Bauen mit Leichtlehm: Handbuch für das Bauen mit Holz und Lehm [8., neubearbeitete und ergänzte Auflage] 9783035606201

Angewandter Leichtlehmbau Das Interesse am Baustoff Lehm, der seine Nachhaltigkeit über Jahrhunderte bewiesen hat, wäc

300 35 26MB

German Pages 312 Year 2016

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
100 Einführung
200 Die Baustoffe für den Leichtlehm
300 Die Herstellung des Leichtlehms
400 Feuchter Einbau
500 Trockener Einbau
600 Einzelheiten bei Roh- und Ausbau
700 Planung und Kosten
800 Bauphysikalische Eigenschaften
Projekte
Anhang
Literatur und Quellen
Projektveröffentlichungen
Stichwortverzeichnis
Abbildungsnachweis
Über den Autor
Glossar
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Bauen mit Leichtlehm: Handbuch für das Bauen mit Holz und Lehm [8., neubearbeitete und ergänzte Auflage]
 9783035606201

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Bauen mit Leichtlehm

Franz Volhard Bauen mit Leichtlehm Handbuch für das Bauen mit Holz und Lehm

8., neubearbeitete und ergänzte Auflage

Birkhäuser Basel

Dipl. Ing. Franz Volhard Schauer + Volhard Architekten BDA, Darmstadt, Deutschland www.schauer-volhard.de

Library of Congress Cataloging-in-Publication data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der ­Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestim­ mungen des Urheberrechts. Umschlagbild: Leichtlehmaußenschale auf Lattung, Neubau in Darmstadt 2012 Korrektorat: Michael Walch Layout: Michael Karner Satz: Sven Schrape Lithografie: Manfred Kostal, pixelstorm Druck: Holzhausen Druck GmbH, A-Wolkersdorf Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 1. Auflage 1983 mit dem Titel: Leichtlehmbau 2., durchgesehene Auflage 1986 3., durchgesehene Auflage 1988 4. Auflage 1990 5., überarbeitete und ergänzte Auflage 1995 6., überarbeitete Auflage 2008 © C.F.Müller Verlag, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin 7., neubearbeitete und ergänzte Auflage 2013 mit dem Titel: Bauen mit Leichtlehm, © SpringerWienNewYork

Dieses Buch ist auch als E-Book mit dem Titel Bauen mit Leichtlehm (ISBN PDF 978-3-0356-0620-1; ISBN EPUB 978-3-0356-0652-2) sowie in englischer Sprache (Light Earth Building, ISBN 978-3-0356-0634-8) und in französischer Sprache (Construire en terre allégée, Éditions Actes Sud 2016, ISBN 978-2-330-05050-4) erschienen. © 2016 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Austria ISBN 978-3-0356-0619-5 9 8 www.birkhauser.com

Inhalt Vorwort

9

100 Einführung 110 Lehm als Baustoff 120 Lehmbauweisen

11 12

130 Bauen mit Lehm – geschichtlicher Überblick 140 Heute mit Lehm bauen? 150 Welche Möglichkeiten bieten Lehmbautechniken ­heute? 160 Bauen mit Holz und Lehm

15 31 33 33

200 Die Baustoffe für den Leichtlehm 210 Der Lehm

41

220 Die Leichtzuschläge

53

300 Die Herstellung des Leichtlehms 310 Zubereitung der Lehmschlämme

57

320 Zubereitung der Zuschläge

66

330 Mischen des Leichtlehms

69

340 Baustellenorganisation 350 Fertigmischungen

78 80

400 Feuchter Einbau 410 Geschalte Wände

81

420 Wände im freien Auftrag

98

Massivbauweisen – Skelettbauweisen

Faser- und Strohlehm – Leichtlehm

Entstehung und Vorkommen – Bindekraft – Mineralgerüst – Lehmprüfung – Prüfung der Bindekraft – Prüfung der Aufschlämmbarkeit – Beschaffung des Lehms

Stroh – Holzhackschnitzel – Mineralische Leichtzuschläge

Auswittern lassen – Einsumpfen – Trocknen lassen – Einrühren von Hand – Einrühren mit Rührwerken – Einrühren mit Zwangsmischern – Konsistenz der Schlämme – ­Verflüssigungsmittel – Kalkzusatz Stroh – Holzige Zuschläge

Spritzverfahren – Tauchverfahren – Mischen im Zwangsmischer – Das Mischungs­ verhältnis – Mauken

Außenwände – Innenwände und dünne Außenwände – Die Schalung – Schalungssysteme – Wände mit verlorenen Schalungen – Das Verdichten des Leichtlehms Flechtwerk – Stakung – Wickelstaken – Lattung – Wandauftrag auf Spalierlattung

430 Decken

107

440 Dachdämmung

119

450 Leichtlehm bei der Altbauerneuerung

124

460 Lehmspritzverfahren

131

Vorbereitung der Holzkonstruktion – Wickeldecken – Stampfdecke auf Gleit­schalung – Füllung auf verlorener Schalung – Füllungen auf Tragrost – Unterdecke auf Spalierlattung Leichtlehmwickel – Stampfen auf Gleitschalung – Füllung auf verlorener Schalung – Füllung auf Spalier – Dachbekleidung auf Spalierlattung

Strohlehmausfachung – Leichtlehmausfachung – Dämmende Innenschale von Außenwänden – Innendämmung mit Auftrag auf Spalierlattung

Inhalt  5 

500 Trockener Einbau 510 Leichtlehmsteine

133

520 Leichtlehmplatten

135

530 Herstellung von Steinen und Platten

136

540 Wände

142

550 Decken und Dach

151

560 Trockenbau

154

600 Einzelheiten bei Roh- und Ausbau 610 Schutz der Konstruktion

159

620 Putz und Anstrich

163

630 Kalkputz zweilagig (außen und innen) 640 Lehmputz

168 169

650 Fenster und Türen 660 Fußböden 670 Wandbekleidungen innen

182 183 184

680 Installationen und Befestigungen

186

700 Planung und Kosten 710 Bauzeit 720 Kosten und Arbeitsaufwand

187 188

730 Baurechtliche Regelung

192

740 Planung, Ausschreibung und Bauleitung 750 Verarbeitung in Selbsthilfe 760 Fehlerquellen

197 197 198

800 Bauphysikalische Eigenschaften 810 Wärmeschutz

199

820 Feuchte / Trocknung

209

Steinprodukte

Plattenprodukte

Manuelle Herstellung

Leichtlehm-Mauerwerk – Fachwerkausmauerung – Wärmedämmende Innenschalen – Stapelwände – Zwischenwandplatten

Selbsttragende Platten – Aufliegende Platten und Steine Wände – Decken und Dach

Bodenfeuchtigkeit und Spritzwasser – Wetterschutz – Luftdichtigkeit – Holzschutz und Oberflächenbehandlung

Vorbereitungen

Lehm-Sand-Putz – Faserlehmputz – Zwei überlieferte Rezepte – Anstrich und Tapeten auf Lehmputz – Fertigmörtel – Anforderungen an Lehm-Putzmörtel

Holzverkleidung – Fliesen

Wasserinstallation – Leitungsschlitze und Befestigungen

Arbeitsaufwand – Tipps zum rationellen Arbeiten – Professionelle Ausführung Selbstbau Frühere Lehmbaunormen – Aktuelle Normen – Genehmigung – Wärmeschutz­ nachweis – Nachweis der Baustoffeigenschaften

Wärmedämmung – Wärmespeicherung – Wärmeableitung und -aufnahme – Oberflächentemperatur – Wärmedämpfung Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl – Gleichgewichtsfeuchte (Sorptionsfeuchte) – Hygroskopische Feuchteaufnahme und -abgabe – Feuchteleitfähigkeit – Tauwasserschutz – Baufeuchte und Trocknung – Nebenerscheinungen bei der Austrocknung

6 Bauen mit Leichtlehm

830 Brandverhalten

221

840 Schallschutz

227

850 Luftdichtigkeit 860 Schadstoffbindung

232 232



234 236 240 242 244 246 249 250 252 256 258 261 264 266 268 272 273 274 276 278 280 282 283 284 286 288 290 294

Baustoffklasse – Feuerwiderstandsklasse – Klassifizierte Holzbauteile mit Lehmfüllungen Luftschalldämmung – Schallschutz von Holzbalkendecken

Projekte 1 Fachwerkhausumbau und Anbau (D) 2 Wohnhausneubau mit Werkstatt (D) 3 Die Lehmbausiedlung Domaine de la Terre, L’Isle d’Abeau (F) 4 Neubau eines Gemeinschaftshauses (D) 5 Scheunenausbau (D) 6 Wohnhaus-Anbau (D) 7 Stallbau und Scheune (F) 8 Sommerhaus (S) 9 Atelierhaus (D) 10 Lehmhaus in Maria Rain (A) 11 Denkmalgerechte Fachwerkhaussanierung und Neubau (D) 12 Denkmalgerechte Fachwerkhaussanierung (D) 13 Einfamilienhaus in Raisio (FIN) 14 Forschungsprojekt (»demonstration project«) Littlecroft (UK) 15 Sandberghof – gemeinschaftliches Wohnen (D) 16 Einfamilienhaus in Schweden (S) 17 Kirche in Järna (S) 18 Gästehaus in New Mexico (USA) 19 Prajna Yoga Studio in New Mexico (USA) 20 Einfamilienhaus in Wisconsin (USA) 21 Einfamilienhaus in Carla Bayle (F) 22 Zwanzig Häuser in Strohleichtlehm (F) 23 Umbau eines Landhauses in der Normandie (F) 24 Wiederaufbau in Haiti 25 Schap 2011 – primary school in Südafrika (ZA) 26 Einfamilienhaus in Victoria (AU) 27 Wohnhaus in Darmstadt (D) 28 Einfamilienhaus in Kaipara Flats (NZ)

Anhang Literatur und Quellen Projektveröffentlichungen Stichwortverzeichnis Abbildungsnachweis Über den Autor Glossar

296 302 305 310 311 312

Inhalt  7 

Vorwort Das Buch »Leichtlehmbau – alter Baustoff – neue Technik« erschien bereits 1983 als erstes deutsches Standardwerk über Bauen mit Lehm, nachdem Anfang der 80er Jahre ein neues Interesse am umweltfreundlichen Baustoff Lehm entstanden war. Ziel war es, tiefer einzusteigen, die gesamte Literatur und Normung zu durchforsten und systematisch Möglichkeiten zu untersuchen, Wände, Decken und Dach mit Stroh und Lehm auszuführen. Neben baurechtlichen Fragen war vor allem die Bauphysik von Lehmbaustoffen ein noch unbeschriebenes Blatt. Grundlagen des Wärme-, Feuchte-, Brand- und Schallschutzes mussten erst erarbeitet werden. Eigene vergleichende Brandversuche zeigten den guten Brandschutz trotz hohen Strohanteils. Für Aussagen zur Wärmedämmung von Lehmbaustoffen schieden teure Versuche aus, praxisgerecht erschien es, erst einmal vorhandene Angaben der Wärmeleitzahl aus Literatur und Normung zusammenzustellen. Weitere Quellen bestätigten später diese Werte, so dass sie auf Vorschlag des Verfassers in die Lehmbau Regeln und in DIN 4108-4 (Wärmeschutz) aufgenommen wurden. Die homogenen einschaligen Leichtlehmwände, mit denen wir begonnen haben, wurden zwar Synonym für Leichtlehmbau, sind aber nur eine von vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Schon Anfang der 90er Jahre haben wir mehrschalige Konstruktionen mit zusätzlichen Dämmschichten entwickelt, um gestiegenen Ansprüchen an Energieeinsparung und Wohnkomfort sowie verschärften Vorschriften zu entsprechen, und diese in die 5. Auflage von 1995 aufgenommen. Gerade die Verbindungen mit nachwachsenden Naturfaserdämmstoffen oder Recyclingmaterial wie Zellulosedämmstoff eröffnen vielfältige neue Möglichkeiten für beispielhaft nachhaltige und energiesparende Konstruktionen mit Holz und Lehm. Mit zusätzlichen Dämmschichten kann die Leichtlehmschale schlanker, aber schwerer und wärmespeichernd, ausgeführt werden, örtlich hergestellt kann sie schneller trocknen. Der leicht veränderte Titel der siebten Auflage von 2013: »Bauen mit Leichtlehm, Handbuch für das Bauen mit Lehm und Holz«, wurde der neuen Gliederung analog der Lehmbau Regeln in Baustoff und Bauteil gerechter. Neu ist die Aufnahme von historischen und weiterentwickelten Techniken mit Strohlehm und schwerem Leichtlehm im freien Auftrag, dafür sind Ergebnisse eines Forschungsprojektes in Limburg und vieler praktischer Vorversuche eingearbeitet. Leichtlehm wird ausschließlich nichttragend und ausfachend eingesetzt. Im (Holz-) Skelettbau bietet er eine Verbesserung bauphysikalischer und raumklimatischer Qualitäten, als Alternative zu üblichen leichten Dämmstoffausfachungen. Viele praktische und bauphysikalische Vorteile und konstruktive Vereinfachungen durch Lehmund Leichtlehmbaustoffe werden in dieser Auflage gezeigt, wie z.B. der sehr einfache konstruktive Feuchteschutz ohne Dampfsperren und Klebebänder zweifelhafter Dauerhaftigkeit. Ein großer Vorteil waren im Holzbau schon immer die schlanken Wanddicken, die flächensparende Grundrisse ermöglichen. Moderne Hartbaustoffe – meist mit unnötig hoher Festigkeit – lassen sich nur aufwendig zerschreddert in den Materialkreislauf rückführen. Dagegen können Holz-Lehm Konstruktionen leicht und geräuscharm um- und weitergebaut werden, wobei ein Großteil der Baustoffe sich Vorwort  9 

immer wieder weiterverwenden lässt. Dabei müssen Holz-Lehmhäuser nicht teuer sein, und Eigenleistungen sind umfangreich möglich. Neue Projektbeispiele, vom Wohnhaus über Kirche, Kindergarten und Grundschule, Stallbau, Sommerhaus, Künstleratelier oder Museum zeigen die Vielfältigkeit und ganz normale Anwendbarkeit des Baustoffes, und vor allem, dass das Bauen mit Lehm auch in den Industrieländern nichts Exotisches an sich hat, sondern zu einer erschwinglichen, modernen und beispielhaft nachhaltigen Architektur mit neuen ästhetischen Möglichkeiten beitragen kann. Neben den Projekten, die zeigen, wie Lehm-Fertigbaustoffe eine zeitgemäße Bauabwicklung ermöglichen, sollen zahlreiche Selbstbauprojekte anregen, die einzigartigen Möglichkeiten dieses Baustoffes mit den eigenen Händen zu entdecken. In der nun vorliegenden 8. Neuauflage werden der schalungsfreie Materialauftrag weiter verfolgt und Fortschritte in der Normung beleuchtet. Gebaute Beispiele aus den angelsächsischen Ländern erweitern den Projektteil – es war eine über­ raschende Erfahrung bei der Recherche, weltweit auf enthusiastische Architekten und Bauausführende zu stossen, die – schon damals angeregt durch die Erstauflagen von »Leichtlehmbau«- begonnen hatten, mit Stroh und Lehm zu bauen und dabei auch eigene Techniken und Maschinen zur Material-Herstellung entwickelt haben. An dieser Stelle sei noch einmal für Beiträge der früheren Auflagen gedankt: besonders Peter Breidenbach, Lydie Didier, Andreas Dilthey, Alexandre Douline, Lou Host-Jablonski, Hugo Houben, Franck Lahure, Alain Marcom, Aymone Nicolas, Sophie Popot, Teuvo Ranki, Johannes Riesterer, Ulrich Röhlen, Elias und Eva Rubin, Olivier Scherrer, Manfred Speidel, Juan Trabanino, Mikael Westermarck und Christof Ziegert. Heute möchte ich besonders allen danken, die für diese Neuauflage Bildmaterial geliefert und Informationen, Anregungen und Kritik beigetragen haben: Vasko Drogiski, James Henderson, Robert Laporte und Paula Baker-Laporte, Sandy Lidell Halliday, Chris Morgan, Florian Primbs, Michael Schauer, und nicht zuletzt Ute Schauer für ihre Mitarbeit.

Franz Volhard September 2015

10 Bauen mit Leichtlehm

100 Einführung »Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. V ­ eränderungen der alten bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine verbesserung bedeuten, sonst bleibe beim alten. Denn die wahrheit, und sei sie hunderte von jahren alt, hat mit uns mehr inneren zusammenhang als die lüge, die neben uns schreitet.« Adolf Loos, 1913

110

Lehm als Baustoff

Bauen mit Lehm hat auch in Mittel- und Nordeuropa eine lange Tradition. Aus den klimatischen und kulturellen Gegebenheiten und der Notwendigkeit, die örtlich vorhandenen Materialien zu verwenden, entwickelten sich vielfältige Methoden, Lehm beim Bauen einzusetzen: −− reine Massivbauweisen mit Lehm für Wände, Böden, Gewölbe −− Mischbauweisen in Verbindung mit Holz und Pflanzen für Wände, Decken und Dachdeckung −− Steinmauerwerk mit Lehmmörtel Eine Besonderheit des Lehms ist sein verschiedenartiges Vorkommen. Lehm ist ein Gemisch aus Ton, Schluff, Sand, Kies oder auch Steinen, in unterschiedlichen ­Mengenverhältnissen. Nicht alle Lehme eignen sich für jede Bauweise gleich gut – das örtliche Lehmvorkommen bestimmt daher auch die jeweilige Bauweise. Lehm, der ausschließlich durch Lufttrocknung erhärtet und nicht chemisch abbindet wie Kalk oder Zement, hat die einzigartige Eigenschaft, bei erneuter Wasserzugabe wieder plastisch und formbar zu sein. Das macht ihn immer wieder verwendbar, aber auch empfindlich gegen eindringendes Wasser. Daher besteht die Lehmbautechnik zum großen Teil aus Maßnahmen, einer Zerstörung durch Regen und Nässe vorzubeugen. Dazu gab und gibt es grundsätzlich folgende Methoden: −− Die z. B. in Afrika heute noch übliche gelegentliche Erneuerung und Reparatur der Außenhaut mit Lehm −− Schutz durch wasserabweisenden Putz und Anstrich −− Stabilisierung des Lehms durch Zusätze −− Fernhalten der Nässe durch Wetterschutz Ungeschützt werden Lehmbauten wieder zu dem, was sie waren. Der von der Erde genommene Lehm geht, wenn er nicht mehr gebraucht wird – Ruinen, Abrissmaterial, Baustoffreste –, unverändert und nicht als Müll in den Naturkreislauf zurück, so wie die »vorsintflutliche« Stadt Ur in den Ausgrabungen als drei Meter ­dicke Lehmschicht auftaucht.

Einführung  11 

120 Lehmbauweisen

121 Massivbauweisen Bei entsprechender Lehmaufbereitung und Wanddicke reicht die Druckfestigkeit des Lehms aus, um die tragenden Wände auch mehrgeschossiger Häuser in Lehm zu errichten. Im Jemen und in Nordafrika gibt es acht- bis zehngeschossige Häuser. In Nord­europa ging man nur selten über drei bis vier Geschosse hinaus. Tragend eingesetzte Lehmbaustoffe haben meist eine Dichte von über 1700 kg/m3. Die wichtigsten Techniken sind der Lehmstein- bzw. Lehmquaderbau, der Lehmstampf- und der Wellerbau. Der Lehmsteinbau ist eine der ältesten Bauweisen. Die Städte der frühen Hochkulturen z. B. in Mesopotamien waren aus luftgetrockneten Lehmsteinen oder Luftziegeln gemauert. Der Lehm wird dazu entweder in plastischer Konsistenz in Formrahmen »gepatzt«, in breiiger Konsistenz gestrichen oder in erdfeuchter Konsistenz gestampft oder gepresst. Zur Stabilisierung wird meist Strohhäcksel zugesetzt, vermauert wird mit Lehm- oder Kalkmörtel. Neben den ­traditionellen Verfahren, die heute noch fast überall in der Welt verbreitet sind, gehören auch industriell hergestellte Adobes z. B. in New Mexico zu den gebräuchlichen ­Materialien. Zur Herstellung gepresster Steine (compressed blocks) auf der Baustelle gibt es Handpressen oder Maschinenpressen. In Amerika, Brasilien, Mexico, Algerien werden gepresste Steine und Quader auch in automatischer Fabrikation hergestellt, durchaus vergleichbar mit der industriellen Produktion anderer Baustoffe. Der Lehmstampfbau gilt als weiterentwickelte Lehmbautechnik, ist aber ebenfalls sehr alt. Da die Wände unmittelbar aufgesetzt werden, ist das Stampfverfahren

Abb. 1 Stadtbild im Lyonnais, verputzte Stampflehmhäuser

12 Bauen mit Leichtlehm

121-03 Abb. 2 Lehmsteinbau

Abb. 3 Lehmstampfbau

Traditioneller Formrahmen für Lehmsteine

Traditioneller Stampfbau

Abb. 4  Traditionelles Werkzeug für Stampf- und Steinbau

insgesamt weniger zeitaufwendig als das Herstellen, Trocknen und Vermauern von Steinen. Stampflehmbau ist weltweit dort verbreitet, wo steiniger Lehm in der richtigen Zusammensetzung ansteht. Der erdfeucht aufbereitete Lehm wird durch festes Stampfen zwischen den Brettern oder Tafeln einer Gleitschalung zu fugenlosen, monolithischen Wänden verdichtet. In der traditionellen Technik werden Stampfbauten heute noch, bzw. wieder, in Lateinamerika, Marokko, Afghanistan und China errichtet. In Europa, Amerika und Australien gibt es Weiterentwicklungen: großflächige Tafelschalungen, maschinelle Aufbereitung und Pressluftstampfer zur Reduzierung des Arbeitsaufwandes.

122 Skelettbauweisen Der Lehm wird als nichttragendes, raumabschließendes Aus­fachungsmaterial ver­wendet. Die witterungsempfindlichen Lehm­­­arbeiten werden durch das bereits Einführung  13 

gedeckte Dach geschützt. Nicht zuletzt deshalb werden in nördlichen Klimazonen mit regenreichem Sommer diese Bauweisen bevorzugt. Der mittel- und nordeuropäische Fachwerkbau und der japanische Holzbau mit seinen Lehmausfachungen sind Beispiele. Die Übertragung der Decken- und Dach­lasten auf Wandstützen bietet darüber hinaus in erdbebengefährdeten Gebieten größere Sicherheit (s. Projekt 24). Diese Lehmbautechnik geht zurück auf frühe Zelt-, Pfahl- und Gerippebauten, deren Wandgeflecht mit Lehm verstrichen wurde [Soeder 1964]. Im Laufe der Geschichte haben sich viele verschiedene Techniken herausgebildet. In Europa waren variantenreiche Auftragsverfahren auf Flechtwerk, Staken oder Lattung sowie das Ausmauern mit Lehmsteinen verbreitet. Diese Techniken waren so selbstverständlich und jedermann bekannt, dass man darüber in der Literatur nur sehr wenige Angaben findet. Zur Füllung diente meist Strohlehm, eine Mischung aus Lehm und stabili­sierendem Stroh. Anlässlich der Sanierung des mit 700 Jahren ältesten Fachwerkhauses in Deutschland konnte der Verfasser im Detail Merkmale und Eigenschaften der historischen Techniken untersuchen, auch um praktisch verwertbare Anhaltspunkte für Neuausfachungen zu gewinnen [Volhard 2010 a].

Abb. 5 Geflecht mit Bewurf,

Marburg

14 Bauen mit Leichtlehm

130 Bauen mit Lehm – geschichtlicher Überblick

»ne caementorum quidem apud illos aut tegularum usus, materia ad omnia­­utuntur informi et citra speciem aut delectationem. quaedam loca diligentius inlinunt terra ita pura ac splendente, ut picturam ac lineamenta colorum ­imitetur.« Tacitus: Germania »Auch Bruchsteine und Ziegel sind bei ihnen nicht in Gebrauch, zu allem verwenden sie unbehauenes Bauholz mit seinem unschönen, reizlosen Aussehen. Manche Wandstellen bestreichen sie freilich recht sorgfältig mit so sauberem, glänzendem Lehm, dass es wie Bemalung und farbige Verzierung wirkt.« Wie bei Tacitus nachzulesen ist, haben die alten Germanen mit Holz und Lehm gebaut. Stein- und Ziegelbau sind vermutlich auch im übrigen Nordeuropa bis dahin unbekannt und finden erst durch die Römer allmähliche Verbreitung. Bezeichnungen wie Mauer, Ziegel, Mörtel, Kalk gehen auf das Spätlateinische zurück: murus, tegula, mortarium, calx. In Mitteleuropa finden sich bereits im Neolithikum Skelettwände mit Flechtwerk, das mit Lehm beworfen wurde. Archäologisch belegte Beispiele in Niederösterreich aus dem 6.–5. Jh. v. Chr. sind im Museum für Urgeschichte (Asparn/Zaya) rekonstruiert. Die Geschichte des Lehmbaus in Deutschland und den angrenzenden Ländern ähnlicher Breitengrade ist im Wesentlichen die des Lehm-Fachwerkbaus, massive Abb. 6 Tübingen, verputztes

Fachwerk

Einführung  15 

Lehmhäuser bleiben die Ausnahme, beschränkt auf einzelne Regionen und einige Phasen Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts und die Notzeiten nach den beiden Weltkriegen. Der Fachwerkbau ist bis zum Ende des 19. Jahrhunderts eine gebräuchliche Bauweise für nahezu alle Bauaufgaben, wobei sich regional ganz unterschiedliche Haustypen und Formen herausbilden. Vielfältige Gründe und Entwicklungen führen dazu, dass der Fachwerkbau allmählich vom Mauerwerksbau aus Naturstein oder Ziegeln verdrängt wird. Einige seien hier genannt: −− In einer Zeit zunehmender, allgemeiner Holzknappheit (seit dem 17. Jahrhundert) hat der Fachwerkbau den Nachteil des beträchtlichen Holzverbrauchs, verursacht auch durch gefühlsmäßig bestimmte, überdimensionierte Querschnitte. −− In den dicht bebauten Städten werden ganze Stadtviertel durch Feuersbrünste zerstört. Die höhere Feuersicherheit ist ein Argument für den Massivbau. −− Der Steinbau kommt dem Bedürfnis nach Dauerhaftigkeit und Sicherheit mehr entgegen als leichter vergängliche Baustoffe wie Holz und Lehm. Da die Ziegelherstellung wiederum erhöhten Holzverbrauch zur Folge hat und Steinhäuser als kalt, feucht und teuer gelten, sind die Voraussetzungen für das – allerdings kurze – Aufleben der Lehm-Massivbauweisen Ende des 18. Jahrhunderts günstig. So empfiehlt z. B. 1764 der preußische Staat die Bauweise mit Lehm­patzen, um der allgemeinen Holzknappheit zu begegnen. In Frankreich baut C. de ­Cadenet schon 1741 ein Dorf für Landarbeiter in Lehmstampfbau (Charleval, Durance). Abb. 7 Fachwerkhaus aus dem

15. Jh., Hasselt, Belgien, Instand­ setzung 1996

16 Bauen mit Leichtlehm

1772 publiziert G. Goiffon ein erstes Handbuch »Art du maçon piseur« über diese ursprünglich von den Römern aus den Kolonien nach Frankreich eingeführte Technik. 1790 erscheint die berühmte »Schule der Landbaukunst« des französischen Architekten F. Cointeraux mit Anweisungen zum Pisé-Bau. Dieses Buch wurde in fast alle europäischen Sprachen übersetzt und erschien als deutsche Ausgabe 1793 ­[Cointeraux 1793]. 1797 veröffentlicht D. Gilly in Berlin ebenfalls ein »Handbuch zur Land-Bau-Kunst« [Gilly 1818], in dem er sich mit der Technik des Lehmbaus beschäftigt. Das Bemühen, in Deutschland den Pisé-Bau zu verbreiten, eine Bauweise, die »äußerst wohlfeile, gesunde, dauerhafte, warme und völlig feuerfeste Wohnungen« [Wimpf 1841] verspricht, hat nur regional durch das persönliche Engagement Einzelner Erfolg. In Weilburg z. B. setzt sich der Fabrikbesitzer Wilhelm Jakob Wimpf für den Bau etlicher teils mehrgeschossiger Gebäude aus Stampflehm ein, die zum größten Teil bis heute gut erhalten, aber als solche äußerlich nicht zu erkennen sind (Abb. 8) [Erhard 1982]. Auch in Österreich hat sich der Lehmstampfbau zu dieser Zeit nicht durchgesetzt und es sind nur wenige Beispiele erhalten [Kugler 2009]. In Frankreich dagegen entsteht im 19. Jh. in vielen Regionen eine neue Baukultur mit Lehm. Ganze Städte und Dörfer, Schlösser, Wohngebäude, Schulen, Rathäuser, Manufakturgebäude, Scheunen und Bauernhöfe werden in Stampf- oder Lehmsteinbau errichtet, die noch heute gut erhalten sind, z. B. in der Stampflehmregion Rhône-Alpes im Großraum Lyon und St. Etienne (Abb. 1). Der Boden ist hier für den Abb. 8 Lehmstampfhaus 1828/29

Weilburg, Bahnhofstr. 11

Einführung  17 

Stampfbau ideal: Der steinig-kiesige Lehm guter Bindekraft benötigt keine Aufbereitung mit Zuschlägen und kann ohne weiteres in natürlicher Feuchte zwischen die Schalbretter gestampft werden. Dass sich der Lehmstampfbau in Deutschland schließlich nicht durchsetzen kann, liegt auch daran, dass diese Technik – anders als in Frankreich – kaum an eine regional vorhandene Bautradition anknüpfen kann und sich daher wenig Aufgeschlossenheit gegenüber der unbekannten Bauweise zeigt. In Regionen mit weniger geeignetem, z. B. schluffigem Lehm ist die Aufbereitung auch sehr aufwendig, bei magerem Lehm sogar unmöglich oder gefährlich. In nördlicheren Regionen hat Stampflehm schließlich den Nachteil, dass die Arbeiten witterungsabhängig sind. Dagegen ist Lehmsteinmauerwerk etwas schneller unter Dach und deswegen auch vielerorts immer wieder anzutreffen. So sind fast alle in Österreich im nördlichen Burgenland und im Weinviertel in dieser Zeit entstandenen und noch erhaltenen, aber leider zunehmend von Abriss bedrohten Lehmbauten der sog. »Ingenieurdörfer« aus Lehmsteinen errichtet. Die traditionell mit Kalkschlämme geweißten Häuser prägen das typische Ortsbild vor allem der Kellergassen. Der örtliche Lösslehm dieser Region wurde mit Strohhäcksel vermengt und ursprünglich in patzenförmigen Klumpen aufeinander geschichtet (Lehmpatzen, Wuzlmauern), später in Formen geschlagen und zu Lehmziegeln im österreichischen Format (29 × 14 × 6,5 cm) oder Blöcken (ca. 30 ×15 × 15 cm) für »­Quaderstockmauerwerk« getrocknet und vermauert [Kugler 2009] [Maldoner/ Schmid 2008] [Bruckner 1996]. Die eigentliche Ursache aber, dass Mitte des 19. Jahrhunderts der Lehmbau, und zwar auch der Fachwerkbau, in Vergessenheit gerät, ist das beginnende Industriezeitalter. Abb. 9 Weinviertel, Niederösterreich

18 Bauen mit Leichtlehm

Neue Bauaufgaben verlangen neue Lösungen. Mehrgeschossigkeit und große Spannweiten entsprechen nicht der Lehmbautechnik, ebenso wenig Fassadenschmuck, Gesimse, Vor- und Rücksprünge. Das Bauen unterliegt neuen Gesetzen, da gelten Lehmbauten als rückständig, primitiv und arm. Der Massenwohnungsbau erreicht Dimensionen, die nur mit Hilfe der neuen Möglichkeiten bewältigt werden können. Lehmbau ist Handwerkskunst geblieben, während das Baugeschehen ­weitgehend industrialisiert wird. Mit der Erschließung der Kohlevorkommen entstehen Ziegeleien, Zementfabriken, Eisengießereien. Neue »dauerhafte« Baustoffe kommen auf den Markt und ein Teil der Bauarbeiten wird in Vorfertigung in Fabriken geleistet. Lehm dient allenfalls noch zur Abdichtung, für Estriche und Deckenausfachungen. »Der Lehmbau wurde vollends dadurch zum Erliegen gebracht, dass die Baustoffwirtschaft und namentlich die aufblühende Ziegelindus­trie mit einseitigen Behauptungen einen schonungslosen Propagandakampf gegen ihn führte, dass die Banken sich weigerten, den Lehmbau zu denselben Bedingungen zu beleihen wie die übrigen Massivbauten, und dass die Versicherungsgesellschaften ihm Schwierigkeiten machten. Es muss allerdings zugegeben werden, dass bei den damaligen Lehmbauten sehr oft der Putz infolge unsachgemäßer Ausführung abgefallen ist und dass diese Bauten dann einen abschreckenden Eindruck machten.« [Hölscher u. a. 1947] Die problematische Kalkputzhaftung auf massiven Lehmwänden scheint in der damaligen Fachliteratur ein Dauerthema zu sein. Auch der Architekt Hermann Muthesius sah darin Nachteile des Lehmbaus (s. u.). Demgegenüber waren die traditonell dünnen Haarkalkputze auf Strohlehmausfachungen selten ein Problem. Erst nach dem Ersten Weltkrieg erinnert man sich in Deutschland wieder an den Lehmbau, als kohlegebundene Baustoffe knapp geworden, Transportmöglichkeiten Abb. 10 Pisé-Bau, Frankreich

Einführung  19 

beschränkt und Facharbeiter selten sind. In wenigen Jahren werden vor allem in Selbsthilfesiedlungen auf dem Land mehr als 20.000 neue Lehmbauten erstellt [Fauth 1946, 1948]. Es bildet sich der »Deutsche Ausschuß zur Förderung der Lehmbauweise«. Lehrund Beratungsstellen werden eingerichtet, Tagungen und Kurse zur Ausbildung von Lehmfacharbeitern abgehalten. Anfängliche Misserfolge aus mangelnder Erfahrung sind bald überwunden. Erste wissenschaftliche Forschungen an Materialprüfanstalten – Brandversuche, Druckfestigkeits- und Lehmprüfungen – tragen mit dazu bei, dass sich bald allgemein anerkannte Regeln der Technik herausbilden. Aber trotz staatlicher Förderung kommt es zu keiner baupolizeilichen Regelung. Die Anwendung des Lehmbaus bleibt auf wenige Nachkriegsjahre beschränkt, bis sich der Zustand der Baustoffindustrie und die Transportmöglichkeiten wieder »normalisiert« haben. Danach wird der Lehmbau nur vereinzelt wieder aufgegriffen. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges ist der Lehmbau ein Ausweg aus der »das gesamte nicht kriegsbedingte Bauwesen drosselnden Bausperre« [Hölscher u. a. 1947]. In Pommern entstehen mehrere Muster-Lehmsiedlungen. In Voraussicht der Wohnungsnot nach dem Krieg erarbeitet 1944 eine Gruppe deutscher Lehmfachleute, u. a. Richard Niemeyer und Wilhelm Fauth, eine Verordnung als einheitliche Grundlage für die Wiedereinführung des Lehmbaus, um auf baurechtlichem Gebiet nicht zum zweiten Mal völlig unvorbereitet zu sein. Diese »Lehmbauordnung« [Lehmbauordnung 1944] erscheint am 4. 10. 1944 im Reichs­ gesetzblatt. Nach Kriegsende wird dann die Lehmbauweise erneut als Möglichkeit propagiert, mit den wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln Wohnhäuser und Arbeitsstätten zu errichten. Wiederum werden ein »Deutscher Ausschuß für Lehmbau« und ­zahlreiche Lehr- und Beratungsstellen gegründet, die auf Lehrbaustellen ­Facharbeiter ausbilden. Zum anderen wird gefordert, den Lehmbau genauso wie andere Bauweisen in Überlegungen zur Rationalisierung durch Maschineneinsatz einzubeziehen. »… muss die Vorstellung überwunden werden, der Lehmbau sei eine Behelfsbauweise, eine solche also, der man nicht die gleiche Aufmerksamkeit hinsichtlich der Mechanisierung und Industrialisierung zuzuwenden braucht, wie man das bei anderen Kon­struktionen tut. Auch im Lehmbau ist, wie in der übrigen Bauindustrie, eine konsequente Rationalisierung der Schlüssel zum Erfolg« [Pollack/Richter 1952]. In der Zeitschrift »Naturbauweisen« (Abb. 14) und zahlreichen anderen Veröffent­ lichungen lässt sich eine wissenschaftliche Weiterentwicklung verfolgen. Der Lehmbau wird nicht nur als eine vorübergehende Notarchitektur empfohlen, sondern darüber hinaus als ökonomisch notwendig und ressourcensparend. »Oberster Gesichtspunkt der Leitung einer jeden Volkswirtschaft, besonders aber einer solchen, die die Folgen eines verheerenden Krieges zu überwinden hat, ist die Sparsamkeit. … Baut man ein Haus auf Lehmboden, so ist die Errichtung seiner Mauern als Lehmbau ein Musterbeispiel solcher volkswirtschaftlichen Sparsamkeit« [Pollack/Richter 1952]. 20 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 11 Heimstättengenossenschaft: Sechsfamilien-Siedlungswohnhaus,

Lehmstampfbau Dresden 1919/20 Abb. 12 Anzeige 1921: Schlagmaschinen

zur rationellen Herstellung von Lehmsteinen und Lehmquadern

Abb. 14 Naturbauweisen, Mitteilungsblatt des FachAbb. 13 Richard Niemayer: Der Lehmbau und

seine praktische Anwendung [Niemeyer 1946]

ausschusses »Lehmbau«, in der Kammer der Technik Berlin 1948–50

Einführung  21 

Die Lehmbauaktivitäten beschränken sich jedoch in Deutschland vor allem auf die damalige sowjetische Besatzungszone, wo die sowjetische Militär-Administration 1947 mit dem sog. »Baubefehl 209 zur Wohnraumbeschaffung« den Bau von 200.000 kleinbäuerlichen Gehöften fordert [Hamann 1948], mit der Auflage, etwa 40 % natürliche und örtlich zu gewinnende Baustoffe zu verwenden. Die Einsparungen für innerhalb von zwei Jahren errichtete 17.300 Baueinheiten aus Lehm werden mit 200 Millionen Ziegeln, 40.000 t Kalk, 110.000 t Kohle und 750.000 t Transportraum angegeben [Pollack/Richter 1952]. In Ostdeutschland wird bis Ende der 50er Jahre mit Lehm gebaut, in Westdeutschland allerdings ist der Lehmbau wieder eine Episode der unmittelbaren Nachkriegsjahre geblieben. Zwar wird 1951 schließlich die Lehmbauordnung von 1944 als Technische Baubestimmung [DIN 18951 1951] eingeführt und es folgen bis 1956 noch weitere Vornormen (s. Kapitel 732), aber im »Wirtschaftswunder« und wachsenden Wohlstand hat das Bauen mit Lehm keinen Platz mehr. Unverständlich bleibt jedoch, warum man die neuen technischen Möglichkeiten nicht auf den Lehmbau anzuwenden versucht hat, während zur gleichen Zeit in Amerika – ohne Not – der Baustoff Lehm wiederentdeckt wird und mit neuen Verarbeitungsmethoden industriell hergestellte Lehmsteine preisgünstig angeboten werden können [Vick 1949]. In Deutschland hat es ähnliche Versuche wohl nur vereinzelt gegeben, so die »Tonadur«-Steine und -Platten eines bayrischen Baustoffwerks für Mauerwerk und zur Ausfachung von Wänden, Decken und Dachschrägen ­[Tonadur 1949]. Auffällig ist, dass in älteren Büchern über Lehmbau die traditionellen Verarbeitungen von Lehm im Holzbau z. B. mit Stroh- und Leichtlehm, eher am Rande behandelt werden, obwohl der Skelettbau wegen seiner Vorteile in nördlichen Regionen über Jahrhunderte viel gebräuchlicher war. Ein Grund hierfür mag die Holzknappheit in jenen Krisenzeiten gewesen sein, in denen Lehmbau bevorzugt angewandt worden ist: während und nach den Kriegen [Speidel 1983]. Auch große Namen der Architektur haben sich in Krisenzeiten mit Lehm als Baustoff auseinandergesetzt. In Österreich hatte schon kurz nach dem 1. Weltkrieg Adolf Loos die Heubergsiedlung in Wien mit Lehm bauen lassen. Egon Eiermann hat nach 1945 den Studenten in Karlsruhe in den ersten Baukonstruktionsvorlesungen Lehmbauverfahren vorgestellt (Abb. 19) und Otto Bartning hat für das diakonische Werk in Neckarsteinach bei Heidelberg 1946 eine Lehmbausiedlung errichtet (Abb. 17, 18). Aber alle diese Bemühungen haben den Geschmack des Behelfsheimbaus für eine Übergangszeit gehabt [Speidel 1983]. Der Architekt Hermann Muthesius empfahl zwar für kleine ländliche Gebäude die Lehmwand, sah aber als Mängel die lange Bauzeit von Lehmstampfwänden und die problematische Haftung des Putzes. In Frankreich hat Le Corbusier sein Projekt Murondins (1941) leider nicht realisieren können. Sonst sind nur wenige vereinzelte Projekte der Nachkriegszeit publiziert. Eher sind es die Gebiete der früheren Kolonien, Algerien, Marokko und Senegal, wo sich französischen Architekten und Ingenieuren Gelegenheit bietet, für eine neue moderne Architektur zementstabilisierten Lehmstampfbau »béton de terre« zu ent22 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 15 DIN 18951 1951: Lehmbauten, Vorschriften für die Ausführung (1971 zurückgezogen ohne Ersatz)

Einführung  23 

Abb. 16 Haus in Bad Dreikirchen, Südtirol. Aufgreifen der örtlichen Bau­tradition: Natursteinmauerwerk mit

Lehmmörtel (Arch. Lois Welzenbacher 1923)

wickeln (M. Luyckx 1944, J. Dreyfus 1954). In Marokko leitet der Ingenieur A. Masson 1962–67 den Bau von 2700 Häusern mit stabilisierten Lehmsteinen ­[Nicolas 2011]. »… Aber, höre ich sagen, diese schwerfällige Stampferei ist doch überhaupt nicht rationell, nicht modern. Dem leichten, präfabrizierten Haus gehört die Zukunft. Gewiß, gewiß. Aber die wissenschaftliche und technische Entwicklung des fabrizierten Hauses braucht in Amerika noch fünf, bei uns in Deutschland sicher noch fünfzehn Jahre. Wir dachten bei unserem Lehm ja nur ein bißchen an die Gegenwart, die keine Kohle und kein Transportmittel hat. Sobald es genug Kohle gibt, werden wir sicher wieder Ziegel brennen …« Otto Bartning 1948 1971 werden die deutschen Lehmbaunormen ersatzlos zurückgezogen – in einer Zeit, in der der Fortschrittsoptimismus seinen Höhepunkt erreicht hat. Wiederentdeckung Doch schon wenig später, unter dem Eindruck spürbarer Energieknappheit in der Energiekrise von 1973, erwacht allgemein, besonders aber in Westdeutschland ein neues Interesse an weniger energieabhängigen, umweltfreundlichen und gesund24 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 17 Neckarsteinach 1946, Stampfbau

Abb. 18 Selbsthilfesied-

lung Neckarsteinach 1946 (Anleitung Otto Bartning)

Abb. 19 Siedlung der Siedlernotgemeinschaft Hettingen, 1946–1947, Lehmsteininnenwände

(Architekt Egon Eiermann)

Einführung  25 

heitlich unbedenklichen Baustoffen. Der Baustoff Lehm bekam hier zwar die besten Noten, nur war es kaum möglich, mit Lehm zu bauen, da die handwerkliche Überlieferung völlig abgebrochen war und es am Baustoffmarkt (noch) keine Lehmbaustoffe gab. Anfang der 1980er Jahre waren zunächst erste pionierartige Gehversuche nötig, bevor sich in der Folge in Deutschland zunächst vor allem das Bauen mit Leichtlehm im Holzskelettbau und der Fachwerksanierung verbreitete. Mit dazu beigetragen hat das erste Erscheinen dieses Buches 1983, das sich als Standardwerk etablierte. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Wiederentdeckung des Lehms in der Denkmal­ pflege, d. h. der Instandsetzung und Sanierung von Lehmfachwerkbauten. Man hatte aus Bauschäden als Folge falsch eingesetzter neuer Bau- und Dichtstoffe der 1960er Jahre gelernt und suchte nach nachhaltigeren Lösungen und authentischen Techniken. War es zunächst unumgänglich, mangels Handwerkern die Lehmarbeiten in Selbsthilfe auszuführen und auch die Baustoffe selbst am Ort herzustellen, beginnt in Deutschland schon in den 90er Jahren ein neues professionelles Interesse. Normale Handwerksbetriebe übernehmen nun auch Lehmbauarbeiten, andere Unternehmen spezialisieren sich ganz auf den Lehmbau. Die zunehmende Nachfrage führt schnell zur Entwicklung von vielseitig einsetzbaren Lehm-Fertigprodukten: Lehmsteine, Mörtel, Putze, Leicht- und Strohlehm zur örtlichen Verarbeitung, Lehmplatten aller Abmessungen. Maßgeblich beteiligt an der rasanten Entwicklung des Marktes für Lehmbaustoffe ist das 1984 in Viersen gegründete Unternehmen Lehmbau Breidenbach, heute als Claytec firmierend. 1992 gründet sich aus einem allmählich gewachsenen Kreis von Interessierten der gemeinnützige »Dachverband Lehm«. Er versteht sich als Plattform für den Informations- und Ideenaustausch von Herstellern, Händlern, Architekten, Abb. 20 Leichtlehmneubau 1986

26 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 21 Der erste Neubau mit

Leichtlehm 1983 (s. Projekt 2)

Abb. 22  Sanierung und Umbau des Hauses Markt 2 in Alsfeld von 1350, Neuausfachung mit Strohleichtlehm (Ausführung Fa. Talis 1989) 

Einführung  27 

Abb. 23 Produktpalette, Claytec 1992 (Claytec®)

Abb. 24 Entwicklung von Fertig-

produkten (Claytec®)

Abb. 25 Lehmplattenfertigung

1996 (Claytec®)

28 Bauen mit Leichtlehm

Bauherren und allen anderen, die mit Lehm arbeiten. Seit seiner Gründung setzte er sich als vordringliche Aufgabe, einen Konsens über den erreichten Stand der Technik in Form eines Regelwerks zu erarbeiten. Die öffentlich geförderten, 1998 vom Dachverband herausgegebenen Lehmbau Regeln, bei denen der Verfasser maßgeblich mitwirkte, sind inzwischen in fast allen Bundesländern bauaufsichtlich als Technische Baubestimmung eingeführt [Lehmbau Regeln 1999, 2008]. Seit 2010 erarbeitet eine Arbeitsgruppe für die wichtigsten industriell hergestellten Lehm­ produkte detailliertere Normen, wie sie für die Produktion, Kennzeichnung, Prüfung und Anwendung moderner Industriebaustoffe unumgänglich sind. War die Vermittlung von Fachwissen lange Zeit örtlichen Initiativen, Kursen und Seminaren, auch an verschiedenen Hochschulen und Universitäten, überlassen, bietet der Dachverband Lehm seit 2002 eine zweiwöchige theoretische und praktische Ausbildung zur sog. »Fachkraft Lehmbau« an, in Zusammenarbeit mit regionalen Handwerkskammern. Ein Prüfungszeugnis berechtigt zur Eintragung in die Handwerksrolle, vergleichbar mit anderen Handwerkerausbildungen (Handwerksrolle A, Maurer und Betonbauer, Spezialgebiet Lehmbau) [Dachverband Lehm]. In Frankreich ist es die Gruppe CRAterre (Centre international de la construction en terre), die sich seit den 1980er Jahren zu einem heute weltweit anerkannten Kompetenz­zentrum für Lehmbau entwickelt hat. Die Gruppe hatte sich an der École d’architecture de Grenoble gebildet, angeregt von der beeindruckenden Tradition der Pisé-Architektur in der Region. 1979 erschien »Construire en Terre« [CRAterre 1979], ein erster Versuch, das Bauen mit Lehm weltweit und systematisch zu erfassen. 1989 erschien das umfassende Handbuch »Traité de construction en terre« [CRAterre 1989]. Schon seit 1984 werden in Zusammenarbeit mit der École d’architecture de Grenoble weltweit einzigartige zweijährige Aufbaustudien angeboten, die auf ­wissenschaftlicher Grundlagenarbeit und praktischer Anwendung aufbauen (CEAA Terre, heute als DSA Terre weitergeführt). Die Gruppe betreut außerdem vor allem internationale Projekte, so z. B. 1981 auf der Insel Mayotte das bisher größte und erfolgreichste Lehmbau­ projekt mit 20.000 Wohnhäusern aus mit Handpressen örtlich hergestellten Lehm­ steinen (compressed blocs) (Abb. 26, 27). In Zusammenarbeit mit CRAterre realisierte Jean Dethier 1981 im Centre Georges Pompidou Paris die große Wanderausstellung »Lehmarchitektur«, die auch im Architekturmuseum Frankfurt zu sehen war. Der Katalog wurde vielfach übersetzt [Dethier 1981]. In der Folge konnte das aufsehenerregende Projekt einer neuen Lehmbau­siedung in Villefontaine bei Lyon realisiert werden. Verschiedene ­Architekten sollten demonstrieren, dass 65 Wohneinheiten im sozialen Wohnungsbau unter heutigen Bedingungen in Lehmstampfbau, mit gepressten Lehmsteinen oder Leichtlehm (s. Projekt 3) wirtschaftlich zu erstellen sind (Abb. 28). Parallel entstehen seit 1985 in allen Regionen Frankreichs vor allem Initiativen, Lehm in der Denkmalpflege und bei der Instandsetzung historischer Gebäude wieder einzusetzen. Zunehmend professionalisiert sich der Lehmbau und es werden Lehm­ produkte angeboten. Ein Netzwerk von verarbeitenden Lehmbaufirmen entsteht.

Einführung  29 

Abb. 26 Wohnhäuser, Mayotte

Island 1982 (CRAterre)

Abb. 27 Terstaram Press®,

­Mayotte 1982

Abb. 28 Village Terre Isle d’Abeau

30 Bauen mit Leichtlehm

Aus verschiedenen örtlichen Interessenverbänden zur Förderung des Lehmbaus wird schließlich 2006 der Verband AsTerre gegründet, das französische Netzwerk der professionellen Lehmbauer Frankreichs. Auch hier sieht man eine vordringliche Aufgabe darin, Regeln zum Bauen mit Lehm zu erarbeiten. Auch in anderen europäischen Nachbarländern, den USA, Australien und ­Neuseeland entwickelt sich seit den 1980er Jahren eine aktive Lehmbau-Szene. Es gründen sich zahlreiche nationale Verbände, vielerorts setzen sich Universitätsinstitute für Forschung, Entwicklung und Ausbildung ein. Normen und Standards werden erarbeitet – oder es werden Regelungen anderer Länder über­nommen (s. Kap. 732).

140 Heute mit Lehm bauen?

Spätestens seit der Energiekrise 1973 ist deutlich geworden, wie sehr der steigende Wohlstand und die Lebensgewohnheiten moderner Industrieländer bisher auf das gleichmäßige Fließen der Ölquellen angewiesen sind. Grenzen des Wachstums und der Umweltbelastbarkeit werden erkannt. »… (Die Krise) wird schlimmer werden, und sie wird zur Katastrophe führen, wenn wir nicht eine neue Lebensweise entwickeln, die mit den wirklichen Bedürfnissen der Menschennatur vereinbar ist, mit der Gesundheit der lebenden Natur um uns herum und mit den Rohstoffvorräten der Welt. Das ist tatsächlich ein großes Programm, nicht weil wir uns solch eine neue Lebensweise nicht vorstellen können, sondern weil die gegenwärtige Konsumgesellschaft sich wie ein Drogensüchtiger verhält, dem es überaus schwerfällt, sich von seiner Sucht zu lösen, ganz gleich wie elend er sich fühlt. Die Problemkinder der Welt sind deshalb die reichen Gesellschaften und nicht die armen.  … Das System der Produktion der Massen weckt die schlafenden Kräfte, über die alle Menschen verfügen: die Klugheit ihrer Köpfe und das Geschick ihrer Hände, und unterstützt sie mit erstklassigem Werkzeug. Die Technologie der Massenproduktion ist in sich gewalttätig, umweltschädlich, selbstzerstörerisch mit Bezug auf nicht erneuerbare Rohstoffe und den Menschen verdummend. Die Technologie der Produktion der Massen, die sich des Besten an modernem Wissen und moderner Erfahrung bedient, führt zu Dezentralisierung, ist mit den Gesetzen der Ökologie vereinbar, geht sorgsam mit knappen Rohstoffen um und dient dem Menschen, statt ihn mit Maschinen zu unterjochen. Ich habe sie Mittlere Technologie genannt, um anzudeuten, dass sie der primitiven Technologie früherer Zeiten weit überlegen, zugleich aber sehr viel einfacher, billiger und freier als die Supertechnologie der Reichen ist. Man kann sie auch SelbsthilfeTechnologie oder demokratische oder Volkstechnologie nennen – eine Technologie jedenfalls, zu der jedermann Zutritt hat und die nicht denen vorbehalten ist, die bereits reich und mächtig sind« (E. F. Schumacher: Die Rückkehr zum menschlichen Maß [Schumacher 1977]).

Einführung  31 

»Die Katastrophe ist also keineswegs in der Natur angelegt, sondern nur im Menschen. Und die Katastrophe kann so oder so nur aufgehalten werden, wenn der Mensch entweder in die Gesetze des Sonnenlimits zurückkehrt, oder aber eine unschädliche Methode erfindet, sich über das Sonnenlimit hinwegzusetzen.« (G. Moewes: Weder Hütten noch Paläste [Moewes 1995]) In diesem Sinne ist das Bauen mit Lehm, Holz und Pflanzenfasern eine der wenigen Bautechniken, die mit Sonnenenergie auskommen. Lehm trocknet an der Luft, ist immer wieder neu mit Wasser in andere Form zu bringen, Pflanzenfasern und Holz wachsen CO2-neutral nach. Dabei ist die Technik einfach und für jeden zugänglich, sie verwendet Rohstoffe, die ausreichend und überall vorhanden sind, ohne vorher einem energieaufwendigen Veredelungsprozess unterworfen zu sein, und sie ist, obschon sehr ausgereift, weiterhin entwicklungsfähig. Dagegen werden heute Baustoffe allein schon deshalb als »nachhaltig« bezeichnet, wenn ein Recycling technisch möglich ist. Aber ist denn Schreddern und Einschmelzen auch nachhaltig möglich bei schwindenden fossilen Energiequellen? Lehm und Holz kann man mit wenig Energie immer wieder verwenden oder ausgedientes Material einfach der Natur überlassen, ohne dabei Mensch und Umwelt zu schaden. Neben den genannten Aspekten gibt es genug Gründe für den Einzelnen, Lehm als Baustoff zu wählen. Die hohen Baukosten zwingen oft zur Selbsthilfe und gerade bei der Lehmbauweise bietet sich die Möglichkeit, die eigene Phantasie und Geschicklichkeit einzusetzen, Lehmbaustoffe selbst herzustellen oder Lehmfertigprodukte zu verarbeiten. Mehr und mehr interessieren sich aber auch Baustoffhersteller und Baufirmen für den Baustoff Lehm. Sie können aufgrund ihrer Qualifikation und besseren Ausrüstung die Technik in anderem Maßstab, als es dem Selbstbauer möglich ist, professionell anwenden und weiterentwickeln. Der Baustoff Lehm ist natürlich nicht für alle Bauaufgaben geeignet: Die geringere Druckfestigkeit bedeutet z. B. bei tragenden Lehmbauweisen eine Beschränkung auf ein bis zwei Geschosse (wegen der Sicherheitszuschläge). Ein Nachteil kann auch darin gesehen werden, dass die notwendige Trocknung feucht verarbeiteter Lehmbaustoffe die Bauzeit jahreszeitlich einschränkt. Lehm ist jedoch vor allem in Verbindung mit tragendem Holzskelett in vielen Bereichen eine Ergänzung und Alternative zu anderen Baustoffen: beim Wohnungsbau – z. B. verdichteter Flachbau im städtischen Bereich, Ein- und Mehrfamilienhäuser, bei der Altbausanierung (Fachwerk), im landwirtschaftlichen Bereich (Wohn- und Betriebsgebäude) und für öffentliche Gebäude wie Kindergärten und Schulen. Das Bauen mit Lehm hat sich bewährt. Die technischen Besonderheiten sind natürlich zu beachten. Sachkenntnis, Erfahrung, Sorgfalt bei Planung und Ausführung vorausgesetzt, gibt es keinen Grund, auf die Vorzüge dieses – im wahren Wortsinn – nahe liegenden Baustoffs zu verzichten.

32 Bauen mit Leichtlehm

150 Welche Möglichkeiten bieten Lehmbautechniken ­heute?

Die althergebrachte Meinung über den Lehmbau – »im Winter warm und im Sommer kühl« – muss in Relation zu dem damaligen Standard der Bautechnik gesehen werden. Heute sind die Ansprüche an gleichmäßige Klimatisierung gestiegen. Gleichzeitig muss aber mit fossiler Energie viel sparsamer umgegangen werden. Die Folge sind Verordnungen, die Mindestdämmwerte vorschreiben, die selbst dicke Lehmwände aus schwerem Massivlehm, ebenso wenig wie Vollziegelwände, nicht ohne zusätzliche Dämmschichten erreichen. Tragende Lehmwände aus Stampflehm, Lehmsteinmauerwerk oder im Wellerbau machen zwar teure Skelettkonstruktionen entbehrlich, dafür verbrauchen die dicken Wände mit Dämmung wertvolle Grundfläche. Erst nach Fertigstellung der Wände können die Decken und das Dach geschlossen werden, bei Regen muss die Arbeit unterbrochen und die Wände müssen jedesmal abgedeckt werden. Immerhin sind tragende Lehmwände bis zu zwei Geschossen mit Einführung der [Lehmbau Regeln 1999] in Deutschland wieder genehmigungsfähig. Für nichttragende Ausfachungen z. B. im Holzskelettbau sind dagegen Lehmbaustoffe vielfältig einsetzbar. Der moderne Holz-Lehmbau knüpft im Prinzip an die bekannte historische Lehmausfachung im Fachwerkbau an und ist für heutige Anforderungen weiterentwickelt. Neben Lehmsteinen, Faser- und Strohlehm – heute in der Regel mit zusätzlichen Wärmedämmschichten kombiniert – bietet der Baustoff Leichtlehm bauphysikalische, bautechnische und praktische Vorteile.

160 Bauen mit Holz und Lehm

161

Faser- und Strohlehm

Als »Strohlehm« oder »Faserlehm« werden Lehmgemische mit einem Trockengewicht zwischen 1200 und 1700 kg/m3 bezeichnet. Der Lehm wird dazu mit Stroh oder anderen Fasern weichplastisch aufbereitet [Lehmbau Regeln 2009]. Typische Anwendungsbereiche sind vor allem Wand- und Deckenausfachungen und dicke Putzaufträge. Die allgemeinere Bezeichnung »Faserlehm« verwenden wir für Lehmbaustoffe, die mit Fasern aller Art, besonders aber Feinfasern aufbereitet sind, und die sich – im Unterschied zu Strohlehm – z. B. für die Steinherstellung, für dünne Putzaufträge oder Maschinen-Spritzmörtel eignen. Gegen Rissbildung, Auswaschungen und zur Erhöhung der Wärmedämmung wird der Lehm mit Strohhäcksel oder geschnittenem Langstroh armiert. Die gebräuchlichsten Auftragsverfahren mit Strohlehm werden im Folgenden näher beschrieben. Sie bilden die Vorstufe für den Baustoff Leichtlehm (s. Kapitel 420). Beim Geflecht mit Bewurf erhalten die Gefache aus Ständern und Riegeln ein Flechtwerk aus Staken und Weidenruten, auf das Stroh- oder Häcksellehm aufgetragen wird. Beim Auftrag auf Lattenspalier wird Strohlehm sattelartig aufgelegt und verstrichen (Normandie). Beim Stakbau werden waagerechte Staken zwischen die Einführung  33 

Abb. 29 Faserlehm-Putzmörtel, mit Strohhäcksel ­erdfeucht aufbereitet

Abb. 30 Strohlehm, aus Ballenstroh aufbereitet

Abb. 31 Formgepresster Lehmstein aus Faserlehm

Abb. 32 Strohlehm, trockene Fertigmischung

im Schnitt

senkrechten Ständer in Nuten eingepasst. Nachdem das Holzskelett, einschließlich der Decken, trocken ausgestakt ist, werden die Staken entweder am Ort mit Strohlehm umwickelt oder feldweise herausgenommen und abwechselnd mit Strohlehmlagen wieder eingesetzt. Die Oberflächen werden mit Häcksellehm geglättet oder verputzt. Auch senkrechte Stakung zwischen waagerechten Riegeln ohne Flechtwerk 34 Bauen mit Leichtlehm

161-04

a) Flechtwerk

b) durchgehendes Flechtwerk

c) waagrechte Stakung

d) senkrechte Stakung

e) enges Fachwerk, Stakung

f) weites Fachwerk, Lattung

Abb. 33 Ausfachungen mit Strohlehm

war gebräuchlich (Süddeutschland). Dem Lehm wurde so viel Stroh zugemischt, dass die Masse in die Zwischenräume eingearbeitet werden konnte. Bei dem Verfahren mit Wickelstaken werden die Staken vorher mit Strohlehm umwickelt und – feucht – in die Balkennuten der Wände und Decken dicht aufeinander geschoben und mit Häcksellehm ausgestrichen (s. Kapitel 432). Einführung  35 

162 Leichtlehm Leichtlehm ist ein Lehmbaustoff, der wegen guter Wärmedämmung für unser Klima besonders geeignet ist. Leichtlehm ist wie Strohlehm ein Gemisch von Lehm und Stroh oder anderen Leichtzuschlägen, die hier aber den Hauptbestandteil der Masse bilden. Der Lehm ist lediglich Bindemittel der Zuschläge. Leichtlehm ist Ausfachungsmaterial im lastabtragenden Holzskelett, das allerdings holzsparender ausgebildet sein kann als traditionelles Fachwerk. Die Lehmarbeiten können unter bereits gedecktem Dach witterungsunabhängig ausgeführt werden. Die Technik wurde in Deutschland nach 1920 aus den traditionellen Stroh­lehm­ verfahren entwickelt, wobei man schon damals neue bauphysikalische ­Erkenntnisse Abb. 34 Leichtlehmausführung [Fauth 1946, 1948]

1.  Stroh und andere Faserstoffe werden auf 10 bis 15 cm zerkleinert. 2. Flüssiger Lehm wird über jede Faserschicht gegossen und 3. mit Misthaken gut durchgemischt. 4. Einbringung des Leichtlehms in die Gleitschalung. 5. Einstampfen der Masse und 6. Stakeinlagen dienen der Wandversteifung Abb. 35 Leichtlehmwerkzeuge [Fauth 1948]

36 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 36 Leichtlehm

umsetzte, durch leichte, lufthaltige Baustoffe eine bessere Wärme­dämmung zu erzielen. Diese neue Bauweise bezeichnete man zunächst als Strohlehmständerbau, dann als Leichtlehmbau [Fauth 1946] [Niemeyer 1946] [Pollack/Richter 1952]. In der [Lehmbauordnung 1944] taucht der Begriff Leichtlehm erstmals auf. Darunter werden alle Lehmgemische mit Leichtzuschlägen verstanden, die ein Raumgewicht von weniger als 1200 kg/m3 haben [DIN 18951 1951]. Mittlerer Leichtlehm ist 600 bis 800 kg/m3 schwer. Mit sehr fettem Lehm sind Mischungen bis 300 kg/m3 möglich. Mit anderen leichten Zuschlägen aufbereiteten Leichtlehm kann man nach dem Zuschlag benennen, z. B. »Holzleichtlehm« oder »mineralischer Leichtlehm«. Im Unterschied zu anderen Lehmbaustoffen wird der Lehm in flüssigem Zustand mit Stroh oder anderen Zuschlägen vermischt. Die fertige Leichtlehmmasse wird in beweglichen Schalungen unmittelbar zum Bauteil verdichtet oder es werden Steine, Platten oder Blöcke vorgefertigt, die dann trocken mit Mörtel vermauert werden. Das Eindrücken und Verdichten der formbaren, sich überall anpassenden Masse ist einfach und erfordert insgesamt weniger Zeit und Arbeit verglichen mit Stampflehm-, Lehmstein- oder Wellerwänden. Die notwendige Trocknungszeit verlangt allerdings, dass mit dem Bau in den frühen Sommermonaten begonnen wird, wenn im Herbst verputzt werden soll – von Möglichkeiten künstlicher Trocknung abgesehen. ­Dagegen können trockene Steine und Platten immer vermauert werden, wenn Mauern ohne Frostgefahr möglich ist. Günstig ist die Kombination beider Verfahren – feuchter und trockener Einbau. Damit wird die Bauzeit unabhängiger von der Jahreszeit. Wegen seiner bautechnischen und bauphysikalischen Eigenschaften ist Leichtlehm ein zunehmend zeitgemäßer Baustoff – gerade im Vergleich mit den gebräuchlichen Plattenwerkstoffen und Dämmstoff-Ausfachungen im heutigen Holzskelettbau:

Einführung  37 

a) Geschalte Wände a) Geschalte Wände

b) Mauerwerk b) Mauerwerk

c) Füllung in verlorener Schalung c) Füllung in verlorener Schalung

d) Fachwerkausmauerung d) Fachwerkausmauerung

Abb. 37 Ausfachungen mit Leichtlehm

−− Mit Leichtlehm können alle Bauteile über Sockel in ähnlicher Technik und mit demselben Material ausgefacht werden, also Außen- und Innenwände, Decken und Dachdämmung. −− Leichtlehmbauteile können unmittelbar verputzt, verkleidet oder zusätzlich wärmegedämmt werden. Auf der offenporigen Oberfläche haftet jede Art von Putz. −− Die sich anpassende Ausfachung ist fugenlos aus einem Stück. Es gibt keinen Verschnitt und keinen Abfall. −− Die Ausfachung ist verputzt winddicht, die im Holzbau fehleranfälligen Dampf­ sperren erübrigen sich. Die Elektroinstallation ist hier kein Problem. −− Leichtlehm ist ausgewogen wärmedämmend, wärmespeichernd und schalldämmend und bietet ausreichenden Feuerschutz. Die Eigenschaften lassen sich durch das Mischungsverhältnis von Lehm und Zuschlag beeinflussen. −− Wärmedämmender Leichtlehm (300 bis 800 kg/m3) ermöglicht bei geringen Wandstärken ein behagliches Raumklima mit hohen Oberflächentemperaturen. Da diese eine Absenkung der Raumlufttemperatur erlauben, werden zusätzlich Heizkosten eingespart. Das relativ hohe Flächengewicht bei guter Dämmung garantiert durch Wärmedämpfung der Außentemperaturschwankungen ein ausgeglichenes Innenklima auch im Sommer.

38 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 38 Bohlenständerkonstruktion mit Leichtlehmfüllung, Haus in Victoria, Australien 2011 (s. Projekt 26)

−− Zwar genügen einschalige Außenwände mit Leichtlehm nur noch selten den verschärften Wärmeschutzvorschriften, aber mit zusätzlichen Dämmschichten sind sehr niedrige U-Werte erreichbar – jedoch hier, im Gegensatz zu gedämmten Massivbauweisen, mit nicht mehr Masse als nötig in grundflächensparender Skelettbauweise. −− Gute Wärmespeicherung und Schalldämmung – für Innenbauteile erwünscht – wird durch Erhöhung des Lehmanteils (hohes Raumgewicht) erreicht. −− Der Feuerschutz entsteht durch die Umhüllung der an sich brennbaren Faserstoffe mit nicht brennbarem Lehm. Verputzter Leichtlehm hat feuerhemmende Eigenschaften. −− Von Lehm eingebettetes Holz und Stroh sind vor Verrottung geschützt. −− Leichtlehm ist feuchteaufnahme- und abgabefähig. Durch gute Diffusions- und kapillare Leitfähigkeit bei geringer Gleichgewichtsfeuchte bleiben die Wände trocken und erhalten somit die Wärmedämmfähigkeit. −− Lehm, Stroh und Holz sind natürliche Baustoffe – nicht giftig und harmlos in der Handhabung.

Einführung  39 

−− Die Materialkosten sind gering. Im Vergleich zum schweren tragenden Lehmbau wird weniger als die Hälfte Lehm benötigt, so dass auch ein Transport zur Baustelle nicht zu aufwendig ist. −− Die Arbeit ist leicht erlernbar und ausgesprochen selbstbaufreundlich. Nur wenige einfache Werkzeuge werden gebraucht. Selbsthilfearbeiten sind auf nichttragende Ausfachungen beschränkt und ohne Einfluss auf die Standsicherheit des Gebäudes. Fehler sind korrigierbar. −− Leichtlehm hat sich mittlerweile wieder als Baustoff bewährt. Mit dem Einsatz von Baumaschinen kann das Bauen mit Leichtlehm durchaus konkurrenzfähig sein.

Abb. 39 Selbstbaumaterial Lehm

Abb. 40 Das jüngste Leichtlehmprojekt: Ein kleines

Wochenendhaus im tropischen Regenwald. Queensland, Australien 2015.

40 Bauen mit Leichtlehm

200 Die Baustoffe für den Leichtlehm 210 Der Lehm

Lehm ist ein Gemisch aus Ton mit feinsandigen bis steinigen Bestandteilen. Baulehme mit hoher Bindekraft bezeichnet man als fett, mit geringer Bindekraft als mager. Nach der vorherrschenden Korngröße des Mineralgerüsts unterscheidet man steinige, grobsandige, feinsandige und schluffige Lehme. Ton als natürliches Bindemittel dieser »Zuschläge« besteht aus Kristallplättchen von weniger als 1/2000 mm Größe. Die Plättchen lagern ähnlich einem Kartenhaufen dicht aufeinander. Wird Wasser zugegeben, bilden sich hauchdünne Wasserfilme zwischen den Plättchen, die dann aufeinander gleiten können. Der Lehm oder Ton fühlt sich glitschig an, bei geringem Wasseranteil hat er eine plastische Konsistenz. Verdunstet das Wasser, ziehen sich die Plättchen mit ihrer flachen Seite gegenseitig an. Darauf beruhen Bindekraft, Erhärtung und Festigkeit des Lehms, anders bei Sand, dessen runde Körner sich nur an winzigen Punkten berühren können. Die Aufbereitung des Lehms hat den Sinn, das vorhandene oder zugegebene Wasser so gleichmäßig wie möglich zu verteilen, damit die Plättchen geordneter

Abb. 41 Lehmgrube

Die Baustoffe für den Leichtlehm  41 

210-02 CAD

größte Schluffpartikel 60 Mikron = 0,06 mm

kleinste Schluffpartikel 2 Mikron = 0,002 mm

kleinste Tonpartikel 1 Mikron = 0,001 mm

Sandkorn 1 mm

Abb. 42 Korngrößen im Vergleich (nach Piltingsrud)

210-03

a) breiig, flüssig

b) plastisch

c) fest Abb. 43 Konsistenz von Tonpartikeln je nach Wasseranteil [Hamer 1975]

aufeinander liegen können und sich dadurch die Festigkeit erhöht. Derselbe Lehm, nass oder flüssig aufbereitet, erreicht deshalb höhere Festigkeiten als erdfeucht aufbereiteter Lehm. Mit der Abgabe des Anmachwassers an die Umgebungsluft verringert der Lehm sein Volumen. Die Schwindung ist umso größer, je mehr Wasser zugegeben wurde und je höher der Tonanteil ist. Denn fetter Lehm mit hohem Tonanteil nimmt wegen seiner größeren inneren Oberfläche für die gleiche Konsistenz mehr Wasser auf als magerer. Um die Schwindung in Grenzen zu halten und Rissbildung ­auszuschließen, wird Lehm zum Bauen mit Zuschlägen gemagert. Die erforderliche Menge der Zuschläge ist direkt abhängig von der Bindekraft des verwendeten Lehms. Bei Leichtlehm sorgt der hohe Anteil an Leichtzuschlägen für ausreichende Magerung und Stabilisierung. 42 Bauen mit Leichtlehm

Nach der Trocknung bleibt die sog. Gleichgewichtsfeuchte in den Poren des Lehms. Sie schwankt mit der Feuchtigkeit der Umgebungsluft und verdampft erst nach längerer Trocknung bei 105°C vollständig. Das chemisch an die Oberflächen der Tonkristalle gebundene Kristallwasser wird erst beim Brennen ab 600°C abgegeben. Ab einer Brenntemperatur über 900°C werden Lehm und Ton zum wasserunempfindlichen Scherben (Keramik, Ziegel) und verlieren die Fähigkeit, durch Wasserzugabe wieder weich und formbar zu werden.

211

Entstehung und Vorkommen

Berglehm lagert auf Ur- oder Sedimentärgestein, aus dem er durch Verwitterung entstanden ist. Berglehm aus Sandstein oder Tonschiefer hat runde Körnung und lässt sich oft kaum von Schwemmlehm (s. u.) unterscheiden. Berglehm aus Urgestein – Granit, Gneis oder Syenit – besteht aus kantigen Gesteinstrümmern, deren Korngröße mit der Tiefe zunimmt. Wie der Name sagt, findet man Berglehm in hügeligen und bergigen Gegenden, aber auch im europäischen Flachland. Schwemmlehm (Aue-, Schlick-, Flusslehm) ist ein Gemisch älterer Lehme, die durch Wasserläufe verlagert wurden und sich im ruhigen Wasser abgesetzt haben. Bei dunkler Färbung und Humusgeruch sind sie nicht zum Bauen geeignet. Der weißliche Mergel ist kalkhaltiger, durch Gletscher der Eiszeit bis zum Rand der deutschen Mittelgebirge geschobener Lehm (Geschiebemergel), der brauchbar ist, wenn der Kalkgehalt nicht zu hoch ist. Der bräunliche Lösslehm ist bei der Verwitterung von Löss durch Auslaugung des Kalkgehaltes entstanden. Der Löss, ein gelber, kalk- und tonhaltiger Feinsand, wurde durch die Stürme der Eiszeit vom Ursprungsgestein zu seinen heutigen Lagerstätten getragen, in Deutschland an die Nordränder der Mittelgebirge. Lösslehm hat ein sehr feinkörniges Mineralgerüst und oft geringen Tongehalt. Für die Herstellung von Lehmbaustoffen geeigneter Lehm wird als Baulehm bezeichnet [Lehmbau Regeln]. Dafür sind weniger die Herkunft des Lehms als seine Eigenschaften entscheidend: die Bindekraft und die Korngrößen des Mineral­ gerüsts.

212 Bindekraft Für den Leichtlehm sollte der Lehm ausreichend klebkräftig, d. h. mittelfett bis fett sein, um verflüssigt in geringer Menge die Leichtzuschläge gut zu binden und zu umhüllen, und trocken genügend fest zu werden. Dies entspricht einer Bindekraft nach Lehmbau Regeln von etwa 100–120g/cm2. Je fetter der Lehm, desto mehr darf er verdünnt werden, desto weniger wird benötigt, umso leichtere Raumgewichte können erzielt werden. Nach Niemeyer soll die Bindekraft für Leichtlehm bei mindestens 160 g/cm2 liegen (fast fett). Fetter Lehm lässt sich jedoch u. U. schwer verflüssigen. In der Praxis wird deshalb auch mit mittelfettem bis magerem Lehm gearbeitet. Dies Die Baustoffe für den Leichtlehm  43 

ist möglich, wenn die Schlämme nicht zu dünnflüssig aufbereitet und die Zuschläge gut umhüllt sind. Sehr magerer Lehm (50–70 g/cm2) darf nur dickflüssig bis breiig verarbeitet werden. Damit sind nur mittlere bis schwere Leichtlehmmischungen zu erzielen. Solche Lehme sind geeignet für Stroh- und Faserlehm.

213 Mineralgerüst Die Korngrößenverteilung des Lehms hat beim Leichtlehm keinen Einfluss auf Festigkeit und Schwindung wie bei anderen Lehmbaustoffen, da die Masse durch die zugefügten Leichtzuschläge genügend stabilisiert wird. Allerdings setzen Grobsand und Steinbrocken die Wärmedämmung herab, weil sie Luft verdrängen, und erschweren je nach Aufbereitungs- und Mischtechnik die Arbeit. Man sollte daher für Leichtlehm möglichst sand- und steinfreien Lehm vorziehen oder die gröberen Bestandteile auslesen, aussieben oder abschlämmen. Bei Stroh- und Faserlehm stören Sandanteile nicht bzw. nur bei Verarbeitung von Hand. Für eine exaktere Bestimmung der Korngrößenverteilung genügt die Siebung nach nassem Abtrennen der Feinteile < 0,063 mm [Lehmbau Regeln 2009] [DIN 18123 2011].

214 Lehmprüfung In der Literatur sind verschiedene Lehmprüfungsmethoden beschrieben. Diese Methoden sind meist zur Prüfung von Baulehm für tragende Lehmbaustoffe gedacht. Für Leichtlehm und alle anderen Faserlehmmischungen sind sie nicht in diesem Umfang erforderlich, da es genügt zu prüfen, ob −− die Bindekraft ausreicht, −− die Aufbereitung nicht erschwert wird.

Abb. 44 Für die Kugelfallprobe werden erdfeucht geformte Kugeln der Formprobe getrocknet und ...

44 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 45 ... aus Tischhöhe auf festen Boden fallen gelassen. Hier: fast fetter Lehm

215

Prüfung der Bindekraft

Kugelformprobe: Steine über 1 cm Größe werden ausgelesen und der frisch gegrabene, erdfeuchte Lehm mit den Händen zu mehreren Kugeln von etwa 5 cm Durchmesser geformt. Lässt er sich nicht formen oder fällt die Kugel nach dem Trocknen leicht auseinander, ist der Lehm zu mager. Klebt er beim Formen an den Händen, ist er fett. Kugelfallprobe: Die nach ihrer Entnahmestelle gekennzeichneten, erdfeucht geformten Kugeln der Kugelformprobe lässt man in getrocknetem Zustand aus Tischhöhe auf festen Boden fallen. −− Zerfällt die Kugel zu Krümeln und Sand, ist der Lehm zu mager und unbrauchbar. −− Zerspringt sie in mehrere Teile, ohne zu zerfallen, ist der Lehm mittelfett und brauchbar. −− Bleibt sie ganz, ist der Lehm fett bis sehr fett und ebenfalls brauchbar, jedoch schwieriger aufzubereiten. Für diese und einige andere hier nicht aufgeführte Handprüfmethoden (vgl. [Lehmbau Regeln]) ist aber eine gewisse Erfahrung erforderlich, besonders zur Beurteilung von Lehmen, die an der unteren Grenze der Brauchbarkeit rangieren. Manche Lehme täuschen auch eine höhere Bindekraft vor, als sie besitzen. Im Zweifelsfall und für jede Anwendung, bei der es auf sichere und genaue Definition der Bindekraft ankommt, z. B. Fertigteile, Steinproduktion, Putzmörtel, sehr leichte Mischungen, empfiehlt sich die im folgenden beschriebene Bindekraftprüfung. Bindekraftprüfung Dieses Verfahren wurde von Richard Niemeyer 1944 veröffentlicht [Niemeyer 1944 1947] und als brauchbarstes Lehmprüfverfahren in Vornorm [DIN V 18952 Bl.2 1956] und in die [Lehmbau Regeln 1999, 2009] übernommen. Hier wird die Zugfestigkeit des Lehms in genormtem, steifplastischem Zustand ermittelt. Bei gleicher Konsistenz – unabhängig vom Feuchtegehalt – sind die tonigen Bestandteile verschiedener Lehme in gleichem Maße aufgeschlossen. Dadurch sind die Prüfkörper vergleichbar. Die Versuchskonsistenz ist erreicht, wenn eine 200 g schwere Kugel aus gut durchgearbeitetem Lehm, aus 2 m Höhe fallen gelassen, eine 50 mm große kreisförmige Abplattung bekommt (Abb. 53). Das Material wird nun zu einem Prüfkörper in Form einer 8 (Achterling) mit 5 cm2 Zerreißquerschnitt in der Mitte gestampft, ausgeschalt und sofort in einer Zerreißvorrichtung auf Zug beansprucht. Nach der erreichten Zugfestigkeit lässt sich der Lehm hinreichend genau klassifizieren. Bezeichnung

Bindekraft (g/cm2)

sehr mager mager fast fett fett sehr fett Ton

50–80 > 80–110 > 110–200 > 200–280 > 280–360 > 360

Abb. 46 Einteilung der Baulehme nach Bindekraft nach [Lehmbau Regeln 2009]

Die Baustoffe für den Leichtlehm  45 

Die Bindekraftprüfung nach DIN V 18952 Bl.2 liefert unmittelbare Ergebnisse über die lehmbautechnische Eignung des Baulehms für die verschiedenen Verwendungszwecke. Die magernde Wirkung evtl. Kalkgehaltes wird miterfasst. Kurzbeschreibung: Der Widerstand, den plastische Lehme beim Zerreißversuch leisten, heißt Bindekraft. Zur Feststellung der Bindekraft wird der Lehm sorgfältig aufbereitet und auf definierte Versuchskonsistenz gebracht. Daraus wird ein Probekörper geformt, der im Prüfgerät zerrissen wird. Die Bindekraft wird in g/cm2 oder N/mm2 angegeben. Lehme mit einer Bindekraft unter 50 g/cm2 sind mit der Bindekraftprüfung nicht genauer zu unterscheiden. Im allgemeinen sind sie nicht als Baulehme zu verwenden. Ihre mögliche Eignung für bestimmte Verwendungszwecke ist auf andere geeignete Weise zu prüfen. Versuchsdurchführung Aufbereiten der Lehmprobe Für jede Prüfung werden etwa 3/4 l möglichst trockener, höchstens erdfeuchter Lehm benötigt. Alle Körnungen des Mineralgerüstes über 2 mm Größe sind aus der Probe durch Auslesen oder Aussieben des getrockneten und zermahlenen Lehmes zu entfernen. Der Lehm wird auf einer Metallplatte in fast erdfeuchtem Zustand mit einem Hammer von 2,5 cm x 2,5 cm Kopffläche Schlag bei Schlag unter geringer Wasserzugabe flachgeschlagen, bis ein zusammenhängender Fladen entstanden ist. Der Fladen wird mit einem Messer von der Platte abgehoben und in Streifen zerschnitten. Die Streifen sind hochkantig nebeneinanderzustellen und zu hämmern. Der Vorgang wird sooft wiederholt, bis an der Unterseite des Fladens kein ungleichmäßiges Gefüge mehr zu erkennen ist. War der Lehm beim Beginn der Aufbereitung zu trocken, muss er nach dem Durchhämmern unter einem feuchten Tuch 6 Stunden, fetter Lehm 12 Stunden ruhen. Beim Ruhen verteilt sich die Feuchtigkeit gleichmäßig in der ganzen Masse. Herstellen der Versuchskonsistenz 200 g des aufbereiteten Lehmes werden durch mehrmaliges Aufschlagen auf die Platte verdichtet. Unmittelbar anschließend wird daraus eine Kugel von Hand geformt. Langandauerndes Formen entzieht dem Lehm an der Kugeloberfläche Wasser, so dass er nicht mehr durchgehend die gleiche Konsistenz hat. Die Kugel lässt man auf eine glatte, unelastische Platte fallen. Die Fallhöhe beträgt von Mitte Kugel 2 m. Der Lehm hat die Versuchskonsistenz, wenn die Abplattung im Durchmesser 50 mm groß ist. Ist die Abplattung nicht kreisrund, darf der Unterschied zwischen dem größten und dem kleinsten Durchmesser höchstens 2 mm betragen. Anfertigen des Probekörpers In einer Form für den Probekörper nach Bild 1 b wird mit einem Stampfer nach Bild 2 Lehm mit Versuchskonsistenz in 3 Lagen von Hand eingestampft, bis eine weitere Verdichtung nicht mehr möglich ist. Der Probekörper wird mit einem Messer mit gerader Schneide beiderseitig glattgezogen. Die Form löst sich vom Probekörper, wenn man sie aus 10 cm Höhe auf eine harte Unterlage fallen lässt. Es sind mindestens 3 Probekörper anzufertigen. Zerreißversuch Der Prüfkörper wird sofort nach der Anfertigung in die Prüfvorrichtung nach Bild 3 eingespannt und die Belastung durch trockenen Sand von 1 mm Korngröße aus dem Behälter nach Bild 4 herbeigeführt (oder anderem geeigneten Prüfgerät), bis der Körper zerrissen ist. Die Lastzunahme soll gleichmäßig sein und höchstens 750 g in der Minute betragen. Die Bindekraft eines Baulehmes ist der Mittelwert aus drei Zerreißversuchen, die nur 10 % voneinander abweichen dürfen. Sie wird ausgedrückt in g/cm2 oder N/mm2. Der Rechnungsquerschnitt der Probekörper beträgt 5 cm2. Das Gewicht der unteren Prüfkörperhälfte bleibt unberücksichtigt. Abb. 47 Bindekraftprüfung nach [Lehmbau Regeln 2009]

46 Bauen mit Leichtlehm

215-02

78 26

39

52

22.5

22.3

10

Bild 1b Form für den Probekörper

Bild 1a Gestalt des Probekörpers

39

200

Ø 70

20

22

35

zu Bild 3

Bild 2 Stampfer

Bild 1c Unterlegplatte für die Form nach Bild 1b

Inhalt 2,5 Liter Schieber Rinne

Bild 3 Zugfestigkeitsprüfer

Bild 4 Einlaufgerät

Abb. 48 Bindekraftprüfung, Prüfgerät [Lehmbau Regeln 2009]

Die Baustoffe für den Leichtlehm  47 

Abb. 49 Form für frühere Betonprüfung, Bronzeguss

Abb. 50 und 51 Bindekraftprüfung, Aufbereitung zur Versuchskonsistenz

48 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 52 Lehmaufbereitung mit der Nudelmaschine

Abb. 53 Überprüfung der 50 mm Steife

Abb. 55 Zerreißvorrichtung. Klauen mit Nylonfäden Abb. 54 Stampfform für Achterling

verbunden, definierte Gewichtszunahme mit einem Flaschenausgießer

Die Baustoffe für den Leichtlehm  49 

Zur genauen Durchführung der Prüfung, deren Wortlaut in Abb. 46 bis 48 wiedergegeben ist, folgende Anmerkungen: Die Stampfform in Form einer Acht entstammt früheren Betonprüfungen (Abb. 49). Eine Holzform (Abb. 54) genügt für einige Anwendungen, Stahlformen halten länger. Die Klauen sollten beweglich aufgehängt sein, um asymmetrische Belastung zu vermeiden. Sie können durch dünne Nylonfäden miteinander verbunden werden, damit beim Abreißen nichts herunterfällt. Statt mit Sand kann man das Gewicht sehr einfach mit Wasser erhöhen, als Behälter ist z. B. eine leichte Dose mit Deckel und Drahthenkel geeignet. Die vorgeschriebene Gewichtszunahme kann mit einem »geeichten« kleinen Trichter erfüllt werden, der in den Deckel gesteckt ist. Der Behälter soll wenige Millimeter über dem Tisch hängen. Die Bindekraftprüfung kann mit heutigem Laborgerät vereinfacht werden. 0

50

0

20

Bindekraft [g/cm2] 100 150

200

250

80

100

Lehm 1 Lehm 2 Lehm 3

Bindekraft [g/cm2]

40 60 Korngrößenverteilung [m%] < 0,06 mm

0,25–1,0 mm

0,06–0,25 mm

1,0–2,0 mm

Abb. 56 Beispiel für die Klassifizierung von Baulehm nach seinen wesentlichen Eigenschaften: Bindekraft und

Mineralgerüst

Methoden aus der Baugrunduntersuchung Methoden aus der Baugrunduntersuchung bei der Prüfung von Baulehm anzuwenden ist heute international üblich. An ihrer praktischen Brauchbarkeit kommen jedoch vermehrt Zweifel auf. CRAterre z. B. nennt als typisches Beispiel die aufwendige Methode der Sedimentation (s. [DIN 18123 2011]) zur Bestimmung der Korngrößen­ verteilung innerhalb des Tonanteils: »Wozu auf zwei Kommastellen genau die Menge und Verteilung der Tonpartikel kennen, wenn es eigentlich ihre Qualität ist, die interessiert?« ([CRAterre 1986] S. 13). Die Höhe des prozentualen Tonanteils, also die Menge der Korngrößen unter 0,002 mm, zur Kennzeichnung der Bindekraft zu verwenden kann gefährlich täuschen, da die Tonminerale schon aufgrund ihrer Form sehr unterschiedliche plastische Eigenschaften haben. Die Methode der Sedimentation berücksichtigt aber nur den Korndurchmesser, nicht die Kornform. Für die Berechnung der Korndurchmesser aus den Sinkgeschwindigkeiten wird eine Kugelform angenommen, Tonkristalle sind aber alles andere als kugelförmig, sonst hätten sie keine bindigen Eigenschaften ([Kézdi 1969] S.29). Unter anderem wird deshalb heute oft die Sedimentometrie durch Laserbeugung ersetzt. 50 Bauen mit Leichtlehm

Andere Methoden zur Bestimmung der Plastizität sind schon eher geeignet, wie z. B. die Bestimmung der Konsistenzgrenzen nach Atterberg [DIN 18122 1997]. Dieser Versuch ist aber vergleichsweise unnötig aufwendig und wie die Handprüfungen gewissen subjektiven Einschätzungen unterlegen. Er eignet sich auch nur für fettere Lehme und kennzeichnet die Bindekraft nur indirekt und vergleichsweise sehr ungenau über den Wassergehalt, den der Lehm bei definierter Konsistenz aufweist. Die Ergebnisse korrelieren nicht mit denen der Bindekraftprüfung [Krüger 2010], da die Bindekraft von Tonmineralen nicht vom Wassergehalt bei definierter Konsistenz, sondern von ihrer Gestalt bestimmt wird (s. oben). In Frankreich wird heute der Atterbergtest mehr und mehr durch den zuverlässigeren Methylenblautest ersetzt, der für fette und magere Lehme gleichermaßen geeignet ist. Schwindmaßprüfung Die Trockenschwindung von Baulehm kann an länglichen Probekörpern (220 × 40 × 25mm) gemessen werden, die mit definierter Konsistenz hergestellt sind (vgl. [DIN 18952 1956]). Die Schwindmaße erlauben aber keine Einteilung der Lehme etwa nach der Bindekraft, da »jeder Lehm ein von den anderen Lehmen seiner Klasse abweichendes Schwindmaß hat, bedingt durch die Art seiner chemischen Zusammensetzung und seines Mineralgerüstes« ([Niemeyer 1946] S. 40). Feinkornbindekraft Bei sehr mageren Lehmen stößt die Bindekraftprüfung an ihre Grenzen, da die geforderte Versuchskonsistenz schwierig herzustellen ist. Für diesen Fall erhält man exaktere Ergebnisse mit einer zusätzlichen Prüfung der Bindekraft nur der bindigen Feinkornfraktion (Ton und Schluff), ohne jegliche Sandbestandteile. Hierzu kann das bei der Bestimmung der Korngrößenverteilung abgeschlämmte Feinkorn < 0,06 mm (s. o.) auf Versuchskonsistenz getrocknet und normal auf Bindekraft geprüft werden [Volhard 2010 a].

216

Prüfung der Aufschlämmbarkeit

Da der Lehm in flüssiger Form mit dem Stroh gemischt wird, bestimmt seine Aufschlämmbarkeit den Arbeitsaufwand und den Arbeitsrhythmus. Magerer Lehm lässt sich in krümelig erdfeuchtem Zustand schnell aufschlämmen, dagegen bereitet die Verflüssigung fetten Lehms Schwierigkeiten, wenn er nicht trocken, sondern feucht oder nass in Wasser gegeben wird. Schlämmprobe (Volhard): Man rührt eine Handvoll Lehm in der gleichen Beschaffenheit und mit demselben Feuchtegehalt wie später auf der Baustelle in eine mit Wasser gefüllte Schüssel ein. Wenn sich trotz Ziehenlassen und gelegentlichem Rühren Klumpen erst nach Stunden oder überhaupt nicht lösen, sind zusätzliche, vorbereitende Arbeitsgänge nötig (s. Kap. 310) oder der Lehm muss maschinell eingerührt werden.

Die Baustoffe für den Leichtlehm  51 

Abb. 57 Krümeliger Lehm

217

Abb. 58 Gemahlener Lehm

Beschaffung des Lehms

Baulehm muss frei von Humus, Wurzeln und sonstigen Verunreinigungen sein und wird deshalb in ausreichender Tiefe gegraben. Wenn geeigneter Lehm auf dem Baugrundstück zu finden ist, bzw. mit dem Kelleraushub anfällt, werden ­doppelt Kosten gespart: Das Material muss nicht gekauft und heran- und der ­Kelleraushub nicht abgefahren werden. Man hat nur darauf zu achten, dass das Material nicht mit Mutterboden vermischt und möglichst trocken, vor Regen geschützt gelagert wird – unter Dach oder in steilen Halden, die mit Brettern, Pappe oder Folie abgedeckt werden. Schon beim Graben sollte man darauf achten, dass der Lehm nicht in großen Brocken gelöst, sondern in dünnen Schichten ­abgestochen wird. Wenn es keinen geeigneten Lehm auf der Baustelle gibt, er zu tief lagert oder das Graben zu zeitaufwendig erscheint, lohnt sich auch ein Transport zur Baustelle. Auch früher wurde der Lehm an einem bestimmten Ort gegraben, worauf heutige Straßennamen und Ortsbezeichnungen wie Lehmgrube, Lehmkuhle, Lehmkaute hindeuten. Heute kann man Baulehm von einer Ziegelei oder von Lehmbaufirmen beziehen. Um Überraschungen zu vermeiden, sollte immer die Bindekraft (vorher) bekannt sein bzw. vom Lieferanten genannt werden. Lehm lässt sich am besten aufschlämmen, wenn er trocken ist. Big Bags sind deshalb trocken zu lagern bzw. regengeschützt abzudecken. Trockenen Rohbruch aus der Ziegelei sumpft man vorher ein. Manche Ziegeleien liefern rieselfähig aufbereiteten Lehm, der sich sehr gut eignet. Getrocknetes und gemahlenes Tonmehl – Rohstoff für die Keramikindustrie – hat den Vorteil hoher Bindekraft bei guter Aufschlämmbarkeit. Der Bezug dieses hochwertigen Materials lohnt sich für sehr leichte Mischungen mit fettem Lehm als Voraussetzung oder zur Erhöhung der Bindekraft von magerem Lehm. Fast kostenlos kommt der Lehm zur Baustelle, wenn Bauaushub, auch von Straßen- oder Tiefbau, umgeleitet wird. 52 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 59 Gut erhaltenes Stroh aus einem 700 Jahre alten Lehmgefach, Gotisches Haus in Limburg

[Volhard 2010 a]

220 Die Leichtzuschläge

Für Leichtlehm verwendet man als Leichtzuschlag vor allem Stroh, Holzhackschnitzel oder mineralische Zuschläge. Durch die in Poren und Hohlräumen eingeschlossene Luft wird die erwünschte Wärmedämmung erreicht. Je nach Verfügbarkeit sind auch andere faserige, holzige oder mineralische Zuschläge brauchbar: getrocknetes Schilf, Seegras, Rapsstängel, Grobheu, Heidekraut, Reisig, Kiefern- oder Fichtennadeln, Flachs- oder Hanfscheben, Kork, Sägespäne, Hobelspäne, Bims, Blähglas, Perlite oder Schlacke. Fasern stabilisieren Lehmbaustoffe besser als mineralische Zuschläge, verringern die Wasserempfindlichkeit und erhöhen die Frostbeständigkeit (s. Abb. 321–323). Mischungen untereinander sind möglich. Breitflächige und leicht vergängliche Stoffe, z. B. Grünzeug, Blätter, sind nicht geeignet.

221 Stroh Da große Mengen benötigt werden, wird Stroh als landwirtschaftliches Neben­ produkt am einfachsten und kostengünstig zu beschaffen sein. Es lässt sich in Ballen gut transportieren und stapeln. Ballenstroh hat schon die richtige Schnittlänge und muss für die meisten Bauteile weder geschnitten noch gehäckselt werden. Beim Einstopfen in die Schalung verfilzen sich die Halme zu einer formstabilen Masse, die sofort ausgeschalt werden kann. Bei der Auswahl des Strohs ist darauf zu achten, dass es möglichst stabil und reißfest ist. Es sollte einen geringen Blattanteil haben und frei von Unkraut sein, damit es unempfindlicher gegen die Baufeuchte Die Baustoffe für den Leichtlehm  53 

nass

trocken

Anmachwasser

Lehm

A

B

Strohlehm

A

A

Abb. 60 Stabilisierung durch Fasern

ist. Für gestampfte Wände ist stabiles Weizen- oder Roggenstroh besser, weicheres ­ erstenstroh mit flachen Halmen neigt zu Setzungen. Für Decken und zur Stein- oder G Plattenherstellung ist dagegen weiches Stroh gut geeignet, auch Haferstroh und Grobheu. Stroh- und Faserzuschläge erlauben eine plastische Verarbeitung, z. B. für Wickel und Auftragsmethoden – mit holzigen oder mineralischen Zuschlägen nicht möglich. Das Stroh sollte möglichst vom Vorjahr sein und trocken gelagert werden.

222 Holzhackschnitzel Holzhackschnitzel werden aus entrindetem Schwachholz hergestellt, das bei der Holzverwertung anfällt. Es ist der Rohstoff für Zelluloseherstellung und Holzwerkstoffe, heute preisgünstig bei manchem Sägewerk oder über den Spänegroßhandel zu beziehen. Holzleichtlehm erhält seine Stabilität nur durch Verklebung der Holzstücke mit Lehm, nicht durch Verfilzung von Fasern. Die gröbere Struktur ist weniger empfindlich bei ungünstigen Trocknungsbedingungen, so ist eine größere Austrocknungstiefe erlaubt. Holzleichtlehm wird wie Strohleichtlehm in Schalung verarbeitet, dabei eingeschüttet und nur leicht verdichtet. Schwere Mischungen mit hohem Lehmanteil sind in Kletterschalung sofort ausschalbar, leichte müssen länger eingeschalt bleiben, weshalb verlorene Schalungen z. B. aus Schilfrohrgewebe sinnvoller sind. Holzleichtlehm setzt sich kaum, die Trocknung ist etwas schneller als bei Strohleichtlehm. 54 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 61 Stroh, landwirtschaftliches Nebenprodukt

Abb. 62 Aufgelockertes Ballenstroh

Abb. 63 Strohhäcksel 20–30 mm

Abb. 64 Hanfscheben

Abb. 65 Holzhackschnitzel

Die Baustoffe für den Leichtlehm  55 

223

Mineralische Leichtzuschläge

Brauchbar sind alle tuffigen, schaumigen Naturgesteine vulkanischen Ursprungs oder auch künstlich geblähte oder geschäumte Stoffe, die üblicherweise zu Leichtbeton, hier zu mineralischem Leichtlehm gebunden werden. In Frage kommen z. B. Bims, Blähschiefer, Bläh- und Schaumglas aus recyceltem Altglas, Perlite oder Blähton. Niedrige Raumgewichte mit guter Wärmedämmung werden mehr durch die Porigkeit des Zuschlags erreicht als durch hohle Zwischenräume. Der Lehm wird auch hier als Bindemittel eingesetzt. Körnige Zuschläge können maschinell gemischt, geschüttet und gepumpt werden. In der Schalung brauchen sie kaum verdichtet zu werden, das spart Zeit bei der Verarbeitung. Allerdings müssen Wände im Unterschied zu Stroh- und Holzleichtlehm einige Tage vollflächig eingeschalt bleiben, bis der Lehm genügend abgetrocknet ist und bindet. Kletterschalungen sind nicht möglich. Das bedeutet für einen zügigen Baufortschritt und sinnvolle Maschinenausnutzung einen relativ hohen Aufwand an Schalungsmaterial, damit möglichst viele Wände gleichzeitig und vollständig eingeschalt werden können. Mineralischer Leichtlehm setzt sich zwar weniger, bedingt aber eine viel höhere Zuschlagdichte als Stroh- oder Holzleichtlehm, bei gleichem Raumgewicht (s. Abb. 106). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass vor allem künstliche Zuschläge wie Blähton energieaufwendig gebrannt werden. Für tragenden Leichtbeton entwickelt, sind sie für nichttragenden Leichtlehm unnötig hochwertig [Volhard 1990]. Ökologisch sinnvoller und vorstellbar wäre z. B. mineralisches Recyclingmaterial, z. B. granulierter Porenbeton. Zur zusätzlichen Stabilisierung des Wandkörpers und der Oberfläche von mineralischem Leichtlehm werden auch faserige Zuschläge zugemischt.

56 Bauen mit Leichtlehm

300 Die Herstellung des Leichtlehms 310 Zubereitung der Lehmschlämme

Hat die Schlämmprobe (s. Kap. 216) ergeben, dass sich der Lehm nicht ohne weiteres mit Wasser zu einer klumpenfreien Schlämme verflüssigen lässt, kann man ihn vorher auswittern, einsumpfen oder trocknen lassen. Indem man die Einwirkung von Sonne, Wasser, Frost und Zeit nutzt, spart man beim Aufschlämmen mechanische Arbeit. Nur magerer, krümeliger Lehm lässt sich direkt verflüssigen, wenn man von maschineller Aufbereitung absieht. Falls erforderlich, kann man eine krümelige Konsistenz auch mit Erdzerkleinerungsgeräten erreichen.

311

Auswittern lassen

Der Lehm wird einige Monate vor Arbeitsbeginn in etwa 50 cm hohen Beeten nach Art grobgepflügter Äcker mit ca. 30 cm tiefen Furchen ausgesetzt. Sonne, Regen und vor allem Frost zermürben den Lehm und machen ihn locker und krümelig – was sich auch Gärtner und Landwirt zunutze machen. Bei Sonnenwetter nässt man die Oberflächen mit Gießkanne oder Schlauch von Zeit zu Zeit an, um das Zerkrümeln zu beschleunigen. Je klumpiger fetter Lehm ausgebreitet wird, desto länger braucht er zum Auswittern. Deshalb ist das richtige Graben – in dünnen Scheiben ­abstechen – schon die halbe Aufbereitung. Das Auswittern braucht zwar Zeit – am besten über Winter –, aber wenig Arbeitsaufwand. Pro m3 Leichtlehmbauteil sind etwa 2 m2 Fläche notwendig.

312 Einsumpfen Schneller geht das Einsumpfen. Es empfiehlt sich, wenn die Zeit oder der Platz zum Auswittern nicht zur Verfügung stehen. Man bringt den Lehm in etwa 50 cm tiefe Gruben mit festem Rand oder in 80 cm breite und hohe Behälter mit Wasser ein. Auch hier gilt: Dünn abgestochener Lehm ist in kürzerer Zeit aufbereitet. Lehm mit größeren Brocken und Klumpen sollte vor dem Sumpfen möglichst trocken und feinkrümelig sein (s. u.). Nach mehrmaligem gründlichem Löchern mit spitzen ­Stangen ist der Lehm je nach Tongehalt nach mehreren Tagen weich und durch weitere Wasserzugabe verflüssigbar.

Die Herstellung des Leichtlehms  57 

Abb. 66 Ausbreiten zum Trocknen

313

Abb. 67 Improvisiertes Trockenregal aus Europaletten

Trocknen lassen

Am schnellsten und ohne Kraftaufwand lässt sich Lehm jeder Bindekraft verflüssigen, wenn er trocken ist. Die Kapillaren sind durch das verdunstete Wasser offen und ­saugen begierig Wasser auf. Klumpen zerfallen von selbst. Der Lehm wird zum Trocknen auf einer Unterlage dünn ausgebreitet. Günstig ist eine transparente Abdeckung (Zelt aus Folie), die vor Regen schützt und die Sonnenstrahlung durchlässt. Platzsparend trocknet der Lehm in einem Regal aus übereinander befestigten geeigneten Gittern, Lattenrosten oder Maschendrahtrahmen. Mit Folie oder Blech kann man das Gestell so umhüllen, dass durch Sonneneinstrahlung erwärmte Luft von selbst von unten nach oben durch Zu- und Abluftöffnungen hindurchstreicht. Steiniger Lehm ist für Leichtlehm weniger geeignet. Aber wenn kein anderer Lehm zur Verfügung steht, ist auch er verwendbar. Nasses Abschlämmen und Absieben der Steine empfiehlt sich nicht. Man sollte vielmehr den Lehm zunächst trocknen lassen (s. o.) und wirft ihn durch ein Sieb mit etwa 10 mm Maschenweite, für maschinelles Aufschlämmen mit 5 mm Maschenweite. Vorher zerstößt man die trockenen Klumpen mit einem Handstampfer oder man zermahlt sie mit den Rädern eines schweren Fahrzeugs oder Traktors.

314

Einrühren von Hand

Zur Leichtlehmaufbereitung wird der Lehm mit Wasser zu einer gießfähigen Schlämme angerührt. Gesumpfter Lehm wird im selben Behälter weiter verflüssigt. Erdfeuchten, möglichst trockenen Lehm – größere Klumpen vorher zerschlagen – streicht man mit der Schaufel durch ein Sieb mit 1 bis 2 cm Maschenweite (z. B. Kompostsieb) in einen mit Wasser gefüllten Behälter und rührt gut durch. Je trockener der Lehm, desto weniger Rührarbeit ist nötig, da sich der Lehm von selbst auflöst. Man wartet die Zeit ab, bis das Wasser in die Kapillaren eingedrungen ist – erkennbar daran, dass keine Luftbläschen mehr an die Wasseroberfläche aufsteigen –, und rührt dann nur noch auf. Feinkrümeligen Lehm und trockenen Lehm gibt man auch 58 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 68 Schlämmwanne und Rührgerät

Abb. 69 Aufrühren von Hand

ohne Sieb in das Wasser. Als Behälter eignen sich längliche, nicht zu tiefe Gruben mit festem Boden und Rändern, Mörtelkästen oder Schlämmwannen zum Löschen von Kalk (Kalkbänke). Zum Einrühren nimmt man Kalkrührer, einen kräftigen Rechen oder eine Harke, an deren Zinken ein Flacheisen geschweißt wird (Abb. 68, 70). Damit lässt sich die Schlämme gut durchquirlen und unaufgelöste Lehmbröckchen werden am Wannenboden zerdrückt. Die Herstellung des Leichtlehms  59 

315

Einrühren mit Rührwerken

Verschiedene Geräte zum Rühren und Mischen von Farben, Mörtel, Emulsionen eignen sich auch zum Einrühren von Lehmschlämme. Kleinere Mengen lassen sich mit einem Handrührer – bestehend aus einer stärkeren Bohrmaschine mit Rührkorb (für Farbe) – in Behältern beliebiger Form anrühren. Zylindrische Behälter eignen sich besonders gut. Leistungsfähiger ist ein Schnellrührwerk, bestehend aus einem Elektromotor mit senkrechter Rührwelle, befestigt über eine Traverse am oberen Rand eines stehenden Behälters, der unten entleerbar ist oder abgepumpt wird. Bei laufender Maschine wird der Lehm in das stark aufgequirlte Wasser eingegeben. Da er sich sofort verteilt und gelöst wird, ist das Durchsieben eventuell überflüssig. Durch hohe Drehzahlen und den auch mechanisch zerkleinernden Rührkorb wird die Schlämme schon nach wenigen Minuten gebrauchsfertig. Die Teile können allerdings stark auf Verschleiß beansprucht werden, Steine können den Rührkorb beschädigen. In der Praxis gut bewährt hat sich ein Getrieberührwerk mit langsamer Drehzahl (60 Upm), an dessen senkrechter Welle sich waagerechte Rührarme drehen (Abb. 72 und 73). Der Behälter fasst 1.500 l und wird am Boden durch ein Lochsieb über eine Druckluftmembranpumpe abgepumpt. (P. Breidenbach, Viersen) Größere Rührwerke und Intensivmischer, wie sie in der keramischen Industrie eingesetzt werden, die bis zu 10.000 l fassen, kämen für die industrielle Herstellung von Leichtlehmplatten oder -steinen in Frage.

316

Einrühren mit Zwangsmischern

Einfache Mörtelmischer sind als Freifall- bzw. Trommelmischer zum Einrühren von Lehm ungeeignet, da die Schlämme durch die an der sich drehenden Trommel befestigten Mischerarme kaum bewegt wird. Der Lehm löst sich zwar irgendwann auf, aber nicht weil die Maschine läuft, sondern weil er mit Wasser in Berührung kommt. Nur Trockenlehm (Sackware) kann in Trommelmischern aufgeschlämmt werden. Dagegen sind Trog- und Tellerzwangsmischer auch für flüssiges Mischgut geeignet. In einem feststehenden Trog, der nach unten oder seitlich entleerbar ist, dreht sich eine horizontale oder vertikale Welle, an der entsprechend geformte Schaufeln befestigt sind (s. Abb. 75 und 96f.). Mit Verputzmaschinen (Diesel- oder Elektromotor) kann die Schlämme nicht nur gemischt, sondern auch gepumpt und mit Druckluftkompressor gespritzt werden – für den Leichtlehmbau eine wesentliche Arbeitserleichterung. Allerdings sind die für Putzmörtel eingestellten Zwangsmischer bei fettem Lehm überfordert. Mit einem im Rührwerksbehälter eingebauten Wirbler – allerdings auch ein Verschleißteil – wird der Mischvorgang beschleunigt.

60 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 70 Selbstgeschweißter Rührer

Abb. 71 Rührkorb für Handmischer

Abb. 72 Getrieberührwerk 1500 l, Entleerung über Druckluft­membranpumpe (Lehmbau Breidenbach)

Abb. 73 Rührarme des Getrieberührwerks 1500 l

Die Herstellung des Leichtlehms  61 

Abb. 74 PFT G4 Zwangsmischer (Knauf), Mischen

der Schlämme mit trockenem Lehm, Fördern und Spritzen mit Druckluft (s. Projekt 27)

Abb. 75 Zwangsmischer mit horizontaler Achse (Putzmeister P13)

317

Abb. 76 Dickflüssige Schlämme aus magerem Lehm

Konsistenz der Schlämme

Die Schlämme soll für normale Verarbeitung gießfähig sein und leicht von der Schaufel fließen, die nach dem Eintauchen gleichmäßig mit Lehm eingefärbt bleibt. Überprüfen sollte man auch, ob die Zuschläge in der fertigen Wand ebenfalls gut umhüllt sind. Die einmal gewählte Konsistenz (Viskosität, Flüssigkeitsgrad) lässt sich zwar gefühlsmäßig wiederholen, sicherer ist die Kontrolle mit dem Ausbreitversuch (Volhard): 100 ml Schlämme, mit ruhiger Hand langsam auf eine trockene, nicht wasseraufsaugende Fläche aus Glas oder Blech gegossen, breitet sich zu einem Fladen aus, dessen Durchmesser die Flüssigkeit definiert (Abb. 77). Fetter Lehm mit größerer Bindekraft kann dünnflüssiger, magerer muss dickflüssig bis breiig aufbereitet werden, um die Zuschläge ausreichend zu binden. Dement62 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 77 Kontrolle der Konsistenz mit dem Ausbreit-

versuch Abb. 78 Dünne Schlämme aus fettem Lehm Abb. 79 Steife Schlämme aus magerem Lehm

sprechend schwankt der Wasserbedarf, der sich wegen der Verschiedenartigkeit der Lehme und ihrer jeweiligen Feuchtigkeit nicht angeben lässt. Dünne Schlämme lässt sich gut gießen, spritzen und mit dem Stroh ohne großen Kraftaufwand mischen. Dickflüssige umhüllt den Zuschlag in dickeren Schichten, die Masse wird schwerer und auch schwerer verarbeitbar. Dünnflüssige Schlämme ermöglicht leichteres, wärmedämmendes Material mit geringem Lehmanteil, dagegen ergibt dickflüssige ein wärmespeicherndes, schalldämmendes Material. Dickflüssige Schlämme ist auch sinnvoll für Leichtlehmplatten und -steine, wenn eine höhere Festigkeit gewünscht wird. Für Lehmmörtel zum Mauern und Verputzen wird steife, nicht mehr gießfähige Schlämme verwendet. Die Herstellung des Leichtlehms  63 

Vom Wassergehalt der Schlämme ist die Austrocknungszeit des Materials abhängig. Es empfiehlt sich deshalb, die gemischte Leichtlehmmasse bis zur Weiterverarbeitung einige Stunden abtrocknen, wieder erdfeucht werden zu lassen (s. Kap. 335). Durch die Zugabe von Verflüssigungsmitteln kann die notwendige Wassermenge reduziert werden.

318 Verflüssigungsmittel Verflüssigungsmittel (deflocculans) werden in der keramischen Industrie und auch beim Töpfern zur Bereitung von Gießmassen (Gießschlickern) eingesetzt, um die Schwindung durch geringeren Wasseranteil herabzusetzen und die Austrocknung zu beschleunigen. Die wichtigsten sind −− Soda (Na2 CO3), −− Wasserglas, −− Humussäure (Kasseler Braun), −− Gerbsäure oder Tannin, die als Elektrolyte die Tonkristalle voneinander abstoßen, so dass diese – vereinfacht ausgedrückt – besser aufeinander gleiten. Es sind auch spezielle Verflüssigungsmittel, wie z. B. Natriumhexametaphosphat, im Handel. Die Chemikalien werden einzeln oder kombiniert in Mengen von 0,1 bis 0,4 % – bezogen auf die Masse des trockenen Tons – zugesetzt [Hamer 1975] [Weiss 1972]. Eine Anwendung solcher Zusätze kann beim Leichtlehmbau in vielfacher Hinsicht vorteilhaft sein: −− bessere Verarbeitbarkeit von sonst dickflüssiger, breiiger Schlämme aus magerem Lehm, −− gleichmäßigere Verteilung des Lehms im Stroh bei reduziertem Wasseranteil, −− schnellere Austrocknung des Materials durch weniger Anmachwasser. In einer Versuchsreihe des Verfassers ließ sich bei gleicher Viskosität – Flüssigkeitsgrad –, verglichen mit normaler Lehm-Wasser-Schlämme, der Wasseranteil bis zu 50 % verringern. Mit dem geringeren Wasseranteil steigt der Lehmanteil und damit das spezifische Gewicht der Schlämme. Es wurden Soda allein oder Soda mit Wasserglas kombiniert zugesetzt, in Mengen von 0,1 bis 0,2 % bezogen auf trockenen Lösslehm. Während sich in der Lehm-Wasser-Schlämme schon bald eine zunehmende Wasserschicht an der Oberfläche absetzt, bleibt bei den Schlämmproben mit Soda und Wasserglas das Anmachwasser gebunden. Nach wenigen Stunden sind diese so steif, dass sie sich nicht mehr aus den Gläschen gießen lassen. Durch Schütteln werden sie jedoch wieder flüssig. Dieses Phänomen von Gießmassen, nur in bewegtem Zustand flüssig zu bleiben, in Ruhe aber zu versteifen, bezeichnet man als Thixotropie [Hamer 1975]. Die Volumenschwindung der getrockneten Schlämmproben beträgt, verglichen mit Schlämme ohne Zusatz, weniger als die Hälfte. Das bedeutet für Bauteile aus schweren Leichtlehmmischungen ebenfalls weniger Trockenschwindung und dürfte auch bei anderen Nasslehmverfahren, z. B. Putz, der Rissbildung entgegenwirken. 64 Bauen mit Leichtlehm

318-01

Schlämmen gleicher Flüssigkeit Probe A

Probe B

Lehm-WasserSchlämme ohne Zusatz

Lehm-Wasser-Schlämme mit Sodazusatz und geringerem Wasseranteil Pappstreifen* unmittelbar nach dem Anrühren eingetaucht

Originalfoto einsetzen. so aufhellen, dass Hintergrund weiss ist. Kein Rahmen

nach 10 min eingetaucht *Fotos nach Trocknung

Volumenschwindung nach der Trocknung Abb. 80 Versuchsreihe Verflüssigungsmittel

Pappstreifen, in die verflüssigte Schlämme eingetaucht, färben sich gleichmäßiger und dicker ein als jene, die in normale Lehm-Wasser-Schlämme eingetaucht werden, bei denen der Lehmanteil tropfenförmig am unteren Rand zusammenfließt (Abb. 80). Die Festigkeit wird durch solche Schlämmzusätze nicht gemindert, sondern durch die Verdichtung der Tonteilchen eher erhöht. Wegen der Verschieden­ artigkeit der Lehme sind genaue Angaben zur Dosierung wenig sinnvoll – in einem kleinen Versuch ist das richtige und wirtschaftlichste Mischungsverhältnis schnell bestimmt.

319 Kalkzusatz Schon eine kleine Menge Kalk, zu einer normal flüssigen Schlämme zugegeben, verdickt sie zu einer steifen, quarkartigen Masse. Kalk wirkt im Lehm als Ver­ dickungsmittel (flocculans) und als Magerung. Für die möglichst flüssige, bindige Lehmschlämme zur Leichtlehmherstellung ist deshalb ein Kalkzusatz unangebracht. Will man mageren Lehm klebefähiger machen, füge man nicht Kalk, sondern ge­trockneten Ton oder Tonmehl (s. Kap. 217) hinzu. Die Herstellung des Leichtlehms  65 

Eine desinfizierende Wirkung von Kalk als Beimischung zum Leichtlehm lässt sich nicht feststellen. Im Gegenteil, bei Versuchen mit sehr ungünstigen Trocknungs­ bedingungen ist eine anfängliche Schimmelbildung besonders stark. Bei Strohlehmmischungen mit hohem Lehmanteil hat eine mögliche Kalkzugabe den Sinn, den Lehm zu magern, um Trockenschwindung und Rissbildung zu vermindern. Wenn der Lehm außerdem anstatt mit Wasser mit Urin (möglichst vom Pferd) aufbereitet wird, entsteht ein sehr fester, ohne weitere Behandlung witterungsbeständiger Baustoff. Die Rezeptur hierfür wurde von S. van Kessel (Belgien) in alten Chroniken entdeckt und mittlerweile bei der Renovierung von Fachwerkbauten, vor allem im Freilichtmuseum Bokrijk, Belgien, vielfach angewandt. An der Katholischen Universität Leuven wurden die bauphysikalischen Eigenschaften dieser Technik in einer Abschlussarbeit untersucht [Vanros 1981]. Im Übrigen steigert Urin und auch Dung die Bildsamkeit plastischer Massen um ein Vielfaches. Darauf beruht beispielsweise das Herstellungsgeheimnis des papierdünn gedrehten chinesischen Porzellans [Weiss 1972] (s. Kap. 643).

320 Zubereitung der Zuschläge

321 Stroh Stroh sollte zur besseren Verarbeitung des Leichtlehms eine Schnittlänge haben, die der geringsten Bauteilabmessung entspricht, also bei gestampften Wänden etwa 20 bis 40 cm. Im Allgemeinen wird man mit Ballenstroh arbeiten, das im Mähdrescher und beim Pressen schon so weit zerkleinert worden ist, dass es direkt verwendbar ist. Es muss gut aufgelockert bzw. auseinandergezupft werden, damit beim Mischen mit der Lehmschlämme keine Strohnester zurückbleiben. Immer sollte ein größerer Vorrat aufgelockerten Strohs bereit liegen, um einen raschen Arbeitsfortschritt zu gewährleisten. Für die Bereitung schwerer Mischungen mit höherem Lehmanteil und auch zur Herstellung von Leichtlehmplatten ist kürzeres, 10 bis 20 cm langes Stroh günstiger, wenn man nicht andere kurzfaserige Stoffe zur Verfügung hat. Zu langes Stroh wird entweder −− auf einem größeren Hackklotz mit einem Breitbeil oder Hackmesser gehackt oder −− mit einem Sensenblatt bzw. Messer über eine scharfe Tischkante – evtl. mit Eisenbeschlägen – geschnitten oder −− man klemmt die ganzen Ballen in einen entsprechend geformten Schneidebock und schneidet mit einem langen Messer mit zwei Griffen in gewünschter Länge schräg nach unten ab. Das Messer wird von Anschlägen auf jeder Seite geführt (Abb. 85 nach van Kessel). Für kurze Schnittlängen z. B. für Strohlehmauftrag oder grobe und feine Lehmputze sind Häckselmaschinen geeignet. Mit Siebeinsätzen lässt sich auch sehr feiner Zuschlag erzeugen.

66 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 81 Auflockern der Strohballen Abb. 82 Häckselmaschine Abb. 83 Strohschneidegerät

Abb. 84 Häckseln von Stroh

Abb. 85 Strohschneidegerät für Schnitt-

längen unter 30 cm (nach van Kessel)

Die Herstellung des Leichtlehms  67 

331-01

Lehm

Schlämme

Stroh

Ausbreiten des Strohs

Aufsetzen Übergießen mit Schlämme

70 cm

Mischen

Mauken

Umsetzen = Mischen

331-02

Abb. 86 Spritzverfahren

Gießwerkzeug

Mischwerkzeug

Abb. 87 Mischwerkzeuge

68 Bauen mit Leichtlehm

322

Holzige Zuschläge

Holzhackschnitzel müssen nicht zubereitet werden. Andere holzige Zuschläge kann man nach dem Hacken oder Häckseln in Wasser einweichen, um ihre sperrige Wirkung zu vermindern.

330 Mischen des Leichtlehms

Beim Mischen des Leichtlehms wird der verflüssigte Lehm, die Schlämme, möglichst gleichmäßig und sparsam mit den Zuschlägen vermischt, so dass alles gut mit Lehm umhüllt und eingefärbt ist. Es gibt verschiedene Mischverfahren, die für den jeweiligen Zuschlag mehr oder weniger geeignet sind: −− Lehmschlämme wird über den Zuschlag gegossen oder gespritzt, −− der Zuschlag wird in Schlämme getaucht, −− Zuschlag und Lehm werden im Zwangsmischer maschinell (auch erdfeucht) gemischt.

331 Spritzverfahren Das Spritzverfahren wird am Beispiel Strohleichtlehm erläutert, ist aber auch z. B. für Holzleichtlehm und andere Zuschläge anwendbar. Auch Faser- und Strohlehm werden nach diesem Prinzip lagenweise aufgesetzt und durchgehackt. Zu Beginn sollten sich Lehmschlämme und ein Vorrat gelockerten Strohs in Reichweite befinden. Das Stroh wird auf fester Unterlage mit der Hand oder mit einer Heugabel in 10 bis 15 cm hohen Schichten ausgebreitet. Jede Lage wird sparsam mit Lehmschlämme begossen, bis nach 5 bis 10 Schichten ein Haufen von 50 bis 70 cm Höhe entstanden ist. Zum Gießen kann man eine Randschaufel oder einen Jaucheschöpfer verwenden. Feiner verteilt wird der Lehm mit einer Gießkanne, auf die ein Kopf zum Versprenkeln von Jauche gesteckt wird, den man sich aus einem Stückchen Blech auch selbst herstellen kann (Abb. 87). Die Kanne muss groß genug sein, weil eine zu enge Tülle durch kleine Klumpen verstopft. Die Arbeit geht zu zweit leicht von der Hand, wenn der eine abwechselnd Stroh ausbreitet und der andere Lehm darüber gießt. Hat der Haufen die gewünschte Höhe erreicht, wird er von der Seite beginnend mit Gabeln oder Harken umgesetzt. Es ist ausreichend gemischt, wenn alle Strohhalme gleichmäßig mit Lehm überzogen sind. Die fertige Masse hat Ähnlichkeit mit einem Misthaufen. Einmaliges Umsetzen reicht aus, wenn vorher gut aufgesetzt wurde. Die Erfahrung zeigt, dass sich in größeren Haufen der Lehm besser verteilt als in kleineren und das Mischen daher weniger Kraft kostet. Das Spritzverfahren lässt sich beschleunigen, wenn die Lehmschlämme durch ein geeignetes Spritzgerät noch feiner im Stroh verteilt wird. Hierzu wird die Schlämme mit Pumpe und Schlauch gefördert und mit oder ohne Düse über das gleichzeitig Die Herstellung des Leichtlehms  69 

Abb. 88 Übergießen mit Schlämme Abb. 89 Mischen der Schlämme mit Putzmaschine,

lagenweises Überspritzen des Strohs mit Schlämme Abb. 90 Mischen des Leichtlehms

Abb. 91 Spritzverfahren: Aufschlämmen mit Tellerzwangsmischer, druckluftgesteuertes Pumpen aus Zwischenbehälter (Rheinländer)

70 Bauen mit Leichtlehm

ausgebreitete Stroh gegossen oder gespritzt. Gleichzeitig oder anschließend die Masse so weit nötig nachmischen, bis alle Zuschläge umhüllt sind. Als Pumpen eignen sich Membran-, Schnecken- und Kolbenpumpen. Die bereits erwähnten Putzmaschinen mit Zwangsmischer, Pumpe und Druckluftkompressor sind für die Leichtlehmaufbereitung ideal. Mit Druckluft und Düse wird der Lehm so fein in das Stroh eingesprüht, dass sich ein Nachmischen evtl. erübrigt. Durch den Einsatz von Schlauch und Pumpe wird im Übrigen die Schlämme, der schwerere Teil des Baustoffs, an jeden beliebigen Ort transportiert. So kann im selben Raum oder Geschoss gemischt werden, wo der Leichtlehm eingebaut werden soll (s. Abb. 111). Vorsicht beim Mischen ohne Wanne: Durchsickerndes Anmachwasser kann Flecken auf sichtbaren Deckenuntersichten hinterlassen.

332 Tauchverfahren Auch das Tauchverfahren ist für Stroh- und Holzleichtlehm anwendbar. Die Lehmschlämme wird in eine Wanne (z. B. Kalkwanne) oder Grube mit festem Boden abgelassen oder gepumpt – wenn sie nicht schon darin angerührt wurde. Der Zuschlag wird dazugegeben und mit Gummistiefeln untergetreten, bis sich alle Schlämme von unten her gleichmäßig verteilt hat. Stroh muss vorher gut aufgelockert sein. Die Masse wird anschließend mit Gabeln zum Mauken zur Seite gesetzt. Als Behälter eignen sich auch Transportcontainer oder Mulden (s. Abb. 92). Sollen Faser- und Strohlehm im Tauchverfahren aufbereitet werden, muss die Schlämme entsprechend dickflüssig sein oder man lässt eine mit dünner Schlämme Abb. 92 Tauchverfahren in Transportcontainern, zur Baustelle geliefert

Die Herstellung des Leichtlehms  71 

Stroh

Lehm

Einstreuen des Strohs

Schlämme

Untertreten des Strohs

Mauken

gemischter Leichtlehm

Abb. 93 Tauchverfahren

Abb. 94 Tauchverfahren, Mischen in Kalkwanne

Abb. 95 Tauchen von Grobheu

leichter aufbereitete Mischung längere Zeit abtrocknen, bis sie plastisch zu verarbeiten ist. Stroh, oder auch Grobheu für Handauftrag, können auch in kleinen Mengen – wie Pommes frites – in die Schlämme getaucht, sofort wieder entnommen und gleich oder später verarbeitet werden.

72 Bauen mit Leichtlehm

333 Mischen im Zwangsmischer Leichtlehm aus Ballenstroh wird leichter mit der Hand gemischt. In normalen Mischern würde sich das Stroh schnell verwickeln und das Füllen und Entleeren wäre umständlich. Nur spezielles Gerät, z. B. Tonnenmischer (Abb. 100 bis 102), eignet sich für das maschinelle Mischen von Strohleichtlehm (weitere Beispiele s. Projekte 7, 18, 19, 20 und 26). Gehäckseltes Stroh, Holzhackschnitzel sowie kurzfaserige oder mineralische Zuschläge können auch in einem üblichen Zwangsmischer gemischt werden, mit dem vorher der Lehm aufgeschlämmt wird (s. o.). Die Reihenfolge beim Füllen des Mischers ist Wasser, Lehm, Zuschlag. Auch Stroh- und Faserlehm mit kurzen Fasern lässt sich im Zwangsmischer aufbereiten. Beschicker und moderne Mischanlagen (Abb. 103) erreichen eine feine Verteilung des Lehms und gute Umhüllung der Zuschläge auch bei erdfeuchter (nicht flüssiger) Aufbereitung des Leichtlehms, d. h. mit erheblich reduziertem Wasseranteil. Als Transportleichtlehm wird er in gewünschtem Mischungsverhältnis an die Baustelle geliefert.

Abb. 96 Putzmaschine (Trogzwangsmischer) mit

Abb. 97 Mischen von Holzleichtlehm mit Teller-

Schneckenpumpe zum Herstellen von Lehmschlämme, Mischen von Faser- und Holzleichtlehm, Lehm- und Leichtlehmmörtel (Putzknecht)

zwangsmischern (Diem). Transport und Einfüllen in Schalung mit Krankübel, Via Felsenau, CH-Bern 1993

Abb. 98 Mischen im Tellermischer mit vertikaler

Abb. 99 Mischen von Holzleichtlehm im Teller­

Achse (Projekt Felsenau)

mischer

Die Herstellung des Leichtlehms  73 

Abb. 100 Mischen von Stroh-

leichtlehm im Tonnenmischer. In eine schräg gelagerte drehende Tonne wird das Stroh oben eingeworfen. Über innere Düsen wird die Lehmschlämme eingesprüht. Der gemischte Leichtlehm wird unten kontinuierlich entnommen. Der sehr fette Lehm erlaubt eine sehr flüssige Aufbereitung und sehr leichte Mischungen. S. Projekt 20 (Design-Coalition Wisconsin USA)

Abb. 101 Transport des gemisch-

ten Leichtlehms mit dem Stapler.

Abb. 102 Tonnenmischer Oskam

V/F, Lekkerkerk, Holland

Abb. 103 Beschickeranlage

für Lehm-, Holzleichtlehm-, Lehm­ mörtelmischungen (Claytec®)

74 Bauen mit Leichtlehm

334

Das Mischungsverhältnis

Das Mischungsverhältnis von Lehm und Zuschlägen richtet sich nach den gewünschten Eigenschaften des Bauteils. Je geringer der Lehmanteil, desto leichter und wärmedämmender wird der Baustoff. Mit steigendem Lehmanteil wird er schwerer, d. h. Schalldämmung, Wärmespeicherung und Feuerschutz nehmen zu. Allgemein gilt: Leichte Mischungen (300 bis 800 kg/m3): gute Wärmedämmung bei ausreichender Wärmespeicherung und Schalldämmung – für −− Außenwände −− Dachdämmung −− Decken und Wände zu unbeheizten Räumen −− Wärmedämmende Innenschalen −− Innenwände Schwere Mischungen (800 bis 1200 kg/m3): gute Wärmespeicherung und gute Schalldämmung, höhere Festigkeit, (nagelbar und dübelfest ab 900 kg/m3) – für −− Innenwände −− Zwischendecken −− Außenbauteile mit zusätzlichen Dämmstoffschichten −− Herstellung von Platten und Steinen Für schwere Mischungen wird die Schlämme breiiger angemacht, für leichte so flüssig, wie es die Klebkraft des Lehms zulässt. Für sehr leichte ist fetter Lehm Voraussetzung (s. o.). Für die Höhe des Raumgewichts entscheidend ist der Lehmanteil, weniger die Menge des leichten Zuschlags, der nur das innere Gerüst bildet, dessen Hohlräume der Lehm mehr oder weniger ausfüllt.

Abb. 104 Raumgewicht abhängig vom Stroh-Lehm-Mischungsverhältnis

Probewürfel mit gleicher Lehmmenge bei unterschiedlicher Strohmenge Raumgewicht 4 450 kg/m3 3 600 kg/m3 950 kg/m3 9 19 2000  kg/m3 (ohne Stroh)

Die Herstellung des Leichtlehms  75 

Schwere Mischung (1200 kg/m3)

Leichte Mischung (600 kg/m3)

Oberfläche

Schnitt Abb. 105 Schwere und leichte Mischungen

Mit derselben Strohdichte von 70 kg/m3 kann man leichte und schwere Leicht­ lehmmischungen herstellen. Bei leichten Mischungen werden die Gerüstteile mit Lehm nur umhüllt und miteinander verklebt. Dafür sollte fetter und deshalb auch dünnflüssig verarbeitbarer Lehm oder Ton in Verbindung mit wenig Stroh aus stabilen und sperrigen Halmen verwendet werden. Die Halme sollten grob, lang und wenig zerfasert sein, um dem Lehm eine möglichst kleine innere Oberfläche zu bieten, damit dieser sparsam eingesetzt werden kann. Die den Zuschlag umhüllende Lehmschicht kann mit fettem Lehm sehr dünn sein, bei magerem Lehm muss sie dick sein, damit sie ausreichend auf dem Zuschlag haftet und ihn einbettet. Das Trockengewicht hängt auch davon ab, ob das Material fest gestampft wird oder durch lockeres Eindrücken Lufträume erhalten bleiben. Lockere Verdichtung, leichtes Einstopfen kann das Raumgewicht um 20 % reduzieren. Die Mischungsverhältnisse für Leichtlehm zeigt Abb. 106. Der eigent­liche ­Lehm­anteil in geschüttetem Lehm ist in Wirklichkeit geringer, da ein großer Teil Luft enthalten ist. 10 kg Stroh entsprechen ungefähr einem Pressballen.

76 Bauen mit Leichtlehm

Raumgewicht trocken Zuschlag

Leichte Mischungen 600 kg/m3

Schwere Mischungen 1000 kg/m3

Dichte

Lehmanteil trocken1

Lehmbedarf krümelig, geschüttet2

Lehmanteil trocken1

Lehmbedarf krümelig, geschüttet2 m3/m3

kg/m3

kg/m3

m3/m3

kg/m3

Stroh

70–90

520

0,4

920

0,7

Feinfasern

150

450

0,3

850

0,6

Holzhackschnitzel

300

300

0,2

700

0,5

Blähton

350

250

0,2

650

0,5

Bims

600

 -

 -

400

0,3

1  Lehmanteil = Raumgewicht – Zuschlagdichte (kg/m3) 2 Lehmbedarf bei einer Schüttdichte trocken von 1400 kg/m3 Lehmbedarf = Lehmanteil/Schüttdichte trocken (m3/m3)

Abb. 106 Mischungsverhältnisse für 1 m3 gestampften Leichtlehm

Das Trockengewicht des Leichtlehms steigt mit dem Gewicht des trockenen Lehmanteils. Da die gleiche Menge trockenen Lehms mit unterschiedlich viel Wasser angemacht werden kann – von Tongehalt, Verflüssigungszusätzen und gewünschter Konsistenz der Schlämme abhängig –, ist für das Raumgewicht nicht so sehr die Menge der Schlämme von Bedeutung (weil das Anmachwasser verdunstet), sondern nur die enthaltene Menge Lehm. Diese kann zwar mit Probewürfeln für bestimmte Mischungsverhältnisse ermittelt werden, ist aber dann auf der Baustelle nicht in derselben Genauigkeit oder nur sehr umständlich abmessbar. Das Mischungsverhältnis lässt sich mit etwas Erfahrung gefühlsmäßig beurteilen: Leichte Mischungen lassen sich leicht heben, beim Mischen rauscht das Stroh. In die Schalung gestopft verbleiben in der Masse viele Lufthohlräume, erkennbar auch an der ausgeschalten Oberfläche, die der einer Holzwolleleichtbauplatte ähnelt. Schwere Mischungen sind auch beim Mischen schwer. Die durch das Mauken zähklebrig gewordene Masse wird beim Einpressen dichter, die Oberfläche beim Ausschalen geschlossener (Abb. 105). Das erreichte Raumgewicht lässt sich mit getrockneten Probewürfeln ermitteln und überprüfen (s. Kap. 735).

335 Mauken Der fertig gemischte Leichtlehm sollte 6 bis 24 Stunden, vor Sonneneinstrahlung und Oberflächenaustrocknung geschützt, mauken (durchziehen). Das ­Anmachwasser zieht in Lehm und Zuschlag ein, die Masse wird wieder erdfeucht, zähklebrig und lässt sich gut verarbeiten. Nach eigener Erfahrung kann sie aber auch sofort eingestampft werden, vor allem dann, wenn Verflüssigungszusätze und damit wenig Anmachwasser verwendet worden ist. Wenn allerdings die Masse beim Einstampfen federt oder Schlämme aus der Schalung tropft, sollte die Mischung noch eine Weile ziehen. Aufbereiteter Strohleichtlehm sollte innerhalb von acht Tagen verarbeitet werden, Holzleichtlehm ist bis zu drei Wochen lagerfähig.

Die Herstellung des Leichtlehms  77 

Abb. 107 gemischter Strohleichtlehm

Abb. 108 gemischter Holzleichtlehm

Oberflächlich angetrocknete Haufen sind sofort verwendbar, wenn man sie mit der Gießkanne etwas anfeuchtet und leicht aufarbeitet. Völlig ausgetrocknetes Material kann ebenfalls unter erneuter Zugabe von Wasser, ggf. Schlämme, wieder aufbereitet werden. So ist es auch möglich, gemischten (Holz-) Leichtlehm – in dünnen Lagen ausgebreitet – trocknen zu lassen. Das unbegrenzt lagerfähige Trockenprodukt kann in verlorenen Schalungen trocken, ggf. leicht angefeuchtet eingebaut werden.

340 Baustellenorganisation

Der Transport von Leichtlehm ist, verglichen mit Steinen, Mörtel oder Beton, keine Schwerarbeit. Strohleichtlehm lässt sich leicht mit der Gabel heben und werfen und mit Schubkarren zum Verwendungsort bringen. Für Leichtlehm mit brockigen oder körnigen Zuschlägen (Holz- und mineralischer Leichtlehm) nimmt man eine mehr­ zinkige Gabel, Schaufel oder Eimer. Der Mischplatz sollte dennoch möglichst nahe dem Verwendungsort liegen und regengeschützt sein, wie auch der Lagerplatz von Lehm und Stroh. Beim feuchten Einbau wird das fertig gemischte Material ebenerdig mit Schubkarren, in obere Geschosse mit einem Schrägaufzug befördert, der auch steil im Innern des Hauses stehen kann. Oder das Arbeitsgerüst wird von außen mit Kran bedient. Leichtlehm direkt mit Hilfe des Krans in die Schalung zu schütten, evtl. auch zu pumpen, ist mit körnigen oder sehr feinfaserigen Mischungen möglich. Beim Lehmspritzverfahren wird – ähnlich der Betonspritztechnik – Leichtlehm aus dem Zwangsmischer über Schlauch und Pumpe direkt an die Wand gespritzt (s. Kap. 460). Der manuelle Transport auf der Baustelle, vor allem in die Obergeschosse, kann bei kleinen Bauvorhaben auch erleichtert werden, indem man Zuschlag und Lehm einzeln zum Verwendungsort transportiert: −− Stroh ist leicht, lässt sich in Pressballen gut tragen und kann direkt von der Ladefläche in die Obergeschosse geworfen werden. −− Lehm ist in erdfeucht trockenem Zustand so leicht wie möglich und kann mit üblichen Mitteln transportiert werden (Schubkarre, Eimer, Rolle und Seil, Kran). 78 Bauen mit Leichtlehm

Schubkarre, Gabel, Aufzug, Kran Lehm

Rühren + Mischen A Transport des Leichtlehms

Mischen

Eimer, Pumpe Rühren B Transport der Schlämme

Schubkarre, Rolle + Eimer, Körbe, Kran

Rühren + Mischen

Wasser mit Leitungsdruck C Transport des Lehms Abb. 109 Transport auf der Baustelle

−− Wasser, beim Gewicht fertig gemischter Leichtlehmmasse zu gut einem Drittel beteiligt, kommt mit Leitungsdruck in jedem Geschoss aus dem Schlauch. −− Schlämme (= Lehm + Wasser), der schwere Bestandteil des Leichtlehms, kann mit Pumpe und Schlauch (z. B. Verputzmaschine oder Schlammpumpe) gefördert werden. Der Leichtlehm wird dann im Haus möglichst nah zum Einbau gemischt. Auch die Schlämme kann dort bereitet werden. Die witterungsempfindlichen Arbeiten komDie Herstellung des Leichtlehms  79 

Abb. 110 Schrägaufzug im Haus

Abb. 111 Mischen im Haus. S ­ pritzen der Schlämme

mit Druckluft (Projekt 2)

men so unter das vorhandene Dach des Rohbaus und der Bau von Schutzdächern im Freien kann entfallen. Die Wahl des geeigneten Verfahrens hängt natürlich von den örtlichen Verhältnissen und dem Umfang der Arbeiten ab.

350 Fertigmischungen

Fertig gemischter Stroh-, Holz- und mineralischer Leichtlehm kann von Lehmbau­ firmen bezogen werden. Alle Arbeitsschritte, von der Lehmbeschaffung und -prüfung bis zur Baustellenorganisation, werden damit erleichtert. 1,3 m3 geschütteter Strohleichtlehm ergeben etwa 1 m3 gestampftes Bauteil, bei Holzleichtlehm ist das Verhältnis 1:1. Fertiger Strohleichtlehm sollte auch innerhalb einer Woche verarbeitet werden, weniger empfindlicher Holzleichtlehm ist länger verarbeitbar. Das Material muss abgedeckt sein und bei Antrocknung ggf. mit Schlämme nachgemischt werden. Trockenmischungen sind unbegrenzt lagerfähig und werden an der Baustelle nur mit Wasser angemacht.

80 Bauen mit Leichtlehm

400 Feuchter Einbau 410 Geschalte Wände

In einer tragenden Holzkonstruktion wird der gemischte Leichtlehm in beweglichen Kletterschalungen, vollflächigen oder verlorenen Schalungen zum Bauteil verdichtet. Strohleichtlehm, der beim Einstopfen ausreichend fest wird, auch schwerer Holzleichtlehm, kann mit einer Kletterschalung ohne Wartezeiten Satz auf Satz gestampft werden. Leichter Holzleichtlehm und mineralischer Leichtlehm brauchen bis zur Erhärtung eine vollflächige Schalung (s. Kap. 415). Außenwände können einschalig – verputzt oder verkleidet – in einer Dicke bis zu 30 cm hergestellt werden. Wände über 35 cm Dicke trocknen langsam und sind daher für den feuchten Einbau nicht zu empfehlen. Eine noch bessere Wärmedämmung kann mit dickeren Wänden aus Leichtlehmstein-Mauerwerk oder mit zusätzlichen Dämmschichten erreicht werden, die als verlorene Schalung dienen oder nach der Trocknung angebracht werden. Hierfür haben sich z. B. 5 cm dicke Schilfrohrplatten bewährt (s. auch Kap. 811). Innenwände bieten mit 10 bis 15 cm ausreichende Wärmespeicherung und Schalldämmung.

Abb. 112 Ständerbau mit zurückgesetzter Außenwand (Arch. M. Bönisch, Windeck)

Feuchter Einbau  81 

Die Holzkonstruktion erfüllt mehrere Aufgaben: −− sie ist lastabtragend und aussteifend, −− sie hält die raumabschließende Ausfachung, −− sie gibt die Wandstärke vor und führt damit die Schalung. Das Tragskelett wird nach statischer Berechnung bemessen und kann auch unabhängig von der Wand stehen. Es sind auch andere Skelettbaustoffe, z. B. Beton oder Stahl denkbar. Alle üblichen Holzbausysteme sind für Leichtlehmausfachungen geeignet. Um bei geschalten Wänden das Einfüllen und Verdichten zu erleichtern, sollte man allerdings möglichst wenige waagrechte Holzteile im Wandquerschnitt anordnen. Zur Lastabtragung reichen wenige Stützen in größeren Abständen aus. Die Zwischenräume bildet ein leichteres Füllskelett. Dessen Abstände sollen nicht weiter als 1,50 m sein, um die Ausfachung ausreichend zu halten und um zu verhindern, dass die Schalung ausbaucht. Engere Abstände ermöglichen eine leichtere Schalung, weitere können nur mit schweren Bohlen eingeschalt werden. Zur späteren Befestigung von Verkleidungen sind enge Stützenabstände sinnvoll. Wird die Ausfachung im Stützenbereich unterbrochen, werden Staken (Latten, Säumlinge oder Bretter), die die Ausfachung mit den Stützen verbinden, beim Stampfen lose eingelegt (Abb. 116 A + D, Abb. 117 A bis D).

411 Außenwände A Tragende Stütze im Wandkern Die Stütze ist von der Lehmwand allseitig umschlossen. Auch preisgünstiges Rundholz ist verwendbar. Die Gleitlehren können auch abnehmbar befestigt werden. In diesem Fall ist alle 40 bis 50 cm eine waagrechte Stakeinlage erforderlich. Für einen durchgehenden Putzuntergrund stopft man den Schlitz aus. B Tragende Stütze einseitig wandabschließend Die Stütze aus Kantholz kann außen oder innen sichtbar bleiben. Die von der anderen Seite angenagelte/geschraubte Gleitlehre bleibt in der Wand, um die Ausfachung mit der Stütze zu verbinden. Auf diese Weise können auch bei der Fachwerksanierung Wände fugenlos wärmegedämmt werden. Tragende Doppelstützen C Doppelstützen halten die Ausfachung und führen die Schalung ohne zusätzliche Gleitlehren. Gehobelt können sie beidseitig sichtbar bleiben. Als Doppel-T-Stützen bieten sich als Fertigteile auch Schalungsträger an (20 u. 30 cm stark). D Tragende Bohlen: Bohlen – 5/26 bis 8/28 – geben ebenfalls die Dicke der Wand ohne Hilfskonstruktion vor. Die Verbindung der Ausfachung mit der Stütze wird durch aufgenagelte Latten oder Langlöcher in der Bohle erreicht, durch die der Leichtlehm hindurchgreifen kann. Durch Verziehen des Holzes können allerdings zwischen Stütze und 82 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 113 Außenwand aus Latten 6 × 6 cm, Leibungen Sperrholz (Arch. Martin Breidenbach, Ausführung Lehmbau Breidenbach) Abb. 114 Ständerbau mit Doppelstützen 6 × 10 cm, ­ inderstützen 10 × 10, zwischenliegende Streben (Arch. B F. Geelhaar, ASAD, Darmstadt (siehe Projekt 4) Abb. 115 Gleitlehren außen, tragende Stützen innen sichtbar (M. Bönisch)

Ausfachung Fugen entstehen, die später ausgestopft werden müssen. Gehobelte Bohlen sind gleichzeitig Tür- oder Fensterfutter. Nichttragende Leiter – oder Brettständer Die Stützen des Füllskeletts bleiben in der Wand, um die Leichtlehmausfachung auszusteifen und mit der Holzkonstruktion zu verbinden. Sie können als Leiter-, Doppel- und Bohlenständer ausgebildet sein. Leiterständer werden aus Latten 40/60 mm genagelt oder geschraubt. Bei größeren Stützweiten der Tragkonstruktion (ab 3 m) sollten die Latten stärker sein oder geringere Abstände gewählt werden (Abb. 116 und 117 A bis D). Feuchter Einbau  83 

411-05

Tragende Stützen

A Stütze im Wandkern

B Stütze einseitig

C Doppelstütze

D Bohlenständer Abb. 116 Holzskelett von Außenwänden und dickeren Innenwänden

84 Bauen mit Leichtlehm

Nichttragende Stützen (Füllskelett)

Leiterständer

412-01

Tragende Stützen

Nichttragende Stützen

A

B

C

D Abb. 117 Holzskelett von Innenwänden und dünnen Außenwänden

Feuchter Einbau  85 

Bei Doppelstützen und Leiterständern sollten die Verbindungslatten möglichst bündig zwischen den Ständern angeordnet werden, um nach evtl. Setzung durch­ gehende Fugen unter den Latten zu vermeiden.

412

Innenwände (und dünne Außenwände, 10 bis 15 cm stark)

Kantholz- und Brettständer Kantholzständer werden verwendet, wenn Deckenlasten abgetragen und Innentüren befestigt werden sollen. Das Füllskelett bilden Brettständer im Abstand von etwa 1 m. Seitlicher Druck auf die Ausfachung wird über lose eingelegte und miteingestampfte Staken aus Dachlatten, gespaltenem Holz oder Brettern auf die Stützen übertragen, die vorher mit aufgenagelten Leisten (Abb. 117 A + C) oder eingefrästen Nuten (B) versehen wurden. Die Anzahl der aussteifenden Stakeinlagen richtet sich nach dem Stützenabstand und der Wanddicke: etwa 3 Latten oder 2 Bretter pro m2 (s. Vornorm DIN V 18953 Bl.5). Dünne, weniger wärmedämmende Außenwände, z. B. von Nebengebäuden, oder Wände mit zusätzlicher Dämmschicht können ebenfalls in dieser Weise ausgeführt werden. Vorgefertigte Elemente Bei geringer Dicke und daher kleinem Gewicht ist es möglich, Wandelemente auf dem Boden liegend zu stampfen und anschließend mit der Schalungsunterlage hochzuklappen.

Abb. 118 Innenwand im feuchten Einbau

86 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 119 Innenwand trocknet (Projekt 2)

413

Die Schalung

Die Wander- oder Kletterschalung wird an der Holzkonstruktion hochgeführt, die als Abstandhalter auch die Senkrechte vorgibt und so ein Justieren erübrigt. Die Brett­ tafeln sind 50 cm hoch, übergreifen aber immer die bereits gestampfte Wand um etwa 25 cm, damit sie sich nicht ausbaucht. Es ergibt sich somit eine Satzhöhe von 25 cm. Die Schalbretter sollten möglichst leicht sein. Die üblichen Betonschaltafeln haben mit 150 × 50 cm eine handliche Größe. Nimmt man etwa 25 cm breite Bretter, Bohlen oder schmale Betonschaltafeln, können die Anker an beliebiger Stelle durch den Schlitz zwischen den Brettern geschoben werden. Am Ende der Schaltafel befestigt man ein Brettstück als Stoßlasche, damit die nächste Schaltafel in der gleichen Flucht gehalten und dadurch weniger Anker gebraucht werden (Abb. 120). Beim Umsetzen zieht man die Tafeln entlang der Wandoberfläche ab oder schiebt sie weiter, damit keine Strohhalme abstehen. Anklebende Bretter werden mit einem Ruck gelöst, jedoch nicht von der Wand weggeschlagen. Sie lassen sich besser abziehen, wenn sie sauber gehalten und vor dem Einfüllen des Leichtlehms angenässt werden. Die Schalung wird angeschraubt oder mit den beim Schalungsbau üblichen Spann­ ankern an die Holzkonstruktion gepresst. Man kann die wenigen benötigten Anker auch selbst herstellen oder ausleihen. Da die Schalung nach jedem Stampfsatz umgesetzt wird, sollten die Anker schnell und möglichst ohne Hilfswerkzeug gelöst

413-01 Abb. 120 Prinzip der Gleitschalung

Gleitlehre Abstandhalter Brett zur Druckverteilung

25

cm

evtl. Spreize

Satzhöhe

25

Anker

Schalbretter

Stoßlasche

Feuchter Einbau  87 

414-01

Schaltafel 50 x 150 cm oder 50 x 200 cm

25

A Einfache Tafelschalung

Joch geschweißt a) oder aus Holz b)

25

Schalbrett 25 x 150 cm oder 25 x 200 cm

a)

b)

B Schalung mit beweglichem Joch

Schaltafel 50 x150 cm oder 50 x 200 cm Variante: Befestigung mit Keilen

C Tafelschalung mit wandhohem Joch

Abb. 121 Wandschalungssysteme (Holzkonstruktion nicht dargestellt)

88 Bauen mit Leichtlehm

414-02

entspannen

umsetzen

spannen

A Einfache Tafelschalung

oberster Satz unter geschlossener Decke

B Schalung mit beweglichem Joch

einseitig voll eingeschalt C Tafelschalung mit wandhohem Joch Abb. 122 Handhabung der Schalungen

Feuchter Einbau  89 

geeignet für Schalungssystem A

a) Anker aus Hartholz oder Sperrholz mit Hartholzkeilen

b) Säuleneisen (Schürmanneisen)

c) c)  selbstreingender selbstreinigender Gewindestab mit Flügel/ Flügel/ Sechskantmutter

A

Ø 15/17

ABC

Abb. 123 Schalungsanker

und gespannt werden können. Die Mehrausgabe für einen guten Anker lohnt sich, da der ganze Bau mit denselben wenigen Ankern eingeschalt wird. Eine Übersicht zeigt Abb. 123. Das Verspannen der üblichen Keil- und Excenterverschlüsse ist nur mit einem Spanngerät und nacheinander möglich. Dieses Gerät ist aber meist nicht dort, wo man es braucht. Die heute beim Betonbau üblichen selbstreinigenden Gewindestäbe (c) können von jeder Seite gespannt werden. Die Flügelmuttern lassen sich mit der größeren Gewindesteigung auch schneller lösen und anziehen. Die Ankerstäbe dürfen nicht zu weit von der Wand abstehen, um Verletzungen auszuschließen. Schraub- und Schlagzwingen sind vielseitig einsetzbar und ergänzen das Schalwerkzeug. Schlagzwingen können eventuell auch Anker ersetzen. Für das Werkzeug zum Umsetzen der Kletterschalung – Spanngerät, Zimmermannshammer oder Akku-Schrauber – gibt es praktische Gürtelschlaufen.

414 Schalungssysteme A Einfache Tafelschalung Die etwa 150 × 50 cm großen Schaltafeln werden direkt mit Ankern verspannt. Sie erhalten eine Reihe von Löchern zur Aufnahme der Anker oder einen Schlitz, wenn sie aus Brettern zusammengesetzt sind. Beim Umsetzen werden die Anker gelöst und herausgezogen, die Bretter hochgeschoben und gehalten, bis die Anker wieder eingeführt und gespannt sind. Damit die Tafeln gut angedrückt werden, kann man Brett- oder Lattenstücke, die mit einem Loch versehen sind, auf die Ankerstäbe schieben. Dieses einfache System ist zwar etwas umständlich in der Handhabung, aber für kleinere Vorhaben völlig zufriedenstellend. 90 Bauen mit Leichtlehm

B Schalung mit beweglichem Joch Dieses System vereinfacht das Umsetzen, indem die Einzelteile nacheinander gelöst und wieder befestigt werden, so dass nichts gehalten oder beiseite gelegt werden muss. Die beiden 25 cm breiten Bretter oder Tafeln jeder Seite lassen einen horizontalen Schlitz zur Aufnahme der Anker, die die Schalung über das bewegliche Joch verspannen. Ablauf: −− Zum Umsetzen wird der untere Anker gelöst, herausgezogen und durch die oberen Schlitzenden des Jochs gleich wieder eingeführt, aber noch nicht gespannt. −− Der mittlere Anker wird gelöst und nach dem Hochschieben des Jochs wieder gespannt. Er ist jetzt unterer Anker. −− Ist das letzte Joch hochgeschoben, wird das untere Schalbrett frei und von oben zwischen Gleitlehre und Joch gesteckt. −− Die oberen Anker werden gespannt. Der Schlitz des Jochs ist mindestens um den dreifachen Ankerdurchmesser länger als die Summe der Brettbreiten. C Tafelschalung mit wandhohem Joch Die Tafeln werden hier nicht mehr abgenommen, sondern nach dem Entspannen der Joche weitergeschoben. Da sie nicht gehalten werden müssen, können sie auch länger sein (z. B. 200 × 50 cm). Nur der obere Jochanker wird gelöst und gespannt und mit dem Wandfortschritt ein- bis zweimal höher gesetzt. Der untere Anker bleibt Abb. 124 Umsetzen der Schalung

Abb. 125 Jochschalung Tafeln

2 × 50 cm Abb. 126 Leichte Schalung 2 × 25 cm mit beweglichem Joch

Feuchter Einbau  91 

Abb. 127 

Wandhohe Jochschalung

Abb. 129 Schalung geschraubt

Abb. 128 Bohlenschalung

gespannt. Man kann das Joch auch an der Holzkonstruktion mit etwas größerem Abstand befestigen und die Tafeln dann mit Hartholzkeilen festklemmen. Eine Seite kann auch über die volle Höhe eingeschalt werden. Damit unterbricht das Umsetzen kaum noch die Stampfarbeit (s. Abb. 118 und 127). D Bohlenschalung Zwei Bohlen auf jeder Seite werden mit Spannanker und einem Holz- oder Metall­ profil zur Druckübertragung aneinander gepresst (Abb. 128). Das Umsetzen kann man vereinfachen, indem man für den nächsten Satz weitere Spannanker und ein drittes Bohlenpaar auflegt. Für den übernächsten Satz werden die Anker und die untere Bohle des jeweils vorletzten nach oben gesetzt. E Schalung geschraubt: Die Schaltafeln werden mit Schnellbauschrauben – Sechskant oder Inbus mit U-Scheibe – direkt an der Holzkonstruktion befestigt. Mit Akku-Schraubern ist dies heute eine sehr schnelle Befestigungsart. Bei diesem System, das sich besonders für einseitige Schalung eignet, müssen die Gleitlehren als Schalungsträger für das Einstampfen zugfest befestigt sein. Hier eignet sich auch Lochband oder Draht (s. Abb. 134 und 201). 92 Bauen mit Leichtlehm

414-09

2

Gerüst

Gerüst

1

Gerüst

3

Abb. 130 Einschalen und Stampfen in Wandabschnitten

Die Leichtlehmtechnik erlaubt es, Wandabschnitte nacheinander in voller Höhe fertigzustellen (Abb. 130). Hierbei ist der Aufwand für Schalung und Gerüst sehr gering: z. B. können 8 Schaltafeln und 12 Anker für ein ganzes Haus ausreichen. Beim ringförmigen Einschalen und Stampfen mehrerer Wände braucht man zwar mehr Schalung und Gerüst, eine größere Arbeitsgruppe kann aber flexibler arbeiten. Auch setzen sich die schon antrocknenden Wandteile weniger.

415

Wände mit verlorenen Schalungen

Verlorene Schalungen reduzieren beim feuchten Einbau den Aufwand für das Umsetzen der Kletterschalung und bleiben als einseitige Wärmedämmschicht oder Putzträger in der Wand. Sie ermöglichen die Verarbeitung auch von sehr leichten Mischungen aus Stroh- oder Holzleichtlehm in Wänden. Schilfrohrgewebe haben den Vorteil, die Trocknung nicht zu behindern und bei sehr leichten Mischungen die Putzhaftung zu verbessern. Verwendet wird 70-stängeliges Putzträgergewebe, das mit verzinkten Drähten mit dem Arbeitsfortschritt an die Holzkonstruktion Feuchter Einbau  93 

Abb. 131 Verlorene Schalung für Holzleichtlehm, Schilfrohrmatten Abb. 132 Schilfrohrmatten werden mit einem ­zusätzlichen Draht befestigt Abb. 133 Gewerbebau, Holzleichtlehm in Schilfrohrmatten (Claytec®)

getackert wird (Abb. 133) [Breidenbach-Röhlen 1993]. Voraussetzung ist ein engerer Verlattungsabstand von ca. 30 cm. Besonders für die Leichtlehminnenschale bei der Fachwerksanierung hat sich dieses Verfahren bewährt (Abb. 200 ff.). Leichtbauplatten Eine zusätzliche Wärmedämmschicht kann einseitig – je nach erwünschter Wärmespeicherfähigkeit der Wand – außen oder innen angeordnet werden. Das Material sollte diffusionsoffen und möglichst auch kapillar feuchteleitfähig sein, um die Austrocknung nicht zu behindern. Gut geeignet sind z. B. 5 cm dicke SchilfrohrLeichtbauplatten, die bei relativ guter Wärmedämmung auch ein guter Putzträger sind (Abb. 135). Bei Mehrschicht-Leichtbauplatten ist Vorsicht angebracht, da sie kapillar nicht leitfähig sind. Die Stärke der Leichtlehmschicht sollte in jedem Fall – wegen der langsameren Trocknung – auf 15 bis 20 cm reduziert werden. Die Arbeitsseite wird z. B. mit einer einseitigen Kletterschalung nach Abb. 134 eingeschalt. Die Holzkon­ struktion ist dabei so auszubilden, dass die Ausfachung in der Wand gehalten wird. Holzschalungen Wegen Werfen des Holzes beim feuchten Einbau und der eingeschränkten Trocknung sind verlorene Holzschalungen für Wandflächen nicht zu empfehlen. 94 Bauen mit Leichtlehm

Dämmplatte als verlorene Schalung

Distanzrohr a) auf Ständer geschraubte Schalung

b) einseitige Kletterschalung ohne Gleitlehren

Abb. 134 Einseitige Kletterschalung

Abb. 135 Holzleichtlehm in ­Schilfrohrplatten Abb. 136 Lattung als verlorene

Schalung

Lattungen Dagegen behindern Lattungen die Trocknung kaum, sie werden auf der Arbeitsseite als »verlorene Kletterschalung« mit dem Arbeitsfortschritt befestigt, auf der Gegenseite vollflächig vor dem Einbau. Die Latten sollten nicht mehr als 50 % der Oberfläche bedecken. Auch hier kann sehr leichter Leichtlehm verfüllt werden.

Feuchter Einbau  95 

Fenster- und Türleibungen Fenster- und Türleibungen können mit Brettern eingeschalt werden oder mit verlorenen Schalungen aus verputzbaren Leichtbauplatten, wetterfest verleimtem Sperrholz o. Ä. (s. Kap. 650). Das waagrechte Leibungsbrett in der Brüstung kann man auch nach dem Stampfen einsetzen.

416

Das Verdichten des Leichtlehms

In die angenässte Schalung wird der Leichtlehm eingefüllt, gut verteilt und dann festgestopft. Strohleichtlehm lässt sich vom Boden aus mit der Gabel einwerfen. Es wird möglichst immer bis zum Schalungsrand eingefüllt, zunächst gleichmäßig – auch in die Ecken – verteilt (Fauth empfiehlt dazu kleine Gabeln, Abb. 35), und dann, beginnend an Ecken und Rändern, verdichtet. Nach zwei- bis dreimaligem Einfüllen und Verdichten kann die Schalung umgesetzt werden. Wird zu wenig eingefüllt und gleich verdichtet, ergeben sich horizontale Schichtungen, die für die weitere Wandlast weniger tragfähig sind, die Wand wird sich eher setzen. Holz- und mineralische Leichtlehme werden mit mehrzinkigen Gabeln, Schaufeln oder Eimern eingefüllt, sie sind im Prinzip auch pumpfähig oder von außen über einen Kran schüttbar. Als Stampfer eignen sich 30 bis 60 cm lange Brett- oder Lattenstücke (4/6 cm). Sie werden am Griffende etwas abgerundet und sind bald mit einer handgerechten Lehmhaut überzogen. Leichtlehm wird eingedrückt und gestopft, wobei es eher auf gleichmäßige Verteilung der Zuschläge als auf hohe Verdichtung ankommt. Zu fest und zu lange zu stampfen ist unnötig. Strohleichtlehm kann Schicht auf Schicht bis zur vollen Wandhöhe gestampft werden. Soll die Masse nur locker eingedrückt werden, z. B. für sehr leichte Mischungen, sollte man mit dem Umsetzen der Schalung einige Zeit warten – zumindest ab einer gewissen Höhe, damit sich die noch zusammendrückbare Wand nicht verformt. Oder man verwendet eine verlorene Schalung (s. o.). Verschiedene Arbeitsabschnitte verbinden sich gut, wenn man den angetrockneten Lehm gleichzeitig mit dem Annässen der Schalung befeuchtet oder mit Schlämme bespritzt. Zum Unterstopfen der waagrechten Teile der Holzkonstruktion – Pfetten, Riegel, Balken – oder auch für das letzte Stück unter geschlossenen Decken lässt man die Schalung auf der Arbeitsseite 15 bis 20 cm tiefer enden und setzt nur das äußere Schalbrett höher. Man stopft nun mit einem kurzen Stampfer zähklebrige Masse hinter ein Reibebrett, das mit der anderen Hand waagrecht weitergeschoben wird (Abb. 139). Das letzte Loch schließt man, indem man den Leichtlehm schraubenartig eindreht. Man kann die oberste Schicht auch freihändig von der Seite ausstopfen und anschließend ein Schalbrett aufnageln, das am nächsten Tag abgenommen wird. Wenn die Holzkonstruktion es zulässt, d. h. oben offen ist, kann man den obersten Stampfsatz auch vom nächsten Geschoss einfüllen und stampfen (Abb. 122) oder man stampft oder mauert die oberste Schicht nach Trocknung der Wände. Fehlstellen und evtl. Setzspalten stopft man am besten nach dem Trocknen in einem Arbeitsgang mit zähklebrigem Leichtlehm aus. 96 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 137 Einwerfen mit der Gabel

Abb. 138 Verteilen und Verdichten des Leichtlehms genügt

30 c

60 c

m

m

416-02

4

6 4

Abb. 139 Unterstopfen geschlossener Decken und

waagrechter Holzteile von der Seite

6

Abb. 140 Stampfer

Feuchter Einbau  97 

420 Wände im freien Auftrag

Wände aus Leichtlehm können ohne Schalung auch frei aufgetragen werden. Ähnlich wie bei historischen Strohlehmausfachungen trägt ein Stützgerüst aus Flechtwerk oder Lattungen die Ausfachung (s. Kap. 122). Je nach Auftragsmethode können solche Wände etwa 4 bis 25 cm dick ausgeführt werden. Voraussetzung sind faserige Zuschläge, z. B. Stroh, auch ungeschnitten, wie es aus dem Ballen kommt. Die Strohlehm- oder schwere Leichtlehmmischung (ca. 1000 g/m3) muss einen genü­genden Lehmanteil haben, damit sie sich in plastischer Konsistenz einbauen lässt. Das frisch aufbereitete Material sollte so lange ruhen, bis es sich gut verarbeiten lässt. Ein Vorteil des freien Auftrages ist die freie Anordnung der Ausfachung gegenüber sichtbarem Holz: Die Rohbaufläche kann zurückgesetzt sein, sei es auch nur um die Stärke eines balkenbündigen Feinputzes. Historische Strohlehme guter Qualität haben ein Trockengewicht von etwa 1100 bis 1400 kg/m3 und eine erstaunlich hohe Strohdichte von 45 bis 60 kg/m3 (vgl. Abb. 106). Manche uralte Gefache könnte man als Leichtlehmwände bezeichnen [Volhard 2010 a]. Noch leichtere traditionelle Strohlehmausfachungen in Belgien, bis 800 kg/m3, untersuchte [Vanros 1981]. Die Qualität ist immer abhängig von der Strohlehmzusammensetzung. Aus einem Handbuch für das Bauen auf dem Lande: »Das Wort ›Strohlehm‹ ist sehr alt und umschließt eine ›Herstellungsanweisung‹ von leider allgemein unterschätztem praktischen Wert und Bedeutung. Was heute an ›Strohlehm‹ verarbeitet wird, ist meistens nur ›etwas Stroh und Lehm‹. Fast ausschließlich wird dem Lehm zu wenig Stroh beigemischt ... Dieser Strohlehm muss sich mit der Mistgabel wie Stalldung transportieren lassen ... Stroh kann nie zu viel sein ...«. [Grebe 1943]. Das Stützgerüst für den Stroh- oder Leichtlehmauftrag kann verschieden ausge­ bildet sein: −− Flechtwerk aus Staken und eingeflochtenen Ruten, −− Stakung zwischen Pfosten oder Riegeln, −− Lattung oder Spalierlattung auf Pfosten durchgehend befestigt.

Abb. 141 Hohe Strohdichte in alten Gefachen

98 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 142 Historische Strohlehmbereitung mit der Gabel [Grebe 1943]

421 Flechtwerk Das Flechtwerk besteht traditionell aus festen Eichenholzstaken und ­eingeflochtenen Weiden- oder z. B. Haselnussruten. Die Staken sind dabei meist senkrecht, bzw. ­parallel zur kürzeren Seite des Gefachs, angeordnet. An den Enden angespitzt, wer­ ammer den sie unten in gestemmte Löcher gesteckt und oben in eine mit Beil und H geschlagene oder gefräste Dreikantnut stramm eingetrieben. Meist ergeben drei Staken zwei leicht auszuflechtende Felder (Abb. 144). Die Ebene des Flechtwerks sollte etwas außermittig angeordnet sein, um auf der Seite des dickeren Erstauftrages mehr Material einbauen zu können. Die Rückseite wird dann dünner aufgetragen und ist in historischem Fachwerk meist die (sichtbare) Bundseite mit bündigen Holzflächen, bei Außenwänden außen, bei Innenwänden meist zu untergeordneten Räumen. Die Ruten werden mit der Astschere geschnitten und frisch eingebaut. Zu dicke Zweige werden zwei- oder dreifach gespalten, damit man sie besser einflechten kann. Mit einem Weidenspalter, einem kleinen aus Pflaumenholz gefertigten Werkzeug, kann man Ruten auch selbst spalten (Abb. 271). Auch aus geraden Latten o. Ä. kann man Geflechte herstellen, evtl. auch vorfertigen. In Japan wird Bambus verschiedener Stärken an den Kreuzungspunkten mit Schnüren verbunden. Die Maschenweite des Stützgerüstes korrespondiert mit dem Strohlehmmaterial des Auftrags. Für kleine Maschen – in Daumenbreite (2,5 cm) – ist Strohlehm mit kurzen Fasern aus Stroh oder Heu (Häcksellehm) geeignet, für mittlere handstarke (5 cm) und große handbreite (10–15 cm) Zwischenräume entsprechend langfaseriger Strohlehm oder Leichtlehm mit Schnittlängen bis 30 cm. Hier ist auch ungeschnittenes weiches Ballenstroh verwendbar. Kurzfaseriger Häcksellehm wird mit der Kelle oder einem Brett erst von der einen Seite und erst nach Antrocknung von der anderen aufgetragen. Der Erstauftrag sollte zwischen den Ruten und über diese hinaus auf die andere Seite quellen. Langfaseriger Strohlehm wird mit der Hand verarbeitet. Folgendes Verfahren hat sich bewährt: Man zieht mit einer kleinen dreizinkigen Gartengabel eine geeignete Portion aus dem bereitstehenden Vorrat, nimmt sie mit beiden Händen auf und verdichtet sie etwas, indem man sie mit Schwung auf den Vorrat zurückwirft. Abb. 143 Flechtwerk Neu­­­ausfachung Elnhausen (Ausführung Lehmbau Breidenbach)

Feuchter Einbau  99 

2—5 a)

a) Enges Flechtwerk

b) Weites Flechtwerk

c) Schräge Auflagen

5—10

10—15

~45°

d) Wickel auf Geflecht

Abb. 144 Flechtwerk

Den vorgeformten flachen Fladen legt man dann auf die waagrechten Ruten in Reihen dicht aneinander. Nach Geschmack und Erfordernis wendet man eine der folgenden Wickeltechniken an. a) Für dicke Wände bis 25 cm legt man etwa 5 cm dicke Leichtlehmstücke schräg in etwa 45° neben- und aufeinander und schlägt die oberen Enden um die Ruten. 100 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 145 Bewurf auf engem

Geflecht Abb. 146 Wickeln auf Flechtwerk aus Latten

Abb. 147 Langfaseriger Strohlehm aus Ballenstroh, Aufnehmen mit dem Haken

Abb. 148 Flechtwerk historischer Auftrag mit Haken und Brett [Grebe 1943].

421-06 Abb. 149 Werkzeug für freien Auftrag: Haken und Handbrett

20—24

cm

14 c

12—

m

a) Handbrett nach [Reuter 1919]

12 cm

20

cm

c) Gartenhacke b) Holzbrett

Feuchter Einbau  101 

Auf die Rückseite wird dünn eine putzähnliche Faserlehm-Mischung aufgetragen, evtl. erst nach der Austrocknung der dicken Schicht. Eine ebene Oberfläche erzielt man unmittelbar anschließend mit dem traditionellen »Lehmschlag«. Mit einem kleinen Handbrett schlägt man den noch weichen Lehm ab, egalisiert dabei Höhen und Tiefen, bis die Fläche vollkommen eben und verputzbar ist und sich nicht von einer geschalten Wand unterscheidet. b) Für dünnere Wände legt man geeignete Portionen sattelartig nebeneinander auf und umschlingt die Ruten. Die unteren Enden drückt man auf die vorige Schicht beidseitig auf oder man zieht sie S-förmig nach innen oder außen und drückt sie fest. Mit einem dünnen Auftrag von beiden Seiten gleicht man ab und erzielt vollkommen ebene Oberflächen durch Schlagen und Verstreichen der Fläche.

422 Stakung Als Stakung bezeichnet man Lattungen, die zaunartig waagrecht oder senkrecht ­zwischen Balken in Nuten einge«steckt« sind. Lehmstakungen werden wie be­schrieben in der Wand mit Lehm belegt oder umwickelt. Wie bei Deckenstakungen (s. u.) empfiehlt sich bei Wänden, alle Holzarbeiten wie das Ablängen und Einpassen der Staken vor Beginn der Lehmarbeiten beendet zu haben. Die Staken dürfen etwas länger sein als der Balkenzwischenraum, um sie – leicht schräg – fest einklemmen zu können. Früher spaltete man Knüppel aus Eichenholz, heute kann man fertig gesägte Staken beziehen. Ihr Querschnitt soll bei größerem Balkenabstand kräftiger sein – z. B. ab 60 cm ca. > 40 × 60 mm, darunter reichen auch normale Lattenquerschnitte von ca. 25 × 50 mm aus. Bei engstehenden Pfosten, wie in der Normandie, sind auch dünnere Latten, Zweige, Ruten oder dünn gespaltenes Holz verwendbar. Die Enden werden je nach Form der Balkennuten bearbeitet. Für Dreikantnuten werden sie mit dem scharfen Beil angespitzt. Wenn die Lattenstärke der Breite gefräster Rechtecknuten entspricht, kann die besondere Bearbeitung der Enden entfallen. Für Holzschutz und bessere Verbindung können die Staken vor Einbau in Lehmschlämme getaucht werden. Abb. 150 Staken mit Strohlehm­ zungen (s. Abb. 151 b) historische Ausführung [Reuter 1922]

102 Bauen mit Leichtlehm

422-01

a) Stakung

c) Wickelstaken

b) Staken mit Strohlehmzungen

a)

b)

c)

Abb. 151 Stakung

423 Wickelstaken Für Wände mit Wickelstaken nimmt man die bereits in der Wand angepasste Aus­ stakung feldweise wieder heraus, umwickelt sie mit Leichtlehm und baut sie, nachdem sie eine Zeit geruht haben, noch weich von unten beginnend in der Reihenfolge der vorbereiteten Stakung wieder ein. Herstellung der Wickel s. Kap. 432. Feuchter Einbau  103 

4

424-01

6

a) enge Lattung

b) Lattung Nut angenagelte Leiste

10—30

Hilfsstütze

c) weite Lattung

e) einfache Lattung d) Zickzack-Lattung

f) doppelte Lattung s = 40cm U = 0,22 W/m²K Q Qs==290 290kJ/m²K kJ/m²K

Abb. 152 Lattung

424 Lattung Auch der Auftrag auf Verlattungen ist historisch weit verbreitet, z. B. in der Normandie. Gegenüber Flechtwerk ist das Prinzip noch einfacher: Es werden gesägte Latten (oder Rundholz/Ruten) durchgehend waagrecht auf den Stützen befestigt und mit Stroh- oder Leichtlehm belegt. Je nach Nutzung der Räume ist die Lattung ein- oder 104 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 153 Sattelförmiger Auftrag auf durchgehender

Lattung

Abb. 154 Vorbereitete Stakung in engem Fachwerk (Normandie)

Abb. 155 Lattung innen durch­ gehend (Normandie)

Abb. 156 Lattung außen durch­ gehend (s. Projekt 27)

Feuchter Einbau  105 

Abb. 157 Wickel auf außen d ­ urchgehender Lattung, Auftrag von innen gegen mit Abstands­klötzen angeschraubte Schaltafeln (Projekt 27) Abb. 158 Auftrag von innen gegen äußere Arbeits-

schalung Abb. 159 Gewickelte Leichtlehmwand auf Lattung

beidseitig, etwa in handbreitem Abstand angebracht. Als Faustregel entspricht der vertikale Lattenabstand in etwa der Wanddicke. Auf die Latten wird der Strohlehm wie beschrieben sattelartig aufgelegt. Der Lufthohlraum zwischen beidseitigen ­Aufträgen verbessert die Wärmedämmung. Für höhere Ansprüche kann der Hohlraum auch mit (kapillar leitfähigem) Dämmstoff verfüllt oder ausgeblasen und dafür nach Erfordernis dimensioniert werden.

425

Wandauftrag auf Spalierlattung

Ein Spalier aus dünnen Latten (ca. 12 × 24 mm) wird mit ca. 8 cm Abstand auf der Holzkonstruktion befestigt (12 Latten/m2). Der plastisch verarbeitbare, schwere Strohleichtlehm (ca. 1000 kg/m3) wird sattelartig in Reihen aufgelegt und S-förmig um die Latten gewickelt. Die Auftragsstärke kann für sehr dünne Trennwände auf 35 mm reduziert werden. Die Arbeitsseite wird geglättet, wobei man über senk106 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 160 Wandauftrag auf Spalierlattung, Wanddicke Abb. 161 Freier Leichtlehmauftrag mit dem Brett

4 cm 

geglättet 

recht provisorisch angeheftete 12 mm starke Putzlatten abzieht, um eine ebene fluchtrechte Fläche zu erhalten (Abb. 160). Wenn auch die Rückseite eben sein soll, kann sie abschnittsweise eine Arbeitsschalung erhalten, die mit Abstandsklötzchen befestigt wird. Die Oberfläche wird mit Lehmmörtel geglättet oder sie erhält einen dünnen Kalkputz. In diesem Fall wird sie, noch frisch, mit dem Besen aufgeraut oder nach Trocknung mit dem Nagelbrett aufgekratzt.

430 Decken

Die Felder von Balkendecken werden mit Leichtlehm wärme-, schall- und feuerschützend geschlossen. Von unten sichtbare Lehmfüllungen sind gleichzeitig gute Putzträger oder werden schon bei der Herstellung geglättet und später nur noch gestrichen. Die Untersicht kann auch eine den Lehm tragende gehobelte Schalung sein oder eine verlorene Schalung wird verputzt. In Deckenkonstruktionen mit Stakung oder Lattung wird Strohleichtlehm oder Strohlehm plastisch verarbeitet. Nur auf verlorenen Schalungen können Leichtlehm­ schüttungen mit anderen, körnigen Zuschlägen oder schwere Lehmfüllungen eingebaut werden. Decken sollten zur guten Schalldämmung und Wärmespeicherung immer möglichst schwer ausgebildet werden. Mit zähklebrigem, schwerem Leichtlehm lässt sich in den Decken gut arbeiten. Soll die Decke ausschließlich wärmedämmend sein, z. B. zum nicht ausgebauten Dachraum, reicht die Dämmung von 10 bis 15 cm Leichtlehm nicht aus. Man kann dann eine oberseitige Dämmschüttung zusammen mit dem Fußbodenaufbau vorsehen (s. Abb. 311). Feuchter Einbau  107 

431-01

a) Brettschalung

b) durchgehendes Spalier

c) Brett-Einschub auf Traglatten

d) Lattung auf Traglatten

e) Einschub in Nuten

f) Lattung in Nuten

g) Lattung aufgelegt

h) Stakung in Dreikantnuten

Abb. 162 Befestigung des Tragbodens an den Balken

108 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 163 Vorbereitete Stakung

431

Abb. 164 Holzkonstruktion einschließlich Deckeneinschub vorbereitet

Vorbereitung der Holzkonstruktion

Die Tragbalken werden nach Statik und Feuerschutz bemessen. Für manche Deckenarten genügt sägegestreiftes oder baumkantiges Holz. Die Leichtlehmfüllung wird durch einen Bretterboden oder durch Staken gehalten, die entweder auf den Balken oder zwischen ihnen liegen. Zur Befestigung werden seitlich an den Balken Traglatten aufgenagelt oder Nuten eingefräst. Besser sitzen die Staken, wenn sie in einen dreieckigen Falz geschoben werden. An den Enden sind sie mit dem Beil zugespitzt. Sie dürfen eine Spur zu lang sein, damit sie sich leicht schräg festklemmen – allerdings nicht zu lang, da sie dann die Balken auseinander treiben. Staken und Bretter gleicher Dicke kann man auch in eine gefräste Vierkantnut einschieben (Abb. 162 e + f). Gefaste oder profilierte, von unten sichtbare Bretter sollten einen Rieselschutz erhalten. Die Balken werden auf dem Richtplatz vorbereitet. Das Anpassen und Einlegen der Staken bzw. das Verschalen geschieht sinnvoll gleich nach dem Aufrichten der Zimmermannskonstruktion vor Beginn der Lehmarbeiten. Damit erübrigt sich eine provisorische Absicherung der Decken (Abb. 163 und 164). Zur besseren Verbindung mit dem Leichtlehm werden die Staken entweder vor dem Einlegen in Lehmschlämme getaucht oder nach dem Einlegen gestrichen oder gespritzt. Gleichzeitig wird damit das Holz konserviert. Die im Folgenden dargestellten Deckenarten sind nach der Arbeitstechnik gegliedert in: −− Wickeldecke −− Stampfdecke auf Gleitschalung −− Füllung auf verlorener Schalung −− Füllung auf Tragrost Die Fußbodenaufbauten bleiben hier zunächst unberücksichtigt (s. Kap. 660).

Feuchter Einbau  109 

Ganze Wickeldecke

8

cm

8

cm

432-01

Halbe Wickeldecke

Abb. 165 Wickeldecken

432-02 Abb. 166 Herstellung und Einbau der Lehmwickel

Deckenfeld ausgestakt

Einschieben Abgleich mit Strohoder Häcksellehm

Wickel aus Langstroh

Wickel Wickel aus mit Ballenstroh Leichtlehm aus Ballenstroh Wickeltisch

110 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 167 Kalkverputzte Lehm­ decke »Kölner Decke« (Lehmbau Breidenbach)

432 Wickeldecken Staken aus Rundholz (3 bis 5 cm Durchmesser), gespaltenem Hartholz oder kräftigen Latten (s. Kap. 422) werden mit Strohlehm umwickelt und zwischen die Deckenbalken geschoben. Diese traditionelle Ausführung kann man wegen des hohen Strohanteils der Wickelstaken zur Leichtlehmtechnik zählen: Raumgewicht und Wärmeleitzahl entsprechen den Werten für schweren Leichtlehm (DIN 4108 1969). In der Literatur werden zwar die Vorzüge dieser schönen Tradition gerühmt, aber Details zu ihrer Herstellung meist als bekannt vorausgesetzt oder mit dem Hinweis auf einfacher auszuführende Einschubdecken übergangen. Die ganze Wickeldecke füllt die gesamte Balkenhöhe aus und ist daher besonders schwer: Schall-, Wärme-, Feuerschutz und Putzträger in einem. Die Wickel werden etwa bündig mit der Unterkante Balken angeordnet, so dass der Raum bis zur Oberkante Balken mit Leicht-, Strohlehm, erdfeuchtem Lehm oder – nach Austrocknung – auch mit geglühtem Sand aufgefüllt werden kann. Die Balken können sichtbar bleiben, werden aber in der Regel mit Putzträgern versehen und mit den Deckenfeldern verputzt (Feuerschutz, glatte Untersicht). Die halbe Wickeldecke füllt nur einen Teil der Balkenhöhe aus und ist daher leichter. Die Wickel liegen bündig mit der Oberkante Balken, die dreiseitig sichtbar bleiben. Die Deckenfelder können gleichzeitig mit dem Einschieben der Wickel glattgestrichen werden. Herstellung der Wickel aus Langstroh Man nimmt so viel Langstroh, wie man mit einer Hand fassen kann, und taucht es in patschweiche Lehmschlämme, streicht das Bündel von der Mitte aus voll und zieht es mit drehender Bewegung aus dem Bottich. Dieses Strohlehmseil legt man nun diagonal auf einen Tisch und bestreicht es mit einer 2 cm dicken Lehmschicht. Das Stakholz, vorher in Lehmschlämme getaucht, wird parallel zur Tischkante aufgelegt und an einem Ende beginnend spiralförmig zu einer 10 bis 15 cm dicken Walze um­wickelt. Unregelmäßigkeiten kann man mit Strohlehm ausgleichen. Damit ist der Wickel fertig zum Einbau [Miller u. a. 1947]. Feuchter Einbau  111 

Abb. 168 und 169 Wickel mit Grobheu und Schlämme: Eine Portion Heu wird auf dem Tisch ausgebreitet und mit Schlämme überstrichen. Die richtige Menge definiert ein präparierter Gießbehälter. Der so bereitete Leichtlehm wird auf die gespaltene Stake aufgewickelt

Abb. 170 Wickel fertig zum Einbau

Abb. 171 Wickel eingebaut

Herstellung der Wickel mit Leichtlehm aus Ballenstroh Dieses etwas einfachere Verfahren erlaubt die Verwendung des kürzeren Strohs aus Pressballen. Der Leichtlehm wird wie üblich im Tauch- oder Spritzverfahren möglichst schwer hergestellt und nach längerem Mauken zu einem 2 bis 4 cm dicken Teig auf dem Tisch ausgebreitet, die Staken aufgelegt und umwickelt. Herstellung mit Grobheu und Schlämme In diesem sehr einfachen und sauberen Verfahren wird das aufgelockerte Heu auf dem Tisch ausgebreitet, mit dick­flüssiger Schlämme überstrichen und der Teig um das Stakholz gewickelt (Normandie) (s. Abb. 168 und 169). Einbau der Wickelstaken Die Decke ist in Abständen, die der Wickeldicke entsprechen, also 10 bis 15 cm, vorher ausgestakt (Abb. 163 und 171). Man arbeitet von unten auf einem Fußgerüst stehend, die Decke in Kopfhöhe. Zu Beginn schiebt man am Ende eines Decken­ feldes die Staken zusammen, so dass ein ca. 1 m tiefer Arbeitsraum entsteht. Damit 112 Bauen mit Leichtlehm

die eingepaßten Staken nicht verwechselt werden, werden sie einzeln abgenommen, gewickelt und wieder an ihren Platz geschoben. Während man einen Wickel einbaut, wird der nächste vorbereitet. Die Wickel werden satt aufeinander gedrückt. Unebenheiten streicht man von unten mit Strohlehm oder Häcksellehm aus und zieht die Oberfläche mit einer Streichlehre glatt ab. Wird die Decke später verputzt, lässt man sie zur besseren Putzhaftung möglichst rau. Sind fünf bis sechs Wickel eingeschoben, kann man die Oberseite gleich bis zur gewünschten Höhe mit Strohlehm auffüllen und über die Balkenoberkanten abziehen (s. Abb. 446).

433

Stampfdecke auf Gleitschalung

Der Lehm wird – ähnlich wie beim Stampfen der Wände – auf einer beweglichen Schalung mit den Staken von der Seite eingestampft. Die Schalung hinterlässt eine glatte und verputzbare Untersicht. Je nachdem, ob das Schalbrett unter oder zwischen den Balken geführt ist, wird das Deckenfeld ganz oder nur zum Teil ausgefüllt, die Balken verputzt oder sichtbar gelassen. Wenn die Staken auf Traglatten oder auf den Balken aufliegen, können Hölzer beliebiger Form verwendet werden – Rundhölzer, Latten, Säumlinge, aufgespaltene Bretter. Auf 1 m rechnet man etwa acht Staken. Ihr Abstand zur Schalung soll nicht größer als 5 cm sein, damit unter den Staken nicht zu viel Gewicht hängt. Die Schalung ist von oben glatt – gehobelt oder aus Schalungssperrholz. Wird sie zwischen den Balken geführt, ist sie etwas schmaler als der Balkenabstand, damit sie sich nicht festklemmt. Bei ungleichen Balkenabständen wird die Tafel mit Füllstücken angepasst. Soll die Deckenfüllung balkenbündig werden, sprießt man eine breitere Schaltafel von unten gegen die Balken. Sie wird am besten am Sprieß befestigt (Abb. 173). Zwischen den Balken kann die Schalung auch auf provisorischen Traglatten aufliegen. Zum Lösen und Weiterschieben liegt sie links und rechts auf langen Keilen (Abb. 174). Zum Stampfen kniet man auf einem Schalbrett, das über die Balken gelegt ist und die frischen Balkenfelder abdeckt. Der möglichst zähklebrige Leichtlehm – am besten aus 15 bis 20 cm langem, weichem Stroh – wird auf die gut angenässte Schalung geworfen und mit der eingelegten Stake zwischen Schalung und oberes Arbeitsbrett gestopft, besonders sorgfältig unterhalb der Staken (Abb. 173). Eine gute Aufhängung des Strohs wird erreicht, wenn man die Staken mit vorher flachgeschlagenem Leichtlehm umschlingt. Nach fünf bis sechs Füllungen wird die Schalung entspannt und an einem Griff mit einem Ruck weitergezogen. Die frische Decke darf nicht betreten werden, trocknet aber schnell nach oben und unten aus. In trockenem Zustand sind die Felder normal belastbar. Wenn genug Schalmaterial zur Verfügung steht, sollte man die ganze Decke mit Schaltafeln und Sprießen flächig – wie eine Betondecke – einschalen. Die Stampf­ arbeit ist zügiger, das etwas umständliche Umsetzen der Schalung von unten entfällt. Man lässt die Decke erst antrocknen, bevor sie ausgeschalt wird (Abb. 176). Feuchter Einbau  113 

433-01

Ganze Stampfdecke

Halbe Stampfdecke

Abb. 172 Stampfdecke auf Gleitschalung

433-02 Abb. 173 Stampfdecke, Einbau auf Schalbrett, von unten gegen die Decke gepresst

Sprieß

Variante: Umschlingen der Staken mit Leichtlehm

114 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 174 Stampfdecke, Einbau auf einem Schalbrett, Abb. 175 Stampfdecke, Untersicht (Projekt 1) das auf provisorisch an den Balken befestigten Traglatten weitergeschoben wird.

433-05 Abb. 176 Stampfdecke, Einbau auf flächiger Schalung

Feuchter Einbau  115 

434-01

a) Schalung auf den Balken

Spundbohlen

Bohlen mit Deckleisten

b) Schalung zwischen den Balken

Spundbretter

Stülpschalung

c) Fehlboden und untere Verkleidung

Schwarten

ungesäumte Bretter

Abb. 177 Füllung auf verlorener Schalung

434

Füllung auf verlorener Schalung

Eine beliebige Schalung wird auf die Balken genagelt, zwischen sie gelegt oder eingeschoben (Einschubdecke). Der Leichtlehm wird eingefüllt und verdichtet. Diese Decke ist sehr einfach herzustellen, verbraucht aber mehr Holz. Zum Füllen können hier alle Leichtlehme, auch Holz- oder mineralischer Leichtlehm eingesetzt werden. Wenn es auf besonders gute Schalldämmung oder Wärmespeicherung ankommt, kann man die Decke natürlich auch mit Stroh- oder Faserlehm, erdfeuchtem oder trockenem Lehm oder mit trockenen Lehmsteinen auffüllen bzw. belegen. Bei trockenen Auffüllungen sollte gegen Durchrieseln eine diffusionsoffene Baupappe eingelegt werden oder – auch für feuchte Auffüllungen geeignet – ein 2 cm dünner Stroh- oder Faserlehmverstrich, dessen Trocknung man abwartet. Eine Holzschalung kann von unten sichtbar bleiben oder wird als Fehlboden von einer unteren, eventuell feuerhemmend ausgebildeten Verkleidung verdeckt. Als Fehlboden sind dann auch Schwarten oder ungesäumte Bretter geeignet. Eine sichtbare Schalung aus Bohlen ist bei entsprechender Bemessung und Fugenausbildung ebenfalls feuerhemmend (s. Kap. 833). Außer Holz kommen auch andere Trägermaterialien in Frage, z. B. 5 cm dicke Schilfrohr- oder Holzwolleleichtbauplatten, die gleichzeitig Putzträger sind. 116 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 178 Leichtlehmfüllung auf verlorener Schalung. Untersicht und Aufsicht der gleichen Deckenkonstruktion (Projekt 2)

435

Füllungen auf Tragrost

Spalierdecke Der von oben aufgefüllte zähklebrige Leicht- oder Strohlehm wird durch die 3 bis 5 cm breiten Zwischenräume eines Tragrostes gedrückt, bis etwa 5 bis 10 cm lange Zungen herunterhängen, die mit einem schmalen Reibebrett von unten wieder an die Decke gedrückt und mit Spreu- oder Häcksellehm glatt verrieben werden. Für den Leichtlehm eignet sich feinfaseriges und weiches Stroh, z. B. Haferstroh oder Grobheu. Wird das Spalier durchgehend über die Balken genagelt, kann man, um teure Latten zu sparen, ganze oder halbe Rundholzstangen (3 bis 6 cm dick), Stamm- und Zopfende abwechselnd, oder stärkere Säumlinge verlegen (Leichtlehmstreckdecke, Lehmstangendecke). Latten zwischen den Balken müssen stramm in Nuten stecken, damit sie beim Durchdrücken nicht ausweichen. Spalierputzdecke Bei der Spalierputzdecke werden dünne Spalierlatten von 2 bis 2,5 cm Dicke in Abständen von etwa 2 cm unter die Decke genagelt ([Fauth 1946, 1948] S. 71). Der Leichtlehm kann in einer dünneren Schicht durchgedrückt werden, um eine glatte Deckenuntersicht zu erzeugen und mehr Deckenhohlraum z. B. für eine Dämmstoffschüttung zu schaffen. Bei geringen Balkenabständen kann man die Lattung auch auf der Deckenoberseite befestigen. Feuchter Einbau  117 

435-01

„Lehmstangendecke“ „Lehmstreckdecke“ Stangen auf den Balken genagelt

Staken zwischen den Balken geklemmt

5−10 cm

3−5 cm

Herstellung 3−6 cm

Raum für Deckenschüttung

Spalierputzdecke 2 cm Latten unter die Balken geschraubt 2 cm

Abb. 179 Füllungen auf Tragrost

Abb. 180 Spalierdecke, Untersicht mit Kammstrich

118 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 181 Unterdecke auf Spalierlattung

Verputzte Stakendecke Der Tragrost oder die Stakung wird von unten mit Schilfrohr betackert und bildet eine verlorene Schalung für beliebige Leichtlehmfüllungen. Nach Trocknung wird das Rohrgewebe von unten verputzt.

436 Unterdecke auf Spalierlattung Wie bei Wänden beschrieben (s. Kap. 425) wird plastisch verarbeitbarer Strohleichtlehm S-förmig um an die Deckenbalken geschraubte Spalierlatten gewickelt und von unten geglättet (Abb. 181).

440 Dachdämmung

Die Ausfachung der Dachschrägen mit Leichtlehm ist, verglichen mit den üblichen Dämmstoffen, durch das höhere Flächengewicht auch schalldämmend und bietet mit hoher Wärmespeicherung einen sehr guten sommerlichen Wärmeschutz. Die fugenlos eingebaute Schicht ist außerdem Putzträger. Die Wärmedämmung ist gut, allerdings sind nach heutigen Wärmeschutzvor­ schriften die erforderlichen U-Werte für dauernd beheizte Räume nicht ohne zusätzliche Dämmschichten zu erreichen. Die Leichtlehmschicht kann man 5 bis 20 cm dick wählen und, je nach Verfahren, hier auch mit sehr leichten Mischungen (300–400 kg/m3) ausführen, die zur Erhöhung der Porigkeit nur locker eingedrückt werden. Die Lehmbindung verhindert ein Absacken des wärmedämmenden Leicht­ zuschlags. Die Oberflächen sollten außen durch Lehmverstrich, innen durch Putz abgedichtet werden, damit der volle Querschnitt wärmedämmt und das Dach winddicht ist. Das höhere Gewicht ist bei der Bemessung der Sparren zu berücksichtigen. Die Dachdeckung ist beliebig, wenn sie unterlüftet ist. Eine zweite Entwässerungsebene gegen Leckwasser und Flugschnee ist auch hier ratsam. Ähnlich wie bei den Decken beschrieben wird der Leichtlehm in die Dachschrägen eingebaut: −− mit Leichtlehmwickeln −− auf Gleitschalung −− auf verlorener Schalung −− auf Spalier Ist das Dach bereits gedeckt, arbeitet man vom Dachraum aus – mit dem Vorteil der Witterungsunabhängigkeit. Vor allem bei flacheren Dachneigungen ist es bequemer, den Lehm von oben mit Kran oder Schrägaufzug aufzubringen und danach das Dach zu decken. Gegen Regen wird es bis zum Decken mit Planen geschützt. Leichtlehm trocknet im Dach schnell aus. Beidseitig verlorene Schalungen sind jedoch zu vermeiden.

Feuchter Einbau  119 

Zusätzliche Dämmschichten können in Plattenform als verlorene Schalung dienen oder nach Trocknung z. B. als Zellulosedämmung eingeblasen werden. Platten sollten diffusionsoffen und kapillar leitfähig sein. Geeignet sind z. B. Schilfrohr- oder Holzwolle­ leichtbauplatten. Zu U-Werten von Dachdämmungen mit Leichtlehm s. Abb. 311.

441 Leichtlehmwickel Mit Leichtlehmwickeln arbeitet man auch über Kopf bequem, da das Material in handlicher Form eingebracht wird. Eine Schalung erübrigt sich. Die Unterlüftung der Dachhaut (3 bis 5 cm) ergibt sich durch entsprechende Dimensionierung der Wickel. Da die Wickel mit relativ schwerem Leichtlehm hergestellt werden (800 bis 1200 kg/m3), kann man zur Erhöhung der Wärmedämmung auch dünnere Wickel von 10 cm Durchmesser bündig mit Sparrenunterkante einschieben und den verbleibenden Hohlraum wie bei der ganzen Wickeldecke im Arbeitsfortschritt mit leichter Mischung (300 bis 400 kg/m3) locker auffüllen oder nach Trocknung z. B. mit Zellulosedämmstoff ausblasen. Die Löcher zum Einblasen werden mit Strohlehm geschlossen.

442

Stampfen auf Gleitschalung

Wie bei der entsprechenden Deckenkonstruktion wird der Leichtlehm mit den Staken auf eine bewegliche Schalung gestopft, die eine glatte verputzbare Oberfläche hinterlässt. Die Schalbretter werden angeschraubt oder abgesprießt. Einfacher ist es, sie wie beim wandhohen Joch (s. Abb. 121 C) mit Kanthölzern gegen die Sparren zu klemmen. Ist das Dach bereits gedeckt, kann die erforderliche Luftschicht zur Dachhaut mit einer Dämmplatte als verlorene Schalung gebildet werden.

443

Füllung auf verlorener Schalung

Der Lehm wird auf die im Dach verbleibende Schalung aus Holz oder verputzbaren Schilfrohrplatten gebracht und verdichtet. Bei steileren Dachneigungen kann man sie von unten gegen die Sparren schrauben. Tragfähiger und bei flacheren Dächern notwendig ist ein Einschub oder eine Befestigung oben auf den Sparren. Arbeitet man vom Dachraum aus, wird die Schalung abschnittsweise befestigt oder eingeschoben. Aufgeschraubte Schalungen füllt man besser von oben – in einem Arbeitsgang.

444

Füllung auf Spalier

Der Lehm wird durch die 3 bis 5 cm breiten Zwischenräume eines tragenden Spaliers aus Latten, Rund- oder Halbholz (Durchmesser 3 bis 5 cm) gedrückt und von unten 120 Bauen mit Leichtlehm

441-01

Leichtlehmfüllung

DämmstoffFüllung

a)

b)

c)

Abb. 182 Leichtlehmwickel (Dachdämmung)

443-01 Abb. 183 Füllung auf verlorener Schalung (Dachdämmung)

1

3

2 1

2

a) Füllung von innen

b) Füllung von oben

Feuchter Einbau  121 

444-01

1

2

a) Füllung von unten gegen Dämmplatte

2 3

1

b) Füllung von oben auf durchgehendes Spalier, Einblasdämmung

Abb. 184 Füllung auf Spalier (Dachdämmung)

geglättet. Das Spalier wird wie die verlorene Schalung vor den Lehmarbeiten flächig angenagelt/geschraubt oder mit dem Arbeitsfortschritt abschnittsweise eingeschoben, je nachdem, ob von unten oder von oben gearbeitet wird. Ähnlich wie bei der entsprechenden Deckenkonstruktion (s. Kap. 435) kann ein engeres Spalier, gebildet aus dünneren Spalierlatten, von oben oder von unten mit schwerem Leichtlehm oder Strohlehm ausgedrückt und verstrichen werden. Die dünne Schicht (ca. 5 cm) lässt genügend Raum für die Wärmedämmung, die zwischen einer äußeren Dämmplatte (z. B. bituminierte Weichfaserplatte) auch als Einblasdämmung ausgeführt sein kann.

445

Dachbekleidung auf Spalierlattung

Wie bei Wänden beschrieben (425 Auftrag auf Spalierlattung) wird plastisch verarbeitbarer Strohleichtlehm S-förmig um unter den Sparren befestigte Spalierlatten gewickelt und von unten geglättet. Belüftungsschlitze sorgen für eine schnellere Austrockung des Hohlraums, der anschließend mit Zellulosedämmstoff ausgeblasen wird, nachdem die Schlitze geschlossen wurden (Abb. 187). Alternativ wird ähnlich der Innendämmung (s. Kap. 454) zuvor der Sparrenraum mit Naturfaser-Dämmstoff gedämmt und der Leichtlehm ca. 25 bis 30 mm dick in die Lattung eingedrückt und geglättet. 122 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 185 Dach-, Decken- und Wandbekleidung mit Strohleichtlehm auf Spalierlattung

Abb. 186 Leichtlehm auf Spalierlattung (Dachdämmung)

3

1

4 cm

25

 cm

2

1 Spalierlattung 24 × 12 mm 2 Strohleichtlehm im freien Auftrag 3 Einblasdämmung

Abb. 187 Innenschale 4 cm für ­Einblasdämmung, ­ palierlattung sattelartiger Auftrag auf S

Feuchter Einbau  123 

450 Leichtlehm bei der Altbauerneuerung

Vor allem bei der Sanierung und dem Umbau von Lehmfachwerkhäusern ist Leichtlehm – neben Stroh- und Faserlehm – das geeignete Material. Alte Ausfachungen sollten erhalten und bestandsähnlich repariert werden. Ist dies nicht möglich, können Wände, Decken und Dachschrägen wie bereits beschrieben erneuert werden.

451 Strohlehmausfachung Eine Strohlehmausfachung hat gegenüber Mauerwerk den Vorteil einer ­festeren Verbindung mit dem Fachwerk und eine größere Elastizität. Steine müssen zugehauen werden, Lehm passt sich an. Fachwerkholz im fugenlosen Kontakt mit der Aus­fachung und im Lehm eingebettetes Holz und Stroh erweisen sich als sehr dauerhaft (s. Kap. 614). Fachgerecht ausgeführte Gefache sitzen dicht am Holz. In die winzige Fuge ggf. eindringende Feuchtigkeit wird durch den Lehm sehr schnell und ­zuverlässig wieder abgeführt, aufgrund seiner sehr guten kapillaren Leitfähigkeit. Dagegen entsteht bei Mauerwerk aus künstlichen Steinen – vor allem bei ­Verwendung von hartem Mörtel – leicht ein Spalt, in dem das Wasser länger gefangen bleibt und nach unten in Zapflöcher laufen kann. Ein (nie dauerhaftes) Ausspritzen der Fugen verstärkt den Staudammeffekt einer stellenweise noch funk­ bdichtung. Gerade an alten, vernachlässigten Lehmfachwerkbauten tionierenden A kann das Holz in völlig unversehrtem Zustand erhalten sein, während es nach einer »fachgerechten« Sanierung schon innerhalb weniger Jahre vermodert. Die Überlegenheit der Lehmausfachung liegt in ihrer substanzerhaltenden, trockenhaltenden Wirkung. Intakte Strohlehmgefache können und sollten immer erhalten werden, nebenbei werden damit auch Kosten für Abriss, Abtransport, Deponie und Wiederausfachung gespart. Fehlstellen können mit Faser- oder Strohlehm einfach repariert werden. Gelockerte Oberflächen werden von losem Material befreit, gereinigt und nach gutem Annässen ergänzt, etwaige Randspalten mit Faserlehm verfüllt. Man kann auch versuchen, mürbes Material zu verfestigen, indem man es mit Wasserinjektionen aufweicht, um es dann an der Wand durch Löchern mit geeignetem spitzen Werkzeug neu durchzuarbeiten. Reparaturlehm sollte ähnlich zusammengesetzt sein wie der Untergrund. Sollen Außenflächen wieder einen dünnen einlagigen Kalkputz erhalten, wird nach Ausbessern der Fehlstellen in die gesamte gut angenässte Fläche gut faserhaltiger Lehm mit einem Brett eingearbeitet. Die möglichst eben abgestrichene Fläche wird noch nass mit geeignetem Werkzeug aufgeraut, z. B. nach alter Art mit einem Holzkamm (Abb. 193). Dabei kommt es nicht auf dekorative, aber für die Putzhaftung unwirksame Reliefbildung an, sondern nur darauf, die Fasern des Untergrundes

124 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 188 Sanierung und Umbau des Gotischen Hauses Römer 2–6 in Limburg Lahn von 1289. Außen- und Innenwände Strohlehm auf Flechtwerk, Decken Strohlehmfüllungen, Innenschale Strohleichtlehm, Kalkputze (Arch. Götting-Kramm-Neuhäuser, Ausführung Lehmbau Breidenbach 1990)

Feuchter Einbau  125 

Abb. 189 Neuausfachung mit S ­ trohlehm auf Flechtwerk

Abb. 190 und 191 Intakte Gefachteile werden erhalten und ergänzt, zum Beispiel in Hessen (s. Projekt 12) und

der Normandie Abb. 192 Auftrag der letzten Faserlehmschicht mit der Japankelle Abb. 193 Kammstrich

126 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 194 Kalkfeinputz balken­bündig (s. Projekt 11)

freizulegen und herauszureißen, damit sie sich mit der Kalkmörtelschicht verzahnen. In der Normandie ist das kreuzweise Abkratzen mit einer Stallgabel verbreitet (s. Kap. 642). Gelockerte Wandstakung kann, ohne Ausbau des Gefaches, an den oberen Enden z. B. mit Schrauben oder Eichenägeln gesichert werden, die in schräge Bohrungen genagelt werden. Deckenstakungen können u. U. durch zusätzliche Traglatten gesichert und erhalten werden. Nicht mehr brauchbare Gefache können an anderer Stelle recycelt werden, z.B für schwere Deckenfüllungen. Darauf zu achten ist, dass der Lehm nicht salzbelastet ist, z. B. von Stallwänden stammt, Rußschichten sind zu entfernen. Das ausgebaute Material wird dazu von Putzschichten und Holzteilen befreit, in Wasser eingesumpft oder öfters begossen, bis es vollgesogen und leicht wieder aufzubereiten ist, evtl. mit etwas frischem Stroh. Die Stakung ist meist noch gut erhalten und ebenfalls weiterzuverwenden. Für Neuausfachungen mit Strohlehm kann man sich an der vorgefundenen Methode orientieren. Angesichts erheblicher Qualiätsunterschiede und Varianten, oft im gleichen Gebäude, dürfte es aber auch erlaubt sein, eine andere Auftrags­ methode u. U. besserer Qualität als die vorgefundene zu realisieren. Strohlehmbewurf genügt auch als halber Auftrag nur von außen, um eine innere Dämmung möglichst dick ausführen zu können (s. Abb. 200 und 201 c). Zu Strohlehmzusammensetzung und Ausführung s. Kap. 420 Freier Auftrag. Feuchter Einbau  127 

452 Leichtlehmausfachung Ist eine bessere Wärmedämmung erwünscht, kann man neue Ausfachungen mit Leichtlehm in Kletterschalung ausführen, Außenwände, wie bereits beschrieben, mit einer Stärke von 25 bis 30 cm. Für den feuchten Einbau werden die inneren Gleitlehren zur Befestigung der Schalung mit entsprechendem Abstand innen am Fachwerk befestigt (s. Abb. 116 B, 201). Alle Holzteile werden vorher gesäubert und mit Lehmschlämme gestrichen, um eine gute Verbindung mit dem Leichtlehm herzustellen. Die Gefachaußenfläche kann man um Putzdicke durch Schalungseinlagen zurücksetzen (s. Kap. 621). Da das Einstampfen durch waagrechte Riegel erschwert ist, werden die Gefache meist mit Leichtlehmsteinen ausgemauert (s. Kap. 542) oder mit Strohlehm auf Flechtwerk ausgefacht (s. o.) – als äußere Schale für eine innere Wärmedämmung.

453

Dämmende Innenschale von Außenwänden

Wenn die alte Ausfachung noch gut erhalten ist, aber in ihrer Wärmedämmung verbessert werden soll – z. B. bei halbsteinstarker Mauerwerksausfachung oder Strohlehm –, kommt eine wärmedämmende Innenschale aus Leichtlehm in Frage. Dasselbe gilt für beliebiges Mauerwerk mit unzureichendem Wärmeschutz. Abb. 195 Neuausfachung mit Leichtlehm

Abb. 196 Gleitlehren geben die neue Wanddicke vor Abb. 197 Schalung

128 Bauen mit Leichtlehm

Ausführung Die Außenwand-Innenflächen werden von Anstrichen, Tapeten und losen ­Putzschichten befreit, abgebürstet und mit Lehmschlämme gestrichen. Intakte Putzschichten können, historisch wertvolle sollten erhalten bleiben und ebenfalls mit Lehmschlämme oder Lehmputz reversibel geschützt werden. Die Dicke der Innenschale wird durch eine mit Abstand von der Wand – zugfest – befestigte ­Kantholzoder Lattenkonstruktion vorgegeben, die die Schalung führt und den Lehm an der Wand hält. Zur besseren Verbindung stampft man ab und zu kurze Staken hinter die senkrechten Führungsleisten mit ein. Die Schalbretter werden nach dem Prinzip der einseitigen Kletterschalung (Abb. 134 und 201) an die Führungsleisten geschraubt oder geklemmt (Abb. 199). Mit einer Schalung ohne Führungsleisten erreicht man einen durchgehenden Putzuntergrund – Putzbewehrung der Führungsleisten entfällt. Innenschalen dürfen wegen der nur einseitigen, langsameren Trocknung nicht stärker als 15 cm sein. Dickere Schichten sollte man zur Vermeidung von Trocknungsproblemen mit trockenen Leichtlehmsteinen oder -platten ausführen (s. Kap. 543). Bauphysikalische Aspekte Eine Innenschale aus Leichtlehm wird die heute in Wärmeschutzvorschriften geforderten U-Werte kaum erreichen, verbessert aber die Wärmedämmung und bietet behagliche höhere Oberflächentemperaturen, bei ausreichender Wärmespeicherung. Unter bestimmten Bedingungen sind Altbauwände von den Vorschriften befreit Abb. 198 Vorbereitete Innen-

schale Abb. 199 Stampfen der Innenschale (Projekt 1)

Abb. 200 Holzleichtlehm-Innen­

schale, außen halber Strohlehmbewurf auf Flechtwerk, innen Schilfrohr als verlorene Schalung (Lehmbau Breidenbach)

Feuchter Einbau  129 

453-01

a) Vorhandene Strohlehmausfachung Innenschale mit Gleitlehre Schalung aufgeschraubt a) a) Vorhandene Strohlehmausfachung Innenschale mit Gleitlehre Schalung aufgeschraubt a) Distanzrohr

Distanzrohr

b) Vorhandene Strohlehmausfachung Innenschale ohne Gleitlehre Schalung über Distanzrohr geschraubt b) Vorhandene Strohlehmausfachung Innenschale ohne Gleitlehre Schalung über Distanzrohr geschraubt

30 c)  N euer Strohlehmauftrag c) Neuer Strohlehmauftrag nur nur von von außen aussen Innen Schilfrohrgewebe als Schilfrohrgewebe als 30 verlorene verlorene Schalung Schalung

b)

b)

c) Neuer Strohlehmauftrag nur von aussen Innen Schilfrohrgewebe als verlorene Schalung

Abb. 201 Innenschale bei der Fachwerkerneuerung Abb. 202 Holzleichtlehm-Innen-

schale in Schilfrohr­gewebe Abb. 203 Holzleichtlehm-Innen-

schale in Gleitschalung

130 Bauen mit Leichtlehm

25 cm

2,5 cm 1 2 3

1 Altbauaußenwand 2 Dämmplatten zwischen angeschraub­ ten Kanthölzern 3 Strohleichtlehm im freien Auftrag auf Spalierlattung 24 × 12 mm

Abb. 204 Auftrag mit der Hand, glätten mit dem Brett.

Abb. 205  Innendämmung, Bekleidung mit

­ enkrechte Putzlatten geben die Auftragsstärke vor. Schließen S der Schlitze mit dem gleichen Material

Strohleichtlehm im freien Auftrag

(s. Kap. 734), z. B. wenn durch die Wärmeschutzmaßnahmen die Bausubstanz gefährdet würde. Dies trifft in der Regel für Fachwerkbauten zu. Die Leichtlehminnenschale dürfte eine der wenigen problemlosen Möglichkeiten für eine Innendämmung sein, die sich mittlerweile bei zahllosen Fachwerkerneuerungen schadensfrei bewährt hat. Eine Durchfeuchtung durch diffusionsbedingten Tauwasserausfall im Wandinnern ist bei dieser »Innendämmung« nicht zu befürchten. Nach DIN 4108-3 2014 ist ein rechnerischer Nachweis nicht erforderlich, wenn die Wand aus normal kapillar feuchteleit­fähigen Baustoffen wie künstlichen Steinen, Ziegel – oder Lehm – besteht. Bei einer Außenschale aus kapillar wenig leitfähigen Baustoffen, z. B. Klinkern, ist Vorsicht geboten und es empfiehlt sich eine rechnerische Überprüfung. Eine innere Dampfsperre sollte vermieden werden, ebenso eine zwischen Lehminnen- und Außenwand angeordnete Luftschicht, die den Feuchtetransport und damit die ständige Trockenhaltung der Wand behindern würde (s. Kap. 825).

454

Innendämmung mit Auftrag auf Spalierlattung

Bei dieser Konstruktion werden zunächst Montagehölzer auf der Innenseite der Außenwand befestigt, zwischen denen kapillarleitfähiger Faserdämmstoff eingebaut wird. Auf die darauf befestigte Spalierlattung wird, wie bei Wänden und Dach beschrieben (s. Kap. 425 und 445), plastisch verarbeitbarer Strohleichtlehm ca. 25 bis 30 mm dick aufgeworfen oder aufgetragen und mit dem Brett geglättet, wobei mit senkrecht angehefteten provisorischen Putzlatten eine ebene fluchtrechte Fläche erzielt wird (Abb. 204 und 205).

460 Lehmspritzverfahren

Mit Verputzmaschinen können auch feinfaserige Lehm- und Leichtlehmmischungen aufbereitet, gefördert und auf Wandflächen im Spritzverfahren aufgetragen werden. Feuchter Einbau  131 

Abb. 206 Anspritzen von Häck-

sel-Lehm460-01 auf Lattung, Picardie (Lahure)

Abb. 207 Mischen von Strohhäcksel-Lehm im Zwangsmischer

(Ziegelei Allonne, Picardie)

a) Auftrag von innen gegen Schilfrohrplatten

b) Auftrag von innen gegen gedämmte Holzständerwand

a)

c) Sichtfachwerk Auftrag von außen gegen Innendämmplatten Abb. 208 Außenwände im Lehmspritzverfahren

Als Träger und Untergrund eignen sich enge Lattungen oder Spaliere (Abb. 206), geschlossene Wandflächen wie Mauerwerk (Altbau) oder Leichtbauplatten als verlorene Schalungen. Das Material kann in einem Arbeitsgang etwa 5 cm dick aufgetragen werden, muss dann für weitere Aufträge etwa eine Woche antrocknen. Bei einem besonderen Lehmspritzverfahren [Kortlepel/Kraus 1994] sind mit den Zuschlägen Sand, Sägespäne und feinem Strohhäcksel Raumgewichte von 800 bis 1800 kg/m3 erzielbar. 132 Bauen mit Leichtlehm

500 Trockener Einbau Eine große Zahl von Herstellern bietet mittlerweile vielfältige Fertigprodukte für die trockene Verarbeitung an: Lehm- und Leichtlehmsteine, Leichtlehm- und Trockenbauplatten, ergänzt durch Mauer- und Putzmörtelprodukte, die den Einsatz von Lehmbaustoffen erleichtern und den Bauablauf beschleunigen. Man kann Steine und Platten aber auch mit einfachsten Mitteln selbst herstellen. Dies ist gegenüber feucht eingebautem Leichtlehm zwar aufwendiger bei Herstellung und Trocknung, die Vorteile liegen aber auf der Hand: −− geringe Baufeuchtigkeit, ganzjährige Ausführung −− optimierte Herstellungsbedingungen −− einfache, saubere Verarbeitung durch Maurer ohne besondere Vorkenntnisse −− Schalung und Gleitlehren entfallen, größere Abstände der Holzkonstruktion sind möglich −− Qualitätskontrolle ist besser realisierbar Steinreste können wiederaufbereitet werden zu Füllmasse, bei feinen Zuschlägen auch zu Mörtel oder Putz. Auch wenn für die Außenwände der Leichtlehm feucht eingebaut wird, ist es von Vorteil, den Innenausbau mit Leichtlehmsteinen und -platten schnell und trocken auszufachen. Eine eigene Herstellung ist auch ortsunabhängig möglich und Selbsthilfe kann schon vor Baubeginn, z. B. im Vorjahr, sinnvoll eingesetzt werden, um die Bauzeit zu verkürzen.

510 Leichtlehmsteine

Leichtlehmsteine sind für Innenwände und Deckenauflagen geeignet, für Gefachausmauerungen sowie wärmedämmende Außenwände – je nach Rohdichte mit oder ohne zusätzliche Dämmschichten. Leichtlehmsteine sind wegen ihres geringeren Gewichts, ihrer ausgewogenen Wärmeeigenschaften und der Oberflächenwärme schweren Steinen überlegen. Dabei sind faserarmierte Steine äußerst bruchfest, wenig empfindlich gegen Wasser- und Frosteinwirkung und quellen kaum bei Feuchtigkeitsaufnahme. Meist können sie in die Anwendungsklasse I nach Lehmbau Regeln eingeordnet werden [Lehmbau Regeln 2009] (s. Abb. 321), d. h. sie sind (verputzt) für die Anwendung im bewitterten Außenbereich und besonders für Gefachausmauerungen bestens geeignet. Das geringe Gewicht des Leichtlehms erlaubt große Steinformate. Die Anwendung üblicher Mauersteinmaße, aus den ganzen Teilungen des Meters entwickelt, erleichtern Vermauerung, Berechnung und Planung. Die Mindestdruckfestigkeit von Leichtlehmsteinen beträgt im Mittel etwa 0,1 N/mm2. Die tatsächliche Belastung einer geschosshohen Wand aus Eigengewicht ist am Wandfuß drei- bis siebenmal geringer. Die Druckfestigkeit steigt mit dem Raumgewicht.

Trockener Einbau  133 

Abb. 209 Leichtlehmblock

Abb. 210 Leichtlehmblock

(finnischer Hersteller Timo Lehtonen, Kumila, s. Projekt 13)

511 Steinprodukte Angeboten werden handliche Steine mit feinen, gemischten Zuschlägen im NF, 2DF, 3DF und 4DF Format, in Rohdichten zwischen 400 und 1200 kg/m3. Die Preise sind bei noch kleinindustrieller Herstellung vergleichbar oder nur wenig teurer als übliche Mauersteine, sind dafür umweltfreundlich hergestellt und angenehm zu verarbeiten. Die Herstellungskosten dürften bei steigenden Energiepreisen im Vergleich sinken, da Lehmprodukte kalt, d. h. mit geringem Energieeinsatz, hergestellt werden können. Es ist anzunehmen, dass eine weitere Rationalisierung der noch jungen, neu entwickelten Herstellungsverfahren sowie zunehmendes Angebot und Konkurrenz zu einer breiteren Einführung von Lehmbaustoffen am Baumarkt führen werden. 134 Bauen mit Leichtlehm

4D F

24

17

2D F

11.5

Formate nach DIN 105: NF (Normalformat) L/B/H = 24 × 11,5 × 7,1 cm DF (Dünnformat) L/B/H = 24 × 11,5 × 5 cm 2DF (2 × Dünnformat) L/B/H = 24 × 11,5 × 11,5 cm 3DF L/B/H = 24 × 17,5 × 11,5 cm 4DF L/B/H = 24 × 24 × 11,5 cm

11

11

24

.5

24

.5

NF

7.1

.5

11.5

24

24

30

3D F

11.5 5D F

11.5

24

Abb. 211 Übliche Steinformate nach DIN 105

Abb. 212 Leichtlehmsteinprodukte

NF und 2DF (Claytec®)

Abb. 213 Hanf-Leichtlehmblock 12DF

(49 × 24 × 17,5 cm) 0,4 kg/dm3, Herstellung im Handstrich­verfahren (Ziegelei Benzin)

520 Leichtlehmplatten

Eine Vielzahl von Plattenprodukten ermöglichen trockene und flächige Ausfachungen und Bekleidungen. Lehmplatten, unbewehrt oder bewehrt, dürfen nach den Lehmbau Regeln in Decken nur selbsttragend eingesetzt werden, d. h. keine Verkehrslasten abtragen.

521 Plattenprodukte Lehm-Bauplatten Bauplatten ausreichender Stärke von etwa 6 bis 12 cm aus Leichtlehm oder Faserlehm können für Innenwände und Vorsatzschalen mit Mörtel vermauert oder in Trockener Einbau  135 

Abb. 214 Lehmbauplatte 0,7 kg/

Abb. 215 Lehmbauplatte aus

Abb. 216 Faserlehmplatte und

dm3, 1250 × 625 × 25mm (Claytec®)

Faserlehm 1,4 kg/dm3, 1000 ×  625 × 25/16mm (Conluto®)

Lehm-Wandheizungsplatten (WEM®)

geeigneten Konstruktionen trocken miteinander und der Holzkonstruktion verbunden werden. Für eine bessere Handlichkeit haben sie nicht zu große Abmessungen (z. B. 80 × 30cm). Lehm-Trockenbauplatten Dünne Lehmplatten einer Stärke von 16 bis 35 mm aus Leichtlehm oder Faserlehm ermöglichen schnellen und raumsparenden Trockenbau in Verbindung mit Dämmstoffen oder als verlorene Schalung für nur leicht angefeuchteten oder auch trocken eingebauten Holzleichtlehm. Die ebenen Oberflächen können einlagig sehr dünn und schnelltrocknend verputzt werden. Trockenbauplatten sind meist ca. 120 cm lang und ca. 30 bis 60 cm breit. Für Wandheizungsplatten werden Rohrregister im Lehm eingebettet (Abb. 214–216).

530 Herstellung von Steinen und Platten

Leichtlehmsteine und -platten werden in Formen hergestellt und trocken mit Lehmmörtel verarbeitet. Als Zuschläge für den Leichtlehm sind kurzfaseriges Stroh geeignet oder Holzhackschnitzel, Zumischungen von Sägespänen, körnigen Zuschlägen oder Mischungen untereinander. Die Schnittlänge von Stroh sollte der kürzesten Steinabmessung entsprechen. Bei leichten Steinen mit geringem Lehmanteil erhöhen Fasern die Festigkeit, vorteilhaft auch für Transport und Vermauerung. Das Mischungsverhältnis Lehm/Zuschläge richtet sich auch hier nach den gewünschten Eigenschaften und lässt sich entsprechend den Angaben des Kap. 334 ermitteln.

136 Bauen mit Leichtlehm

531-01

Handstampfer

3

0.5 h

50

Holzform

h

1.5 h

15

b

l

Formrahmen (nach Pollack/Richter) Pollack, Richter) Doppelform mit Blechzunge Stampftisch

Blechform

Form für bewehrte Platten

eingeschobene Auflagerhölzer für Stakeinlagen Stampfen auf dem Boden

Abb. 217 Manuelle Herstellung von Platten und Steinen 1

Trockener Einbau  137 

25

50

Hebelpresse für Steine und Platten

Entformen

a) Hochziehen der Form, Tragen auf Unterlagsbrett b) Hinunterdrücken der Form, Tragen auf Einlegeboden

Absetzen zum Trocknen

Abb. 218 Manuelle Herstellung von Platten und Steinen 2

138 Bauen mit Leichtlehm

90

120

24 · 74

24 · 49

24 · 24

24 · 36,5

531-02

200

Hebelarm je nach Stein- bzw. Plattenformat bei Pressdruck mit 0.2 kp/cm² Muskelkraft (2 N/cm²) P = 40 kp Muskelkraft P = 40 kp (400 N)

cm

531

Manuelle Herstellung

Leichtlehm kann für Platten und große Steinformate mit der Hand in entsprechenden Formen verdichtet werden. Die Form besteht aus einem oben und unten offenen stabilen Rahmen aus gehobelten Bohlen, Schalungssperrholz oder Blech, der bei Strohleichtlehm um die Hälfte höher ist als der Stein. Um dieses Maß wird der locker eingefüllte Leichtlehm verdichtet. Formhöhe = 1,5 × Steinhöhe. Leichtlehm schwindet kaum, so dass die Formen dieselben Innenmaße bekommen wie die Steine. Der Stampfer ist aus Hartholz und hat Anschläge, damit der Leichtlehm nur bis zur festgelegten Höhe verdichtet wird. Die Formen müssen beim Stampfen auf ebener, fester Fläche liegen. Beim Stampfen auf dem Boden hat der Stampfer einen längeren Stiel. Leichter lässt sich an einem Tisch arbeiten, von dem der Leichtlehm in die tiefer liegende Form geschoben wird. Mit den Händen oder einer kleinen Gabel wird er gut verteilt, in die Ecken gedrückt und anschließend mit einem kurzstieligen Stampfer verdichtet. Bei selbsttragenden, bewehrten Platten werden die Staken vorher in Lehmschlämme getränkt und mit in die Form gelegt. Damit sie auf einer Höhe liegen, werden an die Stelle der späteren Auflage links und rechts Hölzer in die Form geschoben [Pollack/Richter 1952]. Handpressen Leichtlehmsteine und -platten werden mit etwa 0,2 bis 0,4 kp/cm2 (0,02 bis 0,04 MPa) gepresst. Das ist ein sehr kleiner Kraftaufwand, verglichen mit 7 bis 10 kp/cm2, mit denen Massivlehm-Steine mit Hebelpressen erdfeucht gepresst werden, z. B. der Terstaram Press® (s. Abb. 27). Für den Leichtlehmbau müsste eine dem Material und den größeren Stein- und Plattenformaten entsprechende Presse entwickelt werden. Bei Pollack/Richter ([Pollack/Richter 1952] S. 50–57) sind Stein- und Plattenpressen dargestellt, die für kleine Bauvorhaben aber aufwendig erscheinen. Für Selbstbauer ist eine Hebelvorrichtung wie in Abb. 218 leicht herzustellen (s. Abb. 225 ff.). Durch Verlängerung des Hebelarms können auch Platten gepresst werden. Einen Presstisch für Leichtlehmsteine mit Entformung über Fußhebel zeigen Abb. 219 ff. Abb. 219 Herstellung von

Leich­tlehmsteinen am Presstisch (Rheinländer)

Abb. 220 Pressen

Abb. 221 Entformen mit Fußhebel

Trockener Einbau  139 

Abb. 222 Trocknen

Abb. 223 Mauern mit Leichtlehm­

mörtel Abb. 224 Zur Putzhaftung Auf­

rauen mit Nagelbrett

Abb. 225 Stampftisch mit Hebelpresse (s. Projekt 4)

140 Bauen mit Leichtlehm

Abb. Abb. Abb. Abb.

226 Einstopfen in Metallform 227 Pressen mit Metall-Formdeckel 228 Entformen 229 Tragen auf Unterlagsbrett

Abb. 230 Bearbeitung von

Platten und Steinen

Entformen und Trocknen Platten und große Steinformate werden entformt, indem der Formrahmen an seitlichen Griffen mit einem Ruck nach oben abgezogen wird. Damit dies leicht geht, sind die Innenseiten glatt und werden nass gehalten. Der Rahmen kann leicht konisch zulaufend unten etwas größer sein. Vor dem Stampfen wird ein Brett untergelegt, auf dem die Formlinge zum Trockenplatz getragen werden (Abb. 218). Bei kleineren Formaten wird der Formrahmen nach unten abgestreift. Er wird dazu mit einem Einlegeboden vom Stampf- oder Presstisch auf eine gleich hohe Fläche geschoben, die etwas kleiner ist als der Einlegeboden. Sobald die Steine ausreichend fest sind, werden sie hochkant gestellt, damit sie über die größere Oberfläche besser durchtrocknen können. Noch bevor sie ganz trocken sind, können sie platzsparend zu einem luftigen Stapel geschichtet werden. Regenschutz kann mit einer beschleunigten Trocknung durch Ausnutzung der Sonnenenergie kombiniert werden. Nach dem Luftkollektorprinzip baut man ein Lattengerüst oder Zelt, das mit transparenter Folie abgedeckt ist, jedoch die Luft hindurchstreichen lässt. Für Steinhersteller sind auch Gewächshäuser brauchbar. Bearbeitung von Platten und Steinen Steine und Platten aus leichten Mischungen mit einem Raumgewicht bis 900 kg/m3 lassen sich mit dem (Elektro-) Messer schneiden. Schwere Platten können mit einer Säge oder einem scharfen Beil bearbeitet werden. Schwere Leichtlehmsteine werden mit dem Maurerhammer geteilt oder auch gesägt. Trockener Einbau  141 

540 Wände

541 Leichtlehm-Mauerwerk Leichtlehmmauerwerk ist – wie gestampfte Wände auch – raumabschließende Ausfachung des Holzskeletts und darf nur durch Eigengewicht belastet werden. Bei mehrgeschossigen Bauten werden die Wandlasten über eine Fußbohle in Decken­ ebene abgetragen. Leichtlehmsteine werden werkgerecht im Verband vermauert – in Lehm- oder Kalkmörtel – und zwar so, dass die Wandlast in der Stampf- bzw. Pressrichtung bei der Herstellung wirkt. Mit den Wandpfosten wird die Ausfachung über beidseitige Dreikantleisten verbunden (Abb. 232 und 233). Bei sehr dünnen Wänden können ab und zu Bretter eingelegt werden, die sich über eine Kerbe vertikal beweglich mit den Dreikantleisten verbinden. Sie werden jeweils auf die Steinschicht aufgenagelt. Das Holzskelett kann bis auf tragende Stützen, Fenster- und Türanschläge und Mauer­enden reduziert werden. Tür- und Fensterzargen können vor dem Mauern als Lehren eingesetzt werden. Beim trockenen Einbau ist es möglich, gegen Holzschalungen, Bau- oder Dämmplatten zu mauern, während im Stampfverfahren dicke Wände, einseitig verschalt, zu langsam austrocknen würden. Gegen Außenverkleidungen darf allerdings nicht gemauert werden, sie sollen immer hinterlüftet sein. Als Mauermörtel sollte ein Mörtel ähnlicher Rohdichte wie das Mauerwerk verwendet werden. Bei der nichttragenden Anwendung ist keine besondere Druckfestigkeit nachzuweisen. Außenwände werden mit Leichtlehm-Mauermörtel aus kurzen Fasern, Strohhäcksel oder Sägespänen gemauert, Innenwände mit beliebigem Mörtel. Noch Abb. 231 Innenwandmauerwerk (Projekt 15)

142 Bauen mit Leichtlehm

541-01

Außen

a)

a) b) c) d) e)

Mauerwerk verputzt Mauerwerk, Kerndämmung Mauerwerk, Innendämmung Mauerwerk, Außendämmung Mauerwerk, Außendämmung verkleidet

b)

c)

d)

e)

f)

Innen Abb. 232 Außenwandmauerwerk

Trockener Einbau  143 

a) b) c) d) e)

Bohlenständerwand Kantholzständerwand Brettständerwand Dünne Kantholzständerwand aussteifende Bretteinlagen bei dünnen Wänden

24

a)

8

12

b)

Abb. 233 Innenwandmauerwerk

144 Bauen mit Leichtlehm

c)

d)

e)

unverputztes Mauerwerk sollte gegen Schlagregen geschützt werden, dabei ist auch Spritzwasser der Gerüstlagen zu beachten.

542 Fachwerkausmauerung Fachwerkausmauerungen werden ebenfalls mit mindestens beidseitig angenagelten Dreikantleisten oder gebeilten Balkennuten gehalten. Auch lange Nägel, seitlich alle drei Steine in Höhe der Lagerfugen in die Pfosten geschlagen, haben sich traditionell bewährt. Bei Sichtfachwerk wird die Mauerwerksfläche um Putzstärke zurückgesetzt. Zur besseren Haftung von zweilagigem Kalkputz werden die Fugen mit der Fugenkelle ausgekratzt. Dabei sind kleinformatige Steine mit hohem Fugenanteil von Vorteil, besonders bei glatter Oberfläche. Statt zweilagig mit Kalk zu putzen, empfiehlt sich auch ein elastischer Faserlehmunterputz, auf dem ein dünner 5 mmHaarkalkfeinputz gut haftet (s. Kap. 642).

543

Wärmedämmende Innenschalen

Eine zusätzliche wärmedämmende Innenschale kann ohne zusätzliche Holzkonstruktion vorgemauert werden. Die Last der Innenschale sollte allerdings in Deckenebene z. B. mit einer Bohle abgetragen werden. Meist werden leichte Steine im 2 DF Format (ca. 24 × 11,5 × 11,5 cm) mit einem Raumgewicht von ca. 700 kg/m3 in Leichtlehm­ mörtel vermauert. Das Mauerwerk sollte ab einer Schlankheit h/d > 15 mit Ankern mit der Außenwand gegen Knicken verbunden werden [Lehmbau Regeln 2009]. Zur Vermeidung von Setzungen sollte man pro Tag nicht mehr als zwei Meter Höhe mauern, Lehmmörtel bindet nicht ab, sondern trocknet langsam an der Luft. Abb. 234 Ausmauerung mit Leichtlehmsteinen, Stand der Technik bei der Fachwerkerneuerung

Trockener Einbau  145 

542-01

8

2−3

Dreikantleiste

2−3

a) Faserlehm- b) Kalkputz 2 cm, putz 2 cm, Kalkfeinputz Mörtelfugen ausgekratzt 5−8 mm

Aufbereitung des Steinverschnitts zu Mauermörtel Abb. 235 Fachwerkausmauerung

Hohlräume zur Außenschale und zur Außenwand/zum Fachwerk sind beim ­Mauern sorgfältig mit Leichtlehmmörtel zu verfüllen (Abb. 236). Die Innenschale kann auch um einige Zentimeter vor die Wand gestellt werden. Der Hohlraum kann mit dem Arbeitsfortschritt mit sehr leichtem und dämmendem Leichtlehm (400 kg/m3) verfüllt werden, z. B. aus vorgetrocknetem oder noch knapp erdfeuchtem Holzleichtlehm. oder er wird mit kapillar leitfähigem Dämmstoff verfüllt oder ausgeblasen.

146 Bauen mit Leichtlehm

2−3

543-01

6−10

a) Hohlraumfüllung mit Leichtlehmmörtel

c)   eschossweise ­­ c) ggeschoßweise Abtragungüber über Abtragung ­AAuflagerbohle uflagerbohle

b) Hohlraumfüllung z.B. mit Holzleichtlehm 400 kg/m³ oder Dämmstoff

Abb. 236 Gemauerte Innenschale

Abb. 237 Gemauerte Innenschale

(Conluto®)

Trockener Einbau  147 

544 Stapelwände Gestapelte Außenwände Im leichtgedämmten Holzbau verbessern Stapelwände aus Lehm- oder Leichtlehmsteinen Wärmespeicherung, Schallschutz und Raumakustik. Die Wände klingen nicht hohl. Mit den trocken versetzten Steinen oder Platten vermeidet diese Technik weitgehend Baufeuchte. Bei Vorsatzschalen auf Holzwerkstoffplatten klemmen die Steine zwischen waagrechten Kanthölzern, die alle drei bis vier Steinreihen auf die Holzplatten geschraubt werden. Sie dienen auch der Befestigung des Putzträgers z. B. aus Schilfrohrmatten (Abb. 239 und 240). Der Lehm-Maschinenputz greift durch das Rohrgewebe und verbindet sich homogen mit den Steinen. Oder die Schale erhält eine Verkleidung mit dünn verputzten Lehmplatten (Abb. 241). Die Elektroinstallation kann problemlos verlegt werden, die innere Winddichtung der Holzskelettwand übernimmt zuverlässig die innere durchgehende Putzschicht. In Abb. 238 sind vorgefertigte Holzrahmenelemente, außenseitig mit Sperrholz beplankt, mit Leichtlehmsteinen ausgestapelt. Sie sind hochkant jeweils auf eine dünne Mörtelschicht trocken nebeneinander gestellt. Gegen Herausfallen sind ab und zu gekerbte Bretter aufgelegt, die in Dreikantleisten der Pfosten gehalten sind. Ein über Fläche und Holz aufgespritzter gewebearmierter Lehmunterputz trägt einen dünnen Feinputz aus Haarkalkmörtel (vgl. Atelierhaus Projekt 9). Abb. 238 Gestapelte Innenschale

in Holzrahmenelementen, Lehm­ unterputz (s. Projekt 9)

148 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 239 Holz-Fertighaus mit

gestapelter Lehmsteininnenschale (Paproth)

Abb. 240 Trocken verlegte

Steine, Schilfrohr als Putzträger (Paproth)

Abb. 241 Gestapelte Innen­schale mit Lehmplatten­ bekleidung (Claytec®)

Abb. 242 Gestapelte Innenwand (Projekt 27)

Trockener Einbau  149 

545-01

Wandanschluß

Türanschluß

≥2 cm

8—12

bis

0m

1.0

24 Abb. 243 Zwischenwandplatten (n. Pollack/Richter)

Gestapelte Innenwände Auch Innenwandausfachungen können zwischen beidseitigen Beplankungen trocken gestapelt werden. Zur Versteifung werden Bretter eingelegt und mit den Stützen verbunden. Jede Art von Steinen ist hierfür geeignet, auch preisgünstige strang­ gepresste Steine der Anwendungsklasse III nach ([Lehmbau Regeln 2009] Abb. 321).

545 Zwischenwandplatten Örtlich hergestellte Zwischenwandplatten nach [Pollack/Richter 1952] werden flach gepresst, aber hochkant in Mörtel vermauert. Als Querbewehrung werden in unterschiedlicher Höhe Säumlinge o. Ä. in die Form gelegt (Abb. 243).

150 Bauen mit Leichtlehm

550 Decken und Dach

551

Selbsttragende Platten

Für bewehrte Platten kommt schwerer Strohleichtlehm in Frage. Die Platten werden in gleicher Weise wie die Stakdecken mit Holzstäben armiert (s. Kap. 431). Man rechnet pro lfm Breite etwa sechs Latten, Säumlinge, Rund- oder Halbholz mit je 8 cm2 Querschnitt. Die Platten werden so verlegt, dass die Bewehrungsstäbe auf Balkenoberkante oder seitlich an Balken oder Sparren befestigten Traglatten aufliegen. Sind die Balkenfelder unterschiedlich breit, fertigt man die Platten in verschiedenen oder in verstellbaren Formrahmen an. Sie lassen sich auch sägen. Verlegt wird in Lehmmörtel, größere Fugen werden mit Faserlehmmörtel oder Leichtlehm ausgestopft. Es ist ebenso möglich, die Platten durch die Bewehrungslatten an Sparren zu schrauben (Abb. 246 b). Empfohlene Plattenmaße [Pollack/Richter 1952]: −− Länge: 50 bis 80 cm −− Breite: 24 cm bei einer Dicke von 14 bis 18 cm 32 cm bei einer Dicke von 8 bis 14 cm Dass in der Herstellung von Leichtlehmfertigteilen auch gestalterische Möglichkeiten liegen, zeigen die gewölbten Elemente, die von A. Dilthey, Aachen, entwickelt wurden (Abb. 244).

Abb. 244 Gewölbte Deckenelemente (A. Dilthey)

Trockener Einbau  151 

14—18

551-01

8—14

24

0

—8

50

32

a) Platten auf den Balken aufliegend

b) Platten zwischen den Balken eingelegt Abb. 245 Decken mit selbsttragenden Platten Abb. 246 Dachdämmung mit selbstragenden Platten

1

3

1

2

2

4

a) Platten eingeschoben

152 Bauen mit Leichtlehm

b) Platten aufgeschraubt

552-01

Platte

Stein a) Auflage auf BrettEinschub

b) Auflage auf Schalung über den Balken

Abb. 247 Decken mit aufliegenden Platten/Steinen 552-02 Abb. 248 Dachdämmung mit aufliegenden Leichtlehmplatten / Steinen

1 3

2

a) Platten/Steine auf Schalung eingeschoben

3

2

1

b) Platten/Steine auf Schalung aufgelegt

Trockener Einbau  153 

Abb. 249 Decke mit aufliegenden

Steinen, Fugen mit Lehmmörtel ausgekehrt

552

Aufliegende Platten und Steine

Obwohl unbewehrte Leichtlehmplatten in trockenem Zustand sehr biegesteif und belastbar sind, da die Strohhalme als Armierung wirken, dürfen sie nur auf Einschub oder einer Schalung flächig aufliegend oder unbelastet auch auf Traglatten eingesetzt werden. Der Decken- und Dachaufbau ähnelt dem Stampfverfahren auf verlorener Schalung. Die Platten können in einer Größe hergestellt werden, da sie sich gut zuschneiden lassen. Kleinere und handliche Steine, je nach Funktion schwer oder leicht, sind gut für Auflagen geeignet. Sie werden auf Rieselschutzpappe verlegt. Die Fugen kann man mit feuchtem Lehm auskehren.

560 Trockenbau

Trockenbauplatten aus Faser- oder Leichtlehm werden wie beim Trockenbau üblich für Außen- und Innenwände, für wärmedämmende Innenschalen, beim Dachausbau oder als Deckenbekleidung verwendet. Sie werden nach Herstellerangaben verarbeitet. Die Fugen werden gewebearmiert mit Lehmmörtel verspachtelt und anschließend wird die gesamte Fläche mit einem ca. 5 bis 8 mm starken einlagigen und schnelltrocknenden Feinputz überzogen. Auch an den Ecken sind Fugen mit Gewebe zu überbrücken. Gegenüber üblichen Trockenbauplatten bieten Platten aus Leichtlehm, abgesehen von der umweltfreundlichen Herstellung, bauphysikalische Vorteile: Das weichere Material bietet ausgezeichnete Schalldämmung, die durch Füllung der Hohlräume mit Dämmstoff oder schweren Steinen (s. Kap. 544) zusätzlich verbessert wird (s. Kap 840). Dadurch klingen solche Bekleidungen nicht hell und hohl wie übliche Hartplatten, d. h. schwingen in angenehm tieferen Frequenzbereichen. 154 Bauen mit Leichtlehm

561-01

5

a) Außenwand verkleidet

3

1

b) Innenwand, getrennte Konstruktion

2

4

a) c) einfache Kantholzständer-Innenwand a) 1 2 3 4 5

d) Innendämmung

Lehmplatte 25 mm, 25mm, Fugenbewehrung Fugenbewehrung Dämmstoff 16 cm 16cm Weichfaserplatte Spachtelputz 3–5 mm 3—5mm Außenverkleidung hinterlüftet hinterlüftet

s = 26cm 26 cm U = 0,25 W/m²K Q Qs==93 93kJ/m²K kJ/m²K

Abb. 250 Lehmplattenkonstruktionen, a) und b) nach Breidenbach [Bundesverband GBW 1990]

561 Wände Innenwände Eine übliche Holzständerkonstruktion wird mit Trockenbauplatten bekleidet. Für sehr hohe Ansprüche an den Schallschutz kann die Holzkonstruktion getrennt werden in zwei unabhängige Wandschalen mit versetzt angeordneten Pfosten (Abb. 250 b). Wärmedämmende Vorsatzschalen Wärmedämmende Vorsatzschalen dienen der Innendämmung von Außenwänden oder Wänden zu unbeheizten Nebenräumen – im Altbau und Neubau. Die Trockenbauplatten werden auf eine Unterkonstruktion aus Holzlatten aufgeschraubt, die mit Abstand vor der Wand befestigt ist (Abb. 250 d). Lattenquerschnitt und Abstände hängen von der Plattendicke ab, meist etwa 40 bis 50 cm. Trockener Einbau  155 

Abb. 251 Zellulosegedämmte Lehmplattenwand (Claytec®)

Abb. 252 Innendämmung mit Lehmtrockenbau-

Abb. 253 Lehm-Wandheizplatten (WEM®)

platten. Der Hohlraum wird mit Dämmstoff oder Holzleichtlehm gefüllt. Führung der Heizleitungen im Wand­sockel (s. Projekte 11 und 12)

Herstellerangaben sind zu beachten. Bei der wärmedämmenden Innenbekleidung wird der Hohlraum mit Dämmstoff gefüllt oder ausgeblasen. Zur Trockenhaltung der Wand sind nur kapillaraktive Dämmstoffe geeignet, wie Zellulosefaser aus Altpapier oder Naturfaserdämmstoffe (s. Projekte 15 und 27). Auch leicht erdfeuchter oder völlig trockener schüttfähiger Holz- oder Hanfleichtlehm ist geeignet (s. Abb. 252). Die gesamte Bekleidung, Platte und Putz, kann die Luftdichtigkeitsebene darstellen. In diesem Fall wird an den Rändern die Gewebearmierung zur Vermeidung einer Abrissfuge an dem benachbarten Bauteil befestigt, möglichst mit Klemmleisten. Flächenheizung Temperierte Wand- oder Deckenflächen sind eine elegante Lösung der Beheizung, nach Bedarf auch Kühlung von Räumen. Die Wärmeübertragung über Strahlung ist 156 Bauen mit Leichtlehm

562-01

< 50 cm

a) Deckenbekleidung auf enger Balkenlage

b) Deckenbekleidung auf Lattung a < 50 cm

c) Deckenbekleidung auf Lattung a < 50 cm, mit Federbügeln elastisch abgehängt Federbügel

1

2 3

d) Dachbekleidung auf Lattung a < 50 cm

1 Weichfaserplatte 2 Dämmstoff 20 cm 3 Lehmplatte 25 mm s = 25 cm U = 0,20 W/m²K Q Qs==58 58kJ/m²K kJ/m²K

Abb. 254 Trockenbau in Decke und Dach

Trockener Einbau  157 

Abb. 255 Dachausbau mit Lehm-Trockenbau-

platten (Projekt 11)

physiologisch angenehmer als über Konvektion und erlaubt eine energiesparende Absenkung der Lufttemperatur. Vor allem bei der Innendämmung der Außenwände im Altbau können Lehm-Wandheizungsplatten mit der sowieso notwendigen Bekleidung der Dämmschicht kombiniert werden, die dafür etwas dicker ausgeführt wird. Gleichzeitig wird die Wärmedämmung der Wand durch größtmögliche Trockenhaltung optimiert. Ansonsten ist die Anordung der Heizflächen an Innenwänden energetisch günstiger. Die Strahlung erwärmt sehr bald auch die anderen nicht beheizten Bau­teile. Aus diesem Grund ist auch die Deckenstrahlungsheizung physiologisch besser als ihr Ruf – zumal bei heutigem Dämmstandard Heizflächentemperaturen niedrig gehalten werden können. Allerdings sind die Anschaffungskosten gegenüber einem konventionellen Heizsystem mit Heizkörpern höher.

562

Decken und Dach

Decken- und Dachbekleidungen mit Lehm-Trockenbauplatten werden wie bei üb­lichen Konstruktionen auf eine Lattenkonstruktion geschraubt. Deckenbekleidungen werden zur Verbesserung der Schalldämmung mit Federbügeln abgehängt.

158 Bauen mit Leichtlehm

600 Einzelheiten bei Roh- und Ausbau 610 Schutz der Konstruktion

611

Bodenfeuchtigkeit und Spritzwasser

Beim Holzbau müssen alle aufgehenden Bauteile zuverlässig vor Feuchte geschützt werden, ob mit Lehm ausgefacht oder nicht. Keller und Sockel sind bis über den Spritzwasserbereich zu mauern. Sperrschichten gegen aufsteigende Feuchtigkeit sind mindestens 30 cm über Außenniveau anzuordnen und immer zwischen feuchterem Mauerwerk/Bodenplatte und Holzskelett-Leichtlehmwand. Dies gilt auch bei Innenwänden. Putz, Schwelle oder Verkleidung sollen außen etwas überstehen, damit der Anschluss nicht durchfeuchtet. Wenn Sockelvorsprünge an Wetterseiten nicht zu vermeiden sind, sollen sie von unten an die Schwelle anschließen. Ist das Sockelmauerwerk trocken oder weiter unten sicher gegen aufsteigende Feuchte abgedichtet, kann die Schwelle – möglichst aus Eiche – auch mit Mörtel unterstopft werden, um zu vermeiden, dass Fassadenwasser zwischen Holz und Bitumenpappe eindringt (Abb. 256 c). Im Hochwasserbereich und gegen Erdreich (Hanglage) muss der Sockel erhöht oder das Erdgeschoss gemauert werden. Bodenbeläge von Feuchträumen müssen gegen die Holzskelett-/Lehmwand wie üblich abgedichtet werden (s. auch Abb. 298).

611-01

Abb. 256 Sockelbereich, Sperrschichten

Außendämmung

Auffüllung

a) Abdichtung der Bodenplatte

Außenverkleidung

Fachwerk

Keller

b) Abdichtung unter Außenwand

c) trockenes Sockelmauerwerk, Schwelle mit Mörtel unterfüttert

Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  159 

Abb. 257 Sockel und Bodenplatte

612 Wetterschutz Außenwandflächen müssen vor Durchfeuchtung und Nässe geschützt werden. Es genügt ein für die jeweilige Beanspruchung der Fassade geeigneter durchgehender Außenputz, evtl. in Verbindung mit einem geeigneten Wärmedämmverbundsystem. Sichtfachwerk ist bei zu sehr schlagregenbelasteten Fassaden nicht zu empfehlen bzw. bedeutet hohen Wartungs- und Kontrollaufwand, gerade der exponierten Giebelflächen, die aufwendig eingerüstet werden müssen. Holzschäden sind vorprogrammiert. Sie werden aber meist erst entdeckt, wenn es zu spät ist und müssen dann aufwendigst saniert werden. An Wetterseiten ist als Schlagregenschutz eine hinterlüftete Verkleidung aus Holz, Schindeln oder Schiefer vorzuziehen. In der Unterkonstruktion kann man auch gut eine Außendämmung vorsehen. Zur Orientierung, welcher Fassadenschutz sinnvoll und notwendig ist, ist es empfehlenswert, die regionale Bautradition und besonders die örtliche Situation und Exposition zu studieren, besonders auch unmittelbare Nachbargebäude und deren Erhaltungszustand. Zum traditionellen Repertoire des Wetterschutzes gehören zur Trockenhaltung der Wände außerdem Dachüberstände, überstehende Geschosse, Vordächer, umlaufende Balkone, aber auch die Fassadenbegrünung.

613 Luftdichtigkeit In der Fläche sind Leichtlehmbauteile einer Dichte von etwa 900 kg/m3 ­winddicht, leichtere Mischungen werden mindestens einseitig verputzt oder mit Lehm ­verstrichen (unter Verkleidungen, s. o.). Durchgehende Fugen zwischen Ausfachung und Holzkonstruktion, wenn konstruktiv nicht vermeidbar, sollten mit Faserdämmstoff oder Faserlehm so gut wie möglich ausgestopft werden. Ausfachungen samt möglicher Fugen sind luft- und winddicht, wenn sie einseitig flächig überputzt sind. Beidseitig sichtbare Fachwerkkonstruktion ist deshalb für beheizte Räume nicht geeignet. Unter Außenverkleidungen kann der Putz entfallen. Offenporige Oberflächen sollten aber überdeckt werden, damit die Wand in voller Stärke wärmedämmt. 160 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 258 Durchgehender Außenputz (Projekt 15)

Abb. 259 Wärmedämmverbundsystem (Projekt 9)

Abb. 260 Verschindelung

Abb. 261 Holzverkleidung und Putz (Projekt 11)

Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  161 

Abb. 262 Lehmverstrich als Wind- 263 Aufspritzen des Lehm­verstrichs (Projekt 2)

dichtung unter Außenverkleidung

Dampfdurchlässige Windpapiere – mit Stoßüberlappung – anzutackern ist möglich, ein einfacher Lehmverstrich, über Holzfugen evtl. jutearmiert, erfüllt den Zweck besser. Beidseitig sichtbare Holzkonstruktionen sollten in einem Doppelstützensystem fugenlos ausgefacht werden. Eventuelle Verbindungslatten sind dabei möglichst bündig zwischen den Ständern anzuordnen (s. Kap. 411 Außenwände). Die oberen Wandanschlüsse an Decken und Dachflächen sind so zu planen, dass Undichtigkeiten vermieden werden. Durchbindende, also die Außenbauteile durchstoßende sichtbare Holzbauteile, z. B. außen auskragende Deckenbalken, sind – wie bei jeder anderen Ausfachungsart – wegen möglicher Undichtigkeiten zu vermeiden. Sichtbare Deckenbalken oder Decken- und Dachschalungen sollten an Außenwände anstoßen oder in sie einbinden, sie aber nicht durchdringen. Leichtlehm setzt sich nach der Trocknung zwar nicht mehr und Putz schließt dicht an, allein durch die Bewegung des Holzes können aber – wenn auch sehr kleine – Fugen entstehen. Deshalb sollte die Wandausfachung sich möglichst fugenlos mit der Deckenausfachung verbinden und über die oberste Decke reichen. Die Beachtung der Regel, für den Verputz die Trocknung der Ausfachung und des Holzes abzuwarten, ist auch aus Gründen der Luftdichtigkeit ratsam. Im Holzbau Außenwände innen (mit Lehm) zu überputzen war schon immer im Fachwerkbau eine gut und dauerhaft funktionierende Luftdichtung, jedenfalls den im heutigen Holzbau verwendeten Dichtfolien überlegen, deren Funktionieren von Kunststoff-Selbstklebebändern zweifelhafter Dauerhaftigkeit und akribisch ausgeführten Anschlussdetails abhängt, die zwar auf dem Papier, nicht aber in der Praxis funktionieren, schon gar nicht im Altbau.

614

Holzschutz und Oberflächenbehandlung

In trockenem Lehm eingeschlossenes Holz und Stroh hält sich jahrhundertelang unverändert. Dies attestiert sogar die erste Lehmbaunorm von 1951 [DIN 18951 1951]. Die konservierende Wirkung besteht darin, dass Lehm vom Holz aufgenommene 162 Bauen mit Leichtlehm

Feuchtigkeit sehr schnell kapillar entzieht und an die Luft abgibt. Lehm ist sehr feuchteaufnahme- und abgabefähig, erreicht schnell seine äußerst geringe Gleichgewichtsfeuchte (s. Kap. 822) und ist deshalb eine ideale Umgebung für Holz. Die vorübergehende Baufeuchte schadet dem Holz nicht, wenn sie normal und unbehindert abtrocknen kann (s. Kap. 826). Zur besseren Verbindung des Leichtlehms mit dem Holz, und dies besonders bei leichten Mischungen mit geringem Lehmanteil, sollen die Holzteile vorher mit Lehmschlämme gestrichen oder gespritzt werden. Dabei werden auch Risse und Spalten ausgefüllt und eine Eiablage von Holzschädlingen verhindert. Dieser Anstrich wirkt zusätzlich als Flamm- bzw. Verkohlungsschutz. Chemischer Holzschutz – wenn überhaupt – kann den Holzschutz durch baulich konstruktive Maßnahmen nur ergänzen, niemals ersetzen. Durch den konstruktiven Holzschutz (gute Trocknungsbedingungen) hat das Bauholz nur selten eine höhere Feuchte als 15 % und kann im Allgemeinen weder von tierischen noch von pflanzlichen Schädlingen befallen werden, da diese sich erst bei einer dauernden Holzfeuchte von mehr als 18 bis 20 % entwickeln können. Im Außenbereich hat sich für sichtbare Holzteile der traditionelle Anstrich mit verdünntem Leinölfirnis oder Standöl unter Zusatz von Erdfarben gegen eindringende Feuchte bewährt. Die Lichtschutzpigmente der Erdfarben verhindern Vergrauen und Verwittern durch UV-Strahlung. Der Anstrich wird dünnflüssig und möglichst warm aufgetragen, so dass er in die Holzporen eindringt und keinen speckigen Film bildet. Geeignete Holzarten wie Eiche und Lärche können auch unbehandelt bleiben. Die Farbigkeit traditioneller und guter moderner Holzarchitektur bestätigt den Ratschlag von Adolf Loos: »Holz darf mit jeder Farbe angestrichen werden, nur mit einer nicht – der Holzfarbe« (Das Prinzip der Bekleidung 1898). Von wasserverdünnbaren Acrylfarben, auch wenn sie als umweltfreundlich gelten, ist bei wasserbeanspruchten Flächen abzuraten. Die Holzporen unter dem Anstrichfilm saugen Wasser über Haarrisse auf, die schon nach wenigen Jahren entstehen können. Das Holz verfault unter äußerlich intakter, aber wasserdichter Oberfläche schnell, da einmal eingedrungenes Wasser weder kapillar abtrocknen noch verdunsten kann, obwohl solche Anstriche als »diffusionsoffen« deklariert werden. Lehmspritzer auf sichtbar bleibendem Holz sollten gleich nach dem Einbau des Leichtlehms abgewaschen werden, da sie wegen des natürlichen Kalkgehaltes im Lehm helle Flecken hinterlassen.

620 Putz und Anstrich

Die meist offenporige Oberfläche von Leichtlehm ist ein guter Putzgrund für jede Art von Putz. Außenputz hat, abgesehen von Gestaltungsabsichten, die Aufgabe, die Wand vor eindringender Nässe zu schützen. Daher soll er dicht, aber gleichzeitig elastisch und dampfdurchlässig sein, um nach Durchfeuchtung schnell zu trocknen. Starrer und spröder Putz ist ungeeignet, da er zu Haarrissbildung neigt. Für Lehmuntergründe sind Kalkputze einer möglichst weichen Kategorie, besonders als Haarkalkmörtel Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  163 

Abb. 264 Japanischer Lehm­

feinputz mit Sand und Heu (Akira Kusumi)

Abb. 265 Japanischer Kalkober-

putz mit Hanffasern (Akira Kusumi)

Abb. 266 Faserlehmputz

(ohne Sand)

vorteilhaft, aber auch Lehmputze, die hier näher behandelt werden sollen. Schlagregenseiten können zwar wasserdicht verputzt werden, mit einer trockenhaltenden Verkleidung sind sie jedoch besser geschützt. Sichtfachwerk sollte an Schlagregenseiten ebenfalls möglichst vermieden werden. Für Gefachputz empfiehlt sich generell ein eher saugfähiger und Feuchte schnell wieder abgebender Putz, damit möglichst wenig Wasser an der Fassade abläuft und in die Gefachfugen eindringt. Der Innenputz soll eine glatte Oberfläche ergeben, die sichtbar bleibt, gestrichen oder tapeziert werden kann. Alle Innenputzarten sind auf Leichtlehm tauglich, in Räumen dauernder hoher Luftfeuchtigkeit jedoch Gips- und Lehmputze ausgenommen. Lehmputz hat meist eine ausreichende Festigkeit, ist leicht zu verarbeiten, aber 164 Bauen mit Leichtlehm

nässeempfindlich. Bei überwiegend glatten Oberflächen aus dichtem Leichtlehm oder in untergeordneten Nebenräumen reicht es aus, mit Lehmmörtel zu glätten und mit Kalkmörtelschlämme abzureiben und zu tünchen (s. u.). Die Wände sollen durchgetrocknet sein, wenn geputzt wird, damit sich bei evtl. nachträglichen Setzungen die Putzschicht nicht ablöst oder Risse bekommt. Außerdem würde die Putzschicht die Austrocknung der Wand verzögern. Um festzustellen, ob die Wand trocken ist, entnimmt man eine Probe aus dem Wandkern. Bei außen sichtbar bleibender Holzkonstruktion und Sichtfachwerk ist, damit die Fugen zwischen Putz und Holz gering bleiben, auf Folgendes zu achten: −− Nur trockenes Bauholz verwenden und während der gesamten Bauzeit möglichst durch geeignete Schutzmaßnahmen trockenhalten! Schwindung und sonstige Verformungen des Holzes – auch bei Verwendung von Altholz – sind die Hauptursache späterer Fugen und Randspalten. Man wird belohnt mit weitgehend fugenfreien Fassaden, wenn man zumindest für den Feinputz eine Heizperiode abwartet. −− Sehr große Felder möglichst nicht mit sandhaltigem und hartem Putz verputzen, da sich bei Erwärmung durch Sonneneinstrahlung ein solcher Putz dehnt, besonders auf wärmedämmenden Stoffen wie Leichtlehm, die die Wärme langsamer ableiten. −− Faserlehmputze (ohne Sand) dehnen sich weniger aus, sind elastisch und sitzen dichter am Holz. Die bewährte traditionelle Technik ist ein Faserlehmunterputz mit einem dünnen Haarkalkmörtelüberzug (s. u.). Damit können auch größere Felder zwischen Hauptstützen verputzt werden, Füllskelett und evtl. Gleitlehren sind überputzt. −− Eine helle Farbgebung, auch Beschattung durch Bäume oder Fassadenbegrünung vermeiden eine übermäßige Erwärmung der Oberflächen. Die verbleibenden Haarrisse und Fugen zwischen Putz und Holz sind nicht ganz zu vermeiden, da auch das Holz arbeitet. Sie sind erfahrungsgemäß aber kein Problem, wenn eingedrungene Feuchtigkeit schnell wieder abtrocknen kann. Dazu sollte man diffusionsoffene Anstriche einsetzen und die Fugen keinesfalls »dauerelastisch« abdichten.

621 Vorbereitungen Der Putz ist umso dauerhafter, je mehr Haftstellen der Untergrund bietet. Dies ist bei Leichtlehm kein Problem. Dichte glatte Oberflächen raut man mit einer Bauklammer oder einem Nagelbrett auf. Herausstehende Strohhalme verzahnen sich mit der Putzschicht. Fugen von Lehmsteinmauerwerk sollten zurückgesetzt gemauert sein oder werden nachträglich mit der Fugenkelle ausgekratzt. Überputzte Holzteile (Abb. 267): Holzoberflächen, die überputzt werden sollen, werden mit den üblichen Putzträgern, z. B. Schilfrohrgewebe, überspannt. Nach allgemeiner Regel sollte der Putzträger bis auf die Ausfachung reichen und nicht auf dem Holz, sondern in der Ausfachung befestigt werden. Diese aufwendige Ausführung erübrigt sich bei gut faserarmierten Putzen. Bei unterschiedlichen Untergründen oder Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  165 

621-01

a) Faserlehmunterputz mit Weidenrute befestigt

b) Putzträger über dem Holz, z.B. Schilfrohr

c) Sichtbares Holz, Ausfachung um Putzdicke zurückgeschnitten

e)

d) Ausfachung um Putzdicke zurückgesetzt

e) Eckschutzwinkel aus Holz

Abb. 267 Putz an Holzteilen, Eckenschutz

zur Vereinfachung und größeren Sicherheit wird häufig auch flächig mit Schilfrohr bewehrt, was sich auch für Fassaden empfiehlt, die flächig überputzt werden sollen. Bei schmalen Gleitlehren, die in dem dahinter durchgehenden Leichtlehm eingebettet sind, genügt es, in den Unterputz oder Spritzbewurf einen Gewebestreifen (Jute, Glasfaser) einzudrücken. Auch dies ist bei Faserlehm-, Häcksel- und Haarkalkmörtel, deren Fasern die Putzschicht ausreichend bewehren, nicht nötig. In der traditionellen Technik wird ein Faser- oder Strohlehm-Unterputz ohne Putzträger über die Balken gezogen und mit einer gespaltenen Weidenrute (o. Ä.) angenagelt. In den Putz eingedrückt, wird sie mit demselben Material überstrichen und erhält nach Trocknung den Feinputz aus Kalk (Abb. 267 a). Gespaltene Weidenruten kann man beziehen oder auch selbst spalten. Die frisch geschnittenen Ruten werden vom dünnen Ende beginnend in drei oder vier dünne Ruten geteilt mit einem traditionell aus Pflaumenholz hergestellten Werkzeug, dem sog. Weidenspalter, auch Drei- oder Vierspalter (Abb. 271). Sichtbare Holzteile: Holzbündige Ausfachungen werden noch feucht mit einem scharfen (Elektro-) Messer oder Beil am Balken schräg ausgeschnitten, damit die 166 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 268 Flächige Schilfrohr­bewehrung für Außen-

Abb. 269 Spritzbewurf auf Schilfrohr für zweilagigen

putz (Projekt 15)

Kalkaußenputz (Projekt 15)

621-05 Abb. 270 Historische Befestigung des

Abb. 271 Weidenspalter zum Spalten von dicken

­ trohlehmputzes mit gespaltenen Weidenruten, S ­Gotisches Haus in Limburg

Ruten in 2 bis 4 Teile Ø

1

2

cm

2

3

8

cm

4

Abb. 272 Leichtlehmunterputz auf Holzbalken, Befestigung mit dünnen Latten

Abb. 273 Die zweite Lage, mit dem Brett geglättet, überdeckt die Latten

Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  167 

Abb. 274 Um Putzstärke zurückgesetzte Schalung, Neubau (Lehmbau Breidenbach) Abb. 275 Um Putzstärke zurückgesetzte Schalung

Putzschicht dort nicht zu dünn wird. Für eine mit dem Balken bündige Putzfläche wird die Ausfachung um Putzstärke zurückgesetzt (Abb. 274 und 275). Bei Mauerwerk ohne weiteres möglich, beim feuchten Einbau in Schalung durch entsprechende Schalungseinlagen oder Führung der Schalung zwischen den Holzstützen. Bei nur dünn aufgestrichenem Faserlehmputz erübrigen sich diese Maßnahmen. Eckenschutz: Besonders beanspruchte Durchgänge oder Türleibungen können später bis in Schulter- oder Türhöhe einfache Eckschutzwinkel aus Holz erhalten, wenn die Holzkonstruktion nicht sowieso sichtbar bleibt. Geputzte Ecken können abgerundet werden.

630 Kalkputz zweilagig (außen und innen)

Die Kalkmörtelverarbeitung darf als bekannt vorausgesetzt werden. Der historische Kalkmörtel mit Zusatz von Tierhaaren, Heu oder Spreu (Haarkalkmörtel, Heukalkmörtel) ist sehr zu empfehlen, da er bei Bewegungen der Holzkonstruktion weniger 168 Bauen mit Leichtlehm

risseempfindlich ist. Haarkalkmörtel sind als Fertigmörtel zu beziehen, es empfiehlt sich, für eine bessere Qualität zusätzlich Haare zuzumischen. An der Wetterseite kann durch hydraulische Mörtel die Wasserdichtigkeit erhöht werden, bei Erhaltung der Diffusionsfähigkeit des Kalkmörtels. Zu harte Putze sind zu vermeiden. Sie stehen als starre, hohlklingende Schale auf dem weichen Untergrund und bilden bald Spannungsrisse, in die Wasser eindringt, wodurch – unterstützt durch Frost – die Schale sich schließlich ablöst. Bei zweilagigen Kalkputzen soll die Festigkeit der Putzlagen und ebenso die Korngröße des Sandes zur Wand hin zunehmen. Leichtlehm kann zur Stabilisierung der weicheren Oberfläche – besonders bei magerem Lehm – einen deckenden Spritzbewurf aus Mörtelgruppe II erhalten. Vorher wird die Wand angenässt, damit sie dem Spritzbewurf nicht das zum Abbinden notwendige Wasser entzieht. Nach dessen Aushärtung werden Unterputz und später Oberputz angeworfen oder maschinell gespritzt. Weiche Oberflächen können auch mit einem dünnen Lehmspritzbewurf aus Lehmschlämme oder Lehmmörtel verfestigt werden, den man in die Oberfläche einstreicht. Die nun glattere Fläche kratzt man zur Putzhaftung z. B. mit einer Gabel oder Kelle kreuzweise auf. Der Lehmuntergrund soll gleichmäßig trocken sein und wird vor dem Auftrag des Kalkputzes angenässt. Die gespeicherte Feuchtigkeit ist für ein langsames Abbinden des Kalkes erwünscht. Kalkputz darf nicht bei trockenem Wetter oder Sonne ausgeführt werden, da er sonst verbrennt, Risse bildet und schlecht aushärtet. Zu schnelle Trocknung muss u. U. durch vorgehängte feuchte Tücher oder durch Besprühen verhindert werden.

640 Lehmputz

Die einfache und schöne Lehmputztechnik war zu Unrecht in Vergessenheit geraten und erlebt heute eine Renaissance. Lehmputz ist elastisch, sorptionsfähig, diffusionsoffen und ausreichend fest – allerdings nicht ohne weiteres wasserunempfindlich. In einem Lehmhaus bietet sich zumindest für den Innenbereich ein Lehmputz an. Aber auch außen ist, ausgenommen an Schlagregenseiten, durch entsprechende Zusätze oder Anstriche ein Lehmputz möglich. Der Lehm – steinfrei und nicht zu mager – wird dickflüssig bis steif aufbereitet. In einem Arbeitsgang kann man größere Mengen mischen, da der Mörtel nicht chemisch abbindet, sondern an der Luft trocknet. Angetrocknete Reste sind jederzeit mit Wasser wiederaufbereitbar, Maschinen und Schläuche brauchen nicht täglich gereinigt zu werden. Lehmputz kann auch von weniger geübten Händen aufgetragen werden, Nacharbeiten und auch Reparaturen sind leicht möglich. Die unterschiedlichen Eigenfarben der Lehme kann man gestalterisch einsetzen, es können auch farbiger Ton oder Erdfarbpigmente beigemischt werden. Für einen spielerischen Umgang mit ausgefallenen Faserbeimischungen bieten japanische Lehmputze Beispiele (Abb. 277 und 278). Die mit kleinen Kellen aufgetragenen, vollkommen ebenen Putzflächen wirken zwischen dem Holz wie gespannt [Breidenbach 1984] [Speidel 1986]. Gab es bei Ersterscheinung dieses Buches 1983 noch kein einziges LehmEinzelheiten bei Roh- und Ausbau  169 

Abb. 276 Farbiger Lehmputz (Claytec®), Museum Kolumba, Köln (Architekt Peter Zumthor,

Ausführung Fa. Stuck & Akustik Weck, Köln)

170 Bauen mit Leichtlehm

putzprodukt, sind heute Lehmputze und naturfarbige Edelputze das am häufigsten eingesetzte Lehmprodukt. Lehmputzmörtel werden angeworfen, maschinell angespritzt oder aufgezogen. Besonders für dünne Aufträge eignet sich das Aufziehen, aber auch bei normaler Auftragsstärke von ca. 15 mm – einen ausreichend klebekräftigen Mörtel vorausgesetzt – hat das Aufziehen gegenüber dem Anwerfen keinerlei Nachteile [Röhlen/ Ziegert 2010], ist sauberer und spart Material. Für das Aufziehen eignen sich besonders japanische Kellen, in allen Größen und Sonderausbildungen (Abb. 285). Dicke Aufträge – bis 30 mm, z. B. für den Ausgleich von Unebenheiten im Altbau, werden besser angeworfen oder in dünneren Lagen frisch in frisch aufgezogen oder angespritzt. Mit etwas Erfahrung entwickelt man das Gefühl für den richtigen Zeitpunkt einer neuen Auftragslage. Einlagige Kalkputze bis ca. 10 mm setzen einen genügend ebenen und gleichmäßig saugenden Untergrund voraus, den besonders ein Lehmputz bieten kann.

641 Lehm-Sand-Putz Vom Kalkmörtel unterscheidet sich dieser Mörtel lediglich dadurch, dass hier das Bindemittel Lehm ist. Er wird in der gleichen kellengerechten Steife verarbeitet. Dazu wird der Lehm mit gerade so viel möglichst grobem Sand gemagert, dass nach dem Trocknen keine Risse entstehen. Das Mischungsverhältnis wird durch eine Putzprobe bestimmt. Gemischt wird in der Schlämmwanne, in einem Mörtelmischer oder einer Verputzmaschine.

Abb. 277 Lehmputz (Feinfasern, Sand) in japanischem Teehaus (Akira Kusumi)

Abb. 278 Lehmputz (Feinfasern, Sand, ölhaltige ­Wiesenblüten) in japanischem Teehaus (Akira Kusumi)

Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  171 

Abb. 279 Naturfarbige Lehmputze (Claytec®)

Der Unterputz mit Grobsand kann zusätzlich mit 2 bis 3 cm lang gehäckseltem, dünnem Stroh, Grobheu oder Spreu versetzt werden. Er wird etwa 15 mm dick kräftig angeworfen oder – bei nicht zu großem Faseranteil – mit der Maschine aufgespritzt (Abb. 295). In Innenräumen genügt es, diese Lage nach dem Anziehen zu glätten, eventuell mit Feinsand-Lehmschlämme. Ein Oberputz wird mit feinerem Sand und evtl. Feinfasern gemischt und nur dünn aufgetragen. Bei Decken wird zunächst ein dünner Unterputz aufgebracht und nach dem Austrocknen die dickere zweite Lage. Während die Vorbereitungen nach Kap. 621 der Putzhaftung auf dem Untergrund dienen, kann sich bei Lehm-Sand-Mörteln zur Stabilisierung zusätzlich eine flächige Armierung mit Gewebe empfehlen, z. B. bei unterschiedlichen oder weichen Untergründen oder wenn Bauteile Vibrationen ausgesetzt sind. Diese sollte etwa ein Drittel unter der Oberfläche des gesamten Putzaufbaus liegen und wird z. B. in die Oberfläche des Unterputzes eingerieben (Abb. 281). Zu beachten ist, dass eine Gewebeeinlage aber auch trennend wirken kann, z. B. bei einer zu feinen Maschenweite. Außen kann auf regengeschützten Flächen, z.B unter weiten Dachüberständen, auch ein Oberputz aus Lehmmörtel genügen. Er wird auf den angenässten Untergrund aufgeworfen und abgerieben. In der Regel empfiehlt sich ein Oberputz aus Kalkmörtel. Zu dessen Haftung wird der noch weiche Unterputz, hier möglichst mit Häckselbeimischung, schräg von oben dicht gelöchert – mit den Fingern, 172 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 280 Lehmausgleichsputz

bei der Fachwerksanierung (s. Projekt 15)

Abb. 281 Gewebearmierung (s. Projekt 9)

einem Holzrechen oder einem Nagelbrett. Der Kalkputz wird kräftig angeworfen oder gespritzt und mit der Kelle geglättet. Der Lehm-Unterputz ist hier elastischer Spannungsausgleich. Nachbehandlung: Anstriche auf blanken Lehm- oder Lehmputzflächen wären vor allem im Außenbereich nicht dauerhaft. Zur besseren Haftung streicht man eine nicht zu dünnflüssige Kalkmörtelschlämme (Feinsand und Weißkalk 1:1) mit der Quaste auf die noch feuchte oder angenässte Oberfläche und reibt sie anschließend mit dem Brett gut ein. Es soll sich keine Schale bilden, der Lehm muss noch durchscheinen [DIN 1169 1947]. Kalkanstrich: Sumpfkalk oder auch Kalkhydrat wird mit viel Wasser zu Kalkmilch angerührt und in mehreren Arbeitsgängen nass in nass aufgetragen. Dicke Anstriche blättern ab, der erste darf daher nicht decken. Zusätze von Magermilch, Quark, Molke, Kasein oder Leinöl können die Festigkeit erhöhen. Der Anstrich ist aber auch ohne Zusätze dauerhaft und wischfest, wenn er dünn nass in nass gestrichen wird und nicht zu schnell austrocknet. Am besten ist es, bei Regenwetter zu streichen – nie in der Sonne! Der letzte Anstrich kann einen kleinen Zusatz von kalkechten Erdfarben vertragen.

Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  173 

642 Faserlehmputz Dieser Putz, auch als Häcksel-, Faser- oder Strohlehmputz bezeichnet, ist sehr elastisch und wegen seiner geringen Wärmeableitung warm. Selbst ungestrichen ist er auch außen gegen Auswaschungen recht unempfindlich – was an vielen noch nicht sanierten Fachwerkhäusern zu beobachten ist. Als Innenputz wurde er auch auf Massivlehmwänden verwendet, z. B. bei den Stampflehmhäusern in Weilburg und Umgebung. Historische Lehmputze sind Faserlehmputze mit hohen Strohdichten von bis zu 50 kg/m3, meist als Unterputze für dünnen Haarkalkoberputz eingesetzt, der auf diesem Untergrund gut haftet [Volhard 2010 a]. Faserlehmmörtel wird bei Leichtlehmmauerwerk als Leichtmauermörtel eingesetzt. Faserlehmmörtel kann auch mit Lösslehm aufbereitet werden, der für reine Lehmsandputze viel zu mager wäre. Historische Stroh- und Häcksel-Lehmputze (Abb. 282) zeigen, dass ein sehr hoher Faseranteil auch sehr mageren Lehm gut stabilisiert. Die Strohfasern sind sehr fein und »gespleißt«, d. h. gespalten [Volhard 2010a]. Sie verfilzen sich miteinander mit dem Effekt, dass man Probekörper tagelang in Wasser stellen kann, ohne dass etwas abfällt (s. Kap. 824). Als magernde und stabilisierende Faserstoffe werden für den Unterputz Strohhäcksel (2 bis 3 cm) und evtl. Grobsand oder auch langes und weiches Stroh (20 bis 40 cm) ohne Sand zugemischt. Um die sperrige Wirkung des Strohs zu vermindern, lässt man die Mischung abgedeckt ziehen. Der Unterputz wird sehr nass ange­worfen Abb. 282 Historischer balkenüberdeckender ­Strohlehmputz, Nordhessen

Abb. 283 Faserlehmunterputz (ohne Sand) und ­farbiger Faserlehm-Feinputz

174 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 284 Auftrag von Faserkalk-

putz mit der Japankelle auf gut angefeuchteten Lehmunterputz (Akira Kusumi)

642-03 Abb. 285 Japanisches ­Putzerwerkzeug, Japankellen und Putzbrett

a)

a)

b)

b)

c) c) a) Unterputzkelle ARA-GOTE a) nterputzkelle z.B.U240 x 80—95mm b) Feinputzkelle SHIAGE-GOTE ARA-GOTE z.B. 180 x 50—55mm c) Kelle im Schnitt z. B. 240 × 80—95 mm d) Putzbrett ca. 45 x 30 cm

d)

d)

b) Feinputzkelle SHIAGE-GOTE z. B. 180 × 50—55 mm c) Kelle im Schnitt d) Putzbrett ca. 45 × 30 cm

bzw. aufgetragen und auf 2 bis 5 cm Dicke verstrichen oder in einer dünneren, ca. 5 mm starken Schicht mit dem Brett bzw. einer kleinen Japankelle fest aufgezogen. Auf den getrockneten Unterputz – Risse schaden nicht, im Gegenteil – wird der Oberputz, dem man feinere Fasern wie Grannen, Spreu, Stroh- oder Heuhäcksel und evtl. Feinsand zumischt, dünn (5 mm) aufgezogen und verrieben. Nachbehandlung wie oben. Leichtlehmunterputz Der Unterputz kann auch wie normaler Strohleichtlehm mit ungeschnittenem weichen Ballenstroh (z. B. Gerste) aufbereitet werden. Die Mischung wird auf ca. 1000 kg/m3 Trockendichte eingestellt, lässt sich anwerfen oder aufziehen und anschließend, wie im Kapitel freier Auftrag beschrieben, mit dem Brett glätten. Durch die Armierung mit langen Fasern entfallen Putzgewebe, auch über Holzteilen und unhomogenen Untergründen. Der Putz kann in einem Arbeitsgang 5–50 mm dick aufgetragen werden, dabei werden Löcher gefüllt und Unebenheiten ausge­ glichen. Die Oberfläche erhält einen Lehm- oder dünnen Kalkputz, für den sie vorher aufgeraut wird (Abb. 286). Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  175 

Kalkfeinputz Der Oberputz (ebenfalls 5 mm) kann auch mit Kalkmörtel, den man ebenso mit feinen Fasern und gröberem Sand bis 4 mm mischt, ausgeführt werden. Solch dünne Kalkputze haben sich auch als dauerhafte Außenputze bewährt. Hierzu wird zur besseren Haftung der frische Unterputz mit einem harten Besen waagerecht aufgeraut oder mit der Kelle kreuzweise leicht geritzt. Traditionell diente dazu der Kammstrich. Dadurch wird das Stroh aus der Lehmoberfläche gerissen und verzahnt sich mit der Kalkputzschicht. Vor dem Auftrag den Untergrund gut vorzunässen bewirkt, dass sich auch die Haare des Kalkputzes mit der weichen Lehmoberfläche verbinden.

Abb. 286 Strohleichtlehmputz

auf Altputzflächen, ca. 10 mm, mit Holzbrett geglättet 

Abb. 287 Einlagiger Haar­

kalkmörtel (10 mm) auf gut angenässtem und aufgerautem Faserlehm­untergrund.

Abb. 288 Dicht gelöcherte ­Faserlehmoberfläche (Lehmbau Breidenbach) Abb. 289 Kammstrich Abb. 290 Historischer Kamm-

strich, Kalkfeinputz 5 mm, farbig getüncht

176 Bauen mit Leichtlehm

Haarkalkputz

Faserlehm

Abb. 291 Gute Kalkputzhaftung durch wechselseitige Verzahnung der Fasern [Volhard 2010 a]

Alternativ mit ähnlichem Effekt kann – in Japan üblich – auf den trockenen Unterputz nach erneutem Anfeuchten zunächst eine ca. 4 mm starke Lage aus einem Faserlehmmörtel mit Sandzumischung fest aufgezogen werden, auf den sehr bald frisch in frisch der ca. 10 mm dünne Faserkalkputz aufgezogen wird.

643

Zwei überlieferte Rezepte

Lehm-Dung-Häcksel-Putz (innen und an geschützten Außenseiten) Der aufbereitete sandfreie Lehm wird mit etwa der gleichen Menge Kuhdung – möglichst frisch von der Wiese – und Strohhäcksel gut gemischt und, je nach Untergrund, ein- oder zweilagig mit der Hand oder mit dem Brett aufgestrichen. Nach Möglichkeit wird der Lehm vorher nicht mit Wasser, sondern mit Pferdeurin oder auch Kuhjauche angemacht. Als Ersatz kann man stattdessen Kochsalz zugeben. Die im Dung ent­hal­­ tenen feinen, verdauten Pflanzenfasern und die Magensäure machen den Putz ge­­ schmeidig und reißfest. Der Geruch verschwindet spätestens nach dem Anstrich. Dieser Putz ist sehr ergiebig: Man rechnet 5 bis 10 l Mörtel pro m2 (s. Projekte 16 und 17). Traditionelle Weiterbehandlung: Der erste Anstrich besteht aus einer dünnflüssigen Mischung aus verdünntem Putz und Sumpfkalkmilch auf feuchtem Untergrund. Der zweite und eventuell dritte Anstrich erfolgt wiederum dünn und nass in nass mit reiner Kalkmilch. Lehm-Kalk-Jauche-Putz (innen und außen) (Angaben nach van Kessel u. Vanros [Dilthey 1982], [Vanros 1981]) Die Verbindung von Jauche und Kalk bewirkt in diesem Gemisch eine nässe- und feuchteunempfindliche Härtung der Oberfläche. Diese wirkt hellglänzend wie lackiert und muss außen nicht unbedingt gestrichen werden. Man rechnet etwa einen Eimer Weißkalkpulver auf eine Schubkarre Lehm. Lehm und Kalk werden mit Pferdejauche ein bis zwei Tage abgedeckt eingesumpft oder mit Trog- oder Zwangsmischer in folgender Reihenfolge eingerührt: Lehm, Kalk, Häcksel, Jauche. Der breiige Mörtel muss mit so viel Häcksel oder auch Kuhdung gemagert sein, dass nach dem Trocknen vor allem im Außenbereich keine Risse entstehen. Auch dieser Lehmputz soll langsam trocknen. Jauche und Kalk bilden während der ersten Trocknungstage eine kristalline Schicht, die nicht berührt werden darf. Diese Technik ist im Freilichtmuseum Bokrijk bei Genk, Belgien, zu studieren (Abb. 292). Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  177 

Abb. 292 Lehmputz, Freilichtmuseum Bokrijk

644

Anstrich und Tapeten auf Lehmputz

Lehmmörtel lassen sich wie Kalk- oder Kalkgipsmörtel abreiben. Voraussetzung für eine genügende Haftung von Anstrichen und Tapeten auf Lehmputzen ist eine fachgerechte Aufbereitung des Mörtels aus nicht zu magerem Lehm. Zur Verbesserung der Haftung wird eine feine nicht zu flüssige Schlämme aus feinem Sand und Weißkalk eingerieben. Auf derartiger Grundierung können beliebige Anstriche aufgetragen werden, vorzugsweise Kalk-, Kalkkasein- oder Mineralfarben. Der Kleister für das Kleben von Tapeten sollte ebenfalls nicht zu dünnflüssig sein, damit er den Lehmputz nicht löst. Vor dem Aufkleben muss die Wand von losen Sandkörnern mit einem Haarbesen gereinigt werden [vgl. DIN 1169 1947].

645 Fertigmörtel Lehm-Fertigmörtel erleichtern die Arbeit erheblich. Die schwierige Aufbereitung des für Putzmörtel möglichst bindekräftigen Lehms entfällt. Die Fertigmischungen mit Sand, Stroh oder anderen Faserstoffen sind nur noch mit Wasser aufzubereiten, in normalen Mörtelmischern oder Putzmaschinen. Lehmmörtel kann erdfeucht per LKW geliefert werden, er muss weder getrocknet noch verpackt werden. Dies ist ein großer praktischer und ökonomischer Vorteil gegenüber gebrannten und abbindenden Bindemitteln wie Zement, Kalk oder Gips, die durch Feuchtekontakt bei Lagerung oder Transport unbrauchbar werden. Lehmmörtel als Sackware – bedingt durch Trocknungs- und Verpackungsaufwand etwas höher im Preis – kommt für kleine Flächen und Reparaturarbeiten in Frage. Angebrochene Säcke bleiben 178 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 293 Kalkanstrich auf Lehmfein-

putz (Claytec®)

immer verwendbar. Fertigmörtel gibt es als Mauermörtel, Leichtmauermörtel, Unterputzmörtel, Ober- und Feinputzmörtel. Manche Mörtel sind universal als Mauer- und Putzmörtel einsetzbar. Für dünne Beschichtungen gibt es Spachtelputz und Farbputz, für noch dünnere Anstriche gibt es Lehmanstrich oder Lehmfarbe. Dünnbeschichtungen und Anstriche enthalten immer zusätzliches Bindemittel, meist Zellulose. Auch Kalkmörtel gibt es als Fertigmörtel, ebenfalls in vielfältiger Farbigkeit. Für Lehm-Putzmörtel gelten die Lehmbau Regeln, die für die Herstellung einen nicht zu mageren Lehm vorschreiben. Nach der früheren DIN 1169 darf für Lehm­ mörtel ausdrücklich kein Lösslehm verwendet werden, »der zu mager und zu fein­ sandig ist und daher für die Mörtelbereitung ungeeignet ist« [DIN 1169 1947]. Dennoch sind manche heute angebotenen Produkte sehr weich, sanden ab und sind wenig abrieb- und stoßfest, weil zu magerer Lehm, meist Lösslehm, oder trocken feingemahlene Grubenlehme verwendet werden und mit zu feinem Sand ohne abgestufte Körnung gemagert wird. Auf stabilisierende Faserstoffe wird verzichtet, um Silo- und Maschinengängigkeit zu ermöglichen [Volhard 2010 c]. Da strohhaltige Putze bei zu langsamer Trocknung vorübergehend Schimmel ansetzen können, will man einem (vermuteten) Verbraucherwunsch nach keimfreien Produkten – ohne organische Bestandteile – entsprechen. Allerdings können bei ungünstigen Trocknungsbedingungen alle Baustoffe schimmeln, faserfreie Lehmputze genauso wie Gipsputze, auf denen weißer Schimmel nur weniger auffällt [Röhlen/Ziegert 2010] [Grün 2010]. Die mäßige Gebrauchsqualität von weichen, absandenden Lehmputzoberflächen wird oft in übersteigerter Erwartung eines verbesserten Raumklimas (s. Kap. 823) toleriert. Aber auch fachgerecht hergestellte, wisch- und abriebfeste Lehmputzoberflächen bleiben gegenüber Kalk- oder Kalkgipsputzen relativ weich und stoßempfindlich. Beschädigten Putz kann man zwar leicht reparieren, aber es dürfte für die meisEinzelheiten bei Roh- und Ausbau  179 

Abb. 294 Verarbeitung

von L­ ehmfertigmörtel mit der ­Putzmaschine (Claytec®)

Abb. 295 Aufspritzen

ten Anwendungsbereiche zweckmäßig sein, (gut faserarmierten) Lehmmörtel nur für den Unterputz zu verwenden und diesen mit einem dünnen Feinputz aus Kalk oder Kalkgips schützend und als zuverlässigen Anstrichuntergrund zu überziehen – bei ebenfalls sehr guten raumklimatischen und feuchteausgleichenden Eigen­schaften.

646

Anforderungen an Lehm-Putzmörtel

Eigenschaften des Mörtels Allgemein soll Lehmmörtel nur so weit abgemagert sein, dass der trockene Putz keine Risse zeigt. Bei Unterputz schaden Risse nicht, soweit die Putzschicht noch flächig ausreichend anhaftet und nicht schüsselt. Mit zunehmendem Sandgehalt fallen Bindekraft und Druckfestigkeit von Lehmmörtel stark ab. Zu magerer Lehm ist daher für die Herstellung von Lehm-Sand-Mörtel ungeeignet und darf hierzu nicht verwendet werden. Zu mageren Lehm mit Ton anzureichern empfiehlt sich nicht [DIN 1169 1947]. Lehmmörtel sollen je nach Verwendungszweck und Beanspruchung bestimmte Eigenschaften aufweisen. Im Wesentlichen sind dies die Druckfestigkeit, die Trockenrohdichte und das Schwindmaß. Diese drei Werte muss der Hersteller eines Mörtelproduktes prüfen und angeben [Lehmbau Regeln 2009]. Ebenso muss er den Verwendungszweck angeben und den Baustoff entsprechend bezeichnen. Bei Bau180 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 296 Fensterleibungen

verputzt (Projekt 5)

stellenmörtel, der aus Lehm und Zuschlägen vor Ort gemischt wird, kann die Eignung am Bauteil geprüft werden. Die Druckfestigkeit wird an Prüfprismen nach entsprechenden Mörtelnormen ermittelt, wobei die Konsistenz der Verarbeitung definiert sein muss. Die Rohdichte des Festmörtels wird mit 10 × 10 × 10 cm Probewürfeln (oder Prismen aus der Druckfestigkeitsprüfung) ermittelt und gerundet auf 100kg/m3 angegeben. Das Schwindmaß wird anhand von länglichen, in einer Form (160 × 40 × 40 mm) hergestellten Probekörpern festgestellt, ebenfalls mit einem Mörtel definierter Konsistenz, nach [Lehmbau Regeln 2009] mit einem Ausbreitmaß von 140 mm in Anlehnung an [DIN EN 1015-11 2007]. Begriffe, Anforderungen, Prüfverfahren von Lehmmörteln sind in den neuen DIN Normen 18946 and 18947 geregelt (siehe 732 Normen). Eigenschaften des Putzes Putz erhält seine endgültigen Eigenschaften erst nach Erhärtung am Baukörper. Entsprechend seiner Beanspruchung und seinem Verwendungszweck ist festzulegen, welchen Anforderungen er zu genügen hat. Allgemein muss ein Putz flächig gut auf dem Untergrund haften und die einzelnen Lagen untereinander. Die Festigkeit ist dem jeweiligen Putzgrund und der Anwendung anzupassen. Nach [Lehmbau Regeln] soll Lehmputz eine Mindestdruckfestigkeit von 1,5 N/mm2 haben. Sichtbare und beanspruchte Lehmputzoberflächen sollten ausreichend wisch- und abriebfest sein. Dies kann mit der Hand beurteilt Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  181 

650-01

a) Leibung geputzt, Putzträgerplatte

b) Leibungsbrett mit Fensteranschlag

c) Holzfutter mit Bekleidung

d) Leibung außen und innen verputzt

a)

Abb. 297 Fensteranschlüsse

werden. Der bekannte Test mit einer drehend angepressten Bürste ist dazu weniger geeignet, weil dadurch ein Abrieb unabhängig von der Beschaffenheit der Oberfläche erzeugt wird. Der Test wurde auch nicht dafür entwickelt [Minke 1994]. Die Haftung von Lehmputzlagen untereinander dürfte selten ein Problem sein. Dagegen hängt die Haftung auf dem Untergrund vor allem von dessen Art, entsprechenden Vorbereitungen und der Verarbeitung des Mörtels ab (s. Kap. 621), erst in zweiter Linie von seiner Zusammensetzung. Die Haftfestigkeit eines Lehmmörtels einheitlich zu bestimmen, z. B. mit der für mineralische Mörtel entwickelten Haftfestigkeitsprüfung nach [DIN EN 1015-12 2000], erscheint deshalb wenig aussagekräftig. Die Haftung von Lehmmörteln beruht auf elektrischen Anziehungskräften, die von mineralischen Mörteln (Kalk, Gips etc.) aber auf chemischer Verbindung (abgesehen von der Rauheit und Vorbereitung des Untergrundes). Ein für den Versuch zu definierender Untergrund, z. B. Betonplatten, schränkt die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere, vor allem Lehmuntergründe vollends ein. 650 Fenster und Türen

Fenster und Türen werden im getrockneten Rohbau an der Holzkonstruktion befestigt (Abb. 297). Gehobelte Bohlen oder Sperrholz können vor dem Einbringen des Leichtlehms als verlorene Schalung eingebaut werden und später als Futter sichtbar 182 Bauen mit Leichtlehm

a) Dielenboden auf Trittschalldämmstreifen, trockene Auffüllung

c) Bodenbelag auf Unterboden/ Trockenestrich, Trittschalldämmung, Leichtlehmsteine

b) Einfacher Dielenboden

d) Naßraum (Fliesen in Dünnbett) Wandabdichtung auf Putz oder Feuchtraumplatte, Bodenabdichtung auf schwimmendem Estrich, Dichtungsband in Ecken

Abb. 298 Fußböden

bleiben (s. Abb. 113). Vorübergehendes Werfen beim feuchten Einbau des Leichtlehms kann durch rückseitige Schlitze oder aufgeschraubte Querleisten gemindert werden. Leibungen aus Kanthölzern und Gleitlehren werden mit Putzträgern versehen und verputzt oder sie erhalten ein Futter aus Holz. Fenster liegen im Holzbau nach Möglichkeit außen, um kritische Sohlbankanschlüsse zu vermeiden. Bei Verbund- und Kastenfenstern ist eine Kondenswasserrinne im Fensterbrett vorzusehen.

660 Fußböden

Dielenboden wird zur besseren Schalldämmung auf Lagerhölzern und Dämmstreifen verlegt. Die Hohlräume werden zur Dämpfung von Gehgeräuschen mit trockenem Sand, Lehm oder Dämmschüttungen, z. B. Sägespänen, ausgefüllt. Als einfache Ausführung können die Bretter auch direkt auf den trockenen Leichtlehm aufgelegt werden. Der Leichtlehm wird dazu über die Deckenbalken mit Lehm- oder Häcksel­ mörtel abgezogen. Sockelleisten werden an Holzkonstruktion und Gleitlehren genagelt. Werden diese verputzt, schlägt man vorher zur Befestigung ein Brett in Putzstärke an (Abb. 298).

Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  183 

Andere Bodenbeläge wie Parkett, Fliesen, Linoleum oder Teppich können wie üblich auf elastisch aufliegenden Unterböden – Spanplatten, Estrich, Trockenestrich – verlegt werden (Abb. 298 c). Inwieweit sich auch (evtl. faserbewehrte) Lehm-Estriche hierfür eignen, ist bisher nicht erprobt. Vorstellbar sind auch Fließestriche mit geringem Wasseranteil durch Einsatz von Verflüssigungsmitteln (terre coulée) (s. Kap. 318). In Nassräumen (Bad) wird die Holzbalkendecke vor Feuchtigkeit durch eine an der Wand hochgezogene Sperrschicht geschützt. Die Abdichtung liegt entweder unter dem Mörtelbett/Estrich auf Holzschalung und evtl. Trittschalldämmung auf oder ist als Streichisolierung auf dem Estrich mit beweglichen Wandanschlüssen ausgeführt (Abb. 298 d).

670 Wandbekleidungen innen

671 Holzverkleidung Verkleidungen lassen sich gut an der Holzkonstruktion befestigen. In Feuchträumen sollten sie hinterlüftet sein und die Leichtlehmoberfläche mit Lehm oder Kalk verputzt sein. In trockenen Räumen reicht ein Ausstreichen mit Lehm. Bei Außenwänden ist auf die Luftdichtigkeit zu achten (s. Kap. 850).

672 Fliesen Dichte Wandbeläge sollte man auf die Spritzwasserbereiche beschränken, da sie den Feuchteaustausch der Wand behindern. Wandfliesen werden auf ausgehärteten Zement- oder Trasskalkmörtelspritzbewurf im Mörtelbett gesetzt oder im Dünnbett auf Putz geklebt. Der Putzuntergrund sollte im Holzbau bewehrt sein, da Fliesen empfindlich auf Bewegungen des Untergrundes reagieren. Möglich ist auch das Ansetzen oder Anschrauben von Gips- oder Gipsfaserplatten. Im Nassbereich ist es empfehlenswert, die Fliesen auf eine vorgemauerte Schale aus feuchteunempfind­ lichen Steinen oder auf eine Trockenbauwand aus Feuchtraumplatten zu setzen. Die Installationen können so vor der Holzkonstruktion geführt und die Armaturen gut befestigt werden. Lehmputz als Untergrund für Fliesen ist nur bedingt geeignet, in Spritzwasserbereichen auf keinen Fall. Die Abdichtung des Untergrundes wird hier wie üblich z. B. als Streichisolierung ausgeführt, sie muss an Ecken- und Bodenanschlüssen beweglich mit Dichtungsbändern verbunden sein (Abb. 298 d).

184 Bauen mit Leichtlehm

682-01

Schrauben in Holzleichtlehm

Elt. Dose

Befestigungsbrett oder -bohle für schwere Gegenstände

Dübel

Dübelklotz

Injektionsanker

Abb. 299 Befestigungen

Abb. 300 Vorwandinstallation im

Sanitärbereich (Projekt 15)

Einzelheiten bei Roh- und Ausbau  185 

680 Installationen und Befestigungen

681 Wasserinstallation Kaltwasserrohre, unter Putz verlegt, können beschlagen und die Wand durchfeuchten. Man sollte deshalb wärmegedämmte Rohre verwenden und auch die Verbindungen entsprechend behandeln. Die Leitungen werden am besten in Installationsschächten verlegt, möglichst nicht in Außenwänden. Unterputzleitungen kann man auch vor dem Einbau des Leichtlehms verlegen, damit entfällt das Schlitzen. Auch auf Putz verlegte Leitungen sind eine Alternative und dürfen auch einmal undicht werden, ohne größeren Schaden anzurichten.

682

Leitungsschlitze und Befestigungen

Leichtlehm lässt sich gut mit scharfem Holzwerkzeug bearbeiten. Leitungsschlitze werden gesägt, gefräst oder mit dem Beil bzw. Messer geschnitten. Für größere Aussparungen oder Schlitze z. B. für Abwasserrohre kann man vorher entsprechende Kanthölzer in die Schalung klemmen. Unterputzdosenlöcher sägt man mit Stich- oder Lochsäge oder stemmt sie mit einem Stechbeitel. Meißel sind nur für mineralischen Leichtlehm geeignet. Dosen werden eingegipst, Kabel punktweise ebenfalls oder mit Nagelschellen an die Holzkonstruktion geheftet. Dichter Leichtlehm (über 900 kg/m3) ist nagelbar und dübelfest. Die früher üblichen eingegipsten Hartholzklötze halten auch in Wänden mit geringem Lehmanteil. Injektionsdübel sind auch für Leichtlehm gut geeignet. In Holzleichtlehm kann man direkt ohne Dübel hineinschrauben. Schwere Hängeschränke, Waschbecken usw. werden besser an die Holzkonstruktion geschraubt. Zusätzliche Befestigungsbohlen in gewünschter Höhe können vorher in die Holzkonstruktion eingebaut werden.

186 Bauen mit Leichtlehm

700 Planung und Kosten 710 Bauzeit

Das Holzskelett sollte schon im Frühjahr gerichtet und das Dach, einschließlich Regenrinnen, gedeckt werden. Solange die Wände noch nicht geschlossen sind, ist zur Vermeidung von Sturmschäden nach Möglichkeit eine Dachschalung vorzusehen, damit untergreifender Wind die Dachhaut nicht abhebt. Alle weiteren Arbeiten sind nun witterungsunabhängig und ohne Unterbrechungen durchführbar. Seitlicher Wetterschutz ist, zumindest bei Strohleichtlehm, während der Bauzeit nicht notwendig, da das Stroh Auswaschungen der Oberfläche verhindert. Schlagregenseiten sollte man aber vor erneuter Durchfeuchtung schützen. Beim feuchten Einbau des Leichtlehms muss durch möglichst frühe Bauzeit, bis spätestens Ende August, dafür gesorgt werden, dass der Rohbau bis zum Herbst weitgehend trocken und verputzbar ist. Außenwände aus Strohleichtlehm, 30 cm dick, trocknen im Sommer witterungsabhängig in etwa zwei Monaten, u. U. länger, Holzleichtlehm etwas schneller. Nicht ausreichend belüftete und einseitig abgeschlossene Wände und Decken brauchen länger. Man sollte mit den ungünstig gelegenen (Innen-) Bauteilen beginnen und zuletzt die Sonnenseiten schließen. Die Trockenzeit muss den Bauablauf nicht behindern und kann für nachfolgende Arbeiten, z. B. die haustechnischen Installationen, genutzt werden. Alle feucht eingebauten Lehmbauteile, auch Putze, müssen möglichst rasch trocknen können. Bleiben sie zu lange feucht, können organische Bestandteile verrotten und angrenzendes Holz faulen, Oberflächen können schimmeln (s. Kap. 827). Mit guter Durchlüftung sorgt man dafür, dass trocknende Aussenluft an allen inneren Bauteiloberfächen entlangstreichen kann. Wenn dies nicht ausreicht, sollte man Bautrocknungsgeräte einsetzen, die gerade in der kalten Jahreszeit – bei sehr niedriger absoluter Luftfeuchte – sehr wirksam arbeiten. Es empfiehlt sich, die Trocknung regelmäßig zu überwachen, z. B. mit einem Trocknungsprotokoll [Lehmbau Regeln 2009]. Trockene Steine und Platten werden ganzjährig verarbeitet, bei Frostgefahr mit hydraulischem Mörtel. Eine Kombination von feuchtem und trockenem Einbau kann sinnvoll sein, z. B. schnell trocknende Außenwände im feuchten Einbau im Frühjahr, 710-01 CAD Innenwände und Decken mit Steinen und Platten in den übrigen Jahreszeiten.

Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Fundamente, Holzskelett, Dachdeckung Feuchter Einbau im Stampfverfahren * Stein- und Plattenherstellung * Trockener Einbau von Steinen und Platten * bei künstlicher Trocknung ganzjährige Verarbeitung Abb. 301 Bauzeit

Planung und Kosten  187 

720 Kosten und Arbeitsaufwand

Die einfache Leichtlehmtechnik ist nach einer fachgerechten Anleitung für die handwerkliche Ausführung in Selbsthilfe besonders gut geeignet, wobei im Vergleich zu anderen Bauweisen der Materialkostenanteil wesentlich reduziert werden kann. Die wenigen einfachen Werkzeuge sind meist vorhanden oder auszuleihen. Die leichte Schalung kann aus üblichem Schalwerkzeug zusammengesetzt werden. Eine stabile »Spezialschalung« wie z. B. beim Lehmstampfbau ist nicht erforderlich. Durch Rationalisierung, Einsatz von Baumaschinen, Vorfertigung und Fertigprodukten muss Bauen mit Leichtlehm auch in professioneller Ausführung nicht teurer sein. Die Technik hat sich innerhalb kurzer Zeit weit entwickelt. Besonders das Angebot vorgefertigter Lehmbaustoffe wird weiter zunehmen und wegen relativ geringer Rohstoff- und Energiekosten preisgünstige und wettbewerbsfähige Produkte ermöglichen. Je größer der Umfang der Arbeiten, bei Ausnutzung der vielseitigen Verwendbarkeit des Leichtlehms, desto mehr machen sich auch Kosteneinsparungen bemerkbar. Fast alle Rohbauteile über dem Sockel können mit demselben Baustoff und in ähnlicher Technik ausgefacht werden. Daher gibt es auch keine Materialreste und keinen Verschnitt – »Abfall« ist weiterverwendbar. Da Leichtlehm immer als nichttragende Wand- und Deckenausfachung eines Holzskelettes eingesetzt ist, müssen die Kosten mit üblichen Ausfachungen im Holzbau verglichen werden. Abgesehen von den vielen Qualitäten, die eine Lehmausfachung gegenüber einer leichten Ausfachung mit Dämmstoffen in sich vereinigt (s. Kap. 810), kann der Bauholzbedarf hier wesentlich geringer sein, da Leichtlehm sich in größeren Gefachen selbst trägt. Für die im Leichtlehm eingebetteten Staken, Bewehrungen kann auch Schwachholz, für die Stützen geschältes Rundholz verwendet werden. Wände aus Leichtlehmmauerwerk kommen mit wenigen lastabtragenden Stützen aus.

721 Arbeitsaufwand Beim feuchten Einbau ist der tatsächliche Arbeitsaufwand natürlich von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, die bei jeder Baustelle verschieden sind. Bisher gewonnene Erfahrungswerte sind insofern nicht immer vergleichbar. Die Wahl des Zuschlags – Stroh, Holzhackschnitzel oder mineralisch – dürfte eine untergeordnete Rolle gegenüber Erfahrung, Geräteausstattung und Baustellenorganisation spielen. Für Unternehmen kommt Leichtlehm hauptsächlich mit maschinenverarbeitbaren Zuschlägen in Frage, z. B. Holzleichtlehm. Für den Bauherrn, der sein Haus selbst baut, ist die Wahl des Zuschlags eher eine Frage der persönlichen Vorlieben. Fasst man bisherige Angaben zusammen, ergeben sich für 30 cm dicke Leichtlehm­ außenwände im feuchten Einbau unter optimalen Bedingungen mit Baumaschinen für Herstellen der Mischung, Schalen und Einbauen Leistungswerte von 2 bis 3 Stunden pro Quadratmeter (7–10 Std/m3), unabhängig vom Zuschlag. Dies ist für eine Bauweise, bei der der Baustoff auf der Baustelle unmittelbar aus den Rohstoffen 188 Bauen mit Leichtlehm

Baustoff, Rohdichteklasse (kg/dm3) Baulehm: Baulehm gebrochen, erdfeucht Baulehm gemahlen Baulehm gebrochen, getrocknet Tonmehl Zuschläge: Stroh Holzhackschnitzel Hanfscheben Strohhäcksel 30 mm Strohhäcksel 8 mm Bims Blähton Fertigmischungen: Leichtlehmschüttung (1,2) trocken Leichtlehmschüttung (0,5) erdfeucht Strohlehm (1,2/1,4) erdfeucht Strohleichtlehm (0,6/0,8) erdfeucht Holzleichtlehm (0,6/0,8) erdfeucht Bimsleichtlehm (0,9) erdfeucht Blähtonleichtlehm (0,9) erdfeucht Lehmmörtel und -putze: Lehm-Mauermörtel (1,8) erdfeucht Lehm-Leichtmauermörtel (1,2) erdfeucht Lehmputz mineralisch, erdfeucht/trocken Lehm-Unterputz mit Fasern, erdfeucht/trocken Lehm-Oberputz erdfeucht/trocken Lehm-Feinputz Farbiger Lehmputz Haarkalk-Grundputz Kalk-Grundputz Kalkfeinputz, 3 mm Auftrag Kalk-Fertigmörtel Gips-, Kalkgips-Fertigmörtel Kalkglätte, 1 mm Auftrag

Abb. 302 ­Lehmbauprodukte:

Lieferform

Baulehm, Zuschlagstoffe, ­ ischungen, Mörtel und Putze M

Big Bag Big Bag Big Bag Sack Ballen Big Bag Sack Big Bag Big Bag lose Big Bag Big Bag Big Bag Big Bag Big Bag Big Bag Big Bag Big Bag Big Bag Big Bag Big Bag/Sack Big Bag/Sack Big Bag/Sack Sack Big Bag/Sack/Eimer Sack Sack Sack Sack Sack Sack

Abb. 303 Lehmbauprodukte: Lehmsteine und -platten Steinart

Steine: Lehmstein stranggepresst (Grünling) Lehmstein stranggepresst (Grünling) Lehmstein stranggepresst (Grünling) Lehmstein stranggepresst (Grünling) Lehmstein Leichtlehmstein Leichtlehmstein Leichtlehmstein Leichtlehmstein Leichtlehmstein Leichtlehmstein Platten: Leichtlehmplatte Leichtlehmplatte Faserlehmplatte Faserlehmplatte Faserlehmplatte Lehmplatte stranggepresst Lehmplatte stranggepresst Lehmplatte stranggepresst

Anwen­dungsklasse AK kg/dm3 II II II II I I I I I

1,9 1,9 1,6 1,3 1,8 1,2 0,7 0,7 0,7 0,5 0,5 0,7 0,7 1,4 1,4 1,4 1,9 1,5 1,4

Maße (mm)

DF NF 2DF 3DF NF NF NF 2DF 3DF 8DF 12DF

Bedarf

l

b

h

Stück/m3 Mauerwerk

240 240 240 240 240 240 240 240 240 490 490

115 115 115 175 115 115 115 115 175 240 240

52 71 115 115 71 71 71 115 115 115 175

1500 1500 1000 1000 1200 1250 1250 1250

625 625 625 625 250 245 245 245

25 20 16 25 12,5 20 30 60

550 412 275 185 412 412 412 275 185 69 46 Stück/m2 1,1 1,1 1,6 1,6 3,3 3,3 3,3 3,3

Planung und Kosten  189 

hergestellt wird, schnell. Holz- und mineralischer Leichtlehm sind etwas zeitsparender zu verarbeiten als Strohleichtlehm – die Kosten für die Zuschläge (vor allem mineralische) und evtl. höherer Aufwand für Schalung/verlorene Schalung sind aber mit zu berücksichtigen. Diese Werte entsprechen ziemlich genau frühen Kalkulations­ werten der Industriegewerkschaft Bau von 1949 (Abb. 304). Nach diesen Angaben erforderte der Leichtlehmbau damals im Vergleich zu den anderen Lehmbauweisen – Lehmstampfbau, Lehmquaderbau, Lehmsteinbau – unter gleichen Bedingungen den geringsten Arbeitsaufwand. In neueren Verfahren mit Zwangs- und Tonnenmischer läßt sich Strohleichtlehmmasse in 1,5 Std/m3 verdichtete Wand, d. h. in weniger der Hälfte der Zeit aufbereiten (s. Kap. 333). Heute kann man aufbereiteten Lieferleichtlehm, Mörtel, Steine und Platten beziehen, die nicht nur leichter, schneller, sauberer zu verarbeiten sind, sondern auch die Baustelleneinrichtung, Planung und Organisation vereinfachen. Für Mauerwerk sind z. Zt. nur relativ kleinformatige Steine lieferbar, die etwas mehr Maurerarbeit bedeuten, dafür angenehmer zu verarbeiten sind. Für die eigene Zeit- und Kostenplanung sollte man die notwendige Einarbeitung berücksichtigen, wenn die Beteiligten unerfahren sind. Bei der Altbausanierung ist zu beachten, dass die Arbeiten am kleinteiligen Fachwerk einen Mehraufwand bedeuten.

722

Tipps zum rationellen Arbeiten

Allgemein sind folgende Punkte Voraussetzung für einen zügigen Arbeitsrhythmus: −− Die Wahl einer einfachen, auf die Ausführungstechnik abgestimmten Konstruktion. −− Beginn der Lehmarbeiten erst, nachdem alle Vorarbeiten – Gleitlehren, Stakung – abgeschlossen sind. −− Bei großem Arbeitsumfang Einsatz einer leicht und schnell umsetzbaren Schalung. −− Vorräte von gemischtem Leichtlehm anlegen und ziehen lassen. Das ist ungewohnt, aber Leichtlehm bindet nicht chemisch ab. Die Stampfarbeit ist damit leichter und zeitlich unabhängig von der Mischarbeit. −− Lange und fest zu stampfen ist (auch) bei Strohleichtlehm nicht erforderlich (s. Kap. 416).

723

Professionelle Ausführung

Die Vielzahl von Firmengründungen der letzten Jahre zeigt, dass eine zunehmende Nachfrage nach Lehmarbeiten auch mit professioneller Arbeit beantwortet werden kann. Wenn Firmen Fertigprodukte und Lieferleichtlehm – auch anderer Hersteller – verwenden, ist die Maschinen- und Geräteausstattung vergleichbar der eines normalen Bauunternehmens. Insofern ist eine Spezialisierung auf Lehmarbeiten nicht unbedingt erforderlich. Spezielle Maschinen – z. B. Zwangsmischer oder Rührwerke zur Aufbereitung von Lehm jeder Bindekraft und Konsistenz – werden nur gebraucht, wenn der Lehmbaustoff für den feuchten Einbau selbst hergestellt wird. 190 Bauen mit Leichtlehm

Aufbereitung m3 Leichtlehmmasse zur Verarbeitung aufbereiten, je nach Bindekraft des Lehms g/cm2 Bindekraft Zuschlagsfaktor 60–120 mager 0,9 120–200 fast fett 1,0 200–300 fett 1,2 300–400 sehr fett 1,3 über 400 1,5 Lehmbauteile m3 Leichtlehmständerbau, Dicke 20–30 cm im Erdgeschoss im 1. Geschoss im 2. Geschoss m2 Leichtlehmstampfdecke Ortsfeste Decke zwischen den Balken aus Leichtlehm herstellen, einschl. Schalung, Transport und Knüppeleinlage, 20 cm Dicke m2 Strohlehmauftrag, 12 cm Dicke auf vorhandener Unterlage herstellen, einschl. Transport und Nacharbeiten des Lehmestrichs m2 Leichtlehmplatten in Abzugsform, 8 cm dick, mit Einlage von Knüppeln und Stangen herstellen, abstellen und umstapeln m2 Einschubdecke aus 8 cm dicken Leichtlehmplatten auf vorhandenen Balkenlatten herstellen m2 Leichtlehmspalierdecke, 10 cm dick, einschl. Annageln des Spaliers aus Halbrundholz, Durchdrücken, Andrücken und Einreiben von Kalkmörtelschlämme 1 + 1 Putz und Anstrich m3 Lehmmörtel zur Verarbeitung aufbereiten, Bindekraft des Lehms 120–200 g/cm2 (fast fett). Für anderen Lehm Zuschlagsfaktor wie bei Leichtlehmaufbereitung m2 Wandputz aus Lehmmörtel herstellen. Flächen aufrauen, säubern, nässen, vorwerfen, nachwerfen, verreiben und Kalkmörtelschlämme 1 + 1 einreiben m2 Deckenputz herstellen, wie vor (mit Gerüst) m2 Geputzte Flächen mit Kalkmörtelschlämme 1 + 1 einreiben, ohne Anstrich m2 Geputzte Flächen mit Kalkmilch 2 × streichen

Std.

4,0

6,0 6,3 6,5 1,5

1,2 0,6 0,5 0,6*

5,0 0,8 1,0 0,3* 0,1*

Quellen: [Industriegewerkschaft Bau 1949], * [Beidatsch 1946]

Abb. 304 Arbeitsaufwand für Leichtlehm- und Lehmputzarbeiten

724 Selbstbau Das Besondere beim Bauen mit Leichtlehm ist die Möglichkeit, mit geringsten Mitteln, einfachem Gerät, auch ohne Maschinen den Baustoff selbst herstellen und verarbeiten zu können (s. Kap. 750). Allerdings kann – vor allem bei der örtlichen Herstellung des Baustoffs – der Arbeitsaufwand hoch sein, weil Erfahrungen erst gesammelt werden, die Organisation sich erst einspielt. Oft sind die Ausführenden bautechnische Laien und öfters wechselnde Arbeitsgruppen haben sich gerade eingearbeitet, wenn die Arbeit fertig ist. Maschinen sind beim Selbstbau nicht unbedingt erforderlich, da man auch die Zeit (beim Einsumpfen des Lehms) arbeiten lassen kann – für Unternehmen weniger praktikabel. Mit zu kleinen Maschinen hätte man eher Mehrarbeit, Handrührer sind nur für kleine Mengen geeignet. Sinnvoll sind Pumpen, die auch geliehen werden können. Die Verarbeitung von Fertigprodukten, also Steinen, Platten, Fertigmischungen und Mörteln, ist dagegen für Selbstbauer eine wesentliche Erleichterung und verkürzt die Bauzeit – und damit die Zeit der Doppelbelastung durch Miete und Kredit. Planung und Kosten  191 

Eine zusätzliche Einsparung ist möglich mit der eigenen Vorfertigug von Elementen vor Baubeginn, z. B. im Vorjahr. Die Handhabung von Lehmbaustoffen ist einfach, sympathisch, bereitet Freude, schont die Hände und ist völlig ungiftig. Holz und Lehm gehören weltweit zu den selbsthilfefreundlichsten Baustoffen.

730 Baurechtliche Regelung

731

Frühere Lehmbaunormen

Die Ausführung von Lehmbauten wurde in Deutschland erstmals in der Verordnung über Lehmbauten (Lehmbauordnung) vom 4. Oktober 1944 [Lehmbauordnung 1944] umfangreich geregelt. 1951 ist diese Verordnung als Technische Baubestimmung [DIN 18951 1951] eingeführt worden. 1956 wurden sechs weitere Normen als Vor­normen zur Diskussion gestellt, die bis 1957 auf ihre Bewährung überprüft und dann in endgültige Normen umgewandelt werden sollten. Alle diese Normen sowie DIN 1169 Lehmmörtel für Mauerwerk und Putz [DIN 1169 1947] sind als Nachdruck in [Sieber 1994] [Dahlhaus/Kortlepel 2004] enthalten (s. Abb. 15 und 305). Der Baustoff Leichtlehm war in DIN 18951 Bl. 1 § 9 Lehmständerwände geregelt und im Bl. 2 Nr. 14 erläutert. Nähere Angaben fanden sich in Vornorm DIN 18953 Bl. 5 (Leichtlehmwände in Gerippebauten) und in weiteren Erläuterungen zur Lehmbauordnung [Hölscher u. a. 1947]. Zimmermannsgerecht hergestelltes Fachwerk, das mit Lehm auf Stakung oder Flechtwerk ausgefacht wird, galt nach Lehmbauordnung und DIN 18951 nicht als »Lehmbau«. Der Lehmbau der Nachkriegszeit hatte in Deutschland schon in den 50er Jahren an Aktualität verloren und so wurden sämtliche Lehmbaunormen schließlich am DIN 18951 (1951)  Blatt 1 Lehmbauten, Vorschriften für die Ausführung  Blatt 2 dto., Erläuterungen Vornorm DIN 18952  Blatt 1 Baulehm, Begriffe, Arten (5/1956)  Blatt 2 Prüfung von Baulehm (10/1956) Vornorm DIN 18953 Baulehm, Lehmbauteile  Blatt 1 Verwendung von Baulehm (5/1956)  Blatt 2 Gemauerte Lehmwände (5/1956)  Blatt 3 Gestampfte Lehmwände (5/1956)  Blatt 4 Gewellerte Lehmwände (5/1956)  Blatt 5 Leichtlehmwände in Gerippebauten (5/1956)  Blatt 6 Lehmfußböden (5/1956) Vornorm DIN 18954 Ausführung von Lehmbauten, Richtlinien (5/1956) Vornorm DIN 18955 Baulehm, Lehmbauteile, Feuchtigkeitsschutz (8/1956) Vornorm DIN 18956 Putz auf Lehmbauteilen (8/1956) Vornorm DIN 18957 Lehmschindeldach (5/1956) DIN 1169 Lehmmörtel für Mauerwerk und Putz (1947) Abb. 305 Frühere Lehmbaunormen in Deutschland

192 Bauen mit Leichtlehm

4. Juni 1971 ohne Ersatz zurückgezogen, weil sie, wie der Normenausschuss Bauwesen am 12. 10. 1982 dem Verfasser mitteilte, »technisch veraltet waren und keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hatten. An einer Überarbeitung dieser Normen bestand daher kein Interesse.« Sie könnten allerdings unter folgenden Voraussetzungen erneut bearbeitet und herausgegeben werden: −− »wenn ein entsprechender Antrag beim DIN gestellt wird, −− wenn die Normungsfähigkeit und Normungswürdigkeit dieses Vorhabens durch die entsprechenden Gremien des DIN bestätigt wird, −− wenn die an diesen Normen interessierten Kreise die Finanzierung der Normungsarbeit sicherstellen können.«

732

Aktuelle Normen

Lehmbau Regeln Es muss zwar nicht alles genormt werden, allgemein verbindliche Regeln sind aber für Planung und Praxis nicht nur hilfreich, sondern heute schon aus baurechtlicher und versicherungsrechtlicher Sicht unentbehrlich und im Interesse von Bauherren, planenden Architekten und Ingenieuren, verarbeitenden Lehmbaufirmen, von Produktherstellern und Behörden. Einen neuen Versuch, aus der vielfältigen, damals noch diskutierten Praxis des modernen Lehmbaus empfehlende Aussagen abzuleiten, unternahm 1994 der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein mit seiner SIA-Dokumentation D 0111 Regeln zum Bauen mit Lehm [SIA 1994 a]. In Deutschland fordern die Landesbauordnungen für die Anwendung von Bauweisen und Baustoffen den Nachweis ihrer Brauchbarkeit z. B. durch Normen, die als Technische Baubestimmung bauaufsichtlich eingeführt sind. Obwohl 1971 alle Lehmbaunormen zurückgezogen worden waren, galten sie nach einer Stellungnahme der obersten Bauaufsichtsbehörde auf Anfrage des Verfassers Anfang der 1980er Jahre mangels Nachfolgeregelungen dennoch als Stand der Technik, so dass man die Brauchbarkeit von in den Normen enthaltenen Ausführungen nicht nachweisen musste. Damit waren Lehmbaustoffe beim Neubeginn in den 1980er Jahren in Deutschland ohne besondere Nachweise genehmigungsfähig. Den vielfältigen, auch neuen Anwendungen von Lehmbaustoffen sowie einer Vielzahl neuer Lehmprodukte konnten die alten Normen jedoch nicht mehr lange entsprechen. Auch regelten sie vor allem den tragenden Lehmbau, während heute, anders als in der Nachkriegszeit, in Deutschland der Baustoff Lehm vor allem nichttragend im Holzbau eingesetzt wird. Auch traditionelle Ausfachungen sind in den Normen nicht enthalten. Ein neues Regelwerk zu erarbeiten machte sich der 1992 in Deutschland aus Fachleuten, Architekten, Unternehmern, Handwerksfirmen und Institutionen gegründete Dachverband Lehm zu seiner vordringlichsten Aufgabe. Es galt, das in den alten Normen festgehaltene Wissen mit neu gewonnenen Erkenntnissen zusammenzuführen und unter den Lehmfachleuten einen Konsens zu erarbeiten. Das von der Bundesstiftung Umwelt geförderte Projekt wurde über eine Laufzeit von etwa einem Jahr so Planung und Kosten  193 

organisiert, dass die mit einer kleinen Projektgruppe des Dachverbands erarbeiteten Textentwürfe der Verfasser auf mehreren Fachgesprächen mit geladenen Teilnehmern abgestimmt und schließlich Ende 1997 als »Lehmbau Regeln« [Lehmbau Regeln 1999] öffentlich vorgestellt werden konnten. Die Lehmbau Regeln dokumentieren den Stand der Technik, dienen dem Verbraucherschutz und helfen, Misserfolge zu vermeiden. Ziel war es vor allem, eine neue bauaufsichtliche Regelung zu ermöglichen. Nachdem das Institut für Bautechnik die Lehmbau Regeln 1998 und eine überarbeitete 3. Auflage 2008 in die Musterliste der Technischen Baubestimmungen aufgenommen hat, sind sie mittlerweile in fast allen deutschen Bundesländern als Technische Baubestimmung eingeführt. Die Anwendung der Lehmbau Regeln ist bisher auf ein- bis zweigeschossige Einfamilienhäuser beschränkt, für weitergehende Anwendungen bleibt es bei den bauordnungsrechtlich geforderten Verwendbarkeitsnachweisen. Bei Nachweisen des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes sind die entsprechenden Normen in jeweils gültiger Fassung zu beachten [DIBt 2014]. In den Lehmbau Regeln sind alle Lehmbaustoffe und –bauteile aufgenommen, die aktuell als regelungsbedürftig erscheinen, ausgenommen durch zusätzliche Bindemittel stabilisierte Lehmbaustoffe, die die wesentlichen Eigenschaften von Lehm verändern würden und die bisher – in Deutschland – kaum angewendet werden. Gegenüber der üblichen Darstellung von »Lehmbauweisen« ist die neue, praxisgerechtere Gliederung nach Baustoff und Bauteil hervorzuheben. So ist z. B. der Baustoff Leichtlehm unter § 3.5 geregelt, Leichtlehmsteine unter 3.7 und die verschiedenen Bauteile aus Leichtlehm unter § 4.3 Nichttragende Wände [Lehmbau Regeln 2009]. Neue DIN Normen Lehmbau Da die Lehmbau Regeln den gesamten Lehmbau umfassen, also auch örtlich ver­arbeitete Baustoffe, haben sie im Vergleich zu modernen Produktnormen noch einen vergleichsweise allgemeinen und grundsätzlichen Charakter. Mit den 2009 über­arbeiteten Lehmbau Regeln wurde bereits die Deklaration der wichtigsten Eigenschaften von im Werk hergestellten Lehmbaustoffen vorgeschrieben. Damit war der Weg zur Normierung von Lehmbauprodukten beschritten. Dafür wurde 2011 vom Dachverband Lehm DVL am Deutschen Institut für Normung (DIN) ein Arbeitsausschuss Lehmbau initiiert. Bereits 2013 konnten drei Normen über wichtige LehmProdukte herausgegeben gegeben werden: −− DIN 18945 Lehmsteine – Begriffe, Anforderungen, Prüfverfahren −− DIN 18946 Lehmmauermörtel – Begriffe, Anforderungen, Prüfverfahren −− DIN 18947 Lehmputzmörtel – Begriffe, Anforderungen, Prüfverfahren Voraussetzung für die vergleichsweise schnelle Normungsarbeit war die vorangegangene, von einer Arbeitsgruppe des Dachverband Lehm begleitete zweijährige Erarbeitung von fachlichen Grundlagen an der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung Berlin (BAM). Hier wurden Materialprüfverfahren entwickelt und eingeführte Verfahren angepasst. Die neuen Normen wurden zwar bisher nicht als technische Baubestimmung eingeführt, und sind auch nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in die Bauregelliste A des Instituts für Bautechnik Berlin aufgenommen worden (mit Fremdüberwachung und 194 Bauen mit Leichtlehm

Ü-Zeichen), gelten aber als anerkannte Regel der Technik. Die meisten deutschen Produkthersteller haben die DIN – Normgerechte Prüfung und Kennzeichnung ihrer Produkte als Marktvorteil erkannt. Internationale Vorschriften zum Bauen mit Lehm Soweit bisher Standards über das Bauen mit Lehm international eingeführt sind, geht es meist um massive, d. h. tragende Lehmbautechniken, also vor allem Wände in Lehmstampf- und Lehmsteinbauweise. Der weite Bereich der nichttragenden Ausfachungstechniken mit Lehmsteinen, Strohlehm oder Leichtlehm, Deckenfüllungen, Fußböden, Lehmputze dürfte allgemein als weniger sicherheitsrelevant, d. h. regelungsbedürftig gelten. Eine Ausnahme bilden die »clay straw guidelines« des Staates New Mexiko von 1998, die sinngemäß auch im Staat Oregon eingeführt wurden. Nach diesen Guidelines wurden seitdem in siebzehn US-Bundesstaaten zahlreiche Leichtlehmprojekte offiziell genehmigt [Guidelines 2001].

733 Genehmigung In Deutschland regelt das Institut für Bautechnik Berlin, für welche Bauprodukte die Verwendbarkeit nach Landesbauordnung nachgewiesen werden muss. Mit der Einführung der Lehmbau Regeln als Technische Baubestimmung für einen begrenzten Anwendungsbereich wurden werkmäßig oder auf der Baustelle hergestellte Lehmbaustoffe als »Sonstige Bauprodukte« gemäß Landesbauordnung eingestuft und sind damit von Verwendbarkeitsnachweisen befreit. Produkthersteller, die ihre Produkte wie andere Baustoffe überwachen lassen und z. B. mit einem Ü-Zeichen (überwacht) kennzeichnen wollen, können dies über eine Einzelzulassung erreichen. Soweit DINProduktnormen für im Werk hergestellte Lehmbaustoffe herausgegeben sind, wie z. B. für Lehmsteine und Lehmmörtel (s. o.), sind diese maßgebend für einheitliche Prüfung und Kennzeichnung. Nichtsdestoweniger gelten für alle örtlich an der Baustelle hergestellten Lehmbaustoffe und Lehmbauteile, also auch für Lehm-, Leichtlehmsteine und Lehmmörtel nach wie vor die bauaufsichtlich eingeführten Lehmbau Regeln. Genehmigung ohne offizielle Lehmbau-Vorschriften Solange es im Ausland (noch) keine ländereigenen Regelungen oder offizielle Vorschriften gibt, bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten, eine Baugenehmigung zu erlangen. Da es in der Regel um den Nachweis der Brauchbarkeit geht, hier vor allem auch Brand-, Feuchte- und Wärmeschutz, wird von den Behörden meist akzeptiert, wenn zur Beurteilung in anderen Ländern eingeführte Vorschriften und Normen als Referenz dienen. Zum Beispiel bieten in deutschsprachigen Ländern die Lehmbau Regeln und Lehmbau-DIN-Normen eine Orientierung, oder in USA die oben zitierten Guidelines des Staates New Mexiko. Auch Literatur oder frühere Normen können begründet herangezogen werden, so wie es auch in Deutschland in den ersten Pionierjahren praktiziert wurde. Der zweite Weg ist die Übertragung der Verantwortlichkeit auf den planenden Architekten oder Ingenieur, der sich im eigenen Interesse Planung und Kosten  195 

Rohdichte (kg/m3)

2000

1800

1600

1400

1200

1000

900

800

700

600

500

Wärmeleitzahl λ (W/mK)

1,1

0,91

0,73

0,59

0,47

0,35

0,3

0,25

0,21

0,17

0,14

Abb. 306 Rechenwerte der Wärmeleitfähigkeit [4108-4 2013]

an gültigen Regeln orientiert. Diese Praxis ist nicht die schlechteste und fördert im übrigen auch Innovation. In Australien ist dies, nachdem existierende Building Codes über Stampflehm und Lehmsteine zurückgezogen wurden, z.Zt. gängige Praxis.

734 Wärmeschutznachweis Der Energiebedarf eines Gebäudes wird – neben vielen anderen Faktoren – anhand der U-Werte der Außenbauteile errechnet (s. Kap. 811). Zur Einsparung fossiler Energie schreiben ständig verschärfte Wärmeschutzvorschriften Maximalwerte des Energieverbrauchs vor, wobei meist die Möglichkeit besteht, über ein Bilanzverfahren weniger dämmende mit besser dämmenden Bauteilen zu kompensieren. Beim Nachweis des Wärmeschutzes über den R oder U-Wert dürfen Rechenwerte der Wärmeleitzahl in Deutschland nur verwendet werden, wenn sie im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurden oder in DIN 4108 Wärmeschutz enthalten sind. Da dies bisher für Lehmbaustoffe nicht der Fall war, hat der Verfasser aus den ungünstigsten Angaben in Literatur und Normung abgeleitete Rechenwerte ­vorgeschlagen (s. Abb. 307), die in die Lehmbau Regeln und 2002 in die Neuausgabe der DIN 4108-4 aufgenommen wurden [DIN 4108-4 2013] (Abb. 306). Ausnahmen von den Wärmeschutz-Vorschriften können bei Baudenkmälern und besonders erhaltenswerter Substanz beantragt werden, wenn Wärmeschutzmaßnahmen die Substanz oder das Erscheinungsbild beeinträchtigen würden, z. B. durch zu dicke Innendämmschichten oder Verdecken bauhistorisch wertvollen Sichtfachwerks. Diese Ausnahme wäre bei Fachwerkbauten generell sinnvoll. Grundsätzlich sollte der Mindestdurchlaßwiderstand zur Verhinderung von Tauwasser angestrebt werden (s. Kap. 811). Nach der deutschen Energieeinsparverordnung (EnEV) kann im Übrigen von unwirtschaftlichen Wärmeschutzmaßnahmen, besonders im Bestand, auch Befreiung beantragt werden.

735

Nachweis der Baustoffeigenschaften

Für den Nachweis des Brandschutzes und Schallschutzes verweisen wir auf die Kap. 830 und 840. Die Eignung von Bauteilen, die in den entsprechenden Normen nicht klassifiziert sind, muss auf der Grundlage von Prüfungen ermittelt werden. Die wichtigsten Baustoffeigenschaften werden vom Raumgewicht bestimmt. Dieses lässt sich bei Fertigelementen aus Gewicht und Volumen errechnen, bei örtlich 196 Bauen mit Leichtlehm

hergestellten Bauteilen hinreichend genau mit Probewürfeln ermitteln, die in einer auseinandernehm­baren Form hergestellt werden [s. Lehmbau Regeln 2009]. Die Form sollte nicht zu klein sein, die Seitenlängen etwa der Wanddicke/Schnittlänge des Strohs entsprechen. Mehrere Würfel werden mit gleicher Mischung und Verdichtung hergestellt wie das entsprechende Bauteil. Sie werden gekennzeichnet und bei 60 bis 80 °C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Das Raumgewicht wird aus dem Mittelwert bestimmt: Raumgewicht = Trockengewicht/Rauminhalt [kg/dm3] oder [kg/m3]

740 Planung, Ausschreibung und Bauleitung

Die Bedeutung einer guten konstruktiven Planung und einfachen Architektur wird mangels Erfahrung oft unterschätzt. Bauherren und Architekten sollten sich sachkundig machen und evtl. von Fachleuten/Unternehmen beraten lassen. Auch das Bauen mit Lehm ist umso problemloser und kostengünstiger, je durchdachter die Planung und Konstruktion ist. Lehm-Fertigbaustoffe können die Planung erleichtern. Durch Produktinformationen, Verarbeitungsregeln und fachliche Beratung durch den Hersteller lassen sich Lehmbaustoffe in die übliche Praxis der Planung und Bauvorbereitung einordnen. Für Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung kann man sich an Leistungsbeschreibungen und Richtpreisen orientieren, wie sie heute von Herstellern, Firmen und Verlagen angeboten werden. Die Bauleitung sollte ein in Lehmbauarbeiten ausreichend erfahrener Fachmann übernehmen.

750 Verarbeitung in Selbsthilfe

Unter fachlicher Anleitung und Betreuung sind Lehmbau-Techniken leicht zu erlernen und körperlich nicht zu anstrengend. Laien, Helfer, Freunde, die ganze Familie kann mitarbeiten. Mit Lehm zu bauen bereitet Freude und kann die Bauzeit zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Das Besondere an Lehmbaustoffen ist: Lehm bindet nicht ab, sondern trocknet langsam. So kann die Verarbeitungszeit mit Wasser beliebig verlängert werden, angetrocknete Reste und Bauschutt lassen sich jederzeit weiterverwenden. Das Material ist hautfreundlich und nicht ätzend wie Kalk oder Zement. Arbeitsgerät, verschmutzte Bauteile lassen sich später noch leicht mit Wasser reinigen. Alle diese Eigenschaften machen Lehmbaustoffe zum idealen Selbstbaumaterial. Mit Fertigbaustoffen entfällt die langwierige Aufbereitung, die Organisation ist einfacher, die Baustelle ist sauberer. Mit den Baustoffen werden ihre Verarbeitungsregeln mitgeliefert, die Anwendung ist sicherer. Eigenleistungen können auch teilweise eingebracht werden: Eine Firma verleiht Gerät, Maschinen, liefert Material und gibt Einweisungen. Die arbeitsintensiven Arbeiten werden zur Kosteneinsparung in Eigenhilfe geleistet. Solche Modelle werden generell an Bedeutung gewinnen. Firmen werden sich auf solche Dienstleistungen einstellen und spezialisieren. Planung und Kosten  197 

760 Fehlerquellen

Für viele ist das Bauen mit Lehmbaustoffen zunächst neu und so werden sich Ungeschicklichkeiten und evtl. auch Fehler nie ganz vermeiden lassen. Immerhin ist bei nichttragenden Ausfachungen die Standsicherheit nicht gefährdet und Fehler sind korrigierbar. Mauerwerk aus Lehm- und Leichtlehmsteinen wird kaum Schwierig­keiten bereiten. Schlechte Steine kann man aussortieren, das Vermauern ist problem­los. Dagegen ist die örtliche Herstellung – der feuchte Einbau von Leichtlehm – mit Sorgfalt und Vorsicht anzugehen, besonders wenn sehr leichte Mischungen mit guter Wärmedämmung beabsichtigt sind. Bei fehlerhafter Ausführung kann Leichtlehm aus organischen Zuschlägen wegen des geringen Lehmanteils kompostieren. Solche Stellen trocknen nicht, sie fühlen sich lange feucht an, das Stroh und benachbartes Holz vermulmen. Betroffene Bauteile müssen dann evtl. ausgebaut werden! Als mögliche Fehlerquellen für eine solche Kompostierung sind bei der Ausführung auszuschließen: [Volhard 1990] Lehm −− Verwendung von zu magerem Lehm, zu dünnflüssige Verarbeitung −− Lehmprüfung nach Augenschein oder mit Handprüfmethoden ohne nötige Erfahrung, Bindekraftermittlung durch ungeeignete Methoden, z. B. der Bestimmung des »prozentualen Tonanteils« < 2  µm (s. Kap. 215) −− Verunreinigung des Lehms durch Mutterboden (= Kompoststarter!) −− Kalkzugabe (= Magerung und Kompostierungsunterstützung!) (s. Kap. 319) Zuschlag −− zerfasertes, weiches, kurzes Stroh, Strohhäcksel (die Strohdichte ist bei kurzen Halmen erheblich höher, deren größere Oberfläche würde einen höheren Lehm­ anteil erfordern) −− Unkraut- und Grünzeuganteile, Stroh mit hohem Blattanteil Mischung −− ungenügende Umhüllung der Zuschläge mit zu flüssig aufbereiteter Lehmschlämme (feuchtes Stroh ist kein Leichtlehm!) −− zu nasser Einbau Bauteile −− zu dicke Wände −− zu dicke Schichten in Kombination mit verlorenen Schalungen Behinderung der Trocknung −− zu frühes Anbringen von Verkleidungen −− zu frühes Verputzen vor Austrocknung −− Verkleben der Fensteröffnungen mit Folie, zu früher Einbau und Schließen der Fenster 198 Bauen mit Leichtlehm

800 Bauphysikalische Eigenschaften 810 Wärmeschutz

Wärmedämmung von Außenbauteilen ist Voraussetzung für eine energiesparende Beheizung und eine behagliche Wandoberflächentemperatur. Wärmespeicherung schützt vor zu starker Erwärmung oder Auskühlung bei wechselhafter Wärmeeinwirkung – z. B. Sonneneinstrahlung, Nachtabkühlung, Heizungsunterbrechungen – und ermöglicht ein ausgeglichenes Raumklima. Mangelnde Wärmespeicherung von Außenwänden kann durch bessere Wärmedämmung in gewissem Grad kompensiert werden, dagegen kann ungenügende Wärmedämmung durch höhere Wärmespeicherung nicht ersetzt werden, jedenfalls nicht in Ländern, wo Kälte und Frost dafür sorgen, dass fast das halbe Jahr ein Temperaturgefälle von innen nach außen besteht. Wärmedämmung und -speicherung eines Stoffes verhalten sich umgekehrt zueinander: Leichte, lufthaltige Dämmstoffe dämmen gut, können aber kaum Wärme speichern, schwere, dichte Stoffe leiten und speichern Wärme gut, dämmen aber schlecht. Das Verhältnis zwischen Dämmung und Speicherung eines Baustoffs oder eines Bauteils, die sog. Wärmedämpfung, gibt am ehesten Aufschluss über die Tauglichkeit für den instationären Wärmeschutz. Gute Wärmedämpfung wird durch die Kombination speichernder und dämmender Stoffe in mehrschaligen Bauteilen oder, unkomplizierter, durch einschalige Konstruktionen aus einem mittelschweren Material erreicht, das beide Eigenschaften ausgewogen in sich vereinigt: Leichtziegel, Gasbeton, Holz oder eben Leichtlehm.

811 Wärmedämmung Wärmeleitzahl λ Die geringe Wärmeleitung von Leichtlehm beruht auf dem hohen Anteil an Luft, die in winzigen Poren im Stroh und in Hohlräumen eingeschlossen ist. Die Wärmeleitzahl λ (W/m K) ist direkt abhängig vom Raumgewicht, das wiederum vom StrohLehm-Mischungsverhältnis bzw. dem Gewichtsanteil des Lehms und dem Grad der Verdichtung bestimmt wird (s. Kap. 334). Das Raumgewicht wird durch Probewürfel ermittelt (s. Kap. 735). Für die Wärmeleitzahl dürfen nur in Wärmeschutzvorschriften festgelegte Rechenwerte verwendet werden, in Deutschland die in DIN 4108-4 aufgeführten Werte (s. Kap. 734). Rechenwerte berücksichtigen den praktischen Feuchtegehalt. Bis 1969 waren noch wenige Werte für Lehmbaustoffe in DIN 4108 enthalten, in der Folgeausgabe 1981, nachdem die Lehmbaunormen 1971 zurückgezogen waren, jedoch nicht mehr. Lange war man auf Werte aus früherer Normung, Literaturangaben und Messungen angewiesen, die 1983 in der Erstausgabe dieses Buches zusammengestellt waren (Abb. 307).

Bauphysikalische Eigenschaften  199 

Wärmeleitzahl λλ (W/mK)

0

0.1

0.2

0.3

Raumgewicht (kg/m³) 0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1.0

1.1

1.2

14

14

12s,13 12h 14 12s

10

12h,13 11

1 14 12m 19

6,8 2 3

19 19 9

13 1

12m 9 2,7,13 5 3

7

7

5

2 7 1

6

12 12

4 2

3 2

1 [Niemeyer 1946] S. 103, 116 2 [Hölscher u. a. 1947] Anhang II, S. 89 3 Quellen: [DIN 18951 Bl. 2, 1951] 4 1Vornorm [DIN 18953 Bl. 1,S.103, 1956] 116 [Niemeyer 1946] 5 DIN 4108 Ausgabe 1969 2 [Hölscher u.a. 1947] Anhang II, S.89 6 [Beidatsch 1946] S. 14 7 3[Eichler 1972] TafelBl.2, 56 1951] [DIN 18951 8 4[Pollack/Richter 1952] S. 19 Bl.1, 1956] Vornorm [DIN 18953

7

5 13

ungünstigste Werte der Wärmeleitzahl (W/mK)

200

0.09

300

0.10

400

0.12

500

0.14

600

0.17

700

0.21

800

0.25

900

0.30

1000

0.35

1100

0.41

1200

0.47

1300

0.53

1400

0.59

1500

0.65

1600

0.73

1700

0.81

1800

0.91

1900

1.01

2000

1.10

2100

1.25

2200

1.40

9 [Vanros 1981] S. 97 10 [Kaspereit 1947a] S. 19 11 [CSTB 1984] [ETH Zürich 1994] S. 16 h Holzleichtlehm 9 12  [Vanros 1981] S.97 s Strohleichtlehm m Mineralischer Leichtlehm 10 1947a] 13 [Kaspereit SIA D 0111 [SIA 1994a] S.S.19 71 14 [CSTB [Forest 1984] Products Lab 2004] S. 2 11

12 [ETH Zürich 1994] S.16 h Holzleichtlehm s 5 DIN 4108 Ausgabe 1969 Strohleichtlehm m Mineralischer Leichtlehm Abb. 307 Rechenwerte der Wärmeleitfähigkeit von Lehmbaustoffen in Literatur und Normung 6 [Beidatsch 1946] S.14 13 SIA D 0111 [SIA 1994a] S.71 7 [Eichler 1972] Tafel 56 14 [Forest Products Lab 2004] S.2 8 [Pollack Richter 1952] S.19

Der Verfasser hat vorgeschlagen, aus den abweichenden Angaben die jeweils ungünstigsten Werte der Wärmeleitzahl zu verwenden – im Diagramm die hervorgehobene Kurve. Die Werte von Lehmbaustoffen mit einer Rohdichte ab 500 kg/m3 wurden 2002 in DIN 4108-4 aufgenommen. Einheitlich normengerechte Messungen wären zu begrüßen, da sie etwas günstigere Werte erwarten lassen. Bessere Werte sind nach DIN EN 12664 nachzuweisen.

200 Bauen mit Leichtlehm

Rohdichte kg/m3

Wärmeleitzahl

Spezifische Wärme2

Wärmespeicherzahl2

Wärmeeindringzahl

λ

c

S

b

Wasserdampfdiffusionswider­ standszahl3 μ

W/mK

kJ/kgK

kJ/m3K

kJ/m2h0,5K



SLL2 Leichtlehm

HLL

SLL

HLL

i. M.

3001

0,1

1,3



400



12

4001

0,12

1,2



500



14

600

0,17

1,1

1,5

700

900

20

800

0,25

1,1

1,4

900

1100

28

1000

0,35

1,1

1,3

1100

1300

37

1500

2/5

3/5

1200

0,47

1,0

1,2

1200

1400

0,59

1,0

1,1

1400

54

1600

0,73

1,0

1600

65

1800

0,91

1,0

1800

77

2000

1,13

1,0

2000

90

Schwerbeton

2400

2,1

1,0

2400

135

70/150

Vollziegel

1800

0,81

1,0

1800

72

5/10

Leichtziegel

800

0,33

1,0

800

31

5/10

Porenbeton

600

0,19

1,0

600

24

5/10

Nadelholz

600

0,13

2,1

1260

24

40

HWL-Platte

400

0,09

2,1

840

17

2/5

Mineralwolle

80

0,04

1,0

80

3

1

Strohlehm Massivlehm

45 5/10

zum Vergleich:4

1 Leichtlehm einer Rohdichte < 600 kg/m3 ist nur mit fettem Lehm herstellbar 2 SLL = Strohleichtlehm, HLL = Holzleichtlehm. Die spezifische Wärme von mineralischem Leichtlehm ist c = 1,0 kJ/kgK, die Wärmespeicherzahl S entspricht damit der Rohdichte 3 Bei Berechnungen ist der ungünstigste Wert zu verwenden 4 Rechenwerte nach DIN 4108

Abb. 308 Wärmeschutz von Lehmbaustoffen, Stoffwerte

Wärmedurchlasswiderstand R Die Wärmedämmung ist von der Wanddicke s und der Wärmeleitfähigkeit λ der Baustoffe abhängig und wird ausgedrückt durch den Wärmedurchlasswiderstand R = Σ s/λ (m2K/W) Je höher der Wärmedurchlasswiderstand, desto weniger Wärme fließt von der warmen zur kalten Seite, desto besser ist die Wärmedämmung. Ausreichende Wärmedämmung ist auch eine Voraussetzung für trockene Wände. Auf Bauteilen mit zu niedrigem Wärmedurchlasswiderstand und Wärmebrücken könnte Raumfeuchte an der kalten Wandoberfläche als Tauwasser niederschlagen (s. Kap. 825). Um Oberflächenkondensat auf Bauteilen zu vermeiden, sind in Wärmeschutzvorschriften Mindestwerte des Wärmedurchlasswiderstands festgelegt, in DIN 4108-2 2013 z. B. für Außenwände z. B. R ≥ 1,20 m2K/W. Mit Leichtlehm sind schon in geringer Schichtstärke wesentlich bessere Werte erreichbar (Abb. 309). Daher sind beim Leichtlehmbau Wärmebrücken leicht zu vermeiden, zumal das eingebettete Holz ähnliche Wärmeeigenschaften hat.

Bauphysikalische Eigenschaften  201 

Raumgewicht

Wärmeleitzahl λ

Wärmedurchlasswiderstand R (m2K/W) bei Schichtdicke s =

kg/m3

W/mK

10

15

20

25

30

35 cm

3001

0,10

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

4001

0,12

0,83

1,25

1,67

2,08

2,50

2,92

600

0,17

0,59

0,88

1,18

1,47

1,76

2,06

800

0,25

0,40

0,60

0,80

1,00

1,20

1,40

1000

0,35

0,29

0,43

0,57

0,71

0,86

1,00

1200

0,47

0,21

0,32

0,43

0,53

0,64

0,74

1 nur mit fettem bis sehr fettem Lehm herstellbar

Abb. 309 Wärmedurchlasswiderstand von Leichtlehmschichten

Wärmedurchgangskoeffizient U Der Wärmedurchgangskoeffizient U (früher k-Wert) kennzeichnet den Wärmedurchgang eines Bauteils als Kehrwert der Summe der Wärmedurchlasswiderstände R aller Baustoffschichten und der unterschiedlichen Wärmeübergangswiderständen Ri und Ra der Bauteiloberflächen: Wärmedurchgangskoeffizient U = 1/(Ri + R + Ra) (W/m2K) Lehmbauteile erreichen geforderte U-Werte in der Regel nur mit zusätzlichen Dämm­schichten. Auch einschalige 30 cm dicke Leichtlehmwände im feuchten Einbau genügen meist nicht mehr den Vorschriften, wenn sie für ausreichende Festigkeit nicht viel weniger als 600 kg/m3 Rohdichte haben sollen. Jedoch zeigen realisierte Projekte (s. Projektkapitel), dass auch erheblich niedrigere Dichten von Strohleichtlehm bis 250 kg/m3 möglich sind. Voraussetzung ist fetter Lehm oder Ton und zuverlässig homogene Mischverfahren. Die Oberflächenfestigkeit kann wie beim Strohballenbau mit einem dickeren Stroh- oder schwerem Strohleichtlehmputz erzielt werden. Bezüglich Wärmespeicherung, Feuchte-, Brand- und Schallschutz sind solche Wände Strohballenwänden überlegen. Weitere Möglichkeiten bieten sich mit trocken oder leicht erdfeucht eingebauten (Holz-) Leichtlehmmischungen und mit Mauerwerk aus großformatigen Leichtlehmsteinen oder -blöcken. Dämmschichten – aus diffusionsoffenen und kapillar leitfähigen Naturfaserdämmstoffen – können sehr vielfältig als verlorene Schalung, nachträglich aufgebracht oder eingeblasen werden, wie die Konstruktionsbeispiele zeigen. Lehm- und Leichtlehmschichten übernehmen Aufgaben des Schallschutzes, der Wärmespeicherung/ Dämpfung, des Brandschutzes, der Luftdichtigkeit, sie bringen Masse in das Bauteil. Wenn ohnehin zusätzlich gedämmt wird, kann man für alle Bauteile auch schwere Lehmbaustoffe einsetzen: mittlere bis schwere Mischungen (800–1200 kg/m3), Faseroder Strohlehm, Lehmschüttungen oder Lehmsteine. U-Werte bilden allerdings den Wärmeverlust eines Bauteils nur sehr vereinfacht ab. Faktoren wie Wärmespeicherung, Sonneneinstrahlungsgewinne, Farbgebung, Anordnung der Wärmedämmung innen oder außen, Strahlungs- oder Konvektionsheizung, fossil oder solar/nachwachsend beheizt, Zonierung der Grundrisse – solche Energiesparpotenziale werden ausgeblendet. Die Aussagekraft des rechnerischen U-Wertes wird allgemein überschätzt, was auch – besonders im Bestand – unwirtschaftliche Fehlinvestitionen zur Folge haben kann. Schließlich gibt der U-Wert allein 202 Bauen mit Leichtlehm

keinen Aufschluss über das energiesparende – und komfortsteigernde – Dämpfungsverhalten bei Temperaturschwankungen, das bei schwereren Baustoffen besonders ausgeprägt ist. 812 Wärmespeicherung Je mehr Wärme erforderlich ist, um das Volumen eines Stoffes auf ein höheres Temperaturniveau zu bringen, und je mehr Wärme er bei Abkühlung abgibt, desto höher ist seine Wärmespeicherung. Man unterscheidet Stoff- und Bauteileigenschaften. Spezifische Wärmekapazität c Die spezifische Wärme ist die erforderliche Energie, um ein Kilogramm eines Baustoffs um ein Grad Kelvin (K) zu erhöhen. Für die Wärmespeicherung eines Baustoffkörpers ist vor allem sein Raumgewicht entscheidend. Sie wird charakterisiert durch die Wärmespeicherzahl. Stoffwerte: Spezifische Wärme c (kJ/kgK) Wärmespeicherzahl S = c . ρ (kJ/m3K) Die spezifische Wärme von Lehmbaustoffen wird angegeben mit c = 1,0 kJ/kgK, Stroh und Holzhackschnitzel haben eine etwa doppelte spezifische Wärme, c = 2,0 kJ/kg K, ihr Gewichtsanteil im Leichtlehm ist aber relativ gering. Sind dieser Anteil und das Raumgewicht bekannt, lässt sich die erhöhte spezifische Wärme von Stroh- und Holzleichtlehm wie folgt berechnen: cLL = 1 + (cF – cL) . F/ρLL (kJ/kgK) cF = spezifische Wärme des Faserstoffs (kJ/kgK) cL = spezifische Wärme des Lehms (kJ/kgK) F = Faserstoffanteil (kg/m3) ρLL = Raumgewicht des Leichtlehms (kg/m3) Der Faserstoffanteil und damit die spezifische Wärme können bei Stroh- und Holzleichtlehm erhöht werden durch: −− kurze Schnittlängen der Fasern, z. B. Häckselbeimischungen −− Verwendung feiner Fasern, z. B. Haferstroh, Sägespäne −− Verwendung von Holzhackschnitzeln −− geringen Lehmanteil, d. h. dünnflüssige Schlämme aus fetterem Lehm Feine Fasern bilden allerdings eine größere Oberfläche, die zur Umhüllung einen größeren Lehmanteil erfordert. Bei Holzhackschnitzeln ist dies wegen des hohen Eigenvolumens nicht der Fall. Mineralische Zuschläge erhöhen die spezifische Wärme nicht. Die Wärmespeicherung mittleren bis schweren Leichtlehms (800 bis 1200 kg/m3) entspricht etwa der von Massivbaustoffen der gleichen Dichte. Organische Stoffe, z. B. Holz oder Stroh – mit höherer spezifischer Wärme –, speichern Wärme, obwohl sie leicht sind. Darum erhöht sich bei Holz- oder Stroh-Leichtlehm die Wärmespeicherung mit steigendem Zuschlaganteil um das 1,1 bis 1,6-fache des Raumgewichts (Abb. 308, 312). Bauphysikalische Eigenschaften  203 

Rohdichte

Schichtstärke

Flächengewicht

Spezifische Wärme

Wärmespeicherfähigkeit

Wärmeleitzahl

ρ

s

M

c

Q

λ

R

kg/m3

m

kg/m2

kJ/kgK

kJ/m2K

W/mK

m2K/W

Wärmedurchlasswiderstand

1 Außenwand verputzt Faserlehmputz

1000

0,02

20

1,1

22

0,35

0,06

Strohleichtlehm

500

0,30

180

1,2

210

0,14

2,50

Faserlehmputz

1 000

0,02

20

1,1

22

0,35

0,06

Kalkputz

1800

0,02

36

1,0

36

0,87

0,02

R=

2,64

Gesamt

s = 0,41

M = 251

Q = 290

Ri+Ra=

0,17

1/U=

2,81

U=

0,36

2 Mauerwerk mit Innendämmung Lehmputz

1600

0,005

8

1,0

8

0,73

0,01

Leichtlehmplatte

700

0,025

18

1,1

19

0,21

0,12

Dämmstoff 045

50

0,14

7

2,1

15

0,040

3,50

Leichtlehm­

700

0,12

84

1,1

92

0,21

0,57

1800

0,02

36

1,0

36

0,87

0,02

R=

4,22

Mauerwerk Außenputz

Gesamt

s = 0,29

M = 109

Ri+Ra=

0,21

1/U=

4,43

Q = 165

U=

0,23

0,06

3 Außenwand verputzt mit Dämmschicht Faserlehmputz

1000

0,02

20

1,1

22

0,35

Holzleichtlehm

400

0,20

80

1,7

136

0,12

1,67

Schilfrohrplatte

155

0,10

16

2,0

31

0,055

1,82

Kalkputz

1800

0,02

36

1,0

36

0,87

0,02

R=

3,56

Gesamt

s = 0,34

M = 152

Q = 225

Ri+Ra=

0,21

1/U=

3,77

U=

0,26

4 Außenwand verkleidet mit Dämmschicht Kalkputz

1800

0,02

36

1,0

36

0,87

0,02

Strohleichtlehm

800

0,12

96

1,1

106

0,25

0,48

Dämmstoff 045

50

0,14

7

2,1

15

0,040

3,50

Weichfaserplatte

270

0,02

5

2,0

11

0,055

0,36

15

2,0

30 R=

4,37

Hinterlüftung Holzschalung

Gesamt

0,025 600

0,025

s = 0,35

Abb. 310 Wärmedämmung von Leichtlehmbauteilen, Außenwände

204 Bauen mit Leichtlehm

M = 159

Q = 197

Ri+Ra=

0,21

1/U=

4,58

U=

0,22

Rohdichte

Schichtstärke

Flächengewicht

Spezifische Wärme

Wärmespeicherfähigkeit

Wärmeleitzahl

Wärmedurchlasswiderstand

ρ

s

M

c

Q

λ

R

kg/m3

m

kg/m2

kJ/kgK

kJ/m2K

W/mK

m2K/W

5 Wärmedämmende Decke Faserlehmputz

1000

0,02

20

1,1

22

0,35

0,06

Strohleichtlehm

1000

0,10

100

1,1

110

0,35

0,29

Dämmschüttung 040

50

0,20

10

2,1

21

0,040

5,00

Holzdielen

600

0,02

12

2,0

24

0,13

0,15

R=

5,50

Gesamt

s = 0,34

M = 142

Ri+Ra=

0,21

1/U=

5,71

Q = 177

U=

0,18

0,06

6 Wärmedämmende Decke Faserlehmputz

1000

0,02

20

1,1

22

0,35

Schilfrohrplatte

155

0,05

8

2,0

16

0,055

0,83

Holzleichtlehm

600

0,10

60

1,5

90

0,17

0,59

Dämmschüttung 040

50

0,14

7

2,0

14

0,040

3,50

Holzdielen

600

0,02

12

2,0

24

0,13

0,15

Gesamt

s = 0,33

M = 107

0,02

12

R=

5,21

Ri+Ra=

0,21

1/U=

5,42

Q = 166

U=

0,18

2,0

24

0,13

0,15

7 Dachdämmung Holzverkleidung

600

Luftschicht

0,03

0,17

Faserlehmputz

1 000

0,01

10

1,1

11

0,35

0,03

Schilfrohrplatte

155

0,10

16

2,0

31

0,00

1,67

Strohleichtlehm

300

0,18

54

1,3

70

0,055

1,82

Lehmverstrich

1 000

0,01

10

1,1

11

0,35

0,03

0,05

0 1,0

50

Hinterlüftung Dachziegel

50

Gesamt

s = 0,40

M = 156

R=

4,00

Ri+Ra=

0,21

1/U=

4,21

Q = 206

U=

0,24

8 Dachdämmung Faserlehmputz

1 000

0,01

10

1,1

11

0,35

0,03

Strohleichtlehm

1 000

0,06

60

1,1

66

0,35

0,17

Dämmstoff 040

50

0,22

11

2,3

25

0,040

5,50

Weichfaserplatte

270

0,02

5

2,0

11

0,055

0,36

50

1,0

50

Hinterlüftung

0,05

Dachziegel

Gesamt

s = 0,36

M = 136

Q = 163

R=

6,06

Ri+Ra=

0,21

1/U=

6,27

U=

0,16

Abb. 311 Wärmedämmung von Leichtlehmbauteilen, Decken und Dachdämmung

Bauphysikalische Eigenschaften  205 

812-01 CAD

Faserstoffanteil (Stroh, Holzfasern cF=2 kJ/kgK): 50 cF=2 kJ/kgK): Raumgewicht kg/m3 kg/m3

100

150

200

250

300 kg/m³

300 400 500

c = 1,7 Ballenstroh stroh

600

c=

700

c=

800

Feine Fasern

900

1,3

1,4

Hackschnitzel

1,2

c= 1,1

,05

1100

c=1

1000

c=

c=1 ,6 c=1 ,5

1200 Abb. 312 Spezifische Wärme c von Leichtlehm, abhängig vom Faserstoffanteil

Wärmespeicherung des Bauteils Die Wärmespeicherung eines Bauteils ist abhängig von der spezifischen Wärme c, der Rohdichte ρ und dem Volumen der Speichermasse, das heißt von der Bauteilstärke. Bauteilwert: Wärmespeicherfähigkeit Q = c . ρ . s (kJ/m2K) oder: Q = Wärmespeicherzahl S . Bauteildicke s (kJ/m2K) Bei Schwankungen der Lufttemperatur und Wärmeeinstrahlung pendelt sich ein wärmespeichernder Stoff auf ein mittleres Temperaturniveau ein. Dies ist günstig im Sommer, wenn z. B. durch Nachtlüftung innere Speichermasse für den Tag gekühlt wird, aber auch im Winter, um die tagsüber eingestrahlte Sonnenenergie für die Nacht zu speichern. Unerwünscht ist dieser Effekt jedoch bei Räumen, die schnell aufzuwärmen sein oder schnell auskühlen sollen, z. B. Wochenendhäuser, Schlafoder Arbeitsräume. Speichermassen lassen sich am wirkungsvollsten im Hausinnern, in den flächen­ intensiven Innenwänden und Decken unterbringen. Die Außenwände sollten in nördlichen Regionen eher wärmedämmen als speichern. Wird die Dämmung innen angeordnet, puffert die außenliegende Speichermasse die Tag/Nacht-Temperatur­ schwankungen, speichert eingestrahlte Sonneneinstrahlung und hebt so das ­Temperaturniveau der Außenschale auf eine höhere Mitteltemperatur an. Somit kann eine innere Dämmschicht auch dünner sein (s. Projekt 27). Diese einfache Nutzung der Sonnenenergie wird durch das heute weit verbreitete allseitige und undifferenzierte Einpacken der Häuser mit gigantischen Dämmschichtdicken ausgeschlossen. Erlaubt der Grundriss keinen speichernden Innenausbau in Decken, Wänden und Dach, lassen sich unerwünschte Temperaturschwankungen auch durch sog. thermische Puffer vermeiden: Dachräume, hinterlüftete Verkleidungen, Beschattung durch Bäume, Fassadenbegrünung, Balkone und Dachüberstände.

206 Bauen mit Leichtlehm

815-01 CAD

24 h

Phasenverschiebung φ

24 h Δti

ti

Δt = ti - ta

Δta ta

Amplitudendämpfung = Δta / Δti Temperaturamplitudenverhältnis TAV= Δti / Δta Je höher Δta, desto wichtiger ist Wärmedämpfung Je höher Δt = ti - ta, desto wichtiger ist Wärmedämmung

815-02 CAD

Abb. 313 Amplitudendämpfung und Phasenverschiebung

Baustoff (ohne Putz)

Raumgewicht kg/m³

Leichtlehm

300

28

Leichtlehm

400

27

HWL-platte

400

17

Leichtlehm

600

28

1.65

Porenbeton

600

30

1.58

Nadelholz

600

17

Leichtlehm

800

29

Leichtziegel

800

35

Leichtlehm

1000

31

Leichtlehm

1200

35

Strohlehm

1400

35

Strohlehm

1600

36

0.49

Vollziegel

1800

36,5

0.45

Massivlehm

1800

39

Schwerbeton

2400

52

Erforderliche Wanddicke bei gleicher Wärmedämpfung * s (cm)

Bei dieser Dicke sich ergebende Wärmedämmung (Wärmedurchlasswiderstand) R (m²K/W) 2.80 2.25 1.83

1.31 1.16 1.06 0.89 0.74 0.59

0.43 0.24

= 36,5 cm als Maßstab Maßstab * Auskühlzeit 82 h einer Vollziegelwand ss=36,5 cm als Abb. 314 Wärmedämmung von Baustoffen bei gleicher Dämpfung

Bauphysikalische Eigenschaften  207 

813

Wärmeableitung und -aufnahme

In welcher Geschwindigkeit ein Stoff Wärme aufnimmt oder abgibt, wird gekennzeichnet durch die Wärmeeindringzahl b = √c . ρ . λ (kJ/m2h0,5K) Ein niedriger b-Wert bedeutet schnelle Erwärmung, die Oberfläche fühlt sich warm an. Je größer der Wert, desto langsamer erwärmt sich der Stoff bei ­gleicher Wärme­ zufuhr. Weil die Wärme schneller in das Stoffinnere abgeleitet wird, fühlen sich solche Stoffe kalt an. Leichtlehm mittlerer Dichte (800 kg/m3) ist etwa so »warm« wie Holz (Abb. 308). Bei Wärmeübertragung durch ­Strahlung oder Konvektion gilt das Gleiche: Wandoberflächen mit kleinem b-Wert sind beim Aufheizen schneller warm, sie bremsen die Wärmeableitung. Daher die Behaglichkeit einer inneren Holzverkleidung oder von Faserlehmputz.

814 Oberflächentemperatur Die innere Oberflächentemperatur von Außenwänden ist bei theoretisch konstantem Temperaturgefälle in erster Linie von der Wärmedämmung abhängig: Oberflächentemperatur tio = ti – Ri (ti – ta) / (Ri + R + Ra) (°C) Die Oberflächentemperatur ist entscheidend für die Behaglichkeit und sollte nicht mehr als zwei Grad unter der Raumlufttemperatur liegen. Dabei spielen auch die Wärmedämpfung und die Art der Beheizung, d. h. der Anteil an Strahlung und Konvektion eine wichtige Rolle. Mit einer 40er Massivwand aus Vollziegel oder entsprechend schweren Lehm­ baustoffen verglichen, liegt bei etwa gleicher Wärmedämpfung (s. u.) die Ober­ flächentemperatur einer 25er Leichtlehmwand selbst bei –10°C Dauerfrost mit tio = 18°C noch im Behaglichkeitsbereich. Dieselbe Oberflächentemperatur ließe sich im Massivhaus zwar durch Anhebung der Raumlufttemperatur von 20 auf 25°C erreichen, der Wärmeverlust der Außenwand wäre aber dann etwa dreimal so hoch wie der der Leichtlehmwand.

815 Wärmedämpfung Wie stark und mit welcher Zeitverschiebung sich Schwankungen der Außentemperaturen an der Innenoberfläche einer Außenwand bemerkbar machen und damit das Raumklima beeinflussen, wird durch die Wärmedämpfung ausgedrückt. Grundsätzlich kann man gute Wärmedämpfung sowohl durch Wärmedämmung als auch durch Wärmespeicherung erreichen. Je nach Klimazone liegt das Gewicht mehr auf dem einen oder anderen. Somit kann die erwünschte Wärmedämpfung zwar durch wärmespeichernde Wände erreicht werden, je mehr aber die mittlere Außentemperatur von der 208 Bauen mit Leichtlehm

­ ormalen Innentemperatur abweicht, desto notwendiger wird Wärmedämmung n (Abb. 313). Beispiel: Wenn die Außentemperatur täglich um einen Mittelwert schwankt, der im Bereich der Behaglichkeit liegt: z. B. tags + 30°C, nachts + 10°C, tm= 20°C, ermöglichen dicke, schwere Wände eine gute Wärmedämpfung, wie etwa die Massivlehmbauten in Nordafrika. In nördlichen Klimazonen liegt dieser Mittelwert fast immer unter 20°C. Hier müssen deshalb Außenwände auch eine gute Wärmedämmung haben. Die Schwankung der inneren Oberflächentemperatur Δti soll nach Eichler bei Außenwänden nicht mehr als 1/15 der Außentemperaturschwankung Δta betragen: Amplitudendämpfung Δta/Δti = 15 Die Schwankung soll sich außerdem erst mit einer Phasenverschiebung von mind. 6 bis 10 Std. innen bemerkbar machen (Abb. 313). Diese Dämpfungswerte werden ziemlich genau von einer 36,5er Vollziegelwand (1800 kg/m3) erreicht, ohne jedoch nach heutigen Anforderungen ausreichend wärmedämmend zu sein. Wie dick Wände aus Leichtlehm – und zum Vergleich auch anderer Baustoffe – sein müssen, um die gleiche Dämpfung der Ziegelwand zu erzielen, und welche Wärmedämmqualität sich dabei ergibt, zeigt Abb. 314. Als Maßstab dient bei diesem Vergleich die sog. Auskühlzeit der Ziegelwand [Gösele/Schüle 1965]: Auskühlzeit = Wärmespeicherfähigkeit · Wärmedurchlasswiderstand = Q . R = c . ρ . s2 / λ (h) Auskühlzeit Vollziegel (s = 36,5 cm) = 1,0 . 1800 . (0,365)2 / 0,81 . 3,6–1 = 82 h Aus dem Vergleich wird deutlich, dass −− einschichtige Leichtlehmbauteile (bis 800 kg/m3) schon in geringen Stärken Temperaturschwankungen hervorragend dämpfen, −− dabei mit überdurchschnittlicher Wärmedämmung Transmissionswärmeverluste vermindern und damit −− durch hohe Oberflächentemperaturen ein ausgezeichnetes Raumklima schaffen. Diese Eigenschaften sind mit speichernden, aber wärmeleitenden Stoffen nur durch zusätzliche Wärmedämmung in mehrschichtigem Wandaufbau erreichbar. Werden Putzschichten, Verkleidungen beim Dachausbau das Gewicht der Deckung mitberücksichtigt, erhöht sich gerade bei leichten Stoffen die Dämpfung erheblich.

820 Feuchte / Trocknung

Trockene Wände sind Voraussetzung für gute Wärmedämmung, angenehmes Raumklima und Dauerhaftigkeit der Baukonstruktion. Die Beachtung des Feuchteschutzes und die bauphysikalisch richtige Konstruktion sind dazu Bedingung. Aufgrund der hervorragenden Trocknungseigenschaften sind Lehmbaustoffe und besonders Leichtlehm ideales Ausfachungsmaterial beim Holzskelettbau.

Bauphysikalische Eigenschaften  209 

Lehmbaustoffe

Rohdichte (kg/m3)

µ (–)

Stroh- und Massivlehm

1200–2100

5/10

Leichtlehm

600–1200

3/5

Leichtlehm

300–600

2/5

Abb. 315 Richtwerte der Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl µ von Lehmbaustoffen

821 Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl Die Dampfdiffusionswiderstandszahl kennzeichnet den Widerstand, den ein Baustoff der Diffusion der in der Luft enthaltenen Feuchte (»Wasserdampf«) entgegensetzt. Porenstruktur, Dichte und Feuchtegehalt beeinflussen die Diffusion. Der µ-Wert von Leichtlehm ist vergleichsweise sehr niedrig. Er dürfte je nach Mischungsverhältnis und dem Grad der Verdichtung unwesentlich schwanken. Ausschlaggebend ist – abhängig vom Raumgewicht – der Anteil an Grobporen und das Porenvolumen. Guy Vanros ermittelt für Leichtlehm einer Dichte von etwa 800 bis 1100 kg/m3 µ – Werte von 2 bis 3 [Vanros 1981]. Für schwere Lehmbaustoffe (2100 kg/m3) wird µ = 10 angegeben [Bobran 1967]. Messungen an der ETH Zürich ergaben für Leichtlehm Werte von µ = 5–10 [ETH Zürich 1994]. Jüngere Untersuchungen von Leichtlehm mit 400–800 kg/m3 ergaben µ-Werte von 3 bis 4 und von Strohlehm mit 1200–1700 kg/m3 von 6 bis 9 [CSTB u. a. 2011]. Wir schlagen als Richtwerte der Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl die Werte der Abb. 315 vor. In der aktuellen DIN 4108-4 sind für alle Lehmbaustoffe (500–2000 kg/m3) als Richtwerte der Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl µ = 5/10 festgelegt. Für Berechnungen ist der jeweils ungünstigere Wert zu verwenden.

822

Gleichgewichtsfeuchte (Sorptionsfeuchte)

Hygroskopische Baustoffe binden Luftfeuchte molekular an die inneren Porenwände. Mit einer bestimmten relativen Feuchte der Umgebungsluft stellt sich eine bestimmte Gleichgewichtsfeuchte ein. Im Vergleich mit anderen Baustoffen gehört Leichtlehm – wie alle anderen Lehmbaustoffe zu den sehr »trockenen« Stoffen (Abb. 316). Für Baustoffvergleiche ist der auf das Volumen bezogene aussagekräftiger als der massebezogene Feuchtegehalt, da Raumgewicht und Volumen berücksichtigt werden. Massebezogener Feuchtegehalt um um = (mf-mtr) . 100 / mtr (M %) Volumenbezogener Feuchtegehalt uv uv = um . ρ (Vol %) mf = Feuchtmasse mtr = Trockenmasse ρ = Raumgewicht Angaben für Lehmbaustoffe bei unterschiedlicher Umgebungsfeuchte sind in Abb. 316 zusammengestellt. Vanros schließt aus der niedrigen Gleichgewichtsfeuchte 210 Bauen mit Leichtlehm

822-01 CAD mit Abb Verweis 7.Auflage 25

20

CA

Stoffeuchte [Vol.-%]

15

10 BB 5 LL AA 0

20

40

60

80

100

Relative Luftfeuchte[%] Legende: A Ziegel, Gips 1) B Beton, Leichtbeton, Porenbeton, Kalksandstein 1) C Holz, Papier, organische Faserstoffe (Wolle, Seide, Leinen) 1) L Lehmbaustoffe 2) Quellen : 1997] 1) [Gösele/Schüle/Künzel [Gösele Schüle Künzel 1997] 2) nach den Quellen der Abb. 304 317 [Hafezi 1996], [Goosens 1995], [Vanros 1981], [Figgemeier 1994], [Minke 1994], [Ziegert 2003], [Holl/Ziegert [Holl Ziegert 2002] 2002]

Abb. 316 Sorptionsfeuchte von Baustoffen im Vergleich [Volhard 2010b]

der von ihm untersuchten Leichtlehme auf einen geringen Volumenanteil an Luftfeuchte bindenden Mikroporen, also Porendurchmessern von < 0,1 µm [Vanros 1981]. Unter praktischem Feuchtegehalt versteht man den Feuchtegehalt eines Baustoffes, der unter normalen Bedingungen selten überschritten wird. Bei den Rechenwerten der Wärmeleitfähigkeit in den Wärmeschutznormen ist dieser Feuchtegehalt zugrundegelegt (s. DIN 4108-4). Nach bisherigen Messungen kann man für Leichtlehm – und andere Lehmbaustoffe – einen praktischen Feuchtegehalt von uv = 3 % annehmen (Abb. 318). Organische Stoffe nehmen mehr Feuchte an, wie z. B. Holz, Pflanzenfasern oder Stroh. Bei Leichtlehm mit hohem Strohanteil wird die zu erwartende höhere Eigenfeuchte durch den Verbund mit Lehm verringert. Daraus kann man schließen, dass Lehm – aufgrund seiner geringen Eigenfeuchte und hohen Kapillarität – dem im Verhältnis »feuchteren« Stroh und Holz ständig Feuchtigkeit entzieht und nach außen abgibt. Damit würde auch die Tatsache eine Erklärung finden, dass sich von Lehm umschlossenes Holz und Stroh, wenn die Konstruktion vor Nässe geschützt ist, jahrhundertelang unversehrt halten [Volhard 2010a]. Bauphysikalische Eigenschaften  211 

822-02 CAD 822-02 CAD 5 5

1 12 2

Stofffeuchte Stofffeuchte [Vol.-%] [Vol.-%]

4 4

3 3 4 4

3 3 a a

2 2

b b

1 1

5 5 c c

d d 0 0

20 20

6 6 7 7

e e

40 60 40 60 [%] Relative Luftfeuchte Relative Luftfeuchte [%]

80 80

100 100

Legende: Legende: 1 Historischer Strohlehm, 1800 kg/m3 [Hafezi 1996] 1 Historischer Lehmstein, Strohlehm, 1800 kg/m3 1996] 2 Flamen 1760 [Hafezi kg/m3 [Goosens, Verplancke ] Verplancke 2 Historischer Lehmstein, Flamen 1760 kg/m3 [Goosens, 1995 1995] 3 1995] Historischer Strohlehm, Belgien 1250 kg/m3 [Vanros 1981] 3 1981] 3 Historischer Strohlehm, 1640 Belgien 1250 kg/m3 [Vanros 4 kg/m [Figgemeier 1994] 3 3 4 Strohlehm, [Figgemeier 1994] 5 Historischer Strohleichtlehm, a 1200 1640 kg/mkg/m , b 850 kg/m3, c 450 kg/m3, 33 33 3 5 Strohleichtlehm, a 1200 450 kg/m , Blähtonleichtlehm, d 700kg/m kg/m, ,be850 550kg/m kg/m, c[Minke 1994] 3 3 Blähtonleichtlehm, d 7001500 kg/mkg/m , e 550 kg/m3 2003] [Minke 1994] [Ziegert 6 Historischer Wellerlehm, 3 6 Wellerlehm,kg/m 15003 kg/m [Ziegert2002] 2003] [Holl, Ziegert 7 Historischer Lehmputze, 1850-1650 [Holl/Ziegert 2002] 7 Lehmputze, 1850-1650 kg/m3 [Holl, Ziegert 2002]

Abb. 317 Sorptionsfeuchte von Lehmbaustoffen im Vergleich [Volhard 2010b]

Baustoff

Ziegel Gips Leichtlehm Massivlehm Gasbeton Leichtbeton Schwerbeton Mineral. Faserdämmstoffe Pflanzliche Faserdämmstoffe Holzdielen HWL-Platten

Feuchtegehalt vol.massebezogen bezogen uv (%) um (%) 1,5 2 3 3 3,5 5 5 – – – –

Werte außer Lehm nach DIN 4108-4 Abb. 318 Praktischer Feuchtegehalt im Vergleich

212 Bauen mit Leichtlehm

– – – – – – – 5 15 15 15

823

Hygroskopische Feuchteaufnahme und -abgabe

Bei sich ändernder Luftfeuchte nehmen hygroskopische Stoffe Feuchte auf und geben sie zeitlich verschoben wieder ab, Schwankungen der Raumluftfeuchte werden ausgeglichen. Wie andere hygroskopische Stoffe sind Lehmbaustoffe feuchteaufnahme- und -abgabefähig. Raumluftfeuchte wird gasförmig an den inneren Porenwänden eines Baustoffes adsorbiert, je offenporiger und diffusionsfähiger ein Stoff ist. Dabei werden nur ­relativ geringe Feuchtemengen ausgetauscht, ganz anders als bei kapillarer Feuchteaufnahme und -speicherung in Tropfenform, eine Eigenschaft, die z. B. in der Landwirtschaft die Fruchtbarkeit des Bodens ausmacht. Ein feuchter Acker­ boden kann 100-mal mehr Wasser speichern als ein trockener Lehmputz Raumluftfeuchte aufnimmt. Da ein Haus möglichst trocken sein sollte, ist Feuchtespeicherung, d. h. Aufnahme von Wasser in flüssiger Form, mit allen Mitteln der Baukunst zu vermeiden. Die bei der Adsorption von Luftfeuchte ausgetauschten Feuchtemengen sind jedoch bei Wand- und Putzbaustoffen (auch aus Lehm) im Vergleich zur Inneneinrichtung, zu Möbeln, Textilien, Büchern, Teppichen eher gering ([Staufenbiel 1992] B.3, 3.07).CAD Die Austauschvorgänge sind auch sehr langsam und allmählich, d. h. 823-01 gegenüber der ohnehin notwendigen Raumlüftung hygienisch nahezu bedeutungslos.

Feuchteaufnahme 1 Stunde nach 40-80% Feuchtesprung, nach 1 Beton Kalkzementputz Weißkalkputz Fichte Weichfaserplatte Hartfaserplatte Sisalteppich Wollteppich

Synthetischer Teppich Feuchteaufnahme 1 Stunde nach 50-80% Feuchtesprung Beton 2 Gipsputz, Kalkgipsputz 3 Lehmputz 3 Fichte 2 Kalkfarbe 2x, Lehmputz 15+3mm 4 Lehmputz 15+3mm 4 Lehmputz 3mm, Gipskarton 4 Dispersion, Raufaser, Kalkzementputz 2 Dispersion, Raufaser, Gipskarton 2

0

10

20

30

40g/m²

Quellen: 2006] 1 [Künzel/Holm/Sedlbauer [Künzel Holm Sedlbauer 2006] 2 [Otto [Otto 2000] 2006] 2002] 3 [Holl/Ziegert [Holl Ziegert 2002] 2008] 4 [Eckermann/Ziegert [Eckermann-Ziegert 2008] 2007] [Eckermann-Ziegert Abb. 319 Feuchteaufnahme 1 Stunde nach Feuchtesprung 40–80 % und 50–80 % r. F. bei 20°C [Volhard 2010 b]

Bauphysikalische Eigenschaften  213 

Im Baustoffvergleich zeigen sich wesentliche Unterschiede der Feuchteaufnahme erst nach Tagen und Wochen, d. h. tiefere Wandschichten sind bei hygroskopischen Feuchteschwankungen kaum oder nur längerfristig beteiligt. Dies zeigen auch Untersuchungen von [Minke 1994] und [Holl/Ziegert 2002], es wird dort allerdings anders interpretiert. Der meist zugrundeliegende sogenannte Feuchtesprung-Versuch, bei dem Probeflächen einer plötzlichen Erhöhung der Luftfeuchte ausgesetzt werden (von 50 auf 80 % bei 20°C), bildet nicht etwa eine übliche sprunghafte Feuchtebelastung wie Kochen, Baden oder Duschen ab, die sich durch normale Sorption von Raumoberflächen und Einrichtung bald wieder abbauen würde. Hier wird vielmehr das Feuchteniveau von 80 % durch ständige Nachfuhr von Wasser über viele Stunden aufrechterhalten. Bei einer derartigen Luftfeuchte würde man sehr bald das Fenster aufmachen und die Feuchte ablüften. Aber trotz dieses extremen Versuchsklimas erhöht sich die Feuchte z. B. eines Lehmputzes nach einer Stunde nur um etwa 0,05 Vol %, wobei die zur Erzeugung von 80 % RF dem Raum zugeführte Wassermenge bereits vor Ablauf dieser ersten Stunde absorbiert wäre und damit weitere Feuchteaufnahme unmöglich ist. Selbst im künstlichen 80 %-Dauerklima erreichen unbehandelte Lehmputze erst nach 24 Stunden ihre der Luftfeuchte von 80 % entsprechende sehr niedrige Gleichgewichtsfeuchte von etwa 0,7 Vol %. Solche Versuche verdeutlichen sehr anschaulich, dass Lehm lange und zuverlässig Raumklima und Konstruktion trocken hält [Volhard 2010b]. Luftfeuchte kann schließlich nur in den Grenzen der Gleichgewichtsfeuchte aufgenommen werden, die bei Lehm sehr niedrig ist. Die Vorstellung einer Luftbefeuchtung durch Lehmbaustoffe ist nicht realistisch, deren Trockenheit ist gerade ihre Qualität. Wir sehen diese Vorgänge bei der Baustoffargumentation für Lehm heute überbewertet. Auf hohe oder gleichbleibende Werte der relativen Luftfeuchte kommt es physiologisch nicht an, ganz im Gegenteil: Trockene Luft ist, wenn sie staubfrei ist, gesünder [Eisenschinck 1975]. Im Übrigen nimmt der Mensch im Bereich normaler Feuchte (R. F.= 45–75 %) kaum Unterschiede wahr ([Staufenbiel 1992] B.3, 3.01). Ein Vorteil hygroskopischer Baustoffe kann darin gesehen werden, elektrisch neutrale, sich nicht aufladende Wandumschließungsflächen zu bilden. Deshalb ist auch die Art der Oberflächenbehandlung mehr als der Wandbaustoff selbst von wesentlichem Einfluss: Anstrich und Putz sollten offenporig sein.

824 Feuchteleitfähigkeit Bedeutung der Porenstruktur Die Fähigkeit eines Baustoffes, Feuchte als flüssiges Wasser aufzunehmen, zu leiten und auszutrocknen, wird unmittelbar durch seine Porenstruktur bestimmt. Feinporige Stoffe mit einem gut ausgebildeten Kapillarsystem wie z. B. Ziegel saugen schnell und viel und trocknen auch sehr schnell. Dichte Stoffe wie Schwerbeton saugen und trocknen langsam. Für die Trockenhaltung der Konstruktion interessiert 214 Bauen mit Leichtlehm

vor allem das Verhältnis von Wasseraufnahme zur Abgabe (z. B. nach Schlagregen), das Austrocknen der Baufeuchte oder anderer gelegentlicher Feuchteeinwirkungen. Feinst- oder Mikroporen  0,1 mm) können kein Wasser transportieren, aber halten, je nachdem, ob die Porenwände kapillar offen sind ([Staufenbiel 1992] B.1, 1.26). Die Porigkeit von Lehmbaustoffen dürfte sehr abhängig sein vom verwendeten Baulehm und der Verarbeitung. Nach Untersuchungen historischer Leicht- und Strohlehme ist das Gesamtvolumen an Mikroporen, entsprechend der sehr niedrigen Gleichgewichtsfeuchte relativ gering, nur etwas größer als bei Ziegel, kleiner als bei Gasbeton ([Vanros 1981] S. 116). Es überwiegen kapillar leitfähige Feinporen mit großer Saugfähigkeit. Die reichlich vorhandenen Grobporen können viel Wasser aufnehmen und speichern, geben es aber auch relativ schnell wieder über die offenen Porenwände und das Kapillarsystem ab – anders als z. B. Porenbeton, dessen Grobporen sich über weniger Kapillarporen entleeren können. Für eine schnelle Austrocknung sind diese feuchteleitenden Eigenschaften erwünscht. Umgekehrt müssen bekanntlich gerade Lehmbaustoffe vor dauernder Wasseraufnahme – Schlagregen, aufsteigende Feuchtigkeit usw. – zuverlässig geschützt werden. Wasseraufnahme Die Wasseraufnahme (Wasseraufnahmekoeffizient w [kg/m2h0,5]) charakterisiert die kurzfristige Saugfähigkeit von Baustoffen, jedoch nicht das Langzeitverhalten von kapillarer Feuchteaufnahme und Trocknung. Aus diesem Wert können Hinweise für die Baupraxis abgeleitet werden: z. B. Saugfähigkeit von Außenputz, Notwendigkeit von Abdichtungen gegen aufsteigende Erdfeuchte, Notwendigkeit des Vornässens von saugfähigem Putzgrund und Steinen beim Mauern ([Staufenbiel 1992] B.1, 1.04). Eine schnelle kapillare Wasseraufnahme, Saugfähigkeit weist auch auf einen hohen Anteil an Feinporen hin (Ziegel, Kalkputz, Gipsputz). Zur Ermittlung des Wasseraufnahmekoeffizienten wird die Probe in Wasser getaucht und die Gewichtszunahme nach einer Stunde ermittelt. Bei Lehm ist dieser Versuch nicht möglich, da Lehm in Wasser zerfallen kann oder sich je nach Bindekraft durch Quellen selbst abdichtet. Vanros versucht Näherungswerte von Leichtlehm zu finden, indem er die Proben in Kontakt mit einem nass gehaltenen Medium bringt, aber nicht eintaucht. Seine Angaben sind also als Mindestwerte zu verstehen ([Vanros 1981] S. 91). Im Vergleich gehört mittelschwerer Leichtlehm danach zur mittleren Gruppe kapillar saugender Stoffe, vergleichbar mit Hochlochziegel (Abb. 320). Bei zunehmender Grobporigkeit, d. h. größeren Hohlräumen bei leichteren Mischungen, ist eine etwas verminderte Saugfähigkeit, vergleichbar mit Leichtziegel und Gasbeton, zu erwarten. Verhalten bei Feuchte- und Frosteinwirkung Lehmbauteile werden zwar konstruktiv vor Nässe und Feuchte mit den im Kap. 612 beschriebenen Maßnahmen weitgehend geschützt, trotzdem sind manche Bauteile Bauphysikalische Eigenschaften  215 

Wasseraufnahme w (kg/m2h0,5) Gipsbauplatte 900

55/701

Vollziegel 1700

10/30

Leichtlehm 800-1200

5/102

Hochlochziegel 1200

5/10

Leichtziegel 800

3/10

Kalksandstein 1700

3/15

Gasbeton 600

3/10

Leichtbeton Bims 900

3/7

Klinker 2100

0/5

Schwerbeton 2300

0/3

Quellen: 1 [Staufenbiel 1986] Kap. 1.05 2 [Vanros 1981] S. 93, oberer Wert eigene Schätzung, übrige Werte nach [Schwarz 1972] S. 206–211

Abb. 320 Wasseraufnahme im Vergleich

I

V  erputztes, der Witterung ausgesetztes Außen­ mauerwerk

II V  erkleidetes oder witterungsgeschütztes Außenmauerwerk und Innenmauerwerk III  Trockene Anwendung (Deckenauflagen, Stapelwände) Abb. 321 Anwendungsklassen von Lehmsteinen nach [Lehmbau Regeln 2009]

vorübergehend oder periodisch Feuchteeinwirkungen ausgesetzt, denen sie dauerhaft widerstehen müssen. Zum Beispiel kann Regenfeuchte durch den schützenden Außenputz hindurch die Lehmoberfläche aufweichen, auf der eine schwere Putzschale dann keinen Halt mehr findet und abgleiten muss. Wenn durchfeuchtete Lehmbauteile öfter auffrieren, ist deren Gefüge bald zerstört. Ausreichend faserarmierte Lehmbaustoffe wie Stroh-, Faser- und Leichtlehm verhalten sich robust gegenüber Feuchte- und Frosteinwirkung. Dagegen können ausschließlich mineralisch aufbereitete ausgesprochen empfindlich reagieren. Zugfeste Fasern verbinden das Gefüge, auch wenn der Lehm weich wird, Körner dagegen lösen sich voneinander und der Baustoff zerfällt. Ähnliche Unterschiede zeigen sich beim Quellverhalten, das besonders bei stranggepressten Lehmsteinen ohne nennenswertes Zuschlagsgerüst besonders problematisch sein kann. Solche Steine, eigentlich für das Brennen zum Ziegel optimiert, werden im Lehmbau mitunter ungebrannt verwendet, mit entsprechenden Gefahren und kostspieligen Risiken. Der schalenartig im Mundstück der Strangpresse hochverdichtete Stein saugt schon bei geringstem Feuchtekontakt Feuchte und quillt in dem Maße auf, wie er vorher verdichtet wurde. Zu sehr quellende Steine verformen sich, bilden Risse und zerstören früher oder später das Bauteil. Lochsteine reagieren besonders empfindlich und vertragen u. U. nicht einmal die Feuchte eines Mauermörtels einer Innenwand, dürfen also ausschließlich trocken eingesetzt werden. Wegen dieser sehr unterschiedlichen Eignung von Lehmbaustoffen für jeweilige Anwendungsbereiche werden speziell Lehmsteine in den [Lehmbau Regeln 2009] in drei Anwendungsklassen eingestuft (Abb. 321). Maßgeblich für die Einstufung sind die Homogenität des Gefüges, die Wasser- und Frostfestigkeit, das Quellverhalten und der Lochanteil. In orientierenden Versuchen des Verfassers (Abb. 322 und 323) zeigte sich die Überlegenheit von Faserlehm- und Leichtlehmsteinen: In Wasser gelegt, zerfällt der rein mineralische Stein von selbst 216 Bauen mit Leichtlehm

322 Auflöseversuch mit Lehmsteinen im Wasserbad. Links stranggepresster Lehmstein 1800 kg/m3 ohne Fasern, rechts Leichtlehmstein 1200 kg/m3, unten nach 60 Minuten.

Abb. 323 Quellversuch mit Lehmsteinen. Links stranggepresster Lehmstein 1800 kg/m3 ohne Fasern, rechts Leichtlehmstein 1200 kg/m3 mit Fasern, nach Lagerung der Steine auf feuchtgehaltenem Schwammtuch. Nach 24 Stunden ist der stranggepresste Stein stark gequollen, der faserarmierte bleibt formstabil.

in kurzer Zeit, der Leichtlehmstein bleibt dagegen noch nach Tagen in Form, wenn auch angeweicht. Der mineralische Stein quillt im Kontakt mit einem feuchten Medium auf, das Volumen des Leichtlehmsteins bleibt dagegen unverändert. Wird der feuchte Stein mit Frost beansprucht, werden beim mineralischen Stein durch Eisbildung schollenartige Plättchen abgesprengt, der Leichtlehmstein dagegen bleibt unverändert. Bauphysikalische Eigenschaften  217 

825 Tauwasserschutz Kondensation auf Bauteiloberflächen Sind Wandoberflächen kälter als die Taupunkttemperatur der Raumluft, »beschlägt« die Wand wie eine kalte Fensterscheibe. Durchfeuchtet eine Wand über längere Zeit auf diese Weise, können sich Schimmelpilze bilden – heute, durch mangelnde Lüftung und nachträglichen Einbau fugendichter Isolierfenster in schlecht gedämmten Altbauten keine Seltenheit. Schon bei Einhaltung des Mindestwärmeschutzes nach Wärmeschutzvorschriften (DIN 4108-2, s. Kap. 811) sind mit Leichtlehm Oberfächentemperaturen garantiert, die vor Oberflächenkondensation schützen (s. Kap. 814). Wärmebrücken, Bauteiloberflächen mit evtl. gelegentlicher Taupunkttemperatur­ unterschreitung, sind im Holzskelettbau leicht zu vermeiden und mit heutigem Dämmstandard auch reduziert und selten. Immerhin hätten hier feuchtigkeits­ ausgleichende Lehmbaustoffe besondere Vorteile der Trockenhaltung, so dass Schimmel sich nicht bilden kann. Wasserdampfdiffusion Gibt es zu beiden Seiten der Wand einen Dampfdruckunterschied – abhängig von Temperatur und Luftfeuchte –, diffundiert, meistens im Winter, Luftfeuchte in Gasform von innen nach außen. Wird im Inneren des Bauteils bei ungünstigen Klima­ bedingungen der Wasserdampfsättigungsdruck der jeweiligen Temperatur erreicht, fällt der gasförmige Dampf zu Wasser aus. Die Wand wird feucht und verringert ihre Wärmedämmung. Um Tauwasser im Bauteilinneren zu vermeiden, gilt für die Schichtfolge von innen nach außen die Faustregel: −− Abnahme des Dampfdiffusionswiderstandes, d. h. Abnahme der diffusionsäqui­ valenten Luftschichtdicke sd = µ . s (m) der Bauteilschichten −− Zunahme des Wärmedurchlasswiderstandes R (m2K/W) Ein rechnerischer Nachweis des Tauwasserausfalls ist analog den Bedingungen der DIN 4108-3 2014 bei Wänden aus Leichtlehm und anderen Lehmbaustoffen in der Regel nicht erforderlich: Dazu gehören z. B. homogene Konstruktionen ohne oder mit äußerer Wärmedämmung sowie Innendämmungen unter bestimmten Voraussetzungen. Kritisch erscheinende Konstruktionen sollten rechnerisch untersucht werden. Ein Bauteil ist dann unproblematisch, wenn die im Winter kondensierende Wassermenge kleiner ist als die im Sommer verdunstende. Außerdem darf bei Holzbauteilen eine bestimmte Feuchte nicht überschritten werden. Bei solchen Berechnungen sollte man allerdings möglichst realistische Randbedingungen zugrundelegen. Beim Glaserverfahren (DIN 4108) sollte man im Auge behalten, dass als Randbedingung ein konstanter 8-wöchiger Dauerfrost von –10°C angenommen ist und Temperaturschwankungen, Wärmespeicherfähigkeit und Wärmeträgheit unberücksichtigt bleiben. Auch wechseln Tau- und Verdunstungsvorgänge täglich oder stündlich ab. Gleichzeitige Trocknungsvorgänge durch die um Größenordnungen leistungsfähigere kapillare Leitfähigkeit werden bei dieser Diffusionsberechnung überhaupt nicht erfasst [Eichler 1972].

218 Bauen mit Leichtlehm

Wenn also bei einem mehrschaligen Bauteil, z. B. bei der Innendämmung mit Leichtlehm (s. Kap. 453) oder anderen Dämmstoffen, rechnerisch die Tauwasser­ bilanz negativ sein sollte, kann die Konstruktion trotzdem unbedenklich sein, da sich kapillar leitfähige Bau- und Dämmstoffe aufgrund ihrer Porenstruktur selbst trockenhalten. Eine luftdichte Ausführung zur Verhinderung von Konvektionsfeuchte (s. u.) im Bauteil ist dabei vorausgesetzt. Dies berücksichtigt auch DIN 4108-3, die darauf hinweist, dass ein Tauwasserrisiko bei kapillaraktiven Materialien nicht besteht, da der Feuchtetransport wesentlich durch Kapillaritätseffekte beeinflusst wird und nur zum Teil durch Diffusionsvorgänge. Auch die geforderte Einhaltung einer maximalen Holzfeuchte – für leichtgedämmte Konstruktionen vielleicht sinnvoll – dürfte bei der Einbettung des Holzes in Lehmbaustoffe immer erfüllt sein. Dampfsperren? Während Wasserdampf i. A. von der wärmeren zur kälteren Seite diffundiert, wandert Kapillarwasser (auch Niederschlagswasser von außen) immer zur trockenen Seite, auch in der dem Diffusionsstrom entgegengesetzten Richtung – im Winter z. B. nach innen –, wo es an der Wandoberfläche verdunsten will. Eine innere Dampfbremse zum Schutz vor Tauwasserausfall im Inneren des Bauteils ist daher bei kapillar leitfähigen Bauteilen nicht nur unnötig, sondern sogar falsch, da sie die Austrocknung zum Innenraum behindert und als »Feuchtigkeitsfalle« wirkt [Eichler 1972]. Die Betrachtung von Diffusionsvorgängen ist ausschließlich für den Feuchteschutz von Bedeutung. Der Feuchtetransport durch Diffusion bewegt sich in sehr geringen absoluten Mengen und wäre auch bei Bauteilen aus Leichtlehm nicht ausreichend, um überschüssige Raumfeuchte nach außen zu transportieren. Hier hilft nur lüften! Der oft gebrauchte Begriff »atmende Wände« ist in diesem Zusammenhang irreführend und trifft nur für Feuchteaufnahme und Abgabefähigkeit zu. Wasserdampfkonvektion Beim leichten dämmstoffausgefachten Holzbau kann die Mitführung (Konvektion) von Raumluftfeuchte durch Undichtigkeiten einer Dampfbremse, durch Fugen, Steckdosen, Kabellöcher oder Anschlüsse an Mauerwerk ein Problem sein. Im kalten Bereich der Konstruktion kann diese Feuchte evtl. kondensieren und trocknet nicht schnell genug wieder ab, wenn die Dämmstoffe, z. B. Steinwolle oder Hartschaum, keine kapillare Leitfähigkeit besitzen. Nur mit akribischer Ausführung der Dampfsperre und separaten Installationsebenen kann diesem Problem begegnet werden, wobei Dichtungs-Klebebänder mit einer zugesicherten Funktionsfähigkeit von maximal 30–50 Jahren nicht gerade zum nachhaltigen Bauen beitragen. Leichtlehmausfachungen sind dagegen verputzt luftdicht. Entstehende Feuchte würde hier – wie auch beim Tauwasserausfall durch Diffusion – problemlos im Material aufgenommen, kapillar verteilt und schnell wieder abgegeben werden.

Bauphysikalische Eigenschaften  219 

826

Baufeuchte und Trocknung

Trocknung wird gefördert durch Luftbewegung und Wärme, vor allem Wärmestrahlung. Kalte oder ruhende Luft kann nur wenig Feuchtigkeit aufnehmen und abführen. Trotz hohem Wasseranteil bei der Herstellung trocknet Leichtlehm schnell. Der Trocknungsvorgang besteht aus zwei Phasen: 1. Phase: Das »freie« Anmachwasser wird durch kapillare Saugkräfte sehr schnell an die Oberfläche transportiert. Bei Leichtlehm verdunsten auf diese Weise schon nach kurzer Zeit erhebliche Mengen, bis der »Kritische Feuchtegehalt« erreicht ist. 2. Phase: Unterhalb des kritischen Feuchtegehalts diffundiert die gebundene Restfeuchte nun langsamer aus dem Stoff, bis die Gleichgewichtsfeuchte erreicht ist. Der kleine µ – Wert und die geringe Gleichgewichtsfeuchte von Leichtlehm beschleunigen die Trocknung auch in der zweiten Phase [Vanros 1981]. Für eine zügige Trocknung ist die gute Umhüllung der Zuschläge wichtig, denn vor allem der Lehm transportiert die Feuchte an die Oberfläche. Leichtere Mischungen trocknen deshalb langsamer.

827

Nebenerscheinungen bei der Austrocknung

Bei feucht eingebautem Strohleichtlehm können, wenn das Stroh schlecht gedroschen ist, einzelne Getreidekörner im noch feuchten Leichtlehm gute Keimbedingungen finden und vorübergehend ganze Wandflächen begrünen. Das Verdorren der Halme zeigt an, wann die Wand trocken ist. Schimmelbildung Bei verzögerter Trocknung, d. h. einem länger anhaltenden Feuchtegehalt von über 20 % können auf Strohleichtlehm Schimmelpilze wachsen, die mit zunehmender Austrocknung wieder verschwinden. Diese kurzzeitige Schimmelbildung ist zwar unschön, aber unbedenklich, wenn durch normalen baulichen Feuchteschutz dafür gesorgt ist, dass die ausgetrocknete Konstruktion später trocken bleibt. Bei dem geringen praktischen Feuchtegehalt von 3 % (s. Kap. 822) ist eine erneute Schimmelbildung ausgeschlossen. Um eine Schimmelbildung bei Strohleichtlehm während der Bauzeit zu vermeiden bzw. gering zu halten, sind folgende Punkte zu beachten: −− Stroh bis zur Verwendung trocken lagern −− Schlämme nicht zu dünnflüssig aufbereiten −− Unter ungünstigen Bedingungen Beschleunigung der Austrocknung durch Reduzierung des Wasseranteils mit Hilfe von Verflüssigungsmitteln (s. Kap. 318) −− Auf gutes Mischen achten – das Stroh muss gleichmäßig mit Lehm überzogen sein (nasses Stroh ist kein Leichtlehm!) −− Leichtlehm nicht zu nass einstampfen – ziehen lassen −− Wanddicken nicht überdimensionieren: bei zweiseitiger Austrocknung max. 30 cm, bei einseitiger Austrocknung max. 15 cm – bei Holzleichtlehm 35 bzw. 20 cm 220 Bauen mit Leichtlehm

Abb. 324 Vorübergehende Wandbegrünung

während der Trocknung

−− Stampfarbeiten rechtzeitig im Jahr beenden (s. Kap. 710) −− bei anhaltend feuchter Witterung und in der kalten Jahreszeit ist künstliche Bautrocknung ratsam Kompostierung Schlecht aufbereiteter, zu dick oder zu nass eingebauter Strohleichtlehm kann u. U. kompostieren, d. h. wie in einem Komposthaufen vererden. Auch angrenzende Holzbauteile können bei verzögerter Trocknung angegriffen werden. Zur Fehlervermeidung s. o. und Kap. 760.

830 Brandverhalten

831 Baustoffklasse Nach deutschen Normen ist Lehm nicht brennbar, Klasse A1 [DIN 4102-1 1998], nach [DIN 18951 1951] auch dann, wenn zur Magerung pflanzliche Faserstoffe beigefügt werden, das Raumgewicht von etwa 1700 kg/m3 aber nicht unterschritten wird. Bei allen leichteren Faserlehmgemischen, Stroh- und Leichtlehm aus Stroh oder Holzhackschnitzeln, sind die brennbaren Fasern mit Lehm feuerschützend umhüllt, ähnlich wie die Holzwolle in mineralisch gebundenen Holzwolleleichtbauplatten, die nach DIN 4102 schwerentflammbar (B 1) sind. Die Baustoffklasse von Faser-, Strohund Leichtlehm müsste, falls erforderlich, auf der Grundlage von Brandversuchen nach entsprechenden Vorschriften nachgewiesen werden, da diese Baustoffe in heutigen Normen noch nicht klassifiziert sind. Mischungen mit mineralischen Zuschlägen können als nicht brennbar gelten. Zur ungefähren Abschätzung, ob Strohleichtlehm wie Holzwolleleichtbauplatten als schwerentflammbar (B 1) eingestuft werden könnte, ist vom Verfasser eine kleine Versuchsreihe durchgeführt worden. Die Ergebnisse werden von späteren, an der MFPA Leipzig durchgeführten Versuchen mit brennbaren Zuschlägen bestätigt (Abb. 327).

Bauphysikalische Eigenschaften  221 

831-01

h

Flammhöhe

t Abgas

Ø 60 mm 50

d

Tabelle einfügen

45° Versuchsaufbau Probekörper

Abmessungen (mm) b

h

d

1

250

350

48

110 200 160

180 200 250

110 125 120

2 3 4

Raumgewicht (kg/m³) 470 magnesitgebundene Holzwolleleichtbauplatte 440 Leichtlehm * 690 Leichtlehm 1230 Leichtlehm *

Fotos einfügen

Die Leichtlehmproben sind aus Weizenstroh, Schnittlänge 20 bis 40 cm und magerem Lehm (Bindekraft 50 g/cm2) hergestellt Stampffläche d · b ; * d · h

Verkohlungstiefe der Proben (senkrechter Schnitt durch Flammmittelpunkt) b/2

35

1 HWL 470

d

15

2

30

LL 440

Abb. 325 Brandversuch 1 Baustoffklasse

222 Bauen mit Leichtlehm

3

3 mm

LL 690

4

LL 1230

h

832-01

tP

tL

Ø 60 mm

100 mm Versuchsaufbau

Probekörper

RaumRaum­ gewicht kg/m3 kg/m³

1 Leichtlehm

900

2 Leichtlehm *

500

d1

d2

ca. 30 cm

Putz

Anstrich Anstrich

b

h d2 (mm) (mm) 190 190 105 Ziegelsand240 250

d1 9

125 Sand10 Lehmputz

2x Kalkmilch

Tabelle einfügen

_

Leichtlehmmischung aus Weizenstroh, Schnittlänge 20 bis 40 cm, und magerem Lehm (Bindekraft 50 g/cm2) Stampffläche d · b ; * d · h

Fotos einfügen

Verkohlungstiefe (senkrechter Schnitt durch Flammmittelpunkt)

b/2

30 mm

d

60 mm

Probe 1

Probe 2

Abb. 326 Brandversuch 2 Feuerwiderstandsklasse

Bauphysikalische Eigenschaften  223 

Brandversuch 1 Baustoffklasse Probekörper aus Strohleichtlehm verschiedener Dichte und zum Vergleich eine magnesitgebundene Holzwolleleichtbauplatte wurden 10 Minuten mit einem Flammenwerfer schräg von unten beflammt. Alle 2 Minuten wurde die Höhe der Flammenspitze und in 1 m Höhe die Abgastemperatur gemessen (Abb. 325). Der Versuchsaufbau orientiert sich am Brandschachtversuch nach DIN 4102, ohne diesen vorwegnehmen oder ersetzen zu wollen. Es war lediglich beabsichtigt, durch Vergleich mit der – klassi­ fizierten – Holzwolleleichtbauplatte zu qualitativen Ergebnissen zu kommen. Bei keiner Probe kommt es zu Entflammung. Abgastemperatur und Flammhöhe bleiben konstant bzw. haben fallende Tendenz (bei Probe 2). Im Flammkern fangen die Proben 1 bis 3 bald zu glühen an, Probe 4 erst nach 2 Minuten. Während Probe 1 (HWL) in der gesamten Versuchsdauer starken Qualm entwickelt, der nach verbranntem Holz riecht, gibt es bei Leichtlehmproben weder Rauch noch Geruch. Während der Beflammung fallen bei allen Proben nur geringe Mengen verkohlten Materials ab (0 bis 5 g). Nach Beflammungsende glühen die Proben 1 bis 3 im Flammkern etwa 1 Minute nach, ohne jede Flammenbildung. Probe 4 glüht nicht nach. Probe 1 (HWL) qualmt noch ein wenig. Die verkohlten Teile der Proben werden ausgekratzt. Tiefe, Breite und Höhe der Verkohlung zeigt Abb. 325. Abweichungen von der vermuteten Beziehung zwischen Raumgewicht und Verkohlung bei Probe 2 und 3 lassen sich auf Inhomogenitäten des Materials und unterschiedliche Stampfrichtungen zurückführen. Trotz des vereinfachenden Versuchsaufbaus lässt sich mit aller Vorsicht zusammenfassend feststellen: −− Leichtlehm verhält sich passiv bei Flammeinwirkung, d. h. er trägt nicht zur Brandausbreitung bei. −− Durch die Bildung einer »wärmedämmenden« Kohleschicht schützt sich die Oberfläche vor direkter Flammeneinwirkung, und zwar zunehmend mit der Beflammungsdauer. −− Es entstehen weder Rauch, Qualm noch wahrnehmbare Verbrennungsgase. Zuschlag Mineralische Zuschlagstoffe1

Erforderliche Rohdichte des Lehmbaustoffes (kg/m3)

Klassifizierung

Keine Anforderung

Nichtbrennbar

»lehmbaugerechte Beimischungen« pflanzlicher Faserstoffe2

≥1700

Nichtbrennbar

Stroh3

>1200

Nichtbrennbar

Stroh3

>600

Schwerentflammbar

Holzhackschnitzel3

>1400

Nichtbrennbar

Holzhackschnitzel3

>800

Schwerentflammbar

Sägespäne3

>1600

Nichtbrennbar

Sägemehl3

>2000

Nichtbrennbar

Hanf, Flachsschäben3

>600

Schwer-entflammbar

1  vgl. DIN 4102-4 1994 2 vgl. DIN 18951 Bl.1 1951 3 Nach im Rahmen von Diplomarbeiten an der MFPA Leipzig nach DIN 4102-1 durchgeführten Untersuchungen zur Abschätzung des Brandverhaltens von Lehmbaustoffen [Ziegert 1996] [Börjesson 1997].

Abb. 327 Brandverhalten von Lehmbaustoffen, Zusammenstellung nach DIN und Forschungsergebnissen

(vgl. [Lehmbau Regeln 2009])

224 Bauen mit Leichtlehm

−− Es fallen keine Teile ab, die brandausweitend wirken könnten. −− Verglichen mit der Holzwolleleichtbauplatte ist das Brandverhalten mit geringerer Verkohlung und ohne Rauchentwicklung günstiger. Strohleichtlehm könnte daher als schwerentflammbar (B 1) eingestuft werden. Holzleichtlehm dürfte ähnliche Eigenschaften haben.

832 Feuerwiderstandsklasse Die Feuerwiderstandsklasse F bezeichnet die Feuerwiderstandsdauer eines Bauteils in Minuten, z. B. F 30 = mind. 30 Minuten widerstandsfähig. Die Feuer­ widerstandsdauer ist für Bauteile, die nicht klassifiziert sind, durch Prüfungen nachzuweisen. Um das Brandverhalten von Leichtlehm – auch hier Strohleichtlehm – im eingebauten Zustand und verputzt beurteilen zu können, wurde ein weiterer Brandversuch durchgeführt. Brandversuch 2 Feuerwiderstandsklasse Es wurden zwei mit Lehm-Sandputz beschichtete Proben unterschiedlichen Raum­ gewichts untersucht (Abb. 326). Die Putzoberfläche wurde mittig mit einem ­Flammenwerfer 45 Minuten beflammt; Probe 1 aus 7 cm Abstand, Probe 2 aus 15 cm mit stärkerer Flamme. Der Flammendurchmesser betrug 20 bzw. 26 cm. Die Proben sind in einen rückseitig geschlossenen Kasten aus Dämmstoff gepackt, so dass sie sich seitlich und auch hinten nur unwesentlich abkühlen konnten. Alle 5 Minuten wurde die Probentemperatur auf der Rückseite genommen – in Höhe der Beflammung, 10 cm unter der Putzoberfläche, außerdem die Lufttemperatur im Kasten. Die Wärmedämmung des Leichtlehms führt zu einer im Vergleich zur Flammtemperatur nur geringen Temperaturerhöhung auf der Rückseite (10 cm unter der Putzoberfläche). Es ist keinerlei Rauchentwicklung zu beobachten. Die Putzfläche der Probe 1 glüht im Flammkern im Durchmesser von etwa 8 cm, die der Probe 2 wegen stärkerer Beflammung und größeren Abstands bis 16 cm Durchmesser. Nach Ende der Beflammung – nach 45 Minuten – ist bei beiden Proben die Putzfläche bis auf Spannungsrisse im Randbereich unversehrt. Der durchgeglühte Lehmputz ist zum wasserunempfindlichen Ziegelscherben gebrannt. Putz 2 ist entsprechend rötlich gefärbt, während der Kalkanstrich der anderen Probe im Flammkern unverändert weiß, darüber schwarz verrußt ist. Beim Aufsägen der Probe 2 fällt der Putz ab. Der Leichtlehm (500 kg/m3) ist trotz seines geringen Lehmanteils (ca. 25 Vol. % magerer Lehm) und der dünnen Putzschicht nur bis 6 cm Tiefe verkohlt. Die verkohlte Schicht fällt nicht ab. Bei der Probe 1 (900 kg/m3) mit ca. 45 Vol. % Lehmanteil bleibt der Putz fest haften. Auch dieser Versuch diente nur zur groben Abschätzung des Brandverhaltens. Es ist zu vermuten, dass −− verputzter Leichtlehm feuerhemmende Eigenschaften hat. Die Feuerwiderstandsdauer wird von der Putzstärke (möglichst 15 bis 20 mm), dem Raumgewicht des Leichtlehms und der Wand- bzw. Schichtdicke abhängen. Bauphysikalische Eigenschaften  225 

−− eingeschlossene Holzteile bei Wänden und Decken weitgehend vor Verkohlung geschützt sind, wenn sie durch eine 5 bis 10 cm dicke, verputzte Leichtlehmschicht verdeckt sind. Bei Faserlehm (> 1 200 kg/m3) dürften geringere Putzstärken ausreichen. −− eine Feuerwiderstandsklasse von Wänden und Decken von F 30 bis F 90 erreichbar sein dürfte. Dies müsste durch Prüfungen auf der Grundlage von Brandversuchen nachgewiesen werden.

833 Klassifizierte Holzbauteile mit Lehmfüllungen Die in [DIN 4102-4 1994] klassifizierten Bauteile können ohne Brandschutznachweis in die dort angegebene Feuerwiderstandsklasse eingereiht werden. Dass sich in der DIN neben den beim Holzbau heute üblichen Platten- und Tafelbauweisen noch Angaben zu Lehmausfachungen in Wänden und Decken gehalten haben, zeugt von der Dauerhaftigkeit des Baustoffs – auch in der zeitgenössischen Normung. Bei Fachwerkwänden und Holzbalkendecken ist allerdings nur allgemein von »Lehmschlag« die Rede. Gemeint sind wohl traditionelle Strohlehmausfachungen. Wände Fachwerkwände gelten als F 30-B, wenn die Gefache vollständig mit Lehmschlag (oder HWL oder Mauerwerk) ausgefüllt und mindestens einseitig geschlossen verkleidet sind, z. B. mit 15 mm Putz (Abb. 328). Decken und Dächer Die in der DIN klassifizierten Holztafel- und Holzbalkendecken sind überwiegend Span- und Gipsplattenkonstruktionen. Als notwendige Dämmschichten sind nicht brennbare Mineralfaserstoffe vorgeschrieben. Traditionelle Konstruktionen sucht man vergeblich. Bei Decken mit verdeckten Holzbalken darf allerdings als brandschutztechnisch notwendige Dämmschicht auch Lehmschlag auf Einschubboden verwendet werden. Bei Decken mit freiliegenden Holzbalken sind für den Brandschutz

Bauteil

Klassifizierung

Massive Wände Massive gemauerte oder gestampfte Lehmwände (der Baustoffklasse A) einer Dicke von 24 cm1

F 90 A

Fachwerkwände mit ausgefüllten Gefachen Bedingungen: Holzquerschnitte mind. 100 × 100 mm bei einseitiger, mind. 120 ×120 mm bei zweiseitiger Brandbeanspruchung, Ausfüllung mit Lehmschlag (Strohlehmausfachung), mindestens einseitige Bekleidung, z. B. mit 15 mm Putz2

F 30 B

1 Nach DIN V 18954 1956 2 Vgl. DIN 4102-4 1994, Abschnitt 4.11, Bedingungen im Einzelnen siehe dort.

Abb. 328 Feuerwiderstandsklasse von Wänden mit Lehmbaustoffen (vgl. [Lehmbau Regeln 2009])

226 Bauen mit Leichtlehm

Bauteil

Klassifizierung

Holzbalkendecke mit vollständig freiliegenden, dreiseitig dem Feuer ausgesetzten Holzbalken Deckenauflage z. B. aus Lehmbaustoffen beliebiger Dicke, je nach Balkenabstand und -querschnitt, Schalung, Fußbodenaufbau1 Holzbalkendecke mit verdeckten Balken Einschub mit Lehmschlag ≥ 60 mm oder Querhölzer (Stakung) mit Lehmschlag, je nach Balkenabstand, oberer Schalung, unterer Bekleidung2 Deckenbeläge (nur für Feuerbeanspruchung von der Oberseite) Belag aus ≥ 50 mm Lehm3

F 30 B bis F 60 B

F 30

Anmerkungen: 1 Vgl. DIN 4102-4 1994 (5.3.2) und Tabelle 62, Bedingungen im Einzelnen siehe dort. 2 Vgl. DIN 4102-4 1994 (5.3.3) und Tabelle 56 und 63, Bedingungen im Einzelnen siehe dort. 3 Vgl. DIN 4102-4 1970 (4.2)

Abb. 329 Feuerwiderstandsklasse von Decken mit Lehmbaustoffen (vgl. [Lehmbau Regeln 2009])

nur die Balkenquerschnitte und die Ausbildung der Beplankung ausschlaggebend. Die Auffüllung ist hier beliebig, kann also auch als Lehm oder Leichtlehm bestehen (Abb. 329). Sonstige Konstruktionen mit Lehmbaustoffen oder Leichtlehm sind bisher nicht geprüft und auch nicht in der Norm enthalten. Gegenüber der Holztafelbauweise haben Ausfachungen mit Leichtlehm den brandschutztechnischen Vorteil, dass sie fugenlos aus einem Stück und wesentlich dicker ausgeführt sind. Verputzte 12–30 cm dicke Wände dürften mindestens F 30 sein. Tragende Holzteile, in Leichtlehm eingebettet, sind besonders gut geschützt. Unterseitig verputzte Leichtlehmdecken dürften ebenfalls mindestens als F 30 gelten, wenn Balken mit geringen Querschnitten verputzt werden. Für freiliegende Balken gelten die Angaben der DIN. Die tragende Stakung sollte durch mindestens 5 bis 6 cm Leichtlehmüberdeckung geschützt sein. Putzschichten sollten für feuerhemmende Konstruktionen 15 mm oder besser 20 mm stark sein.

840 Schallschutz

841 Luftschalldämmung Heutige Holzskelettbauten sind meist mit leichten, mehrschaligen Konstruktionen aus dünnen, biegeweichen Gips- oder Spanplatten beplankt, entsprechend sind in heutigen Normen ausschließlich solche Leicht-Konstruktionen und deren Schalldämm-Maße angegeben. Mit Mauerwerk oder mit Lehm ausgefachte Holzskelett­ konstruktionen werden nicht behandelt. Die Schalldämm-Maße von Lehmausfachungen kann man aber wie Massivkonstruktionen nach ihrem Flächengewicht berechnen. Lehmbaustoffe bringen Masse in den Skelettbau. Ein guter Schallschutz ist mit einfachen, einschaligen Konstruktionen erreichbar. Gegenüber Ausmauerungen aus anderen Massivbaustoffen – gebrannten Ziegeln, Leicht- oder Porenbeton­steinen – Bauphysikalische Eigenschaften  227 

Wanddicke s1 = Rohdichte

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35 m

Schalldämm-Maße R’w (dB)2

kg/m3 1800

47

51

54

56

1600

46

50

52

55

57

1400

45

48

51

53

55

57

1200

44

47

50

52

54

55

1000

43

46

48

50

52

53

800

41

44

46

48

50

51

600

40

42

44

46

47

49

1 Wanddicke ohne Putz 2 bei einer mittleren flächenbezogenen Masse der flankierenden Bauteile von 300 kg/m2, unter der Annahme einer gleichen Biegesteifigkeit wie der üblicher Wandbaustoffe

Abb. 330 Bewertete Schalldämm-Maße R’w einschaliger, verputzter Lehmwände (s. DIN 4109 1989 Beiblatt 1,

Tab. 1)

sind alle Lehmbaustoffe und besonders Leichtlehm weicher und elastischer. Schallschwingungen werden im Material absorbiert und gedämpft. Ausfachungen mit Leichtlehm betten das Holzskelett ein, wodurch Aufnahme und Weitergabe von Schallschwingungen vermindert und gedämpft werden. Als schwerer, aber weicher Baustoff dürfte Lehm besondere schallschutztechnische Vorteile bieten. R’w (dB) 35

Sprechen zu verstehen

40

Sprechen nicht mehr zu verstehen

45

Laute Sprache kaum verständlich

53

Gesang kaum wahrnehmbar

50

Sprechen unhörbar, Gesang störend

60

Radio nicht mehr hörbar

Abb. 331 Subjektive Wirkung von Schalldämmwerten nach [Bobran 1967] S. 44

Bewertetes Schalldämm-Maß

Rohdichteklasse

Schalendicke

R’w,R (dB)

kg/dm3

cm

0,7

2 × 17,5

57

62

67

0,9

2 × 15

1,2

2 × 11,5

0,5

2 × 24

0,8

2 × 17,5

0,9

2 × 15

1,2

2 × 11,5

0,9

2 × 24

1,2

17,5 + 24

1,4

2 × 17,5

1,6

11,5 + 17,5

2,0

2 × 11,5

Abb. 332 Schalldämm-Maße von zweischaligem Mauerwerk mit durchgehender

Gebäudetrennfuge, beiderseitig 15 mm verputzt (nach DIN 4109 1989 Beiblatt 1, Tab. 6)

228 Bauen mit Leichtlehm

Luftschall erf. R’w dB

Trittschall erf. L’n,w dB (erf. TSM)1

Geschosshäuser mit Wohnungen und Arbeitsräumen Wohnungstrenndecken

54

53 (10)

Wohnungstrennwände

53



Decken



48 (15)

Haustrennwände

57

-

Einfamilien-Doppelhäuser und Reihenhäuser

1 Trittschallschutzmaß TSM = 63 dB – L’n,w

Abb. 333 Erforderliche Luft- und Trittschalldämmung gegen Schallübertragung aus einem

­ ohn- oder Arbeitsbereich nach DIN 4109 1989 Tab. 3 fremden W Lärmpegelbereich

Außenlärmpegel

erf. Schalldämm-Maß des Außenbauteils

dB (A)

R’w1 (dB)

I

≤ 55

30

II

56–60

30

III

61–65

35

IV

66–70

40

V

71–75

45

1 bei 20% Fensterflächenanteil nach DIN 4109 Tab. 10

Abb. 334 Anforderungen an die Schalldämmung von Aufenthaltsräumen in Wohngebäuden nach

DIN 4109 1989 Tab.8

Die Luftschalldämmung einschaliger Wände nimmt allgemein mit ihrem Flächengewicht zu. Für schalldämmende Innenwände und Decken wählt man deshalb für die gestampfte Ausfachung ein hohes Raumgewicht (Mischung mit hohem Lehmanteil) oder man mauert mit schweren Lehmsteinen aus. Um eine Schallübertragung durch Fugen und feine durchgehende Luftporen zu verhindern, ist mindestens einseitiges Verputzen erforderlich. Durch die Putzschichten nimmt das Flächengewicht zu, die Schalldämmung wird damit verbessert. Welche Schallschutzmaße mit einschaligen verputzten Innenwänden zu erzielen sind, zeigt Abb. 330. Da Schall auch über die flankierenden Bauteile (Decken, Wände) übertragen wird, ist deren Flächengewicht für die erreichte Schalldämmung mitentscheidend. Haus- und Wohnungstrennwände Eine ausreichende Schalldämmung von Wohnungs- und Haustrennwänden kann mit Leichtlehm nur zweischalig mit einer durchgehenden Trennfuge erreicht werden. Erforderliche Schalendicken zeigt Abb. 332. Zu beachten sind allerdings auch Brandschutzvorschriften, die z. T. für Brandwände nichtbrennbare Baustoffe vorschreiben. Geeignet sind hier schwere, nichtbrennbare Lehmbaustoffe (> 1700 kg/m3), z. B. Lehmsteine, die auch mehrgeschossig selbsttragend – ohne einbindende Skelettkonstruktion – eingesetzt werden können. Nach manchen Bauordnungen (z. B. HBO, Hessen) sind auch feuerhemmende Holzskelettwände zulässig. Bauphysikalische Eigenschaften  229 

Außenwände Der Schallschutz von Außenwänden ist so gut wie der der Fenster und deren Flächenanteil. Was die Wandfläche betrifft, sind für die lauteste Umgebung geforderte Werte (Abb. 334) mit leichten Baustoffen wie Leichtlehm (600 kg/m3) bei üblicher Wanddicke zu erreichen (Abb. 330).

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Schallschutz von Holzbalkendecken (Abb. 335 und 336)

Der Schallschutz von Decken muss meist nur zwischen fremden Wohn- und Arbeitsräumen nachgewiesen werden (Abb. 333). Im Einfamilienhaus können auch einfachere Konstruktionen genügen. Bei einer direkten Befestigung des Fußbodens und der Unterdecke an den Balken werden Luft- und Trittschall (Gehgeräusche) über die Balken übertragen. In diesem Fall ist weniger das Gewicht der Füllung entscheidend, sondern Querschnitt und Steifigkeit der Balken. Erforderliche Schalldämm-Maße werden selbst mit Querschnitten 842-01 über 16/22 cm nur unsicher erreicht (Abb. 335). Für die Steifigkeit der Decke ist es 1 Fußboden und Unterdecke mit Balken fest verbunden Auffüllung leicht oder schwer Balken 10/20 bis 16/22

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