm unternommene Versuch, mit der Entente in Verhandlungen zu kommen, Aussicht habe. Der Ministerpräsident habe hierüber keine Sicherheit geben können, er müsse aber doch durch den Gesandten Foerster in der Schweiz informiert sein, wie sich die Entente zu ihm stellen wolle. Gegen das Schuldbekenntnis und die Aktenveröffent lichung werden ernstliche Einwendungen erhoben. E s sei verfehlt und politisch zvecklos, da die Entente es nicht in dem gewünschten Sinne aufgenommen habe. Der Bruch mit der Reichsleitung erregt Beunruhigung und Widerspruch, ebenso die damit in Zusammenhang stehende überscharfe Kundgebung des Vollzugsausschusses des Münchener Arbeiter- und Soldatenrates gegen sozialistische Mitglieder der Reichsregierung. Man befürchtet von alledem Gefahren für die Reichseinheit. E s wird auch angeführt, dass Eisner selbst nicht völlig unbelastet erscheine, da er im Augenblicke des Kriegsausbruches im August 1 9 1 4 , wenn auch nur vorübergehend, für die Bewilligung der Kriegskredite durch die Sozialdemokratie eingetreten sei. Ferner wendet sich ein Redner gegen die „Kabinettspolitik", von der die Räte nicht unterrichtet worden seien. Auch darauf wird hingewiesen, dass der Gesamtministerrat sich über die Methode der auswärtigen Politik keineswegs einig sei. Dem gegenüber bleiben die MünchenerVertreter (Schröder) dabei, dass der Friede über Bayern kommen werde. Man werde ohne Nationalversammlung zu einem Präliminarfrieden gelangen, wenn eine Regierung wie die bayerische mit reinen Händen die Verhandlungen aufnehme, auf der Grundlage des Vertrauens, das sie bei den bisherigen Feindstaaten zu gemessen in der Lage sei. Die vom Landessoldatenrat bestellte K o m m i s s i o n f ü r a u s w ä r t i g e A n g e l e g e n h e i t e n berichtet nach persön-
81 licher Aussprache mit dem Ministerpräsidenten und nach Einsichtnahme in die schriftlichen Unterlagen wie folgt: Die Kommission ist zunächst auf Grund der persönlichen Verhandlungen mit dem Ministerpräsidenten zu der Überzeugung gekommen, dass Eisner eine durchaus ehrliche Friedenspolitik treibt. Die Unterlagen, die er uns mitteilte, lassen die Aussicht begründet erscheinen, dass die Entente mit ihm in Verhandlungen über einen Vorfrieden eintreten wird. Feste Zusicherungen über das Gelingen seiner Bemühungen können heute noch nicht gegeben werden. Die Kommission glaubt jedoch, dass bei der hohen Wichtigkeit des angestrebten Zieles ein Versuch auf der Eisnerschen Grundlage nicht unterlassen werden darf. Eisner geht hier von der Voraussetzung aus, dass die deutsche Nationalversammlung den Vorfrieden zu bestätigen habe.
A m A b e n d des 2. D e z e m b e r folgt eine von Eisner verlesene E r k l ä r u n g d e s G e s a m t m i n i s t e r i u m s . Sie erhebt den staatlichen W i e d e r a u f b a u Deutschlands auf föderativer Grundlage zum Programmpunkt und übernimmt dem Auslande g e g e n ü b e r die Bürgschaft, dass das neue bayerische Staatswesen sich in R u h e entwickeln werde. Die Methode des Terrors und der privaten Expropriation wird abgelehnt, jedoch die Entwicklung der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte zu mitwirkenden Körperschaften in der neuen Ordnung anerkannt. A b s c h a f f u n g der stehenden H e e r e in aller W e l t und baldige Einberufung der bayerischen Nationalversammluug bilden die Schlusspunkte. Noch am gleichen T a g e macht der Ministerpräsident auf Grund dieser Verhandlungen der Reichsleitung den unter Nr. 13 folgenden Vorschlag
Nr. 13
Bayerischer Antrag an die Reichsregierung auf eine neue Staatenkonferenz. Telegramm
München, den 2. Dezember 1918
Der Ministerrat des Volksstaates Bayern ist einstimmig der Meinung, dass sofort eine K o n f e r e n z d e r V e r t r e t e r d e r deutschen R e g i e r u n g e n nach Jena oder einem anderen z e n t r a l gelegenen Orte einberufen wird, in der eine p r o g r a m m a t i s c h e Kund6
g e b u n g der äusseren und inneren Politik zu vereinbaren ist. Zu den unerlässlichen Programrnpunkten gehören die Fragen der N a t i o n a l v e r s a m m l u n g , der Besetzung des A u s w ä r t i g e n A m t e s in Berlin und der A k t e n v e r ö f f e n t l i c h u n g e n . Die Konferenz soll je nach der Grösse der Bundesstaaten aus i bis 3 Mitgliedern zusammengesetzt werden. Der Ministerpräsident des Volksstaates Bayern: Kurt
Eisner
Nr. 14
Geheimer Beschluss des Ministerrates vom 3. Dezember1} Es besteht Einverständnis, dass Ministerpräsident Eisner die Beziehungen zum Auswärtigen Amt wieder anknüpft, wenn Solf und Erzberger ausscheiden. Erzberger hat einen Kommissar beigeordnet erhalten.
Nr. IS
Beschluss des Vollzugsrates des Arbeiter- und Soldatenrates Gross-Berlin Telegramm 2)
Berlin, den 3. Dezember
Der Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates Gross-Berlin fordert im Einverständnis mit dem Vollzugsausschusse des Arbeiterund Soldatenrates von Bayern, dass die bereits gestellte Forderung des sofortigen Rücktritts Solfs schleunigst erfüllt wird. Zweitens, dass an Stelle Solfs ein Mann tritt, der stets Gegner des alten Systems und dessen Kriegspolitik war. Drittens die Zusicherung, dass Erzberger an den Friedensverhandlungen nicht mehr teilnimmt.
*) Verhandlungsniederschrift des Ministerrats im Ministerium des Äussern. 2 ) Abgedruckt im stenographischen Bericht der 6. Sitzung des Landessoldatenrates.
83 Nr. 16
Die Reichsregierung an die Bayerische Regierung1) Berlin, den 4. Dezember 1918 Der Wunsch der Bayerischen Regierung auf Einberufung einer Konferenz der Vertreter der deutschen Freistaaten nach Jena oder einem anderen zentral gelegenen Ort hat die Reichsregierung in ihrer heutigen Sitzung beschäftigt. Wir sind zu dem einmütigen Beschluss gelangt, von der Einberufung einer solchen Konferenz abzusehen, weil nach unserer Ansicht kein genügender Grund für ihren Zusammentritt vorliegt. Die Reichsregierung hat das Programm ihrer äusseren und inneren Politik in ihren Kundgebungen festgesetzt. Die erste Reichskonferenz in Berlin hat sich mit ihr auf den gleichen Standpunkt gestellt. Auch uns beschäftigt der Gedanke, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Reichsregierung und den einzelnen Freistaaten geschaffen werden muss. Es liegt uns seit einigen Tagen hierzu ein Vorschlag Preussens vor, der gründlich geprüft werden wird. Vor einer Neuregelung der Angelegenheit werden die einzelnen Staaten Gelegenheit haben, ihrerseits Stellung zu nehmen. Die politischen Akten des alten Regimes sind von uns in Verwahrung genommen, und es ist alles geschehen, um Publikationen aus den Archiven mit gründlicher Sorgfalt vorzubereiten. Wegen der Neubesetzung des Auswärtigen Amts wird im Kabinett beraten. Die Reichsregierung Ebert Nr. 17
Im Vorparlament In den Verhandlungen des provisorischen bayerischen Nationalrates vom 13. bis 18. Dezember bilden die Friedenspolitik des Ministerpräsidenten und seine Aktenveröffentlichung, ähnlich wie bei den vorausgegangenen Tagungen der Räte, einen wichtigen Gegenstand. Es wird Einspruch erhoben gegen die Vorstellung, dass Deutschland die alleinige Schuld am Kriege trage, und dass man mit einem Schuldbekenntnis die Gegner versöhnlich stimmen könne. Urschrift im Auswärtigen Amt in Berlin.
0*
84 A u s der Rede von Professor Dr. Q u i d d e (Stenogr. Bericht der 4. Sitzung vom 17. Dezember 1918) : Als die neue Regierung ins Leben trat, hat uns der Herr Ministerpräsident verkündet, er werde von München aus für das Deutsche Reich den Frieden bringen. In der Proklamation vom November hiess es: „Die demokratische und soziale Republik Bayern hat die moralische Kraft, für Deutschland einen Frieden zu erwirken, der es vor dem Schlimmsten bewahrt." Wenn man heute dieses Wort liest, ich glaube, dann darf man sagen: O, w e l c h e I l l u s i o n u n d w e l c h e i n e p h a n t a s t i s c h e I d e e , hier von B a y e r n aus dem D e u t s c h e n R e i c h e den F r i e d e n b r i n g e n zu k ö n n e n ! Der Herr Ministerpräsident hat uns auch gesagt, dass er durch V e r h a n d l u n g e n m i t d e n T s c h e c h e n , durch seine Beziehungen zu der tschechischen Republik uns Vorteile inbezug auf die Kohlenversorgung bringen werde. Wir haben vor wenigen Tagen aus dem Munde des Herrn Ministers Auer gehört, dass sich nichts von dem verwirklicht hat. Ebensowenig hat sich verwirklicht die Hoffnung, durch Fühlungnahme mit Ciémenceau über München dem Deutschen Reiche den Frieden bringen zu können. Das sind Illusionen gewesen, Phantastereien gewesen, die beweisen, dass der Herr Ministerpräsident die Tatsachen der auswärtigen Politik nicht nüchtern einschätzen kann. . . . Es kommt jetzt nicht darauf an, ob von München aus die Idee der neuen demokratischen sozialistischen Republik verkündet wird, daflir geben die Gegner nichts, das ist nicht entscheidend für die Friedensbedingungen. Sie wollen vor sich haben eine verhandlungsfahige Regierung, eine v e r h a n d l u n g s f ä h i g e R e g i e r u n g n i c h t b l o s s f ü r B a y e r n , s o n d e r n f ü r D e u t s c h l a n d . Man kann vielleicht den Frieden von München aus anknüpfen, kann nützliche Vermittlungsarbeit leisten, aber den Frieden zu schliessen, dazu bedarf es einer Regierung, die das ganze Deutsche Reich vertritt. D e n G e d a n k e n eines S o n d e r f r i e d e n s für B a y e r n aber weisen wir mit a l l e r S c h ä r f e z u r ü c k . D a s w ä r e der A n f a n g zur Z e r t r ü m m e r u n g des R e i c h e s und wir w o l l e n die Einheit des Reiches aufrechterhalten. Ich habe den Eindruck, der Herr Ministerpräsident hat sich den stärksten Illusionen Uber die Auffassung im Ententelager hingegeben. Er hat am 15. November gesagt: „Die leitenden Männer der Entente sprechen nach der Umwälzung anders als zuvor. Der Geist des Patrioten, der die französische Republik leitet, spricht heute mit menschlichem Verständnis und Vertrauen." Ich glaube, von diesem menschlichen Verständnis und Vertrauen des Patrioten, der die französische Republik leitet, des Herrn Ciémenceau, haben wir bisher verflucht wenig verspürt.
85 Herr Eisner schüttelt den Kopf, ich habe geglaubt, er würde mir zustimmen, dass er sich getäuscht habe. Wir alle haben Veranlassung, vor der Menschheit Klage zu erheben gegen die Art, wie der Waffenstillstand gegen uns durchgeführt wird, Klage gegenüber dem Friedensprogramm, das von massgebenden Personen in Frankreich in Widerpruch zu den Sozialisten, in Widerspruch zu den Gesinnungsgenossen des Herrn Eisners aufgestellt wird. Ich glaube, es ist ebenso eine Illusion, dass wir bessere Bedingungen bekommen, wenn wir uns selbst recht erniedrigen. E s i s t b e i v i e l e n j e t z t e i n e f ö r m l i e h e k r a n k h a f t e V o r s t e l l u n g , so k r a n k h a f t wie d i e W a h n i d e e des Militarismus w ä h r e n d des K r i e g e s , d a s s wir im B ü s s e r g e w a n d e d e n F e i n d e n g e g e n ü b e r t r e t e n müssten, dass uns das Sympathien v e r s c h a f f e . . . . . . . E s wird einmal eine g r ü n d l i c h e A u f k l ä r u n g ges c h a f f e n w e r d e n m ü s s e n u n d g r ü n d l i c h im L a n d e a b g e rechnet werden müssen. A b e r das, meine ich, sollen wir v e r s c h i e b e n , bis wir d e n F r i e d e n h a b e n u n d v o l l e Ruhe und O r d n u n g . . . . Wir sollten in diesen Tagen des schweren nationalen Unglücks, in diesen Tagen, wo die ganze Welt darnach trachtet, uns mit Friedensbedingungen niederzudrücken und wo wir auf der Gegenseite nur eine verhältnismässig kleine Zahl allerdings hoffentlich einflussreicher Personen haben, die an dem Gedanken der Gerechtigkeit festhalten, wir sollten heute stolzer als je und erhobenen Hauptes als Deutsche dem Ausland gegegenübertreten. L a s s e n S i e m i c h I h n e n d a s als Pazifist sagen.
Der christliche Gewerkschaftssekretär S c h w a r z e r bemerkt unter anderem (Stenogr. Bericht der 5. Sitzung vom 18. November 1 9 1 8 ) :
Das einzige, was den Franzosen und unseren Feinden vielleicht noch nicht ganz aus ihrem Gedächtnisse herauszubringen war, das war die Belastung ihres Gewissens, dass auch sie von der Schuld am Kriege jedenfalls nicht ganz freigesprochen werden können. . . . In diesem Augenblicke des Jubels und des Siegfeierns bringt man dem französischen Volke und unsern Feinden noch das Geschenk der Gewissensentlastung, damit sie sich tatsächlich freuen und sagen können: Wir sind doch die besten und bravsten Menschen der ganzen Welt.
Der mehrheitssozialistische Abgeordnete E d u a r d S c h m i d beruft sich auf ein Wort Ledebours im Reichstage, dass die Schuld am Kriege erst nach eingehender Prüfung der gesamten Akten und aller diplomatischen Verhandlungen richtig festgestellt werden könne und fügt an:
Man muss die Geheimakten vergleichen können. Was aus den Geheimakten, die die rassischen Bolschewisten veröffentlicht haben,
86 hervorgegangen ist, hat anders gelautet. Die Bolschewisten haben bewiesen, d a s s R u s s l a n d z u m K r i e g e g e t r i e b e n h a t . . . . Wir von unserem p r o l e t a r i s c h e n Standpunkt aus haben auszusprechen; schuld an dem fürchterlichen Morden werden alle Regierungen zusammen sein . . . . Darum wollen wir doch Klugheit in unserer Politik walten lassen und in aller Wahrheitsliebe, die uns beseelt, unsere Schuld im gegenwärtigen Moment n i c h t n o c h g r ö s s e r m a c h e n , a l s s i e s c h o n i s t ; denn nicht die Schuldigen werden büssen, sondern wir, d a s g e p l a g t e , g e q u ä l t e V o l k w i r d d i e s e s B a d a u s t r i n k e n m j i s s e n , das uns die anderen bereitet haben. Darum nach dieser Richtung mehr Vorsicht, Besonnenheit, im Interesse des werktätigen Volkes!
Aus den Erwiderungen des Ministerpräsidenten (Stenogr. Berichte der 4. und 5. Sitzung vom 17. und 18. November) : Das Auswärtige A m t existiert heute nicht mehr. Es ist ausgeräuchert . . . . Die auswärtige Politik, die ich treibe, ist nicht ein Originalgedanke von mir. Diese auswärtige Politik beruht auf dem Gedanken, mit dem die internationale Sozialdemokratie geboren wurde. S o heisst es in der Inauguraladresse aus dem Jahre 1864 ungefähr, dass die Beziehungen zwischen den Völkern diktiert werden müssen durch dieselben einfachen Gesetze der Ehre und Sittlichkeit, die zwischen den Angehörigen derselben Nation bestehen müssen. Das ist das ganze Geheimnis und die einzigmögliche Fruchtbarkeit auswärtiger Politik. Das erklärt alle meine Massnahmen und alle meine Kundgebungen. Herr Professor Quidde irrt sich ausserordentlich über den Eindruck, den gerade meine Kundgebungen im Auslande hervorgerufen haben. Ich möchte ihn dringend bitten, mir Beweise dafür zu geben, dass diese Auslassungen nicht zu unseren Gunsten gewirkt haben. Wenn ein englisches antideutsches Blatt von einer moralischen Revolution in Bayern gegen das bisherige System sprach, wenn es davon sprach, dass die bayerische Revolution nicht hervorgerufen sei durch Lebensmittelnot oder durch den militärischen Zusammenbruch, sondern durch eine moralische Auflehnung gegen das alte System, so frage ich den Herrn Vorredner, ob das zu unseren Gunsten oder zu unseren Ungunsten ist. Wir haben gegenwärtig keine andere Einwirkung auf das Ausland als moralische Einwirkung. . . . Wir haben immer noch nicht ganze Arbeit geleistet. Noch leben die Agenten in Bern, noch arbeiten sie, das Werk ist noch nicht getan, aber wir werden es fortsetzen und fortsetzen werden wir auch den Kampf um die Wahrheit über den Krieg, da können wir
87 nicht warten bis zum Frieden; denn diese Wahrheit ist die Vorbedingung jenes Vertrauens, das Herr Dr. Quidde am Schlüsse seiner Rede als Grundlage des Völkerlebens gepredigt hat. Ich hoffe, dass die Urkunden bald von Berlin aus kommen werden; sie werden reinigend wirken und wir von Bayern aus könnten sie ja dann vielleicht ergänzen, auf sehr interessante Weise ergänzen.
E s ist selbstverständlich Pflicht jeder revolutionären Regierung, dass sie das System der früheren Regierung entlarvt. Noch niemals hat eine revolutionäre Regierung darauf verzichtet. Die Aktenstücke der deutschen Regierung werden vollständig in allernächster Zeit veröffentlicht werden . . . Ob die Wahrheit nützt oder schadet, die Wahrheit muss gesprochen werden . . . Man soll nicht damit arbeiten, dass, wenn wir die Wahrheit über uns selbst sagen, es draussen unangenehm berührt. Die Aktenveröffentlichung hat — und dafür könnte ich Ihnen bergehohes Material vorlegen —, wenn überhaupt irgend etwas günstig für uns gewirkt hat, günstig g e w i r k t . . . Wenn man diese weitzurückliegenden Ursachen (des Weltkrieges) erörtert, kann man vielleicht bis 1813/15 zurückgehen. Darum handelt es sich nicht, wenn man die Frage der Kriegsschuld betrachtet, sondern nur darum, wer hat die Verwegenheit besessen, in einer explosiven Welt den Funken hineinzuwerfen und anzuzünden. Darum handelt es sich und darüber ist gar kein Zweifel. Noch niemals ist die Ursache eines Krieges, der unmittelbare Anlass, die unmittelbare Herbeiführung eines Krieges so klar gewesen, wie in diesem Kriege. Die ganze Welt weiss es, jedes neutrale Land . . . Man wirft uns aber vor, dass wir in Deutschland, die Schuldigen des Krieges, die Alten geblieben seien, dass das neue System noch die Verantwortung übernimmt für das alte, und das wäre unser letztes Verderben, wenn wir diese Schuld auf uns lasten lassen wollten; deshalb ist Reinigung, Entsühnung die erste Forderung der Politik. Was hat man denn in der Hetzpresse des Auslandes von unserer Revolution gesagt? Immer nur: „Diese Revolution ist ja gar nicht wahr, die ist Schwindel, sie ist gemacht worden von den Herrschenden von gestern, nur um die Völker des Auslandes zu betrügen." Die herrschenden Hetzer im Auslande furchten sich vor ihren Völkern und deswegen sollen die fremden Völker nicht Vertrauen zum neuen deutschen Volke bekommen. Unsere Aufgabe ist es, dieses Vertrauen zu verdienen und zu erarbeiten. Darum handelt es sich und wer recht behält, das wird die Zukunft beweisen.
88 Nr. 18
Der Gesandte in Bern an den Ministerpräsidenten Bern, den 22. Dezember 1918 Hochgeehrter Herr Ministerpräsident! Zunächst möchte ich berichten, dass ich die telegraphisch erhaltene Weisung betreffend Wahlerlaubnis in den besetzten Gebieten der Pfalz sofort an das politische Departement der Eidgenossenschaft zur Weiterleitung nach Paris gesandt habe. Antwort ist noch nicht eingetroffen. Ebenso habe ich einem nach Paris gehenden Vertrauensmann der dortigen Regierung eine eingehende Information über das positive Wirken unserer Arbeiter- und Soldatenräte mitgegeben. Doch scheint man gerade in Frankreich sehr die ansteckende Wirkung dieser revolutionären Instanzen auf die besetzenden Truppen zu furchten. Die Einreiseerlaubnis für Herrn W. Franke wurde beantragt. In meinem letzten Briefe stellte ich in Aussicht, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass der bereits in meinen früheren Berichten erwähnte 2) ganz persönliche Vertrauensmann Ctemenceaus nach München käme. Um jedes Missverständnis auszuschliessen bemerke ich, dass es sich hierbei nicht um einen von Climenceau ausgehenden Antrag handeln würde, genau so wenig wie das in den bisherigen Unterredungen des Betreffenden mit mir der Fall war, sondern einfach darum, dass der Erwähnte, wahrscheinlich sogar ohne Wissen Cl^menceaus, ganz als Privatmann zum Zwecke zuverlässigster Information nach München käme. Es scheint jedoch, dass diese Möglichkeit zurzeit etwas in die Ferne gerückt ist, weil allen meinen Eindrücken nach auf Seite der Entente-Leute die Parole ausgegeben ist, z u n ä c h s t Besprechungen mit deutschen Vertretern aus dem Wege zu gehen, bevor nicht in Paris allgemeine Richtlinien flir die weitere Behandlung der deutschen Frage zwischen den beteiligten Staatsmännern vereinbart worden sind. Auch der übermässige Zudrang aller möglichen deutschen Elemente, die seit einigen Wochen hier an den Entente-Gesandtschaften antichambrieren, mag zu der erwähnten reservierten Haltung beigetragen haben. Hingegen scheint man sich mehr und mehr dahin zu entscheiden, dass von offiziellen und inoffiziellen Vertretern der Entente-Mächte Deutschland bereist 1 ) Telegramm des Ministerpräsidenten vom 17. Dezember 1 9 1 8 : Bitte Entente den Wunsch zu übermitteln, dass sie in der Pfalz Wahlbewegung und Wahlen für Nationalversammlung zum 12. Januar ermÖSlicht 3
) Siehe m , 1 1 .
Kurt Eisner
89 werden solle, damit zuverlässige Informationen als Unterlage der Ernährungsaktion und besonders der Kreditgewährung gewonnen werden. Heute war der ganz offizielle Kommissär der amerikanischen Regierung, Mr. Draesel, bei mir, der zunächst nach Berlin geht und sich dann in München bei Ihnen melden wird. Er ist sozusagen ein Vorbote der Ernährungskommission, er will wissen, ob eine s t a b i l e R e g i e r u n g in Deutschland zu erwarten ist. E s wird gut sein, ihn auch mit Herrn Eiffe bekannt zu machen und ihn ferner einmal am Nachmittage durch die ärmeren Quartiere Münchens (Uhren zu lassen. Soeben teilt mir Mr. Draesel mit, dass er doch lieber zuerst nach München gehen will, womöglich schon Donnerstag. Es ist in diesem Falle unbedingt notwendig einen Sonderzug bereitzustellen, denn von solchen Besuchen hängt jetzt Deutschlands Leben und Sterben ab. Da Mr. Draesel auch nach Berlin geht, so ist es ja nur in der Ordnung, dass Berlin sich beteiligt. Alles Nähere wird telegraphisch angemeldet werden. Neben dem Vertreter des Progrès de Lyon, der schon bei Ihnen war, haben sich heute für die Reise nach München zwei höchst intelligente und objektiv urteilende französische Journalisten gemeldet: M. de Kucharski (Matin) und Marcel Rey, die von München nach Prag Weiterreisen wollen. Die Herren werden sich sofort bei Ihnen melden. E s wäre gut, sie an Versammlungen teilnehmen zu lassen, sie verstehen und sprechen gut deutsch. In bezug auf die allgemeinen Absichten der Entente-Völker gegenüber Deutschland glaube ich folgendes feststellen zu können: Frankreich ist noch von völligem Misstrauen erfüllt : Greift kein Militär ein, so heisst es: voilà l'anarchie et le bolschévisme — wird mit Truppen gedroht, so heisst es: voilà la contre-révolutionI Der Franzose, der von der I d e e ausgeht, vermisst bei uns noch jede Spur von „repentir" und glaubt daher an keine gründliche Umkehr. Die Leitartikel des „ T e m p s " bestätigen das immer wieder. Ich zitiere folgende treffende Worte aus dem „ T e m p s " Nr. 20 979 in bezug auf Eberts Rede zu den Truppen: L'hiver dernier le prince Max affectait de dire qu'il fallait remettre en honneur le Sermon de Montagne. Il a oublié ce projet quand il a passé au pouvoir, mais son successeur a depuis un an l'occasion d'accomplir son voeu. Ce serait bien le moment de prêcher en Allemagne un retour à la morale chrétienne, ou bien à la morale tout court. Ce serait le moment d'expliquer à ces adorateurs du dieu Thor et du demi-dieu Bismarck que la défaite doit être l a s o u r c e d u r e p e n t i r et que le r e p e n t i r e s t l e s e u l c h e m i n de la r é h a b i l i t a t i o n . Die Aufklärungspropaganda in bezug auf die Schuldfrage ist aus diesem Grunde höchst wichtig. Für Frankreich ist ein neuer Geist in Deutschland weit entscheidender als neue Institutionen.
90 Ich möchte deshalb sehr befürworten, dass man den Herren von der Freien Zeitung, die in der Schuldfrage ganz ausgezeichnet gearbeitet haben, ihre Absichten in Deutschland möglichst erleichtert. Die A m e r i k a n e r fragen weniger nach der Schuldfrage, ihnen kommt alles auf die p r a k t i s c h e Frage an, ob sich bei uns eine wirklich demokratische Regierung mit vollkommener Ordnung durchsetzen kann, so dass die Lebensmitteltransporte nicht in ein Chaos hineinkommen. Es werden keine Abmachungen stattfinden, bevor über diesen Punkt keine zuverlässigen Informationen vorliegen. Daher ist die Mission des Mr. Draesel in bezug auf die materielle Versorgung Deutschlands ganz entscheidend. Was E n g l a n d betrifft, so scheint es mir nach vielen Informationen, als ob dort eine neue Orientierung in bezug auf Deutschland zum Durchbruch käme, die möglicherweise auch in Kapitalsanlagen grossen Stils — schon um uns nicht ganz in amerikanische Abhängigkeit zu bringen — ihren Ausdruck finden könnte. Damit hängen viele an mich gelangende Anfragen von englischer Seite zusammen in bezug auf die baldige Möglichkeit geordneter Zustände in Deutschland. Mr. Henderson war kürzlich in Genf; ich konnte Informationen beruhigender Art in bezug auf die Konsolidierung der Ordnung in Deutschland in seine Hände gelangen lassen. Ein Mitglied der Indépendant Labour Party, Member of Parliament, schrieb mir von London aus einen Brief, dessen Kopie ich beilege. Diesen Brief darf ich wohl ganz besonderer Vorsicht empfehlen, damit nichts daraus in die Zeitungen komme 1 ). Als meine Hauptaufgabe betrachte ich hier, durch Exposés, die ich in die mir zugänglichen Kreise der Entente gelangen lasse, sowie durch mündliche Informationen das Vertrauen zur deutschen Ordnung und zu allmählichem Durchbruch der Wahrheit zu stärken. . . .2) Fr. W. F o e r s t e r
*) Der Brief stammte von S t e p h e n S a n d e r s , Sekretär der Fabian-Gesellschaft und gab der Befürchtung Ausdruck, dass eine Reichsregierung mit Scheidemann, Ebert und Landsberg, aber ohne Ledebour und Liebknecht zwar neue Männer aufweise, dass aber die alten Methoden geblieben seien. 2 ) Es folgen noch Mitteilungen über den deutschen Handelsverkehr und die Tätigkeit deutscher wilder Aufkäufer in der Schweiz, wovor der Gesandte warnt.
91 Nr. ig Aus dem Begleitschreiben Foersterszu handelspolitischen Berichten der Berner Gesandtschaft 1 ) Bern, den 22. Dezember 1918 Was den Vorschlag des Herrn Dr. Lindner hillsichtlich einer bayerischen Ausfuhrzentrale betrifft, so wäre eine baldige Verwirklichung schon deshalb wünschenswert, damit von da aus eine Handhabe gegeben würde, die Präsidialmacht Berlins ganz konkret-praktisch auszuschalten. Da Erhaltung und Ausbau der Reichseinheit schon aus ökonomischen Rücksichten ganz unentbehrlich ist, so wird die blosse Betonung der Sonderrechte der Bundesstaaten gar keinen greifbaren Effekt haben. Es kommt darauf an, durch föderative Zusammenfassung aller Sonderinteressen eine neue Reichsinstanz zu schaffen, der sich dann die Berliner Zentralen als dienende Organisationen zu unterwerfen hätten. Dies könnte so geschehen, dass Bayern die Gründung von Ausfuhrzentralen im ganzen Reiche anregt, worauf dann diese Zentralen eine Oberinstanz in Frankfurt, Hamburg oder Berlin schaffen müssten, die an die Stelle einer jetzt etwa in Berlin entstehenden bureaukratischen Reichsexportstelle zu treten den Anspruch erheben müsste. A n ein solches Vorgehen, das eine symbolische Bedeutung haben würde fiir den Weg, der auf allen Gebieten gegangen werden müsste, um die Föderativzentrale an die Stelle der Berliner Hegemonie zu setzen, könnten sich dann die verschiedensten anderen Versuche anschliessen, die Sonderinteressen zur Geltung zu bringen, sie aber zugleich der Reichseinheit zu unterwerfen. Es ist zweifellos, dass uns auf diesem Wege die deutschen Hansastädte ganz besonders lebhaft entgegenkommen und uns durch ihre überragende kommerzielle Erfahrung in den Stand setzen würden, dem von Berlin ausgehenden Zentralismus wirksam zu begegnen. Auch wenn uns gerade auf dem Boden der Nationalversammlung eine neue Reichseinheit begründet wird, ist es von grösster Bedeutung, dass jene neue Zentrale von beratenden und kontrollierenden Körperschaften umgeben sei, die auf dem Prinzip des föderativen Zusammenwirkens der verschiedenen geschichtlichen Lebenskreise aufgebaut sind und dadurch ein Gegengewicht gegen die Gefahren einer zentralistischen Bureaukratie bieten. Fr. W . F o er st er
*) Siehe V ,
18, Anm.
2.
92 Nr. 20 Badisches Ministerium des Äusseren an das Ministerium des Äusseren in München Karlsruhe, den 27. Januar 1919 Nach zuverlässigen Informationen, die wir aus der Schweiz erhalten haben, ist der Einfluss des Deutschen Reiches dort deswegen so gering, weil die Gesandtschaft auf der einen Seite nicht so arbeitet, wie sie sollte und weil sie auf der anderen Seite insbesondere durch die bayerische Sondergesandtschaft gehindert ist. Neuerdings hat Bayern auch eine Handelsabteilung eingerichtet, die ohne jede Verbindung bisher mit der Handelsabteilung des Deutschen Reiches stand. Wenn die Schweiz auch mit dieser Handelsabteilung arbeitet, so hat das getrennte Vorgehen doch zur Folge, dass gegebenenfalls der eine gegen den andern ausgespielt wird oder die Massnahmen des einen die des andern durchkreuzen. Will Deutschland im Auslande überhaupt wieder zu Ansehen kommen, und hier kommt zuerst in Betracht das neutrale Ausland, so muss es nach aussen hin seine Einheit dokumentieren, und das geschieht dadurch, dass nicht die verschiedenen Bundesstaaten im Auslande auf eigene Faust handeln, sondern dass für sie und damit für das Reich die deutsche Gesandtschaft und deren Organe handeln. Dieser Gedanke ist übrigens auf der Stuttgarter Konferenz anerkannt worden und das sollte gefördert werden durch die süddeutsche Kommission, die bis heute nicht zustande gekommen ist. Will man sie nicht, so muss man aber in vollem Umfang das Reich gelten lassen und sich dessen Vertretung bedienen, wenn man im Auslande etwas will. Wir möchten daher nochmals die dringende Bitte stellen, Sonderaktionen im Auslande zu unterlassen und entweder das Reich wieder in alle seine Rechte einzusetzen oder aber ein gemeinschaftliches Handeln der vier süddeutschen Staaten durch Schaffung der süddeutschen Kommission zu sichern.
93
VI
Besondere Schicksale der bayerischen
Dokumente
i Unter dem Titel „ D i e Entstellung der Wahrheit durch Eisner" schrieb der Geheime Legationsrat H. von Schoen, der Verfasser des Gesandtschaitsberichtes vom 18. Juli 1914, in der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 2. A u g u s t 1 9 1 9 (Nr. 364) einen Aufsatz, worin er darlegte, dass sein Bericht bei der Veröffentlichung in einer sinnentstellenden Weise gekürzt worden sei. Durch Wiedergabe weggelassener Stellen, besonders derjenigen, die von der Lokalisierung des serbisch-österreichischen Konflikts und den darauf gerichteten Absichten der deutschen Reichsregierung handeln, lenkt der Artikelschreiber das Interesse der Öffentlichkeit auf den Wortlaut seines Gesandtschaftsberichtes hin. Einige T a g e später erschien dieser in vollem Umfang in der Deutschen Allgemeinen Zeitung. 1 ) Der Aufsatz Schoens sagt einleitend, Eisner habe die Welt glauben machen wollen, dass Deutschland im Juli 1 9 1 4 den e u r o p ä i s c h e n Krieg gewollt und betrieben habe. D e r Bericht vom 18. Juli 1 9 1 4 aber zeige im Gegenteil, ,,dass die Reichsleitung auf die Lokalisierung des Konflikts zwischen Osterreich und Serbien hinarbeitete und ernstlich bestrebt war, den Ausbruch eines europäischen Krieges hintanzuhalten." Er macht dann folgende Bemerkungen: Worum es sich in meinem Bericht handelt, habe ich in dessen Eingang mit den Worten gesagt: Ich beehre mich „über die von der österreichisch-ungarischen Regierung beabsichtigte AuseinanderDeutsche Allgemeine Zeitung Nr. 386 vom 10. August 1919.
94 setzung mit Serbien das Nachstehende zu berichten." Diesen Passus hat Eisner unterdrückt, um die Aufmerksamkeit davon abzulenken, dass das Thema des Berichts die Auseinandersetzung zwischen Österreich und Serbien bildet und um die Meinung hervorzurufen, als habe der Verfasser nicht diesen, sondern einen allgemeinen europäischen Konflikt im Auge. In meinem Bericht heisst es dann weiter: „Wie sich die anderen Mächte zu einem kriegerischen Konflikt zwischen Österreich und Serbien stellen werden, wird nach hiesiger Auffassung wesentlich davon abhängen, ob Österreich sich mit einer Züchtigung Serbiens begnügen oder auch territoriale Entschädigungen für sich fordern wird. (Anmerkung: Wie bekannt, enthielten die Ziele der österreichischen Aktion tatsächlich keine Annexionsgedanken; vgl. Deutsches Weissbuch über die Verantwortlichkeit der Urheber des Krieges Seite 67). In ersterem Falle dürfte es gelingen, den Krieg zu lokalisieren1), im anderen Falle dagegen wären größere Verwicklungen wohl unausbleiblich. Diesen ganzen Satz hat Eisner gestrichen! Statt dessen sucht er durch die Bemerkung „es wird dann in diesem Bericht des Grafen Lerchenfeld an Graf Hertling weiter über die diplomatische Aktion Deutschlands geplaudert", auch hier den Eindruck zu erwecken, als ob es sich nicht so sehr um den österreichisch-serbischen Konflikt, als um einen Anschlag Deutschlands gegen den Frieden gehandelt habe. Und nun kommt der Kernpunkt des Berichts, der für die ganze Beurteilung der Lage und für die Absichten der Reichsleitung entscheidend ist: nämlich die Darlegung dessen, was die Reichsleitung zur Vermeidung einer Ausdehnung des österreichisch-serbischen Konflikts zu unternehmen gedachte. Das alles hat Eisner nicht veröffentlicht, vielmehr nur einen Satz aus dem Zusammenhang herausgerissen.
[Es folgt die Wiedergabe eines Absatzes, der von der Lokalisierung des Krieges handelt.] Deutlicher als diese, auf den Mitteilungen des damaligen Unterstaatssekretärs Zimmermann beruhende Darlegung kann wohl nichts beweisen, daß der Wunsch der Reichsleitung dahin ging, eine Ausdehnung des Konflikts, in den Deutschland hineingezogen werden könnte, zu vermeiden. Auch im folgenden arbeitet Eisner mit der Schere. So fehlen in seiner Wiedergabe die Sätze: „England wird Österreich nicht hindern, Serbien zur Rechenschaft zu ziehen" und weiter unten: „Sehr wenig Freude würde Italien an einer Züchtigung Serbiens durch Österreich empfinden". Eisner passt es eben, wie schon oben *) Anmerkung des Herrn von Schoen: „Eine Auffassung, die k h für meine Person in Anbetracht der Weltlage allerdings nicht geteilt habe".
95 bemerkt ist, nicht, dass der Leser daran erinnert wird, dass ich nicht von dem Weltkrieg spreche, sondern von der Haltung der Mächte im Falle eines Krieges zwischen Österreich und Serbien! Aus diesem Grund unterlässt er auch die Wiedergabe dessen, was ich über die zwischen Österreich und Italien damals bestehende Spannung als „ein die Situation sehr erschwerendes Moment" geschrieben habe. Eine weitere Irreführung der öffentlichen Meinung bezweckt Eisner, wenn er meine Meldung über eine etwaige Abtretung des Trentino an Italien nur auszugsweise veröffentlicht und mit dem Ausruf versieht: „also schon damals!" Denn während meine Darlegungen deutlich erkennen lassen, dass die Frage einer Entschädigung Italiens nur im Hinblick auf Art. V I I des Dreibundvertrages in Wien von uns angeregt wurde, d. h. dass Österreich Italien eine Kompensation geben sollte, damit dieses sich dem österreichischen Vorgehen gegen Serbien nicht widersetze, sucht Eisner durch seinen Zusatz den Glauben zu erwecken, als ob der später (im Winter 1915) gemachte Versuch, Italien durch Abtretung österreichischer Gebiete von einem Eingreifen in den europäischen Krieg auf Seiten unserer Gegner abzuhalten, schon im Juli 1 9 1 4 ins Auge gefasstl, worden wäre, es also für die Reichsleitung sich von vornherein nicht um einen österreichisch-serbischen Konflikt, sondern um den europäischen Krieg gehandelt hätte . . . Auch bei der Auswahl der von ihm veröffentlichten Berichte der bayerischen Gesandtschaft J ) ist Eisner dolos vorgegangen. Dass er die sämtlichen Berichte aus der Zeit vor Ausbruch des Weltkrieges durchsucht hatte, unterliegt wohl keinem Zweifel. Er hat aber alle diejenigen unterdrückt, die die eifrigen Bemühungen der Reichsleitung zur Erhaltung des Friedens erkennen lassen . . . Freilich — und diese Erkenntnis ist wohl heute in Deutschland eine allgemeine — Fehler sind auch von der deutschen Regierung, sowohl in früheren Jahren als in den kritischen Tagen des Juli 1914, begangen worden. Die Hoffnung des damaligen Unterstaatssekretärs Zimmermann, dass Russland sich wie bei früheren Gelegenheiten, so auch in diesem Falle darauf beschränken würde, zu „bluffen", und dass sowohl England als Frankreich auf Russland in friedlichem Sinne einwirken würden, war bei der damaligen Weltlage, um es milde auszudrücken, reichlich optimistisch, und wenn Staatssekretär a. D. von Jagow in seiner Schrift „Ursachen und Ausbruch des Weltkrieges" (Seite 110) schreibt, er habe nach Kenntnisnahme des langen Textes des österreichischen Ultimatums dem Botschafter Grafen Szögyeny gesagt, dass ihm der Inhalt als „reichlich scharf und über den Zweck hinausgehend" erscheine, so werden viele finden, dass in Anbetracht der verhängnisvollen Folgen, die der Schritt Österreichs auch für uns hatte, Herr von Jagow der deutschen Staatskunst damit selbst kein gutes Zeugnis ausstellt. In Berlin!
96 Aber von einer Schuld Deutschlands in dem Sinne zu reden, wie es unsere Feinde tun, dass nämlich die deutsche Regierung den Krieg gewollt habe, ist — und die Ententeregierungen wissen dies selbst am besten! — eine bewusste Entstellung der Wahrheit Der Bericht der Ententekommission, die „für die Feststellung der Verantwortlichkeit der Urheber des Krieges und die aufzuerlegende Sühne" eingesetzt worden ist, beruft sich darauf, dass „der Inhalt meines Berichts vom 18. Juli 1914 niemals offiziell dementiert worden sei". Es ist bedauerlich, dass der Wortlaut der deutschen Kommission in Versailles nicht zugänglich gewesen ist und sie daher nicht in der Lage war, in ihren Gegenbemerkungen die Tatsache der tendenziös verstümmelten Wiedergabe durch Eisner hervorzuheben. Ich selbst konnte leider, abgesehen von einem mündlichen Hinweis im Auswärtigen Amt im November 1918, zur Aufklärung nicht früher beitragen, da der damalige interimistische bayerische Gesandte in Berlin die politischen Akten, darunter meinen in Frage stehenden Bericht, an sich genommen hatte. Erst vor kurzem war es mir möglich, eine Abschrift davon zu erhalten und die Eisner'sche Wiedergabe mit dem Wortlaut zu vergleichen. 2 Die letzten Bemerkungen des Artikelschreibers legen die Frage nahe, wieso es kam, dass die Bekanntgabe des Wortlautes des Dokumentes nicht früher stattfand. Die Akten im Ministerium des Äussern weisen darüber folgenden Tatbestand aus: A m 10. Januar 1 9 1 9 ersuchte der neu ernannte bayerische Gesandte in Berlin Dr. von Preger das Staatsministerium des Äussern in München um Rückgabe einer Reihe von politischen Akten der bayerischen Gesandtschaft in Berlin, die zu verschiedenen Zeiten in das Ministerium nach München verbracht worden seien. In einem V e r zeichnis wurden die Schriftstücke im einzelnen aufgeführt, unter ihnen auch die beiden bei der Veröffentlichung benützten Gesandtenberichte vom 1 8 . Juli und 4. August 1 9 1 4 . Für den Fall, dass die Akten noch gebraucht würden, wünschte der Gesandte Empfangsbestätigung. Ministerpräsident Eisner liess unterm 2 5 . Januar T 9 1 9 durch Dr. Merkel den Empfang der Akten bestätigen und gleichzeitig mitteilen, dass sie auch weiterhin noch gebraucht würden.
97
Zum zweiten Male erhob sich die Frage nach dem Verbleib der Akten im Mai 1919, also einige Monate nach dem Tode Eisners. Das Auswärtige Amt in Berlin richtete damals im Namen der deutschen Friedensdelegation in Versailles das Ersuchen an die Bayerische Gesandtschaft in Berlin um „abschriftliche Mitteilungen der sämtlichen politischen Briefe der bayerischen Gesandtschaft in Berlin um die Zeit vom 18. Juli bis zum Kriegsausbruch." Den Anlass zu diesem Ersuchen hatte die Tatsache gegeben, dass die Eisnerschen Enthüllungen in der Schuldanklage der Entente in Versailles eine hervorstechende Rolle spielten, und dass die deutsche Delegation den Wortlaut der verwerteten bayerischen Dokumente kennen lernen wollte. Die bayerische Gesandtschaft in Berlin gab den Wunsch des Auswärtigen Amtes am 7. Mai 19x9 telephonisch nach München weiter, wo das Ministerium nach kurz vorher erfolgter Beseitigung der Räterepublik und Befreiung der Landeshauptstadt seine Amtsgeschäfte wieder aufgenommen hatte, indes die Regierung unter der Leitung des Ministerpräsidenten Hoffmann und der Landtag noch in Bamberg weilten. Den gleichen Wunsch übermittelte übrigens auch die preussische Gesandtschaft in München unmittelbar dem bayerischen Ministerium des Äussern. Die sofort vorgenommenen Nachforschungen ergaben, dass die verlangten Akten sich nicht in den Räumen des Ministeriums befanden. Sie wurden dann am 1 1 . Mai unversehrt in der Privatwohnung Eisners aufgefunden und wieder in amtlichen Verwahr genommen. Die vom Auswärtigen Amt erbetenen Abschriften wurden sofort hergestellt, darunter auch eine solche des Berichts des Geschäftsträgers von Schoen. Sie gingen alsbald nach Berlin ab und wurden durch die bayerische Gesandtschaft dem Auswärtigen Amte übermittelt. Dieses hat darüber unterm 22. Mai Empfangsbestätigung ausgestellt. Für die Gegendenkschrift der deutschen Viererkommission über die Schuldfrage haben die Dokumente keine Verwendung mehr gefunden. Diese Denkschrift ist noch 7
98 vor dem 28. Mai abgeschlossen worden, an welchem T a g e sie von Brockdorff-Rantzau der Entente zugeleitet wurde. Auch in der Zeit bis zum Ultimatum der Verbandsmächte vom 16. Juni 1 9 1 9 und bis zum Abschluss des Friedensvertrags ist eine Veröffentlichung des Wortlautes nicht erfolgt. Erst durch den obigen Artikel des Geheimen Legationsrats von Schoen wurde die Bekanntgabe des Wortlautes in der Deutschen Allgemeinen Zeitung herbeigeführt Die deutsche Viererkornmission stellte in ihrer Erklärung vom Anfang August 1 9 1 9 fest, dass sie erst aus dem Artikel des Herrn von Schoen vom 2. August 1 9 1 9 den vollen Inhalt des Gesandtenberichtes vom 18. Juli 1 9 1 4 kennen lernte.1) Die übrigen in der Eisnerschen Publikation verwerteten diplomatischen Schriftstücke sind im Wortlaute erst bekannt geworden durch den Abdruck in der von Kautsky bearbeiteten und von Montgelas und Schücking herausgegebenen Urkundensammlung „Deutsche Dokumente zum Kriegsausbruch". Siehe Abschnitt II, 3, Seite 2 3 .
B. Bayerische Gesandtenberichte aus den
letzten Vorkriegswochen
101
Vorbemerkungen i Die amtliche deutsche Aktenpublikation enthält im 4. Band als Anhang IV fünfunddreissig diplomatische Schriftstücke der bayerischen Gesandtschaft in Berlin aus der Zeit vom 2. Juli 1914 bis zum 5. August 1914. Damit wurde in die deutsche Aktensammlung alles aufgenommen, was die bayerische Gesandtschaft in Berlin in den kritischen Wochen vor dem Kriegsausbruch über die aussenpolitische Lage nach München zu melden hatte. 1 ) Im Hinblick auf die Rolle, welche vier dieser Aktenstücke infolge der Mitteilungen Eisners in der Versailler Schuldanklage spielen, musste es angezeigt und zweckmässig erscheinen, die g a n z e Reihe der Berichte und Meldungen der bayerischen Gesandtschaft in Berlin zu veröffentlichen. Gleichwohl tauchte in dem Pressestreit über die Enthüllung vom 23. November 1918, der sich von Zeit zu Zeit erneuerte, die Behauptung auf, es gebe ausser den in der deutschen Aktenpublikation abgedruckten bayerischen diplomatischen Schriftstücken noch andere bayerische Gesandtenberichte, die von grossem Belang für das Urteil in der sogenannten Schuldfrage seien, die aber in jenen Sammlungen nicht erschienen seien. Ja, es wurde geradezu die amtliche deutsche Publikation als solche in ihren Grundlagen angegriffen mit der Angabe, es habe im diplomatischen Dienste Deutschlands und Bayerns einen doppelten Schriftverkehr gegeben, *) Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch, Band I V , Seite 123S.
102 nämlich einen geheimen, in dem die Vorgänge, Geschehnisse und Verhältnisse wahrheitsgemäss geschildert worden seien, und einen gewöhnlichen amtlichen, der absichtlich so zurechtgestutzt worden sei, dass er gegebenenfalls zur Irreführung der öffentlichen Meinung hätte dienen können. Damit krache, so hiess es, der ganze kunstgerecht aufgerichtete Bau der deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch in den innersten Fugen. Von der bayerischen Berichterstattung wurde gesagt, sie habe in privaten geheimen Mitteilungen an den Ministerpräsidenten die politische Lage wahrheitsgetreu freier und offener dargestellt als in den ordnungsmässigen amtlichen, mit laufenden Nummern versehenen Berichten, welche die Lügen für die Öffentlichkeit enthielten. Vermeintliche Widersprüche in dem Gesandtschaftsberichte des Geschäftsträgers von Schoen vom 18. Juli 1 9 1 4 wurden damit erklärt, dass in diesem Schreiben der offizielle amtliche und der private geheime Teil zusammengeworfen seien, „weil der Verfasser anscheinend von der Übung der doppelten Buchführung im diplomatischen Dienste keine Kenntnis hatte". Daher hätte an einer Stelle des Berichtes die Rede sein können von der Lokalisierung des serbisch-österreichischen Konflikts, an einer anderen von der Unterstützung des österreichischen Vorgehens, selbst auf die Gefahr weiterer Verwicklungen hin: „Die Lokalisierung des Konflikts war die für die Öffentlichkeit bestimmte Lüge und der ins Auge gefasste europäische Krieg die für Herrn Hertling bestimmte privatime Information des preussisch-deutschen Generalstabs." Die genaue Prüfung der bayerischen Aktenbestände hat ergeben, dass diese schweren Vorwürfe unhaltbar sind. Gewiss haben die bayerischen Gesandten neben den laufenden, an das Ministerium des Äussern gerichteten amtlichen Meldungen und Berichten zuweilen auch besondere Informationen an den Ministerpräsidenten oder auch an den König gelangen lassen. Aber hinter dieser äusseren Verschiedenheit der Berichterstattung verbarg sich keineswegs der verwerfliche Zweck, der in jener öffentlichen Anschuldigung behauptet wird. Hierüber gibt folgende Aussage Auskunft, welche der frühere bayerische Staatsrat Sigmund von Lössl auf Befragen
103 an die Feststellungskommission gelangen liess:
des Bayerischen Landtags
Es ist selbstverständlich, dass es im Ministerium des Äussern auch vertrauliche Berichte gibt, die geheim gehalten werden müssen. Zu den Aktenstücken dieser Art wurden seit jeher die politischen Berichte der Gesandtschaften gezählt, denn sie enthielten ja vielfach Mitteilungen, die den Gesandten nur vertraulich gemacht wurden und die dann weiterhin vertraulich behandelt werden mussten, widrigenfalls das Vertrauen, das ein auswärtiger Vertreter geniessen muss, sofort untergraben worden wäre. Um nun diese vertrauliche Behandlung sicherzustellen, wurden die politischen Berichte der Gesandten regelmässig nicht an das Staatsministerium, sondern an den Minister selbst adressiert und auf dem Umschlag mit dem Vermerk „persönlich" versehen. Solche Berichte durften dann nur vom Minister oder seinem Vertreter persönlich geöffnet werden und wurden nicht in den gewöhnlichen Geschäftsgang geleitet. Insoweit ist es also richtig, dass es zweierlei Berichterstattungen gab. Die Behauptung aber, dass diese Einrichtung dazu gedient haben soll, in dem persönlichen Berichte die w a h r e Sachlage, in einem daneben laufenden offiziellen Berichte aber die für die Öffentlichkeit bestimmten f a 1 s c h e n Darstellungen unterzubringen, ist völlig aus der Luft gegriffen, und ebenso unbegründet ist es davon zu sprechen, dass Herr von Schoen (der doch schon seit einer Reihe von Jahren als jeweiliger Vertreter des Gesandten fungierte), in seinem Berichte aus Unerfahrenheit wahre, geheim zu haltende und falsche, für die Öffentlichkeit bestimmte Nachrichten vermischt habe. Der Schönsche Bericht gehörte selbstverständlich in seiner Gesamtheit zu den vertraulich zu behandelnden Berichten und der Passus über die deutschen Bestrebungen, einen etwaigen kriegerischen Konflikt zwischen Österreich und Serbien zu lokalisieren, war sicher ebenso ernsthaft gemeint als wie der übrige Inhalt. Herr von Schoen, der Verfasser des Berichtes vom 18. Juli 1 9 1 4 , äussert sich in einem Schreiben an den Berichterstatter der Landtagskommission wie folgt: Die Behauptung der Morgenpost, dass ich keine Kenntnis von der Übung einer doppelten Buchführung im diplomatischen Dienste gehabt hätte, ist richtig. Aber nicht, weil ich „ein junger unerfahrener Diplomat war", sondern weil eine solche doppelte Buchführung in dem Sinne einer für die Öffentlichkeit zurechtgestutzten Darstellung einerseits und einer geheimen, aber wahrheitsgetreuen Berichterstattung anderseits überhaupt nicht existiert hat. Man wird diese Angaben durch die nachfolgende Sammlung bayerischer Aktenstücke bestätigt finden. In ihr sind
104 a l l e B e r i c h t e der in Berlin, Wien, Petersburg, Paris und Rom, also in den Hauptstädten kriegführender Staaten, tätig gewesenen bayerischen Gesandtschaften aufgenommen, d i e s i c h mit d e r p o l i t i s c h e n H o c h s p a n n u n g und d e r d r o h e n d e n K r i e g s g e f a h r in den l e t z t e n V o r k r i e g s w o c h e n b e f a s s e n . Auch die schon in der deutschen Aktenpublikation erschienenen Berliner Berichte sind, der Vollständigkeit halber, und um sofortige Vergleiche und eine leichtere Übersicht zu ermöglichen, hier nochmal beigegeben. 1 ) Aus der Zusammenstellung, wie überhaupt aus den bayerischen diplomatischen Akten ergibt sich Folgendes: Ein Teil der Schreiben ist gerichtet an das Ministerium des Äussern als solches; ein anderer Teil an den Vorsitzenden im Ministerrate persönlich; wieder ein anderer Teil unmittelbar an den König. Ein Unterschied in der Berichterstattung in dem Sinne, als ob die gewöhnliche laufende Berichterstattung mit der Wahrheit absichtlich zurückgehalten hätte und als ob nur die sogenannten geheimen und persönlichen Berichte diese zum Ausdruck brächten, ist nicht zu erkennen. Sämtliche Mitteilungen, gleichviel an wen sie gerichtet sind, und wie ihre Anschrift lautet, galten als amtliche Aktenstücke und sind im Ministerium des Äussern als solche behandelt worden. Man kann auch von den Berichten und Meldungen, die privat an den Vorsitzenden im Ministerrate adressiert waren, nicht schlechthin als von „Privatbriefen" sprechen, wie das in der deutschen Aktenpublikation geschieht, sofern man unter Privatbriefen eine nichtamtliche Mitteilung verstehen könnte. Auch diese sind, wie gesagt, als amtliche Schriftstücke behandelt und zu den geheimen Akten genommen worden. Ebenso gelangten die unmittelbar an den König gerichteten Schreiben der Gesandten an das Ministerium des Äussern und wurden dort als amtliche Berichte in Verwahr genommen. In der nachfolgenden Veröffentlichung sind die diplomatischen Schriftstücke nach den im Ministerium des Äussern vorhandenen originalen Ausfertigungen wiedergegeben, soweit es sich um die Gesandtenberichte aus Wien, Peters!) Dort n i c h t enthalten ist der Bericht unter Nr. i und 2.
105
bürg, Paris und Rom handelt. Die Berliner Schriftstücke erscheinen, wie in der amtlichen deutschen Publikation, nach den in den bayerischen Gesandtschaftsakten in Berlin vorhandenen Urschriften. 2
Ihrem Inhalt nach fügen sich die bayerischen Gesandtschaftsberichte ein in die Sammlung der „Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch." Sie können, soweit man sie als Geschichtsquellen oder als urkundliche Zeugnisse in der Frage der Schuld am Kriege zu Rate ziehen will, n u r im R a h m e n und im Z u s a m m e n h a n g dieser g r o s s e n d e u t s c h e n A k t e n p u b l i k a t i o n richtig g e w e r t e t und v e r w e r t e t werden. Hierbei darf auch die österreichische Aktenveröffentlichung nicht übersehen werden, die unter dem Titel ,,Das Wiener Kabinett und die Entstehung des Weltkrieges44 von Roderich Goos im Auftrage des Wiener Staatsamtes des Äussern eingehend behandelt ist. Sie ermöglicht vor allem lehrreiche und nützliche Vergleiche mit den bayerischen Meldungen aus Wien und Berlin. Auch ausländische Dokumente und Veröffentlichungen, die im Laufe der letzten Jahre amtlich, privat, in Memoirenwerken oder sonstwie in den Verbandsländern und aus russischen Archiven bekannt geworden sind, kommen in Betracht. Es ist zu beachten, dass Gesandtenberichte überhaupt die Vorgänge, Handlungen, Ereignisse, Verhältnisse nicht immer nach unmittelbaren Wahrnehmungen oder Beobachtungen schildern können, sondern zuweilen auch auf Informationen aus zweiter und dritter Hand angewiesen sind. Und die bayerischen Gesandtschaften in ausserdeutschen Ländern waren ja keineswegs völlig selbständige aussenpolitische Dienstesstellen, sondern bestanden auf Grund der bayerischen Reservate lediglich als Vertretungen mit beschränktem Aufgabenkreis in Anlehnung an die Botschaft en des Deutschen Reiches, neben denen sie ein eigenes Tätigkeitsfeld auf dem Gebiete der auswärtigen Politik nicht hatten und nicht haben konnten.
106 Diese Umstände sind für die Wertung ihrer Berichte von erheblicher Bedeutung. Was Berlin anlangt, so war es dort üblich, die Vertretungen der deutschen Einzelstaaten von Zeit zu Zeit über die wichtigsten aussenpolitischen Angelegenheiten zu unterrichten, soweit das vom Auswärtigen Amt für notwendig erachtet wurde. Die Bayerische Gesandtschaft pflegte sich aber selbstverständlich auch aus anderen Quellen Informationen zu verschaffen. Die persönlichen Beziehungen, die dem langjährigen bayerischen Gesandten Grafen Lerchenfeld in der Reichshauptstadt zu allen leitenden Persönlichkeiten, insbesondere auch zu dem Reichskanzler von Bethmann Hollweg, zu Gebote standen, setzten ihn in die Lage, auch während der letzten kritischen Tage vor dem Kriegsausbruch die Münchner Regierung meist rasch und zutreffend zu unterrichten. Was im besonderen den viel umstrittenen Bericht des Geschäftsträgers von Schoen betrifft, so gibt dieser einleitend selbst seine Informationsquellen an, nämlich den Unterstaatssekretär Dr. Zimmermann und die Referenten für die Balkanpolitik und Dreibundangelegenheiten im Auswärtigen Amte, dann den Botschaftsrat der österreichisch-ungarischen Botschaft in Berlin. Gewiss Persönlichkeiten, die im allgemeinen als gut unterrichtet gelten konnten, die aber doch nicht als verantwortliche Mithandelnde in erster Linie standen. Aus diesen Umständen erklärt sich ganz natürlich, dass der Bericht vom 18. Juli 1 9 1 4 verschiedene Abschattungen in der Darstellung der Vorgänge, Ereignisse und Zusammenhänge aufweist, die von mancher Seite als Widersprüche gedeutet worden sind und dass einzelnen Angaben des Berichts von beteiligter Seite widersprochen wurde. 1 ) *) Vgl. die Entgegnungen Bethmann Hollwegs und Zimmermanns, Abschnitt A I V , 4, 5. — "Weiter die Äusserungen dieser beiden Staatsmänner im Beilagenband zu den Verhandlungen des Untersuchungsausschusses der Nationalversammlung, 1 . Unterausschuss: ,,Zur Vorgeschichte des Weltkrieges" S. 1 2 ff.; 3 1 ff. Dort auch die Denkschrift Viktor Naumanns S. 3 6 . — Ferner die nachfolgend angeführten Darlegungen Tuchers und von Lössl's S. 5 5 und S. 89.
107 Es ist von Nutzen, in diesem Zusammenhang auch eine Mitteilung kennen zu lernen, welche der ehemalige bayerische Gesandte in Wien, F r e i h e r r von T u c h e r unterm 5. Januar 1920 an den Untersuchungsausschuss des Deutschen Reichstages gelangen Hess, ebenso eine solche Mitteilung des Staatsrats a. D. von L ö s s l . Dieser Ausschuss hatte sich auch mit dem Vorwurf zu befassen, dass der ehemalige deutsche Botschafter in Wien, Herr von Tschirschky zum Kriege gehetzt habe. Entgegen dieser Beschuldigung und übereinstimmend mit anderen Aussagen, z. B. derjenigen des Vertreters der „Frankfurter Zeitung" in Wien, erklärt F r e i h e r r von T u c h e r , dass er in der Tätigkeit des deutschen Botschafters in Wien kein Drängen oder Treiben zum Kriege wahrgenommen habe und führt dann an: Wenn Herr von Tschirschky eine den Krieg schürende Haltung angenommen hätte, so wäre es mir bei meinen fast täglichen Begegnungen mit dem Botschafter sicherlich aufgefallen. Ich würde mich darüber mit meinem verstorbenen sächsischen Kollegen Grafen R e x ausgesprochen haben und mich dessen gewiss entsinnen. Auch würde ich, der ich selbst von Anfang an von der grossen Gefahr des Kriegsunternehmens bei ungenügender diplomatischer Vorbereitung durchdrungen war, zweifellos eine solche Haltung des Botschafters für bedenklich und unheilvoll gehalten und zum Gegenstand meiner politischen Berichterstattung gemacht haben. Davon findet sich jedoch in meinen Berichten nicht die entfernteste Andeutung. Dagegen ist mir in lebhafter Erinnerung, dass Herr von Tschirschky immer wieder betont hat, Österreich-Ungarn habe zu beurteilen, was seine Lebensinteressen seien und zu entscheiden, wie und wann es dieselben zu verteidigen habe. Deutschland stehe dem Bundesgenossen treu zur Seite und werde alle Konsequenzen aus dem Bündnis ziehen. Diese Blankovollmacht, die sich heute als verhängnisvoll darstellt, erschien uns damals in Wien in der Entwicklung der Ereignisse nach dem Attentat durchaus nicht als zu weitgehend, sondern als etwas selbstverständliches, ja sogar als das mindeste, was Deutschland tun konnte. Unser Haupteindruck war, dass ÖsterreichUngarn, dessen Balkanpolitik ich keineswegs gutheissen will, durch die grossserbische Propaganda in seiner Existenz bedroht war und dass Deutschland den Bundesgenossen, der ihm Beweise seiner Treue (Algeciras, Haag, Ischl) gegeben hatte, nicht im Stiche lassen könne. Eine gewisse Scheu, auf die Erwägungen und Be-
108 schlüsse der österreichisch-ungarischen Regierung einzuwirken, entsprach der grundsätzlichen Enthaltung der Einmischung, welche durch die grosse Empfindlichkeit der österreichischen wie der ungarischen Staatsmänner und der öffentlichen Meinung in ÖsterreichUngarn geboten war. Jetzt sieht sich freilich alles das in ganz anderem Lichte an. Auf Herrn von Tschirschkys Haltung zurückkommend, muss ich nach meinem Wissen für ungerechtfertigt erklären, den verstorbenen Botschafter als Kriegsschürer hinzustellen und ihm einen wesentlichen Teil der Verantwortung für das Vorgehen der österreichisch-ungarischen Regierung gegen Serbien aufzubürden. Über die Einwirkung der politischen und militärischen Stellen der deutschen Regierung auf Herrn von Tschirschky vermag ich nichts auszusagen, da mir der Botschafter bei aller Intimität keine Mitteilungen Uber seine Instruktionen machte. Unsere Aussprachen bezogen sich auf den Gang der Ereignisse und das Vorgehen der österreichisch-ungarischen Regierung, nicht aber auf die Aufträge der deutschen Regierung. Das Ergebnis meiner Erkundigungen und Beobachtungen habe ich pflichtgemäss, und ich glaube sagen zu dürfen, erschöpfend in den Berichten an meine Regierung niedergelegt. Was sich dort an einigermassen wichtigen Vorgängen nicht erwähnt findet, ist auch nicht zu meiner Kenntnis oder Wahrnehmung gelangt.
A u f die Frage des Untersuchungsausschusses des Reichstages, wann und wie das österreichisch-ungarische Ultimatum bei der Regierung in München bekannt geworden sei, antwortet der Staatsrat a. D. S i g m u n d v o n L ö s s l , der Wortlaut oder volle Inhalt des Ultimatums sei der bayerischen Regierung erst am 24. Juli 1 9 1 4 aus der in den Zeitungen erfolgten Veröffentlichung der österreichischungarischen Note zur Kenntnis gekommen. Er fügt bei: Von der A b s i c h t der österreichisch-ungarischen Regierung eine befristete Note an Serbien zu richten, und von e i n z e l n e n P u n k t e n der Note hat die bayerische Regierung allerdings schon früher Kenntnis erhalten. (Es werden die einschlägigen Stellen aus den Berichten des Wiener Gesandten vom 6., 10., 14., 18., 21. und 23. Juli zitiert.) A m 24. Juli erschien dann in den Zeitungen der Wortlaut der österreichisch-ungarischen Note an Serbien vom 22. Juli 1914. Die Mehrzahl der in dieser Note Serbien auferlegten Bedingungen war meines Wissens der bayerischen Regierung vor der Veröffentlichung unbekannt; auch möchte ich erwähnen, dass es sich bei den oben aufgeführten Gesandtschaftsberichten, in denen einzelne der Bedingungen enthalten waren, nur um Berichte über eingezogene Er-
109 kundigungen, nicht aber um Initiativmitteilungen der österreichischungarischen Regierung oder der Reichsleitung handelte. Inwieweit neben diesen Berichten etwa auch mündliche Mitteilungen des österreichisch-ungarischen und des preussischen Gesandten in München einhergingen, entzieht sich meiner Kenntnis. Eine offizielle Verständigung der bayerischen Regierung von dem Vorgehen Österreich-Ungarns gegen Serbien ist erst am 24. Juli, also am Tage der Veröffentlichung durch die Presse, erfolgt, indem der hiesige österreichisch-ungarische Gesandte dem Ministerpräsidenten Grafen Hertling die Note, die Österreich-Ungarn am 24. Juli 1914 an die Dreibundbotschafter gerichtet hat und worin auf das veröffentlichte Ultimatum Bezug genommen ist, durch Vorlesen bekannt gab. Wenn nun an diese Feststellungen Uber das Bekanntwerden des Ultimatums etwa die Frage geknüpft werden sollte, warum die bayerische Regierung nicht die kriegerische Entwicklung der Dinge zu hemmen versucht hat, so weiss ich nicht, ob nicht G r a f H e r t l i n g vielleicht tatsächlich in diesem Sinne, sei es in Privatbriefen, sei es in mündlichen Besprechungen, gewirkt hat. Da die Akten über einen bezüglichen Schritt nichts enthalten, möchte ich aber hervorheben, dass die bayerische Regierung nicht berechtigt war, sich offiziell in den Gang der auswärtigen Politik einzumischen. Die auswärtige Politik war nach der alten Reichsverfassung — ebenso wie nach der neuen — ausschliesslich Sache der Reichsleitung, und die bayerische Regierung hat sich von jeher zurückgehalten, bei Fragen der auswärtigen Politik mit Ratschlägen hervorzutreten, denn sie hätte sich dabei berechtigter Zurückweisung ausgesetzt. Die Natur der Sache erfordert, dass die auswärtige Politik an e i n e r Stelle gemacht wird, wie es ja auch praktisch unmöglich ist, gerade bei AbwicklunggefährlicherpolitischerSituationen, wo jede Stunde neue Wendungen bringen kann, die einzelnen bundesstaatlichen Regierungen über alle rasch aufeinander folgenden Schritte auf dem laufenden zu halten, geschweige denn zu jedem Schritt erst die Zustimmung der einzelnen Regierungen einzuholen. Die Reichsverfassung hat mit Recht die Leitung der auswärtigen Politik der Reichsregierung allein Ubertragen, die daher auch allein die Verantwortung dafür trägt. Die alte Reichsverfassung hatte allerdings einen B u n d e s r a t s a u s s c h u s s für auswärtige Angelegenheiten unter dem Vorsitze Bayerns geschaffen, allein schon die Tatsache, dass in diesem Ausschusse Preussen nicht Mitglied war, besagt deutlich, dass es sich dabei nicht um eine beschliessende Stelle gehandelt hat, sondern um ein Organ, das lediglich für Mitteilungen der Reichsleitung an die Regierungen der grösseren Bundesstaaten bestimmt war. Richtig ist, dass die bayerische Regierung bestrebt war, diesem Ausschuss mehr Bedeutung zukommen zu lassen, als dies in den ersten 30 Jahren des Reiches der Fall war, in denen der Ausschuss nur fünfmal zusammenberufen war, und es wurde erreicht, dass seit dem Jahre 1908 der Ausschuss regelmässig einmal
110 im Jahre zu Beginn der Etatsberatung versammelt wurde. Erst im Laufe des Krieges wurde der Ausschuss öfter berufen und vor Beginn des scharfen U-Bootkrieges fand darin sogar eine förmliche Beratung statt; doch auch da wurde von einer Beschlussfassung abgesehen. Die Berufung des Bundesratsausschusses für auswärtige Angelegenheiten wurde regelmässig vorher zwischen dem Reichskanzler und dem bayerischen Ministerpräsidenten vereinbart. Die Initiative ging dabei bald von der einen, bald von der anderen Seite aus. Ob eine solche Anregung von einer der beiden Seiten auch vor Kriegsausbruch 1 9 1 4 erging, erinnere ich mich nicht; die Ministerialakten enthalten nichts davon. V o r der Veröffentlichung des österreichisch-ungarischen Ultimatums war die Berufung des auswärtigen Ausschusses wohl schon deshalb ausgeschlossen, weil durch dessen Zusammentritt, der j a nicht verborgen bleiben konnte, grosses Aufsehen erregt und die von Österreich-Ungarn verlangte Geheimhaltung der Angelegenheit durchkreuzt worden wäre. Am Tage nach der Ablehnung des Ultimatums, d. i. am 26. Juli, erging aber schon ein Schreiben des Reichskanzler-Stellvertreters, worin die Bundesregierungen ersucht wurden, mit Rücksicht auf die politische L a g e Fürsorge zu treffen, dass, falls die schleunige Versammlung des Bundesrats notwendig werden sollte, die Regierungen vertreten sind. E s konnte also angenommen werden, dass die Berufung des Bundesratsplenums demnächst erfolgen werde, was den besonderen Zusammentritt des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten wohl nicht notwendig erscheinen Hess. Die F r a g e , ob zu der Bundesratssitzung auch die leitenden Minister erscheinen sollten, wurde zwischen den nächstbeteiligten bundesstaatlichen Ministern und dem Reichskanzler-Stellvertreter erörtert; auf Grund mehrfacher Telephonate und Berichte aus Berlin unterblieb aber schliesslich die Reise des Grafen Hertling nach Berlin, wobei die Besorgnis mitbestimmend war, dass die alsbaldige Rückreise von Berlin vielleicht nicht mehr möglich sein würde. Ich erinnere mich in dieser Beziehung an eine Äusserung des Grafen Hertling, wornach er in diesen Tagen seine Anwesenheit in München für wichtiger hielt, als seine Teilnahme an den Verhandlungen in Berlin. Ich glaube, Graf Hertling war davon überzeugt, dass die Reicfisleitung — bei aller Unterstützung unseres Bundesgenossen — sich die erdenklichste Mühe geben würde, Deutschland vor den Schrecken des Krieges zu bewahren. Graf Lerchenfeld hatte noch am 29. Juli berichtet: „Die Politik des Deutschen Reiches ist darauf gerichtet, dass der Alliierte mit einem Gewinn an Prestige aus der Sache hervorgeht, aber der Weltfriede erhalten bleibt." Siehe B, 47.
111
Gesandtenberichte Nr. i
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Berlin, den 4. Juni 1914 Hochverehrter Freund 1 Wie ich gestern schon berichtete, war ich bei Herrn von Bethmann, den ich seit dem Tode seiner Frau nicht gesehen hatte. Ich fand ihn weich, aber gefasst und aufrecht, fest entschlossen, seinen Dienst wie bisher zu leisten. Abgesehen von dem, was der Reichskanzler mir über Mexiko und Albanien mitteilte (Bericht vom 3. ds. Mts. Nr. 307) sprach er auch über die allgemeine politische Lage und zwar diesmal, wie ich besonders unterstreichen will, durchaus nicht optimistisch. Ich will damit nicht gesagt haben, dass Herr von Bethmann bei seinen Mitteilungen im diplomatischen Ausschuss oder bei früheren Gesprächen mit mir und meinen Kollegen absichtlich die Stellung Deutschlands in der Welt zu rosig geschildert hat. Aber ich kann die Kritik nicht ganz unterdrücken, dass in Beurteilung der Gesinnung anderer Mächte, namentlich Englands und Russlands, der Leiter unserer Politik oft von einer unberechtigten Vertrauensseligkeit erfüllt gewesen ist. Man hatte manchmal den Eindruck, als wenn jede Versicherung freundschaftlicher Gesinnung vom Reichskanzler für bare Münze hingenommen würde, und als ob Verständigungen über untergeordnete Dinge von ihm viel zu hoch in ihrer Wirkung auf die allgemeine Politik eingeschätzt würden. Manchesmal klang sogar eine gewisse Zuversicht durch, dass es gelingen werde, unsere Beziehungen zu England und Russland völlig umzugestalten. Einen gewissen Erfolg in der Besserung der Beziehungen kann man dem Reichskanzler gewiss nicht absprechen. A n die Stelle des geradezu gespannten Verhältnisses zu den Staaten, auf die es zurzeit ankommt, sind dank der grösseren Ruhe, die die deutsche Politik im Vergleich zu der Aera Holstein charakterisiert und durch das Vertrauen, das die Person des leitenden Staatsmanns sich überall erworben hat, normalere und korrektere Beziehungen
112 getreten. Aber die Grundrichtung der englischen und russischen Politik uns gegenüber hat Herr von Bethmann nicht zu ändern vermocht. Das hat sich bisher jedesmal gezeigt, so oft Fragen auftauchten, die das tiefere politische Leben jener Staaten berührten. S o ist es Herrn von Bethmann trotz wiederholter Versuche nie gelungen, einen Neutralitätsvertrag mit England abzuschliessen und was Russland betrifft, so hat dessen Behandlung der Anstellung des Generals Liman in der Türkei mit aller Deutlichkeit gezeigt, auf wie geringes Entgegenkommen Deutschland in Petersburg zu rechnen hat, sobald es sich um eine Kernfrage der russischen Politik handelt Dass in der Liman-Angelegenheit England sofort auf die russische Seite getreten ist, hat dieses Bild unlieb vervollständigt. Es scheint, dass solche Erfahrungen ihren Eindruck auf den Reichskanzler nicht verfehlt haben, denn seine gestrigen Ausfuhrungen waren von der früheren Vertrauensseligkeit völlig frei, ja er bezeichnete rund heraus unsere auswärtige Lage als keine schöne. Was England betrifft, so lauteten seine Ausfuhrungen ungefähr dahin: Zu allen Zeiten habe die britische Macht immer gegen die stärkste Macht auf dem Kontinent gestanden. Zuerst gegen Spanien, dann gegen Frankreich, später gegen Russland, jetzt gegen Deutschland. England wolle keinen Krieg. E r — der Reichskanzler — wisse bestimmt, dass die englische Regierung in Paris wiederholt erklärt habe, dass sie keine provokatorische Politik und keinen vom Zaune gebrochenen Krieg gegen Deutschland mitmache. Aber das hindere nicht, dass, wenn es zum Kriege käme, wir England nicht auf unserer Seite finden würden. Ob, fuhr der Reichskanzler fort, nicht von seinem Vorgänger versäumt worden sei, sich mit England seinerzeit zu verständigen, wolle er dahingestellt lassen. England habe sich — das stehe fest — angeboten, aber er glaube noch immer, dass die englische Freundschaft auch damals nur um den Preis zu erlangen gewesen wäre, dass Deutschland keine starke Kriegsflotte baue. Ob uns dieser Verzicht möglich gewesen wäre, darüber sei es heute müssig zu sprechen. Ich erwiderte, dass, wenn England wirklich die Erhaltung des Weltfriedens wolle, es nicht mit Frankreich und Russland, sondern mit uns gehen müsste. Die platonischen Verwarnungen vor einem Aggressivkriege hätten keinen Wert, wenn bei den Ententemächten das Vertrauen auf Unterstützung wach erhalten würde. Solche Gerüchte, wie dass eine Kooperation der russischen mit der englischen Flotte für den Kriegsfall vereinbart werden solle, seien, wenn sie unwidersprochen bleiben, durchaus geeignet, den kriegerisch gesinnten Elementen den Rücken zu stärken. Wenn es zum Kriege komme, so würde England die Schuld daran tragen. Der Reichskanzler gab dies bis zu einem gewissen Grade zu. Ich bemerkte dann weiter, dass bei dem Rüstungsfieber in Russland und Frankreich und vor allem bei der teils auf Unverstand, teils
113 auf Gewissenlosigkeit beruhenden Presshetze in allen Ländern es über kurz zum Kriege kommen müsste, wenn irgendwo ein Mann erstünde, der die Verantwortung auf sich nehmen wollte, zuerst das Schwert zu ziehen. Der Reichskanzler pflichtete dem mit dem Hinzufügen bei, dass zu allem anderen der moderne Krieg das Rätsel aufgeben würde, wie man die Bevölkerung in Kriegszeiten ernähre. So rasch wie der Krieg von 1870 werde bei der Verwendung der Millionenheere der künftige Kampf sich nicht abspielen. Von Frankreich drohe kaum die Gefahr. Man werde trotz der Beschlüsse von Paris die dreijährige Dienstzeit durchfuhren. Aber den Krieg wolle man in Frankreich nicht. Russland sei gefährlicher. Dort könne der Slaventaumel die Köpfe so verdrehen, dass Russland eines Tages Dummheiten macht. Die Unterredung kam dann auf den von vielen Militärs geforderten Präventivkrieg. Ich sprach die Ansicht aus, dass für diesen der rechte Augenblick schon versäumt sei. Der Reichskanzler bestätigte dies, indem er die militärische Lage im Jahre 1905 als diejenige bezeichnete, die für uns die grössten Chancen geboten hätte. Aber der Kaiser habe keinen Präventivkrieg geführt und werde keinen fuhren. Es gebe aber Kreise im Reich, die von einem Krieg eine Gesundung der inneren Verhältnisse in Deutschland erwarten, und zwar im konservativen Sinne. Er — der Reichskanzler — denke aber, dass ganz im Gegenteil ein Weltkrieg mit seinen gar nicht zu übersehenden Folgen die Macht der Sozialdemokratie, weil sie den Frieden predigt, gewaltig steigern und manche Throne stürzen könnte. Der Reichskanzler kam dann auf Rüstungsfragen, insbesondere die strategischen Bahnen zu sprechen und wiederholte, was mir schon Minister Breitenbach vor einigen Tagen gesagt hatte. Danach stellt sich auf Grund der letzten Forderungen des Generalstabs der Kostenvoranschlag auf 700 Millionen. Es handelt sieh nicht allein um neue Aufmarschlinien an der Ost- und Westgrenze, darunter eine sehr kostspielige moselaufwärts, sondern um Rochadelinien durch das ganze Reich, die es ermöglichen sollen, jedes einzelne Korps von West nach Ost und umgekehrt rasch zu befördern. Preussen hat bereits mit dem Bau begonnen, ohne die parlamentarische Genehmigung abzuwarten und ohne mit dem Reich sich über eine Kostenteilung verständigt zu haben. Verhandlungen hierüber sind im Zuge. Minister Breitenbach sagte mir noch, dass er nicht kleinlich sein wolle und bereit sei, eine sehr hohe Pauschsumme zu übernehmen. Die ganzen Kosten könne aber auch Preussen nicht tragen. [Es folgen kurze Mitteilungen über innenpolitische Gegenstände.] In getreuer Verehrung und mit vielen Grössen Lerchenfeld 8
114 Nr. 2
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 356
Berlin, den 29. Juni 1914
Das furchtbare Ereignis in Serajewo ist zuerst durch eine Meldung des dortigen deutschen Konsulats hier bekannt geworden. Ich habe gestern und heute mit dem Botschafter Grafen Szögyeny und einigen Herrn die möglichen Folgen des Ereignisses besprochen. Man war der Ansicht, dass abzuwarten sein wird, ob die Erhebungen in Serajewo Fäden zu Tage fördern, die nach Belgrad reichen, und wenn dies der Fall sein sollte, welche Kreise in Serbien an einer Verschwörung beteiligt gewesen sind. Sollten sich dabei für die der Regierung nahestehenden Kreise belastende Momente feststellen lassen, so könnte eine Spannung zwischen Serbien und ÖsterreichUngarn eintreten, die auf die ganzen Balkanverhältnisse eine bedenkliche Wirkung haben müsste. In Österreich-Ungarn selbst sollte der Tod des Thronfolgers zunächst nichts ändern. Aber sein Einfluss, namentlich in Personalfragen, war doch in den letzten Jahren ein so ausschlaggebender gewesen, dass man das Fehlen dieses Einflusses bald überall fühlen dürfte. Dass die Politik des Grafen Berchtold manchen Gegner in Österreich hat und dass sie auch im hiesigen Auswärtigen Amt nicht günstig beurteilt wird, ist Euer Exzellenz bekannt. Graf Berchtold ist aber der Mann des Thronfolgers gewesen, und es könnte darum wohl geschehen, dass der Graf, seiner stärksten Stütze beraubt, über kurz oder lang zurücktritt. Ebenso könnte geschehen, dass eine andere Schöpfung des Erzherzogs, Graf Czernin in Bukarest, der nach hiesiger Überzeugung unglücklich dort amtiert, einer gewandteren Persönlichkeit Platz macht. Erzherzog Franz Ferdinand war kein Freund der Ungarn, und es ist ihm zuzuschreiben, dass mit der seit den sechziger Jahren bestehenden Tradition gebrochen wird, wonach ein Ungar den Gesandten- und Botschafter-Posten in Berlin bekleidet hat. Es hat auch der ganzen Überredungskunst des Erzherzogs bedurft, von S. M. dem Kaiser Wilhelm, der den Grafen Szögyeny sehr geschätzt hat und dem Prinzen Hohenlohe nicht sehr geneigt scheint, die Zustimmung zu dem bevorstehenden raschen Wechsel zu erhalten. Man kann also darauf gefasst sein, dass mit anderen Männern auch eine andere Richtung der Politik Österreich-Ungarns sich anbahnen wird, die hoffentlich bessere Erfolge als die bisherige erzielt. In zwei Beziehungen wird allerdings der Hingang des ErzherzogThronfolgers eine schwere Lücke zurücklassen. Einmal wird sein Einfluss auf die österreichisch-ungarische Armee fehlen und dann
115 wird das von Jahr zu Jahr intimere Verhältnis zwischen Kaiser Wilhelm und dem Österreich - ungarischen Thronfolger oft vermisst werden, wenn es sich darum handeln wird, Gegensätze zwischen dem alliierten Deutschland und Österreich-Ungarn auszugleichen. Ich habe versucht, über die Lage in Albanien und Mexiko einiges zu erfahren. Nach den Aufschlüssen, die ich im Auswärtigen Amt erhielt, sind aber die Zustände in beiden Ländern noch so verworren, dass sich nichts vorhersagen lässt. Über die Lage in Albanien scheint nur so viel zu sagen zu sein, dass die Aufständigen sich scheuen, Durazzo ernsthaft anzugreifen, weil sie furchten, unter das Feuer der Schiffskanonen zu geraten. Im Lande selbst geht aber alles drunter und drüber. Der Gedanke, falls der Fürst Wilhelm sich nicht halten könnte, ihn durch den ägyptischen Prinzen Fuad zu ersetzen, ist ganz aufgegeben, weil die Balkanstaaten, an der Spitze Serbien, erklären, sie hätten nicht den Kampf gegen die Türkei unternommen, um jetzt ein neues mohammedanisches Fürstentum entstehen zu lassen. Über den österreichungarischen Vorschlag, den englischen Oberst Philipps als Befehlshaber der internationalen Truppen in Skutari eine Miliz bilden zu lassen, wird zwischen den Mächten nicht mehr gesprochen. Er scheint aufgegeben. Was aber geschehen soll, wenn Fürst Wilhelm beseitigt wird oder zurücktritt, ist eine offene Frage. Wie mir im Auswärtigen Amte gesagt wird, herrscht bei allen Mächten eine entschiedene Abneigung, dem „Was dann" irgendwie näherzutreten. Soll zunächst die europäische Kontrollkommission die Regierung übernehmen, soll ein neuer Fürst gesucht werden, darüber müssten die Mächte sich klar werden. Sie lehnen dies aber ab und so dauern Kampf und Aufstand einstweilen fort. Aus Mexiko ist die Nachricht gekommen, dass Tepik, wo die bedeutendsten deutschen Interessen sind, zurzeit nicht bedroht ist. In der Hauptstadt würden alle fremden und alle besseren mexikanischen Elemente dringend die Besetzung der Stadt durch die Amerikaner wünschen, um vor Raub und Plünderung durch die Aufständischen geschützt zu werden. Amerika scheint aber nicht daran zu denken, überlässt vielmehr das Land seinem Schicksal. Die Verhandlungen in Niagara scheinen wenig Zweck zu haben, da die Generäle Caranza und Villa ihre eigenen Zwecke verfolgen und einer Konsolidierung der Verhältnisse unter einem anderen Präsidenten ebensowenig geneigt sind wie der unter Huerta. Lerchenfeld
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116 Nr. 3
Der Gesandte in Wien an den Konig Bericht 236/XV
Wien, den 30. Juni 1914 Angekommen I. 7. 14.
Das Attentat in Serajewo, welches am Sonntag vormittag dem Erzherzog-Thronfolger und seiner Gemahlin das Leben raubte, wurde im Laufe des Nachmittags bekannt und hat allenthalben Entsetzen und Empörung hervorgerufen. Nach Ischl gelangte die Trauerbotschaft gegen 1 Uhr und wurde dem Kaiser durch den Generaladjutanten Grafen Paar übermittelt. Seine Majestät hörten die Meldung gefasst an, bestimmten sofort für den folgenden T a g die Rückkehr nach Wien und wünschten das Diner allein einzunehmen. Der Nachmittag verging mit der gewohnten Arbeit, nach wohldurchschlafener Nacht wurde die Reise nach Schönbrunn unternommen und seit gestern Mittag weilt der Kaiser dortselbst, wo er Audienzen erteilt und die notwendigen Anordnungen trifft. [Folgt eine Schilderung des Hergangs des Überfalls.] Die Planmässigkeit der Attentate ist offenkundig, die Verbrecher, in deren Besitz sich grössere Geldbeträge fanden, sind bosnische Serben, die in letzterer Zeit in Belgrad weilten, woher sie auch die Bomben erhielten; sie gestehen, auf Verabredung gehandelt zu haben. Der Anschlag ist also zweifellos eine Frucht der seit Jahren von Belgrad her betriebenen Verhetzung der Serben der Monarchie und zeugt von der Tiefe des Hasses der Serben des Königreichs gegen Österreich-Ungarn. Erzherzog Franz Ferdinand fällt als Hindernis der Durchführung der grossserbischen Idee und als Gegner überwiegend russischen Einflusses auf dem Balkan. So ergreifend und bedauernswert der gemeinsame Tod des in Liebe verbundenen hohen Paares und die doppelte Verwaisung der erzherzoglichen Kinder ist, so wird dieses Drama noch weit übertroffen durch die schmerzliche Erkenntnis der trostlosen politischen Zustände, welche dieses Attentat gezeitigt haben. Die Monarchie ist schwer krank, die seit Jahren in der auswärtigen und inneren Politik begangenen Fehler rächen sich. Der Hass der Serben, der unter den Obrenowitsch nicht bestand, ist fast systematisch gezüchtet worden; das selbstsüchtige Agrariertum hat ihn gepflanzt, die Ausbeutung seitens der österreichischen Industrie hat ihn entwickelt und die hochmütige Politik des Ballplatzes hat ihn gross werden lassen. Im Innern zeigte sich die Regierung den Slaven gegenüber immer schwach, den Slaven war alles erlaubt, überall mussten ihnen die Deutschen und Italiener weichen. Die Weiterentwicklung der Zustände, als deren Symptom das Attentat angesehen werden muss, ist unberechenbar.
117 Mit Erzherzog Franz Ferdinand tritt eine Persönlichkeit vom Schauplatz der Monarchie und Europas ab, die bereits im ThronfolgerStadium eine ungewöhnlich markante war. Für das verbündete Deutschland waren seine Freundschaft mit Kaiser Wilhelm und sein warmes Interesse für Herr und Marine, überhaupt für die Schlagfertigkeit der Monarchie, wertvolle Faktoren; gefahrdrohend war seine Abneigung gegen Ungarn und seine tiefgewurzelte Feindseligkeit gegen das Königreich Italien. Das temperamentvolle Eintreten flir seine Pläne hat dem Kaiser und den Ministem viele schwere Stunden bereitet, diejenigen, die sich seinen Absichten widersetzten, hat er mit unerbittlicher Heftigkeit verfolgt. Seine Ehe mit Comtesse Chotek brachte viele Schwierigkeiten mit sich und würde nach der Thronbesteigung noch grössere verursacht haben. Dies alles bewirkt, dass sich vielfach ein Gefiihl der Erleichterung geltend macht und dass die Teilnahme, die sich ja überall bekundet, mehr der schrecklichen Todesart als den Persönlichkeiten, deren Unbeliebtheit beim Volke durch übertriebene Sparsamkeit erhöht wurde, gilt. Um dem Kaiser, den die Trauerbotschaft am Tage nach dem Eintreffen in Ischl erreichte, die baldige Rückkehr dorthin zu gestatten und um ihn vor Ermüdung zu bewahren, ist die Beisetzung baldmöglichst anberaumt und die Beteiligung auswärtiger Fürstlichkeiten dankend abgelehnt worden, nur Kaiser Wilhelm wird es sich nicht nehmen lassen, dem Freunde, dessen Gast er noch vor kurzem in Konopischt gewesen ist, die letzte Ehre zu erweisen. E r wird voraussichtlich am Freitag gegen Mittag eintreffen und alsbald nach der Einsegnung in der Hofburgpfarrkirche wieder abreisen. Die Rückkehr des Kaisers Franz Joseph nach Ischl ist für Sonntag in Aussicht genommen. Tücher
Nr. 4
Der Gesandte In Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 364
Berlin, den 2. Juli 1 9 1 4
S. M. der Kaiser hat die Reise zur Beerdigung nach Wien aufgegeben, wie offiziell gesagt werden wird, wegen eines kleinen Unwohlseins. Nach meinen Informationen ist aber der wirkliche Grund, dass man, um den Kaiser Franz Joseph zu schonen, den Kaiser Wilhelm gebeten hat, von dem Besuche Umgang zu nehmen. Warum man in Wien nach Ablehnung aller anderen hohen Besuche nicht auch gleich den Besuch des Kaisers abgelehnt, sondern noch alle Einzelheiten der Reise vereinbart hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
118 Die gestrige Alarmnachricht, derzufolge Österreich-Ungarn die Führung der Untersuchung in Serbien für sich in Anspruch genommen und Serbien diese Einmischung abgelehnt hätte, ist inzwischen dementiert worden. Im hiesigen Auswärtigen Amt hofft man auch, dass Serbien jetzt nichts unterlassen werde, um an dem Komplott schuldige Personen zur Rechenschaft zu ziehen. Unterstaatssekretär Zimmermann hat auch zunächst den hiesigen serbischen Geschäftsträger ernstlich auf die Folgen hingewiesen, zu denen ein Versagen Serbiens in dieser Hinsicht fuhren könnte, und hat ferner dem hiesigen russischen Botschafter nahegelegt, seine Regierung zu bestimmen, in Belgrad die gleiche Sprache zu führen. Herr Zimmermann hat, wie er mir mitgeteilt hat, diesen Rat damit begründet, dass bei der Entrüstung, welche die Tat von Serajewo in Österreich-Ungarn erzeugt habe, man nicht wissen könne, was geschieht, wenn die serbische Regierung ihre Pflicht nicht erfülle. Dass aber ein Konflikt zwischen Serbien und Österreich-Ungarn sofort Bulgarien gegen Griechenland in Bewegung setzen und in seinen weiteren Folgen gar nicht zu übersehen sein würde, dies brauche er dem Botschafter nicht auszuführen und das lasse ihn — Zimmermann — hoffen, dass die von dem Wunsche, den Weltfrieden zu erhalten, geleitete russische Regierung bereit sein werde, ihre Stimme in Belgrad im Sinne eines loyalen entgegenkommenden Verhaltens hören zu lassen. G. H. L e r c h e n f e l d Nr. 5
Der Gesandte in Wien an den König Bericht 240/XVI
Wien, den 2. Juli 1914 Angekommen 4- 7• '4-
Die von Serajewo nach Wien zurückgekehrten Persönlichkeiten, welche Zeugen der Bluttat vom letzten Sonntag waren, ergänzen die bereits bekannten Tatsachen. Nachdem das erste Attentat sein Ziel verfehlt, habe man allgemein das Gefühl gehabt, dass Gefahr von allen Seiten drohe; in der Tat haben sich noch mehrere Bomben vorgefunden und sind viele verdächtige Individuen verhaftet worden. Trotz aller Vorstellungen habe sich der Erzherzog von der Fortsetzung der Fahrt nicht abhalten lassen. In der hiesigen Presse wird die bosnische Regierung heftig wegen ungenügender Vorsichtsmassregeln angegriffen, dagegen wehrt sich die Behörde durch Bekanntgabe der getroffenen Anordnungen. Für einen Ort, der von Agitationen so unterminiert ist und für eine solche Veranlassung war die Polizei jedenfalls zu schwach dotiert, umsomehr, als die Garnison am Sonntag von dem Manöverterrain noch nicht zurückgekehrt war.
119 Das gemeinsame Finanzministerium lehnt die Verantwortung ab, da die Veranstaltung eine militärische war und die Anordnungen nur von dem Armeeinspektor und Landeschef Generalfeldzeugmeister Potiorek ausgingen. Dieser soll sich wiederum dahin geäussert haben, dass er in Wien seit Monaten auf die zunehmende grossserbische Agitation hingewiesen und vor deren Folgen gewarnt habe; energisches Auftreten gegen die Bewegung sei ihm nicht gestattet worden. Die Propaganda antiösterreichischer Gesinnung in Bosnien und der Herzegowina hat es vornehmlich auf die Mittelschüler abgesehen, wie auch Vorfälle aus der jüngsten Zeit in Serajewo und Mostar beweisen. Der augenfällige Zweck der Agitation ist, die Ruhe in Bosnien dauernd zu stören und die friedliche Entwicklung des Landes zu hindern. Die von Serbien herüberkommenden Wühlereien waren einer der Beweggründe der Annexion. Sie wurden nach derselben noch leidenschaftlicher fortgesetzt und werden andauern, bis Bosnien zu Grossserbien gehört — wenn sie nicht vorher mit Blut und Eisen ausgemerzt werden. Es ist höchst bezeichnend, dass gerade jetzt in der französischen Presse das Gerücht eines geplanten engeren Zusammenschlusses Serbiens und Montenegros auftaucht Dass serbischerseits dieser Plan besteht, wird hier nicht bezweifelt; man hat angenommen, dass nach dem Tode des Königs Nikita an dessen Ausführung herangetreten werde. Die Attentate vom Sonntag haben gezeigt, wie weit die grossserbische Propaganda fortgeschritten ist. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Monarchie sich schon früher vor die Frage gestellt sehen wird, ob sie den Entscheidungskampf gegen die grossserbische Umklammerung führen oder durch Kompromisse eine Liquidation maskieren will. Der hingemordete Erzherzog hätte sich bei aller Vorsicht und persönlicher Friedfertigkeit für ersteres entschieden, das wusste man in Belgrad und Moskau, daher musste er fallen. Tucher Nr. 6
Der Gesandte in Wien an den König Bericht 242/XVII
Wien, den 3. Juli 1914 Angekommen 4. 7. 14.
Die irdischen Überreste des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Gemahlin sind gestern abend 10 Uhr programmässig vom Südbahnhof am Belvedere vorbei über den Ring in die Hofburg verbracht worden; der Zug war kurz, ohne grössere militärische Begleitung, ohne Gepränge, ohne Trauermusik.
120 Trotzdem drängte sich auf dem ganzen Wege ein grosser Menschenstrom zu dem düstern Schauspiel; während hier tiefer Ernst herrschte, johlte eine zahlreiche Volksmenge vor dem vom serbischen Gesandten bewohnten Hause in der Paulanergasse und verlangte mit Ungestüm die Entfernung der zum Zeichen der Trauer gehissten Trikolore. Diese Demonstrationen finden allabendlich statt und werden auch iiir heute abend erwartet. Die Erregung gegen Serbien ist eine tiefgehende und ruft an vielen Orten, wo Serben wohnen, insbesondere in Kroatien und Bosnien, Ausschreitungen hervor, die, wenn auch entschuldbar, so doch wegen der Rückwirkung auf die Stimmung in Serbien sehr zu bedauern sind; die Sprache der dortigen Presse ist ohnehin grossenteils eine unfreundliche und gereizte. Die offiziellen Organe bezeichnen das Attentat als ein Werk einzelner Überspannter und sprechen ihre Verwunderung darüber aus, dass die öffentliche Meinung in der Monarchie Serbien flir die Verbrechen mitverantwortlich macht, weil alle Spuren nach Serbien fuhren, von wo die Mordwerkzeuge, die Geldmittel und die Inspiration geholt worden sind. Am Schlüsse eines offiziösen Artikels im Pester Lloyd wird ausgesprochen, „dass wenn die Untersuchung Beweise liefern sollte, dass auf serbischem Territorium die Leute leben, die die Mordgesellen geschult, gedungen, bezahlt und entsendet haben, der Zeitpunkt gekommen sein werde, um der serbischen Regierung gegenüber mit dem Ansinnen aufzutreten, diesen verbrecherischen Umtrieben mit rücksichtsloser Strenge ein Ziel zu setzen und Bürgschaften dafür zu geben, dass der niederträchtige Unfug ein für alle Mal eingestellt werde". Die Einsegnung in der Hofburgpfarrkirche hat in Anwesenheit Seiner Majestät des Kaisers und sämtlicher Mitglieder des Erzhauses unter der Beteiligung mehrerer Kardinäle, des Hofes, der Staatswürdenträger und offiziellen Persönlichkeiten, soweit es der so beschränkte Raum zuliess, stattgefunden. Seine Majestät und die Fürstlichkeiten nahmen in den Hoforatorien Platz; der Kaiser blickte fast unverwandt auf die beiden Särge; die Feierlichkeit dauerte kaum eine Viertelstunde; die Temperatur in der Kirche war sehr hoch, so dass zu verwundern ist, dass keine Unfälle vorkamen. Die meisten Missionschefs vertraten ihre Souveräne, darunter auch der serbische Gesandte. Das Fernbleiben des Deutschen Kaisers wird seit dem Bekanntwerden gestern nachmittag in der Öffentlichkeit lebhaft erörtert. Das Gerücht, dass Rücksichten auf die persönliche Sicherheit des hohen Gastes mitgesprochen hätten, wird heute nachmittag dementiert, so bleibt nur der offizielle Grund: Hexenschuss. Heute abend 10 Uhr erfolgt die Überführung der Leichen nach Schloss Artstetten, wo morgen vormittag in Gegenwart der nächsten beiderseitigen Verwandten die Beisetzung in der neuerbauten Familiengruft statefindet. Die Gruft wird sich also morgen, am letzten Tage der Woche, an deren erstem die Mordschüsse gefallen, über den
121 Opfern schliessen, die Folgen der Zustände aber, welche die Untat gezeitigt haben, werden sich erst nach und nach einstellen — sie sind unberechenbar. Tücher Nr 7 Der Gesandte in Wien an den König Bericht 247/XVIII
Wien, den 6. Juli 1914 Angekommen 8. 7. 14.
Die Leichen des so schrecklich hingemordeten Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Gemahlin sind zur letzten Ruhe bestattet, aber die durch das entsetzliche Drama erregten Gemüter fahren fort, ihren Unwillen zu äussern, und zwar in verschiedenen Richtungen. Im Offizierskorps herrscht Unzufriedenheit, weil dem „Generalinspektor der gesamten bewaffneten Macht" in der Hauptstadt Wien nicht die üblichen militärischen Ehren erwiesen wurden, die Aristokratie findet gleichfalls, dass die Veranstaltungen ein dem hohen Range des Thronfolgers entsprechendes Gepränge vermissen Hessen, und im Volke, das die Entfaltung grossen Pompes liebt, macht sich Enttäuschung Luft. Der ostentative Anschluss einer grossen Anzahl Mitglieder des Adels an den Leichenkondukt auf dem Wege von der Hofburg zum Westbahnhof sollte der Missstimmung Ausdruck geben. Der Tadel an den Anordnungen des Leichenbegängnisses wird unterstützt und verbreitet durch die dem ehemaligen Thronfolger nahestehende Presse, die auch die Erwartung einer den üblichen Rahmen überschreitenden Leichenfeier genährt hatte. Die Hofstellen verteidigen sich gegen diese Anklagen mit dem Hinweis auf das althergebrachte spanische Zeremoniell und auf die Vorgänge bei der Beisetzung der Kaiserin Elisabeth und des Kronprinzen Rudolf. Weit ernster sind die Vorwürfe aufzufassen, die in der Presse und in politischen Kreisen gegen die Persönlichkeiten erhoben werden, welche bisher die Verwaltung Bosniens und der Herzegowina leiteten. Trotz der offenkundigen Tendenz der Serben im Königreiche, ihre Konnationalen in Bosnien mit grossserbischen Ideen zu erfüllen, sie zu Bedrückten und der Erlösung Entgegenharrenden zu stempeln und so die Losreissung Bosniens vorzubereiten, wurde, als diese Propaganda auch nach der Annexion andauerte, eine Politik der Serbenbegünstigung gewählt: Die bosnischen Serben sollten durch Entgegenkommen gewonnen und durch Heranziehen zu öffentlichen Stellen und Ämtern verpflichtet werden. Dies Bestreben veranlasste die Entlassung alter, erprobter, meist deutscher Beamter, die Anstellung grossserbischer Parteigänger und die Belohnung versteckter Feinde der Monarchie durch Orden und Auszeichnungen. Die Regie-
122 rung wollte die Anklage, dass die Serben in Bosnien bedrückt werden, Lügen strafen, statt dessen hat sie der grossserbischen Propaganda die Wege geebnet; ihr Entgegenkommen wurde als Schwäche ausgelegt und bestärkte den Glauben, dass die Monarchie morsch sei und nach der Türkei mit ihr abgerechnet werden könne. Der serbophile Kurs, von Burian eingeschlagen, wurde von Bilinski noch vertieft und erweitert. Die Serben konnten sich alles erlauben; im Rücken die fanatisierten Grossserben im Königreich, im Lande eine nachgiebige Regierung — was Wunder, dass die Propaganda riesige Fortschritte machte und einen grossen Teil der serbischen Bevölkerung ergriff. Das Attentat vom 28. Juni hat den Schleier von den beschönigenden Berichten weggerissen und den Abgrund der planmässigen Vorbereitung der Losreissung Bosniens aufgedeckt. Die öffentliche Meinung fordert einstimmig die Abkehr vom serbophilen Kurs. Es wird hier zurzeit hin und her überlegt, was zu machen ist Die Träger der bisherigen Richtung sind begreiflicherweise gefährdet, vielleicht werden sie abberufen und durch Männer ersetzt, welche die Dinge sehen, wie sie sind und darnach handeln. Eine wirksame Bekämpfung der grossserbischen Agitation ist nur zu fuhren mit äusserster Strenge und rücksichtsloser Gewalt In Serbien wird man toben, wenn Österreich-Ungarn zu dem Mittel greift, das es längst hätte anwenden sollen, doch dort, wo man den Spiess bereits umgekehrt hat und über die Verfolgung der Brüder zetert, klagt man die Monarchie unter allen Umständen, auch unter den die Serben begünstigenden, der Gewalttätigkeit an. Wenn Österreich im eigenen Lande mit Recht und Gerechtigkeit Ordnung macht, sollten die Verdächtigungen Serbiens in Europa kein Gehör finden, zumal da es selbst in den neuerworbenen Gebieten mit Ausrottung arbeitet. Es wird auch davon gesprochen, aus den Attentaten einen Kriegsfall zu konstruieren und früher Versäumtes nachzuholen, da mit den Serben nicht anders fertig zu werden ist. Dazu liegt heute noch kein genügender Grund vor. Erst wenn Serbien sich weigern sollte, die Forderungen, welche je nach den Ergebnissen der Untersuchung in Serajewo von Österreich-Ungarn gestellt werden, zu erfüllen, zum Beispiel Auflösung der Narodna Odbrana und anderer grossserbischer Vereine, Bestrafung der Anstifter und Mitschuldigen der Attentate und dergleichen, könnte man an Gewaltmassregeln gegen Serbien denken. Es ist sicher, dass sich Kaiser Franz Joseph nur unter dem Drucke zwingender Umstände zu Schritten entschliessen wird, in deren Gefolge ein europäischer Krieg entbrennen kann. Skeptiker, die Land und Leute kennen, glauben, dass so gut wie nichts geschehen wird und höchstens nach einer Anstandsfrist einige Personalveränderungen verfugt werden. Tucher
123 Nr. 8 Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 373
Berlin, den 9. Juli 1914
Hochgeborener GrafI Gestern suchte ich gegen Abend den Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes auf, um mich ihm als Geschäftsträger vorzustellen. Bei dieser Gelegenheit frug ich ihn nach der Richtigkeit einer Meldung der gestrigen „B. Z. am Mittag", wonach „neuerdings Verhandlungen schweben sollen zwecks Abkommandierung einer grösseren Anzahl deutscher Offiziere als Militärinstrukteure nach China". Herr Zimmermann bezeichnete mir die Meldung in dieser Form als „sehr verfrüht". Richtig sei jedoch, dass er persönlich sich schon lange mit dem Gedanken trage, Deutschland solle eine Militärmission nach China entsenden, die ähnlich zu organisieren wäre, wie die Mission des Generals v. Liman. Bei gelegentlicher Fühlungnahme mit chinesischen Staatsmännern habe der Unterstaatssekretär ein sehr geneigtes Ohr für seine Idee gefunden, nur fehle es noch an den nötigen finanziellen Mitteln, um den Plan schon jetzt zur Ausführung zu bringen. Es würden wohl noch 2 bis 3 Jahre bis zu seiner Verwirklichung vergehen; doch werde die Angelegenheit vom Auswärtigen Amt ständig im Auge behalten werden. Ich ersuchte den Unterstaatssekretär, die K . Regierung seinerzeit so rechtzeitig von der bevorstehenden Entsendung der Mission zu benachrichtigen, dass auch bayerischen Offizieren die Möglichkeit gegeben werden kann, sich zur Teilnahme an der Mission, die doch wohl als „deutsche" bezeichnet würde, zu melden. Herr Zimmermann sicherte mir dies bestimmt zu und teilte mir dann g a n z v e r t r a u l i c h , aber mit der Ermächtigung E. E. hiervon Meldung zu machen, mit, dass sogar an einen bayerischen Offizier als Leiter der Mission gedacht werde, nämlich an den K. Generalleutnant Grafen Max Montgelas. Er — Zimmermann — halte den Grafen wegen seiner persönlichen Qualitäten und auf Grund seiner in Ostasien gemachten Erfahrungen fiir besonders geeignet für diesen Posten. Er habe auch schon in diesem Sinne mit dem im Amte tätigen Bruder des Grafen Fühlung genommen und glaube, dass der General unter Umständen nicht abgeneigt sein werde, die ihm zugedachte Stelle anzunehmen. Die in den letzten Tagen stattgefundenen Ministerbesprechungen in Wien haben sich, wie das Auswärtige Amt erfahren hat, nur mit innerpolitischen, auf Bosnien und die Herzegowina bezüglichen Angelegenheiten befasst. Die Frage, ob und in welcher Weise Österreich etwa gegen Serbien vorzugehen gedenkt, falls die Untersuchung des Attentats eine Kompromittierung der dortigen offiziellen Kreise
124 zutage fördern sollte, ist bei den Besprechungen nicht berührt worden und harrt noch ihrer Lösung. Unterstaatssekretär Zimmermann würde den gegenwärtigen Zeitpunkt für Österreich als sehr günstig ansehen, um, wie er sich ausdrückte, einen „Rachezug" gegen den südlichen Nachbarn zu unternehmen und glaubt bestimmt, es würde gelingen, den Krieg zu lokalisieren. E r zweifelt aber daran, dass man sich in Wien hierzu entschliessen wird. Von Berlin aus wird man der Wiener Regierung, falls sie eine diesbezügliche Anfrage stellen sollte, keinesfalls abraten, mit allen Mitteln gegen Serbien vorzugehen, wird ihr vielmehr bedeuten, dass Österreich, möge kommen was wolle, den Bundesgenossen auf seiner Seite sehen werde. Man wird es aber auch vermeiden, Österreich gegenüber in dieser Beziehung die Initiative zu ergreifen. Den Vertretern der anderen Mächte gegenüber hat das Auswärtige Amt betont, dass es die Lage ohne jede Nervosität ansehe, und hat zum Beweis hiefiir darauf hingewiesen, dass andernfalls S. M. der Kaiser es unterlassen hätten, die Nordlandsreise anzutreten, dass dann der Reichskanzler nicht nach Hohenfinow, der Chef des Generalstabes nicht in Urlaub gefahren wäre. In Albanien haben sich die Dinge seit dem letzten Bericht des K. Gesandten über die dortigen Verhältnisse nicht geändert. Die Berichte des Herrn v. Lucius lauten nach wie vor so schlecht, dass das Auswärtige Amt die Lage des Fürsten für vollständig verzweifelt ansieht Der Frage, was geschehen soll, wenn Fürst Wilhelm zur Abdankung gezwungen wird, sind die Mächte bis jetzt immer noch ängstlich aus dem Wege gegangen. Nach der Ansicht des Auswärtigen Amtes wird nichts anderes übrig bleiben, als zunächst der Internationalen Kontrollkommission die Regierung des unglücklichen Landes zu übergeben und dann nach einem neuen Fürsten Umschau zu halten. Über den nunmehr vollzogenen Abschluss der bulgarischen Anleihe, der seit gestern der Sobranje zur Genehmigung vorliegt, äusserte sich Herr Zimmermann sehr befriedigt; der Inhalt des Vertrags ist in dem hier ganz gehorsamst beigefugten Artikel in Nr. 773 der Kölnischen Zeitung richtig wiedergegeben. Soden.
125 Nr. 9 D e r Gesandte in Wien an den K ö n i g Bericht 251/XIX
Wien, den 1 O.Juli 1914 Angekommen I i . 7. 14.
Über den Verlauf des gemeinsamen Ministerrates am 7. ds. wird das tiefste Schweigen beobachtet. 1 ) Aus zuverlässiger Quelle erfahre ich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, dass alle Teilnehmer darüber übereinstimmten, die bisherige Regierungsmethode in Bosnien und der Herzegowina sei ein Irrtum gewesen; sie basierte auf der Annahme, dass das serbische Element, das 4/9 der Bevölkerung ausmacht, für eine loyale Teilnahme an der konstitutionellen Regierung des Landes zu gewinnen sei, während es sich jetzt in erschreckender Weise gezeigt habe, dass die Serben mit wenigen Ausnahmen der grossserbischen Richtung ergeben seien. Da die Fäden dieser Richtung nach dem Königreich Serbien laufen und die Propaganda im eigenen Lande nicht ausgerottet werden könne, ohne dass auch der Ursprung zerstört werde, und da ferner die Vorbereitung der Attentate in Serajewo nach Serbien weise, sei eine Demarche in Belgrad zu machen, welche volle Garantie gegen die Weiterzüchtung der grossserbischen Ideen biete. Bis hierher reichte die Einstimmigkeit Die Majorität im Ministerrate war der Ansicht, dass diese Garantie nur mit Gewalt zu errreichen und daher die Demarche so durchzufuhren sei, dass ein verkleinertes Serbien daraus hervorgehe; dabei müsse sich Österreich-Ungarn jeder Gebietserweiterung enthalten, dagegen die anderen Balkanstaaten, Rumänien einbegriffen, sich auf Kosten Serbiens bereichern lassen. Für eine solche Strafexekution hofft man die Zustimmung Europas zu erhalten. Die Minorität glaubte, sich mit den unerlässlichen Garantien auf diplomatischem Wege begnügen zu können und erst dann zu militärischen Mitteln raten zu sollen, wenn serbischerseits die diesseitigen Forderungen nicht volle Genüge fanden. Dieser Ansicht wurde entgegengestellt, dass der papierene W e g den unergründlichen Hass Serbiens nur noch vertiefe, ohne eine Gewähr für das Halten gegebener Versprechungen zu bieten. Da die in Bosnien selbst vorzunehmenden Massregeln, wie stärkere Überwachung der Grenze, Reorganisation der Polizei, Reform des Schulwesens, Einfuhrung strenger Zensur und dergleichen, von dem Verlauf und dem Charakter der Demarche in Belgrad abhängen, so wurden diese Punkte nur an zweiter Stelle besprochen. *) Über diesen Ministerrat genaues bei G o o s , das Wiener Kabinett und die Entstehung des Weltkrieges S. soff.
126 Graf Berchtold, der dem Kaiser in Ischl gestern einen ändert* halbstündigen Vortrag gehalten hat, ist abends nach Wien zurückgekehrt. Mein Gewährsmann glaubt annehmen zu dürfen, dass Seine Majestät sich mit dem Teil der Beschlüsse, die einstimmig gefasst wurden, einverstanden erklärt habe. Bis jetzt ist als einziges Resultat der Reise des Ministers ein von ihm angeordnetes Dementi bekannt geworden, wornach die Meldungen über den Verlauf und die Ergebnisse seiner Audienz beim Kaiser authentischer Grundlage entbehren. Tucher
Nr. 10
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Telegramm
Wien, den II. Juli 1914; 11 20 vorm. Angekommen: i 0 0 nachm.
Bin um strengste Geheimhaltung gestriger politischer Mitteilungen ersucht worden. Kaiser neigt den schärferen Massregeln zu und findet in Berlin Unterstützung. Tucher
Nr. 11
Der Gesandte in Wien an den König Bericht 254/XXI
Wien, den 14. Juli 1914 Angekommen 15. 7. 14.
Die Demarche der Österreichisch-Ungarischen Regierung in Belgrad hat sich etwas verzögert; zunächst hat man in Serajewo Aufschlüsse über die Ergebnisse der Untersuchung erholt, dann gilt es, einige Widerstände des Grafen Tisza, der den Weg friedlicher Beilegung offen gehalten wissen will, zu überwinden und sich über den Wortlaut der Note an die serbische Regierung zu einigen. Gral Berchtold möchte der serbischen Regierung solche Bedingungen stellen, die sie nicht annehmen kann, damit das Ergreifen von Gewaltmitteln erfolgen muss. Wenn der Inhalt der Note feststeht, muss sie noch dem Kaiser in Ischl vorgelegt werden — es wird darüber das Ende der Woche herankommen. Die Kenntnis dieser folgenschweren Vorbereitungen ist nur auf wenige Eingeweihte beschränkt; die grosse Öffentlichkeit ahnt nicht, wie ernst sich die nächste Zukunft gestalten wird, es besteht nur
127 ein Gefühl der Unsicherheit, das von der Börse durch starke, anhaltende Rückgänge der Kurse markiert wird. Von vielen Seiten hört man die Vermutung aussprechen, dass die Sache mit dem Austausche einiger Noten werde abgetan werden; auch fremde Diplomaten nehmen dies an. Die Haltung Deutschlands ist die gleiche wie während der ganzen Balkankrise: Österreich-Ungarn hat zu erkennen, was seine Lebensinteressen sind und zu entscheiden, wie und wann es dieselben zu verteidigen hat. Deutschland steht dem Bundesgenossen treu zur Seite und wird alle Konsequenzen aus dem Bündnisse ziehen. Die Antwort der serbischen Regierung auf die österreichischungarische Note hängt von den Ratschlägen Russlands ab. Es darf mit der Wahrscheinlichkeit gerechnet werden, dass die serbische Regierung, vorausgesetzt, dass sie noch Herr der Situation ist und nicht die Militärpartei, alle Forderungen Österreich-Ungarns annimmt. Dann würde es sich zeigen müssen, ob der Wille zur Zerstückelung Serbiens, wie er bei der Mehrheit des gemeinsamen Ministerrates besteht, ein unerschütterlicher ist. Man will es aber zu dieser zweiten Entscheidung gar nicht kommen lassen und der Note einen unannehmbaren Inhalt geben, damit man gezwungen sei, nach Zurückweisung derselben sofort die militärische Aktion zu beginnen. Dies soll der Gedankengang des Ministeriums des Äussern sein. Während man hier fest entschlossen ist, sich zum Verteidigungskampfe gegen die slavische Umklammerung aufzuraffen, lässt die österreichische Regierung die Slaven in ihren deutschfeindlichen Vorstössen überall gewähren. Es ist eine alte Kampfmethode der Slaven, in deutschen Städten oder solchen mit vorherrschend deutscher Bevölkerung allerlei Feste zu veranstalten; die Regierung gestattet diese Feste unter einigen, von den Veranstaltern meistens nicht eingehaltenen Bedingungen und mobilisiert die Schutzmannschaft. Wenn die Deutschen gegen die Eroberungszüge der Slaven protestieren und sich den Eindringlingen entgegenstellen, werden die herausgeforderten Deutschen, die ihren Besitzstand verteidigen, von der Regierung und den Slaven als die Unruhestifter behandelt und gebrandmarkt. An solchen Vorgängen sind die Sommersonntage von jeher reich, auch die letzten Sonntage haben den Deutschen aufreizende Exzesse in Brünn, Bilitz, Troppau und anderen Orten der Sprachgrenzen gebracht. Der Widerspruch der inneren und äusseren Politik war nie greifbarer. Auch in Berlin liegen Nachrichten vor, dass die Rebellen in Albanien von Belgrad aus unterstützt werden. Man sieht, wie planmässig Serbien vorgeht und überall tätig ist, wo es gilt, die Pläne Österreich-Ungarns zu durchkreuzen. Der Wille, dieses Wespennest auszubrennen, ist nur zu begreiflich und doch — ich kann mir ein serbisches Polen nicht vorstellen. Tücher
128 Nr. 12 Der Gesandte in Rom an den König Bericht 211/XVII
Rom, den 14. Juli 1914 Angekommen 17.7.14.
[Mitteilungen über das Befinden des erkrankten Herzogs von Aosta.) Während meines Aufenthalts in Fiuggi hatte ich Gelegenheit, zu beobachten, wie der Minister des Äussern und der deutsche Botschafter fortgesetzt Erörterungen über die politische Lage, besonders über die albanische Frage pflegten. Die italienische Regierung geht in dieser Frage noch immer im Einvernehmen mit der österreichisch-ungarischen vor, es wird aber dem deutschen Botschafter immer schwerer, Italien an der Seite Österreichs zu halten, weil der Marchese San Giuliano hierin nicht die öffentliche Meinung Italiens fiir sich hat und ein italienischer Minister des Äussern nicht auf die Dauer eine Politik im Gegensatz zu derselben machen kann. Er scheint auch sich mit den Mächten der Triple-Entente gut stellen zu wollen, wofür ein Anzeichen ist das grosse Entgegenkommen, das Italien Frankreich gegenüber beim Abschluss des Vertrags bezüglich der Regelung der Verhältnisse der italienischen KolonialUntertanen in Tunis und der Tunisier in Libyen gezeigt hat. Die Meldungen aus Albanien lauten immer dahin, dass die Insurgenten auf der Entfernung des Fürsten bestehen, dass dieser den Posten, auf den ihn Europa gestellt hat, nicht verlassen will, dafür aber von Europa auch Schutz verlangt. Darüber, ob und wie dieser Schutz zu gewähren ist, schweben noch die Verhandlungen. Die albanische Frage ist noch schwieriger geworden durch die epirotische. Die Epiroten halten sich nicht an die Abmachungen von Corfu, gehorchen nicht ihrem Führer Zographos, der sich geberdet, als ob er sich an diese Abmachungen halte, und werden von Griechenland unterstützt, obwohl dies vom König und der Regierung auf das bestimmteste bestritten wird. Die schwierigste Frage ist aber das Verhältnis Österreichs zu Serbien, das noch zu ernsten Verwicklungen führen kann. Auf den 15. Juli ist in Italien der Reserve-Jahrgang von 1891 auf unbestimmte Zeit eingerufen worden; ausgenommen sind nur die Reservisten der Kavallerie und der reitenden Artillerie. Diese Massregel erregt grosses Aufsehen und wird in Verbindung gebracht mit etwaigen äusseren Komplikationen. Die Regierung gibt als Begründung an, dass sie für etwaige Vorfälle im Innern gerüstet sein wolle; die zur Verfügung stehende Truppenzahl müsse vermehrt werden, weil ein grosser Teil der Truppen durch Übungen von den Garnisonen entfernt sei und die noch nicht völlig beendigten administrativen Wahlen die Entsendung von Truppen in viele Wahlbezirke notwendig machen. [Mitteilungen über innerpolitische Vorgänge in Italien.] v. d. T a n n
129 Nr. 13
Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 386
Berlin, den 18. Juli 1914 (Siehe T e ü A Seite 2 ff]
Nr. 14
Der Gesandte in Wien an den Minister des Äussern Bericht 264
Wien, den 18. Juli 1914
Vertraulich! Hochgeborener Graf, Hochzuverehrender Herr Staatsministert Bezugnehmend auf meinen letzten politischen Bericht vom 14. ds. Nr. X X I beehre ich mich, Euer Exzellenz gehorsamst zu melden, dass die Absendung der österreichisch-ungarischen Note an die serbische Regierung eine neuerliche Verzögerung erfahren hat. A l s Gründe sind mir angegeben worden, dass man die Einbringung der Ernte abzuwarten wünsche und den Besuch des Präsidenten der französischen Republik in St. Petersburg vorübergehen lassen wolle, um den bei diesem Anlass versammelten Scharfmachern Poincaré, Iswolsky u. a. nicht Gelegenheit zu bieten, auf den Zaren einen Druck im Sinne serbenfreundlicher Parteinahme auszuüben. A n der Auffassung des hiesigen auswärtigen Ministeriums, wie ich sie zuletzt wiedergegeben, hat sich nichts geändert. Man äussert sich besorgt, dass eine vollkommene Nachgiebigkeit Serbiens das Ausholen zum Schlage erschweren könne und meint, wenn Russland die Lokalisierung des Streits mit Serbien nicht zulasse, so sei der jetzige Augenblick zur Abrechnung günstiger als jeder spätere. Grosse Genugtuung erweckt auf dem Ballplatz der Umschwung in Bezug auf die Beurteilung Serbiens in Berlin, wo jetzt die Unmöglichkeit eines freundnachbarlichen Verhältnisses zu Serbien klar geworden ist. Tucher
*) Siehe B, 11.
0
130 Nr. 15
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 266
Wien, den 21. Juli 1914 Angekommen 22. 7. 14.
Die Note der österreichisch-ungarischen Regierung über die Ergebnisse der Untersuchung in Serajewo soll am nächsten Donnerstag oder Freitag der serbischen Regierung überreicht werden. Der Inhalt, über den vollkommene Ubereinstimmung, auch mit dem Grafen Tisza, hergestellt wurde, dürfte heute dem Kaiser in Ischl, wohin sich Graf Berchtold gestern abend begeben hat, zur Genehmigung vorgelegt worden sein. A m Freitag soll die Note in der Presse erscheinen. Der Inhalt wird streng geheimgehalten, ich konnte nur erfahren, dass er doch nicht so ganz unannehmbar für Serbien sei. Gleichzeitig mit der Überreichung in Belgrad wird die Note der italienischen Regierung mitgeteilt und die Erklärung abgegeben werden, dass Österreich-Ungarn sich unter keinen Umständen serbisches Gebiet dauernd aneignen werde. Diese Erklärung ist notwendig, weil man andernfalls von Italien die Aufwerfung der Frage der Kompensation zu gewärtigen hat, der man aus mehr wie einem Grunde vorbeugen will. Der Verzicht auf jedweden Zuwachs an serbischem Gebiete ist der österreichisch-ungarischen Regierung um so leichter, als durchaus keine Neigung besteht, die Bevölkerung serbischer Nationalität der Monarchie noch zu vermehren; Graf Tisza hat sich von Anfang an auf das Entschiedenste gegen eine solche Eventualität ausgesprochen. Die Trinksprüche in Peterhof, insbesondere derjenige des Zaren, werden hier insofern günstig gedeutet, als sie keine Ermutigung der Serben enthalten und die Annahme gestatten, dass auch von seiten des Zweibundes eine lokalisierte Austragung des Streites zugelassen werde. Eine Bestätigung der Zeitungsnachricht, dass die serbische Antwort auf die Demarche innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gefordert werde, konnte ich nicht erhalten. Doch scheint mir die Befristung nicht ausgeschlossen, da sie nicht in Abrede gestellt wird. Tucher
131 Nr. 16
Der Geschäftsträger in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 23. Juli 1914, 9 30 vorm.
Überreichung österreichischer Note an Serbien heute nachmittag. Fristablauf Samstag, nachmittag 5 Uhr.
erfolgt schon
S ch o en Nr. 17
Der Vorsitzende im Ministerrate an die Gesandtschaft in Berlin Telegramm
München, den 23. Juli 1914 7 6 5 nachm. Angekommen 8 " nachm.
Ersuche im Auswärtigen A m t anzufragen, ob gegen die Zustellung österreichischer Einberufungsorders an in Bayern lebende österreichische Wehrpflichtige durch Vermittelung bayerischer Behörden Bedenken bestehen. Formelles Gesuch liegt noch nicht vor. *) Hertling Nr. 18
Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 394
Berlin, den 23. Juli 1914
W i e ich gestern abend in später Stunde erfahren und Ew. Exz. soeben mit chiffrierter Depesche gemeldet habe 2 ), soll nach einem neueren Entschluss des Wiener Kabinetts die Überreichung der österreichischen Note an Serbien nicht erst am 25., sondern schon heute gegen Abend erfolgen, und zwar tunlichst so spät, dass ihr Inhalt in Petersburg nicht vor der heute abend um 11 Uhr stattfindenden Abreise des Herrn Poincaré nach Stockholm bekannt werden kann. Der Geschäftsträger in Berlin antwortete telegraphisch am 24. Juli: „Reichsleitung ohne Bedenken." 2) Siehe B, 16.
9*
182 Morgen vormittag soll dann die Note den Grossmächten durch die Vertreter Österreich-Ungarns offiziell zur Kenntnis gebracht werden. Die Note wird von einem Annexe begleitet sein, in dem das Ergebnis der Untersuchung über das Attentat von Serajewo niedergelegt ist, und die Mitschuld auch amtlicher serbischer Kreise nachgewiesen wird. Die von einzelnen Blättern gebrachte Meldung, wornach der serbischen Regierung eine Frist für die Annahme der österreichischen Forderungen nicht gestellt werde, ist unzutreffend; vielmehr wird, wie ich Ew. Exz. bereits zu melden die Ehre hatte, eine Frist von nur 48 Stunden statuiert. Das lange Zuwarten des Wiener Kabinetts hat an den hiesigen amtlichen Stellen unangenehm berührt, und man hätte gewünscht, dass das Sühneverlangen der Ermordung des Erzherzogs möglichst auf dem Fusse gefolgt wäre. Aber das mehr scheinbare Zaudern der österreichischen leitenden Kreise hat doch auch sein Gutes gehabt, denn in Serbien hat man sich dadurch zu dem Glauben verleiten lassen, dass Österreich es auch diesmal nicht zum Äussersten kommen lassen werde. In diesem Glauben aber hat die serbische Presse und hat sogar der serbische Ministerpräsident Österreich gegenüber eine Sprache angenommen, die für die österreichische Regierung die beste Rechtfertigung zu ihrem Vorgehen vor der Welt bildet. Über die weitere Entwicklung der Dinge lässt sich heute eine sichere Voraussage nicht geben. Die Möglichkeit besteht ja immerhin, dass Serbien zu Kreuz kriecht und sich den Forderungen Österreichs unterwirft. Nach seiner bisherigen Haltung zu schliessen, ist die Wahrscheinlichkeit hierfür allerdings eine recht geringe. Weist es die österreichischen Forderungen zurück, so fragt es sich, ob man in Österreich dann zunächst die Mobilisierung durchfuhrt — wozu 12 bis 16 Tage benötigt werden — oder ob man zur Durchsetzung der Forderungen gleich in Serbien einrückt. Auch über die Haltung, die die österreichische Regierung nach der Niederwerfung Serbiens einzunehmen gedenkt, ist das Auswärtige Amt noch nicht unterrichtet. Wie mich mein Gewährsmann hat wissen lassen, hat die Unterredung des Botschaftsrats Prinzen Stolberg mit dem Grafen Berchtold, von der ich Ew. Exz. in meinem gehorsamsten Bericht vom 18. lfd. Mts. Nr. 386 Meldung machte, nur „zum Teil" stattgefunden. Graf Berchtold soll nämlich erklärt haben dass „eine dauernde Besetzung serbischen Gebietes von österreichischer Seite nicht beabsichtigt sei, und daher auch etwaige Kompensationen für dritte (Italien) nicht in Frage kämen". Offenbar will sich das Wiener Kabinett nicht vorzeitig die Hände binden, sondern den weiteren Verlauf der nun beginnenden Auseinandersetzung abwarten. Von entscheidender Bedeutung wird es dabei sein, ob die Lokalisierung des Konflikts gelingt oder nicht v. S c h o e n
133 Nr. 19
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 270
Wien, den 23. Juli 1914 Angekommen 34. 7. 14.
Die Note der österreichisch-ungarischen Regierung wird heute nachmittag vom k. u. k, Gesandten Baron Giesl der serbischen Regierung übergeben werden. Der deutschen und italienischen ist sie bereits bekannt gemacht und morgen soll sie der Presse und den Signatarmächten mitgeteilt werden. Man erwartet die Antwort aus Belgrad am Samstag abend und wenn sie, was man auf dem Ballplatz wünscht, abschlägig ausfallt, sollen sechs Armeekorps auf Kriegsstand gesetzt werden und zwar diejenigen in Serajewo, Ragusa, Agram, Hermannstadt, Temesvar und Pest Diese Mobilisierung wird 10 Tage dauern, die gleiche Zeit, nimmt man an, werden die Serben brauchen, ihre Divisionen aus Mazedonien an die österreichisch-ungarische Grenze zu ziehen. Die Erwartung, dass man mit den Serben bald fertig werde, kann ich nicht teilen, vielmehr mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man hier die Schwierigkeit«* eines Feldzuges gegen Serbien unterschätzt Die serbischen Truppen haben sich in den letzten Balkankriegen über alles Erwarten gut geschlagen, sind vorzüglich ausgerüstet und sind in einem ausgezeichneten Kriegstraining, dazu von einem geradezu fanatischen Patriotismus durchdrungen. Selbst wenn Russland entschlossen sein sollte, einer Strafexekution gegen Serbien untätig zuzusehen, muss befurchtet werden, dass es bei einer längeren Dauer des Kampfes die öffentliche Meinung nicht halten kann. In diesem Falle ist es auch fraglich, ob die Haltung der Südslaven der Monarchie durchwegs eine loyale bleibt Der österreichische Generalstab hüllt sich über seine Angriffspläne in tiefes Schweigen, mit Recht: mögen sie wohl durchdacht, wohl vorbereitet sein und nicht an dem alten Fehler der Unterschätzung des Gegners kranken. Die hiesigen Ententediplomaten sind noch in Unkenntnis der Absicht des Ballplatzes, den Bruch mit Serbien herbeizuführen. Der Engländer ist auf dem Land, der Russe ist vorgestern abend auf Urlaub über Petersburg nach seinen Gütern abgereist und Herr Dumajne hat gestern noch den Versuch gemacht, dem Ersten Sektionschef Baron Macchio zu empfehlen, den Bogen nicht zu straff zu spannen.
134 In Bankkreisen glaubt man nur mit Widerstreben an den Ernst der Lage und betont den vollkommenen Mangel einer finanziellen Kriegsvorbereitung. Die Veröffentlichung der Note wird wie eine Bombe wirken.
Nr. 20
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Telegramm
Wien, den 25. Juli 1914; 9 S 0 nachm.
Serbische Antwort ungenügend. Gesandter Baron Giesl von Belgrad abgereist. Serbien mobilisiert. Hof und Regierung nach Kragujevac abgegangen. Tucher
Nr. 21
Der Geschäftsträger in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 2ß. Juli 1914; 3 1 0 nachm.
Im Nachgange zum Telegramm von gestern. Reichsleitung ersucht wegen einheitlichen Vorgehens im Reich Vermittlung bayerischer Behörden bei Zustellung österreichischer Einberufungsorders oder Bekanntmachung österreichischen Mobilmachungsbefehls zu unterlassen, solange nicht auch deutsche Mobilmachung. Dagegen Eisenbahnerleichterungen bei Heimschaffung österreichischer Wehrpflichtiger genehm. Näheres hierüber direkt vom Reichseisenbahnamt. Schoen
135 Nr. 22
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 273
Wien, den 25. Juli 1 9 1 4 Angekommen 27. 7. 14,
Die Veröffentlichung der österreichisch-ungarischen Note an die serbische Regierung in den gestrigen Morgenblättern hat hier in Wien, da weder Zeit noch Inhalt genauer bekannt war, eine grosse Bewegung hervorgerufen. Der entschiedene Schritt der Regierung wurde allgemein zustimmend besprochen und die Notwendigkeit betont, dass man aus dem Handel und Wandel lähmenden Verhältnis zu Serbien endlich einmal herauskommen müsse. Diese Entschlossenheit hörte man schon seit einiger Zeit am lautesten in den Kreisen der Industrie und Finanz äussern. Den gestrigen Tag über war die Physiognomie der Stadt die gewöhnliche; abends machte sich in den öffentlichen Lokalen und Gärten, wo Musikkapellen konzertierten, eine gehobene Stimmung bemerkbar; überall wurden patriotische Weisen, zuerst „Prinz Eugen, der edle Ritter", dann „O du mein Österreich", der Radetzkymarsch und „Gott erhalte" gespielt, woran sich würdevolle Demonstrationen knüpften. Die Ansichten, dass Serbien die Forderungen nicht annehmen könne oder dieselben annehmen werde, hielten sich die Wage; auch bis heute nachmittag besteht vollkommene Unsicherheit und ist die Spannung aufs höchste gestiegen. Noch bevor die Entscheidung hier bekannt sein wird, kann ich mir nicht versagen, auszusprechen, dass im Falle der Annahme der demütigenden Bedingungen Österreich-Ungarns seitens Serbiens zwar der Friede, zugleich aber auch der Zustand erhalten wird, der zu all den unheilvollen Beunruhigungen Veranlassung gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Serbien die neuen Versprechungen besser hält, als die 1909 gegebenen, nicht nur, weil die Versprechungen unter Zwang gegeben sind, sondern auch, weil sie das Aufgeben von Aspirationen enthalten, die den Serben von heute in Fleisch und Blut übergegangen sind. Ich furchte vielmehr, dass die Pflicht und das Streben der österreichisch-ungarischen Regierung, Serbien zur Erfüllung seiner Versprechungen anzuhalten, beständige Reibereien mit sich bringen, die schliesslich doch zum Austrag mit den Waffen fuhren, aber in einem Augenblicke, den Russland bestimmt, weil er ihm besser konveniert als der gegenwärtige. Tücher
136 Nr. 23
Der Gesandte In Paris an den König Bericht 317/XXIX
Paris, den 25. Juli 1914 Angekommen 29.7.14.
Der dem Präsidenten Poincaré nahestehende politische Korrespondent des Gaulois, Herr René d'Aral, hat in dem hier alleruntertänigst angeschlossenen Leitartikel1) zur Reise des Präsidenten nach Russland sehr treffend bemerkt, dass die grosse Menge nicht immer die Tragweite der einzelnen Etappen des gewaltigen Schachturniers zu erfassen vermöge, das sich zwischen den Kanzleien der Grossmächte abspiele. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die französische Politik einen engeren Anschluss zwischen Russland und England anstrebt, um dadurch die Schlagfertigkeit der Triple-Entente zu erhöhen. Dieses Ziel ist hier während des Besuches, des Königs von England in diesem Jahre verfolgt worden und es hat auch der jetzigen Reise des Präsidenten nach Russland vorgeschwebt. Internationale Kundgebungen pflegen in Frankreich stets von langer Hand vorbereitet zu werden ; sie werden regelmässig künstlich durch eine Reihe von Gefälligkeiten und Höflichkeitsakten angebahnt, die, aus dem Zusammenhange herausgerissen, rasch vergessen werden, aber doch für den gewollten Erfolg typisch und häufig unentbehrlich sind. So ist von der Presse ein Vortrag kaum besprochen worden, den Lord Esher auf Einladung der Sorbonne kürzlich vor dem Besuch des Königs von England in Paris gehalten hat. Die Rede des Lord Esher ist interessant und bitte ich dieselbe in einem Ausschnitt der Revue bleue vom 9. Mai ds. Js. allerantertänigst hier anschliessen zu dürfen. Eine weitere Gefälligkeit war die Veranstaltung einer englischen Ausstellung der dekorativen Kunst im Louvre mit den daran sich knüpfenden Auszeichnungen und Lobartikeln. (Bericht vom 13. v. Mts. Nr. 242). Ihr folgte eine Ausstellung französischer Kunst in London unter dem Protektorat der Comtesse de Greffulhe. (Bericht vom 3. Juli ds. Js. Nr. 276). Ferner wurde hier eine Ausstellung englischer Architektur im jeu de Paume des Tuileriengartens veranstaltet, die gleichfalls von der Presse und Fachliteratur sehr gefeiert wurde. So wurde innerhalb weniger Monate dreimal die Kunst in auffallender Weise vor den Staatswagen der Politik gespannt. Kaum war der englische Königsbesuch vorüber, veranstaltete in England das comité franco-anglais eine Rundreise durch England, *) Die erwähnten Zeitungsausschnitte liegen dem Berichte bei.
137 welche die Franzosen mit allen Teilen der Bevölkerung vertraut machen sollte. Ein diesbezüglicher Bericht aus London ist hier gleichfalls angeschlossen. Ferner erschienen hier dutzendweise lange Artikel über die Neuhebridenfrage und ihre Vorgeschichte, welche der englischen öffentlichen Meinung zeigen sollten, wie sehr Frankreich zu weiteren Abmachungen und Zugeständnissen geneigt sei. Ein solcher aus dem Correspondant vom 25. vor. Mts. ist als Beispiel hier alleruntertänigst beigefügt Gleichzeitig wurden die Bürgermeister der grossen englischen Städte mit jenen von Petersburg, Moskau, Amsterdam, Gent, Lüttich, Madrid, Toledo usw. eine Woche hindurch von den hiesigen Stadtvätern gefeiert. Auch diese Bürgermeisterzusammenkunft von verbündeten oder befreundeten Ländern war eine Neuheit und musste notwendig eine gewisse Rückwirkung auf die öffentliche Meinung der fraglichen Länder ausüben. Einen Ausschnitt aus dem Excelsior vom 3. Juni ds. Js., der die anlässlich der Bürgermeisterzusammenkunft auf dem hiesigen Rathaus gehaltenen Reden enthält, ist hier beigefügt. Kurz nach den Bürgermeistern erschien eine recht stattliche russische Studenten-Abordnung auf Einladung der Vereinigung für Tourismus in Paris, die durch ihre Uniform auffiel und überall aufs wärmste begrüsst wurde. Dann traf der russische Marineminister hier ein, dem tagelang ganze Spalten in der französischen Presse gewidmet waren. Der Ministerpräsident Viviani gewährte gleichzeitig der Nowoje Wremja das hier angeschlossene interessante Interview. Schliesslich kam wie auf Bestellung die angebliche Erklärung des englischen Botschafters in Petersburg, dass die öffentliche Meinung in England für einen engeren Zusammenschluss mit Russland reif sei. Inwiefern diese Erklärung des englischen Botschafters, sowie die Entsendung des englischen Geschwaders nach Russland und die Einladung des russischen Generalstabschefs zu den englischen Manövern auf französischen Einfluss zurückzuführen ist, lässt sich schwer feststellen. Immerhin ist es aber naheliegend, dass etwaige diesbezügliche Wünsche der französischen Politik nach allen vorangegangenen Liebenswürdigkeiten schwerlich auf starken Widerstand weder in England noch in Russland gestossen sein dürften. Wenn auch die offiziellen Trinksprüche in Petersburg nicht aus dem üblichen Rahmen solcher Kundgebungen herausfallen, so enthält doch die Ansprache des Präsidenten an die französische Kolonie auf der französischen Botschaft manche lehrreichen Andeutungen, die tief in den Organismus der französischen auswärtigen Politik hineinleuchten. Es ist dies der Hinweis auf den gewaltigen Einfluss der instituts francais in Petersburg, London, Madrid und Florenz, die gewisser-
138 massen das Gerippe der zunehmenden französischen Propaganda im Ausland bilden. Die in der Rede enthaltene Zusammenstellung aller Faktoren des französischen Einflusses in Petersburg in Gestalt von Schulen, Vereinen usw. verdient ebenfalls Beachtung. Die diesbezügliche Rede des Präsidenten ist hier alleruntertänigst beigefügt. 1 ) Bemerkenswert ist auch, dass bereits der Gedanke aufgetaucht ist, ein analoges, russisches Institut in Paris zu gründen, das die Franzosen im eigenen Lande über alle russischen Eigentümlichkeiten und Bedürfnisse aufklären soll. So wird von russischer und französischer Seite nichts versäumt, um den Bund immer mehr zu befestigen und durch b l e i b e n d e Einrichtungen gegen alle Eventualitäten der Zukunft zu sichern. Die Rückreise des Präsidenten über Stockholm, Kopenhagen und Norwegen charakterisiert den geheimen Wunsch der französischen Politik, auch diese Länder im Bann der Triple-Entente zu sehen. Der Zufall wollte es, dass ich kürzlich mit dem ehemaligen Privatsekretär des Ministerpräsidenten Kokowzefi", Graf Üxküll, zusammentraf, der jetzt an der hiesigen russischen Botschaft attachiert ist Letzterer teilte mir bezüglich der russischen Grenzbahnen und den darüber erschienenen bekannten Artikel des Correspondant (Bericht vom 25. März 1. Js. Nr. 107) mit, dass Herr KokowzefF den Inhalt dieses Artikels durchaus nicht gebilligt habe. Auf der Reise von Rom hätte Herr Kokowzeff ihn beauftragt, in seinem Namen in diesem Sinne an den russischen Botschaftsrat in Berlin zu schreiben. Die Grenzbahnen seien ursprünglich Privatbahnen gewesen und die Regierung sei denselben nur um deswillen beigesprungen, um den Betrieb derselben aufrecht erhalten zu können. Ritter Nr. 24
Der Gesandte in S t Petersburg an das Ministerium des Äussern Bericht 83
St. Petersburg, den 25. Juli 1914 Angekommen 27. 7. 14.
Über das österreichische Ultimatum hat gestern eine russische Ministerratssitzung stattgefunden. Der Ministerrat hat beschlossen, den Grossmächten mitzuteilen, dass die russische Regierung in dem österreichisch-serbischen Konflikt eine internationale Angelegenheit erblicke, weil und soweit das Ultimatum sich auf die durch Art. 25 Liegt bei.
139 des Berliner Traktats behandelten Verhältnisse beziehe. Gleichzeitig fordert die russische Regierung eine Verlängerung der in dem Ultimatum gestellten 48stündigen Frist. Die heutigen Morgenblätter bringen eine offizielle Erklärung der russischen Regierung zu dem Ultimatum, deren Wortlaut ich Euer Exzellenz in der Anlage ganz gehorsamst überreiche. Der Schlusssatz dieser Erklärung, dass Russland dem österreichisch-serbischen Zusammenstoss gegenüber nicht gleichgültig bleiben kann, spiegelt die tatsächlich im russischen Kabinett durch das in solcher Schärfe nicht erwartete Ultimatum hervorgerufene Erregung wieder. In der Presse, die ihre unfreundlichen Gefühle schon seit dem Attentat von Serajewo nicht zu beherrschen vermochte, wird der während der Balkankrise angesammelte Hass gegen Österreich von neuem aufflammen. Bis jetzt liegen mir nur die Äusserungen der hier erscheinenden deutschen Zeitungen vor. Während die „Petersburger Zeitung" zwar den Ernst der Situation und die Gefahr eines europäischen Konflikts betont, aber das Vorgehen Österreichs verständig zu beurteilen bemüht ist, prophezeit der ..Herold" Österreich die tödliche Feindschaft der slawischen Welt für die Demütigung und Verhöhnung Serbiens und nennt das Ultimatum ein Verbrechen gegen den Weltfrieden. Grunelius Nr. 25
Der Geschäftsträger In Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 26. Juli 1 9 1 4 ; 1 5 0 nachm.
Zum Telegramm von gestern. Reichsleitung und Kanzler persönlich ersuchen dringendst, jede Mitwirkung bayerischer Behörden bei Zustellung oder Bekanntmachung österreichischer Mobilmachurigsorder zu unterlassen, da solche Neutralitätsbruch erschiene. Osterreichische Botschaft hier völlig einverstanden, österreichische Regierung hat Konsulate in diesem Sinne angewiesen. Strengste Geheimhaltung der Eisenbahnerleichterungen erforderlich. Schoen L
) Sie lautete: „Die Regierung ist über die eingetretenen Ereignisse und die Absendung des Ultimatums Österreich-Ungarns an Serbien sehr besorgt. Die Regierung verfolgt sorgsam die Entwickelung des serbischösterreichischen Zusammenstosses, dem gegenüber Russland nicht gleichgültig bleiben kann."
140 Nr. 26
Der Gesandte in St Petersburg an das Ministerium des Äussern Telegramm
S t Petersburg, den 26. Juli 1914 2 30 vorm.
Höre zuverlässig, dass heutiger Ministerrat Krieg beschlossen hat, sobald Österreich Serbien angreift; alle Manöver abgesagt, Truppen in Garnison zurückbeordert. Mobilisation in Kiew, anscheinend auch Moskau—Warschau. Stimmung in Militär-Kreisen sehr kriegerisch. Grunelius Nr. s>7
Der Gesandte in St Petersburg an das Ministerium des Äussern Telegramm
S t Petersburg, den 26. Juli 1 9 1 4 ; 2 1 8 nachm.
Sasonow erklärt heute an deutschen Botschafter, dass Russland europäischen Krieg nicht will, er bittet deutsche Mitwirkung zwecks Ausgleich; Mobilisation nur für K i e w — O d e s s a bestätigt Grunelius Nr. 28
Der Geschäftsträger in Berlin an das Ministerium des Äussern Telephonische Meldung
Berlin, den 26. Juli 1914; 7 W nachm.
Nach Erkundigung bei Herrn von Stumm telephonisch dahin beantwortet, dass S. M. der Kaiser heute nacht nach Potsdam zurückkehre, dass es aber bei der Möglichkeit rascher Rückkehr nach München nicht erforderlich und, um nicht unnötig Unruhe zu erregen, auch nicht einmal ratsam sei, wenn S. M. der König die beabsichtigte Landesreise aus p o l i t i s c h e n Gründen aufgebe. Eine Anfrage der sächsischen Regierung, ob die Rückkehr S. M. des Königs von Sachsen, der zurzeit in Tirol weile, veranlasst erscheine, sei gleichfalls in obigem Sinne, d. h. negativ, beantwortet worden. Schoen !) Antwort auf telegraphische Anfrage Ministeriums des Äussern vom 36. Juli 1 a 4 5 nachm., „ob Kaiserreise unterbrochen wird" und ob „König achttägige Inlandreise, zunfichst Bayreuth, absagen" (soll).
141 Nr. 29 Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 400
Berlin, den 26. Juli 1914
Die Nachricht von der Ablehnung der Forderungen Österreichs durch Serbien, die hier gestern am späten Abend bekannt wurde, ist von der Bevölkerung von Berlin mit warmer Anteilnahme für die verbündete Donaumonarchie aufgenommen worden. Allenthalben bildeten sich Menschengruppen, die sich zu grossen Zügen verbanden und unter Absingung patriotischer Lieder und unter Hochrufen auf die verbündeten Häuser Hohenzollern und Habsburg vor dem Schloss, dem Palais des Reichskanzlers und der österreichisch-ungarischen Botschaft demonstrierten. Was diesen Demonsrationen, die auch heute noch fortdauern, ihren besonderen Stempel aufdrückt, ist der Umstand, dass die Teilnehmer sich nicht, wie dies hier sonst der Fall zu sein pflegt, aus den unteren Schichten der Bevölkerung zusammensetzten, sondern überwiegend den gebildeten Ständen angehören, ein Beweis, wie sehr im Publikum Verständnis dafür besteht, dass es sich bei dem Kampfe, dem die Donaumonarchie entgegengeht, im Grunde um die Abwehr des slawischen Ansturms gegen germanisches Wesen handelt, und daher der Kampf auch für uns geführt wird. Leider haben die Demonstranten, anstatt sich damit zu begnügen, ihre Sympathie fiir Österreich zu bekunden, sich auch zu einigen, wenn auch nicht sehr bedeutenden, unfreundlichen Kundgebungen vor der russischen Botschaft und vor der serbischen Gesandtschaft verleiten lassen. Dieser Umstand hat Anlass zu einem mit „Ruhig Blut" überschriebenen Artikel gegeben, der in einem soeben erschienenen Extrablatt des „Berliner Lokalanzeigers" enthalten ist und in dem es, offenbar offiziös, heisst: „Demonstrationen gegenüber den Vertretern der beteiligten und unbeteiligten Mächte, die die Interessen ihrer Länder mit der gleichen Würde vertreten wie die unsrigen im Auslande, sind sinn- und zwecklos, sind Übel in der Hauptstadt des Deutschen Reiches. Das sollte für jeden unserer Mitbürger ausnahmslos die Parole sein für die kommenden Tage 1" In dem Auswärtigen Amt, in dem ich heute wiederholt Erkundigungen eingezogen habe, liegen an positiven Nachrichten nur die der Ablehnung der österreichischen Forderungen durch Serbien mit dem darauffolgenden Abbruch der diplomatischen Beziehungen und der teilweisen Mobilmachung der österreichisch-ungarischen Armee vor. A n amtlichen Meldungen aus Russland fehlt es mit Ausnahme eines Telegramms des Militärbevollmächtigten bis zur Stunde voll-
142 kommen. General v. Chelius berichtet auch nur, dass die österreichische Note im russischen Hauptquartier grosse Erregung hervorgerufen habe, und dass von der Absicht, mobil zu machen, gesprochen werde. Auch die Agenten des Grossen Generalstabes melden von Massnahmen, die auf den Beginn der Mobilmachung in Russland schliessen lassen. Dass die ablehnende Haltung der serbischen Regierung nicht ohne Zutun Russlands erfolgt ist, gilt im Auswärtigen Amt als sicher. Die Situation wird daher an massgebender Stelle „als durchaus kritisch" beurteilt. Gleichwohl hält man hier in der Hoffnung fest, dass England und Frankreich, denen beiden zurzeit ein europäischer Krieg im höchsten Masse unwillkommen wäre, auf Russland in mässigendem Sinne einwirken werden. Die Meldung einiger Pariser Blätter, dass Deutschland bei der französischen Regierung eine Demarche unternommen habe, der der Charakter einer Drohung zukomme, ist durchaus unzutreffend. Die Reichsleitung hat vielmehr, wie ich es Ew. Exz. schon vor 8 Tagen als ihre Absicht anzukündigen die Ehre hatte 1 ), in Paris, Petersburg und London g l e i c h m ä s s i g dahinzielende Schritte unternommen, dass die Mächte den Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien als eine Angelegenheit betrachten, die diese beiden Staaten allein angehe und deshalb lokalisiert bleiben müsse. Weder auf dem Auswärtigen Amt noch auf der österreichisch-ungarischen Botschaft liegen irgendwelche Nachrichten aus Belgrad vor, wo, nach Zeitungsmeldungen, schon geschossen werden soll. Da Projektile auf dem österreichischen Donauufer nicht wahrgenommen wurden, würde es sich, nach diesen wenig wahrscheinlichen Gerüchten, um in Belgrad ausgebrochene innere Unruhen handeln. Ob etwa von österreichischer Seite schon mit einer kriegerischen Aktion begonnen worden ist, ist hier gleichfalls nicht bekannt. Der Schutz der österreichisch-ungarischen Staatsangehörigen in Alt-Serbien ist von Deutschland übernommen worden. In den neuserbischen Gebieten, in denen Deutschland keine Konsulate unterhält, wohl aber Italien, soll dieser Schutz den italienischen Behörden übertragen werden. Bei dem Ernst der Lage, bei der auch für uns rasche Entschlüsse sich als nötig erweisen können, erschien sowohl dem Kaiser wie der Reichsleitung die Rückkehr Sr. M. erwünscht. S. M. werden heute nacht in Potsdam eintreffen. v. S c h o e n
Siehe Bericht 386 vom 18. Juli. (A; I, S. 4 ff.)
143 Nr. 30
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 274
Wien, den 26. Juli 1914 Angekommen 28. 7. 14.
Der serbische Ministerpräsident Pasitsch hat dem österreichischungarischen Gesandten in Belgrad gestern abend vor 6 Uhr die Antwort seiner Regierung auf die ihr 48 Stunden vorher überreichte Note überbracht. Da Baron Giesl die Antwort ungenügend fand, notifizierte er dem Minister den Abbruch der diplomatischen Beziehungen und verliess um 6 Uhr 30 mit dem Gesandtschaftspersonal Belgrad. Den Schutz über die in Serbien bleibenden Österreicher und Ungarn hat die deutsche Gesandtschaft übernommen. Schon nachmittags 3 Uhr ist die Mobilmachung des serbischen Heeres angeordnet worden, der Hof und die Regierung werden nach Kragujevac verlegt. Vorstehende Nachrichten wurden gegen 8 Uhr abend hier bekannt, nachdem am Nachmittag durch das Abendblatt der Neuen Freien Presse ein Telegramm verbreitet worden war, nach welchem Serbien die Bedingungen Österreich-Ungarns unter Protest angenommen habe. Es scheint in Belgrad tatsächlich ein Umschwung stattgefunden zu haben, derselbe wird durch Eingreifen Russlands und der Militärpartei erklärt. Die Nachricht von der Abreise des Gesandten und der Mobilisierung Serbiens wurde in Wien überall in den Lokalen, öffentlichen Gärten und auf den Strassen mit patriotischen Kundgebungen begrüsst; vor dem Kriegsministerium stand schon am Nachmittage eine grosse Zahl Ungeduldiger, die alsbald in stürmische Demonstrationen ausbrach. Die am Feierabend auf dem Ring zusammenströmende Menge teilte sich in Gruppen, die nach der deutschen und italienischen Botschaft zogen oder sich in die innere Stadt, nach dem Ministerrats-Präsidium und dem Ministerium des Äussern wandten, überall patriotische Lieder, darunter „Deutschland, Deutschland über alles" und „Die Wacht am Rhein" singend und Hochrufe auf Kaiser Franz Joseph und Kaiser Wilhelm ausbringend; in den Gärten, wo Musiken spielten, hörte man immer wieder die gleichen Weisen ertönen und unzählige Male „Gott erhalte" anstimmen. Diese Manifestationen dauerten bis nach Mitternacht; die Ordnung wurde nirgends gestört; ein Versuch, vor die serbische Gesandtschaft zu ziehen, scheiterte an den Vorkehrungen der Polizei. Der heutige T a g brachte eine Reihe von behördlichen Verfugungen, so die Ankündigung einer teilweisen Mobilisierung und teilweisen Einberufung des Landsturms durch die S1 atthalterei. Entgegen früheren Bestimmungen sollen nachstehende Armeekorps mobilisiert werden: Hermannstadt, Temesvar, Agram, Serajewo, Ragusa, Graz, Prag und Josephstadt; das erstere soll wegen der im-
144 sicheren Haltung Rumäniens vorerst nicht in Aktion treten, in der Heranziehung der beiden letzteren erblickt man eine Vorsichtsmassregel gegen die Tschechen. Mit einiger Spannung sieht man dem Verlauf der Einrückungen in den slavischen Landesteilen entgegen. Um den Kursstürzen etwas Einhalt zu tun und dem Publikum Zeit zum Überlegen zu lassen, hat die Börsenkammer beschlossen, die Börse drei Tage zu schliessen. Wenn der Krieg mit Serbien lokalisiert bleibt, so verfügt die Regierung über genügende Geldmittel für die nächsten Wochen; es ist eine Finanztransaktion geplant, welche später zur Durchführung gelangen soll, man spricht von der Ausgabe von Schatzscheinen. Sollte der Krieg grössere Ausdehnung annehmen, so müssen umfangreichere Aktionen unternommen werden. Vom nächsten Dienstag an wird der Personenverkehr auf den für die Truppentransporte in Betracht kommenden Eisenbahnen auf je einen Personenzug täglich in jeder Richtung beschränkt. Auf der Westbahn tritt eine solche Einschränkung vorerst nicht ein. Bis heute Mittag ist auf dem Ballplatz ein Schritt Russlands und Frankreichs im Sinne einer Intervention nicht erfolgt. Tucher
Nr. 31 Der Gesandte in Paris an den König Bericht 318/XXX
Paris, den 26. Juli 1914 Angekommen 28. 7. 14.
Die französische Regierung, die französische Presse und die französische öffentliche Meinung haben sich durch die Überreichung der österreichischen Note an die serbische Regierung in ungeahnter Weise überraschen lassen. Deputierte und Senatoren haben nach den aufregenden Debatten über die Einkommensteuer der Metropole den Rücken gekehrt, und Paris ist seitdem wie ausgestorben. Alle Botschafter mit Ausnahme des Freiherrn von Schoen sind von Paris abwesend. Der italienische Botschafter Herr Tittoni ist in Island. Die Gesandten der Triple-Entente waren nicht in Belgrad und die beruhigenden Erklärungen des Grafen Berchtold an den russischen Botschafter Schebeko in Wien vor Antritt seines Urlaubs Iiessen hier niemand an einen bevorstehenden Konflikt glauben. Die Leitung des Ministeriums des Äussern ist dem in auswärtiger Politik wenig erfahrenen Siegelbewahrer Bienvenu Martin übertragen.
145 Mit dem Conseilpräsidenten und Minister des Äussern Herrn Viviani nimmt auch der Kabinettschef Gesandter de Marguerie an der oftiziellen Reise des Präsidenten nach Russland und den skandinavischen Ländern teil. Herr Cambon in Berlin wollte eben seinen grossen Sommerurlaub antreten, und am Donnerstag kündigte die Pariser Presse noch die unmittelbar bevorstehende Abreise des deutschen Botschafters nach Deutschland an. Dies alles lässt erkennen, wie gänzlich unvorbereitet die plötzlich auftretende Kriegsgefahr die hiesigen politischen Kreise angetroffen hat. Ich befand mich Freitag, den 24. mittag, bei dem Kaiserlichen Botschafter, als er eben von der österreichischen Note Kenntnis erhalten hatte, über deren Schärfe er nicht wenig erstaunt war. Die Morgenblätter hatten die Note n o c h n i c h t g e b r a c h t . Auf der Börse hat die Note eine wahre Panik erzeugt. Die Rente fiel auf 78. Nur einer scharfen Massnahme des Syndikats der Börsen-Agenten ist es zu danken, dass nicht noch tiefere Kurse der Rente zur Notierung kamen. Eine diesbezügliche Betrachtung aus dem Gaulois vom Heutigen ist hier alleruntertänigst angeschlossen. Die von dem Kaiserlichen Botschafter auftragsgemäss verlesene Erklärung, dass unberechenbare Folgen eintreten könnten, wenn der Konflikt nicht zwischen Wien und Belgrad lokalisiert bliebe, ist von der Presse sehr verschieden gedeutet worden. Während man anfangs in derselben einen konzilianten Schritt erblicken wollte, war man später überwiegend geneigt, darin ein an die französische Adresse gerichtetes „hands oft" zu erblicken. Dazu trug besonders der Umstand bei, dass nicht eine analoge Demarche von deutscher Seite g l e i c h z e i t i g in England und Russland gemacht worden ist. Viel besprochen wird auch eine angebliche Äusserung des Kaiserlichen Botschafters, der nach Verlesung seiner Erklärung hinzugefügt hätte: „Tout . . . plutôt que la continuation de la crise économique actuelle." In hiesigen Klubkreisen verschliesst man sich nicht der Berechtigung österreichischer Reklamationen, sofern die Mitschuldigkeit serbischer Beamter und Vereine aus dem gesammelten österreichischen Aktenmaterial sich ergeben sollte. Dagegen findet die Form der Note grösstenteils Missbilligung. Ritter
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146 Nr. 32 Der Gesandte in S t Petersburg an das Ministerium des Äussern Bericht 84
St. Petersburg, den 26. Juli 1914
Euer Exzellenz beehre ich mich meine telegraphischen Meldungen von heute nacht und heute mittag zu bestätigen und bitte ganz gehorsamst, da Zeit drängt, um diesen Bericht mit sicherer Gelegenheit heute zu expedieren, im Telegrammstil die mir zugekommenen Nachrichten rekapitulieren zu dürfen. Während Russland anscheinend zunächst kriegerisches Eingreifen nur flir den Fall territorialer Schädigung Serbiens vorgesehen, hat gestriger Ministerrat — auf Bereitschaftsversicherung (trotz innerer Unruhen) durch Kriegsminister — Krieg schon im Falle österreichischen Angriffs auf Serbien beschlossen. Mobilisationsnachricht bestätigt sich bis jetzt nur für Bezirke Kiew und Odessa. Manöver und Revuen sind abgesagt, Truppen in Garnisonen zurückbeordert. Militärattache von Eggeling und General von Chelius berichten von gestriger Revue in Krasnoje, dass auf Bekanntwerden des Ministerratsbeschlusses unter Militärs grosse Erregung. Persönliche Beförderung der Kriegsschüler zu Offizieren durch Kaiser auf Paradefeld drei Monate vor üblichem Termin. Gestern abend im Theater Krasnoje stürmische Ovationen für Kaiser unter wiederholtem Absingen der Hymne. Bei Diner toastet Stallmeister Grünwald mit seinem Nachbar von Chelius auf Wiedersehen in besserer Zeit österreichischer Angriff wurde in russischen Militärkreisen gestern abend bestimmt erwartet. Graf Pourtates heute über längere Unterredung mit Sasonow optimistisch gestimmt. Sasonow erklärt, dass Russland europäischen Krieg, den keine Regierung verantworten könne, nicht will. Er beschwört Graf Pourtales um Mitwirkung Deutschlands, damit Brücke gefunden werde, die eine Beilegung des drohenden Konflikts ermögliche. Graf Pourtales hat bei Sasonow Mitteilung an Presse erwirkt, dass österreichische Note nicht vor Überreichung in Berlin vorgelegen und im Wortlaut gebilligt worden ist. Abdruck der von deutscher Botschaft in r u s s i s c h und französisch abgefassten Pressmitteilung wird nach Hoflager Peterhof geschickt. Diese Aktion richtet sich besonders gegen Hetzartikel der Nowoje Wremja. Graf Pourtales wird bei Sasonow vorstellig, weil französischer Botschafter Pateologue hier in Gesellschaft (direkt dem italienischen
147 Botschafter gegenüber) äussert, dass Deutschland zum Krieg treibt, es handle sich nicht mehr um serbische Frage, sondern um deutschrussischen Konflikt. Auf Botschaft liegen Telegramme aus Paris und London (via Berlin) vor. Grey betont Notwendigkeit, Krieg zu verhüten, aus seinen Worten hervorgeht, dass England seine Anteilnahme an eventuellem Krieg ausschliesst; er spricht nur von Krieg zwischen Deutschland, Österreich, Russland, Frankreich. Er spricht für Aktion der Grossmächte zum Ausgleich zwischen Russland und Osterreich, Genugtuung seitens Serbiens unerlässlich. Monarchisch regierte Staaten müssen sich über notwendige Massnahmen gegen Serbien einigen. Äusserungen französischen Justizministers an Botschafter Schoen haben auch Tendenz, Krieg zu verhüten unter Annahme guten Willens zur Genugtuung seitens Serbiens. Auf Zuspruch des Grafen Pourtales wird Sasonow heute österreichischen Botschafter empfangen, um Zusicherung entgegenzunehmen, dass Österreich keine territorialen Absichten gegen Serbien hat. Grunelius
Nr. 33 Der Gesandte In S t Petersburg an das Ministerium des Äussern Telegramm
S t Petersburg, 2 J . Juli 1 9 1 4 ; i 1 3 vorm.
Nach Unterredung mit Szäpäry hält Sasonow Einigung über Serbien Note möglich wenn Wien zu Änderungen bereit. Sasonow auf Vorschlag Pourtalis zu Versuch dieses Wegs bereit. Russische Militärs anregen bei General Chelius Telegramm deutschen Kaisers an Zaren mit Appell an Monarchie. Grunelius
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148 Nr. 34
Der Geschäftsträger In Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 27. Juli 1914; I*6 nachm.
Lage findet nach Mitteilungen aus Petersburg vorerst ruhige Beurteilung. Schoen Nr. 35
Der Geschäftsträger in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 402
Berlin, den 27. Juli 1914
Wie ich Ew. Exz. telegraphisch gehorsamst gemeldet habe,1) wird die Lage heute im Auswärtigen Amt weniger kritisch beurteilt, als es gestern der Fall war. Es hat sich nämlich inzwischen erwiesen, dass die gestern verbreiteten russischen Mobilmachungsmeldungen den Tatsachen zum mindesten vorauseilen. Sowohl Herr Sasonow als der russische Kriegsminister haben, und zwar dieser ehrenwörtlich, dem Grafen Pourtates versichert, dass kein Befehl zur Mobilisierung, auch nicht zu einer teilweisen, ergangen sei. Nach einer Meldung des deutschen Militärattaches sollen allerdings vorbereitende Massnahmen für eine eventuelle Mobilmachung in ziemlich weitgehendem Masse getroffen werden, aber vor dem Erlass der Mobilmachungsordre scheut die russische Regierung offensichtlich in der Erkenntnis der Folgen, die dieser Schritt haben würde, noch zurück. Man dürfte sich in Petersburg darüber Idar geworden sein, dass Deutschland ihr schon deshalb nicht ruhig zusehen würde, um nicht den Vorsprung zu verlieren, den unsere schnellere Kriegsbereitschaft uns bietet. So wird man von Petersburg aus in den nächsten Tagen zunächst mit diplomatischen Mitteln versuchen, das Ärgste von Serbien abzuwenden. Kritisch wird die Lage, wie Herr v. Stumm mir heute sagte, erst in dem Augenblick werden, in dem die österreichischungarische Armee in Serbien einrückt. Dies wird aber nach einer Äusserung, die General Conrad v. Hötzendorf dem Botschafter Freiherrn v. Tschirschky gegenüber gemacht haben soll, nicht vor dem 10., vielleicht erst am 12. August der Fall sein. Dass Frankreich alles tun wird, um Russland von kriegerischem Vorgehen abzuhalten, beweist die Haltung der französischen Presse. x)
Siehe B,
34.
149 Wie gross die Bestürzung in Paris war, zeigt der Umstand, dass die französische Rente an der vorgestrigen Börse einen Tiefstand erreicht hat, wie er seit dem Jahre 1870 nicht verzeichnet worden ist, und der die Schliessung des Rentenmarktes nötig gemacht hat. Was die von den Zeitungen gebrachte Meldung von einer Vermittlungsaktion der Mächte betrifft, so habe ich von dem Gesandten Grafen Mirbach erfahren, dass Sir Edward Grey allerdings eine démarche à quatre (Deutschland, England, Italien, Frankreich) angeregt hat. Bei dieser démarche könnte es sich aber nicht um eine Vermittlung zwischen Österreich und Serbien handeln, da Österreich eine solche als unfreundliche Einmischung empfinden würde, sondern nur um Bemühungen, die die Lokalisierung des Konflikts zum Ziele haben. Die italienische Regierung hat, wie heute auch amtlich bekanntgegeben worden ist, dem Wiener Kabinett erklären lassen, dass sie in einem allenfallsigen bewaffneten Konflikt zwischen Österreich und Serbien eine freundschaftliche und dem Bundesverhältnisse entsprechende Haltung einnehmen werde. Sie hat aber, wie ich ganz vertraulich von österreichischer Seite erfahren habe, dabei bemerkt, dass sie auf Grund des Artikels VII des Bündnisvertrages auch bei nur provisorischer Besetzung serbischen Gebiets durch Österreich Kompensationen fîir sich beanspruchen werde. In Wien will man eine so weitgehende Auslegung dieses Artikels nicht gelten lassen und hat demgemäss in Rom geantwortet, dass Kompensationen nicht in Frage kämen, da eine dauernde Besetzung serbischen Territoriums österreichischerseits nicht in Aussicht genommen sei. In dem Auswärtigen Amt bedauert man das Auftauchen dieser Kontroverse zwischen Wien und Rom und hätte es, um Italien auf alle Fälle „an der Stange zu halten", fur ratsam gehalten, wenn Graf Berchtold sich dem, zunächst nur vorsorglich erhobenen, italienischen Anspruch gegenüber entgegenkommend gezeigt hätte. Wie weit die Verhandlungen zwischen Wien und Sofia gediehen sind, ist hier nicht bekannt. Es liegt nur eine etwas unklare Erklärung der bulgarischen Regierung vor, wonach sie in dem Konflikt neutral bleiben werde. Das Auswärtige Amt hat daher heute nach Sofia zwecks Klarstellung der Haltung Bulgariens telegraphiert. Auch die Stellungnahme der Türkei ist eine fur Oesterreich günstige. Nach einem Telegramm des Grafen Pallavicini an Graf Berchtold hat der Grosswesir den Botschafter der Sympathien der Türkei versichert und ihn zu dem Vorgehen Österreichs gegen Serbien beglückwünscht. Wie mir der serbische Geschäftsträger erzählte, dem ich heute begegnete, wäre die serbische Regierung bereit gewesen, die sämtlichen österreichischen Forderungen mit Ausnahme jener zu erfüllen, die sich auf die Vornahme von Amtshandlungen durch österreichische Organe in Serbien beziehen. Sogar die verlangte Proklamation und den Tagesbefehl an die serbische Armee hätte die Regierung zu-
150 gestanden und die Verhaftung des angeschuldigten Majors Tankositsch tatsächlich schon vor Ablauf der 48 stündigen Frist vorgenommen. Der Geschäftsträger glaubt, dass die serbische Armee sich zunächst aus Belgrad zurückziehen werde, damit die Stadt nicht beschossen werden könne. Man werde sich dann auch weiter auf die Defensive beschränken und so vielleicht die Möglichkeit zu weiteren diplomatischen Verhandlungen lassen. Die Reise des Präsidenten der französischen Republik ist infolge der Ereignisse vorzeitig abgebrochen worden, und auch die Besuche in Petersburg und Stockholm scheinen keinen grossen Erfolg gebracht zu haben. Wie ich ganz vertraulich erfahren habe, ist die Haltung, die Schweden im Falle eines Krieges zwischen Dreibund und Zweibund einzunehmen erklärt hat, eine derartige, dass sie für alle, die in Petersburg und Paris an die Reise des Herrn Poincaré nach Stockholm irgendwelche dem Zweibund günstige Hoffnungen geknüpft haben, eine bittere Enttäuschung bedeuten würde. v. S c h o e n
Nr. 36
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 278
Wien, den 27. Juli 1914 Angekommen 28. 7. 14.
Die österreichisch-ungarische Regierung wird den zu gewärtigenden Versuchen der Ententemächte, den Ereignissen jetzt noch eine friedliche Wendung zu geben, Vermittlungsversuchen, denen gegenüber sie sich ablehnend verhalten müsste, dadurch vorbeugen, dass sie die Kriegserklärung an Serbien herbeiführt, umsomehr als die Feindseligkeiten von gegnerischer Seite heute schon bei TemesKubin an der Donau begonnen worden sind. W a s die Lokalisierung des Krieges mit Serbien betrifft, so wird angenommen, dass England und Frankreich auf Russland einwirken, um dessen Eingreifen hintanzuhalten. Es fragt sich, ob der Zar stark genug ist, der Kriegspartei zu widerstehen; inzwischen trifft Russland gewisse militärische Massregeln. Der König von Rumänien hat erklären lassen, dass er seiner Dreibundpolitik treu bleiben werde, auch der König von Schweden hat geäussert, dass er auf Seite des Dreibunds stehe. Mit grosser Genugtuung hat man im Ministerium des Äussern von den Österreich-Ungarn freundlichen Demonstrationen in München, insbesondere von der begeisterten Ovation vor der K. und K. Gesandtschaft, Kenntnis genommen.
151 In Hofkreisen verlautet, dass der Kaiser Franz Joseph bald nach Wien zurückkehren werde, sein Befinden sei das denkbar beste. Die Dauer der Mobilmachung wird auf 14 bis 16 Tage berechnet. Tucher
Nr. 37
Der Gesandte In S t Petersburg an das Ministerium des Äussern Bericht 85
S t Petersburg, den 27. Juli 1914
Im Anschluss an meinen Bericht vom 26. ds. Mts. Nr. 841), unter Bestätigung meines Telegramms von heute nacht beehre ich mich Euer Exzellenz das folgende ganz gehorsamst zu melden. In gestriger Unterredung haben Minister Sasonow und Botschafter Graf Szäpäry den ganzen Wortlaut der österreichischen Note an Serbien durchgesprochen. Minister Sasonow fand einen Teil der Forderungen berechtigt, bei anderen hat er Einwände namentlich gegen die Form zu erheben. Er ersuchte den Botschafter, seiner Regierung eine Modifikavion der Note anheimzustellen. Nach der Unterredung, die einen beruhigenden Verlauf hatte, besprach Minister Sasonow mit Graf Pourtal6s die Möglichkeiten eines Ausgleichs. Minister Sasonow regte an, dass die Könige von England und Italien in Wien intervenieren. Graf Pourtates machte den Vorschlag — ausdrücklich als seine persönliche Anschauung, ohne Auftrag von Berlin — dass russische Regierung in Wien sondieren lasse, ob Österreich auf eine Revision seiner Note einzugehen bereit sei. Dann sollten die Modifikationen verabredet, von Russland auf Serbien zur Annahme der modifizierten Forderungen und gleichzeitig von dritter Seite auf Österreich zwecks friedlicher Auseinandersetzung eingewirkt werden. Minister Sasonow sagte zu, in diesem Sinne an die russische Botschaft in Wien telegraphieren zu wollen. Gestern abend hat auf Veranlassung des Herrn Sasonow der russische Kriegsminister den deutschen Militärattache von Eggeling zu sich gebeten, um ihm die militärische Lage darzulegen. Er hat versichert, dass sich tatsächlich noch kein Korps in Mobilisation befinde, „es sei noch kein Soldat einberufen, kein Pferd ausgehoben". Es seien nur vorbereitende Massnahmen für Mobilisation und zwar nur an der österreichischen Grenze für Gouvernement Odessa, Kiew, Moskau erlassen; wenn Österreich kriegerisch vorgehe, werde RussSiehe B , 32.
152 land nur gegen Österreich mobilisieren, nicht gegen Deutschland und nicht in den Gouvernements Wilna, Warschau, Petersburg. Russland wolle keinen Krieg mit Deutschland. General von Chelius meldet, dass mehrere als monarchisch gesinnte und deutschfreundlich bekannte höhere Militärs ihm den Wunsch kundgegeben hätten, dass Kaiser Wilhelm II. persönlich an den Zaren telegraphieren und ihm unter Appell an monarchische Idee um Mitwirkung zur Vermeidung eines Krieges bitte. Im Auftrage des Reichskanzlers wird Graf Pourtalés heute dem Minister Sasonow mitteilen, dass russische Mobilisation eine Spitze gegen Deutschland habe, und dass Fortsetzung der russischen Massnahmen sofortige Mobilisation Deutschlands sowohl gegen Russland als gegen Frankreich zur Folge haben werde, was Krieg bedeute. Der Reichskanzler hofft, dass Russland nicht den Krieg entfesseln wird. Da Österreichs territoriales Desinteressement nicht zu bezweifeln und auch Deutschland nicht beabsichtige, die Existenz Serbiens als Staat in Frage stellen zu lassen, könne Russland wohl abwartende Haltung einnehmen. Trotzdem die letzten Unterredungen des Ministers Sasonow mit den beiden Botschaftern Aussichten auf Erhaltung des Friedens eröffnen, hält auch Graf Pourtalés die Lage noch nicht für beruhigend. Die Ungewissheit über weitere Unternehmungen Österreichs und sein anscheinendes Zaudern verursacht hier nervöse Spannung. Nach der kriegerischen Stimmung vom Samstag erscheint der transigente Ton in der Haltung der Minister Sasonow und Suchomlinow unvermittelt. Die Frage drängt sich auf, ob zuerst nur geblufft werden sollte und ob man jetzt hier die Nerven verloren hat, oder ob das jetzige Verhalten nur „reculer pour mieux sauter" bedeutet. Grunelius Nr. 38 Der Gesandte in Rom an den König Bericht 222/XVIII
Rom, den 27. Juli 1914 Angekommen 30. 7. 14.
Der hiesige serbische Gesandte hat heute gesagt, dass Serbien nachgeben werde, und Mitglieder der englischen Botschaft haben sich dahin geäussert, dass es nicht zum Krieg kommen werde. Es ist nun abzuwarten, ob der serbische Gesandte die Wahrheit gesagt hat, und welchen Erfolg die vom Minister Sir Edward Grey vorgeschlagene Vermittlung der vier weniger beteiligten Grossmächte durch eine Konferenz in London haben wird. Das Vorgehen Österreich-Ungarns gegen Serbien wird von der italienischen Presse im grossen und ganzen ruhig beurteilt und die
153 Entwickelung der Ereignisse wird abgewartet. Die italienische Regierung hat durch den Botschafter in Wien erklären lassen, dass sie in der gegenwärtigen internationalen Lage eine freundliche Haltung beobachten werde, wie sie den Bedingungen des Bündnisvertrags entspreche. Es ist nur die Frage, ob im Ernstfall die Auffassung der italienischen Regierung von der Ausdehnung ihrer Verpflichtungen jener der österreichisch-ungarischen Regierung entsprechen wird. Der Minister des Äussern Marchese di San Giuliano ist heute von Fiuggi hierher zurückgekehrt und wird am 29. Juli dem im Pantheon veranstalteten Gedächtnis-Gottesdienst für Seine Majestät den König Humbert beiwohnen. Er hatte ursprünglich die Absicht, sofort nach dem Gottesdienst Rom wieder zu verlassen, um sich nach Vallombrosa zu begeben, wohin ihm auch der deutsche Botschafter gefolgt wäre, der sich seit Wochen gleichzeitig mit ihm in Fiuggi befunden hat und morgen ebenfalls nach Rom zurückkehren wird. Bei dem Ernst der Lage und der Schwierigkeit für die hiesigen Diplomaten, mit dem Minister zu verhandeln, wenn er nicht in Rom selbst ist, dürfte er es doch vorziehen, in Rom zu bleiben. v. d. T a n n Nr. 39
Der Gesandte in Paris an das Ministerium des Äussern Telegramm
Paris, den 28. Juli 1914; 9 0 0 nachm. Angekommen 39. 7. 14; a*° Torm.
Zwei Berichte unterwegs. Presse macht Deutschland für Ausbruch der Feindseligkeiten verantwortlich. Stimmung verschärft. Botschafter hält Lage sehr ernst. Anheimstelle Fonds für Heimschaffung von Bayern bei Firma Ganz und Comp, bereitzuhalten. Sofortige Ausweisung der Deutschen kaum zu erwarten. Präsident kehrt heute zurück. Ritter
Nr. 40
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 406
Berlin, den 28. Juli P314
Das Telegramm Ew. Exz. von vorgestern habe ich gestern vor meiner Abreise noch erhalten. Es war in St. Gilla liegengeblieben, x)
Vorher erfolgte kurze telephonische Inhaltsangabe nach München.
154 da man dort irrtümlich annahm, ich sei bereits telephonisch von dessen Inhalt verständigt Heute habe ich versucht, den Reichskanzler zu sehen, leider vergeblich, weil er zum Kaiser nach Potsdam gerufen worden war. Vom Unterstaatssekretär Wahnschaffe habe ich aber erfahren, dass der Reichskanzler beabsichtige, Sr. M. dem König die Lage schriftlich darzulegen, und deswegen mit mir noch sprechen will. Einstweilen kann ich über den Stand der Dinge auf Grund von Rücksprachen mit anderen Persönlichkeiten folgendes melden: Der Konferenzvorschlag Greys wird hier für durchaus inopportun gehalten, weil er wegen des Verlangens, dass einstweilen die Feindseligkeiten zu ruhen haben, für Österreich-Ungarn nicht annehmbar ist. Man verdenkt es dem deutschen Botschafter in London, dass er den Versuch unterlassen hat, Sir E. Grey von dem Schritte abzubringen. Ich gestehe, dass auch auf mich der Vorschlag einen befremdenden Eindruck gemacht hat. Denn wenn der englische Minister erklärt, sich nicht in den Streit zwischen Österreich-Ungarn und Serbien einmischen zu wollen, so kann er nicht von ÖsterreichUngarn verlangen, dass dieses bis zum Spruch der Konferenz Serbien nicht angreift. Man rechnet hier mit Bestimmtheit darauf, dass in Wien abgelehnt wird, die verlangte Zusicherung zu geben, und dass damit die Konferenz, jedenfalls in der vorgeschlagenen Form, nicht zu Stande kommt Sehr wenig erbaut ist man hier, dass Österreich-Ungarn sich ausser Stande erklärt, vor Ablauf von 14 oder mindestens 10 Tagen den Angriff zu eröffnen. Vom militärischen Standpunkt mag diese Vorsicht berechtigt sein. Vom politischen aber nach der hiesigen Ansicht nicht, denn man befürchtet ein gewisses Abflauen des Enthusiasmus, den das entschiedene Vorgehen des Kaiserstaates dort und in Deutschland hervorgerufen hat. Bisher bin ich hier noch niemand begegnet, der eine bestimmte Ansicht über die weitere Entwicklung der Dinge geäussert hätte. Dass keine der Grossmächte einen europäischen Krieg will, dass namentlich Frankreich und England für eine Lokalisierung des Kampfes zwischen Österreich-Ungarn und Serbien sehr entschieden in Petersburg eintreten, steht ausser Zweifel. Krieg oder Frieden wird also nur davon abhängen, ob die russische Regierung gewillt und im Stande ist, dem Drängen der Panslawisten auf Einmischung Widerstand zu leisten. Sowohl hier als in Wien sind die Militärs der Ansicht, dass die russische Armee nicht fertig ist. Bekanntlich haben aber die Russen sich dadurch bei anderen Gelegenheiten nicht hindern lassen, einen Krieg zu beginnen. Während ich Ew. Exz. schreibe, erfahre ich, dass Deutschland den Konferenzvorschlag Greys abgelehnt hat G. H. L e r c h e n f e l d
155 Nr. 4 t
Der Gesandte In Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 280 ^
Wien, den 28. Juli 1914 Angekommen 29. 7. 14.
Euer Exzellenz beehre ich mich anruhend ein Exemplar des Mémoire gehorsamst zu unterbreiten, welches die österreichischungarische Regierung durch ihre Botschafter den Signatarmächten des Berliner Vertrages zugleich mit ihrer Note an die serbische Regierung vom 23. ds. Mts. hat mitteilen lassen. Das Mémoire gibt Aufschlüsse über die serbische Propaganda und deren Zusammenhang mit dem Attentat am 28. Juni und bildet eine A r t Begründung des Vorgehens Österreich-Ungarns. Tu eher P. S. Die Mitteilung des Mémoire ist nicht gleichzeitig mit derjenigen der Note erfolgt, sondern erst jetzt zur Verfügung gestellt worden, da die Drucklegung nicht fertiggestellt war. Tucher
Nr. 42
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 281
Wien, den 28. Juli 1914 Angekommen 29. 7. 14.
Die Kriegserklärung ist heute erfolgt, morgen ergeht ein Manifest des Kaisers an die Völker. Voraussichtlich werden Seine Majestät am Donnerstag nach Wien kommen, gleichzeitig mit dem Thronfolger, der zurzeit in Ischl weilt. Es ist beabsichtigt, dem Kaiser, der von der loyalen Haltung der Ungarn tief gerührt ist, nahezulegen, für kurze Zeit nach Budapest zu gehen; sich den Truppen zu zeigen x) Dem Bericht liegt das Mémoire der Österreichisch-Ungarischen Regierung, eine Druckschrift von XII/32 Seiten 20, bei. Abgedruckt in den Farbbüchern Österreichs, Deutschlands und Frankreichs. Tuchers Bericht wurde am 29. Juli präsentiert; am 4. August mit dem Bleistiftvermerk : „Das Mémoire wurde hier vom Österr.-Ungar. Gesandten bereits am 27. ds. Mts. übergeben" und dem Tintenvermerk „Das Memoire ist bereits Allerhöchsten Ortes unterbreitet worden" zu den Akten genommen.
156 und überhaupt den vorhandenen Enthusiasmus durch sein Erscheinen noch mehr zu entfachen. Mit der Kriegserklärung sind die Versuche der Ententemächte, auf Grund der serbischen Antwortnote noch vor Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zu vermitteln, abgeschnitten. Die Botschafter Englands und Russlands, die heute mittag auf dem Ballplatz vorsprachen, konnten auf die bereits erfolgte Kriegserklärung hingewiesen werden. Die Bemühungen der Mächte zur Herbeiführung der Lokalisierung dauern fort, Russland hat sich noch nicht ausgesprochen und man fürchtet, dass es einer bestimmten Erklärung ausweicht. Einstweilen hat es angedeutet, dass es die Militärbezirke Kiew, Odessa, Moskau und Kasan mobilisieren werde, sobald die österreichischungarische Armee die serbische Grenze überschreite. Aus Odessa wird gemeldet, dass dort die Mobilmachung schon angeordnet, aber nicht publiziert sei; der Nachricht ist beigefügt, dass die Massregel auch durch die schwere Besorgnis fiir die innere Sicherheit veranlasst sein könne. In Warschau, von wo auch militärische Vorkehrungen gemeldet werden, sind Pulvermagazine auf der Zitadelle explodiert, nach oflizieller Angabe infolge Blitzschlag. Die Mobilisierung in Österreich-Ungarn ist im vollen Gange. Die Einrückungen vollzogen sich bis jetzt anstandslos auch in den slavischen Gebietsteilen, die Stimmung wird durchwegs als eine ausgezeichnete geschildert, worüber grosse Genugtuung herrscht. Tucher
Nr. 43 Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 29. Juli 1914; II 60 nachm.
Lage infolge russischer und französischer Kriegsvorbereitungsmassnahmen heute abend sehr gespannt. Deutscher Grosser Generalstab für entsprechende Gegenmassnahmen, worüber aber Entscheidung noch aussteht. Meine Unterredung mit Reichskanzler kann erst morgen stattfinden. Lerchenfeld
157 Nr. 44 Der Gesandte in S t Petersburg an das Ministerium des Äussern Telegramm
St. Petersburg, 29. Juli 1914; f 0 0 nachm.
Zwischen Sasonow und Pourtates freundlicher Austausch über Kanzlers Erklärung. Russischer Mobilmachungsbefehl gegen Österreich erfolgt heute abend, angeblich weil Umfang österreichischer Mobilmachung zeigt, dass sie nicht nur gegen Serbien gerichtet. Nach Information der Botschaft erfolgen auch einleitende Vorbereitungen nach deutscher Grenze. Sasonow verneint wiederholt kriegerische Absicht und äussert Wunsch direkter Verständigung mit Wien. Grunelius Nr. 45 Der Gesandte in Paris an das Ministerium des Äussern Telegramm
Paris, 29. Juli 1914; 7 86 nachm.
Herr Jswolsky betrachtet Lage sehr ernst. Bisherige russische Zurückhaltung durch Truppenansammlung bedingt. Nach russischem Botschaftsrat Situation dösesperie. Französische Presse ruhiger. Diplomatenempfang abgesagt. Ritter Nr. 46 Der Gesandte Bericht 407
in Berlin an den Vorsitzenden Ministerrate
im
Berlin, den 29. Juli 1914
Mein badischer Kollege hat mir soeben mitgeteilt, dass Ministet von Dusch und Herr von Weizsäcker abgemacht haben, persönlich an der Sitzung des Bundesrats teilzunehmen, die etwa wegen der in Rücksicht auf die äussere Lage zu fassenden Beschlüsse einberufen werden würde. Herr von Dusch beauftragte Graf Berckheim, bei Herrn Delbrück anzuregen, dass die Ersten Bevollmächtigten zu der Sitzung eingeladen werden. Ich habe daraus Veranlassung genommen, Herrn Delbrück zu bittten, die Bundesratssitzung so rechtzeitig anzusetzen und die Ersten Bevollmächtigten telegraphisch zu verständigen, damit die Herren Minister Zeit haben, für die Sitzung nach Berlin zu kommen. Einer besonderen Einladung bedarf es hierzu ja nicht.
158 Weiter habe ich zu melden, dass Staatsminister Delbrück den Bürgermeister von Berlin aufgefordert hat, für alle Fälle für die Verproviantierung von Berlin Sorge zu tragen. Ferner, dass sich das Reich möglichst viel Getreide zu sichern im Begriffe steht, um die Aufmarschgebiete und die Festungen zu versorgen. Herr Delbrück bemerkte hierzu, dass, wenn auch das Reich davon ausgehe, dass die Verproviantierung der Bevölkerung Sache der Einzelstaaten sei, er doch geglaubt habe, auch von Reichs wegen in der angegebenen Beschränkung Sorge tragen zu sollen. Dabei ergebe sich die Schwierigkeit, dass alles vermieden werden müsse, was im Ausland den Anschein erwecken könnte, als ob Deutschland zum Kriege dränge. Diesen Gesichtspunkt sollten auch die Bundesstaaten bei ihren Massnahmen nicht aus dem Auge verlieren, solange über Krieg oder Frieden nicht entschieden sei. Staatsminister Delbrück nimmt übrigens an, dass die Getreideversorgung dank der stehenden Ernte und der Grösse der Vorräte keine Schwierigkeiten machen werde. G. H. L e r c h e n f e l d
Nr. 47
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 408
Berlin, den 29. Juli 1914
Die Lage sieht heute vormittag etwas friedlicher aus als gestern abend. Man konnte erwarten, dass die Kriegserklärung Österreichs an Serbien Russland zu einem entscheidenden Schritt veranlassen werde. Dass ein solcher Schritt bisher nicht gemeldet ist, dürfte schon beweisen, dass man in St. Petersburg vorläufig nicht zum Äussersten entschlossen ist. Es liegt aber auch die Nachricht vor, dass Russland den Konferenzvorschlag Greys im Prinzip angenommen hat, sich aber vorbehält, weiter unmittelbar mit Österreich-Ungarn zu verhandeln, und endlich hat nach einer Mitteilung aus dem Auswärtigen Amt Minister Sasonow dem Grafen Pourtal6s gesagt, Russland wünsche den Weltfrieden zu erhalten und suche nach dem Wege, dieses Ziel zu erreichen. Von London wird gemeldet, dass Sir Edward Grey dem Fürsten Lichnowsky gesagt habe, England würde in Zukunft mit Deutschland gehen, wenn dieses jetzt das Seine tue, um den Krieg zu vermeiden. All diesen Nachrichten scheint mir aber nur ein symptomatischer Wert beizumessen zu sein. Eine Klärung der Lage liegt nicht vor. *) Telephonische Mitteilung erfolgte vorher um 2 0 1 nachm.
159 Die Politik des Deutschen Reiches ist darauf gerichtet, dass der Alliierte mit einem Gewinn an Prestige aus der Sache hervorgeht, aber der Weltfrieden erhalten bleibt. Wie ich schon gestern Ew. Exz. berichtet habe, ist die Lage dadurch sehr erschwert, dass Österreich-Ungarn dabei bleibt, den Einmarsch in Serbien bis zum 12. August aufschieben zu müssen. Wie es möglich sein wird, die jetzige Spannung so lange dauern zu lassen, ohne dass etwas reisst, scheint mir sehr schwierig. Ew. Exz. werden die Wölfische Depesche vom Gestrigen gelesen haben, welche die Antwort Serbiens auf das Ultimatum enthält. Darnach wird sich schwerlich bestreiten lassen, dass Serbien fast in allen Punkten den Forderungen Österreich-Ungarns zu entsprechen bereit gewesen ist. Dass Österreich-Ungarn Zweifel hegt, dass Serbien das gegebene Versprechen auch erfüllt haben würde, ist sicherlich berechtigt, aber andererseits muss das grosse Entgegenkommen Serbiens, es Russland erschweren, diesen slavischen Bruder im Stiche zu lassen. Ich werde heute den Reichskanzler voraussichtlich sehen und dann wieder berichten. Die gestrigen sozialdemokratischen Versammlungen und Demonstrationen gegen den Krieg sind ziemlich ruhig verlaufen. Die Stimmung der hiesigen Bevölkerung ist im allgemeinen eine gemessene. Man verlangt nicht den Krieg, aber man hat sich mit dem Gedanken abgefunden. G. H. L e r c h e n f e l d
Nr. 48
Der Gesandte In Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 282
Wien, den 29. Juli 1914 Angekommen 30, 7. >4.
Euer Exzellenz beehre ich mich anbei in Abschrift die Verbalnote des K. u. K. Ministeriums des Äussern vom Gestrigen, mit welcher dasselbe die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien mitteilt, gehorsamst zu überreichen. Die erfolgte Kriegserklärung ist in meinem gehorsamsten Bericht vom Gestrigen Nr. 281 gemeldet worden. Die Verbalnote ist gestern abend nach Postabschluss eingelaufen. Tücher Beigelegt: Abschrift des französischen Textes der Verbalnote, die der bayer. Gesandtschaft in Wien von der österreichisch-ungarischen Regierung übermittelt worden war.
160 Nr. 49
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 283 Geheim I
Wien, den 29. Juli 1914
E s ist für den strategischen Aufmarsch von höchster Wichtigkeit, baldmöglichst Klarheit über die Absichten Russlands zu erhalten. Lässt es die Lokalisierung zu, so können a l l e Armeekorps, deren Mobilisierung angeordnet ist, auf den serbischen Kriegsschauplatz gebracht werden. Tritt aber Russland sofort in den Kampf ein, so wird man Serbien gegenüber in der Defensive bleiben und den Schwerpunkt nach Galizien verlegen. Womöglich ist zu vermeiden, dass es Russland überlassen bleibt, den Augenblick seines Eingreifens frei, d. h. etwa dann zu wählen, wenn ein starkes österreichischungarisches Heer in Serbien engagiert ist. In Rücksicht auf diese Erwägungen finden zwischen Wien und Berlin Gedankenaustausche statt, ob es geraten sei, in Petersburg unter stärkerem Drucke eine Entscheidung zu verlangen; die Botschafter Pourtales und Szäpiry haben bei Herrn Sasonow bereits die Folgen etwaiger militärischer Parteinahme für Serbien angedeutet, aber ohne besondere Wirkung; vielleicht wird ein solcher Hinweis deutlicher wiederholt. Gegen eine direkte Anfrage mit darin versteckter Drohung hat sich der deutsche Reichskanzler ausgesprochen, da Russland und auch England in solchem Vorgehen eine Herausforderung erblicken und letztere Macht, auf deren Neutralität der allergrösste Wert zu legen ist, dadurch auf die Seite Russlands gebracht werden könnte. Es ist nun Nachstehendes beschlossen worden: Wenn die Entscheidung in Petersburg nicht vorher eintritt oder von dort durch weitgehende militärische Massregeln herbeigeführt wird, sollen in den ersten Augusttagen die böhmischen Armeekorps nach dem südlichen Kriegsschauplatz abgehen und dann der Kampf mit Serbien durchgefochten werden, selbst wenn inzwischen Russland mobilisiert, in welchem Falle man an der galizisch-russischen Grenze in der Defensive bleibt. Die Auffassung des deutschen Reichskanzlers findet eine Anerkennung ihrer Richtigkeit in einem Telegramm des Grafen Mensdorff, der die Befürchtung ausspricht, Sir Edward Grey könne auf die russische Seite abschwenken, wenn er zur Überzeugung gelange, dass Deutschland den Krieg mit Russland provozieren wolle. Die hiesige Börse bleibt bis zum 6. August geschlossen. Tucher
161 Nr. 50
Der Gesandte in Rom an das Ministerium des Äussern Rom, den 29. Juli 1914
Bericht 225
Angekommen 3 1 . 7. 1 4 .
Die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien wurde hier gestern abend etwa um l / 2 9 Uh f durch Ausgabe von vierten Auflagen der Abendblätter bekannt. Die Nachricht wurde ohne besondere Aufregung aufgenommen, und in den Strassen war von Demonstrationen nichts zu bemerken. Das Publikum ist der Ansicht, dass der österreichisch-serbische Streit Italien nicht angehe, Italien könne den Zuschauer spielen, es bleibe alla finestra. Der Ansicht, dass Italien an dem Streit nicht interessiert sei, tritt der Berliner Korrespondent des „Giornale d'Italia" in dem ehrerbietigst angefugten Artikel1) entgegen. Er sagt, Deutschland habe Interesse daran, dass Österreich-Ungarn nicht als Macht ausgeschaltet werde, weil Deutschland sonst vereinzelt zwischen die feindlichen Mächte Frankreich und Russland eingekeilt würde. Italien hätte ein Interesse daran, dass Deutschland als Macht erhalten bleibe, weil Italien sonst ganz Frankreich ausgeliefert würde, wobei die Folgen gar nicht auszudenken seien. Deshalb sei Italien an das Schicksal Deutschlands gebunden. Italien dürfe sich nicht desinteressieren; in dem Augenblick, wo Russland sich darüber zu entscheiden habe, ob es mit den Waffen eintreten soll oder nicht, würde es schwer in die Wagschale fallen, wenn es hörte, dass Italien Zuschauer bleiben wolle, während es sonst einen Feind mehr zu bekämpfen haben würde. v. d. T a n n Nr. 51
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Telegramm
Wien, den 30. Juli 1914; 2 10 vorm. Angekommen 3 " vorm
Im Ministerium des Äussern liegen amtliche Nachrichten von der Mobilisierung Russlands vor. Tucher x
) Liegt bei. 11
162 Nr. 52
Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 30. Juli 1 9 1 4 ; l 4 a nachm. Angekommen 3 5 0 nachm.
Reichskanzler mitteilt, dass Deutschland Vermittlungsversuch in Wien macht auf Grundlage, dass Österreich Erklärung in Petersburg wiederholt, keinen dauernden Territorialerwerb zu beabsichtigen und Besitzstand Serbiens nicht tangieren zu wollen, sondern lediglich zu bezwecken, durch temporäre Besetzung Garantien zu erhalten, dass Serbien österreichische Wünsche erfüllt; daneben Vermittlungsvorschlag Sir Edward Greys auf gleicher Basis, der durch Reichskanzler zur ernsten Erwägung nach Wien weitergegeben ist. Reichskanzler hat umgehend zustimmende Antwort erbeten. Bis Eintreffen österreichischer Antwort bleibt Zustand der drohenden Kriegsgefahr, worauf Mobilmachung folgen würde, aufgeschoben. Reichskanzler gibt Hoffnung nicht ganz auf, obgleich seine Vermittlungsaktion durch russische Mobilisierung sehr erschwert. 1 ) Lerchenfeld Nr. 53
Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 30. Juli 1 9 1 4 ; 4 00 nachm.
Nachricht des „Lokalanzeigers", dass die deutsche Mobilisierung angeordnet sei, ist falsch. Lerchenfeld Nr. 54
Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 30. Juli; 7 2 5 nachm.
Grey hat in Wien vorgeschlagen: Osterreich solle Belgrad und andere Plätze besetzen. Dann sollen die Mächte gemeinsam auf Serbien Druck üben, dass es die österreichischen Forderungen annimmt. Kaiser Wilhelm hat soeben telegraphisch von Kaiser Franz Joseph Zustimmung zum Vermittlungsvorschlag erbeten. Lerchen feld !) Vorher telephonisch nach München berichtet.
163 Nr. 55
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerräte Bericht 410
Berlin, den 30. Juli 1914
Heute habe ich endlich den Reichskanzler gesehen. E r hatte mich schon wiederholt bestellt gehabt, war aber bisher jedesmal verhindert worden, mich zu empfangen. Er beauftragte mich, Sr. M. dem K ö n i g zu melden, dass er seit zwei T a g e n mehrere Briefe und Telegramme angefangen habe, um darin Sr. M. die L a g e zu schildern, dass aber jedesmal vor der Fertigstellung eine Änderung der L a g e eingetreten sei, die den begonnenen Bericht vollständig überholt hätte. Über die heutige L a g e könne er mir folgendes mitteilen: Deutschland habe es übernommen, mit einer Vermittlungsaktion einzusetzen. E r — der Kanzler — habe dem Wiener Kabinett den Rat erteilt, in Petersburg zu erklären, dass Österreich-Ungarn mit seiner Aktion gegen Serbien keine Territorialerwerbung anstrebe und auch nicht beabsichtige, den Besitzstand Serbiens zu tangieren, dass es sich vielmehr nur um eine temporäre Besetzung serbischer Gebietsteile handle zu dem Zweck, von Serbien Garantien für künftiges Wohlverhalten zu erzwingen, da auf die blossen mündlichen wie schriftlichen Erklärungen der serbischen Regierung nichts zu geben sei. Er habe in Wien geltend gemacht, dass es darauf ankomme, Russland ins Unrecht zu setzen. Sir Edward Grey habe in der gleichen Richtung durch ihn — den Reichskanzler — auf Österreich-Ungarn zu wirken versucht und habe sich stark gemacht, wenn Österreich-Ungarn diese Erklärung in Petersburg abgebe, Russland zur Mässigung zu veranlassen. Ausserdem finde ein Austausch von Telegrammen zwischen dem Deutschen Kaiser und dem Zaren statt. Die ersten Depeschen, in denen der Zar das Vorgehen Österreichs als ungerechtfertigt hinstellte, und der Kaiser es erklärte, hätten sich gekreuzt. Vorläufig wäre von Wien noch keine Antwort da. Der Kanzler habe aber heute nacht in energischster Weise dem Wiener Kabinett erklärt, dass Deutschland sich nicht in das Schlepptau der Balkanpolitik Österreichs stellen könne. Für den Fall, dass Österreich zustimmend antworte, gebe der Reichskanzler die Hoffnung auf die Erhaltung des Friedens nicht auf. Sicher sei dies aber nicht, da die von Russland bereits vorgenommene Mobilisierung den russischen Nach den Münchener Akten auszugsweise telephonisch München übermittelt.
12*
nach
164 Rückzug sehr erschwere. Das Vorgehen Deutschlands werde dadurch sehr erschwert, dass man nicht wisse, was bei den getroffenen Massregeln in Russland und Frankreich Bluff oder Ernst sei. Solange die österreichische Antwort nicht eingetroffen sei, gehe Deutschland nicht damit vor, den „Zustand der drohenden Kriegsgefahr" zu erklären, dem, wie die Dinge in Deutschland lägen, die Mobilisierung, und zwar nach unserer Militärverfassung die Mobilisierung der ganzen Armee, folgen müsse. Lange dürfe mit der Entscheidung in Deutschland nicht gezögert werden, da wir sonst gegen Russland und Frankreich ins Hintertreffen kämen. Vorläufig sei man in Deutschland, nachdem schon die Beschützung gewisser Kunstbauten (Brücken, Tunnel, Funkspruchanlagen usw.) durch die Polizei verfugt worden sei, dazu übergegangen, auch den militärischen Schutz zu verfügen. Gegen Deutschland habe Russland noch nicht mobilisiert. Italien stehe zum Dreibund und habe nur eine gewisse Modifikation seiner Hilfeleistung angekündigt. Die Haltung von Bulgarien und Rumänien sei unsicher. England habe keinen Zweifel gelassen, dass, wenn der Krieg ausbreche, es nicht in der Lage sei, ruhig zuzusehen. England werde mit den Ententemächten gehen. Der Reichskanzler äusserte zum Schluss: Es sei traurig, sagen zu müssen, dass gewissermassen durch elementare Kräfte und die langdauernde Verhetzung zwischen den Kabinetten möglicherweise ein Krieg entfesselt wäre, den kein Staat wünsche. G. H. L e r c h e n f e l d
Nr. 56
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 414 Zum Telegramm von gestern
Berlin, den 30. Juli 1 9 1 4 *
Ew. Exz. beehre ich mich in Ergänzung meiner telegraphischen Meldung von heute Nachstehendes geh. zu berichten: Das Auswärtige A m t steht auf dem Standpunkt, dass kein Anlass gegeben sei, besondere Massnahmen bezüglich der Heimschaffung mittelloser Deutscher aus Frankreich zu treffen. Telephonische Mitteilung nach München vorher 7 45 nachm. Der Bericht erfolgte auf eine Anfrage, ob die bayerische Vertretung in Paris Gelder für Heimschaffung bayerischer Staatsangehöriger angewiesen erhalten solle. 2)
165 Solange Deutschland dort konsularisch vertreten sei, sei es Sache der deutschen Konsularbehörden, für die Heimschaffung der Deutschen Sorge zu tragen. Diese Verpflichtung erstrecke sich selbstverständlich auch auf die bayerischen Staatsangehörigen. Von dem Augenblick an, in dem die deutschen Vertretungen aus Frankreich abberufen würden, trete diejenige fremde Mission in Tätigkeit, der der Schutz der deutschen Staatsangehörigen übertragen werde. Archiv und Kasse werde der betreffenden Mission übergeben, und es würde ihr dann in der gleichen Weise wie sonst der deutschen Vertretung obliegen, für die Heimschaffung der deutschen Staatsangehörigen Sorge zu tragen. Besondere Massnahmen der k. Regierung für bayerische Staatsangehörige hält das Auswärtige Amt unter diesen Umständen nicht flir veranlasst. Nach Ansicht der Reichsleitung hätte die von dem k. Ministerresidenten in Paris angeregte Massregel sogar gewisse Bedenken, insofern nämlich, als bares Geld dem Zugriff der französischen Regierung ausgesetzt wäre. G. H. L e r c h e n f e l d
Nr. 57
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 286
Wien, den 30. Juli 19x4
Die Situation hat sich seit gestern bedeutend verschärft, da Russland die Mobilisierung seiner südwestlichen Militärbezirke, das heisst von 12 Armeekorps, angeordnet hat. Minister Sasonow hat sich den Botschaftern Pourtates und Szäpäry gegenüber beklagt, dass Graf Berchtold keinen Gedankenaustausch zulasse, und dass die unverhältnismässig grosse Zahl 8 der mobilisierten Armeekorps eine Spitze gegen Russland habe. Die Mobilisierung der 12 Armeekorps sei noch nicht der Krieg, sondern nur eine Vorsichtsmassregel; auch beabsichtige er noch nicht, den Botschafter Schebeko von Wien abzuberufen. Graf Pourtalebs hat erwidert, dass hierauf auch Deutschland zum Kriegsvorbereitungszustand werde übergehen müssen. Graf Szäpäry klärte das Missverständnis auf, indem er darlegte, Graf Berchtold habe nur eine Diskussion der Notentexte und des Konfliktes mit Serbien abgelehnt, während er und er selbst (Szäpäry) jederzeit zur Besprechung der österreichisch-ungarisch-russischen Beziehungen bereit sei. Die Zahl 8 der Armeekorps sei nach den seinerzeit in
166 Bosnien und der Herzegowina gemachten Erfahrungen und in Anbetracht der feindseligen Haltung Montenegros nicht zu gross. In Betreff der russischen Mobilmachung machte er auf den schlechten Eindruck, den die Massregel in Österreich-Ungarn machen müsse, aufmerksam. Bei Empfang der Telephonnachricht, dass Belgrad beschossen werde, geriet Herr Sasonow in solche Aufregung, dass die Fortsetzung der Konversation unmöglich wurde. Aus Paris liegt dem Ministerium des Äussern die Meldung vor, dass Frankreich militärische Vorbereitungen treffe. Baron Schoen soll dieselben bei dem Minister Viviani zur Sprache bringen und darauf hinweisen, dass Deutschland die gleichen Massregeln werde ergreifen müssen, was eine grosse Beunruhigung verursachen würde. Kaiser Wilhelm und der Zar haben Telegramme, die sich kreuzten, ausgetauscht. Kaiser Wilhelm telegraphierte, der Zar soll sich der Serben, die es jetzt nicht verdienten, nicht annehmen; ÖsterreichUngarn habe vollkommen recht, energisch gegen Serbien vorzugdien, am Schlüsse wird an die Friedensliebe des Zaren appelliert. Der Zar sagt in seinem Telegramm, Österreich-Ungarn sei vonkommen im Unrecht, über Serbien herzufallen, Russland stehe hinter Serbien. Kaiser Wilhelm möge in Wien kalmierend einwirken. Der Gegensatz dieser zwei Telegramme ist beredt, eine Brücke zwischen beiden ist nicht denkbar. Tucher
Nr. 58 Der Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium des Äussern Bericht 86 Bleistift-Aufzeichnung
St. Petersburg, den 30. Juli 1914
Bericht vom 27. N. 85 nachzutragen, dass Kanzlertelegramm warmen Appell an Deutsch-Russische freundschaftliche Beziehungen enthielt. Siehe Notiz vom 28. Mittags. Direkte Verständigung mit Wien erscheint ganz gescheitert, zudem dass Russland Revision der Note will, was Österreich nicht diskutieren kann. A m 29. teilt Pourtates Sasonow im Auftrag des Reichskanzlers mit, dass russische Mobilmachung gegen Österreich automatisch deutsche Mobilmachung zur Folge haben wird. Betont ausdrücklich auch in späteren Unterredungen, dass diese Mitteilung keine Drohung, sondern nur freundschaftliche Warnung vor den Folgen der von Russland beabsichtigten Massnahmen bedeute. Sasonow erklärt wiederholt, dass Russland keinerlei kriegerische
167 Absichten gegen Deutschland habe (dasselbe erklärt russischer Generalstabschef dem Major v. Eggeling). Russische Armee könne monatelang mobil bleiben, ohne dass daraus direkte kriegerische Massnahmen entstünden. Am 29. nachm. erklärt Herr Sasonow dem Grafen Pourtalés dass russische Mobilmachung gegen Österreich bevorstehe, dass aber Russland vorläufig keine kriegerische Aktion gegen Österreich beabsichtige. Grund der Mobilmachung s. Telegramm 29. Juli nachm. Dazu teilt Chelius ein Gespräch aus Club mit Nikolai Michailowitsch mit, der sagt, dass Russland sich deshalb mit Mobilisation beeilen müsse, weil Österreich seit vorigem Jahr nicht ganz demobilisiert und deshalb zu seinem Vorsprung von 14 Tagen noch 6 dazu voraushabe. Sasonow beharrt auf dem Standpunkt, dass Russland Serbien nicht im Stich lassen könne und ist allen Vorstellungen des Grafen Pourtalés, dass Österreich sein territoriales Desinteressement bewiesen hat, unzugänglich. Ebenso beharrt Sasonow darauf, dass Deutschland Österreich veranlassen müsse, seine Forderungen an Serbien zu modifizieren. Unterredung, die Graf Pourtalés 29./30. nachts 12—1I/2 hatte, drehte sich immer wieder um dieselben Punkte. Sasonow erklärt, Österreich müsse aus Note alles eliminieren, was auf europäische Politik Bezug hat. Im Stichlassen Serbiens würde Bestand der russischen Monarchie gefährden. Graf Pourtalés legt wiederholt den deutschen Standpunkt dar, dass österreichisch-serbischer Konflikt nur diese beiden Staaten angehe und dass Russland von Deutschland unmöglich dasselbe von Österreich zu tun verlangen könne, was Russland von Österreich gegen Serbien nicht dulden wolle, nämlich, dass Deutschland in einer die Souveränität Österreichs verletzenden Weise auf Österreich einwirke. Diese Vorstellungen finden bei Sasonow kein Verständnis. Englands Vorschlag einer Konferenz auch hier zwischen Sasonow und Pourtalés diskutiert, aber anscheinend ohne Erfolg, da Modalitäten und Aussichten der Konferenz nicht definierbar. Mobilisationsdekret heute nacht 4 Uhr veröffentlicht des Inhalts, dass Mannschaft der Bezirke Kiew, Odessa, Moskau, Kasan, die Kosakenheere von Don, Kuban, Terek, Astrachan, Orenburg, Ural einberufen, d. i. 14 Corps. Nach Eggeling geht aus dem Einberufungsbefehl hervor, dass auch die Marinemannschaften einberufen sind. Weiterhinaus soll bis jetzt in den Bezirken Warschau, Wilna, Petersburg keine Einberufung vorliegen. Grunelius
168 Nr. 59
Der Gesandte in Rom an das Ministerium des Äussern Bericht 226
Rom, den 30. Juli 1914 Angekommen 4. 8. 14.
Ich habe gestern abend den von Fiuggi hierher zurückgekehrten Botschafter von Flotow gesprochen. Er hält es trotz des grossen Ernstes der Lage noch immer nicht für völlig ausgeschlossen, dass der Krieg auf Österreich und Serbien beschränkt bleibe. Aus den ihm zugegangenen Nachrichten hat er den Eindruck empfangen, dass weder Frankreich noch Russland besonders für den Krieg gestimmt seien. Was Russland betreffe, sei es bezeichnend, dass der Kaiser sich jetzt nach Finnland begeben hätte. Schwieriger sei die Frage bezüglich Englands. Deutschland habe den Vorschlag Sir Edward Greys, eine Konferenz der Botschafter der vier weniger beteiligten Grossmächte zu berufen, vorläufig abgelehnt, weil schon Besprechungen im Gang seien zwischen dem russischen Minister des Äussern und dem österreichisch-ungarischen Botschafter in Petersburg; es könnte übrigens Österreich durch eine Konferenz vergewaltigt werden, auch wolle Deutschland seinem Alliierten nicht in den Arm fallen; die Besprechung der Frage zwischen den Kabinetten sei einer Konferenz vorzuziehen; es sei auch nicht ausgeschlossen, dass man auf den Vorschlag Sir Edward Greys später zurückkomme; auch werde vielleicht ein Depeschenwechsel zwischen dem deutschen Kaiser und dem Zaren eintreten — von einem solchen melden auch heute morgen schon die Zeitungen — . Deutschland will vermeiden, den englischen Minister, der ehrlich für den Frieden ist, zu verletzen und ihn den Befürwortern des Krieges in die Arme zu treiben. Die Verhandlungen des Botschafters mit der italienischen Regierung sind immer recht schwierig. Durch Beeinflussung der Presse wurde aber wenigstens eine einigermassen dreibundfreundliche Haltung derselben erreicht; gerade von den einflussreicheren Blättern jedoch sind einige, wie der „Corriere della Sera" und der „Messaggero" unzugänglich; — ich lege die heutige Nummer des „Messaggero" bei mit einem Artikel des Sozialisten Bissolati, der sich fiir die Neutralität Italiens ausspricht — 1 ) . Deutschland hat von der in Belgrad zu übergebenden österreichischungarischen Note vorher Kenntnis erhalten und Italien sollte als verbündete Macht wenigstens kurz zuvor hiervon in Kenntnis gesetzt werden. Wegen Erkrankung des Botschafters von M^rey hat sich der Botschaftsrat am Tage, wo die Note in Belgrad übergeben werden Liegt bei.
169 sollte, zum Marchese di San Giuliano nach Fiuggi begeben und hat ihm in allgemeinen Ausdrücken davon gesprochen, dass seine Regierung in einer Note an Serbien die verschiedenen Beschwerden zur Sprache bringen werde, die sie gegen die serbische Regierung zu erheben habe. Der Minister antwortete, diese Mitteilung sei so allgemein gehalten, dass er sich darauf gar nicht äussern könne; da man in so wichtigen Angelegenheiten schriftlich verkehren müsse, wolle er ihm dies schriftlich geben. Er tat dies und kann sich nun darauf berufen, dass er von dem Inhalt der Note vorher keine Kenntnis erhalten habe. Marchese di San Giuliano hat die Absicht, nach Vallombrosa zu gehen, vorläufig aufgegeben und bleibt wenigstens die nächste Zeit in Rom. Der König ist zum Gedächtnis-Gottesdienst für den König Umberto nach Rom gekommen, hat sich nach der Feier nach Santa Anna di Valdieri in Piemont begeben, wo sich Ihre Majestät die Königin befindet, wird aber in einigen Tagen nach Rom zurückkehren. v. d. T a n n
Nr. 60 Fernsprech-Meldung der Berliner Gesandtschaft In München aufgenommen 31. Juli vorm. 7 45 Eine Antwort auf die gemeinsame Demarche Englands und Deutschlands ist aus Wien bis nachts 12 Uhr nicht eingelaufen gewesen. Man erwartet sich in den Berliner massgebenden Kreisen nicht, dass die Demarche einen Erfolg haben wird, ist vielmehr überzeugt, dass die zweifellos redlichen Bemühungen Greys, für die Erhaltung des Friedens zu wirken, den Gang der Dinge nicht aufhalten werden. Wir haben gestern abend, wie immer in diesen Tagen, im Bristol gegessen, das gegenwärtig eine Art Diplomatenbörse bildet. Wir fanden die Österreicher noch ernster wie in den letzten Tagen. Sie schwiegen vollständig. Von den Reisen der bundesstaatlichen Minister hierher kann man sich nur wenig versprechen; zudem besteht noch die Gefahr dass die Herren nicht mehr nach Hause kommen könnten.
L70 Nr. 61
Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm 1 )
Beriin, den 31. Juli 1914; 1204 nachm. Angekommen 2°° nachm.
Antwort aus Wien noch nicht eingetroffen, da Tiszas Ankunft in Wien erst abgewartet wird, doch wird sie heute nachmittag erwartet. Sollte Österreich dem deutschen und englischen Vermittlungsvorschlag zustimmen, wird er dem Zaren mit Umgehung Sasonows telegraphiert und gleichzeitig Ultimatum wegen Einstellung der Rüstungen gestellt England arbeitet mit uns, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es noch in letzter Stunde die Aktion zum Stehen bringt; Lage bleibt kritisch, da Russlands Stellung zum Vermittlungsvorschlag zweifelhaft; diesseitiger Generalstab drängt auf Entscheidung. Lerchenfeld
Nr. 62
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Telegramm
Wien, den 31. Juli 1914; 1220 nachm. Angekommen 2 00 nachm.
Kaiser hat Mobilisierung gesamter Wehrmacht angeordnet. Tucher
Nr. 63
Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 31. Juli 1914; i 0 0 nachm.
In Preussen werden landwirtschaftliche russische Arbeiter im Kriegsfall nicht ausgewiesen. Lerchen feld *) Vorher telephonisch nach München um 1 1 1 5 vorm. mitgeteilt.
171 Nr. 64 Die Oesandtschaft in Berlin an das Ministerium Äussern Telephonische Mitteilung
des
Berlin, den 31. Juli 1914; 3°° nachm.
In Bundesratssitzung wurde soeben mitgeteilt, dass ganze russische Armee mobilisiert ist, und daraufhin S. M. der Kaiser den Zustand drohender Kriegsgefahr angeordnet hat, dem Mobilmachung in 24 bis 48 Stunden folgt. Die heute angekündigten Vorlagen, über die morgen I Uhr der Bundesrat zu beschliessen hat, sind unterwegs. Der Reichstag wird gleichzeitig mit Mobilmachungsordre einberufen werden.
Nr. 65 D e r Gesandte in Paris an das Ministerium des Äussern Telegramm
Paris, den 31. Juli 1914; 4 " nachm. Angekommen 9*0 nachm.
Herr Iswolsky hat mich soeben aufgesucht und mich gebeten, bayerische Regierung möchte seiner Frau und Kindern, die sich per Auto nach der Schweiz via Lindau begeben, Grenzübergang sichern. Botschafter hält Lage äusserst ernst. Anfrage deutscher Botschaft habe Sasonow vorgeschlagen, Österreich möchte Erhaltung Indépendance Serbiens versprechen. Diese umfasse mehr als territoriale Integrität ; es sei dies eine Hoffnung. 1909 dürfte sich nicht wiederholen; Deutschland habe damals einen schweren Fehler begangen ; bedingungslose Annahme Österreichs Forderungen an Serbien würde eine neue Demütigung Russlands bedeuten; letzteres bestehe daher auf Berücksichtigung seiner Wünsche. Ein Wort der Mässigung von deutscher Seite würde in Wien genügen, dessen sei er gewiss; Anfrage in Petersburg sei der erste Vermittlungsschritt Deutschlands. Yorher habe Deutschland Österreich nur in seinem Vorgehen bestärkt; Österreich werde wie Russland vor dem Japan-Krieg von einer Camarilla in den Krieg gehetzt Ritter
172 Nr. 66
Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 31. Juli 1914; 725 nachm. Angekommen io 00 nachm.
Kaiser Franz Joseph hat Vermittlungsvorschläge mit Hinweis auf russische Mobilisierung abgelehnt. Deutschland hat Russland aufgefordert, binnen 12 Stunden Mobilisierung einzustellen, widrigenfalls Deutschland mobilisieren würde. Frankreich ist um Antwort binnen 18 Stunden gebeten worden, ob es sich neutral verhalten wolle. An ablehnender Antwort seitens Russlands und Frankreichs besteht kein Zweifel. England ist erneut Neutralitätsvertrag angeboten worden, den Sir Edward Grey abgelehnt hat.1) Stellung Italiens und Rumäniens noch unIdar, aber Hoffnung, dass Italien beim Dreibund, Rumänien neutral bleibt. Lcrchenfeld
Nr. 67
Fernsprech-Meldung der Berliner Gesandtschaft In München aufgenommen 31. Juli 1914; 800 nachm. Es laufen zurzeit zwei Ultimata: Petersburg 12 Stunden, Paris 18 Stunden. Petersburg Anfrage nach Grund der Mobilisierung, Paris Anfrage, ob neutral bleibt Beide werden selbstverständlich ablehnend beantwortet werden. Mobilisierung spätestens Samstag, den 1. August um Mitternacht. Preussischer Generalstab sieht Krieg mit Frankreich mit grosser Zuversicht entgegen, rechnet damit, Frankreich in 4 Wochen niederwerfen zu können; im französischen Heere kein guter Geist, wenig Steilfeuergeschütze und schlechteres Gewehr.
*) Um io 4 8 nachm. folgte telephonische Mitteilung, dass England „Neutralität mit Begründung abgelehnt hat, es müsse sich die Hände freihalten".
173 Nr. 68 Der G e s a n d t e in Paris an das Ministerium des Äussern Telegramm
Paris, den 31. Juli 1 9 1 4 ; 11 2 0 nachm. Angekommen 1. August 1000 vorm.
Deutscher (Botschafter ?) hat heute abend französischer Regierung mitgeteilt, Russland habe, während Verhandlungen schwebten, ganze Armee und Flotte mobil gemacht, deshalb Kriegsgefahr in Deutschland verkündet. Wenn Russland nicht in 12 Stunden die ganze Mobilmachung rückgängig mache, erfolge deutsche Mobilmachung, dann Krieg unvermeidlich. Botschafter fragte, ob französische Regierung in einem deutsch-russischen Krieg neutral bleibe. Antwort in 18 Stunden erbeten, abläuft morgen. (Habe) österreichischem Botschafter Gespräch Iswolsky mitgeteilt: Annahme der InddpendanceErklärung verhindere Krieg, alle Welt erwarte Erklärung, wie weit Österreich gehen wolle. Iswolsky versöhnlich. Graf Szecsen sagte, er habe längst diesen Wunsch übermittelt, aber keine Weisung erhalten. Hiesige österreichische Korrespondenten meinen, man sei sich darüber am Ballplatz nicht schlüssig. Französische Regierung bestreitet die allgemeine russische Mobilisierung. Ritter
Nr. 69 Der G e s a n d t e
in
Berlin an den Ministerrate
Bericht 4 1 7 Zum Telegramm von gestern
Vorsitzenden
im
Berlin, den 31. Juli 1914
Ew. Exz. beehre ich mich im Vollzuge des Auftrags von gestern nachstehendes gehorsamst zu Die Berufskonsuln feindlicher Mächte werden bruch angewiesen, 1 ) nach dem Ausland abzureisen, Pässe.
telegraphischen berichten: bei Kriegsauferhalten keine
*) Das Ministerium in München hatte am 30. Juli angefragt, wie gegenüber den Konsuln feindlicher Mächte zu verfahren sei, und ob in Pässen fiir fremde Diplomaten Fristbestimmung erfolge.
174 Die Wahlkonsuln können im Lande bleiben, dürfen aber keine Funktionen mehr ausüben. Die Pässe der fremden Diplomaten, die alle (nicht nur die Chefs) Kaiserpässe bekommen, werden nicht befristet. Die Gesandtschaftskanzler können unter folgenden 2 Voraussetzungen im Lande bleiben: 1. dass sie der fremden Mission beigeordnet werden, die den Schutz der betreffenden Staatsangehörigen übernimmt, 2. dass die Gegenseitigkeit gewährleistet wird. Bleiben sie n i c h t , so erhalten die Kanzleichefs Kaiserpässe, das übrige Personal den Pass des Auswärtigen Amts. G. H. L e r c h e n f e l d
Nr. 70 Der Gesandte
Bericht 418
in
Berlin an den Vorsitzenden Ministerrate
im
Berlin, den 31. Juli 1914
Ew. Exz. habe ich in Chiffre die heutige Lage gemeldet. Wie mir im Auswärtigen Amt gesagt wurde, sind die Würfel dadurch in das Rollen gekommen, dass der russische Botschafter Swerbejew die falsche Nachricht des Lokalanzeigers, Deutschland mobilisiere, nach Petersburg gemeldet hat, ohne sich von der Richtigkeit zu versichern. Man nimmt an, dass das Dementi, das er seiner Meldung nachsandte, ungenügend war, weil der Botschafter seinen Fehler nicht glatt eingestehen wollte. Dass Kaiser Franz Joseph die Vermittlungsvorschläge abgelehnt hat, wird hier bedauert, weil damit Russland noch mehr ins Unrecht versetzt worden wäre. Immerhin herrscht die Meinung vor, dass, nachdem Russland zur partiellen Mobilisierung geschritten ist, der Weltkrieg nicht mehr aufzuhalten gewesen ist. Kaiser Nikolaus wäre kaum stark genug gewesen, die Demobilisierung zu verfugen ohne eine Satisfaktion von Österreich-Ungarn, die, wie die Dinge liegen, nicht zu erhalten war. G. H. L e r c h e n f e l d
175 Nr. 71
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Berlin, den 31. Juli 1914 Hochverehrter Freund I Ich glaube auf den drei Wegen des heutigen Verkehrs, Telephon, Telegraph und Post, alles gemeldet zu haben, was zu melden gewesen ist. Trotzdem will ich mit diesen Zeilen das gegebene Bild noch etwas vervollständigen. Zunächst möchte ich sagen, dass ich sehr damit einverstanden bin, dass Ew. Exz. nicht hierher kommen. Sie sind in Bayern notwendiger als hier, und die Rückkehr wäre zum mindesten schwierig. Das ist auch die Überzeugung Delbrücks. Er hat auch in diesem Sinne an Dusch und Weizsäcker telegraphiert. Der deutsch-englische Vermittlungsvorschlag, der noch eine gewisse Hoffnung auf Erhaltung des Friedens bot, ist durch die Mobilmachung in ganz Russland erledigt. Sasonow hat vor einigen Tagen verlangt, dass Österreich-Ungarn auf die Erfüllung einiger Punkte seines Ultimatums verzichte. Das war für Österreich unmöglich. Den englisch-deutschen Vorschlag hätte man in Wien annehmen können. Die Haltung Englands ist dunkel. Der König hatte vor kurzem noch dem preussischen Prinzen Heinrich in London versichert, England werde zunächst neutral bleiben. Auch der heute in unsern Blättern abgedruckte Artikel der „Westminster Gazette" lässt auf solche Absicht schliessen. Da der Redakteur dieses Blattes ein intimer Freund Sir E. Greys ist, haben Äusserungen der „Westminster Gazette" eine gewisse Bedeutung. Dem steht aber gegenüber, dass Sir E . Grey dem Fürsten Lichnowsky erklärt hat, England könne den Ereignissen nicht untätig zusehen. Ob dies den Zweck hatte, uns zu einer Pression auf Österreich zu veranlassen, oder ob England sich schon fiir ein Eintreten für die andern Ententemächte entschlossen hat, muss sich erst zeigen. Während ich dies schreibe, hat es sich bereits gezeigt. England geht mit der Entente. Von Italien glaubt man, dass es bei dem Dreibund beharren werde, dass es aber bei dieser Gelegenheit etwas erwerben wolle. Nicht aber Valona, das lehnt es ab. Rumänien sollte nach Ansicht des Auswärtigen Amts wenigstens neutral bleiben. Man glaubt genügende Pressionsmittel zu haben, es dazu bestimmen zu können. Siehe B, 66.
176 In hiesigen militärischen Kreisen ist man des besten Mutes. Schon vor Monaten hat der Generalstabschef Herr von Moltke sich dahin ausgesprochen, dass der Zeitpunkt militärisch so günstig sei, wie er in absehbarer Zeit nicht wiederkehren kann. Die Gründe, die er anfuhrt, sind: 1. Überlegenheit der deutschen Artillerie. Frankreich und Russland besitzen keine Haubitzen und können daher keine Truppe in gedeckter Stellung mit Steilfeuer bekämpfen. 2. Überlegenheit des deutschen Infanterie-Gewehres. 3. Ganz ungenügende Ausbildung der französischen Truppe infolge zweijähriger Dienstzeit bei der Kavallerie und der gleichzeitigen Einberufung zweier Jahrgänge bei allen Waffengattungen infolge der Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit, darunter muss die Ausbildung gelitten haben. Auch in den Kreisen der Bevölkerung ist die Stimmung eine ruhige und zuversichtliche. Die Sozialdemokraten haben für den Frieden pflichtmässig demonstriert, halten sich aber jetzt ganz still. Ein Abgeordneter, allerdings revisionistischer Richtung, mit dem der Reichskanzler gesprochen hat, hat versichert, dass an Aufruhr oder Generalstreik in der Sozialdemokratischen Partei von niemand gedacht werde. Was den Kaiser betrifft, so weiss ich, dass er nach einigem Wechsel in der Stimmung während des Beginns der Krisis, jetzt sehr ernst und sehr ruhig ist. Prinz Oskar wird heute im Haasministerium getraut werden. Alle preussischen Prinzen treten in der Front ein. Der Kronprinz erhielt die I. Garde-Infanterie-Division. Wie man annimmt, wird das Hauptquartier zunächst in Berlin bleiben. Wie im Jahre 1870 werden zwei Staffeln gebildet werden. In der ersten der Kaiser, in der zweiten die anderen Bundesfiirsten, die den Krieg mitmachen wollen. Mit besten Grüssen L e r c h e n feld Nr. 72
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 290
Wien, den 31. Juli 1914 Angekommen 3. 8.14.
Kaiser Franz Joseph hat einen auf Wunsch des Zaren unternommenen Vermittlungsversuch des deutschen Kaisers mit der Erwiderung abgelehnt, dass eine neuerliche Rettung Serbiens die ernstesten Folgen für seine Länder nach sich ziehen würde. Er sei sich der Schwere der Verantwortung voll bewusst und rechne auf die unerschütterliche Bundestreue Deutschlands.
177 Auf dem Ballplatz spricht man nicht mehr von Lokalisierung, sondern erwägt nur die Chancen des Krieges; das Eingreifen Englands an der Seite Frankreichs wird für mehr als wahrscheinlich gehalten. Die K . Gesandtschaft wird bestürmt mit Anfragen, ob Deutschland mobilisiere und ob die Militärpflichtigen einzurücken hätten. Umgehende Benachrichtigung nach erfolgter Entscheidung ist dringendst erwünscht Tucher Nr. 73 Der Vorsitzende
im Ministerrate an die Gesandtschaft in Berlin 1 )
Telephonische Mitteilung
München, den i. August 1914; 9 S ° vorm.
Dem von Sr. M. dem Kaiser für notwendig gehaltenen Beschlüsse im Sinne des Art. II Abs. 2 der Reichsverfassung wird mit Allerhöchster Ermächtigung Sr. M. des Königs zugestimmt. Hertling Nr. 74 Der Gesandte
Bericht 420
in Berlin an den Vorsitzenden Ministerrate
im
Berlin, den 1. August 1914
Heute 6 Uhr war die Lage folgende: Russland hat das deutsche Ultimatum, alle Kriegsrüstung gegen Deutschland und Osterreich einzustellen, bisher nicht beantwortet Daraufhin ist nach der Beschlussfassung im Bundesrat Russland die Kriegserklärung fiir den Fall zugestellt worden, dass es nicht dem Verlangen des Ultimatums entspricht. Es wird bezweifelt, ob hiernach Russland überhaupt antwortet. Frankreich ist eine Verlängerung der Frist bis heute 1 Uhr gewährt worden. Um 6 Uhr war die Antwort noch nicht da, was aber mit Verzögerung der telegraphischen Beförderung zusammenhängen kann. Die Bemerkung des Reichskanzlers in seiner heutigen Rede, die Antwort sei da, hat auf einem Irrtum beruht. *) Mit Bericht 4x9 vom gleichen Tage meldet der Gesandte den Vollzug dieser Weisung durch Erklärung Bayerns in der Bundesrats' Sitzung. 12
178 Italien hat sich vom Dreibund losgelöst, indem es erklärte, Österreich habe durch seinen Angriff auf Serbien Russland de facto angegriffen. Der casus foederis läge also nicht vor. Da von Wien mitgeteilt worden ist, dass Österreich alle italienischen Forderungen erfüllt habe, so ist die Stellung Italiens vielleicht noch keine endgültige. Hiefür liegen einige Anzeichen vor. Die Mobilmachungsordre ist heute um 5 Uhr 30 Min. nachm. nach einer Beratung im Schloss vom Kaiser unterzeichnet worden. G. H. L e r c h e n f e l d
Nr. 75
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 293
Wien, den 1. August 1914 Angekommen 6. 8. 14.
Graf Pourtates hat gestern den Auftrag erhalten, in Petersburg zu erklären, dass, wenn die allgemeine Mobilisierung in Russland nicht in 12 Stunden eingestellt werde, Deutschland auch mobilisieren werde; desgleichen hat Baron Schoen in Paris auftragsgemäss in 18 Stunden Antwort auf die Frage verlangt, ob Frankreich in einem Kriege Deutschlands gegen Russland neutral bleiben werde. Die Termine laufen heute ab, man erwartet daher heute die Anordnung der Mobilmachung Deutschlands. Die Haltung Schwedens ist noch unbestimmt, ebenso diejenige Rumäniens. König Karol hat dem österreichisch-ungarischen Gesandten erklärt, die Einhaltung der Militärkonvention sei „so gut wie unmöglich"; dem deutschen Geschäftsträger, der ihm ein Telegramm des Kaisers Wilhelm mit der Mahnung zur Vertragstreue überreichte, hat der König ausweichend geantwortet und gesagt, er werde dem Kaiser direkt antworten. Mit der Türkei schweben Verhandlungen wegen der Insurgierung Neuserbiens. Bulgarien wünscht sich dem Dreibund anzuschliessen In Tokio wendet die Regierung den Ereignissen in Europa die grösste Aufmerksamkeit zu; ob sie die Allianz mit England für die Regelung der mandschurisch-mongolischen Frage hingeben wird, steht dahin. Kaiser Wilhelm hat gestern ein Telegramm in bewegten Worten an Kaiser Franz Joseph gerichtet; der Bitte, möglichst viele Streitkräfte gegen Russland ins Feld zu führen, wird sofort entsprochen, obwohl dadurch ein teilweiser Rücktransport von Truppen veranlasst wird. Private, die aus Italien kommen, berichten, dass die dortige Presse für das Halten der Bündnistreue spreche, die Bevölkerung auch, aber ohne jede Begeisterung. Tucher
179 Nr. 76
Die Gesandtschaft in Berlin an das Ministerium des Äussern Telephonische Mitteilung
Berlin, den 2. August 1914; 1200 mittags
Ultimatum in Petersburg übergeben. Bedingte Kriegserklärung wahrscheinlich von Russland unterschlagen und nicht an Botschaft gelangt. Weder Antwort noch Empfangsbestätigung eingetroffen. Da Feindseligkeiten an der Grenze begonnen, wird hier Kriegszustand angenommen, und sind russischem Botschafter Pässe zugestellt.
Nr. 77
Der Gesandte in Berlin an das Ministerium des Äussern Telegramm
Berlin, den 2. August 1914;
i 2 0 nachm.
Frankreich hat auf Ultimatum gestern 1 00 geantwortet, es müsse sich vorbehalten, seine Interessen zu wahren, hat um 500 mobilisiert. Kriegserklärung gegenüber Frankreich noch zurückgehalten, da dessen Stellung noch nicht ganz geklärt. Italien vorläufig neutral. England gibt ausweichende Antworten, Möglichkeit einer Neutralität andeutend, falls wir belgische Neutralität achten. Trotzdem wird hier angenommen, dass es sich zum Angriff auf uns entscheiden wird. Dänemark schielt nach England. Lerch enfeld Nr. 78
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 423
Berlin, den 2. August 1914 Angekommen 4. 8 . 1 4 .
Ich habe Ew. Exz. schon teils telephonisch, teils mit Chiffretelegramm ') über die Lage berichtet. Darnach ist die Hoffnung, dass England neutral und Italien auf Seite des Dreibundes bleiben wird, so ziemlich ganz geschwunden. In England wird wohl alles davon abhängen, ob man dort die Überzeugung gewinnt, dass die englische *) Siehe B, 76, 77.
12*
180 Geschäftswelt bei der bestehenden Unsicherheit mehr verliert als bei einem Kriege. Auch scheint mir, dass das Verlangen Englands, Deutschland solle die Neutralität Belgiens achten, vom militärischen Standpunkt aus kaum zu erfüllen ist. Ich bin zwar nicht in die Geheimnisse des Generalstabs eingeweiht, möchte aber annehmen, dass eine schnelle Abrechnung mit Frankreich auf einer anderen Linie kaum möglich sein dürfte. Italien hat damit begonnen, die Erfüllung des Art. 7 des Triplealliancevertrags zu verlangen, den es dahin auslegt, dass ihm bei Territorialveränderungen auf dem Balkan Kompensationen zustehen. Österreich hat diese Berechtigung zwar anfanglich bestritten, hat aber vor zwei Tagen die italienische Forderung anerkannt. Man hofft darnach in Wien, dass Italien nunmehr seine Verpflichtungen gegenüber den Alliierten erfüllen würde. Es scheint aber, dass die Furcht vor England in Rom die Oberhand gewonnen hat. Italien stellt sich auf den Ew. Exz. bereits geschilderten Standpunkt, dass der casus foederis nicht vorliege, weil Österreich angegriffen habe, und behält sich alles vor. Diese schmähliche Haltung wird auch in Italien empfunden. Der hiesige italienische Botschafter hat vor zwei Tagen bei Herrn von Jagow, als er solche Andeutungen zu machen hatte, geweint. Man kann heute sagen, dass bei dem bevorstehenden Krieg Deutschland und Österreich der ganzen Welt gegenüberstehen werden. Trotzdem ist die Stimmung der hiesigen militärischen Kreise eine absolut zuversichtliche. Bis heute waren die Entschlüsse von Heer und Flotte noch von dem Stande der diplomatischen Verhandlungen abhängig. Man wollte, wie ich chiffriert heute gemeldet habe, Frankreich und vor allem England die Rolle des Angreifers überlassen. Die von einem französischen Flieger in Nürnberg geworfene Bombe hat die Lage verändert, und es ist von jetzt an damit zu rechnen, dass nur mehr militärische Rücksichten entscheiden werden. Von morgen an wird die Auskundschaftung des französischen Aufmarsches durch Ballons und Flieger beginnen, und, wie verlautet, wird wohl auch der deutschen Flotte freie Hand gegeben werden. Ich nehme an, dass dann auch dem französischen Botschafter die Pässe zugestellt werden. Über eigentlich militärische Dinge nehme ich Abstand, in diesem Augenblick zu berichten. Das k. Kriegsministerium ist von allem unterrichtet und daher besser in der Lage, Ew. Exz. zu informieren. G. H. L e r c h e n f e l d P. S. Die Pässe werden noch nicht zugestellt, weil man weitere Angriffe abwarten will. Da die Mobilisation im Gange, wird auf diese Weise nichts versäumt.
181 Nr. 79
Der Gesandte in Wien an das Ministerium des Äussern Bericht 294
Wien, den 2. August 1914 Angekommen 17. 8. 14.
König Viktor Emanuel hat an Kaiser Franz Joseph telegraphiert, dass er auf Grund des Bündnisvertrages eine freundliche Neutralität beobachten werde. Botschafter Merey erklärt diese Haltung mit der zunehmenden Wahrscheinlichkeit, dass England sich an Frankreichs Seite stelle und damit, dass in diesem Falle die italienischen Küsten von den überlegenen französischen und englischen Flotten bedroht würden. Auch ist die italienische Armee, von der 60 OOO Mann in Syrien stehen, nicht in besonders gutem Stande, ferner fürchtet man den Sozialismus. Auf die Anregung der Kompensationsfrage war von hier aus geantwortet worden, dass man bereit sei, sie zu besprechen, wenn Österreich-Ungarn selbst sich Gebiet aneignen sollte. Man hofft hier, dass das Ausspringen Italiens England bewegen werde, neutral zu bleiben; über die Treulosigkeit Italiens herrscht in dem kleinen Kreise an Eingeweihten höchste Indignation. Die Bemühungen Englands, den Krieg zwischen Frankreich und Deutschland hintanzuhalten, dürften, selbst wenn sie aussichtsvoll gewesen, nach dem Bombenüberfall Nürnbergs durch französische Flieger erfolglos bleiben. Auf das 18 stündige Ultimatum hat Frankreich geantwortet: es werde tun, was seine Interessen erheischen. Die Nachrichten aus Bukarest lauten heute etwas günstiger. Bratianu hat dem Grafen Czernin nunmehr versichert, dass Rumänien die strengste Neutralität einhalten werde; wenn Russland diese verletze, werde es ihm den Krieg erklären. Man neigt auf dem Ballplatz der Ansicht zu, dass Rumänien schliesslich doch auf die Seite des Dreibunds treten werde. Österreich-Ungarn wird Russland den Krieg in 2 bis 3 Tagen erklären, wenn die Feindseligkeiten nicht früher ausbrechen.
Tucher
182 Nr. 80
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 427
Berlin, den 4. August 1914
Ich habe nur zu melden, dass die Türkei sich Deutschland anschliesst x ) und einige Korps mobil macht. Auch Bulgarien scheint entschlossen, mit Österreich gemeinsame Sache zu machen. Der Vertrag ist noch nicht geschlossen. Dies könnte militärisch Österreich wesentlich erleichtem. Holland ist die Neutralität von uns zugesichert. Die Neutralität Belgiens kann Deutschland nicht respektieren. Der Generalstabschef hat erklärt, dass selbst die englische Neutralität um den Preis einer Respektierung Belgiens zu teuer erkauft wäre, da der Angriffskrieg gegen Frankreich nur auf der Linie Belgiens möglich. Reichstagseröffnung im Weissen Saal und Reichstagssitzung waren im höchsten Grade erhebend. Selbst im Jahre 1870 hat die Begeisterung, für die gerechte Sache zu kämpfen, sich nicht so elementar und einmütig gezeigt. Die Durchführung der Mobilisation und der Aufmarsch verläuft ausgezeichnet. Generalstab und Kriegsministerium haben noch nicht eine Anfrage von irgend einer Seite erhalten. Jeder weiss, was er zu tun hat. Ich muss annehmen, dass unsere Haltung gegenüber Belgien Bruch mit England im Gefolge hat. G. H. L e r c h e n f e l d
Nr. 81
Der Gesandte in Paris an den König Im französischen Zuge von Paris, den 4. August 1914 Angekommen 8. 8. 14.
Mit Beginn der französischen Mobilmachung begegnete die Aufgabe chiffrierter Depeschen Schwierigkeiten. Mehrere Postämter lehnten meine Depeschen ab. Ich habe hierüber bei dem Gesandten Martin im Protokoll Beschwerde geführt, der dieselbe für begründet erachtete und sofort Unterzeichnung des Bündnisvertrags mit Türkei 300 nachm. telegraphisch nach München gemeldet.
am 4. August
183 Abhilfe versprach. E r führte das Verhalten der Postämter auf eine Unterbrechung der telegraphischen Verbindungen zurück. Am 3. August vormittags sah ich mich genötigt, meine Wohnung zu verlassen und mich mit dem Personal der Gesandtschaft auf die Kaiserliche Botschaft zurückzuziehen, weil die Bevölkerung eine drohende Haltung anzunehmen begann. Die Schlüssel der Gesandtschaft und die politischen Akten habe ich der amerikanischen Botschaft übergeben. Der Gesandte Martin versprach, den Polizeipräfekten um polizeiliche Überwachung meiner Wohnung und der Kanzlei während meiner Abwesenheit angehen zu wollen. Die Botschaft mit ihrem Vorhof glich einem Biwak. Sie war mit weinenden Müttern und Kindern angefüllt. Hunderte von Gepäckstücken lagen auf dem Hofe umher. Die Angestellten der Botschaft und des Generalkonsulats wohnten bereits seit mehreren Tagen in den Kanzleiräumen der Botschaft. Ich habe bis zum letzten Augenblick, namentlich bei meinem letzten politischen Gespräch mit dem Gesandten Martin am 2. August abends, den Eindruck gehabt, dass die französische Regierung den Krieg um jeden Preis vermieden haben wollte. Auf die von der französischen Presse offenbar stark übertriebenen angeblichen Grenzverletzungen deutscher Truppen hin riet ich Herrn Martin, sich erst durch eine offizielle Nachfrage von deren Richtigkeit zu überzeugen. Diese Anfrage erfolgte denn auch am 2. August abends in Berlin unter gleichzeitiger Mitteilung an die Botschaft in Paris. Namentlich die Verletzung der Neutralität Luxemburgs schien Herr Martin als Anzeichen des von Deutschland gewollten Krieges zu deuten. Die Depeschen der Botschaft kamen meist sehr verstümmelt an. In der letzten Depesche, mit welcher der Kaiserliche Botschafter beauftragt wurde, seine Pässe zu fordern, waren nicht weniger als 10 Gruppen unverständlich. Der kritische Auftrag wegen Abbruchs der Beziehungen traf spät nachmittags am 3. August ein. Er wurde Punkt 6 Uhr ausgeführt. Bei diesem Anlass kündigte der Kaiserliche Botschafter auch die bevorstehende Abreise der Königlichen Gesandtschaft an. Den letzten telegraphischen Erlass des Auswärtigen Amtes und die darauf an die französische Regierung gerichtete Note hat mir der Kaiserliche Botschafter nur dem Inhalte nach mitgeteilt. Bei Herrn Viviani habe ich in Ermangelung eines Auftrags keine Erklärung abgegeben; dagegen habe ich dem Kabinettschef Herrn de Marguerie meine bevorstehende Abreise schriftlich angekündigt. Ausserdem habe ich den Gesandten Martin gebeten, diesbezüglich mich in Anbetracht der Kürze der Zeit bei dem Conseilpräsidenten Viviani entschuldigen zu wollen.
184 Die Bevölkerung vor der Botschaft hatte inzwischen eine recht drohende Haltung angenommen und als der Kaiserliche Botschafter sich zur Ausfuhrung seines Auftrags auf das Ministerium des Äussern begab, sprang ein verdächtig aussehendes Individuum auf den Wagen des Botschafters. E s nahm darauf ein Geheimpolizist neben dem Botschafter Platz. Der Conseilpräsident Herr Viviani nahm die Erklärung des Botschafters in Gegenwart des Kabinettschefs Gesandten de Marguerie mit Ruhe entgegen. E r bemerkte dem Kaiserlichen Botschafter gegenüber, dass er von den französischen Grenzüberschreitungen und den Fliegerattentaten in Nürnberg und anderswo keine Kenntnis habe und dass jedenfalls die deutschen Grenzverletzungen zeitlich den französischen vorangegangen wären. In dieser Hinsicht hatte mich Herr Martin tagszuvor darauf aufmerksam gemacht, dass die französischen Truppen absichtlich, um Grenzkonflikte zu vermeiden, zehn Kilometer von der Grenze entfernt gehalten worden wären, während die deutschen Truppen offenbar dicht an der Grenze selbst stünden. Die Zusendung der Pässe für die Mitglieder der Botschaft, der Gesandtschaft und des Generalkonsulats erfolgte um 7 Uhr durch den Chef des Protokolls, Gesandten Martin. Die Abfahrt verlief in grösster Ordnung gegen 10 Uhr von dem auch bei Fürstenbesuchen meist benützten Bahnhof an der Porte Dauphine. Der Transport zu der Bahn erfolgte durch zahlreiche Omnibusse der Eisenbahngesellschaften und grosse Fourgons. Alles spielte sich programmgemäss ab. Auf dem Bahnhof hatte sich der Gesandte Martin eingefunden. E r erzählte mir bei dieser Gelegenheit, dass die französischen Vertreter in Deutschland um 7 Uhr, also 1 Stunde nach der Kriegserklärung, angewiesen worden wären, ihre Pässe zu erbitten. Die französische Regierung hat einen sehr schönen Sonderzug mit 2 grossen Salonwagen für die Reise zur Verfügung gestellt. Gesandter Martin wusste nicht, welchen Weg wir einschlagen würden. E r sagte, es stehe hierüber die Entscheidung ausschliesslich dem Kriegsministerium zu. Der Zug nahm den W e g über Brüssel, Breda, Münster, Hannover und langte am 5. August 7 Uhr früh in Berlin an. Zur Bedienung und Rückbeförderung des Zuges sind 2 französische Bahnbeamte bis nach Berlin mitgefahren. Die belgische und holländische Bevölkerung verhielt sich bei dem Passieren des Zuges sehr zurückhaltend. Die Stationen und Brücken waren durchwegs militärisch besetzt. Auf deutschem Gebiet angelangt, wurde der Zug auf jeder Station mit Gesang und Jubelruf begrüsst.
185 A m 2. August nachmittags 2 Uhr sagte mir der österreichische Botschafter Graf Scézen noch, dass er seit Tagen ohne jegliche Nachrichten aus Wien sei. Dagegen versicherte er mir ausdrücklich, dass die österreichische Regierung die „politische Souveränität" Serbiens im Sinne der mir von Herrn Iswolsky gemachten Bemerkungen anzuerkennen sich verpflichtet habe und dass er der französischen Regierung eine entsprechende Mitteilung gemacht habe. Ich wollte dieses sofort Herrn Iswolsky mittels Privatbriefs bei Beantwortung eines Schreibens wegen Ermittelung des Aufenthalts von Madame Iswolsky mitteilen und hatte bereits das Schreiben aufgesetzt. Der Kaiserliche Botschafter bat mich aber davon Abstand zu nehmen, weil er fürchtete, Herr Iswolsky möchte ein solches Schreiben zum Nachteil der deutschen Politik verwerten. Ich habe nach wie vor den Eindruck, dass Missverständnisse über die Frage der „Indépendance" von Serbien zwischen Österreich und Russland obgewaltet haben müssen, deren rechtzeitige Aufklärung den rollenden Stein vielleicht noch aufgehalten hätte. Dies scheint mir auch aus dem alleruntertänigst hier angeschlossenen Telegramm Seiner Majestät des Kaisers an den Zaren vom 2g. vor. Mts. 1 ) hervorzugehen, in welchem nur von einer Erklärung des österreichischen Kabinetts über n i c h t b e a b s i c h i g t e t e r r i t o r i a l e E r o b e r u n g e n auf K o s t e n S e r b i e n s d i e R e d e ist. In Ägypten, Marokko und in allen Protektoraten hat aber nach Herrn Iswolsky auch niemals eine territoriale Eroberung auf Kosten des fraglichen Landes stattgefunden. Gerade deshalb bestehe Russland auf umfassendere Zusicherungen zugunsten Serbiens und auf der Anerkennung seiner „Indépendance". Diese Zustimmung hoffte die französische Regierung und Herr Iswolsky durch Vermittelung des Deutschen Kaisers von Österreich der russischen Regierung abgegeben zu sehen. Noch ist es Zeit, falls wirklich ein Missverständnis vorgelegen haben sollte, etwa Versäumtes nachzuholen, nachdem die Beziehungen zwischen Österreich und Russland noch nicht abgebrochen sind und Graf Scézen vor einigen Tagen behauptete, eine „ a n a l o g e Versicherung" bei der französischen Regierung abgegeben zu haben. Vielleicht liesse sich unter diesen Umständen doch noch in letzter Stunde von deutscher Seite in Österreich ein Druck ausüben, damit die von Russland gewünschte Erklärung über die Erhaltung der „Indépendance" von Serbien auch offiziell in Petersburg erfolge. Ritter *) Dem Bericht liegt eine Wiedergabe des Telegramms bei, vgl.: Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch II. Bd. Nr. 359.
186 Nr. 82
Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Bericht 431
Berlin, den 5. August 1914
Nachdem der Reichskanzler in der Reichstagssitzung von 3 Uhr unsere Haltung Belgien gegenüber angekündigt hatte, erschien der englische Botschafter im Reichstagsgebäude, um Staatssekretär Jagow mitzuteilen, dass England den Bruch der belgischen Neutralität nicht hinnehmen könne. Herr von Jagow setzte Sir Edward Goschen auseinander, dass die militärischen Erwägungen es Deutschland unmöglich machten, dem Verlangen Englands zu entsprechen, und gab im übrigen die Zusicherung, dass Deutschland den Bestand Belgiens nicht antasten wolle. Eine Stunde später erschien der Botschafter im Auswärtigen Amt, um seine Pässe zu verlangen. *) Der Bruch mit England ist sonach Tatsache. Die Rede Greys hatte übrigens über die Absichten Englands keinen Zweifel mehr gelassen. Diese Vorgänge hat bedauerlicherweise das „Berliner Tageblatt" durch ein Extrablatt bekanntgemacht. Die Volksmenge, die jetzt jeden Abend Unter den Linden versammelt ist, und gestern wegen der Abreise des französischen Botschafters auch den Pariser Platz dicht besetzt hatte, zog jetzt vor die Englische Botschaft, um zu demonstrieren, schlug dort alle Fenster ein und wollte das Haus stürmen. Dies wurde noch rechtzeitig von rasch herbeigeholten Polizeimannschaften verhindert. Dass der Tumult nicht bei Beginn unterdrückt werden konnte, lag daran, dass die Polizei vor der Englischen Botschaft anfanglich nur wenig Mannschaft versammelt hatte, da sie dort auf Unruhen nicht gefasst war. Der Pariser Platz vor der Französischen Botschaft war gut besetzt. Dort sind bei der Abreise des Botschafters keine Ausschreitungen vorgekommen. Als das Auswärtige Amt von dem Tumult vor der Englischen Botschaft erfuhr, eilte Herr von Jagow sofort dorthin, um dem Botschafter Entschuldigungen zu machen. Dass die Mitglieder der Botschaft eine provozierende Haltung eingenommen hätten, wie einzelne Zeitungen melden, ist nicht richtig. Über den Einmarsch in Belgien ist hier keine Nachricht bekanntgegeben worden. Ohne Zweifel wird aber auch der belgische Gesandte seine Pässe verlangen und erhalten. Holland hat, wie ich schon gemeldet, auf die deutscherseits gegebene Zusicherung der Achtung seiner Neutralität seinerseits Neutralität zugesichert. Auch Dänemark hat sich neutral erklärt. x)
Telephonisch schon am 4. August nachm. mitgeteilt.
187 Im übrigen habe ich im Auswärtigen Amt noch folgendes erfahren: Der österreichische Aufmarsch an der russischen Grenze ist nahezu vollendet. Man erwartet die österreichische Kriegserklärung an Russland für heute. Österreich hat hier mitgeteilt, dass es jedem russischen Angriff an seiner Grenze völlig gewachsen und sogar numerisch der gegen Galizien versammelten Armee überlegen sei. Die Frage, ob Österreich auch Frankreich und England den Krieg erklären soll, wird noch erwogen. Militärisch scheint sie von keiner Bedeutung. Unangenehm wäre nur das Verbleiben der Vertretungen dieser Staaten in Wien. Was die gestern schon angekündigte deutschlandfreundliche Haltung Bulgariens und der Türkei 1 ) betrifft, so sagte man mir heute, dass die Verhandlungen hierüber noch nicht abgeschlossen seien. Dieser Bericht sowie alle künftigen schriftlichen Mitteilungen werden Ew. Exz. erst 47 Stunden nach der Absendung zukommen, da bis auf weiteres nur ein einziger Zug, und zwar um 8 Uhr 57 Min. abends nach München abgelassen wird, der am übernächsten T a g um 7 Uhr 28 Min. abends dort ankommt. G. H. L e r c h e n f e l d
Nr. 83 Der Gesandte In Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate Berlin, den 5. August 1914 Hochverehrter Freund 1 Soeben erfahre ich, dass der Generalstabschef Generaloberst von Moltke sich heute über die Lage wie folgt ausgesprochen hat. Er wisse auf das bestimmteste, dass zwischen Russland, Frankreich und England ein Angriffskrieg gegen Deutschland für das Jahr 1917 abgemacht war und vorbereitet wurde. Als Leiter der Machenschaft betrachtet Moltke Russland. Man könne es als ein Glück betrachten, dass durch den Mord in Serajewo die von den drei Mächten angelegte Mine schon in einem Zeitpunkt aufgeflogen sei, in dem Russland nicht fertig, und die französische Armee sich in einem Übergangsstadium befinde. Gegen die drei vollkommen gerüsteten Staaten würde Deutschland einen schweren Stand gehabt haben. Den Krieg gegen Russland und Frankreich, wie wir ihn jetzt zu führen hätten, sei Deutschland, wenn nicht ein besonderes Unglück Siehe B, 80.
188 geschehe, zu bestehen stark genug. Der Zutritt Englands zu den Gegnern erschwere ohne Zweifel unsere Lage, weil die Verproviantierung der Zivilbevölkerung, wenn der Kampf länger dauern sollte, schwierig werden könnte. Dieser Punkt flöße ihm eine gewisse Sorge ein. Trotzdem habe er entschieden abgeraten, die englische Neutralität um den Preis der Schonung des belgischen Territoriums zu erkaufen, auch wenn dies möglich gewesen wäre, was er nicht glaube. Der Angriff vom Reichsland würde der deutschen Armee volle drei Monate gekostet und Russland einen solchen Vorsprung gegeben haben, dass dann auf einen Erfolg auf beiden Fronten nicht zu rechnen gewesen wäre. Wir müssten über Belgien gleich mit aller Macht auf Paris losgehen, um mit Frankreich rasch abzurechnen. Das sei der einzige Weg zum Siege. Generaloberst Moltke teilte dann noch mit, dass bisher nur unbedeutende Gefechte in Belgien stattgefunden hätten. Morgen aber werde Lüttich besetzt werden, das befestigt sei und Verluste kosten werde. Ein Teil der deutschen Armee sei bereits in Frankreich einmarschiert. Über die Lage auf dem östlichen Kriegsschauplatz erfahre ich von anderer Seite, dass die Erwartung, Russland werde gleich mit grossen Kavalleriemassen einrücken, nicht eingetroffen ist. A n einzelnen Stellen ist Kavallerie, auch eine Kavallerie-Division, über die Grenze gekommen, aber leicht zurückgeschlagen worden. Auch die anderen Gefechte bei Kaiisch und Tschenstochau sind für uns gut abgelaufen. Das alles ist aber ohne Bedeutung. Die Entscheidung wird wohl in nicht zu langer Zeit im Norden Frankreichs fallen. G. H. L e r c h e n f e l d
C. Ergänzungen und Nachträge
I
Der Münchener Prozeß um Eisners „Schulddokumente". i. Vom 27. April bis zum 11. Mai 1922 fand vor dem Amtsgerichte
München I
unter
dem
Vorsitze
des
Amtsgerichtsrats
Frank ein Prozeß statt, bei dem die Eisnersche Veröffentlichung und die Frage, ob es sich dabei um eine Fälschung handle, im Mittelpunkte der Verhandlung stand. Den Anlaß gab eine Beleidigungsklage, die der Kaufmann Felix Fechenbach, der ehemalige Privatsekretär und
Vertraute
des Ministerpräsidenten Eisner, gegen den Herausgeber der „ S ü d deutschen Monatshefte" Professor Nikolaus Coßmann und gegen die Schriftleiter Emanuel Müller der „Münchner Neuesten Nachrichten", Joseph Osterhuber des „Bayerischen Kurier", Dr. Konrad Adelmaier vom „Bayerischen
Vaterland"
angestrengt
hatte.
Die „Süddeutschen Monatshefte" hatten nämlich in
ihrem
Julihefte 1921 in einem Aufsatz ausgeführt, die Veröffentlichung Kurt Eisners über den Bericht des bayerischen Gesandten in Berlin vom 18. Juli 1914 (richtig über den Bericht des Herrn von Schoen) sei eine bewußte und absichtliche Fälschung.
Dazu war in einer
Fußnote des Herausgebers bemerkt, Frau Eisner sage, ihr Mann habe die Fälschung gar nicht begangen, sondern sein
Sekretär
Fechenbach; ihr Mann habe nur seinen Namen darunter gesetzt. Wegen dieser Bemerkung, die in den oben genannten Blättern nachgedruckt war, hatte Fechenbach Klage gegen die verantwortlichen Schriftleiter erhoben. Der Vorsitzende Richter bezeichnete als Gegenstand der Verhandlung die Fragen: 1. Liegt eine Fälschung vor und war diese Fälschung von nachteiligen Folgen für den Friedensschluß? 2. Hat der Privatkläger die Fälschung begangen?
192 E s lag in der Natur der Sache, daß im Rahmen dieser Fragestellung die Kriegsschuldfrage im allgemeinen, vornehmlich die gegen Deutschland in Versailles erhobene Anklage, erörtert werden mußte. Besonders in den Gutachten der von den Parteien geladenen Sachverständigen ist das in einer Weise geschehen, die größte Beachtung verdient. Die Verhandlung stellte eine Fülle •wichtigster Gesichtspunkte und Tatsachenbestände in helles Licht 1 ). Von Anfang bis zu Ende verlief sie strenge auf der festen Unterlage unzweifelhafter Dokumente und Zeugenaussagen. Außer den Farbbüchern, außer den großen amtlichen deutschen und österreichischen Aktenpublikationen, den Enthüllungen aus russischen Archiven, den verschiedenen Memoirenwerken deutscher und ausländischer politischer Persönlichkeiten, diente als urkundliches Hilfsmittel hauptsächlich auch die damals in erster Ausgabe vorliegende Publikation der „Bayerischen Dokumente" 2 ). Mit Genugtuung kann gesagt werden, daß in der fünfzehntägigen Verhandlung der Inhalt dieses Urkundenbuches seine volle Bestätigung fand. E s erwies sich gegen jede Anzweiflung und Kritik als hieb- und stichfest und wurde auch von der Klagspartei als einwandfrei anerkannt. Im Prozeß ergab sich, daß Frau Eisner die ihr zugeschriebene Äußerung, Fechenbach sei der eigentliche Macher der Veröffentlichung gewesen, nicht getan hat. Doch hat Fechenbach insoweit mitgewirkt, als er am 23. November 1 9 1 8 die Veröffentlichung in den Räumen der Bayerischen Gesandtschaft in Berlin nach dem Diktate Eisners niederschrieb. Dieser Umstand rechtfertigte nach der Anschauung des Gerichts noch nicht, auch den Privatkläger der Fälschung zu bezichtigen. Jedoch billigte das Urteil den Beklagten die Wahrung berechtigter Interessen zu. E s erachtete in diesem Falle die eigenen Interessen der Beklagten mit dem öffentlichen Interesse für un!) Über die Verhandlung liegt ein stenographischer Bericht bei den Gerichtsakten. Das Maiheft 1922 der „Süddeutschen Monatshefte" enthält eine teils wörtliche, teils auszugsweise Wiedergabe, namentlich auch der Gutachten der Sachverständigen. 2
) Als Ergänzung kam auch die Abhandlung „Auswärtige Politik Kurt Eisners und der Bayerischen Revolution" von Dr. Dirr zur Geltung, die gleichsam als Kommentar zu dem Urkundenband im Aprilheft 1921 der „Süddeutschen Monatshefte" erschienen war.
193 trennbar verknüpft: „ D a s Friedensdiktat von Versailles trifft jeden Deutschen. Jeder Deutsche spürt die Wirkungen des Diktats tagtäglich am eigenen Leibe. Jeder Deutsche hat daher das Recht, nach Maßgabe seiner Fähigkeiten zu versuchen, auf eine Änderung des Diktats hinzuwirken. Dazu gehört die Entkräftung von unrichtigen Veröffentlichungen, die die Gegner zum Beweise der Urheberschaft Deutschlands am Kriege, des Grundes des Schuldspruches, mitverwendet haben." Demgemäß wurden die Beklagten freigesprochen mit Ausnahme Adelmaiers, der mit einer Geldstrafe belegt wurde, weil er in seiner Zeitung über die Wahrung berechtigter Interessen hinaus den Privatkläger mit ehrverletzenden Vorwürfen bedacht hatte. *
*
*
Die U r t e i l s b e g r ü n d u n g faßt die Ergebnisse der Verhandlung zusammen. Indem sie an der Hand derselben die A r t , den Z w e c k und die Bedeutung der Eisnerschen T a t erläutert, gewinnt sie selbst die Eigenschaft eines wichtigen Dokuments. Nachstehend tolgen daher die betreffenden Abschnitte im Wortlaut:
Gründe.1) 1. In Artikel 2 3 1 des am 28. Juni 1919 in Versailles unterzeichneten Friedensvertrags zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten ist bestimmt: Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben (Reichsgesetzblatt 1919, S. 985). 2. Der durch die Revolution zur Macht gelangte Schriftsteller K u r t E i s n e r hat am 23. November 1 9 1 8 in den Räumen der bayerischen Gesandtschaft in Berlin dem Privatkläger, seinem Sekretär, eine Mitteilung diktiert, die sich mit einem B e r i c h t des b a y e r i s c h e n G e s c h ä f t s t r ä g e r s v o n S c h o e n an den Vorsitzenden im bayerischen Ministerrate Grafen von Hertling vom 18. Juli 1914, einer F e r n s p r e c h m e l d u n g der b a y e r i s c h e n G e s a n d t s c h a f t in Berlin vom 3 1 . J u l i 1914, 7 Uhr 45 Minuten vormittags, einer s o l c h e n vom 3 1 . Juli 1914, 8 Uhr nachmittags, und einem B e r i c h t e des b a y e r i s c h e n G e s a n d t e n G r a f e n v o n L e r c h e n f e l d vom 4. August 1 9 1 4 an den Vorsitzenden im Ministerrate befaßte. L
) Sperrungen vom Herausgeber. 13
194 Die Mitteilung beginnt: „Der bayerische Ministerpräsident und Minister des Äußern Eisner hat vor kurzem bei der Reichsregierung den Antrag gestellt, die Akten über den Kriegsursprung zu veröffentlichen. Diese Anregung war durch die Einsicht veranlaßt, daß nur durch die volle Wahrheit jenes Vertrauensverhältnis zwischen den Völkern hergestellt werden könnte, das Voraussetzung für einen Frieden der Völkerversöhnung ist. Der bayerische Ministerpräsident wird seinerseits bemüht sein, aus den diplomatischen Urkunden des bayerischen Dienstes aufklärende Beiträge zur Vorgeschichte des Weltkriegs zu veröffentlichen. Vorerst seien aus den Berliner Gesandtschaftsberichten des Grafen Lerchenfeld einige Einzelheiten mitgeteilt." Die Berichte, die Femsprechmeldungen und die Mitteilung Eisners sind in dem Buche „Bayerische Dokumente zum Kriegsausbruch und zum Versailler Schuldspruch, im Auftrage des Bayerischen Landtags bearbeitet vom Abgeordneten Dr. P. D i r r , München 1 9 2 2 " , ihrem Wortlaute nach wiedergegeben; die Berichte und die Fernsprechmeldungen bilden die Anlage 1, die Mitteilung Eisners die Anlage 2 des Urteils; sie werden hieher bezogen1). Die Mitteilung Eisners ist am 24. November 1918 im „Berliner Tageblatt", an den folgenden Tagen in einer Reihe anderer Zeitungen, am 26. November 1 9 1 8 insbesondere auch in Nr. 275 der „ B a y e r i s c h e n S t a a t s z e i t u n g " als a m t l i c h e V e r ö f f e n t l i c h u n g der K o r r e s p o n d e n z H o f f m a n n erschienen. 3. [Abschnitt 3 der „Gründe" behandelt die Zeitungsaufsätze, die den Anlaß der Privatklage bildeten.] 4. Die V e r ö f f e n t l i c h u n g E i s n e r s ist, wie die Vergleichung der beiden Anlagen des Urteils ergibt, keine w o r t g e t r e u e W i e d e r g a b e der B e r i c h t e u n d F e r n s p r e c h m e l d u n g e n . a) In der Veröffentlichung ist der Bericht vom 18. Juli 1 9 1 4 als ein Bericht des bayerischen Gesandten Grafen von Lerchenfeld bezeichnet, während er ein Bericht des Geschäftsträgers von Schoen ist. Diese Bezeichnung verlieh mit Rücksicht auf das große Ansehen des Grafen von Lerchenfeld in der diplomatischen Welt dem Berichte ein besonderes Gewicht. In der Veröffentlichung ist unterdrückt, daß sich der Bericht auf die von der österreichisch-ungarischen Regierung beabsichtigte A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t S e r b i e n bezieht. In der Veröffentlichung sind alle Teile des Berichts, in denen die Voraussetzungen für die Möglichkeit der L o k a l i s i e r u n g d e s K r i e g e s , die beabsichtigten Maßnahmen der Reichsregierung zur Herbeiführung der Lokalisierung erörtert werden, weggelassen, so insbesondere die Stellen: „Wie sich die anderen Mächte zu einem kriegerischen Konflikt zwischen Österreich und Serbien stellen werden, wird nach hiesiger Auffassung wesentlich davon abhängen, ob Österreich sich mit einer Züchtigung Serbiens begnügen oder auch territoriale Entschädigungen Siehe oben Seite 3 — 1 6 .
195 für sich fordern wird, im ersteren Falle dürfte es gelingen, den Krieg zu lokalisieren, im anderen Falle dagegen wären größere Verwicklungen wohl unausbleiblich. Im Interesse der Lokalisierung des Krieges wird die Reichsleitung sofort nach der Übergabe der österreichischen Note in Belgrad eine diplomatische Aktion bei den Großmächten einleiten. Sie wird geltend machen, daß es im gemeinsamen Interesse aller monarchischen Staaten liege, wenn das Belgrader Anarchistennest einmal ausgehoben werde, und sie wird darauf hinarbeiten, daß die Mächte sich auf den Standpunkt stellen, daß die Auseinandersetzung zwischen Österreich und Serbien eine Angelegenheit dieser beiden Staaten sei. Von einer Mobilmachung deutscher Truppen soll abgesehen werden, und man will auch durch unsere militärischen Stellen dahin wirken, daß Österreich nicht die gesamte Armee und insbesondere nicht die in Galizien stehenden Truppen mobilisiere, um nicht automatisch eine Gegenmobilisierung Rußlands auszulösen, die dann auch uns und danach Frankreich zu gleichen Maßnahmen zwingen und damit den europäischen Krieg heraufbeschwören würde." In der Veröffentlichung wird die Weglassung dieser, den wahren Sachverhalt grell beleuchtender Stellen, durch die kurze, nichtssagende, und geringschätzige Bemerkung „Es wird dann in diesem Berichte des Grafen Lerchenfeld an den Grafen Hertling weiter über die diplomatische Aktion Deutschlands geplaudert" angedeutet. In der Veröffentlichung sind weiter weggelassen die Stellen: „Entscheidend für die Frage, ob die Lokalisierung des Krieges gelingen wird, wird in erster Linie die Haltung Rußlands sein. Will Rußland nicht auf alle Fälle den Krieg gegen Österreich und Deutschland, so kann es in diesem Falle — und das ist das Günstige der gegenwärtigen Situation — sehr wohl untätig bleiben und sich den Serben gegenüber darauf berufen, daß es eine Kampfweise, die mit Bombenwerfen und Revolverschüssen arbeite, ebensowenig wie die anderen zivilisierten Staaten billige. Dies insbesondere, solange Österreich nicht die nationale Selbständigkeit Serbiens in Frage stellt. England wird Österreich nicht hindern, Serbien zur Rechenschaft zu ziehen; nur eine Zertrümmerung des Landes wird es kaum zulassen, vielmehr — getreu seinen Traditionen—vermutlich auch hier für das Nationalitätenprinzip eintreten." Aus all diesen weggelassenen Teilen u n d S t e l l e n g e h t h e r v o r , d a ß D e u t s c h l a n d wohl die G e f a h r des W e l t k r i e g e s e r k a n n t h a t , d a ß es den W e l t k r i e g a b e r n i c h t g e w o l l t h a t , d a ß es s e i n e n A u s b r u c h zu h i n d e r n b e s t r e b t w a r , d a ß es eine L o k a l i s i e r u n g des Krieges h e r b e i z u f ü h r e n sich bemühte. In der Veröffentlichung sind weiter weggelassen die S t e l l e n über die vermutliche Haltung Italiens, Bulgariens, Rumäniens, Griechenlands und Montenegros, die wieder erkennen lassen, d a ß in dem Ber i c h t e n u r an e i n e n l o k a l i s i e r t e n K r i e g z w i s c h e n ö s t e r r e i c h U n g a r n u n d S e r b i e n g e d a c h t ist.
13»
196 In der Veröffentlichung sind endlich die S t e l l e n über die wahrscheinliche Ablehnung der in dem Berichte nur mit 3, nicht, weil damals noch unbekannt, mit 10 Punkten angegebenen österreichischen Note durch Serbien, über die daraus sich ergebende Folge des Krieges, über das deutsche Einverständnis, daß Österreich die günstige Stunde nütze, selbst auf die Gefahr weiterer Verwickelungen, über die unangenehme Empfindung der Wiener Stellen darüber, daß Österreich von deutscher Seite nicht zur Vorsicht und Zurückhaltung gemahnt worden sei, über den deutschen Standpunkt, man hätte es in Berlin lieber gesehen, wenn mit der Aktion gegen Serbien nicht so lange gewartet würde und der serbischen Regierung nicht die Zeit gelassen würde, etwa unter russisch-französischem Druck von sich aus eine Genugtuung anzubieten, in der Hauptsache g e s p e r r t g e d r u c k t , obwohl diese Stellen in dem Berichte nicht äußerlich hervorgehoben sind, und ohne daß ersichtlich gemacht ist, von wem die Sperrung herrührt. Durch diese Sperrungen wird der sich aus dem Berichte sonst nicht ergebende Eindruck hervorgerufen, Deutschland habe den Weltkrieg gewünscht. b) In der Veröffentlichung der F e r n s p r e c h m e l d u n g vom 3 1 . J u l i 1 9 1 4 früh ist der überaus wichtige Satz: „Eine Antwort auf die gemeinsame Demarche Englands und Deutschlands ist aus Wien bis nachts 1 2 Uhr nicht eingelaufen gewesen" unterdrückt und nur erwähnt, „daß die zweifellos redlichen Bemühungen Greys, für die Erhaltung des Friedens zu wirken, den Gang der Dinge nicht aufhalten werden..." Damit wird verschwiegen, daß es gerade auch Deutschland war, das sich ernstlich darum bemüht hat, den Ausbruch des Weltkrieges zu verhindern. c) In der Veröffentlichung der F e r n s p r e c h m e l d u n g vom 3 1 . J u l i 1 9 1 4 abends sind bei der Ausführung: „Die Ultimata nach Petersburg, Anfrage nach Grund der Mobilisierung, Paris, Anfrage, ob neutral bleibt. Beide werden selbstverständlich ablehnend beantwortet werden" das Wort „selbstverständlich" und bei der Ausführung: „Preußischer Generalstab rechnet damit, Frankreich in vier Wochen niederwerfen zu können", die Worte „Frankreich in vier Wochen" gesperrt gedruckt. Damit wird wiederum der aus der Fernsprechmeldung sonst nicht zu entnehmende Eindruck erweckt, Deutschland habe den Weltkrieg ersehnt. d) In der nur zum Teil erfolgten Veröffentlichung des B e r i c h t e s v o m 4. A u g u s t 1 9 1 4 sind bei der Ausführung: „Die Neutralität Belgiens kann Deutschland nicht respektieren. Der Generalstabschef hat erklärt, daß selbst die englische Neutralität um den Preis einer Respektierung Belgiens zn teuer erkauft wäre, da der Angriffskrieg gegen Frankreich nur auf der Linie Belgien möglich", die zwei Silben „Angriffs" gesperrt gedruckt.
197 Damit wird der Glaube erweckt, Deutschland habe schlechthin einen Angriffskrieg gegen Frankreich führen wollen, während bei Unterbleiben des Sperrdruckes zu erkennen ist: In dem nun einmal ausgebrochenen Kriege führt Deutschland seine Verteidigung dadurch, daß es nunmehr Frankreich angreift und damit den Krieg zu gewinnen hofft. Die A r t , wie Eisner die Berichte und die Fernsprechmeldungen veröffentlicht hat, ist nach all dem eine unrichtige Wiedergabe, die den Sinn des Inhalts der Urkunden entstellt, ihn teilweise sogar in sein Gegenteil verkehrt. 5. Eisner hat, als er die Mitteilung dem Privatkläger diktierte, eine mit dem vollen Namen des Geschäftsträgers von Schoen gezeichnete Abschrift des Berichts vom 18. Juli 1914 in Händen gehabt. Die Möglichkeit, daß er im Eifer die Unterschrift nicht beachtet hat, daß er deshalb den Bericht für einen Bericht des Grafen Lerchenfeld hielt, kann nicht vollständig ausgeschaltet werden. Die übrige irreführende Art der Wiedergabe der Berichte und Fernsprechmeldungen hat Eisner bewußt und absichtlich gewählt. Nach der Behauptung des Privatklägers war Eisner, als er die Veröffentlichung vornahm, der Meinung, Deutschland trage die Alleinschuld am Kriege. Eisner war auf Grund eigener Erwägungen, die durch Einflüsterung Anderer, insbesondere des durch ein Telegramm vom 17. November 1918 (Dr. Dirr, Bayerische Dokumente, S. 39) zu einem vollen und offenen Bekenntnis der Schuld der deutschen Regierung ratenden George D. Herron bestärkt worden, der Auffassung, ein Schuldbekenntnis bringe Deutschland einen besseren Frieden. Er wollte deshalb mit seiner Veröffentlichung ein Schuldbekenntnis abgeben. E r faßte demgemäß die Veröffentlichung in einer Art ab, daß sie ein Schuldbekenntnis wurde, obwohl die Berichte und die Fernsprechmeldungen ein Schuldbekenntnis nicht w aren. Er änderte damit Urkunden, die das, was er wollte, nicht bewiesen, in der Veröffentlichung in einer Weise um, daß sie das, was er wollte, mehr oder weniger zu beweisen geeignet wurden. Auch wenn er das, was er beweisen wollte, für wahr hielt, durfte Eisner doch nicht in dieser Art verfahren. Eisner hat mit der Veröffentlichung nebenher noch den weiteren Zweck verfolgt, die Revolution zu sichern. Der von ihm zum Gesandten in Berlin ernannte Privatgelehrte Dr. Mückle vertrat in einem an Eisner gerichteten Briefe vom 19. November 1918 die auch von Maximilian Harden geteilte Meinung: Es müsse, um die versinkende Flamme des revolutionären Geistes zu beleben, unter anderen die sofortige Veröffentlichung der Geheimakten verlangt werden (Dr. Dirr, Bayerische Dokumente, S. 43). Eisner bekannte in der Sitzung des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrates vom 28. November 1918: Ich kam nach Berlin als Vertreter Bayerns und sah da zu meiner großen Überraschung, daß in Berlin die Konterrevolution nicht droht, sondern
198 daß sie ruhig regiert. Die Konterrevolution regiert in Berlin ganz gemütlich, als ob gar nichts geschehen wäre. Als ich das sah, da holte ich aus meiner Aktenmappe jenes Schriftstück, durch das nun der letzte Schleier von den Geheimnissen dieses Weltkrieges gerissen wird, jenen Bericht des Vertreters des Grafen Lerchenfeld, des Herrn von Schoen, an den Grafen Hertling, in dem nun in aller Behaglichkeit auseinandergesetzt wird, wie man beabsichtigte, den Weltkrieg zu entfesseln. Damit wollte ich die Konterrevolution, die regierende Konterrevolution, in die Luft sprengen (Beil. z. d. Verhandl. d. Provis. Nationalrates d. Volksstaates Bayern 1918, Bd. I, Beil. 1, S. 3). Es kann dahingestellt bleiben, ob Eisner vielleicht im Hinblick auf die von ihm verfolgten Zwecke die Bedenken gegen die Art der Veröffentlichung übersah oder nicht, die Art der Veröffentlichung hat er — vielleicht mit Ausnahme der unrichtigen Bezeichnung des Verfassers des Berichtes vom 18. Juli 1914 — bewußt und a b s i c h t l i c h gewählt. 6. Die V e r ö f f e n t l i c h u n g E i s n e r s ist somit eine F ä l schung im w a h r e n Sinne des Wortes. Die zur Frage der Fälschung gehörten Zeugen und S a c h v e r s t ä n digen, Dr. D i r r , Vorstand des Stadtarchivs München, Dr. S t r i e d i n g e r , Oberarchivrat im Hauptstaatsarchiv München, Dr. Delb r ü c k , Professor der Geschichte a. D. an der Universität Berlin und Mitglied der deutschen Viererkommission zur Prüfung des Berichts der gegnerischen Kommission für die Feststellung der Verantwortlichkeit der Urheber des Krieges und die aufzuerlegenden Strafen, Graf Max M o n t g e l a s , Mitglied der Viererkommission und Mitherausgeber der Sammlung der von Karl Kautsky zusammengestellten amtlichen Aktenstücke „Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch", Dr. F i s c h e r , Sekretär des Untersuchungsausschusses des Reichstags, Dr. T h i m m e und Dr. L e p s i u s , beide amtlich bestellte Herausgeber der deutschen politischen Akten von 1871 an, Dr. K a r o , Professor an der Universität Halle, bezeichnen ebenfalls alle, und zwar unter ihrem Eide mit triftigen Gründen die Veröffentlichung als eine Fälschung. Der Rechtsanwalt Dr. Hermann Harris A a l l , Mitglied der neutralen Schuldkommission in Christiania, Dr. Adolfo B o n i l l a y San M a r t i n , Professor an der Universität Madrid, Fredrik B ö ö k , Professor an der Universität Lund in Schweden, Dr. E r n e s t o Quesada, Professor an der Universität und Generalstaatsanwalt in Buenos Aires, J . V e r s l u y s , Professor und Mitglied der neutralen Schuldkommission in Hilversum (Holland), T h o m a s C. H a l l , Professor in New-Jersey, jetzt in Göttingen, S i d n e y B . F a y , Professor für Geschichte und Staatsrecht in Northampton, Dr. A l b e r t o L u m b r o s o , Direktor der „Rivista di Roma", Dr. B o g h i t s c h e w i t s c h , früherer serbischer Geschäftsträger in Berlin, E. N. B e n n e t t , Member of Parliament in London, Joseph K i n g , Mitglied der englischen Arbeiterpartei in London und Edouard D u j a r d i n , Professor der Geschichte in Paris, nennen alle in schriftlichen Erklärungen die Veröffentlichung ebenfalls eine Fälschung.
199 Auch der Zeuge und Sachverständige Dr. Q u i d d e , Privatgelehrter in München, hält die Art der Veröffentlichung für in höchstem Maße anfechtbar. Der Beistand des Privatklägers, Rechtsanwalt Dr. Philipp L ö w e n f e l d , endlich hat freimütig zugegeben, es liege eine Fälschung nach der sachlichen Seite vor. D i e V e r ö f f e n t l i c h u n g i s t eine a m t l i c h e V e r ö f f e n t l i c h u n g . D i e F ä l s c h u n g i s t d e s h a l b a u c h eine a m t l i c h e F ä l s c h u n g . 7. Die Fälschung wird nicht dadurch ausgeschaltet, daß am E i n g a n g der V e r ö f f e n t l i c h u n g ausgeführt ist: „Vorerst seien aus den Berliner Gesandtschaftsberichten des Grafen Lerchenfeld einige E i n z e l h e i t e n mitgeteilt" und daß im Texte der Veröffentlichung mehrfach Teile der Berichte und der Fernsprechmeldungen auch in äußerlich erkennbarer Weise zusammengefaßt wiedergegeben werden. Wenn der Ministerpräsident und Minister des Äußeren von Bayern, des zweitgrößten Bundesstaates des Deutschen Reiches, unter der Mitteilung, er habe bei der Reichsregierung den Antrag gestellt, die Akten über den Kriegsursprung zu veröffentlichen, und unter der tönenden Begründung, diese Anregung sei durch die Einsicht veranlaßt gewesen, daß nur durch die volle Wahrheit jenes Vertrauensverhältnis zwischen den Völkern hergestellt werden könnte, das Voraussetzung für einen Frieden der Völkerversöhnung ist, während des Waffenstillstandes und vor Friedensschluß aufklärende Beiträge zur Vorgeschichte des Weltkriegs aus den diplomatischen Urkunden des bayerischen Dienstes zu veröffentlichen unternimmt, so erwartet die aufhorchende Welt und muß erwarten: Die diplomatischen Urkunden werden ihrem vollen Wortlaute nach veröffentlicht. Wird von der Veröffentlichung des vollen Wortlautes abgesehen, so wird mindestens alles, was bedeutungsvoll ist, gebracht, werden besonders wesentliche Stellen nicht unterdrückt. Es werden nicht den Sinn färbende Sperrungen des Druckes vorgenommen. Es wird der Sachverhalt so erschöpfend wiedergegeben, daß der Leser sich selbst ein Urteil bilden kann, und nicht so gekürzt, daß er die unrichtige Meinung des Ministerpräsidenten zu stützen geeignet ist. Kurz, es unterbleibt jede, eine falsche, ja auch nur eine schiefe Auffassung des Inhalts der Aktenstücke zulassende Art der Wiedergabe. Die Fälschung wird auch dadurch nicht entschuldigt, daß die R a u m n o t der Z e i t u n g e n Kürzungen verlangt. Die Veröffentlichung war eine derart wichtige Sache, daß, wenn R a u m n o t bestand, andere weniger bedeutende Dinge zurückgestellt werden mußten. Die Fälschung wird endlich auch damit nicht aus der Welt geschafft, daß die Meinung vertreten wird, die deutsche, die bayerische Diplomatie habe ein System der d o p p e l t e n B u c h f ü h r u n g gehabt in dem Sinne, daß in offiziellen Berichten die Dinge nicht immer so dargestellt wurden, wie sie waren, in privaten Berichten dagegen die Wahrheit gesagt wurde, der Bericht vom 18. Juli 1 9 1 4 bringe, weil offizieller Bericht, nicht die volle Wahrheit. Wie die unter Eid vernommenen, die Ge-
200 pflogenheiten des deutschen und des bayerischen Diplomatendienstes kennenden Zeugen Graf von Soden, Staatsrat v. Loeßl, Dr. Dirr, Graf Montgelas, Graf Monts, Dr. Fischer, Dr. Thimme und Dr. Lepsius ausdrücklich und überzeugend bekunden, hat es eine doppelte Buchführung in diesem Sinne nie gegeben. Die von dem Privatkläger vorgelegte Abschrift eines Privatberichtes des Grafen Lerchenfeld an den Grafen Hertling vom 9. Dezember 1914, durch den der Nachweis für eine doppelte Buchführung geliefert werden sollte, hat diesen Nachweis nicht erbracht; durch die beeidigte Aussage des Zeugen Grafen Lerchenfeld und durch den Inhalt des von ihm bekanntgegebenen Antwortbriefes des Grafen Hertling an ihn vom 1 1 . Dezember 1914 ist dargetan: Von einem Ansinnen, Graf Hertling solle Unwahrheiten bekanntgeben, kann nicht die Rede sein; Graf Hertling ist nur ersucht worden, wenn er irrtümlich eine tatsächliche Unrichtigkeit dem französischen Geschäftsträger Allize gegenüber gesagt haben sollte, dies zur Steuer der Wahrheit öffentlich zu berichtigen. 8. Die W i r k u n g der V e r ö f f e n t l i c h u n g war bei den Gegnern Deutschlands nicht die, die Eisner erwartete. Sie war die, die die Reichsleitung und das Auswärtige Amt in ihren Kundgebungen vom 25., 26. und 28. November 1918 (Dr. Dirr, Bayerische Dokumente, S. 51, 58 und 59) erörterten. Sie war die, die der Zeuge Dr. Quidde in seiner Rede in der 4. Sitzung des provisorischen Nationalrates des Volksstaates Bayern vom 17. Dezember 1918 (Stenogr. Bericht d. prov. Nat.-R. 1918, Bd. I, S. 58 und ff.) angab. Sie war die, die jeder mit nur etwas Wirklichkeitssinn ausgestattete Mensch voraussehen konnte. Unsere Gegner haben sich mit Freuden der Veröffentlichung bemächtigt, nicht um einen Frieden der Völkerversöhnung zu schließen, sondern um den in dem eingangs erwähnten Artikel 231 des Friedensvertrags aufgestellten, von Deutschland nicht aus Überzeugung, sondern nur unter dem Drucke der damals verzweifelten Lage anerkannten Spruch, Deutschland sei Urheber des Weltkrieges, durch ein deutsches Zeugnis mitzustützen, einen Spruch, der die Deutschland auferlegten unerträglichen Lasten rechtfertigen soll. Dem Vorsitzenden der Deutschen F r i e d e n s d e l e g a t i o n , Kurt Freiherrn von L e r s n e r , tönte nach seiner beeidigten Zeugenaussage, wenn er sich mit den Gegnern über die Schuldfrage unterhielt und dabei die Frage verneinte, der Name „Eisner" entgegen. In dem Berichte der K o m m i s s i o n der Gegner f ü r die F e s t s t e l l u n g der V e r a n t w o r t l i c h k e i t der Urheber des K r i e g e s und die a u f z u e r l e g e n d e n S t r a f e n vom 29. März 1919 an die Konferenz der Friedenspräliminarien ist die Veröffentlichung Eisners zum Beweise von Deutschlands Schuld mehrfach erwähnt, dazu teilweise noch mit weiteren Entstellungen (Deutsches Weißbuch über die Verantwortlichkeit der Urheber des Krieges, Berlin 1919, S. 31 ff.). Die deutsche V i e r e r k o m m i s s i o n konnte in ihren Bemerkungen vom 27. Mai 1919 zum Bericht der Kommission der alliierten und assoziierten Regierungen über die Verantwortlichkeiten der Urheber
201 des Krieges (Deutsches Weißbuch, S. 5öff.) die Veröffentlichung Eisners nicht als Fälschung entlarven, weil ihr der volle Wortlaut der Berichte und Fernsprechmeldungen damals nicht bekannt war. Die Mantelnote des Ultimatums vom 16. Juni 1919, in dem die Gegner die unbedingte Annahme des Friedensdiktats von Deutschland forderten, und das Ultimatum selbst enthalten eine ausführliche Schuldanklage. Sie beruhen auf dem Bericht der Kommission der Gegner vom 29. März 1919 und dadurch mittelbar auch mit auf der Veröffentlichung Eisners. Die Fälschung ist eines der Hindernisse im K a m p f e gegen die Behauptung der Alleinschuld Deutschlands am Weltkriege, einer Behauptung, die sich nach den eidlichen Aussagen der mit dem wirklichen Sachverhalt besonders vertrauten Sachverständigen, nach dem Inhalt der Bücher, die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch und die bayerischen Dokumente zum Kriegsausbruch und zum Versailler Schuldspruch, nicht rechtfertigen läßt, einer Behauptung, die, •wenn auch die Gegner gleich Rußland einmal ihre Archive öffnen, wohl zweifelsfrei entkräftet werden wird, einer Behauptung, die auch der P r i v a t k l ä g e r nicht aufrechterhält. Die an die Veröffentlichung geknüpfte Hoffnung Eisners, der nach der beeidigten Aussage des Zeugen Grafen Soden am 24. November 1918 im Gebäude der bayerischen Gesandtschaft in Berlin die Meinung vertrat, Clemenceau, Lloyd George und Wilson seien die größten Idealisten, hat sich nicht erfüllt. [Die Abschnitte 9 — 1 1 enthalten juristische Gründe für den Urteilsspruch.]
2. Der in Punkt 7 der Urteilsbegründung angeführte B r i e f L e r c h e n f e l d s an H e r t l i n g v o m 9. D e z e m b e r 1 9 1 4 über die im französischen Gelbbuch enthaltene U n t e r r e d u n g H e r t l i n g s m i t A l l i z e , dem französischen Geschäftsträger in München, wurde von der Klagspartei dem Gerichte abschriftlich vorgelegt. Mit einer technisch kaum erklärbaren Raschheit, fast gleichzeitig, erschien das Schriftstück in der Pariser Presse, die es als einen neuen Beweis angeblichen deutschen Schuldbewußtseins ausbeutete Dagegen u n t e r s c h l u g b e z e i c h n e n d e r w e i s e die E n t e n t e presse bis heute das A n t w o r t s c h r e i b e n H e r t l i n g s vom 1 1 . Dezember 1914, dessen Original ebenfalls unverzüglich dem Gerichte unterbreitet wurde. Dieses Schreiben räumte mit allen Mißverständnissen oder Mißdeutungen, die möglicherweise an den Lerchenfeld'schen Brief geknüpft werden konnten, und wie sie hernach tatsächlich in den Ententeländern verbreitet wurden, sofort gründlich auf.
202 Wie die Klagspartei in den Besitz der Abschrift des Lerchenfeld'schen Briefes gekommen ist, blieb unaufgeklärt. Das Original ist in den Akten des Ministeriums des Äußern nicht mehr vorhanden 1 ). Dagegen fand sich der Brief Hertlings sofort vor. Die beiden Dokumente lauten: Der Brief Lerehenfelds. Hochverehrtester Freund!
Berlin, 9. Dezember 1914.
Das französische Gelbbuch hegt hier noch nicht vor. Die Zeitungen haben aber bereits Auszüge gebracht. Der des „Matin" erwähnt eine Unterredung zwischen Euer Exzellenz und dem französischen Geschäftsträger, Herrn Allize, die auch in deutschen Zeitungen gemeldet wird. Nach dem „Matin"-Auszug hätten Euere Exzellenz Herrn Alliz6 gesagt, daß Ihnen das österreichische Ultimatum bekannt sei. Nach dem „Berliner Tageblatt" hätte Ihre Mitteilung gelautet, daß das Ultimatum Ihnen in seinen Hauptzügen bekannt sei und Sie die Lage für ernst hielten. Ich lege die erwähnten Ausschnitte samt einem Ausschnitt aus der „Times" in der Anlage vor. Heute hat mich Graf Wedel auf die Sache angeredet und bemerkt, daß diese Zeitungsmeldungen hier großes Aufsehen erregt hätten. Das Auswärtige Amt habe allen Staaten und der Öffentlichkeit gegenüber immer daran festgehalten, daß ihm das österreichische Ultimatum vor seiner Überreichung in Belgrad nicht bekannt gewesen sei. Dieses Gebäude, das für die Stellung des Reiches den jetzigen Feinden gegenüber wichtig sei, würde durch die Äußerung Eurer Exzellenz an Herrn Allize, wenn sie unwiderlegt bliebe, umgestürzt. Ich habe Graf Wedel erwidert, daß Euer Exzellenz das Ultimatum sicherlich nicht gekannt hätten. Wenn die Unterredung mit Herrn Allize überhaupt stattgefunden hätte, was ich nicht wisse, so würden Eure Exzellenz diesem gewiß nur gesagt haben, daß Österreich, wie die Dinge hegen, ernste Garantien von Serbien verlangen müsse, und daß hienach die Lage ernst sei. Nun ist mir aus den Akten bekannt, daß Euer Exzellenz durch den Bericht des damaligen Geschäftsträgers, Herrn von Schoen, vom 18. Juli 1. Js. Nr. 386 den wesentlichen Inhalt der österreichischen Ultimatumsnote ersehen hatten. Schoen hat aber in seinem Bericht darauf hingewiesen, daß Deutschland behaupten werde, es sei von der österreichischen Aktion ebenso überrascht worden, wie alle anderen Mächte. Dabei muß es selbstredend bleiben und es muß daher auf alle *) Der von einigen Schriftstellern erhobene Vorwurf, als ob das Aktenstück absichtlich nicht in die vorliegende Sammlung aufgenommen worden sei, ist daher hinfällig.
203 Fälle bestritten werden, daß Euer Exzellenz den Inhalt des Ultimatums vor seiner Überreichung gekannt haben. Denn, wie der „Matin" sagt, kann nicht angenommen werden, daß das, was man in München wußte, nicht in Berlin bekannt gewesen w ä r e . . . que le Gouvernement bavarois qui ne pouvait avoir de secret pour Berlin . . . Ich erwarte nun den Befehl, was ich dem Grafen Wedel auf seine Anfrage antworten soll. Dem Ausland gegenüber muß, wie schon gesagt, auf alle Fälle alles bestritten werden. Was die Stellung gegenüber dem hiesigen Auswärtigen Amt betrifft, so dürfte hier in Betracht kommen, daß die österreichische Note in Belgrad am 23. Juli, also am selben Tage in Belgrad übergeben worden ist, an dem die angebliche Unterredung Eurer Exzellenz mit Herrn Allize stattgefunden haben soll. Ferner, daß schon vorher einiges aus der Note am Tage vor dem 23. in der Presse durchgesickert war. („Münchner Neueste Nachrichten" vom 22. Juli, Vorblatt Nr. 370, S. 1 „Vor einer neuen Krisis"). E s wird in diesem Artikel von der Unterdrückung der verbrecherischen Propaganda in Serbien gesprochen. Die Lage war also ernst und es muß verständlich sein, wenn Euer Exzellenz den französischen Geschäftsträger darauf aufmerksam gemacht haben. E s ist endlich auch möglich, daß Unterstaatssekretär Zimmermann sich der Unterredimg mit Schoen (18. Juli) nicht mehr erinnert, und daß man den Bericht Schoens vom gleichen Tage ignorierte. Aber darauf ist kein Verlaß. E s scheint mir deshalb nicht zu empfehlen, dem Auswärtigen Amt jede Kenntnis der österreichischen Note in Abrede zu stellen. Aber ebenso wenig notwendig des Berichtes Schoens Erwähnung zu tun, wenn nicht darnach gefragt wird. Aber Euer Exzellenz werden dies alles am besten selbst ermessen und ich bitte, meine Vorschläge nur meiner guten Absicht anzurechnen, die Sache möglichst glatt aus der Welt geschafft zu sehen. Noch eines möchte ich bemerken: Es wird wohl darauf hinauslaufen, daß eine Richtigstellung in der Bayerischen Landeszeitung erscheint. Vielleicht senden mir Euer Exzellenz gleich mit der Antwort auf diesen Brief einen Entwurf einer solchen Erklärung, den ich im Auswärtigen Amt zur Sprache bringen kann. In treuer Verehrung
Euer Exzellenz treu ergebener Graf Lerchenfeld.
Hertlings Antwort. München, 1 1 . Dezember 1914. Hochverehrter Freund! Besten Dank für Ihren Brief vom 9. ds. Mts. und für die darin gegebenen wertvollen Anregungen. In der gleichen Angelegenheit war gestern Herr v. Treutier, der sich einige Tage hier aufgehalten hat,
204 bei mir und erkundigte sich im Auftrage des Auswärtigen Amtes nach dem Sachverhalt. Ich kann nur wiederholt erklären, daß es mir unerfindlich ist, wie die fragliche Bemerkung in das Gelbbuch gekommen sein mag, wenn nicht auch hier wieder eine absichtliche Entstellung der tatsächlichen Verhältnisse vorliegt. Alles, was ich von dem zu erwartenden österreichischen Ultimatum wußte, beruhte auf dem Bericht des Herrn v. Schoen vom 18. Juli. Wie der Inhalt dieses Berichtes ergibt, war damals noch gar nichts gewiß, zu welchen Forderungen sich Österreich tatsächlich entschließen wird. Gleich eingangs heißt es in dem Bericht von der seitens der österreichisch-ungarischen Regierung „ b e a b s i c h t i g t e n Auseinandersetzung mit Serbien"; an einei späteren Stelle sind einige österreichische Forderungen angeführt, jedoch mit dem Beifügen „ s o w e i t b i s j e t z t f e s t s t e h t " . Weiter findet sich der bemerkenswerte Vorbehalt, „ob m a n a b e r w i r k l i c h in W i e n s i c h d a z u a u f r a f f e n w i r d , e r s c h e i n t H e r r n v o n J a g o w w i e H e r r n v. Z i m m e r m a n n n o c h i m m e r z w e i f e l h a f t " . Daß ich bei so wenig bestimmten Mitteilungen über das Ultimatum Herrn Alliz6 gegenüber erklärt haben sollte, das Ultimatum sei mir bekannt, ist ganz ausgeschlossen. Auch die Hauptzüge des Ultimatums waren mir nicht bekannt, wie ein Vergleich der in dem Bericht des Herrn v. Schoen mitgeteilten v o r a u s s i c h t l i c h drei Forderungspunkten mit den t a t s ä c h l i c h z e h n Punkten des Ultimatums ohne weiteres ergibt. Dazu kommt, daß mit das Wesentlichste des österreichischen Ultimatums dessen außergewöhnlich scharfe Fassimg war, von der ich natürlich auch keine Kenntnis hatte. Nach allem wäre ich in der Lage, mit gutem Gewissen die im Entwurf anliegende halbamtliche Erklärung veröffentlichen zu lassen, die dann gleichzeitig der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung und durch Wolff-Bureau in der Presse verbreitet werden könnte. Euer Exzellenz darf ich ergebenst ersuchen, hierüber alsbald mit dem Auswärtigen Amt ins Benehmen zu treten. Ich werde dann morgen Samstag, 12. Dezember, um 1 Uhr bei Ihnen antelephonieren, so daß im Falle des Einverständnisses des Auswärtigen Amtes die halbamtliche Erklärung noch morgen abend in die Staatszeitung kommen könnte. Von dem Berichte des Herrn v. Schoen vom 18. Juli wird wohl dem Auswärtigen Amt gegenüber umso mehr Gebrauch gemacht werden können, als ich über denselben auch mit Herrn v. Treutier sprach, so daß das Auswärtige Amt auf diesem Wege wahrscheinlich davon Kenntnis hat. m besten Grüßen Euer Exzellenz ergebenster Hertling.
Halbamtliche Mitteilung in der Bayerischen Staatszeitung. Die im Hertlingschen Schreiben angekündigte amtliche Erklärung erschien in der Bayerischen Staatszeitung in folgender Form:
205 12. Dezember 1914. Das f r a n z ö s i s c h e G e l b b u c h und das ö s t e r r e i c h i s c h e U l t i m a t u m an S e r b i e n . Aus dem französischen „Gelbbuch", das in seinem offiziellen Wortlaut hier noch nicht bekannt ist, haben französische und englische Zeitungen Auszüge gebracht, die auch in der deutschen Presse besprochen werden. In diesen Auszügen findet sich die Behauptung, daß der bayerischen Regierung das österreichische Ultimatum vor Überreichung der betreffenden Note an die serbische Regierung bekannt gewesen sei, oder, wie eine andere Lesart lautet, daß Staatsminister Graf v. Hertling am 23. Juli (dem Tag der Überreichung des Ultimatums) dem französischen Geschäftsträger Allize in München gesagt habe, die österreichischen Forderungen seien ihm in ihren Hauptzügen bekannt und die Situation sei ernst. Demgegenüber muß aufs bestimmteste festgestellt werden, daß die bayerische Regierung und der Staatsminister des K. Hauses und des Äußern, Graf von Hertling, von den seitens der österreichischungarischen Regierung an die serbische Regierung gestellten Forderungen erst durch die am 24. Juli erfolgte Veröffentlichung in der Presse Kenntnis erhielten, und daß der bayerischen Regierung wie auch dem Staatsminister Grafen von Hertling vorher weder der Wortlaut des Ultimatums, noch die seitens der österreichisch-ungarischen Regierung am 23. Juli gestellten Forderungen in ihren Hauptzügen bekannt waren. Die oben genannten Behauptungen des französischen Gelbbuches entsprechen demnach nicht der Wahrheit; damit entfallen auch die Schlüsse, die daraus gezogen werden wollten-
206
n Das Ritter-Telegramm. Der bayerische Gesandte beim Vatikan, Herr von Ritter, sandte am 24. Juli 1914 folgende Chiffredepesche an die Münchener Regierung: Telegramm Nr. 216. Rom, den 24. Juli 1914, 18 Uhr 35 Min. Papst billigt scharfes Vorgehen Österreichs gegen Serbien und schätzt im Kriegsfalle mit Rußland russische und französische Armee nicht hoch ein. Kardinalsekretär hofft ebenfalls, daß Österreich diesmal durchhält und wüßte nicht, wann es sonst noch Krieg führen wollte, wenn es nicht einmal eine ausländische Agitation, die zum Morde Thronfolgers geführt hat und außerdem bei jetziger Konstellation Österreichs Existenz gefährdet, entschlossen ist, mit den Waffen zurückzuweisen. Daraus spricht auch die große Angst der Kurie vor dem Panslavismus. Ritter Auch dieses Dokument hatte, ähnlich wie der Schoen'sche Bericht, seine ganz besonderen Schicksale. Wie Eisner als revolutionärer Ministerpräsident zahlreiche amtliche Schriftstücke in seine Privatwohnung brachte, um sie dort für seine Zwecke einzusehen, so tat auch sein Sekretär Fechenbach. Unter anderem nahm dieser eine Kriegszieldenkschrift Erzbergers aus dem September 1914 und das obige Telegramm an sich 1 ). Nach dem gewaltsamen Tode Eisners am 21. Februar 1919 erwuchs aus der Revolution in München die Rätediktatur, die im Monat April in Südbayern ihr Unwesen trieb. In dieser Zeit, etwa zwischen dem 16. und 20. April, kam der Genfer Tagesschriftsteller R e n é P a y o t , bekannt als ausgesprochen deutschfeindlicher Mitarbeiter französischer Blätter, im Kraftwagen nach München und traf hier mit Fèchenbach zusammen, den er in der Schweiz kennen gelernt hatte. Bei dieser Gelegenheit übergab x) Die Akten sind dann im Mai 1919 durch eine gerichtliche Haussuchung wieder an den gehörigen Ort zurückgelangt. — Siehe unten t
207 der ehemalige Sekretär Eisners dem Franzosen auf seinen Wunsch eine Abschrift der Erzberger'schen Kriegszieldenkschrift nebst Kopien von brieflichen Antworten bekannter deutscher Staatsmänner auf diese Denkschrift, ferner eine Abschrift des RitterTelegramms. Das Memorandum Erzbergers befaßte sich mit annexionistischen Plänen, die aber von namhaften deutschen Staatsmännern namentlich von Bethmann Hollweg in seinem Antwortbriefe, abgelehnt worden waren. Die Räteregierung hatte Auszüge bereits in einer Münchener Zeitung bekanntgegeben, wohl um damit im Sinne Eisners den Abgeordneten und Waffenstillstandskommissar Erzberger zu treffen und seine weitere amtliche Tätigkeit in der Friedensfrage unmöglich zu machen, dann aber auch in der Absicht, das kaiserliche Deutschland zu belasten. Im Auslande sind diese Auszüge zunächst soviel wie unbekannt geblieben. Von dem Ritter-Telegramm behauptete Fechenbach später vor Gericht, daß Eisner gelegentlich in Reden davon Gebrauch gemacht hatte. Ein Beweis hiefür läßt sich nirgends ermitteln. Jedenfalls sind etwaige solche Hinweise Eisners in der Öffentlichkeit unbeachtet geblieben. Das Telegramm mußte in dem Zeitpunkte, da es René Payot in die Hände kam, als eine Geheimurkunde des bayerischen Staates gelten. Bemerkenswert ist übrigens auch, daß es weder zur Zeit seines Einlaufes in München, im Juli 1914, noch auch in der Folge der deutschen Reichsregierung mitgeteilt worden war. A m 29. April 1919, kurz bevor die deutsche Friedensdelegation von den Alliierten nach Versailles entboten wurde, brachte die Pariser Tageszeitung „ L e Journal" in großer Aufmachung einen Aufsatz von René Payot: „ W a s Deutschland von uns gefordert hätte, wenn seine Heere siegreich gewesen wären." Das Kernstück bildeten die beiden bayerischen Dokumente. Der Verfasser des Aufsatzes bezeichnete sie ausdrücklich als unveröffentlichte geheime Aktenstücke und empfahl sie als solche den Diplomaten in Versailles zur Beachtung. Die Echtheit der Stücke zu bekräftigen, diente der Hinweis, daß René Payot sie als „envoyé special" des Journal von dem ehemaligen Geheimsekretär Eisners erhalten habe. Was mit der Veröffentlichung bezweckt wurde, geht klipp und klar hervor aus den Schlußsätzen des Artikels: „Wir sind glücklich, der öffentlichen Meinung Frankreichs diese Dokumente
208 vorzulegen, deren Wichtigkeit niemanden entgehen wird. Die Erinnerung könnte nicht passender eintreffen. In dem Augenblick, in dem die Deutschen im Begriffe sind, die von der Konferenz ausgearbeiteten Friedensbedingungen in Empfang zu nehmen, müssen die Alliierten mehr denn jemals sich an die Verantwortlichkeit der Urheber des Krieges und an die ins Auge gefaßten Forderungen der Angreifer erinnern, erhoben in einem Zeitpunkte, wo das Kriegsglück durch einen schnellen Triumph ihre ehrgeizigen Pläne zu erfüllen schien. Erinnern wir uns des Rechtes der Rache." Die Veröffentlichung erregte größtes Aufsehen. Erzbergers private Meinungsäußerung wurde förmlich als die Kriegszielpolitik des amtlichen Deutschland hingestellt, obwohl die Briefe maßgebender deutscher Persönlichkeiten, insbesondere des Reichskanzlers Bethmann Hollweg, die Unwahrheit dieser Behauptung dartaten. Das Ritter'sche Telegramm wurde in der französischen und italienischen Presse sowohl gegen Deutschland als auch gegen den Vatikan in tendenziöser Weise ausgebeutet. Der bayerische Gesandte beim Vatikan, der damals noch wie während des Krieges in Lugano seines Amtes waltete, war zunächst nicht in der Lage nachzuprüfen, ob seine Meldung im Journal richtig wiedergegeben worden war1). Ebensowenig die rechtmäßige bayerische Staatsregierung, das Ministerium Hoffmann, das in Bamberg weilte und keine Möglichkeit hatte, zu den in der Verfügungsgewalt der Räterepublikaner befindlichen Akten des Ministeriums des Äußeren in München zu gelangen. In einem Briefe vom 3. Mai 1919 schrieb von Ritter an die bayerische Regierung in Bamberg, seine Meldung könne jedenfalls nicht als Beweis dafür genommen werden, daß Deutschland 1914 aggressive Tendenzen verfolgt habe. Die Veröffentlichung dieses 1 ) Die französische Übersetzung war nicht wörtlich. Der Hinweis auf die russische und französische Armee fehlte. Sie lautete: L e P a p e (Pie X ) approuve une action énergique de l'Autriche contre la Serbie. Karsek espère que cette fois l'Autriche tiendra le coup. Il se demande quand elle pourrait faire la guerre, sie elle n'était pas même résolue à repousser par les armes une agitation étrangère qui a amené le meurtre de l'archiduc et qui, en égard à la situation actuelle de l'Autriche, m e t en danger son existence. Dans ces déclarations se relève la crainte de la Curie romaine à l'égard du panslavisme. Signé: Ritter.
209 Berichtes habe lediglich den Vatikan unnötig in den Streit gezogen. Der Gesandte riet seiner Regierung, mit dem Nuntius in München ins Benehmen zu treten und die Veröffentlichung des Berichtes, wenn er etwa unrichtig wiedergegeben sei, zum Gegenstand eines Dementis oder aber einer Entschuldigung zu machen. Denn der Vatikan werde durch eine derartige, den diplomatischen Gepflogenheiten zuwiderlaufende Indiskretion in den Streit über den Ursprung des Krieges hineingezogen. Zwei Tage später, am 5. Mai 1919, berichtet Ritter nach Bamberg über eine Meldung des „Secolo". Danach habe ein hochg e s t e l l t e r P r ä l a t , der eine e i n f l u ß r e i c h e S t e l l u n g im V a t i k a n einnehme, gegenüber dem römischen Korrespondenten des „Echo des Paris" die Möglichkeit eines solchen Berichtes in Abrede gestellt und sich folgendermaßen geäußert: Wenn man die politischen Ideen Pius X. kenne, der damals Papst war und in besten Beziehungen zur serbischen Regierung stand, sei es ausgeschlossen, daß der Heilige Stuhl zu einem Angriffe auf Serbien aufgemuntert habe (a incoraggiato a invadere la Serbia), aus Angst, daß sonst Österreich zugrunde gehe und daß der Vatikan damit implicite lieber den Untergang Serbiens gewünscht habe. Der Vatikan, der von Anbeginn der damaligen politischen Spannung an die gewissenhafteste Neutralität beobachtete, habe nie versucht, gewisse Staaten zum Nachteile anderer zu bevorzugen. Der Gesandte von Ritter bemerkte hierzu, daß seiner Meldung, auch wenn sie so gelautet habe, wie sie im Journal gestanden habe, etwas unterschoben werde, was sie gar nicht enthielt: In dem Berichte steht nichts davon, daß der Heilige Stuhl Österreich aufgemuntert habe, Serbien anzugreifen, sondern nur, daß der Heüige Stuhl es billigen würde, wenn Österreich die Agitation Serbiens, die zur Ermordung des Erzherzogs führte, energisch, eventuell mit Waffengewalt zurückweisen sollte, da sonst die Existenz Österreichs gefährdet werden könnte. Es wird damit klipp und klar die Defensivstellung Österreichs anerkannt. Von einer Bevorzugung Österreichs ist nicht die Rede, nachdem es doch Österreichs gutes Recht war, sich zu verteidigen. Wenn der hochgestellte Prälat des Vatikans behauptet, daß in dem von ihm dargelegten Sinne die Bayerische Gesandtschaft nicht berichtet haben könne, so kann die Bayerische Regierung getrost behaupten, daß die Gesandtschaft auch nie in diesem Sinne berichtet habe. Schließlich hieß es in einem dritten, nach Bamberg gegangenen Schreiben des Gesandten vom 20. Mai 1919: 14
210 Ohne Rücksicht darauf, ob der von Herrn Fechenbach veröffentlichte Bericht der Bayerischen Gesandtschaft beim Päpstlichen Stuhle richtig wiedergegeben worden ist oder nicht, und ohne objektive Prüfung seines Inhalts hat die auswärtige Presse an der Hand dieser Veröffentlichung den Vatikan in den Streit über den Ursprung des Weltkrieges hereingezogen und ihn der Parteinahme für die Zentralmächte verdächtigt. Den Vogel hat heute die viel gelesene Tessiner Zeitimg, die „Gazetta Ticinese" abgeschossen. In einem „II vaticano voleva la guerra" überschriebenen Leitartikel bezeichnet die „Gazetta Ticinese" den im „Journal" veröffentlichten bayerischen Gesandtschaftsbericht als einen direkten Beweis dafür, daß der Vatikan den Krieg Österreichs mit Serbien gewollt habe, und außerdem fügt das Blatt unter Bezugnahme auf die von den deutschen Bischöfen an den Papst gerichtete Bitte, für Milderung der Friedensbedingungen zu intervenieren, auch noch die Bemerkung bei, daß eine derartige Verwendung begreiflich wäre und als eine der Stellung des Papstes entsprechende Handlung angesehen werden könnte, wenn sie nicht durch die Parteinahme des Papstes für die Zentralmächte und durch sein Einverständnis mit dem Angriffe Österreichs auf Serbien in ein schiefes Licht gestellt würde. Diese Presseäußerungen bestätigen die von mir in meinem Berichte vom 3. 1. Mts. Nr. 76 geäußerte Befürchtung wegen der Folgen, die die Fechenbach'sehe Indiskretion für den Vatikan haben würde, und das bestärkt mich in der Annahme, daß es zum mindesten ein Gebot der Courtoisie wäre, dem Herrn Nuntius ein Wort der Entschuldigung oder des Bedauerns über die gehässigen und peinlichen Verdächtigungen auszusprechen, die das Vorgehen des Sekretärs des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten dem Vatikan eingetragen hat. Inzwischen war nach der Befreiung Münchens aus den Fesseln der Räteherrschaft Anfang Mai 1919 gegen Fechenbach Untersuchung wegen Beseiteschaffung amtlicher Schriftstücke eingeleitet worden. Am 1 1 . Mai lieferte die bei ihm vorgenommene Haussuchung neben anderen Akten auch das Original des Ritter-Telegramms wieder in die Hände der Staatsregierung. Bereits am Tage vorher hatte der Ministerpräsident Hof f mann von Bamberg aus Auftrag nach München gegeben, daß das Ministerium des Äußeren die Angelegenheit zum Gegenstand einer mündlichen Besprechung mit dem Nuntius machen solle. In Vollzug dieser Weisung erklärte ein Vertreter des Ministeriums dem Nuntius am 16. Mai 1919, „die Veröffentlichung des Telegramms des Gesandten von Ritter vom 24. Juli 1914 im Journal beruhe auf einer strafbaren Entfernung von Akten aus dem Ministerium des Äußern, die Übersetzung des Telegramms sei nicht
211 exakt und auch aus dem richtigen Texte könne kein Anhaltspunkt für die Behauptung entnommen werden, daß der Vatikan Österreich zu kriegerischem Vorgehen gegen Serbien ermuntert habe". Weiter wurde dem Nuntius mitgeteilt, „daß das Telegramm seinerzeit von München aus nicht weitergegeben, sondern nur zu den Akten genommen worden sei. Die in den französischen Blättern der Veröffentlichung beigefügten Kommentare und die daran im Artikel im Secolo vom 5. Mai 1 9 1 9 geknüpften Erörterungen seien deshalb von falschen Voraussetzungen ausgegangen" 1 ). Der Nuntius ließ dem Ministerpräsidenten seinen Dank für die Aufklärung aussprechen. Damit hatte die Angelegenheit ihre ordnungsgemäße und endgültige diplomatische Erledigung gefunden. Sie spielte aber wieder eine Rolle in dem gegen Fechenbach im November 1920 durchgeführten Gerichtsverfahren wegen Beseitigung amtlicher Schriftstücke. E s endete mit einem Freispruch, da das Gericht den Schuldbeweis für eine strafbare Aktenentwendung nicht als erbracht ansah. Sowohl in diesem Verfahren als auch in dem im vorigen A b schnitt behandelten Prozesse über Eisners „Schulddokumente" stellte Fechenbach in Abrede, mit der Veröffentlichung im Journal etwas zu tun gehabt zu haben. Erst als er sich vom 3. bis zum 1 3 . Oktober 1922 zusammen mit anderen Angeklagten wegen Landesverrats zu verantworten hatte, räumte er ein, die Schriftstücke an Payot abgegeben zu haben, jedoch nicht zur Veröffentlichung. Dieses Gerichtsverfahren endete bekanntlich mit der Verurteilung der Angeklagten zu langen Zuchthausstrafen. Das Urteil gegen Fechenbach erblickte hauptsächlich in der Auslieferung des Ritter-Telegramms den Tatbestand eines Verbrechens des Landesverrates. E s nahm insbesondere an, daß der Vatikan im Frühjahr 1 9 1 9 durch die Veröffentlichung Payots bloßgestellt worden sei und die Möglichkeit verloren habe, für eine Milderung der Blockade und der Friedensbedingungen zu wirken. Dadurch sei Deutschland mittelbar schwerer Schaden erwachsen. Der über die juristische Haltbarkeit des Urteils und der Urteilsgründe entstandene Streit, der auch im bayerischen LandBericht im Ministerium des Äußern.
14*
212 tag und im Reichstag spielte1), gehört nicht zum Gegenstand der vorliegenden Publikation. Es handelt sich hier lediglich darum, die eigenartigen Schicksale der Ritter-Depesche an der Hand der Akten klarzustellen und die tendenziöse Ausbeutung dieser Urkunde durch die Ententepropaganda zu kennzeichnen.
Nach den mehrtägigen Reichstagsverhandlungen über den letzten Fechenbach-Prozeß ging eine an die „Germania", das Berliner Zentrumsblatt, gerichtete „Zuschrift aus dem Vatikan" durch die Presse, die sich gegen den A n s c h e i n wandte, „als habe der K a r d i n a l s t a a t s s e k r e t ä r M e r r y del V a l 1 9 1 4 Österreich zum K r i e g e g e r a t e n " . Wenn der bayerische Gesandte eine solche I n f o r m a t i o n an seine Regierung gerichtet hätte, so hieß es darin, so müßte da mindestens ein großes Mißverständnis auf seiner Seite vorliegen. Es könne auf das Bestimmteste versichert werden, daß in jenen kritischen Julitagen keinem Vertreter irgendeiner auswärtigen Macht, auch nicht Bayerns, eine maßgebende A n s i c h t des V a t i k a n s mitgeteilt worden sei, nur ein K r i e g könne die g e s p a n n t e i n t e r n a t i o n a l e L a g e entwirren. Das Gegenteil sei der Fall. Die vatikanischen Kreise hätten sich bis zum letzten Augenblick bemüht, das entsetzliche Unheil eines Krieges von Europa und der Welt fernzuhalten. Man kann auf diese Zuschrift mutatis mutandis die Erklärung anwenden, welche die bayerische Regierung 1919 zu der oben erwähnten Äußerung eines hochgestellten römischen Prälaten dem Münchener Nuntius gab: Was in der Zuschrift zurückgewiesen wird, steht nicht in dem Telegramm Ritters. Der Artikel der „Germania" spricht übrigens selbst nur davon, daß aus der Meldung Ritters der A n s c h e i n entstehen könnte, als ob der Kardinalstaatssekretär oder der Papst Österreich zum Kriege geraten habe und wendet sich vorbeugend gegen die Möglichkeit einer solchen Schlußfolgerung. Trotz dieses Sachverhalts gab der Artikel gewissen deutschgegnerischen Kreisen in der Schweiz Anlaß, eine abenteuerliche Legende zu verbreiten. In den katholischen „Schweizerischen Stenogr. Berichte des bayerischen Landtags Nr. 148, 149 vom 16. und 17. November 1922. — Stenogr. Berichte der Reichstagssitzungen vom 2. und 3. Juli 1923.
213 Republikanischen Blättern" (Nr. 44 und 48; 1923) und darnach in dem von Friedrich Wilhelm Foerster ständig mit Aufsätzen bedienten Organ des radikalen Pazifismus, der Zeitschrift „Die Menschheit" (1923; 9. Juni und 4. August), tauchte die ungeheuerliche Behauptung auf, das Ritter-Telegramm sei eine F ä l s c h u n g , vom Grafen Hertling und von Berlin 1 9 1 4 b e s t e l l t , um die bayerischen Katholiken ins „preußische Kriegsfahrwasser zu lenken." Die deutschen Kardinäle, Bischöfe und Geistlichen hätten das Telegramm ausgenützt, um das katholische Volk für den in Berlin und Wien längst beschlossenen Krieg zu begeistern. Um diese Erfindung haltbarer erscheinen zu lassen, versuchte man es so hinzustellen, als ob der Artikel der „Germania" ein amtliches Dementi des Vatikans, ja des Papstes selbst sei, und als ob dieses Dementi in unlösbarem Widerspruche mit dem RitterTelegramm stehe. Und daraus glaubten diese Leute die Schlußfolgerung ziehen zu dürfen, das Telegramm sei bestellte Arbeit und Fälschung, und sie wagten es, diese Verleumdung vor der Welt als eine unabweisliche geschichtliche Gewißheit darzustellen! Eine halbamtliche Notiz der „Bayerischen Staatszeitung" vom 6. Juli 1 9 2 3 bezeichnete diese Aufstellungen als „infame Lügen". Sie betonte insbesondere, daß die Ritter-Depesche, bevor Fechenbach sie einem französischen Journalisten aushändigte, „vom Ministerium des Äußeren überhaupt niemandem bekanntgegeben worden war, auch nicht einem Bischof oder Kardinal." Gleichwohl sind die falschen Ausstreuungen, mit ganz bestimmten, aber nicht weniger unwahren Einzelangaben verbrämt, wiederholt worden 1 ). Gegenüber einer solchen unverantwortlichen Irreführung erweisen die obigen aktentreuen Mitteilungen die klare Wahrheit! *) Dokumente deutschen Denkens und preußischer Prinzipien. Heft 5, S. 3 ff. Yerlag „Friede durch Recht", Wiesbaden 1924.
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m Gesandtenberichte. Nachträge. Aus den während der Revolution und der Rätezeit teilweise in Unordnung gebrachten, inzwischen wieder instand gesetzten Akten des Ministeriums des Äußern ließen sich noch nachfolgende in die vorliegende Sammlung gehörige Stücke ermitteln: Nr. 73 a (zu Seite 177). Der Gesandte in Rom an das Ministerium des Äußern. Telegramm. Rom, den 1. August 1914; n " vorm. Angekommen 6 * nachm.
San Giuliano hat gestern abend dem Deutschen Botschafter erklärt, Italien bleibe neutral, vorbehaltlich späteren Anschlusses an die Alliierten. Gründe: Italien sei vorher nicht gefragt worden, Dreibundvertrag sehe Defensivkrieg vor und Italiens Interessen würden verletzt durch Vorgehen Österreichs gegen Serbien. Tann. Nr. 79 a (zu Seite 181). Der Gesandte in Rom an das Ministerium des Äußern. Telegramm. Rom, den 2. August 1914; 400 nachm. Angekommen 7 " nachm.
Botschafter Flotow hat heute dringend San Giuliano vorgestellt, casus foederis sei durch Angriff Rußlands gegeben. Minister bleibt ablehnend. Angriff sei nicht genügend stark, übrigens sei in Italien Revolution zu befürchten im Fall seiner Teilnahme am Krieg. Tann. Nr. 79b (zu Seite 181). Der Gesandte in Paris an das Ministerium des Äußern. Telegramm. Paris, den 2. August 1914; ioa0 nachm. Angekommen 3. 8. 1914.; } " vorm.
Gesandter Martin, der ständig im Elysée, sagte mir, die vierfachen Grenzüberschreitungen, das Aufreißen der Schienen, das Zurückbehalten der Lokomotiven, das Vordringen eines deutschen Offiziers bis zu ****1) und die Verletzung der Neutralität Luxemburgs könne nicht ohne höhere Weisimg erfolgt sein; er hält Lage verzweifelt. Kammerzusammentritt Montag; gerüchtweise verlautet, Cambon verließe Berlin Montag. Ritter. Wort verstümmelt.
215 Nr. 79c (zu Seite 181). Der Gesandte in St. Petersburg an das Ministerium des Äußern. Telegramm. St. Petersburg, den 2. August 1914; 10" nachm. Graf Pourtalds hat soeben Kriegserklärung an Rußland übergeben. Freitag 9 Uhr abends. Habe noch keinen Befehl erhalten. Übergebe meine Geschäfte und Akten der deutschen Botschaft und teile das der russischen Regierung mit. Amerikanische Botschaft übernimmt deutsche Vertretimg. Auf mündliche Anfrage erklärt mir russisches Ministerium, daß mir zugleich mit der deutschen Botschaft Paß zugestellt wird. Ich werde also mit der Botschaft abreisen müssen. Abreise, Zeit und Ort noch unbekannt. Grunelius. Nr. 79d (zu Seite 181). Der Gesandte in Berlin an den Vorsitzenden im Ministerrate. Berlin, 3. August 1914. Hochverehrtester Freund! (Einleitend geschäftliche Angelegenheiten der Gesandtschaft.) Es scheint dabei zu bleiben, daß alles gegen uns geht, aber ich teile die Zuversicht der Militärs, daß wir es schaffen werden. Der Krieg ist diplomatisch nicht gut vorbereitet worden. Deshalb kann man den jetzigen Leitern unserer Politik keinen Vorwurf machen. Sie durften Österreich nicht im Stich lassen, wenn sie Deutschland nicht ganz isolieren wollten. Nicht der Czar, aber die Russen wollten den Krieg, und was immer klarer wird, England wollte ihn auch. Wenn Fehler gemacht worden sind bei uns, so liegen sie weit zurück. Was ich mit vielen anderen immer empfunden habe, die starke Flotte hat uns geschwächt. Mit der Entwicklung unserer Seemacht haben wir England zum Feind gemacht. Wir hatten an Frankreich und Rußland Gegner genug und hätten uns nicht noch einen dritten auf den Hals laden sollen. Die Feindschaft Englands, das uns selbst nicht viel anhaben kann, ist aber so fatal, weil sie uns Italien und alle Kleinen abspenstig macht. Italien fällt sicher nur deshalb ab, weil es für seine Küsten Angriffe der englischen Flotte fürchtet. Übrigens ist weder in England noch in Italien das letzte Wort gesprochen. Es kann noch anders kommen. Freilich sind die heute gemeldete Stimmung in London und die fünfzig Millionen Pfund Anleihe schlimme Symptome. Dagegen steht, daß der Botschafter in London noch immer behauptet, England werde schließlich doch neutral bleiben. Ich schäme mich fast, daß ich retrospektive Betrachtungen über unsere vergangene Politik angestellt habe, das hilft bekanntlich nichts. Zurzeit geht das Bestreben des Auswärtigen Amtes dahin, Deutschland nicht als Angreifer erscheinen zu lassen. Deshalb haben unsere Truppen die französische Grenze bisher nirgends überschritten und sind dem französischen Botschafter bis jetzt die Pässe nicht zugestellt
216 worden. Lange kann dieser Zustand aber nicht mehr dauern. Für die militärische Lage hat er keine Bedeutung, denn, was da zu geschehen hat, geschieht, Beweis Besetzung von Luxemburg. Hier ist die Stimmung gut. Alle Vorbereitungen vollziehen sich in größter Ruhe und Ordnung. Ich vermute, daß in wenigen Tagen schon sehr entscheidende Ereignisse eintreten. Deutschland hat ein schweres Examen abzulegen. Gebe Gott, daß wir es bestehen. Ein Trost ist, daß wir diesem Examen nie entgangen wären, und es besser ist, wir kämpfen jetzt, als nach einigen Jahren, wo unsere Feinde fertig gerüstet gewesen wären. In alter treuer Freundschaft Ihr Lerchenfeld. Nr. 79 e (zu Seite 181). Der Staatssekretär des Auswärtigen an das Ministerium des Äußern. Telegramm.
Berlin, den 4. August 1914; 9 " (unbestimmt ob vorm. oder nachm.) Dem Generalstab lagen unbedingt zuverlässige Nachrichten vor, wonach trotz Pariser Versprechungen über Wahrung belgischer Neutralität französische Streitkräfte sich zum Aufmarsch an Maasstrecke Givet—Namur und Vorgehen durch Belgien gegen Deutschland anschicken. Verschiedene Vorgänge der letzten Tage deuteten darauf hin, daß Ausführung des Plans bereits begonnen. Wir mußten befürchten, daß Belgien trotz besten Willens französischen Vormarsch ohne Hilfe nicht hindern könne und waren daher im Interesse Selbsterhaltung gezwungen, zur Gegenwehr gleichfalls belgisches Gebiet zu betreten. Deutschland plant keinerlei Feindseligkeiten gegen Belgien und wird belgisches Gebiet sofort nach Friedensschluß räumen. Belgische Regierung ist vom vorstehenden freundschaftlich unterrichtet und um wohlwollende Haltung ersucht worden, hat aber protestiert und erklärt, jeder Verletzung seiner Neutralität mit Gewalt entgegenzutreten. Wir hoffen auch jetzt noch, daß es nicht zu Zusammenstößen zwischen unserer Armee und belgischen Truppen kommen wird. Jagow.
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IV Berichte des bayerischen Militärbevolimächtigten in Berlin an das Kriegsministerium in München. (Urschriften im Reichsarchiv.)
V o r b e m e r k u n g des Herausgebers. Die nachfolgenden Meldungen und Schreiben des Generalmajors von Wenninger an seine vorgesetzte Behörde können nicht als diplomatische Dokumente im eigentlichen Sinne des Wortes gelten. Eine wörtliche Wiedergabe im vorhegenden Aktenwerk, dessen Rahmen sich auf die Gesandtenberichte beschränkte, war ursprünglich nicht vorgesehen. Es war auch nicht möglich, diese Schriftstücke in der ersten Auflage sonstwie in gekürzter Form zu berücksichtigen, weil die Originalakten damals nicht zur Hand waren, und weil sich die von mir dann gesuchten Konzepte erst zu einer Zeit im Reichsarchiv in Potsdam fanden, als die Drucklegung des Buches bereits im Gange war. In den Nachträgen zur zweiten Auflage (Ende 1923) gab ich dann ein Referat über Wenningers Berichterstattung, das nach gewissenhafter historischer Methode alle wesentlichen Grundzüge des Inhalts unter voller Wahrung des Sinnes und Zusammenhanges deutlich machte und also genügte, um einen ausreichenden Begriff von der Art und der Bedeutung der Schriftstücke zu vermitteln. (2. Auflage, Seite 219 ff.) Wenn diese in der nunmehrigen dritten Auflage im Wortlaute erscheinen, so hat das seine besonderen Gründe in äußeren, neu hinzugekommenen Umständen, die sich aus nachfolgenden Feststellungen ergeben. Wenningers Berichte befassen sich in der Hauptsache mit militärischen Angelegenheiten. Erst die Meldungen aus den letzten Vorkriegstagen kommen an einzelnen Stellen naturgemäß auch auf die politische Lage zu sprechen. So ist in den Schreiben vom 29. Juli und 2. August 1914 die Rede von dem Gegensatz der Anschauungen, Meinungen und Stimmungen, der in den letzten Tagen vor Kriegsausbruch zwischen dem Generalstab und der Reichsleitung in Berlin hervortrat: auf der einen Seite das Drängen
218 der militärischen Stellen auf schleunige Klärung und Entscheidung der unerträglich gespannten Lage, in der der Krieg angesichts der vorgeschrittenen Rüstungen der Gegner, vor allem Rußlands, dem Generalstab bereits als unvermeidlich erschien, und der besorgte Wille, den Feinden den gefährlichen Vorsprung, den sie erlangt, durch rasches Losschlagen wieder abzugewinnen. Auf der andern Seite die Zurückhaltung und das Bremsen der Reichsregierung, welche militärische Vorbereitungen größeren Stils beharrlich hintanhält und die Mobilmachung bis zum Äußersten hinausschiebt, um der von Deutschland bei den Mächten mitbetriebenen diplomatischen Vermittlungsaktion zur Verhinderung des Krieges keine Hemmungen zu bereiten, sondern doch noch den Erfolg zu sichern. Tatsachen und Verhältnisse also, die schon zur Zeit des ersten Erscheinens des vorliegenden Buches aus den bereits veröffentlichten Gesandtenberichten des Grafen Lerchenfeld und aus anderen deutschen Dokumenten bekannt waren. Was Wenninger auf grund seiner Berliner Wahrnehmungen und Eindrücke darüber nach München mitgeteilt hatte, bot keine wesentlich neuen Aufschlüsse mehr. Gleichwohl sind in dem erwähnten Referat in der zweiten Auflage gerade auch diese Berichtstellen politischen Charakters ausdrücklich gekennzeichnet worden, so zwar, daß über ihre Art und ihren Inhalt kein Zweifel sein konnte. Im Übrigen war jeder Forscher, der sich etwa mit dem Wortlaute der Wenninger'schen Berichte befassen wollte, durch genaue Quellenangaben instand gesetzt, die Vorlagen selbst zu erholen und einzusehen. Von irgend einer absichtlichen oder tatsächlichen „Verheimlichung" der Berichte des bayerischen Militärbevollmächtigten oder von einer „Fälschung" des Schreibens vom 29. Juli zum Zwecke der Entlastung des deutschen Generalstabs, wie von der feindlichen Propagande behauptet worden ist 1 ), kann also gar keine Rede sein. Auf solche grundlosen und böswilligen Bezichtigungen eines anonymen Verfassers weiter einzugehen, erscheint überflüssig; es genügt, sie durch die einfache Feststellung der Tatsachen niedriger zu hängen. Anonymer Aufsatz „Bayerische Dokumentenforschung" in der Wiesbadener Zeitschrift „Die Menscheit" vom 20. Juni 1924. Später auch in die unter Grell i n g s Mitwirkung herausgegebene Broschüre Nr. 5 des Verlags „Friede durch Recht' übernommen.
219 Übrigens lagen die Berichte Wenningers auch schon für den Münchener Dokumentenprozeß (April-Mai 1922) in Abschriften bereit, um dem Gerichte vorgelegt zu werden für den Fall, daß eine der streitenden Parteien, oder einer der Gutachter (deren mehrere in die Berichte Einsicht nahmen), oder aber das Gericht selbst Wert darauf legen sollten, diese Altenstücke irgendwie heranzuziehen. Aber während der ganzen vierzehntägigen Verhandlungen, die das zur Schuldfrage einschlägige Aktenmaterial wahrlich ausgiebig berührten, hielt es niemand für notwendig, auf die Berichterstattung des bayerischen Militärbevollmächtigten zu sprechen zu kommen. Auch nicht die Klagspartei (Fechenbach), obwohl gerade in Zeitungen, die ihr nahestanden, mehrfach Andeutungen erschienen waren, daß man die Berichte des Militärbevollmächtigten sehr wohl kenne und sie als Beweise für die Richtigkeit der Eisner'schen Auffassung von deutscher Schuld ansehe. Hiervon war, wie gesagt, im Prozesse mit keinem Worte die Rede. Offenbar maß niemand den Aktenstücken diese Bedeutung bei. Erst später ist dem Berichte vom 29. Juli 1914 in der Öffentlichkeit wieder eine geradezu überwältigende Beweiskraft als Zeugnis für die Schuld der deutschen Militärkaste zugeschrieben worden. Die von der französischen Besetzungsmacht gerne gesehene Wiesbadener Wochenschrift „Die Menschheit" veröffentlichte dieses Aktenstück im Originaltexte in ihrer Nummer vom 25. April 1924, unmittelbar vor der Reichstagswahl, eingestandenermaßen auch zum Zweke der Wahlbeeinflussung. Nun ist es aber höchst bemerkenswert, daß gerade auch das Original dieses Berichtes (laut einem Aktenvermerk vom 5. Dezember 1918) während der Herrschaft Eisners aus den Akten entnommen wurde. Es ist nie mehr dahin zurückgekehrt. Wo es heute steckt, ist nicht ersichtlich, ebensowenig, wie die erwähnte Zeitschrift zur Kenntnis des Wortlautes der Originalausfertigung gekommen ist. Darüber wird sie wohl selbst am besten Auskunft geben können. Die mit großem Getöse verbreitete Vorgabe, als ob man es dabei mit einer ganz neuen Enthüllung von unerhörter Tragweite zu tun habe, und als ob dieses Schriftstück im Zusammenhalt mit den Erinnerungen Conrads von Hötzendorf den untrüglichen Beweis dafür erbringe, daß der Weltkrieg letzten Endes doch nur von der Berliner Militärkaste ohne Not und böswillig entfesselt
220 worden sei, ist in der Einleitung des vorliegenden Werkes näher beleuchtet und auf ihren wahren Wert zurückgeführt. Im Übrigen aber ließen die geschilderten Umstände es zweckmäßig erscheinen, Wenningers Berichte, soweit sie auf die militärischen und politischen Verhältnisse der letzten Tage vor Kriegsausbruch Bezug haben, wörtlich wiederzugeben, um jedem weiteren Mißbrauch einzelner, aus dem Zusammenhang gerissener Schriftstücke, von vorneherein die Spitze abzubrechen.
Das bayerische Kriegsministerfum an den bayerischen Militärbevollmächtigten in Berlin Nr. 1 München, den 28. Juli 1914; 800 nachm.
Telegramm
Drahtantwort, ob Rückbeorderung zahlreicher Ernteurlauber angezeigt. Kiiegsministerium,
Berichte des Militärbevollmächtigten Nr. 2 Telegramm
Berlin, den 29. Juli 1914; 12
16
nachm.
Preußisches Kriegsmin ister mm hat Einberufung von Ernteurlaubern noch nicht angeordnet. Militär-Bevollmächtigter. Nr 2637 An den Herrn Kriegsminister
Nr. 3
Berlin, den 29. Juli 1914 Vertraulichl B e r i c h t Nr. 1
Betreff: Politische Lage und militärische Maßnahmen. Nach meinen heutigen Eindrücken ringen hier Kriegsministerium und Generalstab einerseits, Reichskanzler und Auswärtiges Amt andererseits mit einander. Einmütigkeit herrscht nur in der Mißstimmung, daß Österreich seine vorbereitenden Maßnahmen so wenig durchgreifend gefördert hat, daß bis zur Eröffnung der Operationen noch etwa 14 Tage vergehen werden.
221 Der Kriegsminister, unterstützt vom Generalstabschef, wünscht dringend militärische Maßnahmen, die der „gespannten politischen Lage" und der immerhin „drohenden Kriegsgefahr" entsprechen würden. Der Chef des Generalstabs will noch weiter gehen; er setzt seinen ganzen Einfluß darein, daß die selten günstige Lage zum Losschlagen ausgenützt werden solle; er weist darauf hin, daß Frankreich geradezu in militärischer Verlegenheit sich befinde, daß Rußland militärisch sich nichts weniger als sicher fühle; dazu die günstige Jahreszeit, die Ernte großenteils geborgen, die Jahresausbildung vollendet. Der Kriegsminister und der Chef des Generalstabs begaben sich heute Mittag wieder zum Reichskanzler zu längerer Besprechung. Ich hoffe abends über das Ergebnis zu erfahren. Diesen treibenden Elementen gegenüber bremst der Reichskanzler mit allen Kräften und wünscht alles zu vermeiden, was ähnliche Maßnahmen in Frankreich oder England auslösen und den Stein ins Rollen bringen könnte. So soll der Reichskanzler auch mit der um einen Tag früher erfolgten Heimkehr Seiner Majestät und mit der Rückberufung aller Flottenteile (auch Schulschiffe) nicht einverstanden gewesen sein und ein unerwünschtes Echo dieser Maßnahme in der englischen Flottenbereitmachung erblicken. Nur mit Mühe gelang es dem Kriegsminister, gestern die Zustimmung des Reichskanzlers zur Zurückberufung aller Truppenteile in die Standorte durchzusetzen; es gelang dies nur durch den Hinweis auf die gleiche Maßregel in Frankreich. Allgemeine Einberufung aller beurlaubten Offiziere und der Ernteuilauber wurde vom Reichskanzler abgelehnt; der Reichskanzler hat absichtlich auch wichtige Chefs von Zentralbehörden ersucht, im Urlaub zu verbleiben, so Exzellenz v. Tirpitz, Delbrück u. a. Das Kriegsministerium hat alle, der Generalstab die wichtigsten Offiziere gestern einberufen. Der Kommandierende General XVI. A.K. soll, wie mir im Generalstab gesagt wvude, aus eigener Befugnis alle Ernteurlauber einberufen haben. Zutreffendenfalls dürfte vielleicht ei wogen werden, ob die gleiche Maßnahme für die bayerischen Truppen in den Reichslanden und in der Pfalz auf Anordnung des Kommandierenden Generals II. bayer. A.K. durchgeführt werden solle. Die Zivilbewachung der Pfalzbahnen, wie aller Grenzbahnen, ist bereits, wie mir in der zweiten Abteilung des Generalstabs mitgeteilt wurde, auf dem Wege durch das Reichseisenbahnamt angeordnet worden. Die Rückberufung aller Truppen von den Truppenübungsplätzen wurde, wie mir der Chef A i sagte, bereits gestern an die drei Kriegsministerien der Bundesstaaten telegraphisch mitgeteilt; in gleicher Weise werden ähnliche weitere Vorkehrungen d i r e k t bekanntgegeben werden. Daß bis auf weiteres auch keine Truppenteile den Standort mehr verlassen dürfen, gilt als selbstverständliche Folge.
222 Sonst wurde bis jetzt angeordnet: 1. Bewachung der drei großen Funkenstationen durch Sicherheitsbeamte, 2. Bewachung der Luftschiffhallen (auch der privaten) durch Militär. Die drei Militärbevollmächtigten sind für ihre Information heute an den Chef A i (Oberstlt. v. Wrisberg) gewiesen worden, mit dem sie täglich zweimal ( ^ n Uhr vorm. und 6 Uhr nachm.) zusammentreten. Heute Vormittag wurde uns zunächst der Inhalt des gestrigen Telegramms an die drei Kriegsministerien und die zwei ersten Berichte des Generalstabs über die militärischen Maßnahmen in den Nachbarländern bekanntgegeben; ich habe gebeten und die Zusage erhalten, daß ich jeweils zwei Abdrücke (für K. Kriegsministerium und bayer. Generalstab) bekomme; Nr. i und 2 werden mir nachgeliefert. Die Berichte beziehen sich, was Ortsnamen betrifft, auf die Perthes'sche Karte von Mitteleuropa 1:750000. Der am 27. 7. 4 Uhr nachm. ausgegebene Bericht enthält im Auszug folgendes: Österreich: Landstutm des IV., VII., XIII., XV. und X V I . A.K. wurde mit aufgerufen. Über die Ereignisse an der serbischen Grenze sind die Nachrichten noch nicht geklärt. Die Nachricht von der Sprengung der Savebrücke Semlin-Belgrad ist noch zweifelhaft. Ein Feuerkampf zwischen serbischen und österreichischen, auf Schiffen befindlichen Truppen scheint stattgefunden zu haben. Für den 28. 7. früh (1. Mob.-Tag) war ein Vorstoß von Temes-Kubin über die Donau in serbisches Gebiet (inzwischen mit 3 Kompagnien ausgeführt worden) und ein Einfall ins Novibasar (?) geplant. Am 27. 7. sollen aus dem Bezirk des IV. A.K. (Prag) 22 Züge nach Peterwardein und Pancsowa gefahren sein (die böhmischen Korps werden aus Mißtrauen gegen die Haltung der Czechen zuerst abbeföi dert). Eine Division des VII. A.K. soll Semendria gegenüber versammelt stehen. S e r b i e n : Der Kronprinz hat den Oberbefehl übernommen. Die höheren Führer versprachen ihm, innerhalb 8 Tagen eine Aimee von 300000 Mann zur Verfügung stellen zu können. Die Hauptarmee scheint im Morawabogen Kragujevac-Krusevac-Kraljevo zusammengezogen zu werden; südlich Semendria-Belgrad und bei Valjevo stehen stärkere Kräfte. Von den voraussichtlich aufzustellenden 5 Divisionen sollen je eine an der albanischen und bulgarischen Gienze, eine Brigade an der griechischen Grenze verbleiben. Montenegro: Die Mobilmachung ist auf Antrag Serbiens befohlen. G r i e c h e n l a n d : Über Paris liegt Meldung vor, daß Griechenland 100000 Mann zur Unterstützung der Serben zu stellen verpflichtet sei (?).
223 R u m ä n i e n : Das V. A.K. in der Dobrudscha soll durch Truppen des III. A. K. (Galatz) verstärkt werden. B u l g a r i e n : Nichts Neues. B e l g i e n : Es werden für die Mobilmachung, entsprechend einer früheren Äußerung des Kriegsministers, daß Belgien bei der geringsten Trübung des politischen Himmels in Europa Vorkehrungen für die Mobilmachung treffen würde, Vorbereitungen getroffen, die Reservejahrgänge 1910—12 werden angewiesen, sich bereitzuhalten. Offiziere und Unteroffiziere sind von Urlaub zurückgerufen. H o l l a n d : Die Eisenbahnbrücken bei Maastricht, Roermond und Venlo sollen militärisch besetzt sein. F r a n k r e i c h : Paris vollkommen ruhig. Presse auffallend gemäßigt. Von Mobilmachung nichts zu spüren. Höhere Offiziere von Urlaub zurückgerufen, Kommandanten auf ihren Plätzen. Truppen von Übungsplätzen zurückgezogen. An der Grenze erhöhte Beobachtung, Scheinwerfer zur Beleuchtung der Grenze bereit. In Luneville und Nancy werden die Truppen zurückgehalten. Die Eisenbahnbrücken bei Luneville und der Kanaltunnel zwischen Commercy und Toul werden militärisch bewacht. Beifort alarmbereit. E n g l a n d : Die Geschwader werden vereinigt gehalten; es findet vorläufig keine Entlassung der Reservisten statt. R u ß l a n d : Rußland scheinbar teilweise in Mobilmachung. Umfang noch nicht mit Sicherheit erkennbar. Als ziemlich sicher Militärbezirke Odessa und Kiew, Moskau noch ungewiß. Einzelne Nachrichten über eine Mobilmachung des Militärbezirkes Warschau noch nicht bestätigt. In anderen Bezirken, besonders Wilna, Mobilmachung noch nicht angeordnet. Immerhin sicher, daß Rußland auch an der deutschen Grenze gewisse militärische Maßnahmen trifft, die als Vorbereitung für einen Krieg aufgefaßt werden müssen. Wahrscheinlich Ausspruch seiner „Kriegsvorbereitungsperiode" für das ganze Reich. Truppen allgemein aus den Lagern in die Standorte zurückkehrend. Grenzwache überall kriegsgemäß ausgerüstet und marschbereit. Verstärkung der Grenzbewachung durch Militär macht an einzelnen Stellen bereits den Eindruck des Grenzschutzes. v. Wenninger
Nr. 4 Telegramm
Berlin, den 30. Juli 1914; 5 80 nachm.
Generalkommando zwo wurde ersucht, Kunstbauten in Pfalz militärisch besetzen. Wenn Wien heutigen deutschen Veimittlungsversuch ablehnt, folgt noch heute Zustand drohender Kriegsgefahr und dann Mobilmachung. Militär-Bevollmächtigter
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Nr. 5 Nr. 2639 An den Herrn Kriegsminister.
Berlin, den 30. Juli 1 9 1 4 Vertraulich! B e r i c h t Nr. 2.
Betreff: Politische Lage und Maßnahmen. Ein Oberleutnant des Generalstabs, der mir gestern abends den 3. Bericht brachte, behauptete, daß die Berichte i, 2 und 3 bereits an bayer. K.M., Gen.St. und die 3 Generalkommandos direkt übersandt worden seien. Ich lege gleichwohl je einen der mir übergebenen Abdrücke bei und bitte um telegraphische Nachricht, ob obige Angabe zutrifft. — Aus den uns gestern abends im Kriegsministeiium vorgelegten Attaché- und Konsulatsberichten erscheint folgendes zu(r) Ergänzung der Gen.St.-Berichte von Bedeutung: 1. M i l i t a r - A t t a c h é P a r i s , 2 8 - / 2 9 . 7* In Frankreich gesamter Güterverkehr eingestellt. Waggons requiriert. Im Innern des Reichs Bahnschutz auch durch Infanterie. Fahrzeuge und zahlreiche Zivilpersonen (Reservisten) in Kasernhöfen. Nach Zeitungsnachrichten stehen Züge für Aufmarschtransporte auf sämtlichen Pariser Bahnhöfen bereit. In Marokko sollen nur 40000 Mann bleiben. Zustand an Grenze weit vorgeschritten. Kraftwageneinfall anscheinend geplant. Die Regimenter in den Grenzgarnisonen lconsigniert. 2. Generalkonsul Moskau, 2 8 . 7. Kavallerie-Regimenter in Moskau mobilisiert. Reserven werden eingezogen. Mobilmachung auch in W i l n a im Gange. Äußerliche Stimmung ganz ruhig, keineswegs feindselig. A r b e i t e r äußerst f e i n d s e l i g gegen M o b i l i s i e r u n g , entschlossen, sie w o m ö g l i c h zu verhindern. Diese F e s t s t e l l u n g durch eine g e h e i m e K o m m i s s i o n höherer O f f i z i e r e soll sehr starken E i n d r u c k gemacht haben. Bauern ausschließlich Interesse an Ernte, auch Kaufmannschaft nicht kriegslustig. P o l i z e i hier g i l t gegenüber e t w a i g e n A r b e i t e r u n r u h e n als nicht ganz zuverlässig. Truppen werden von den Arbeitern streng getrennt gehalten. Zu den unzweifelhaften Bereitmachungsanordnungen stehen die Friedensbeteuerungen Sassanows in Widerspruch; ebenso verdächtig ist seine Bitte an den deutschen Botschafter Pourtalés, ihm in der Erhaltung des Friedens zu helfen. Das Gerücht, daß der Zar in die finnischen Schären sich begeben habe, hängt wohl mit den Arbeiterunruhen zusammen;, bestätigt ist es nicht. Wenn Rußland den Frieden hält, dann ist es nur die Angst vor dem roten Gespenst.
225 Reichskanzler, Moltke und Falkenhayn waren gestern 6 Uhr abends nach Potsdam zum Kaiser befohlen, wo auch der Kronprinz weilt. Bis 9 Uhr abends waren die Herren noch nicht zurück. Oberst Scheuch versprach allenfalls wichtige Ergebnisse sofort mitzuteilen. Bis jetzt — 30. 7., 10 Uhr v. — kam keine Nachricht. v. W e n n i n g e r Nr. 6 Nr. 2650 An den Herrn Kriegsminister.
Berlin, den 30. Juli 1914 Vertraulichl B e r i c h t Nr. 3.
Betreff: Politische Lage und militärische Maßnahmen. 1. Bei der heutigen Vormittagszusammenkunft wurde zunächst der Inhalt des Chiffretelegramms an die drei Kriegsministerien, betreffend sofortige Zurückberufung der Urlauber bekanntgegeben. 2. Die gestrigen Verhandlungen in Potsdam haben zu einem entscheidenden Ergebnis nicht geführt; es wurde nur das Zugeständnis erreicht, daß die deutschen militärischen Maßnahmen allmählich in das Stadium der drohenden Kriegsgefahr hinübergleiten dürfen. Außer der Einberufung der Urlauber wurde folgendes befohlen: a) Die Grenzkorps im Osten und Westen, dann das VII., IX. und XVIII. A.K. sollen die wichtigsten Kunstbauten militärisch besetzen; XVIII. A.K. ist ersucht worden, dies dem II. bay. A.K. mitzuteilen. b) Für die großen Festungen (im Westen Metz, Straßburg, Diedenhofen, Neu-Breisach) ist angeordnet, daß die Truppen Festungskrieg üben und Teile der Armierungsstellungen ausheben, soweit sie auf fiskalischem Boden liegen. c) Die Nachrichten über russische Bereitmachung gegenüber der d e u t s c h e n Grenze lauten widersprechend. Während der Generalstab heute Früh noch der Meinung war, daß dort nur Bahnschutz-Maßnahmen Platz gegriffen hätten, beteuert ein Agent der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, daß die russischen Grenzkorps auch an der deutschen Grenze vollkommen marschbereit und versammelt seien; die Reservisten seien schon längst bei den Truppen. Dagegen scheint festzustehen, daß im Innern Rußlands mehrere A.K. zur Unterdrückung von Unruhen zurückgelassen werden müssen. 3. Heute Mittags 12 Uhr hatte der Reichskanzler die Bevollmächtigten der Bundesregierungen zu sich berufen und sie beauftragt, an ihre Regierungen die Depesche zu senden, die Euer Exzellenz inzwischen wohl durch das Ministerium des Äußern bekannt geworden ist. Wenn Österreich, was nicht ausgeschlossen ist, die Zumutung, eine schon einmal gegebene Erklärung feierlich zu wiederholen, zurückweist, 15
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dann gilt offenbar auch für den Reichskanzler das letzte diplomatische Mittel als erschöpft. Das Kriegsministerium wird dann nur für ein bis zwei Tage als Übergangsstadium die drohende Kriegsgefahr aussprechen, worauf die Mobilmachungserklärung folgen wird. Auf i Uhr Mittags waren Exz, llenz v. Tirpitz (der wie Delbrück doch gestern hier eintraf) und Exzellenz v. Falkenhayn zum Reichskanzler gebeten, nicht aber Exz. v. Moltke. Letzterer wurde vom Kriegsminister (auf Grund einer Vereinbarung) verständigt und erschien ungebeten. S. M. der Kaiser ist entschieden auf Seite Moltkes und des Kriegsministers. Im Kriegsministerium herrscht Befremden über die Zumutung an unseren Bundesgenossen, die Erklärung betr. Wahrung des Besitzstandfes Serbiens in Petersburg wiederholen zu sollen; man befürchtet unerwünschte Mißstimmung im österreichischen Heer und Volk. Einen prächtigen Eindruck macht die Bestimmung des Kaisers, daß die Kaiser-Söhne als einfache Offiziere in der Front den Krieg mitmachen sollen. v. Wenninger
Nr. 7 Nr. 2651 An den Herrn Kriegsminister. Betreff: Politische Lage und militärische Maßnahmen.
Berlin, den 30. Juli 1914 Vertraulich! Bericht Nr. 4.
1. Betr. Ausfuhrverbote siehe Beilage! 2. Das schon gestern aufgetauchte Gerücht, daß England erklärt hat, im Kriegsfalle mit dem Zweibund zu gehen, wird heute bestätigt. Der Kaiser hierüber sehr empört. Die Marine hat „Sicherung" befohlen, ein Vorstadium der drohenden Kriegsgefahr; die gleiche Anordnung wurde daraufhin den mit der Verteidigung von Sylt, Borkum und Pellwurm befaßten A. K.s (II, IX, X) befohlen. 3. Über den Inhalt der Depeschen des Kaisers und Zaren, die sich kreuzten, erfahre ich: Der Zar führte Beschwerde, daß das Vorgehen Österreichs gegen Serbien unbegründet sei. Der Kaiser appellierte daran, daß die Fürsten solidaiisch sein müßten in der Stellungnahme gegenüber dem Fürstenmord. Seitdem ist der Depeschenwechsel noch nicht abgeschlossen. 4. Ein neuer englischer Ausgleichsvorschlag, der in diplomatischen Kreisen als akzeptabel erscheint, geht dahin, daß östeneich Belgrad und andere serbische Städte in Besitz nehmen könne und daß inzwischen durch die Mächte auf Serbien eingewirkt werden solle, daß es die im Ultimatum gestellten Bedingungen glatt annehme. —
227 5- Der dem K. Kr.M. zugegangene 4. Bericht des Gr. G.St. vom 30. ds. deutet auf eine gewisse Stille in den Kriegsvorbereitungen in Frankreich und Rußland hin und schränkt frühere Berichte teilweise ein. — 6. Eine Antwort aus Wien ist immer noch nicht eingetroffen, was vielleicht als Zeichen einer Verstimmung aufgefaßt werden darf. Es wird bereits ein Telegramm des Kaisers an Kaiser Franz Josef erwogen. v. Wenninger
Nr. 8 Telegramm
Berlin, den 31. Juli 1914
Militärreitschule und Kriegstelegraphenschule aufgelöst. Von Wien noch keine Nachricht. Militär-Bevollmächtigter
Nr. 9 Nr. 2678 An den Herrn Kriegsminister.
Berlin, den 31. Juli 1914 Vertraulich! Bericht Nr. 5.
Betreff: Politische Lage und militärische Maßnahmen. An Frankreich und Rußland wurde heute Nachmittag (wahrscheinlich 400) die Anfrage gerichtet, ob sie neutral bleiben wollen; Antwortfrist für Frankreich 18, für Rußland 12 Stunden. England wurde ein Neutralitätsvertrag angeboten, aber von diesem abgelehnt mit Hinweis auf seine Freundespflichten. Die russische Botschaft hier war angeblich auf die falsche Nachricht des Lokalanzeigers hereingefallen, hatte ihrer Regierung die deutsche Mobilmachung gemeldet und sich dann geschämt zu berichtigen (nach anderer Version soll der ganze Vorfall von der russischen Botschaft inszeniert worden sein, um einen Grund für die russische Mobilmachung zu schaffen). Österreich hat, wie vorauszusehen, den deutschen Vermittlungsvorschlag abgelehnt. Beginn der Mobilmachung für Mitternacht 1./2. 8. spätestens zu erwarten. Wenninger 15*
228 Berlin, den i. August 1914 Vertraulich! B e r i c h t Nr. 6. Politische Lage und militärische Maßnähmen. Der Kriegsminister hatte gestern den Reichskanzler gebeten, daß der Antwort Frankreichs und Rußlands sofort der Mobilmachungsbefehl folgen dürfe, damit noch der 1. August als erster Mobilmachungstag gewonnen würde, und zwar auch für Bayern. Die Nacht verging; um 400 verstrich die russische, um 1000 vorm. die französische Frist. Rußland hatte ausweichend und nichtssagend geantwortet, von Frankreich lag ein Antrag auf Verlängerung der Frist bis 1 0 0 nachm. vor, weil man sich erst in Petersburg erkundigen müsse, ob es wahr sei, daß Rußland mobil gemacht habe; man wisse davon nichts. (?!) Das riecht bedenklich nach Zeitgewinn, der eigentlich nicht zugestanden werden sollte. Das preußische Kriegsministerium ist sehr ärgerlich über den verlorenen Mobilmachungstag. Inzwischen hatte aber England erklären lassen, daß es sich doch noch die Hände frei halten müsse«. Das war eine beachtenswerte Schwenkimg, die nicht ignoriert werden durfte, selbst wenn sie nur einen Trick darstellte. Die Erklärung allein nimmt schon den Franzosen Wind aus den Segeln, wenn nicht diese eine ganz anders lautende Erklärung Englands besitzen. Die Haltung Italiens hat neuerdings in Österreich verstimmt und hier Besorgnisse erregt; es ist mit dem Angebot Albaniens nicht zufrieden, sondern soll das Trentino und Triest verlangen. Cambon erklärte, Italien sei dem Dreibund noch nicht sicher. Auch an Dänemark soll eine befristete Frage gerichtet worden sein. An N a c h r i c h t e n lagen bis Mittag vor: x. Aus Frankreich: Vormarsch stärkerer Kräfte von Toul und Frouart gegen die Grenze; wird als Grenzschutzbewegung angesprochen. 2. Aus Rußland: die Bahnlinie Petersburg-Warschau soll zerstört sein (Sabotage? Polen?). v. Wenninger Nr. 11 Nr. 2700
Berlin, den 1. August 1914
An den Herrn Kriegsminister. Betreff: Politische Lage und militärische Maßnahmen.
Vertraulich! B e r i c h t Nr. 7
Mit Italien soll ein Arrangement gefunden sein; welcher Art, ist noch unbekannt. Die Verstimmung darüber, daß Italien erklärte, der
229 casus foederis sei nicht gegeben, weil Österreich durch den Angriff auf Serbien indirekt Rußland angegriffen habe, ist noch nicht verwunden; sie fand ihren Nachhall darin, daß in der heutigen Rede des Reichskanzlers, die ich im Wortlaut hier beilege, von Italien mit keinem Wort gesprochen wurde. Daß von England nicht die Rede war, hat seinen Grund in der noch ungeklärten widerspruchsvollen Haltung dieser Regierung. Den ganzen Nachmittag über, auch noch nach Ausspruch der Mobilmachung, erhält sich hartnäckig das Gerücht, daß die russische Regierung um Verlängerung des Ultimatums nachgesucht habe; man erklärt sich diese Bitte damit, daß zwischen Rußland und Frankreich Verhandlungen bestehen, weil Frankreich plötzlich wenig Kriegslust zeige. An Rußland ist die Kriegserklärung bereits ergangen, sie soll jedoch nur Geltung haben für den Fall der ungenügenden Beantwortung des Ultimatums. An Frankreich ist die durch ihre chevalereske Fassung auffallende Kriegserklärung noch nicht abgegangen. Die weiteren Beschlüsse des Bundesrats ergeben sich aus Beilage 2. v. Wenninger (Dem Bericht lag das als Manuskript gedruckte Protokoll der 27. Bundesratssitzung vom 1. August 1914 mit der Rede des Reichskanzlers bei).
Nr. 12 Berlin, den 1. August 1914
Nr. 2698 An den Herrn Kriegsminister.
Durch Offizier persönlich überbracht! Ganz besonders vertraulich! Bericht Nr. 8.
Betreff: Politische Lage und militärische Maßnahmen.
Über den deutschen Operationsplan und die voraussichtliche Gruppierung der Streitkräfte erfahre ich aus bester Quelle folgendes: Die erste Entscheidung wird gegen Frankreich gesucht; das Große Hauptquartier verläßt nach vollendetem Aufmarsch Berlin und begibt sich an den Rhein. Gegen Frankreich werden 32 deutsche A.K. verwendet, darunter 21 aktive; sie werden voraussichtlich auf 27 franz. A.K. treffen, darunter 19 aktive; wie viele franz. Armeekorps gegen Italien stehen werden, ist nicht bekannt; möglicherweise nur zwei. Rußland soll fünf Armeen zu je fünf A.K. aufstellen, und zwar 3 ( = 15 A.K.) gegen Deutschland, 2 ( = 10) gegen Österreich. Hieraus
230 ergibt sich, daß es starke Kräfte im Innern gegen Unruhen zurückhält, dann in Finnland gegen Schweden und in Ostasien. Deutschland stellt gegen Rußland nur 6 bis 7 A.K. und starke Landwehr-Formationen. Österreich stellt 24 A. K. auf (16 A.K., 16 Landw.-Div.), davon voraussichtlich 16 gegen Rußland; mit dieser Übermacht wird es nach getroffener Vereinbarung sofort den Vormarsch in noidöstlicher Richtung gegen die russische Südgruppe beginnen, diese schlagen und dann in die Flanke dei russischen Nordgruppe operieren. Da behauptet wird, daß auch die russische Nordarmee zunächst sich verteidigungsweise verhalten und im Falle eines starken Angriffs langsam auf Petersburg zurückweichen soll, so hat es den Anschein, als ob das Rezept von 1812 wieder Anwendung finden solle. Daß dieser Plan tatsächlich gefaßt ist, daraufhin deutet auch, daß Petersburg in aller Eile befestigt wird. Tausende von Arbeitern sind damit beschäftigt. v. W e n n i n g e r
Nr. 13 Nr. 2720 An den Herrn Kriegsminister.
Berlin, den 2. August 1914 Streng vertraulich! B e r i c h t Nr. 9.
Betreff: Politische Lage und militärische Maßnahmen. Noch immer dauern die Kämpfe zwischen Militär und Diplomatie fort. Letztere schob und schob die entscheidenden Schritte hinaus. Die Gienzüberschreitung durch Rußland klärte wenigstens nach dieser Seite die Situation, heute mittag 1 Uhr wurde nach längerer Beratung dem russischen Botschafter der Paß zugeschickt und den Konsuln das Exequatur entzogen, dagegen erklärt, daß noch kein Anlaß vorliege, den gleichen Schritt gegenüber der französischen Mission zu tun. Das Kriegsministerium war darüber sehr verdrossen, denn von allen Generalkommandos kamen Anfragen, wer denn nun als Feind zu betrachten sei. Da traf die willkommene Nachricht von unserem III. A.K. über den Bombenabwurf durch einen französischen Flieger bei Nürnberg ein. Nun erklärten Kriegsministerium und Generalstab, ohne noch einen diplomatischen A k t abzuwarten, Frankreich als Feind. Hinsichtlich Frankreich und Rußland hat nunmehr die Politik zu schweigen. Nur hinsichtlich Englands geht der Meinungsstreit weiter. England soll erklärt haben, es werde neutral bleiben, wenn die Neutralität Belgiens und Hollands auch durch Deutschland gewahrt werde. Moltke bleibt dabei, sich in diesem Punkte lediglich von militärischen Erwägungen leiten zu lassen.
231 Der peinliche Umschwung Italiens trat ein in dem Momente, wo England seine Mittelmeerflotte verstärkte; als Grund schützte Italien Besorgnis wegen seiner ungeschützten Küsten vor. Um die gleiche Zeit, wo die unsichere Haltung Italiens hier bekannt wurde, traf ein höherer italienischer Marineoffizier hier ein und bat im Auftrag um den deutschen Flottenverwendungsplan. Er wurde nicht vorgelassen. Soviel ist sicher: Geht Italien nun mit oder nicht, so wird dem jetzigen Kriege noch ein österreichisch-italienischer Krieg nachfolgen. Von Oberstleutnant Tappen wurde auch mir der Aufmarschraum der bayer. Armee bekanntgegeben, aber hinzugefügt, es sei nicht unmöglich, daß der Aufmarsch der bayer. Armee in eine andere Richtung gelenkt werde. Die Nachbararmeen sind: rechts die Armee des Kronprinzen des Deutschen Reiches (an Stelle des erkrankten Gen.-Oberst v. Eichhorn), links die Armee von Heeringen. Die Wahl des Generalmajors v. Krafft zum Chef Sr. K. H. des Kronprinzen von Bayern ist auf einen Wunsch Sr. K. H. zurückzuführen, den ich Exz. v. Waldersee für die Kaisermanöver zu überbringen hatte; diese Stellenbesetzung weicht von dem letzten Übereinkommen ab, Bayern wird aber, wie Moltke launig meinte, darüber nicht böse sein. S. K. H. der Kronprinz hat sich bei Exz. v. Moltke bereits bedankt. Mit Hinblick darauf, daß der deutsche Kronprinz vom Regimentskommandeur zum Armeeführer avancierte, hat der Kabinettschef auch füi die übrigen Kaisersöhne Beförderungen beantragt. Die Prinzen Eitel Friedrich und Oskar werden Oberstleutnants ohne Patent und Regimentskommandeure (Prinz Eitel Fritz i . Garde-R. zu F.), Prinz August Wilhelm und Joachim werden Ordonnanzoffiziere bei Brigaden. Hinsichtlich einer Begegnung S. M. des Königs mit S. M. dem Kaiser hat die Gesandtschaft eine Anregung bei Exz. Graf Hertling gegeben, dahin, hiefür den Zeitpunkt abzuwarten, wo das Große Hauptquartier sich an die Westgrenze begibt. Der preußische Kriegsminister, dem ich mich bestimmungsgemäß anzuschließen habe, hat mir erklärt, daß er sofort ins Hauptquartier abgehen werde, sobald S. M. Berlin verlasse. Ich darf schon jetzt die Anregung geben, ob nicht S. M. dem preußischen Kriegsminister den bayerischen Orden mitzubringen die Gnade haben würde, der ihm für die Kaisermanöver zugedacht war; für den Fall dieser Anregung stattgegeben wird, bitte ich um Nachricht, um das Kabinett hievon verständigen und Reziprozität anregen zu können. v. Wenninger
Nr. 14 Telegramm
Berlin, den 3. August 1914; 3 1 0 nachm.
England 50 Mill. Pfund Kriegsanleihe. London Kriegsbegeisterung. Brunnen- und Mehlvergiftung Metz, Straßburg falsches Gerücht;
232 ebenso Bombenabwurf Nürnberg. Dagegen richtig Einmarsch französischer Kompagnien Richtung Altmünsterol. Deutsche Luftaufklärung noch nicht eingeleitet. In Preußen allgemeine Amnestie geplant, auch militärisch. Pfadfinder zur Erntearbeit, Arbeitsvermittlung usw. herangezogen. Militär-Bevollmächtigter
Nr. 2731
Nr. 15
Berlin, den 3. August 1914; 800—900 nachm.
An den Herrn Kriegsminister.
Streng vertraulich!
Betreff: Politische Lage. Im Nachgang zu meinem heutigen Telegramm berichte ich noch folgendes: Der Große Generalstab gab gestern Abend keinen gedruckten Bericht heraus. Die Taktik des Auswältigen Amtes ging bisher dahin, möglichst viele Grenzverletzungen von französischer und russischer Seite festzustellen, ohne sie Frankreich gegenüber, mit dem der Kriegszustand noch nicht angenommen war, zu erwidern. Dies wird sich nun ändern, da seit 600 abends dem französischen Botschafter die Pässe zugestellt sind. Der Kaiser ist sehr verstimmt über die Haltung Italiens; ein gestern abgesandtes Telegramm des Kaisers an den König von Italien war ohne Antwort geblieben. Italien hat nunmehr seine Neutralität erklärt; es soll aber auf besonderem Wege noch der Versuch unternommen werden, Italien zum Bündnis zurückzuführen. Die russische Mobilmachung soll angeblich ohne Wissen des Zaren vom Großfürsten Nikolajewitrch ausgesprochen worden sein. v. W e n n i n g e r
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V West=östliche Orientierung? (Siehe auch Einleitung Seite X X V ff.l)
I. Die Frage des A n s c h l u s s e s D e u t s c h - Ö s t e r r e i c h s an d a s D e u t s c h e R e i c h spielte nach der Umwälzung vom November 1 9 1 8 eine große Rolle. Das gesamte deutsche Volk verlangte den Zusammenschluß, Österreich erklärte sich fast einstimmig dafür. Die Entente, unter dem beherrschenden Einfluß Frankreichs, verhinderte ihn und entschied schließlich mit einem Gewaltspruch gegen das von ihr vorher als Grundsatz verkündete, in diesem Falle sonnenklare Recht der Selbstbestimmung der Völker. Zwischen dem revolutionären Ministerpräsidenten E i s n e r und seinem Berner Gesandten Friedrich Wilhelm F o e r s t e r entstand ein Meinungsaustausch über die Anschlußfrage. Foerster hat nicht unterlassen, seine auch öffentlich gegenüber einem Vertreter der Agence Havas vorgebrachten Einwände gegen den Anschluß Deutsch-Österreichs an das Reich in einer kurzen Denkschrift (21. November 1918) für die bayerische Regierung zusammenzufassen und ihr seine Ansichten nahezulegen. Nicht in seiner Eigenschaft als Gesandter, aber doch „als Professor Foerster, der sich viel mit den österreichischen und südeuropäischen Fragen beschäftigt hat"1)! Im Anschluß an das Bekenntnis der bayerischen Regierung zu einer „föderativen Verknüpfung" Österreichs mit Deutschland empfahl er dringend, eine solche Lösung mindestens noch hinauszuschieben. Man solle die Entente nicht gegen Deutschland aufbringen, deren „Mißtrauen in die Realität eines neuen Geistes" noch nicht überwunden sei! Die Alliierten wünschten um keinen Preis jetzt eine Vergrößerung Deutschlands! Sollte die Vereinigung trotzdem unerwartet vollzogen werden, meldete Foerster, l
) Original im Mfinchener Ministerium des Äußern.
234 so würden wahrscheinlich auf der Gegenseite Vorschläge kommen, „zur A u s g l e i c h u n g dieses A g r a n d i s s e m e n t s das linke R h e i n u f e r an F r a n k r e i c h abzugeben". Auch in der polnischen Frage würde man Deutschland dann zu kurz kommen lassen! Der Gesandte findet den Anschluß auch vom Standpunkte Deutsch-Österreichs aus nicht zweckmäßig. Er fürchtet für die Kulturwürde Österreichs, wenn es sich nach Norden umstellt. Gegen die reichsdeutsche Betriebsamkeit käme es nicht auf und würde zu einer Wirtschaftsprovinz Berlins. Die wirtschaftliche Tradition des Landes sei seit Jahrhunderten nach Südosten orientiert. Umgekehrt komme jetzt schon, mitten im Rausche der jungen nationalen Selbständigkeit, den slawischen Partnern zum Bewußtsein, daß sie auf ihre deutsch-österreichischen Nachbarn angewiesen seien. Foerster hält diese slawischen Staatsgebilde für nicht lebensfähig und sieht bereits entstehen, was er wünscht: Eine deutschslawische Gemeinschaft nicht nur in der Wirtschaft, sondern „mit ihren psychologischen und soziologischen Anpassungen", die zu enger politischer und kultureller Gemeinschaft führen müssen. Also, an Stelle der eben zertrümmerten Habsburger Doppelmonarchie eine „neue Konföderation der Südoststaaten" 1 Dieser Gedanke müsse triumphieren über die Idee der Vereinigung mit Deutschland. „Es war der alte Sinn der deutschen Südostmark, durch Föderation mit der slawischen Welt deutsche Kulturmacht zu fördern". Als Vorkämpfer übernationaler Staatsformen, als abgesagter Feind des „auflösenden" und „kleingeistigen" Nationalprinzips, wollte Foerster also den Versuch eines kleinen mitteleuropäischen Völkerbundes gemacht wissen, der nach ihm auch für den europäischen Frieden von entscheidender Wichtigkeit wäre. Dieser Gesichtspunkt gebe für die Alliierten, namentlich für England den Ausschlag: „Es wäre daher sehr wichtig, wenn unsere auswärtige Politik hier nicht die Absichten der Entente gerade in dem Augenblicke durchkreuzen würde, in dem wir vor einer Hungersnot stehen und ganz vom guten Willen unserer Feinde abhängig sind". Man sieht, der Gesandte zog alle Register, um der bayerischen Staatsleitung seine Vorschläge einleuchtend und annehmbar zu machen. Er überging dabei, daß der Krieg doch für das von der Entente verkündete Recht der nationalen Selbstbestimmung
235 entschieden hatte, und daß dieses doch auch für die Deutschen Österreichs gelten müßte. Seiner Lehre von der, .deutsch-slawischen Symbiose" zuliebe beschneidet er dem eigenen Volke dieses Grundrecht und verschmäht auch nicht, die Wünsche und Absichten der Entente als Richtpunkte zu nehmen. Er leistet Vorarbeit für jene, die das Heil Mitteleuropas mit der Zersplitterung und der völligen staatlichen Ohnmacht des deutschen Volkes heraufführen möchten. Oder wäre es etwas anderes, wenn die alten Grenzmarken Deutschlands in Ost und West, wie Foerster es mit ihnen vorhatte, zu sogenannten übernationalen Gebilden würden? Wer wollte nach solcher deutscher Selbstaufgabe die Franzosen dann noch hindern, aus dem ganzen Linksrhein den von ihnen beabsichtigten Zwischenstaat zu gestalten ? Wohin käme es, wollte das deutsche Volk selbst sein auch ihm verbürgtes Grundrecht aufgeben, eine große nationale Gemeinschaft zu bilden, über die heutigen Grenzen des Reiches hinaus? Solche zwingende Erwägungen, die ja allenthalben auftraten, konnte auch der bayerische Ministerpräsident nicht von der Hand weisen. Er trug in diesem Falle den Anforderungen der politischen Wirklichkeit Rechnung. Er verfiel nicht in den ihm zugedachten Fehler, einer Doktrin zuliebe ein bedenkliches politisches Experiment zu befürworten, das nur auf Kosten des deutschen Volkes zu machen wäre. Der internationale Sozialist tat dem pazifistischen Gesandten, der auch einem Vertreter der Ententepresse seine Pläne entwickelte, Einhalt; „Ich bitte Sie, gelegentlich in der Öffentlichkeit festzustellen, daß Ihre Anschauungen über den Anschluß Österreichs Ihre Privatansichten sind und sich nicht decken mit meinen Anschauungen oder denen der bayerischen Regierung". Für diese Haltung wird auch mitbestimmend gewesen sein, daß die sozialistischen Leiter der deutsch-österreichischen Republik für den Anschluß an Deutschland auftraten. Auch war zu beachten, daß einflußreiche bayerische Politiker wie Dr. H e i m sich für einen engeren Zusammenschluß der österreichischen Alpenländer mit Bayern einsetzten. Davon erhoffte Heim die Möglichkeit eines selbständigen lebensfähigen südöstlichen deutschen Staates, besonders im Falle einer Überflutimg des deutschen Nordens durch den Bolschewismus. Diese für manchen verführerische „großbayerische"
236 Idee trieb naturgemäß diejenigen, die eine Angliederung nicht an Bayern, sondern an das Deutsche Reich als solches für das Richtige erachteten, zu stärkerer Kraftentfaltung an.
Die Vorschläge Foersters zur Behandlung der deutschösterreichischen Frage waren Versuche, die Bemühungen, die er schon während des Krieges in dieser Sache in Wien selbst aufgewendet hatte, fortzusetzen. Anfang Juli 1917 hatte der damalige Münchener Professor die Möglichkeit bekommen, seine Ansichten über eine „zeitgemäße Lösung des österreichischen Nationalitätenproblems" vor Kaiser Karl zu entwickeln. Dieser zeigte sich „hellsichtig für die Forderung der Stunde" und war zur Bewilligung weitgehender Autonomie für die österreichischen Völker bereit. Ein Kabinett aus allen Nationen der Monarchie war bereits in Aussicht genommen, „das der Aufgabe gewachsen gewesen wäre". Foerster wähnte, daß eine solche Neuordnung auf die Ententevölker einen tiefen Eindruck gemacht hätte. Ja, ihm schwebte die Möglichkeit vor, dadurch den Frieden herbeizuführen und ihn durch eine „Friedensföderation der europäischen Südostvölker" für die Zukunft zu festigen. Da verhinderte deutsch-österreichischer Widerstand die Ausführung des Planes. Diese Angaben macht Foerster selbst in seinem Nachkriegsbuche „Mein Kampf gegen das militaristische und nationalistische Deutschland" (1920). Sie werden, wenn auch in anderer Auffassung, bestätigt durch Geheimberichte, die der Reichskanzler und in Abschrift die bayerische Regierung von der deutschen Botschaft in Wien 1917 über die damalige Wirksamkeit Professor Foersters in Wien erhielten1). Man hatte auf deutscher Seite den Eindruck, daß Foerster und sein Freund L a m m a s c h vor allem auf eine S o n d e r f r i e d e n s a k t i o n Österreichs abzielten. Sie sprachen sich dahin aus, daß Österreich im Auslande beliebt sei und auch in Frankreich und England Sympathien genieße. Die x ) Abschriften im Münchener Ministerium des Äußern. — Von mir in Wortlaut veröffentlicht in der Wochenschrift „Allgemeine Zeitung", München, 14. Mai 1922.
237 Entente dächte nicht daran, Österreich zu schwächen. Ihr Haß richte sich ledigüch gegen Deutschland. Ein B e r i c h t d e r d e u t s c h e n B o t s c h a f t in Wien vom 20. Juli 1917 meldet, Kaiser Karl nehme seit ungefähr vier Wochen dem Grafen Czernin immer mehr die Zügel der Regierung aus der Hand, ganz durchdrungen von dem Gedanken, „daß es ihm gelingen müsse und werde, den allgemeinen Frieden zu machen": Zu diesem Zwecke beruft der Monarch fast täglich Pazifisten zum Meinungsaustausch auch nach seinem Sommersitz in Reichenau, wo er sonst nicht gerne gestört wird. Seine Hauptratgeber sind drei Professoren, Professor Lammasch (Herrenhaus), Professor Redlich (Abgeordnetenhaus) und der Münchener Professor Foerster. Diese drei halten fest zusammen. Sie vertreten den Standpunkt, daß Deutschland an der Verlängerung des Krieges die Schuld trägt, und daß Österreich, überall beliebt, zur Vermittlung berufen sei. Sie machen dafür Propaganda. Professor Lammasch hat neulich dem Grafen Czernin vorgeschlagen, uns ein Ultimatum zu stellen, binnen 48 Stunden in die Abtretung Elsaß-Lothringens einzuwilligen, andernfalls werde Österreich einen Sonderfrieden schließen. Graf Czernin hat ihn mit den Worten abgewiesen, er mache keine »Schweinereien«. Die beiden anderen Professoren dürften der Ansicht ihres Freundes nicht fernstehen. Dem Grafen Czernin sind die Professorenberufungen sichtlich unangenehm. Er kann sie aber anscheinend nicht verhindern. Er ist überzeugt, daß Kaiser Karl viel zu vornehm denkt, um einer direkt illoyalen Handlung fähig zu sein, daß er aber von diesem Friedensstifterspiel nicht abzubringen ist. Das Spiel ist gefährlich, unsere hiesigen Freunde sind sehr beunruhigt, die Gegner ermutigt, aber auch die auswärtigen Feinde dürften ihre Hoffnungen kaum noch auf militärische oder wirtschaftliche Niederringung setzen, sondern auf Sprengung des Bündnisses, auf die Habsburger Friedenspolitik. 2. Mit einem anderen immittelbaren östlichen Nachbarn, der T s c h e c h o - S l o w a k e i , der Freundin der Franzosen, suchte Eisner alsbald in engere Fühlung zu kommen. Ein eigener diplomatischer Vertreter wurde nach Prag gesandt, der vor allem den wirtschaftlichen Warenaustausch wieder in Gang bringen sollte, auf den beide Länder von jeher angewiesen waren. Aber die Bemühungen, böhmische Kohlen zu bekommen, um der Kohlennot in Bayern abzuhelfen, blieben ohne nennenswertes Ergebnis. Aus dem erstrebten Handelsabkommen ist nichts geworden. Dazu liefen beunruhigende Gerüchte um, die sicherlich nicht ganz unbegründet waren, daß die Tschechen ihren französischen Freunden mit einem
238 Vormarsch auf der Mainlinie entgegenkommen würden, wenn sich die Friedensverhandlungen zerschlagen sollten und daß sie an der bayerischen Grenze militärische Vorkehrungen träfen. Schließlich blieb von allem nur ein weitschweifiger, für die Veröffentlichung in den Zeitungen bestimmter Erguß des außerordentlichen Gesandten in Prag übrig (i. Dezember), der den Stand der Verhandlungen im rosigsten Lichte erscheinen ließ und es lediglich dem Einspruch Berlins zuschrieb, wenn das Handelsabkommen noch nicht fertig sei. Sonst begnügte er sich, mit allgemeinen und vielverheißenden Wendungen die erfreulichen Aussichten und Wirkungen einer Anlehnung Bayerns an Frankreich im Westen und an die Tschecho-Slowakei im Osten darzutun. Man kann verstehen, daß gegen eine von solchen Gesichtspunkten geleitete Tätigkeit von Berlin aus Einspruch erhoben wurde. München hat denn auch seinen Bevollmächtigten unverrichteter Dinge wieder heimgerufen.
239
VI Gegen Lüge und Entstellung. Der gegen die Glaubwürdigkeit der deutschen und bayerischen Aktenpublikationen gerichtete Stoß, der im Frühjahr 1922 mit der Behauptung geführt wurde, es habe im diplomatischen Verkehr „eine doppelte Buchführung" gegeben, ist gänzlich ins Leere gegangen.1) Alsbald wurden andere Mittel angewandt, um mit den „Bayerischen Dokumenten" fertig zu werden. Die E n t e n t e - P r o p a ganda, auch in diesem Falle von sogenannten Deutschen unterstützt, trat mit den gewagtesten Erfindungen und Methoden auf den Plan. Zwar machte sie keinerlei ernsthaften Versuch, die Klarstellung zu widerlegen, die sich über die Enthüllungsaktion Eisners, ihre politischen Folgen und Wirkungen ergeben hatte. Die unbequeme Tatsache, daß die von ihm 1918 mangelhaft publizierten, in Versailles und in der französischen Kammer so gewichtig verwerteten Dokumente der Beweiskraft gegen Deutschland entbehren und als Behelfe der Versailler Schuldanklage entkräftet sind, wurde verlegen beiseite geschoben. Statt dessen stürzte man sich eifrig auf die von mir im zweiten Teile des vorliegenden Bandes neu herausgegebenen Gesandtenberichte und durchsuchte sie mit heißem Bemühen nach einzelnen Wendungen, Sätzen, Stellen, die man für geeignet erachtete, als Zeugnisse gegen Deutschland gebraucht oder vielmehr mißbraucht zu werden. Eine solche tendenziöse Zusammenstellung brachte der „Temps" vom 7. März 1922 und mit ihm die „Times". Es ging dabei nicht ohne persönliche Verdächtigungen ab, denen ich damals mit folgender öffentlichen Erklärung begegnete (10. März 1922): *) Siehe Seite 103, 104. — Seite 199: Urteilsbegründung.
240 Das Pariser Blatt bringt Auszüge und behauptet, daß die Aktenstücke, aus denen die Auszüge stammen, bisher der Öffentlichkeit v o r e n t h a l t e n worden seien, daß aber der Artikelschreiber hinter das Geheimnis und in die Lage gekommen sei, aus den noch verborgenen geheimen Dokumenten seinen Lesern Mitteilungen zu machen. Diese ganze Darstellung ist blanker Schwindel. Die vom „Temps" benutzten Aktenstücke sind samt und sonders, allerdings lückenlos und in vollem Wortlaut und mit vielen anderen vom „Temps" vorsichtig unterschlagenen bayerischen Dokumenten, in der von mir anfangs Februar dem bayerischen Landtag gedruckt vorgelegten Sammlung „Bayerische Dokumente zum Kriegsausbruch und zum Versailler Schuldspruch" v e r ö f f e n t l i c h t . Dieses Buch ist nicht nur den sämtlichen Abgeordneten, zahlreichen behördlichen Stellen im Lande und im Reiche, dem Reichstag usw. zugestellt, sondern gleichzeitig auch diplomatischen Vertretungen des Auslandes sowie der Presse des In- und Auslandes ohne Unterschied der Partei zugänglich gemacht worden. Mit dieser Feststellung erledigt sich die Behauptung des „Temps", als ob in meiner gleichzeitigen Abhandlung in den „Süddeutschen Monatsheften" über die „Auswärtige Politik Kurt Eisners und der bayerischen Revolution" die vom „Temps" verwerteten Dokumente absichtlich beiseite gesetzt worden seien. Diese Behauptung ist ein perfider Versuch, die Feststellungen, die ich in dieser Abhandlung ü b e r die s e i n e r z e i t i g e n E i s n e r ' s c h e n A u s z ü g e aus v i e r b a y e r i s c h e n D o k u m e n t e n , ü b e r die U n z u l ä n g l i c h k e i t d i e s e r A u s z ü g e u n d ü b e r die f ä l s c h e n d e A u s b e u t u n g d e r s e l b e n in V e r s a i l l e s g e m a c h t h a b e , zu u m g e h e n . Was die vom „Temps" gebrachten Auszüge betrifft, so stellen sie sich dar als einzelne, völlig willkürlich aus dem Zusammenhang herausgerissene Stellen, Sätze und Wendungen, in denen der Artikelschreiber des Pariser Blattes eine Belastung für Deutschland erblicken zu können meint. Die ganze Aufmachung bedeutet eine grobe E n t s t e l l u n g , j a Fälschung des Gesamtinhalts der von mir veröffentlichten bayerischen Gesandtenberichte. Aus ihm ergibt sich für jeden Unbefangenen ein ganz anderes Bild, als der „Temps" es mit seinen z u r e c h t g e s t u t z t e n Auszügen vortäuscht. Dieses wahre Bild stimmt in allem wesentlich überein mit demjenigen, das imbefangene Forscher und Beurteiler auch des Auslandes aus den früheren großen deutschen und österreichischen Aktenpublikationen gewonnen haben: Deutschland ist in den Weltkrieg hineingeschlitt e r t , seine politische Leitung und Diplomatie hat in den kritischen Wochen und Tagen zweifellos mehrfach versagt und vielleicht T o r heiten begangen, sie war aber keineswegs beherrscht vom Kriegswillen. Deutschland hat vielmehr den Weltkrieg weder von langer Hand geplant noch auch ihn planmäßig entfacht. Es hat ihn vielmehr schließlich zu verhindern gesucht. Ein Ergebnis, das be-
241 kanntlich auch K a u t s k y aus seinen Aktenveröffentlichungen gewonnen hat.1) Der „Temps" vom 14. März 1922 leistete sich dann folgende Ungeheuerlichkeiten über mein Buch: Mit dieser Veröffentlichung wollte man der Schuldlüge den Kopf abschlagen. Aber beim Studium der Dokumente sah sich Doktor Pius Dirr genötigt, mehr und mehr die verbrecherische Politik des Reiches anzuerkennen, und er versuchte, die verlangte Veröffentlichung zu verschieben. Seinen Freunden bekannte er ohne Zögern, daß die Veröffentlichung dieser bayerischen Dokumente „ein Bärendienst" wäre, und die Alldeutschen haben ihn auch in dem Augenblicke, wo die Sammlung der Untersuchungskommission des Landtags vorgelegt wurde, verstanden. Man hat versucht, der Katastrophe, die man kommen sah, wenn die Dokumente bekannt würden, vorzubeugen. Klug hatte Dr. Dirr schon seine Vorsichtsmaßregeln getroffen, indem er nur 50 Exemplare drucken ließ, die er an sichere Abgeordnete, deren Namen alle bekannt waren, verteilen ließ. Als die Presse der Linken Lärm schlug, wurde sie durch die Erklärung beruhigt, daß die Dokumente im Buchhandel in einer Woche erscheinen würden. Drei Wochen sind vergangen, und noch nichts ist erschienen. Und als Ihr Korrespondent sich heute erkundigte, erfuhr er, daß die Sammlung in ungefähr sechs Wochen veröffentlicht würde. Das will auf gut Deutsch sagen, daß man sie nie zu sehen bekommen wird. Ich sah mich genötigt, diese Angaben in einer geharnischten Erwiderung (17. März 1922) als freche Lügen zu brandmarken. Nie habe ich das Ergebnis meiner Arbeit so angesehen, nie mich so darüber geäußert, wie das Boulevardblatt behauptet. Wahr ist vielmehr, daß ich nicht nur auftragsgemäß die Untersuchung über die Enthüllungen Eisners und ihre politischen Wirkungen ohne jede voreingenommene Absicht, rein als Wahrheitssuche durchführte, s o n d e r n d a r ü b e r h i n a u s , in Übereinstimmung mit Landtag und Regierung, d i e j e n i g e n b a y e r i s c h e n G e s a n d t e n b e r i c h t e a u s den l e t z t e n V o r k r i e g s w o c h e n , d i e s i c h mit d e r e u r o p ä i s c h e n H o c h s p a n n u n g u n d der d r o h e n d e n K r i e g s g e f a h r b e f a s s e n , aus f r e i e n S t ü c k e n als z w e i t e n T e i l d e m U r k u n d e n b a n d e b e i g a b . Zweck und Gründe sind in den Vorbemerkungen zu Teil B ausdrücklich angegeben. Das Buch ist, wie oben bereits erwähnt, schon in seiner ersten Ausgabe als Landtagsdrucksache sofort den maßgebenden poli*) V g l . die Widerlegung Seite L X I X ff.
im Einzelnen
in
der Einleitung dieses Buches
16
242 tischen Kreisen und der Presse aller Richtungen und, wohlgemerkt, auch den diplomatischen Vertretern des Auslandes in München zugänglich gemacht worden. Herr Dard, der Franzose, g e n o ß den Vorzug, zwei Freiexemplare zu bekommen. Wo soll da die Absicht irgendeiner Verheimlichung gelegen haben ? Im Buchhandel erschien das Werk, sobald die von Anfang an vorgesehene und vorbereitete Buchausgabe im Drucke fertiggestellt war. Wenn das länger dauerte, als dem Korrespondenten des „Temps" paßte, so einfach deshalb, weil die hiefür noch nötigen Arbeiten nicht mit der Leichtigkeit, Schnelligkeit und — Gewissenlosigkeit besorgt werden konnten, mit der die Pariser Presse lügnerische Artikel, wie die oben erwähnten, in die Welt gehen ließ1). x ) Ungeachtet der vorstehenden Abfertigungen sind die gleichen oder ähnliche unwahre Bezichtigungen von einem anonymen Lästerer in der „Menschheit" Nr. 16 vom 20. Juni 1924 wiederholt und durch weitere, ebenso unrichtige Anwürfe in bezug auf die Behandlung der Berichte des bayerischen Militärbevollmächtigten vermehrt worden. (Vgl. den Abschnitt „Berichte des bayerischen Militärbevollmächtigten" I). — Eine solche unehrliche Polemik richtet sich von selbst. Solche Anwürfe können mich ebensowenig treffen wie die persönlichen Verunglimpfungen, mit denen der Artikelschreiber mich überschüttet! Ebensowenig auch, wie die in der gleichen Zeitschrift verbreitete Lüge, ich hätte die belgischen Dokumente über die „Conventions Anglo-Belges" zugunsten Deutschlands gefälscht, während ich mit der Auffindung und Herausgabe dieser Aktenstücke nicht das Geringste zu tun hatte.
243
Personen» und Sachverzeichnis Adria I i Agence Havas 62 Agram 133, 143 Ägypten 185 Albanien 4, 10, 13, I I I , 1 1 5 , 134. 127. 128 Algeciras 107 Allotti, italienischer Gesandter in Albanien 10 Alt-Serbien 142 Amerika, Amerikaner 26, 32, 36, 40, 73, 77. 9°, " S Amerikanische Botschaft in Paris 183 — Gesandtschaft in der Schweiz 33, 73 — Präsident, siehe Wilson — Pazifist, siehe Herron Amsterdam 137 Aosta, Herzog von 128 Arai, Reni de, Korrespondent des Gaulois 136 Artstetten 120 Astrachan 167 Auer, Erhard, bayer. Minister des Innern 84 Augsburg 79 Auswärtiges Amt in Berlin 17, 60, 61 Badischer Gesandter in Berlin, siehe Berckheim — Ministerium des Äussern 92 Balkan 4, 13, 22, 114, 116, 125, 180 — politik 107 Ballplatz 18, 116, 129, 133, 156, 173, 177, 181 Bamberg 97 Basel 45 Bauer, Gewerkschaftsvorsitzender in Frankfurt a. M. 48 Bayern, bayerisch 25, 26, 28, 30, 3 1 , 32, 38, 42, 43, 44, 45, 46, 47. 48. 49. 5». 53. 59. 60, 63, 67, 70, 72, 74, 75. 78, 79, 80, 82, 83, 84, 86, 87, 91, 92, 100, 101, 102, 108, 109, 1 3 1 . 134, 139. 153. >7i, «75. »77 — Akten(ver6ffentlichung) 18, 20, 50, 53, 58, 62, 63, 69, 102, 103, 104 — Antrag auf Staatenkonferenz 81 — Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat 73, 74. 75
Bayern, Bevollmächtigter in Berlin, siehe Lerchenfeld, Mückle, Schoen — diplomatischer Dienst, Berichterstattung 4, 63, 99, 101, 102, 103, 105 — Gesandtschaft in Berlin, siehe Lerchenfeld, Mückle, Schoen in Paris, siehe Ritter in Petersburg, siehe Grunelius — — in Rom, siehe v. d. Tann — — in Wien, siehe Tucher — Geschäftsträger in Berlin, siehe Schoen — König, Gesandtenberichte an den — 116, 118, 119, 1 2 1 , 125, 126, 128, 136, 144, 152, 182 — Kommission zum Besuch der verheerten Gebiete Frankreichs und Belgiens 39,41 — Landtag, Feststellungskommission des 103 — Ministerium des Äussern 13, 14, 23, 25. 41. 42. 51, 63, 66, 73, 74, 82, 9«. 9 6 . 97. " 6 , 130, 1 3 1 , 133, 134. 135. 138, 139. 140, 143. 146. H 7 . 148, 150, 151, 153, »55. «56. «57. 159, 160, 161, 162, 165, 166, 168, 169, 170, 1 7 1 , 172, 173, »76, 178, 179. 181 — Ministerpräsident 3, 34, 40, 50, 67, 70, 71, 73, 75, 1 1 0 (vgl. auch Eisner und Hertling) — Reservate 105 — Revolution 27, 29, 49, 86 — Sondergesandtschaft in der Schweiz 28, 92 — Volksregierung, Volksstaat 27, 29, 33 Bayreuth 140 Belgien 15, 16, 19, 40, 41, 56, 180, 182, 184, 186, 188 — Gesandter in Berlin 186 — Neutralität 19, 179, 186 Belgrad 4, 8, 19, 22, 114, 116, 118, 1 1 9 , 125, « 6 , « 7 . «3°. 133. 134. 143. 143, 144, 145, 150, ' 6 1 , 166, 168 Berchem, Johannes, Graf von, Legationsrat bei der deutschen Gesandtschaft in Bern 73 Berchtold, Leopold, Graf von, Minister des K. und K. Hauses und des Äussern, Vorsitzender des österreichisch-unga-
16*
244 rischen Ministerrates 7, I I , 18, 114, 126, 130, 132, 144, 149, 165 Berckheim, Graf von, badischer Gesandter in Berlin 157 Bergen, Dr. von, Vortragender Rat im Auswärtigen Amt 4, 10 Berlin 13, 14, 15, 18, 19, 20, 22, 23, 24. 25. 39. 43. 49, 5 ' . 5». 53. 58, 59, 60; 61. 62, 63, 64, 66, 69, 71, 72. 73. 74. 75. 76, 77. 78, 79. 82. 83. 87, 89, 91, 96, 97, 101, 104, 105, 106, 110, i n , 114, 117, 123, 124, 127, 129, 131, 134, 139, 141, 145, »46, 147. 148, 15«. «S3. 156. 157, 158, 160, 162, 163, 164, 170, 171, 172, 173, »74. I 7 S . «77. «79. 182, 183, 184, 186, 187 Berliner Korrespondent des Giornale d' Italia 161 — Soldatenräte 45, 62, 79 Berliner Tageblatt 3, 186 — Traktat 139 Bern 34, 37, 4 8 , 60, 62, 63, 73, 76, 77. 86 — bayerische Gesandtschaft 28, 30, 31, 33. 62, 63, 73, 77 — Bundesrat 29 — deutsche Gesandtschaft 28, 88 Bernstein, Eduard, Beigeordneter im Auswärtigen Amt 69 Bethmann Hollweg, Dr. Theobald von, Reichskanzler, preussischer Ministerpräsident und Minister des Auswärtigen «9, S3. 5 6 . I o 6 > « I « . * ' a Bienvenu- Martin, französischer Justizminister und Senator 144, 182, 183, 184 Bilinski, Dr. K . von, österreichisch-ungarischer Finanzminister 122 Bilitz 127 Bismarck (Reichskanzler) 67, 68 — Major von, deutscher Militärattache in der Schweiz 42, 49 Bissolati, italienischer Sozialist 168 Blaubuch, deutsches 21 Böhm, Gottfried, Ritter von, bayer. Ministerresident bei der Schweizer Eidgenossenschaft 42 Böhmen 42 Bosnien 52, 116, 118, 119, I20, 121, 122, 125 Bratianu, J . J . C., rumänischer Ministerpräsident und Kriegsminister 181 Breda 184 Breitenbach, Josef, Kaufmann, Bevollmächtigter der bayer. A,-, S.- u. B.-Räte in Berlin 74 Breitenbach, Paul von, preussischer Minister der öffentlichen Arbeiten, Chef der Reichseisenbahnverwaltung 113
Brenner, Soldatenrat 79 Breunig, Georg von, bayer. Staatsminister der Finanzen 51 Brockdorff-Rantzau, Dr. Ulrich, Graf von, Reichsminister des Auswärtigen 20, 98 Brünn 127 Brüssel L X X X I I , 184 Buchanan, Sir George W„ englischer Botschafter in Petersburg 137 Budapest 155 Bukarest 57, 114, 181 — Frieden von 12 Bulgarien 7, 12, 13, 15, 18, 20, 57. 118, 149, 164, 178, 182, 187 Burenkrieg 54 Burian, St. von Rajecz, ungarischer Minister a latere 122 Cambon, Jules, französischer Botschafter in Berlin 145, 180, 186 Carranza, mexikanischer General 115 Cattaro I o Chelius, Oskar von, preuss. Generalleutnant, deutscher Militärbevollmächtigter am russischen Hof 142, 146, 147, 152, 167 China 123 Chotek, Comtesse 117 Climenceau, französischer Ministerpräsident und Minister des Äussern >9, 3°. 33. 60, 61, 62, 63, 64, 67, 84, 88 Cohn, Dr. Oskar 74 Conrad von Hötzendorf, F . Freiherr, General der Infanterie und Chef des österreichisch-ungarischenGeneralstabs L X X X I V , L X X X V I I I , 5. 6 Corfu 128 Correspondant (Pariser Zeitung) 137, 138 Corriere della Sera 168 Czernin, Ottokar, Graf von und zu Chudenitz, österreichisch-ungarischer Gesandter in Bukarest 114, 181 Dänemark 149, 186 Daily Telegraph 59 Dannstadt 75 David, Eduard, Dr. phil., Reichtagsabgeordneter, Unterstaatssekretär 60, 7a Delbrück, Clemens, preuss. Staatsminister und Staatssekretär des Innern, Bevollmächtigter zum Bundesrat 157, 15S, «75 Delbrück, Hans, Dr. phil., Professor der Geschichte der Universität Berlin, Mitglied des deutschen Viererausschusses 19. 24 Deutschland 8, 9, 12, 13, 15, 17, 19, 20, 21, 22, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31,
245 32, 33. 34, 35, 37, 3«. 39, 4°, 4«, 43, 48, 49, 52, 54, 55. 5«, 57, 59, 6o, 6 i, 62, 64, 66, 67» 68, 69» 70, 71, 74, 76, 77, 78, 79, 83, 84, 87, 68, 89, 90, 92, 94, 95, 96, 101, 103, 106, 107, 110, H I , 112, 113, 115, 117, J33, ,2 7> «42, 145, '46, 147, 148, 149, '52> 153- '54. «55, «58, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 171, 172, 173, 174, 176, 177, 178, 180, 181, 182, 183, 184, 186, 187 — Aktenpublikation, siehe Deutsche Dokumente zum Kriegsausbruch Deutsche Allgemeine Zeitung 23, 53, 56, 58, 62, 63, 93, 98 — Armee 188 — Botschafter in London, siehe Lichnowsky — — in Paris, siehe Schoen, Freiherr von — — in Petersburg, siehe Pourtalés in Rom, siehe Flotow in Wien, siehe Tschirschky — Dokumente zum Kriegsausbruch 54, 55, 65, 98, 101, 102, 104, 105 Deutsch-englischer Vermittlungsvorschlag 175 Deutsche Flotte 180 — Friedensdelegation 19, 96, 97 — Gesandtschaft in der Schweiz 36, 48, 49, 165 — Geschäftsträger in Bukarest 178 — Grenze (gegen Russland) 157 — Grenzverletzungen gegen Frankreich 184 — Grosser Generalstab 156 — Hansastädte 91 — Kaiser, siehe Wilhelm II — Kommission zum Besuch der verheerten Gebiete Frankreichs und Belgiens 39, 40 — Kriegführung 28, 39, 68 — Militarattaché in der Schweiz, siehe Bismarck — Militarismus, Kriegspolitik 26, 27 — Mobilmachung 134, 166, 173 — Nationalversammlung 70, 80, 81 — Oddfellows 40 — Reichskanzler, siehe Bethmann Hollweg — Reichstag »2, 107 — Ultimatum an Russland 177 — Vermittlungsvorschlag 22, 170 — Viererausschtiss 19, 20, 97 — Weissbuch 17, 20, 94 Deutsch-Österreich 32 Denver (Hauptstadt des nordamerikanischen Staates Colorado) 40 Don 167
Donau (ufer) 142, 150 Donaumonarchie 7, 56, 142 Draesel, M., Kommissär der amerikanischen Regierung 89, 90 Dumaine, A . Chilhaud, französischer Botschafter in Wien 133 Durazzo 115 Dusch, Alexander Freiherr von, badischer Ministerpräsident 157, 175 Ebert, Friedrich, Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten (11. November 1918—II,Februar 1919) 43, 66, 83, 89, 90 Eggeling, Bernhard Friedrich von, Major im Generalstab, Militärattache bei der deutschen Botschaft in Petersburg 146, 151, 167 Eiffe, Grosskaufmann in Hamburg 89 Eisner, Kurt, bayerischer Ministerpräsident 3, 29, 39, 40, 4 ' , 43> 46, 50, 67, 69, 7o, 72, 73, 80, 81, 82, 85, 88, 93, 94, 95, 9 6 , 97, "oi — Enthüllungen Eisners 3 ff, 17, 20, 58, 97 Elisabeth, Kaiserin von Österreich 121 Elsass-Lothringen 54, 56 England, Engländer 9, 10, 13, 16, 18, 19, 21, 22, 26, 31, 36, 37, 54, ss, 58, 67, 77, 90, 94, 95, H«. «12> 133, 136, «37, «4», «45» «47, «49, «5°, «5«, «54, «56, 158, 160, 164, 167, 168, 169, 170, 172, 175, 178, 179, 180, 181, 182, 186, 187, 188 Englischer Aussenminister, siehe Grey — Botschafter in Berlin, siehe Goschen — Botschafter in Petersburg, siehe Buchanan — Botschaft in Rom 152 Englisch-deutscher Vermittlungsvorschlag >75 — Flotte 137, 181 — Königsbesuch in Paris 136 — Manöver 137 — Neutralität 182, 188 — Vermittlungsvorschlag 170 Epirus, Epiroten 13, 128 Erlangen 79 Erzberger, Matthias, Staatssekretär, Vorsitzender der deutschen Waffenstillstandskommission 44, 66, 67, 68, 72, 75, 78, 92 Esber, englischer Lord 136 Europa 6, 30, 35, 57, 59, 12a, 125, 128, 178 Europäischer Krieg, 23, 93, 9S, 102 Excelsior, französische Zeitung 137
246 Fechenbach, Felix, Privatsekretär Eisners 24 Ferdinand, König von Bulgarien 12 Fernau 39 Finnland 168 de Fiori, Doktor 29 Fiuggi 128, 153, 168, 169 Florenz 137 Flotow, Dr. Hans von, deutscher Botschafter in Rom 153, 168 Foch, Marschall von Frankreich 67, 73 Foerster, Friedrich Wilhelm, Dr. phil., Professor für Pädagogik an der Universität München, bayerischer Gesandter in der Schweiz 28, 29, 30, 31, 39. 4'J 42, 49, 50, 60, 61, 62, 63, 64. 68, 73, 74, 80, 90, 91 Franke, W „ 88 Frankfurt a. M. 48, 59, 91 Frankfurter Zeitung 107 Frankreich, Franzosen 9, 10, 14, 15, 18, >9. 26, 3 2 i 34, 36, 38, 4°, 47. 48, S°. 53, 54» 55. 59. 62, 66, 73, 77. 84, 85, 88, 89, 9J, 1 1 2 , 1 1 3 , 128, i 3 6 . 137, 138, 142. 144, 145. »47, 148, 149, 150, 152, 154, «55, 156, 159, 1 6 1 , 164, 165, 166, 168, 172, «73. ' 7 6 . «77. 178, 179. >8o, 181, 182, 183, 184, 185, 187, 188 Französische Armee 15, 172, 176, 187 — Aufmarsch 180 — Botschaft in Bern 48 — Botschafter in Berlin, siehe Cambon — Fliegerangriffe 180, 181 — Flotte 1 8 1 — Grenzüberschreitungen 184 — Justizminister, siehe Bienvenu Martin — Ministerpräsident, siehe Cl£menceau — Mobilmachung 182 — Presse 119, 137, 144, 148, 157, 183 — Sozialisten 48 Franz Ferdinand von Österreich-Este, Erzherzog , österreichisch - ungarischer Thronfolger 114, 116, 1 1 7 , 119, 1 2 1 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich 57, 1 1 7 , 122, 143, 1 5 1 , 162, 172, 174, 176, 178, 181 Freiheit 63, 64 Fuad, Prinz von Ägypten 1 1 5 Galizien 8, 160, 187 Ganz & Co. (Bankhaus in Paris) 153 Gaulois, Korrespondent des 136 Genf 30, 37, 39, 90 Gent 137 Germersheim 47 Giesl-Gieslingen, W. Freiherr von, österreichisch - ungarischer Gesandter in Belgrad 134, 143. >53
Goos, Roderich 105 Goschen, Sir Edward, englicher Botschafter in Berlin 186 Goudy, Frank, Grosssire der Grossloge der Oddfellows in Denver 40 Graber, Achille, deutscher Sozialist 48 Graz 143 Greffulhe, Comtesse de 136 Greiling, Richard 39 Grey, Sir Edward, englischer Staatssekretär des Auswärtigen 13, 14, 19, 2«. 22, 55, 147, '49. «52. «54. 158, 160, 162, 163, 168, 169, 172, 175, 186 Griechenland 13, 118, 128 Grünwald,, A. A. von, russischer Oberstallmeister, General der Kavallerie, Generaladjutant des Zaren 146 Grunelius, Ernst, Freiherr von, bayerischer Gesandter in Petersburg 139, 140, 147, 152, 157 H a a g 76, 107 Haase, Hugo, Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten 77 Habsburgisches Reich 52, 1 4 1 Haeterle, Soldatenvertreter 73 Hamburg 45, 67, 91 Hannover 184 Harden, Maximilian, Schriftsteller 43, 44, 45 Heinrich, Prinz von Preussen 175 Mr. Henderson 90 Henne (Soldatenrat) 79 Hermannstadt 133, 143 Herold (russische Zeitung) 139 Herron, George D., Amerikanischer Pazifist 30, 3 1 , 39, 40, 68 Hertling, Georg Dr. Graf, bayer. Minister des K. Hauses und des Äussern, Vorsitzender im Ministerrate 4, 8, 75, 94, 102, 109, H O , I I I , 114, 1 1 7 , 123, 129, 1 3 1 , 141, 148, 153. '57. ' 5 8 , 163, 164, 173, 174, 175, 177, 179, 182, 186, 187 Herzegowina 119, 1 2 1 , 123, 125, 166 Hessen 75 Hindenburg und BeneckendorfT, Paul von, preussischerGeneralfeldmarschall,Chef des Generalstabs des Feldheeres 70, 76, 77 Hötzendorf, siehe C o n r a d von Hötzendorf Hofbuig, Wiener 117, 119, lao, 1 2 1 Hoffmann, Korrespondenz 50 Hoffmann, bayerischer Ministerpräsident 97 Hohenfinow 124
247 Hohenlohe-Schillingsfürst, Gottfried Prinz zu, vorgesehen als österreichischungarischer Botschafter in Berlin 114 Hohenzollern 141 Höllenrainer, Soldatenrat 79, 182, 186 Holstein, Aera m Holland 15, 68, 184, 186 Horwitz, polnischer Redakteur 34, 35, 38, SO Hoyos, Alexander Graf von, Kabinettschef desösterreichisch-ungarischenMinisters des Äussern 7, 57 Huber, deutscher Sozialist 48 Huerta, Präsident von Mexiko I I 5 Humbert, König von Italien 153, 169
Instituts français im Ausland 137 Irland 10 Ischl 107, 116, 117, 126, 130, 155 Island 144 Iswolsky, russ. Botschafter in Paris 129, 138, 157. 173. 185 Italien, Italiener 6, 8, 10, I I , 22, 26, 77. 94, 95. " 6 , 117, 128, 130, 132, 133, 142, 149, 151, 161, 164, 168, 172, 175, 178, 179, 180, 181 Italienischer Botschafter in Berlin 180 — — in Paris 144 in Petersburg 146 — Botschaft in Wien 143 — Gesandter in Albanien, siehe Aliotti in der Schweiz 47 — Minister des Äussern, siehe San Giuliano — Presse 152 Italienisch-tripolitanischer Krieg 54 Jacobi, Bevollmächtigter der bayerischen Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte in Berlin 74 Jaffé, Edgar, Dr. phil., Professor für Staatswissenschaften an der Universität München, bayerischer Finanzminister 30, 39 Jagow, Gottlieb von, deutscher Staatssekretär des Auswärtigen 6, 68, 95, 180, 186 Japan 54, 171 Jena 81 Josephstadt 143
K a i i s c h 188 Karol, König von Rumänien IS, 150, 178 Karlsruhe 92 Kasan 156, 167 Kautsky, Karl, Redakteur der Neuen Zeit 60, 65, 69, 76, 98 Kawalla 13 Kiew 140, 146, 151, 156, 167 Kissingen 79
Knilling, Eugen Dr. von, bayer. Staatsminister für Kultus 51 Kölnische Zeitung 124 Kokowzeflf,russischerMinUterpräsident 138 Konopischt 117 Konstantinopel 54 Kopenhagen 76, 138 Kothieringer, Soldatenrat 79 Kragujevac 134, 143 Krasnoje 146 Kroatien 120 Kronprinz, deutscher 176, 231 Krupp 28 Kuban 167 Kucharski, Berichterstatter des Matin 89 L a Chaux-de-Fonds 48 Landsberg, Volksbeauftragter für Presse, Literatur und Kunst 90 Lang, Soldatenrat 79 Ledebour, Georg, 85, 90 Lenin, Volkskommissar der russischen Sowjetrepublik 35 Lerchenfeld, Graf Hugo von, bayer. Gesandter in Berlin und Bevollmächtigter zum Bundesrat 4, 8, 15, 16, 18, 19, 20, 23, 51, 52, 53, 59, 75, 106, 110, » 3 , H S . " 8 , 154. 156. 158, 159. 162, 164, 165, 170, 172, 174, 176, 178, 179, 180, 182, 187, 188 Libyen 128 Lichnowsky, Karl Max, Fürst, deutscher Botschafter in London 17, 154, 158,
175
Liebknecht, Karl, Dr. jur., Unabhängiger Sozialist 44, 45, 90 Liman, Otto von, Generalleutnant, Führer der deutschen Militärmission in der Türkei 112, 123 Lindner, Dr. 91 Lindau 39, 171 Lössl, Sigmund, Ritter und Edler von, bayerischer Staatsrat 102, 106, 107, 108 Lokalanzeiger 141, 162, 174 London 53, 90, 136, 137, 142, 152, 158, 175 Louvre, Englische Ausstellung im — 136 Lovzen (Berg) I i , 13 Lucius, Hellmuth von, deutscher Gesandter in Albanien 124 Lüttich 137, 188 Luxemburg 19, 183 M a c c h i o , K . Freiherr von, I. Sektionschef im österreichisch-ungarischen Ministerium des Äussern 133 Madrid 137
248 Mandschurisch-mongolische Frage 178 Marguerie de, Gesandter und französischer Kabinettschef 145, 183, 184 Marokko 38, 185 Matin 89 Mazedonien 1 3 3 Meiner (Geschichtskalender) 25 Meinl, Kommerzialrat, Sachverständiger der Wiener Regierung in wirtschaftlichen Angelegenheiten 47 Mendelssohn-Bartholdy, Albrecht, Dr. jur., Professor an der Universität Würzburg, Mitglied des deutschen Viererausschusses 19, 24, 98 Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein, A. Graf von, österreichisch-ungarischer Botschafter in London 160 Merclde, Dr., unter Eisner im Ministerium des Äussern in München tätig 96 Merey, von Kapos-Mire, österreichischungarischer Botschafter in Rom 10, 168, 1 8 1 Messagero (italienische Zeitung) 168 Mexiko H I , 1 1 5 Ministerpräsident (von Bayern), siehe Eisner Mirbach-HarfF, Graf von, Vortragender Rat im deutschen Auswärtigen Amt 149 Moltke, Hellmuth von, preußischer Generaloberst, Chef des Generalstabs der Armee 14, 102, 176, 187, 188 Montenegro 6, I I , 13, 1 1 9 , 166 Montgelas, Maximilian Graf von, Mitglied des deutschen Viererausschusses L X X X V , 19, 24, 98, 1 2 3 Moskau 1 1 9 , 1 3 7 , 140, 1 5 1 , 156, 167 Mostar 1 1 9 Mückle, Friedrich, Dr. phil., Privatdozent für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Heidelberg, bayer. Gesandter in Berlin 18, 43, 45, 46, 62, 63, 64. 73, 74 Muehlon, Dr. 17, 30, 46 Müller, Soldatenrat 79 München, 3, 1 3 , 14, 27, 28, 29, 30, 3 t , 39, 4 ° , 4 1 , 43, 46, 49, S°, 62, 63, 64, 72, 76. 77, 78, 80, 8 1 , 84, 88, 89, 92, 97, »oi, i ° 8 , 109, 1 3 1 , 140, 1 5 3 , 162, 163, 164, 169, 170, 172, 1 7 7 , 182, 187 — Arbeiter- und Soldatenrat 80 München-Augsburger Abendzeitung 3 Münchner Neueste Nachrichten 49, 62, 63 Münchener Zeitung 62 Münster 184
Napoleon 59 Narodna Odbrana 122 Nauen 62 Naumann, Viktor 106 Neue Freie Presse 143 Neuhebriden 137 Neuserbien 178 Nieberl, Soldatenrat 79 Nikita, König von Montenegro 13, 1 1 9 Nikolai Michailowitsch, russischer Grossfürst 167 Nikolaus, Kaiser von Russland 174 Nordsee 18 Norwegen 138 Nowoje Wremja 137, 146 Nürnberg 180, 1 8 1 , 184
Obrenowitsch I I 6 Odessa 36, 140, 146, 1 5 1 , 156, 167 Österreich-Ungarn, Österreicher 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 1 1 , 12, 13, 14, 15, 18, 20, 2 1 , 22, 23, 32, 34, 52, 54, 56, 57, 93. 94, 95, 102, 103, 108, 109, 1 1 0 , I i s , I I 8 , 122, 1 2 3 , '24, ' 2 5 , 126, 127, 128, 130, 1 3 1 , 132, 1 3 3 , 134, »35, »39, Mo, 1 4 1 , 142, 143, 145, »46, 147, "49, >5», 152, 1 5 3 . 154, 155, 156, 157, 158, 1 6 1 , 162, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 1 7 1 , 173, 174, 175. »77, 178, 180, 1 8 1 , 182, 185, 187 Österreichische Aktenveröffentlichung 105, »45 — -ungarische Armee 1 4 1 , 148, 156, 1 6 0 Botschafter in Berlin, siehe SzögyÄny Botschafter in Paris, siehe Sz6csen Botschafter in Petersburg, siehe Szdpäry Botschaftsrat in Berlin 1 1 Generalstab 1 3 3 — — Gesandter in Belgrad, siehe Giesl Gesandter in Bukarest, siehe Czernin Gesandter in München, siehe Velics von Liszlofalva Grenze gegen Russland 1 5 1 — — Kriegserklärung an Russland 187 • Mobilmachung 134, 139, 157 Note an Serbien 8, 19, 52, 58, 95, 1 0 8 , MO, 1 2 7 , 129, 1 3 1 , 1 3 5 , 138, 142, »45, 146, 15», » 6 8 Thronfolger, siehe Ferdinand — -serbischer Konflikt 17, 53, 55, 58, 94, 95, »38, 139, 1 6 1 , »67 Orenburg 167 Oskar, Prinz von Preussen 176 Ostasien 1 2 3
249 P a a r , Eduard, Graf, Generaladj atant des Kaisers Franz Joseph 116 Paléologue, französischer Botschafter in Petersburg 146 Pallavicini, J. Markgraf von, österreichischungarischer Botschafter in Konstantinopel 149 Paris 13, 14, 39, 53, 88, 104, 105, 112, 113, 136, 137, 138, 142, 144, 147. 149, 15°. >53. 157. 164. 165, 166, 171, 172, 173, 178, 183, 183, 188 Pariser Friede 30 — Presse 39, 142, 145 Pasitsch, Nikolaus, serbischer Ministerpräsident 132, 143 Pest 133 Peterhof 130, 146 Petersburg 5, 14, 18, 21, 22, 55, 58, 104, 105, 112, 129, 131. 133. 137. 138. 140, 142, 146, 147, 148, 150, 151, 152. »54. 157. 158, 160, 162, 163, 166, 167, 168, 171, 172, 174, 178, 179, 18S Petersburger Zeitung 139 Pfalz 76, 88 Philipps, engl. Oberst 115 Piémont 169 Poincaré, Raymond, Präsident der französischen Republik 4, 18, 129, 131, 136, 150 Polnischer Redakteur (Horwitz) 34 Porte Dauphine 184 Potiorek, O., österreichischer Feldzeugmeister und Armeeinspektor, Landeschef von Bosnien und der Herzegowina 119 Potsdam 18, 20, 57, 140, 154 Pourtalès, Friedrich Graf von, deutscher Botschafter in Petersburg 146, 147, 148, 151, 152, 157, 158, 160, 165, 166, 167, 178 Prag 143 Prem, Soldatenrat 79 Preussen 28, 45, 59, 69, 74, 83, 109, 113, »70 — Generalstab, siehe Moltke Preussischer Gesandter in München, siehe Treutier — Kriegsminister 20 Progris de Lyon (französische Zeitung) 89 Puchheim, Gefangenenlager 50 Quidde, Ludwig Dr. phil., Professor, Mitglied des bayerischen Vorparlaments 84. 86, 87 Ragusa 133, 143 Reichsregierung 3 Revue bleue (französische Zeitung) 136
Rex, Rudolf Graf von, sächsischer Gesandter in Wien 107 Rey, Marceil, französischer Journalist 89 Ritter zu Grünstein, Lothar Freiherr von, bayerischer Gesandter in Paris 138, «45. »53. »57, »73. »85 Rom 105, 128, 138, 149, 152, 153, 161, 168, 169, 180 Romberg, Freiherr von, deutscher Gesandter in Bern 48 Rösemeyer 39 Rotbuch (österreichisches) 23 Rumänien 6, 12, 22, 57, 125, 164, 172, 175, 178, 181 Rumänien, König von, siehe Karol Russland, Bussen 4, 6, 7, 9, 12, 21, 22, 4». 52. 54. 55. 95. »»». » 2 , »»3. 127, 129, 133, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 150, 151, 152, 154, 156, 157. 158, »59. 160, 161, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 170, 171, 172. »73. »74. 175. 176, 177. >78, 179, 181, 185, 187, 188 Russische Armee 154, 167, 171 — Bolschewismus, Bolschewisten 34, 85 Russischer Botschafter in Berlin, siehe Swerbejew in Paris, siehe Iswolsky in Wien, siehe Schebeko — Botschaftsrat in Paris 157 — Generalstabschef 137, 167 — Grenzbahnen 138 — Hauptquartier 142 — Institut in Paris 138 — -japanischer Krieg 54 — Kriegsminister 148, 151 — Marineminister 137 — Minister des Auswärtigen, siehe Sasono w — Ministerratssitzung 138 — Mobilmachung 25, 58, 152, 156, 157. 166, 167, 172, 173 — Studentenabordnung in Paris 137 Sachsen 45, 107, 140 San Giuliano A. Marquis di, italienischer Minister des Auswärtigen 10, 128, 153, 169 Sanders, Stephen, Mitglied des englischen Parlaments, Sekretär der Fabian-Gesellschaft 90 Santa Anna di Valdieri 169 Sasonow, S. D., russischer Minister des Auswärtigen 18, 146, 147. »48, 15». 152. »57i »S 8 , »60, 165, 166, 167, 168, 170, 171, 175 Sassenbach, deutscher Sozialist 48 Schebeko, S. von, russischer Botschafter in Wien 133, 144, 151, 165
250 Scheidemann, Philipp, Volksbeauftragter für Finanzen 44, 72, 90 Schmid, Eduard, Redakteur der „Münchner Post", Mitglied des Vorparlaments 85 Schoen, Hans von Dr. phil., Legationsrat bei der bayerischen Gesandtschaft in Berlin, vorübergehend Geschäftsträger 4, 13, 18, 20, 23, 46, 53, 75, 93. 94. 97. 98, 102, 103, 106, 124, 131, 132, 134, 139, 140, 142, 148. 150 Schoen, W . Freiherr von, deutscher Botschafter in Paris 144, 145, 147, 166, 173. 178 Schönbrunn 116 Schroeder, Soldatenrat 80 Schücking, Walther Dr. jur., Professor an der Universität Marburg 98 Schwarzer, Gewerkschaftssekretär der christlichen Gewerkschaft, Mitglied des Vorparlaments 85 Schweden 150, 178 Schweiz 29, 30, 31, 33, 35, 36, 47, 49, 64, 68, 74, 80, 90, 92, 171 — Komitee zur Verbreitung des Völkerbundes 45, 46 Seidlein, Lorenz, Ritter von, bayer. Minister für Verkehrsangelegenheiten 51 Serajewo 5, 54, 56, 57, 114, " 6 , 118, 119, 122, 125, 126, 130, 132, 133, «39. 143. ' 8 7 Serbien, Serben 4, 5, 6 , 1 , 8, 9, 10, 14,13, 18, 20, 21, 22, 23, 52, 53, 54, 55, 56, 57. 58, 93. 94. 95, *°3. »°8, 109,114, 115, 11b, 118, 119, 120, 121,122,123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130,131, 132, »33. ' 3 4 , 135, 139, 140,141,142, »43, 144, 145. 146, 147. 149. 150. «51. 152,154, 155, 156. 157, 158, 159, 160, 161,162,163, 165, 166,167, 168, 169, 171, 176, 178. 185 — Antwortnote 22, 133, 143, 156 — Armee 149, 150 — Gesandter in Rom 152 — Gesandtschaft in Berlin 118, 141, 149 — Gesandtschaft in Wien 120, 143 — Ministerpräsident, siehe Pasitsch — Presse 132 — österreichischer Konflikt 17,20,93,102 (Groß)-Serbien 5, 57, 107, 119, 121, 122 Serbophiler Kurs Österreichs 122 Skandinavische Länder 145 Skutari 115 Slaven, Slaventum 6, 116, 127, 133, 139, 141. 144, 156, 159 Soden-Fraunhofen, Joseph Maria, Graf von, bayer. Legat-Sekr. 1. Kl. in Berlin 124 Sofia 149
Solf, Wilhelm, Dr. phil., deutscher Staatssekretär 60, 66, 68, 69, 72, 75, 76, 82 Sorbonne 136 Spanien 112 St. Gilla, Weiler mit Schloss bei Regensburg (Bayern) 153 Stockholm 131, 138, 150 Stolberg, Wilhelm, Prinz zu Stolberg-Wernigerode,Botschaftsrat an der deutschen Botschaft in Wien I I , 132 Stumm, Wilhelm von, Geheimer Legationsrat und Dirigent der Politischen Abteilung des deutschen Auswärtigen Amts 140, 148 Stuttgarter Konferenz 92 Suchomlinow, W. A., russischer Kriegsminister 55, 152 Süddeutschland 44, 69, 92 Swerbejew, S. N., russischer Botschafter in Berlin 118, 141, 144, 174, 179 Syrien 181 Szäpdry, Graf von, österreichisch-ungarischer Botschafter in Petersburg 147, 151, 160, 165, 168 Szecsen, N . Graf von Temerin, österreichisch-ungarischer Botschafter in Paris 173, 185 Szögy6ny-Marich, Graf von, österreichischungarischer Botschafter in Berlin 4, 12, 57. 95. I o 6 , " 4 . 139. 142 Tankositsch, Voislav, serbischer Major, Verhaftung durch die serbische Regierung 150 Tann-Rathsamhausen, Rudolf Freiherr von und zu der, bayerischer Gesandter bei der italienischen Regierung 128, 161, 169 Temes-Kubin 150 Temesvar 133, 143 „Temps" 89 Tepik 115 Terek 167 Thelemann, Heinrich, Ritter von, bayer. Justizminister 51 Tirol 140 Tisza, Stephan, Graf von Borosjenö und Szeged, ungarischer Ministerpräsident 126, 130, 170 Tittoni, Tommaso, italienischer Botschafter in Paris 144 Tokio 178 Toledo 137 Trentino I I , 12, 95 Treutier, Karl Georg von, prenssischer Gesandter in München 97, 109 Trient I I
251 Tropp&u 127 Tschechen 78, 84, 144. Tsahenstochau 188 Tschirschky und Bögendorff, Heinrich von, deutscher Botschafter in Wien 57, 107, 108, 148 Tücher ron Simmelsdorf, Heinrich, Freiherr von, bayerischer Gesandter in Wien 106, 107, 117, 119, 121, 122, 126, 127, 129, 130, 134, 13s, 144, »5«. »55. "56, 159. 160, 161, 166, 170, 177. 178. 181 Türkei 6, i j , 112, 115, 122, 149, 178, 182, 187 Tuilerien 136 Tunis, Tunesier 128 Ungarn 6, 114, 117, 143, 155 — Abgeordnetenhaus 5 Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung 106 Ural 167 Üxküll, Graf, Attaché bei der russischen Botschaft in Paris 138 Vallombrosa 153, 169 Valona 11, 175 Velics von Lászlófalva, Ludwig, österreichisch - ungarischer Gesandter in Manchen 109, 155 Vereinigte Staaten, Präsident, siehe Wilson Versailles 17, 23, 96, 97, 101 Vidin, Gebiet von t2 Viktor Emanuel, König von Italien 181 Villa, mexikanischer General 115 Viviani, René, französischer Ministerpräsident und Minister des Auswärligen bis 3. August 1914 5, 18, 137, 145, 166, 183, 184 (vgl. Bienvenu-Martin) Mf ahnschaffe, Unterstaatssekretär in der deutschen Reichskanzlei 154 Warschau 140, 152, 167
Weber, Max, Dr. jur. Professor für Kar tionalökonomie an der Universität Manchen, Mitglied des deutschen Viererausschusses 19, 24 Weigel, Soldatenrat 79 Weiss, Dr., Grosssire der deutschen Oddfellows 40 Weizsäcker von, Dr. jur. et med., württembergischer Ministerpräsident und Minister der auswärtigen Angelegenheiten 157, 175 Westminster Gazette 22, 59, 175 Wied, Prinz Wilhelm zu, Fürst von Albanien 13, 115, 124 Wien 4, S, 6, 7, 10, 11, 12, 13, 18,20, 21, 22, 47, 55, 57, 58, 95, 104, 105, 107, 116, 117, 118, 119, 121, 123, 124, 125. '26, 129, 130, 131, 132, «33. 134. 135. 143. »44, 145. »47. »49. 150, »5«. 153. »54, 155. »57. 159, 160, 161, 162, 163, 165, 166, 169, 170, 171, 175, 176, 178, 180, 181, 185, 187 Wilbrandt 74 Wilhelm, Fürst von Albanien, siehe Wied Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preussen 33, 57, 114, 115, 117, 143, »52> i 6 2 . »63. »66, 168, 178, 185 Wilna 152, 167 Wilson, Woodrow, Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika 25, 26. 3°. 39. 45. 54. 67, 68, 71 Wolffsches Telegraphenbureau 3, 159 Wurm, Staatssekretär des Reichsernährungsamts 77 Würzburg 24 Zimmermann, deutscher Unterstaatssekretär des Auswärtigen 4, 5, 6, 7, 9, I I , 52, 56, 68, 94, 95, 106, 118, 123, 124 Zographos, Führer der aufständisches Epiroten 128 Zürich 28, 29, 30, 31, 33, 37
Einleitung, Ergänzungen und Nachträge. Aall, Dr. Herman Hanis, Rechtsanwalt, Mitglied der Neutralen Schuldkommission in Christiania 198 Adelmaier, Dr. Konrad, Schriftleiter des „Bayerischen Vaterland" 191 Aktenpublikation X X V I I , XXVIII, XXIX, XXXI, XXXIII, XXXV, XXXVI, XXXVII, XL, XLVII, LXXXI Albanien 222, 228
Algeciras L X X I Alldeutsche L X X X I I I , 241 „Allgemeine Zeitung" 236 Alliz£, französischer Geschäftsträger in München 200, 201, 202, 203, 204, 205 Alliierte X V , X X I I , X X I I I , X X I X , X X X I V , L V I I I , L X , L X V I I I , 208. 233. 234 Altmünsterol 232
252 Amerika, Amerikaner X V , X V I , X X I , X X I I I , L X X X I , XCII — Botschaft in Petersburg 2 1 5 — Gesandtschaft in Bern X X I I August Wilhelm, Prinz von Preußen 231 Austro-Serbischer StreitXLIII, X L V I I I LXXVIII Auswärtiges Amt in Berlin X X V I I , XXVIII, XXIX, XXX, XXXI, X X X V , X X X I X , XL, LVIII, L X , L X X X I I , L X X X V I I , 200, 202, 203, 204, 215, 216 Baker, R . St., Woodrow Wilson, Memoiren und Dokumente über den Vertrag von Versailles. 2 Bde. XXXIV, XXXVI Balkan X L I I , L X X X , L X X X I I Ballplatz X L V I , X L I X , L , L X X 1 I I , LXXVI Bamberg I I I , 208, 209, 210 Baibagallo, Corrado L X X X I I Barnes L X X X I I , XCI, X C I I I Bayern, bayerisch I I I , V, X V I I I , X I X , XX, XXIV, XXV, XXVI, XXIX, XXX, XXXI, XXXIII, XXXIV, X X X V , X X X V I I , L V I I I , 223, 228, 231, 235—238 — Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat X I X , 197 — Diplomatie V, 199 — Dokumente zum Kriegsausbruch und zum Versailler Schuldspruch L V I I I , LXIX, LXXII, LXXVII, LXXXI, L X X X I V , L X X X V , 192, 194, 2 0 °> 201, 207, 217, 239, 240 — Generalkommandos 221, 223, 224, 230 — Generalstab 222, 224 — Gesandtenbericht vom 18. Juli 1914 XXXVII, X X X I X , XLIII, XLVII, LIII, LIV, LVI, LX, L X I , LXIV, L X V , 197, 198, 199 — Gesandtenberichte 214—216, 217, 218 XIV, — Gesandtschaft in Berlin X X V I I I , X X X V , X X X V I I , L, L I I I , 193, 201, 215, siehe auch Lerchenfeld, Mückle, Schoen — Gesandtschaft in Bern, siehe Foerster — Gesandter beim päpstlichen Stuhl, siehe Ritter, Otto — Gesandter in Paris, siehe Ritter, Lothar — Gesandter in Rom, siehe v . d. Tann •— Kriegsminister, -ministerium 220, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230. 2 3 i . 232 — „Bayerischer Kurier" 1 9 1
Bayern, Landessoldatenrat X X X I I — Landesversammlung, provisorische III — Landtag III, IV, 2 1 1 , 240, 241 — Landtagswahlen X X X I I — Militärbevollmächtigter in Berlin, Berichte, siehe Wenninger — Ministerium des Äußern V, X V I I I , X X V I I I , 202, 208, 210, 214, 215, 225, 233, 236 — Nationalrat, provisorischer, des Volksstaates X X X I I , 198, 200 — Partikularismus X X X , L V I I I — Räte-Herrschaft I I I , IV, X X X I I , 206, 207, 208, 210, 214 — Regierung, Volksregierung, Volksstaat X V I I I , X X , L X V I I , 205, 207, 212, 208, 233 — Revolution X I V , L X V I I I , 206 — Revolutionsregierung X X I I I — Staatsleitung 210, 226 — Staatszeitung 194, 203, 204, 213 — Truppen 231 — Urkundenpublikation L X V — ,.Bayerisches Vaterland" 1 9 1 Beck L X X X I I Beifort 223 Belgien X X I I I , X X I V , X X X V I I I , X X X I X , X L V I I , LV, XC, 223, 230 — GesandtenberichteLXXX,LXXXII, LXXXIII — Geschäftsträger in Berlin L X X X I I I — Geschäftsträger in Petersburg L I I I — Neutralität X X X I X , L I V , LV, L V I , 196, 216, 230 — Truppen 216, 223 Belgrad X L V I , XLVIII, XLIX, LXXIII, LXXIV, LXXXIII, L X X X V I I I , 195, 202, 203, 222, 226 Bennett, E . N., Member of Parliament in London 198 Berchtold X L I X , L X X V I Berlin X V I I , X I X , X X I I , X X I V , X X V , XXVI, XXVIII, XXX, XXXII, XXXV, XXXVII, XXXVIII, X X X I X , XLI, XLII, XLIII, XLIV, X L V I , X L V I I I , X L I X , L, L I , L H , LIII, LVII, LVIII, LIX, LXVI, LXXIII, LXXVI, LXXVII, LXXXIII, LXXXIV, LXXXV, L X X X V I , L X X X V I I I , X C I , 193. 196, 198, 201, 202, 203, 213, 215, 216, 218, 220, 223, 224, 225, 226, 227, 228,229, 230, 2 3 1 , 2 3 2 , 2 3 4 , 238 „Berlin Herald" X X I I I „Berliner Lokalanzeiger" 227 „Berliner Tageblatt" 194, 202 Bern X X , X X I I I , X X V I , X X X I V , XXXV
253 Bethmann Hollweg X X X I , X L , X L I I , XLIV, XLV, XLVI, XLVII, XLIX, L I , L I V , LV, L V I I , L X V , L X V I , LXXI, LXXII, LXXVII, LXXIX, L X X X , XCI, 2 0 7 , 2 0 8 , 2 2 1 , 2 2 5 , 226, 228, 229, 236 Beyens Eugène, Baron, 1 9 1 4 belgischer Gesandter in Berlin L X X X I I I Bienvenu-Martin L X X I V , L X X V , 2 1 4 Bismarck, Reichskanzler X V I I , XXXIV Blaubuch X L V I I , X L V I I I , L I I I , LV, LVI Blockade 2 1 1 Boghitschewitsch, Dr., serbischer Geschäftsträger in Berlin 1 9 8 Bolschewismus X X V , 2 3 5 Bombenabwurf in Nürnberg X C 1 8 0 , 181, 184, 230, 2 3 1 Bonilla y San Martin, Dr. Adolfo, Professor an der Universität Madrid 1 9 8 Böök, Fredrik, Professor an der Universität Lund in Schweden 1 9 8 Borkum 2 2 6 Bosporus L X X X Brockdorff-Rantzau L X Buat, General: L'Armee allemande pendant la guerre de 1 9 1 4 à 1 9 1 8 LXXXV Buchführung, doppelte 1 9 9 , 2 0 0 — Buenos Aires 1 9 8 Bülow, B . W. v.. Die Krisis X L V I , L X , LXXV, LXXXV Bulgarien 1 9 5 , 2 2 2 , 2 2 3 Burenkrieg X L V Cambon LV, L V I , 2 1 4 , 2 2 8 Christiania 1 9 8 Clémenceau X X I , X X I I , XXXII, XXXIV, XXXV, XXXVI, 2 0 1 Commercy 2 2 3 Conrad v. Hötzendorf, Feldmarschall 219 Coßmann, Nikolaus, Professor, Herausgeber der „Süddeutschen Monatshefte" 1 9 1 „Current History" X C I Czernin X V I I I , 237 Dänemark 2 2 8 Dard, französischer Gesandter in München 2 4 2 Dardanellen X L V David, Eduard, Dr., X X V I I , X X X I , LVII Dawson L X X X I I Delbrück, Hans, Dr. phil. L X I I I , L X V I , 198, 221, 226 Delcassé X C I I I Deutschland I I I , X I V , X V , X V I I , XVIII, XIX, XX, XXI, XXII,
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XXIII, XXV, XXVI, XXVII, XXVIII, XXIX, X X X , XXXI, XXXIII, XXXVIII,, XLI, XLII. X L I I I , X L V , X L V I I I , L, L I I , L V , LVII, LXIV, LXV, LXVI, LXVIII. LXX, LXXI, LXXVI, LXXXII, LXXXIli, LXXXV, LXXXVI, L X X X V I I I , L X X X I X , XC, X C I , XCII, XCIII, XCIV, 1 9 3 , 1 9 5 , 1 9 6 , 200, 202, 207, 208, 2 1 1 , 215, 2x6, 217, 218, 233, 235, 237, 239, 240 Akten über den Kriegsausbruch XXVIII, XXXVII, LVII, LXIII, LXV LXIX, LXXXI, 239, 240 Alleinschuld 2 0 1 „Deutsche Allgemeine Zeitung" XL, XLV, XLVIII, L X I Archive L V I I I Außenpolitik L X I I I , LXXXIII. LXXXIV Bischöfe 2 1 0 , 2 1 3 Botschaft in Petersburg, siehe Pourtalös in Wien, siehe Tschirschky Bund X X V I Bundesstaaten 2 2 5 Dokumente V. X X I V , XLVI. XLVII, H I , LIII, LV, LVI. LXII, LXXII, LXXVI, LXXVII, LXXVIII, LXXXV. 198, 2 0 1 , 2 1 8 , 239 Deutsch-Englischer Friedensvorschlag L, L X X V I I , L X X X I X . XCIII, 2 1 8 Flotte 2 1 5 , 2 2 1 , 2 2 6 , 2 3 t FriedensbemühungenXLIX, L X X V , LXXXIX Friedensdelegation 2 0 0 , 2 0 7 Funkenstationen 2 2 2 Generalkommandos L X X X V , X C , 221, 230 Generalstab L I I I , L V , L V I , LXXVIII, LXXX, LXXXIV, LXXXV, LXXXVI, LXXXVII, XC, XCI, X C I I , 2 1 7 , 2 1 8 , 2 2 2 , 224, 226, 229, 230, 232 Generalstabschef X L V I I , L X X X V I , LXXXVIII, XCII Heeresleitung LIV, LXXXVI, LXXXVII, 2 3 1 Kaiser, siehe Wilhelm II. Kriegserklärung L I I , L I V , L V . L X X X I X , XCIII. 2 2 9 Kriegswillen L X I I I , L X X X I V , 2 4 0 Marine 2 4 0 Militärische Kreise L I V , L X X X I I I . 219
254 Deutschland, Militärische Vorbereitungen L X X X V , L X X X V I , XC, 221, 225, 226 — Militarismus X V I , X C I I I , 219 — Mobilmachung L I I I , L I V , L X X V I I I , LXXXVI, LXXXVIII, LXXXIX, X C I , XCIII, 195, 218, 226, 227, 228, 229, 230 — Nationalversammlung X X V I , XXXII — Presse 205 — Reich 199, 233, 236 — Reichskanzler, siehe Bethmann Hollweg — Reichstag 212 — Rüstung L X X X V — Schwertgeist L X V I , LXXXIII, LXXXIV — Sommationen L H — Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte L X X X I I — Volk X X , L V I I I , L X I V , 233, 235 — Weißbuch über die Verantwortlichkeit der Urheber des Kriegs L V I I I , 200, 201 — Zustand drohender Kriegsgefahr L , L X X V I I , 223, 225 Deutsch-Österreich 233, 234, 235, 236 Deutsch-Russischer Krieg L I I Deutsch-Slawische Gemeinschaft 234, 235 Diedenhofen 225 Dirr, Dr. Pius, 1919/22 Vorsitzender und Berichterstatter des LandtagsAusschusses für Prüfung bayerischer Dokumente L X X X I I , 192, 194, 197, 198, 200, 241 — „Auswärtige Politik Kurt Eisners und der bayerischen Revolution" 240 Dobrorolsky, Sergej, General, Die Mobilmachung der 'russischen Armee L I I . L I I I , L X X I X , L X X X V , 217. 218, 219 Dobrudscha 223 Dokumente deutschen Denkens und preußischer Prinzipien 2 1 3 Donau 222 Donaumonarchie, -Staat X X V I , X L I , XLVIII, XLIX, LXXII, LXXVI, LXXXII, LXXXIV, LXXXVI, LXXXIX Dreibund 228 Dreiverband L X X X I I , L X X X I V Dujardin, Edouard, Professor der Geschichte in Paris 198 Ebert X X I V , L V I I Ebray, Alcide L X X X I I Echo de Paris 209
Eichhorn, Generaloberst v. 231 Einkreisungspolitik L X X X Eisner I I I , V, X I V , X V , X V I , X V I I I , XIX, XX, XXI, XXIII, XXV, XXVI, XXVII, XXVIII, X X I X , XXX, XXXI, XXXII, XXXIII, XXXIV, XXXV, XXXVII. XXXVIII, X X X I X , XL, XLIV, L , L I , L I I I , LVI, L X , L X I I I , LXIV, LXVII, LXIX, LXXI, L X X X I , 191, 193, 194, 198, 199, 200, 201, 206, 207, 2 1 1 , 219, 233, 235. 241 — Frau 191 — Enthüllung X I V , X V I I I , X X X , X X X V I I , LVII, LVIII, L I X , L X I , L X I I , L X I V , L X V I , L X I X , 239 vgl. auch Bayern, Gesandtenbericht vom 18. Juli 1914 u. Schoen, Hans v. Eitel Fritz, Prinz von Preußen 2 3 1 Elsaß-Lothringen X X X V I I I , X L V , L X X X , L X X X I I , 237 England X L I , X L I I I , X L V I , L, L I , L I I , L I I I , LV, L V I , L X , L X X I V , LXXV, LXXVIII, LXXIX, L X X X I I , L X X X I I I , X C , 196, 215. 221, 223, 226, 227, 228, 230 — Arbeiterpartei 198 — Ausgleichsvorschlag X X X V I I I , X L VIII, LIII, LXXVIII, L X X X V I I , L X X X V I I , 226, 231 — Blaubuch X L V I I , X L V I I I , L I I I , LV, L V I — Deutscher Botschafter in — 215 — Botschaft in Wien X L V I — Flotte LV, L V I , 221, 223 — Mobilmachung L V I — Neutralität LVI, 196 — „Warnungstelegramm" (Zustand drohender Kriegsgefahr) LXVI, LXXXVI — Zeitungen 205 Entente X V , X I X , X X , X X I I , X X I V , XXV, XXVII, XXVIII, X X X , X X X I I , XXXV, XL, XLVI, XLIX, LXI, LXIV, LXV, LXIX. L X X I I I , LXXIX, LXXX, LXXXI, LXXXIII, LXXXIV, LXXXV, XCI, XCIV, 208, 212, 233, 235, 234, 236, 237 — Presse 201 — Propaganda XCI, 239 Ernteurlauber L X X X V , 220 Erzberger X X V I I , X X X I , 206 — Kriegszieldenkschrift 207, 208 Europa V, X V I , X V I I , X X X V I I I , XLII, XLVII, XLVIII, LVII,
255 LVIII, LXVII, L X X X I I , L X X X I I I , L X X X I V , 223, 233 — Krieg X L I , L H , L V I , L X X I I , 195 Fabre-Luce Alired L X X X I I , XCIV Falkenhayn, preußischer Kriegsminister L X , 225, 226 Fay, Sidney B., Professor für Geschichte und Staatsrecht in Northampton L X X X I I , X C I , 198 Fechenbach X X V I I I , 1 9 1 , 206, 207, 210, 219 — Prozeß X X X V I , X L , L X I X , 191 201, 2 1 1 , 212, 213, 219 Fernau X X X V I I Fernsprechmeldung vom 3 1 . Juli 1914 X X X V I I , X X X V I I I , XLVI, LI, L X , 196 Finnland 224, 230 Fischer, Dr., Sekretär des Untersuchungsausschusses des Reichstages 198, 200 Flotow 214 Föderalismus X X V , X X X I I I , X X X I V Foerster, Professor X V I , X V I I , X V I I I , XX, XXII, XXIII, XXIV, XXV, XXVI, XXXIV, XXXV, XXXVI, X X X V I I , LVI, L X I V , L X V , 2 1 3 , 233. 235. 2 36, 237 Frank, Amtsgerichtsrat, Vorsitzender im Prozeß Fechenbach-Coßmann 191 Frankreich, Franzosen X V I , X V I I , XXIII, XXVI, XXXIII, XXXIV, XLI, XLV, XLVI, LII, LIII, LIV, LV, LVI, L V I I , L V I I I , L X V , L X X I I I , L X X V , LXXIX:, L X X X , LXXXII, LXXXIII, LXXXIV. LXXXVI, LXXXVIII, LXXXIX, XC, XCIII, 195, 207, 215, 219, 221, 227, 228, 229, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238 — Abgeordnetenkammer L X I — Aktenpublikation L X I I — Armee L I I , 206, 216 — Botschafter in Berlin X C , 215, 230, 232 — Denkschriften vom 6. August und 18. Oktober 1919 L X I — Friedensprogramm X X X I I — Gelbbuch X L V I I , L I I I , L V I , L X X I X , 200, 202, 204, 205 — Geschäftsträger in München 203 — Grenze L X X X V I I , 215, 223, 228 — Kammer 239 — Kriegsfertigkeit, -Vorbereitungen LXXXV, LXXXVI, LXXXVII, XCII, XCIII, 216, 221, 223, 224, 228 — Kriegsminister L I I , X C I I — Mobilmachung L I V , X C I I I , 223
Frankreich, Neutralität L X X X I X , 196 — Presse 205, 208, 2 1 1 , 223 — Regierung L I I , L X X V , X C I I — Seehandel L V — Senat, Bericht an den L I , L I I I , L X I , LXXXI — Vormarsch gegen Deutschland 216 Frantz, Konstantin X X V Franz Joseph, Kaiser L I I I , L V I I Freiburg 2 1 3 Freie Zeitung X X X V I I Friedensverhandlungen siehe Versailles „Friede durch Recht", Wiesbadener Verlag 2 1 3 , 218 Frouart 228 Galatz 223 Galizien X L I I , L X X X V I I I , 195 Gazette Ticinese 210 Gelbbuch X L V I I , L I I I , L V I , L X X I X , 200, 202, 204, 205 Genf 20 „Germania" 212, 213 Germanismus X V , L X V I I I Givet 216 Gooch L X X X I I , X C I Gooß, Roderich, Das Wiener Kabinett und der Weltkrieg L Göttingen 198 Greiling X X X V I I , 218 Grey, Sir Eduard X L I I , X L V I I I , X L I X , LI, L V , L V I , L V I I , L X X V I I , X C I , X C I I I , 196 Griechenland 195, 222 Großbritannien siehe England Grunelius L X X V I I , 2 1 5 Haag L X X I — Schiedsgericht L X X V I I I Habsburger 234 Hall, Thomas C., Professor in NewJersey, jetzt in Göttingen 198 Halle 198 Harden, Maximilian X V I I I , X X I V , LXIII Heeringen, Generaloberst v. 231 Heiliger Stuhl 209, 2 1 2 Heim, Dr. Georg 235 Helfferich X X X I X Herron X V , X V I , X V I I I , X X , X X I I I , XXXVI, LXVIII, Hertling X X X V I I , X L I V , 193, 195. 200, 201, 203, 204, 205, 215, 231 Hilversum 198 Hofburg X L V I Hoffmann, Korrespondenz X X V I I I , 194 Hoffmann, bayerischer Ministerpräsident 208, 210, 2 1 1 Holland 223, 230 Hungerblockade X X X I V
256 Imperialismus XVI, X X V Ischl L X X I Iswolsky L X X I V , L X X V , L X X V I , L X X X , L X X X I I , XCIII Italien XVI, X X I I I , 195, 214, 228, 229, 231, 232 — Gesandter in Bern X X V — Presse 208 — Regierung L X X V I — Tripolitanischer Krieg X L V Jaffé X X , X X I I I Jagow X X X I X , L X V , L X V I , 204, 216 Januschjewitsch, russischer Generalleutnant und Generalstabschef LXXVIII Joachim Prinz von Preußen 231 Joffre XCIII Journal des Débats L V I I I Karl, Kaiser X V I I I , 236, 237 Karo, Dr., Professor an der Universität Halle 198 Kautsky X X I X , L X , L X I I , L X I I I , L X V I , L X V I I , L X X I V , 241 Kiew 223 King, Josef, Mitglied der englischen Arbeiterpartei in London 198 Klofatsch L X X X I I I Kommission für die Festsetzung der Verantwortlichkeit der Urheber des Krieges und die aufzuerlegenden Strafen 200 Kommissionsbericht der Alliierten L X Konferenz der deutschen Ministerpräsidenten X X V I I I , X X I X , X X X , XXXII, XXXIV Konstantinopel L X X X I I Krafft von Dellmensingen, Generalmajor 231 Kragujevac 222 Kraljevo 222 Kriegsausbruch V, XVI, X X X V I I I , XLV, L X X X I , L X X X I I , L X X X I V , LXXXV Kriegsschuldfrage X X I I I , X X V I I , X X I X , XXXVI, X X X I X , LXV, L X X X I , 192,194,197, 199, 200, 219 — Zeitschrift XCI Krupp X X X V I I I , X X X I X Krusevac 222 La Pradelle, Völkerrechtslehrer der Pariser Universität und Generalsekretär der Schuldkommission der Alliierten L X I I Lammasch, Dr. Heinrich, Professor für Völkerrecht an der Universität Wien X V I I I , 236, 237
Le Journal 207, 208, 209, 210, 2 1 1 Lepsius, Dr., Herausgeber der Deutschen politischen Akten von 1871 an 198, 200 Lerchenfeld X X X V I I , XXXVIII, XLIV, L, LI, LIV, L I X , LX, L X I , LXX, LXXII, LXXVII, LXXX, L X X X V I , XCIII, 193—196, 200 —203, 216, 218 Lersner, Kurt Freiherr v., Vorsitzender der deutschen Friedensdelegation in Spa und Versailles 200 Lichnowsky X X X V I I I , LVII, L X V I , LXIX Linksrhein 235 Lloyd George X X I , X X X V , 201 Lößl 200 Löwenfeld, Dr. Philipp, Rechtsanwalt in München 199 Lokalisierung des Österreichisch-Serbischen Konflikts X L I I , XLIV, XLVIII, LXVI, LXVII, LXX, L X X I I , 194, 195 London X X X V I I I , XLIV, XLVI, X L I X , L, LH, LV, L X X I V , L X X V I I I , 2x5, 231 Ludwig III. König von Bayern 231 — Botschafterkonferenz X L V I I I Lugano 208 Lumbroso, Dr. Alberto, Direktor der Rivista di Roma 198 Lund 198 Lun6ville 223 Luxemburg 214, 216 Haas 216 Maastricht 223 Mainlinie 238 Madrid 198 Marokko 224 Matin 202, 203 Mehrheitssozialisten LVII „Menschheit, Die" 213, 218, 219 Merry del Val, Dr. Raffael, Professor, Kardinalstaatssekretär 212 Messimy XCII Metz 225, 231 Mitteleuropa 222, 235 Mittelmächte X X X V I I I , X L 1 I I , LII, LXXVIII, LXXX, LXXXIII, LXXXIV, LXXXV, LXXXVI, L X X X V I I , 210 Mobilmachung, deutsche LIII, LIV. L X X V I I I , 195 —, englische LVI —, französische LIV —, österreichische LXXXVIII, L X X X I X , 195
257 Mobilmachung, russische L , L I , L H , LI II, L X X V I I , L X X V I I I , L X X X V I , 195, 196 Moltke L I V , L X V , L X X X V I , L X X X V I I I , L X X X I X , XC, 221, 226, 230, 231 Montgelas L X I I I , L X X X V , 198, 200 Monts, Graf 200 Montenegro 195, 222 Morawa 222 Morel L X X X I I , X C I V Morhardt L X X X I I Moskau 223, 224 Mückle X X I V , X X V I , X X V I I I , X X X , XXXV, XXXVI Muehlon, bis Kriegsausbruch Mitglied des Krupp-Direktoriums X X X V I I , X X X V I I I , X X X I X , LVII, L X I X Müller, Emanuel, Schriftleiter der „Münchener Neuesten Nachrichten" 191 München IV, X I V , X I X , X X , X X I , XXII, XXIII, XXVI, XXVII, XXVIII, X X X , XXXII, XXXIII, XXXVI, XLVI, L, LXXIV, L X X X I I , 194, 198, 201, 203, 205, 206, 207, 210, 2 i r , 218, 220, 238, 242 — Räte-Herrschaft I I I , IV, X X X I I , 206—208, 210, 214 — Revolution 206 „Münchener Neueste Nachrichten" 191, 203 Namur 216 Napoleon I. X V I , X X X I I I , L V I I Nationalitätenprinzip 195, 234 Neubreisach 225 „Neue Zeit", Die X X V I I Neutrale Kommission (Kriegsschuldfrage) X X I X Newa L X X I V , L X X X I X , X C I I New Jersey xg8 „New York Times" X C I Nikolaus, Zar von Rußland 215, 224, 226, 232 Nikolajewitsch, Großfürst 232 Nitti L X X X I I „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" L I I I , 204, 225 Nordfrankreich X X I I I , X X I V Northampton 198 Northcliffe X V Novibasar 222 Nürnberg XC, 230, 232 Odessa 223 Oman, C., Professor an der Universität Oxford, „The Outbreak of the War of 1 9 1 4 — 1 9 1 8 " L X I Orangebuch X L V I I I , 2 1 9
Orient L V I I I Ostasien 230 Osterhuber, Joseph, Schriftleiter des „Bayerischen Kurier" 191 Ostpreußen X C I I Österreich-Ungarn X V I , X V I I , X L I , XLVII, XLIII, XLV, XLVI, XLVIII, X L I X , L, LI, LXVII, LXX, LXXI, LXXIII, LXXV, LXXVI, LXXVIII, LXXXV, LXXXVIII, LXXXIX, XCII, X C I V , 194, 195, 196, 206, 208 212, 214, 215, 220, 222, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 233, 237, 240 — Aktenveröffentlichung L X I X — Botschaftsrat in Berlin X L — Botschafter in Paris X C I I I — Italienischer Krieg 231 — Kaiser, siehe Franz Joseph — Kriegserklärung an Serbien X L I I , XLIX, LIX, LXX, LXXVII, L X X X V , 222 — Militärattache in Berlin L X X X V I I I — Nationalitätenproblem 228 — Regierung 194, 204, 205 — Rotbuch X L V I I , L , L X X V I I I — Thronfolger 206, 209 — Ultimatum an Serbien L I X , L X X I I , L X X I I I , L X X V I , L X X X V , 195, 196, 202—205, — Urkundenpublikation L X V , L X X X I Pacelli, Dr. Eugen, Monsignore, Titularerzbischof von Sardi, Päpstlicher Nuntius in München 209—2x2 Paléologue, Erinnerungen in der „Revue des deux Mondes" vom 15. Jan. 1921 LH, LIII, L X X V Pancsowa 222 Panslavismi LXVI, L X X I V , L X X X I I , L X X X I I I , 206, 208 Papst 206, 209, 210, 2x1, 2 1 3 Parlamentarischer Untersuchungsausschuß L X X X V , 217 Paris X V I , X X X I I I , X X X I V , X X X V , XXXVI, XLV, LH, LXVII, LXXI, LXXIV, LXXV, LXXVI, LXXVIII, LXXXI, LXXXIV, LXXXVII, LXXXVIII, LXXXIX, X C I I , X C I I I , 196, 207, 214, 216, 222, 223, 224 — Konferenz L V I I I — Presse X L I V , 201, 223, 240, 242 Payot, René, Genfer Tagesschriftsteller 206, 207, 2 1 1 Pazifismus X V , X I X , X X I I , X X X I I . L X V I I I , X C I V , 235, 237 Pevet, Alfred, „Les Responsables" L X I I LXXXII 17
258 Pellwurm 226 Petersburg XVI. XLIV. XLV, X L V I I I , X L I X , L U I , LXVI, LXXIV, LXXV, LXXVII, LXXVIII, LXXX, LXXXIII, LXXXIV, LXXXVI, LXXXVII, LXXXVIII, L X X X I X , XCI, XCII, XCIII, 196, 215, 226, 230 Peterwardein 222 Pfalz 22i, 223 Pfalzbahnen 221 Pius X., Papst 208, 209 Poincaré XIV, L V I I I , LXVI, L X X I V , LXXX, XCIII Polen 228 Potsdam XVI, L X X X V I I , 217, 225 — Kronrat L I X , L X Pourtalès L X X , 215, 224 Präventivkrieg L X X X , 113 Prag 222, 237, 238 Prawda L U I Preußen XVI, XVII, XVIII, XXV, L V I I I , L X X X V , 232 — Generalstab 196, 220, 221, 224 — Jahrbücher LXVI — Kriegsministerium 220, 221, 225, 226, 228, 230, 231 Quai d'Orsay XLVI, L X X I I I , X C I I I Quesada, Dr. Ernesto, Professor an der Universität und Generalstaatsanwalt in Buenos Aires 198 Quidde, Dr. X X X I I , 200 Rat der Vier L I X Redlich, Joseph, Professor, Reichsratsu. Landtagsabgeordneter in Wien 237 Reichenau, Sommersitz des Kaisers Karl 237 Reichsarchiv 217 Reichsdirektorium X X X Reichseisenbahnamt 221 Reichskanzler X X X I , XL, X L I I , XLIV, XLV, XLVI, XLVII, X L I X , LI, LIV.LV, LVII, LXV, LXVI, L X X I , LXXII, LXXVII, LXXIX, LXXX, L X X X V I I , 207, 208, 236 Reichsleitung XXVI, X X V I I , X X V I I I , X X I X , X X X , X X X I I I , XLIV, LV, LVII, L X V I , L X V I I . L X X X I I I , LXXXIV, LXXXVII, LXXXVIII, L X X X I X , 195, 200, 217, 218 Reichsregierung X X I V . X X X I , X L I X , L, LIV, L X X V I I , XCI, 194, 199 Reichstagswahl XLVI, LIV, 198, 219 Revolution IV, X X I V , XXV, X X V I I , X X I X , X X X V , 197 Rhein, -ufer 229, 234
Ritter zu Grünstein, Lothar Freiherr v.. Bayerischer Gesandter in Paris (vgl. Ritter zu Grünstein, Otto Freih. v.) LXXIV, LXXV Ritter zu Grünstein, Otto Freiherr v „ Bayerischer ao. Gesandter und bevollmächtiger Minister beim päpstlichen Stuhl (Bruder des vorigen) 206—213 Ritter, Telegramm 206—213 Ritter, Moritz, Der Ausbruch des Weltkrieges nach den Behauptungen Lichnowskys und nach dem Zeugnis der Akten X X X V I I I , X X X I X Rivista di Roma 198 Roermond 223 Rom L X X I I I , 206, 214 Roches, Fernand, Manuel des origines de la guerre L X I Romberg, G. Freiherr vom. Die Fälschungen des russischen Orangebuches. Der wahre Telegrammwechsel Paris-Petersburg bei Kriegsausbruch L H Rumänien 195, 223 Rupprecht, Kronprinz von Bayern 231 Rußland XVI, X L I , X L I I , X L I I I . XLV, XLVI, X L V I I I , X L I X , L I , L H , LIV, LV, LVII, L X V I I , LXXIV, LXXVI, LXXVIII. LXXIX, LXXXII, LXXXIV, LXXXV, LXXXVI, LXXXVIII, L X X X I X , XC, XCI, XCII. 195, 201, 206, 214, 215, 218, 221, 223, 228, 229 — Armee 206 — Archive L X I I , L X X X I , 192 — Außenministerium, Tagebuchaufzeichnungen X C I I I — Botschafter in Berlin 227, 230 — Enthüllungen L I I — Generalstab L I I — Grenzüberschreitungen 230 — Grenzkorps 223, 225 — Japanischer Krieg XLV — Kriegspartei L I I I — Kriegsvorbereitungen, -Periode L X X X V , L X X X V I , 223 — Kriegswille L — Militärattache in Paris LII, XCII —• Ministerium 215 — Mobilmachung L, LI, LII, L I I I , LXXV, LXXVII, LXXVIII, L X X X V I , L X X X V I I , XCI, XCII, XCIII, 195, 196, 223, 224, 227, 232 Rußland, Orangebuch XLVIII, 219 — Rüstung X L I X , LXXXVI, L X X X V I I , L X X X I X , XCIII. 223 — Zar L X X X V I , XC, 224, 226, 232
259 San Giuliano 214 Sasonow X L V I I I , LH, LXXVI, L X X V I I I , L X X X I I I , 224 Save 222 Schebeko X L V I I I , X L I X , L X X V I Scheidemann X X X I , L V I I Scheuch, Oberst 225 Schoen, Hans v., Legationsrat bei der bayerischen Gesandtschaft in Berlin, vorübergehend Geschäftsträger III, X X X V I I , X X X I X , X L , X L I , X L I I , XLIV, XLV, XLVI, X L VII, LIX, LX, LXI, LXV, L X X , L X X I V , 1 9 1 , 193, 194, 197, 198, 202, 203, 204, 206 Schoen, W. Freiherr v., deutscher Botschafter in Paris L X X V I , L X X X Schuldbekenntnis XVIII, XXIII, XXIV, XXVII, XXIX, XXXIV, XXXV, XXXVI, XXXVII, LXVIII Schuldfrage X X V I I I , LVII, L V I I I , L X , LXI, LXIII, LXIV, LXV, L X X X I , L X X X I I I , X C I I , 219 Schuldkommission der Alliierten, Gutachten vom 29. Mai 1919 L I —, neutrale 198 Schuldpropaganda L X X , L X X X I Schweden 230 Schweiz X V I , X V I I , X V I I I , X X , X X I , XXV, XXX, XXXIV, XXXV, X X X V I , 206, 212 — Bundesrat X X I V „Schweizerische Republikanische Blätter" 2 1 3 Schwertfeger L X X X I I Secolo 209, 2 1 1 Seine X X X I I Semendria 222 Semlin 222 Serajewo X I I , X L I I , X L V , X L V I I , LXXI, LXXIX, LXXX, LXXXIV Serbien (Groß-) X L I , X L I I , X L I I I , XLIV, XLV, XLVI, XLVII, XLVIII, LVIII, LIX, LXVII, L X X , LXXI, LXXII, LXXIII, LXXIV, LXXV, LXXVI, LXXXIV, LXXXV, LXXXVI, LXXXVIII, 194. I95> 196. 202, 203, 204, 205, 206, 208, 209, 210, 2 1 1 , 214, 222, 226, 229 — Antwortnote 219 — Geschäftsträger in Berlin 198 — Geschäftsträger in Paris X C I I Serbien, Kriegserklärung an X L I I , XLIX, LIX, LXX, LXXVII Separatisten (im Rheingebiet) X X X I I I „Sicherung", Vorstadium der drohenden Kriegsgefahr bei der Marine L X X X V I I , 226
Siebert, B . v. (bis zum Kriegsausbruch Sekretär der russischen Botschaft in London): DiplomatischeAktenstücke zur Geschichte der Ententepolitik der Vorkriegsjähre L I I I Slawen, Slawentum L X X I , L X X I I I , L X X I X , L X X X , 234 Solf, Dr. X X V I I , X X X I Soden X X X V , 200, 201 Sowjetregierung X C I I I Spartakus X X I V , L V I I Staatsgerichtshof X X I V Stieve L X X X I I , L X X X I I I Straßburg 225, 231 Striedinger, Dr., Oberarchivrat im Hauptstaatsarchiv München 198 „Süddeutsche Monatshefte" 191, 192, 232 Süddeutschland X X I V Südostmark, -Völker 234, 236 Sylt 226 Szdpäri L X X V Szecsen L X X V I Tann, v. d. L X X I I I , 214 Tappen, Oberstleutnant 231 Temes-Kubin 222 Temps L X X , L X X I , L X X I I , L X X I I I , LXXIV,LXXVI,LXXVII,LXXVIII L X X I X , 239, 240, 241, 242 Thimme, Dr. Friedrich, Herausgeber der deutschen politischen Akten von 1871 an 198, 200 Times L X X , 202, 239 Tirpitz, Alfred v., Großadmiral und Staatssekretär des deutschen Reichsmarineamts L X V I , 221, 226 Tiska L X X V I Toul 223, 228 Trentino 228 Treutier 203, 204 Triest 228 Tripleentente L X X I V Tschechoslowakei.TschechenLXXXIII, 222, 237, 238 Tschirschky L X V I , L X X I I , 237 Tucher L X V I , L X X , L X X I , L X X I I , LXXIII, LXXIV, LXXVI, LXXVII Türkei X L V Ukraine X X X Ultimatum an Frankreich 227 — an Rußland X C I I Ultimatum an Serbien X X X V I I I , XLVI, XLVIII Untersuchungskommission des Landtags 241 Untersuchungsausschuß des Reichstags LXXI
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260 Ungarn L X X I U.S.P. xxix, xxxi, Lvn Valjevo 222 Vatikan 206, 208, 209, 210—213 — Bayerische Gesandtschaft beim 209, 212 — Kardinalsekretär 206 — Nuntius in München, siehe Facelli — Prälat des 209 — Römischer Korrespondent des 209 Venlo 223 Vereinigte Staaten von Deutschland XXV Versailles III, XIV, X V , X X I V , X X V I I I , X X X I V , XLVII, LVIII, L X , LXI, L X I V , LXVIII, L X I X , LXXI, LXXXI, LXXXII, L X X X I V , XCIV, 207, 210, 239, 240 — Anklageschrift, Friedensdiktat LVIII, 193, 201, 208, 211, 240 — Frieden L X I , L X V I I I , 200, 216 — Deutsche Delegation in L I X Versluys, J., Prof. u. Mitglied der neutralen Schuldkommission in Hilversum, Holland 198 Viererausschuß L X , L X I , 200 — Denkschrift L I X , L X Viviani L X X I V Völkerbund X X I , X X V I I , X L V , 234 Völkerversöhnung X X X V , 199, 200 „Vorwärts" X X X „Vossische Zeitung" X X X V I , X X X V I I Waffenstillstand, -Bedingungen, -Kommission, -Vertrag X I X , X X , X X I , XXII, XXVII, XXXIV, X X X V I I Waldersee 231 Warschau 223, 228 Wedel, Dr. Botho, Graf v., vortragender Rat im deutschen Auswärtigen Amt 202, 203 Weimar X V I Weltfrieden X L I V , L X V I I , L X X I X Weltkrieg X V I , XXVI, XXVII, X X V I I I , X X X V I , X X X V I I I , LVI, LIX, LXI, LXII, LXIV, LXV, LXVI, LXVII, LXVIII, LXX, LXXII, LXXVIII, LXXXI,
L X X X I V , L X X X I X , XCI, 195, 196, 198, 199, 200, 201, 210, 212, 219, 240 Wenninger, Karl, Ritter v., Generalmajor, Bayerischer Militärbevollmächtigter in Berlin und stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundestage des Deutschen Reiches, Berichte an das Kriegsministerium in München L X X X I V , L X X X V , LXXXVI, LXXXVII, LXXXIX, XC, XCI, XCII, 217—232 Westminster-Gazette L V I I Wien XVIII, X X X V I I I , X L I , XLIV, X L VI, XLVIII, X L I X . L , LVII, LIX, L X V I , L X X , L X X I , L X X I I I , LXXIV, LXXV.LXXVI LXXVII, LXXVIII, LXXXVII, LXXYVIII, L X X X I X , 204, 213, 223, 227, 236 Wien, Kabinett L, L X X I I , L X X I V , L X X V , L X X V I , 223 Wilhelm II. XVII, X X I I , X X V I I . LVII, LVIII, LXIII, L X V , L X V I , LXXVII, LXXX, LXXXVI, L X X X V I I I , XCI, 221, 225, 226, 231, 232 — Nordlandreise XLVII, L X — Söhne 226, 231 Wilna 223, 224 Wilson X I X , X X , X X I , XXIII, XXVII, XXXIV, XXXV, XXXVI, XLV, LXVIII. 201 Wolff Büro 204 Wrisberg, Oberstleutnant v., Chef A i des deutschen Generalstabs 222 Zar, russischer LH, L X X I V , L X X V I I I Zarismus XVI Zimmermann X X , XL, XLII, XLIV, XLVI, LXI, LXVI, L X X , 203, 204 Zehnkilometerzone LII Zürich X X Zustand drohender Kriegsgefahr LIII, LXXXVI, LXXVII, LXXXVIII Zweibund X L V , XLVII, LII, LIII, LIV, LV, LXXV. LXXVIII, LXXIX. LXXXII, LXXXIII, L X X X V , L X X X V I , XC Zweifrontenkrieg LV, XC