Bauen mit Feingefühl: Zeitgenössische Baukultur in der Schweiz 9783035609349, 9783035611304

Current Swiss building culture Beyond Peter Zumthor and Herzog & de Meuron, numerous Swiss architects have shaped

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German Pages 244 [252] Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Miller & Maranta
Buchner Bründler
Das Geschäft mit dem Schönen. Schweizer Leistungen in der Architektur
Herzog & De Meuron
Diener & Diener
Nickisch Walder
Schweizer Architektur. Ein Blick von außen
Gion A. Caminada
Jürg Conzett
Peter Zumthor
Savioz Fabrizzi
Andreas Fuhrimann / Gabrielle Hächler
Valerio Olgiati
Kultivierte Alltäglichkeit. Kulturelle Vorbilder in der Schweizer Architektur der Gegenwart
Bearth & Deplazes
:MLZD
Studio Vacchini
EM2N
Arbeitsbedingungen für Architekten
Biografien
Recommend Papers

Bauen mit Feingefühl: Zeitgenössische Baukultur in der Schweiz
 9783035609349, 9783035611304

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3

VORWORT

121

PETER ZUMTHOR

122

Caplutta Sogn Benedetg

5

MILLER & MARANTA

128

Therme

6

Altes Hospiz St. Gotthard

135

GESPRÄCH MIT PETER ZUMTHOR

16

Villa Garbald

25

BUCHNER BRÜNDLER

143

SAVIOZ FABRIZZI

26

Casa d’Estate

144

Maison Boisset

32

Umbau und Erweiterung der

152

Maison Roduit

161

ANDREAS FUHRIMANN

Anna Roos

Jugendherberge Basel 40

Wohnhaus Bläsiring

GABRIELLE HÄCHLER 46

DAS GESCHÄFT MIT DEM SCHÖNEN

162

Zielturm

R. James Breiding 171

VALERIO OLGIATI

53

HERZOG & DE MEURON

172

Das gelbe Haus

54

Naturbad

178

Atelier Bardill

60

Ricola Kräuterzentrum

71

DIENER & DIENER

72

Forum 3 189

BEARTH & DEPLAZES

81

NICKISCH WALDER

190

Bundesstrafgericht

82

Base Camp Matterhorn

200

Monte-Rosa-Hütte

90

Refugi Lieptgas 209

:MLZD

210

Erweiterung des Historischen Museums

219

STUDIO VACCHINI

220

Sportzentrum Mülimatt

229

EM2N

184

96

SCHWEIZER ARCHITEKTUR

KULTIVIERTE ALLTÄGLICHKEIT Irina Davidovici

Niall McLaughlin 99

GION A. CAMINADA

100

Waldhütte

104

Aussichtsturm

113

JÜRG CONZETT

114

Traversinersteg 2

230

Erweiterung der Serviceanlage Herdern der SBB 238

ARBEITSBEDINGUNGEN FÜR ARCHITEKTEN Jean-Paul Jaccaud

VORWORT

einem «schweizerischen Stil» sprechen, doch zeigt sich weitgehend ein gewisses Understatement,

Francesco Borromini ist allgemein bekannt als italie-

gepaart mit einem starken Gefühl für die Anbindung

nischer Barockarchitekt. Er wurde aber in Bissone

an den Kontext. Die extremen Witterungsbedingungen

in der Nähe von Lugano geboren, einer Gemeinen

wirken sich auf die Detailgestaltung aus: Es ist

Herrschaft der Alten Eidgenossenschaft. Er begann

lebenswichtig, die eisige Kälte draußen und die Wärme

seine Laufbahn, indem er als Steinmetz in die

drinnen zu halten. Außerdem besitzt die Schweiz kaum

Fußstapfen seines Vaters trat. Le Corbusier wiederum

natürliche Ressourcen wie Öl oder Stahl, weshalb die

stammte aus La Chaux-de-Fonds, einer Stadt im

Architekten innovativ sein mussten und müssen und

Kanton Neuenburg; sein Vater schmückte als Email-

auf jene natürlichen Ressourcen zurückgreifen, die im

lierer Ziffernblätter von Uhren mit zarten Bildern.

Überfluss vorhanden sind: Stein und Holz.

Peter Zumthor, einer der höchstgeschätzten Architek-

Wenn Sensibilität bedeutet, ausgeprägte Acht-

ten der Gegenwart, ist Sohn eines Kunsttischlers

samkeit und Einfühlungsvermögen zu besitzen, so

und begann seine Laufbahn als Zimmermann. Diese

belegen die in diesem Buch präsentierten Bauten auf

Beispiele unterstreichen die enge Beziehung

vielfältige Art die wache Sensibilität der Schweizer

vieler Schweizer Architekten zum Handwerk und ihre

Architekten im Umgang mit ihrer Umwelt und

gründliche Kenntnis in der Arbeit mit bestimmten

Geschichte – sei es bei der zurückhaltenden Reno-

Materialien. Dieses tiefe Verständnis für die Anferti-

vierung eines alten Bauernhauses im Tessin, bei einem

gung von Objekten aus altbewährten Materialien

kühnen, neuen Sportzentrum in Windisch, einem

wie Holz, Stein, Glas, Beton schimmert bei den Gebäu-

mehrgeschossigen Apartmentgebäude in Basel oder

den vieler Schweizer Architekten der Vergangenheit

einem Museum im Dorf Flims. Die großen und kleinen

und der Gegenwart deutlich durch.

Gebäude zeigen jeweils, welche Aufmerksamkeit

Das vorliegende Buch untersucht die reiche und

ihre Architekten auf Detail und Material, auf hoch-

tief verwurzelte Tradition der Architektur in der

wertiges Handwerk und präzise Konstruktion legen.

Schweiz, die Sensibilität vieler Schweizer Architekten

Das Kaleidoskop der ausgewählten Gebäude –

und die durchdringende Architekturkultur. Dass

die alle in den letzten Jahrzehnten von Schweizer

ein so kleines Binnenland ein so großes Maß an guter

Architekten entworfen und in der Schweiz realisiert

Architektur hervorbringt, ist ein Beleg für diese

wurden – soll die Leser inspirieren und verdeutlichen,

Tradition. Rein quantitativ mag die Zahl der in der

warum diese Bauten so viel Bewunderung ernten.

Schweiz entstandenen Gebäude gegenüber größeren

Jedes Projekt wird mittels Texten, Fotografien und

Ländern unbedeutend erscheinen, aber die Strahl-

Zeichnungen vorgestellt. Die 25 aus dem ganzen Land

kraft und der Einfluss dieser Architektur ist beträcht-

stammenden Projekte von 15 Architekturbüros

lich. Das Buch spürt der Geschichte dieser Entwicklung

werden durch vier Essays bekannter Intellektueller

nach, indem es einen Blick auf den architektoni-

– drei von ihnen selbst Architekten – sowie durch

schen Reichtum des Landes und den Werdegang seiner

ein Interview mit Peter Zumthor ergänzt. Jeder Text

vielen talentierten Architekten wirft.

konzentriert sich auf einen anderen Aspekt der

Wie gelingt es den Architekten der Schweiz,

Schweizer Architektur: James Breiding widmet sich

zu einer solchen Qualität zu gelangen? Welche Kräfte

der historischen Entwicklung über die Jahrhunderte,

erzeugen im Zusammenspiel den fruchtbaren Boden,

Niall McLaughlin untersucht das Phänomen der

auf dem die Architektur so gut gedeihen kann? Die

Schweizer Architektur aus der Perspektive eines

Schweiz besitzt komplexe sprachliche und kulturelle

«vollständig Außenstehenden», Irina Davidovici wirft

Grenzen und eine vielfältige vernakuläre Architektur,

einen Blick auf die kulturellen Modelle, auf denen

gleichzeitig aber auch eine starke Tradition des

die Produktion zeitgenössischer Architektur

Kosmopolitismus. Das Land verfügt über ein großes

in der Schweiz beruht, und Jean-Paul Jaccaud fragt

Reservoir an kleinen kreativen Architekturbüros,

nach den Arbeitsbedingungen der Büros in der

die eine anspruchsvolle Entwurfskultur am Leben

Schweiz und vergleicht sie mit der Situation in den

halten. Neben dieser Ressource sind ein ausgezeich-

angelsächsischen Ländern. Das Interview im Zentrum

neter architektonischer Ausbildungsstandard, ein

des Buchs vermittelt dem Leser einen faszinierenden

hochentwickeltes Handwerk und die Tradition, offene

Einblick in den sehr persönlichen Entwurfsprozess

Wettbewerbe auszuschreiben, die jungen Talenten

des bedeutenden Architekten Peter Zumthor.

eine Chance geben, Aspekte, die die Architekturpro-

Die Publikation Bauen mit Feingefühl möchte nicht

duktion in der Schweiz beeinflussen. In den meisten

die Werbetrommel für ein Markenzeichen oder ein

Ländern geht die Rolle der Architekten im Bauen

Gütesiegel rühren; vielmehr geht es darum, breit

zurück, während sie in der Schweiz in der Regel

gefächerte Ansätze für eine hochgeschätzte Disziplin

immer noch die Autoren des Bauwerks sind und ihre

zu demonstrieren. Das Buch erkundet die Besonder-

Entwürfe von der gezeichneten Ausgangsskizze bis

heiten und Einmaligkeiten, denen dieses kleine Land

zum vollendeten Gebäude begleiten.

seine großartige architektonische Reputation ver-

Das Bauen in der alpinen Schweizer Landschaft stellt eine beträchtliche Herausforderung dar,

dankt, und erweist einer Architektur Reverenz, die mit Hingabe, Leidenschaft und Integrität geschaffen wird.

zwingt die Architekten aber zugleich, von Anfang an dreidimensional zu denken. Zwar kann man nicht von

3

Anna Roos

MILLER & MARANTA

Mein Antrieb, überhaupt am Morgen einen Bleistift in die Hand zu nehmen, ist die Suche nach Erkenntnis. Das bringt mich weiter. Quintus Miller

5

MILLER & MARANTA

Zunächst entkernten sie das Gebäude vollständig,

ALTES HOSPIZ ST. GOTTHARD

sodass nur die Außenmauern mit ihren eleganten,

GOTTHARDPASS

zweiteiligen Fensterbogen und die Granittreppe im

2008–2010

Erdgeschoss blieb. Sodann wurde das Gebäude um ein Geschoss aufgestockt, und schließlich wurden

Seit Jahrtausenden stellt der Gotthardpass eine

Kapelle und Hospiz unter einem riesigen Bleidach

wichtige Verbindung zwischen Nord- und Südeuropa

vereint. Durch die Aufstockung des Gebäudes ließen

dar, und seit vielen Jahrhunderten spielt er eine

sich mehr Zimmer unterbringen, außerdem tritt

bedeutende Rolle für die Wirtschaft und die Kultur

das Gebäude auf der Alp deutlicher als optischer

der Zentralschweiz. Seit dem frühen 13. Jahrhundert

Bezugspunkt hervor. Der schlanke Glockenturm

ist der Pass eine entscheidende Handelsroute,

zerlegt das große, facettierte Volumen in zwei Teile:

die unterschiedliche Kulturen und Sprachgebiete

sakral – profan, Kapelle – Herberge. Der Rauverputz

miteinander verbindet. Händlerkarawanen brachten

in gedämpften Farben und das graue Bleidach

Getreide, Wein, Reis und Salz über den Pass;

nehmen die Farben der umliegenden zerklüfteten

sogar ganze Armeen überquerten ihn. Im 19. und 20.

Felsen auf und betten das Gebäude somit in die Land-

Jahrhundert wurde der Gotthardpass als Symbol für

schaft ein.

die Unabhängigkeit der Schweiz fast mythisch

Logistisch waren die Bauarbeiten am Gebäude

verehrt. Die «Alpentransversale» ist also strategisch,

eine gewaltige Herausforderung, weil sie nur während

kulturell und historisch von hoher Bedeutung.

des kurzen, schneefreien Zeitfensters im Sommer

Auf dem Gipfel des Gotthardpasses finden sich

möglich sind. Diese Einschränkung verlangte inno-

zwischen zwei Seen verstreute Gebäude, darunter

vatives Denken und äußerst sorgfältige Planung.

die heute als Museum genutzte alte Herberge und das

Um den Zeitrahmen für die Baustelle radikal zu ver-

Hotel St. Gotthard. Archäologische Funde deuten

kürzen, wurden die großen Holzverkleidungselemente

darauf hin, dass schon zur Römerzeit eine Kapelle auf

für die Innenräume unten im Tal zusammengesetzt

der Passhöhe existierte, während die Herberge neben

und dann auf den Berg hinaufbefördert, wo sie rasch

der Kapelle auf das Jahr 1623 datiert wurde. Beide

installiert werden konnten. Die vollständig mit

Gebäude erlebten viele Unglücke: Sie wurden 1774

unbehandeltem Fichtenholz ausgekleideten Zimmer

durch eine Lawine und 1905 durch einen Brand

haben eine fast klösterliche Atmosphäre, um den

zerstört. Jeder Wiederaufbau hinterließ historische

Eindruck der majestätischen rauen Landschaft umso

Spuren.

intensiver auf den Besucher wirken zu lassen.

Dank der Unterstützung der Fondazione Pro San

Die Präzision der Zimmermannsarbeit ist wirklich

Gottardo wurde die Wiederbelebung und Neuge-

bewundernswert. Durch sie wird die uralte verna-

staltung der Gebäude möglich. Sechs Architektur-

kuläre Alpinarchitektur auf ausgesprochen moderne

büros waren zur Wettbewerbsteilnahme eingeladen;

Art neu interpretiert, gleichzeitig aber evozieren

den Auftrag erhielt 2005 das in Basel ansässige

die nach Holz duftenden Zimmer immer noch eine

Büro Miller & Maranta. Als Professor für Entwurfs-

Atmosphäre archaischer Schönheit. Das Gebäude ver-

lehre an der Akademie für Architektur der Università

dankt seine Kraft jenem perfekt bemessenen Under-

della Svizzera italiana in Mendrisio (Tessin)

statement, das sich so häufig in der Schweizer

spielt Quintus Miller genau wie seine Partnerin Paola

Architektur findet. Jedes Zimmer wurde nach einem

Maranta eine wichtige Rolle im Schweizer Archi-

prominenten Gast benannt, den das Hospiz einst

tekturdiskurs. Ihre Arbeit wurde 2012 auf der Biennale

beherbergt hat – zum Beispiel Goethe, Honoré

in Venedig ausgestellt.

de Balzac und Petrarca. Heute nächtigen allerdings

Bei der Frage, wie sich auf der Grundlage einer vernakulären Bautypologie ein zeitgenössisches Gebäude errichten ließe, bezogen die Architekten ihre

Touristen aus einer anderen Ära in den Zimmern, nämlich Mountainbiker und Bergsteiger. Architektonisch entfalten die monumentale Süd-

Inspiration aus ländlichen Gebäuden im Kanton Uri,

seite und das monolithische Bleidach des Baus die

wo schon seit dem 15. Jahrhundert Holz inner-

größte optische Wirkung. Miller & Maranta haben das

halb massiver Wände zum Einsatz kam. Sie mussten

Gebäude verjüngt und seinen Status erhöht, wie es

mit großer Sensibilität vorgehen, um ein Gleich-

seiner historischen und strategischen Bedeutung auf

gewicht zu finden zwischen der Verpflichtung gegen-

der Gotthardhöhe gebührt. Stolz steht es da und

über der historischen Bedeutung des Gebäudes und

blickt nach Süden, als gehöre es schon seit eh und je

dem Anspruch, der Gegenwart mit einem herausra-

zu diesem Ort. Die Architektur ist zurückgenommen,

genden zeitgenössischen Bauwerk gerecht zu werden.

aber zugleich kraftvoll.

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Seit Jahren begleitet uns das Sprichwort: «Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern das Feuer am Brennen zu halten.» Miller & Maranta

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SÜDANSICHT

1:200

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3. OBERGESCHOSS 1. OBERGESCHOSS

1:200

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SCHNITT

15

MILLER & MARANTA

setzt die rustikale Gartenmauer fort; kurvenreiche

VILLA GARBALD

Wege, die sich über das Gelände ziehen, verbinden die

CASTASEGNA

beiden Gebäude miteinander. Der amorphe, abge-

2004

winkelte Grundriss spiegelt sich in der Gliederung des Daches wider, das zu Sempers tiefer gelegener

Quintus Miller und Paola Maranta spielen eine wichtige Rolle bei der architektonischen Produktion

eleganter Villa recht vorwitzig nach oben abknickt. Das neue Gebäude wurde aber nicht von unten

und im Architekturdiskurs der Schweiz. Ihr archi-

nach oben, sondern von außen nach innen geplant.

tektonischer Ansatz ist stark von Aldo Rossis Theori-

Den konstruktiven Kern bildet der Kamin, um den

en einer analogen Architektur beeinflusst, die sie

herum die Treppe vom Seminarraum im Erdgeschoss

während ihres Studiums an der ETH in den 1980er-

zur Spitze führt und die Schlafzimmer «ablagert»,

Jahren kennenlernten. Zu ihrer Ausbildung gehörte

während sie sich in die Höhe schraubt. Die Versetzung

die Analyse von ephemeren Aspekten der Diszi-

der Räume und die ständige Verschiebung der

plin, darunter die emotionale Wirkung von Architektur

Ebenen zeigen sich an den frei verteilten Öffnungen

auf die Menschen und die Stimmung eines Raumes.

in den Fassaden. Da die Fensterrahmen versteckt

Mit ihrer analogen Architektur versuchten sie,

liegen und bündig mit den Laibungen abschließen,

die Bauten in den jeweiligen Standort einzubetten

wirken die Öffnungen in den vier Fassaden wie Nist-

und die Herstellung eines starken Bezugs des Gebäu-

höhlen und unterstreichen die Dreidimensiona-

des zu seinem Kontext zu fördern. Gemäß dieser

lität und die abstrakte, vollplastische Form. Um die

Theorie sollten Gebäude zweideutig und facettenreich

rustikale Textur der umschließenden Gartenmauer

sein, damit sie auf unterschiedliche Weise wahrge-

aufzugreifen, wurde der Betonmischung für die Turm-

nommen werden und ihre Funktion mit der

mauern Granit aus dem Fluss Maira als Zuschlagstoff

Zeit ändern können.

beigegeben. Um diesen Zuschlagstoff in den Vor-

Die von Miller & Maranta entworfene Erweiterung

dergrund zu bringen, wurden die Betonflächen unter

der Villa Garbald befindet sich nahe der italieni-

hohem Druck mit Wasser bestrahlt, also einer

schen Grenze in dem Dorf Castasegna, das in einem

Wasserdruck-Abrasion unterzogen. Dieser Vorgang

italienischsprachigen Tal des Kantons Graubünden

erfordert großes handwerkliches Können, wenn eine

liegt. Eng beieinanderstehende, mehrstöckige Bauern-

einheitliche Gesamttextur erzielt werden soll.

häuser geben dem Dorf eine städtische Anmutung.

Ein solcher «Angriff» auf die Oberflächen erzeugt eine

Das Gästehaus ersetzt einen alten Heustadel und

fühlbar raue taktile Qualität, verstärkt so den orga-

erhebt sich über der eleganten Villa, die von Gottfried

nischen, rustikalen Charakter des Gebäudes, bindet

Semper, dem ersten Professor für Architektur an der

es in die Landschaft ein und schafft einen Bezug

ETH, 1863–1864 für die Familie Garbald entworfen

zu den Oberflächen der Gartenmauern und der

wurde. 1955 gründete der letzte Spross dieser Familie

umliegenden Bauernhäuser. Miller & Maranta ist

eine Stiftung, die später das Collegium Helveticum

es gelungen, einen raffinierten Dialog zwischen ihrer

zur Zusammenarbeit bei der Schaffung einer

neuen Villa und deren historischem Kontext zu

Stätte für intellektuelle Debatten und Diskussionen

inszenieren.

gewinnen konnte. Dazu wurde 2001 ein Wettbewerb ausgelobt, den Miller & Maranta gewannen. Miller & Marantas Gebäude fällt durch seine Kon-

Interessanterweise sagen die Architekten, dass sie beim Entwerfen eines spezifischen Raums bei dessen Atmosphäre beginnen. Budgetbeschränkungen

struktionsweise und seine amorphe, kristalline

waren hier kein Hindernis, aber Miller & Maranta

Form auf. Teil des Projekts ist eine Gartenmauer, die

schufen trotzdem schlichte, nahezu spartanische

das Grundstück umgibt und so eine private Enklave

und dennoch äußerst qualitätvolle Innenräume. Große

abgrenzt. Das sechsgeschossige Gebäude, das von

Sorgfalt wurde auf die Endbearbeitung verwandt –

den roccoli – italienischen Türmen für Vogelsteller –

bei den mattweißen, glatten Kalkputzwänden genau-

inspiriert ist, thront wie eine abstrakte, mono-

so wie bei der Zimmermannsarbeit der Türen, Fenster,

lithische Skulptur im Garten. Der Turm setzt sich mit

Fensterläden und Möbel. Mit ihren rauen Ober-

seiner dominanten Form gegen die Landschaft und

flächen und kraftvollen, skulpturalen Formen haben

den Himmel ab. Indem sie das Gebäude aus der

Miller & Maranta eine neue, zeitgemäße Sprache

Lotrechten brachten, die Fenster beliebig verteilten

für die alpine Architektur entwickelt, bei der einige der

und den Oberflächen Ausdruck verliehen, verstärkten

Lehren zur analogen Architektur, die die Architekten

die Architekten die monolithische, abstrakte

vor Jahrzehnten in Zürich kennenlernten und die

Anmutung des Bauwerks. Der polygonale Grundriss

sich ihnen tief eingeprägt haben, beherzigt wurden.

Wenn wir einen bestimmten Raum entwerfen müssen, dann beginnen wir bei seiner Stimmung. Miller & Maranta

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ERDGESCHOSS

1:300

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4. OBERGESCHOSS 3. OBERGESCHOSS 2. OBERGESCHOSS 1. OBERGESCHOSS

1:300

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WESTANSICHT SCHNITT

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23

BUCHNER BRÜNDLER

Die Schweiz ist ein Modell für das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur. Buchner Bründler

25

BUCHNER BRÜNDLER

Der eingezogene Heuboden aus Holz wurde ent-

CASA D’ESTATE

fernt, um im offenen Wohnbereich und dem Ess-

LINESCIO

zimmer die volle Höhe von sechs Metern freizulegen.

2009 – 2010

Klappbare Holzläden vor den zwei hohen, nach Süden blickenden Fensteröffnungen ermöglichen es,

Traditionelle Bauten im italienischen Teil der Schweiz

den Lichteinfall bei Bedarf auszuschließen. Ein

sind aus regionalem Granit errichtet und haben

direkt auf dem Betonboden stehender Kamin verleiht

Schiefer- oder Granitdächer. Im Tessin finden sich in

dem Raum eine urtümliche Atmosphäre, wenn an

den Tälern aus Stein gebaute Fußwege, die Jahr-

kühlen Sommerabenden das Feuer angezündet wird.

tausende alt sind und bis in die Zeit der Seidenstraße

Das Bad hat keine Badewanne, sondern lediglich

zurückreichen, als Händler vom Fernen Osten auf

eine Vertiefung im Betonboden, ähnlich einem kleinen

dem Weg nach Westeuropa vorbeikamen. Die Casa

Pool. Hier ein Bad zu nehmen, muss ein ausgefallenes

d’Estate (Sommerhaus) im abgeschiedenen Distrikt

Erlebnis sein. Der Duschkopf befindet sich ein

Vallemaggia, 30 Kilometer nördlich von Locarno,

gutes Stück darüber und biegt sich über den Decken-

stand ein halbes Jahrhundert leer, ehe Daniel Buchner

balken, um das Wasser in einem kleinen Wasser-

und Andreas Bründler sich daranmachten, sie neu

fall herunterspritzen zu lassen. In der Küche beleuch-

zu beleben. Von außen ist der Eingriff nahezu unsicht-

ten hinter der Spüle versenkte Leuchtkörper die raue

bar. Eine Schwungtür aus Glas, die bündig mit der

Granitoberfläche dramatisch von unten. Auf diese

äußeren Granitfassade abschließt, und der Beton-

Art spielen die Architekten mit den Texturen,

schornstein sind die einzigen Hinweise auf die

heben die sinnlichen Oberflächeneigenschaften der

Umwandlung, die innerhalb der 650 Millimeter dicken,

Materialien hervor und steigern den Raumeindruck.

200 Jahre alten Steinmauern stattgefunden hat. Die kühne Entscheidung, dass das Gebäude nur

Bemerkenswert an dieser Renovierung ist die Zurückhaltung, die sich die Architekten dabei aufer-

während der warmen Sommermonate bewohnt werden

legten: Das 200 Jahre alte Steingebäude bewahrt

sollte, ermöglichte es den Architekten, die Stein-

seine Gestalt als beständiges Stück Architektur, das

mauern unverändert zu erhalten und auf eine Heizung,

Jahrhunderte überdauert hat und sicherlich weitere

Fenster mit Dreifachverglasung und Heizkörper

Jahrhunderte überdauern wird.

zu verzichten. Alle neuen Elemente der Renovierung bestehen aus Beton: die neuen Fensterlaibungen, die Fußböden sowie die Einbauten. Über das Dach wurde innen Schicht für Schicht Beton in den Leerraum zwischen den Bruchsteinmauern und der Holzschalung eingebracht, sodass – vergleichbar einer russischen Matrjoschka – gewissermaßen ein Haus im Haus entstand.

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SCHNITT LAGEPLAN

ERDGESCHOSS

1:500

1:200

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Das Foyer ist großzügig und hell; alle Betriebs-

BUCHNER BRÜNDLER UMBAU UND ERWEITERUNG

räume – darunter das Büro, der Aufzug, das Treppen-

DER JUGENDHERBERGE BASEL

haus und der Tagungsraum – liegen hangseitig an

ST. ALBAN, BASEL

der Rückseite des Gebäudes. Jean-Prouvé-Stühle und

2009 – 2010

gelbbraune Ledersofas laden die Gäste zum Hinsetzen und Plaudern ein. Breite Stufen führen hinunter

Jugendherbergen werden heute nicht mehr aus-

in den gemeinschaftlichen Esssaal, der in den

schließlich von Studenten und Rucksacktouristen mit

historischen Räumen untergebracht ist, wo einst die

stark beschränktem Budget genutzt, sondern Rei-

Seide gefärbt wurde. Trennwände wurden hier ent-

sende aller Altersgruppen bilden einen großen Teil der

fernt, um eine Reihe von Backsteinbogen freizulegen,

Gäste. Zwar ist jedes Hostel einzigartig, aber alle

die den Raum mit einem Rhythmus aus eleganten

wollen nachhaltig und ökologisch sein und gleichzeitig

Kurven umschließen. Die gemusterte Textur des weiß

einen hohen Unterkunftsstandard bieten. Schweizer

getünchten Backsteinmauerwerks schafft einen

Jugendherbergen werden häufig mit internati-

subtilen Kontrast zu den hellbeige verputzten Säulen.

onalen Preisen ausgezeichnet, weil sie gut konzipiert

Eine nüchterne Faltwerk-Stahltreppe in einem

und sauber sind und dank hochwertiger Architektur

auberginefarbenen Treppenhaus lässt die verti-

herausragen.

kale Erschließung zugleich industriell und künstle-

Basels Jugendherberge residiert in einer 1850–

risch wirken. Die insgesamt 48 Zimmer unter-

1851 erbauten Fabrik für Seidenbänder, die in den

schiedlicher Größe verteilen sich auf die drei oberen

späten 1970er-Jahren zur Jugendherberge umgebaut

Geschosse; sie liegen an Fluren, die jeweils mit

wurde. Da das alte Fabrikgebäude unter Denkmal-

deckenhohen Fenstern abschließen, welche für natür-

schutz steht, mussten alle Änderungen sensibel vor-

liches Licht und schöne Ausblicke sorgen. Trans-

genommen werden. Im Jahr 2007 gewannen die Basler

parente, farbige Guckloch-Öffnungen in den Stein-

Architekten Buchner Bründler den Wettbewerb für

wänden gewähren einen flüchtigen Blick auf die

den Entwurf einer Renovierung samt Erweiterung, der

Aktivitäten in den Zimmern – eine freundliche Geste

drei Jahre später fertiggestellt wurde.

zur Auflockerung der Flure. Die Zimmer sind in

Die an einem Bach in St. Alban, einem malerischen

einer Kombination aus Beton, Glas und Sperrholz

Quartier in der Nähe des Rheins, gelegene Jugend-

gestaltet; die Möbel bestehen aus solidem Eichenholz.

herberge steht unter hohen Bäumen. Schon vor dem

Der Materialeinsatz wirkt robust und direkt.

Betreten des Gebäudes ist der Eingriff von Buchner

Balkonbänder bilden eine optische Verlängerung der

Bründler zu sehen: Eine filigrane Fußgänger-

Räume und schaffen eine äußere Verbindung

brücke aus Holz verbindet den Maja Sacher-Platz mit

zwischen benachbarten Zimmern, sodass die Gäste

dem Eingang und geht in einen schmalen, aus Holz

miteinander in Kontakt treten können. Buchner

ausgeführten Gang über, der zu einer geschlossenen

Bründler beweisen mit ihrer Renovierung, dass sich

Terrasse mit Ausblick auf das Laubwerk der umge-

ein altes Gebäude durch einen zeitgenössischen

benden Bäume führt. Dieser Gang bildet einen Sockel,

Anbau stimmig erweitern lässt. Sie haben hier eine

der von vertikalen Eichenrippen gestützt wird,

Architektur geschaffen, die gleichermaßen funktional

welche die Form von Baumstämmen aufgreifen, das

wie ästhetisch ist.

Gebäude einfrieden, optisch Alt mit Neu verbinden und zugleich den Ausblick wie den Einblick in das Gebäude filtern.

Wir glauben an die Möglichkeit der Architektur, Orte zu verändern. Buchner Bründler

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ERDGESCHOSS

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SCHNITT NORDANSICHT

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BUCHNER BRÜNDLER WOHNHAUS BLÄSIRING BASEL 2011–2012

Das sechsgeschossige Basler Wohnhaus steht wie ein Wachtposten in der Straßenfront und schließt mit seiner Höhe an andere, höhere Gebäude in der Nachbarschaft, aber nicht an die direkt angrenzenden zweigeschossigen Häuser an. Wegen des schmalen Grundstücks und der vertikalen Proportionen erinnert das Gebäude entfernt an ein traditionelles Reihenhaus an einer Amsterdamer Gracht. Obwohl es recht streng und zurückhaltend erscheint, besitzt es zeitgenössischen Charme. Indem die Architekten die beiden jeweils drei Geschosse umfassenden Wohnungen übereinanderstapelten, nutzten sie das schmale Grundstück optimal aus und konnten den Garten hinter dem Haus erhalten. Da das Gebäude unmittelbar an die angrenzende Bebauung anschließt, liegen die Zimmer längsseitig zwischen zwei Betonmauern. Die schmalen Fassaden öffnen sich dagegen mit einer raumhohen Verglasung zur Straßenfront und zum hinteren Garten, sodass Sonnenlicht tief in das Gebäude gelangen kann. Der Geschossplan gliedert sich um einen Betriebskern, in dem die Treppe, die Küchen und die Bäder untergebracht sind; sie wirken wie aus dem Sichtbeton herausgeschlagen. Der ebenfalls aus Beton gefertigte Kamin springt in den Wohnbereich vor. Dass der Kaminboden ebenerdig ist und das Holz direkt auf dem Sockel verbrannt wird, gibt dem Raum eine bodenständige, archaische Anmutung. Die hervortretende Maserung der Holzschalung ist sichtbar; das Material blieb unbehandelt, sodass der Herstellungsprozess ablesbar ist. Das Fehlen vorgefertigter Einbauelemente wie Waschbecken, Bäder und Regale – die allesamt aus Beton gegossen sind – unterstreicht den plastischen, modellierten Effekt und die elementare Kraft des Materials. Der Einsatz von Fensterrahmen und Schranktüren aus warmem Eichenholz gegenüber den grauen Betonwänden und -decken mildert und bereichert den Raumeindruck. Von der Straße aus präsentiert sich die Fassade als eine sorgsam ausgewogene Komposition aus Holz-, Glas-, Stahl- und Betonoberflächen. Dass das Projekt mit dem Architekturpreis Beton 13 ausgezeichnet wurde, ist keine Überraschung: Es handelt sich um den beredten Versuch, Beton skulptural zu nutzen, ihn zu gestalten und sorgfältig zu formen, um mit ihm den Raum zu modellieren. Buchner Bründler ist es gelungen, Beton – den Baustoff, der seit mehr als 100 Jahren eine zentrale Rolle in der Architektur der Schweiz bildet – in einer Weise zu verwenden, die die Sinne anspricht.

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SCHNITT ERDGESCHOSS

1:200

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3. OBERGESCHOSS

4. OBERGESCHOSS

DAS GESCHÄFT MIT DEM SCHÖNEN

Schweizer Leistungen in der Architektur R. James Breiding

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Warum besitzt die Schweiz – jenes kleine Binnenland, dessen Territorium zudem zu großen Teilen unbewohnbar ist – pro Kopf gerechnet die höchste Zahl an Pritzker-Preisträgern? Wie konnte ein Land in einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne so bedeutende Architekten wie Le Corbusier, Mario Botta, Jacques Herzog, Pierre de Meuron und Peter Zumthor hervorbringen, deren architektonische Wahrzeichen Städte in aller Welt prägen? Dieser Essay untersucht die Aspekte, die zu der herausragenden Stellung der Schweizer Architektur geführt haben, und gibt einen kurzen Überblick über die Protagonisten, die am meisten zu den Leistungen der Schweiz auf diesem Gebiet beigetragen haben. Das Konzept einer Nation umfasst unzählige Faktoren: Geschichte, Klima, Topografie, Sprache, Religion, das Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft, die Menge oder den Mangel an Reichtum und Ressourcen, die geltenden Werte, gesellschaftlichen Normen und vieles mehr. Aus dieser unendlichen Liste möchte ich drei Aspekte des «typisch Schweizerischen» herausgreifen, die den bemerkenswerten Beitrag des Landes zur Architektur, wie wir sie heute kennen, erklären könnten. Zunächst einmal profitiert die Schweiz schon seit Langem von ihrer Offenheit. In der Römerzeit war das Land ein Ort des Handels, von dem Eroberungen gen Norden ausgingen, während er den Süden vor Angriffen schützte. Hier entspringen der nach Norden fließende Rhein und die nach Süden fließende Rhone – jene beiden Ströme, die bis zur Erfindung der Eisenbahn das wirtschaftliche Rückgrat des Handels in Mitteleuropa bildeten. Die Schweiz war zudem eine Ost-West-Durchgangsroute für Pilger auf dem Weg von oder nach Santiago de Compostela. Bis ins 19. Jahrhundert waren junge Männer der «Hauptexportartikel» der Schweiz; sie kämpften als Söldner in den endlosen Kriegen, die Europa die meiste Zeit zerrissen. Noch heute schützt die Schweizergarde den Vatikan. All diese Voraussetzungen schufen zahlreiche Möglichkeiten für den Austausch von Ideen, Fertigkeiten und Technologien. Die Schweizer reisten, machten neue Bekanntschaften, erlernten Fremdsprachen und heirateten in Familien aus anderen Regionen ein, weshalb man hier oft schneller von neuen Entwicklungen erfuhr als stärker provinziell geprägte Gesellschaften. Das zweite typische Landesmerkmal ist die einzigartige politische Verfasstheit. Jedes politische System hat die Hauptaufgabe, einen möglichst spannungsfreien Ausgleich zwischen konkurrierenden Interessengruppen und Machtkonzentrationen zu schaffen, bei dem sich das allgemeine öffentliche Interesse durchsetzt. Die Geschichte belegt in vielen Beispielen, dass es eine natürliche Tendenz zur Zentralisierung von Macht gibt. Die Geschichte handelt überwiegend von der Formierung, dem Aufstieg und schließlich dem Untergang von Imperien – man denke an Ägypten, Griechenland, Rom, die spanische Armada, an Napoleon, Bismarck oder das Britische Empire. Die Schweiz ist einmalig in ihrem Aufbau von unten nach oben; als einem der wenigen Länder ist es ihr gelungen, die Hegemonie der lokalen und regionalen Ebene über die zentrale zu bewahren und die Herrschaft der Zentralregierung einzudämmen. Die Schweizer zeichnen sich durch die Geringschätzung der Zentralisierung jeglicher Macht aus. Harold James, ein Professor der Princeton University, meinte einmal zu mir, dass Schweizer Städte wie Basel, Genf, Luzern, Neuenburg, St. Gallen oder Zürich mit ihren lokalen Dialekten, ihren Gebräuchen, der hohen Autonomie und ihrer leistungsorientierten Haltung gegenüber Verdiensten immer noch an mittelalterliche Stadtstaaten erinnerten. Das ist für die Architektur bedeutsam, weil die Städte seit Langem eine reiche und vielfältige Auftragsquelle für aufstrebende Schweizer Architekten darstellen. In der Schweiz gibt es 26 Kantone und 2 249 Kommunen, die alle über Budgets für Auftragsvergaben und über ehrgeizige Architekten verfügen, die einander übertreffen wollen. Kollektiv gesehen ergibt das ein Labor für architektonische Experimente, und individuell gesehen ist es ein Traum für jeden aufstrebenden Architekten.

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Die besondere Kombination aus Präzision und Sparsamkeit ist das zweite typische Merkmal der schweizerischen Architektur. Calvin und Zwingli, zwei der bedeutendsten Reformatoren, stammten aus der Schweiz. Mehr als 1000 Jahre lang hatte die römischkatholische Kirche die Köpfe und Herzen der Menschen geleitet. Grundlage für die Vergabe der meisten Aufträge durch die Kirche oder weltliche Herrscher war die Kunstfertigkeit der Architekten und ihre Fähigkeit, Bewunderung hervorzurufen. Die Auftraggeber strebten nach Superlativen: dem Prunkvollsten, dem Aufwendigsten, dem Einfallsreichsten. Der Calvinismus schloss seine Anhänger von der Teilnahme an derartigen Rangkämpfen, ja sogar von Berufen in diesem Bereich aus. Man konnte sich mit seiner Arbeit lediglich dann hervortun, wenn sie effizienter, dauerhafter oder technisch vollkommener war oder sonst in irgendeiner Weise eine messbare Verbesserung darstellte. Daraus entstand eine besondere Aufmerksamkeit für Materialien, Detaillierungen und Funktionalität, die auch heute noch deutlich zutage tritt. «Mehr Sein als Schein» scheint Teil der Schweizer DNS zu sein – ob es sich um einen Uhrmacher in Le Locle, einen Turbinenhersteller bei ABB oder einen Architekten bei Herzog & de Meuron handelt. Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit sind die letzten zwei Faktoren, die genannt werden sollen. Das Leben in den Bergen ist von beträchtlichen Unsicherheiten bestimmt. Lawinen oder Sturzfluten können ganze Täler auslöschen; widrige Wetterbedingungen können Menschen auf Wochen von der Außenwelt abschneiden oder Ernten beeinträchtigen, die die Dörfer dringend benötigten, um über den Winter zu kommen. Aus all diesen Gründen sind die Schweizer in der Regel sehr umsichtig und legen ihre Gebäude nicht für alltägliche Bedingungen, sondern für solche seltenen, aber unvermeidlichen Unglücksfälle aus. Verlässlichkeit erweist sich in schwierigen Zeiten, nicht unter Schönwetterbedingungen. Und aus Verlässlichkeit erwächst Vertrauen. Architekturbudgets können sich auf große Summe belaufen, die häufig von den Steuerzahlern aufgebracht werden. Die Einhaltung des Budgets und des Fertigstellungstermins ist vielleicht nicht immer ein entscheidendes Kriterium, kann aber auf jeden Fall einen Vorteil darstellen. Nachdem wir uns diese typischen Merkmale der Schweizer Architektur angesehen haben, sei nun ihre historische Entwicklung kurz skizziert. AUSGEWOGENHEIT, EINHEIT – UND DIE GESCHÄFTLICHE SEITE Das Architektur- und Kunstgeschäft ist ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Wirtschaft. Es wird auf typisch schweizerische Art – nämlich diskret – abgewickelt und stützt sich auf die Schweizer Haltung, etwas von Grund auf aufzubauen, nach Ausgewogenheit und Nützlichkeit zu streben und an einem eigenständigen Ansatz festzuhalten. Bezeichnend ist jedoch das zwiespältige Verhältnis, das viele bedeutende Persönlichkeiten der Schweizer Kulturlandschaft zu ihrem Heimatland unterhalten. Die Empfindung, dass die Schweiz kulturell gesehen eine recht erstickende Umgebung darstellt, hat tiefe historische Wurzeln. In der Zeit vor der Industrialisierung hatten Kunst und kreative Architekturen in der Schweiz keinen leichten Stand. Anders als in den europäischen Nachbarländern gab es hier keine Fürstenhöfe oder Königsfamilien, die die Künste gefördert hätten, um ihre Macht und ihr Prestige zu steigern. Derartige Frivolitäten lagen der Schweizer Mentalität fern. War überhaupt Geld vorhanden, so sollte es für vernünftige Dinge ausgegeben werden. Es überrascht daher nicht, dass sich in der Schweiz die ersten Zeichen künstlerischer Begabung in der Architektur zeigten, weil sich ästhetische Werte in dieser Disziplin diskret in einen für praktische oder religiöse Zwecke bestimmten Entwurf einbringen ließen.

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ITALIEN, DER SCHMELZTIEGEL Die wichtigsten Schweizer Architekten des 16. bis 18. Jahrhunderts stammten von der Südseite der Alpen – aus dem italienischsprachigen Tessin –, und die meisten von ihnen zog es nach Rom. Einer von ihnen, Domenico Fontana, wurde der Nachfolger Michelangelos als leitender Architekt des Petersdoms. Fontanas Neffe Carlo Maderno vollendete ihn schließlich. In den letzten Jahren vor der Weihe des Gotteshauses im Jahr 1629 arbeitete hier ein weiterer Schweizer Architekt, Francesco Castelli, der den Beinamen Borromini annahm. Er wurde mit der Kirche San Carlo alle Quattro Fontane auf dem Quirinal berühmt und begründete den römischen Barockstil. Eine Generation später machte mit dem aus Astano in der Nähe von Lugano stammenden Domenico Trezzini ein weiterer Emigrant Karriere im Ausland. Nach der obligatorischen Ausbildung in Rom gelangte Trezzini nach Russland, wo ihn Zar Peter der Große zum Stadtplaner für seine neue Hauptstadt Sankt Petersburg ernannte. Trezzini arbeitete 30 Jahre lang bis zu seinem Tod an der Entwicklung der Stadt und errichtete für die Zaren dort einige der wichtigsten Bauten, darunter die Peter-und-Paul-Kathedrale, den Sommer- und den (später durch einen Neubau ersetzten) Winterpalast. Er führte in der Stadt zudem einen Studiengang für Architektur mit Meisterabschluss ein. In der Schweiz sollten noch 150 Jahre vergehen, ehe eine entsprechende Ausbildungseinrichtung für Architekten geschaffen wurde. NACHFRAGE NACH ARCHITEKTUR Um 1800 erlebte der Architektenberuf einen tiefgreifenden Wandel. Die Entstehung einer wohlhabenden Mittelschicht führte zu einer starken Zunahme bei Anzahl und Vielfalt von Bauaufträgen. Gleichzeitig gelangte mit dem wirtschaftlichen Denken und der industriellen Produktionsweise das Effizienzdenken auf die Baustelle: Die Auftraggeber erwarteten für ihre Investitionen in einer angemessenen Zeit eine Rendite. Für die Planung und Ausführung prestigeträchtiger Gebäude wurden akademisch ausgebildete Architekten benötigt, die komplexe logistische Aufgaben bewältigen konnten und mit allen Architekturstilen, die verlangt wurden, gründlich vertraut waren. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts leistete die Schweiz kaum einen Beitrag zu all diesen Entwicklungen. Die Architekten wurden in Frankreich oder Deutschland ausgebildet und brachten die gerade aktuellen Stile zurück in die Schweiz. Die Gründung des Eidgenössischen Polytechnikums, der späteren ETH, im Jahr 1855 bildete einen Wendepunkt. Dem neu konstituierten Bundesrat gelang es, den bekannten deutschen Architekten Gottfried Semper für die Schule zu gewinnen. Zusammen mit seinem engen Freund, dem Komponisten Richard Wagner, war Semper in den Dresdner Maiaufstand des Jahres 1849 verwickelt. Der Aufstand scheiterte, und Semper und Wagner mussten Sachsen verlassen, um der Verhaftung zu entgehen. Semper floh nach Paris und später nach London, während Wagner nach Zürich ging. Ein paar Jahre später nutzte Wagner seine Verbindungen, um Semper an das neu gegründete Polytechnikum zu holen. Semper erhielt nicht nur den Auftrag, auf einer Terrasse oberhalb des Stadtzentrums die Schulgebäude zu errichteten, sondern zugleich auch die höchstbezahlte Professur der neuen Universität. Semper glaubte, dass das Studium einen wichtigen Bestandteil im Leben eines Architekten bilden sollte, und diesem Ansatz ist die ETH bis heute treu geblieben. EINE ZEIT DER BEFREIUNG Dank der ETH und der dortigen Tätigkeit Sempers bekam die Schweiz langsam eine Stimme in der europäischen Architektur. In jenen Jahren wuchsen die Schweizer Städte rapide, und Architekten erhielten viele neue Aufträge für den Bau von Bahnhöfen, Theatern, Hotels, Banken und Postgebäuden. Die Vorbilder für diese Bauten fanden sich in den europäischen Hauptstädten – vor allem in Paris, München und Wien –, aber die Schweizer Architekten begannen nach und nach, eigene Interpretationen zu entwickeln; eine typisch schweizerische Sichtweise mit einem Sinn für das Machbare und Günstige. Schrittweise entstand so eine moderne Architektur, die sich von den traditionellen Stilen befreite.

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Mit der Berufung des Schweizer Architekten Karl Moser an die ETH (1915) entwickelte sich die architektonische Ausbildung weiter. Moser hatte in Paris und Italien und im badischen Karlsruhe eine erfolgreiche Bürogemeinschaft von internationalem Ruf gegründet. Er entwarf den Badischen Bahnhof in Basel (1913) und in Zürich das Kollegienhaus der Universität (1918) sowie das Kunsthaus (1910). Moser war ein Exponent des sogenannten Reformstils, der sich um 1900 aus der Idee entwickelte, dass Funktion, Form und Entwurf eine untrennbare Einheit bilden und die Form von der Nützlichkeit bestimmt sein sollte. Der Reformstil besaß klare Verbindungen zu den modernen Strömungen in der Kunst. Die Schweizer Moderne zeichnete sich durch pragmatische Toleranz aus, wie sie dem alltäglichen Zusammenleben in einem kleinen, aber von Vielfalt bestimmten Land entsprach. Gleichzeitig gab es eine Offenheit gegenüber Trends aus anderen Ländern: Unter Mosers Leitung verabschiedete sich die ETH von Sempers «akademischer Architektur» zugunsten des Entwerfens realer Gebäude und der Förderung von Qualität und handwerklichem Können. DER EINFLUSS LE CORBUSIERS Die Auswirkung der Moderne zeigte sich in der Schweiz in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts. Karl Mosers kosmopolitischer Realismus beeinflusste Generationen von Architekten, die sich teilweise noch Jahrzehnte später auf ihn beriefen. Der vielleicht berühmteste Vertreter dieser Moderne war Charles-Édouard Jeanneret-Gris, der sich später Le Corbusier nannte. Er stammte aus der Schweizer Stadt La Chaux-de-Fonds und hatte die dortige Kunstgewerbeschule besucht, an der er als Gravierer und Ziseleur ausgebildet wurde. Er wandte sich aber bald der Architektur zu. Während des Ersten Weltkriegs verlegte er seinen Wohnsitz auf Dauer nach Paris, wo er zusammen mit seinem Vetter Pierre Jeanneret ein Architekturbüro gründete. 1918 lernte Le Corbusier den Baseler Bankier Raoul La Roche kennen, der gerade dabei war, eine bedeutende Sammlung kubistischer Gemälde aufzubauen. Zwischen den beiden Männern entwickelte sich eine Freundschaft, die im Bau der Maison La Roche (1923) kulminierte. Das Gebäude im 16. Arrondissement von Paris wurde zu einer Ikone der Moderne, zu der Architekten auch heute noch pilgern. DAS RASENDE VERLANGEN, DIE NEUE STADT ZU SCHAFFEN Le Corbusiers Ambitionen gingen jedoch über den Bau von Privatvillen für wohlhabende Freunde hinaus: In Le Corbusier: A Life schreibt Nicholas Fox Weber über Le Corbusiers Wunsch, «große Teile bestehender Städte auszuradieren», um Wohnungen zu bauen, die bessere Lebensbedingungen bieten sollten. Le Corbusiers Vision der modernen Stadt bestand aus großen, schmucklosen Apartmentgebäuden, die auf Pilotis ruhten (als einer der ersten Architekten berücksichtigte er die Auswirkungen des Autos auf die Stadt). Le Corbusier galt zwar als ein Pionier der modernen Architektur, wurde aber auch kritisiert – zum Beispiel von Jane Jacobs, die in The Death and Life of Great American Cities einwandte, seine Gebäude wirkten sich negativ auf die soziale Entwicklung aus. Mit seiner rhetorischen Begabung, seiner streitlustigen Persönlichkeit und seiner radikalen, auf jede Ornamentik verzichtenden Architektur gelangte Le Corbusier schnell an die Spitze der Avantgarde. Mit Manifesten wie Vers une architecture (1923), Urbanisme (1925) und Cinq points de l’architecture moderne (1927) lieferte er die grundlegenden Argumente für das «Neue Bauen». DIE SCHWEIZ UND DAS BAUHAUS Ein entscheidender Einfluss auf die Entwicklung der Schweizer Moderne ging vom Bauhaus aus, der 1919 in Weimar gegründeten Kunst- und Kunstgewerbeschule. In den 1920er-Jahren versammelten sich hier ehrgeizige Künstler und Gestalter aus ganz Europa. Von Anfang an zum Lehrpersonal gehörte Johannes Itten, ein Schweizer Maler und Farbtheoretiker, der mit seiner pädagogischen Begabung und seinem Charisma die Schule in den vier ersten Jahren dominierte. Itten, der ein Lehrerseminar in Bern absolviert hatte, entwickelte den Grundlehrgang des Bauhauses, der später von vielen Kunstgewerbeschulen in den deutschsprachigen Ländern übernommen wurde und noch heute seinen Platz in den Curricula hat.

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Hannes Meyer, ein Basler Architekt und Gründungsmitglied des CIAM, löste 1928 Walter Gropius als Direktor des Bauhauses ab. Meyer richtete eine Abteilung für Architektur ein und positionierte das Bauhaus, in dem politische Ideologien schon vorher eine Rolle gespielt hatten, noch eindeutiger auf der linken Seite. In der konservativen Atmosphäre Dessaus führte dies zu beträchtlichen Schwierigkeiten. Als die Lage angesichts des Aufstiegs der Nationalsozialisten unhaltbar wurde, musste Meyer 1930 die Leitung abgeben. Er ging nach Moskau, überwarf sich aber dort bald mit dem stalinistischen Regime und kehrte 1936 in die Schweiz zurück. Meyer hatte wenig Möglichkeit zu entwerfen und zu bauen, leistete aber einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Architektur. ARCHITEKTUR UND KRIEG Anders als der Kunstmarkt, verarmte die Schweizer Architektur infolge des Zweiten Weltkriegs. Der Ideenaustausch mit dem Ausland kam zum Stillstand, und Tendenzen eines regionalen Traditionalismus sowie zu künstlerischen Kompromissen wurden stärker. Nur Le Corbusier in Paris blieb den Idealen der Avantgarde treu und erreichte unmittelbar nach Kriegsende mit dem Grundkonzept für die New Yorker Zentrale der neu gegründeten Vereinten Nationen einen internationalen Durchbruch. Le Corbusiers Formensprache entfernte sich am Ende von den weißen, kantigen Kurven und wandte sich einer emotionaleren, stärker skulpturalen Interpretation des Betons zu. Mit der Kapelle Notre-Dame-du-Haut im ostfranzösischen Ronchamp verwirklichte er in den Augen vieler sein Hauptwerk: eine religiöse und architektonische Pilgerstätte. DIE GENERATION NACH LE CORBUSIER In den frühen 1970er-Jahren kehrte der Kanton Tessin an die Spitze der internationalen Architektur zurück, vor allem dank Mario Botta und einer Gruppe Tessiner Architekten, die später unter dem Namen Tendenza bekannt wurden. Botta hatte in Venedig studiert und dann im Jahr 1965 kurze Zeit für Le Corbusier gearbeitet. Fünf Jahre später eröffnete er sein eigenes Büro in Mendrisio im Kanton Tessin, das mit den Einfamilienhäusern, die es in den frühen 1970 er-Jahren entwarf, internationale Aufmerksamkeit erregte. Das 1995 fertiggestellte Museum of Modern Art in San Francisco und die im selben Jahr geweihte Kathedrale in der französischen Stadt Évry sind nach Ansicht vieler Kritiker die Höhepunkte seiner Laufbahn. Botta ist nicht der einzige Schweizer Architekt, der eine internationale Wirkung entfaltete, aber in der Schweiz verankert blieb. Jacques Herzog und Pierre de Meuron, beide Jahrgang 1950, eröffneten 1978 nach ihrem Abschluss an der ETH ihr Architekturbüro in Basel. Von Anfang an suchten Herzog & de Meuron die Nähe zur bildenden Kunst, indem sie mit Rémy Zaugg, einem Künstler aus dem Jura, zusammenarbeiteten. Aus der Dynamik der künstlerischen Zusammenarbeit schöpften sie zahlreiche neue Ideen – sowohl für ihre konzeptionelle Arbeit als auch für ihre realisierten Gebäude. INTELLEKT UND GEFÜHL Herzog & de Meuron sind als Intellektuelle bekannt, doch erwecken ihre Gebäude immer auch starke Emotionen. Das ganz mit Kupferstreifen verkleidete Basler Stellwerk der SBB machte die Architekten einem größeren Publikum bekannt. Ihren internationalen Durchbruch erreichten sie im Jahr 2000 mit dem Umbau des am Südufer der Themse in London gelegenen großen Kraftwerks Bankside zu einer Kunstgalerie für die Tate Modern. Seither lösen sich die Großprojekte in schneller Folge ab; bislang am bekanntesten ist das Nationalstadion, das für die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking errichtet wurde. 2001 erhielten Herzog & de Meuron den Pritzker-Preis der Hyatt Foundation, der als «Nobelpreis für Architektur» gilt, und 2007 den Praemium Imperiale der Japan Art Association.

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Einen anderen Weg zum internationalen Erfolg schlug der als Möbelschreiner ausgebildete Peter Zumthor ein, der aus Oberwil im Kanton Basel-Landschaft stammt. Nach seiner Ausbildung studierte er am Pratt Institute in New York und kehrte dann in die Schweiz zurück, wo er sich in Haldenstein niederließ und dort sein Architekturbüro eröffnete, das durch Mundpropaganda schnell bekannt wurde. Zumthor nimmt sich für seine Projekte viel Zeit und lässt sie in seinem Kopf und auf Papier reifen, weswegen er schon zahlreiche lukrative Aufträge abgelehnt hat. Beispielhaft für diese «langsame Architektur», wie er selbst sie nennt, ist die Therme im Graubündner Bergdorf Vals (S. 128). Die 1996 errichtete Therme wurde so stark besucht, dass die Verwaltung schließlich eine Kontingentierung einführen musste. Zumthors größtes bislang fertiggestelltes Projekt ist das Kolumba-Museum der Erzdiözese Köln (2007). In den beiden folgenden Jahren erhielt er trotz des bescheidenen Umfangs seines Œuvres zuerst den Praemium Imperiale und den Pritzker-Preis. Herzog & de Meuron und Zumthor zählen heute zu den berühmtesten Architekten der Welt. Ihr Erfolg beruht aber auf vollständig verschiedenen Denk- und Arbeitsweisen. KEIN LUXUS MEHR Dieser Essay zeigt, dass der Einfluss der Schweizer Architektur größer ist, als die Anzahl der Gebäude vermuten ließe. Schweizer Architekten bauen in aller Welt; zumindest ist die Schweiz ein wichtiges Zentrum des Kunsthandels – auf gleicher Höhe mit New York, London und Paris. Der Markt für Kunst und Architektur ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Bis in die 1950er-Jahre waren Kulturerzeugnisse Luxusartikel für die Eliten. Heute reicht die Nachfrage wesentlich weiter. DIE ENTSCHEIDENDE KREATIVE DICHTE Eine ungefähre Vorstellung von der wirtschaftlichen Bedeutung des Kultursektors im weiteren Sinne (darunter sind Werbung, Film, Literatur, Musik, die Presse, Grafik, Architektur und bildende Kunst zu verstehen) vermittelt der Geograf Philipp Klaus in seiner Untersuchung City, Culture and Innovation. Er schätzt, dass in Zürich im Jahr 2001 nicht weniger als 8,4 Prozent der Erwerbstätigen in diesem Bereich tätig waren. Das ist sowohl im landesweiten als auch im internationalen Maßstab eine hohe Zahl. Sie legt nahe, dass es in Zürich – wie auch in einigen wenigen anderen Zentren wie Basel und Genf – eine entscheidende Dichte an kreativen Netzwerken gibt, die sich im Bereich der kulturellen Produktion und des Handels mit Kulturgütern zu globaler Bedeutung aufaddieren. Entwurfsarbeit und Kunsthandel haben ein entscheidendes Merkmal gemeinsam: Sie besitzen eine selbsttragende Dynamik – Qualität zieht Qualität an, und Ideen erzeugen Ideen. Dieser positive Kreislauf funktioniert in der Schweiz bestens, und man kann sich kaum einen Grund vorstellen, warum sich dies nicht in gleicher Weise fortsetzen sollte. Literatur Christoph Allenspach, Architektur in der Schweiz – Bauen im 19. und 20. Jahrhundert, Zürich 1998 Kenneth Frampton, Modern Architecture: A Critical Building History, Stuttgart 1983 Peter Zumthor, Thinking Architecture, Basel 1998 Der Text wurde leicht bearbeitet aus R. James Breidings Buch SWISS MADE – The Untold Story of Switzerland’s Success. London: Profile Books, 2013 übernommen.

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HERZOG & DE MEURON

Die größte Inspiration ist die existierende Welt in all ihrer Hässlichkeit und Normalität. Jacques Herzog

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HERZOG & DE MEURON

Im Zentrum der Anlage liegt der große, eiförmige

NATURBAD

Badeteich, wo sich Schwimmer und Nichtschwim-

RIEHEN

mer im klaren grünen Wasser abkühlen können.

2010 – 2014

Niedrige, gekurvte Stufen führen immer tiefer hinein und legen sich wellenförmig um den Rand des

Zuweilen brauchen Projekte Jahrzehnte bis zu ihrer

Wasserbeckens. Breite Holzstege führen über die

Realisierung. Das Bedürfnis, das alte Freibad in

Wasserfläche, verbinden den Pool mit dem Land und

Riehen zu ersetzen, reicht bis 1979 zurück, als die

ermöglichen Schwimmern, direkt in den tiefen

Gemeinde einen Architekturwettbewerb auslobte, den

Bereich des Beckens einzutauchen. Das elegante,

das Basler Büro Herzog & de Meuron gewann. In den

sensibel konzipierte Projekt ist schnell zu einem

folgenden Jahrzehnten wurde das Konzept der Becken

Anziehungspunkt für Badelustige vor Ort geworden.

radikal verändert und das konventionelle Freibad

Hoffentlich wird das Projekt dazu inspirieren,

mit mechanisierter und chemischer Wasseraufberei-

künftig bei öffentlichen Schwimmbädern grüne,

tung zugunsten eines biologischen Filterungssys-

chemiefreie Lösungen für gesunden, umweltverträg-

tems aufgegeben. So verwandelte sich das gechlorte

lichen und chlorfreien Badespaß zu erwägen.

Schwimmbecken in eine ovale Süßwasserfläche, die von stufenförmigen Wasserfällen gesäumt ist, mittels derer das Wasser wie in der Natur durch Schichten von Kies, Sand und Erde sowie durch Pflanzen gereinigt wird. Die Schweizer hängen sehr an ihren öffentlichen Freibädern, und es gibt überall im Land unzählige idyllische Badestellen an See- und Flussufern. Bei ihrem Naturbad in Riehen gingen Herzog & de Meuron von den traditionellen, aus Holz gebauten «Badis» aus, die das Rheinufer säumen. Versteckt in einer Lichtung unterhalb sanft geschwungener Weinterrassen sind die neuen Schwimmbecken von einer durchgehenden Abschirmung aus Lärchenholz eingefriedet, die das keilförmige Gelände nach drei Seiten abgrenzt. An einigen Stellen wölbt sich diese Wand leicht nach außen, um Raum für die Umkleidekabinen zu schaffen, während glatte graue Flächen aus Beton die Duschen aufnehmen und die Umkleiden vor Einblicken schützen. Im Nordosten, wo der Eingangsbereich mit Umkleidekabinen, Toiletten und einer Cafeteria untergebracht ist, beschreibt dieser hölzerne Paravant eine Kurve. Die schlanken Holzsparren, die das Dach tragen, schaffen ein ausgeglichenes, rhythmisches Muster und markieren andeutungsweise die Umrandung, die von einem hohen Gürtel aus grünen Bäumen eingerahmt ist. Die Holzabschirmung schafft in der Tat einen geschützten Bereich in Form eines 200 Meter langen Solariums für Sonnenanbeter. Die tiefe, überdachte Veranda fungiert als Zwischenzone vor der Cafeteria, von der aus Eltern ihre Kinder im flachen Planschbecken im Auge behalten können.

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B

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LAGEPLAN

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SCHNITT A

DETAIL SCHNITT B

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HERZOG & DE MEURON

Vom Anfang des Entwurfsprozesses an waren für

RICOLA KRÄUTERZENTRUM

Herzog & de Meuron Nachhaltigkeit und Energie-

LAUFEN

einsparung wesentliche Bestandteile des Konzepts.

2014

Die 45 Zentimeter dicken Stampflehmwände regulieren Feuchtigkeit und Temperatur der Innenräume

Das Ricola Kräuterzentrum von Herzog & de Meuron

und sorgen so für ein beständiges Raumklima.

greift die langgestreckten Hecken und die flach

Mit dem zusätzlichen Einsatz von Fotovoltaikzellen

lagernden Formen des Juramassivs in der Ferne auf.

auf dem Dach und der Nutzung der Abwärme aus

Die langgezogene Seite spiegelt die lineare Abfolge

dem nahegelegenen Produktionszentrum ließ sich der

von Trocknen, Schneiden, Mischen und Lagern

Energieverbrauch um eindrucksvolle 90 Prozent

der Kräuter wider, die zur Herstellung von Ricolas

vermindern. Darüber hinaus wurden 99 Prozent der

Kräuterbonbons verwendet werden. Die Architekten

Materialien für die Erdwände aus einem Umkreis

Jacques Herzog und Pierre de Meuron sind für

von höchstens zehn Kilometern um die Baustelle be-

den experimentellen, radikalen Einsatz von Materi-

zogen, und die Stampflehmblöcke wurden in einer

alien bekannt. Ihr erkundender, oftmals spielerischer

Entfernung von gerade einmal drei Kilometern zum

architektonischer Ansatz verrät ihre Neugierde

Standort hergestellt. Ein Skelettraster aus Beton-

auf die Welt. Das sowohl geografisch als auch typolo-

säulen trägt das Dach und nimmt die Windlast auf, die

gisch gesehen weite Spektrum ihres Œuvres

auf die ausgedehnten Mauerflächen trifft.

bezeugt diese aufgeschlossene Haltung. Materialien

Als Kontrapunkt zur Geradlinigkeit des Baukörpers

und Details verwenden sie auf andere, innovative

schmückt jeweils ein einziges, kreisrundes, wie

Art. Beide Architekten empfinden eine starke Faszi-

eine große Brosche auf die Wandfläche aufgesetztes

nation für die Arbeiten bildender Künstler und

Fenster jede der Fassaden. Diese großen, runden

beziehen Inspirationen für ihre Entwürfe oft aus der

Öffnungen sorgen zusammen mit dem Band der Ober-

Zusammenarbeit mit ihnen. Bei einem früheren

lichter für die natürliche Belichtung der vier Haupt-

Auftrag für Ricola nutzten die Architekten eine Repro-

produktionsbereiche. Vom Aussichtspunkt des

duktion einer Fotografie von Karl Blossfeldt aus

Besucherzentrums im Obergeschoss blickt man in

den 1920er-Jahren, die – auf lichtdurchlässigen

die hohen Räume unterhalb. Der würzige Duft von

Polykarbonat-Paneelen vervielfältigt – die Fassaden

Minze, Holunder, Salbei und Thymian durchzieht die

schmückt. Hier, bei ihrem siebten und jüngsten

großen Hallen.

Auftrag für Ricola, entschieden sich die Architekten

Herzog & de Meurons architektonisches Reper-

für die jahrtausendealte Technik des Stampflehm-

toire umfasst spektakuläre Gebäude wie die Londoner

baus. Mit Lehm, Mergel und Grobzuschlagstoffen

Tate Modern oder das Nationalstadion in Peking;

aus lokalen Steinbrüchen wurden 670 massive Blöcke

ihr jüngstes Projekt für Ricola ist aber wie das Natur-

mit einem Gewicht von 4,6 Tonnen erstellt und

bad in Riehen ein Beispiel für eine zurückhaltende,

zusammengesetzt, um die bis zu 111 Meter langen,

wenig pompöse Architektur. Dieser Bau – das größte

30 Meter breiten und elf Meter hohen monolithischen

Stampflehmgebäude in Europa – ist wegen der

Mauern zu errichten. Schicht um Schicht bildet

Sparsamkeit der eingesetzten Mittel, seiner Umwelt-

die gestampfte Erde organisch strukturierte Oberflä-

freundlichkeit und der subtilen Neuinterpretation

chen, die von der archaischen Kraft der elementaren

uralter Bauverfahren beispielhaft. Die Schlichtheit

Erde künden. Die Fugen zwischen den riesigen

der Form und die Taktilität der Stampflehmober-

Erdblöcken wurden sorgfältig von Hand mit Erdmörtel

flächen ergeben ein reichhaltiges, sinnliches Stück

verfüllt; die leicht welligen Lehmbänder bewahren

Architektur des 21. Jahrhunderts, das beweist, dass

die Erinnerung an ihre Herstellung – wie eine von Hand

auch ein Industriebau schön sein kann.

geformte Töpferschale. Die monumentalen Wände werden so zu einem Zeugnis handwerklichen Könnens und der Sensibilität der Männer und Frauen, die sie liebevoll von Hand hervorgebracht haben. Der satte Ockerton und die klaren Linien der Fassaden erzeugen ein subtiles, «sanftes» Stück geometrischer Architektur, das sich diskret in die ländlich-industrielle Landschaft einfügt und damit auch dem Zweck des Gebäudes, der Verarbeitung frischer Alpenkräuter, bestens entspricht.

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LAGEPLAN

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ERDGESCHOSS

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B D

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SCHNITT A

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SCHNITT D

DIENER & DIENER

Die Architektur gewinnt ihre poetische Dimension nicht aus einer autonomen Ästhetik, die frei entwickelt ist, sondern aus einer Inszenierung des Orts selbst sowie aus dem Vertrauen in die Schönheit und in die Tiefe des Wirklichen. Roger Diener

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DIENER & DIENER

Die Innenräume von Forum 3 sind verglichen mit

FORUM 3

der künstlerisch gestalteten Außenhülle nicht minder

BASEL

eindrucksvoll: Das vier Meter hohe Eingangsfoyer

2005

besitzt großformatige abstrakte Gemälde und einen mit schwarzem griechischen Marmor ausgekleideten

Seit undenklichen Zeiten wird Architektur benutzt,

Boden und elegantes Holzmobiliar. Die bunten

um Reichtum, Erfolg und Macht zu versinnbildlichen.

Gläser der Fassade beleben die Oberflächen im Innen-

Mit dem ehrgeizigen Konzept, einen hochmoder-

raum mit ihren farbigen Schattenwürfen. Ursprüng-

nen Ort für Forschung- und Entwicklung zu schaffen,

lich ragten in einem Atrium Bäume zwölf Meter

wurden über die letzten Jahrzehnten langsam, aber

in die Höhe, eine Idee des renommierten Landschafts-

sicher Gebäude um Gebäude des «Campus of Know-

architekturbüros von Günther Vogt. Sie bezeichnen

ledge and Innovation» in Basel verwirklicht. Welt-

ihren «Raum für Pflanzen» als ein «komprimiertes

berühmte Architekten wie David Chipperfield, Tadao

Landschaftserlebnis», durch das die Größe, Komplexi-

Ando¯, Sanaa, Álvaro Siza und Rem Koolhaas sind

tät und Ungezähmtheit der Natur in das Gebäude

im Wechsel damit beschäftigt, Vittorio Lampugnanis

eindringe.

Masterplan wie ein riesiges, dreidimensionales

Roger Diener hat ein meisterhaftes Gebäude

Puzzle zusammenzusetzen. Inspiriert von der Anlage

geschaffen, das die Sinne anspricht und eine lang an-

der antiken griechischen Städte, definiert ein

haltende Faszinationskraft besitzt. Zwar handelt

dichtes Gefüge aus fünfgeschossigen Gebäuden Fuß-

es sich schlicht um ein Bürogebäude, aber die Vereini-

gängerstraßen, die sich zu baumbestandenen Piazzas

gung von Architektur und bildender Kunst gibt dem

öffnen. Eines der ersten Architekturbüros, das

Entwurf einen fast sakralen Charakter.

mit dem Entwurf eines Gebäudes beauftragt wurde, war das Basler Büro Diener & Diener. Ihr Forum 3 präsentiert sich als schimmerndes Bauwerk aus farbigem Glas, das sich je nach Licht- und Witterungsbedingungen anders darstellt. Bei bewölktem Himmel erscheint der Bau opak, bei Sonne schimmert und funkelt er. Es überrascht nicht, dass man ihn wegen der sich überlagernden, lichtdurchlässigen Schichten aus subtilen Farbtönen mit einem Aquarell von Paul Klee verglichen hat. Die Fassaden sind aus 1200 an vertikalen Stahlstäben befestigten Glastafeln in 21 Farbschattierungen zusammengesetzt, die eine 4 300 Quadratmeter große Fläche bedecken und wie eine gigantische Kunstinstallation wirken. Viele Schweizer Architekten besitzen ganz offensichtlich eine tiefe Bewunderung für die bildende Kunst und arbeiten gern mit Künstlern zusammen, um deren einzigartige künstlerische Note in den Bauprozess einzubringen. Herzog & de Meuron haben eine besondere Vorliebe für solche Kollaborationen und arbeiteten beispielsweise beim Nationalstadion in Peking eng mit Ai Weiwei zusammen. Roger Diener lud für dieses Gebäude den Schweizer Künstler Helmut Federle und den österreichischen Architekten Gerold Wiederin ein, die hochgradig komplexe Glasfassade zu entwerfen. Bei ihrem Entwurf handelt es sich um einen ephemeren Schleier aus Glas, der die architektonische Form entmaterialisiert. Die elegante Auskragung zur Piazza, die sich über die gesamten 85 Meter des Gebäudes erstreckt, verstärkt noch zusätzlich den Eindruck, dass das Gebäude schwerelos über dem Platz schwebt.

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Hier konnte man den Entwurf bis in die Konstruktion hinein entwickeln – wenn es eine Identität der Schweizer Architektur gibt, dann ist es dort zu finden. Roger Diener

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LAGEPLAN

1:4 000

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1. OBERGESCHOSS ERDGESCHOSS

1:400

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SCHNITT

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NICKISCH WALDER

Für uns bedeutet Entwerfen, eine Vision in etwas Einheitliches umzusetzen, das auf alle Elemente der Architektur reagiert, eine reine Architektur, die für die jeweiligen spezifischen Bedingungen geschaffen wird. Nickisch Walder

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NICKISCH WALDER

Die feingliedrigen Konstruktionen wirkten winzig

BASE CAMP MATTERHORN

angesichts der sie überragenden massiven Fels-

2014

wand. Dadurch ergab sich ein geeigneter Kontrast zwischen dem ephemeren Charakter des Base

Bis ins späte 19. Jahrhundert galten die Alpen

Camps, das nur eine Saison bestehen sollte, und dem

als Hindernis für den Transport und waren gefürchtet

gewaltigen Berg, der Jahrtausende überdauert.

bei allen, die sie überqueren mussten. Am 15. Juli

Auch wenn das Projekt nur eine temporäre Lösung

2015 jährte sich die Erstbesteigung des Matterhorns

zur Unterbringung von Bergsteigern war, wurde

durch den britischen Bergsteiger Edward Whymper

bei dem Entwurf große Sorgfalt darauf verwandt, dem

zum 150. Mal. Dieses Ereignis gilt heute als Geburts-

majestätischen Charakter des Ortes gerecht zu

stunde des Alpintourismus, der für die Schweizer

werden. Die Architekten gingen respektvoll vor und

Wirtschaft nach wie vor lebenswichtig ist. Um den

stellten sicher, dass nach der Demontage des Camps

Jahrestag angemessen zu begehen, wurde die Hörnli-

keine Spuren zurückblieben.

hütte renoviert – eine Raststation auf dem Weg zum Matterhorngipfel. Um während der Renovierung trotzdem Bergsteiger bewirten zu können, wurde mit Förderung von Swatch ein zeitweiliges «Pop-upHotel» an den Hängen des Matterhorns errichtet. Es ist unmöglich, den Weg vom Tal zum Gipfel an einem Tag zu bewältigen; die Bergsteiger müssen auf halber Strecke übernachten, um sich zu akklimatisieren, und beginnen von diesem Quartier aus dann bei Tagesanbruch den Aufstieg zum Gipfel. Auf der alpinen Hochebene unter dem malerischen Gipfel des Matterhorns und oberhalb des Skiorts Zermatt wurden verstreut 25 zeltartige Konstruktionen errichtet. Die dreieckigen Hütten der Architektin Selina Walder sind von der Pyramidenform des Matterhorns inspiriert, das den Standort überragt. Um den vergänglichen Charakter des Projekts widerzuspiegeln, saßen die spitzgiebeligen Konstruktionen nur leicht verankert auf dem Hang – wie gefaltete Origamiobjekte. Die aus Aluminium und Holz gefertigten Hütten für je zwei Personen standen leicht erhöht auf schlanken, verstellbaren Stützen, die sicherstellten, dass der Holzfußboden der Hütte horizontal und leicht vom kalten Felsuntergrund abgehoben war, um den übernachtenden Bergsteigern mehr Komfort zu bieten. Die Konstruktion ist klar und exakt. Die dreieckigen Türen öffnen sich wie Zeltklappen; die Türgriffe und Schlüssellöcher sind schräg angebracht. Speisebereiche und Küchen waren in größeren Hütten untergebracht, in denen die Bergwanderer zu Abend essen und frühstücken konnten. Da Wasser auf dem Gelände eine knappe Ressource ist, gab es keine Duschgelegenheiten, wohl aber eine Toilette.

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A

A

B

B

SCHNITT A SCHNITT

SCHNITT B

GRUNDRISS RUHEZELT

GRUNDRISS WASCH-/ LAGERZELT

1:100

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Mit ihrem ganz klar modernen Umbau vermeiden

NICKISCH WALDER REFUGI LIEPTGAS

die Architekten eine Anknüpfung an nostalgische

FLIMS

Chalet-Architektur. Das Gebäude besitzt die

2013

Direktheit und die pragmatische Natur einer traditionellen Berghütte, ist aber gleichzeitig unmissver-

Die dramatische Kulisse für dieses Ferienhaus

ständlich zeitgenössisch. Dass dieses kleine, aber

in Graubünden bildet die Felswand des Flimsersteins

kraftvolle Bauwerk auf Ausschweifung und Anmaßung

– die Abbruchkante des größten bekannten alpinen

verzichtet, verdient wahrlich Bewunderung.

Bergsturzes, der sich vor 10 000 Jahren ereignete. Im Flimser Tal liegen immer noch haushohe Felsbrocken als Zeugnisse der Absplitterung des Bergs vor so langer Zeit. Die kleine Forsthütte von Selina Walder und Georg Nickisch fasziniert vor allem durch ihre Konzeption. Beeindruckend ist, wie die Architekten das Holz der ursprünglichen Hütte als Schalung für das neue Gebäude nutzten. Die Innenseite der alten Holzwand wurde zur Außenseite der neuen Betonwand, wodurch der Beton seine schellmuschelartigen Kanten erhielt und sich eingeprägte Abdrücke gedächtnishaft an der Oberfläche festschrieben. Das Chalet steht in einer kühlen, schattigen Schlucht inmitten eines ansonsten sonnigen Hochplateaus. Das Mikroklima ist zu feucht für ein Holzgebäude, aber ideal zur Lagerung von Käse. Von einer größeren Felsplatte vor der Eingangstür geht man einen Schritt hinauf zur Türschwelle und hinter der Tür wiederum eine Stufe hinunter ins ruhige Innere der Hütte. Es gibt nur zwei Räume; einen im Erdgeschoss und einen zweiten, höhlenartigen, der in den Berg eingeschnitten ist und sich dort befindet, wo einst der Käse gelagert wurde. Ein kreisrunder Oculus im Dach gewährt einen Ausblick auf die das Gebäude überragenden Baumkronen und lässt Licht in den offenen Küchen-, Ess- und Wohnbereich im Erdgeschoss gelangen. Ein tiefes, großzügiges Fenster schneidet durch die Fassade. Es sitzt weit unten in der Wand und bringt die umliegende Landschaft optisch in das behagliche Innere hinein. Der tiefe Fenstersims aus Beton bildet eine Bank, die sich über das Fenster hinaus und die Wand entlang bis zum Kamin, dem zentralen Bezugspunkt des Raumes, erstreckt. Eine schmale, leicht gekurvte Treppe führt vom Licht fort und hinunter in den unterirdischen, höhlenartigen Schlafraum. In diesem Schlafzimmer befindet sich eine tiefe, aus Beton gegossene Badewanne. Die in weiches, indirektes Licht getauchte Wanne wirkt gegen massive, schräge Felsen verkeilt, wodurch man den Eindruck gewinnt, man bade in einer abgeschiedenen Berggrotte. Die Materialien – Fels, Beton, Glas, Wasser – bilden einen starken Kontrast aus.

Im Augenblick des Gießens verschmelzen Alt und Neu zu einer untrennbaren Einheit. Selina Walder

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SCHNITT ERDGESCHOSS UNTERGESCHOSS

1:200

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SCHWEIZER ARCHITEKTUR

Ein Blick von außen Niall McLaughlin

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Von Zeit zu Zeit durchbricht eine von einem kleineren Vorposten ausgehende Welle den glatten, globalisierten Markt der architektonischen Bilder. Wir werden einer entstehenden architektonischen Identität gewahr, die ihr Wesen den spezifischen Eigenschaften jener Region oder Kultur verdankt. Sie besteht selten auf längere Zeit, weil die Identität, die aus dem jeweiligen physischen, ökonomischen oder sozialen terroir erwächst, schnell in Motiven und identifizierbaren Formen festgeschrieben und damit wieder vom Mainstream absorbiert wird. So sind heute die kunstvollen geometrischen Nuancen und Formen, die in der Douro-Region entstanden, in den Vorstädten von Dublin, London und Melbourne allgegenwärtig. Der Schweizer Architektur ist es gelungen, sich im Gegensatz zu den meisten dieser Manifestationen eine länger anhaltende und breiter gefächerte Identität zu bewahren. Ich schreibe hier als ein fast vollständig Außenstehender über sie. Anders gesagt, weiß ich sehr wenig über die Bedingungen vor Ort, die diese Ausnahmestellung hervorgebracht haben. Ich betrachte die Schweizer Architektur also als jemand, der regelmäßig Publikationen liest und gelegentlich Gebäude besichtigt, aber nichts über die Persönlichkeiten, Bewegungen, Dynastien oder Schulen innerhalb der lokalen Tradition weiß. Als ich in meinem Londoner Büro meine Kollegen zur Schweizer Architektur befragte, gab es einen bemerkenswerten Konsens. Alle meinten, sie verkörpere beharrliche, nüchterne, nahezu zeitlose Tugenden. Der allgemeine Eindruck ist, dass die Bauten einer kontinuierlichen Tradition und einer vergleichsweise privilegierten Lage entstammen. Es handele sich vorwiegend um kleine bis mittelgroße, sorgfältig detaillierte Gebäude aus gut gearbeiteten, traditionellen Materialien, die in der Regel in Bilderbuchlandschaften stehen. Die besten von ihnen seien elegant, ehrlich und erdverbunden. Die Schweizer Architektur könne aber auch als steif, konservativ und manchmal scheinheilig angesehen werden. Jemand meinte, sie sei «voller Freude», wurde aber schnell mit «ja, aber einer Freude wie an der Klosterschule» korrigiert. Die vorherrschende Meinung ist, dass sich die Schweizer Architektur am vernünftigen Ende der Architekturproduktion ansiedelt und einen vorwiegend stoischen und sachlichen Charakter hat. Betrachtet man Zeichnungen oder Fotos von Schweizer Architektur und hört Schweizer Architekten über ihre Arbeit sprechen, wird immer die Offensichtlichkeit betont. «Hier ist es», heißt es, «ich brauche Ihnen eigentlich nicht zu erklären, warum es so und nicht anders ist, denn das dürfte Ihnen bereits klar sein.» Diese Insistenz auf der selbsterklärenden Offensichtlichkeit einer Arbeit verdient genauere Untersuchung. Ist es wirklich so unkompliziert? Wird die Selbstverständlichkeit nicht gerade ein bisschen zu sehr betont – manchmal bis hin zu einer leisen Hysterie? Zu behaupten, dass ein Werk konzeptuell transparent, wahrhaftig und ursprünglich sei, erfüllt offenbar ein wichtiges Bedürfnis. Es scheint notwendig zu sein, um einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Vertrag zwischen den Architekten und der Gemeinschaft zu bewahren in einer Gesellschaft, die ihren Bezug zur Moderne mit Sorge betrachtet. Es scheint daher erforderlich, eine Anbindung an eine urtümliche regionale Tradition des Bauens herzustellen und offene Bezüge zum modernistischen Kanon geflissentlich beiseitezuschieben.

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Nahezu ein Drittel der Projekte in diesem Buch beruht auf dem Verfahren, ein urtümliches oder angeblich originales Bauwerk einer beunruhigenden Verwandlung zu unterziehen. Eine alte Steinhütte wird innen mit Beton ausgekleidet, ein Landhaus blendend weiß verputzt, eine Blockhütte aus Holz skeuomorph mit vorgetäuschten Latten aus Beton neu konzipiert, eine Hütte wird auf ein Betonpodium über eine höhlenartige Garage gestellt, eine Berghütte erhält bündige, aufklaffende Fenster ohne jede sichtbare Rahmung. Die Kunstfertigkeit und Sorgfalt, mit der diese Projekte konstruiert und detailliert wurden, lenkt von der zugrundeliegenden verfremdenden Entwurfsstrategie ab. Die Idee des Urtümlichen und Ursprünglichen wird gleichzeitig in Szene gesetzt und von Grund auf negiert. Diese Gebäude scheinen ein Paradoxon zu verkörpern: das Erfordernis, auf schlichte Weise in dieser Welt zu wohnen und zugleich die Unmöglichkeit eines solchen Daseins. Bei anderen Projekten wird der Typus des Urtümlichen nicht offen hofiert, aber die problematische Idee des Ursprünglichen durch Materialverfremdung ausgespielt. Das Basler Museum der Kulturen von Herzog & de Meuron weigert sich, zu einem stabilen Objekt zu werden, und verkörpert ein endloses konzeptuelles Schwanken zwischen zwei Versionen seiner selbst. Das berühmt gewordene Basler Stellwerk insistiert auf seiner absoluten materialen Identität, präsentiert sich aber auch als Fata Morgana oder flüchtige Illusion. Das vielleicht tiefgründigste dieser Projekte ist das, hier nicht gezeigte, erste Ricola-Gebäude in Laufen, bei dem der verborgene Innenraum von einer blinden Fassade umgeben ist, die ausschließlich ihre eigene materiale Identität inszeniert. Es ist stumm und opak. Es gibt keinerlei Naturalismus in diesen Projekten. Jeder sichtliche Bezug auf materiale oder tektonische Stabilität wird sogleich von einer gegenläufigen Verfremdung unterminiert. Bei mir weckt diese Projektsammlung eine Reihe von Assoziationen. Die erste ist Sempers berühmte Fußnote in Der Stil, die sich auf Hamlets Frage «Was war ihm Hekuba?» bezieht. Das deutet für mich auf die Unmöglichkeit der konzeptuellen Transparenz und den Sieg der Repräsentation über Konzepte von wortwörtlicher Wahrheit hin – «die grossen wahren Meister der Kunst [maskirten] auch von der Maske das Stoffliche». Die nächste Assoziation gilt Aldo Rossis Zeichnungen und Schriften und die Melancholie, die aus dem Stillstand im Zentrum seines Werks erwächst. Die letzte steht in der Tradition von Robert Smithson und insbesondere dem Einrahmen und Entwurzeln von Materialien, die – wie präparierte Schmetterlinge hinter Glas – zugleich vorgezeigt und verfremdet werden. All diese Assoziationen haben eine tragische Note, die auf der Notwendigkeit und gleichzeitigen Unmöglichkeit einer in den Ursprüngen verwurzelten Lebensform beruht. Dem verdankt meiner Meinung nach die Schweizer Architektur ihre Ernsthaftigkeit – und vielleicht auch ihre Beständigkeit. Vor Kurzem besuchte ich in London einen Vortrag von Peter Zumthor. Ich hatte gerade einen Tag im Worcester College in Oxford mit der Lektüre von Nicholas Hawksmoors Beschreibung seines dortigen Bibliotheksgebäudes verbracht. Ganz offensichtlich begründete Hawksmoor seine Autorität für sein Gebäude im peinlichen Aufzählen von Vorbildern, auf die er sich dabei stützte. Zumthor hingegen erwähnte bei der Beschreibung seiner Arbeit keinen einzigen anderen Architekten und wollte nach dem Vortrag auch keine Fragen zu seinen Vorbildern beantworten. Die Präsentation seiner eigenen Autorität schien aus seinem Schweigen zu kommen – vielleicht aus dem Insistieren darauf, dass der Ursprung seiner Ideen aus der eigenen Erfahrung stammt. Die Betonung des urtümlichen, ursprünglichen Erlebens scheint im Zentrum der Identität der heutigen Schweizer Architektur zu stehen. So können sich die Bauten als Widerstand gegen den globalen Markt der architektonischen Bilder, gegen die unaufhörliche Einebnung durch einen bildlichen Austausch ohne gelebte Erfahrung präsentieren. Der Rückgriff auf die Ursprünge ist aber eine schwierige Strategie mit ganz eigenen Problemen. Die Basis des Ursprungs – in den Materialien, in der Erfahrung, in der Typologie – ist weniger stabil, als wir glauben. Diese Unsicherheit verfolgt die schweizerische Architekturpraxis. Sie ist äußerst erfinderisch, lässt das Werk aber wohl oder übel isoliert zurück.

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GION A. CAMINADA

Eine der großen Herausforderungen besteht für mich darin, Häuser zu bauen, die eine bleibende – oder im Idealfall fast eine «absolute» – Gültigkeit haben. Gion A. Caminada

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Robuste Holzpfeiler gliedern das Innere der

GION A. CAMINADA WALDHÜTTE

Hütte und schaffen eine rhythmische Raumfolge. Der

DOMAT/EMS

Duft der sägerauen Steinkiefer gibt dem Raumein-

2014

druck eine zusätzliche sinnliche Qualität und verbindet das Gebäude unterschwellig mit dem Kontext.

Versteckt auf einer Waldlichtung im Osten der Schweiz

So hat man auch drinnen das Gefühl, sich mitten im

steht diese tegia da vaut (rätoroman. für Waldhütte).

Wald zu befinden. Die Forsthütte ist zweifellos

Das Gebäude war ein Geschenk an die Gemeinde

zu einem integralen Bestandteil der abgeschiedenen

Domat/Ems. In ihm befindet sich ein Klassenzimmer

Waldlandschaft geworden, in der sie steht.

für Schulkinder oder Erwachsene, die sich zum Thema Forstwirtschaft fortbilden wollen, es können allerdings auch Privatpersonen den Raum für spezielle Zwecke mieten. Der bekannte Bündner Architekt Gion A. Caminada, der die Hütte entwarf, setzt auf Bauprojekte in der Nähe seiner Gemeinde, die sich auf in der Gegend verfügbare Materialien und Fertigkeiten stützen. Caminada befürwortet traditionelle Techniken und örtliche Handwerkskunst; aus der Sorgfalt und Mühe, mit der seine Gebäude realisiert werden, resultiert eine Architektur von hoher Qualität. Caminadas Gebäude gehen aus der örtlichen vernakulären Architektur hervor und gründen in der besonderen Topografie sowie der Berücksichtigung des spezifischen Kontexts vor Ort. Zwar sind die meisten seiner Projekte klein dimensioniert und finden sich in ländlichen Alpendörfern wie Vrin, Valendas oder Ems, dennoch sind Caminadas Arbeiten in der ganzen Schweiz und auch international äußerst bekannt. Obwohl die Waldhütte nicht besonders groß ist, strahlt sie unter den hohen, dunkelgrünen Kiefern doch eine starke Präsenz aus. Das fein gegliederte Gebäude wurde sehr rücksichtsvoll auf dem bewaldeten Gelände positioniert. Das schön geschwungene, konkave, an Vogelschwingen erinnernde Dach und die Fassaden, die sich nach außen zur Dachtraufe krümmen, sind neben der geschichteten Textur der Schindelfassaden die Hauptelemente der Hütte. Die Holzverkleidung endet kurz über dem Boden, wodurch sich eine fein verschattete Lücke bildet und der Eindruck entsteht, das Gebäude schwebe über dem Boden. Die Materialwahl Caminadas ist ganz klar: eine von Bäumen umstandene Holzkonstruktion. Betonstufen, die über die Grundfläche der Hütte hinausgreifen, verankern das Gebäude und markieren den Eingang, während auf der Rückseite eine erhöhte offene Holzterrasse eine Schwelle zum Wald bildet und «Natur und Kultur ins Gleichgewicht bringt».

Ambivalente Räume für das Gewöhnliche und Alltägliche, die gleichzeitig auf etwas Abwesendes verweisen, sind die hohe Kunst der Architektur. Gion A. Caminada

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B

A

A

SCHNITT B ERDGESCHOSS

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B

SCHNITT A

Der Reussdelta-Turm ist exemplarisch für

GION A. CAMINADA AUSSICHTSTURM

Caminadas Sensibilität im Umgang mit Material und

REUSSDELTA, VIERWALDSTÄTTERSEE

Struktur. Wie Peter Zumthor stammt Caminada

2012

aus Graubünden, und wie Zumthor ist auch er gelernter Schreiner und Zimmerer. Die Gestaltungsweise

Das Reussdelta liegt im Herzen der Schweiz zwischen

seiner Gebäude spiegelt seine genaue Kenntnis

den hohen, schneebedeckten Alpen und einem

der Materialien und ihrer Zusammenstellung wider.

flachen, grünen Tal, das sich zum Vierwaldstättersee

Mit seiner reduzierten Materialpalette aus vor

öffnet. Dort verschmelzen Fluss, Ufer und See

Ort verfügbarem Holz und Weidengeflecht setzt der

allmählich in kleinen Fjorden und idyllischen Bade-

Turm ganz auf lokale Fertigkeiten und Handwerks-

inseln miteinander. Noch vor ein paar Jahrzehnten

kunst. 48 Stämme von Edeltannen – jede einzelne

stand es nicht gut um die Zukunft des Flussdeltas,

von den ortsansässigen Förstern ausgewählt, gefällt

weil das Ufer nach und nach im See verschwand.

und von Hand entrindet – bilden einen sich ver-

Mit dem Reussdelta-Gesetz wurde die Stätte 1985

jüngenden Turm, der von einem leichten Dach mit

unter Schutz gestellt und entwickelte sich in der

ausgekehlten Kanten bekrönt wird. Eine Wendel-

Folge zu einem wahren Paradies für im Flachwasser

treppe windet sich um die zentrale Stütze und zweigt

lebende Tier- und Pflanzenarten sowie zu einer

von einer Plattform zu vier vorspringenden Aus-

Freizeitattraktion. Der kleine Archipel wurde mit 3,3

sichtsbalkonen in die vier Himmelsrichtungen ab.

Millionen Tonnen Felsabraum des Gotthard-Basis-

Je höher man hinaufsteigt, desto dichter wird

tunnels angelegt. Die großen, flachen Felsbrocken, die

das Flechtwerk, bis man schließlich fast ganz von

beim Tunnelbau anfielen, sind ideal zum Sonnen-

fein verflochtenen Zweigen eingeschlossen ist.

baden und Entspannen. Das einzige Bauwerk im Delta

In konstruktiver Hinsicht sind die Plattform und

ist der elf Meter hohe Aussichtsturm, von dem

die Treppe mittels Stahlstäben vom Dach abgehängt.

aus man die vielfältige Vogelwelt beobachten und die

Die Decke besteht aus gefältelten Rohrgeflecht-

Naturschönheit der zum See hin abfallenden Berge

Paneelen, die wie Fächer vom zentralen Holzträger

genießen kann.

auskragen. Darunter liegt ein Gewirr aus Zweigen, das das Muster auflockert und eine unstrukturierte, filigrane Schicht bildet. Die geflochtenen Balkongeländer erinnern stark an Körbe von Heißluftballons. Steht man auf einem der Balkone, so fühlt man sich beim Betrachten der Vögel selbst wie ein Vogel in seinem Nest. Trotz der rigiden Symmetrie mutet die Konstruktion zart und sinnlich an. Während der kahlen Winterzeit, wenn das Schilfgras ockerfarben ist, verbindet sich die goldfarbene Tönung des Holzturms so mit dem Gelände, dass er aus der weiten umliegenden Landschaft hervorzugehen scheint. Caminada hat hier eine klar rationale, aber zugleich poetische Konstruktion geschaffen, bei der sich alle einzelnen Elemente gegenseitig bedingen und keines ohne die Hilfe des anderen funktionieren kann. So ergibt sich ein harmonisches, einheitliches Ganzes.

Generell bindet ein kluger Entwurf Rationalität und Emotionalität, also Verstand und Gefühl, ein. Gion A. Caminada

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ANSICHT

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AUSSICHTSPLATTFORM TURMFUSS

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JÜRG CONZETT

Die Tragwerksplanung ist eine der interessantesten menschlichen Beschäftigungen. Jürg Conzett

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JÜRG CONZETT

Eine zusätzliche Herausforderung bestand darin,

TRAVERSINERSTEG 2

dass die Brücke nicht nur beide Seiten der 40 Meter

VIAMALA

breiten Schlucht verbinden sollte, sondern dabei

2005

auch noch einen Höhenunterschied von 25 Metern ausgleichen musste. Conzett entschied sich für

Es ließe sich behaupten, dass das Bauingenieurwesen

den Entwurf einer Hängebrücke, genauer: einer Hänge-

in der Schweiz der Vater der Architektur ist, weil

treppe, die 50 Meter über dem Talboden aufgehängt

sich die Disziplin aus der Notwendigkeit entwickelt

ist. Die neue Brücke ist 57 Meter lang, wiegt rund

habe, mit der tückischen Topografie zurechtzu-

200 Tonnen und wurde mittels vorgespannter Stahl-

kommen. Im Verlauf der Jahrhunderte wurde ein

seile befestigt. Das Hauptseil, die lateralen Dia-

dichtes Netz aus Brücken und Tunnels gebaut, das

gonalstäbe und der Laufsteg aus Lärchenholz wurden

sich durch das Land zieht, die sichere Passage

auf außerordentlich dramatische und gefährliche

von Menschen und Gütern von Nord nach Süd und Ost

Weise über dem schwindelerregenden Abgrund schwe-

nach West ermöglicht und noch die entlegensten

bend angebracht. Dank einer freundlichen Gestal-

Täler mit den städtischen Zentren verbindet. Ingeni-

tungsgeste gegenüber Menschen, die unter Höhen-

eurbauliche Leistungen sind in der Schweiz allge-

angst leiden, wird durch eine dem gestuften Laufgang

genwärtig. Die Errichtung von Menschen erdachter

untergelegte Schicht von zehn parallelen Brett-

Konstruktionen in der einschüchternden Alpen-

schichtholzbindern der direkte Blick hinunter ins Tal

landschaft hat die Produktion und die Gestaltung von

verwehrt. Diese Balken sorgen auch für die Ver-

Architekturen im Land zweifellos zutiefst beein-

steifung, sodass die Brücke kaum schwankt, wenn

flusst – und tut dies immer noch. Diese Hommage

man die 176 Stufen hinauf- oder hinuntersteigt.

an die Schweizer Architektur wäre unvollständig,

Dennoch ist es nichts für schwache Nerven, behutsam

ohne zumindest eine der vielen Meisterleistungen

über die Brücke zu gehen, da man sich ein wenig wie

von Schweizer Bauingenieuren zu nennen.

ein über der Schlucht balancierender Seiltänzer fühlt.

Wie der lateinische Name besagt, galt die Via

Conzetts zweiter Traversinersteg ist eine

Mala – der Weg durch die sagenumwobene Schlucht

bemerkenswerte ingenieurbauliche Leistung, bei der

in der Nähe von Davos in Graubünden – einst als

Entwurf und Konstruktion bis an ihre Grenzen

gefährlich und unheilvoll. Seinerzeit war man darauf

geführt werden. Wenn Mathematik und Kunst sich in

aus, die Schlucht so schnell wie möglich zu durch-

Harmonie vereinen wie in einer Fuge von Bach,

queren und ihr sicher zu entkommen. Heute birgt die

entstehen Dinge von tiefgründiger Schönheit. Wie

Viamala immer noch ihre Rätsel und zudem den

Zumthors schönes, blattförmiges Dach der Caplutta

Reiz rauer landschaftlicher Schönheit. Im Verlauf

Sogn Benedetg erinnert auch Conzetts Brücke

der Jahre ist die Schlucht zu einem beliebten Ziel für

an die wunderschönen mathematischen Strukturen,

Wanderer und Touristen aus Nah und Fern gewor-

die man in der Natur findet: die feingliedrige

den. Als Teil eines Umwelt-Freiluftmuseums im Tal

Form eines Blattes, die Wölbung einer Muschel oder

und zur Verbindung zweier Teilstücke eines alten

die sanfte Krümmung einer halbmondförmigen

Römerwegs galt es, die Schlucht zu durchqueren und

Düne. Ein Entwurf, der klare Assoziationen zu den

den Tobel zu überbrücken. Jürg Conzett, ein ange-

Mustern der Natur herstellt, erweist sich – zumal in

sehener Bauingenieur aus Chur, der schon mit vielen

einer natürlichen Landschaft – als tief in seiner

prominenten Schweizer Architekten zusammen-

Umwelt verankert. Der Traversinersteg ist solch ein

gearbeitet hat, entwarf den ersten Traversinersteg,

Meisterstück ingenieurbaulichen Entwerfens

der leider 1999 von einem heftigen Frühlings-

und Konstruierens. Die Brücke hängt anmutig in der

sturm zerstört wurde. Eine neue Brücke wurde ge-

zerklüfteten Landschaft und ist wegen ihrer Fein-

plant und Conzett zusammen mit seinem Kollegen

gliedrigkeit und Präzision wahrlich bewundernswert.

Rolf Bachofner erneut beauftragt, die Schlucht

Sie ist nur ein Beispiel für eine Unzahl hervor-

zu überbrücken. Man beschloss, die neue Brücke an

ragend entworfener Brücken, die überall im Land die

einen weniger exponierten Standort tiefer in der

Täler miteinander verbinden.

Schlucht zu verlegen. Viele Hindernisse mussten überwunden werden, wie sie für das Bauen in den Alpen typisch sind: ein entlegener, unzugänglicher Standort, ein knappes Budget und eine kurze Bauzeit.

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SCHNITT

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OSTANSICHT

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PETER ZUMTHOR

In einer Gesellschaft, die das Unwesentliche feiert, kann Architektur eine Widerständigkeit entfalten, der Verschwendung von Formen und Bedeutungen entgegenwirken und ihre eigene Sprache sprechen. Peter Zumthor

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PETER ZUMTHOR

Kein einziges Fenster ist auf Augenhöhe, wodurch

CAPLUTTA SOGN BENEDETG

jede Ablenkung durch Ausblicke in die Umgebung

SUMVITG

verhindert wird. Man nimmt nur wahr, wie das Sonnen-

1985 –1988

licht im Lauf des Tages über die Wand wandert. In der Kapelle fühlt man sich wie im Inneren eines Musik-

Die Caplutta Sogn Benedetg (Kapelle des hl. Benedikt)

instruments und hat die vage Erwartung, es könne

wurde als Ersatz für die mittelalterliche Kapelle,

gleich zu klingen beginnen. Sankt Benedikt ist bei-

die 1984 von einer Lawine zerstört worden war, errich-

spielhaft für Zumthors ruhige Architektur: Die alpine

tet. Für den Neubau wählte man eine neue Stelle

Kapelle ist zurückhaltend, aber kraftvoll, und

aus, die durch einen am Hang darüber gelegenen Wald

kündet von einem schlichten Glauben, der von Luxus

geschützt ist und an einem Bergweg oberhalb des

und Prunk befreit ist.

Dorfes Sumvitg liegt. Die gebogenen Wände der Kapelle umschließen ein einzelnes Volumen, dessen Grundriss je nach Betrachtungsweise die Form eines Blattes, eines Auges oder eines Bootes besitzt. Diese Form wurde nach oben gezogen und schließlich durch ein Band von Obergaden abgeschlossen, durch welche die Kapelle Licht erhält und die zugleich Ausblicke in den Himmel gewähren. Die mit Lärchenholzschindeln verkleideten Außenflächen gemahnen an die schimmernden Farben byzantinischer Mosaiken. Je nachdem, in welchem Maße die kurvenförmigen Fassadenflächen der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, zeigt sich ein subtiler Farbübergang von silbern zu golden. Wie ein Gesicht, das im Lauf des Lebens anmutig altert, offenbart die Kapelle auf ihrer texturierten Außenhülle somit die Spuren der Zeit. Der Eingang zur Kapelle liegt schräg zu ihrem Hauptraum, der sich abrupt in seiner ganzen Höhe vor dem Besucher öffnet. Schlanke, hohe Holzsäulen steigen entlang der Seitenwände empor und treffen schließlich auf die Holzrippen der Decke. Die Holzkonstruktion ist einige Zentimeter von der Verkleidung abgesetzt, sodass sich sowohl eine Spannung zwischen beiden Elementen als auch ein Spiel von Licht und Schatten ergibt. Wie ein Rückgrat mit konstruktiven Rippen legt sich der Dachkamm in sanften Kurven über den Raum und schließt ihn ein. Tatsächlich wird die Kapelle von drei kurvenförmigen, auf Holzstützen ruhenden Flächen zusammengehalten, die dem Raumkörper wie ein Skelett seine Form geben. Die Holzstützen nehmen die Last des Daches auf und lassen die konstruktiven Kräfte deutlich erkennen.

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Nur zwischen der Wirklichkeit der Dinge, von denen ein Bauwerk handelt, und der Imagination zündet der Funke des geglückten Bauwerks. Peter Zumthor

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B

A

A

B

SCHNITT A GRUNDRISS

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SCHNITT B

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PETER ZUMTHOR

Wasser treten, während sie summen und auf

THERME

den Klang der sich überlagernden Stimmen lauschen.

VALS

In den kleinen, umschlossenen, intimen Becken

1990 –1996

erweckt Zumthor den Eindruck, man befinde sich in einer geheimen Strandhöhle fern der Alltags-

Rituale des Badens und Sich-Reinigens sind seit Jahr-

routine, während sich ganz im Gegensatz dazu die in

tausenden Teil der menschlichen Kultur. In Istan-

Tageslicht getauchten Hauptbecken zur Landschaft

bul und Budapest, in Rom und Bath sind solche Ritu-

öffnen. Die verwendeten Materialien – klares

ale seit der Antike ein wesentlicher Bestandteil

Wasser, polierter Stein, Messing, Chrom, Leder und

der gesellschaftlichen Kultur. Peter Zumthor lässt in

Samt – sind mit bemerkenswerter Raffinesse so

seiner Therme in Vals die «hohe Architektur» der

kombiniert, dass ihre jeweiligen wesentlichen sinn-

antiken Thermen und die prachtvollen Gebäude,

fälligen Eigenschaften klar hervortreten. Das An-

in denen sie untergebracht waren und die ihre histo-

fassen, der Geruch und der Klang dieser Materialien

rische Bedeutung bezeugen, wieder aufleben.

macht das Baden zugleich zu einer äußerst sinn-

Zumthor nutzte Gneis und Wasser – natürliche Res-

lichen wie ästhetischen Erfahrung.

sourcen, die in dem Gebirgstal zur Verfügung stehen

Die theatralische Wirkung von dampfendem

–, um Schicht für Schicht aus solidem Stein eine

Wasser zwischen den Steinen wird durch die inten-

ausdrucksstarke Raumfolge zu bilden. Das Gebäude

sive Modellierung von Licht und Schatten noch

schneidet als in Stein eingebetteter Fels tief in

verstärkt. Es gibt Räume, die in dunstige Schatten

den Berg ein, aufgebaut aus schmalen horizontalen

getaucht sind, und düstere Ecken, die einen Kon-

Schichten aus Valser Quarz. Das tief im Berghang

trast zu den lichtdurchfluteten, sonnigen Bereichen

verwurzelte Gebäude erwächst buchstäblich aus

bilden, wo man sich zurücklehnen und das gewaltige

seiner eigenen Geologie.

eingerahmte Alpenpanorama genießen kann.

Die Becken mit klarem Bergwasser, das aus der Tiefe der Erde stammt, sind von massiven Stein-

Natürliches Licht sickert von oben durch längliche Spalten am Rand der Dachplatten ein und wan-

mauern eingefasst. Nichts enthüllt sich unmittelbar;

dert über dunkle Steinmauern, während blaues Licht

erst beim Durchwandern der unzähligen versteck-

von oben aufs blaue Wasser fällt. Ein Aufenthalt

ten Räume erschließt sich das Gebäude. «Der Mäan-

in Vals macht einem sehr bewusst, dass das Schaffen

der», wie Zumthor ihn nennt, «ist ein als Negativ

von Architektur bedeutet, die Dimensionen und

entworfener Raum zwischen den Blöcken; ein Raum,

Grenzen von Räumen zu definieren. Durch sein hart-

der alles verbindet, indem er durch das gesamte

näckiges Ausnutzen der den gewählten Materialien

Gebäude fließt.» Er vergleicht die Erkundung der kom-

inhärenten Eigenschaften, die Modellierung des

plexen Anlage aus Räumen und Becken mit der

Raums und die Lichtführung ist es Zumthor gelungen,

Wanderung durch einen dichten Wald: «Wie Gehen im

den simplen Akt des Badens zu einer fast mystischen

Wald ohne Pfad. Ein Gefühl von Freiheit, die Lust

Erfahrung zu erhöhen.

des Entdeckens.» Zumthors Architektur feiert die sinnliche Erfahrung des Badens. Der belebende Schock beim Eintauchen in eiskaltes Wasser (14 °C) nach einem Bad in fast unerträglich heißem Wasser (42 °C) bringt den Körper zum Glühen, und sich im Schneefall unter freiem Himmel in 36 °C warmem Wasser treiben zu lassen, ist ein berauschendes Erlebnis. Um in das Klangbad zu kommen, muss man durch einen schmalen Korridor schwimmen. Dann gelangt man in das vertikale wassergefüllte Bassin mit einer Deckenhöhe von sechs Metern. Die von unten erleuchtete Grotte ist eine Resonanzkammer, in der die Badegäste

Berg, Stein, Wasser – Bauen in den Stein, Bauen mit dem Stein, in den Berg hinein, Bauen aus dem Stein heraus, im Berg sein – wie lassen sich die Implikationen und die sinnliche Assoziation dieser Wörter architektonisch interpretieren? Peter Zumthor

128

129

130

131

132

A A

B

GRUNDRISS BADEEBENE

1:350

133

SCHNITT A SCHNITT B

1:350

134

GESPRÄCH MIT PETER ZUMTHOR DER ARCHITEKT ALS AUTOR

Peter Zumthor beginnt sein Buch Architektur Denken mit der Feststellung, dass ihm beim Nachdenken über Architektur Bilder in den Sinn kommen und er sich beim Entwerfen auf Intuitionen, Erinnerungen und freie Assoziationen stützt, verbunden mit systematischem, rationalem Denken. Vielleicht ist dieses nahtlose Wechselspiel zwischen intuitivem Fühlen und rationalem Verstehen genau das, was es ihm ermöglicht, gewöhnliche Gebäude zu außerordentlichen zu machen. In seinem Buch erklärt Zumthor seine Motivation, Gebäude zu entwerfen, die Gefühl und Verstand ansprechen, eine spezifische Präsenz entfalten und ein Gefühl von Zugehörigkeit erwecken. «Es gibt für mich ein schönes Schweigen von Bauten, das ich verbinde mit Begriffen wie Gelassenheit, Selbstverständlichkeit, Dauer, Präsenz und Integrität, aber auch Wärme und Sinnlichkeit; sich selber sein, ein Gebäude sein, nicht etwas darstellen, sondern etwas sein.» In Architektur Denken geht Zumthor unserem Verhältnis zur Natur nach und den tiefen Gefühlen, die sie in uns wachrufen kann: «Die Schönheit der Natur berührt uns als etwas Grosses, das über uns hinausweist.» Auch wenn wir sie vielleicht nicht verstehen, fühlen wir uns doch als Teil der Natur, aus der wir kommen und zu der wir zurückkehren werden. Man spürt diese Ehrfurcht und Bewunderung für die Natur in Zumthors Werk. «Wenn ich mich auf einen bestimmten Ort konzentriere, für den ich zu entwerfen habe; wenn ich versuche, diesen Ort auszuloten, seine Gestalt, seine Geschichte und seine sinnlichen Eigenschaften zu begreifen, dann beginnen in diesen Prozess des genauen Hinschauens schon bald Bilder von anderen Orten einzudringen: Bilder von Orten, die ich kenne, die mich einmal beeindruckt haben, Bilder von alltäglichen oder besonderen Orten, deren Gestalt ich als Inbild bestimmer Stimmungen und Qualitäten in mir trage; Bilder von Orten oder architektonischen Situationen auch, die aus der Welt der bildenden Kunst, des Films, der Literatur, des Theaters stammen.» Diese Sensibilität in Bezug darauf, wie sich die Architektur auf ihren spezifischen Kontext und die Landschaft bezieht, gehört zu den Eigenschaften, denen Zumthors Werk seine große Ausdruckskraft verdankt. Als Architekt ist Zumthor daran interessiert, wie man ein Gebäude erlebt: den Lichteinfall auf eine Oberfläche, die Form eines Türgriffs, den Hall einer Stimme in einem hohen Raum, die Atmosphäre eines Raums. In seinen Gebäuden finden die wesentlichen Bestandteile der Architektur einen Widerhall, gleichgültig, ob es sich um ein Wohnhaus, eine Kapelle oder ein Museum handelt. Wie ein schönes Musikstück oder ein meisterhaftes Gemälde fangen sie Stimmungen ein und wecken bestimmte Gefühle. Aufgrund seiner raffinierten Materialwahl wurde Zumthor schon als Schamane und Mystiker seiner Zunft bezeichnet. Er erklärt, dass nicht die Materialien an sich poetisch seien, sondern die Art ihrer Kombination und die Form, die sie erhöhe. «Der Sinn, den es im Stofflichen zu stiften gilt, liegt jenseits kompositorischer Regeln, und auch die Fühlbarkeit, der Geruch und der akustische Ausdruck der Materialien sind lediglich Elemente der Sprache, in der wir sprechen müssen. Sinn entsteht dann, wenn es gelingt, im architektonischen Gegenstand spezifische Bedeutungen bestimmter Baumaterialien hervorzubringen, die nur in diesem einen Objekt auf diese Weise spürbar werden.» Zumthors Werk ist zurückgenommen, aber kraftvoll; zugleich präzise und sinnlich. Seiner Architektur gelingt es, den «harten Kern der Schönheit» zu erreichen, von dem er so poetisch schreibt.

135

Anna Roos (AR): Diese Publikation befasst sich mit der Sensibilität von Schweizer

Architekten und der Architekturkultur der Schweiz. Meines Erachtens ist die Schweiz ein Land, in dem die Tradition der Architektur bewahrt und wertgeschätzt wird – vielleicht, so könnte man meinen, mehr als anderswo. Es geht hier nicht darum, Reklame für eine Marke zu machen, nicht um das weiße Kreuz auf rotem Grund, sondern um einen offenen Ansatz gegenüber einer Disziplin. Ich möchte herausfinden, was hier genau geschieht. In diesem Gespräch möchte ich gern erfahren, wie Sie die einzigartige Stellung, die die Schweiz international in der Welt der Architektur einnimmt, wahrnehmen, und welche Rolle Sie in diesem Zusammenhang spielen. Wie hat sich diese reiche architektonische Tradition historisch entwickelt? In manchen Ländern haben Architekten keinen guten Ruf, und Laien lieben es, sie zu kritisieren. Ich habe den Eindruck, dass ihre Rolle in der Schweiz weniger kritisch gesehen wird. Glauben Sie auch, dass Architekten in der Schweiz im Allgemeinen größere Wertschätzung erfahren als anderswo? Peter Zumthor (PZ): Der Berufsstand des Architekten ist in Italien dem Titel nach hoch geachtet;

dort ist jeder Architekt ein dottore. In der Schweiz ist das anders. Vor langer Zeit hatten die Architekten hier auch einen guten Ruf. Ich erinnere mich, dass mein Vater respektvoll über Architekten sprach, als ich noch ein Kind war. Er unterschied aber zwischen reinen Bauzeichnern und «Architekturarchitekten» – also denen, die richtig Architektur studiert hatten. Er hatte größeren Respekt vor studierten Architekten und sagte daher oft: «Das ist kein Architekt», denn in der Schweiz kann sich jeder als Architekt bezeichnen. In den 1960er- und 1970er-Jahren gab es dann einen Bauboom in der Schweiz, und die Architektur und die Architekten der Schweiz verloren ihren guten Ruf. Bauen wurde gewissermaßen mit Zerstören gleichgesetzt. Es gab zu dieser Zeit eine vieldiskutierte Schrift des Architekten Rolf Keller mit dem Titel Bauen als Umweltzerstörung. In den späten 1970er- und den frühen 1980er-Jahren mussten wir dann bewusst daran arbeiten, die Reputation des Architektenberufs wiederherzustellen. Ich war hier in Graubünden daran beteiligt. Mit Organisationen wie dem Schweizerischen Werkbund oder dem Schweizer Heimatschutz strebten wir nach «Verantwortlichkeit». Wir bewiesen, dass wir verantwortlich mit unserer Umwelt und respektvoll mit unserer Vergangenheit umgehen konnten. Und so machten wir uns daran, die Reputation der Architekten wieder zu verbessern. AR: PZ: Ja, aber

Und das war offensichtlich erfolgreich?

es brauchte 15 bis 20 Jahre. Ich initiierte einen Preis für gutes Bauen und weitere

Initiativen. Das alles brauchte einige Zeit. Doch meines Erachtens genießen Architekten heute ein recht hohes Ansehen. AR: PZ:

136

Glauben Sie, ein höheres als anderswo?

Das kann ich schlecht beurteilen.

AR:

Bei vielen Gebäuden in der Schweiz stellt man einen kühnen Materialein-

satz fest, insbesondere, was Beton, Stein und Holz betrifft; das ist historisch bedingt und dem Fehlen natürlicher Ressourcen wie Eisen geschuldet. Diese Tradition setzt sich bis heute fort. Welche Rolle spielten Ihrer Meinung nach diese Materialpalette und die Sensibilität für Materialien im architektonischen Schaffen der Schweiz? PZ:

Ich kann diese Frage nur für mich beantworten, nicht verallgemeinernd. Ich interessiere

mich nicht besonders für das Thema Architektur oder die Idee einer Schweizer Architektur. Ich gehe von einem Ort aus und schaue mich dort um. Ich sehe Berge oder eine Wüste. Ich denke über die Atmosphäre meines noch nicht existierenden Gebäudes nach und stelle mir vor, wie Menschen es nutzen, es erfahren werden. Was kann ich machen? Worin besteht die spezifische Energie der Materialien, die ich nutzen sollte, damit den Menschen das Gebäude gefällt? Wie Sie sehen, bin ich also äußerst interessiert daran, mit den Materialien, die ich auswähle, die richtige Stimmung zu erzeugen. Das einzig Schweizerische, was ich in diesem Vorgang sehe, bin ich selbst, weil ich nun mal Schweizer bin. AR:

Mir scheint, dass die Beziehung vieler Schweizer Architekten zu ihrer Land-

schaft und ihre Sensibilität gegenüber den vielfältigen historischen Architekturtraditionen ihr Werk auch heute noch prägten. Fast überall in der Schweiz ist die Landschaft präsent: ein Fluss, ein Wald, ein Berg oder ein See. Es ist bekannt, dass sich die Schweizer Architekten stark von den Zwängen und Herausforderungen der Landschaft leiten lassen. Wie vollzieht sich dieser Austausch in Ihrer Arbeit? PZ:

Das ist eine Grundbedingung meiner Arbeit. Ich will Dinge schaffen, die für den jeweiligen

Ort und für ihren Gebrauch gut geeignet sind. Ich studiere den Ort gern genau, gleichgültig, ob er in der Ebene oder im Gebirge, in der Schweiz oder anderswo liegt. AR:

Wie studieren Sie den Ort? Fotografieren Sie, machen Sie Zeichnungen

oder besuchen Sie ihn mehrfach zu verschiedenen Tages- oder Jahreszeiten? Wie erfassen Sie Ihren Baugrund? PZ:

Das unterscheidet sich; ich muss ein Gefühl für den Ort entwickeln. AR:

Kehren Sie mehrfach zu dem Ort zurück, bevor sie mit dem Entwurf begin-

nen und den Stift aufs Papier setzen? PZ:

Manchmal stellt sich das Gefühl unmittelbar ein, dann brauche ich nicht zurückzukehren. AR:

PZ: Ja. In

So, als würde man einen Menschen kennenlernen?

der Regel finde ich es nicht sehr schwierig, ein Gefühl zu entwickeln, gleichgültig,

ob in Los Angeles, Norwegen oder sonstwo. Ich muss hinschauen und auf das reagieren, was da ist. Manchmal muss ich mehr wissen. AR: PZ: Ja, denn

Notieren Sie das hauptsächlich in Ihrem Kopf?

es geht nicht so sehr um eine wissenschaftliche Analyse. Die kann interessant

sein, aber im Grunde geht es um eine Reaktion auf das Vorhandene. Man öffnet sein Herz und seine Augen, und dann kann man sehen. AR:

Ich habe ein Interview mit Ihnen gelesen, in dem Sie erklärten, die Land-

schaft und der Garten wüchsen immer mehr in Ihre Entwürfe hinein. Ist die natürliche Umgebung im Lauf Ihrer Karriere wichtiger geworden, oder war sie das schon immer? PZ:

Sie war mir schon immer wichtig, wird mir aber bewusst immer wichtiger. Man sieht

das in allen meinen Arbeiten – bei Großprojekten, kleineren Projekten, Landschaftsgestaltungen. Ja, in allen meinen Projekten gibt es einen Garten oder eine Landschaft als integralen Bestandteil der Architektur.

137

AR:

Mir gefällt die Idee, dass der Garten ins Innere vordringt. Wie würden

Sie das in einem städtischen Kontext, zum Beispiel beim LACMA in Los Angeles, verwirklichen? PZ:

Das Los Angeles County Museum of Art liegt im Hancock Park – oder dem, was davon

übrig ist, weil in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrere Gebäude im Park platziert wurden und damit große Teile von ihm verloren gingen. Eines der Schlüsselelemente meines neuen Entwurfs besteht darin, die horizontale Bewegung im Park wiederherzustellen, indem ich das Museum erhöhe. Glaspavillons, die auf den Park und den Wilshire Boulevard Bezug nehmen, schaffen unterhalb der schwebenden Hauptmasse des Museums ein weitgehend durchlässiges Erdgeschoss. Aber in der Landschaft dieses Ortes steckt noch mehr. Es ist eine uralte Landschaft. Hier trat Teer zutage und bildete Teergruben, die vor 40 000 Jahren für Tiere zu einer Falle wurden. Öl stieg dann an die Oberfläche dieser Gruben. In dem Teer der Teiche können schichtenweise Fossilien freigelegt werden – von Mammuten und Säbelzahntigern beispielsweise. Gegenwärtig werden die Gruben den Besuchern ein bisschen in Walt-Disney-Manier präsentiert. Ich hoffe, dass es mir mit der Gestalt, der Platzierung und dem dunklen Material meines Gebäudes gelingt, ein tiefergehendes Gefühl für diesen besonderen Ort hervorzurufen. AR:

Sie arbeiten derzeit am LACMA in Los Angeles, am Haus auf dem Hügel in

Devon und – ich erinnere mich, als ich Sie das letzte Mal besuchte – an einem riesigen Wachsmodell eines Museums an einem Fluss irgendwo in Russland. Ich sah auch große Modelle eines Gebäudeensembles für ein Zinkbergwerksmuseum in den Bergen Norwegens. Einige Ihrer bekanntesten Gebäude stehen im benachbarten Deutschland. Ihre Arbeiten im Ausland scheinen nicht grundsätzlich anders zu sein. Haben Sie als Schweizer den Eindruck, dass Sie bei Ihrer Arbeit im Ausland die gleichen Freiheiten haben wie in der Schweiz? PZ:

Die Bedingungen unterscheiden sich immer von Land zu Land. Ich muss sie stets prüfen:

Wer ist der Auftraggeber? Um was für einen Ort handelt es sich? Wie ist es um die dortige Gesellschaft beschaffen? Wie sehen die Bauvorschriften aus? Gibt es vor Ort gute Handwerker, und wo sind sie zu finden? Wie ist der Bauvorgang organisiert? Und so weiter. Diese Bedingungen unterscheiden sich immer. Ich mache mich kundig – ob in Los Angeles, Norwegen oder Südkorea. Das kostet viel Zeit, aber es ist sehr wichtig, die spezifischen Bedingungen zu kennen. In Südkorea, wo ich gerade ein anderes Projekt – ein Teehaus – begonnen habe, bin ich von viel Vertrauen und Zuversicht umgeben. Das Gleiche gilt für Los Angeles, und dort weiß ich jetzt auch, wo die guten Handwerker zu finden sind und wie ich das ganze Projekt organisieren möchte. Aber im Grunde ist das in der Schweiz nicht anders. Vermutlich hat das mehr mit meiner Reputation zu tun. Trotzdem finden sich überall stets andere Bedingungen. In England beispielsweise gibt es kaum Erfahrung in der Arbeit mit Beton, deswegen ist manches nicht realisierbar. Manchmal sind die Baurichtlinien nicht sinnvoll, aber man muss sich mit ihnen arrangieren – so wie in Deutschland, wo es viele Vorschriften gibt; Österreich hat sogar noch mehr Vorschriften als die Schweiz. Jedes Land bietet seine eigenen Schwierigkeiten, die man durchdringen muss. AR:

Ihr Werk scheint sehr stark in der Schweizer Landschaft verwurzelt.

Wie nähern Sie sich einem Projekt an und wie reagieren Sie auf eine Landschaft, mit der Sie weder historische noch persönliche Erinnerungen verbinden? PZ:

Man könnte sagen: Wir kommen alle irgendwo her. Wir alle kommen aus einem Zuhause.

Sie kommen von einem Zuhause, ich komme von einem Zuhause. Das ist unser aller Ausgangspunkt. Aber dann gehen wir anderswohin und machen neue Erfahrungen. Ich bin hier verwurzelt, und es ist gut, dass ich hier verwurzelt bin, weil ich so die Unterschiede zwischen Orten erkennen und auf sie reagieren kann. Insofern passen die Gegensätze des «Persönlichen» und des «Fremden» bestens zusammen.

138

AR:

In Ihrer Bildauswahl in dem Buch The Images of Architects finden sich

Bilder zweier Gebäude aus dem orientalischen Kulturkreis, die Sie inspirieren – die Hagia Sophia und das Rote Fort in Delhi. Wie können Sie Inspiration für Ihre Arbeit aus fremden Kulturen an fernen Orten ziehen? Zeichnen oder studieren Sie solche Gebäude, wenn Sie zu ähnlichen Stätten reisen? PZ:

Wohin ich auch reise, ich interessiere mich für alles, was ich sehe – auf intellektueller

Ebene oder einfach als reine Erfahrung einer anderen Landschaft oder einer fremden Kultur. Es ist stets interessant, etwas zu begreifen, aber zunächst einmal ist es wichtig, es schlicht anzuschauen. Zuallererst frage ich mich: «Was ist das? Wie funktioniert das?» Ich werde ständig von allem beeinflusst, was ich sehe und erfahre. Da geht es mir wie allen anderen: Wir leben, sehen Dinge und können dann, wenn wir vor einem Problem stehen, auf einen großen Vorrat an Bildern in unserem Geist zurückgreifen. Meistens weiß man nicht einmal, woher sie kommen, aber sie sind da. AR: Ja, ich

glaube, als Architekt ist man sich stets bewusst, dass man am

Beobachten ist, wo immer man sich gerade befindet. PZ:

Wahrscheinlich gilt das auch für Schriftsteller. Viele Leute beobachten sehr genau –

auch bildende Künstler. AR:

Heute steht häufig ein Image im Zentrum; das betrifft auch die Architektur.

Bauwerke sind zu Markenzeichen geworden, und einige Architekten haben ihre ganz eigene Handschrift. Im Gegensatz dazu finden viele Architekten hierzulande ihre Triebkraft in einer historischen Tradition örtlicher Materialien und Handwerkskunst; das ist gewissermaßen eine «langsame Architektur». In einem Interview haben Sie einmal erklärt, Sie wollten nicht als Architekturmarke wahrgenommen werden. Die Weigerung, sich auf eine Marke reduzieren zu lassen, gibt Ihnen bestimmt eine gewisse Freiheit. Wie schaffen Sie es, sich von diesem «Branding» freizuhalten, wenn Sie vor einem großen internationalen Auftrag wie dem LACMA stehen? PZ:

Ich arbeite immer auf die gleiche Weise, egal ob es sich um ein Großprojekt wie das

LACMA oder um ein kleines Projekt in einem Nachbardorf handelt. Wahrscheinlich arbeite ich eher wie ein Künstler. Ich habe ein Projekt, schaue es mir an und beginne, etwas zu entwickeln, das meiner Ansicht nach Sinn macht. Wenn mir ein Image in die Quere kommt, muss ich dagegen ankämpfen oder im schlimmsten Fall den Auftrag ablehnen. Geht es nur um den Namen und das Image, kann ich nicht weiterarbeiten. Ich muss also früh herausfinden, ob meine Kunden aufrichtig sind. AR: PZ: Ja, das

Ist es vorgekommen, dass Sie sich zurückziehen mussten?

geschah ein paarmal. Wenn es nur um das Image geht, mache ich das nicht.

Ich will immer das ganze Gebäude entwerfen. Ich sehe, dass große Architekturfirmen eine ganze Reihe mehr oder weniger kommerzieller Arbeiten ausführen. In manchen Büros zeichnet niemand mehr. Das ist eine andere Arbeitsweise, vielleicht auch eine andere Art, Geld zu verdienen, aber das liegt mir nicht. Ich interessiere mich für Arbeiten, die mich in Gang halten. Ich arbeite eher wie ein Autor.

139

AR:

Mir scheint es bezeichnend, dass Sie sich nicht von den Lichtern der

Großstadt anlocken lassen, sondern sich entschlossen haben, in Haldenstein zu bleiben. Sie lassen sich nicht vom Dunstkreis der Prominenz verführen, sondern setzen Ihre Erkundung der Architektur hier in diesem kleinen Dorf fort. Hat das auch mit dem Verlangen zu tun, sich Ihre Freiheit zu bewahren? PZ:

Ich bin an diesem Ort, weil ich meine Frau hier gefunden habe und wir dableiben

wollten. Im Augenblick arbeiten Menschen aus zwölf verschiedenen Ländern in meinem Büro. An diesem weltläufigen Ort kann ich mich erkundigen, wie die Verhältnisse im Libanon, in England oder in Polen sind. Geistig sind wir also mit der ganzen Welt verbunden, arbeiten aber zufälligerweise ausgerechnet hier. Und ich glaube, es hat sich als ein wirklich schöner Ort zum Leben und Arbeiten erwiesen. Vielleicht ist es das Beste, was mir passieren konnte. Hätten Sie mich vor 30 Jahren gefragt: «Wollen Sie ein großes Büro aufbauen, in der ganzen Welt arbeiten, den Pritzker-Preis gewinnen und in Haldenstein leben und arbeiten?», hätte ich geantwortet, dass sich das vermutlich widerspricht. Ich hatte aber auch nie solche Ideen und Ziele; es ist mir einfach so passiert. In meinem Leben ereignen sich die besten Dinge ohne Vorüberlegungen. Ich bin froh, dass ich vieles, was ich einmal haben wollte, nicht bekommen habe. Das fand ich später im Leben heraus. AR:

Ihr Weg zum Architekten war nicht der klassische. In den 1960er- und

1970er-Jahren kamen Sie vom Zimmermannshandwerk zum Möbeldesign, vom Industriedesign zur Innenarchitektur und gelangten so allmählich zur Architektur. Glauben Sie, dass dieser unkonventionelle Weg Sie freimachte und Ihnen ermöglichte, Ihre eigene, authentische Position zu entwickeln? PZ:

Im Rückblick glaube ich, dass der Weg gut zu mir passt. Man könnte sagen, in der Werk-

statt meines Vaters habe ich vier Jahre lang gelernt, Dinge herzustellen. Dann erfuhr ich in meiner Arbeit für die Denkmalschutzbehörde Graubündens etwas über Geschichte, Kunstgeschichte und Baugeschichte. Davor erlebte ich ein sehr schönes Jahr, in dem ich einen Kurs an der Kunstgewerbeschule in Basel absolvierte. Ich wusste damals nicht, wie wichtig das später für mich werden sollte. Die Lehrer vermittelten uns dort das Handwerk des Zeichnens, Malens und Aquarellierens. Meines Erachtens braucht man solche Fertigkeiten als Architekt. Dieser «Vorkurs» stammte aus dem Bauhaus. Man lehrt diese Fertigkeiten auch heute noch, selbst wenn es inzwischen vielleicht intellektueller zugeht. Damals war der Kurs ganz auf das Vermitteln der Fertigkeiten abgestellt. Diese Fertigkeiten sind heute rar. Ich wende sie jeden Tag an. Ich sehe, dass viele meiner jungen Architekten Zeichnungen anfertigen, die keine Proportion haben; manchmal fehlen ihnen diese Fertigkeiten … Es war jedenfalls ein wunderbares Jahr, diese künstlerischen Fertigkeiten zu erlernen und zu praktizieren. Das Übrige sind persönliche Sichtweisen und Gefühle. AR:

Man fühlt bei Ihren Werken, dass Sie genaue Kenntnis davon haben, wie

Dinge zusammengesetzt werden. Insbesondere in den angelsächsischen Ländern nähert man sich der Architektur als einer akademischen Disziplin, und die Architekten wissen oft nicht, wie Materialien zusammengesetzt werden. PZ: Ja, nur

die Oberfläche wird bearbeitet und jemand anderer kümmert sich um das Zusam-

mensetzen. Hier in Haldenstein lehre ich meine Leute, von innen nach außen vorzugehen – nicht nur bei Gebäuden, sondern auch bei der Materialfindung und der Konstruktion. Wir wissen, wie man baut.

140

AR:

Sie arbeiten zwar in einem kleinen Bündner Dorf, sind aber zweifellos eine

Inspiration für Architekten in aller Welt. Sie sind ein Beweis für die Möglichkeit, seinem Konzept treu zu bleiben. Einige sagen aber: «Na, das ist eben Zumthor»; Sie bilden gewissermaßen eine eigene Kategorie. Für «normale» Architekten ist es nahezu unmöglich, diese Ebene zu erreichen. Sehen Sie darin eine privilegierte Position – oder meinen Sie, es handelt sich einfach nur um eine Frage des Prinzips? PZ:

Ich kann angesichts der Aufgaben, die sich mir stellen, nur das Beste tun, was mir ein-

fällt: meine Arbeit. Ich kann mir nur sagen: «Das ist das Beste, was mir möglich ist; ich bin damit jetzt zufrieden. Das ist es.» Man kann das kompromisslos nennen, aber es handelt sich um das Ergebnis eines Prozesses und nicht um die Entscheidung, keine Kompromisse einzugehen. Wenn man ein Buch schreibt oder ein Klavierstück komponiert, ist diese Haltung gegenüber Kompromissen bei künstlerischer Arbeit nicht so seltsam. Ich arbeite hauptsächlich als ein Autor. Ich bin Architekt als Autor, deswegen arbeite ich ähnlich wie ein Künstler, der seiner persönlichen Wahrheit folgen muss. Ich möchte etwas schaffen, das gut funktioniert und zum jeweiligen Ort passt – so, als sollte es für mich selbst bestimmt sein. Ich muss davon begeistert sein. Das Gebäude muss zu dem Ort, zu seiner Nutzung passen. Ich «schreibe» ein Gebäude wie ein Musikstück, wie ein Buch oder ein Gedicht, und dann muss es genau so sein. Um meine Architektur zu schaffen, muss ich aber auch mit vielen Menschen zusammenarbeiten. Und natürlich ist auch der Auftraggeber sehr wichtig. AR:

Wenn so viele Menschen beteiligt sind, ist Autorschaft beim Schaffen

eines architektonischen Werks wahrscheinlich ein größeres Problem. PZ:

Der Unterschied ist: Ich bin ein Komponist und Dirigent mit einem großen Orchester auf

der Baustelle. Und dann gibt es da noch den Auftraggeber, der vorbeikommt und sagt: «Nein, spielen Sie das nicht!» Deswegen müssen der Auftraggeber und ich uns gut verstehen: Wenn er kein Interesse an meinen Ideen hat, kann ich nicht mit ihm zusammenarbeiten. Wenn er aber sagt: «Ich interessiere mich für Ihre Art zu arbeiten. Können Sie etwas für mich komponieren? Ich weiß nicht, wie das geht, aber genau das ist Ihre Aufgabe», dann fühle ich mich wohl. Ich tue stets das Beste, was ich kann – ganz so, als wäre es für mich selber. AR:

Es scheint, als stellten Sie keine offenen, sondern höchstens beiläufige

Bezüge zu anderen Bauwerken her. Sie haben ein Jahrzehnt hier in Chur für die Denkmalschutzbehörde gearbeitet. Hat diese Tätigkeit einen bestimmten Einfluss auf Ihre Arbeit hinterlassen? PZ:

Sie war Teil meiner nicht geradlinigen architektonischen Ausbildung, über die wir vorhin

schon sprachen. Ich untersuchte, glaube ich, rund 5 000 alte Bauernhäuser, um zu verstehen, wie sie gebaut und konstruiert wurden, um ihr Alter zu bestimmen und ihren Zusammenhang als Bauwerke. Wir machten Zeichnungen, stellten Inventare auf und so weiter. Es waren Bauernhäuser darunter, aber auch einige Beispiele «hoher Architektur» – in jedem Fall Gebäude der alpinen Architektur. Ich tat das acht bis zehn Jahre lang. Ich lernte viel über technische Fragen und Geschichte, über die Entwicklung der Architektur und über die vernakuläre Architektur in dieser Region. Es gab auch Spuren von bekannten Künstlern, die zum Arbeiten ins Dorf gekommen waren. Da zeigte sich dann ein Gegensatz und eine Verschmelzung des Vernakulären mit dem Stilvollen. Es war eine schöne Zeit für mich.

141

AR:

Der Ausdruck «der harte Kern der Schönheit»¹, den Sie in einem Ihrer

Bücher verwenden, ist sinnträchtig: die konzentrierte Substanz eines Gebäudes, das von Schönheit erfüllt ist. Ich kann mir vorstellen, dass Sie nicht direkt darauf aus sind, etwas Schönes zu schaffen, sondern dass es sich so ergibt, wenn die Tausenden Entscheidungen, die Sie treffen, sich zu einem Ganzen vereinen. «Hat Schönheit eine Form?» – Ich weiß, das ist ein gewaltiges Thema, aber könnten Sie dazu etwas sagen? PZ:

Schönheit ist etwas sehr Persönliches; Schönheit zu erleben, passiert nicht sehr oft.

Es hat mit einer chemischen, emotionalen Reaktion des Körpers zu tun, wenn man etwas urplötzlich als schön empfindet. Es heißt, Schönheit liegt im Auge des Betrachters, was für mich zutrifft. Aber nicht jedes Objekt erweckt dieses Gefühl von Schönheit; es muss also auch etwas auf der Gegenseite vorhanden sein. Wenn man sich beispielsweise in eine Frau verliebt, muss auch auf der anderen Seite etwas vorhanden sein, was das auslöst. Ich gehe einfach so vor: Ich schaffe diese Objekte und hoffe, dass sie für die Nutzer und für andere schön sein mögen. Ich bin mir sicher, dass, wenn man dieses Ideal erreichen will, auch Wahrhaftigkeit im Spiel sein muss. Ich glaube, wenn man auf künstliche Schönheit verzichtet, ergibt sich eine wesentlichere Schönheit. Ich verstehe, dass ich wohl das Talent habe, schöne Räume zu erschaffen, Formen und eine Ausgewogenheit, wo alles zusammenzuwirken beginnt. Ich sehe, dass manche Menschen das für schwierig halten, denn sie schauen sich etwas an und fragen: «Wie machen Sie das?» Ich glaube, ich habe da eine besondere Sensibilität und Begabung. Natürlich bin ich nicht der Einzige; viele Menschen haben das. Man muss einfach verstehen, dass das Schaffen von Schönheit eine Fähigkeit ist, die Menschen besitzen. Und natürlich gibt es Menschen mit noch mehr Begabung für Schönheit, als ich sie besitze; großartige Menschen wie Mozart und Bach hatten beispielsweise unglaubliches Talent. Es macht die Großartigkeit des Menschen aus, dass immer wieder unglaubliche, kaum erklärbare Begabungen auftreten. Mit ihnen stelle ich mich gewiss nicht auf eine Ebene. Ich respektiere, dass einige Dinge nicht von mir, nicht aus meiner Arbeit stammen, sondern aus der Natur. ¹ Aus einem Gedicht des amerikanischen Dichers William Carlos Williams.

142

SAVIOZ FABRIZZI

Wir suchen in unserer Architektur die Balance zwischen Räumlichkeit und Materialität um die immanenten Qualitäten eines Ortes und des gebauten Erbes zu enthüllen. Savioz Fabrizzi

143

SAVIOZ FABRIZZI

Der Hauptraum im Obergeschoss ist über eine

MAISON BOISSET

steile Treppe erschlossen, die an eine Baumhausleiter

LE BIOLLEY

erinnert. Der Raum ist von fast klösterlicher Karg-

2012

heit; die einzigen Möbel darin sind ein Doppelbett und ein Schrank – ebenfalls aus Lärchenholz gefertigt.

Die Renovierung von Bauernhäusern und alten länd-

Das Giebeldach zeichnet sich innen im Schlafzimmer

lichen Bauten macht in der Schweiz einen großen

ab; der alte Querbalken an der Decke unterbricht

Anteil der architektonischen Leistungen aus. Die

die Einförmigkeit der Flächen und erinnert daran, dass

Casa d’Estate von Buchner Bründler ist ein Tessiner

das Gebäude über 100 Jahre alt ist. Licht fällt durch

Beispiel dafür, die Maison Boisset ein Beispiel aus

eine verlängerte Fensteröffnung in den Raum, die

dem französischsprachigen Teil des Kantons Wallis.

sich auf Augenhöhe befindet, wenn man sich im Bett

Bei diesem Projekt bestand die Aufgabe für die in

leicht aufrichtet. Eine verglaste Tür führt auf den

Sitten ansässigen Architekten Savioz Fabrizzi darin,

L-förmigen Balkon, von dem aus man in luftiger Höhe

eine alte, dreigeschossige Scheune zu einem zeit-

einen spektakulären Ausblick über die alpine Land-

gemäßen Ferienhaus umzubauen. Das Gebäude

schaft genießen kann. Im Untergeschoss gibt es

befindet sich in Le Biolley, einem hoch in den Alpen

einen Schlafraum mit angeschlossenem Bad, eben-

nahe Martigny (Martinach) gelegenen Dorf. Die

falls mit Lärchenholz ausgekleidet. Eine Glastür

Scheune besteht – typisch für die örtliche vernaku-

ersetzt den alten Viehverschlag, lässt Tageslicht ins

läre Architektur – aus einer Holzplattenkonstruktion

Innere gelangen und schafft einen Zugang vom

auf einem Steinsockel, der das Holz vor Schnee

Kinderzimmer ins Freie. Die frische, glatte Holzver-

schützt und das Gebäude gegen die eisigen Winter-

kleidung gibt den Innenräumen die Anmutung

temperaturen isoliert. Das Gebäude thront in

von traditioneller japanischer Architektur. Wegen der

schwindelerregender Höhe über dem Tal, sodass sich

steilen Hangneigung hat sowohl die Küche als

ein wundervoller Panoramablick bietet. Von außen

auch das Untergeschoss eine Tür, die ins Freie führt.

ist die kantige, verglaste Vordertür, die bündig mit

Dank geschickter Planung und feiner Detaillierung

dem Mauerwerk abschließt, der einzige Hinweis auf

gelingt es Savioz Fabrizzi, das Haus geräumig

die elegante Umgestaltung im Inneren.

wirken zu lassen, obwohl es gerade einmal 48 Quad-

Das Haus besteht aus drei 16 Quadratmeter

ratmeter umfasst. Die rustikalen Fassaden aus

großen Räumen auf drei Etagen. Der Koch- und Ess-

Stein und unbehandeltem Holz bilden einen Gegen-

bereich liegt zwischen zwei Schlafzimmern: dem

satz zu den feinen, glatten Oberflächen im Inneren.

Elternschlafzimmer darüber und dem Kinderschlaf-

Dieser starke Kontrast zwischen Alt und Neu baut

zimmer darunter. Der Eingang durchschneidet

eine Spannung auf und gibt dem Projekt seine Stärke.

die massiven Steinmauern und gewährt Zugang zum Koch- und Essbereich, der mit honigfarbenem Lärchenholz vertäfelt ist. Alle Einbauelemente in dem kompakten Raum wurden mit höchster Sorgfalt gearbeitet und erzeugen Hüttenatmosphäre. Um die durch die kleinen Dimensionen gegebene Begrenzung abzuschwächen, mussten Savioz Fabrizzi die Zimmer mit äußerster Genauigkeit planen, um jeden Zentimeter auszunutzen. So dient der Fenstersims zugleich als Eckbank, die sich um den Esstisch zieht, während die Schränke die gesamte Raumhöhe ausfüllen. Der Küchenblock wurde in einer Wandnische untergebracht und bildet mit der Fensteröffnung eine Linie. Der Fensterrahmen ist sorgsam hinter der Verkleidung verborgen, wodurch die Landschaft betont und die Natur ins Gebäude hineingenommen wird. Dank des fast Zen-artigen Minimalismus der Innenräume wird das Auge nicht abgelenkt, und man kann sich ganz auf den herrlichen Ausblick über das Tal einlassen.

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LAGEPLAN

SCHNITT

1:1 000

1:100

150

OBERGESCHOSS ERDGESCHOSS UNTERGESCHOSS

1:100

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SAVIOZ FABRIZZI

Das Gebäude gliedert sich in drei versetzt ange-

MAISON RODUIT

ordnete Geschosse auf einem L-förmigen Grundriss.

CHAMOSON

Die Küche liegt im Zentrum. Die drei Geschoss-

2005

ebenen im Inneren zeigen sich außen in Form dreier Giebeldächer, die am Schnittpunkt der beiden

Wie bei anderen in diesem Buch vorgestellten Projek-

Flügel, wo das Haus am höchsten ist, ein Crescendo

ten spielt die Landschaft auch hier eine wesentliche

erreichen. Die spitzen Dachgiebel stellen zudem

Rolle für die Architektur. Die Maison Roduit kann nicht

einen visuellen Bezug zu den die Stätte überragenden

von der Dramatik der im Hintergrund hochragenden

zerklüfteten Berggipfeln her. Das höchste Geschoss

zerklüfteten Berge getrennt betrachtet werden; das

enthält das Hauptschlafzimmer mit eigenem an-

Haus scheint direkt aus der örtlichen Geologie hervor-

geschlossenen Bad und einem begehbaren Schrank.

zugehen und deutlich zu ihr zu gehören. Laurent

Eine Ecke des Raums wurde ausgeschnitten, um

Savioz wurde von ortsansässigen Künstlern beauf-

eine Galerie zu schaffen, die in den zwei Geschosse

tragt, ein altes, ländliches Bauernhaus in Chamoson

hohen Küchenbereich hinunterblickt, sodass

zu renovieren, das wegen langer Vernachlässigung

das Haus in seiner Dreidimensionalität erfahrbar

verfallen war. Diese Renovierung des Baus ist die

wird. Wie ein Windrad greift die Küche in das Wohn-

jüngste in seiner langen, bis 1814 zurückreichenden

zimmer im Süden und das Atelier im Westen aus.

Baugeschichte. Die Architekten entkernten das

Die robuste Materialwahl der Fassade setzt sich

Gebäude nicht einfach, sondern bewahrten und ver-

in den Innenräumen fort, die ebenfalls aus unbehan-

besserten die verfallene Konstruktion. Die äußere

delten mineralischen Materialien bestehen: Natur-

Volumetrie wurde beibehalten, und die Steinfassaden

stein, Sichtbeton und poliertem Estrich. Damit

blieben erhalten, wo immer möglich.

weist die Materialgestaltung innen wie außen die

An dem Gebäude fallen sofort das rustikale Mauerwerk und das lebendige Wechselspiel der struk-

gleiche Zuversicht und Kraft auf. Die alten Fensteröffnungen wurden beibehalten

turierten Oberflächen ins Auge. Die Architekten

und um ein paar größere Öffnungen ergänzt, um

versuchten, den starken mineralischen Charakter her-

natürliches Licht hereinzulassen und die Innenräume

auszuarbeiten und das Mauerwerk zu betonen, indem

zur atemberaubenden Landschaft hin zu öffnen.

sie Abschnitte des Gebäudes, die früher mit Holz

Um die Einwirkung der neuen Öffnungen auf das Ge-

verschalt waren, durch soliden Beton ersetzten. So

bäudevolumen zu minimieren und die beträcht-

bilden die massiven, unverputzten Steinmauern einen

liche Dicke der Mauern zu nutzen, haben die Architek-

ansprechenden Gegensatz zu den glatten Flächen

ten diese Fenster bündig mit der Außenfassade

aus Sichtbeton, in denen die Maserung der Holzver-

eingesetzt. Im Gegensatz dazu liegen die bestehenden

schalung leicht eingeprägt ist. Die Gegenüberstellung

kleinen Fenster vertieft in der Wandfläche und

dieser beiden Materialien und der Oberflächen-

erzeugen starke Schatten, die von außen die Dicke

kontrast geben der Architektur eine kraftvolle, körper-

der soliden Mauern sichtbar machen.

hafte Anmutung. Indem das Innere mit einer iso-

Die Schweiz verfügt über ökologische Baunormen,

lierenden Schicht – einer Mischung aus Beton und

die weltweit zu den führenden zählen; die Schweizer

Schaumglasschotter (Misapor) – versehen wurde,

sind stolz auf ihre umweltgerechte Architektur.

konnte eine dreifache Verbesserung erzielt werden:

Savioz Fabrizzi gingen respektvoll mit der bestehen-

Das Haus erhielt eine neue tragende Konstruktion, die

den Substanz des 200 Jahre alten Gebäudes um,

alten Steinmauern wurden verstärkt und eine ther-

passten es aber gleichzeitig an die aktuellen Umwelt-

mische Isolierung geschaffen. Die massiven, monolit-

standards an. Dank der wertigen thermischen

hischen Mauern vermitteln ein starkes Gefühl

Isolierung, der kontrollierten Belüftung und einer

von Schutz und Sicherheit. Das Haus ist zugleich eine

Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen genügt

archaische «Ur-Behausung» und ein zeitgenössisches

die Maison Roduit dem Schweizer Minergie-

Zuhause.

Standard. Sonnenkollektoren auf dem Dach mit einer Fläche von 23 Quadratmetern erzeugen rund 35 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs für Heizung und Warmwasser. Der starke materiale Eindruck von Stein und Beton gibt dem Gebäude seine architektonische Ausdruckskraft. Die neuen Eingriffe stellen eine moderne Fortführung der Veränderungen dar, die das Gebäude im Lauf der Jahrhunderte erfahren hat. Dem widerstandsfähigen Gebäude dürfte eine Zukunft bis weit ins folgende Jahrhundert beschieden sein.

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Dank seiner Steinkonstruktion verschmilzt das Gebäude mit den nahen imposanten Felsen der Umgebung zu einer Einheit. Savioz Fabrizzi

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2. OBERGESCHOSS 1. OBERGESCHOSS LAGEPLAN

ERDGESCHOSS

1:1 000

1:300

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SCHNITT

ANDREAS FUHRIMANN GABRIELLE HÄCHLER

Vielleicht ist der Mythos der Schweizer Architektur nur eine Sichtweise von außen, wie der Mythos der Schweiz selbst. Gabrielle Hächler

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ANDREAS FUHRIMANN GABRIELE HÄCHLER ZIELTURM ROTSEE, LUZERN 2012–2013

Interessanterweise steht der Zielturm am Rotsee bei Luzern den größten Teil des Jahres leer. Das Gebäude ist die Wintermonate über bis in den Juli geschlossen und nur für einige wenige hektische Wochen während der sommerlichen Ruderregatta geöffnet. Wenn es zum Leben erwacht, werden die großen Fensterläden geöffnet und hochgeklappt, sodass man von innen die weite Fläche des Sees und die Ruderer in ihren schmalen Booten beobachten kann, wenn sie die durch den Turm markierte Ziellinie passieren. Der Turm bietet dank seiner Höhe einen Aussichtspunkt, von dem aus die Jury, die Presse und das Regattakomitee die Zeit der Ruderer messen und alle Vorgänge von einer erhöhten Position aus beobachten können. Die in Zürich ansässigen Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler betrachten ihren Zielturm als eine hybride Konstruktion, die zugleich funktional und skulptural ist. Wenn die umliegende Landschaft im Lauf der Jahreszeiten ihr Erscheinungsbild verändert, steht der Turm still und geschlossen wie ein Wachtposten als abstrakte Form da, die sich in den dunklen Gewässern des Rotsees spiegelt. In der Ruderregattasaison nimmt er seine «wahre» architektonische Funktion auf und öffnet sich zur großen Wasserfläche. Der auf einer Betonplattform ruhende vorgefertigte Holzturm besteht aus drei übereinandergestapelten Räumen, die wie Holzblöcke aus dem Baukasten eines Kindes wirken. Durch die versetzten Geschosse und die leichte Anmutung des Holzes vermittelt der Turm einen heiteren Eindruck und erinnert an einen Vogelbeobachtungsturm am Wasser. Betonstützen halten den Turm über Wasser, sodass die Konstruktion über dem See zu schweben scheint und ganz von der malerischen Landschaft umhüllt ist. Ein schlanker, über das Wasser führender Steg aus Beton dient als Zugang und verankert die leichte Holzkonstruktion am Seeufer. Zusammen mit der Betontreppe, die die Geschosse miteinander verbindet, bildet diese Betonmole ein solides Rückgrat, das den Turm optisch zusammenhält und ihm Gewicht verleiht. Ist der Zielturm geschlossen, präsentiert er sich als ruhiges, rätselhaftes Bauwerk, das ein Gefühl vielfältiger Möglichkeiten und innerer Einkehr erweckt. Ist der Turm geöffnet, ist er jedoch voller Leben und wirkt sehr spielerisch.

Es gibt universelle Aspekte der Architektur, allgemeingültige Prinzipien. Trotzdem wird ein Gefühl für Atmosphären regional gebildet. Gabrielle Hächler

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B A

A

2. OBERGESCHOSS

ERDGESCHOSS

1:200

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B

1. OBERGESCHOSS

SCHNITT A SCHNITT B

1:200

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WESTANSICHT

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VALERIO OLGIATI

Umgeben von der physischen Masse dieser Berge, werden die Entscheidungen einfacher und direkter. In dieser Umgebung können wir in größeren Dimensionen agieren. Valerio Olgiati

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VALERIO OLGIATI

Das Weiß der Fassaden setzt sich innen in den

DAS GELBE HAUS

Ausstellungsräumen fort. Wände und Decken

FLIMS

sind weiß, und auch die Holzböden sind weiß lasiert.

1997

Das Auffälligste an den Innenräumen ist ihre Asymmetrie. Eine schwere, konstruktive Eichensäule

Wie Schnee eine Winterlandschaft mit einer alles

ist aus dem Zentrum verrückt und gibt den Räumlich-

gleichmachenden weißen Decke zugedeckt,

keiten Ungleichgewicht und erzeugt ein Gefühl

so ist auch das gesamte Volumen des Gelben Hauses

der Verunsicherung. Die Art, wie die Säule im Oberge-

strahlend weiß verputzt – ohne Rücksicht darauf,

schoss stumpfwinklig abknickt, um zum Scheitel-

ob es sich bei dem darunterliegenden Material

punkt des Daches zu führen, verstärkt den Eindruck

um Beton, Stein oder Holz handelt. Die leuchtende

des Kippens und Aus-dem-Lot-geraten-Seins.

Oberfläche hebt das Gebäude optisch aus den

Olgiati spielt mit unseren Sinnen und macht uns deut-

umliegenden Bauwerken heraus und verwandelt das

lich bewusst, dass Architektur eine Kunstform ist.

alte Bauernhaus radikal in ein klares, modernes

Dieses vergleichsweise kleine Bauwerk in einem

Stück Architektur, in dem Ausstellungen zur alpinen

kleinen Bündner Alpendorf stellt ein international

Architektur gezeigt werden. Valerio Olgiatis kluge

bedeutendes Werk zeitgenössischer Architektur dar.

Renovierung widerlegt alle Vorurteile zu malerischer Alpenarchitektur. Der weiße Kubus ist abstrakt; sein leuchtendes Weiß reflektiert jeden Sonnenstrahl und schafft eine reine Vision, die ganz vom Alltäglichen entfernt ist. Von Weitem wirkt das Museum wie eine minimalistische Skulptur, doch beim Näherkommen enthüllt sich subtil die historische Patina. Valerio Olgiati ist ein hochgradig intellektueller Architekt, der gern Normen infrage stellt und die Wahrnehmung herausfordert. Er glaubt, dass Architekten grundsätzliche architektonische Aussagen formulieren sollten: Für ihn ist das Entwerfen ein Denkprozess. Die Veränderungen, die Olgiati an dem originalen Gebäude vornahm, sind selektiv und präzise – nichts ist willkürlich oder beliebig. Er verlegt den ursprünglichen Eingang von der Straßenan die Ostseite und erhöht ihn mittels Stufen über das Bodenniveau; ein Betonstreifen zieht sich in die Höhe und setzt sich als großes, auskragendes Vordach fort. Dies sind die einzigen Oberflächen, die nicht weiß verputzt wurden. Sie zeigen ihre «nackte» Oberfläche und grenzen den Eingang ab. Die Fensterlaibungen wurden vor Ort mit Beton ausgegossen, wodurch die Öffnungen eine harte, exakte Kante erhielten. Um die rustikale, fast archaisch wirkende Oberflächenstruktur zu erhalten, wurden die alten Steinfassaden mit Hammer und Meißel umgestaltet. Diese groben Texturen bilden einen starken Kontrast zu den glatten Hinzufügungen aus Beton, auch wenn beides durch den weißen Verputz zu einem homogenen Ganzen vereint ist. Um die Fassade zu erhöhen und kubische Proportionen herzustellen, wurde das Gebäude oben mit einem ebenfalls verputzten Betonstreifen bekrönt.

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Die abschließende weiße Schicht aus feinstem Kalkverputz bildet die äußerste Haut des Gebäudes. Sie verbirgt alles, was unfertig belassen wurde. Gleichzeitig deutet sie auf einen gewissen Widerspruch hin. Der weiße Kalkverputz scheint die kindliche Urtümlichkeit und animalische Substanz dieses Gebäudes in einen abstrakten Gedanken zu verwandeln – der seinerseits dem Haus die Anmutung einer «Vision» gibt. Valerio Olgiati

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SÜDANSICHT SCHNITT

LAGEPLAN

1:200

1:1500

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2. OBERGESCHOSS 1. OBERGESCHOSS ERDGESCHOSS

1:200

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Durch das Zuschlagen von Farbstoff und Schotter

VALERIO OLGIATI ATELIER BARDILL

zum Beton ahmt das Gebäude die sattbraunen

SCHARANS

Töne der alten benachbarten Holzchalets nach und

2006–2007

fügt sich so in das Dorf ein. Olgiati wertet das Material durch die satte Farbe und komplizierte, in

Valerio Olgiati ist bekannt für seine konzeptuell radi-

Handarbeit hergestellte Reliefmuster auf, die das

kale Architektur; seine Gebäude präsentieren sich

Gebäude innen wie außen von der Traufe bis zum

häufig streitlustig und avantgardistisch. Den Auftrag

Boden bedecken. Der Architekt bleibt unerschütter-

für das Atelier Bardill im südlich von Chur gele-

lich bei der Aussage, dass dieses beliebig ver-

genen Scharans erhielt Olgiati von dem bekannten

teilte Rosettenmuster – das von der Verzierung einer

Schweizer Schriftsteller und Liedermacher Linard

alten Barocktruhe in Bardills Besitz inspiriert

Bardill, der eine alte, verfallene Scheune im Dorf-

ist – einer rein dekorativen Laune entsprungen sei

zentrum gekauft hatte. Olgiati war von der Idee, ein-

und keine symbolische Bedeutung habe. Es ver-

fach nur diese alte Scheune zu renovieren, nicht

stärkt aber die monolithische und monochrome Kon-

besonders angetan, aber den Dorfbewohnern sagte

zeption des Gebäudes, wobei es zugleich seine

es genauso wenig zu, dass ein fremdartiger moderner

Monumentalität reduziert. Die allumfassende Ober-

Bau den historischen Dorfkern dominieren sollte.

flächengestaltung schafft innen und außen ein

Daher wurde der Kompromiss geschlossen, das neue

homogenes Ganzes und spiegelt nach außen wider,

Gebäude in der exakten Kubatur der alten Scheune

dass das Atelier zwischen Privatheit und Öffent-

zu errichten.

lichkeit oszilliert; es greift metaphorisch auf, wie

Das Bauwerk, das Olgiati konzipierte, ist ganz

Künstler zwischen der introvertierten Zurück-

anders, als es auf den ersten Blick erscheint. Von

gezogenheit des Schöpfungsprozesses und der extro-

außen wirkt es monolithisch und geschlossen; man

vertierten Präsentation ihrer Werke hin- und her-

erwartet eine Abfolge großer Räume unter den

pendeln. Der fluktuierende Übergang zwischen privat

monolithischen Dachgiebeln. Dieses unausgespro-

und öffentlich zeigt sich an dem Gebäude auch

chene Versprechen wird aber nicht erfüllt, denn

anhand der großen Öffnung an der dem Dorfplatz zu-

innerhalb der Wände befindet sich nur ein einziger,

gewandten Westfassade. Die Öffnung blickt auf

60 Quadratmeter großer Raum. Der rostfarbene

die Umgebung hinaus und gewährt die Sicht auf den

Raum mit dem dreieckigen, in die Ecke eingekeilten

Piz Beverin, während die Passanten vom Platz

Kamin ist Bardills Atelier. Das Gebäude wirkt zwar

aus einen Einblick ins Atrium erhaschen können.

monolithisch, aber die Hauptmasse des Volumens ist

Das Bauwerk wirft die Frage auf, was ein Gebäude

tatsächlich leer: ein von den Wänden eingefasstes,

definiert: die Hülle der Fassade oder die um-

zum Himmel offenes Atrium, das theatralisch

schlossenen Innenräume? Braucht ein Gebäude ein

von einem elliptischen Deckenausschnitt bekrönt ist.

Dach, um überhaupt als Gebäude bezeichnet

Mit einer Ironie, die für sein Werk typisch ist, be-

werden zu können? Gewiss ist auf jeden Fall, dass

schwört Olgiati wie ein Zauberkünstler das Gebäude

Olgiatis Architektur zugleich sehr provokant

praktisch aus der Luft herauf.

als auch ästhetisch ansprechend ist. Sie hält immer Überraschungen bereit.

Der rote Beton hat eine viel natürlichere Ausstrahlung, er ist ursprünglicher, als wäre er aus der Erde gewachsen. Meine weißen Gebäude dagegen sind mehr das Ergebnis eines disziplinierten Intellekts. Valerio Olgiati

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WESTANSICHT SCHNITT LAGEPLAN

ERDGESCHOSS

1:5 000

1:200

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KULTIVIERTE ALLTÄGLICHKEIT

Kulturelle Vorbilder in der Schweizer Architektur der Gegenwart Irina Davidovici

184

Seit den 1990er-Jahren hat die Schweizer Architektur stetig neue Anhänger gewonnen. Zwei Pritzker-Preisträger innerhalb eines Jahrzehnts – Herzog & de Meuron 2001 und Peter Zumthor 2009 – sowie eine große Zahl prestigeträchtiger Bauten von Schweizer Architekturbüros im Ausland beweisen, dass die Architektur zu den erfolgreichsten Exportartikeln der Schweiz zählt. Den globalen Diskurs bestimmen dabei eine Handvoll vertrauter Namen, deren Projekte innerhalb und außerhalb der Schweiz immer stark beachtet und in den Fachzeitschriften und der Presse ausführlich diskutiert werden. Ein Architekturtourismus hat sich etabliert, der nicht nur in die wichtigsten Städte, sondern auch in abgelegene Orte in Graubünden oder im Tessin kommt, wo berühmte Architekten öffentliche Bauten und Privathäuser entworfen haben und immer noch entwerfen. Die Besucher von architektonischen Wahrzeichen werden jedoch feststellen, dass solche besonderen Projekte nicht um die Aufmerksamkeit von Außenstehenden buhlen. Vielmehr treten sie in der Regel in einen bedeutungsvollen Dialog mit der gut gebauten, sorgsam gepflegten Umgebung, in der sie angesiedelt sind. Anders als in großen Teilen Europas, wo von Menschen gestaltete Landschaften vorherrschen, bekommen Besucher, die auf den großen Routen durch die Schweiz reisen, eine hohe Dosis von pittoresken, offensichtlich natürlichen Landschaften ab. Entlang der Autobahnen und Bahnlinien erblickt man immer wieder Seen und Berge. Die Landwirtschaft ist kleinmaßstäblich, stark kontrolliert und komplettiert das Bild von idyllischen Dörfern und traditionell wirkenden Bauernhäusern. Die Vorstadtzersiedelung ist nur kurz durch die Autoscheibe zu sehen; auch Reklametafeln erblickt man eher selten. In solchen Gegenden werden jene, die mit den großen Namen der Schweizer Architektur vertraut sind, häufig Gebäude erblicken, die dem Werk dieser Architekten Tribut zu zollen scheinen. Schlanke Betonkonstruktionen und abstrakt mit Holzlamellen verkleidete Hallen fallen beim Vorbeifahren ins Auge und wirken gestaltet statt einfach für eine Zweckbestimmung errichtet. Derartige Bauten sind zwiespältig: Auf der einen Seite fordern sie durch einen ästhetischen Ehrgeiz, der über ihre Funktion als Wohnhaus oder Fabrik hinausgeht, Aufmerksamkeit, andererseits übernehmen sie eine vormals radikale architektonische Aussage, ordnen sie durch die Wiederholung wieder in die Sphäre des Normalen ein und verweisen sie damit zurück in den Bereich des Funktionalen. Dieses Wechselspiel zwischen anonymer und von Architekten-Autoren geschaffener Architektur ist nicht überraschend in einem Land, dessen raffinierte Verkehrsinfrastruktur mit ihren Viadukten, Brücken und Staudämmen allein schon ein Stück Baukunst darstellt. Solche Ingenieurbauten erzeugen – obwohl sie der Nützlichkeit geschuldet sind – zweifellos eine emotionale Wirkung. Sie lenken darüber hinaus die Aufmerksamkeit auf einen kulturell verankerten Wesenszug der Schweizer Produktion, nämlich deren Qualität. Die Nachfrage nach Präzision bei der Schaffung von Infrastrukturen sorgt in der Schweizer Bauindustrie für ein hohes Leistungsniveau, auf das die Architekten vertrauen können. Aus diesem Grunde sind Betonbauten – egal, ob es sich um Stellwerke, Wohnhäuser oder Museen handelt – hier häufiger und weniger umstritten als in anderen Ländern. Ihre glatten Oberflächen sind zugleich eine Metapher. Bei traditionellen Materialien wie Holz oder Stein zeigt sich ein ähnliches Niveau technischen Könnens, das in diesem Fall nicht in präziser Industriefertigung, sondern in einer Handwerkskultur gründet, die die ländlichen Regionen der Schweiz immer noch prägt. Sie stellen auch eine Quelle für zeitgenössische Bauten dar – und zwar nicht nur als historische Reminiszenz. Der Holzbau ist besonders gut etabliert, und Holz gilt als das angemessenste Baumaterial besonders in Gegenden, wo es günstig und reichlich vorhanden ist und das Wissen um die Holzbearbeitung von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Die jeweils vorherrschenden Materialien unterscheiden sich bei städtischen und ländlichen Gebieten, und das Gleiche gilt für die daraus hervorgehenden architektonischen Strategien. Auch die malerische Landschaft dient der zeitgenössischen Architektur, gleichgültig, ob die Kulisse ein traditionelles Dorf oder eine Bergkette ist. Drei Strategien herrschen hier vor, von denen die erste – die Schaffung abstrakter Artefakte wie zum Beispiel Valerio Olgiatis Nationalparkhaus in Zernez – für unser Thema von Vorbildern und Kopien wenig Relevanz besitzt. Derartige Gebäude wollen sich schlicht von ihrem Hintergrund abheben und sperren sich deswegen gegen Replikation und Normalisierung. In Gebieten von natürlicher Schönheit, in denen oft konservative Kräfte vorherrschen, wirkt die Präsenz solcher Gebäude wie eine Überraschung.

185

Eine weitverbreitete, ambivalentere Strategie besteht im Kombinieren von Formen oder Materialien, die der traditionellen Architektur entlehnt sind, mit anderen, die sich sofort als zeitgenössisch zu erkennen geben. Olgiatis Atelier für den Musiker Linard Bardill in Scharans oder das kleine Refugi Lieptgas am Rand von Flims von Nickisch Walder sind einschlägige Beispiele hierfür. Diese Gebäude sind zwar aus Beton gegossen, wiederholen aber mit ihren Spitzdächern und der kompakten Volumetrie exakt den Umriss der landwirtschaftlichen Gebäude, die sie ersetzen. Eine solche Planungsvorgabe gibt es bei vielen neuen Projekten in geschützten ländlichen Gebieten. Die vorgegebenen Dimensionen sind für die heutige Nutzung allerdings nicht besonders gut geeignet: Das erstgenannte Gebäude ist für das Aufnahmestudio eines Musikers zu groß, das letztgenannte zu klein für ein vollwertiges Feriendomizil. Beide Projekte verstehen es aber, diese Restriktionen kreativ zu nutzen. Olgiatis Projekt umschließt nur ein Drittel des vorgegebenen Volumens, der Rest wird zu einem hortus conclusus, der auch als Freiluftstätte für kleine Konzerte genutzt werden kann. Nickisch Walder hingegen vergrößerten das Volumen, indem sie in den Untergrund bauten und dabei eine natürliche geologische Formation freilegten, die das untere Fenster eindrucksvoll einrahmt. Beide Projekte nutzen den fließenden Charakter des Betons, um die ursprünglichen traditionellen Gebäude ins Gedächtnis zu rufen, schaffen aber mit radikal modernen Mitteln einen Ausgleich; in ersterem Fall mit rotem Farbstoff und Mustern und im letzteren mit einem isolierenden Ausguss der originalen Holzhütte. Die dritte Strategie – die fast vollständige Replikation der traditionellen Formen, Materialien und Details – hebt bewusst die Distanz zwischen der neuen Architektur und ihren vernakulären Vorbildern auf. Sie ist zwar scheinbar die am wenigsten radikale, hat aber die faszinierendsten Implikationen. Auf der einen Seite verschmelzen solche Gebäude am leichtesten mit ihrer Umgebung und nehmen die traditionelle Architektur in ihrer Gesamtheit in Anspruch, auf der anderen Seite aber sind sie als architektonische Aussagen mit eigenständigem künstlerischen Wert leicht zu übersehen. Die Privathäuser, kleinen öffentlichen Einrichtungen und Zweckbauten, die Gion A. Caminada in seinem Geburtsort Vrin errichtet hat, addierten sich im Lauf der Jahre zu einem Infrastrukturprojekt auf. Sie bedienen sich vor Ort verfügbarer Materialien und der Bauweise vieler dortiger Häuser – nämlich der lokalen Strickbau-Technik über einem Steinsockel. Caminadas Bauten besitzen etwas abstraktere Volumetrien und bauliche Details, unterscheiden sich aber für das ungeschulte Auge nur durch die Farbe des neuen Holzes von den Bestandsbauten des Dorfs. Diese Übernahme traditioneller Mittel sorgt für eine Annäherung des architektonischen Objekts an die vorgesehene Nutzung, macht es aber schwierig, die intendierte architektonische Aussage gegenüber reinen Zweckbauten zu erkennen. In den Städten der Schweiz zeigt sich eine andere Problematik, die hauptsächlich von der typischen Bedingung der Anonymität bestimmt ist. In der Regel tendieren städtische Umgebungen in der Schweiz dazu, die bestehenden Normen beizubehalten. Einige Büros haben zwar durchaus Interesse an der Schaffung einmaliger Gebäude, für gewöhnlich werden solche Projekte aber an die Peripherien verwiesen. In Zürich oder Genf, wo sich durch die Umsiedlung von Industriebetrieben in letzter Zeit Chancen für großflächige Neubebauungen ergaben, liegt der Akzent auf der Replikation eines urbanen Charakters – auf hoher Dichte, breiten Straßenfronten, einem regelmäßigen Raster der Öffnungen und klarer landschaftlicher Gestaltung. Die Aufträge werden mittels Wettbewerben und Partnerschaften zwischen Schweizer und internationalen Büros verteilt; die Verschiedenheiten zwischen den unterschiedlichen Autorschaften sollen den Eindruck einer spontanen, stückweisen Erschließung schaffen. Das Verlangen nach Originalität des Ausdrucks auf der einen Seite und nach dem Festhalten an wiedererkennbaren Typen andererseits ermöglicht intensive, herausfordernde städtebauliche Erfahrungen. In den Stadtzentren bieten sich weniger Gelegenheiten für große architektonische Aussagen. Neue Projekte sind in der Regel politisch sensibel. Selten entstehen «Monumente» – prestigeträchtige Bauten wie zum Beispiel Museen – und häufiger «Häuser», bei denen sich diverse Programme hinter regelmäßigen Fassaden verbergen, die denen der vorherrschenden städtischen Typologien ähneln. Der allgemeine Charakter solcher Areale ist an sich schon faszinierend. Es ist nicht ungewöhnlich, an Bauten bekannter Architekten, die

186

weltweit publiziert werden, vorbeizulaufen, die sich so gut in den bestehenden Kontext einfügen, dass sie keine besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Diener & Dieners Wohn- und Bürogebäude in Basel verschmelzen absichtlich mit dem städtischen Gefüge, statt sich als architektonisch gestaltete Artefakte hervorzuheben. Indem diese Projekte die charakteristischerweise anonymen städtischen Gebäudetypologien aufgreifen, oszillieren sie zwischen der Unsichtbarkeit massenproduzierter Bauten und autonomen Formen. Sie setzen insofern das Verständnis der europäischen Stadt als ein zusammenhängendes, wenn auch in sich heterogenes kulturelles Vorhaben fort. Das theoretische Rüstzeug, das hinter solchen Projekten steht, reicht bis in die 1970er-Jahre zurück, als Schweizer Architekten begannen, mit verschiedenen Techniken zu experimentieren, um architektonische Objekte in ihre Umgebung zu integrieren. Nachdem in den zwei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg die Möglichkeiten der architektonischen Moderne nahezu erschöpft waren, wandte sich der Architekturdiskurs wieder einmal der Geschichte als Inspirationsquelle zu. Während sich aber der Historismus des 19. Jahrhunderts auf heroische Vorbilder konzentriert hatte, um wohlhabenden kapitalistischen Gesellschaften klassischen Glanz zu verleihen, war man nach zwei Weltkriegen mit diesen diskreditierten Ideen vorsichtiger. Wie Neorealismus und Pop-Art deutlich zeigten, entstammten die bevorzugten historischen Vorbilder nun nicht mehr der Sphäre des Außergewöhnlichen und Monumentalen, sondern der des Gewöhnlichen und Alltäglichen. In der Schweiz führte die Suche nach kulturell relevanten Vorläufern zu zwei Hauptmodellen, die beide von pragmatischen und nicht von rein repräsentativen Bedürfnissen bestimmt waren. Der ältere, hauptsächlich in ländlichen Lagen vorherrschende Vorläufer war die traditionelle Architektur der landwirtschaftlichen Bauten, wo der Einsatz von Stein und Holz ein hohes handwerkliches Niveau besaß. Je städtischer ein Projekt war, umso verbreiteter war das Vorbild modernistischer Wohnanlagen oder Industriebauten, die in der Schweiz seit den 1930er-Jahren üblich waren. Diese moderate Moderne, die einer verherrlichenden Fabrikästhetik entstammte, war allerdings weit von der radikal linken Ideologie entfernt, die man mit der modernistischen Avantgarde der 1920er-Jahre verbindet. Sie verdankte ihre Langlebigkeit vielmehr gerade der Fähigkeit, die Vorherrschaft und die Interessen einer wohlhabenden Bourgeoisie zu repräsentieren. Die Hinwendung zur Geschichte mit dem Ziel, die Situation in der Gegenwart zu begreifen, gründete theoretisch im Postmodernismus – nämlich der Verwendung einer doppelt verschlüsselten Architektur, die durch raffinierte Verweise ein Fachpublikum ansprach und gleichzeitig durch die Verwendung vertrauter, wiedererkennbar Motive um die Anerkennung in breiten Kreisen buhlte. Die Schweizer Architekten lehnten zwar den eklektischen Formalismus der Postmoderne ab, waren aber stark von Aldo Rossi und Robert Venturi – zwei wichtigen theoretischen Vorreitern der Postmoderne – beeinflusst. Von Rossis sprechendem, aber ambivalentem Begriff einer «analogen Architektur» lernten sie, vertraute Gebäudetypen und Formen zu verwenden, die neue Gebäude mit reichen Assoziationen aufluden, welche sich über weit längere Zeiträume herausgebildet hatten. Venturis rhetorische Frage, ob die Main Street nicht immer Recht habe, signalisierte ein echtes, wenn auch leicht abschätziges Interesse an alltäglichen Umgebungen.¹ Für die Schweiz eröffneten seine Schriften eine Möglichkeit, mit ihren lokalen Varianten einer «hässlichen und gewöhnlichen Architektur» zurechtzukommen. Die industriellen Randzonen, anonymen Vorstädte und nichtssagenden Wohnanlagen, die das Aufwachsen in der Schweiz der 1950er-Jahre prägten, wurden zu gültigen Vorbildern der Schweizer Architektengeneration, die in den späten 1970er-Jahren hervortrat. Das Interesse an Formen, Materialien und Umwelten, die durch Gebrauch und Wiederholung vertraut waren, nahm in den frühen und mittleren 1980er-Jahren deutlich zu. Die frühen Projekte von Herzog & de Meuron oder Diener & Diener stellten Bezüge zu vertrauten städtischen und vorstädtischen Gebäudetypologien, Gärten und Industrieanlagen her. Peter Zumthor, der zunächst als Zimmermann und danach als Architekt für den Denkmalschutz gearbeitet hatte, ließ sich von der alpinen Architektur rund um Chur inspirieren. Das in allen Projekten erkennbare Festhalten an regionalen Eigentümlichkeiten und kulturellen Bezügen ließ von Anfang an einen breiten und divergierenden Diskurs entstehen, der sich nicht einfach unter dem Schlagwort einer nationalen schweizerischen Identität subsummieren lässt. Ein Merkmal, das diese Entwürfe verband, war allerdings ihr künstlerischer Anspruch, der sich nicht auf einer konzeptuellen Ebene manifestierte.

187

Schweizer Projekte übernehmen weiterhin Techniken der Tarnung, indem sie Formen oder Materialien der lokalen Architektur wiederholen – eine Strategie, die künstlerische oder intellektuelle Überlegungen mit eher pragmatischen Konzessionen an Planungsanforderungen oder den populären Geschmack verbindet. Solche Gesten der Vermittlung und Zurückhaltung fügen tendenziell dem ursprünglichen künstlerischen Impuls eher etwas hinzu statt ihn abzuschwächen, ganz gleichgültig, ob sie ästhetisch oder politisch motiviert sind. Oft handelt es sich auch um eine Mischung ästhetischer und politischer Beweggründe. Wenn radikale Visionen auf die anspruchsvollen Realitäten spezifischer Orte, etablierter Bauweisen, programmatischer Anforderungen oder begrenzter Budgets treffen, werden sie einem Prozess der Auswahl und Verfeinerung unterzogen, der zu besseren und reicheren Entwürfen führt. Zumthors frühe Projekte sind ein eindrückliches Beispiel hierfür; sie gründen in einer persönlichen Suche nach Gebäuden, die wie ein selbstverständlicher Bestandteil ihrer Umgebungen wirken und zu sagen scheinen: «Ich bin so, wie Du mich siehst, und ich gehöre hier hin».² Diese Ästhetik des Selbstverständlichen besitzt ihre Ambiguitäten. Indem sie versucht, so auszusehen, als sei sie schon immer dagewesen, erschließt sich eine Architektur, die die Spontaneität vernakulärer oder industrieller Gebäude repliziert – ein weites Gebiet des kulturellen Gedächtnisses. Ein unmittelbares Problem besteht in der Unwahrscheinlichkeit, die «Authentizität» der Originale zu erreichen. Künstlerischer Ehrgeiz führt zu Differenzierungen, die einen gewissen Grad an Entfremdung mit sich führen. Wird es begrifflich erfasst, wird das «Selbstverständliche» noch schwerer erreichbar. Denn die Bemühungen, schlichte und direkte Beziehungen zwischen Form, Material und Bauweise zu erlangen, die bei traditionellen oder bei Zweckbauten auftreten, sind in der Regel weder schlicht noch direkt. Ein weiteres Problem ist die belastete Beziehung von Kopien zu ihren Vorbildern. Sobald Geschichte und Tradition als Formenrepertoire für zeitgenössische Entwürfe benutzt werden, gibt es kaum Orientierungshilfen, wie eine angemessene Bezugnahme aussieht und wie nicht. Es existiert keine klare Grenze zwischen einem legitimen Zitat und einem zweitklassigen Flickwerk. Auf jedes Gebäude, das auf wertvolle Weise eine Brücke zwischen Tradition und Innovation schlägt, folgt fast unvermeidlich eine Reihe verwässerter Kopien, die die formalen oder materialen Eigenschaften des Vorbilds ohne dessen intellektuelle Schärfe aufgreifen. In der Schweiz ist Mäßigung historisch verankert und wird politisch gestützt. Die Integration architektonischer Objekte in ihr Umfeld ist Teil der Landeskultur und steht für gesellschaftliche Verantwortlichkeit. Die eingehende Untersuchung der vernakulären Architektur und die Zitate und Bezüge auf sie in zeitgenössischen Projekten sind eine Folge dieser kulturellen Konditionierung. Eine zeitgenössische Architektur, die auf eine Eigendefinition abzielt, muss hier – wie allerdings auch anderswo – zu einem Ausgleich zwischen den Forderungen nach breiter Verständlichkeit und nach anspruchsvoller künstlerischer Qualität gelangen. Die Beeinflussungen erfolgen in zwei Richtungen: Während anfangs, gestützt auf eine intellektuelle Positionierung, die «hohe Architektur» von der anonymen borgte, ist zunehmend auch das Gegenteil der Fall. Formale Mittel und technische Innovationen, die zuerst in einmaligen, experimentellen Projekten auftraten, werden vom Mainstream absorbiert. Die größte Gefahr bei diesem Vorgang der Normalisierung liegt in einer rein formalen Wiederholung ohne ein angemessenes Niveau technischer oder intellektueller Übersicht. Die Wiederholung ist an sich nicht problematisch: Auf empirischer Ebene wurzelt Architektur immer in der Wiederholung, Übernahme und Adaptation von Vorläufern. Diese Prozesse eröffnen ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Das eine Extrem bilden triviale, in manchen Fällen sogar ethisch fragwürdige Projekte, die durch ökonomischen Gewinn ihren Mangel an kulturellem Wert wettmachen wollen. Das andere Extrem sind die seltenen und umso wertvolleren Fälle, in denen einer anonymen Kopie eine spontane Korrelation von Form und Zweckbestimmung gelingt, die das höher angesehene Vorbild vermeiden. Die schwer erreichbare Eigenschaft einer «selbstverständlichen» Architektur ergibt sich zuweilen daraus, dass die Forderung nach der Vernunft über künstlerischen Ehrgeiz obsiegt. ¹ Robert Venturi, Complexity and Contradiction in Architecture, New York: Doubleday, 1966, S. 104. ² Peter Zumthor, «Eine Anschauung der Dinge», in: Architektur denken, Basel: Birkhäuser, 2006, S. 17.

188

BEARTH & DEPLAZES

Architektur zu schaffen ist wie Schachspielen: Man spielt gegen einen Gegner, aber eigentlich gegen sich selbst. Man fordert sich selbst heraus – je stärker man ist, umso besser. Andrea Deplazes

189

BEARTH & DEPLAZES

Hinter den Gerichtssälen gibt es in dem Gebäude

IN ZUSAMMENARBEIT MIT DURISCH + NOLLI

noch mehr zu entdecken und zu bestaunen:

BUNDESSTRAFGERICHT

Giuseppe Bolzanis monumentale Wandmalerei von

BELLINZONA

1952 nämlich, welche die Architekten aufgrund

2013

ihrer historischen Bedeutung erhalten mussten. Das Gemälde schmückt die dunkle, holzgetäfelte Cafe-

Hinter einer schön proportionierten, blendend weißen

teria im ersten Geschoss mit Blick auf die Piazza.

neoklassizistischen Fassade verbirgt sich, den

Dieser Gemeinschaftsraum bereichert den Gesamt-

Augen der Öffentlichkeit entzogen, ein überraschen-

eindruck und erzeugt einen Kontrapunkt zu dem

des architektonisches Juwel. Das Gebäude, eine

sonst dominierenden Weiß. Die Bibliothek rings um

ehemalige Handelsschule, ist Sitz des Bundesstrafge-

die angeschrägte Deckenkonstruktion im zweiten

richts und steht im italienischsprachigen Kanton

Geschoss ist ebenfalls bemerkenswert. Sie ist über

Tessin. Für die Architekten – Valentin Bearth, Andrea

dem Hauptgerichtssaal abgehängt und dient ge-

Deplazes und Daniel Ladner in Zusammenarbeit

wissermaßen als eine metaphorische «höhere Ord-

mit Pia Durisch und Aldo Nolli – stand fest, dass sie

nung» des gesammelten Wissens. Die Bibliothek

das 1895 errichtete Bestandsgebäude nicht abreißen,

ist mit dunklem, geräucherten Eichenholz ausgeklei-

sondern renovieren und erweitern wollten. Die Erwei-

det und wird von oben mit diffusem Licht beleuch-

terung schließt sich nahtlos an: Die Architekten

tet. Die hellen Höfe, in denen sich die zu den Büros

hielten sich an die Dimensionen des alten Gebäudes,

hinaufführenden Treppen befinden, gehen durch die

setzten die Traufhöhe fort, verwendeten vertikale

gesamte Tiefe des Gebäudes und sind von Sonnen-

Fenster von gleicher Größe und Proportion wie beim

licht durchflutet. Steigt man die Stufen hinauf,

Ursprungsbau und setzten auch das Farbschema

bietet sich ein recht spektakulärer Blick über das

in hellem, weißen Beton fort. Die Erweiterung wurde

gesamte dreigeschossige Volumen. Die schlanken

so sensibel entworfen, dass sie sich kaum abhebt.

Geländer mit feinen Goldbronzeverzierungen geben

Nähert man sich dem Gebäude von der Altstadt her, fallen die leuchtend weißen Fassaden gegenüber

dem Gebäude zusätzlich Eleganz und Prestige. Die schiere Perfektion der Betonbearbeitung ist

der baulichen Umgebung ins Auge. Beim Eintreten

frappierend: Die geraden, scharfen Kanten und

ist man auf das räumliche Schauspiel, das sich

die ausgekehlten Fensterlaibungen verraten hoch-

hinter dem Portikus, der Sicherheitsschleuse und den

präzise Handwerkskunst. Dem Gebäude gelingt

Schwingtüren verbirgt, absolut nicht vorbereitet.

es, gleichzeitig opulent und zurückhaltend zu wirken;

Durch die Durchgangsräume gelangt man in einen

es ist der konkrete Beweis für die Möglichkeit,

hellen, leuchtenden Sitzungssaal, von dem aus

ein altes Gebäude auf respektvolle und innovative

Falttüren in einen noch höheren, noch helleren Ge-

Art zu revitalisieren und dabei ein schönes neues

richtssaal führen, welcher durch ein hoch oben

Stück Architektur zu realisieren, das den Zeitgeist

sitzendes Oberlicht erhellt wird. Die zurückhaltende

des 21. Jahrhunderts einfängt.

Gestaltung der unteren Bereiche steht im Gegensatz zu den prachtvollen Kuppelschalen, die hoch aufragen, um durch die Okuli an ihrer Spitze Licht aufzunehmen. Massive, vorgefertigte dreieckige Betonelemente nehmen die dreieckige Form des pyramidalen Deckenraums auf. Die verwirbelte organische Textur der Oberfläche ist nicht einfach nur dekorativ, sondern besitzt die wichtige Funktion der Akustikregulierung; Hörbarkeit ist in einem Gerichtssaal ein entscheidendes Gebot. Das Spiel des Lichts auf der Oberfläche und dem strukturierten Muster ist opulent und bezaubernd. Es findet sich hier eine Anspielung auf die römische Architektur: Nach Aussage der Architekten ist der Entwurf der Gerichtssäle vom Oculus des Pantheon und der kassettierten Kuppel von San Carlo alle Quattro Fontane des Schweizer Barockarchitekten Borromini inspiriert.

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LAGEPLAN

1:3 000

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SCHNITT A SCHNITT B

1:400

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A B

A

B

ERDGESCHOSS

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1. OBERGESCHOSS

1:400

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2. OBERGESCHOSS

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BEARTH & DEPLAZES

Die vollständig mit schmalen Bändern aus silbern

MONTE-ROSA-HÜTTE

schimmerndem Aluminium umkleidete Konstruktion

ZERMATT

wirkt kristallin und damit so rein und ursprünglich

2005 –2009

wie die nackten, schneebedeckten Gipfel, die um sie herum aufragen. Die Form des facettierten Gebäudes

Die Region südöstlich von Zermatt gehört zu den

ist teilweise der Absicht geschuldet, die Ausrich-

spektakulärsten Landschaften der Schweiz. Eine der

tung und den Neigungswinkel der Fotovoltaikpanele,

klassischen Alpenwanderungen hier ist der Auf-

durch die das Gebäude mit Strom versorgt wird,

stieg zum Gornergrat – ein schwerer, dreistündiger

zu optimieren. Durch seine Polygonalität entstehen

Marsch bis zum Gelände der Monte-Rosa-Hütte.

Räume mit ungewöhnlichen Formen; zudem wird

Zwischen dem Gornergrat und dem Matterhorn

so auch die Oberfläche der Fassaden optimiert.

erstreckt sich das zweitgrößte Gletschersystem der

Die Basis des Tragwerks besteht aus einer stern-

Alpen. Diese Hochgebirgslandschaft bildet eine

förmig ausstrahlenden Stahlplattform auf einem

«heilige Welt» aus Felsen und Gletschern: Die Berge,

Fundament aus einem Betonkranz, welche die

der Schnee und der weite Himmel sorgen für ein

darüber befindliche vorgefertigte leichte Holzkon-

unvergleichliches Naturerlebnis. In einer so ehrfurcht-

struktion stützt. Man betritt die Hütte über das

gebietenden Landschaft zu bauen könnte respekt-

unterste Geschoss, von dem aus man über eine Holz-

los erscheinen. Aus der Gelegenheit, hier eine

treppe zu den Gemeinschaftsbereichen im Erdge-

Berghütte zu realisieren, erwuchs daher auch die

schoss gelangt. Ein schmales Fensterband läuft rings

Verpflichtung, mit großer Sensibilität vorzugehen.

um den Raum und gewährt einen herrlichen Pano-

Anlässlich des 150. Jahrestags der ETH (Eidgenös-

ramablick auf die umliegenden Berggipfel. Darüber

sischen Technischen Hochschule) Zürich tat sich

gehen von dem in der Mitte platzierten Treppenhaus

die Universität mit dem Schweizer Alpen-Club (SAC)

fächerförmig auf drei Geschossen trapezförmige

zusammen, um unter Leitung der Architekten

Schlafsäle mit insgesamt 120 Betten aus. Innen ist

Andrea Deplazes und Daniel Ladner die alte SAC-

die Hütte mit Tannenholz verkleidet, das eine warme,

Hütte durch ein neues, modernes Gebäude zu erset-

intime Atmosphäre erzeugt und ein Gefühl von

zen. Die Errichtung eines Gebäudes auf einem

Zufluchts- und Schutzmöglichkeit vor den rauen Ele-

Gelände ohne Straßenzugang, Strom und Wasser in

menten der Hochalpen vermittelt.

einer Höhe von fast 3 000 Metern brachte natur-

Die geschickte Kombination von Hightech und

gemäß gewaltige logistische und technische Heraus-

Lowtech hebt den traditionellen Typus der alpi-

forderungen mit sich. Alle Baumaterialien muss-

nen Berghütte in Bezug auf Nachhaltigkeit und Ent-

ten per Hubschrauber zur Baustelle gebracht werden,

wurfskonzeption auf ein neues Level. Bearth &

wodurch das Gewicht jedes einzelnen Elements

Deplazes beweisen ihre Sensibilität gegenüber dem

auf maximal 600 Kilogramm beschränkt war. Die Arbeit

tektonischen Charakter der baulichen Form und

vor Ort konnte nur in den schneefreien Sommer-

deren Fähigkeit zur Umgestaltung der abgelegenen,

monaten durchgeführt werden, sodass der Zeitplan

zerklüfteten Stätte. Dem Entwurfsteam ist es

genau eingehalten werden musste. Eine Hütte

gelungen, mit seinem topografischen Gebäude die

in einem dermaßen unzugänglichen Gebiet muss so

Kraft des Ortes zu nutzen: In der spektakulären,

autark wie möglich sein, ihren Energieverbrauch also

kristallinen Architektur spiegelt sich die Dramatik

so weit wie möglich selbst decken. Zu diesem

der gewaltigen Landschaft wider.

Zweck wird in einer Felskaverne Wasser gesammelt und zur Hütte geleitet; dank Wasseraufbereitung kann es mehrfach wiederverwendet werden. Wärmekollektoren neben dem Gebäude erwärmen das Brauchwasser und die Luft für die Raumheizung, und eine Fotovoltaikanlage sorgt für Strom. Das Projekt wurde als experimentelles Laboratorium betrachtet, um herauszufinden, ob ein Bauwerk an einem abgelegenen, schlecht erreichbaren Ort hoch in den Alpen zugleich autark und nachhaltig sein konnte. Anfänglich produzierte das Gebäude 90 Prozent seines Energiebedarfs, da aber die Besucherzahlen die ursprünglichen Schätzungen weit überstiegen, mussten Nachbesserungen vorgenommen und Alternativpläne erarbeitet werden, um den Andrang der Bergsteiger zu bewältigen.

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3. OBERGESCHOSS 1. OBERGESCHOSS

1:200

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SCHNITT

1:200

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ERDGESCHOSS

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:MLZD

Um gute Architektur zu verwirklichen, braucht ein Architekt Leidenschaft, Neugierde und Beharrlichkeit. :mlzd

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Das Bauwerk weicht vom traditionellen Gebäude-

:MLZD ERWEITERUNG DES HISTORISCHEN MUSEUMS

begriff mit vier senkrechten Außenwänden und

BERN

einem Dach ab. Das Volumen zeigt sich als Kristall

2006 – 2009

aus Beton. Seine Rückseite besteht aus fünf geneigten dreieckigen Flächen, während die Front-

Die Erweiterung des Historischen Museums in

fassade gerade geschnitten ist – ganz so, als wäre

Bern von :mlzd ist ein ausgezeichnetes Beispiel für

der Stein gespalten worden, um den glatten,

eine Erweiterung eines historischen Gebäudes,

glasierten Kern freizulegen. Faszinierend ist, wie sich

die sich weder unterordnet noch dominiert, sondern

der Turm von Norden gesehen optisch verflüchtigt:

sich eigene Geltung verschafft und damit das be-

das stark reflektierende Glas spiegelt die Fassade

stehende Ensemble bereichert. Die Hinzufügung

des schlossartigen Museumsaltbaus, sodass er prak-

versteckt sich bescheiden hinter dem ursprünglichen

tisch verschwindet. Diese Fassade wurde so de-

Museum, das in prominenter Lage an der Kirchen-

tailliert, dass sie direkt an den Beton der Kristallform

feldbrücke steht, die den Helvetiaplatz mit der Berner

anschließt. Die Spiegelwirkung und die fehlende

Altstadt auf der anderen Seite der Aare verbindet.

Umrahmung der Spiegelfläche verstärken den Ein-

Nähert man sich dem Gebäude, so deutet nichts

druck der Entmaterialisierung.

darauf hin, dass sich hinter dem romantischen Histo-

Ähnlich wie beim Tenerife Espacio de las Artes

rismus des 19. Jahrhunderts ein hochmodernes

(TEA) von Herzog & de Meuron sind auf den Beton-

Stück Architektur verbirgt.

flächen überdimensionierte Pixel zu sehen, die in be-

Das neue Volumen setzt einen provokanten Kon-

liebiger Verteilung aus den Oberflächen ausgespart

trapunkt zu dem eklektischen Altbau von André

wurden. In einigen Fällen sind diese «Pixel» flach,

Lambert aus dem Jahr 1894. Der Entwurf des in Biel

in anderen tief eingeschnitten, und in wieder andere

ansässigen Architekturbüros :mlzd ist äußerst

schneiden sie komplett durch die 35 Zentimeter

intelligent: Ein großer Anteil der zugewonnenen Flä-

dicke Betonhülle, um Sonnenlicht in die Büros gelan-

chen wurde unter die Erde verlegt, wo eine 1000

gen zu lassen. Die Schalung aus OSB-Platten und

Quadratmeter große, fensterlose Ausstellungshalle

der gelbliche Beton verleihen den Oberflächen eine

gebaut wurde, die entsprechend von außen nicht

fein differenzierte Patina und Struktur. Die gelb-

sichtbar ist. Diese Halle – ein weiter, schwarzer Leer-

lichgraue Farbe des Betons ist ideal auf die Stuck-

raum – bildet einen Gegensatz zu dem auffälligen

patina von Lamberts historischem Gebäude

hellen Volumen über der Erde. Innerhalb dieses stüt-

abgestimmt. Zusammen mit dem hellen Spiegelbild

zenfreien Leerraums können die Museumskuratoren

erzeugt dieser Bezug ein faszinierendes Wechsel-

Ausstellungen beliebig auf- und umbauen, so wie

spiel und einen Dialog zwischen Alt und Neu.

sich eine Schultafel beliebig abwischen und neu mit

Der Erweiterungsbau von :mlzd gibt dem Museums-

Kreide beschreiben lässt. Unterhalb der Halle liegen

areal neue Energie und schenkt der Bundesstadt

noch zwei Depotgeschosse mit insgesamt 3 200

der Schweiz ein architektonisches Wahrzeichen des

Quadratmetern Lagerfläche. Sichtbar von dem allen

21. Jahrhunderts.

ist nur die «fünfte Fassade»: das Dach der Halle, das sich als erhöhte Terrasse zeigt. Diese Terrasse ist zwar wenig genutzt, spielt aber insofern eine wichtige Rolle, als sie dem Alt- und dem Neubau eigene Bereiche und damit eine eigene räumliche Integrität gibt. Die Südseite des Platzes wird vom «Titanturm» begrenzt. :mlzd schufen mit der zeitgenössischen Interpretation eines aufragenden Burgturms ein architektonisches Ausrufezeichen des Projekts. Das herausragende Berner Unternehmen Tschopp Ingenieure GmbH spielte eine entscheidende Rolle bei der Lösung der schwierigen Details und des konstruktiven Aufbaus des facettenreichen, kristallförmigen Turms. Interessanterweise ist er nicht Teil des Museums; in ihm sind Büros, eine Bibliothek und ein Lesesaal des Staatsarchivs untergebracht.

Die Abfolge von drei verschiedenen Außenräumen – Garten, Platz und Treppe – stellt sicher, dass sich der Neubau in das bestehende Ensemble einfügt und mit seiner städtischen Umgebung verschmilzt. :mlzd

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A

B

A

B

GRUNDRISS PLATZEBENE

1:700

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SCHNITT A SCHNITT B

1:700

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3. OBERGESCHOSS 2. OBERGESCHOSS 1. OBERGESCHOSS AUSSTELLUNGSEBENE

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STUDIO VACCHINI

Die Architektur ist heute in der Schweiz und weltweit zunehmend eine Formfrage. Unsere Arbeit möchte hingegen die Entwicklung der Technologie nicht im Dienst von Stil oder Form, sondern im Dienst der menschlichen Gesellschaft fördern. Eloisa Vacchini

219

STUDIO VACCHINI SPORTZENTRUM MÜLIMATT WINDISCH 2010

In einem Land, in dem Sport ernst genommen wird und die Winter lang und kalt sind, sind Sporthallen für das ganzjährige Training unabdingbar. Die Aufgabe des in Locarno ansässigen Studios Vacchini bestand darin, für die Fachhochschule Nordwestschweiz eine Sporthalle ohne tragende Innenwände oder tragende Säulen zu errichten. Gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Fürst Laffranchi gelang es Studio Vacchini, mit der 55 Meter breiten, stützenfreien Halle die Grenzen des technologisch Machbaren zu erweitern. Das Sportzentrum liegt zwischen der Aare und der Bahntrasse und ist höchstens fünf Gehminuten vom Bahnhof Brugg entfernt. Die kunstvollen Betonfassaden fallen sofort ins Auge. Im Inneren befinden sich zwei große Sporthallen mit Tribünen und Servicebereichen. Die feine Betonkonstruktion wurde mit der Klarheit und Präzision einer Schweizer Uhr entworfen. Wie ein gewaltiges Akkordeon faltet sich der schlanke Beton zu einem dynamischen Zickzackrhythmus aus geschlossenen und verglasten Wellengipfeln und -tälern auf. Herausragend ist nicht allein der kraftvolle Entwurf, sondern sind auch die absolute Präzision und Feinheit der Betonverarbeitung. In aller Regel sind Sporthallen farbenfroh, aber Vacchini setzt die verhaltene, graue Farbpalette der Außenfassaden innen in den Hallen fort und schafft damit eine ruhige, kühle Atmosphäre. Nur die Sportler und die Besucher bringen Farbe und Bewegung in die lichtdurchfluteten Räume. Wegen der leichten Neigung des Geländes liegt ein Teil des Untergeschosses unterhalb des Bodenniveaus. Servicebereiche wie Umkleideräume und Duschen sind hier geschickt versteckt. Die Zugangstreppen zum Untergeschoss in der Mitte des 80 Meter langen Gebäudes unterteilen die Halle in zwei großzügige Räume mit je drei Basketballplätzen. Die selbsttragende Konstruktion ohne konstruktive Zwischenwände ist eine Meisterleistung der modernen Ingenieurskunst. Studio Vacchini verbindet hier intellektuelle Stärke mit technischem Know-how. So verwirklichten die Architekten nicht nur ihr ehrgeiziges Ziel, sondern schufen darüber hinaus ein meisterhaftes architektonisches Werk, das wie eine gefaltete Origamiskulptur zugleich feingliedrig und kraftvoll ist.

Technik und Technologie eröffnen immer neue Horizonte, Räume genauer und spannender zu planen. Studio Vacchini

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LAGEPLAN

1:2 500

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B

A

B

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1. OBERGESCHOSS ERDGESCHOSS

1:1 000

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SCHNITT A SCHNITT B

1:500

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EM2N

Wir begegnen der Dauerkrise unserer gebauten Umwelt weder ironisch noch dramatisch, sondern vielmehr mit einem nüchternen Blick auf das Vorhandene. EM2N

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Ein- und Ausgang an den Querfassaden sind vom

EM2N ERWEITERUNG DER SERVICEANLAGE

Boden bis zur Decke verglast und zurückgesetzt,

HERDERN DER SBB

sodass der Eindruck von Kontinuität entsteht – ganz

ZÜRICH

so, als handele es sich lediglich um den Abschnitt

2013

eines Gebäudes, das sich unendlich fortsetzen könnte. Innerhalb enger Budgetgrenzen ist es EM2N

Das weite Bahnnetz der Schweiz ist weithin für seine

gelungen, ein auffälliges Gebäude zu schaffen,

Effizienz und Pünktlichkeit bekannt. Da das Land

welches das Gelände an den Schienensträngen auf-

so klein ist, ist es möglich, in einer Stadt zu leben und

wertet. Aus einer Industrieeinöde wurde so ein

zum Arbeiten in eine andere zu pendeln. Viele

künstlerisch ausdrucksvoller Ort.

Menschen verzichten auf ein eigenes Auto, weil der öffentliche Personenverkehr gut ausgebaut ist und noch die entlegensten Täler und Bergdörfer mit Zug, Bus oder Seilbahn erreichbar sind. Die Zuverlässigkeit des Bahnnetzes führt dazu, dass immer mehr Menschen mit dem Zug fahren; es müssen weitere Abteile angekoppelt werden, um die gestiegene Anzahl der Passagiere zu bewältigen. Die neue, 400 Meter lange Serviceeinrichtung der Bahn in Zürich ist für solche überlangen Züge ausgelegt. Da das Gelände feststand und die Konstruktion bereits von Ingenieuren vorgegeben worden war, war die Entwurfsaufgabe für die Architekten recht eingeschränkt und umfasste lediglich die Schaffung einer Hülle zur Verkleidung der Südfassade. Mit fünf Meter langen Elementen, die sich in überlappenden Wellen verbreitern und verengen, geben die Architekten der Fassade einen dreidimensionalen Ausdruck. Sie mag wie eine große aufblasbare Konstruktion wirken, besteht aber tatsächlich aus mit Glasfaser verstärktem Beton. Durch das Weglassen einzelner Betonelemente entstehen lange, horizontale Spalten, die Licht in die Werkstättenbereiche im Inneren gelangen lassen und Einblicke gewähren. Das Krümmungsprofil der Betonelemente nimmt im unteren Teil der Fassaden ab, um Löschfahrzeugen das Vorbeifahren zu ermöglichen. Die leicht gewellten Linien stellen eine passende Gliederung für eine Betriebseinrichtung der Bahn dar und spiegeln die lineare Dynamik der auf den Schienen schnell vorbeifahrenden Züge wider. Als Schutzmaßnahme gegen Graffiti wurden die Oberflächen mit einer wasserabweisenden Schicht überzogen.

Dank der zentralen Lage in der Nähe des sich schnell entwickelnden Stadtteils Zürich West und durch die visuelle Wirkung seiner schieren Länge erlangt das neue Gebäude städtebauliche Bedeutung. Es betont die Stadtkante am Rande der großartigen Leere des Gleisfelds und begrüßt die mit dem Zug einfahrenden Besucher Zürichs, indem es ihnen den Beginn des Stadtzentrums signalisiert. EM2N

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ERDGESCHOSS

1:1 500

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SÜDANSICHT SCHNITT A

1:1 500

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SCHNITT B

1:500

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ARBEITSBEDINGUNGEN FÜR ARCHITEKTEN Jean-Paul Jaccaud

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Die Arbeitsbedingungen werden weltweit zunehmend schwerer für Architekten, es bläst ihnen ein rauer Wind entgegen und drängt sie in eine marginale Position, aus der heraus sie nur noch ästhetische Hüllen für ein Bauvorhaben abliefern können, das sie nicht länger kontrollieren und vielleicht nicht einmal vollständig verstehen können. Dieser Wind weht zwar auch durch die Schweizer Alpenlandschaften, hat aber bislang noch nicht dieselben verheerenden Auswirkungen wie in anderen Ländern erreicht, wo die Stimme des Architekten im Getöse der gleichgültigen Auftraggeber, großen Entwurfsteams, industriell standardisierten Lösungen und ökonomischen Zwänge kaum noch zu vernehmen ist. Innerhalb der vorherrschenden globalen Trends in diesem Berufsstand erfreuen sich die Schweizer Architekten beruflicher Bedingungen, die irgendwo zwischen wahrgewordenem Traum und bröckelndem Anachronismus liegen. Es wäre ein Fehler, die architektonische Produktion in der Schweiz zu idealisieren: Jahr für Jahr werden unzählige scheußliche Gebäude errichtet. Dennoch herrscht ein hohes Maß an Kontrolle über den Entwurfs- und Konstruktionsprozess, das die Produktion einer Architektur ermöglicht, die ihre Kohärenz vom städtebaulichen Maßstab bis hinunter zu den feinsten Details bewahrt. Wie genau sich das entwickelt hat, ist eine komplexe Frage, die sich nicht leicht beantworten lässt. Ich glaube jedoch, dass gewisse Schlüsselaspekte eine wichtige Rolle bei der Etablierung der starken architektonischen Kultur des Landes spielten, und möchte hier eine lose Erklärung einiger dieser Aspekte versuchen. Die Verantwortlichkeiten der Schweizer Architekten decken viele unterschiedliche Aspekte des Bauvorgangs ab, die in anderen Ländern anderen Berufen überlassen werden. Sie sind nicht nur für den Entwurf ihrer Projekte zuständig, sondern auch für Kostenschätzung und Kostenkontrolle, die Koordination des Entwurfsteams und das Management auf der Baustelle. Diese breit gestreuten Kompetenzen und das dafür erforderliche Know-how garantieren ein einmaliges Maß an Kontrolle, wobei meiner Ansicht nach die wichtigsten Besonderheiten in der Kontrolle der Prozesse auf der Baustelle und der Kostenkontrolle liegen. Auch wenn viele Projekte in der Schweiz von Generalunternehmern betreut werden, sind spezialisierte Gewerke, deren Know-how durch ein gut etabliertes Ausbildungssystem sichergestellt wird, immer noch stark präsent. Die Projekte werden nach wie vor hauptsächlich an spezialisierte Unternehmen vergeben, deren Arbeit der Architekt vor Ort koordiniert. Diese Rolle, die in anderen Ländern ein einziger Generalunternehmer übernimmt, gibt dem Architekten eine extrem enge Kontrolle über alle Aspekte des Bauvorgangs und stellt sicher, dass bei der Umsetzung der Entwurfszeichnungen wenig verloren geht. Die Kostenkontrolle von der Anfangsschätzung bis zu detaillierten Mengen und Einzelpreisen vor Ort ermöglicht zusammen mit dem Management der Baustelle ein klares Verständnis davon, was gekauft wird, wofür Geld ausgegeben wird und auf was verzichtet werden sollte, wenn Einsparungen erzielt werden müssen. Mehrere Faktoren haben zu dieser privilegierten Stellung beigetragen: in erster Linie ein Rahmen aus historisch verwurzelten Vereinigungen, die die Interessen des Berufsstands verteidigen, und ein Ausbildungssystem, das ein detailliertes Verständnis des Bauvorgangs begünstigt.

239

Berufsverbände spielen historisch eine wichtige Rolle in der Architekturkultur der Schweiz. Die beiden wichtigsten Verbände – der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) und der Bund Schweizer Architekten (BSA/FAS) – wurden 1837 beziehungsweise 1908 gegründet und verteidigen kontinuierlich aktiv verschiedene Aspekte des Berufsstands. Der SIA vertritt ein breiteres Spektrum an Berufsgruppen im Bereich des Ingenieurwesens und der Architektur, der BSA/FAS nur die Interessen der Architekten; beide Verbände arbeiten häufig zusammen. Die Arbeit dieser Berufsverbände ist entscheidend für die Sicherstellung einer klaren Definition und eines klaren Verständnisses der Architektenrolle sowie für finanzielle und vertragliche Bedingungen, die eine hohe Qualität der auszuführenden Arbeiten gewährleisten. Das mag selbstverständlich klingen, ist aber in den meisten Ländern keineswegs der Fall; selten sind die Rolle des Architekten, der Umfang seiner Aufgaben und die Honorarstrukturen so klar festgelegt. Dieser Rahmen ermöglicht es Schweizer Architekten, bei Gesprächen mit ihren Auftraggebern große Transparenz zu vermitteln, sodass die Erwartungen deutlich abgestimmt werden können. Architekturwettbewerbe spielen eine bedeutende Rolle in der Schweizer Architekturkultur, und die Berufsverbände haben ihre Organisation, ihre Überwachung und die Beibehaltung unabhängiger, professioneller Jurys von Anfang an verteidigt. In den 1980er- und 1990er-Jahren kam es zu tiefgreifenden Veränderungen bei ökonomischen, kulturellen und technischen Aspekten des Berufsstands, deren Auswirkungen auf Städtebau und Architektur hitzig debattiert wurden. Das führte 1996 zu kantonsübergreifenden Gesetzen zur Ausschreibung öffentlicher Bauvorhaben, die sicherstellen, dass alle öffentlichen Projekte systematisch Gegenstand anonymer, projektbezogener Wettbewerbe mit unabhängigen, professionellen und kompetenten Jurys werden. Diese Regelung bildet nicht nur die Grundlage für eine starke architektonische Kultur, sondern stellt auch sicher, dass Büros, die sich noch keinen Namen machen konnten, Zugang zu Aufträgen einzig aufgrund der Qualität ihrer Arbeit erhalten. Der offene Charakter des Systems hält die Mitglieder des Berufsstands auf Trab und stellt sicher, dass es bei öffentlichen Aufträgen keine Vetternwirtschaft und Auftragsvergabe durch Machenschaften im Hintergrund gibt. Jüngere Büros profitieren stark von diesem System, das dafür sorgt, dass ständig frische Vorschläge unterbreitet werden und eine lebendige Diskussionskultur existiert, die etablierte Ideen immer wieder infrage stellt. Interessanterweise konnten sich die meisten führenden Architekturbüros, die heute in der Schweiz arbeiten, durch die Beteiligung an diesem Wettbewerbssystem etablieren; und durch den ständigen Konkurrenzdruck entwickeln sie ihre Arbeit kontinuierlich weiter. Die meisten jüngeren Büros, die von dem Wettbewerbssystem profitierten, wurden in der Schweiz gegründet, und es gibt eine geradezu unheimliche Kontinuität zwischen den Ausbildungseinrichtungen und dem Beruf. Adolf Loos beschrieb den Architekten einmal als einen Steinmetz, der Latein gelernt habe, und die Schweizer Schulen betrachten das Maurerhandwerk immer noch als einen entscheidenden Bestandteil des Lehrplans. In der angelsächsischen Kultur und auch anderswo wird bei der Ausbildung hingegen viel Wert auf das «Latein» gelegt, weil man davon ausgeht, dass sich «das Maurerhandwerk» nach dem Abschluss schon in der praktischen Berufsausübung lernen lässt. Junge Architekten absolvieren hier gewissermaßen ein informelles Masterstudium in den Büros, in denen sie zu arbeiten anfangen, und das Bildungssystem hat damit die praxisbezogenen Aspekte weitgehend in die Arbeitswelt ausgelagert.

240

Das architektonische Bildungssystem der Schweiz ruht auf drei unterschiedlichen Säulen: den beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne, der Fachhochschule Westschweiz sowie auf beruflichen Ausbildungsverhältnissen. Die ersten beiden Säulen betreffen zukünftige Architekten, die letzte gilt Architekten und spezialisierten Bauunternehmern, die im Bauwesen eine bedeutende Rolle spielen. In allen Fällen lernen die Studenten die multidisziplinären Aspekte der Architektur kennen und kommen in engen Kontakt mit Ingenieuren und Konstruktionsverfahren, damit sichergestellt ist, dass sie bei ihrer künftigen Arbeit die Fähigkeit haben, auf ein klar definiertes Konstruktionssystem zurückzugreifen. Dieser Ansatz führt zu einer spezifischen Grammatik der architektonischen Kultur, deren gemeinsame Grundlage die Konstruktionslehre darstellt. Berufspraxis und Ausbildung sind in vielen Fällen miteinander verwoben und befruchten sich wechselseitig; die studentischen Abschlusspräsentationen bieten daher oft einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand des Metiers, und Wettbewerbseinreichungen sind häufig von studentischen Untersuchungen beeinflusst. Abgesehen von einer kurzen Zeit des Bestürztseins nach dem Mai 1968, als besonders in den französischsprachigen Landesteilen gesellschaftliche Studien in den Mittelpunkt traten, basiert die architektonische Ausbildung in der Schweiz seit eh und je auf dem Beaux-Arts-Konzept des «Ateliers», bei dem Projekte unter praxisnahen Bedingungen entwickelt werden. Das führt zu einem Verständnis von den in der Berufspraxis angewendeten Methoden und vermeidet in der Regel abstraktes theoretisches Gelände. Zum Curriculum der Architektenausbildung gehört auch ein Praktikumsjahr in einem Architekturbüro. Die Studenten treten nach ihrem Abschluss dann häufig als vollwertige Architekten in das Büro ein, wo sie ein Praktikum absolviert haben. Unvermeidlich verraten die Diplomprojekte der Studenten durch ihren mimetischen Charakter, wo die Studierenden ihr Jahr verbracht haben. Die Stärke der Berufsverbände, das hohe Maß an Kontrolle bei der Projektentwicklung und -realisierung, die Konstruktionslehre als verbindliche Grundlage des architektonischen Ausdrucks, das Wettbewerbssystem und eine solide Ausbildung sind alles Faktoren, die dem Architektenberuf eine starke Grundlage geben, auf der aufgebaut werden kann. Die Schweiz ist ein kleines Land, aber kulturell, sprachlich und landschaftlich äußerst vielfältig. Die geschilderten Grundlagen der Berufsausübung ermöglichen, dass aus dieser Vielfalt sehr unterschiedliche architektonische Ausdrucksformen erwachsen können, weswegen es auch sehr schwierig ist, eine Konstante innerhalb der gegenwärtigen Architekturkultur der Schweiz auszumachen. Die Freiheiten, die diese Arbeitsbedingungen gewähren, erlauben die Entstehung extrem unterschiedlicher architektonischer Ausdrucksformen ohne den Zwang, sich erst einem Dogma fügen zu müssen, um sich etablieren zu können. Es hat viele Versuche gegeben, die Schweizer Architektur als ein kohärentes Ganzes darzustellen, von denen die «Schweizer Schachtel» der späten 1990er-Jahre am stärksten publizistisch verhandelt wurde. Ich finde diese Ansätze weder interessant noch hilfreich, wenn es darum geht, die heutige Architekturkultur zu begreifen. Nach meiner Ansicht erwächst die Besonderheit der Schweizer Architektur vielmehr aus den Bedingungen der Berufsausübung. Die unterschiedlichen formalen Lösungen, die aus ihnen entstehen können, sind eine Manifestation der gesunden Grundlagen, auf denen diese komplexen und verschiedenartigen Projekte aufbauen.

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BIOGRAFIEN Anna Roos Anna Roos studierte Architektur an der Universität Kapstadt und absolvierte einen Postgraduierten-Studiengang an der Bartlett School of Architecture der UCL in London bei Professor Niall McLaughlin. Nach ihrem Umzug nach Bern im Jahr 2000 arbeitete sie als Architektin und entwarf Projekte in Südafrika, Australien und Schottland. Seit 2007 ist sie freiberufliche Architekturjournalistin für c3, A10, das Ensuite Kultur Magazin, das Monocle Magazine und das Swisspearl Architecture Magazine. Darüber hinaus redigiert sie Bücher für zahlreiche Verlagshäuser in Deutschland und der Schweiz, darunter für Lars Müller Publishers, den Birkhäuser Verlag, DOM, Gestalten, DETAIL Green und Prestel. In ihrer journalistischen Arbeit versucht sie, den Lesern ihre Leidenschaft für die Architektur zu vermitteln. Das vorliegende Buch ist das erste, das sie selbst verfasst und herausgegeben hat. R. James Breiding R. James Breiding ist der Autor von Wirtschaftswunder Schweiz – Ursprung und Zukunft eines Erfolgsmodells. Das in sieben Sprachen erschienene Buch gilt als Standardwerk über «das Schweizerische». Im Economist, der Financial Times, in Foreign Affairs, der New York Times und dem Wall Street Journal schreibt er zu Schweizer Themen. Er wurde zum Fellow am Center for International Development der Harvard University gewählt und ist Gründer und Inhaber der in Zürich ansässigen Investmentfirma Naissance Capital. Jean-Paul Jaccaud Jean-Paul Jaccaud wurde 1971 in Hongkong geboren. Im Jahr 1995 schloss er sein Architekturstudium an der ETH Lausanne ab. Jaccaud arbeitete mit Bernard Huet, David Chipperfield und Herzog & de Meuron zusammen, ehe er 2004 in Genf sein eigenes Architekturbüro Jean-Paul Jaccaud Architectes eröffnete. Im Jahr 2011 gründete er zusammen mit Tanya Zein zudem das Büro Jaccaud Zein Architects in London. Im Jahr 2014 wurde Lionel Spicher gleichberechtigter Partner des Genfer Büros, das seither als Jaccaud Spicher Architectes Associés firmiert. Jaccaud war Gastprofessor an der ETH Lausanne und an der Université catholique de Louvain (UCL) in Belgien und hat Vorträge an zahlreichen Architekturschulen in Europa, den USA und dem Nahen Osten gehalten. Irina Davidovici Die Architektin und Hochschullehrerin Irina Davidovici ist Autorin des Buches Forms of Practice. German-Swiss Architecture 1980–2000 (gta Verlag, 2012). In Bukarest geboren und in Zürich und London lebend, kann sie für ihre Texte auf vielschichtige berufliche und kulturelle Erfahrungen zurückgreifen und die Diskrepanz zwischen Praxis, Lehre und kritischer Deutung von Architektur überbrücken. Gegenwärtig arbeitet sie an ihrem Habilitationsprojekt am gta-Lehrstuhl für die Geschichte der Stadtplanung der ETH Zürich, in dem sie sich mit der Autonomie und der Integration stark verdichteter Wohnanlagen in der europäischen Stadt auseinandersetzt. Niall McLaughlin Niall McLaughlin wurde 1962 in Genf geboren. Er wuchs in Dublin auf und schloss 1984 sein Architekturstudium am University College in Dublin ab. Von 1984 bis 1989 arbeitete er in Dublin und London für Scott Tallon Walker. Im Jahr 1990 gründete er sein eigenes Büro in London. Niall McLaughlin Architects entwerfen moderne Gebäude von hoher Qualität mit einem besonderen Schwerpunkt auf Materialien und Details. McLaughlin wurde 1998 zum Young British Architect of the Year gekürt; 2001 zählte er zu den BBC Rising Stars. Er repräsentierte Großbritannien bei der US-amerikanischen Ausstellung Gritty Brits im Carnegie Museum. Seine Entwürfe gewannen zahlreiche Auszeichnungen in Großbritannien, in Irland und den USA, darunter den RIAI Best Building in the Landscape Award und den RIBA Stephen Lawrence Award für das beste Gebäude mit einem Budget unter einer Million £. 2013 und 2015 stand er auf der RIBA Stirling Shortlist. McLaughlin ist Gastprofessor für Architektur am University College London, hatte eine Gastprofessur an der University of California Los Angeles (2012–2013) und war Lord Norman Foster Visiting Professor of Architecture in Yale (2014–2015). Von 2007 bis 2009 war er Vorsitzender der RIBA Awards Group. Er lebt mit seiner Frau Mary, dem Sohn Diarmaid und der Tochter Iseult in London.

Bearth & Deplazes Valentin Bearth (*1957) studierte an der ETH Zürich und schloss sein Studium 1983 bei Professor Dolf Schnebli ab. Von 1984 bis 1988 war er Mitarbeiter im Atelier Peter Zumthor. 1988 gründete Bearth zusammen mit Andrea Deplazes ein Büro. Seit 2000 ist er Professor für Entwurfslehre an der Accademia di architettura der Università della Svizzera italiana in Mendrisio. Von 2007 bis 2011 war er Leiter der Schule. Andrea Deplazes (*1960) studierte an der ETH Zürich und schloss sein Studium 1988 bei Professor Fabio Reinhardt ab. 1988 eröffnete Deplazes zusammen mit Valentin Bearth ein Büro. Seit 1997 ist er Professor für Architektur und Konstruktionslehre am Fachbereich Architektur der ETH Zürich, dessen Dekan er von 2005 bis 2007 war. Daniel Ladner (*1959) absolvierte eine Maurerlehre und wurde als Bauzeichner mit einer Spezialisierung in Tragwerksplanung ausgebildet. 1988 schloss Ladner sein Studium am Abendtechnikum der HTL in Chur ab. Zwischen 1989 und 1994 war er Mitarbeiter bei Bearth & Deplazes und von 1995 bis 2000 Partner. Seit 2001 ist er Mitinhaber des Büros. Das Büro wurde in den letzten beiden Jahrzehnten mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, etwa 1999 mit dem 6. Mies van der Rohe Award, einem internationalen Preis für europäische Architektur; 2008 mit dem Balthasar-Neumann-Preis und dem Holcim Bronze Award Europe (für die Monte-Rosa-Hütte) sowie 2010 mit dem Schweizer Solarpreis für das Weingut Gantenbein. Buchner Bründler Buchner Bründler wurde von Daniel Buchner und Andreas Bründler 1997 in Basel gegründet. Das Büro besteht aus einem Team von rund 30 Architekten, Innenarchitekten und Designern. Zu seinen Tätigkeitsfeldern zählen Stadtplanung und Stadtentwicklung, die Realisierung von öffentlichen Gebäuden, Wohngebäuden und Dienstleistungsgebäuden sowie von Innengestaltungen. Das Büro arbeitet in der Schweiz und im Ausland. Der Kontext und der Raum spielen in den Arbeiten eine zentrale Rolle, die sich durch fortgesetzte Untersuchungen und Experimente mit Form, Licht, Material und Farbe auszeichnen. Bei den Entwürfen des Büros werden die spezifische Lage und beteiligte Konzepte berücksichtigt. Die Realisierung erfolgt nach intensiven Diskussionen mit den Auftraggebern und künftigen Nutzern. Bekannt ist das Büro auch für seine Arbeit im größeren städtebaulichen Rahmen. Zudem haben Aufträge außerhalb der Schweiz zunehmenden Anteil an den Projekten. Im Jahr 2003 wurde der Umbau des GA-200 in der New Yorker UNO-Zentrale fertiggestellt – ein Geschenk der Schweiz an die Vereinten Nationen. Nach der erfolgreichen Fertigstellung eines Pavillons im Architekturpark in Jinhua, China, folgte 2010 der Schweizer Pavillon bei der Weltausstellung in Shanghai. Die von Buchner Bründler entworfenen und realisierten Projekte wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und in nationalen und internationalen Fachzeitschriften publiziert. 2003 erhielt das Büro eine der wichtigsten Kulturauszeichnungen der Schweiz, den Schweizer Kunstpreis für Architektur, und 2013 für die Casa d’Estate Linescio und das Wohngebäude Bläsiring den Preis Beton 13. Die Architekten widmen sich auch der Lehre und der Forschung und halten regelmäßig Vorträge in der Schweiz und im Ausland. Sie unterrichteten von 2007 bis 2009 an der ETH Lausanne und seit 2010 Entwurfslehre an der ETH Zürich. Gion A. Caminada Gion A. Caminada arbeitet als Architekt in Vrin im Kanton Graubünden. Nach einer Zimmermannslehre besuchte er die Zürcher Kunstgewerbeschule und schloss dann sein Aufbaustudium der Architektur an der ETH Zürich ab, an der er seit 2008 als Professor für Architektur lehrt.

Jürg Conzett Der in Schiers (Kanton Graubünden) lebende Jürg Conzett (*1956) studierte Bauingenieurwesen in Lausanne und Zürich und schloss sein Studium 1980 an der ETH Zürich ab. Zwischen 1981 und 1988 war er angestellter Mitarbeiter bei Peter Zumthor in Haldenstein. Danach entschloss er sich, als unabhängiger beratender Bauingenieur zu arbeiten. Heute leitet er mit seinen Partnern Gianfranco Bronzini und Patrick Gartmann in Chur ein Ingenieursbüro mit 25 Mitarbeitern. Der Schwerpunkt liegt auf in Zusammenarbeit mit den Architekten durchgeführten Tragwerksplanungen für Gebäude sowie Entwürfen für Brücken und Brückensanierungen. Seit rund 20 Jahren lehrt Conzett Konstruktionslehre an der Fachhochschule Chur. Im Jahr 2011 hatte er eine dreimonatige Gastdozentur an der Graduate School of Design der Harvard University. Diener & Diener Das 1942 gegründete Büro Marcus Diener Architekt änderte 1980 seinen Namen in Diener & Diener. Diener & Diener unterhält heute Büros in Basel und Berlin, die seit 2011 von Roger Diener gemeinsam mit Terese Erngaard, Andreas Rüedi und Michael Roth geleitet werden. Das ursprünglich auf Wohngebäude spezialisierte Büro entwickelt inzwischen auch systematisch Stadtplanungsprojekte sowie Projekte zur Renovierung und Erweiterung historischer Gebäude. Grundlage der Entwürfe bildet die europäische Stadt in all ihrer Vielfalt und Kontinuität. In den letzten 15 Jahren wurden mehrere Projekte in enger Zusammenarbeit mit Künstlern entwickelt, zum Beispiel die Basler Novartis-Zentrale gemeinsam mit Helmut Federle. Zu den aktuellen Projekten zählen die Rekonstruktion des Ostflügels des Museums für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin und das Mémorial de la Shoah in Drancy, Paris. Im Jahr 1976 schloss der Basler Architekt Roger Diener (*1950) sein Studium an der ETH Zürich ab und trat in das Büro Marcus Diener Architekt ein, das sein Vater 1942 in Basel gegründet hatte. Im Jahr 1980 wurde er Partner. Von 1987 bis 1989 lehrte Roger Diener als Professor an der ETH Lausanne und ist seit 1999 Professor am Studio Basel der ETH Zürich. Die Pariser Académie d’architecture ehrte sein Werk 2002 mit der Grande Medaille d’Or. Im Jahr 2009 wurde er mit dem Prix Meret Oppenheim ausgezeichnet und 2011 mit der Heinrich-Tessenow-Medaille. EM2N Mathias Müller (*1966) und Daniel Niggli (*1970) studierten gemeinsam an der ETH Zürich Architektur. Ihr Büro EM2N wurde 1997 in Zürich gegründet und beschäftigt heute mit Sitz in Zürich und Berlin 75 Mitarbeitende im Bau- und Wettbewerbsprojekten in der Schweiz und im Ausland. Neben zahlreichen anderen Preisen, darunter dem Preis Umsicht-Regards-Sguardi, erhielten sie 2004 den Schweizer Kunstpreis für Architektur. Müller und Niggli waren Gastprofessoren an der ETH Lausanne und der ETH Zürich sowie Mitglieder der Baukollegien Berlin und Zürich. Andreas Fuhrimann Gabrielle Hächler Gabrielle Hächler (*1958) studierte Kunstgeschichte an der Universität Zürich und Architektur an der ETH Zürich, wo sie 1988 ihr Studium abschloss. Sie war vier Jahre lang Assistentin am Fachbereich Konstruktionslehre der ETH Zürich. 1988 gründete sie ihr eigenes Architekturbüro und 1995 ein gemeinsames Büro mit Andreas Fuhrimann. Von 2009 bis 2011 war sie Gastprofessorin an der ETH Zürich und von 2012 bis 2014 Professorin an der UdK Berlin. Andreas Fuhrimann (*1956) studierte Physik und Architektur an der ETH Zürich, wo er 1985 seinen Abschluss in Architektur machte. Nach einem Jahr im Architekturbüro Marbach + Rüegg arbeitete Fuhrimann seit 1987 mit Christian Karrer zusammen. 1988 unterrichtete er Innenarchitektur an der Kunstgewerbeschule. Im Jahr 1995 gründete er mit Gabrielle Hächler zusammen ein Büro. Von 2009 bis 2011 war er Gastprofessor an der ETH Zürich und von 2012 bis 2014 Professor an der UdK Berlin. Carlo Fumarola (*1978) schloss 2005 sein Architekturstudium an der ETH Zürich ab. Seit 2005 ist er Mitarbeiter im Büro. Von 2009 bis 2011 war er Assistenzprofessor an der ETH Zürich. Seit 2012 ist er Partner. Gilbert Isermann (*1978) schloss 2004 sein Architekturstudium an der ETH Zürich ab. Zwischen 2004 und 2007 war er Mitarbeiter von Gigon Guyer Architekten. 2007 trat er dem Büro bei und ist seit 2012 Partner.

Herzog & de Meuron Herzog & de Meuron ist eine Partnerschaft, die von Jacques Herzog und Pierre de Meuron zusammen mit drei Seniorpartnern – Christine Binswanger, Ascan Mergenthaler und Stefan Marbach – geführt wird. 1978 gründeten Jacques Herzog und Pierre de Meuron ihr gemeinsames Büro in Basel. Die Partnerschaft ist über die Jahre gewachsen. Christine Binswanger ist seit 1994 Partnerin, es folgten Robert Hösl und Ascan Mergenthaler (2004), Stefan Marbach (2006), Esther Zumsteg (2009), Andreas Fries (2011) sowie Jason Frantzen, Wim Walschap (2014) und Michael Fischer (2016). Ein internationales Team aus 40 Associates und rund 380 Mitarbeitenden arbeitet an Projekten in Europa, Nord- und Südamerika und Asien. Herzog & de Meuron hat Büros in Basel, Hamburg, London, New York City und Hong Kong. Das Spektrum an Gebäuden, welche Herzog & de Meuron entworfen haben, reicht vom Privathaus über Museen, Stadien und Krankenhäuser bis zu städtebaulichen Studien. Viele ihrer Projekte sind renommierte öffentliche Einrichtungen. Herzog & de Meuron haben aber auch bedeutende private Projekte, wie Fabrik-, Büro- und Wohngebäude, realisiert. Dem Büro wurden zahlreiche Auszeichnungen verliehen, darunter 2001 der Pritzker Architecture Prize sowie 2007 die RIBA Royal Gold Medal und der Praemium Imperiale. 2014 erhielt das Büro den Mies Crown Hall Americas Prize (MCHAP). Miller & Maranta Quintus Miller (*1961) schloss 1987 sein Architekturstudium an der ETH Zürich ab. Von 1990 bis 1994 war er Assistent für Entwurfslehre an der ETH Lausanne und der ETH Zürich. Im Jahr 1994 gründete er in Basel mit Paola Maranta das gemeinsame Büro Miller & Maranta. Miller war Gastprofessor an der ETH Lausanne (2000/2001), an der Accademia di architettura der Università della Svizzera italiana in Mendrisio (2007/2008) und an der ETH Zürich (2008–2010). Seit 2009 ist er ordentlicher Professor für Architektur an der Università della Svizzera italiana. Von 2004 bis 2008 war Miller zudem Mitglied der Stadtplanungs- und Architekturkommission von Luzern sowie der Kommission für bildende Kunst in Riehen. Seit 2005 ist er auch in den Denkmalschutzkommissionen von Zürich und Basel tätig. Paola Maranta (*1959) schloss 1986 ihr Architekturstudium an der ETH Lausanne und der ETH Zürich ab und erwarb 1990 den MBA an der IMD in Lausanne. Von 1991 bis 1994 arbeitete sie als Unternehmensberaterin in Zürich. Im Jahr 1994 gründete sie zusammen mit Quintus Miller das Architekturbüro Miller & Maranta in Basel. Maranta war Gastprofessorin an der ETH Lausanne (2000/2001), an der Accademia di architettura der Università della Svizzera italiana in Mendrisio (2007/2008) und an der ETH Zürich (2008–2010). Von 2001 bis 2005 war Maranta Mitglied der Stadtplanungs- und Architekturkommission von Basel; seit 2003 ist sie Mitglied der Stadtkommission in Riehen bei Basel. Jean-Luc von Aarburg (*1975) studierte Architektur an der ETH Lausanne, der TU Delft und der ETH Zürich. Seit seinem Abschluss im Jahr 2001 arbeitet er im Büro Miller & Maranta, dessen Partner er im Jahr 2013 wurde. Von Aarburg bekleidete 2010 eine Gastprofessur an der ETH Zürich. :mlzd Partner: Claude Marbach, Pat Tanner, Daniele Di Giacinto, David Locher, Andreas Frank. :mlzd wurde 1997 in Biel/Bienne gegründet. Das vielseitige Architektenteam hat bislang mehr als 30 erste Preise bei internationalen Wettbewerben gewonnen und mehr als 40 Bauprojekte fertiggestellt. Die Arbeit des Büros deckt ein weites Spektrum ab. Zu den wichtigsten Projekten zählen die Renovierung der Präsidentenvorzimmer im Hauptgebäude der UNO in New York (2004), die Erweiterung des Historischen Museums in Bern (2009) und das Stadtmuseum in Rapperswil (2011). Gegenwärtig haben :mlzd 30 Mitarbeiter, die in lebhaften Debatten sehr unterschiedliche Projekte verwirklichen. Merkmale, die allen Projekten gemein sind, sind der sichere und äußerst respektvolle Umgang mit dem architektonischen Umfeld der Projekte und die Liebe zum Detail.

Nickisch Walder Selina Walder schloss 2004 ihr Architekturstudium an der Accademia di architettura in Mendrisio bei Valerio Olgiati ab. Von 2004 bis 2006 arbeitete sie als Assistentin an seinem Lehrstuhl für architektonische Entwurfslehre. 2004 gründete sie ihr eigenes Büro in Flims, das sie seit 2005 gemeinsam mit Georg Nickisch betreibt. In den Jahren 2009 und 2010 kuratierte sie die Ausstellung DADO – Gebaut und bewohnt von Rudolf und Valerio Olgiati. Georg Nickisch studierte in Großbritannien am Prince of Wales Institute of Architecture und der University of Bath und schloss sein Architekturstudium 2005 an der Accademia di architettura in Mendrisio bei Peter Zumthor ab. Von 2007 bis 2013 war er Assistent am Lehrstuhl von Jonathan Sergison (Sergison Bates Architects). Im Jahr 2008 gewannen Nickisch Walder zusammen mit Valerio Olgiati den Wettbewerb für das neue Auditorium des Plantahofs in Landquart. Im Jahr 2010 erhielten sie den ersten Preis im Wettbewerb für ein Apartmentgebäude und die Renovierung eines denkmalgeschützten Bauernhauses in Davos. Im gleichen Jahr gewannen sie zudem einen privaten Wettbewerb für eine Villa im Thurgau. Im Jahr 2011 erhielten Nickisch Walder den zweiten Preis bei einem offenen Wettbewerb für die Kanzlei der Schweizer Botschaft in Nairobi. Valerio Olgiati Valerio Olgiati (*1958) studierte Architektur an der ETH Zürich. Nachdem er einige Jahre zunächst in Zürich und dann in Los Angeles gelebt und gearbeitet hatte, eröffnete er 1996 in Zürich sein eigenes Büro und 2008 mit seiner Frau Tamara das gemeinsame Büro in Flims. Olgiati errang im Jahr 1999 mit dem Museumsprojekt des Gelben Hauses in Flims erste internationale Anerkennung. Sein siegreicher Wettbewerbsbeitrag für das Museum der Zeitgenössischen Kunst im russischen Perm (2008) wurde zu einem Wahrzeichen. Zu Olgiatis wichtigsten Bauten zählen das Schulhaus in Paspels, das Museum Gelbes Haus in Flims, das Atelierhaus Bardill in Scharans, der Wohnkomplex Schleife in Zug und die Villa Além im Alentejo. Zu den größeren in Planung befindlichen Projekten gehören das Weingut Carnasciale in Italien, das Hochhaus San Felipe in Lima, das Haus eines Priesters in Bayern und ein Gebäude für die Hauptverwaltung des Versicherungsunternehmens Bâloise in Basel. Olgiatis Werk wurden zahlreiche Monografien gewidmet. Eine große Einzelausstellung zu seinem Werk wurde 2012 im MoMa in Tokio gezeigt. Er bekleidete zahlreiche Gastdozenturen, so war er 2009 Leiter des Kenzo Tange Chair an der Harvard University. Seit 2002 ist Valerio Olgiati ordentlicher Professor an der Accademia di architettura Mendrisio der Università della Svizzera italiana. Savioz Fabrizzi Savioz Fabrizzi wurde 2004 von den Architekten Laurent Savioz (*1976) und Claude Fabrizzi (*1975) gegründet, ihr Ziel ist, auf die bestmögliche Weise auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen. Das Büro bietet alle architektonischen Dienstleistungen vom Entwurf bis zur Realisierung. Bei ihrer Arbeit gehen die Architekten von einer Analyse des natürlichen oder baulichen Zustands der jeweiligen Stätte aus, um die wesentlichen Elemente zu bestimmen, die es zu bewahren oder herauszuarbeiten gilt. Gestützt auf Analysen der Funktion, des Programms und des Orts in der Geschichte und Kultur der jeweiligen Region, lässt sich ihrer Meinung nach die kulturelle Rolle der Architektur stärken. Studio Vacchini Eloisa Vacchini hat an der EPFL in Lausanne Architektur studiert und 1997 abgeschlossen, 1994–1995 war sie in verschiedenen Architekturbüros in Sydney, Australien angestellt. 1998–1999 hat sie bei Daniel D’Andrea Architects in Buenos Aires, Argentinien gearbeitet. Dort hat sich Vaccchini auf einen Auftrag der kubanischen Regierung fokussiert Gebäude zu renovieren. Von 1999 bis 2007 war Vacchini im Studio di architettura Livio Vacchini in Locarno angestellt. Seit April 2007 ist sie Inhaberin des Studio Vacchini.

Peter Zumthor Peter Zumthor wurde 1943 in Basel geboren und wuchs in Oberwil im Kanton Basel-Landschaft auf. Von 1958 bis 1962 absolvierte er eine Schreinerlehre in der Werkstatt seines Vaters Oscar Zumthor. Von 1963 bis 1967 studierte er Gestaltung und Architektur an der Kunstgewerbeschule Basel sowie am Pratt Institute in New York. Ab 1967 arbeitete Zumthor als Bau- und Planungsberater für die Denkmalschutzbehörde des Kantons Graubünden und dokumentierte dabei die historischen Dörfer. Daneben realisierte er diverse Renovierungen. 1978 gründete Zumthor sein eigenes Architekturbüro in Haldenstein bei Chur. Zumthor lehrte als Gastprofessor am Southern California Institute of Architecture SCI-ARC in Los Angeles (1988), an der Technischen Universität München (1989) und an der Graduate School of Design der Harvard University (1999). Von 1996 bis 2008 war er Professor an der Accademia di architettura der Università della Svizzera italiana in Mendrisio. Wichtigste Auszeichnungen: Mies van der Rohe Award for European Architecture, Barcelona (1998); Prix Meret Oppenheim, Schweiz (2006); Praemium Imperiale, Japan Art Association (2008); Pritzker Price, The Hyatt Foundation (2009); RIBA Royal Gold Medal, Royal Institute of British Architects (2013); Bund Deutscher Architekten, Architekturpreis Nike (2013)

DANK Für ihre Unterstützung und Ermutigung geht mein Dank an: Peter Zumthor, Ralf Daab, Alexander Felix, Katharina Kulke, Res Eichenberger, Adriano Biondo, Andri Pol, Sylwia Chomentowska, Olga Funk, Quintus Miller, Jørg Himmelreich, Jean-Paul Jaccaud, Irina Davidovici, Niall McLaughlin, James Breiding, Gaudenz Danuser, Wilfried Dechau, Matthieu Gafsou, Michael Hanak, Hugo Bütler, Elena Pascolo, Stephen Gelb, David Best, Melanie Best, Magriet Cruywagen, Ernst Steinmann, Mascia Buzzolini, Bruno Tobler (Foto Vision), Marianne Gauer, Peter Dömötör, Petra Küchler, Nicky Boustred, Tkalcec Hrvoje sowie ganz besonders an Louise und Conal Gain für ihre Hilfe bei der Redaktion und an meinen Ehemann Hendrik, der diese lange Wegstrecke mit mir zusammen bewältigt hat. Abschließend möchte ich auch all den Architekten und Fotografen danken, deren wertvolle Beiträge dieses Buch erst ermöglicht haben.

ABBILDUNGSNACHWEIS Tonatiuh Ambrosetti 191–194, 201–204 Adriano Biondo 5, 25, 53, 121, 219 Iwan Baan 61, 64 (oben) Hélène Binet 123, 132 Markus Bühler-Rasom 62, 63, 64 (unten) Bundesamt für Landestopografie swisstopo Vorsatz Gaudenz Danuser 81, 83–88, 91– 93, 94 (unten) Wilfried Dechau 113, 115, 116 Lucia Degonda 105 –109 Ralph Feiner 94 (oben), 209 Leonardo Finotti 55, 56 Roger Frei 231, 232, 233, 234 (oben) Matthieu Gafsou 1, 247 Alexander Gempeler 211– 214 Christian Grund 143 Maurice Haas 189, 229 Thomas Jantscher 45–149, 153–158 Valentin Jeck 163 –166 Alexandre Kapellos 221 Antonio Martinelli 130, 131 Simon Menges 234 (unten) Giuseppe Micciché 27, 28, 30, 42– 44 Archive Olgiati 173–175, 180 –182 Andri Pol 99, 161 Stephan Rappo 171 Christian Richters 73–76 Hendrik Roos 124, 125, 129 René Rötheli 222, 223, 224 Ruedi Walti 7–12, 17–20, 29, 33–36, 41 Dominique Marc Wehrli 179 Die Karte der Schweiz sowie alle Lagepläne und Grundrisse in diesem Buch sind genordet.

BIBLIOGRAFIE Angélil, Marc und Jørg Himmelreich (Hg.), Architecture Dialogues: Positions – Concepts – Visions, Sulgen: Niggli, 2012 Gadola, Reto, Architektur der Sehnsucht 20: Schweizer Ferien­ häuser aus dem 20. Jahrhundert, Zürich: gta, 2013 Architekturpreis beton 05, Zürich: gta, 2005 Architekturpreis beton 09, Zürich: gta, 2009 Architekturpreis beton 13, Zürich: gta, 2013 archithese, Zürich, Nr. 1, 2014, S. 86 f.: «Grauer Aal statt Ruderal» Breiding, R. James, Swiss Made, London: Profile Books, 2013, S. 312–329 Bürkle, J. Christoph (Hg.), Swiss Performance 11. archithese, Zürich, Nr. 1, 2011, S. 60–63 Caviezel, Nott, «Am alten Viehmarkt», in: werk, bauen + wohnen, Zürich, Nr. 6, 2008, S. 58 Caviezel, Nott, «Eine Zeitreise», in: werk, bauen + wohnen, Zürich, Nr. 11, 2004, 46–51 Davidovici, Irina, Forms of Practice, German­Swiss Architecture 1980–2000, Zürich: gta, 2012 DETAIL, Institut für Architektur-Dokumentation, München, Nr. 6, 2014, S. 586–590: «Summer House in Linescio» Diener, Roger, Jaques Herzog, Marcel Meili, Pierre de Meuron und Christian Schmid, Switzerland: An Urban Portrait, Basel: Birkhäuser, 2006 Durisch, Thomas (Hg.), Peter Zumthor: Buildings and Projects 1985–2013, Zürich: Scheidegger & Spiess, 2014 ETH Zürich (Hg.), Neue Monte­Rosa­Hütte SAC. Ein autarkes Bauwerk im hochalpinen Raum, Zürich: gta, 2010 Feusi, Alois, «Der Fluch des Erfolgs», in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 20. 09. 2011 Foxley, Alice, Distance & Engagement, Baden: Lars Müller Publishers, 2010 Haefeli, Rebekka, «Mehr als nur ein Dach über dem Kopf», in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 26. 09. 2014 Hägele, Steffen, «Massiver Erhalt, Hütte und Ferienwohnung in Flims», in: archithese, Zürich, Nr. 1, 2013, S. 76–78 Hanak, Michael (Hg.), Umbau des Hospizes auf dem Gotthardpass durch Miller & Maranta, Zürich: Park Books, 2012 Hollenstein, Roman, «Alpiner Urbanismus», in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 03. 06. 2005 Hollenstein, Roman, «Baukünstlerische Essenzen», in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 15. 10. 2010 Hubertus, Adam, «Alpine Architektur heute», in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 23. 09. 2009 Hubertus, Adam, «Hausförmige Hofmauern», in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 26.11. 2007 Jodidio, Philip, Architecture in Switzerland, Berlin: Taschen, 2006 Mayer, Hannes (Hg.), Florian Dreher, Katharina Sommer und Paula Strunden, Swiss Performance 14. archithese, Zürich, 2014, S. 16–21, S. 86 f. Moore, Rowan. «Herzog and de Meuron: Tate Modern’s architects on their radical new extension.», in: The Guardian Observer Magazine. London, 15. 05. 2016. Roos, Anna, «Kristall Kubus – Zwischen Schloss und Hof», in: Ensuite Kulturmagazin, Bern, März 2014, S. 20 Roos, Anna, «Open and closed», in: A10 new European architecture, Nr. 57, Amsterdam, 2014, S. 7. Roos, Anna, «One with the trees», in: A10 new European architecture, Nr. 60, Amsterdam, 2014, S. 54 Roos, Anna, «Refugi Lieptgas», in: A10 new European architecture, Nr. 59, Amsterdam, 2014, S. 8 Schoper, Tom, «Die Erfahrung von Atmosphäre», in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 26. 08. 2013 Spier, Steven, Swiss Made, New Architecture from Switzerland, Princeton: Princeton Architectural Press, 2003 Structural Engineering International, Zürich, Nr. 2. 1997, S. 92–94: «The Traversina Footbridge, Switzerland.» Tietz, Jürgen, «Bewahren und Verändern», in: Neue Zürcher Zeitung, 31. 07. 2010 Wainwright, Oliver, Interview with Valerio Oligiati, in: «Icon», June 2009 Wefing, Heinrich, «Nichts als Wasser, Licht und Stein», in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 22. 03. 2009 Windhöfel, Lutz, «Die Fassade als Aquarell», in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 14. 06. 2005 Zumthor, Peter, Atmosphären, Basel: Birkhäuser, 2006 Zumthor, Peter, Architektur denken, Basel: Birkhäuser, 2010

BAUEN MIT FEINGEFÜHL Zeitgenössische Baukultur in der Schweiz Anna Roos Übersetzung Englisch – Deutsch: Christian Rochow Lektorat: Christina Bösel Projektkoordination: Alexander Felix, Katharina Kulke Gestaltung, Satz: Res Eichenberger Design, Zürich Herstellung: Heike Strempel Papier: Munken Lynx Rough 120 g/m² Druck: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH Library of Congress Cataloging-in-Publication data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Dieses Buch ist auch als E-Book (ISBN PDF 978-3-0356-0934-9) sowie in englischer Sprache (ISBN 978-3-0356-1128-1) als auch in französischer Sprache (ISBN 978-3-0356-1131-1) erschienen. © 2017 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Germany ISBN 978-3-0356-1130-4 9 8 7 6 5 4 3 2 1 www.birkhauser.com

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